Die schwachen jan-Verben des Althochdeutschen: Ein Gliederungsversuch 9783666203473, 3525203470, 9783525203477


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German Pages [704] Year 1996

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Die schwachen jan-Verben des Althochdeutschen: Ein Gliederungsversuch
 9783666203473, 3525203470, 9783525203477

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V&R

Studien zum Althochdeutschen Herausgegeben von der Kommission für das Althochdeutsche Wörterbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen Band 32

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Jörg Riecke

Die schwachen jan-Verben des Althochdeutschen Ein Gliederungsversuch

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Gefördert mit Mitteln des BMBF und des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Bund-Länder-Finanzierung „Akademienprogramm"

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Riede, Jörg: Die schwachen jan-Verben des Althochdeutschen : ein Gliederungsversuch / Jörg Riecke. Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1996 (Studien zum Althochdeutschen ; Bd. 32) Zugl.: Regensburg, Univ., Diss. ISBN 3-525-20347-0 NE: G T

D 355 © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996 Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck: Hubert & Co., Göttingen

MEINEN ELTERN

Vorwort Die Studie hat in einer ersten Fassung im Dezember 1992 der Philosophischen Fakultät IV der Universität Regensburg als Dissertation vorgelegen. Von Oktober 1989 bis Dezember 1991 wurde sie gefördert durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Angeregt und mit vielfältigem Rat begleitet wurde die Untersuchung bis zu seinem plötzlichen Tod von Professor Dr. Klaus Matzel. Ihm bin ich für zahlreiche, weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausreichende Hinweise zu großem Dank verpflichtet. Die Darstellung wurde in der Hoffnung zu Ende geschrieben, daß sie seinen Vorstellungen entsprechen möge. Zu danken habe ich auch Professor Dr. Heinrich Tiefenbach (Regensburg), der kurzfristig die Begutachtung der Arbeit übernommen hat. Seine Anmerkungen sind der Druckfassung an vielen Stellen zu Gute gekommen. Ebenso gilt mein Dank Frau Professor Dr. Rosemarie Lühr (Jena), deren Rat mir bei verschiedenen Einzelfragen eine große Hilfe war. Die Kommission für das Althochdeutsche Wörterbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen (Professor Dr. Rolf Bergmann/Bamberg, Professor Dr. Volker Honemann/Münster, Professor Dr. Peter Ochsenbein/St. Gallen, Professor Dr. Dr.h.c. Rudolf Schützeichel/Münster, Professor Dr. Dr. h.c. Karl Stackmann/Göttingen, Professor Dr. Lothar Voetz M.A./Heidelberg) hat die Arbeit in die Reihe der Studien zum Althochdeutschen aufgenommen. Professor Dr. Dr.h.c. Rudolf Schützeichel (Münster) danke ich für seine vielfältige Unterstützung, seine Geduld und nicht zuletzt für seine zahlreichen Hinweise, mit der er die Erstellung der Druckfassung wesentlich gefördert hat. Frau Kristina Kallert M.A. (Brno) und Professor Dr. Eckhard Meineke (Jena) haben zu einem früheren Zeitpunkt verschiedene Teile der Arbeit gelesen und großen Anteil an der allmählichen Verdichtung des Textes. Auch Professor Albrecht Greule (Regensburg), Dr. Jiri Munzar (Brno), Professor Dr. Hans Ramge sowie den Mitarbeitern der germanistischen Institute in Regensburg, Brno und Gießen sei an dieser Stelle ausdrücklich für die Geduld gedankt, die sie mir während der Phase der Überarbeitung des Manuskripts entgegengebracht haben. Bei der Erstellung und Korrektur des Manuskripts haben mir besonders Laurie Anderson, William S. Borroughs, Frau Dr. Barbara U. Brunnbauer, Frau Dr. Bina Griese und Tanja Wagensohn geholfen. Mein ganz besonderer Dank gilt Karin Attenberger, ohne deren Hilfe die erste Fassung dieser Arbeit vermutlich niemals fertig geworden wäre. Auch meinem Bruder und Herrn Gerd Richter bin für ihre Unterstützung bei der technischen Gestaltung des Textes zu großem Dank verpflichtet. Gießen im April 1996

Jörg Riecke

Inhalt

Abkürzungen

16

Literatur

20

I. Einleitung

58

1. Erkenntnisziel

58

?.. Forschungsstand

58

3. Vorgehensweise

64

A. Aufbau der Arbeit

64

B. Methodische Grundlagen

64

C. Aufbau der Wortartikel

70

II. Das Korpus 1. Erfassung des Materials 2. Eingrenzung des Materials A. Eingrenzung unter räumlich-zeitlichen Gesichtspunkten

73 73 74 74

a. Aussonderung von nicht-hochdeutschen Verben

74

a l . Handschriften mit altsächsischer Glossierung

75

a2. Handschriften mit altenglischer Glossierung

81

b. Aussonderung von frühmittelhochdeutschen Verben B. Eingrenzung unter morphologischen Gesichtspunkten a. Aussonderung von denominalen -ío-/-rá-Adjektiven

82 92 92

b. Aussonderung weiterer Fehldeutungen

107

b l . Starke Verben

107

b2. ««-Verben

111

b3. ¿«-Verben

113

b4. Mit un- präfigierte Partizipialadjektive oder Adverbien

116

b5. Vereinzelte Irrtümer und Fehldeutungen

121

c. Partikelkomposita

129

C. Ergebnis

130

10

Inhalt

III. Analogische Neubildungen

132

1. Lehnwörter A. Eingliederung in die Gruppe der -V-t-jan-Verben B. Eingliederung in die Gruppe der jan-Yerben 2. Ehemals starke Verben A. Die Gruppe der verba pura Β. Die -«//¿-Bildungen 3. Onomatopoetische Verbalbildungen 4. Bildungen mit sogenannter Intensivgemination 5. Verbalkomposita 6. Bildungen mit Metathese

132 133 135 144 144 150 178 185 197 200

IV. Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ja-Suffix

201

1. Ableitungen mit dem Suffix -W-ti-jaA. Ableitungen von einem schwachen Verb 2. Ableitungen mit dem Suffix -V-r-jaA. Ableitungen von einem schwachen Verb a. Bildungen mit Ablaut 3. Ableitungen mit dem Suffix -V-l-jaA. Ableitungen von einem Substantiv B. Ableitungen von einem schwachen Verb 4. Ableitungen mit dem Suffix -(V-)k-ja5. Ableitungen mit dem Suffix germ. *-(V-)t-jaA. Ableitungen mit dem Suffix -V-t-jaa. Ableitungen von einer Interjektion b. Ableitungen von einem Substantiv c. Ableitung von einem Adjektiv d. Ableitungen von einem schwachen Verb d l . Bildungen mit expressiver Vokalvariation e. Ableitungen von einem starken Verb oder der Verbalwurzel el. I. Ablautreihe e2. II. Ablautreihe e3. III. Ablaut reihe e4. V. Ablautreihe

202 202 203 203 206 207 208 209 210 212 214 214 217 219 219 237 238 239 239 241 242

Inhalt

e5. VI. Ablautreihe e6. VII. Ablautreihe B. Ableitungen mit dem Suffix ahd. V-n-zeC. Ableitungen mit dem Suffix -t-jaa. Ableitungen von einer Interjektion b. Ableitungen von einem schwachen Verb 6. Ableitung mit ¿/-Erweiterung 7. Ableitung mit ^-Erweiterung 8. Ableitungen mit ¿-Erweiterung A. Ableitungen von einem schwachen Verb B. Ableitungen von der Verbalwurzel 9. Ableitungen mit .(¿-Suffix 10. Ableitungen mit tf-Suffix 11. Ableitungen mit einem Nasalformans A. Bildungen mit Nasalsuffix B. Bildungen mit Nasalinfix

V. Ableitungen von einem Nominalstamm 1. Ableitungen von einem Substantiv A. Ableitungen von einem Λ-Stamm a. Ableitungen von Simplicia b. Ableitungen von Partikelkomposita c. Ableitungen von Komposita B. Ableitungen von einem ja-Stamm a. Ableitungen von Simplicia b. Ableitungen von Partikelkomposita c. Ableitungen von Komposita C. Ableitungen von einem ze«-Stamm D. Ableitungen von einem /-Stamm a. Ableitungen von Simplicia b. Ableitungen von Partikelkomposita c. Ableitungen von Komposita E. Ableitungen von einem o-Stamm a. Ableitungen von Simplicia b. Ableitungen von Partikelkomposita F. Ableitungen von einem^'¿kStamrn

11 242 244 245 247 247 248 250 250 251 251 252 253 254 254 255 255

257 257 262 262 306 307 308 308 313 316 318 319 319 332 335 337 337 360 361

Inhalt

12

2. 3.

4. 5.

G. Ableitungen von einem wo-Stamm H. Ableitungen von einem «-Stamm. a. Ableitungen von Simplicia b. Ableitungen von Komposita I. Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen a. Die Basis ist in einer germanischen Einzelsprache bezeugt al. Ableitungen von Simplicia b. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt b l . Ableitungen von Simplicia b2. Ableitungen von Suffixbildungen b3. Ableitungen von Partikelkomposita b4. Ableitungen von Komposita

362 363 363 370 370 370 370 386 386 390 391 394

J. Zusammenstellung der Belegverteilung a. Chronologische Gliederung b. Semantische Gliederung Ableitungen von einem Adverb Bildungen aus einem Syntagma Α. Bildungen aus einer Präpositionalphrase B. Ableitungen aus einer Wortgruppe Ableitungen von einer Interjektion Ableitungen von einem Adjektiv A. Ableitungen von einem a/ô-Stamm a. Ableitungen von Simplicia b. Ableitungen von abgeleiteten Adjektiven bl. Ableitungen von Basen auf -ag, -ig und -ig b2. Ableitungen von Basen auf -haft b3. Ableitungen von Basen auf -isc b4. Ableitungen von Basen auf -Ith b5. Ableitungen von Basen auf -sam c. Ableitungen von Partikelkomposita d. Ableitungen von Komposita B. Ableitungen von einem i/ja-Stamm a. Ableitungen von Simplicia b. Ableitungen von abgeleiteten Adjektiven b l . Ableitungen von Basen auf -bàri b2. Ableitungen von Basen auf -luomi c. Ableitungen von Partikelkomposita d. Ableitungen von Komposita

394 394 400 408 415 415 417 420 421 423 423 460 460 462 464 464 465 465 467 469 469 488 488 488 489 493

Inhalt

13

C. Ableitungen von einem wa/wô-Stamm

495

a. Ableitungen von Simplicia

495

D. Ableitungen von indeklinablen Adjektiven E. Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen a. Die Basis ist in einer germanischen Einzelsprache bezeugt al. Ableitungen von Simplicia a2. Ableitungen von abgeleiteten Adjektiven a3. Ableitungen von Komposita

512 514

b. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt F. Ableitungen von einem Partizipialadjektiv a. Ableitungen vom Partizip eines schwachen Verbs b. Ableitungen vom Partizip eines starken Verbs G. Bildungen mit Ablaut H. Zusammenstellung der Belegverteilung a. Chronologische Gliederung b. Semantische Gliederung

515 518 518 519 522 524 525 529

VI. Ableitungen von einem Verbalstamm 1. I. Ablautreihe A. Bildungen von der abgetönten Vollstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt

499 499 499 500

531

;

b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt B. Ableitungen von der Schwundstufe 2. II. Ablautreihe A. Bildungen von der abgetönten Vollstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt

533 533 533 550 555 559 561 561 561 567 568

B. Ableitungen von der Schwundstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt

574 574

b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt C. Ableitungen von der gedehnten Schwundstufe

575 576 581

14

Inhalt

3. III. Ablautreihe A. Bildungen von der abgetönten Vollstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt B. Ableitungen von der Schwundstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt.... 4. IV. Ablautreihe A. Bildungen von der abgetönten Vollstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt B. Bildungen von der «-Stufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt C. Bildungen von der Schwundstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt b. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt 5. V. Ablautreihe A. Bildungen von der abgetönten Vollstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt B. Bildungen von der «-Stufe 6. VI. Ablautreihe A. Bildungen mit langvokalischem o a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt 7. VII. Ablautreihe A. Ableitungen von Verben der Wurzelstruktur -K + germ, a + RK oder RR a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt

582 582 582 601 605 612 612 616 618 622 622 622 624 625 633 633 634 634 635 638 638 638 646 648 650 651 651 652 653 656 660 660 660

Inhalt

Β. Ableitungen von Verben der Wurzelstruktur -K (+R) + germ. au + Κ a. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt C. Ableitungen von Verben der Wurzelstruktur -K + R + germ. ο+ Κ a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt D. Reduplizierend-ablautende Verben a. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt 8. Bildungen von der c-Stufe 9. Zusammenstellung der Belegverteilung A. Gliederung nach Ablautklassen B. Chronologische Gliederung C. Semantische Gliederung 10. Der Typ ahd. tewen/touwen 11. Der Typ germ, wurk-ja-

15

662 662 663 663 664 664 665 667 667 669 673 678 682

VII. Zusammenfassung und Ausblick

684

Verzeichnis der althochdeutschen ^«-Verben

689

Abkürzungen Die aufgeführten Siglen (insbesondere für Zeitschriften und häufig zitierte Werke) dienen der raumsparenden Verkürzung der Bibliographie, der Wortartikel und des Anmerkungsapparats. Gängige Abkürzungen für Sprachen und Sprachstufen (vom Typ ahd., lat. und dergleichen), sodann Abkürzungen in Handschriftensignaturen (Clm, O N B und so weiter), weiterhin die Siglen für althochdeutsche literarische Denkmäler (Β., H., I., Μ., Ο., T. und so weiter) werden nicht aufgeführt. Für die literarischen Denkmäler des Althochdeutschen werden die Siglen verwendet, die in der fünften Auflage des Althochdeutschen Wörterbuchs von Rudolf Schützeichel erscheinen. Die Siglen der Glossenhandschriften, sofern sie nicht in den StSG. verzeichnet sind, sind dem Verzeichnis des Althochdeutschen Glossenwörterbuchs von Taylor Starck und J.C. Wells entnommen. Diese Siglen werden zusätzlich mit dem Zusatz "Gl." versehen, um Verwechslungen mit anderen Abkürzungen zu vermeiden. Häufig zitierte lateinische Quellen werden ebenfalls abgekürzt. Die Abkürzungen werden in einem gesonderten Verzeichnis aufgelöst. Die Abkürzungen der biblischen Bücher folgen der Vulgata-Ausgabe R. Webers.

1. Zeitschriften und Literatur ABG. ADA. AStNSpL. BEDSp. BEG. BMZ. BNF. BSL. BV. CSEL. DRWB. DWB. DWFEB. FTW. Gl. GSp. HD. HEW. HS. HSH. HSN.

Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik Anzeiger für deutsches Altertum Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen Beiträge zur Erforschung der deutschen Sprache Wilhelm Braune - Hans Eggers, Althochdeutsche Grammatik s. Georg Friedrich Benecke - Wilhelm Müller - Friedrich Zarncke, Mittelhochdeutsches Wörterbuch Beiträge zur Namenforschung Bulletin de la Société de Linguistique Rolf Bergmann, Verzeichnis der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften Corpvs Scriptorvm Ecclesiasticorvm Lationorum Deutsches Rechtswörterbuch Jacob Grimm - Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen Hjalmar Falk - Alf Torp, Wortschatz der germanischen Spracheinheit Glossen E. G. Graff, Althochdeutscher Sprachschatz Herrad of Hohenbourg, Hortus Deliciarum Frank Heidermanns, Etymologisches Wörterbuch der germanischen Primäradjektive Historische Sprachforschung Reiner Hildebrandt, Summarium Heinrici Robert Heinzel - Wilhelm Scherer, Notkers Psalmen nach der Wiener Handschrift

Abkürzungen

IDF. IF. JEGP. KEW. KFW. LB. LH. LSEW. MG. MGH. MG1. MPL. MSS. N. NF. PBB. PIEW. PEW. RGA. RhVB. RMWA. RVA. RVA. 2 SchW. SEW. SH. SHL. StSG. StSpD. StWG. VL. ZDA. ZDL. ZDSp. ZDPh. ZDW. ZLL. ZPSK. ZVSpF.

17

Informationen Deutsch als Fremdsprache Indogermanische Forschungen Journal of English and Germanic Philology Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache Elisabeth Karg-Gasterstädt - Theodor Frings, Althochdeutsches Wörterbuch Leuvense Bijdragen Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch Albert L. Lloyd - O t t o Springer, Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen H e r m a n n Paul, Mittelhochdeutsche Grammatik M o n u m e n t a Germaniae Histórica Hartwig Mayer, Althochdeutsche Glossen: Nachträge J.-P. Aligne, Patrologiae cursus completus. Series Latina Münchener Studien zur Sprachwissenschaft Nachträge Neue Folge (Hermann Paul - Wilhelm Braune) Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Julius Pokorny, Indogermanisches etymologisches Wörterbuch Wolfgang Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Rheinische Vierteljahrsblätter s. Rolf Bergmann, Rückläufiges morphologisches Wörterbuch des Althochdeutschen Fritjof Raven, Die schwachen Verben des Althochdeutschen, Bd. I Fritjof Raven, Die schwachen Verben des Althochdeutschen, Bd. II Rudolf Schützeichel, Althochdeutsches Wörterbuch, 5. A. Elmar Seebold, Vergleichendes etymologisches Wörterbuch der germanischen starken Verben Summarium Heinrici Joseph Seemüller, Deutsche Paraphrase des H o h e n Liedes Elias Steinmeyer - Eduard Sievers, Die althochdeutschen Glossen Elias von Steinmeyer, Die kleineren althochdeutschen Sprachdenkmäler Taylor Starck - J.C. Weib, Althochdeutsches Glossenwörterbuch Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon Zeitschrift für deutsches Altertum Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik Zeitschrift für deutsche Sprache Zeitschrift für deutsche Philologie Zeitschrift für deutsche Wortforschung Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen [Ab Band 101 (1988) Historische Sprachforschung (= HS.)]

18

Abkürzungen

2. Quellen Aldh. laud. virg. Arat. Avian. Beda rat. temp. Beda hist, eccles. Boeth. cons. Can. apost. Can. conc. Afric. Can. conc. Ancyr. Can. conc. Antioch. Can. conc. Carth. Can. conc. Nie. Can. conc. Sard. Can. deer. Innoc. Can. deer. Sir. Can. deer. Symm. Can. lib. Eut. ars. Greg, cura Greg. dial. Greg. hom. Greg. mor. Hieron. in Matth. Isid. off. Lib. Com. Lex Alam. Lex Baiv. Lex. Rib. Prise, inst. Prosp. epigr. Prud. apoth. Prud. cath. Prud. harn. Prud. perist. Prud. psych. Prud. symm. Reg. Ben. Sed. carm. pasch. Sulp. Sev. dial. V. Mart. V. patr. Verg. Aen. Verg. Ekl. Verg. Georg.

Aldhelmus de laudibus virginum Arator Aviani fabulae Beda, De temporum ratione Beda, Historia ecclesiastica Boethii consolatio Philosophiae Cánones apostolorum Cánones diversorum conciliorum Africanae provinciae Cánones Ancyrani concilii Cánones Antiocheni concilii Cánones concilii congregati apud Carthaginem Cánones Nicaeni concilii Cánones concilii Sardicensis Decreta Inocentii papae Epistula decretalis papae Siricii Decreta Symmachi papae Liber de ecclesiasticis dogmatibus Eutychis ars de verbo Gregorii cura pastoralis Gregorii dialogi Gregorii homiliae Gregorii moralia in J o b Hieronymus in Matthaeum Isidorus de officiis Liber Comitis Lex Alamannorum Lex Bajuvariorum Lex Ribuaria Prisciani institutiones Prosperi epigrammata Prudentius, Liber Apotheosis Prudentius, Cathemerinon Prudentius, Hamartigenia Prudentius, Peristephanon Prudentius, Psychomachia Prudentius, Contra Symmachum Regula Benedicti Sedulius paschalis carminis Sulpicii Severi dialogus Vita Martini auctore Sulpicio Severo Vitae patrum Vergil, Aeneis Vergil, Eklogen Vergil, Geórgica

Abkürzungen

(Vulgata):

Walahfr. cult.

19

G n Ex Lv N m Dt los Idc Rt I-II Sm III-IV Rg I-II Par I I I Esr Idt Est lob Ps Prv Ct Sap Sir Is 1er Lam Ez D n Os Ioel A m Mi H a b Za Mal I-II Mcc M t Me Le Io Act Rm I-II Cor Iac Walahfrid Strabo de cultura h o r t o r u m

Literatur

A Werner Abraham s. Tempus - Aspekt - Modus Helen Adolf, Old High German W u n t a r o n and the Verbs of Fear and Wonder (A Study in Onomasiology), in: JEGP. 46 (1947) S. 395406 Eero Alanne, Die deutsche Weinbauterminologie in althochdeutscher und mittelhochdeutscher Zeit, Suomalaisen Tiedeakatemian Toimituksia, Ser. Β, Tom. 65,1, Helsinki 1950 Kurt Albers, Der lateinische Wortschatz des Abrogans, Dissertation Münster 1956 [Maschinenschrift] Alcimi Ecdicii Aviti Viennensis episcopi opera quae supersunt. Recensuit Rudolfus Peiper, M G H . AA. 6, 2, Berolini 1883 Aldhelmi opera. Edidit Rudolfus Ehwald. Adiectae sunt tabulae V, M G H . AA. 15, Berlin 1919, Nachdruck 1961 Erik Alm, Der Ausgleich des Ablauts im starken Präteritum der ostmitteldeutschen Schriftdialekte. Band I, Uppsala 1936 Althochdeutsch. In Verbindung mit Herbert Kolb - Klaus Matzel - Karl Stackmann herausgegeben von Rolf Bergmann - Heinrich Tiefenbach - Lothar Voetz, Band I. Grammatik. Glossen und Texte. Band II. Wörter und Namen. Forschungsgeschichte, Germanische Bibliothek. NF. 3. Reihe: Untersuchungen, Heidelberg 1987 Althochdeutsch. Syntax und Semantik, Akten des Lyonner Kolloquiums zur Syntax u n d Semantik des Althochdeutschen (l.-3.März 1990), herausgegeben von Yvon Desportes, Série germanique ancien 1, Lyon 1992 Harry Andersen, The Etymologie of the Danish Adjective mor, NOWELE 2 (1983) S. 41-50 Aratoris subdiaconi De actibus apostolorum ex recensione Arturi Patch McKinlay, CSEL. 72, Vindobonae 1951 Augustin Arndt, Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testamentes. Mit dem Urtext der Vulgata. Übersetzt und mit erklärenden Anmerkungen versehen von Augustin Arndt S.J. Ì.Band, 6.A., Regensburg - Rom 1916 Aspekte der Germanistik. Festschrift für Hans-Friedrich Rosenfeld zum 90. Geburtstag herausgegeben von Walter Tauber, Göppinger Arbeiten zur Germanistik Nr. 521, Göppingen 1989 Ernst Aufderhaar, Gotische Lehnwörter im Althochdeutschen, Dissertation Marburg 1933 Gerhard Äugst, Wie stark sind die starken Verben?, in: Gerhard Äugst, Sprachnorm und Sprachwandel. Vier Projekte zu diachroner Sprachbetrachtung, Wiesbaden 1977, S. 125177 -, Wie stark sind die starken Verben? Überlegungen zur Subklassifizierung der nhd. Verben, in: Gerhard Äugst, Untersuchungen zum Morpheminventar der deutschen Gegenwartssprache, Tübingen 1975, S. 231-281 Erich Aumann, Aus der Werkstatt des Althochdeutschen Wörterbuches. 9. Ahd. lehhazzen, PBB. 62 (1938) S. 334-335 Aviani Fabulae recensuit Antonius Guaglianone. Corpus scriptorum latinorum paravianum, Torino 1958

Literatur

21

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Literatur

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Literatur

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Literatur

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Κ Vladimir D. Kaliuscenko, Deutsche denominale Verben, Studien zur deutschen Grammatik 30, Tübingen 1988 Elisabeth Karg-Gasterstädt, Althochdeutsch Thing, neuhochdeutsch Ding·. Die Geschichte eines Wortes, Berlin 1958, Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse. Band 104,2 - Theodor Frings, Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig bearbeitet und herausgegeben, Band I: A und B. Band II: C und D, Lieferung 1-4. Band III: E und F. Band IV: G-J, Lieferung 1-13, Berlin 1968-1994 -, Die Glossen der Stuttgarter Handschrift H.B. VI 109 (früher iur. et pol. 109). Ein Beitrag zur Geschichte der Canones-Glossierung, Festgabe für K. Bohnenberger, S. 231-253 -, Zu den Glossen der Reichenauer Handschrift Rc (Carlsr. Aug. CCXX), PBB 62 (1938) S. 454-456 -, Aus der Werkstatt des Althochdeutschen Wörterbuches. 6. Der althochdeutsche Sprachschatz und die leges barbarorum, PBB. 61 (1937) S. 263-271 -, Aus der Werkstatt des Althochdeutschen Wörterbuches. 17. Ahd. bilidi, PBB 66 (1942) S. 291-308 Carl Kantien, Die reduplizierten Perfekta des Nord- und Westgermanischen, Gießener Beiträge zur Deutschen Philologie I, Gießen 1921 W. Kaspers, Zur Etymologie von ahd. cbûski 'keusch', PBB. 67 (1945) S. 151-154 Dieter Kastovsky s. Eugenio Coseriu, Probleme der strukturellen Semantik Pekka Katara, Die Glossen des Codex Seminarli Trevirensis R.III.13. Textausgabe mit Einleitung und Wörterverzeichnissen, Helsingfors 1912 Henning Kaufmann, Ernst Förstemann, Altdeutsche Personennamen. Ergänzungsband, München - Hildesheim 1968 Gundolf Keil s. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Vetfasserlaikon C. van de Kieft s. J.F. Niermeyef, Mediea Latinitatis Lexicon Minus Anna Maria Kienpointner, Wortstrukturen mit Verbalstamm als Bestimmungsglied in der deutschen Sprache, Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Germanistische Reihe 26, Innsbruck 1985 James C. King s. Die Werke Notkers des Deutschen Wolfgang Kleiber, Zur Sprache der althochdeutschen Glossen Otfrids, Althochdeutsch, S. 532544 Thomas Klein, Althochdeutsch diulisc und die Adjektive auf -isk im Alt- und Mittelhochdeutschen. Studien zum Allgermanischen, S. 381-410 -, Studien zur Wechselbeziehung zwischen altsächsischem und althochdeutschem Schreibwesen und ihrer Sprach- und kulturgeschichtlichen Bedeutung, Göppinger Arbeiten zur Germanistik 205, Göppingen 1977 Heinz Klingenberg, Dichter. RGA., Band V, S. 376-392 Gert Klingenschmitt, Zum Ablaut des indogermanischen Kausativs, ZVSpF. 92 (1978) S. 1-13 Friedrich Kluge, Allerlei Berichtigungen, ZDW. 9 (1907) S. 316-318 -, Die Elemente des Gotischen: Eine erste Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft, Grundriß der germanischen Philologie 1, 3.A., Straßburg 1911

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-, -,

Literatur

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Literatur

Herbert Penzl, Althochdeutsch. Eine Einführung in Dialekte und Vorgeschichte, Bern F r a n k f u r t / M a i n - New York 1986 -, Besprechung von Fritjof Raven, Die schwachen Verben des Althochdeutschen, PBB. 89 (1967) S. 79-82 Per Persson, Beiträge zur indogermanischen Wortforschung, Skrifter utgifna af Kungl. Humanistiska Vetenskaps-Samfundet Uppsala, Band 10, Uppsala-Leipzig 1912 Rudolf Pestalozzi, Urdeutsch k bei Notker, PBB. 41 (1961) S. 129-162 Herbert Petersson, Etymologische Beiträge, IF. 20 (1906/07) S. 367-368 Wolfgang Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Band 1-3, Berlin 1989 -, Germ, strawjan, PBB. 82 (H 1960) S. 132-145 Max Pfister s. Wolfgang Haubricbs - Max Pfister Philologie der ältesten Ortsnamenüberlieferung, herausgegeben von Rudolf Schützeichel, Kieler Symposion 1. bis 3. Oktober 1991, Beiträge zur Namenforschung, NF. Beiheft 40, Heidelberg 1992 Elisabeth Piirainen, Germ. *frâer- 'flechten, weben'254. Die Deutung als bi-reiten 'verfertigen', zu einem Adjektiv mhd. bereite 'bereitwillig'255 bzw. breit[ta] 'breit machen' macht Konjekturen erforderlich und ist auch von der Bedeutung her gesehen weniger wahrscheinlich. O b das starke Verb allerdings "in jedem Fall" als "eine echte Neubildung" des Mittelhochdeutschen angesehen werden muß256, ist zu bezweifeln. Es müßte begründet werden, aus welcher Quelle die Motivation für eine Neuschöpfung gespeist werden konnte257. - RVA. 263 fliden (?) 'purpurfarbig glänzen'. Das Verb ist mitsamt seinen präfigierten Formen schwer zu deuten, da keine sicheren Präteritalformen bezeugt sind. Es ist aber wohl besser mit KFW. 3,966 Iflîdan 'glühend leuchten' (man vergleiche auch ebenda 3,952 unter ibi-flehtan), StWG. 164 flîdan ? 'glänzen' von einem starken Verb auszugehen258. - RVA. 2 setzt ein schwaches Verb zi-acharigen 'graben' (N.) an. Es handelt sich jedoch um eine Präpositionalphrase zi akare gangan 'das Feld bebauen', gebildet mit dem starken Verb gangan 'gehen'; man vergleiche SchW. 83 unter ackaf59. - RVA. 58 glien 'piepen' sw.V. Es liegt wohl eher ein starkes Verb glîan 'piepen' vor; man vergleiche KFW. 4,305, StWG. 731; anders E. Seebold260: "erst mhd.". StSG. 11,12,8 Pipant : gli fent, E. Steinmeyer, zur Stelle: "d.h. glfent". D a s / g e h ö r t nicht zum Verb. Der Beleg (Einsiedeln, StiftsB. cod. 32) stammt aus dem 10. Jahrhundert. Das Verb erscheint bei U. Hempen irrtümlich als "mhd. Neubildung" 261 . - StWG. 232 umbi-gnagan 'umnagen, wegfressen' sw.V. (StSG. IV,206,40 Oboesus. a uerbo oboedo, umbenagu) wird mit P. Katara262 als schwaches Verb bestimmt. Der Lautstand der Handschrift macht diesen Schluß jedoch nicht zwingend erforderlich 263 . Der Beleg ist besser mit KFW. 4,317 umbi-gnagan 254 PIEW. 137f. M a n vergleiche auch J. de Vries, Nederlands etymologisch woordenboek, S. 85f. unter breien. 255 M a n vergleiche, oben unter 1.2.1. 256 So U. Hempen, Die starken Verben im Deutschen, S. 194 unter briden. 257 M a n vergleiche dazu auch B. Meineke, ZDL. 57 (1990) S. 385. 258 Sieh auch J. Splett, Abrogans-Studien, S. 132 unter bi-flîdan ? 'abreißen' sowie SEW. 200. 259 Sieh auch H. Tiefenbach, Bezeichnungen für Fluren, S. 307 sowie G. Köbler, Lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch, S. 79 unter fodere. 260 SEW. 230. 261 Die starken Verben im Deutschen, S. 191. Das Verb wird auch in der Althochdeutschen Grammatik (BEG.) nicht erwähnt. Zutreffend gedeutet dagegen auch bei B. Meineke, ZDL. 57 (1990) S. 385. 262 Die Glossen des Codex Seminarii Trevirensis, 289a. 263 Man vergleiche ebenda S. 44.

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wie die starken Verben ebenda 4,315f. gnagan, nagan und bi-gnagan als stark einzustufen. Auch M. Lexer264 verzeichnet einen Beleg für die starke Form; es handelt sich allerdings um einen Infinitiv, so daß letzte Sicherheit nicht gewonnen werden kann. Der Ansatz eines schwachen Verbs mit Infinitivendung -an ist für die Normalisierungspraxis des StWG. sonst unüblich. - StWG. 434 neihhen 'opfern, weihen', (Gl.), wird als schwaches Verb bestimmt. Die Belege (StSG. 1,315,57 Libans : neihbenter und StSG. IV,221, 41 Immolât : Neihhit) sind jedoch Kurzformen des starken Verbs ahd. ineihhan 'zusprechen, opfern', eihhan 'zuerkennen' zu germ. *-aika-lf's. Fraglich ist allerdings, ob mit R. Kögel in bezug auf neihhen von einem "Präfix in einer interessanten Tiefstufenform" gesprochen werden kann266. - RVA. 183 bi-scohen ? 'im Gleichgewicht halten' sw.V., (StSG. 11,37,32 Librare : pise han)·, Clm 19451. Der Beleg ist zu dem starken Verb bi-sehan 'pflegen, abschätzen, Ehre erweisen' zu stellen. Man vergleiche StWG. 512. - StWG. 556 slapfen 'schlagen' sw.V. Der Beleg aus den Pariser Gesprächen ist mit SchW. 261 als sclaphan st.V. 'schlagen' anzusetzen. Die Graphie zwischen s und l ist auf romanischen Einfluß zurückzuführen 267 . In den Pariser Gesprächen befindet sich auch die Form sclaphen für ahd. slafanm. Die Deutung als starkes Verb beruht auf der Neulesung J. Huismanns 269 . Statt StSG. V,518,8 Scia en sin als .i. da Uli in collo liest er Sclaph en sin als ./. da Uli i ncollo und interpretiert die Stelle wohl zutreffend als Sclaph en sin hals it est da tili in collo. "Gib ihm eins auf den Nacken". W. Haubrichs - M. Pfister270 lesen Sclaphen sin als .i[d est], da tili in collo und deuten die Stelle als "aus slap hen 'schlage ihn' verschrieben." Sie fassen den Beleg als Form eines ¿«-Verbs

264

LH. 2,1734 unter umbe-nagen.

265

SEW 72. Sieh dazu auch R. Kögel, PBB. 16 (1892) S. 512f. Sieh dazu auch W. Wesche PBB. 61 (1937) S. 54 und J. Spielt, Samanunga-Studien, S.

266

69. 267 M a n vergleiche J. Huismann, RhVB. 33 (1969) S. 284 mit A. 67 u n d W. Haubrichs M. Pfister, In Francia fui, S. 16-46, besonders S. 37 ( als Beispiel für "Gleitkonsonant [k] in der Konsonantengruppe [sl]"). 268 Sieh ebenda jeweils unter Nr.38 und 49. 269 RhVB. 33 (1969) S. 272-296, besonders S. 284 Nr.38. 270 In Francia fui, S. 85 Nr.38 mit Α. 21.

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slapên auf, das ein eher unterschichtliches Nordwest-Wort sei271. Die Form des Verbs, 2. Sg. Imperativ, ist aber die der starken Verben. - RVA. 229 triuuen 'gedeihen' sw.V., ebenso StWG. 636. Korrektur N. 801, (StSG. 1,229,36 excellet : triuuit)\ der Abrogans-Beleg ist besser mit J. Splett272 zum starken Verb driuwan 'hervorragen, gedeihen' zu stellen273. Dazu ist als schwaches Verb drouwen 'heranwachsen'274 gebildet. - RVA. 196 uber-spirihen 'Gott lästern' sw.V. (StSG. 1,711,40 Blasphemat : über spirihitsih) ist eine (wohl verschriebene) präfigierte Form des starken Verbs sprehhan 'sprechen', StWG. 579 unter ubar-sprehhan215. Es handelt sich um einen Einzelbeleg. Das Präfix ubar- kann nach H. Schwarz276 mit Verben verbunden werden, um ein "Übermaß", eine "Übertreibung" zu bezeichnen. Es ist folglich gut mit dem Simplex in Zusammenhang zu bringen. - RVA. 260 ir-uueten 'sich erretten' sw.V. (N.). Der Beleg (Uuánda uutlon eruuétet man üzer sînero nòte, Martianus Capella 1, King 26,2) ist mit SchW. 312 als erwaten 'herauskommen' zu starken Verb waten 'waten' (N.) zu stellen. - RVA. 333 ir-zuhen 'ab-, entziehen', sw.V.; gi-zuhen 'ablenken, wegziehen'. Sieh unter zucken 'zücken'. - Auf ein starkes Verb weist möglicherweise auch das Verb ahd. liwen 'verantwortlich sein für', (O.); SchW. 200 liwen sw.V.; RVA. 2,235f. unter leuuên. Belegt ist an einer Stelle (Otfrid S 28, Hs. V) Ofto uuirdit, oba güat thes mannes iúngero giduat, thaz es líuuit thráto ther zúhtári guato. Da es sich bei der Handschrift V um eine von Dichter eigenhändig korrigierte Reinschrift handelt, kommt dem Beleg eine besondere Bedeutung zu. Die beiden anderen Otfrid-Handschriften zeigen die Form lewet, für die ein Ansatz lewên277 vorgenommen wird. Der Beleg aus der Handschrift V ist demgegenüber nicht mit Sicherheit als janNtih zu deuten. Wahrscheinlicher ist es wohl, in ahd. liwen den Fortsetzer eines starken Verbs zu sehen, das als germ. *lewa- anzusetzen wäre und mit einer Wurzel idg. *leu-, leu» 'abschneiden, trennen, loslösen'278 unter Annahme einer Bedeutungsentwicklung von 'lösen' über 'befreien von etwas' (man vergleiche dazu griech. λ ν ω 'löse, befreie, vertilge', auch alb. laj 'zahle eine Schuld', lat. luêre 'büßen, zahlen') zu 'ver-

271 In Francia fui, S. 55 und S. 70 mit Verweis auf Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 21. Α., S. 653. 272 Abrogans-Studien, S. 333. 273 M a n vergleiche auch W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia in den altgermanischen Sprachen, S. 126 mit A. 3; PIEW. 1095. 274 StWG. N. 801. 275 Sieh auch H. Wesche, PBB. 61 (1937) S. 110. 276 Präfixbildungen im deutschen Abrogans, S. 336-346, besonders 337f. und 346. 277 SchW. 195. 278 PIEW. 681.

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antwortlich sein für 1 verbunden werden kann. Das bisher ebenfalls etymologisch nicht erklärte ¿»-Verb ahd. lewên wäre dann als Bildung zu diesem primären Verb aufzufassen 279 .

b2. ¿«-Verben Formen eines ¿¡«-Verbs werden als Formen eines schwachen y'iZ«-Verbs bestimmt: - RVA. 8 bisen 'biesen, lustig sein', (Gl.); mit KFW. 1,1120, StWG. 60 als bisôn\ so auch W. Wissmann 280 . Eindeutige Formen, die auf ein jan-Vtrb weisen, sind nicht überliefert. Da es sich darüber hinaus möglicherweise um ein Verb onomatopoetischen Ursprungs handelt, berechtigen die unsicheren Formen allein nicht zum Ansatz eines y¿z«-Verbs. - RVA. 11 bluomen 'blühen', (GL; WH., SHL. 24,1: gebluomet [Ein], geblummet [Bg], blômet [Kre], blovmet [Lam]). An gleicher Stelle geblûomot (In) und gebluomot (St, Mu). Das Verb ist im Althochdeutschen sonst nur als desubstantivisches ow-Verb in der Bedeutung 'Blumen pflücken, mit Blumen schmükken, Blüten treiben' bezeugt und auch die Williram-Belege werden von R. Schützeichel (SchW. 99) wohl zu recht hier hergestellt. Sieh auch KFW. 1,1232, StWG. 67f. - RVA. 269 *utiola-gi-dranget- 'festgedrängt', (WH., SHL. 101, 2f.: wole getrangetíu [Pal], wól gedrangetiv [Lam], uuóla gedrangetíu [St], uuóla gedrangotîu [Ein)], uuóla getránge-tu [Tr]; 106,3f. uuóla gedrangetíu [St], uole gedrangetiv [Tr], wól gedrangetíu [Lam], uuuôla gedrángola [Ein]; weitere Belege SHL. 101,8 und 101,11281). Es sind nur Partizipialformen bezeugt. Da die Belege durchgängig keinen Umlaut zeigen, wie es bei einer alten deverbalen Ableitung vom starken Verb dringan mit ^-Suffix zu erwarten wäre, liegt kein Verb vor, das auf

279 Anders A. Bammersberger, MSS. 30 (1972) S. 5-7, der ein Kausativ germ. *hlaiv-jan zu Grunde legt. Sieh dazu aber K. Matzel, Wortgeschichtliches, S. 13 mit A. 49. 280 N o m i n a Postverbalia in den altgermanischen Sprachen, S. 89. 281

Man vergleiche auch E.H. Bartelmez, The "Expositio in Cantica Canticorum", S. 380, 381, 382 u n d 399.

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ein schwaches Verb der 1. Klasse zurückgeführt werden kann. Der Beleg ist als Fortsetzer von ahd. drangôn (SchW. 114, StWG. 106) zu deuten. - RVA. 37 fegen 'säubern, putzen', (StSG. 11,718,1 (Tergunt) : uegadun). Der Beleg ist mit KFW. 3,676, StWG. 144 als fegôn zu deuten282. Man vergleiche StSG. 11,718,1 (Tergunt) : uegadun aus der Handschrift Oxford, Auct. F. 1.16. Der Beleg wird RVA. 2,39 ebenfalls unter einem Ansatz fegon neben dem zweiten Beleg für dieses Verb StSG. (recte) 11,711,35 Tergent uegedun. fuiftun als ow-Verb verzeichnet. - EWP. 186 gifeilit PPP 'auf einen halben Preis geschätzt'. Sieh KFW. 3,692f. unter feilôn und StWG. 144. Der Ansatz eines janNzrbs ist nicht zwingend. Zum i in giveiliter vergleiche man J. Schatz283. - RVA. 41 er-fischelen 'ausforschen', (StSG. 111,420,77 Expiscari : ervischelen)·, KFW. 3,922 ir-fiskilôn\ StWG. 161 ervischelen. Es handelt sich um eine Ableitung mit -/-Suffix. Der spät überlieferte Beleg (Straßburg, UB. Hs. des Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg; Nr.557, BV. 857, 12.Jh.) kann mit Sicherheit weder für den Ansatz eines althochdeutschen jan-Veibs (so F. Raven), noch eines althochdeutschen än-Verbs (so KFW.) zeugen. Es kann sich um eine Neubildung des 12. Jahrhunderts handeln. Andernfalls dürfte von einem alten ôn-Verb auszugehen sein. Das o der Endsilbe erschiene in der späten Handschrift dann in abgeschwächter Form. Bildungen des Typs -aló-/ -ilô- sind im Althochdeutschen gegenüber ^«-Bildungen eindeutig in der Uberzahl284. Für ein Suffix -alja-/-ilja- können nur solche Belege zeugen, die bereits vor dem Beginn der Endsilbenabschwächung den Endsilbenvokal e zeigen285. - RVA. 44 fríen 'freilassen', ebenso StWG. 178, (StSG. 111,423, 12 Manumissus : geuriethat. gefriétbat)\ Erfurt, Codex Amplonianus O 8f.; Marburg, Codex D 2; zur Deutung der Glosse vergleiche man KFW. 3,1263 frijidôn mit weiterer Literatur. Sieh auch StWG. Ν 846. Da das Erfurt-Marburger Glossar aus dem 12. Jahrhundert nach H. Michiels286 auch über altsächsische Einträge verfügt, kann auch ein Ansatz as. frîjithôn erwogen werden. - RVA. 60 ir-gremezzen 'erbittern'. Zur Deutung als ow-Verb vergleiche man KFW. 4,415, StWG. 238f. - StWG. 335 bi-klemmen 'stoßen, klemmen'. Sieh dazu unter bi-kleimen. - EWP. 426 niuwen 'erneuern' (Gl.). Der Eintrag kann sich nur auf die Glosse StSG. II,569,44f. Conibente : niuuentemo. niuentemo beziehen. Es sind sonst nur Belege für das o«-Verb bezeugt. Man vergleiche SchW. 224, StWG. 443 sowie 282 283 284 285 286

So auch R. Bruch, Glossarium Epternacense 2,45. Althochdeutsche Grammatik, § 493. Zum Suffixgebrauch sieh W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 223. Man vergleiche dazu unter IV. 3.A. mundilen. Über englische Bestandteile, S. 48f.

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die Belegsammlung RVA. 2,109. Die dort ebenfalls verzeichneten Formen niwit und nivuit sind mit StWG. 442 zum starken Verb niuwan 'stoßen' zu stellen. Bei der Prudentius-Glosse Conibente : niuuentemo handelt es sich allem Anschein nach um eine Fehlübersetzung. Sieh psych. 450f. ... nec fronte seueros coniuente oculos praedarum ad gaudia flectif". Der Ansatz eines althochdeutschen yfledên (·*»?). Der Beleg entstammt der Handschrift Melk, StiftsB. Nr. 1545 Vergil; Nr.92, BV. 434, 12.Jh. Das durative Verb sollte als ¿»-Verb klassifiziert werden. Man vergleiche auch lett. peldêt 'schwimmen', peldinät 'mit den Flügeln schlagen'. Das Verb kann dem Vorderglied des Kompositums nhd. Fledermaus zu Grunde liegen290. 287

Man vergleiche K.E. Georges, Ausfuhrliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,1493 unter cô-niveo 'die Augen zumachen'. 288 Die altmittel- u n d altostniederfränkischen Psalmen. 289 Man vergleiche auch R. Kyes, Dictionary of old low and central franconian psalms and flosses, S. 73. 2 So auch J. Splett, Abrogans-Studien, S. 421. Man vergleiche noch A.M. Kienpointner, Wortstrukturen, S. 284; KEW. 219, PIEW. 800f.

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- HEW. 261 gruonen 'grünen, blühen'. Sieh KFW. 4,456 gruonên, SchW. 155 und StWG. 242. Ein Ansatz eines jan-Yzrbs ist weder aus morphologischen, noch aus semantischen Gründen berechtigt. - HEW. 684 lispenti, lespanti 'lispelnd' {-ja/S). Sieh StWG. 379 unter lispên und RVA. 2,239. Eine Entscheidung, ob bei einzelnen Belegen von Formen eines jan-Vtrbs, auszugehen ist, kann nicht mit letzter Sicherheit getroffen werden. Wahrscheinlich ist F. Raven zuzustimmen, der die formal mehrdeutigen späten - Belege für abgeschwächte Formen hält. Da der adjektivischen Basis darüber hinaus zumindest ein lautmalender Charakter zuzuschreiben ist291, könnten die Varianten auch durch diese Tatsache eine Erklärung finden. Aus semantischen Gründen ist die Einordnung eines durativen Verbums in die /¿«-Klasse zudem eher unwahrscheinlich. - RVA. 57 gi-mezlihhen 'mäßigen' (B. 276,19; 277,1 kemezlihhee)·, mit SchW. 212 kemezlîhhên 'abwägen', da es als Ableitung von dem Adjektiv mezlîh 'sparsam, mäßig' (StWG. 411) in der bezeugten Bedeutung 'abwägen' eher als 'mäßig sein' und nicht als Faktitivum 'mäßig machen' aufzufassen ist. Die höhere Wahrscheinlichkeit spricht demnach für die Einordnung in Klasse 3. Nach W. Betz292 soll es sich zudem um eine "entwickelte Lehnübertragung" handeln, was die Beurteilung zusätzlich erschwert. - StWG. 483 rîfen, ήβη 'vollreif werden, reifen'. Die Mehrzahl der formal nicht eindeutig bestimmbaren Glossenbelege ist zweifellos zum ¿«-Verb zu stellen. Man vergleiche RVA. 2,247 unter rifen. Für die literarischen Belege sieh SchW. 238 rtßn (N.) 'reif werden'. Die Bearbeiter des StWG. können für den Ansatz eines jan-Ycrbs nur einen Beleg veranschlagt haben, nämlich eine Glosse zu lat. mâtûrâre (StSG. 11,728,41 Maturasset : rijfeta), München, Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11.Jh., bair. und Salzburg, UB. M II 279; Nr.551, BV. 846, 12.Jh., bair. In allen anderen Fällen werden lat. mâtûrescere und ûrere übersetzt. Lat. mâtûrâre kann jedoch in transitivem Gebrauch die Bedeutung 'reif machen' tragen und eröffnet von daher die Möglichkeit auch einer faktitiven Ableitungsstruktur. Der Kontext zeigt aber, daß auch diesem Beleg in intransitivem Gebrauch eine mutative Struktur ("reif werden") zu Grunde liegt: V. patr. 5,568,6 Quia quando audivit quod maturasset omne gens pomorum, dixit: Ajferte mihi. Et gustavit semel tantum parum ex omnibus, gratias agens deo. "Denn als er hörte, daß alle Früchte gereift waren, sagte er: Bringt sie mir. Und er kostete einmal nur wenig von ihnen allen und dankte Gott." Die Bedeutung der Glosse gibt daher keinen Anlaß für die Deutung als jan-Yerb. - RVA. 323 streben, streben, StWG. 598 streben, strebôn 'sich regen, bewegen, sich bemühen, streben'. Belegt sind StSG. 11,707,38 Fernere : streuon, 2,70Ί,2Ϊ Fernet : steuot, beide aus der Handschrift Paris BN. lat. 9344; Nr.509, BV. 752, 291 292

Sieh HEW. 684f. Deutsch und Lateinisch, S. 131.

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ll.Jh., mfrk.293 - StSG. 11,355,12 Pugnat : strebete aus der Handschrift Clm 14505; Nr.395, BV. 593, ll.Jh. - Es ist wohl von einem ¿»-Verb auszugehen294; darauf weist zum einen bair. strebete. Zum anderen ist im Mittelfränkischen die Endung -on/-ot wohl aus Formen der 3. Klasse hervorgegangen295. - Die Herkunft des Verbs ist unklar, kaum ist es aber mit W. Pfeifer296 zu einem resthaft bezeugten starken Verb mhd. striben297, nl. strijveti zu stellen. Eine dort angenommene Kausativbildung ließe nicht ahd. e erwarten, auch ist die Verbindung zu einem als estriver 'kämpfen' ins Romanische entlehnten und vermeintlich starken Verb, das diese These stützen soll, durchaus umstritten. Bei W. von Wartburg 298 wird das Verb nicht behandelt, im Oxford English Dictionary 299 wird die Verbindung mit nhd. streben zu Recht bezweifelt. Kein Hinweis auf dieses im Mittelhochdeutschen wohl sekundäre starke Verb allerdings bei U. Hempen 300 . E. Seebold301 schließlich stellt das Verb zu einem Adjektiv, das in mnd. strêf 'straff, steif vorliegt. Ob er das Verb ebenfalls zur 3. Klasse zählt, muß offen bleiben, da keine althochdeutschen Belege angeführt sind. - RVA. 243 bi-un-werden 'einem verächtlich erscheinen', (N 2,101,3) ist mit SchW. 303 als beunwerdên anzusetzen. - RVA. 263 uuinnen 'abweiden' (StSG. 1,115,24 Depascit : frizit iuuinit) ist mit StWG. 733 als winnên anzusetzen. - EWP. 676 irwirsit, irwerset PPP 'schlechtgemacht1. Es kann sich formal um ein jan-Vcrb handeln, doch ist mit StWG. 737 ir-wirsên 'schlecht werden' und RVA. 2,274 ir-uuirsen 'vertrocknen' besser von einem ««-Verb auszugehen. Der Beleg, StSG. I,670,8f. Confusum est : irvuerset ist. iriuwirsit ist u.a. ist in sechs Handschriften überliefert. Glossiert wird Joel 1,10 depopulata est regio luxit 293

Zur Deutung der Belege vergleiche man DWB. 10,3,1044 II I. Sieh auch DWB. 10,3,1042f., R. Bruch, Glossarium Epternacense 2,135 und F. Krüer, Der Bindevokal und seine Fuge, S. 17. 295 M a n vergleiche dazu J. Franck, Altfränkische Grammatik § 198. 296 PEW. 1737. 297 LH. 2,1233. 298 Französisches etymologisches Wörterbuch. 299 10,1148 (unter strive). 300 Die starken Verben im Deutschen. 301 KEW. 707. 294

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humus quoniam devastatum est triticum confusus est vinum elanguit oleum. Bei der Ubersetzung ist für confusus est von 'verdorren, vertrocknen' im Sinne von 'schlecht werden' auszugehen. Es sollte daher ein ên-Verb vorliegen.

b4. Mit un- präfigierte Partizipialadjektive oder Adverbien Ein mit un- präfigiertes Partizipialadjektiv oder Adverb kann auf ein schwaches Verb bezogen werden. In den im folgenden aufgeführten Fällen ist der gesonderte Ansatz eines Verbs überflüssig, da es sich ursprünglich um mit un- präfigierte Verbalformen handelt, die nicht unmittelbar von einem bereits mit un- präfigierten Nomen abgeleitet, sondern zu einem auch sonst belegten Verb als Präfixbildung hinzugebildet sind. F. Raven behandelt alle Verben dieses Musters unbeachtet ihrer Ableitungsstruktur gleich. Die Belege nicht-denominalen Ursprungs können aber besser unter den jeweiligen Simplexformen mitbehandelt werden302. - RVA. 235 un-bi-decchit- 'ungeordnet'; man vergleiche StWG. 654 unbideckit Adj. 'unverdeckt'; sieh unter decken. - RVA. 326 un-bi-huget- 'ruhmlos1; man vergleiche SchW. 294 umbehuget Adj. 'unberühmt'; sieh unter huggen. - RVA. 235 un-bi-cheret- 'auf unbekehrte Weise' (fmhd.); sieh unter ahd. bikeren. - RVA. 235 un-bi-ruochet- 'unbesorgt' (fmhd.); sieh unter ahd. bi-ruohhen. - RVA. 235 un-bi-uualzit- 'fest, nicht wankend'; man vergleiche StWG. 655 unbiwalzit Adj. 'fest, unerschüttert'; sieh unter welzen. - RVA. 235 un-bi-uuamit- 'unbefleckt1; man vergleiche SchW. 295 unbi-wemmit Adj. 'unbefleckt, makellos'; sieh unter wemmen. - RVA. 235 un-bi-uuanit 'achtlos, unbekümmert'; man vergleiche StWG. 655 unbiwânit Adj. 'nicht vorausgesehen'; sieh unter wânen.

302

Nicht u m Bildungen zu schwachen Verben der Klasse 1 handelt es sich bei folgenden Belegen: RVA. 235 unbiuuarito 'unerwartet' Adv. zu bi^wartén, StWG. 698 zu stellen. RVA. 238 un-gi-haft 'verschieden'; man vergleiche SchW. 297 ungehaft Adj. 'nicht zugehörig, unangebracht', StWG. 208 gihafl 'behaftet, verwickelt' steht neben haften; haft ist altes tó-Partizip. RVA. 238 un-gi-ha(h)sint- 'matt, ungefeilt' (StSG. 4,2237 unkashinten) ist zu StWG. 259 basanôn, basinoti, hasnòn 'polieren' zu stellen. RVA. 236 un-ir-strabt- 'unentwirrbar' gehört nicht zu streiken 'strecken', StWG. 599, sondern zu straccbên 'sich strecken, gespannt sein, gerade verlaufen', SchW. 272. RVA. 242 unsorgende 'ohne Besorgnis', man vergleiche unsorgende 'sorgenfrei', SchW. 302, StWG. 568, ist zu sorgen zu stellen.

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- RVA. 235 un-durh-lêrit 'ungelehrt'; man vergleiche StWG. 656 unduruhlêrit Adj. 'ungebildet'; sieh unter leren. - RVA. 236 un-ir-ßouct- 'unerschrocken'; man vergleiche StWG. 666 unirflougit Adj.; sieh unter ir-flougen. - RVA. 236 un-ir-fullt- 'unersättlich'; man vergleiche SchW. 299 unerfullet Adj. 'unersättlich'; sieh unter füllen. - RVA. 236 un-ir-furht- 'unerschrocken'; man vergleiche StWG. 666 unirforahtit, unirfurhtit Adj. 'unerschrocken'; sieh unter furhten. - RVA. 236 un-ir-loubit- 'unerlaubt'; man vergleiche StWG. 666 unirloubit Adj. 'unerlaubt'; sieh unter ir-louben. - RVA. 236 un-ir-rîmit 'unzählig'; man vergleiche SchW. 299 unerrîmit Adj. 'ungezählt'; sieh unter rìmen. - RVA. 236 un-ir-smalzit 'zu viel gegessen, gefräßig'; man vergleiche StWG. unirsmalzitî, unirsmalzitîn st.F. 'Mangel an Verdauung' sieh unter smelzen. - RVA. 236 un-ir-storit- 'fest, ungestört'; man vergleiche StWG. 667 unirstôrit Adj. 'ungestört'; sieh unter stören. - RVA. 236 un-ir-tarchent- 'mutmaßlich'; man vergleiche StWG. 667 unirtarkenit Adj. 'unverholen, offen'; sieh unter tarkenen. - RVA. 236 un-ir-uuart- 'unverdorben'; man vergleiche SchW. 299 unirwertet Adj. 'unverweslich, unversehrt'; sieh unter werten. - Daneben steht RVA. 236 un-ir-fir-uuart- 'unverdorben'; man vergleiche SchW. 299 unirferwertet Adj. 'unverwest'; sieh unter werten. - RVA. 236 un-ir-uuendit 'unzerstört'; man vergleiche StWG. 667 unirwentit Adj. 'ungestört'; sieh unter wenten. - RVA. 326 un-fir-douuuit 'unverdaut'; man vergleiche StWG. 675 unfirdewit, unfirdouwit Adj. 'unverdaut'; sieh unter dewen. - RVA. 236 un-fir-mer(r)et- 'unversehrt'; man vergleiche StWG. 208 unfermeret Adj. 'unbestechlich'; sieh unter merren. - RVA. 236f. un-fir-ruomet- 'Elend, Demütigkeit'; man vergleiche SchW. 296 unferruomet Adj. 'bescheiden'; sieh unter ruomen. - RVA. 237 un-fir-trostet- 'nicht Verzicht geleistet auf, man vergleiche SchW. 296 unfertrôstet Adj. 'ungetröstet sein über'.; sieh unter trösten. - RVA. 237 un-fir-uuanet- 'unvermutet'; man vergleiche StWG. 657 unverwxnet Adj. 'unvermutet'; sieh unter wänen.

118

Das Korpus

- RVA. 237 un-fir-uuart- 'unverdorben'; man vergleiche StWG. 657 unfirwertit, unfirwart Adj. 'unverletzt, unverdorben'; sieh unter werten. - RVA. 237 un-fir-uuechsalit 'unveränderlich'; man vergleiche StWG. 657 firwehsalit Adj. 'unveränderlich'; sieh unter wehsalen. - RVA. 237 un-garauuit- 'unbereit'; man vergleiche StWG. 569 ungarawit Adj. 'unvorbereitet'; sieh unter garawen. - RVA. 237 un-gi-az(z)t- 'ungespeist'; man vergleiche StWG. 659 ungiâzit, ungiâzt Adj.; sieh unter âzzen. - RVA. 327 un-gi-berit- 'unbetreten'; man vergleiche StWG. 659 ungiberit Adj.; sieh unter berien/berren. - RVA. 237 un-gi-beitit 'ungesäumt'; man vergleiche SchW. 296 ungebeitet Adj. 'freiwillig1; sieh unter beiten. - RVA. 237 un-gi-buozt- 'ungefeilt, ungebildet'; man vergleiche StWG. 659 ungibuozit Adj. 'nicht verfeinert'; sieh unter buozen. - RVA. 237 un-gi-faruuit- 'ungefärbt'; man vergleiche StWG. 659 ungifarawit Adj. 'ungeschmückt'; sieh unter farawen. - RVA. 237 un-gi-frumit- 'unvollendet'; man vergleiche StWG. 660 ungi-frumit Adj. 'unvollkommen'; sieh unter frummen. - RVA. 238 un-gi-hengent- 'uneinig sein'; man vergleiche StWG. 660 ungihengenti Adj. 'nicht übereinstimmend'; sieh unter hengen. - RVA. 240 un-gi-roupit-/un-gi-groupit- 'albern'; man vergleiche StWG. 660 ungigroubit Adj. 'albern1; sieh unter grouben. - RVA. 238 un-gi-gurtit 'ungegürtet'; man vergleiche StWG. 660 ungigurtit Adj. 'ungegiirtet'; sieh unter gurten. - RVA. 238 un-gi-hi(uu)ert 'unverheiratet'; SchW. 297 unter einem Ansatz ungehîen sw.V (N.) 'nicht heiraten', StWG. 660 ungehîwit sw.V. 'unverheiratet'; sieh unter htwen. - RVA. 238 un-gi-hirmet 'unruhig'; man vergleiche SchW. 297 ungehirmet Adj. 'rücksichtslos'; sieh unter hirmen. - RVA. 238 un-gi-honit- 'ungestraft 1 ; man vergleiche StWG. 660 ungihônit Adj. 'ungestraft'; sieh unter honen. - RVA. 238 un-gi-horent- 'nicht hörend'; man vergleiche SchW. 297 ungehôret Adj. 'ungehört'; sieh unter hören. - RVA. 238 un-gi-irret- 'nicht verhindert od. gehemmt'; man vergleiche SchW. 297 ungeirret Adj. 'unbehindert', StWG. 661 ungiirrit Adj. 'unerschütterlich'; sieh unter irren. - RVA. 239 un-gi-loubent- 'ungläubig'; man vergleiche SchW. 297 unchilaubo Adj. 'ungläubig'; sieh unter gi-louben. - RVA. 239 un-gi-menit- 'ungehindert'; man vergleiche SchW. 297 ungimerrit Adj. 'ungehindert'; sieh unter merren.

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- RVA. 239 un-gi-mietet- 'unbelohnt'; man vergleiche SchW. 297 angemietet Adj. 'unbelohnt'; sieh unter mieten. - RVA. 239 un-gi-muoit- 'unbeschwert'; man vergleiche StWG. 662 ungimuoit Adj. 'unermüdet'; sieh unter muoen. - RVA. 239 un-gi-nandet- 'ungewagt'; man vergleiche StWG. 662 unginandit Adj. 'ungewagt'; sieh unter nenden. - RVA. 239 un-gi-niusit- 'in etwas unerfahren'; man vergleiche StWG. 662 unginiusit Adj. 'nicht in Erfahrung genommen' [!]; sieh unter niusen. - RVA. 239 un-gi-notit- 'freiwillig' (fmhd.); sieh unter nôten. - RVA. 239 un-gi-quidid 'unbegrüßt'; man vergleiche StWG. 662 ungiquidit Adj. 'unbegrüßt'; sieh unter quetten. Da es sich um eine Lehnübersetzung von lat. insalutatus handelt, ist trotz in -quidit besser nicht von einer zu erschließenden schwachen Nebenform des starken Verbs quedan auszuge-hen303. - RVA. 239 un-gi-rihtet- 'ungeordnet'; man vergleiche SchW. 298 ungerihtet Adj. 'unbestraft', StWG. 662 ungirihtit Adj. 'ungeordnet'; sieh unter rihten. - RVA. 239f. un-gi-rìsant 'ungehörig'; man vergleiche StWG. 662 ungirisanti Adj. 'ungeziehmend'; sieh unter rìsan. - RVA. 240 un-gi-riutit- 'nicht eingeschnitten'; man vergleiche StWG. 663 ungiriutit Adj. 'nicht gerodet'; sieh unter ñuten. - RVA. 240 un-gi-(h)ruorit- 'unberührt'; man vergleiche StWG. 663 ungiruorit Adj.; sieh unter ruoren. - RVA. 240 un-gi-sazt- 'treulos, unordentlich, erheuchelt'; man vergleiche StWG. 663 ungisezzit Adj. 'nicht festgesetzt'; sieh unter setzen. - RVA. 240 un-gi-skendet- 'ungeschändet'; man vergleiche SchW. 298 ungeschendet Adj. 'frei von Schmach'; sieh unter scenten. - RVA. 240 un-gi-sculdet- 'unverschuldet'; man vergleiche SchW. 298 ungesculdet Adv. 'ohne Ursache'; sieh unter sculden. - RVA. 240 un-gi-scutit- 'unerschüttert'; man vergleiche StWG. 663 ungiscuttit Adj.; sieh unter scutten. - RVA. 240 un-gi-slihtit- 'ungeglättet'; man vergleiche StWG. 663 ungislihtit Adj. 'ungeschliffen'; sieh unter slihten. - RVA. 240 un-gi-strâlit 'ungekämmt'; man vergleiche StWG. 663 ungistrâlit Adj. 'ungekämmt'; sieh unter strâlen. 303

M a n vergleiche aber J. Franck, Altfränkische Grammatik, § 94.3.

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Das Korpus

- RVA. 240 un-gi-teilit- 'ungeteilt'; man vergleiche SchW. 298 ungeteilet Adj. 'ungeteilt, unteilbar'; sieh unter teilen. - RVA. 327 un-gi-terit- 'unverletzt'; man vergleiche StWG. 663 ungiterit Adj. 'unverletzt'; sieh unter terren. - RVA. 240 un-gi-toufit- 'ungetauft'; man vergleiche SchW. 298 ungetoufet Adj. 'ungetauft'; sieh unter toufen. - RVA. 240f. un-gi-trost(it)- 'ungetrostet'; man vergleiche SchW. 298 ungitrôstit 'ungetröstet, nicht getröstet', StWG. 664 ungitrôst Adj. 'trostlos'; sieh unter trösten. - RVA. 241 un-gi-truobet- 'ungetrübt'; man vergleiche SchW. 298 ungetmobet Adj. 'frei von Schrecken'; sieh unter truoben. - RVA. 241 un-gi-uuangt- 'ununterbrochen'; man vergleiche SchW. 298 ungewenchet Adj. 'niemals aufhörend'; sieh unter wenken. - RVA. 241 un-gi-uuatit- 'unbekleidet'; man vergleiche SchW. 298 ungiwâtit Adj. 'nicht gekleidet'; sieh unter wâten. - RVA. 327 un-gi-uuegit 'unbewegt'; man vergleiche SchW. 298 ungeweget Adj. 'unerschütterlich'; sieh unter weggen. - RVA. 241 un-gi-uueichet 'ungeschwächt'; man vergleiche SchW. 298 ungeweihhet Adj. 'ungeschwächt'; sieh unter weihhen. - RVA. 241 un-gi-uuemmit- 'unbefleckt'; man vergleiche SchW. 298 Ungarn emmit 'unbefleckt'; sieh unter bi-wemmen. - RVA. 327 un-gi-uuenit- 'unwissend'; man vergleiche StWG. 664 ungiwenit Adj. 'unerfahren'; sieh unter wennen. - RVA. 327 un-gi-uuerit 'entblößt'; man vergleiche SchW. 298 ungawerit Adj. 'nicht gekleidet in'; sieh unter werren. - RVA. 241 un-gi-uuertet 'unverdorben'; man vergleiche SchW. 298 ungewertet Adj. 'unvergänglich, makellos'; sieh unter werten, - RVA. 242 un-muodendo 'unermüdlich'; man vergleiche SchW. 300 unmuodendo Adv. 'unermüdlich'; sieh unter muoten. - RVA. 327 un-terient- 'unschuldig'; man vergleiche StWG. 676 unterienti Adj. 'unschuldig'; sieh unter terren. - RVA. 243 un-umbi-merkt- 'unbegrenzt'; man vergleiche StWG. 677 unumbimerkit Adj. 'nicht umschrieben'; sieh unter merken. - RVA. 243 un-uuanenti, un-giuuanit 'unvermutet'; man vergleiche SchW. 298 ungewândo Adv. 'unerwartet, unverhofft, zufallig', StWG. 677 ungewânet Adj. 'unvermutet'; sieh unter wânen. - RVA. 244 un-zi-loset-/un-te-losit- 'unentwirrbar'; man vergleiche StWG. 679 unzilôsit Adj. 'unaufgelöst'; sieh unter lösen. Ohne eine Überprüfung der Handschrift nicht mit Sicherheit zu entscheiden ist darüberhinaus die Zugehörigkeit des Beleges StSG. IV,271,5 Inextricablies : vntelost, Goslar, Stadtarchiv vorl. Nr.B 4374; (Nr.230; BV. 266). Die Hand-

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schrift wird von E. Steinmeyer ins 14. Jahrhundert datiert und von H. Reutercrona304, als "fränk.-obd.", ebenda auf S. 37 als "bair.-fränk." bezeichnet. Eine eingehendere Untersuchung der Handschrift und ihrer Glossierung steht noch aus. Diese Untersuchung müßte erhellen, ob die bei StSG. verzeichneten Glossen mit scheinbar nicht lautverschobenem t - ein weiterer Beleg könnte in StSG. IV,270,29 Tignariis : holtmeists gesehen werden - auf mittelniederdeutsche Spuren neben der ansonsten oberdeutsch geprägten Sprachform der Handschrift weisen. Da derartige Hinweise jedoch nur auf die Behandlung von germ. *t beschränkt zu sein scheinen, liegt es näher, daß in Wirklichkeit eine Schreibung vorliegt, die von den Editoren irrtümlich als gelesen wurde.

b5. Vereinzelte Irrtümer und Fehldeutungen - RVA. 2 ampien 'breit machen, ausdehnen', (StSG. 1,99,24 Dilatai : altinot i amplai). Das lateinische Verb ampiare 'vergrößern, vermehren' 305 aus der Handschrift Wien, ÖNB 482 (Nr.594, BV. 915, 9.Jh„ bair.) ist irrtümlich als althochdeutsch angesehen worden. Es müßte sich in dem Fall sonst um eine Entlehnung aus dem Lateinischen handeln. Die Handschrift legt diese Deutung jedoch keineswegs nahe306. Das Verb ist im Alt- und Mittelhochdeutschen auch sonst nicht belegt. Für den Ansatz von ahd. ampien sw.V. gibt es daher keine Veranlassung. - EWP. 124 giberaht PPP 'verklärt'. Sieh KFW. 1,881 unter gi-beraht(i) 'hell, klar' den Beleg giperehten Gen.Sg.F. und StWG. 201 unter giberahti Adj. giberahtiu naht (Theophania), 'verklärte Nacht'. Der Ansatz eines yaw-Verbs ist nicht zwingend307.

304

Svarabhakti und Erleichterungsvokal, S. 23. K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,401; Mittellateinisches Wörterbuch 1,594. 306 Zu den lateinischen, meist der Verdeutlichung dienenden Glossen sieh K. Heinemann, Das Hrabanische Glossar, S. 32-34. 307 Sieh auch unter 2.2.3. 305

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- RVA. 15f. bringen 'bringen1. Sieh KFW. l,1384ff„ SchW. 102, StWG. 77 bringan an.V. Die Stammbildung des Verbs germ. * brengam ist im Germanischen wohl singulär. Neben starken Präsensformen steht ein schwaches, aber ablautendes Präteritum. Diese auffallende Stammbildung deutet darauf hin, daß sich zwei etymologisch nicht verwandte Verben suppletiv ergänzt haben309. Auch wenn die genaue Herkunft und Bildeweise dieser Formen noch nicht in allen Einzelheiten aufgehellt ist, so ist doch sicher, daß nicht von einem schwachen jan-Wtxb bringen auszugehen ist. - RVA. 292 drusen (?) 'erschüttern'; sieh unter knusen. - RVA. 35 ekken 'schließen'. Der Beleg (StSG. 11,353,6 Claudere : eckan, Clm 19515; ekken, Clm 5260; Clm 3519) ist mit KFW. 3,76 zu eggen 'eggen' zu stellen. Dafür spricht zum einen der Kontext (ebenda [arare seminare] claudere [collegere trahere et recondere]·, Lex Baiv.), zum anderen die Tatsache, daß in obd. , die regelmäßige Entsprechung von fränk. zu sehen ist310. - RVA. 39 bi-fenden 'aufrollen, entfalten'. Der Beleg (G1.AA, 228, S.230 replicabo : piuendu) ist mit StWG. 710 als piwenden zu lesen und zu der dort angesetzten Form bi^wenten zu stellen; man vergleiche dazu RVA. 256. - RVA. 42 ir-floigen 'verwirren'. Der Diphthong ôi ist neben ô der regelmäßige Vertreter für ahd. ou bei Williram 3 ". Nach W. Sanders312 handelt es sich um die Umlautsbezeichnung von ou. Ein gesonderter Ansatz neben ahd. ir-flougen ist daher nicht erforderlich. - RVA. 58 ginuiet 'hineingefügt'. Der Beleg (StSG. 111,409,26 Incastrata : genutet) wird an anderer Stelle (RVA. 143) zutreffend unter gi-nuoet verzeichnet. Sieh dazu unter nuoen. - RVA. 62 *guotchunden 'das Evangelium predigen' ist mit KFW. 4,509 als guotkundenti Part.Adj. 'im Evangelium vorkommend' zu deuten. Man vergleiche ebenda das Adjektiv guotkund 'im Evangelium verkündet'. Der Ansatz einer Verbalform ist nicht zu sichern. Es handelt sich vielmehr um eine Lehnbildung, die den Ansatz einer verbalen Basis für das Althochdeutsche nicht voraussetzt313.

308

SEW. 136f. Man vergleiche dazu auch KEW. 106. Zur Präteritalbildung des Verbs im Germanischen sieh K. Matzel, ZDL. 53 (1986) S. 368 mit A. 4. Sieh auch BEG. § 336 Α. 4 sowie un309

ten unter brengert. 310

Sieh BEG. § 180. BEG. § 46 Α. 3. 312 Der Leidener Willeram, S. 257f. 313 Sieh W. Betz, Deutsch u n d Lateinisch, S. 60, H. Ibach, Zu Wortschatz u n d Begriffswelt, S. 47. Z u m Adjektiv sieh auch B. Meineke, C H I N D und BARN, S. 91f. 311

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- RVA. 63 unter zi-hadelen 'gezipfelt' (StSG. 111,144,47 Laciniosus : zihadilohtir), Trier, StadtB. 1124/ 2058; Nr.568, BV. 882, 13.Jh.314, mfrk. Die Parallelüberlieferung zeigt denominale -to-/-tâ- Adjektive315. Bei diesem Beleg handelt es sich jedoch um eine Adjektivableitung mit dem Suffix -ohtM. Sie drückt, wie die -to-/-tâ- Adjektive, das 'Versehensein mit etwas" aus und wird bevorzugt an auf -/ auslautende Substantive angeschlossen, was seinerseits zur Entstehung eines Suffixes mhd. -loht geführt hat. Für das Althochdeutsche ist ein Suffix -loht noch nicht zu erweisen, da die betreffenden Adjektive (man vergleiche etwa oben scibiloht) auf Diminutivbildungen bezogen werden können317. In ihrer semantischen Parallelität mit den unter 2.1 aufgeführten Belegen darf eine zusätzliche Stütze für die Beurteilung der -o/tf-Ableitungen als denominale -to-/-tâ- Adjektive gesehen werden318. Parallele Überlieferung beider Ableitungstypen in Glossenhandschriften liegt ebenfalls vor in StSG. 1,331,27. Neben gisciptemo, RVA. 181: * (gi-)scîben, StWG. 540 3 " enthält die Parallelüberlieferung Adjektive mit den Suffixen -oht- und -(l)oht. Nicht ganz sicher zu deuten ist der Beleg (StSG. 1,331,27 Polimito : scipotemo), Göttweig, StiftsB. 46/103; Nr.228, BV. 264, 12.Jh., bair. scipotemo könnte als aus scipohtemo entstanden aufgefaßt werden und damit als früher Beleg für die von I. Reiffenstein320 beschriebene Entwicklung von -eht/-oht- zu -et, -ot, -at im Bairischen. Demnach können derartige Formen nicht für die Zeit vor dem 14. Jahrhundert belegt werden, sie erscheinen danach "aber gleich relativ häu-

314

Sieh H S H . XXXVII. F. Simmler, Die westgermanische Konsonantengemination, S. 38,

datiert in das 11. Jahrhundert. 315

M a n vergleiche oben unter 2.1.

316

M a n vergleiche dazu W . Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 199f., W . Meid, Wortbil-

dun¡*slehre, S. 193f„ S. 188-190, W. Wilmanns, Wortbildung, S. 467f. Sieh dazu auch W . Wilmanns, Wortbildung, S. 4 6 7 . Die Materialsammlung von J. Haltenhoff, Z u r Geschichte des nhd. Adjektivsuffixes -icht und seiner Verwandten, setzt erst mit der Behandlung der mittelhochdeutschen Belege ein. 318

Eine Untersuchung der mit dem Suffix -oht gebildeten Verben des Althochdeutschen

steht n o c h aus. Eine erste Sammlung von althochdeutschen Belegen findet sich bei E. Gutmacher, PBB. 39 ( 1 9 1 4 ) S. 62f. Erst wenn das ganze Material erfaßt ist kann geklärt werden, ob zweifelhafte Fälle, wie z u m Beispiel ahd. gi-ebtnoht 3,22 unter gi-tbanôn

(StSG. 1,577,5; C l m 2 2 2 0 1 ) , das K F W .

als "verschrieben" aufgeführt wird, bisher zutreffend gedeutet wurden.

319

M a n vergleiche oben unter 2.1.

320

Endungszusammenfall, S. 183 mit A. 2 6 .

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fig"321. Wie dieser Beleg StWG. 540 gedeutet und eingeordnet worden ist, bleibt unklar durch das dort angewendete Verfahren, bei längeren Einträgen in aufeinanderfolgenden Zeilen der StSG. nur jeweils auf den ersten Beleg zu verweisen. - RVA. 80 in-fuogt- 'disjunktiv', (N.). Der Ansatz unter dem Buchstaben I ist nicht zu rechtfertigen. Sieh KFW. 3,1338 unter in(t)-fuogen\ SchW. 143 infuoget Adj. 'einen Gegensatz enthaltend'. - RVA. 59 gnuchten 'im Überfluß vorhanden sein'. Der selbe Beleg auch RVA. 143 unter gi-nuhten. Sieh unter ginuhten. - StWG. 348 krouwen 'stechen, kratzen?', (ein Beleg StSG. 1,254,5 incidat : karauuit Kb.); sieh unter garawen. - RVA. 327 un-gi-chuunidet- 'unbegrüßt', (StSG. 11,713,60 Insalutatam : ungequidbeda)\ Paris, BN lat. 9344; BV. 752; Nr.509322. Der Ansatz ist unverständlich. S.239 wird der Beleg ein zweites Mal als un-gi-quidid-m verzeichnet. Der Beleg ist aber nicht, wie F. Raven vermutet, altsächsisch. Sieh unter quetten. - RVA. 308 zi-chel(l)en 'quälen'. Sieh unter zi-quebben. - StWG. 376 liluhhen 'nähren, pflegen'. Sieh unter lîhlucken. - RVA. 111 (gi-)limpfen 'verriegeln'. Der selbe Beleg auch RVA. 106 unter lemsen. Sieh unter gi-lemsen. - RVA. 313 limmen 'zustimmen? Der Ansatz eines Verbs mit Kurzvokal (so noch StWG. 376) ist nicht berechtigt324. Sieh auch StWG. N. 852 sowie unten unter lîmen 'zusammenfügen'. - RVA. 314 bi-nechen 'herausfordern'. Der selbe Beleg auch RVA. 137 unter binecchen 'reizen, necken'. Sieh unter necken. - RVA. 139 (gi-)nesten 'nisten'. Neben nisten (RVA. 142), bietet F. Raven (RVA. 139) unter (gi)-nesten den Beleg StSG. 1,733,40 Par turturum zuuei. kenestidiu. turturono·, St. Paul, XXX al. Die Lesung ist nach L. Voetz325 in Par Turturum : zuuei kenestidiu turturono zu verbessern, wobei kenestidiu als Einschub zwischen Par und turturum anzusehen ist. Das Lexem ist im Kontext (Lc 2,24) besser als Form von ginestidi st.N. zu bestimmen. Man vergleiche StWG. 215 ginestidi 'Nestgenosse'326. Ahd. turturono 'Turteltaube' führt seinerseits auf einen Nominativ turtum sw.M. oder turtura sw.F.; man vergleiche auch StWG. 645 turtulo. Der Beleg ist StWG. 645 irrtümlich unter turtur st.M. aufgeführt.

321

M a n vergleiche auch K. Weinhold, Bairische Grammatik, § 305. M a n vergleiche R. Bruch, Glossarium Epternacense, S. 40-42 (zur Handschrift) sowie S. 140 (zum Ansatz). 323 Mit Verweis auf J.H. Gallee, Vorstudien zu einem altniederdeutschen wörterbuche, S. 355. 324 Man vergleiche dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 92f. 325 Die St. Pauler Lukasglossen, S. 223,21. 326 Ebenda, Register. 322

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- RVA. 143 tiozzen (= nazzen/nezzen). F. Raven führt unter diesem Ansatz den Otfrid-Beleg ginotti an. Es handelt sich aber keinesfalls um eine nicht lautverschobene Variante zum jan-Vtrb nezzen 'benetzen'; SchW. 222. Der Beleg ist mit SchW. 226 zum jan-Vtrb nôten 'zwingen, nötigen' zu stellen. - RVA. 147 ana-prurten. Der selbe Beleg auch RVA. 20 unter ana-brurten. Sieh unten unter ana-brurten. - RVA. 147 erfolgt ein Ansatz ahd. bi-rahanen 'erbeuten' und ebenda ein Ansatz ahd. rânen 'wüten'. Beide Verben sind unter einem Ansatz zusammenzufassen. Sieh unter bi-rahanen. - RVA. 147 erfolgt der Ansatz ir-raechen/ir-rachen* 'an Pferdesteifheit leiden'. Zur Stützung dieses Ansatzes werden drei Belege herangezogen, die ebenda S.148f. auch zum Ansatz eines Verbs ir-rehen/ ir-mhen 'steif werden, an Pferdesteifheit leiden' dienen. Der erste Ansatz ist unzutreffend. Sieh unter irrâhhen. - RVA. 162 *gi-runnen 'zusammenlaufen, gerinnen', (Gl.). Die Glossenbelege werden StWG. 218 zutreffend unter einem Ansatz girunnida st.F. 'Lab' verzeichnet. Der Ansatz eines schwachen Verbs ist auch als vermeintliche Basis des Substantivs nicht zwingend erforderlich. Überliefert sind StSG. 11,497,68 Concreta [coagula] : girunnida aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. St. Peter perg. 87; Nr.73, BV. 324, 11.Jh., fränk.; StSG. 11,486,14 Coagula : kirunnida, St. Gallen, StiftsB. 134; Nr. 160, BV. 186, lO.Jh., alem. und StSG. 11,484,7 (Coagula) : runnida, St. Gallen, StiftsB. 136; Nr. 162, BV. 188, 9.Jh., alem. F. Raven bestimmt die Formen als Part.Prät.Nom.Pl., doch wäre als Endung der alemannischen Belege -ta, nicht -da zu erwarten327. Auslautendes -da weist vielmehr auf eine Bildung mit dem Suffix germ. *ipa/ipô, zu Adjektiv- oder Verbalstämmen 328 . Die drei Glossenbelege beziehen sich auf Prud. ham. 869 quis speculum concreta coagula texunt ... Bei lat. coâgulum handelt es sich zunächst um 'das gerinnenmachende Mittel'329, im Kontext der Stelle um die geronnene Flüssigkeit selbst. Die Bedeutungsangabe 'Lab' (StWG. 218) ist hier nicht in der üblichen Bedeutung als 'ein Ferment im Magen des Kalbes, das Milch gerinnen läßt' zu verstehen. Die Stelle bezieht sich vielmehr auf 327 328 329

Sieh BEG. § 259. M a n vergleiche W. Meid, Wortbildungslehre, S. 141-146. K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,1220.

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eine Galen zugeschriebene Vorstellung, daß das Auge neben der Linse aus zwei schmaleren Hohlräumen bestehe, die vor und hinter der Linse lägen. Diese Hohlräume seien mit einer flüssigen Substanz gefüllt330. Ein deverbales jan-Verb liegt aber vielleicht vor in spätahd. be-run(n)an 'überfluten' (WH.), SchW. 242 - RVA. 167 in-sâen 'bepflanzen 1 . Sieh unter in-sepfen. - RVA. 168 samo-decchet- 'halbnackt, halbbedeckt'; man vergleiche SchW. 245 sâmodecchet Adj. 'halbnackt'. - RVA. 168 sama-rertet 'verderbt, fremd'; man vergleiche SchW. 245 sâmerertet Adj. 'verderbt'. - RVA. ΠΙ gi-sistiti. Sieh unter siften. - RVA. 177 scâhhen 'landstreichen'; man vergleiche StWG. 531 scáhhento Adv. (?) 'landstreichend 1 . Belegt ist StSG. 11,88,65 Vagando : scahando (l.Hälfte 9.Jh., obd.), StSG. 11,96,68 Vagendo : scehante (12.Jh., alem.) sowie ebenda scehanto, (9./10.Jh., alem.). Glosse zu Cánones, Cone. Afr. XLIV. Es handelt sich in jedem Falle um eine Ableitung von dem Substantiv ahd. scâh st.M. 'Räuberei, Raub' (man vergleiche afr. skak, auch mnd. schdkin), doch ist es zweifelhaft, ob ein jan-Verb vorausgesetzt werden kann. - StWG. 580 sprenzen 'stützen'. Sieh unter strengen. - RVA. 209 gi-strenzen ? 'stärken'. Sieh unter strengen. - RVA. 230 trumpent- 'Dromedar'. Die Stellenangabe bei F. Raven ist falsch. Der Beleg, recte: StSG. 111,714,64 Dromedus : trumpents, berechtigt kaum mit F. Raven, der das Abkürzungszeichen wohl als er aufgelöst hat, den Ansatz eines schwachen Verbs. Eher steht das Zeichen für lat. us oder daraus abstrahiert allgemein für eine Mask.Sg.Nom. Endung. Man vergleiche StWG. N. 801 unter einem Ansatz dromentier, trumpenter 'Dromedar'. - RVA. 267 folle-uuisen 'völlig hinweisen', (WH., SHL. 123,11: uolle wiset [Mu]; uole wiset [Tr]); sieh KFW. 3,1055 follauuîsen. Man vergleiche auch got. fullaweisjan 'überreden, überzeugen' zu fullaweis 'vollkommen'. Zur Diskussion um die Etymologie der mit ahd. -wîsen zusammenhängenden Wörter sieh die Ausführungen E. Seebolds332. Sieh unter wîsen. - RVA. 333 umbi-zoten (?) 'Vorsteheramt ?, Hauptsitz ?'. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um kein jan-Verb. Der Beleg (StSG. 1,164,24 uel prefectura : umpizotenti Pa. edho umpizotenti Kb.) ist eher mit T. Starck - J.C. Wells333 als ? umbizotenti Subst. 'Statthalterschaft' (?) zu lesen. Demgegenüber deutet J. Splett334 den Beleg als Verbform *umbizoten, zu "lat. praefectura (- prae-

330 331 332 333 334

Man vergleiche J. Stam, Prudentius Hamartigenia, S. 247f. Sieh FTW. 447, KEW. 621 unter Schacher, PIEW. 923. Die Sprache 19 (1973) S. 20-83, 158-179 sowie KEW. 785. StWG. 654. Abrogans-Studien, S. 239 u. 523.

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fectorius) \germium, sinus (Schoß)} ? / zottig ?". Dann wäre als Basis von ahd. zota 'Zotte, Haarbüschel' auszugehen, das in der Bedeutung 'Schamhaare' als Synonym für ahd. buosum, barm 'Schoß' verstanden worden wäre. So könnte ein Zusammenhang mit prefectoria sedes konstruiert werden. Der Deutungsversuch ist aber wohl zu kompliziert, als daß er hohe Wahrscheinlichkeit beanspruchen dürfte. Eher noch ist eine Vermutung K. Albers335 bedenkenswert, der das lateinische Lemma zwar kaum zutreffend als aus prae 'vor' und fetura 'Zucht' entstellt betrachtet, der aber für die althochdeutsche Glosse aus diesem Grunde eine Verschreibung statt umpizohenti annimmt. Somit wäre aber auch ein Anschluß an ahd. ziohan im Sinne von 'das alles Umspannende' o.ä. denkbar. - RVA. 237 *uti-gi-fuogit 'ungeschickt', (StSG. 11,575,21 (Inepta) : ungifogitha\ Th. Stührenberg 336 mit der wohl zutreffenden Bedeutung 'Unschicklichkeit'). Man vergleiche StWG. 660 ungifôgitha as. st.F. Die Bearbeiter des StWG. setzen zu Recht ein starkes Femininum an. Als Bedeutungsangabe erscheint jedoch 'Ungeschicklichkeit'. Die Zugehörigkeit zum Althochdeutschen ist fraglich337. - RVA. 245 *ur-heiz(z)en 'herausfordern' (H.) ist fälschlich angesetzt für das sw.M. urhêtto 'Herausforderer', SchW. 304338. - RVA. 246 urlouben 'erlauben, erlaubt sein', (WB.). Man vergleiche aber SchW. 201 ar-louben 'erlauben, erlaubt sein'. Neben urloubit in der Würzburger Beichte finden sich ar- und er-louben in B. und T., aus germ. *uz-lauGija-, der Basis der Abstraktbildung urloub. F. Raven folgt in seiner Deutung von urlouben als denominaler Ableitung J. Franck33' und J. Schatz340. Fälle wie dieser sind aber wohl eher mit G. Baesecke341 als Beispiel für die von ihm so genannte "abweichende Indifferenzlage", hier der Bewahrung der ursprüngli-

335

Der lateinische Wortschatz des Abrogans, (zur Stelle). Die althochdeutschen Prudentiusglossen, S. 41. 337 M a n vergleiche R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 285. 338 Zur Deutung der umstrittenen Stelle vergleiche man R. Lühr, Studien zum Hildebrandlied, S. 386-390. 339 Altfränkische Grammatik, § 65 A. 3. 340 Althochdeutsche Grammatik, § 84. 341 E i n f u h r u n g in das Althochdeutsche, § 43 A. 1. 336

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chen Lautgestalt in den ältesten Denkmälern, zu erklären342. Sieh unter hüben. - StWG. 691 wahten 'wachen'. Der Ansatz beruht auf einer Lesung E. Steinmeyers (StSG. 1,731,6 Uigi / ntes : hente·, E. Steinmeyer zur Stelle: 1. Uigilantes : uuahhente), St. Paul, StiftsB. XXX al. Die Glosse ist jedoch nach L. Voetz343 als UIGI[L]ANTES ET CUSTODIENTES : [arbeßente hállente zu lesen (man vergleiche Lc 2,8). Der Ansatz ist daher zu streichen. Die Schwierigkeiten der Lesung und Deutung des Belegs beruhen auf der besonderen Qualität der nur in verkürzter Form überlieferten Glossen. Zu den Formen der Kürzung vergleiche man die Materialsammlung bei L. Voetz344. Die Funktion der Kurzformen wird dort allerdings nicht thematisiert. Es handelt sich jedoch bei der Mehrzahl der in Kurzformen überlieferten Glossenbelege des 8. und 9. Jahrhunderts offenbar um Zeugen einer Gebrauchsweise der Volkssprache, die nicht auf die Ubersetzung in die Volkssprache, sondern auf die Vermittlung des Wortverständnisses des lateinischen Textes abzielt345. - RVA. 333 zuhen. Sieh unter zucken. Nicht von ^»-Verben ist auch in solchen Fällen zu sprechen, in denen in einem Verbalparadigma einzelne Formen suppletiv analog zu den Formen der jan-Verben gebildet werden: - RVA. 299 haben 'haben', zu KFW. 4,532f. haben- SchW. 157 haben-, StWG. 245f. haben, 246 haben". - RVA. 316f. sagen 'sagen', SchW. 243 sagen-, StWG. 502 sagen, sagen347. Die überwiegende Mehrzahl der Belege folgt der Konjugation der 3. Klasse. Als sichere Formen nach der ^«-Konjugation können nur solche gelten, die Umlaut des Stammvokals a in umlautbaren Formen, Konsonantengemination durch j und bindevokallose Präteritalformen zeigen348. Unter den bei F. Raven aufgeführten Belegen erfüllen die weitaus meisten diese Kriterien

342

Dieser Auffassung folgt auch J. H o f f m a n n , PBB. 76 (1954/55) S. 546 A. 3 u n d das

SchW. 343

Die St. Pauler Lukasglossen, S. 205, 3,16f. Sprachwissenschaft 12 (1987) S. 166-179. Sieh auch derselbe, Die St. Pauler Lukasglossen, S. 112-132. 345 Sieh dazu auch die Überlegungen N. Henkels, Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte, S. 71-73 am Beispiel der Murbacher Hymnen. Auch die frühen Glossenbelege für die Kurzformen dieses Typs, die nur die morphologische Information überliefern, finden auf diese Weise eine wie es scheint adäquate Erklärung, die es am Einzelfall zu überprüfen gilt. 346 Sieh auch KEW. 284. 347 Sieh auch ebenda 613. 348 M a n vergleiche K. Matzel, ADA. 77 (1966) S. 6. 344

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nicht. Formen ohne Umlaut und mit Endung nach der 1. Klasse dürften auf eine Mischung beider Klassen hindeuten349.

c. Partikelkomposita Am Ende dieses Kapitels muß noch auf eine Gruppe von präfigierten Verben hingewiesen werden, die im KFW. nicht unter dem Grundwort, sondern unter dem Vorderglied aufgeführt werden. Dabei handelt es sich um Bildungen, die als Zusammenrückung aus einem Adjektiv wie z.B. eban-, oder fol(la)und einem Verb gedeutet werden können350. Die Adjektive erscheinen überwiegend in der Gestalt untrennbarer Präfixe und sind bereits im Althochdeutschen, wie die wenigen Beispiele zeigen, durchaus reihenbildend351. Sie sollten daher von den im Althochdeutschen sehr seltenen Verbalkomposita mit nominalem Vorderglied getrennt werden. Entsprechend ihrer Funktion, aber auch angesichts der Tatsache, daß in dieser Untersuchung Partikelkomposita nur dann behandelt werden können, wenn ein Verb ausschließlich präfigiert erscheint, werden derartige Bildungen im folgenden stets dann ihrem jeweiligen Grundwort zugeordnet, wenn der Zusammensetzung keine nominale Basis zugrunde liegt. Nicht wenige dieser Verben sind allerdings einem lateinischen Partikelkompositum einer Vorlage genau nachgebildet und rechtfertigen aus diesem Grund den Ansatz unter dem Präfix in den

349 Ebenda Sieh auch BEG. § 368 Α. 3. Zur Genese der Bildungen H. Wagner, Zur Herkunft der ¿-Verba, S. 49f. Man vergleiche auch J. Dishington, PBB. 102 (T 1986) S. 5-17, der Formen wie habist, hebit und entsprechende Formen von ahd. leben und sagen auf das Muster der Flexion der starken Verben der VI. Ablautreihe zurückfuhrt. Zu ahd. haben sieh auch B. Zadorozny, PBB. 95 (H 1974) S. 382f. 350 Zu eban vergleiche man KFW. 3,2f.; zu fol Adj. ebenda 3,1025f., folio Adv. ebenda 3,1063. Zu den Verben mit nominalem Vorderglied sieh W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 91f. 351 J. Splett, Wortbildung des Althochdeutschen, S. 1046: "Zweifelsfrei Verbalkomposita sind dagegen Bildungen wie eban-prinkan ... mit adj. Erstglied, die allerdings aufgrund ihres reihenhaften Auftretens den Präfixbildungen nahestehen."

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Wörterbüchern. In den betreffenden Fällen wird im folgenden die lateinische Vorlage vermerkt" 2 . Die fraglichen Verben353 KFW. 3,6 ebanbrúhhen (ebanbruchent : coutuntur)·, ebenda 3,8 ebanfreuuen (ebanfreuuet : congratulamini)\ 3,27 ebanuuirken354 {ebanuuirkentemo : cooperante)·, KFW. 3,1050 fol(la)frummen (N.) 3,1051 fol(la)heilen (N.); ifollakräen-, follaleggen (follalegest : adieceries)·, follaleiten {follaleiten : perducere)·, fol(la)mesten\ 3, 1053 follarecken ifollerecchen : expedienta)·, follarucken\ follasezzen-, 3,1054 fol(la)trôsten·, 3,1056 fol(l)a-, foluuurken, foluuirken (consummate)·, 3,1059 folleisten 'helfen' (besonders suffrago, provideo, suppeteó).

C. Ergebnis Als Ergebnis dieser Vorüberlegungen erweist sich, daß aus der Menge der von F. Raven aufgeführten Ansätze 199 Ansätze zu streichen sind. Weiterhin sind 31 Ansätze, die nicht bei F. Raven, aber in den übrigen genannten Wörterverzeichnissen aufgeführt werden, aus der Untersuchung ausgeschlossen worden. Nicht berücksichtigt wurde altsächsisches, altenglisches und frühmittelhochdeutsches Wortgut. Eine weitere größere Gruppe unter den ausgesonderten Belegen bilden die Pseudopartizipia des Typs lat. barbâtus. Dazu treten schließlich zahlreiche Bildungen, deren Ausschluß auf Grund morphologischer oder etymologischer Erwägungen in jedem Einzelfall zu überprüfen war. Nach Durchsicht der bereits genannten althochdeutschen Wörterbücher und der einschlägigen Literatur konnten demgegenüber schließlich 114 weitere Verben ermittelt werden, deren Deutung als schwache ^«-Verben des Althochdeutschen nahe liegt, die aber bei F. Raven entweder fehlen oder unter nicht zutreffenden Ansätzen in Verbindung mit anderen Belegen aufgeführt sind. 352

In dieser U n t e r s u c h u n g ist die Frage aus den genannten G r ü n d e n von untergegeordneter Bedeutung; es wird sich vor Abschluß des KFW. o h n e beträchtlichen A u f w a n d auch k a u m ermitteln lassen, welche Verben zu dieser G r u p p e hinzugezählt werden müssen. M a n vergleiche W . Müller, PBB. 70 (1948) S. 322-350, besonders S. 332. 353 D a die übrigen W ö r t e r b ü c h e r des Althochdeutschen diese Bildungen ebenfalls u n t e r d e m jeweiligen G r u n d w o r t a u f f ü h r e n , erscheinen hier n u r die Belege des KFW. 354 Die F o r m ist m i t RVA. 34 u n d E. Sievers, Tatian, S. 315 als "Part.Präs.Dat. Sg.M." u n d nicht m i t KFW. 3,27 als "Part.Prät." zu bestimmen. M a n vergleiche auch im selben Satz des Tatiantextes das Verb festinentemo, KFW. 3,776: "Part.Präs.".

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Damit beträgt die Anzahl der Lexeme, die mit einiger Sicherheit der 1. Klasse der schwachen Verben des Althochdeutschen zugerechnet werden dürfen, 1054355. Diese Verben bilden das Korpus der Untersuchung.

355 Insgesamt hat die Forschung bisher mehr als 1200 Verben für diese Klasse veranschlagt. Unzutreffende Ansätze anderer Autoren, die nicht in den neueren Wörterbüchern des Althochdeutschen (KFW., SchW., StWG.) Aufnahme gefunden haben, wie SEW. 89 bennett (sieh dazu KFW. l,875f. unter gi-benni st.N., SchW. 94) oder in den Nachträgen und Berichtigungen dieser Wörterbücher selbst getilgt wurden, wie etwa StWG. 160 fiselen, ebenda N. 845 gebessert in insili Adj. 'beseelt' (dazu H. von Gadow, AStNSpL. 126 (1974) S. 104f.), sind nicht berücksichtigt worden.

III. Analogische Neubildungen

Nachdem alle jene Bildungen, die nicht mit der 1. Klasse der schwachen janVerben des Althochdeutschen in Verbindung gebracht werden sollten, aus dem Korpus ausgeschlossen sind, kann nun in einem zweiten Schritt mit der Untersuchung der ermittelten tatsächlichen Bestandteile dieser Klasse begonnen werden. Bevor aber im folgenden die Ableitungen von Verbal- und Nominalstämmen, die den Hauptanteil der schwachen Verben der 1. Klasse ausmachen, behandelt werden können, ist zunächst noch eine Gruppe von Verbalbildungen zu betrachten, deren Glieder nicht eigentlich als Ableitungen angesehen werden können. Es handelt sich dabei um Verben, die von vorn herein nur analog zu den Ableitungen mit yö-Suffix in die 1. Klasse der schwachen Verben eingegliedert wurden. In diesem Sinne nicht als Ableitungen zu betrachten sind einerseits die Ubertritte aus anderen Sprachsystemen, wie die Gruppe der Entlehnungen in das Althochdeutsche und diejenigen Fortsetzer von ehemals starken Verben des Germanischen, die ihr Präteritum im Althochdeutschen ausschließlich oder gelegentlich als Dentalpräteritum ausgebildet haben und die deshalb als Ubertritte aus der Klasse der starken Verben anzusehen sind. Andererseits sind auch die onomatopoetischen Verbalbildungen und die Verben mit sogenannter Intensivgemination unter diesem Gesichtspunkt mitzubehandeln. Diese Bildungen können als Verbalisierungen von onomatopoetischen Ausdrücken oder Schallwurzeln beziehungsweise als Weiterbildungen von bereits bestehenden Verben mit Hilfe der Konsonantengemination betrachtet werden. Abgeschlossen wird das Kapitel von einer kleinen Gruppe von Verbalkomposita und Bildungen mit Metathese. Ein Ableitungsvorgang mit "^-Suffix liegt in all diesen Fällen nicht vor.

1. Lehnwörter Die Gliederung des althochdeutschen Lehnwortschatzes fußt im wesentlichen auf den Forschungen von W. Betz356. Auf einer ersten Analyseebene ist zwischen "Lehnwort" und "Lehnprägung" zu unterscheiden 357 . Während bei der Lehnprägung fremdes Wortgut mit Hilfe einheimischer Muster ganz oder 356 Sieh besonders Deutsch und Lateinisch, S. 27ff., sowie die Modifikationen H. Lauffers, Der Lehnwortschatz, zusammenfassend S. 23-48. Man vergleiche ebenda auch das Schema S. 25 u n d die Literaturverweise S. 23 A. 35. Die jüngste Auflistung der einschlägigen Arbeiten findet sich bei K. Toth, Der Lehnwortschatz, S. lf. U m die weitere Präzisierung der Terminologie b e m ü h t sich M. Scherner, Archiv für Begriffsgeschichte, XVIII (1974) S. 262-282. 357 M a n vergleiche auch H. Lauffer, Der Lehnwortschatz, S. 24 A. 36.

Lehnwörter

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teilweise nachgebildet wird, vollzieht sich beim Lehnwort eine Übernahme des gesamten Wortkörpers aus der Ausgangssprache in die Empfängersprache. Die Lehnprägungen können in dieser Untersuchung unberücksichtigt bleiben, weil in der Regel stets ein einheimisches Wort als Basis der Ableitung nachgewiesen werden kann358. Bei den ermittelten 14 Lehnwörtern handelt es sich ausschließlich um Entlehnungen aus der lateinischen Sprache. Entlehnungen aus dem Gotischen konnten nicht sicher nachgewiesen werden359. Zwei Verben sind in die Gruppe der Verben auf germ. *-V-t-ja- überführt worden. Mit ihnen setzt die folgende Zusammenstellung ein.

A. Eingliederung in die Gruppe der

-V-t-jan-Vtrhtn

Die germanischen Verben auf -V-t-ja- haben keine genauen Entsprechungen im Griechischen und Lateinischen360. Sind wie im Falle von ahd. gorgizzen und krockezzen im Lateinischen und Althochdeutschen annähernd gleichlautende und gleichbedeutende Wörter vorhanden, so liegt die Annahme einer Entlehnung, zumindest aber lateinischer Beeinflussung, nahe. Wenn es sich, wie in diesen Fällen, allerdings um Ableitungen von onomatopoetischen Basen handeln könnte, die grundsätzlich auch als einzelsprachliche Neubildungen deutbar sind, entscheidet der überlieferungsgeschichtliche Kontext.

Die Verben: gorgizzen 'gurgeln', (StSG. 111,500,24 Gargarizo : gorgizo); KFW. 4,332, StWG. 234, RVA. 59; Bern, BB. Cod. 803; Nr.27, BV. 67, 11./12.JH., alem. Zu lat. gargarizare, einer Entlehnung aus dem Griechischen361. Daneben steht die lateinische Neubildung gargario und die ältere Entlehnung gargarisso1". 358 In den seltenen Fällen, in denen auch die Basis der Ableitung als Lehnbildung anzusehen ist (man vergleiche zum Beispiel das Paar anamâli - anamâlen, dazu H. Lauffer, Lehnbildungen, S. 36), wird im Verlauf der Darstellung auf diesen Sachverhalt hingewiesen. Dem Lateinischen genau nachgebildete Partikelkomposita sind ebenfalls unter dem Grundwort mitbehandelt, wenn das Simplex im Althochdeutschen belegt ist. 359 Eine Zusammenstellung vermeintlicher Lehnwörter gibt E. Aufderhaar, Gotische Lehnwörter, der die yan-Verben ahd. flozzen, ahd. liben und ahd. wiferhen als Entlehnungen deutet. Man vergleiche dazu ebenda S. 13f., 26f. und 22-24. 360 Zur H e r k u n f t des Suffixes, zu seinen Varianten und seiner Ausbreitung in den germanischen Sprachen sieh in Kapitel IV.5. 361 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,2903. Sieh auch A. Funck, Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik 3 (1886) S. 399f. und 414. 362 Sieh dazu M. Leumann, Kleine Schriften, S. 156-170, besonders S. 166.

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Analogische N e u b i l d u n g e n

krockezzen 'krächzen', (Gl.); StWG. 348, RVA. 97; (StSG. 11,253,26 Crocitare : crockezan), Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.363; (ebenda croccezan), Wien, ÖNB 2732; Nr.621, BV. 950, lO.Jh, bair.; (ebenda 27 croccizan), Clm 14689; Nr.403, BV. 604, 1. Hälfte 12.Jh„ bair.364; (ebenda groccezan), Wien, ÖNB 2723; Nr.620, BV. 949, lO.Jh., bair.; (ebenda 28 crockezen), Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11 Jh., bair.; München, Cgm 5248,2; Nr.299, BV. 443, 11 Jh., bair.365. Zu lat. crocitare, einer Intensivbildung zu crôcîre*66, daneben steht lat. crocäre". Man vergleiche griech. χρώζω 'krächzen'. Die Verben werden im Lateinischen mit den Suffixen -izâre beziehungsweise -itâre gebildet368. Spätlateinisch -izâre ist Latinisierung von griech. - ί ζει ν Die Ableitungen mit dem Suffix -itâre sind Intensiva und Iterativa zu meist onomatopoetischen Präsensstämmen369. Es liegt nahe, daß sie im Althochdeutschen dort eingegliedert werden, wo die Bildung deverbaler Iterativa und Intensiva am produktivsten ist. Im Falle von gargarizâre entspricht das Suffix -izâre germ. *V-t-ja-m. Das Suffix, beziehungsweise die griechischen Entlehnungen, erscheinen im Altlateinischen durch Berührung mit dem Hellenismus in der Lautform -isso, -issare, in der Kaiserzeit - hauptsächlich durch Ubersetzung aus der Bibel wie etwa baptizare und evangelizare - in der Lautform -izo, -izâre. Ableitungen von lateinischen Grundwörtern bleiben die Ausnahme, sind aber nachweisbar, so tibizâre zu lat. tibia 'Flöte'. Lat. -izâre erscheint dann über roman, -iser wiederum als -isieren im Deutschen und wird in dieser Lautgestalt, wie es sich im Lateinischen bei der Übernahme in die

363 Z u r H a n d s c h r i f t sieh W . Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750. 364 Z u r H a n d s c h r i f t sieh ebenda S. 855-859. 365 Z u r H a n d s c h r i f t sieh ebenda S. 706-709. 366 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches H a n d w ö r t e r b u c h 1,1766. 367 Sieh dazu E. Tichy, O n o m a t o p o e t i s c h e Verbalbildungen des Griechischen, S. 129. Z u m W a n d e l v o n lat. ô zu ahd. o weitere Beispiele bei W . Franz, Die lateinisch-romanischen Elemente, S. 48. 368 M a n vergleiche M. L e u m a n n - J.B. H o f m a n n - A. Szantyr, Lateinische G r a m m a t i k , § 414.9. A.4 u n d 414.8. Sieh auch die Zusammenstellung der Verben auf -itâre bei M.L. Sjoestedt, BSL. 25 (1924) S. 158-160. 369 M. L e u m a n n - J.B. H o f m a n n - A. Szantyr, Lateinische G r a m m a t i k , § 412 B. 2. Vermeintlich d e n o m i n a l e Verben wie bubulcitâre, sieh dazu X. M i g n o t , Les verbes d é n o m i n a t i f s latins, S. 326, sind als Ableitungen zu nicht erhaltenen D e n o m i n a t i v e n auf -Are zu deuten. M a n vergleiche auch M. L e u m a n n - J.B. H o f m a n n - A. Szantyr, ebenda § 412 B.3, B. Forssm a n n , G n o m o n 44 (1972) S. 669f. 370 Eine S a m m l u n g der lateinischen Belege bei A. Funck, Archiv f ü r lateinische Lexikographie u n d G r a m m a t i k 3 (1886) S. 411-439.

Lehnwörter

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1. Konjugationsklasse bereits herausgebildet hatte, nun schon deutlich als denominal empfunden 371 .

B. Eingliederung in die Gruppe der^ÄW-Verben In zwölf Fällen erfolgt die Integration in die Klasse der ^«-Verben. Allein zehnmal liegt ein lateinisches Verb der Infinitivendung -are zu Grunde. In den beiden übrigen Fällen ist es nicht ganz sicher, ob wirklich von einer Entlehnung auszugehen ist. Sieh dazu unten unter *fmen neben lat. ßrttre und unter misan neben lat. mische. Die Verben: felscen 'etwas als falsch, unberechtigt zurückweisen', (Gl., gì- N.); KFW. 3,730f., StWG. 139, SchW. 132, RMWA. 75, RVA. 37, (StSG. 1,502,16 Confutaberis : givelscituvirdis)\ Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11 Jh., bair.; (StSG. I,502,17 givelscitvuirdis); Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.; (StSG. II,653,72 [neque] Refello : nifalsco)·, Clm 18059; Nr.428, BV. 634, 11 Jh., bair.; (StSG. IV,91,41 Refellit : falskit)·, Clm 17152; Nr.420, BV. 626, 12.Jh„ bair.; (StSG. 11,396,57 Refellit : falsk«)·, Wien, ÖNB 247; Nr.584, BV. 901, ll.Jh., bair.; (StSG. IV, 157,51 Refellit : falskit ./.); London, BMMss. Add. 18379; Nr.268, BV. 391, 13.JL, bair.372. Zu mlat. *fals(i)câre, einer Kürzung von spätlat. falsificare zu lat. falsusm. Da das Adjektiv im Deutschen erst im 12. Jahrhundert und damit später als das Verb belegt ist und als Entlehnung aus dem Mittelniederländischen gilt man vergleiche mnl. vals, das wohl unter Einfluß einer nordfranzösischen Variante falske374 und nicht mit einem Suffix germ. *-sk- oder k- zu mnl. valse gebildet ist, scheint es ratsam, das Verb als direkte Entlehnung aus dem Lateinischen aufzufassen 375 . yhen 'beenden, begrenzen', (StSG. 1,256,21 finitum : kifinit, Kb.); StWG. 153 gi-finen, RVA. 40; St. Gallen, StiftsB. 911; Nr.220, BV. 253, 8.Jh„ alem.

371

M a n vergleiche M . L e u m a n n , Griechische Verben, S. 170. Kein Hinweis auf die Vorgeschichte des Suffixes n h d . -isieren bei W . H e n z e n , Deutsche W o r t b i l d u n g , S. 228. 372 Z u r H a n d s c h r i f t sieh W . Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750. 373 Sieh PEW. 405f. 374 Sieh dazu KEW. 201 unter falsch. 375 Sieh auch KEW. 201 unter falschen, X. Mignot, Les verbes d é n o m i n a t i f s latins, S. 354. K.E. Georges, Ausfuhrliches lateinisch-deutsches H a n d w ö r t e r b u c h 1,2679 belegt n u r falsifieätus.

Analogische Neubildungen

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Zu lat. finire 'begrenzen1376. Im Deutschen liegt keine Verbform vor, sondern eine Übersetzung von lat. finîtum 'beendet'. Man vergleiche J. Splett377, der die Form zutreffend als Adjektiv bestimmt378. Die Existenz eines Verbs * finen kann aber aufgrund von lat .finire auch für das Althochdeutsche nicht ausgeschlossen werden. Eine Entscheidung darüber, ob im Althochdeutschen in diesem Fall i oder î anzusetzen ist, scheint nicht möglich. Beispiele für einen Wandel lat. / zu ahd. i gibt W. Franz379. Es ist aber wohl bei Entlehnungen, die offenbar reine Glossenwörter geblieben sind, eher davon auszugehen, daß die Vokalquantität erhalten bleibt. genren 'zeugen, hervorbringen', (StSG. 111,408,8 Generare : genreri)·, RVA. 56, sonst nicht verzeichnet; Straßburg, UB. Hs. des Hortus deliciarum der Herri von Landsberg; Nr.557, BV. 857, 12.Jh., alem. Zu lat. generare 'zeugen, hervorbringen' 380 . fir-ihsilen 'verbannen', (Gl.); StWG. 298, RVA. 78. Bei beiden Belegen (StSG. 11,519,32 Exulat : flirkhsflkt xxbrth [1. firihselit uuarth], Einsiedeln, StiftsB. cod 316; Nr. 120, BV. 129 und StSG. II, 519,32f. Exulat : JkrhMlkt xxbd [1. firhisilit uuad\, Zürich, ZB. Ms. Car. C 164; Nr.651, BV. 1008; 11. Jh., alem.) handelt es sich um Glossen zu Prud. symm. 2,367. Die Bildung ist nur im Althochdeutschen bezeugt. Neben dem schwachen Verb steht im Althochdeutschen auch das Substantiv ihsilî st.F., selbst Entlehnung aus lat. exsilium und seit dem 9. Jahrhundert bezeugt. Der älteste Beleg liegt wohl vor in StSG. 11,235,67 Exilio : ihsili, Karlsruhe, BLB. Aug CCXX; Nr.67, BV. 313, 9.Jh., alem. Vermutlich handelt es sich aber um zwei voneinander unabhängige Bildungen, denn das lateinische Verb exsulâre ist häufig bezeugt und dürfte eher als Basis in Frage kommen als ein in einigen Glossenhandschriften überliefertes Substantiv ihsili. Ableitungen von femininen /-Stämmen sind unter den althochdeutschen janVerben zudem nicht nachzuweisen381. - Zum Wandel von lat. χ zu hs vergleiche man W. Franz382. Eine Entlehnung vor der 2. Lautverschiebung ist in diesen Fällen nicht zu erweisen, da jüngere Lautsubstitution vorliegen kann. mengen2 'fehlen, etwas entbehren, darben', (gemengen und gemangta, N.); SchW. 210, RMWA. 69, RVA. 127.

376

K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch l,2766f. Abrogans-Studien, S. 384 und 442. 378 Sieh auch W. Betz, Der Einfluß des Lateinischen, S. 51 und 61. 379 Die lateinisch-romanischen Elemente, S. 44. 380 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch l,2914f. Sieh auch X. Mignot, Les verbes dénominatifs latins, S. 373. 381 Sieh dazu in Kapitel V.l. 382 Die lateinisch-romanischen Elemente, S. 24. 377

Lehnwörter

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Zu spätlat. mancâre 'verstümmeln, mangeln, fehlen'383. Ein Verb oder ein Nomen, von dem das jan-Vcrb gebildet sein könnte, ist in den germanischen Sprachen nicht bezeugt384. Im Lateinischen ist dagegen auch mit lat. mancus 'schwächlich'385 ein Adjektiv vorhanden, das als Basis der denominalen Ableitung gelten kann. Zur Entstehung von ahd. g aus (intervokalischem) c sieh W. Franz386. Das Verb ist von ahd. mengen1 'vermischen' zu trennen. mennen2 '(Vieh) treiben', (Gl.); StWG. 407, RVA. 313. Die Belege für ahd. mennen2 und ahd. mennen1 'gerichtlich vorladen', die StWG. 407 und bei F. Raven unter einem Ansatz mennen 'treiben, gerichtlich vorladen' vereint sind, sind voneinander zu trennen 387 . Neben mennen1 findet sich das jan-Vtrb mennen2 in der Bedeutung 'Vieh antreiben' in neun Glossenhandschriften, die mit Ausnahme von StSG. 111,304,28 Mino ïbo i menno (Florenz, Biblioteca Medicea Laurentiana Plut 16.5; Nr.l37, BV. 151, 13.Jh., alem.; SH.388) unmittelbar zurückführen auf I Sm 30,20 et tulit universos greges et armenta et minavit ante faciem suam dixeruntque haec est praeda David. "Dann nahm er alle Schafe und Rinder und ließ sie vor sich hertreiben und sie sprachen: Das ist die Beute Davids." Man vergleiche StSG. 1,405,40.41 Minauit : menita (Clm 4606; Nr.328, BV. 486, 12.Jh„ bair.); manti (Clm 6217; Nr.337, BV. 500, 13./14.Jh„ bair.); treib i menita (Zürich, ZB. Ms. Rh. 66; Nr.654, BV. 1015, 12.Jh., alem.); menete i traip (Stuttgart, WLB. HB IV 26; Nr.561, BV. 867, 12.Jh., alem.); StSG. 1,406,37 Minauit : menede uel dreif (Oxford, BL. Jun. 83; Nr.494, BV. 726, 12./13.Jh„ mfrk.389); StSG. IV, 266,42 Minauit : menile i (Goslar, Stadtarchiv vorl. Nr. Β 4374; Nr.230, BV. 266, 14.Jh.); StSG. IV,267,28 Minauit : meneá. i treipb (Leiden, UB. B.F.L. 191 E; Nr.362, BV. 249, nd.); ebenda 28f. meneta. ul treiph (Leipzig, UB. Ms. 106; Nr.262, BV. 376, 13.Jh.); ebenda 29 menete i tipb (Oxford, Bl. Laud. lat. 14; Nr.497, BV. 728 und StSG. V,3,37 Minauit : mte (Karlsruhe, Β LB. Hs. Oehningen 1; Nr.696, BV. 323, beide 13 Jh.). Es handelt sich bei diesem in keiner anderen altgermanischen Sprache bezeugten Verb um eine Entlehnung aus lat. minare in der Bedeutung 'durch

383

M a n vergleiche G. Müller - Th. Frings, Germania Romana 2,312f. sowie DWB. 6,1540; sieh noch J.F. Niermeyer, Mediae Latinitatis Lexicon Minus, S. 633, sowie PEW. 1056. 384

Man vergleiche FTW. 309 unter mang-,

385

K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 2,791. Die lateinisch-romanischen Elemente, S. 31 f.

386 387 388 389

Zu mennen1 '(vor)laden', das auf fränk. manjan zurückfuhrt, sieh in Kapitel VI. Zur Handschrift sieh HSH. S. XLIVf. Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 258-277.

Analogische N e u b i l d u n g e n

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Schreien und Prügeln antreiben'. Das Verb lebt in der Romania fort in ital. minare und franz. mener''*'. miscen '(ver)mischen', (B. GB. Ν. OT. T. WH.; Gl.); SchW. 214, RMWA. 75, StWG. 416, RVA. 130. Zahlreiche Belege, zuerst wohl StSG. 1,463,18 Conficiebam : kimiscta und StSG. 1,363,29 Confici : kimiskit uuesan, dort in der Bedeutung '(durch Vermischen) zubereiten'391; Karlsruhe, BLB. Aug. IC, Rb.; Nr.54, BV. 296, Ende des 8.Jh„ alem.392. Weitere Belege bei G. Müller - Th. Frings393. Zu lat. miscêre 'mischen'394. Das Verb wird wohl zu Recht meist als Lehnwort gedeutet395. Die Herkunft des lateinischen Wortes selbst ist aber nicht sicher396. Daneben stehen noch lat. miscuâre, *miscitâre sowie *misculâre '1. Vielleicht haben miscuâre und miscitâre die Eingliederung von miscen in die janKlasse, die bei lateinischen Verben auf -ère singulär ist, gegebenenfalls in semantischer Opposition zu miscelôn beinflußt. Lateinische Verben mit /-Formans werden dagegen im Althochdeutschen meist in die Klasse der ônVerben eingegliedert. Unter Hinweis auf W. Wilmanns 398 hält es R. Lawson399 für wahrscheinlicher, im Falle von ahd. miscen keine Entlehnung vorauszusetzen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß R. Lawson ein Modell der Integration lateinischer Verben ins Althochdeutsche entworfen hat (dazu unten) in dem ein skSuffix nur bei althochdeutschen ow-Verben erwartet wird. W. Wilmanns hat zudem eine Deutung als Lehnwort keinesfalls, wie R. Lawson vorgibt, abgelehnt. Bei ihm stehen beide Möglichkeiten gleichwertig nebeneinander. Für 390 M a n vergleiche dazu K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches H a n d w ö r t e r b u c h 2,930, X. M i g n o t , Les verbes d é n o m i n a t i f s latins, S. 95 u n d 375. Sieh auch S. Blum, Wortschatz u n d Ubersetzungsleistung, S. 24. Zu diesem Verb vergleiche m a n jetzt auch A. de Sousa Costa, Studien zu volkssprachigen W ö r t e r n , S. 140-145. 391 M a n vergleiche E. Meineke, Bernstein im Althochdeutschen, S. 164. m Z u r H a n d s c h r i f t sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. J a h r h u n d e r t s , S. 17. 393 G e r m a n i a R o m a n a 2,320-325. Die Angabe u n t e r FW. 1110 ("seit d e m 9.Jh.") ist zu korrigieren. 39 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches H a n d w ö r t e r b u c h 2,940. M a n vergleiche auch X.Mignot, Les verbes d é n o m i n a t i f s latins, S. 145 A. 1. 395 So KEW. 481, PEW. 1110, PIEW. 714, H . Lauffer, Der Lehnwortschatz, S. 517, 562 u n d 592, G. Müller - Th. Frings, G e r m a n i a R o m a n a 2,324f., H . S o m m e r , PBB. 94 (1972) S. 76, Κ. T o t h , Der Lehnwortschatz, S. 60, S. Blum, Wortschatz u n d Ubersetzungsleistung, S. 63f.; m a n vergleiche auch A. Walde - J.B. H o f m a n n , Lateinisches etymologisches W ö r t e r b u c h 2,95f.: "germ. *miskjâ- falls nicht aus d e m Lat. enti." 396

X. M i g n o t , Les verbes d é n o m i n a t i f s latins, S. 145 A. 1, "... miscêre est peut-être u n d é n o m i n a t i f préhistorique." 397 J.F. Niermeyer, Mediae Latinitatis Lexicon M i n u s , S. 692; daraus ahd. miscelôn, SchW. 214. 398 W o r t b i l d u n g , S. 113. 399 JEGP. 79 (1980) S. 474.

Lehnwörter

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eine Deutung als Lehnwort spricht, was R. Lawson nicht berücksichtigt, vor allem die Tatsache, daß unter den einzelsprachlichen Fortsetzern der Wurzel idg. *mei-R- 400 neben einem von der Bedeutung her etwas abseits stehendem air. mese 'betrunken' nur lat. miseêre und die westgermanischen Belege als Weiterbildungen mit ¿¿-Formans gelten können. Bildungen mit ¿¿-Suffix sind im Germanischen nur noch resthaft belegt; darunter sind Verben mit der Lautstruktur Ki-sk- nicht bezeugt401. Das Verb fehlt auch im Gotischen. Das alte germanische Wort für 'mischen' führt auf * Blanch- zurück402, daneben steht einmal im Isidor auch mengen. Im Althochdeutschen scheint miscen fast ausschließlich bairisch und alemannisch zu sein. Im niederländisch-rheinisch-niederdeutschen Sprachgebiet ist das Wort nicht heimisch geworden403. Auch dies sollte für den Status als Entlehnung sprechen. Für die Annahme einer Entlehnung tritt auch E. Alanne404 ein; jedoch mit anderer Begründung. Nach seiner Auffassung sei das Wort über Nordfrankreich als Kunstwort der römischen Weinhändler gerade in die hochdeutschen Weingegenden am Rhein gekommen. Als später einheimische leichtere Sorten entstanden, die der Verdünnung nicht mehr bedurften, habe das Wort seine Spezialbedeutung verloren und sei über diesen Raum hinaus verbreitet worden. Vielleicht können, folgt man der Deutung als Entlehnung, bei diesem Wort zwei unterschiedliche Entlehnungswege nachgezeichnet werden. Auch kelt. mese ließe sich dann möglicherweise in diesen Zusammenhang eingliedern. sicondett 'folgen, sich fügen', (StSG. I, 218,33 Obsecundare : sicondam Kb).405; StWG. 523, RVA. 177. Zu secundare 'begünstigen, gefällig sein, nachgeben'406. Zum Wandel u zu o, der auf romanischen Einfluß deutet, sieh W. Franz407. fir-spûmen 'ausschäumen', (Gl.); StWG. 581, RVA. 199; StSG. 1,797,21 Despumantes : virspumta (Wien, ÖNB 2723; Nr.620, BV. 949, lO.Jh., bair. und Wien, ÖNB 2732; Nr.621, BV. 950, lO.Jh., bair.); ebenda 22 uirspumenta (Göttweig, StiftsB. 46/103; Nr.228, BV. 264, 12.Jh., bair.); ebenda uirspum

400

PIEW. 714. M a n vergleiche W. Meid, Wortbildungslehre, S. 256f. 402 Man vergleiche SEW. 115ff. 403 Sieh dazu G. Müller - Th. Frings, Germania Romana, S. 326f. 404 Die deutsche Weinbauterminologie, S. 43. 405 Sieh J. Splett, Abrogans-Studien, S. 313 und 500, W. Betz, Der Einfluß des Lateinischen, S. 66. K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 2,2562; man vergleiche auch ebenda 2,2563 secundus 'folgend' sowie X. Mignot, Les verbes dénominatifs latins, S. 378. 407 Die lateinisch-romanischen Elemente, S. 51. 401

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Analogische N e u b i l d u n g e n

(Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11.Jh., bair.); ebenda 23 virspum (Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.408). Zu lat. spûmâre 'schäumen, hervorschäumen' 409 , man vergleiche auch despûmâre 'abschäumen' 410 . tihten 'erfordern, gebieten', (B. GB.); SchW. 281 , dictan, RMWA. 89, (StSpD. 190,23f. ibu huuaz luzziles keduunganor dictentemv, auch 199,30f. si daz ibu so reht dictontemvfn. Die ältere Bedeutung 'erfordern, gebieten' wird von einem janNtxh wiedergegeben, die jüngere Bedeutung 'diktieren, dichten' vom ôn-Verb, das das ganze Bedeutungsspektrum abdecken kann. Die Integration des Lehnworts in die 1. Klasse erweist sich somit als die ursprüngliche. Zu lat. dictare 'wiederholt sagen, befehlen, diktieren'412. Es handelt sich bei dem Verb um ein Intensivum zu lat. dîcere. bi-trabten 'denken an, etwas betrachten', (O.; Gl.); SchW. 284, RMWA. 88, StWG. 632, RVA. 227. Zuerst StSG. 1,233,23 Preualui : pitrahta Kb. Ra.413. E. Seebold414 sowie W. Pfeifer415 nehmen Entlehnung aus dem Lateinischen an. Dann ist das Wort zu lat. tractäre 'betasten, berühren, untersuchen, überdenken', einem Intensivum zu lat. trahereAU zu stellen. Der Wandel von idg. kt (lat. et) zu ht ist vorgermanisch, man vergleiche lat. rectus : got. raihtsm. W. Franz418 denkt an eine jüngere Entlehnung mit Lautsubstitution, wie sie in Fällen wie ahd. dihtôn neben dicton vorliegen419. turnen 'lenken', (N. 1,844,1; 2,145,27 turnet)] SchW. 291, RMWA. 82, RVA. 233. Der Beleg stammt aus der Handschrift St. Gallen, StiftsB. Cod.872; 11.Jh., alem.

408 Z u r H a n d s c h r i f t sieh W . Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750. 409 E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches H a n d w ö r t e r b u c h 2,2776f. 410 X. M i g n o t , Les verbes d é n o m i n a t i f s latins, S. 378, K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches H a n d w ö r t e r b u c h 1,2091. 411 Sieh dazu W . Betz, Deutsch u n d Lateinisch, S. 136; m a n vergleiche auch SchW. 281 tihtôn 'ersinnen, dichten, verfassen; w i d m e n , diktieren; vorschreiben, gebieten 1 , StWG. 99, RVA. 2,25 dihtôn 'dichten, gebieten 1 . 412 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches H a n d w ö r t e r b u c h 1,2139. M a n vergleiche auch M. L e u m a n n - J.B. H o f m a n n - A. Szantyr, Lateinische G r a m m a t i k § 412 B.l. 413 M a n vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 340 u n d 519. 414 KEW. 734. u n t e r trachten. 415 PEW. 1822. 416 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches H a n d w ö r t e r b u c h 2,3164f. 417 Sieh H . Krähe, Germanische Sprachwissenschaft 1, § 88. 418 Die lateinisch-romanischen Elemente, S. 24 m i t A. 1. 419 Zu ahd. trahtôn sieh H . Lauffer, Der Lehnwortschatz, S. 519, 567, 592.

Lehnwörter

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Zu lat. tornare 'runden, drechseln' 420 . Nach W. Franz 421 deutet der Wandel von o zu u auf romanischen Einfluß. Dies wird als sicher zumindest für ae. turnian (aus lat. tornâre unter Einfluß des Altfranzösischen) angenommen 4 2 2 . Der Einfluß der lateinischen Sprache auf das Althochdeutsche war bereits Gegenstand zahlreicher Untersuchungen 423 . Besondere Aufmerksamkeit ist dabei den Lehnprägungen geschenkt worden, da an kaum einer anderen Stelle die Entwicklung der althochdeutschen Sprache vor dem Hintergrund des lateinischen Vorbilds so genau beobachtet werden kann. Ein geringeres sprachwissenschaftliches Interesse fanden demgegenüber die Lehnwörter, zumal diese meist äußerst selten belegt und vielfach als Ad-hoc-Übernahmen der eigentlichen Volkssprache mit wenigen Ausnahmen (felscen, miscen, dicten, bi-trahten) fremd geblieben sind. Einzig die lautlichen Veränderungen bei der Übernahme in das Althochdeutsche haben bisher eine genauere Untersuchung erfahren 424 Fragen der morphologischen Integration in die Zielsprache sind dagegen kaum berührt worden 42S . Für W . Franz 426 erübrigte sich das Problem der morphologischen Integration der jan-Verben schon deshalb, da 27 er abgesehen von dem starken Verb scrìban ausschließlich ¿«-Verben, beziehungsweise ¿«-Verben, die er als Doubletten zu ow-Verben versteht, erfaßt. Ausführlicher scheint sich in jüngerer Zeit nur R. Lawson 428 mit diesem Problem befaßt zu haben. Seine Schlußfolgerungen, die den Blick auf die Funktion der Wortbildungsmorpheme lenken, sind allerdings nicht auf der Basis K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 2,3151. Die lateinisch-romanischen Elemente, S. 47. 4 2 2 Man vergleiche F. Holthausen, Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 355. Sieh auch KEW. 745. 420 421

Sieh besonders die in Abschnitt III. 1 genannte Literatur. W. Franz, Die lateinisch-romanischen Elemente. 4 2 5 Ansätze bei H. Lauffer, Der Lehnwortschatz, S. 35-39 und 506 mit A. 820. Die Studie H. Sommers, PBB. 94 (1972), besonders S. 57f., behandelt den verbalen Wortschatz nur am Rande. 4 2 6 Die lateinisch-romanischen Elemente, besonders S. 65. 4 2 7 Die vorherrschende Deutung von scriban als Lehnwort ist jedoch fraglich, denn die Integration eines lateinischen Lehnwortes in die Klasse der starken Verben, die ja zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt stattgefunden habe muß, darf aus verschiedenen Gründen als ungewöhnlich bezeichnet werden. Vergleichbare Beispiele für den Übertritt in die Klasse der starken Verben, für den die selben Bedingungen wie beim Flexionsklassenwechsel althochdeutscher schwacher Verben in die Klasse der starken Verben gelten müßten, fehlen im Althocheutschen für Verben mit derartig hoher Gebrauchsfrequenz. Möglicherweise liegt dem althochdeutschen Wort ein untergegangenes einheimisches starkes Verb zugrunde, das von lat. scribere nur überlagert worden ist. Sieh dazu H. Tiefenbach, Sprachwissenschaft 16 (1991) S. 114 A. 72. Skeptisch gegenüber der herkömlichen Deutung auch E. Seebold (KEW. 653). Zur Verteilung und ursprünglichen Bedeutung von *writan und skriban E. Schröder, ZDA. 61 (1924) S. 57-58; zum Phänomen "Flexionsklassenwechsel" sieh auch unter III.2.B. 423

424

428

JEGP. 79 (1980) S. 4 6 9 4 7 6 .

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Analogische Neubildungen

eines vollständigen Korpus aller Entlehnungen entstanden. Die Überprüfung ihrer Gültigkeit unter Berücksichtigung aller althochdeutschen Verbalbildungen steht mithin noch aus, doch bedarf bereits seine Feststellung, daß nur lateinische Verben auf -are, -ere und -ere bei der Entlehnung ins Althochdeutsche eine Rolle spielen, der Korrektur 429 . Neben den zweifelhaften Offnen und balbizôn (StSG. 111,312,36 balpzonte) aus balbutire 'stammeln, zwitschern' ist ahd. zirkôn 'umgehen, umkreisen' (StSG. I,203,23)430 aus lat. circuire 'herumgehen' ein Beispiel dafür, daß beim Integrationsvorgang inhaltsseitige Aspekte im Vordergrund stehen, die nicht von morphologisch begründeten Beschränkungen beeinflußt werden. Eine morphologische Restriktion von der Art, daß nur zwischen den Verbklassen auf lat. -âre und ahd. -ori, lat. -ere und ahd. -en sowie lat. -ere und ahd. -en die Möglichkeit zur Übernahme ins Althochdeutsche bestehe, gibt es jedenfalls offensichtlich nicht. R. Lawson selbst bemerkt denn auch zu Recht, daß beim Entlehnungsvorgang zwischen diesen Verbklassen durchaus keine l:l-Entsprechung nachgewiesen werden könne 431 . Das Material der /¿«-Klasse zeigt, daß - sieht man von miscen und der unsicheren Form kifinit ab - allen althochdeutschen /¿»-Verben gerade nicht lateinische Verben auf -ere, sondern lateinische Verben der ¿-Konjugation gegenüberstehen. Bei der überwiegenden Zahl der erfaßten /¿»-Verben handelt es sich zudem um Verben mit faktitiver Ableitungsstruktur. Sie gehen wohl mit Ausnahme von tractâre und tornare auf lateinische denominale Verben zurück 432 , für die ebenfalls faktitive Bedeutung angenommen werden kann. Im Althochdeutschen treten die Bildungen den denominalen Faktitiva der 1. schwachen Klasse zur Seite. Daneben stehen mit tractâre und tornare deverbale Intensiva, die wie die nach lateinischem Muster gebildeten Intensiva auf -V-t-ja- und die Masse der althochdeutschen deverbalen Intensiva in die 1. Klasse der schwachen Verben eingefügt werden. Es zeigt sich hier ein deutliches semantisches Profil. Kontrastiert man den Befund dann mit den Entlehnungen, die in die althochdeutsche ôn- und «»-Klasse eingegangen sind, so verdunkelt sich dieses relativ einheitliche Bild433. Da auch denominale Faktitiva der lateinischen âKonjugation in die althochdeutsche o»-Klasse eingegliedert werden, ist zunächst keine klare Ursache für diese Verteilung zu erkennen.

429 Man vergleiche ebenda S. 470. Auch H. Sommer, PBB. 94 (1972) S. 57 konstatiert für die ¿«-Verben, daß ein Übergang aus allen lateinischen Konjugationsklassen möglich sei. 430 StWG. 765. Sieh auch K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,1158 unter circuire 'herumgehen'. 431 JEGP. 79 (1980) S. 470. 432 Zu lat. miskere vergleiche man das oben Ausgeführte. 433 Für die -¿«-Verben vergleiche man E. Pollard, Über die -ôn und -jan-Verba, wo auf S. 45f. 47 όκ-Verben lateinischer Herkunft erfaßt sind.

Lehnwörter

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R. Lawson hat zuletzt, allerdings ohne auf Fragen der Bedeutung und des Entlehnungszeitpunkts einzugehen, die Meinung vertreten, daß Suffixe wie ahd. -al-/-il-, -in-, -r-, -sk- oder -azz-/-ezz- für die Zuweisung zu einer der drei althochdeutschen Konjugationsklassen bestimmend seien434. Einige der genannten Suffixe sind für die Integration der lateinischen Verben ins Althochdeutsche sicherlich ein wichtiges Signal. Dabei ist aber zwischen solchen - produktiven - Suffixen zu unterscheiden, die in althochdeutscher Zeit noch deutlich als Träger einer semantischen Funktion zu erkennen waren (zum Beispiel -V-/- / diminutiv, -V-zz- / intensiv-iterativ), und solchen nicht mehr produktiven (wie -sk- oder semantisch nicht klar charakterisierten wie -r-435), deren semantische Funktion im Althochdeutschen nicht ausgeprägt oder verblaßt war. So werden beispielsweise Verben wie gargarizare und crocitare in die ^«-Klasse integriert, weil das semantische Muster, im Falle von izâre auch das Suffix selbst, auf die althochdeutschen -V-zz-en-Verben bezogen werden konnte. Lat. misculâre erscheint als miscelôn, weil das lateinische -/Suffix in Form und Funktion auf die althochdeutschen -alôn/ilôn-Veiben bezogen wurde. Eine vergleichbare Sicherheit läßt sich für Verben mit r- oder j/fc-Suffix nicht gewinnen. Nur dort, wo ein lateinisches Wort mit einem Suffix gebildet ist, das mit einem der im Althochdeutschen produktiven Suffixe identifiziert werden konnte, erfolgte die Eingliederung gemäß den gleichen Regeln, die auch für althochdeutsche Verbneubildungen gelten436. Wenn dabei die meisten Entlehnungen der ¿«-Klasse angegliedert werden, so ist das deshalb nicht verwunderlich, weil ohnehin die überwältigende Mehrzahl auch der einheimischen Neubildungen in diese Klasse eingegliedert wird. Auf diese Weise erklärt sich der von R. Lawson beobachtete Zusammenhang zwischen den genannten Verbalsuffixen und der o«-Klasse. Die ¿«-Verben breiten sich im Verlauf der althochdeutschen Zeit mehr und mehr aus und die älteren morphologisch-semantischen Beziehungen werden, indem die ¿«-Verben Funktionen der schwachen ^«-Verben zusätzlich mit übernehmen, schließlich verdunkelt und unkenntlich 437 . Demgegenüber gilt die Produktivität der /¿«-Klasse im Althochdeutschen als weitgehend erloschen438. Das Beispiel der Lehnwörter kann aber sichtbar machen, daß auch

434

JEGP. 79 (1980) S. 471f. M a n vergleiche R. Lawson, JEGP. 75 (1976) S. 352-360. Die dort angeführten gotischoberdeutschen Ubereinstimmungen sind jedoch ererbt und gehen kaum auf direkte Beeinflussung zurück. Hierzu grundsätzlich R. Schützeichel, Die Grundlagen, S. 24-26. 436 Es ist R. Lawson, ebenda S. 476, deshalb beizustimmen, wenn er sagt, "we should evidently be cautious in extending the concept that Latin caused changes in OHG". 43 E. Pollard, Über die -ôrt und -jan-Verba, besonders S. 26-35. 438 Man vergleiche H. Eggers, Deutsche Sprachgeschichte 1, S. 90. Seine Formulierung, die /iîtf-Klasse sei "im Ahd. fast gar nicht mehr produktiv", verweist zugleich auf die Existenz v o n Ausnahmen, die eigens erklärt werden müssen. Bereits H. Lauffer, Die Lehnbildungen, S. 435

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Analogische Neubildungen

im Bereich der Morphologie stärker als bisher geschehen eine Trennung von älterem und jüngerem Althochdeutsch vorausgesetzt werden muß439. Alle hier erfaßten Entlehnungen fallen in die althochdeutsche Zeit. Die Materialsammlung erhellt, daß immerhin fast die Hälfte der in die Klasse der janVerben integrierten Entlehnungen ohne jüngere Suffixerweiterung (5) der Überlieferung des 8. und 9. Jahrhunderts angehört. Diese Verben dürften einer frühen Entlehnungsschicht entstammen und damit einer Zeit, zu der die ^«-Klasse offenbar noch Neubildungen aufzunehmen in der Lage war. Nur wenige entlehnte denominale Faktitiva gehören demgegenüber schon in früher Zeit der o«-Klasse an. Aus der Materialsammlung E. Pollars sind mit einiger Sicherheit nur drei Verben zu nennen, nämlich ahd. blanôn glatt machen' (N.)440 zu lat. plânâre 'ebnen' und falscôn 'falsch machen' 441 , bair.; zuerst 9Jh. (1); 10Jh. (7), 11 Jh. (9), 12.Jh. (2), 13.Jh. (1) und firmón 'fest machen'442, bair.; zuerst lO.Jh. (1); 11 Jh. (5), 12.Jh. (1). Es sind faktitive Verben, deren Eingliederung auch in die 1. Klasse hätte erfolgen können 443 . Die Erstbezeugung und in den meisten Fällen auch Beschränkung der entlehnten ^«-Verben auf den oberdeutschen, überwiegend bairischen Sprachraum läßt zusätzlich den Schluß zu, daß gerade in dieser Sprachlandschaft die Produktivität der yrüg-, das vorliegt in an. prúga 'drücken'. Nhd. drucken ist eine ursprünglich oberdeutsche Nebenform zu drücken, da im Oberdeutschen der Umlaut vor ck gehindert wurde720.

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PBB. 85 (H 1963) S. 358f. Sieh LH. 1,377, DWB. 2,486. Man vergleiche auch W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 181. 719 Sieh dazu R. Lühr, Expressivität und Lautgesetz, S. 348. 720 Sieh auch KEW. 157. 718

Analogische Neubildungen

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glizzen 'glänzen, blinken (von Waffen)', (GL); KFW. 4,309, StWG. 231, fehlt RVA. (Man vergleiche an. glitta 'leuchten'721; sieh auch mhd. glitzert). Es dürfte sich um eine Intensivbildung zu einem starken Verb germ. *gleita'gleißen' handeln, das vorliegt in ahd. glîzan, as. glîtan122. gniffen 'kratzen', (ein Beleg StSG. 11,402,74 prurit : gnißt); KFW. 4,318 (sw.V.), StWG. 232 sw.V. (?), RVA. 59. Das Verb gehört womöglich mit anlautendem g- (wie etwa mhd. knarren, gnarren) zur Wortfamilie um nhd. kneifen, das selbst im 15. Jahrhundert aus mnd. kneipen st.V., sw.V. übernommen und ins Hochdeutsche übertragen wurde723. Es vergleicht sich dann lit. gny'bti 'kneifen', letztlich liegen wohl lautsymbolische Folgen zu Grunde. Ausdrücke für 'zusammendrücken' beginnen mehrfach mit der Folge kn-. In einem Zusammenhang "verdickte Gegenstände zusammendrücken" dürfte darüberhinaus eine Verbindung zu den Wörtern für verdickte Gegenstände auf kn- wie etwa Knolle, Knödel bestehen. hecken 'hauen, stechen', (Gl., gi- Gl.); StWG. 265, RVA. 67. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. hecken'). Bezeugt sind Formen wie StSG. 1,673,4 Mordeat : heaha, 2,160,2 Carnes conflictos : kehacchot. Vermutlich handelt es sich um eine Intensivbildung mit jaSuffix, wie die parallele Bildung ahd. hackôn 'hacken', ae. haccian, afr. hakia aus hakk-ô-, die beide eine Form westgerm. *hakk- voraussetzen724. hepfen '(er)heben; nehmen; setzen; höherstellen' (I.; ir-, Gl., ubar- I.); 'KFW. 4,767 unter heffen, SchW. 160 unter heuen, StWG. 273 unter ir-heven, -heffen, nicht RVA. (Nur ahd.). Unter den Belegen, die gewöhnlich zum starken Verb ahd. heven '(er)heben, nehmen, setzen' gestellt werden, befinden sich vereinzelt auch Formen mit der Graphie und , die mit R. Lühr von hevan abzutrennen sind und auf einen Ansatz germ. *χαρρίΐμ- weisen72S. Es handelt sich um die im Isidor bezeugten Formen hepfu und ubarbepfendi. Die Schreibung statt tritt im Isidor nur zweimal in diesem Wort auf. Da bei der Uberlegtheit des Schreibsystems kaum an eine Verschreibung oder auch nur an eine funktionslose Variante gedacht werden kann, muß von einer Intensivbildung ausgegangen werden. Unter den Glossen kommen in Betracht StSG. 1,131,32 Ex721

J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 174. SEW. 231. M a n vergleiche auch KEW. 269 sowie DWB. 4,1,5,134. 723 KEW. 383. Sieh auch DWB. 4,1,5,646. 724 Zu hacken sieh KEW. 285. Man vergleiche auch DWB. 4,2,745, wo in Anschluß an J. G r i m m eine Verbindung zum starken Verb hauen vermutet wird. Sieh dazu aber W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 183. 725 Expressivität u n d Lautgesetz, S. 356. 722

Bildungen mit sogenannter Intensivgemination

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tollite : arhefph&, R.; StSG. 11,344,40 Promouendo : urhepphantio, Clm. 6325, BV. 529, Nr.348, 9.Jh., bair.; Glosse zu Isid. off. 2,8,427 und StSG. 11,238,50 Efferunt : erhepfent, Zürich, ZB. Ms. Rh. 35, BV. 1010, Nr. 652, lO.Jh., alem.; Glosse zu Greg, cura 3,10,45. jucken 'jucken', (Gl.); StWG. 318, RVA. 83f. (Man vergleiche as. juckian, ae. giccan). Mit A. Bammesberger726, sind die verwandten Substantive, wie etwa ae. gycce 'jucken', wohl als postverbal aufzufassen. Dann steht das Verb jedoch scheinbar völlig isoliert und so beschreibt denn auch E. Seebold727 das Verb als von unbekannter Herkunft. Demgegenüber wird von den Bearbeitern des DWB.728 unter der Annahme einer älteren Bedeutung 'springen', die allerdings nur aus jüngeren alemannischen Quellen überliefert ist, eine Verbindung mit mhd. jöucheti, jouchen 'jagen, treiben', got. jiuka 'Streit', jiukan 'kämpfen', apers. yaud- 'sich unruhig bewegen'729 angenommen. 'Springen, hüpfen' sei dabei sekundär auf den Hautreiz übertragen worden. Als Bildungen zur Wurzel * ieug- handelt es sich dann es sich dann um eine Intensivbildung. kripfen 'entreißen, berauben, zerstören', (APs. N., gi- B. GB. Gl.); SchW. 184, RMWA. 67, StWG. 241, RVA. 97 (wo der Beleg aus den Altalemannischen Psalmenfragmenten fehlt). (Nur ahd.; man vergleiche mhd. kripfen). Das Intensiv steht als Anlautvariante neben dem starken Verb ahd. grifan 'greifen'730. Eine Analyse der althochdeutschen Belege gibt H. Tiefenbach 73 '. lepfen 'schöpfen', (gi- O.; Gl.); SchW. 194, RMWA. 67, StWG. 370, RVA. 107. (Nur ahd.). Gegenüber mhd. leffen 'schlürfen, lecken' liegt etwa in Otfrid 2,14,28 gilep(p)hen eine Intensivbildung vor, die neben dem starken Verb ahd. laffan 'schlürfen, lecken' steht732. be-necken 'reizen, herausfordern', (ein Beleg StSG. 11,710,52 Lacessunt : benechidunsih)·, StWG. 434, RVA. 137 und 314. Der Beleg entstammt der Handschrift Paris, BN. lat. 9344, BV. 752, Nr.509, 11.Jh., mfrk. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. necken). Ein Verb nhd. necken sei nach E. Seebold733 erst seit dem 14. Jahrhundert bezeugt, doch dürfte das althochdeutsche Verb durchaus hier anzuschließen 726 727 728 729 730 731 732 733

Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 126. KEW. 342. 4,2,2347. Sieh PIEW. 512. Man vergleiche R. Lühr, Expressivität und Lautgesetz, S. 356 unter * grippila. BNF. NF. 15 (1980) S. 70f. Sieh ebenda S. 370, man vergleiche auch SEW. 323f. KEW. 500.

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Analogische N e u b i l d u n g e n

sein. Es wäre dann wie nhd. necken als eine Intensivbildung zu bestimmen, die neben dem starken Verb germ. *gnaga- 'nagen' in ahd. gnagan, ae. gnagan, an. gnoga, got. gnagan steht734. nicken 'niederbeugen, zusagen', (N.; GL); SchW. 223, RMWA. 72, StWG. 440, RVA. 141. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. mnd. mnl. nicken). Es handelt sich um eine Intensivbildung neben ahd. (h)ntgan, as. ae. hnîgan, afr. hniga, an. hniga, got. -hnaiwan aus germ. *hneigwa- 'sich neigen'735. rapfen/raffen 'verharschen, verkrusten (von Wunden)', (häufiger bi-, Gl.); StWG. 472, RVA. 147. (Nur ahd.). Das zunächst scheinbar als einziges Wort in engerer Verwandschaft stehende Substantiv mhd. rappe, rapfe 'Gelenkausschlag bei Pferden' ist nach E. Seebold736 postverbal gebildet. Bei der Pferdekrankheit soll es sich um eine Flechtenbildung handeln, bei der die Haut der Pferde rissig wird. Von dieser Überlegung her bringen die Bearbeiter des DWB.737 das Substantiv in Verbindung mit dem Verbum rappen, mhd. raffen 'reißen, rupfen'. Ahd. rapfen stünde dann neben diesen Verben als Intensivbildung. rizzen 'ritzen, schneiden, leicht verwunden', (Gl.); StWG. 490, RVA. 158. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. riz(z)en). Es handelt sich um eine Intensivbildung neben ahd. rìzan, man vergleiche as. writan, ae. writan, an. rita aus germ. *wreita- 'reißen, ritzen738. rucken 'sich fortbewegen', (N.; Gl.); SchW 215, RMWA. 73, StWG. 469, RVA. 160.

(Man vergleiche an. lykkjd). Es dürfte sich um eine Intensivbildung handeln, die neben einem Verb steht, daß in ae. roccian 'wiegen, schaukeln' erhalten ist739. Schwer zu deuten ist dagegen die Präfixbildung ahd. ita-rucken 'wiederkäuen', (Gl.); StWG. 314 (unter i-), RVA. 82f. Es handelt sichvermutlich, obwohl das Präfix dies nahezulegen scheint, nicht um eine denominale Ableitung, etwa zu einem Substantiv, das vorliegt in as. idrig, ae. edroc 'das Wiederkäuen' 740 . Diese Substantive sind selbst postverbale Bildungen und das jan-Veib ist daher unter dem Simplix 734 Die D W B . 7,515 angeführte Erklärung als desubstantivische Ableitung zu Nacken im Sinne v o n ' j e m a n d e m im Nacken sitzen' d ü r f t e eher volksetymologischen Charakter tragen. 735 SEW. 266, sieh auch KEW. 504, DWB. 7,735f. u n t e r nicken. 736 KEW. 581. 737 8,117 u n t e r Rappe. 738 Sieh KEW. 602, W . W i s s m a n n , N o m i n a Postverbalia, S. 170. 739 Sieh J. de Vries, Altnordisches etymologisches W ö r t e r b u c h , S. 455, W . W i s s m a n n , N o m i n a Postverbalia, S. 176. 740 M a n vergleiche H . Tiefenbach, Sprachwissenschaft 11 (1986), besonders S. 181 u n d 186, sieh auch W. Neubauer, D e f o r m a t i o n isolierter Bezeichnungen, S. 297-521.

Bildungen mit sogenannter Intensivgemination

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anzuführen. Ahd. ita-rucken ist schon seit spätalthochdeutscher Zeit vielfach nicht meht verstanden worden und hat sich als volksetymologische Umdeutung itedrukkan (WH.), SchW. 176 vom Paradigma des Stammwortes abgelöst. hintar-scipfen 'auffangen', (Gl., untar-); StWG. 544, RVA. 182. Bezeugt ist StSG. 11,407,24 Exceptum : hintarskif tan; Prag, Universitni knihovna, MS VIII H 4; BV. 785, Nr.530; Glosse zu Prud. sym. 1,482 und 11,208,68 Intersceptam : untirscifta, St. Paul, Stiftsarchiv 82/1; BV. 92, Nr.251, alem.; Glosse zu Gregor, cura 4,100. (Nur ahd.). Da nur die beiden Präfixbildungen bezeugt sind, ist nicht sicher, welche Bedeutung exakt für das Simplex anzusetzen ist. Das Verb erklärt sich wohl am besten als Intensivbildung, die neben dem starken Verb ahd. scioban 'schieben', germ. *skeulm- steht.741 scricken '(auf)springen, sich bewegen, hüpfen', (N. O.; Gl., ir- MF.; Gl.); SchW. 259, RMWA. 73, StWG. 549, RVA. 184f. Zuerst bezeugt ist die Präfixbildung arscricta, Monseer Fragmente 39,27f. Enti truhtin . quad . quim ano einiga blucnissa Petrus za uuor te ga beotantemo andres . anthabentes az ant uur tin . des gauualtes . ano einiga . gun gi da . ar serietà in uuazar . enti bi gan . gan . gan. (Nur ahd.). Nach E. Seebold742 ist scricken "zunächst" ein schwaches Verb, zu dem sich dann sekundär nach dem Muster der Kausativa ein schwaches Verb screcken gebildet habe. An anderer Stelle743 wird als Erklärung angeführt, daß intervokalisches k für ein starkes Verb außer im Fall von germ, baka- "an sich" unmöglich sei. Vielmehr ist das Verb eine Ableitung von idg. *skreg-, einer Erweiterung von der Wurzel idg. *sker- 'springen'744. Seit dem 11. Jahrhundert treten dann auch starke Formen auf, so StSG. 11,28,51 Emicat : Uzscrac und StSG. 11,523,20 Obstupefacti : erschrockene. Man vergleiche auch unter screcken. scripfen 'ausweiden', (Gl.); StWG. 549, RVA. 186. (Nur ahd.). Das Verb steht neben mhd. schraffen 'schröpfen' und könnte als Intensivbildung angeschlossen werden an das starke Verb germ. *skrepa- 'schaben'745, das vorliegt in ae. screpan 'schaben, kratzen'746. 741

Zu verwandten Bildungen sieh auch. KEW. 634 u n t e r Schippe, R. Liihr, Expressiviät u n d Lautgesetz, S. 244f., SEW. 416f. 742 KEW. 653. 743 SEW. 422. 744 M a n vergleiche PIEW. 934, W. W i s s m a n n , N o m i n a Postverbalia, S. 190. 745 SEW. 425; sieh auch KEW. 653 u n t e r schrappen. 746 Zu d e m p r i m ä r e n Verb sieh H. Tiefenbach, Sprachwissenschaft 16 (1991) S. 110.

Analogische N e u b i l d u n g e n

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fir-scupfen 'vergehen (das Dahinsausen des Augenblicks)', (N.); SchW. 260, RMWA. 67, RVA. 187. (Nur ahd.). Es handelt sich wohl um eine Intensivbildung zu ahd. scioban 'schieben' aus germ. *skeußa-,747 scurpfenx 'aufschneiden, ausweiden', (GL); StWG. 552, RVA. 188. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. schiirpfen, mnl. schorpen, schürpen). Die Intensivbildung steht neben dem starken Verb ae. sceorpan 'schaben, schneiden, schmerzen', germ. *skerpa-7AS, einer Bildung zur Wurzel *skerp-749. scurpfen2 '(Feuer) schlagen', (N. NG.); SchW. 260, RMWA. 67, RVA. 188. (Nur ahd.). In der Bedeutung 'Feuer schlagen' wird scurpfen aus sachlichen Gründen wohl zu Recht von R. Lühr von scurpfen1 abgetrennt und neben ae. sceoifan abnagen, beißen' und scearfian 'abkratzen' gestellt750. slipfen 'ausgleiten, straucheln', (N.; GL); SchW. 262, RMWA. 67, StWG. 559, RVA. 19 lf. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. schlipfen 'rutschen'). Es handelt sich um eine Intensivbildung, die neben ahd. slîfan 'gleiten, vergehen, verfallen', ae. to-slîpan, mhd. slîfen, mnd. mnl. slipen steht™ slizzen 'schlitzen', (GL); StWG. 560, fehlt RVA. (Nur ahd., man vergleiche mhd. schlitzen). Es kann sich um eine Ableitung vom Verbalabstraktum ahd. sliz 'Zerstörung' (N.), SchW. 262, handeln oder um eine Intensivbildung, die neben dem starken Verb ahd. slîzan 'zerreißen, zerbrechen' steht und etwa analog zu dem Paar reißen - ritzen gebildet ist752; man vergleiche afr. slîta, ae. slttan, an. sltta aus germ. *sleita. Allerdings ist nicht auszuschließen daß es sich ursprünglich gar nicht um ein jan-Vtrb handelt, sondern um ein Pseudopartizip, wie es etwa in StSG. 111,147,59 Armelausa : gislizzitroch, SH. vorliegen könnte. int-slupfen 'entkommen, entschwinden', (O.; GL); SchW. 262, RMWA. 67, StWG. 561, RVA. 192. Zuerst erscheint Otfrid 4,16,27f. Ther ist iz, sagen ih iu, inuuár, then gifáhet ir sâr, sâr zi thémo uuipphe, tház er iú nint- slúpfe. (Nur ahd.); man vergleiche mhd. slüpfen, slupfen7". 747

Sieh R. Lühr, Expressivität u n d Lautgesetz, S. 359, SEW. 417 sowie KEW. 654 u n t e r

Schubs. 748

SEW. 415.

749

KEW. 656 u n t e r schüfen, R. Lühr, Expressivität u n d Lautgesetz, S. 362f.

750

Expressivität u n d Lautgesetz, S. 362f. Zu *skerfa-/*skerßa sieh auch SEW. 414f.

751

Sieh SEW. 430 u n t e r *slip-ja sowie KEW. 639 unter Schlipf, sieh auch D W B . 9,590f. unter schleifen u n d 745 f. u n t e r schlipfen. 752 M a n vergleiche SEW. 430f. Sieh auch DWB. 9,762. 753 LH. 2,992.

Bildungen mit sogenannter Intensivgemination

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Mit Intensivgemination zu sliufan 'schlüpfen', SchW. 261, StWG. 559; man vergleiche ae. slüpan, got. sliupan aus germ. *sleupa- 'schlüpfen' 754 . smecken 'schmecken, kosten, erkennen', (N. NG. WH.); SchW. 262, RMWA. 72, StWG. 562, RVA. 192f. Nach E. Seebold755 soll es sich um ein "westgermanisches Denominativ zu wg. *smakka- 'Geschmack'" handeln, das eine Grundbedeutung 'Geschmack wahrnehmen' trägt. Nomen (ahd. smag st.M., SchW. 262, StWG. 561; man vergleiche afr. smek, ae. smcec) und jan-Verb, daneben auch ahd. smackên, weisen offenbar eine Gemination im Vergleich zu einfachem mhd. smachen auf. Wahrscheinlicher ist es aber wohl, die Gemination nicht ursprünglich im Substantiv anzusiedeln, sondern mit R. Lühr756 von einer postverbalen Bildung auszugehen, die zu einem geminierten janNzrb rückgebildet ist. Auch das Bedeutungsverhältnis zwischen Substantiv und jan-Ytrb ist nicht völlig klar. Aussergermanisch vergleicht sich das Verb lit. smaginti 'versuchen, probieren'757. Auf Formen mit vorurgerm. £ weisen auch ahd. gismagmo 'Geschmack' und gismag 'angenehm, schmackhaft' 758 . bi-smizzen 'beschmieren', (Gl.); StWG. 564, RVA. 8. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. schmitzen). Bei F. Raven wird ein Ansatz *bismizzen gegeben, der mit fehlender Kennzeichnung der Präfigierung wohl die Annahme einer denominalen Ableitung vom st.M. bismiz nahelegen soll. Das Substantiv ist aber sicher postverbal759 und das Verb ist als Intensivbildung neben germ. *smeita-, ahd. smîzzan 'anstreichen, aufladen' (N.; Gl., besonders bi- 'bestreichen, beflecken, besudeln', B. GB. MF. N.; Gl.; SchW. 262, StWG. 564; SEW. 437f.) zu stellen760. fir-smuckett 'zerquetschen', (ein Beleg StSG. 1,369,54 attritis : uersmuchtin)·, StWG. 564 fir-smucken (?), RVA. 193. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. smucken). Das Verb ist wohl an die Wortfamilie um nhd. Schmuck anzuschließen, wofür mit E. Seebold 7 " eine Grundbedeutung 'eng anliegen' angesetzt werden kann, aus der dann dann einerseits über 'hübsch aussehen' die heutigen Bedeutungen erwachsen sind, andererseits aber auch Bedeutungen wie 'enger machen, zusammendrücken' entstanden sein können. Ahd. -smucken ist dann 754

Sieh SEW. 435f., KEW. 640. KEW. 642. 756 Expressivität und Lautgesetz, S. 353f. 757 Man vergleiche C.C. Stang, Lexikalische Sonderübereinstimmungen, S. 51. 758 Sieh R. Lühr, Expressivität und Lautgesetz, S. 354. 759 Man vergleiche K. Matzel ADA. 77 (1966) S. 5. 1 760 E. Seebold, KEW. 644 unter schmitzen , fuhrt ahd. smitzen an. Ein nicht-präfigierter Beleg konnte jedoch nicht ermittelt werden. Sieh auch W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 184. 761 KEW. 644. 755

Analogische Neubildungen

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eine Intensivbildung zu germ. *smeuga- 'schmiegen', das vorliegt in ahd. (Partizip Präteritum) gismogen, an. smjúga, ae. smûgan sowie mhd. smiegenla. int-snizzen 'herausschneiden', (ein Beleg, StSG. 11,502,8 Excipit : insnizit)·, StWG. 566, fehlt RVA. Es handelt sich um eine Glosse zu Prud. cath. 3,124 coniugis excipit imperiarti. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. snitzen). Es handelt sich um eine Intensivbildung, die neben ahd. snîdan\ vergleiche as. snîthan, afr. snîtha, ae. sntÖan, an. sniÖa, got. sneipan aus germ. *sneipasteht763. sticken 'vollstopfen, anfüllen', (Gl.); StWG. 593, RVA. 204f. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. sticken). Das Wort ist wohl eine Intensivbildung neben dem starken Verb stehhan sein, oder es ist andernfalls abgeleitet vom Substantiv stih '(Zier) Stich'764. Die Bedeutung des althochdeutschen Verbs läßt sich aber nur schwer mit dem Substantiv verbinden. ir-stuzzen 'ins Unglück stürzen', (ein Beleg, Ν 1,106,29 erstúzzet)·, SchW 246, RMWA. 98, RVA. 213 unter ir-sturzen. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. stutzen, mnd. stutten). F. Raven folgt bei seiner Deutung einer Konjektur R. Heinzeis765, der für erstúzzet eine Lesung erstúrzet vorschlägt766. Die Konjektur ist jedoch nicht zwingend, da die Überlieferung eine Form zeigt, die nicht gegen die Ableitungsstrukturen des Althochdeutschen verstößt. Die Notker Ausgabe von P.W. Tax767 folgt deshalb der Handschrift. Dann ist das Verb eine schwundstufige Ableitung mit Intensivgemination, die neben dem starken Verb ahd. stôzan 'stoßen, umstoßen, stürzen', SchW. 272, StWG. 597, steht; man vergleiche as. stôtan, afr. stêta, got. stautan aus germ. *stauta- 768. nider-sucken 'niedersinken', (ein Beleg, N. 3,262,2f. ntder ze fertáni nesücche)·, SchW. 274, RMWA. 73, RVA. 213. (Nur ahd.). Das Verb wird wohl mit nhd. sacken, ni. zakken, me. saggen, ne. sag, nschw. sacka zusammenzustellen sein. Für diese Wörter liegt allerdings gleichfalls noch keine befriedigende Erklärung vor. Ein Anschluß an nhd. Sack im Sinne von 'umfallen wie ein Sack' scheint jedenfalls nicht restlos überzeugend zu sein. Die Bedeutung 'niedersinken' legt es wohl eher nahe, die Verben mit 762

Man vergleiche auch DWB. 9,1117f., SEW. 439f. KEW. 648, DWB. 9,1362f., W. Wissmann, Nomina Postverbalia, S. 190. 764 W. Wissmann, Nomina Postverbalia, S. 191, sieh auch SEW. 468, KEW. 702. 765 Kleine Schriften, S. 354. 766 So auch H. Sehrt - W. Legner, Notker Wortschatz, S. 491. 767 Boethius, De consolatione Philosophiae, Buch II, S. 106,29. 768 SEW. 463, KEW. 712, W. Wissmann, Nomina Postverbalia, S. 192. 763

Bildungen mit sogenannter Intensivgemination

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der Wortfamilie um ahd. sinkan 'sinken' in Verbindung zu bringen. Nhd. sacken wäre dann etwa als "Intensivbildung zu der unnasalierten Grundlage von sinken" zu stellen, doch ist diese Deutung laut E. Seebold769 wegen der späten Beleglage kaum zu vertreten. Für ahd. nider-sucken könnte diese Verbindung aber durchaus zutreffen. Dann wird, zumal wenn auch nhd. sacken hierhergehört, auch für das Germanische von *sekwa- neben *senkwa- auszugehen sein. supfen 'trinken, schlürfen', (ein Beleg StSG. 1,166,26 Haus : suphit Pa. Kb. suffit Ra.770); StWG. 611, RVA. 218. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. gi-supfen sieh auch ae. soppian). Es handelt sich um eine Intensivbildung neben ahd. sûfan, man vergleiche ae. sûpan, an. súpa aus germ. *süpa- 'saugen'771 swipfen 'sich schnell bewegen' (ein Beleg StSG. 1,66,23 Citado tramite : sniumo suuuipfendi Pa. sniomo suuipfendi Kb.772), StWG. 620, fehlt RVA. (Nur ahd.; man vergleiche nhd. schwippen schwanken'). Es könnte eine Intensivbildung vorliegen, die neben germ. *swaipa- 'schwingen', ahd. sweiffan, ae. swâpan, an. sveipa steht773. trozj(z)en 'abstoßen', (ein Beleg NG., N. 8,92,14 ir-uuiêgeda trozta mich aba súnigen sih kelôubinten dinero êo); SchW. 287; RMWA. 98, StWG. 108, RVA. 30 unter drôzen. (Nur ahd.; man vergleiche auch mhd. tratzen, tretzen, trutzen 'trotzen, reizen, necken'). Das yaw-Verb wird vielfach mit ahd. drôzen 'strotzen' verbunden, doch steht die Bedeutung zu weit ab774. So könnte das Verb dann mit C.P. Herbermann und den Bearbeitern des Grimmschen Wörterbuchs 775 zu nhd. mhd. trotzen gestellt werden. Aber auch die Etymolgie von nhd. trotzen ist umstritten. E. Seebold776 scheint für die deutschen Verben von einer desubstantivischen Ableitung auszugehen und führt die Wortfamilie unter Vorbehalt auf einen Ansatz *nrot- zurück. Dagegen hält eine ältere Anschauung 777 die Verben für Bildungen mit Metathese zu der Wurzel idg. *der- 'schinden', die vorliege in ae. teart 'scharf, rauh, streng', mnl. tarten, torten 'auffordern, herausfordern, 769 770 771 772 773

KEW. 613. Man vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 514 und 242. KEW. 715, ebenda 400. Man vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 516. Sieh auch R. Lühr, Expressivität und Lautgesetz, S. 360; zum starken Verb sieh SEW.

479f. 774

C.P. Herbermann, Etymologie und Wortgeschichte, S. 165 A. 33. Sieh auch in Kapitel VI.2 unter drôzen. 775 DWB. 11,1,2,1116. 776 KEW. 742 unter Trotz. 777 DWB. 11,1,2,1115, PIEW. 207, FTW. 1286.

Analogische Neubildungen

196

reizen'. Eine von der Bedeutung und Bildeweise her befriedigendere Erklärung ergibt sich aber, wenn man die den Verben mhd. sterzen, starzen 'steif emporragen' zu Grunde liegende Wurzel *stert zum Ausgangspunkt nimmt. Von der Variante *tert- ohne j-mobile könnten dann die Verben *turtô-, tartôsowie mit Intensivgemination und r-Metathese * trattò-, * trattò- und *trattijahervorgegangen sein778. Ahd. troz(z)en folgt aus * tratto- mit "Brechung" von a zu o. ana-bi-truzzen 'angreifen, anfallen', (ein Beleg StSG. 11,240,53 Inpetuntur : anebetrucet)·, StWG. 639, RVA. 326. Der Beleg entstammt der Handschrift Zürich, Rh. 35, Nr.652, BV. 1010, lO.Jh., alem.; Glosse zu Greg, cura 3,28,83 quo magis loco prominenti consistant, eo crebioribus sagittis insidiaoris impetuntur. "... an welchem höher gelegenen Ort sie sich aufstellen, wo sie mit um so dichterem Pfeilhagel des Verräters angegriffen werden." (Nur ahd.). Es könnte in -truzzen eine reguläre oberdeutsche Nebenform zu ahd. trotzen vorliegen779. Daß aber ahd. troz(z)en selbst nur im Alemannischen belegt ist, läßt diese Deutung eher weniger wahrscheinlich werden. Stattdessen ist wohl neben der unter troz(z)en dargestellten Form germ. *trattija- für ahd. -truzzen auch von einer Variante *truttija- auszugehen. tupfen 'benetzen', (ein Beleg StSG. 11,429,1 Lauit : nazta. tvpfta)·, StWG. 644, RVA. 233. (Man vergleiche ae. dyppan 'eintauchen'). Es liegt eine Intensivbildung vor, die neben dem starken Verb ahd. toufen, as. dôpian, afr. dêpa, deppa, an. deypa, got. daupjan steht780. Beide Verben stehen im Ablaut zu tief. Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, daß das schwache Verb als regelhafte Faktitivbildung zu einer Grundlage urgerm. *äuppagelten kann und die Geminata dann bereits der Basis selbst angehört781. zucken 'reißen, entreißen, an sich reißen, nehmen; rauben, fortziehen, zittern', (N. NG. O; Gl.); SchW. 337, RMWA. 73, StWG. 770, RVA. 280f. unter zucchen, RVA. 333 unter zuhen mit dem Hinweis "die Annahme dieses Verbums ist jedoch nicht streng begründet". (Man vergleiche afr. tetzia 'sich zueignen'; man vergleiche mhd. zucken, ziikken, mnd. mnl. tacken).

778

Zu den Einzelheiten vergleiche man R. Liihr - K. Matzel, Eine weitere Möglichkeit, S.

259. 779

DWB. 11,1,2,1116; sieh auch PEW. 1467 unter Trotz. Man vergleiche KEW. 745. Sieh auch SEW. 155f. unter "dupp-ja-, W. Wissmann, Nomina Postverbalia, S. 170. 781 R. Lühr, Expressivität und Lautgestz, S. 349f. Zum Verhältnis von Faktitivbildungen und Bildungen mit Konsonantengemination sieh auch oben unter bücken. 780

Verbalkomposita

197

Es handelt sich um eine Intensivbildung neben ahd. ziohan, as. aonfrk. tiohan, afr. tiâ, a e. têon, an. im Partizip Präteritum togenn aus germ. *teuha- 'ziehen'782. zwicken 'kneifen, ritzen; pflücken, rupfen', (Gl.); StWG. 775, RVA. 283. E. Seebold783 setzt ahd. gizwicken an. (Man vergleiche ae. twiccian 'pflücken, rupfen'). Die Bedeutungen 'pflücken, rupfen' lassen sich kaum vom Substantiv zweck 'Nagel, Holzpflock' her erklären784. Es dürfte sich daher eher um eine Intensivbildung handeln, die neben einem Verb steht, das in ahd. zwigôn 'pflücken, abfressen' erhalten ist.

5. Verbalkomposita lîbluckett 'pflegen, liebkosen, streicheln, schmeicheln', (Gl.); StWG. 375, RVA. llOf. unter liluchen. Zuerst StSG. 1,280,30 Foueat pruatte rigiloe liluche, Karlsruhe, Β LB. Aug. IC; (Rd), Nr.54, BV. 38, 9.Jh„ alem.785; Glosse zu III Rg 1,2 dixerunt ergo servi sui quaeramus domino nostro regi adolescentulam virginem et stet coram rege et foveat eum dormiatque in sinu suo et calefaciat dominum nostrum regem. "Da sprachen seine Diener zu ihm: Lasset uns für unseren Herrn, den König, eine Jungfrau suchen, die den König bediene und ihn pflege und an seiner Seite schlafe und unseren Gebieter, den König, erwärme." Weiter ist bezeugt StSG. 11,58,31 Demulcet : Ikbchtb, E. Steinmeyer, zur Stelle: dh. liluhta, Einsiedeln, StiftsB. cod. 302; Nr. 117, BV. 126, 11.Jh. alem.; StSG. 11,65,25 (Demulcet) mämoti : lihluhti, St. Gallen, StiftsB. 845; Nr.211, BV. 243, lO.Jh., alem.; StSG. IV,316,31 Te iflla] d[emulcet]. tibi blanditur : lihluhta, Paris 13953; Gl.HH 305,8 (Neapel, Biblioteca Nazionale "Vittorio Emanuele III" ms. IV G. 68; BV. 713). Alle Belege glossieren Boethius 2,3,30,33 Dedisti ut opinor uerba fortunae, dum te illa demulcet. "Du hast, glaube ich, dich an das Glück angeschlossen, solange es dich streichelte." Das Verb dürfte als lîh-lucken zu segmentieren sein und legt damit eine Deutung als Verbalkompositum mit dem Vorderglied ahd. Ith st.F.N. 'Körper' nahe786. Der zweite Bestandteil und die Bedeutung der Belege lassen an einen Zusammenhang mit ahd. lokôn, lohhôn 'streicheln, fürsorgen, liebkosen' (SchW. 200, StWG. 383) denken. Für dieses Verb ist von einer germanischen 782

KEW. 817. Sieh auch SEW. 503 unter

*tukk-ja-,

W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S.

185. 783

KEW. 821. W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 186. Sieh aber auch KEW. 819 und 821. 785 Zur Parallelglossierung in der Handschrift Oxford, BL. Jun. 25 sieh weiter unten. 786 In diesem Sinne schon O. Gröger, Die althochdeutsche und altsächsische Kompositionsfuge, S. 382 und zustimmend J. Schatz, Althochdeutsche Grammatik § 214. 784

Analogische Neubildungen

198

Vorform *lukkô- auszugehen und für das jan-Verb kann dann eine systematische Bedeutung 'den Körper pflegen, pflegend behandeln' angesetzt werden. Daneben steht das gleich gebildete o«-Verb ahd. lîhlockôn (StSG. 11,202,47 Blandiuntur : lihlochon, StSG. 11,209,58 Blandiuntur : lihlochont und StSG. 11,567,29 Oblectat : lihlochot). Eine zweite Deutungsmöglichkeit, nämlich in dem janNtvb Spuren einer alten Präsensreduplikation erkennen zu wollen, scheitert daran, daß dann das als Bestandteil des Stammes angesehen werden müßte. Eine solche verbale Basis *hlukkô- o.ä. ist aber nicht auszumachen. T. Starck und J.C. Wells787 nehmen einen weiteren Ansatz ahd. liluhhen 'nähren, pflegen, wärmen' vor, zu dem als einziger Stellenbeleg ebenfalls StSG. 1,280,30 angeführt wird. Da diese Stellenangabe auch unter dem Ansatz lîhlucken erscheint788, ist nicht klar, worauf sich der Eintrag beziehen soll. Eher ist mit J. Schatz789 zu vermuten, daß hier, wenn kein Schreibfehler vorliegt, das h sekundär ausgefallen ist. Noch ein drittes Mal schließlich erscheint die Belegstelle unter einem Ansatz luhhen, liuhhen 'waschen, spülen'. Der Eintrag kann sich nur auf die Parallelglosse zur Glosse liluche der Karlsruher Handschrift beziehen: Foueat pruatte rigiloe liuche aus der Handschrift Oxford, BL. Jun. 25 (Nr.493, BV. 725, 9.Jh„ alem.). Die Bedeutung weicht aber doch stark ab, so daß allenfalls mit einer Umdeutung gerechnet werden kann. Zwei weitere Verbalkomposita liegen möglichweise vor in ahd. halznestilen ? 'lähmen' und fitibeiten ? 'durchfurchen', doch ist die Deutung dieser Belege unsicher. fitibeiten ? 'durchfurchen, pflügen', (ein Beleg StSG. 11,522,49 Sulcare : vitibeiten)·, KFW. 3,924, StWG. 161, RVA. 41. Der Beleg aus der Handschrift Einsiedeln, StiftsB. cod. 312 (Nr. 119, BV. 128, 13 Jh., alem.) ist nicht sicher zu deuten. Im Kontext, Prudentius Psych. 213, heißt es: Nunc advena nudus nititur antiques si fas est, pellere reges? En, qui nostra suis in praedam caedere dextris sceptra volunt, en, qui nostras sulcare novales ... Nempe, hoc ridiculum vulgus! "Nun strebt ein armer Fremder danach, wenn das Schicksal es zuläßt, die alten Könige zu vertreiben! Seht diejenigen, die wollen, daß unsere Zepter die Beute ihrer Hände werden, die unsere Felder pflügen wollen. ... Natürlich, diese lächerliche Menge." Lat. sulcâre 'furchen, pflügen, durchfahren, durchfurchen, durschiffen' ist ein zweites Mal, StSG. 11,533,13, als ahd. füren glossiert worden. E. Graff790, E.

787

StWG. 376. Ebenda 388 789 J. Schatz, Althochdeutsche Grammatik § 214. 790 GSp. 3,684. 788

Verbalkomposita

199

Steinmeyer (zur Stelle) und T. Starck - J.C. Wells791 stellen diesen Beleg zu ahd. furhen. Die Parallelstelle und die Bedeutung des lateinischen Verbs scheinen den Beleg der landwirtschaftlichen Sphäre zuzuweisen. E. Schwentner792 deutet die Glosse als Kompositum. Der erste Bestandteil wird von ihm, unter Annahme einer Verschreibung von t statt l zu ahd. fili, afr. fili, an. *fili gestellt. Das Hinterglied -beiten erklärt er als niederdeutsch beeinflußtes beizen 'beißen'. Daraus ergäbe sich eine Grundbedeutung 'sich in die Erde hineinbeißen (von der Pflugschar)' 7 ". Es läge dann ein Verbalkompositum vor. Jedoch ist der Eintrag in der Handschrift keineswegs so sicher, wie es bei StSG. den Anschein hat. Statt viti- kann auch vir(i)- gelesen werden794. Dann könnte es sich um einen Beleg für das starke Verb virbieten handeln, für das auch eine Variante mhd. virbeitett bezeugt ist79S. Als Bedeutung könnte dann aber allenfalls 'mit Beschlag nehmen, beschlagnahmen' angesetzt werden, die Glossierung müßte sich also auf den gesamten Kontext beziehen. Eine sichere Deutung scheint nicht möglich. bal[z]nestilen ? 'lähmen, (Pferden) die Fersensehne zerschneiden', (ein Beleg StSG. 1,379,11 subneruabis : halsnestilst)·, StWG. 250, RVA. 64 halsnestilen. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 6217; Nr.337, BV. 500, 13./14.Jh.; bair. Die Parallelüberlieferung zeigt die Verbformen hasinost, hahsinist und inthassist. Man vergleiche dazu oben unter hahsinen 'durch Zertrennen der Fußsehnen lähmen (von Pferden)'. Es ist zu vermuten, daß der Schreiber der vergleichsweise späten Glosse in Clm 6217 ahd. hahsinen nicht mehr verstanden hat und eine Umbildung unter Zuhilfenahme des Verbs ahd. *nestilen 'schnüren' (man vergleiche as. nestilon in der Bedeutung 'mit einer Kopfbinde versehen'796 vorgenommen hat. Der Umdeutung liegt die Vorstellung des Abschnürens der Sehnen zugrunde. Man vergleiche los 11,6 ... equos eorum subneruabis et currus igne conbures. "... ihre Rosse sollst du lähmen und ihre Wagen mit Feuer verbrennen." Ein Zusammenhang mit ahd. hals 'Hals, Nacken, Kehle' (SchW. 158, StWG. 252) ist daher unwahrscheinlich. Eher ist an eine Verbindung zu ahd. halz 'lahm' zu denken. Das Kompositum trüge dann die Bedeutung 'lahmschnüren, lähmen' und könnte als Verbalkompositum mit adjektivischem Bestimmungswort aufgefaßt werden. Man vergleiche noch mhd. halz 'lahm' und balzen 'hinken'797.

791 792 793 794 795 796 797

StWG. 185. PBB. 62 (1938) S. 419f. Sieh dazu auch E. Schwentner, PBB. 63 (1939) S. 303. Hinweis von Prof. R. Schützeichel. LH. 3,75. StWG. 436; zur Bedeutung 'schnüren' sieh DWB. 7,628f. LH. 1,1161.

200

Analogische Neubildungen

6. Bildungen mit Metathese neimen 'meinen', (N.; Gl., bi- N. NG.; Gl); SchW. 220, RMWA. 78, StWG. 434, RVA. 136. Neben den Notker Belegen erscheint zuerst wohl StSG. I,718,54f. Constituit, i. disposait, predestinauit : penemta. Glosse zu Mt 27,10 ...et dederunt eos in agrum figuli sicut constituit mihi Dominus. "... und haben sie gegeben für den Töpfersacker, wie mir der Herr befohlen hat." Der Beleg entstammt der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. CLXXVIII; Nr.63, BV. 309, alem. 11.Jh. Er zeigt für , das im Alemannischen kaum bezeugt ist798. Die Parallelglossierung bietet bemeinda, Mainz, StadtB. Hs. II 3; Nr.283, BV. 427, 11.Jh., rheinfränk. Mit Ausnahme von StSG. 1,476,29 neimint aus der bairischen Handschrift Clm 17403 gehören alle bei T. Starck und J.C. Wells aufgeführten Belege dem alemannischen Sprachraum an. Da die Parallelhandschriften des Clm 17403 jedoch Formen von nennen zeigen, ist hier auch an eine Verschreibung oder Verlesung zu denken. Die Bildung ist wohl auf das Alemannische beschränkt geblieben und lebt dort noch in den heutigen Mundarten fort 7 ". Es handelt sich daher um eine regional beschränkte Variante, die mit Umstellung der Nasale zu ahd. meinen gebildet ist800. be-scrimen 'in Eifer geraten', (GL); StWG. 549; RVA. 185f. Zwei Belege, StSG. 1,670,37 Zelatus est : piscrimta aus der Handschrift Wien, ÖNB 2732; Nr.621, BV. 950, lO.Jh., bair.; Glosse zu Ioel 2,18 zelatus est Dominus terram suam et pepercit populo suo. "Dann wird der Herr um sein Land eifern und sein Volk verschonen." - 1,690,39.40 Zelatus est : anadota. piscrimta. anadota. I piscrinta aus den Handschriften Clm 18140; Nr.429, BV. 637, ll.Jh., bair. sowie Wien ÖNB 2723 und 2732 aus der selben Gruppe. Glosse zu I Mcc 2,26 et zelatus est legem sicut fecit Finees Zambri filio Salomi. "So trat er voll Eifer für das Gesetz ein wie Pineas, als er Samri tötete, den Sohn Salomos." (Nur ahd.). Das Verb wird von E.G. Graff801 zu ahd. bi-scirmen gestellt. Es handelt sich dabei um eine Bildung mit r-Metathese802. Ahd. bi-scirmen findet sich als Entlehnung auch in ital. schermire, schermare, afrz. prov. escrimir, span, esgrimir und dürfte als desubstantivische Ableitung von ahd. scirm letztlich auf eine Erweiterung der Wurzel *sker- 'springen' zurückführen.

798 799 800 801 802

So BEG. § 44.4. Man vergleiche Schweizerisches Idiotikon 4,749f. Sieh J. Schatz, Althochdeutsche Grammatik, § 273. GSp. 6,581. Man vergleiche dazu E. Schwentner, PBB. 43 (1918) S. 118. Sieh auch in Kapitel V.l.

IV. Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^ - S u f f i x

Nach der Behandlung der irrtümlich der Klasse der althochdeutschen schwachen /¿«-Verben zugeschriebenen Bildungen, der Beschreibung der Übertritte aus anderen Sprachsystemen u n d der Auflistung jener Verben, die nicht unmittelbar auf einen Derivationsvorgang mit /¿-Suffix zurückführen, kann n u n mit der Darstellung der im engeren Sinne abgeleiteten ^¿«-Verben begonnen werden. Dabei ist zunächst zwischen einfachen /¿«-Verben und solchen Verben zu unterscheiden, deren /¿-Suffix mit einem zweiten Suffix kombiniert wird. Die Mehrzahl der Ableitungen mit kombinierten Suffixen wird im Althochdeutschen in die Klasse der ¿«-Verben eingegliedert. Auf der Basis der /¿«-Verben allein k ö n n e n daher weiterführende Aussagen, die etwa auf die Produktivität u n d Genese der verwendeten Formationsmorpheme abzielen, nicht getroffen werden. Eine systematische Aufarbeitung der in althochdeutscher Zeit bezeugten verbalen Suffixbildungen müßte vom gesamten verbalen Wortschatz ausgehen u n d dürfte nicht auf eine Teilmenge beschränkt bleiben803. Die Darstellung der verbalen Suffixbildungen in der 1. Klasse der althochdeutschen schwachen Verben orientiert sich daher an der formalen Gliederung W. Meids 804 , jedoch mit dem Unterschied, daß die Reihenfolge der A n o r d n u n g in dieser Arbeit von den sprachgeschichtlich jüngeren Bildungen ausgehend zu den älteren Mustern fortschreitet. Mit Ausnahme der Ableitungen auf germ. *-atja- handelt es sich bei den übrigen Suffixbilungen meist u m jüngere Ableitungen, die im Althochdeutschen in der Regel in die Klasse der ow-Verben eingegliedert werden. Aber auch bei denjenigen Verben, deren Merkmale es nahe legen, nicht von einer on-, sondern von einer /¿«-Bildung auszugehen, kann nur d a n n auch mit Sicherheit von einem /¿«-Verb gesprochen werden, wenn eine frühe Bezeugung jedweden Einfluß der Endsilbenabschwächung ausschließt. Ist aber das Muster f ü r eine Suffixverbindung mit /¿-Suffix durch einen f r ü h e n Beleg zu sichern, d a n n k ö n n e n auch die jeweils jüngeren Belege dieses Typs unter Vorbehalt mit herangezogen werden. Dagegen werden in den Wortbildungslehren stets n u r schwache Verben angeführt, die im Althochdeutschen der ônKlasse anzugehören scheinen. Eine derartig einheitliche Verteilung der Suffixbildungen entspricht aber offensichtlich nicht der Sprachwirklichkeit.

803 Man vergleiche dazu auch die Ausführungen im Zusammenhang der Aussonderung der frühmittelhochdeutschen Belege in Kapitel II.2.A. Eine erste Belegsammlung von alt- u n d mittelhochdeutschen verbalen Suffixbildungen, die noch beträchtlich erweitert werden kann, gibt E. H o f f m a n n , Die alt- u. mittelhochdeutschen Deverbativa mit ableitenden Suffixen. 804 Wortbildungslehre, §§ 186-197 (Verbale Stammbildung).

202

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^'d-Suffix

1. Ableitungen mit dem Suffix -V-n-jaA. Ableitungen von einem schwachen Verb Für das Gotische ist ein Suffix -inôn bezeugt, das von nominalen «-Stämmen ausgeht. Im Althochdeutschen treten auch andere »-Bildungen des Typs /trina 'Verbrechen' -fìrinón 'freveln' auf. In anderen Fällen sind aber die zur Seite stehenden Nomina offensichtlich erst sekundär dazugebildet, so daß von einem eigenständigen verbalen «-Suffix ausgegangen werden kann805. Die Verben: loubenett 'ergrünen', (ein Beleg StSG. 11,694,23 Frondentibus : loubnenten)·, StWG. 385 'grünen'; RVA. 119 'Laub haben, belaubt sein'. Der Beleg entstammt der Handschrift Melk, StiftsB. Nr. 1545 Vergil; Nr.292, BV. 434, 12. Jh., alem. mit fränk. Einflüssen; Glosse zu Verg. Aen. 6,143f. ... primo auolso non deficit alter aureus, et simili frondescit uirga metallo. "... und ähnlich ergrünt der metallene Zweig". Kontext und das lateinische Interpretament legen ein inchoatives Verständnis nahe806. F. Ravens etymologisch motivierter Bedeutungsansatz verdeckt den metaphorischen Kontextgebrauch und ist daher abzulehnen. (Nur ahd.). Neben ahd. loubên, loubôn 'grünen', StWG. 385. Der spätalthochdeutsche Beleg kann nur mit Einschränkungen den Ansatz eines althochdeutschen Suffixes -V-n-ja- stützen. tarbhenen 'verhüllen', (Gl.); StWG. 622, RVA. 221. Zuerst erscheint wohl StSG. 11,163,26 (Subprimat) : tarbnant aus der Handschrift Clm 6277; Nr.345, BV. 518, 9.Jh., bair.; Glosse zu Greg, cura 1,9,9. (Nur ahd.). Neben mhd. terken 'dunkel machen'. Im Althochdeutschen ist der Umlaut vor r unterblieben807. Zu den germanischen Gliedern der Wortfamilie um idg. *dherg- vergleiche man die Zusammenstellung E. Schwentners808. Für die althochdeutschen Verben mit dem Sufix -V-n-ja- kann schon in Anbetracht ihrer geringen Zahl keine charakteristische semantische Gemeinsamkeit ermittelt werden. Auch W. Wilmanns bemerkt für die althochdeut-

805

W. Meid, Wortbildungslehre, § 197: Suffix -(i)nôn. Zu lat. frondéscere sieh K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,2850. 807 BEG. § 27 Α. 2. 808 PBB. 45 (1921) S. 453. Sieh auch PIEW. 251. 806

Ableitungen mit dem Suffix N-r-ja-

203

sehen Verben auf -inôn, daß "die Silbe in- als bloße Erweiterung der Verbalendung erscheint"809.

2. Ableitungen mit dem Suffix -V-r-jaAus Ableitungen wie got. taguan 'weinen' zu tagr 'Träne', ahd. ir-wacharòn 'aufmuntern' zu wachar 'wachsam' hat sich im Althochdeutschen ein verbales r-Suffix abgelöst, das zumeist als ahd. -arôn, -irôn erscheint. Wie bei den Verben mit -V^w-Suffix können aber neben ¿«-Verben auch bei den Verben mit -rSuffix in beschränkter Zahl jan-Werben ermittelt werden810.

A. Ableitungen von einem schwachen Verb bolern 'aushöhlen; mit einem Schneidewerkzeug bearbeiten (?)', (ein Beleg, StSG. 111,410,20 Dolo : ich holre)·, StWG. 282, RVA. 73. Der Beleg entstammt der Handschrift Straßburg, UB. Hs. des Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg; Nr.557, BV. 857, 12.Jh. (mhd.). Man vergleiche mhd. hölern 'aushöhlen' 8 ". Es handelt sich wohl um eine Bildung zu einem schwachen Verb, das vorliegt in mhd. höln, holn 'aushöhlen'812, einer Ableitung von dem Adjektiv ahd. hol 'hohl'; SchW. 145, StWG. 282. lüstaren 'anstaunen', (Gl.); StWG. N. 852, RVA. 121. Zuerst bezeugt ist wohl StSG. 1,190,29 Inians : hlustrenti Pa. hlusterendi Kb. hlustrenti Ra. Das Verb wird von den Bearbeitern des Deutschen Wörterbuchs813 als ¿«-Verb gedeutet814. Mit J. Splett815 ist aber auf Grund der belegten Formen wohl ein jan-Vtvb anzusetzen. (Nur ahd.); man vergleiche schwed. lystra, dän. lystre 'antworten', mnl. Insieren, ni. luisteren, nhd. lüstern, laustem. Eine Entlehnung aus lat. (con)-lûstrâre 'hell machen, beleuchten' kann nicht vorliegen, da anlautendes hl- in den ältesten Denkmälern eine einheimische 809 Wortbildung, S. 102f. § 79. Sieh auch E. Hoffmann, Die alt- u. mittelhochdeutschen Deverbativa, S. 51. 810 Man vergleiche W. Meid, Wortbildungslehre, § 196, W. Wilmanns, Wortbildung, S. 91-96 §§ 70-73. Sieh auch E. Hoffmann, Die alt- und mittelhochdeutschen Deverbativa, S.

10. 811 812 813 814 815

LH. 1,1326. Ebenda 1,1327. DWB. 6,361 unter laustem. So zunächst auch StWG. 390. Abrogans-Studien, S. 474.

204

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^ - S u f f i x

Bildung voraussetzt. Es m u ß sich daher, da dem Verb kein verwandtes Nomen zur Seite steht, u m eine Bildung mit r-Suffix handeln. Die Basis der Ableitung ist in einem nicht erweiterten Verb zu sehen, das vorliegt in ae. hlystan 'zuhören' 816 . stegeren 'steigen, aufwärts schreiten', (WH.); SchW. 270, RVA. 201. Bezeugt ist das Verb bei Williram, SHL. 55,10: sie stégerent mit geloiben ... ze démo gith húffen (Vi, Mu); stegeront (Ein). (Nur ahd.); m a n vergleiche auch mhd. stegeren8l7. Mit K. Bognar Fissel818 ist wohl von einer Ableitung von ahd. stegôn sw.V. 'emporsteigen', StWG. 588, auszugehen. Die Bezeichnung der Ableitungsstruktur als "Kausativ" ist bei K. Bognar Fissel allerdings verfehlt, auch wenn der Terminus dort offensichtlich nur als ein Synonym zu "Deverbal" verstanden wird. Für die im Leidener Willeram überlieferte Form steigerent hat W. Sanders 819 Ableitung von einem Substantiv mnl. steigher 'Treppe, Leiter' (man vergleiche auch ae. stager 'Treppe') angenommen. Eine Deutung des hochdeutschen Belegs nach gleichem Wortbildungsmuster ist nicht auszuschließen, eine nominale Basis mit r-Suffix ist im Althochdeutschen neben stega 'Treppe', StWG. 588, jedoch nicht bezeugt. Auch das Bedeutungsverhältnis zwischen dem Substantiv und dem Verb wäre nicht ganz klar. Darüberhinaus wird die Bevorzugung des Wortes gegenüber stegôn d a n n am ehesten verständlich, wenn der Bildung mit r-Suffix eine intensivierende Funktion gegenüber dem Grundverb zugeschrieben wird. Es liegt daher nahe, von einer deverbalen Ableitung auszugehen. trufteren 'hin u n d her schwingen, schütteln, ausklopfen', (Gl.); StWG. 637, RVA. 230. Eine Belegstelle, StSG. 1,385,8 Excuteret : truphtr&i, zuerst wohl in der Handschrift Wien, Ö N B 2723, Gruppe M. Die Parallelhandschrift Göttweig 103 zeigt irscutten. Es handelt sich u m eine Glosse zu Idc 6,11. (Nur ahd.). Das Wort ist mit entrundetem Vokal als triftern in die neuhochdeutsche Schriftsprache eingegangen. Die nicht erweiterte Basis ist wohl enthalten in böhmisch u n d steirisch triften 'Getreide durcheinander mengen'. Die späte Bezeugung des einfachen Verbs veranlaßt die Bearbeiter des Deutschen Wörterbuchs 820 zu der Vermutung, triften könne aus triftern rückgebildet worden sein. Ahd. trifteren müßte d a n n als eine sonst nicht bezeugte Ableitung mit dem Suffix -tra gedeutet werden, mit dem in den germanischen Sprachen unter anderem Werkzeugbezeichnung gebildet werden konnten 821 . Die Bedeu816 817 818 819 820 821

M a n vergleiche auch van Dale, Etymologisch woordenboek, S. 456. LH. 2,1159 (ein Beleg aus Williram). Wortbildung u n d Wortvarianz, S. 121f. Der Leidener Williram, S. 244. DWB. 11,1,2,502. M a n vergleiche dazu F. Kluge, Nominale Stammbildung, S. 74.

Ableitungen mit dem Suffix N-r-ja-

205

tung 'hin und her schwingen' weist aber auf eine Iterativbildung, so daß im Falle des althochdeutschen Verbs der Ansatz einer Bildung mit r-Suffix vorzuziehen ist. Sieh Idc 6,11 ... cumque Gedeon filius eius excuteret atque purgaret frumento, in torculari ut fugeret Madian ... "... während Gedeon, sein Sohn, das Getreide in der Kelter ausklopfte und reinigte, um es vor den Madianitern zu retten." wimmeren 'sich schnell hin und her bewegen, sich zusammenziehen', (Gl.); StWG. 731, RVA. 263. Zuerst bezeugt ist wohl StSG. I,327,65f. Scatere : wimirin, Clm 13002; Nr.558, BV. 374, 12.Jh„ bair.; wimere, Clm 17403; Nr.426, BV. 632, 13.Jh., bair.; Glosse zu Ex 16,20 qui non audierunt eum sed dimiserunt quidam ex eis usque mane et scatere coepit vermibus ... "Aber sie hörten nicht auf ihn, sondern einige von ihnen ließen etwas für den Morgen zurück, und da wimmelte es von Würmern." Es handelt sich um eine Ableitung mit r-Formans zu dem schwachen Verb ahd. wiumen/wimmen 'sich schnell hin und her bewegen, wimmeln', StWG. 741822. Im StWG. wird zwischen wimmeren1 'wimmeln' und wimmeren2 'sich zusammenziehen' (ein Beleg, StSG. 1,686,53 Contracta est : gewimert wirt, Clm 22201) unterschieden. Beide Ansätze spiegeln jedoch wohl nur zwei Aspekte der gleichen Bedeutung. Zudem sind in dieser Handschrift solche Glossierungen, die "zwar nicht von der Bedeutung oder der grammatischen Form her verständlich, an sich aber auch nicht unverständlich sind"823, sehr häufig. Ein gesonderter Ansatz ist daher nicht erforderlich. votaren 'herabhängen', (Gl.); StWG. 755 zataren/zotaren, RVA. 279. StSG. 11,421,25 Fluentem fcrinemj : zotaranta, Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11.Jh. bair.-alem.; Glosse zu Prud. cath. 7,150. Ein zweiter Beleg StSG. II,439,70f. Deflua cqsaries niderhangagiu daz zotaranta fahs, ebenfalls Clm 14395; Prud. perist. 13,30. Zum Ansatz als jan-Vcrb vergleiche man J. Berg824. (Nur ahd.). Es dürfte sich um eine Bildung zu einem Verb handeln, das vorliegt in ahd. nah-zotten 'nachzotteln' (?)825, StWG. 768. Das Simplex ahd. zotten ist möglicherweise bezeugt StSG. IV, 185,39 Defixie : zoto. Dieser Beleg wird StWG. 755 unter Vorbehalt zu ahd. zato sw.M. 'Mähne, Zotte, herabhängende Haare' gestellt. Es kann sich jedoch bei dem in einem alphabetischen Glossar in den Handschriften Melk, StiftsB. Κ 51 (Nr.290, BV. 432) und Wien, ÖNB 1325 (Nr.610, BV. 938, beide 14.Jh., bair.) bezeugten Wort um eine Wiedergabe von lat. dêfigere in der Bedeutung 'einschlagen' handeln. Dann wäre allerdings 822

Man vergleiche auch KEW. 793, PEW. 1977 sowie LH. 3,896 wimmern und ebenda wimmert u n d wimelen sowie DWB. 14,2,225 unter wimmer. 823 K. Matzel, Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 22. Sieh auch ebenda S. 22-24. 824 Die althochdeutschen Prudentiusglossen, S. 39. 825 Sieh dazu in Kapitel V.l.

206

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -^z-Suffix

mit einer Beeinflußung von der Wortfamilie um germ. *tad-ija- 'zerstreuen, zerteilen' zu rechnen. Da es sich im Falle von germ. *taä-ija- 'zerstreuen, zerteilen' und ahd. (-)zotten, zottaren um Angehörige zweier etymologisch verschiedener Wortfamilien handelt826, ist der im StWG. vorgenommene Ansatz zataren/zotaren nicht zutreffend. Im Falle des folgenden Verbs ist keine Basis erhalten, doch steht zu vermuten, daß es sich dabei ebenfalls um eine deverbale Ableitung gleichen Typs handelt: flisteren 'umhegen, liebkosen', (StSG. 1,224,25 fouit : flistirit Kb. ßistrit Ra.); KFW. 3,985, StWG. 165, RVA. 41. J. Splett827 knüpft das Verb im Anschluß an W. Wilmanns 828 an nhd. flüstern an. Von der Bedeutung her ansprechender erscheint aber die Verbindung mit ae. flustrian 'flechten', die H.D. Meritt829 vorgeschlagen hat. Das altenglische Verb selbst ist zur Wortfamilie von germ. *flehta-, shà.flehtan 'flechten' zu stellen830. Es handelt sich bei dem altenglischen Verb um eine schwundstufige Ableitung mit rf-Formans von der Wurzel *plek- 'flechten, zusammenwinden'. Zu dieser Ableitung wäre dann ahd .flisteren bei einer Entwicklung von *fleh-st- zu *flist- als Erweiterung mit einem r-Suffix hinzugetreten.

a. Bildungen mit Ablaut W. Wilmanns 831 hat darauf hingewiesen, daß Bildungen mit -r-Suffix von daneben stehenden schwachen Verben durch Ablaut unterschieden sein können. Wie das von W. Wilmanns unter anderen angeführte Verb mhd. flackern zu flocken gebildet scheint, so könnte auch ahd. wataren im Ablaut mit wuoten stehen: wataren 'jubeln', (MH.; GL); SchW. 312, RMWA. 83 wâtaran, StWG. 700, RVA. 283. Die Belege werden vorgeführt bei H. Grundmann 832 . Zuerst StSG. 1,194,22 Iubilate : uuatrit Pa. uuaderúr Kb. uuatrZr Ra. (Nur ahd.). 826

Sieh FTW. 150 unter taâjan und 167 unter tut. Abrogans-Studien, S. 323. 828 Wortbildung, § 73. 829 Some of the hardest glosses, S. 56f. 830 Sieh dazu auch PIEW. 834f. und F. Holthausen, Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 110. 831 Wortbildung, S. 94 § 72. 832 Jubel, S. 194f. 827

Ableitungen mit dem Suffix N-l-ja-

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Die Diskussion um dieses Wort wird zusammengefaßt bei J. Splett833. Das Verb ist zur Wurzel idg. *uat- 'anblasen, anfachen; inspirieren' zu stellen834. Neben dem janNtïb stehen Ableitungen von der o-Stufe, so ahd. wuoten, ahd. ferwuot, SchW. 302, sowie ae. wôd, an. ódr, got. wops aus germ. *wôck- Adj. 'besessen' und die Substantivierungen ahd. wuot, ae. wôp 'Stimme, Gesang', an. ôpr 'Leidenschaft, Dichtung'. Da weitere Ableitungen mit Λ-Vokalismus nicht bezeugt sind, steht das Verb isoliert. Für ein den Bildungen möglicherweise zu Grunde liegendes Verb mit a - ô Ablaut gibt es jedoch keine Stütze. Es kann sich daher um einen der seltenen Fälle einer sekundären Bildung mit Ablaut handeln, denen unter den denominalen janNzrb das Muster ahd. blind : blenden zur Seite steht835. Ableitungen mit r-o-Suffix dienen im Germanischen zur Bildung von Iterativen, besonders zur Kennzeichnung einer wiederholt kurzphasigen Bewegung 836 . Verben wie ahd.ßisteren 'liebkosen', trufteren 'hin und her schwingen', und wataren 'jubeln' können diese Deutung auch für die ^«-Verben mit rSuffix stützen.

3. Ableitungen mit dem S u f f i x -V-l-jaVerben mit /-Suffix setzen - wie die zuvor behandelten Typen - zunächst Nomina mit /-Suffix voraus. Man vergleiche ahd. nagalen zu nagal oder got. maplan zu maßt17. Eine Bildung wie ahd. wortalän 'Worte machen', die als Ableitung von wortal 'gesprächig' gilt, konnte auch auf das Substantiv wort bezogen werden838. Nach diesem Muster finden sich im Althochdeutschen und Altenglischen schließlich auch Verbalbildungen, denen keine Basis mit /Suffix zu Grunde zu liegen scheint. Es hat sich ein eigenständiges neues Suffix ahd. -il-/-al- abgelöst 839 . Für das Althochdeutsche wird meist verallAbrogans-Studien, S. 272. Man vergleiche besonders H. Grundmann, Jubel, S. 489 unter Hinweis auf eine Auskunft von E. Karg-Gasterstädt sowie S. Blum, PBB. 82 (H 1960) S. 194f., FTW. 414, PIEW. 627f. 835 M a n vergleiche dazu in Kapitel VI.5.F. 836 Man vergleiche W. Meid, Wortbildungslehre, § 196 S. 264, W. Wilmanns, S. 93 § 72, W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 224, E. H o f f m a n n , Die alt- u. mittelhochdeutschen Deverbativa, S. 30f. 8 3 7 Sieh W. Wilmanns, Wortbildung, S. 96. 8 3 8 Ebenda S. 97; man vergleiche auch W. Meid, Wortbildungslehre, S. 263. Zu den Adjektivbildungen mit dem Suffix -al-, -il-, -ul- sieh H. Tiefenbach, Sprachwissenschaft 16 (1991), besonders S. 103-109. 839 W. Meid, Wortbildungslehre, S. 97f. 833

834

208

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -ya-Suffix

gemeinernd von einem Suffix -al-ô-/-il-ô- gesprochen840. Die im folgenden aufgeführten Belege machen es jedoch wahrscheinlich, daß für das frühe Althochdeutsche auch ein Suffix -il-ja- angesetzt werden muß.

A. Ableitungen von einem Substantiv mundilen 'aussprechen, sprechen', (GL); StWG. 423 mundilen-, RVA. 2,106 mundïlôn. (Nur ahd.)· Zu mund st.M. 'Mund'; StWG. 423. Schon W. Wilmanns841 hat die Existenz eines /¿«-Verbs vermerkt, aber keine weiteren Schlüsse daraus gezogen. Zur Bestimmung der Belege als ^«-Verben vergleiche man J. Splett842. Die Suffixbildung liegt vor StSG. 1,120,14 Effectus : mundalonti Pa. mundilandi Kb. mundi lonti Ra.; StSG. 120,16 Effare : mundolon Pa. munthilem Kb. und 1,188,35 Infit : mundulit Pa. muntilit Kb. mundilit Ra. Die ältesten Belege aus dem Glossar Kb. zeigen die ^¿«-Formen mundilanti, munthilem, muntilit·, ebenso einmal in Pa. mundulit und Ra. mundilit. Pa. und Ra. schwanken vielleicht schon zwischen dem älteren jan-Verb der Vorlage und dem gewandelten Sprachgebrauch. neseln, neselen, niselett 'näseln', (Gl.); StWG. 436, fehlt RVA. Die Belege stammen aus verschiedenen Handschriften des Summarium Heinrici. Das Verb wird im StWG. als "mhd." bezeichnet. Dies dürfte nicht nur wegen der späten Uberlieferung geschehen sein, da das Verfahren nicht bei allen Belegen erfolgt, die nur in diesem Uberlieferungszusammenhang bezeugt sind, sondern auch deshalb, weil das Ableitungssuffix in keinem Fall die Graphie aufweist. Vergleichbare Belege werden gewöhnlich als abgeschwächte Formen zu einer Suffixverbindung -il-ôn aufgefaßt. Demgegenüber ordnet auch St. Stricker843 den Beleg neidende (Part. Präs. unflekt.), aus der von ihr bearbeiteten Handschrift - allerdings ohne Erläuterung der Überlegungen, die für diese Entscheidung maßgeblich waren - den schwachen Verben der 1. Klasse zu. In der Tat deutet die in der Baseler Handschrift bei den Verben der 2. Klasse vielfach erhaltene Bezeichnung des Endsilbenvokals als 844 dann im Falle von neselende nicht zwangsläufig auf einen aus o abgeschwächten Endsilbenvokal hin. Der Ansatz einer Grundform ahd. *nas-il-en ist deshalb nicht auszuschließen. Das Verb ist zu nasa st.sw.V. 'Nase', SchW. 194, StWG. 432 zu stellen. 840 841 842 843 844

So W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 223. Wortbildung, S. 100. Abrogans-Studien, S. 185 und 481. Basel ÖBU. Β IX 31, S. 447. Sieh auch im Editionsteil S. 278. Ebenda S. 447.

Ableitungen mit dem Suffix

N-l-ja-

209

B. Ableitungen von einem schwachen Verb fir-tubbelen 'verbergen', (Gl.); StWG. 640, RVA. 231. StSG. II,104,43f. Obruere. occultare. : pivueifan. fertuchelan (Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.845), fartuchlan (Clm 14747), fartuclihan (Clm 19417). Glosse zu Can. conc. Afric. CXXXVIII. Fraglich ist, ob auch StSG. 11,238,51 Afficit : tahellit, E. Steinmeyer, z.St.: "1. tuhellit (Graff 5,368) ?" 'einwirken' hierhergehört. (Nur ahd.). Zu einem starken Verb germ. * âauga-/âauha- 'verbergen ?'846, das vorliegt in dem Präteritum ae. dêog 'er versteckte sich' und dem womöglich erstarrten PPP ahd. tougan 'geheim, verborgen', kann ein Intensivum germ. *âukkô- gebildet sein, zu dem ahd. fir-tuhhelen als eine Ableitung mit -/-Suffix zu stellen ist. Denkbar ist aber auch, daß der Bildung ein nicht bezeugtes Adjektiv ahd. *tuhhal 'verborgen' vorausgeht, doch haben Adjektive zu starken Verben der Klassen V - VII für gewöhnlich den Vokal der Grundstufe847. bi-tumpelen 'betören', (Gl.); StWG. 641, RVA. 232. Zuerst wohl StSG. 1,425,1 Infatua : bidumbili aus der Handschrift St. Gallen, StiftsB. 292; Nr. 190, BV. 221, lO.Jh., fränk. und ebenda bidübili, Karlsruhe, BLB, St.Peter perg. 87; Nr. 73, BV. 324, 11.Jh., fränk.848; Glosse zu II Sm 15,31. Zwei weitere Belege sind überliefert in den Handschriften St. Gallen 292; Nr. 190, BV. 221, lO.Jh., fränk. (StSG. 11,739,26 Hebetata : bidübilidiu) und Rom, BV. Pal. lat. 288; Nr.533, BV. 798, 12.Jh„ fränk. (StSG. IV,269,2 Infatua : bit ubili). (Nur ahd.). Neben ahd. bi-tumben 'betören, hintergehen', StWG. 641. Den wenigen Verben kann noch keine klare semantische Funktion zugewiesen werden. W. Wilmanns schreibt den mit -/-suffigierten Verben eine diminuierende, gelegentlich wohl auch iterierende Färbung zu849. 845 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750. 846 SEW. 149. 847 Zu diesem Bildungsmuster vergleiche man H. Tiefenbach, Sprachwissenschaft 16 ( 1 9 9 S . 105-109, besonders S. 106. W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 483-489. 849 Wortbildung S. 98. Sieh auch E. H o f f m a n n , Die alt- u. mittelhochdeutschen Deverbativa, S. 35. Ein ausgeprägtes semantisches Profil entwickeln die Verben seit spätmittelhochdeutscher Zeit durch eine große Zahl deverbaler Bildungen, die im Vergleich zum Grundverb eine ausgeprägte diminutive Funktion zeigen. Im Neuhochdeutschen geht die Tendenz dahin, die Ableitungen mit -/- nicht allein zur Charakterisierung quantitativer Verkleinerungen heranzuziehen. Es werden "verschiedene Nuancen einer kognitiv abgeschwächten, jedoch emotional häufig aufgeladenen Bedeutung" bezeichnet. Man hat dies als typisches Kennzeichen einer "Sprache der Subkultur" gewertet. Sieh dazu H. Weinrich, Poetik und Hermeneutik, S. 453.

210

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^-Suffix

4. Ableitungen mit dem Suffix -ÇV-)k-jaDas Suffix -V-k- bildet besonders im Nord- und Nordwestgermanischen Ableitungen von Adjektiven, Substantiven und Verben. Es hängt eng mit einem nominalen ¿-Suffix zusammen, für das eine Herkunft teils aus idg. g, teils wohl auch aus k angenommen wird850. Das Korpus beinhaltet nur drei Ableitungen von schwachen Verben, die mit einiger Gewißheit dieser Bildeweise zugerechnet werden können. Es handelt sich ausschließlich um Belege des 11. und 12. Jahrhunderts. blitihben 'blinzeln', (Gl.); KFW. 1,1219, StWG. 66 'triefäugig sein, blinzeln', RVA. 10. KFW. 1,1219 wird nur ein Beleg angeführt, StSG. 11,747,53 Palpitare : lyhqyyyn [1. luhouuun\ pliti chart. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 18547,2; Nr. 437, BV. 650, 11.Jh., bair.; Glosse zu V. Mart. 7,117,26. Eine zweite Belegstelle wird StWG. 66 wohl zutreffend aufgeführt, (recte) Gl.SS 391,4 lippio : blitichu aus der Handschrift Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Cod. Guelf. 50 W; BV. 972, 9.Jh., südrheinfrk.; Glosse zu Prise, inst. 2,21,22851. (Nur ahd.). Die Bildung ist wohl am ehesten als eine Ableitung mit ¿-Suffix zu deuten und mit den Verben nhd. blitzen, mhd. bliezen, ahd. bleckezzen zu verbinden. Dann muß aber für ahd. t in blitihben wohl eine nicht erfolgte Verschiebung in der onomatopoetischen Basis der Ableitung vorausgesetzt werden. Die genauen Zusammenhänge sind unklar. hôrehhen 'auf etwas hören, horchen', (WH. 148,2 dîne friunt hôrechent dés [Eb, Pal, Kre, Vi]; daneben horechent [Ley, Lam]; hôrechtit [Ha]), SchW. 169 hôrebhan, RVA. 74. (Vgl. afr. harkia, ae. hyrcnian). Neben hören 'hören', SchW 169, mit intensivierendem -¿-Suffix852. snarhhen 'schnarchen' (StSG. 111,46 A.8 Sterto : ihc sharche [lies snarche]), StWG. 564 ("mhd."), fehlt RVA. (Man vergleiche nd. snorken, nl. snurken mit affektiver Vokalvariation). Der Beleg entstammt der Handschrift Graz, UB. 1531; Nr.232, BV. 270, wohl 12.Jh., obd.; Versus de volucribus.

850

Man vergleiche W. Meid, Wortbildungslehre, S. 261 § 194, W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 226. 851 Man vergleiche dazu auch W. Kleiber, Zur Sprache der althochdeutschen Glossen Otfrids, S. 540. 852 Sieh dazu K. Bogner Fissel, Wortbildung und Wortwahl, S. 121, KEW. 316, PEW. 706f., W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 226; W. Meid, Wortbildungslehre, S. 261-263, besonders S. 262 und W. Wilmanns, Wortbildung, S. 113.

Ableitungen mit dem Suffix -ÇV-)k-ja-

211

Man vergleiche E. Seebold853, der auf die onomatopoetische Herkunft der Bildung hinweist. Neben mhd. snarren sw.V. 'schmettern, schnarren'854. Die Ableitung bringt im Vergleich zum Grundverb eine iterative Bedeutung zum Ausdruck. Wie das Suffix germ. *-V-t-ja-, so tritt auch das ¿-Suffix in einfacher und in vokalisch erweiterter Form auf855. G. van der Meer beschreibt die Charakteristik dieser Verbalbildungen als: "...the general (and also diachronic) characterisation of -¿-verbs is that they refer to actions or events that express emotional involvement on the part of the speaker (or person implied in any other way)"856. Die -¿- Verben sind besonders im nordseegermanischen Raum zahlreich vertreten. Im Althochdeutschen sind Verben mit -¿-Suffix dagegen insgesamt nur selten. Zu den im Althochdeutschen bezeugten Fällen zählt wohl noch rutihhôn 'rotglänzen' und lustrihhôn 'umhergehen'857. Nordseegermanischer Einfluß auf das Althochdeutsche läßt sich aber allenfalls für das Verb ahd. gi-benihhôn 'erfahren' erweisen, das wohl auf mnl. baneken zurückführt 858 . Nicht sicher zu beurteilen sind dagegen die onomatopoetischen Verbalbildungen ahd. blunkazzen 'stammeln' neben einem alemannischen Verb plunzen (< *plunazzen) und ahd. krahhen 'krachen' neben ahd. kraen 'krähen, lärmen'. Unter den einheimischen Verben sind eindeutig deverbaler Herkunft - abgesehen von dem etwas zweifelhaften blitihhen (9. und 11.Jh.) nur horchen und snarchen/gi-snarchôn, deren Erstbelege alle in der zweiten Hälfte des 11. beziehungsweise im 12. Jahrhundert erscheinen. Es darf daher vermutet werden, daß zumindest die deverbale Ableitung mit -¿-Suffix im Althochdeutschen nicht produktiv gewesen, zumindest aber ursprünglich Teil einer Stilebene gewesen ist, die zunächst nicht schriftsprachlich war859.

853

KEW. 646. LH. 2, 1025. 855 M a n vergleiche W. Wilmanns, Wortbildung, S. 113; W. Meid, Wortbildungslehre, S. 261-263. Sieh auch für das Niederländische (-eken/-iken) J. Verdam, Tijdschrift voor Nederlandsche Taal- en Letterkunde 16 (1897) S. 175-211. 856 Some aspects of verbal repetition and diminutive, S. 335. Der Versuch einer semantischen Beschreibung von hören und horchen im Neuhochdeutschen findet sich bei M. Vliegen, Verben der auditiven Wahrnehmung, S. 223-239. Sieh dazu auch die Besprechung des Verf., IDF. 16 (1989) S. 678-680. 857 Man vergleiche F. Kluge, Nominale Stammbildung, §§ 212, 213; W. Wilmanns, Wortbildung, S. 113. 858 Sieh dazu KFW. 1,875 und 1,803, K. Matzel, Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 19 und J. Splett, Abrogans-Studien, S. 237 und 421. Weiteres zum ¿-Suffix, vornehmlich in den nordseegermanischen Sprachen, bei D. H o f f m a n n , Die ¿-Diminutiva, besonders S. 109f. Zum Fortleben des Suffixes jetzt auch G. van der Meer, NOWELE 11 (1989) S. 51-72; NOWELE 12 (1990) S. 3-14. 854

212

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -ja-Suffix

5. Ableitungen mit dem Suffix germ.

*-(V-)t-ja-

Die hier in Betracht kommenden Verbalableitungen werden für das Althochdeutsche zumeist zusammenfassend unter dem häufigsten Typ dieser Bildeweise, den Ableitungen mit dem Suffix germ. *-atja- mitbeschrieben. Es dürfte zum Verständnis dieser Bildungen aber nützlich sein, die verschiedenen Erscheinungsformen des Suffixes, soweit dies anhand der im Althochdeutschen überlieferten Belege möglich ist, jeweils gesondert darzustellen 860 . Die Etymologie von ahd. -azz/-izz (über westgerm. *-attj/-ittj aus germ. *-atj/-itj) und das Verhältnis dieser Suffixe zu den parallelen Bildungen auf -ιζω/-αζω/-υζω im Griechischen ist noch nicht völlig geklärt, denn der gemeinsame Ursprung der Suffixe läßt sich nicht durch Wortgleichungen absichern 861 . Die ältere Auffassung, der Ausgang des Suffixes seien "verbale ib-Ableitungen von nominalen Stämmen auf -d'U2, wird von A. Lloyd - O. Springer nicht aufrecht erhalten. In Anlehnung an E. Schwyzer wird n u r das Verwachsen eines vokalischen Elements mit der indogermanischen Erweiterung *di als gesichert betrachtet 863 . Für den Ursprung aus denominalen Ableitungen und der erst sekundären Ausbreitung dieses Musters auf andere Wortarten zeigen weder das Griechische noch die germanischen Sprachen Anhaltspunkte 864 . Voreinzelsprachliches Alter für ein selbständiges -dio wird dagegen wohl durch lat. grundîre (neben grunnîreUi), ahd. grunzen erwiesen. E. Schwyzer866 führt in diesem Zusammenhang noch griech. φεύζω, ahd.jâzen, ae. gêatan, an. játa an. Die vokalische Erweiterung ist jünger. Sie ist im Lateinischen außer in Lehnwörtern und im Lehnsuffix -iz-/is-867 nicht nachweisbar und sicher nur im Griechischen und Germanischen belegt. Einige unsichere, aber durchaus bedenkenswerte Parallelen führt E. Schwyzer auf868. Da in got. -atjan auch idg. o vorliegen kann, ließe sich eine Verknüpfung 860 Zum Suffix -V-t-ja- im Althochdeutschen vergleiche man zuletzt LSEW. 1,411 unter -azzeri (seltener -izzen) mit weiterer Literatur. Zu ergänzen wären dort die Arbeiten von J. Richter, Ursprung und Ausbreitung und F.W. Bradley, The semantic development. 861 Sieh W. Meid, Wortbildungslehre, S. 259; E. Schwyzer, Griech. -ΑΖΩ und got. -atja-, S. 72. 862 So zuletzt noch W. Meid, Wortbildungslehre, S. 259. Man vergleiche auch B. Schmidt, IF. 33 (1913/14) S. 317f. 863 LSEW. 1,412. Man vergleiche E. Schwyzer, Griech. -ΑΖ.Ω und got. -atja-, S. 63-75. Schon K. Brugmann hatte ein Präsenssuffix -d-io zur Bildung von verba deinterjectionalia angenommen; man vergleiche IF. 13 (1902/03) S. 145f. 864 Eine genaue Analyse, besonders des griechischen Materials bei E. Schwyzer, ebenda S. 65-72. Sieh auch E. Tichy, Onomatopoetische Verbalbildungen, S. 150-153, S. 167-170. 865 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,2979. 866 E. Schwyzer, Griech. -ΑΖ.Ω und got. -atja-, S. 73. 867 Sieh dazu oben in Kapitel III. 1. 868 E. Schwyzer, Griech. -ΑΖ.Ω und got. -atja-, S. 74 mit A. 2.

Ableitungen mit dem Suffix germ. "'-(V-jl-ja-

213

beispielsweise mit den slavischen Schallverben auf -otb wie in aksl. groxoU 'lautes Lachen', tsch. hrochot 'grunzen' herstellen. Die Bildungen könnten aber nur unter einem Ansatz *-ot/d vereinigt werden869. R. Solta möchte zudem die Funktion der Suffixbildungen unter Verweis auf heth. luk(k)at-, got. liuhap oder ae. liga auf das semantische Feld von Licht und Blitz zurückführen. Näher liegt es aber wohl, in Anbetracht der vielfaltigen einzelsprachlichen Möglichkeiten innerhalb der Onomatopoesie, bei der einzelsprachlichen Entfaltung des Suffixes sowohl im lautlichen als auch im semantischen Bereich von einzelsprachlichen Neuerungen auszugehen. Es ist also möglich, daß auch die vokalisch erweiterten Formen im Griechischen und den germanischen Sprachen unabhängig voneinander zur Verdeutlichung eines verblaßten Suffixes entstanden sind870. In den germanischen Einzelsprachen scheint das Suffix (-V)-t-ja- sehr ungleich verteilt zu sein. Vier Belegen des Gotischen stehen 76 Verben im Altenglischen871 und - einschließlich der Entlehnungen - wohl 93 Bildungen im Althochdeutschen gegenüber. Nach Ansicht von A. Lloyd - O. Springer "hat das ganze Nordgerm, nichts entsprechendes"872. Nicht erwähnt werden an dieser Stelle jedoch die altnordischen Ableitungen mit dem Suffix -t, die folgt man, wie A. Lloyd - O. Springer, den Überlegungen E. Schwyzers - nur durch das Fehlen des suffixanlautenden Vokals von den ost- und westgermanischen Formen geschieden sind. Das Altnordische bewahrt in diesen Bildungen möglicherweise die ursprüngliche unerweiterte Form des Suffixes873. Ist die Deutung E. Schwyzers zutreffend, so kann in der Entwicklung des Suffixes -V-t-ja- ein Beispiel für den Übergang von der Verbalbildung mit einfachen konsonantischen Formantien, wie die Nasal- oder ^-Erweiterungen, hin zu komplexeren Formen gesehen werden, bei denen konsonantische und vokalische Bestandteile zu einem Suffix verschmelzen. Da die Suffixbildungen, zumindest was die Überlieferung betrifft, zunächst noch eher selten waren, die vokalischen Bestandteile der Suffixe im Zuge der spätalthochdeutschen Endsilbenabschwächung aber schon bald wieder ihre verdeutlichende Funktion verloren, fallen dann in spätalthochdeutscher Zeit die alten -t-ja869

Man vergleiche dazu R. Solta, Die Sprache 9 (1963) S. 174. Auch R. Solta, ebenda S. 178, geht von einem reinen Dentalsuffix aus, das auf einer früheren Stufe als Präsenserweiterung gdient haben könnte. 871 Man vergleiche A. H . Marckwardt, Language 18 (1942) S. 275. Laut den Bearbeitern des LSEW. (S. 41 lf.) handelt es sich bei den altenglischen Bildungen allerdings nur u m "eine bescheidene Zahl". 872 LSEW. 1,411. So auch W. Meid, Wortbildungslehre, S. 260. 873 Offenbar ist eine Formulierung J. Grimms ("Altn. mangelt der Ableitungsvokal durchaus", Deutsche Grammatik Bd. 2, S. 208) dahingehend mißverstanden worden, als sei das Ableitungssuffix im Altnordischen selbst unbelegt. J. G r i m m führt Beispiele an wie skemta zu skammr,jâta zu já. Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 136. 870

214

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -ya-Suffix

Bildungen mit solchen -V^iz-Bildungen zusammen, deren vokalisches Element sekundär geschwunden ist. Eine sichere Zuordnung der Belege ist dann vielfach nicht mehr möglich.

A. Ableitungen mit dem Suffix -V-t-jaDer verallgemeinernde Ansatz mit einem Suffix ahd. -azze-, umgelautet zu -ezze-, wie er von den Bearbeitern des KFW. und StWG. vorgeführt wird, ist ungenau. A. Lloyd und O. Springer weisen zu Recht darauf hin, daß die ältere Auffassung, "sämtliche ahd. Formen mit -i- in der Mittelsilbe als fehlerhafte Schreibung für -a- abzutun", wenig Wahrscheinlichkeit besitze874. Bei der Präsentation der Belege wird der Vokal des Ableitungssuffixes im folgenden daher entweder als a (für a und umgelautetes a) oder i, in einem Fall auch als o wiedergegeben. Wie im Griechischen mit Hilfe des Suffixes -αζω/-ιζω/-υζω, so erscheinen auch im Althochdeutschen Ableitungen mit dem Suffix germ. *-atja-/-itjavon verschiedenen Wortarten und mit verschiedenen semantischen Strukturen. Die seltenen denominalen Ableitungen des Althochdeutschen sind meist jüngere Neubildungen, die eher dafür sprechen, daß ein altes Verbalsuffix sekundär im Althochdeutschen (und Altenglischen) auch zur Ableitung denominaler Verben dienen konnte. Nicht selten steht neben einem Verb zwar auch ein Nomen, doch ist es in solchen Fällen, in denen das Derivat intensive oder iterative Bedeutung trägt, aus semantischen Gründen überzeugender, von einer verbalen Basis auszugehen875.

a. Ableitungen von einer Interjektion Von den insgesamt 93 angesetzten Ableitungen mit dem Suffix -(V)-t-ja- im Althochdeutschen können nur neun mit einiger Wahrscheinlichkeit als Nicht-Deverbativa klassifiziert werden. Allein vier dieser Verben lassen sich auf eine Interjektion zurückführen. Deinterjektionale Verbalbildungen können für zahlreiche indogermanische Sprachen, besonders für das Griechische sowie die baltischen und slavi-

874

LSEW. 1,412. Im KFW. u n d StWG. wird jedoch der älteren Ansicht gefolgt. M a n vergleiche dazu noch J. Franck, Altfränkische Grammatik, § 53. 875 Anders F. Heidermanns (HEW.), der die Suffixbildung in neun Fällen ohne weitere Begründung zum Adjektiv und in einem Fall zum Substantiv stellt.

Ableitungen mit dem Suffix germ. *-(V-)t-ja-

215

sehen Sprachen, nachgewiesen werden876. Bei der Beschreibung dieser Bildungen ist eine wünschenswerte Abgrenzung zwischen Ableitungen von Interjektionen im engeren Sinne auf der einen Seite und onomatopoetischen Basen auf der anderen Seite wegen der Verwandschaft der Bereiche "Lauterzeugung" und "Lautnachahmung" nicht immer mit der notwendigen Genauigkeit vollzogen worden. Vielfach ist von "schallnachahmenden" bzw. "onomatopoetischen Interjektionen" die Rede gewesen877. Bildungen wie au! oder plumps! haben den gleichen syntaktischen Status und scheinen gleichermaßen dem unmittelbaren Ausdrucksbedürfnis zu dienen878. Stellt man dagegen die Funktion dieser Wörter und damit ihre Stellung im Sprechakt in den Vordergrund der Betrachtung, so lassen sich Interjektionen wie ach!, uh! oder ju-hu! von schall- und tierstimmennachahmenden Bildungen deutlicher abgrenzen. Die Interjektionen ahmen keine Laute nach, sondern sind selbst unmittelbare Lautäußerungen, die, anders als onomatopoetische Bildungen, zum Ausdruck von Gefühlen und Stimmungen in der Rede dienen. Dieser Unterschied von Ausdruck und Nachahmung pflanzt sich auch in den Verbalableitungen von onomatopoetischen und interjektionalen Basen fort. Deinterjektionale Verben dienen nicht der Verbalisierung von Lautnachahmungen. Verben wie mhd. echzen oder ahd. jâzen, * »einen können nur als "ach, ja, nein sagen" und kaum mit einer faktitiven Paraphrase "ach machen", "ja machen" oder "nein machen" zutreffend beschrieben werden. Vergleichbare Verben mit der Bedeutungsstruktur "x sagen" sind Delokutiva genannt worden879. Doch nicht nur in semantischer, auch in formaler Hinsicht grenzen sich die Deinterjektionalia von den übrigen Bildungen ab. Im Gegensatz zu den meisten onomatopoetischen Bildungen sind sie phonologisch-morphologisch

876 M a n vergleiche dazu die Zusammenstellungen bei E. Schwentner, Die primären Interjektionen, S. 49-55. 877 So enthält auch J. Grimms erste umfangreiche Sammlung von Interjektionen (Deutsche Grammatik III, S. 379-306) auf den Seiten 302-306 Schallnachahmungen und Nachahmungen von Tierstimmen. Zum Begiff der "onomatopoetischen Interjektion" vergleiche man K. Ehlich, Interjektionen, S. 93f., mit weiterer Literatur. Einen kurzen Uberblick über die Geschichte der Klassifizierungsversuche gibt E. Schwentner, Die primären Interjektionen, S. 5f. 878 So unterscheidet auch die letzte Auflage der Duden-Grammatik (§§ 110 und 677), wo der Wortartbestimmung vorwiegend syntaktische Erwägungen zu Grunde liegen, unter einem gemeinsamen Oberbegriff "Interjektion" verschiedene Bedeutungsgruppen, zu denen ohne weitere qualitative Abgrenzungen einerseits Ausdrücke von Empfindungen und Aufforderungen, andererseits Nachahmungen von Lauten gezählt werden. 879 Die Berechtigung dieses Typs als semantische Sonderform soll jedoch, um die Unabhängigkeit dieser Bildungen von der Suffixerweiterung zu erweisen, nicht anhand von Beispielen der Verben auf *-(V-)t-ja-, sondern an den einfachen yan-Verben dieses Typs gezeigt werden. Sieh dazu Abschnitt 5.A.

216

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -ja-Suffix

stabil, tragen eine feste Bedeutung und sind "lexikonfáhig"880. Im Sinne einer deutlichen Leistungs- und Funktionsbestimmung der Wortarten empfiehlt es sich daher, die Gruppe der schall- und lautnachahmenden Wörter, die im folgenden "onomatopoetische Ausdrücke" genannt werden sollen, von den Interjektionen abzutrennen881. Das "onomatopoetische System" einer Sprache ließe sich dann zudem leichter als eine Einheit fassen, in der bereits ihre primären, nicht abgeleiteten Bildungen auch auf der Ebene der Wortarten den übrigen Teilbereichen der Sprache deutlich gegenüber stehen. Die Klasse der Interjektionen bildet demgegenüber das Zwischenglied zwischen der Sphäre der Onomatopoesie und der konventionellen Zeichen882. Beide, ononomatopoetische wie deinterjektionale Ableitungen, gehören jedoch einer vergleichbaren Stilebene an883. Lexeme wie ja, nein oder heil können, abhängig vom jeweiligen Zusammenhang, als Adverbien, Adjektive oder Interjektionen erscheinen. Ihre Besonderheit liegt darin, daß sie in ihrer Funktion als Interjektion Basis einer Verbalableitung sein können. In dieser Funktion dienen sie der Zustimmung, Ablehnung oder Ehrerbietung im Sprechakt. Die Verben: heilazzen/heilizzen 'grüßen, Lebewohl sagen1, (OT. T.; Gl.); SchW. 162, RMWA. 96, StWG. 262, RVA. 67. Zuerst wohl Tatian 77,1 f. Thanne ir íngang& tház hús heilaz& íz sus quedante, sibba sí thesemo hús ... (Man vergleiche ae. hâlettan)m. Zu ahd. heil 'heil, sei gegrüßt', SchW. 138, StWG. 262; die Interjektion ist aus dem Adjektiv gebildet885; man vergleiche as. hêl, ae. hai, an. hails, heill, got. hails. Auf semantischer Beschreibungsebene kann der Beleg als "delokutiv" (= 'heiñ sagen') bezeichnet werden886. jâizzen 'ja sagen, zustimmen' (Gl.); StWG. 316, RVA. 83. Zwei Belege, StSG. I,761,45 Dicet. amen i. iaizzit, Karlsruhe, Β LB. Aug. LXXXIII; Nr.53, BV. 294, II.Jh., alem.; Glosse zu I Cor 14,16. - StSG. 11,691,47 (Fremebant) : iaizton, Melk, StiftsB. Nr. 1545 Vergil; Nr. 292, BV. 434, 12.Jh.; Glosse zu Verg. Aen. l,559f. 880

Sieh dazu auch H. Burger, Interjektionen, S. 61-63. So auch K. Ehlich, Interjektionen, S. 93f. 882 Z u m Zeichencharakter der Interjektionen sieh H. Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte, S. 179. 883 Sieh E. Schwentner, Die primären Interjektionen, S. 2f. 884 Man vergleiche HEW. 267f. 885 Sieh dazu auch Y.M. Bierse, Conversions in English, S. 179. 886 Dazu M. Debrunner, Zur Hypostasierung von Wünschen und dergleichen, S. 113-123, besonders S. 121. 881

Ableitungen mit dem Suffix germ. *-Q/-)t-ja-

217

Zu ahd. ja; man vergleiche dazu auch unten unter jâzen. uhbizjun 'trauern', (nur StSG. 1,203,35 Lucubre : uhhizenti Kb. uhhizanti Ra.); StWG. 652, fehlt RVA. (Nur ahd.). Zu *uh, man vergleiche mhd. uchnl. Vergleichbar ist auch mhd. ächzen, echzeti zu achfu. Auf semantischer Ebene kann die Ableitung als "delokutiv" (= 'uch! sagen') bezeichnet werden; griechische Beispiele nennt J. Richter889. Man vergleiche auch lit. úkauti, úkcioti™. Die Interjektion findet sich auch bezeugt in serb. uk als Ausdruck des Frierens8".

b. Ableitungen von einem Substantiv brâwizzett 'mit dem Augenlid zucken, blinzeln', (ein Beleg StSG. 11,282,37 mit A.ll Ictu pungentis : stoze pravuizanne [als Rasur über stôze\ stophontes); KFW. 1,1327, StWG. 74, fehlt RVA. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 19440; Nr.448, BV. 665, letztes Drittel 11 .Jh., bair.892; Glosse zu Greg. hom. 1,10,1469 Sed ad hoc soient mathematici respóndete, quia virtus constellationis in ictu puncti [Hs. pungentis] est. Si igitur in ictu puncti constellatio permutatur, necesse jam erit ut tot dicant fata, quot sunt membra nascentium. Fateri etiam mathematici soient quod quisquís in signo Aquañi nascitur, in hac vita piscatoris ministerium sortiatur. Der Zusammenhang erschließt sich am ehesten im Vergleich mit einer Parallelstelle bei Beda rat. temp. 3,306f.: Nec pratereundum est, quia etsi calculatores necessario discernant, plurimi tarnen scriptores indifferenter brevissimum illud temporis spatium, quo palpebra oculi nostri moveri potest, quod in ictu pungentis transcunit, quod secari dividi nequit, nunc momentum, nunc punctum, nunc atomum vocant. "Man darf ihn nicht übergehen, wenn auch die Rechner ihn von Notwendigen unterscheiden, aber dennoch nennen die meisten Schriftsteller ohne Unterschied diesen äußerst kurzen Zeitraum, in dem unser Augenlid bewegt werden kann, weil er im Augenblick des Blinzeins vergeht und nicht getrennt oder geteilt werden kann, bald Augenblick, bald Punkt, bald Atom." (Nur ahd.).

887

LH. 2,1685 ûch. Sieh auch J. Splett, Abrogans-Studien, S. 286 und 523. W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 227. 889 Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 140. 890 Sieh dazu E. Fraenkel, ZVSpF. 60 (1933) S. 251-253. 891 E. Schwentner, Die primären Interjektionen, S. 17. 892 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750, besonders S. 745. 888

218

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -yk-Suffix

Zu brâwa st.F. 'Augenbraue'; KFW. 1,1327, SchW. 101, StWG. 74; man vergleiche as. brâha, brâwa, afr. brê, ae. brœw, an. bra*91. floscazzen 'fließen, flüssig sein', (ein Beleg StSG. 1,200,21 Licuntur : floskezzendi, Kb.); KFW. 3,994, StWG. 166, RVA. 42. (Nur ahd.). Das jan-Verb dürfte zu der Wortfamilie um das starke Verb germ. *flôwa-m zu stellen sein, zu dem eine schwundstufige Ableitung mit ¿¿-Suffix gebildet werden konnte. Eine solche Ableitung liegt vor in dem schon im 9. Jahrhundert bezeugten Substantiv ahd.flusc st.M. 'Fluß, Abfluß, Überfluss, Überfülle' 8 ' 5 und dem Kompositum framflusc™. Da ein schwaches nicht erweitertes Verb mit -rá-Suffix fehlt, muß floscazzen wohl auf das Substantiv bezogen worden sein897. lougazxen/lougizzen 'lodern, flammen1, (N.; Gl.); SchW. 202, RMWA. 96, StWG. 386, RVA. 120. Zuerst bezeugt bei Notker 4,143,8f. Hincque allusit sollertia poetic q adumbrationis. i. fictionis . tractum .i. deductum . piiflegetonta .i. ignem flammantem. Hínnán ságent tie poetq. rinnen daz lóugezenta hélle-uuázer. (Nur ahd.). Zu loug st.M. 'Feuer, Flamme'; SchW. 202, StWG. 386898. mundozzen 'äußern', (ein Beleg, StSG. 1,188,36 inferí : mundozit Ra.); StWG. 423899. (Man vergleiche ae. müÖettan 'schwatzen'). Wie im Falle von ahd. mandilen handelt es sich wohl um eine denominale Ableitung zum Substantiv germ. *munpa\ man vergleiche ahd. mund st.M. 'Mund'; SchW. 216, StWG. 423, man vergleiche as. afr. mûth, ae. mûp, an. munnr, got. munps. Daneben steht zwar im Althochdeutschen ein bei Notker belegtes schwaches Verb munden, doch liegt die Bedeutung 'zusammenfließen'900 zu weit ab. Die Zusammenhänge sind unklar. Die Ableitung dürfte in jedem Fall auf das Substantiv bezogen worden sein901. Die abweichende Wortwahl in Ra. (motacit Pa. und modazit Kb.) erklärt sich am besten dadurch, daß die vorangehende Glosse (StSG. 1,188,35 Infit : mundulit Pa. muntilit Kb. mundilit Ra.) ebenfalls eine Ableitung von der Basis mund aufweist. 893

Zum Substantiv sieh KEW. 103. SEW. 204f. 895 KFW. 3,1009. 896 Ebenda 3,1217. 897 Sieh dazu auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 151. 898 Man vergleiche E. Schwyzer, griech. -ΑΖΩ, got. -atja-, S. 73, J. Richter, Ursprung und analoj»ische Ausbreitung, S. 143. 89 Man vergleiche auch RVA. 131 unter motaz(z)en\ sieh noch GSp. 4,365. 900 Sieh SchW. 216; KEW. 492: "erst nhd.". 901 Sieh dazu auch J. Splett, Abrogans-Studien, S. 265. 894

Ableitungen mit dem Suffix germ. *-{V-)t-ja-

219

c. Ableitungen von einem Adjektiv Unter Vorbehalt kann eine Bildung hierher gestellt werden. blinti[z]zen ? 'oxydieren, blind werden', (ein Beleg StSG. 1,786,50 Cecutiat : plintirce)·, StWG. 66, RVA. 10; fehlt KFW. unter B-. E. Steinmeyer (zur Stelle) hält den Beleg unter Vorbehalt für eine Glosse zu dem vorausgehenden lat. aeruginavit. E.G. Graff 0 2 und K. Michel905 setzen Μίηύήαη an und haben von diesem Ansatz ausgehend gefolgert, daß eine Ableitung von einem Komparativstamm angenommen werden müsse. Dies wäre im Kreise der althochdeutschen /¿»-Verben zwar eine singuläre Erscheinung, denn Ableitung von Komparativstämmen sind im Althochdeutschen nur unter den ow-Verben zu finden904, doch kann nicht ausgeschlossen werden, daß auch vereinzelt janVerben dieses Typs gebildet worden sind905. Eine Ableitung vom Komparativstamm von blint, die von einer Bedeutung 'blinder als blind' ausgehen müßte, scheint semantisch wenig befriedigend. Zusätzlich müßte in plintirce als verschrieben gelten. Geht man aber einmal von einer Verschreibung (oder Verlesung in StSG.) aus, so ist es eher wahrscheinlich, daß nicht , sondern gelesen werden muß und damit eine Suffixbildung *blintizzen gemeint ist906. Der Kontext (Iac 5,3) macht wahrscheinlich, daß eine Lehnübersetzung von lat. caecâre 'blind machen, blenden, trüben, verdunkeln1 vorliegt907: aurum et argentum vestrum eruginavit et erugo eorum in testimonium vobis erit... "Euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird ein Zeugnis gegen euch sein ..." Die althochdeutsche Ubersetzung bringt eine intensivierende Bedeutung 'völlig blind, trüb werden' zum Ausdruck. Auch deshalb ist wohl besser von einer Bildung mit dem Suffix germ. *-atja- auszugehen.

d. Ableitungen von einem schwachen Verb Unter den Ableitungen, die neben schwachen Verben stehen, findet sich auch eine beträchtliche Zahl, die an Schallwurzeln angeschlossen werden können. Sofern es sich dabei aber um regelhafte Ableitungen von anderen 902 903 904 905 906

GSp. 3,256. Die mit - i - -abgeleiteten denominativen verba, S. 35. Man vergleiche W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 215f. Zweifel an dieser Deutung, aber kein anderer Lösungsvorschlag, findet sich RVA. 10. Zur Graphie für / z z / vergleiche man BEG. § 157; sieh auch KFW. 4,413 unter

gremizzen. 907

Z u m lateinischen Verb sieh K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,85.

220

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -ya-Suffix

schwachen Verben und nicht um unmittelbare Verbalisierungen solcher Schallwurzeln handelt, werden die Verben nicht als im engeren Sinne Bestandteile des onomatopoetischen Subsystems des Althochdeutschen angesehen, sondern an dieser Stelle mitbehandelt. âtmizzen/âtumazzen 'keuchen, tief atmen', (Gl.); KFW. 1,688 unter âtmizzen, KFW. 1,693 unter ât(u)mazzen, StWG. 37 unter âtumezzen, RVA. 5 âtmez(z)en\ irâtumazzen 'heftig ausatmen'. Zuerst wohl StSG. 11,315,46 Exalat : atumazz.it. atmizzit, Karlsruhe, BLB. Aug. IC; Nr.54, BV. 296 und Oxford, BL. Jun 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.908; Glossen zu einer Homiliensammlung zu Gregor909. (Nur ahd.)910. Neben âtamôn 'atmen', KFW. 1,685, SchW. 92, StWG. 36911. blabazzen/blabizzen 'stammeln', (Gl.); KFW. 1,1166, StWG. 63, RVA. 8. Das gut bezeugte Verb erscheint zuerst wohl StSG. 11,739,20 Propalo, narro : giblapeco, St. Gallen, StiftsB. 292; Nr.190, BV. 221, lO.Jh., fränk.; Glosse zu Acta, De Andrea 151. Der Beleg StSG. 11,491,31 {Frendens : berebezonti) ist gegen StWG. 63 besser als be-rebezonti zu lesen; sieh dazu unter be-rebazzen. (Nur ahd.). Es handelt sich wohl um eine Ableitung zu einem schwachen Verb, das erhalten ist in alem. plapen 'plappern'. Außergermanisch vergleichen sich ai. balbalá karoti, tsch. balblata, blabolati 'lallen'912, sowie russ. balabolit. In ahd. blabazzen dürfte eine Spur einer im Althochdeutschen sonst nicht überlieferten alten onomatopoetischen Reduplikation vorliegen. Weitere Bildungen aus der Schallwurzel *bla-n} liegen vor in lat. blatâre, blatirÍ14. bleckazzen/bleckizzen 'blitzen, funkeln, blinken, glänzen', (N.; Gl.); KFW. l,1197f., SchW. 99, RMWA. 96, StWG. 65, RVA. 9. Der Glossenbeleg, StSG. 1,337,26 Micare : pleckazzan, befindet sich in der Handschrift Oxford, BL. Jun 25; Nr.493, BV. 725, 9 .Jh., alem.915; Glosse zu Ex 19,16.

908 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 909

Zu diesen Belegen vergleiche man auch J. Splett, Samanunga-Studien, S. 158 unter lr~ aatmazit sowie W. Wilmanns, Wortbildung, S. 108. 910 Man vergleiche LSEW. 1,393. 911 Sieh auch J. Richter, Ursprung u n d analogische Ausbreitung, S. 148. 912 Sieh dazu W. Schulze, Vom Stammeln, S. 214f. 913 PIEW. 102. 914 Man vergleiche noch F. Bradley, Semantic development, S. 11; W. Wilmanns, Wortbildung, S. 108. Weiteres zu diesem Typus bei Κ. H o f f m a n n , "Wiederholende" Onomatopoetika im Altindischen. 915 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 461 f.

Ableitungen mit dem Suffix germ.

*-(V-)t-ja-

221

(Nur ahd.); daneben ae. blicettannh. Neben blecken 'blitzen', KFW. 1,1199, SchW. 99"7. blunkazzen 'stammeln', (Gl.); KFW. 1,1227, StWG. 67, RVA. 146 plunzez(z)en. Bezeugt sind StSG. 1,784,39 Balputiat : stamma lo. i plun cez ze, Clm 19440, Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.918; ebenda 784,40 stammalo. i pluncezze, Clm 18530a, Nr.436, BV. 649, 11.Jh.; ebenda 784,40f. stamMo. i plunceze, Wien, ÖNB 2732, Nr.621, BV. 950, lO.Jh., bair.919; Glosse zu Iac, Prolog. (Nur ahd.). Zu der Basis einer (-V)-t-ja- Erweiterung, die fortlebt in alem. plunzen, kann mit ahd. *blunken eine Erweiterung mit ¿-Suffix gebildet worden sein920. Zu diesem Verb wäre dann eine Erweiterung mit dem Suffix -atja- hinzugetreten921. bolazzen 'zittern, kurz und stoßweise heftig atmen', (Gl., gi- Gl.); KFW. 1,1251, StWG. 69, RVA. 11. Das Simplex ist einmal bezeugt StSG. 11,249,10 Palpitaret : polazti, Krakau, Jagiellonska Berol. Ms. Lat. Quart. 676922; Nr.84, BV. 44, 9.Jh., alem. Es handelt sich um eine Glosse zu Greg. dial. 3,7,292. (Nur ahd.). Wohl zu einem schwachen Verb, das vorliegt in got. *uf-bauljan, das zu erschließen ist aus got. uf-baulidai 'aufgeblasen, hochmütig'923. dahbazzeti 'aufflammen, auflodern', (StSG. 11,444,42 Uolat : dabhazta)·, StWG. 89, RVA. 23. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 14395, Nr.384, BV. 579, 11.Jh., bair.-alem.; Glosse zu Prud. perist. 3,156. (Nur ahd.). Neben einem schwachen Verb germ. *pakija-, das vorliegt in ae. Öeccan 'verbrennen'924. flehazzen 'verlocken, verführen', (ein Beleg StSG. IV,3 30,6 (Lenocinante) : flehezentemo)\ KFW. 3,948, StWG. 163, RVA. 41. Der Beleg entstammt der Handschrift Kassel, Murh. u. LB. 2° Ms. theol. 32; Nr.77, BV. 330, wohl 9./10.Jh. Es handelt sich um eine Glosse zu Greg, cura 2,6,21. 916

Sieh dazu A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 278 und 279f. Sieh auch W. Wilmanns, Wortbildung, S. 108 B. Meineke, Zur Bedeutungsermittlung im Althochdeutschen, S. 251. 918 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750. 919 Zur Handschrift vergleiche man ebenda, S. 821-826. 920 Zur Graphie für altes k sieh besonders BEG. § 144 mit A. 2. 921 Man vergleiche Schweizerisches Idiotikon 5,126, F. Bradley, Semantic development, S. 12 sowie J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 152. 922 BV. 44 noch als Berlin, PStB. Ms. lat. 4° 676. Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 369-376. 917

924

M a n vergleiche PIEW. 123 unter der Wurzel 6. 'schallen, reden, brüllen, bellen'. Sieh J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 143.

222

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -ja-Suffix

(Nur ahd.). Neben flehen 'schmeicheln1, KFW. 3,948 und flehôn ebenda 948f.; SchW. 135; StWG. 163 unter einem Ansatz flehen/flehôn™. flitarazzen 'mit Worten schmeicheln1, (ein Beleg StSG. 11,442,25 Blandi : flitarazzantin)\ KFW. 3,985, StWG. 165, RVA. 40. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11 Jh., bair.-alem.; Glosse zu Prud. perist. 14,16. (Nur ahd.). Das Verb steht neben mhd. vlittern 'flüstern' und ae. flit eren, die als Bildungen mit dem Suffix -V-r- zu deuten sind926. flogarazzen 'umherflattern, einherschweben (auch von Gedanken)', (Gl.); KFW. 3,991, StWG. 165, RVA. 42. Zuerst wohl StSG. 11,329,71 [sensum] Uolitantem :flogorazzantes,Clm 14747, Nr.408, BV. 611, lO.Jh., bair.; Glosse zu Hieron. in Matth. 1,5,29. (Nur ahd.). Neben ahd. flogarôn 'flattern', einer Iterativbildung mit r-Suffix zum starken Verb ahd.fliogan. Man vergleiche auch unter flogazzen und flogerzen27. fnescazzen 'keuchen, röcheln', (Gl.); KFW. 3,1013, StWG. 167, RVA. 43. Zuerst wohl StSG. 1,292,65 Singultum : fneskezzan, Karlsruhe, BLB. Aug. IC; Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem.; fneskeszen, Oxford, BL. Jun. 25, Nr. 493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.'28; Glosse zu I Sm 25,31. (Nur ahd.). Neben dem althochdeutschen Verb steht als Fortsetzer der Basis der Ableitung mhd. phnesehen 'schnell atmen, keuchen, seufzen'929. Daneben mit sFormans a t. fnxsettan, mhd. phnâsan, phnûsen™. fuolazzen 'betasten', (Gl., gi- Gl.); KFW. 3,1241, StWG. 183, StWG. N. 812, RVA. 48. Insgesamt sind drei Belege überliefert, so StSG. 1,271,21 Attrectauerit : kifualazzit, Karlsruhe, BLB. Aug. IC; Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh„ alem.931. Es handelt sich um eine Glosse zu Gn 27,12. Die Bedeutungsangabe 'berühren' bei T. Starck 925

Ebenda S. 148. Man vergleiche W. Meid, Wortbildungslehre, S. 264 sowie KEW. 222 unter Flitter. Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 148. n i Sieh auch W. Meid, Wortbildung, S. 264, W. Wilmanns, Wortbildung, S. 94 und 108, J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 148. 928 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457465, besonders S. 459. 929 LH. 2,259. 930 LH. 2,259f. Man vergleiche auch F. Bradley, Semantic development, S. 11, W. Wilmanns, Wortbildung, S. 108, J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 147. 931 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 926

Ableitungen mit dem Suffix germ. *-(V-)t-ja-

223

J.C. Wells wird der iterativen Funktion der Suffixbildung nicht gerecht. Man vergleiche im Kontext si adtractaverit me pater meus et senserit timeo ne putet sibi voluisse inludere ... "Wenn mich nun mein Vater betastete und es merkte, so fürchte ich, er wird meinen, ich habe mit ihm Spott treiben wollen ..." (Nur ahd.). Neben ahd.fuolen 'etwas fühlen, empfinden', SchW. 143932. gackizzen 'schnattern', (Gl., auch ir- Gl.); KFW. 4,27, StWG. 189 ein Ansatz gackezzen, gackizzôn, RVA. 54. Die Belege (StSG. 11,683,68 Strepere : gakicen und StSG. 11,699,2 Strepere : gbgkzpn, [1. gagizon]) entstammen den Handschriften Schlettstadt, Bibliothèque et Archives Municipales Ms.7; Nr.552, BV. 849, 12.Jh, alem.933 und Paris, BN. lat. 9344, Nr.509, BV. 752, ll.Jh., mfrk. Es handelt sich um Glossen zu Verg. Ekl. 9,36. Der Ansatz eines ow-Verbs ist in einer mittelfränkischen Handschrift auf Grund einer Graphie in der unbetonten Endsilbe nicht zwingend934. (Nur ahd.); man vergleich mhd. gackzen, gagzenni und daneben wohl als Variante mit Vokalvariation mhd. gicksen936. Es wird sich um eine Ableitung von einem Verb handeln, das vorliegt in nhd. gacken. Das einfache Verb dürfte auf ein Tierstimmen nachahmendes Schallwort gack! zurückgehen, das sich schriftsprachlich wohl in der Bezeichnung Geck,Jeckm für den "schnatternden" Narren gehalten hat938. ginizzen 'öffnen, aufsperren', (ein Beleg StSG. 11,11,16 Hiulco : ginizantemo)·, KFW. 4,262, StWG. 215, fehlt RVA. Der Beleg entstammt der Handschrift Würzburg, UB. M.p.th.f. 21; Nr.644, BV. 985, 9.Jh„ ostfränk.; Glosse zu Aldh. laud. virg. 265,150. (Nur ahd.). Neben ahd. ginên, ginôn 'den Mund auftun, gähnen', KFW. 4, 262f., StWG. 214f. girazzen 'gierig sein, (sündhaftes) Verlangen haben, Begierde haben', (ein Beleg, N.); KFW. 4,285, SchW. 151, RMWA. 96, RVA. 58. Notker 10,397,8f. Et concupierunt concupiscentiam in desertu. Vnde bediû gîrezton sie . dâr in éinote. (Nur ahd.).

932

Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 148. Zur Handschrift vergleiche man auch W Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialope Gregors, S. 339-346. Sieh dazu unter II.l. 935 LH. 1,724. 936 LH. 1,1014. 937 Sieh dazu KEW. 250. 938 Sieh weiter J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 152 und 159, KEW. 240 sowie H . Glombik-Hujer, Lachen und Weinen, S. 193f. 933

224

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^¿-Suffix

Neben mhd. gir(e)n 'geschlechtlich begehren'939. Das Verb wird von W. Wilmanns940 nur deshalb zu dem Adjektiv ahd. giri 'habgierig, geizig' (KFW. 4,285; SchW. 151; fehlt StWG.) gestellt, weil es im Verbalsystem isoliert stehe. Diese Annahme trifft jedoch nicht zu. F. Heidermanns941 will das Verb demgegenüber an ein Substantiv, gemeint ist wohl giri 'Gier', anschließen. Eine Ableitungen von einem femininen zVStamm wäre aber ohne Parallelen und weder formal noch semantisch zwingend. hescazzett 'seufzen', (Gl.); StWG. 273; RVA. 70 nur ein Verweis auffneskazzen. Belegt sind StSG. I,412,35f. In singultum et in scrupulum in heskazan inti soragun, Karlsruhe, BLB. Aug. IC; Nr.54, BV. 296, 9.JL, alem. und Gl.KK 347,14 heskazenta, Leipzig, UB. Rep. I. 14. Glosse zu I Sm 25,31. (Nur ahd.). Zu mhd. beschert 'gähnen, schluchzen'942. hogazzen 'überlegen, (nach)denken', (KG. N.); SchW. 168, RMWA. 96, StWG. 280, RVA. 72. Zuerst in den Kasseler Glossen des 9. Jahrhunderts, StSG. 111,13,15 Cogita : hogazi, 13,17 Ego cogitaui : ihhogazta. (Nur ahd.). Neben ahd. (h)ogên '(etwas) bedenken, beherzigen', SchW. 168; ahd. huggen 'gedenken, sich erinnern, denken an', SchW. 171, StWG. 289943. hopfazzen 'hüpfen', (ein Beleg StSG. 11,42,36 Recurrens : hoppezente)\ StWG. 284, RVA. 73. Der Beleg entstammt der Handschrift Trier, StadtB. 1093/1694; Nr.569, BV. 881, 11. Jh., mfrk.; Glosse zu Avian. 6,3. (Man vergleiche ae. hoppettan 'springen')944. Neben ae. hoppian, mhd. hupfen, hopfen 'hüpfen'945. juppazzen 'schmettern', (ein Beleg StSG. 1,358,17 Vlulantibus tubis .i. iuppezenten trumbon)\ StWG. 318, RVA. 84. Der Beleg entstammt der Handschrift St. Gallen, StiftsB. 283; Nr.188, BV. 219, 9.Jh. alem.; Glosse zu Nm 10,9 si exieritis ad bellum de terra vestra contra hostes qui dimicant adversum vos clangetis ululantibus tubis et erit recordatio vestri coram Domino Deo vestro ut eruamini de manibus inimicorum vestrorum. "Wenn ihr aus eurem Land zum Kampf auszieht gegen Feinde, die gegen euch streiten, so sollt ihr mit den Trompeten schmettern, und so wird an euch vor dem Herrn, eurem Gott gedacht werden, so daß ihr aus den Händen eurer Feinde errettet werdet." 939

LH. 1,1021. Wortbildung, S. 109. 941 HEW. 241. 942 StWG. 273, LH. l,1278f. 943 Sieh auch W. Wilmanns, Wortbildung, S. 108, J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 149. 944 Sieh dazu A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 278. 945 LH. 1,1395. Sieh auch W. Wilmanns, Wortbildung, S. 108, J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 149 sowie R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 137. 940

Ableitungen mit dem Suffix germ. *-ÇJ-)t-ja-

225

(Nur ahd.). Eine unzweifelhafte Deutung dieses Einzelbelegs scheint nicht möglich. Lautgestalt und Bedeutungszusammenhang weisen auf eine enge Verbindung mit lat. jubilare. Doch kann es sich dabei, beziehungsweise bei einer dann vorauszusetzenden althochdeutschen Lehnbildung, wegen des fehlenden /Formans nicht unmittelbar um die Basis der Ableitung handeln. Das Verb kann eine Ableitung von einem möglicherweise zu erschließenden schwachen Verb ahd. *juppen sein, dem Bildungen wie ahd. juven, jufert (Abrogans) und mhd. jäwen 'jubilieren' (man vergleiche auch mhd. *jüwezen) zur Seite stünden. Im Gegensatz zu den bezeugten einheimischen Bildungen, die auf eine Interjektion ju! in der Bedeutung 'ju! sagen, juhu! sagen' zurückgehen dürften, ist aber zumindest die Bedeutung von juppazzen wahrscheinlich nicht ohne den Einfluß von lat. jubilâre entstanden. Schon das lateinische Verb, das in Anlehnung an hebr. jôbêl 'Widder(horn), Freudenschall' gebildet und erst sekundär auf eine Interjektion bezogen worden ist, dient der sprachlichen Nachahmung des Klanges von Blasinstrumenten. Zur Wortgeschichte von lat. jubilum vergleiche man H. Grundmann 946 . Das althochdeutsche Syntagma iuppezenten trumbon kann in der Darstellung W. Rellekes947 ergänzt werden. - Für lateinischen Einfluß kann auch die Graphie in juppazzen sprechen948. kabbazzen/kahbizzen 'laut lachen', (GL); StWG. 319, RVA. 84. Zuerst wohl StSG. 1,70,36 Cascinne, Caccinne : kahazzen, Pa. chahazen, Kb. Caccinnum : chahhazen, Ra. (Man vergleiche ae. ceachhettan 'laut lachen'). Das Verb steht neben mhd. kochen 'laut lachen'949. Die Basis geht, wie das Lemma der althochdeutschen Glossenbelege, lat. cachinnari, auf einen einzelsprachlichen onomatopoetischen Ursprung zurück. Man vergleiche noch ai. kakhati und griech. καχάζοΡ*. kallazztn 'wüten', (ein Beleg StSG. 1,58,34 furibundo : callacento Pa. kalazzando Kb.); StWG. N. 824, RVA. 84. (Nur ahd.). Neben ahd. kallôn 'laut sprechen, schwatzen', StWG. 319; man vergleiche ae. ceallian, ne. to calPil. kibbazzen 'laut lachen1, (ein Beleg StSG. 1,71,36 cascinne. caccinne : kihazxn, Ra.); StWG. 329, RVA. 84 unter chach-az(z)en. 946

Jubel, bes. S. 479 und 492 und 480. Ein Instrument spielen. 948 Man vergleiche dazu W. Franz, Die germanisch-romanischen Elemente, S. 18f. 949 LH. 1,1492. 950 Sieh dazu auch J. de Vries, PBB. 80 (1958) S. 4f. 951 Sieh J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 149. 947

226

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^'a-Suffix

(Nur ahd.). Ein Verb ahd. *kichen ist nicht belegt. J. Splett952 erwägt daher in Anschluß an E. Steinmeyer953, daß der Anlaut ka- in kahazzen Pa. chahazen Kb. in Ra. fälschlicherweise als Präfix aufgefaßt und gemäß dem Brauch der Handschrift zu ki- umgewandelt worden sei954. Die Existenz eines Verbs *kichen wird aber auch durch nhd. kichern wahrscheinlich gemacht. Das schwache Verb *kichen selbst könnte dann mit Vokalwechsel zu kahhen gebildet sein. Mit dunklem Vokal, der dunkle, dumpfe Töne lautsymbolisch nachahmt, stehen daneben ae. cohhettan und aksl. chochotati. Nach H. Glombik-Hujer955 wird kahazzen "von Anfang an" zur Bezeichnung des "dunkleren Lachlauts", kihazzen für den "helleren Lachlaut" verwendet. Die Ableitung mit dem Suffix germ. *-(V)-t-ja- verstärkt die Expressivität durch ein intensiv-iteratives Moment956. Keine Stütze findet der Ansatz jedoch durch die von J. Richter957 als vermeintlich verwandte Bildungen angeführten StSG. 11,334,2 Titillata : kichizilot und StSG. 11,329,70 Titillata : kachizilot. Es handelt sich hier nicht um Präfixbildungen, die mit /-Suffix zu kahhen/*kihhen erweitert sind, sondern Belege für das schwache Verb ahd. kizzilôn 'kitzeln'958. klabbazzen 'klatschen, Beifall klatschen', (ein Beleg StSG. 1,225,30 Plaudite : clahezziat, Ra.); StWG. 333, RVA. 92. (Nur ahd.). Die Bildung führt letztlich auf ein vermutlich starkes Verb germ. *klaha'kratzen' zurück, dessen Ansatz durch an. klá 'kratzen, reiben' nahegelegt wird und als Variante zu germ. *klauja- 'kratzen' gilt959. Die abweichende Bedeutung macht es aber wohl wahrscheinlich, daß die Ableitung nicht unmittelbar auf das nur im Altnordischen erhaltene starke Verb zurückgeht, sondern eine verbale Zwischenstufe voraussetzt. klammazzen 'klappern', (ein Beleg StSG. 11,671,10 (Increpuit [malis]) : chlämezit)\ StWG. 333, RVA. 92. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 18059; Nr.428, BV. 634, 11.Jh., bair.; Glosse zu Verg. Aen. 12,755. (Nur ahd.). Es handelt sich wohl um eine Ableitung von einer onomatopoetischen Verbalbildung *klammen unbekannter Herkunft. Ein onomatopoetischer Ausdruck klaml wird dagegen von F. Bradley960 angeführt, doch gibt es im Unter952

Abrogans-Studien, S. 132. ADA. 16 (1873) S. 136. 954 Man vergleiche dazu auch H. Glombik-Hujer, Lachen und Weinen, S. 48. 955 Ebenda S. 48. 956 Man vergleiche auch KEW. 368. 957 Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 152. 958 Man vergleiche auch StWG. 333. 959 Sieh dazu SEW. 295f. 960 Semantic development, S. 10. 953

Ableitungen mit dem Suffix germ.

*-{V-)t-ja-

in

schied zu den deinterjektionalen Ableitungen keine sicheren Beispiele dafür, daß von onomatopoetischen Ausdrücken oder Schallwurzeln ohne verbale Zwischenstufe Verben mit dem Suffix -V-t-ja- gebildet worden sind. kôtazzen 'sich beschmutzen', (ein Beleg StSG. 11,221,17 [sordida] Insequens : chotezzentiu)·, StWG. 466, RVA. 94. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 18550a; Nr.438, BV. 652, 9.Jh., bair.; Glosse zu Greg, cura 2,2,13. (Nur ahd.). Das Verb steht neben ahd. kôt st.N. 'Kot, Mist' (StWG. 466), doch darf als Basis wohl ein nicht bezeugtes schwaches Verb *kôten vorausgesetzt werden961. leidazzenAeidizzen 'fluchen, verfluchen; verabscheuen, verachten', (N. NG. OT. T.; Gl.); SchW. 193, RMWA. 95, StWG. 366, RVA. lOlf. Zuerst wohl StSG. 1,120,31 Execrat : laidacit Pa. leidezzit Kb. leidazit Ra.962. (Man vergleiche ae. läÖettan 'hassen, verhaßt sein')963. Neben ahd. leiden 'verhaßt machen', SchW. 193; leiden 'verhaßt, verleidet sein; anklagen', SchW. 193, StWG. 366964. lîbbazzen/lîbbizzen 'heucheln, sich stellen als ob', (OT. T.); SchW. 197, RMWA. 96, RVA. 110. Tatian 246,15f. so ir uzzana giuuesso erouget iuuuih mannon rehte Innana birut ir folle lichezennes Inti unrehtes. (Man vergleiche ae. licettan)965. A. Marckwardt966 stellt das altenglische Verb, wie F. Holthausen967, zu der kleinen Gruppe der altenglischen Denominativa mit dem Suffix ae. -etta- ("less than one-€Ìghth of the total") und damit zu ae. líe 'gleich, ähnlich'968. Das Verb kann aber auch mit ahd. lîhhên 'gefallen, angenehm sein', SchW. 197, StWG. 375, ae. lician, got. leikan verbunden werden. Die Annahme einer seltenen denominalen Ableitung ist daher nicht zwingend. Bei J. Richter969 wird das Verb unter den Ableitungen von starken Verben behandelt. Mhd. lìchen ist aber offenbar erst sekundär an die starke Flexion angeschlossen worden. Daneben sind keine weiteren starken Formen bezeugt970. gi-lindizzen 'beschwichtigen', (ein Beleg StSG. 11,242,5 Dilinio : gilindizu), StWG. 377, RVA. 111. Der Beleg entstammt der Handschrift Karlsruhe, St.

961 962 963 964 965 966 967 968 969 970

Man vergleiche dazu auch DWB. 5,1896 unter köthen (bair.). Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 469. Sieh A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 280. Man vergleiche auch HEW. 357. Sieh dazu auch G. de Smet, Anathema und Abominatio, S. 236-238. Sieh dazu E. Gutmacher, PBB. 39 (1914) S. 252. Language 18 (1942) S. 278. Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 201. So auch HEW. 38If. Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 146. Man vergleiche auch U. Hempen, Die starken Verben im Deutschen, S. 195.

228

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^a-Suffix

Peter perg. 87; Nr. 73, BV. 324, 11.Jh., fränk.971. Nach E. Steinmeyer (zur Stelle) handelt es sich um eine Glosse zu Greg, cura 3,29,85. Dort befindet sich allerdings nur lat. dilinivit (Kommentar zu Gn 34,1-3) ... conglutinata est anima ejus cum ea, tristemque blanditis delinivit. (Nur ahd.)972. Neben ahd. linden 'besänftigen', StWG. 3 779". lobizzen 'gönnen', (Gl.); StWG. 382, RVA. 114. Der früheste der drei bezeugten Belege liegt vor in StSG. 11,71,58 (Concessu) : zigilobicinna, aus der Handschrift Wien, ÖNB 271; Nr.587, BV. 904, lO.Jh., bair. Es handelt sich um eine Glosse zu Boeth. cons. 4,4,10. (Nur ahd.). Neben ahd. loben 'loben, preisen, verherrlichen; gutheißen; als gut zugestehen', SchW. 200; lobôn 'loben, preisen; verherrlichen; empfehlen; jubeln'; SchW. 200, StWG. 382 lobên/lobôn. lohazzen 'blitzen, leuchten, erglänzen, flackern', (MH. N. WH.; Gl.); SchW. 200, RMWA. 96, StWG. 383, RVA. 114f. Zahlreich Belege, zuerst StSG. 1,148,28 Fulmen : lohacen Pa. lohazenes Kb. lohacenes Ra. (Man vergleiche got. lauhatjan)m. Neben ahd. lohen 'lodern, leuchten', StWG. 383975. loubazzen 'sprießen', (ein Beleg StSG. 1,264,2 Uernabunt : laup&zent Kb. labazzent Ra.); StWG. 385, RVA. 119. In Ra. ist labazzent für laubazzent verschrieben976. (Nur ahd.). Neben ahd. loubên 'grünen', StWG. 385977. mâlazzen 'ausführen', (ein Beleg N.); SchW. 206, RMWA. 96, RVA. 122. Notker 3,214,7f. Onde dáz ér in sámoháftero ántuuvrti sines mûotes pedâhta . einzên mâlezet. also ist táz ketân ... (Nur ahd.). Neben malen 'malen, darstellen', malón 'malen, darstellen; zeichnen'; SchW. 206, StWG. 396 malen/ malón™.

971

Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 483489. 972 M a n vergleiche HEW. 375. 973 Sieh auch J. Richter, Ursprung u n d analogische Ausbreitung, S. 150. 974 M a n vergleiche dazu PIEW. 688, S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 324. 975 Sieh auch W. Wilmanns, Wortbildung, S. 108, J. Richter, Ursprung u n d analogische Ausbreitung, S. 143. 976 M a n vergleiche dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 398. 977 Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 150 und 155. 978 Sieh ebenda S. 150.

Ableitungen mit dem Suffix germ. *-(W-)t-ja-

229

ir-muckazzen/ir-muckazzen 'mucken, mucksen', (Gl.); StWG. 423, RVA. 131. Zwei sichere Belege, so StSG. 1,379,3 Mutire : irmukkizen, Clm 4606; Nr.328, BV. 486 und StSG. 1,379,4 Mutire : irmu'cazan, Clm 14584; Nr.400, BV. 600, beide 12. Jh., bair.; Glossen zu los 10,21. Daneben hat das StWG., anders als F. Raven, wohl zu Recht auch den Beleg StSG. IV,261,37 Mittere : ironiccazan (Goslar, Stiftsarchiv, vorl. Nr.B. 4374; Nr.230, BV. 266, 14.Jh„ ahd.), ebenfalls zu los 10,21, aufgenommen. Die Glosse ist möglicherweise verderbt, im Variantenapparat ist lat. mittere statt mutire nicht verzeichnet979. Statt mittere ist aber in der Handschrift durchaus auch mutere lesbar980. Die althochdeutsche Glosse könnte nach E. Steinmeyer, zur Stelle, auch als iroiucazzan, mit iu statt ni, gelesen werden. Wahrscheinlicher ist es aber wohl, statt der unverständlichen Folge oiu oder on i die Verbindung mu zu lesen981, so daß wie in der Parallelglossierung ir-muccazzan erscheint. (Nur ahd.). Zu einem Verb * mucken, das vorliegt in ahd. fir-mucken 'stumpfsinnig sein', StWG. 423 sowie mhd. mucken, mucksen982. Eine außergermanische lautliche Entsprechung liegt in diesem Fall vor in lat. mûgîre und dem homerischen Aorist επιμ ύξ(α)~. Während daneben das lateinische Verb muttîre mit Dentalerweiterung von einer Basis *mu- abgeleitet wird983, liegt im Althochdeutschen wohl eine Ableitung mit ¿-Formans (aus idg. man vergleiche oben blunkazzen) vor. Dagegen wird von E. Seebold984 eine Ableitung zu einem onomatopoetischen Ausdruck ahd. *muck für einen kurzen unterdrückten Ton vermutet. Zu weiteren aussergermanischen Ableitungen von der Schallwurzel sieh X. Delamarre985. muotazzen 'mit Nachdruck äußern', (ein Beleg StSG. 1,188,36 inferi : motacit Pa. modazit Kb.); StWG. 426, RVA. 131. Man vergleiche dazu J. Splett986. Zu dem Interpretament lat. inferre sieh J.F. Niermeyer987. Der bei F. Raven aufgeführte Beleg ahd. mundozit ist abzutrennen 988 . (Nur ahd.).

979

Biblia Sacra; Biblia Sacra iuxta Latinam, vulgatam versionem (zur Stelle). Hinweis von Prof. Dr. R. Schützeichel. 981 Nach Auskunft von Herrn Prof. Dr. R. Schützeichel kann -orti nach dem Duktus der Handschrift f ü r ein kleines rundes m stehen, dem ein -u- folgte. 982 LH. 1,2211. 983 Sieh dazu E.Tichy, Onomatopoetische Verbalbildungen, S. 149f. 984 KEW. 490. 985 Le Vocabulaire, S. 270. Man vergleiche auch F. Bradley, Semantic development, S. 11, W. Wilmanns, Wortbildung, S. 108, J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 150. 986 Abrogans-Studien, S. 481. 987 Mediea Latinitatis Lexicon Minus, S. 532. 988 Sieh dazu in Abschnitt A.b. unter mundazzett. 980

230

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^¿-Suffix

Neben muoten 'ermahnen; etwas verlangen von', muotôn 'verlangen (nach)', SchW. 217989. naffazzen 'schläfrig werden, einschlafen', (N., T.; GL); SchW. 219, StWG. 429 'schlafen, schlummern', RVA. 134. Zuerst wohl Tatian 216,13f. tuuuala tuonti themo brutigomen naffezitun allo In ti sliefun. (Nur ahd.). Neben einem schwachen Verb, das vorliegt in ae. hnappian 'den Kopf hängen lassen'. Man vergleiche auch ae. hnipian und mhd. nîpfen, doch deutet der Vokalwechsel kaum auf ein zu Grunde liegendes starkes Verb. Die Varianten sind affektiv motiviert990. Zur Bedeutungsentwicklung von 'den Kopf beugen' über 'nicken' zu 'einnicken, einschlafen' vergleiche man J. Richter991. narizzxn 'töricht machen', (ein Beleg StSG. 11,53,23 Apostatare : narrizan)·, StWG. 432, RVA. 135. Der Beleg entstammt der Handschrift Karlsruhe, St. Peter perg. 87; Nr.73, BV. 324, 11.Jh., fränk.992; Glosse zu Reg. Ben. 40,7 ... quia uinum apostatare facit etiam sapientes. "... weil ja der Wein töricht macht, sogar die Weisen." Der Bedeutungsansatz 'töricht werden' bei T. Starck - J.C. Wells ist zu verbessern. (Nur ahd.). Neben ahd. ir-narrên 'sich der Torheit überlassen1, StWG. 432993. rascazzen/rascizzeti 'Funken sprühen, wallen', (Gl.); StWG. 472, RVA. 148. Die althochdeutschen Belege sind seit dem 11. Jahrhundert bezeugt, so StSG. 11,630,3 Scintillare : raskezzan, Clm 18059; Glosse zu Verg. Georg. 1,392. Der Beleg StSG. 11,584,32 Scintillât : raskitóda entstammt der Handschrift Düsseldorf, Heinrich-Heine-Institut, F 1 und ist altsächsisch. (Man vergleiche as. raskitten, ae. raescettan 'blitzen, funkeln)994. Die Ableitung steht neben einem schwachen Verb, das fortlebt in ae. raescan 'glitzern'995. Im Althochdeutschen ist allein das όκ-Verb rascón 'sich räuspern' bezeugt, das auf Grund seiner Bedeutung nicht selbst die Basis sein kann. bi-rebazzen 'wüten', (ein Beleg StSG. 11,491,31 Frendens : berebezontt)·, StWG. 475, RVA. 148. Der Beleg entstammt der Handschrift Stuttgart, WLB. HB XII 6; Nr.563, BV. 874, 11. Jh., alem. Es handelt sich um eine Glosse zu Prud. perist. 2,185. (Nur ahd.). 989

Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 153. Sieh dazu J. de Vries, PBB. 80 (1958) S. 17 unter *bnippan, hnappan, hnipan. 991 Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 149 und 157 sowie W. Wilmanns, Wortbild u n g S. 108. 9 2 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 483489. 993 Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 150. 994 M a n vergleiche dazu A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 278. 995 Sieh dazu auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 148 u n d 150. 990

Ableitungen mit dem Suffix germ. *-(V-)t-ja-

231

Die Ableitung steht neben einem schwachen Verb, das fortlebt in dem Lehnwort ae. rabbian 'toben' und bair. reben 'sich rühren'996. Des weiteren wird von M. Lexer997 ein vermeintlich starkes Verb mhd. rëben 'sich bewegen, rühren, voneinander sprengen' angeführt, für das er eine starke Präteritalform beibringen kann. Das Verb wäre dann der V. Ablautreihe zuzurechnen. Da die Form jedoch im Reim (rab : gab) steht, sonst nicht bezeugt zu sein scheint, keine weitere Stütze findet und überdies auch hier eine Entlehnung aus dem Lateinischen wahrscheinlich ist, kann bei ahd. *reben als der Basis von ahd. -rebazzen kaum von einem starken Verb ausgegangen werden. Zusammen mit ae. rabbian998 sind die mittelhochdeutschen Belege, zu denen noch mhd. rebert sw.V. 'träumen, verwirrt sein'999 tritt, sowie das aus rebazzen zu erschließende Verb ahd. *reben, auf mlat. rabiâre, lat. rabere 'toll sein, wüten' zurückzuführen 1000 . roffazzen/rqfftzzen 'von sich geben, verkünden', (N. NG.; Gl., ir-, Ν. OT. T.; Gl.); SchW. 240, RMWA. 96, StWG. 490, RVA. 159. Zuerst bezeugt ist wohl StSG. 1,136,21 Eructuat : roffazzit, Pa. irroffezzit, Kb. arhroffazit, Ra. Eructuant : roffazent, R. (Nur ahd.; man vergleiche daneben ae. rocettan). Als Basis dieser Wörter wird ein schwaches Verb ahd. *ropfen zu erschließen sein, das auch durch ahd. ropha 'das Rülpsen', StWG. 491, vorausgesetzt wird. Der Vorschlag E. Schwentners1001, die Variante mhd. riufsen als durch Metathese aus riuspen entstanden zu erklären, ist jedenfalls nicht stichhaltig, denn der i-Laut in riufsen geht auf ahd. -V-tjan zurück1002. Die Basis der Ableitung ist wohl ursprünglich dem Laut des Herauswürgens nachgebildet. rûnazzen/rûnizzen 'reden, flüstern, murren, raunen', (N. WB.; Gl.); SchW. 241, RMWA. 96, StWG. 497, RVA. 162. Das gut bezeugte Verb erscheint zuerst wohl in der Würzburger Beichte, 317,29f. ... in hasze, in luginu, in meszumphti, in uilosprahu, in luginu, in runizenne ... (Nur ahd.).

996

J.A. Schmeller, Bayerisches Wörterbuch 2,6. LH. 2,356f. 998 Man vergleiche dazu PIEW. 852. 999 LH. 2,357. 1000 Man vergleiche dazu A. Walde - J.B. Hofmann, Lateinisches etymolgisches Wörterbuch 2,413. Sieh auch W. Wissman, Nomina Postverbalia, S. 161f. Anders J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 152, wo das Wort als onomatopoetische Bildung gedeutet wird. 1001 PBB. 43 (1918) S. 120. 1002 Man vergleiche LH. 2,482 unter roffezen, rofaen. Für Beispiele für den Wandel ahd. -zen > mhd. -sen sieh LSEW. 1,411. Sieh auch A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 275-281, J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 152, F. Bradley, Semantic Development, S. 12. 997

232

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -^-Suffix

Neben ahd. rûnên, rûnôn 'heimlich flüstern, murmeln'; SchW. 241, StWG. 4971003. ruotazzen 'hervor stürzen1, (ein Beleg StSG. 11,163,65 Proruat : niruotact)·, StWG. 500, RVA. 166. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 6277; Nr.345, BV. 518, 9.Jh., bair.; Glosse zu Greg, cura 2,4,18. (Nur ahd.). Neben mhd. ruoteη 'peitschen'1004. Ob auch ahd. ana-gi-rûtôn 'hervorstürzen' hier anzuschließen ist, so vermutungsweise E. Steinmeyer, zur Stelle, ist unsicher. Der Wechsel zwischen / u o / und / û / müßte dann als "Ausweichung"1005 erklärt werden. Beispiele für den Wechsel von / u o / nach / u / gibt S. Singer1006. sêrazzen 'leiden', (B. GB.; Gl.); SchW. 249, RMWA. 96, StWG. 518, RVA. 171. Zuerst Benediktinerregel 204,14f. Dolentem consolari / serazzantan ketrostan. (Man vergleiche ae. sârettan 'beklagen')1007. Neben ahd. sêren 'betrüben' (O.), sêrên 'leiden, Schmerzen haben' (OT. T. WH.), SchW. 249 und serón 'verletzen, bekümmern', StWG. 518; man vergleiche ae. sârian 'leiden, bedauern', auch ahd. sêrewén 'dahinschwinden, sich verzehren', SchW. 222. Laut W. Wilmanns100" sei das Adjektiv als Basis anzusehen, doch spricht nichts gegen die naheliegendere Annahme einer deverbalen Intensivbildung1009. sêwazzen 'überschwemmen', (StSG. 11,473,17 Stagnare : sewazin. sevuazin)·, StWG. 518, RVA. 171. Die Belege entstammen den Handschriften Paris, BN. Nouv. aquis. lat. 241; Nr.518, BV. 771 und Clm 14395; Nr.384, BV. 579, beide 11.Jh., bair.-alem. Es handelt sich um eine Glosse zu Prud. symm. 2,922 audio per Farios Nilum discurrere campos more suo uridisque sata stagnare Canopi. "Ich höre, daß der Nil sich über die Felder Ägyptens ausbreitet und die Saaten des grünen Canopus überschwemmt." Die Bedeutungsangabe im StWG. 'einen Teich oder See erzeugen' ist zu verbessern. (Nur ahd.). Neben ahd. sêwên 'Seen bilden', SchW. 249. Ein bei J. Richter1010 als Basis angeführtes althochdeutsches janNzrb ist nicht bezeugt. 1003 Sieh J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 150; H. Wesche, Der althochdeutsche Wortschatz im Gebiete des Zaubers, S. 46. Man vergleiche auch oben ränzen. 1004 LH. 2,552. 1005 Man vergleiche BEG. § 32 Α. 7. 1006 PBB. 12 (1886) S. 307-309. 1007 Sieh dazu A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 279. Man vergleiche auch HEW. 463f. 1008 Wortbildung, S. 108. 1009 Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 150. 1010 Sieh ebenda.

Ableitungen mit dem Suffix germ. *-Q/-)t-ja-

233

scoffizzen 'Ausflüchte machen', (N.); SchW. 258, RMWA. 96, RVA. 183. Notker1011 1,594,8 Dir scólo dir scójficit io. Vnde dir gouh dér gúccot io. (Man vergleiche ae. scofettan 'hin und her treiben1)1012. Neben ahd. be-scoffen 'verhöhnen', (MPs.), SchW. 258. scrou(w)azzeti 'kläffen', (Gl.); StWG. 550, RVA. 186. Belegt sind StSG. 11,730,44 Ganniens : scrouvezentiv, Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11 Jh., bair.1013; Glosse zu V. patr., Vita Hilarionis 76. - StSG. 11,161,14 Tinnio : seo: :azo [E. Steinmeyer zur Stelle: "lies scroazo"], Clm 6411; Nr.357, BV. 539, 9.Jh., wohl bair.; Glosse zu Eut. ars 451,11. (Nur ahd.). Ein Nomen, das die Basis der Ableitung gebildet haben könnte, ist nicht bezeugt. Es ist daher wohl ein Verb ahd. *scrouwen zu erschließen. Im Mittelniederländischen lautet der Plural Präteritum von dem starken Verb serien 'schreien' schrouwen. Aus dieser Form, die in Analogie zu mnl. vlien : vlouwen entstanden sein dürfte1014, sind die schwachen Verben mnl. schrauwen und schreeuwden 'schreien' gebildet worden. Es ist möglich, daß auch im Althochdeutschen zu dem Verb skrian abweichende Präteritalformen gebildet wurden, auf die ahd. *scrouwen zurückzuführen sind. Seit dem 12. Jahrhundert finden sich dann im Mittelhochdeutschen neben den regelmäßigen Präteritalformen abweichende Formen wie erseriuun 'clamaverunt', schriuwen (Plural Prät.) und geschriuwen (Part.Prät.), die durch Anlehnung an das starke Verb spiwan, spian erklärt werden1015. snopfizzen 'schluchzen', (GL); StWG. 566, RVA. 193. Bezeugt sind zwei Belege, StSG. 1,638,20 A singultii : snopfftzan und StSG. 1,638,21 snoffizan. Sie entstammen den Handschriften Clm 18140; Nr.429, BV. 611, 11.Jh., bair. und Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.1016; Glossen zu Lam 3,56. (Nur ahd.). Das Verb steht neben mhd. snupfen 'schluchzen, schnaufen" 017 und mnd. snoppen. Die Verben dürften nur durch onomatopoetische Vokalvariation geschieden sein. Man vergleiche auch J. Richter1018 sowie ahd. snepflizzen und

1011

P. Piper, Die Schriften Notkers und semer Schule 1,594,8. Sieh dazu A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 278. 1013 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 509-513. 101 Man vergleiche dazu W. van Helten, Middelnederlandsch Spraakkunst, § 171c. 1015 M a n vergleiche MG. § 245 A. 2, BEG. § 330 Α. 3 mit weiterer Literatur. Sieh auch 1012

unten unter scrouzeti. 1016

Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750. 10 LH. 2,1046. 1018 Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 150.

234

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -ya-Suffix

snupflezzen 'schluchzen'. Die Bildungen sind mit W. Wissmann1019 letztlich mit mhd. snûfen, snûben 'schnaufen, schnauben' zusammenzubringen, von denen im Mittelhochdeutschen auch starke Formen bezeugt sind. Das Verb wird bei U. Hempen1020 nicht erwähnt. Zur Herkunft dieser Wörter vergleiche man K.H. Weimann1021. Sieh auch unten snepflizzen und snupflezzen. Nicht hierher gehört *slopfizzen 'Unterschlupf suchen (?)', das aus ahd. slophizari 'Wandermönch', StWG. 560, zu erschließen ist. Es handelt sich nicht um eine onomatopoetische Variante zu snopfizzen, sondern um eine Ableitung aus der Wortfamilie um germ. *sleupa- 'schleichen'1022. Die Bildung ist aber wohl nicht unmittelbar mit W. Wilmanns1023 an das starke Verb ahd. sliofan 'schlüpfen, sich verkriechen; schleichen', SchW. 261, StWG. 559, anzuschließen, denn neben slophizari ist mit gleicher Bedeutung auch ein st.M. slopfâri bezeugt, das auf ein schwaches Verb *slopfen 'schlüpfen' zurückgeht, das selbst auch die Basis für die mit dem Suffix -V-t-jan abgeleitete Bildung abgeben haben dürfte. snupflezzen 'schluchzen', (ein Beleg StSG. 11,616,39 Singultum : snuflecinde)·, StWG. 567; fehlt RVA. Der Beleg entstammt der Handschrift Pommersfelden, Graf von Schönbornsche Schloßbibliothek 12 (2671); Nr.523, BV. 781, 12.Jh., mfrk.; Glosse zu Sed. carm. pasch. 3,108. (Nur ahd.). Vergleichbare Bildungen mit /-Suffix liegen vor in as. snofliton 'das Schluchzen', ae. snyflung, snofl 'Nasenschleim'. Mit F. Holtausen1024 kann für die altenglischen Substantive eine Verbalbildung mit /-Suffix vorausgesetzt werden, die fortlebt in nl. snuffelen, norw. snuvla, schwed. snövla, nhd. schnüffeln. Nhd. schnüffeln gilt als aus dem Niederdeutschen entleht. supfazzen 'den Wein beim Kosten ausspeien', (ein Beleg StSG. 11,624,20 (Pitissando) : suppe ze ndo); StWG. 611 supfezzento Adv.; RVA. 218. Der Beleg entstammt der Handschrift Paris, BN. lat. 9345; Nr.510, BV. 753, ll.Jh., mfrk.1025; Glosse zu Terenz, Heautontimorumenos 3,1,48. (Nur ahd.). Es handelt sich um eine Ableitung zu ahd. supfen 'trinken, schlürfen'; StWG. 611. Der Beleg fehlt bei J. Richter1026. Lat. pitissâre, pytissâre 'probierten Wein

1019

Nomina Postverbalia, S. 178. Die starken Verben im Deutschen. 1021 Zeitschrift für Mundartforschung 23 (1955) S. 148. 1022 SEW. 435f. 1023 Wortbildung, S. 107. 1024 Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 305. 1025 Zur Handschrift vergleiche man auch K. Siewert, Die althochdeutsche Horazglossierune, S. 304-306. 026 Ursprung und analogische Ausbreitung. 1020

Ableitungen mit dem Suffix germ.

*-(V-)t-ja-

235

ausspucken1 ist eine Entlehnung aus griech. -πύτ(τ) ίζω- 'spritzen (vom Blut des Opfertiers, vom Rotwein im Krug)'1027. swabb azze tt 'zittern, schwanken', (Gl.); StWG. 612, RVA. 219. Die drei Belege des 11. Jahrhunderts werden bei N.O. Heinertz1028 ausführlich besprochen, so die Prudentiusglosse StSG. 11,463,3 Crispata : suachazenti. Glossiert wird stets lat. empata. (Nur ahd.). Auch F. Heidermanns1029 bezeichnet das Verb - allerdings als einziges der von ihm aufgeführten 11 Bildungen dieses Typs - als "deverbal". Dies hat seinen Grund vermutlich darin, daß das Adjektiv germ. *swaka'schwankend' nach F. Heidermanns möglicherweise eine deverbale Rückbildung sei. Die Ableitung steht daher wohl neben einem schwachen Verb, das vorliegt in mnd. swecken 'schwanken, schwankend gehen', mnl. swacken 'wanken'. tallazzen 'streicheln', (ein Beleg StSG. 11,437,15 Palpata : gì tallaztiu)\ StWG. 622, RVA. 221. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11.Jh., bair.-alem.; Glosse zu Prud. perist. 11,91. (Nur ahd.); man vergleiche mhd. telzen 'schmieren, anstreichen'1030. Das Verb setzt ein schwaches Verb ahd. *tallôn oder tallen voraus. Daneben steht mit o Vokalismus ahd. tollón 'klopfen, streicheln'; StWG. 6291031. Nach W. Wilmanns1032 ist ahd. tallazzen "durch Ablaut als selbständige Bildung gekennzeichnet". Da jedoch sonst keinerlei Hinweise auf ablautende Bildungen auszumachen sind, dürfte der Vokalwechsel auf expressive Vokalvariation zurückzuführen sein. tobazzen 'rasen, toben', (ein Beleg StSG. 11,219,25 (Apostatae) : topazenten)\ StWG. 628, RVA. 226. Der Beleg ist bezeugt in der Handschrift Clm, 18550a; Nr.438, BV. 652, 9.Jh., bair. Es handelt sich um eine Glosse zu Greg, cura 2,6,21. (Nur ahd.). Neben ahd. toben 'toll sein, toben', StWG. 627 und tobôn 'wahnsinnig sein, irr sein, toben', ebenda 628; man vergleiche ae. doßanm\ trepizzen 'galoppieren', (ein Beleg StSG. 11,674,14 Quadrupedante : trepi zen te)·, StWG. 633, RVA. 228. Die Glosse ist belegt in den Handschriften Clm 305; Nr.303, BV. 447, 11. Jh., alem. und Clm 21562; Nr.457, BV. 678, 12.Jh„ alem.; Übersetzt wird Verg. Aen. 8,596. 1027

Sieh E.Tichy, Onomatopoetische Verbalbildungen, S. 160f. Etymologische Studien, S. 134. 1029 HEW. 571. 1030 LH. 2,1419. 1031 Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 151, W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 88. 1032 Sieh auch W. Wilmanns, Wortbildung, S. 109. 1033 Ebenda S. 108. 1028

236

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -ja-Suffix

(Man vergleiche ae. in-trepettan, unter anderem StSG. 11,597,37 Neben mhd. drabenims; ae. prafian 'antreiben'1036.

intrep&an)m\

tumbizzen 'töricht handeln', (Gl.); StWG. 641, RVA. 232. Die beiden Belege (StSG. 111,298,61 Desipio; male sapio .i. tûbizo und StSG. 111,420,9 Desipere : tumbicen) entstammen den Handschriften Florenz, Biblioteca Medicea Laurenzina Plut. 16,5; Nr. 137, BV. 151, 13.Jh., alem. und Straßburg, UB. Handschrift des Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg; Nr.557, BV. 857, 12.Jh., alem. (Nur 12.Jh.)1037. Neben ahd. tumben und tumbón 'sich albern benehmen', StWG. 641 (ein Ansatz) und ebenda tumben 'betören'; SchW. 288 ertumbên 'verstummen'1038. ûf-wânizzen 'erwägen', (ein Beleg StSG. 11,623,51 Librans : ufuuanizentí)·, StWG. 695, RVA. 250. Der Beleg ist bezeugt in der Handschrift Karlsruhe, St. Peter perg. 87; Nr.73, BV. 324, 11.Jh., fränk.1039. Es handelt sich nach E. Steinmeyer (zur Stelle) um eine nicht identifizierbare Glosse zu Sedulius Scotus. Die Parallelglossierung (St. Gallen, StiftsB. 292; Nr. 190, BV. 221, lO.Jh., fränk.) bietet ufuuarazenti. (Nur ahd.)1040. Neben wânen 'wähnen, meinen, vermuten', SchW. 308f.; man vergleiche mhd. wcenen 'meinen, glauben, vermuten" 041 . wârazzen 'sicher, überzeugt sein, behaupten', (GL); StWG. 697, RVA. 250. Zwei Belegstellen, StSG. 1,818,27 Certi sunt : vuareztun, ÖNB 2732; Nr.625, BV. 950, lO.Jh., bair.1042, sowie in drei jüngeren Handschriften; Glosse zu Lib. Com., zu Lc 20,6. - Daneben StSG. 11,258,36 Adserere : vuareczen, Clm 18140; Nr.429, BV. 637, ll.Jh., bair.1043. Daneben auch einmal, StSG. 11,623,51 ufuuärazzen 'erwägen'. Sieh dazu auch unter ûfwânizzen. (Nur ahd.).

1034

Sieh dazu A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 278 sowie J. Bosworth - T.N. Toller, An Anglo Saxon Dictionary. Supplement, S. 595. 1035 LH. 1,456. 1036 Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 151. 1037 Man vergleiche auch HEW. 166. 1038 Sieh J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 151; W. Wilmanns, Wortbildung, S. 108. 1039 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 483-489. 1040 Man vergleiche auch HEW. 671. 1041 LH. 3,677f.; sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 153. 1042 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 821-826. 1043 Zur Handschrift vergleiche man ebenda, S. 509-513.

Ableitungen mit dem Suffix germ. *'-(V-)t-ja-

237

Neben ahd. wären 'beweisen', StWG. 697; gewären 'als wahr erweisen, zeigen', SchW. 310'044. wimezzen 'hervorsprudeln, wimmeln', (Gl.); StWG. 730, RVA. 263. Der zuerst bezeugte Beleg wohl StSG. 1,682,23 Scateat : uvimezit, Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11.Jh., bair.1045; Glosse zu Hab 3,16. Die Parallelhandschriften bieten ahd. wimen. (Nur ahd.). Zu ahd. wimmen 'sich schnell hin und her bewegen, wimmeln', StWG. 741, RVA. 267 unter wiumen. Sieh dazu weiter oben. Sieh auch mhd. wimmen 'sich regen'1046. Sieh auch unten wa.ma.zzen/ wamizzen. gi-zalazzen 'aufzählen, durchzählen', (ein Beleg StSG. 1,241,17 Recensit : kizalazit Kb. Ra.); StWG. 753, RVA. 271. Man vergleiche dazu J. Splett1047. (Nur ahd.). Neben zalôn 'berechnen, aufzählen, überdenken', SchW. 302, StWG. 753; sieh a u c h j . Richter1048.

dl. Bildungen mit expressiver Vokalvariation Zu der Möglichkeit, Neubildungen mit Hilfe von Vokal- und Konsonantenvariation zu bestehenden Wörtern hinzuzufügen, vergleiche man die Überlegungen von J. de Vries1049. Während J. de Vries expressive Varianten in weiten Teilen des germanischen Wortschatz zu erkennen glaubt, die vielleicht doch gelegentlich auf regelhafte lautgesetzliche Entwicklungen zurückgeführt werden können, so ist im Bereich der onomatopoetischen Verbalbildungen und auch der Ableitungen von solchen Bildungen durchaus mit dieser Möglichkeit zu rechnen.

Die Verben: gescizzett 'gähnen, den Mund öffnen', (ein Beleg StSG. I, 449,9 Oscitauit : gesgizita)·, KFW. 4,238f., StWG. 198; RVA. 56 nur ein Verweis auffnescazzen. Der 1044

Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 151, W. Wilmanns, Wortbildung, S. 108. 1045 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 509-513. LH. 3,896. Man vergleiche weiter F. Bradley, Semantic development, S. 11, J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 151, KEW. 793 unter wimmeln. Abrogans-Studien, S. 543. 1048 Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 151. 1049 PBB. 80 (1958) S. 1-32.

238

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -ya-Suffix

Beleg entstammt der Handschrift St. Paul, Stiftsarchiv 82/1; Nr.521, BV. 779, lO.Jh., alem.; Glosse zu IV Rg 4,35. (Nur ahd.); man vergleiche auch postverbales ahd. gescizzunga st.F. 'das Schluchzen, Röcheln', KFW. 4,239, StWG. 198. Es ist nicht zu entscheiden, ob dem Verb eine einfache Erweiterung mit skSuffix zu Grunde liegt, wie dies bei vergleichbaren Bildungen fnescazzen und hescazzen der Fall ist, oder ob gescizzen mit expressiver Konsonantenvariation im Anlaut zu diesen Verben hinzugebildet wurde. snepflizzen 'schluchzen', (ein Beleg StSG. 11,577,3 Singultiti : sneflizoda)·, StWG. 565, RVA. 193. Der Beleg aus der Handschrift Düsseldorf, HeinrichHeine-Institut F 1 wird von Th. Stührenberg1050 als Form eines ow-Verbs gedeutet. Es kann aber ebensogut ein jan-Vç.rb vorliegen1051. (Nur ahd.). Man vergleiche oben snopfizzen neben mhd. snupfen, ne. to sniffle1052. Es handelt sich um eine lautmalende Variante zu ahd. snupflezzenm\ watnazzen/wamizzen 'hervorquellen', (Gl.); StWG. 694 wamezzen, wamizzôn, RVA. 247. Der einzige sichere Beleg (StSG. 11,451,65 Scaturrientes : vvimezentun) befindet sich in der Handschrift Paris, BN. Nouv. aquis. lat. 241; Nr.518, BV. 771, 11 Jh., bair.-alem.; Glosse zu Prud. perist. 10,552. Ein weiterer Beleg (StSG. 11,326,2 Uagit : uûamizot), Salzburg, St.P. alX 20; Nr.550, BV. 843, 12.Jh., kann den Ansatz eines ów-Verbs rechtfertigen. (Nur ahd.). Es handelt sich wohl um eine Variante mit Vokalwechsel zu der unter wimezzen genannten Basis.

e. Ableitungen von einem starken Verb oder der Verbalwurzel Bei den Ableitungen, die hier als Ableitungen von der ¿-Vollstufe erfaßt werden, ist allerdings nicht auszuschließen, daß ihnen ein nicht bezeugtes schwaches jan-, ôn- oder ¿«-Verb zu Grunde liegt. Da aber auch die sogenannten Intensivbildungen mit Gemination des stammauslautenden Konsonanten von der ¿-Vollstufe gebildet sind, ist dieser Ableitungstyp auch bei den Intensivbildungen mit dem Suffix -V-t-ja- durchaus denkbar1054.

1050

Die Prudentiusglossen, S. 64. So auch StWG. u n d RVA. 1052 Man vergleiche dazu F. Holthausen, PBB. 45 (1921) S. 300; sieh auch F. Bradley, Semantic development, S. 12, J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 150. 1053 Zu diesem W o r t sieh weiter unten. 1054 Weitere Beispiele für das Nebeneinander von starken Verben und abgeleiteten Suffixbildungen bei E. H o f f m a n n , Die alt- u. mittelhochdeutschen Deverbativa, S. 13-15. 1051

Ableitungen mit dem Suffix germ.

*-(V-)t-ja-

239

el. I. Ablautreihe: α) Ableitungen von der Vollstufe sptwizzen 'spucken1, (ein Beleg StSG. 11,682,60 Pituso frequenter bibo. i. psiwizo\ E. Steinmeyer, zur Stelle, "1. spiwizo"·, von anderer Hand über bibo: i spuo)\ RVA. 196. StWG. 577 erscheint der Beleg unter einem Ansatz spîwizzôn, doch ist anhand des eines Beleges aus der Handschrift Schlettstadt, Bibliothèque et Archives Municipales Ms.7 (Nr.552, BV. 849, 12.Jh., alem.1055) keine eindeutige Entscheidung zu treffen. Es handelt sich wohl um eine Glosse zu einem nicht identifizierten Vergilkommentar, die Interpretamente sind bei Vergil und im Serviuskommentar nicht bezeugt. (Man vergleiche ae. spîgettanmb, sowie an. spyta). Neben dem starken Verb ahd. spîwan 'speien, spucken', SchW. 266; StWG. 577; man vergleiche as. spîwan, afr. spìa, ae. spîwan, an. spyja, got. speiwan aus germ. *speiwa-K1.

e2. II. Ablautreihe: α) Ableitungen von der Schwundstufe ßogazzen 'schweben', (ein Beleg N.); KFW. 3,992, SchW. 136, RMWA. 96, RVA. 42. Notker 10,557,1 lf. Also der áro lúcchet uzer neste sine iüngen . so er sie flúcchen uuíle . unde obe in flógezet. sô lêrta er in chómen a uitiis ad uirtutem. (Man vergleiche a e. flogettan)wil. Neben dem starken Verb ahd.7?iogan 'fliegen'; SchW. 136; man vergleiche afr. flia(ga), ae.flêogan, zn.fliúga aus germ. *fleuga-W59. tropfezzen 'triefen, träufeln', (WH.; Gl.); SchW. 286, StWG. 636, RVA. 229. Zwei Belegstellen, zuerst StSG. 11,309,30 Constillationibus : troffizzannum aus der Handschrift Karlsruhe, Β LB. Aug. IC; (Rb.), Nr.54, BV. 296, 8.Jh., alem.1060; Glosse zu Greg. hom. 1,10,1469 Sed ad hoc soient mathematici respondere, quia virtus constellationis in ictu puncti [Hs. pungentis] est. Zur Deutung der Gregor-Stelle vergleiche man oben unter bräwizzen. Bei der Glossierung ist l0S5 Zur Handschrift vergleiche man auch W Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 339-346. losé S E W 4 5 1 a ] s s p t g M a n s i e h d a z u a u c h A Marckwardt, Language 18 (1942) S. 279. 1057 SEW. 450f„ sieh auch W. Wilmanns, Wortbildung, S. 107. 1058 Sieh A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 278. 1059 SEW. 201. Sieh auch W. Wilmanns, Wortbildung, S. 107. 1060 M a n vergleiche R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 17.

240

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^'a-Suffix

offenbar lat. constellâtio 'die auf die Schicksale der Menschen einwirkende Stellung der Gestirne, die Konstellation'1061 mit einer Form von lat. stîllâtio 'das Heruntertropfen, Tröpfeln' bzw. stîllâre 'träufeln, tröpfeln' 1062 verwechselt worden. - Bei der zweiten Belegstelle handelt es sich um eine Prudentiusglosse, StSG. 11,470,66 Restillet : tropheze. (Man vergleiche ae. droppettan)m\ Neben dem starken Verb ahd. triofan, StWG. 635; man vergleiche as. driopan, afr. driapa, ae. drêopan, an. driúpa aus germ. *âreupa- 'tropfen'1064.

β) Ableitungen von der gedehnten Schwundstufe sûfzett 'hörbar tief und schwer atmen, seufzen', (ein Beleg StSG. IV,648,7 Gewe nyse Gysse wele Ruze huste sufce resche kuwe Slinde robz¿)\ StWG. 605 unter einem Ansatz siufzen, mit Umlautbezeichnung von ahd. û\ fehlt RVA. Der Beleg entstammt der Handschrift Wien, ÖNB 2524; Nr.618, BV. 947, 14.Jh.; weiterer Kontext ist nicht vorhanden. (Nur mhd.). Der in dem Beleg sufce durch , in nhd. seufzen durch wiedergegebene Laut kann hier für die Affrikataschreibung oder stehen1065. Diese Schreibung ist als eine sekundäre Angleichung an Verben mit dem Suffix -azz- aus germ. *-atja- gedeutet worden. Der Beleg fehlt folglich auch in der Sammlung J. Richters. Es müßte sich dann um eine Ableitung vom erst mittelhochdeutschen bezeugten Abstraktum sûft 'Seufzer', einer Ableitung zum starken Verb sufan handeln1066. Das tiefe Einholen der Luft beim Seufzer wird dabei mit dem Trinken, Schlürfen verglichen. Dagegen wird die Ableitung bei W. Pfeifer1067 wohl zutreffend, allerdings ohne weitere Begründung, als Intensivbildung gedeutet. W. Wilmanns hatte seine Erklärung einer Umbildung durch Lautersatz vor allem darauf gestützt, daß der zu erwartende Suffixvokal a nicht vorhanden sei. Da bereits gezeigt worden ist, daß sowohl die Ableitung mit einem Suffix germ, t-ja- möglich, als auch der Ausfall des Vokals in späten Belegen die Regel ist, verliert das Argument an Überzeugungskraft. Blickt man zudem auf die althochdeut-

1061

K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,1552. Ebenda 2,2799. 1063 Sieh auch A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 278. 1064 S E W i 6 9 f s i e h w e i t e r j R i t t e r , Ursprung u n d analogische Ausbreitung, S. 144, F. Bradley, Semantic development, S. 11, W. Wilmanns, Wortbildung, S. 107 sowie W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 182 und E. Aumann, PBB. 62 (1938) S. 335. 1065 Sieh dazu BEG. § 173.2. 1066 So W. Wilmanns, Wortbildung, S. 110, zuletzt auch KEW. 670. 1062

ι«? p E W

1625

Ableitungen mit dem Suffix germ.

241

sehen Substantive suffezvnga (StSG. 3,259,56) und sufizunga (HSH. 1,377,13), die als Ableitungen von dem schwachen Verb gelten können, so zeigt sich, daß der Suffixvokal in den genannten Belegen durchaus erhalten ist. Es scheint naheliegender, daß im Falle von sufee der Vokal nachträglich geschwunden ist, als daß für die Substantive ein sekundärer analogischer Einschub eines Vokals angenommen wird1068. Neben ahd. sûfan 'trinken versinken, saufen, schlürfen, ertrinken 1 , SchW. 274; aus germ. *sûpa-m.

e3. III. Ablautreihe: α) Ableitungen von der Schwundstufe sprungezzen 'vor Freude springen, hüpfen, frohlocken', (N. WH.; Gl.); SchW. 267, RMWA. 96, StWG. 581, RVA. 198f. Notker 10,394,8f. Et eduxit populum suum in exultatione ... Vnde leita er ûz sitien liût in sprúngezinne. (Nur ahd.; man vergleiche mit anderer Ablautstufe ae. sprangettan)™™. Neben dem starken Verb ahd. springan 'springen'; man vergleiche as. springan, afr. springa, ae. springan, an. springa aus germ. *sprenga- 'aufspringen'1071. Das Substantiv sprung ist im Althochdeutschen zunächst nicht bezeugt und erscheint zuerst bei Williram1072. torazzen 'anstürmen', (Gl.); StWG. 629, RVA. 226. Zwei Belege; in beiden Fällen, StSG. 11,406,20 Arietat : torrazzat, Prag, Universitni knihovna MS VIII H4; Nr.530, BV. 785, 11.Jh., bair.-alem. und StSG. 11,483,23 Arietat : torrezit, Kiel, UB. Cod. MS. KB 145; Nr. 245, BV. 339, ll.Jh., bair., handelt es sich um Prudentiusglossen zu ham. 4891073. (Nur ahd.). Neben dem Perfektopräsens ahd. gi-tar 'ich wage', germ. * äars 'wagt'1074.

1068

Zu dem gleichen Ergebnis k o m m t R. Hildebrandt, Eigilo, der engagierte Kopist, S. 603f. Seine Frage (S. 604 A. 26), die Lemmatisierung v o n siufoen im StWG. betreffend, läßt sich wohl dadurch beantworten, daß die als "mhd." ausgewiesenen Ansätze mit tu aus ahd. « wie Belege mit althochdeutschem Lautstand behandelt werden. Sieh dazu auch StWG., 2. Vorwort, S. XX. 1069

SEW. 399f.

1070

Sieh dazu A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 277f. SEW. 457f. Sieh n o c h W. Wilmanns, Wortbildung, S. 107, J. Richter, Ursprung und anatomische Ausbreitung, S. 143 und 145. Zu den Belegen sieh GSp. 6,398. 1071

1073

Man vergleiche B. Rolling, Riel, UB., S. 133. 1074 S E W 1 4 7 s i e h a u c h B E G ç 3 7 3 m i t A 6 i T h Birkmann, Präteritopräsentia, S. 69.

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^'a-Suffix

242

worpfozzen 'schütteln, hin und her werfen', (T.); SchW. 330, RMWA. 96, RVA. 268. Tatian 119,13f. abande giuuortanemo eino uuas her thar thaz skef in mittemo seuue uuas giuuvorphozit mit then undon uuas in uuidaruuart uuint. (Nur ahd.)· Neben dem starken Verb ahd. weifan 'werfen', SchW. 319; man vergleiche as. werpan, afr. werpa, ae. weorpan, an. verpa, got. wairpan aus germ. *werpa- 'werfen'1075.

e4. V. Ablautreihe: α) Ableitungen von der Vollstufe bi-liggizzen 'Gewalt antun, notzüchtigen', (eine Belegstelle, StSG. 1,307,24 Opprimens : plicchizunter. plicchizenter)·, StWG. 374, RVA. 110. Die Belege befinden sich in den Handschriften Göttweig, StiftsB. 46/103; Nr.228, BV. 264, 12.Jh., bair. und Clm 13002; Nr.374, BV. 558, 12.Jh., bair. Die Parallelhandschriften bieten pilickent und entsprechende Varianten1076. Es handelt sich um Glossen zu Gn 34,2. (Nur ahd.). Neben dem starken Verb ahd. bi-liggen 'vergewaltigen', StWG. 374; man vergleiche ae. bi-licgan aus germ. *legja- 'liegen'1077.

e5. VI. Ablautreihe: α) Ableitungen von der Vollstufe anazzen 'antreiben, entflammen', (Gl., ga- MH.); KFW. l,459f., SchW. 88, RMWA. 96, StWG. 27, RVA. 2f. Zuerst bezeugt wohl StSG. 11,174,64 (Inflammant) i. anazant, Clm 6277; Nr.345, BV. 518, wie die folgenden Handschriften 9.Jh., bair.; Glosse zu Greg, cura 3,28,84. - StSG. 11,343,17 [ad] Excitandam : anaz zan, Clm 6325; Nr.348, BV. 529; Glosse zu Isid. off. 1,35,403 und StSG. 11,102,55 Sollicitare : scuntan. anazan, Clm 19417; Nr.446, BV. 663; Glosse zu Can. conc. Sard. XVIII.

1075 S E W 5 5 7 f s i e h a u c h j R i c h t e r j Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 145, E. Gutmacher, PBB. 39 (1914) S. 65, W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 70, W. Wilmanns, Wortbildung, S. 107. 1076 1077

Zu fränkisch g, oberdeutsch k in der Gemination sieh BEG. § 149 mit A. 7. Sieh SEW. 324f.

Ableitungen mit dem Suffix germ.

*-Çf-)t-ja-

243

(Hierzu vielleicht auch ae. mettati 'eilen, zuvorkommen')1078. Die Ableitung setzt vermutlich ein starkes Verb ahd. *anan 'atmen, eifern' aus germ. *ana- 'atmen'1079 voraus, das erhalten ist in got. ûz-on 'hauchte sein Leben aus'. Bei A. Lloyd - O. Springer wird das Verb als Intensivbildung direkt angeschlossen an die Wurzel idg. *an(o) 'atmen, hauchen', die althochdeutsch erscheint in anodo, anto 'Neid, Erregung'. Der deverbale Charakter der Suffixbildung macht es jedoch wahrscheinlicher, von einer verbalen Zwischenstufe auszugehen. slagazzen 'schlagen, (Beifall) klatschen, pochen', (N.; Gl.); SchW. 260, RMWA. 96, StWG. 555, RVA. 190. Zuerst wohl StSG. 1,240,35 Redolet : slakazzit Kb. slagazit Ra.). Sieh dazu J. Splett1080. (Man vergleiche ae. slecgettan 'beben'; daneben an. sletta 'schlagen, werfen'); zu dem altnordischen Verb vergleiche man M. Schnieders1081. Das altenglische Verb ist mit E. Seebold1082 auf germ. *slagitja- zurückzuführen. Demgegenüber deutet es F. Holthausen1083 als denominale Ableitung von einem Substantiv ae. slecg 'Hammer'. Diese Zusammenstellung, zumal semantisch als vermeintliche Instrumentalbildung mit dem Suffix germ, -atja- unbefriedigend, ist jedoch keineswegs zwingend, so daß der kleinen Gruppe der bei A. Marckwardt ermittelten Denominativa mit dem Suffix ae. -etta- wohl ein weiteres Verb entzogen werden kann. Ahd. slagazzen dürfte mit grammatischem Wechsel zu dem starken Verb ahd. slahan 'schlagen' (SchW. 260, StWG. 555); man vergleiche as. slahan, afr. slâ, ae. slêan, an. sia, got. slahan aus germ. *slaha-im gebildet sein1085. Nicht auszuschließen ist, daß das Verb an das schwache Verb ahd. slagôn 'zusammenschlagen', StWG. 555, anzuschließen ist. Wenn aber mit Bezug auf ae. slecgettan von einer voreinzelsprachlichen -atja-/itja-Bildung ausgegangen werden kann, ist angesichts des hohen Alters der Bildung ein Anschluß an das starke Verb durchaus vertretbar1086.

1078

Sieh dazu LSEW. l,239f.; das altenglische Verb fehlt bei A. Marckwardt, Language 18

(1942). 1079 1080 1081

1082 1083

Sieh SEW. 78f. Abrogans-Studien, S. 505. Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben der jan-Klasse, S. 118. S

E

W

4 2 6

Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 298 und im Anschluß daran A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 277. 1084 SEW. 425f. 1085 So auch ebenda 426. 1086 M a n vergleiche auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 151 und W. Wilmanns, Wortbildung, S. 107.

244

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^'d-Suffix

e6. VII. Ablautreihe: α) Ableitungen von der Vollstufe fallazzeti 'zusammenstürzen, niedersinken1, (ein Beleg StSG. 1,403,13 Conlabebatur : vallezta. uallezta)·, KFW. 3,555, StWG. 139, RVA. 36. Die Belege entstammen den Handschriften Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11.Jh., bair.1087; Wien, ÖNB 2723; Nr. 620, BV. 949, 2. Hälfte lO.Jh., bair.1088 und Göttweig, StiftsB. 46/103; Nr.228, BV. 264, 12.Jh, bair.; Glosse zu I Sm 21,13. (Man vergleiche ae. feallettanfm. Neben ahd. fallan 'fallen', KFW. 3,542f„ SchW. 128; man vergleiche as. fallan, afr. falla, az.feallan, an. falla aus germ. *falla-m.

β) Ableitungen von der Schwundstufe lehbazzen/lebbizzen 'zucken (von der Zunge)', (Gl.); StWG. 366, RVA. 106. Die Belege entstammen dem 11. Jahrhundert, so StSG. 11,640,69 (Micat) : lecheezat, aus der Handschrift Clm 18059; Nr.428, BV. 634, 11.Jh., bair.; Glosse zu Verg. Georg. 3,439. (Nur ahd.). Neben dem starken Verb germ. *laika- 'spielen, sich rasch bewegen'1091; man vergleiche ae. lâcan 'aufspringen, sich bewegen', an. leika 'sich rasch bewegen, spielen1, got. laikan 'hüpfen, springen' sowie mhd. leihhen st.sw.V.1092. Dem Lateinischen und Altnordischen ist gemeinsam, daß Verben mit diesem Bildungsmuster nicht produktiv geblieben sind. Wie die griechischen und gotischen Verben gehören sie keinem einheitlichen semantischen Funktionskreis an. In den germanischen Einzelsprachen rufen die so gebildeten Verben erst mit der westgermanischen Konsonantengemination, insbesondere in Verbindung mit der vokalischen Erweiterung, eine expressive Färbung hervor und werden im Althochdeutschen und Altenglischen verstärkt zur Bildung von Intensiva und Iterativa, vielfach von onomatopoetischen Basen,

1087

Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 509-513. 1088 Zur Handschrift sieh ebenda S. 785-789. 1089 Sieh dazu A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 278. rao S E W 1 8 1 f S i e h a u c h w w i l m a n n s , Wortbildung, S. 107. 1091 1092

SEW. 32If. M a n vergleiche auch E. A u m a n n , PBB. 62 (1938) S. 334f.

Ableitungen mit dem Suffix germ. *-(V-)t-ja-

245

herangezogen. Über einen längeren Zeitraum hinweg produktiv geblieben sind die Bildungen jedoch nur im Deutschen1093.

B. Ableitungen mit dem Suffix ahd. -V-«-z€Das Suffix ahd. -enze-/-inze- ist bisher in den Handbüchern und grammatischen Darstellungen des Althochdeutschen nicht berücksichtigt worden. W. Henzen beschreibt das Suffix als "eine namentlich ostmd. Nebenform von -ezen" und führt 12 mittel- und neuhochdeutsche Beispiele an. Weitere Hinweise auf die Herkunft der Suffixbildungen gibt er nicht1094. Die althochdeutschen Belege wurden zuerst von J. Richter erfaßt1095. Es handelt sich um vier Verben: ßoscenzeti 'fließen, schmelzen', (StSG. 1,200,21 Licuntur : ßoskenzent Ra.); KFW. 3,994 unter floscazzen\ StWG. 166 unter floskezzen\ RVA. 42 unter floskez(z)en{w\ (Nur ahd.). Neben ahà.floscazzen 'fließen, flüssig sein'; sieh dazu oben. lobenzeti 'blitzen, schimmern', (Gl.); StWG. 383 unter lohezzen-, RVA. 114f. unter lohez(z)en. Zwei Belege, StSG. 11,628,17 Corusco : lohenzentemo, Glosse zu Verg. Georg. 1,233. - Der zweite Beleg, StSG. 11,642,54 Corruscant : lohenen, ist Vergilglosse zu Georg. 4,73. Beide Belege stammen aus der Handschrift Clm 18059, Nr.428, BV. 634, 11.Jh., bair. (Nur ahd.). Neben ahd. lohazzert 'blitzen, leuchten'; sieh dazu oben. neckinzen 'sterben', (ein Beleg StSG. 11,549,53 Inmorientis : necchinzint)\ StWG. 434, RVA. 137. Der Beleg entstammt der Handschrift London, BMMss. Add. 37248; Nr.273, BV. 402, 11 Jh., alem.; Glosse zu Prud. symm. l,63f. (Nur ahd.).

1093 M a n vergleiche die Angaben bei W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 227 mit weiterer Literatur. Z u m Untergang des Typs im Englischen, wo mit ne. grunt nur ein Fortsetzer des unerweiterten Suffixes erhalten geblieben ist, sieh A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 281 sowie J. Offe, Das Aussterben alter Verba und J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 141. 1094 Deutsche Wortbildung, S. 227 mit A. 44. Der gleiche Sachverhalt bei W. Wissmann, Wortbildung, S. 110 A. 2. 1095 Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 160. 1096 Man vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 279 und 444, J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 160.

246

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^'¿-Suffix

Ein Verb mit dem Suffix -V-t-ja- ist nicht bezeugt. Das Verb ahd. bi-necken 'necken, herausfordern 1 , StWG. 434 sowie mhd. necken 'Appetit reizen, beunruhigen, quälen'1097, kommt aus semantischen Gründen als Basis kaum in Frage. Die Herkunft des Verbs ist laut E. Seebold unklar1098. Möglicherweise geht necken auf lat. necâre 'töten, umbringen' zurück. Zumindest aber für ahd. neckinzen ist es wahrscheinlich, daß es über eine Zwischenstufe *neckazzen/ neckizzen auf eine Entlehnung aus lat. necâre zurückführt 1099 . rascinzen 'Funken sprühen, wallen' (ein Beleg, StSG. 11,542,42 (Feruens) : rbsgknzkntp (E. Steinmeyer, zur Stelle: dh. rasgi[n]zinto), StWG. 472, RVA. 148 unter raskezzen. Der Beleg entstammt der Handschrift London, BMMss. Add. 37248; Nr.273, BV. 402, 11 Jh., alem.; Glosse zu Prud. perist. 10,1079. (Nur ahd.). Neben ahd. rascazzen 'Funken sprühen, wallen'; sieh dazu oben. sprunginz£tt '(vor Freude) springen, wippen, frohlocken', (ein Beleg, StSG. 11,545,5, von H. Thoma1100 korrigiert in (Vibrata) : sprunginzintiu)\ StWG. 581 unter sprungezzen·, RVA. 198 unter sprungez(z)en. Der Beleg entstammt der Handschrift London, BMMss. Add. 34248; Nr.273, BV. 402, 11.Jh., alem.; Glosse zu Prud. ham. 596. Neben ahd. sprungazzen '(vor Freude) wippen, springen, frohlocken'; sieh dazu oben. Unter den Ableitungen mit dem Suffix -V-t-ja- wird von J. Richter1101 auch ein Verb ganawenzen 'cavillari' aufgeführt" 02 . Man vergleiche etwa StSG. 1,657,53 Cauillabatur : canaue nz ota., aus der Handschrift Clm 18140. Das Verb, das wohl besser zur ow-Klasse zu rechnen sein wird, ist mit den Bearbeitern des KFW.1103 als gi-ana-fenzôn 'höhnen, spotten' zu lesen. Der früheste bezeugte Beleg für die Suffixerweiterung, ßoskenzent Ra., stammt aus dem 9. Jahrhundert. Der Nasal in ist von R. Kögel als "überflüssiges n" charakterisiert worden, das ein η der Flexionssilbe vorweggenommen habe1104.

1097 1098 1099

LH. 2,46f. So KEW. 500; die Angabe "seit dem 14. Jahrhundert" ist zu korrigieren. Zu dem lateinischen Verb sieh J.F. Niermeyer, Mediae Latinitatis Lexicon Minus, S.

716. 1100 1101 1102 1103 1104

PBB. 73 (1951) S. 203. Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 160. So schon J. Grimm, Deutsche Grammatik 2,324. KFW. 3,737; so auch StWG. S. 147 im Anschluß an GSp. 3,548. R. Kögel, Ueber das Keronische Glossar, S. 61.

Ableitungen mit dem Suffix germ.

*-(V-)t-ja-

247

Zweifel an dieser Deutung äußert unter Verweis auf die mittelhochdeutschen Belege J. Splett"05. Vor allem der in Geheimschrift aufgezeichnete Beleg ahd. rbsgknzkntp läßt eine irrtümliche »-Schreibung wohl als unwahrscheinlich erscheinen. Vermutlich fällt die Erweiterung in den Bereich der expressiven Nasalierung. Eine eigene semantische Charakteristik ist im Althochdeutschen im Vergleich zur nicht-nasalierten Form jedoch noch nicht auszumachen.

C. Ableitungen mit dem Suffix -t-jaIm Althochdeutschen sind wenigstens zwei Verben erhalten, welche die wohl ursprünglich unerweiterte Form der Suffixbildung bewahrt haben: ahd. jäzen und grunzen.

a. Ableitungen von einer Interjektion jäzen 'bekannt geben, bejahen (= ja sagen)', (Gl., gi-, Gl.), StWG. 316, RVA. 83. Die wohl ältesten bezeugten Belege (StSG. 1,705,70 Aelsentire : giiazan) in der Handschriftengruppe M„ Wien, ÖNB 2723, Nr.620, BV. 9491106; ÖNB 2732; Nr.621, BV. 650, beide lO.Jh., bair.; Göttweig, StiftsB 46/ 103; Nr.228, BV. 264, 12.Jh„ bair.; giiazen Clm 18140; Nr. 419, BV. 637, 11 Jh., bair."07; Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.1108; Glossen zu II Mcc 14,26. (Man vergleiche ae. gêatan, an. jâtà). Zu ahd .ja, SchW. 177; man vergleiche afr .je, ae. iâ, gê(a), an. jâ, got. janw. Zu an. játa sieh auch M. Schnieders1110 und J. de Vries1111. Auf semantischer Ebene kann die Ableitung als "delokutiv" bezeichnet werden. Die griechischen Belege zeigen, daß die verba deinteriectionalia möglichweise der Ausgangspunkt der Suffixbildung waren1112. Nur in einem Wort von derart hoher Gebrauchsfrequenz wie jäzen läßt sich dieser ursprüngliche Bildungstyp noch nachweisen. 1105

Abrogans-Studien, S. 279. Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 785-789. 1107 Zur Handschrift vergleiche man ebenda, S. 509-513. 1108 Zur Handschrift vergleiche man ebenda, S. 744-750. 1109 Sieh PIEW. 285, man vergleiche auch G. Schmidt, Studien zum germanischen Adverb, S. 118f. 1110 Die einheimischen nicht komponierten yaw-Verben, S. 116. 1111 Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 291 mit weiterer Literatur. 1106

1112

M a n vergleiche E. Schwyzer, Griech.

-ΑΖΩ und

got.

-atja-,

S. 73.

248

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^d-Suffix

b. Ableitungen von einem schwachen Verb Neben der deinterjektionalen Ableitung stehen noch einige weitere von schwachen Verben abgeleitete Bildungen, die zumindest unter einem synchronen Blickwinkel hier anzuführen sind. Bei den althochdeutschen Belegen mit dem Suffix -ze- kann aber besonders bei spätalthochdeutschen Belegen nicht mit Sicherheit entschieden werden, ob es sich um alte Bildungen ohne Suffixvokal oder um jüngere synkopierte Formen handelt. Da ein Suffix germ, -t-ja- bestanden hat, werden die Verben hier im Zusammenhang aufgeführt. Ein sicherer Nachweis kann aber nur dann erbracht werden, wenn der Beleg alt ist und sich, wie im Falle von ahd. grunzen, Vergleichsformen aus anderen Sprachen beibringen lassen. Die Verben: barzen 'hassen, grollen', (ein Beleg StSG. 11,16,38 Rancida furibunda. : parcentiv / ) ; KFW. 1,826, StWG. 43, RVA. 146. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 19440; Nr.448, BV. 665, 3. Viertel 11.Jh., bair.1113; Glosse zu Aldh. laud. virg. 1327f. (Nur ahd.); man vergleiche daneben schwundstufiges ae. borettan 'ein Schwert schwingen'1"4. Eine Form mit vokalisch anlautendem Suffix ist nicht bezeugt. Neben ahd. *barren 'starr emporstehen'; man vergleiche KFW. 1,825 barrenti Adj.Part.Präs. 'starr aufgerichtet, überheblich; zum Ausdruck starren Eigensinnes, der Überheblichkeit, kalten Stolzes'1"5. Vielfach"16 wird dagegen das im Althochdeutschen nur an einer Stelle bezeugte Adjektiv bai2 'starr aufgerichtet' als die Basis angesehen. Dieses Adjektiv, das in mir. borr 'stolz, geschwollen' auch die übertragene Bedeutung zeigt, ist die Basis des ¿«-Verbs. Dagegen wird von den Bearbeitern des Wörterbuchs der bairischen Mundarten in Österreich1117 das Verb unmittelbar an die Wurzel *¡¿>er- angeschlossen. Da die Verben mit dem Suffix germ. *-(V)-t-ja- jedoch in ihrer großen Mehrzahl als Intensiv- oder Iterativbildungen auf verbale Basen bezogen werden können, ist auch in diesem Fall eher von einer deverbalen Bildung auszugehen1118. 1113 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750, besonders S. 745. 1114 Sieh dazu A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 277f. 1115 Sieh auch StWG. 43. 1116 So KFW. 1,810, LSEW. 1,466, HEW. 117f.

1117 1118

2,388 unter pärzeti.

M a n vergleiche LH. 1,133 unter barzen\ PIEW. 108f., H. Gradi, ZVSpF. 17 (1868) S. 21 sowie E. H o f f m a n n , Die alt- u. mittelhochdeutschen Deverbativa, S. 46.

Ableitungen mit dem Suffix germ. *-(y-)t-ja-

249

flogerzen 'umherfliegen, einherschweben', (ein sicherer Beleg, N.); KFW. 3,991 f. unter flogarazzen, SchW. 136, RMWA. 98, RVA. 42 unter flogerez(z)en. Notker 4,135,lf. Unnîst mir bítentero zegeéisconne ... uuáz hiergóto flógerze'1'9. Neben ahd. flogerazzen 'umherfliegen, einherschweben (auch von Gedanken)"120. Ein weiterer, RVA. 42 und mit Vorbehalt KFW. 3,991 und SchW. 136 aufgeführter Beleg, RhC. 303,14 A.12 ulogerzenda, beruht auf einer Konjektur, die I.J. Steppat" 21 vorgenommen hat. Der Text ist nur bruchstückhaft lesbar. Eine Parallelstelle (Notker 10,557,12) zur Ubersetzung von lat. super eos uolitans lautet obe in flógezet, so daß mit ebensogroßer Wahrscheinlichkeit auch für die Rheinfränkischen Cantica ulogezenda zu flogazzen angesetzt werden könnte. grunzen 'murren, grollen', (N. O., gi- O.); KFW. 3,452, SchW. 154, RMWA. 98, RVA. 60f. Zuerst Otfrid 5,25,85f. Thie andere alle filu frúa sêro grúnzent thârzùa, sêro dúit in thiu frisi theiz bithékitaz nisi. (Man vergleiche ae. grunnettan)mi. Es handelt sich um eine Intensivbildung zu einem Präsensstamm, der in ae. grunnian 'knirschen' und fnhd. grunnen einen Fortsetzer hat" 23 . Den Verben steht in ihren lateinischen Entsprechungen grundire und grunnire die einzige im Lateinischen bezeugte Verbalbildung auf -dio- gegenüber1124. E. Schwyzer1125 verweist zudem darauf, daß ae. grunnettan nicht von vorn herein auch für das Althochdeutsche eine Bildung mit dem Suffix germ, -atja- erweisen kann. burzen 'beugen, heftig herunterdrücken', (ein Beleg StSG. 1,579,33 Curuat : gihurzit)·, StWG. 295 kurzen 'biegen', RVA. 78. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 22201; Nr.460, BV. 681, Mitte 12.Jh„ bair. u. mfrk.1126; Glosse zu Sir 33,27. Die Parallelglossierung zeigt ahd. givueikhen 'krümmen', StWG. 706. (Nur ahd.); man vergleiche auch mhd. hurzen 'stoßen, jagen, hetzen'1127. Ahd. hurzen ist als Intensivbildung mit dem Suffix -(V)t-ja- zu mhd. hurren 'sich schnell bewegen'1128 zu verstehen. 1119 1120 1121

Der Beleg erscheint KFW. 3,992 als flogerce. Sieh dazu oben. PBB. 27 (1902) S. 512 im Anschluß an GSp. 3,763. Sieh auch E. Steinmeyer, zur Stel-

le. 1122 1123 1124 1125 1126 1127 1128

Sieh dazu A. Marckwardt, Language 18 (1942) S. 278. Man vergleiche H. Glombik-Hujer, Lachen und Weinen, S. 205 und DWB. 4,1,6,964. Sieh W. Meid, Wortbildungslehre, S. 260. Griech. - A Z ß und got. -alja-, S. 73 mit A. 4. Sieh K. Matzel, Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 168-173. LH. 1,1399. Sieh auch K. Matzel, Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 18. LH. 1,1397.

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -ya-Suffix

250

rúnzen 'reden, flüstern, murren, raunen', (Gl.); StWG. 497 unter rûnezzen, RVA. 162 unter runez(z)en. Zwei Belege, StSG. 1,418,53 Musitantes : runzanta, aus den Handschriften Zürich, ZB. Ms.R.h.66; Nr.654, BV. 1015, 12.Jh„ alem., Stuttgart, WLB. HB IV 26; Nr.561, BV. 867, 12.Jh„ bair. und Engelberg, StiftsB. Codex 66; Nr. 128, BV. 138, 12.Jh., alem.; Glosse zu II Sm 12,19. - StSG. 111,289,47 Susurro : runzon, Admont, StiftsB. 269; Nr.4, BV. 4, 12.Jh., bair., Clm 3215; Nr.316, BV. 464, 13./14.Jh., bair.; Summarium Heinrici. Neben ahd. rúnazzen 'reden, flüstern, murren, raunen"1129. scrouzen 'kläffen', (ein Beleg StSG. 11,733,58 Ganniens, garriens : scrouzit)\ StWG. 550 unter scrouwezzen, RVA. 186 unter scrouue(z)zen. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 14747; Nr.408, BV. 611, lO.Jh., bair.; Glosse zu V. patr., Vita Hilarionis 76. Die Parallelglossierung zeigt scrouvezentiv. (Nur ahd.) Neben ahd. scrouwazzen 'kläffen"1130.

6. Ableitung mit ¿/-Erweiterung Das Suffix germ, t, idg. d diente wie das häufiger überlieferte Suffix idg. t zur Weiterbildung insbesondere vokalisch anlautender Wurzeln und Stämme1131. blâzen 'blöken', (Gl.); KFW. 1,1188 blâzen, StWG. 65 blazen, RVA. 9. (Man vergleiche ae. blsttan\ daneben mnl. bieten, bair. bläszen)1"2. Es handelt sich um eine ¿/-Erweiterung der Wurzel idg. die vorliegt in germ. *blêjan2 'blöken, meckern'1133.

7. Ableitung mit ¿-Erweiterung Ein ^-Formans, das gleichen Ursprungs wie das g der nominalen Adjektivendungen auf -V-g sein kann, ist unter den Verben der ^«-Klasse offenbar nur in einem Fall bezeugt und wird in den einschlägigen Wortbildungslehren nicht aufgeführt.

1129 1130 1131 1132 1133

Sieh dazu oben. Sieh dazu oben. Man vergleiche W. Meid, Wortbildungslehre, § 132. DWB. 2,73. Man vergleiche K. Matzel, Zu den verba pura des Germanischen, S. 18.

Ableitungen mit í-Erweiterung

251

scurgen 'stoßen, fortstoßen', ( G ; Gl., fer- ΜΗ.; Gl., nidar-for- T., widar- ΜΗ.; Gl., ûz- Gl.); SchW. 260, RMWA. 70, StWG. 553, RVA. 187f. Zuerst wohl StSG. 1,282,15 Inpulerit : skurgit stozzit, Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 38, 9.Jh., alem. u n d Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.1134; Glosse zu N u m 35,20. (Man vergleiche aonfrk. scurgan). Nach W. Wissmann 1135 handelt es sich u m eine Weiterbildung zu einem Verb, das vorliegt in ae. scorian 'verwerfen, verschmähen, zurückweisen', m h d . schont 'fortschieben, zusammenschieben" 1 3 6 .

8. Ableitungen mit ¿-Erweiterung Das i-Suffix erscheint im Indogermanischen vor allem in der Tempus- und Modusbildung. Es ist aber auch als Wurzelerweiterung bezeugt, zumeist mit intensiv-iterativer oder faktitiver Bedeutung 1137 .

A. Ableitungen von einem schwachen Verb äsen 'verwüsten', (Gl.; fir- 'zugrunde richten' N.); SchW. 230; RMWA. 87, StWG. 453; RVA. 144. Zuerst wohl StSG. 1,452,30 Diripuit : ôsta. Glosse zu IV Rg 7,16. Der Beleg entstammt den Handschriften Ö N B 2723 und 2732 (Gruppe M.). (Wohl n u r ahd.; m a n vergleiche auch mhd. ôsen, oesen\ bair. Ösen, ösigen). Im Althochdeutschen steht dem Verb nur das Substantiv òsi 'Verwüstung, Verheerung', StWG. 453, zur Seite, das selbst eine verbale Basis voraussetzt. M. Schnieders 1138 verbindet ahd. äsen mit an. òsa und stellt es zu einem starken Verb norw. asa - ôs. An. òsa 'in heftige Bewegung setzen, hetzen, rasen, wüten' wird jedoch von J. de Vries" 39 wohl zu Recht auf das starke Verb jesan 'gähren, schäumen' zurückgeführt und ist daher besser von der Sippe u m ahd. äsen abzutrennen. Dies u m so mehr, da das althochdeutsche Verb keinen grammatischen Wechsel zeigt"" 0 und die semantische Struktur des janVerbs eher auf eine deadjektivische Grundlage wie in öden zu òdi deutet. Die 1134 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457465, besonders S. 459. 113 Nomina Postverbalia, S. 82. 1136 Man vergleiche auch PEW. 1580, KEW. 656 unter schären. 1137 Man vergleiche W. Meid, Wortbildungslehre, § 187 S. 255f. 1138 Die einheimischen nicht komponierten jan-Verben, S. 36. 1139 Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 684. 1140 Zu den Ausnahmen sieh unter slred.cn und sweden in Kapitel VI.

252

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem -^-Suffix

auffällige Ähnlichkeit in Lautstand u n d Bedeutung zu der Sippe u m ahd. òdi 'leer' (man vergleiche besonders òdi st.F. 'Verwüstung' neben òsi) veranlaßte die Bearbeiter des DWB.1141 ahd. äsen als aus *ôdsjan, *òdsan entstanden zu erklären. Zur Stützung dieser Auffassung wird unter Hinweis auf E.G. Graff 1142 auf das Nebeneinander von ahd. ôdsâri u n d àsari 'depopulator' verwiesen. Die Belege erscheinen StWG. 449 unter einem Ansatz ôdsâri st.M. M a n vergleiche dazu StSG. 1,604,54 Depopulator : (¿sari (Clm 18140) u n d osan (Clm 19440). Die H e r k u n f t des i-Lautes bleibt aber unerklärt. Auch H. Falk u n d A. Torp 1143 stellen ahd. ôdsen o h n e weiteren Kommentar unter einen Ansatz germ. *aupian 'öde machen'. Vielleicht vergleicht sich ae. teÖsian2 'leer werden" 144 , das neben einem Adjektiv ae. îepe 'öde, leer' u n d einem schwachen Verb îepan (< aupija-) steht. D a n n kann von einer Bildung *ôâ-s-ija- > ôssian > osen ausgegangen werden. Im Gotischen sind Verben mit ¿-Erweiterung auch nach der 1. Klasse der schwachen Verben bezeugt, im Althochdeutschen erscheinen sonst n u r ¿«-Verben. N u r selten steht den erweiterten Verben kein einfaches Verb zur Seite, so daß es sich wohl u m deverbale Ableitungen handelt, hier neben dem faktitiven Deadjektiv ahd. öden. Zu den Verben mit sSuffix vergleiche m a n W. Wilmanns 1145 .

B. Ableitungen von der Verbalwurzel drâsett 'schnauben, tosen 1 , (GL); StWG. 106, RVA. 30. Althochdeutsch ist wohl nur StSG. 11,702,45 Fremens : thrasindi, aus der Handschrift Paris BN. lat. 9344; Nr.509, BV. 752, 11 Jh., mfrk. 1146 . Es handelt sich u m eine Glosse zu Verg. Georg. 3,85. In der Textausgabe steht premens. Ein weiterer Beleg, StSG. 11,718,59 Frémit : thrasida aus der Handschrift Oxford, Auct. F. 1.16; Nr.491, BV. 721, ist altsächsisch 1147 . (Man vergleiche as. thrâsian)·, von der gleichen Basis ahd. drâsôn, drâsên, an. prosa 'dräuen'; sieh auch got. prasa-balpei. Ahd. dräsen ist, nach einem Muster ahd. blâsan zu blâen, wie schon bei O. Schade1148 vermutet, mit den postverbalen Substantiven m h d . drâs 'Duft, Geruch', drâsod 'Schnauben' als ¿-Erweiterung zu ahd. drâen 'drehen, sich dre-

1141 1142 1143 1144 1145 1146 1147 1148

7,1369. GSp. 1,151. FTW. 5. Dazu L.G. Hallander, Old english verbs in -nan, S. 395. Wortbildung, §§ 80 und 81. Sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 107f. Man vergleiche auch G. Köbler, Sammlung aller Glossen des Altsächsischen, S. 190. Altdeutsches Wörterbuch, S. 109.

Ableitungen mit í^-Suffix

253

hend oder wirbelnd bewegen, wirbeln1, und damit zur Wurzel * ter-149 zu stellen1150.

9. Ableitungen mit sk-Suffix Das indogermanische Präsenssuffix ske-/sko- ist im Germanischen nur noch in wenigen resthaften Bildungen erhalten1151. Im Indogermanischen scheinen ursprünglich Präsensstämme mit iterativer Funktion gebildet worden zu sein1152. fir-muscen 'zerquetschen, verstümmeln', (Gl., zi- Gl.); StWG. 428, RVA. 134. Zuerst StSG. 1,369,54 Attritis : firmuscúr. firmusketin, aus den Handschriften Wien, ÖNB 2723; Nr.620, BV. 949, 2. Hälfte lO.Jh., bair.1153 und Göttweig, StiftsB. 46/103; Nr.228, BV. 264, 12.Jh., bair.; Glosse zu Dt 23,1. (Man vergleiche ae. ge-myscan 'plagen, entstellen, betrüben'); außergermanisch vergleicht sich lit. mùsti 'schlagen'1154. Das Verb dürfte als germ. *muh-sk-jan zur Wurzel idg. *meuK- 'kratzen, ritzen' in griech. αμυχάλαλ 'ritzen, zerkratzen'1155 zu stellen sein. Man vergleiche auch griech. αμιχy 'Riß, Schramme'. Da ae. myscan in den übrigen altgermanischen Sprachen keine Verwandten habe, hält es A. Bammesberger1156 für denkbar, daß in dem altenglischen Verb eine besondere Verwendung von ae. miscian 'mischen' vorliege. Wenn aber ahd. fir-muscen hier angeschlossen werden kann, ist diese Vermutung nicht länger zwingend. zuscen 'verbrennen', (GL, häufiger bi-, ir-)·, StWG. 773, RVA. 282f. Zuerst wohl StSG. 1,84,8 siue exussit : edo pizuskit Pa. edho pizuskit Kb. - StSG. 1,660,70 Adustus : pizuscter, Clm 18140, 19440 und Wien, ÖNB 2723. Es handelt sich um eine Glosse zu Dn 3,94. (Nur ahd.). Eine Nominalbildung mit -^-Suffix ist nicht bezeugt. Das Verb dürfte daher zu der Wurzel idg. *dâu-, dm-, du- "brennen' zu stellen sein, die vorliegt in ai. dunóti 'brennt'1157. 1149

PIEW. 1071 f. M a n vergleiche auch FTW. S. 19lf. 1151 Man vergleiche W. Meid, Wortbildungslehre, § 188 S. 256f., W. Wilmanns, Wortbild u n g S. 113 § 87, W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 226. Sieh dazu auch H. Rix, Historische Grammatik des Griechischen, S. 213f. 1153 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 785-789. 1 Man vergleiche dazu F. Holthausen, IF. 48 (1930) S. 266. 1155 PIEW. 745. 1156 Beiträge zu einem etymologischen Wörterbuch, S. 110. 1157 Man vergleiche dazu X. Delamarre, Le Vocabulaire, S. 250 sowie PIEW. 180. 1150

254

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^-Suffix

10. Ableitungen mit ¿/-Suffix Das Ji-Suffix erscheint im Germanischen vor allem in Schallverben und hat lautsymbolischen Charakter" 58 . Vereinzelt tritt es aber auch als Suffix zur Bildung von intensiv-iterativen Präsensstämmen auf. Beispiele, wie an. hrista 'schütteln' neben got. af-hrisjan 'abschütteln' oder an. reista, ae. wrastan 'verdrehen' neben an. ripa, ae. wrtpan, ahd. rìdati 'flechten, knüpfen' geben W. Meid1159 und M. Schnieders1160. drûsten 'auspressen, hinausdrängen', (Gl.); StWG. 109, RVA. 31f. Zuerst wohl StSG. 11,396,54 Sublidit : drûstit, Wien, ÖNB Cod. 247; Nr.584, BV. 901, 11.Jh., bair.; Glosse zu Prud. apoth. 848. (Man vergleiche an. prysta 'klemmen, drücken' aus urnord. *priut-stian\ sieh auch me. drusten)·, daneben ae. ge-dryskan 'bedrücken', ae. drietan 'ermüden, drängen"161. Das Verb steht neben dem starken Verb ahd. ir-driozan 'sich etwas verdrießen lassen', SchW. 114; man vergleiche auch ae. drêotan, an. prióta 'müde werden, aufhören', got. us-priutan 'verdrießen' aus germ. *-preuta- 'müde werden, bedrängen'1162. Die germanischen Verben sind anzuschließen an lat. trudere 'stoßen, drängen' und damit zur Wurzel idg. *treu- 'reiben, aufreiben"163 zu stellen.

11. Ableitungen mit einem Nasalformans Mit dem Nasalformans η konnten im Indogermanischen Präsensstämme mit nicht-durativer, meist inchoativer Aktionsart gebildet werden1164. Unter den althochdeutschen ^»-Verben befinden sich die folgenden Bildungen:

1158 Man vergleiche W. Meid, Wortbildungslehre, § 190, S. 258, W. Wilmanns, Wortbild u n g S. 113, § 87 A. 1 9 Ebenda. 1160 Die einheimischen nicht komponierten jan-Verben, S. 115. 1161 Sieh auch J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 624. 1162 Man vergleiche SEW. 523f. und C. Herbermann, Etymologie und Wortgeschichte, S. 124-158. 1163 PIEW. 1095f. 1164 Zu den im Germanischen fortlebenden Typen sieh W. Meid, Wortbildungslehre, S. 250-254.

Ableitungen mit einem Nasalformans

255

A. Bildungen mit Nasalsuffix W. Meid führt Fortsetzer des Nasalsuffixes idg. -nâ/na an, die im Germanischen als Bildungen mit dem Suffix -nò in einigen schwachen Verben der 2. Klasse und im sekundären Präteritum der Verben auf -nan erscheinen1165. Eine resthafte Bildung dieses Typs könnte vorliegen in: striunen 'umherschweifen, sich beunruhigen', (Gl., gi- 'gewinnen' MF., T.; Gl.); SchW. 273, RMWA. 82, StWG. 600, RVA. 209. StSG. 1,34,21 ad obsequium : za striunenne Pa. za striunanne Kb. za gastriunanne Ra. - Tatian 157,14f. oba her thir höre inti riuua tuo forláz imo inti gistriunis thinan bruoder... (Man vergleiche as. striunian, ae. strienan). Nach K. Michel1166 ist das Verb zu ae. strêon 'Reichtum' als 'nach Vorteilen umhersuchen' zu stellen. Diese Deutung ist aber kaum glaubhaft und E. Seebold1167 bezeichnet die Herkunft als unklar. Der Hinweis auf ahd. striunen ist dort zu ergänzen. Die Annahme denominaler Herkunft wird bereits von den Bearbeitern des Deutschen Wörterbuchs1168 widerlegt, denn die vermeintliche Basis, die in ae. strêon, gestrêon vorliegen soll, wird selbst als eine zum janVerb gebildete Kollektivbildung erwiesen. Daher wird es sich eher um eine nErweiterung zu der Wurzel idg. * streu- 'ausbreiten, ausstreuen' handeln, die vorliegt in dem Verb got. straujan, ae. strêowian, ahd. strewen1169.

B. Bildungen mit Nasalinfix Bildungen mit Nasalinfix sind im Germanischen nur noch resthaft bezeugt1170. Das ursprünglich nur auf das Präsens beschränkte «-Infix wird vielfach auch auf außerpräsentische Tempora ausgeweitet und so funktionell undurchsichtig. Eine solche Bildung liegt möglicherweise vor in: scuriteti '(an)treiben, anregen, drängen, nötigen, reizen, verführen', (N. WH.; Gl.); SchW. 260 stunden, scuntan-, RMWA. 66, StWG. 551 scunten-, RVA. 186f. scunten. Zuerst wohl MGl.74,16 inliciunt : scuntent, Clm 6300; BV. 523, 2.Hälfte 8.Jh., bair.1171. Es handelt sich um eine Glosse zu Greg. mor. 3,20,88. 1165 1166 1167 1168 1169 1170 1171

21.

Sieh W. Meid, Wortbildungslehre, S. 252, § 186.2. Die mit - i - abgeleiteten denominalen schwachen verba, S. 27. KEW. 708 unter streunen. DWB. 10,3,1506f. Man vergleiche dazu auch PEW. 1742 sowie J. Splett, Abrogans-Studien, S. 86. Sieh W. Meid, Wortbildungslehre, S. 251f„ § 186.1. Sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S.

256

Ableitungen mit konsonantisch erweitertem ^'a-Suffix

(Man vergleiche as. far-skundian 'anreizen, aufhetzen', ae. scyndan 'eilen, treiben, reizen, mahnen', an. skunda 'schnell vorwärtsbewegen, treiben, eilen'). Das Verb wird von J. Pokorny" 72 zur Wurzel (s)qut- 'rütteln' gestellt. Es ist dann mit K. Brunner1173 und M. Schnieders" 74 als eine Bildung mit nFormans zu deuten, die neben einem möglicherweise starken Verb germ. *skûâa- ? 'eilen' steht, das vorliegt in ae. scûdende 'eilend'1175.

1172

PIEW. 975f. Altenglische Grammatik § 385 A. 1. 1174 Die einheimischen nicht komponierten /«»-Verben, S. 123. 1175 Man vergleiche zu diesem Verb A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba, S. 122 sowie SEW. 417. 1173

V. Ableitungen von einem Nominalstamm 1. Ableitungen von einem Substantiv Im Urindogermanischen werden mit Hilfe des Suffixes *-ié/ó- von Substantiven, die Personen charakterisieren können, desubstantivische Verben mit essiver Bedeutungsstruktur abgeleitet. Ableitungen von Sachbezeichnungen, wozu auch Adjektivabstrakta zu zählen sind, tragen eine faktitive Bedeutungsstruktur" 76 . Die grundsprachlichen Verhältnisse erscheinen in den Einzelsprachen bereits weitgehend umgestaltet1177. Die Zahl der formalen und semantischen Muster ist beispielsweise im Lateinischen, und ebenso aber auch im Germanischen, beträchtlich erweitert. Während aber die Ableitungsstrukturen der denominalen Verben des Lateinischen durch eingehende Untersuchungen vergleichsweise durchsichtig gemacht werden konnten1178, ist das gesamte germanische Material bisher nur in seinen Grundzügen gedeutet worden. Eine genauere Untersuchung haben nur die germanischen desubstantivischen Ableitungen mit »-Suffix erfahren" 79 . Für den Bereich der althochdeutschen jan-Veiben sind dagegen nur zwei Arbeiten zu nennen, in denen die Ableitungen von einer substantivischen Basis in einem allgemeineren Kontext mitbehandelt werden. Den ersten Versuch einer Bestandsaufnahme und einer semantischen Subklassifikation der germanischen desubstantivischen janVerben nach Bedeutungsgruppen hat im Jahre 1912 K. Michel vorgelegt1180. Es wird dort zwischen "Verben in objektivem Gebrauch" und 'Verben in subjektivem Gebrauch" unterschieden. Der Anteil der althochdeutschen Verben, die im Zusammenhang mit den Belegen aus den übrigen altgermanischen Einzelsprachen aufgeführt werden, ist in dieser Arbeit aber, gemessen am heute zugänglichen Korpus, eher gering, so daß die Aussagekraft der Arbeit begrenzt bleibt. In neuerer Zeit hat V. Kaliuscenko in einer Untersuchung der deutschen desubstantivischen Verben auch den Verben des Althochdeutschen ein gesondertes Kapitel gewidmet1181. Da in dieser Darstellung die desubstantivischen schwachen ^«-Verben des Althochdeutschen als "Ableitungen mit Nullmorphem" nicht von den althochdeutschen ôn- und énVerben geschieden werden, ist die Arbeit für das Althochdeutsche selbst nur von eingeschränktem Nutzen. Bevor postuliert wird, daß die drei Ableitungssuffixe -ja, -ô und -ê im Althochdeutschen keine semantische Funktion 1176 1177 1178 1179 1180 1181

M a n vergleiche etwa D. Steinbauer, Etymologische Untersuchungen, S. 87. Ebenda S. 89. M a n vergleiche besonders X. Mignot, Les verbes dénominatifs. Chr. Schaefer, Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 356-383. Die mit - / - abgeleiteten denominativen verba, besonders S. 14-34. M a n vergleiche V. Kaliuäcenko, Deutsche denominale Verben.

258

Ableitungen von einem Nominalstamm

mehr besitzen, müßte dies in einer Untersuchung der einzelnen Verbklassen erst nachgewiesen werden. Dazu kommt, daß V. Kaliuscenko die althochdeutschen Belege mitsamt den Angaben zur Wortbedeutung ausschließlich dem "Althochdeutschen Sprachschatz" E.G. Graffs entnommen hat. Die vorausgesetzten Bedeutungsangaben, auf die sich die semantische Gliederung bezieht, sind daher zwangsläufig nicht immer zuverlässig1182. Die Arbeit macht exemplarisch deutlich, daß ohne am Material geprüfte Bedeutungsangaben keine angemessene semantische Gliederung einer Teilmenge des Verbalsystems erfolgen kann. Die desubstantivischen Ableitungen werden im folgenden nach den Stammklassen der Basissubstantive, so wie sie im Althochdeutschen erhalten sind, untergliedert1183. Die einzelnen Kapitel sind unterteilt in 1. "Ableitungen von nicht-komponierten Substantiven", 2. "Ableitungen von Partikelkomposita" und 3. "Ableitungen von Komposita". Diejenigen Ableitungen, deren Basen im Althochdeutschen nicht bezeugt sind, werden am Schluß gesondert aufgeführt. Der Aufbau der einzelnen Wortartikel folgt den in Kapitel 1.3. genannten Grundsätzen. Am Ende dieses Kapitels werden dann alle desubstantivischen Ableitungen in zwei tabellarischen Ubersichten zusammengestellt. Dabei werden die ^«-Verben zunächst unterteilt in 1. "Urgermanische Bildungen", 2. "Erst im Westgermanischen bezeugte Bildungen" und 3. "Erst im Althochdeutschen bezeugte Bildungen"1184. In einem zweiten Zugriff erfolgt die Einteilung der Simplicia unter zeitund handlungsstrukturellen Gesichtspunkten. Zunächst kann festgehalten werden, daß desubstantivische /¿«-Verben auf der Ebene der Zeitstruktur durativ sind. Durch dieses Merkmal unterscheiden sie sich von den deadjektivischen Faktitiva, die allesamt perdurative Verben sind. Auf handlungsstruktureller Ebene gliedern sich die Desubstantiva in finale und kausale Verben. Die überwiegende Mehrheit der Verben folgt der durativ-finalen Struktur. Die Vielfalt der Motivierungsbeziehungen zwischen substantivischer Basis und Derivat hat aber zur Folge, daß auch bei gleicher Zeit- und Handlungsstruktur noch recht unterschiedliche Verben in einer Teilgruppe zusammentreffen. Anders als im Falle der deadjektivischen Ableitungen, wo sich die althochdeutschen ^¿»-Verben allein mit Hilfe der Unterscheidung ih1182 Sieh dazu auch die Besprechung des Verf., IDF. 16 (1989) S. 597-599. Zum Gehalt der semantischen Analyse sieh auch G. Zifonun, Kratylos 35 (1990) S. 165f. 1183 Man vergleiche BEG. §§ 192. Sieh auch E. Dittmer, Sprachwissenschaft 8 (1983) S. 437-455. Die germanische α-Deklination ist im Althochdeutschen nur noch "in spärlichen Trümmern" erhalten; man vergleiche BEG. § 220. Die Substantive sind zumeist in die iDeklination, seltener in die ¿-Deklination übergetreten. 1184 Als Fortsetzer eines für das Urgermanische anzusetzenden Denominativs werden diejenigen althochdeutschen yii»-Verben angesehen, die zugleich auch im Gotischen oder im Altnordischen bezeugt sind. Zur Problematik der urgermanischen Ansätze sieh Chr. Schaefer, Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 362.

Ableitungen von einem Substantiv

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res handlungsstrukturellen Merkmals in zwei deutlich abgrenzbare Gruppen untergliedern lassen, ist das Bild bei den desubstantivischen y¿«-Verben noch weitaus vielfältiger. Es empfiehlt sich daher, ausgehend von der Bedeutung der Basen, eine weitere Untergliederung, die mit Hilfe von semantisch-syntaktischen Deutungsformeln erfolgen kann, so wie sie auch von Chr. Schaefer ihrer Untersuchung der Semantik der germanischen desubstantivischen ôn-Vcrben zu Grunde gelegt worden sind" 85 .

α. Durativ - finale Verben Unter "Durativa" sollen solche Verben verstanden werden, die eine zeitlich nicht begrenzte Handlung, beziehungsweise mehrere einzelne Handlungsakte in nicht begrenzter Zahl bezeichnen, über deren Endpunkt nichts ausgesagt wird. Als "final" gelten Verben dann, wenn die Verbalhandlung eine willentliche Handlung voraussetzt. Die Kombination der zeit- und handlungsstrukturellen Merkmale ergibt den Typ "durativ - final", der noch weiter untergliedert werden kann. 1. FACIENTIVA Verben vom Typ arbeiten 'sich mühen, plagen, bedrängen' zu einer substantivischen Basis arbeit 'Drangsal, Mühe'. Facientiva sind auf der Ebene der Zeitstruktur durative Verben. Auf der Ebene der Handlungsstruktur sind Facientiva finale Verben. Den facientiven Desubstantiva liegt eine zweiwertige Struktur zu Grunde, die mit der Paraphrase "jemand macht BS (BS = Basissubstantiv)" umschrieben werden kann1186. Dabei ist das Basissubstantiv zugleich Inhalt der Verbalhandlung. Sie unterscheiden sich auf der Ebene der Zeitstruktur von Verben, die ebenfalls mit der Paraphrase "jemand macht BS" beschrieben werden können, bei denen das Basissubstantiv aber zugleich das Ergebnis der Verbalhandlung ist. Diese Verben, die als Efficientiva bezeichnet werden können1187, sind nicht-durative Verben des Typs germ. * Badián 'Bett machen', * Bru giôn 'Brücke schlagen'"88. Solche nicht-durativen Verben können auf der Ebene der systematischen Bedeutung unter den althochdeutschen desubstantivischen ^«-Verben nicht nachgewiesen werden.

1185 1186 1187 1188

Man vergleiche zu diesem Verfahren Chr. Schaefer, ebenda S. 358-361. Ebenda S. 370. Man vergleiche ebenda S. 370. Ebenda S. 368 und S. 369.

Ableitungen von einem Nominalstamm

260

2. ORNATIVA Verben vom Typ zünen 'verzäunen' zu einer substantivischen Basis zûn 'Zaun'. Ornativa sind auf der Ebene der Zeitstruktur durative Verben. Auf der Ebene der Handlungsstruktur sind Ornativa finale Verben. Den ornativen Desubstantiva liegt eine dreiwertige Struktur zu Grunde, die mit der Paraphrase "jemand versieht jemanden/etwas mit BS" umschrieben werden kann1189. Bei den Verben dieses Typs sind zwei Gruppen zu unterscheiden. Neben den "reinen" Ornativa, die deutlich eine Versehensstruktur zum Ausdruck bringen, stehen zahlreiche Verben, die auf eine vereinfachte Paraphrase "jemand gibt jemandem etwas" zurückgeführt werden können. Diese Unterscheidung ist besonders bei der Beschreibung der Semantik neuhochdeutscher Verben von großem Wert, da sich die meisten Neubildungen, die diesem Muster folgen, gar nicht mehr zutreffend mit einer Paraphrase "jemanden/etwas mit etwas versehen" beschreiben lassen1190. Auf der Ebene des Althochdeutschen scheint der Terminus "Ornativ" als Oberbegriff jedoch noch geeignet, zumal eine eindeutige Entscheidung (etwa im Falle von wafanen 'bewaffnen' als 'mit Waffen versehen' oder als 'Waffen geben') nicht immer möglich ist1191. 3. I N S T R U M E N T A L ^ Verben vom Typ kemben 'Wolle krempeln, kämmen' zu einer substantivischen Basis kamb 'Kamm 1 . Instrumentalia sind auf der Ebene der Zeitstruktur durative Verben. Auf der Ebene der Handlungsstruktur sind Instrumentalia finale Verben. Den instrumentalen Desubstantiva liegt eine dreiwertige Struktur zu Grunde, die mit der Paraphrase "jemand macht etwas mit BS" umschrieben werden kann, in der das Basisnomen in der Kasusrolle des "Instrumentals" vorliegt1192. 4. OCCUPATIVA Verben vom Typ fulken 'gruppieren, formieren' zu einer substantivischen Basis folk 'Volk'. Occupativa sind auf der Ebene der Zeitstruktur durative Verben. Auf der Ebene der Handlungsstruktur sind Occupativa finale Verben. Den occupativen Desubstantiva liegt eine dreiwertige Struktur zu Grunde, die mit der Paraphrase "jemand macht etwas mit BS" umschrieben werden

1189 1190 1191 1192

Ebenda S. 376. M a n vergleiche P. von Polenz, ZDSp. 24 (1968) S. 152f. M a n vergleiche dazu auch Chr. Schaefer, Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 360. Sieh dazu ebenda S. 379.

Ableitungen von einem Substantiv

261

kann, in der das Basisnomen in der Kasusrolle des "Objective" erscheint1193. Als "Occupativa" werden hier solche Verben bezeichnet, deren Basissubstantiv nicht nur allgemein auf das Objekt der vom Verb identifizierten Handlung weist. Voraussetzung ist, daß eine Handlung bezeichnet wird, die auf das Basissubstantiv einwirkt. Nur in sehr geringem Umfang erscheinen auch Verben, die einem der folgenen Typen zugerechnt werden können: 5. PRIVATIVA Verben vom Typ kurnen 'dreschen, entkernen 1 zu einer substantivischen Basis korn 'Kern, Same'. Privativa sind auf der Ebene der Zeitstruktur durative Verben. Auf der Ebene der Handlungsstruktur sind Privativa finale Verben. Den privativen Desubstantiva liegt eine zweiwertige Struktur zu Grunde, die mit der Paraphrase "jemand holt BS weg, bringt BS zum Vorschein" umschrieben werden kann. In der Deutungsformel muß ein Verb des "Wegnehmens" eingesetzt werden können1194. Es ist gelegentlich nur schwer zu entscheiden, ob ursprünglich von einer occupativen Struktur ("jemand macht etwas mit BS") ausgegangen werden muß, die sich mit der der echten Privativa nur berührt. Bei der Mehrzahl der "echten" Privativa handelt es sich im Althochdeutschen um Präfixbildungen des Typs int-beinen, bei denen die semantische Struktur dann eindeutig durch das Präfix bestimmt wird. 6. AGENTIVA Verben vom Typ got. siponjan 'Jünger sein' zu einer substantivischen Basis siponeis 'Jünger'. Agentiva sind auf der Ebene der Zeitstruktur durative Verben. Auf der Ebene der Handlungsstruktur sind Agentiva finale Verben. Bei dem agentiven Ableitungstyp liegt das Grundwort in einem Basissyntagma als Rollenprädikativum oder Vergleichsprädikativum "als/wie ein durch BS Bezeichneter handeln" vor1195. Dieser Typ ist bei den althochdeutschen ykw-Verben nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Verben vom Typ ambahten 'jemandem dienen, ein Amt verwalten' können als Facientiva auf eine substantivische Basis ambaht st.N. 'Dienst' oder als Agentiva auf eine Basis ambaht st.M. 'Knecht, Diener1 bezogen werden.

1193 M a n vergleiche C.J. Fillmore, The case for case, S. 25. Zur Kategorie des "Objective" auch derselbe, Some problems for case grammar, S. 25 If. Deutliche Kritik an der Unscharfe des Begriffs, wie er sich zum Beispiel in der Untersuchung von J. West zeigt, ZDPh. 100 (1981) S. 327, übt Chr. Schaefer, Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 361f. M a n vergleiche auch P. von Polenz, ZDSp. 24 (1968) S. 152. 1195 Man vergleiche dazu Chr. Schaefer, Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 363.

262

Ableitungen von einem Nominalstamm

ß. Durativ - kausale Verben Auch bei der zweiten Gruppe der desubstantivischen Ableitungen handelt es sich wieder um Durativa. Im Unterschied zu den durativ - finalen Verben ist jedoch das handlungsstrukturelle Merkmal dieser Verbalbildungen anders zu beurteilen. Mit den durativ - kausalen Verben werden Verben erfaßt, bei denen sich mit der Verbalhandlung eine vom menschlichen Willen unabhängige Handlung vollzieht. 1. FIENTTVA Verben vom Typ bluoten 'bluten' zu einer substantivischen Basis bluot 'Blut'. Fientiva sind auf der Ebene der Zeitstruktur durative Verben. Auf der Ebene der Handlungsstruktur sind Fientiva kausale Verben. Den fientiven Desubstantiva liegt eine einwertige Struktur zu Grunde, die mit der Paraphrase "BS vollzieht sich" umschrieben werden kann1196. 2. EMOTIVA Verben vom Typ hungaren 'hungern' zu einer substantivischen Basis hungar 'Hunger'. Emotiva sind auf der Ebene der Zeitstruktur durative Verben. Auf der Ebene der Handlungsstruktur sind Emotiva kausale Verben. Den emotiven Desubstantiva liegt eine zweiwertige Struktur zu Grunde, die - je nach Kontext - mit der Paraphrase "jemand hat BS" bzw. "jemand empfindet BS" umschrieben werden kann1197.

A. Ableitungen von einem

-Stamm

a. Ableitungen von Simplicia int-adalen 'entarten, aus der Art schlagen', (Gl.); KFW. 1,28, StWG. N. 785, RVA. 1. Zwei Belege; StSG. 11,434,45 Decolor [plebs] ungilihhiu antadaltaz. missigengigaz. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11. Jh., bair.-alem.; Glosse zu Prud. perist. 2,365f. ... Iudaea quem plebs aureo boue inquinata et decolor expauit. "... vor dem das jüdische Volk, das durch das goldene Kalb entstellt und entartet war, zurückschreckte." - StSG. 11,753,54 (Degeneres) : cntcdcltc, E. Steinmeyer, zur Stelle: dh. antadalta\ Glosse zu Sulp. Sev. dial. 1,26; Clm 18547b; Nr.437, BV. 650, 11.Jh., bair. (Nur ahd.; man vergleiche auch mnl. ádelen)im. 1196

Ebenda S. 367. Ebenda S. 374. Zu den Verben, die in die Paraphraseformel eingesetzt werden können, vergleiche man P. von Polenz, ZDSp. 24 (1968) S. ISO. 1198 Sieh dazu LSEW. 1,49. 1197

Ableitungen von einem Substantiv

263

Wohl zu adal st.N.(M.) 'Geschlecht, Abstammung, Sippe', KFW. 1,27, SchW. 82, StWG. 14; man vergleiche as. athal-, afr. ethel-, ae. ceÖel-, an. adal. E. KargGasterstädt - Th. Frings stellen das Verb zum Adjektiv adal 'zum Adel gehörig, adelig'1199. Es handelt sich aber bei int-adalen 'aus der Art schlagen, sich von der Lebensweise seines Geschlechtes entfernen' um ein Verb des Typs ahd. int-beinen, nhd. entkernen mit der Bedeutungsstruktur 'etwas entfernen, sich von etwas entfernen'. Diese Verben erscheinen wie ahd. int-adalen meist mit dem Präfix int- und werden von Substantiven gebildet. Die nicht-durative Bedeutung wird durch das Präfix hervorgerufen. Auch sprachhistorisch ist das Substantiv älter, das Adjektiv eine jüngere Bildung1200. Wenn G. Darms1201 recht hat, der die beiden bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings unter dem Ansatz adal Adj. aufgeführten Belege einer genaueren Betrachtung unterzieht und zu dem Ergebnis gelangt, daß das Vorhandensein eines Adjektivs ahd. adal nicht gesichert werden kann, dann ist die Annahme einer deadjektivischen Ableitung noch unwahrscheinlicher geworden, "intadalen" kann "ohne weiteres auch vom Subst. abgeleitet sein"1202. ambabten 'dienen, ein Amt verwalten, etwas ausführen', (B. GB. MF. N. OT. T. WH.; Gl.); KFW. l,318f„ SchW. 86, RMWA. 88, StWG. 23, RVA. 2. Zuerst StSG. 1,765,41 (Korrektur bei L. Voetz1203) Ministrata : kianbahtiu aus der Handschrift St. Gallen, StiftsB. 70; Nr. 154, BV. 179, 8.Jh„ alem.1204; Glosse zu II Cor 3,3 manifestati quoniam epistula estis Christi ministrata a nobis ... "Weil von euch offenbar wird, daß ihr ein Brief Christi seid, ausgeführt von uns ..." - Die Bedeutung 'ein Amt verwalten' erscheint zuerst StSG. 1,34,13 Administrât : ampahtit Pa. ambahtit Kb. zo ampattit Ra. und StSG. 1,297,52 Peifungar : ambathiu aus der Handschrift Paris, BN. lat. 2685; Nr.506, BV. 741, 9.Jh., mfrk.1205. (Man vergleiche ae. ambehtan, got. andbahtjan 'dienen, etwas leisten')1206. Wohl zu ambaht st.N. 'Aufgabe, Dienst, Amt, Auftrag', KFW. l,314f„ SchW. 86, StWG. 23; man vergleiche as. ambaht, afr. ombecht, ae. ambeht (aus kelt. ambactus). Das jan-Verb kann aber auch auf das daneben stehende Substantiv

1199

KFW. 1,28, mit Verweis. Zum Adjektiv sieh SchW. 82, StWG. 14; man vergleiche ae.

xöele. 1200 Sieh dazu W. Betz, Z u m germanisch-etymologischen Wörterbuch, S. 10. Zur Etymologie von adal u n d edil sieh R. Hiersche, Deutsches etymologisches Wörterbuch, S. 30f., zur Bedeutungsentfaltung im Althochdeutschen H. Zutt, Adel und edel, S. 27. 1201 Schwäher und Schwager, S. 192f. 1202 Ebenda S. 192. 1203 Neuedition der althochdeutschen Glossen des Codex Sangallensis 70, S. 489. 1204 M a n vergleiche R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 13. 1205 Sieh dazu KFW. 1,319. 1206 Sieh dazu LSEW. 1,196.

264

Ableitungen von einem Nominalstamm

ahd. ambaht st.M. 'Knecht, Diener' bezogen werden1207. Es läge dann ein Agentivum mit der Bedeutung "machen, was ein Diener macht" vor. Für die Mehrzahl der althochdeutschen Belege, man vergleiche 'ein Amt verwalten, einen Auftrag ausführen', dürfte aber das Neutrum die Basis gewesen sein. Dieses ist zudem auch weiter verbreitet als das Maskulinum 1208 . Darüber hinaus hat L. Voetz1209 gezeigt, daß ein produktives Nebeneinander von Neutrum und Maskulinum nur im ältesten Althochdeutsch bestanden hat. In der Folgezeit ist das Maskulinum durch die Neubildung ambahtman zurückgedrängt worden. Auch sind sogenannte Agentiva unter den althochdeutschen ^»-Verben insgesamt nur selten. Die Ableitungen vom Neutrum dürften nach dem Muster einer Paraphrase "BS machen", auf eine Bedeutung 'einen Dienst versehen, einen Auftrag ausführen' zurückzuführen sein. Die Bedeutung 'ein Amt verwalten' könnte daneben auch auf ein occupatives Muster weisen. Die Unschärfen bei der semantischen Klassifikation sind möglicherweise durch den Status der Basis als Lehnwort bedingt. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] int-beinen 'die Knochen entfernen, zernagen; zerfleischen, völlig vernichten', (Gl.); KFW. 1,849, StWG. 44, RVA. 6. Zuerst StSG. 1,634,34 Exossauit : infanta·, in vier Handschriften der Gruppe M. Glossiert wird bei allen Belegen 1er 50,17 grex dispersas Israhel leones eiecerunt eum primus comedit eum rex Assur iste novissimus exossavit eum Nabuchodonosor rex Babylonis. "Eine zerstreute Herde ist Israel, Löwen verscheuchen es. Zuerst hat es der König von Assur verschlungen und nun zuletzt hat Nabuchodonosor, der König von Babylon, seine Knochen zernagt." Gemeint ist, wenn selbst die Knochen verzehrt sind, ist nichts mehr vom Leibe übrig. Wenn dies vom Glossator ebenso verstanden wurde, ist mit dem Bedeutungsansatz des KFW., wo für das privative Verb 'das Fleisch vom Knochen lösen' (neben 'auffressen, zerfleischen') angenommen wird, allenfalls die systematische Bedeutung erfaßt. Die Bedeutungsangabe ist in diesem Kontext zu eng und gibt hier schon deshalb keinen Sinn, weil das Fleisch des Körpers bereits verschlungen ist. (Nur ahd.); bezeugt ist nur das Präfixverb. Die perdurative Bedeutung wird durch das Präfix hervorgerufen. Zu bein st.N. 'Knochen, Gebein; Bein', KFW. 1,846 (mit Verweis), SchW. 93, StWG. 44; man vergleiche as. bén, afr. ben, ae. bân, an. bein1210. besten 'nähen, mit einem Bastfaden binden, schnüren, grob nähen', (Gl.); KFW. 1,919, StWG. 48, RVA. 7. Nur im Summarium Heinrici, u.a. StSG. 111,308,5 Sarcio naio. besto. bozzo. 1207 Dazu der Ableitungsverweis KFW. l,313f.; so auch - allerdings ohne Begründung - J. Dishington, Language 52 (1976) S. 816. 1208 Sieh dazu G. von Olberg, Die Bezeichnungen für soziale Stände, S. 204 mit A. 6. 7. 1209 Komposita auf -man, S. 50-53. 1210 Sieh dazu FTW. 257.

Ableitungen von einem Substantiv

265

(Nur ahd.; sieh auch mnl. besten-, von der gleichen Basis mnd. basten, an. basta). Zu bast st.M.N. 'Bast, Seil, Band aus Bast', KFW. 1,831, StWG. 43; man vergleiche as. bast, ae. bxst, an. bastnn. Zu germ. * Basta- und mhd. buost sieh G. Darms1212. Auf eine möglicherweise zu Grunde liegende Verbalwurzel idg. *b*>es- weist J. Koivulehto1213. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] bluoten 'bluten, blutig sein', (BR. N.; Gl.); KFW. 1,1240, SchW. 99, RMWA. 92, StWG. 68 bluotenti, RVA. 11. Zuerst wohl StSG. 1,78,11 sanguinolentum : ploatenti Pa. Kb. und Baseler Rezepte 39,23 rip anan daz simply unz dqz iz blöde. (Man vergleiche afr. bleda, ae. bttdan, an. blaeÖa). Zu bluot st.N. 'Blut', KFW. l,1234f„ SchW. 99, StWG. 68; man vergleiche as. blöd, afr. blod, ae. blöd, an. bloö, got. blop. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIVj bouh(ba)nen 'zeigen, (durch Zeichen) andeuten, bezeichnen, versinnbildlichen', (I. MF. MH. O. OT. T.; Gl.); KFW. 1,1294, SchW. 100, RMWA. 80, StWG. 71, RVA. 12. Zuerst StSG. 1,22,16 Annuii : pauhnit Pa. Kb. Ra. - Isidor 31,13 Mutatio nominis quid significaba^ Uuexsal dbes nemin huuazs bauhnida? (Man vergleiche as. bôknian, ae. bêacnian, an. bákna). Zu bouhhan st.N. 'Typus, Sinnbild, Zeichen', KFW. l,1293f. (mit Verweis), SchW. 100, StWG. 71; man vergleiche as. bôkan, afr. beken, baken\ ae. bêacen, an. bákn. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] brâdemen 'dampfen, dunsten', (Gl.); KFW. 1,1307, StWG. 72, nicht RVA. Belegt nur im Summarium Heinrici, StSG. III,264,45f. Vaporo idömon. i bradamo, in der Handschrift Wien, ÖNB 2400; Nr.617, BV. 945 und Clm 2612; Nr.313, BV. 461, 12.Jh„ bair. (Nur ahd.). Zu brädam st.M. 'Dampf, Dunst', KFW. 1,1307 (mit Verweis), StWG. 72; man vergleiche mnd. brâdemm4. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV) ana-brurten 'anfangen, Anlaß zu etwas geben', (eine Belegstelle, StSG. 1,92,35 initiauit : anaprurtit Pa. anaprurdit Kb.); KFW. 1,1456, StWG. 81; sieh RVA. 20 unter ana-brurten und RVA. 147 ana-prurten.

1211 1212 1213 1214

Sieh FTW. 269, LSEW. 1,569. Schwäher und Schwager, S. 257-264. Besen und Bast, S. 254 mit A. 10. Man vergleiche DWB. 2,291.

266

Ableitungen von einem Nominalstamm

(Man vergleiche ae. ge-in-biyrdan 'anreizen, anregen, beseelen')1215. Die neben dem /¿«-Verb ana-brurten und entibrurten stehenden Substantive ahd. entibrurtida und endibrurdnessi Ordnung, Reihe' (KFW. 3,308) sind Verbalabstrakta1216. Auch ahd. brurtî st.F. Ordnung, Reihe' (KFW. 1,1456, StWG. 81) kommt als femininer /«-Stamm nicht als Basis des /¿«-Verbs in Betracht, da es selbst eine verbale Basis voraussetzt1217. Die Ausgangsbedeutung 'anstacheln, anreizen', die H. Gneuss für das altenglische Verb erwiesen hat, läßt sich mit dem althochdeutschen janNzib unter Annahme einer Bedeutungsentwicklung verbinden, die ausgehend von einer Bedeutung 'anstacheln' einerseits zu 'Anlaß zu etwas geben, anfangen' und andererseits über 'anreizen' zu 'beseelen' geführt hätte. Beide Verben können dann - mit F. Holthausen für ae. -bîyrdan - als Ableitung von einem Substantiv betrachtet werden, das vorliegt in ahd. brort st.M. 'Rand, Kante, (Zier-) Band' (KFW. 1,1418 mit Verweis, SchW. 102, StWG. 79), ae. brord 'Spitze, Keim, Blatt' und an. broddr 'Spitze'1218. J. Spletts Ablehnung des von R. Torkar vorgelegten Deutungsversuchs ('ordinieren', Ordinierung') wird durch den Anschluß an das Substantiv zusätzlich gestützt. Für das nicht-präfigierte Verb wäre dann von einer systematischen Bedeutung "etwas mit einer Spitze machen" auszugehen. buosumen 'krümmen, ausbuchten', (Gl.); KFW. 1,1508, StWG. 85, RVA. 21. Zwei Belege, zuerst wohl StSG. 11,615,18 Sinuata : gebosemete, Pommersfelden 2671; Nr.523, BV. 781, 9./10. Jh., mfrk.1219. Glossiert wird Sed. carm. pasch. 25,1,133 Mitis in inmitem uirga est animata draconem, Per plexos sinuata globos linguisque trisulcis Squamea colla tumens, inimicos ore chelidros Sorbuit... "Ein zartes Reis ist als wilde Schlange belebt worden, die durch verschlungene Klumpen gekrümmten und durch dreispitzige Zungen schuppigen Hälse aufschwellend, verschlang sie mit dem Maul die feindlichen Schlangen"1220. Daneben StSG. 11,684,15 Sinuo : pusimo. E. Steinmeyer hat die Glosse fragend, aber wohl zu Recht zu lat. sinuoso (Verg. Georg. 1,244 ... maximus hic flexu sinuoso elabitur Anguis.) gestellt. Es handelt sich in der Handschrift um einen Abschnitt mit Georgica-Glossen, in dem sinuoso auch in der Abfolge des Textes zutreffend eingeordnet wäre. Lat. sinuo dagegen ist im gesamten Vergil-Korpus unbelegt.

1215 Sieh dazu R. Torkar, IF. 77 (1972) S. 98 Α. 7, F. Holthausen, Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 37, H. Gneuss, Lehnbildungen, S. 77. Zur Bedeutung des althochdeutschen ya«-Verbs sieh J. Splett, Abrogans-Studien, S. 159. 1216 Sieh dazu E. Dittmer, Die althochdeutschen Verbalabstrakta, S. 294 und 297. 1217 Eine Zusammenstellung der Belege und Ableitungen gibt R. Torkar, IF. 77 (1972) S. 98 mit Α. 7. 1218 Sieh dazu FTW. 266 unter Bruzäa, Brazäa, Brezda\ zum Ablaut in dieser Wortfamilie BEG. £ 50 Α. 2. 121 Sieh P. Pauly, Die althochdeutschen Glossen der Handschrift Pommersfelden, S. 168f. 1220 Man vergleiche ebenda, S. 66.

Ableitungen von einem Substantiv

267

(Man vergleiche as. ût-bôsmian). Zu buosum st.M. 'Busen, Bausch des Gewandes; Schoß; bauschige Rundung, Aufgebauschtes', KFW. l,1507f. (mit Verweis), SchW. 104, StWG. 85; man vergleiche as. bôsum, afr. bôsm, ae. bôsummi. Es liegt eindeutig kein duratives Verb vor. Da man nicht annehmen kann, daß alle unkomponierten desubstantivischen Verben ausnahmslos Durativa sein müssen, kann ahd. buosumen als Ausnahme von dieser Verteilungsregel angeführt werden. Wenn das jattVerb wirklich eine desubstantivische Bildung ist, dann könnte die perdurative Zeitdauerart im ersten Fall allerdings auch so erklärt werden, daß das lateinische Interpretament als Adjektiv aufgefaßt und dementsprechend glossiert wurde. Im zweiten Fall wird ohnehin ein Adjektiv übersetzt. Die Herkunft der Basis ist zudem unklar1222, so daß nicht auszuschließen ist, daß neben dem Substantiv buosum ein Adjektiv in der Bedeutung 'krumm, gebogen', möglicherweise mit dem Suffix urgerm. -uma, gestanden hat, das selbst die Basis für das Substantiv und das jan-Verb abgibt. [PERDURATIV, KAUSAL - FACIENTIV?] dempfett 'bedrängen, würgen, ersticken, töten', (N. T.; Gl., bi- N. OT. T. WH.; Gl., ir- MF. N.; Gl., fir- OT. T.; Gl., untar- Gl.); SchW. 109, RMWA. 67, StWG. 93, RVA. 225. Zuerst wohl StSG. 1,251,21 suffogat : themphit Kb. und die Präfixbildung StSG. 1,130,37 sufocado : fordampsit Pa. firthemphit Kb. firdemfit Ra.1223. - Tatian 159,5f. uzgangenti tho ther scalc fant einan sinan ebanscalc ther scolta imo zehenzug pfendingo inti gifahenti thamfta inan sus quedenti. (Man vergleiche as. bidempian). Das jan-Yerb steht im Althochdeutschen neben den Substantiven dampf st.M 'Dampf, Rauch, Dunst' und dampfo sw.M. 'schwerer Katarrh, Schnupfen'. Das starke Maskulinum steht in einem Ablautverhältnis mit den schwundstufigen Bildungen mnd. dumpen 'auslöschen' und dumpe 'Asthma', so daß mit einiger Wahrscheinlichkeit ein primäres ¿-stufiges Verb als Zentrum dieser Ableitungen anzunehmen ist. Im Althochdeutschen ist ein Fortsetzer eines solchen Verbs germ. * dempa- nicht bezeugt1224. Spuren eines solchen Verbs haben sich jedoch erhalten in mhd. dimpfen 'dampfen, rauchen"225. E. Seebold1226 hält das mittelhochdeutsche Verb aber, trotz der ablautenden Sub-

1221 1222 1223 1224

Sieh auch FTW. 272. Man vergleiche KEW. 116. Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 198f. Anders, aber ohne Nachweise, E. Theobald, Sprachwandel bei deutschen Verben, S.

100. 1225 LH. 1,433. Ein Hinweis im SEW. fehlt. Man vergleiche dazu H. Tiefenbach, BNF. NF. 6 (1971) S. 396. 1226 KEW. 127.

Ableitungen von einem Nominalstamm

268

stantive und schwachen Verben, eher für eine Rückbildung1227. Skeptisch äußert sich dagegen B. Meineke1228. An einer Stelle wie dieser, wo ein germanisches starkes Verb die beste Erklärung für die Herkunft weiterer verwandter Bildungen abgibt, sollte nicht von vornherein von einer jüngeren Neubildung ausgegangen werden. Ob ein solches Verb nur zufallig erst in einer jüngeren Sprachstufe bezeugt ist, oder aber untergegangen und später nach analogen Mustern neugebildet wurde, ändert nichts an der Berechtigung des Ansatzes für das Germanische. Ob aber das yaw-Verb selbst auf das primäre Verb zurückgeführt werden kann1229, scheint fraglich, nicht nur weil dieses im Althochdeutschen fehlt, sondern auch deshalb, weil kein kausatives oder sonst vergleichbares Bedeutungsverhältnis vorliegt. Vielmehr dürfte es sich um eine denominale Ableitung handeln, wobei zunächst sowohl dampf (KFW. 2,32, dort aber als thampf, mit Ableitungsverweis auf dempfen, dort als thempfen, StWG. 89) als auch dampfo (KFW. 2,33, dort als thampfo, StWG. 89) als Basis in Frage kommen. Auf Grund der Bedeutung 'Katarrh' stellt R. Hiersche1230 das Verb zu dem schwachen Maskulinum. Ableitungen von schwachen Substantiven sind aber unter den althochdeutschen ^«-Verben nur vergleichsweise selten bezeugt. Auch kann ein vergleichbares Bedeutungsverhältnis zwischen jan-Vtrb und Substantiv sonst nicht nachgewiesen werden. Es ist daher eher wahrscheinlich, daß dampf 'Rauch, Qualm, Dunst' als das Instrument erscheint, das die in ahd. dempfen vorliegenden Bedeutungen 'würgen, töten, ersticken' verursacht. Auf diese Weise ergibt sich ein Anschluß an eines der übrigen semantischen Ableitungsmuster1231. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] dingen 'hoffen, vertrauen, streben; etwas gerichtlich durchsetzen', (Ν. Ο. P. WH.; GL); SchW. I l l , RMWA. 70, StWG. 100, RVA. 28. Otfrid 3,l,23f. Theih Mar in libe iruuizze, zi thînemo dísge ouh sizze, sô er déta after thíu, ih muazî thingen zi thiu. (Man vergleiche afr. thingia, ae. pingan). Zu germ. *pingon 'Gericht halten, versprechen' sieh Chr. Schaefer1232.

1227

So auch U. Hempen, Die starken Verben im Deutschen, S. 197. ZDL. 57 (1990) S. 387. 1229 So PEW. 254. 1230 Deutsches etymologisches Wörterbuch, D,26. 1231 Zur Bedeutung 'töten, ersticken 1 als Übersetzung von lat. necáre (so zum Beispiel StSG. 11,287,59; 11,473,11) vergleiche man W. Schulze, Beiträge zur Wort- und Sittengeschichte, S. 156f., zur Übersetzungstechnik sieh H. Götz, PBB. 82 (Sonderband H 1960) S. 142, derselbe, Zur Bedeutungsanalyse, S. 66. Man vergleiche ferner D. Rosenthal, Tod, S. 111. 1232 Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 370. 1228

Ableitungen von einem Substantiv

269

Zu ding st.N. 'Gericht', SchW. 111, StWG. 100; man vergleiche as. afr. thing, ae. an. ping, got. peihsim. Zu den Flexionsklassenschwankungen des Verbs seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert vergleiche man E. Theobald1234 [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] gi-diuben 'stehlen', (O.); SchW. 113, RMWA. 65, RVA. 29. Otfrid 4,36,9f. Nu héiz thes grabes uualtan, fora jûngorôn sînên háltan, thaz sie únsih ni bisuíchen, tharazúa nifirslîchên; Tház sie thaz ninthékên, mit stâlu nan nirzúckén, noh ínan thâr githiubên, thên Mutin sih giliubên. (Nur ahd.; man vergleiche daneben ae. peofian, an. püfa). Wohl zu diob st.M. 'Dieb', SchW. 112, StWG. 101; man vergleiche as. thiof, afr. thiâf, ae. pêof, an. pjófr, got. piufsmi\ daneben ahd. diuba 'Diebstahl', SchW. 113, StWG. 103; man vergleiche got. piubi. Das Abstraktum ist jedoch seltener bezeugt. Da agentivische y iww > iuw12!6) entstanden, so daß das Verb als altes jan-Veib erwiesen ist. Es handelt sich um eine Ableitung von einem Substantiv *peo st.M. aus germ. *pewa- 'Diener, Sklave', das in vorahd. fränk. theo 'Knecht, Diener' vorliegt1237. Das Substantiv lebt fort in Personennamen wie Eggi-deo, Helm-theo\ man vergleiche auch got. piusim. Im appellativischen Wortschatz des Althochdeutschen ist allein das Femininum thiu 'Dienerin, Magd' erhalten. Ver1233

Sieh KEW. 144; sieh auch H.Götz, Leitwörter des Minnesangs, S. 156f, E. KargGasterstädt, Althochdeutsch Thing, besonders S. 15; FTW. 185. 1234 Sprachwandel bei deutschen Verben, S. 237-241. 1235 Sieh KEW. 142. 1236 M a n vergleiche BEG. § 114b. 1237 Sieh dazu R. Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungenen, S. 374f.; man vergliche auch K. Michel, Die mit - i - abgeleiteten denominativen verben, S. 17. 1238 Sieh auch S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 206, W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 34.

270

Ableitungen von einem Nominalstamm

gleichbar der Bedeutung von ahd. scalken 'knechten' ist von einer Paraphrase "jemanden wie einen Knecht behandeln" auszugehen. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] gi-eiden 'jemanden schwören lassen, einen Eid abnehmen', (Gl.); KFW. 3,97f., StWG. 118 gi-eidôn, -eiden, RVA. 34f. Zuerst StSG. 1,305,65 Adiurem : gieitte, aus der Handschrift Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11 Jh., bair.1239; Glosse zu Gn 24,3 ut adiurem te per Dominum Deum caeli et terrae ut non accipias uxorem filio meo de filiabus Chananeorum inter quos habito. "Damit du mir bei dem Herren, dem Gott des Himmels und der Erde, schwörst, daß du meinem Sohne kein Weib nehmen wirst von den Töchtern der Khanaaniter, unter denen ich wohne." (Man vergleiche afr. êtha, êda)nw. Zu eid st.M. 'Eid', KFW. 3,95 (mit Verweis), SchW. 120, StWG. 118; man vergleiche as. éd, afr. êth, êd, ae. aÖ, an. eiör, got. aips. gi-êren1 'etwas mit Metall beschlagen, bronzieren 1 , (ein Beleg StSG. 11,661,62 Aerate \peltae] : giertiu)·, KFW. 3,384, StWG. N. 805 (Korrektur zu ebenda 131), RVA. 36. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 18059; Nr.428, BV. 634, 11.Jh., bair.; Glosse zu Verg. Aen. 7,743 aerataeque micant peltae, micat aereus ensis. "Erzblank blitzen ihre Schilde, es blitzt von Erz ihr Schwert." (Nur ahd.); da nur eine Partizipform überliefert ist, könnte auch an die Existenz eines ίο-Adjektivs gedacht werden. Eine eindeutige Verbform liegt daneben aber vor für ahd. gi-êrôn 'etwas mit Metall beschlagen'1241. Zu er st.N. 'Erz, Metall', KFW. 3,346, SchW. 124, StWG. 129; man vergleiche as. êr, ae. âr, an. eir, got. aiz. feimen 'schäumend von sich geben, aufschäumen; toben', (N.; Gl.); KFW. 3,694, SchW. 131, RMWA. 78, StWG. 145, RVA. 38. Zuerst StSG. 1,142,25 fremidus : faimti Pa. feimendi Kb. - StSG. 11,654,35 Spumant : ueimtun, aus der Handschrift Clm 18059; Nr.428, BV. 634, 11 Jh., bair. Glosse zu Verg. Aen. 5,140f. ferit aetbera clamor nauticus, adductis spumant fréta uersa lacertis. "Zum Äther empor dringt das Geschrei des Seemanns, beim Ruck der Arme schäumen die Wogen." (Man vergleiche a z . f ê m a n 'schäumen'). Zu feim st.M. 'Schaum', KFW. 3,693 (mit Verweis), SchW. 131, StWG. 144£; man vergleiche a t . f â m , f ê m . [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV]

1239 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 507-513. 1240 Mit kurzvokalischem Ansatz KFW., doch man vergleiche F. Holthausen - D. Hofmann, Altfriesisches Wörterbuch, S. 22. 1241 Sieh dazu KFW. 3,429.

Ableitungen v o n einem Substantiv

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filien 'schlagen, geißeln, züchtigen; schinden, Haut, Fell abziehen', (G. MF. N. NG. O. OT. T.; Gl.); KFW. 3,822, SchW. 133, RMWA. 77, StWG. 151, RVA. 40. StSG. 1,138,27 flagellis : filien Pa. Kb. (Man vergleiche as.fillian, αιτ. filia). Zu fei st.N. 'Haut, Fell', KFW. 3,699f. (mit Verweis), SchW. 131, StWG. 145; man vergleiche as. afr. ae. fei, an. fiai, got. prûtsfill·, aus lat. pellis. Es wird in der Mehrzahl der Fälle lat. flagellare 'geißeln, peitschen, schlagen' glossiert bzw. übersetzt. Man vergleiche etwa Tatian 77,25; Otfrid 4,22,17 (zu Io 19,1). Die durative Bedeutung scheint daher die ältere zu sein, das unpräfigierte privative 'enthäuten' dagegen das Ergebnis jüngerer Bedeutungsentwicklung. Man vergleiche auch unter fleiscen. Das nur im Alt- und Mittelhochdeutschen bezeugte Substantiv filia 'Peitsche, Geißel' st.sw.F. dürfte postverbal sein1242. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] ftureti 'leuchten, flammen', (ein Beleg StSG. 1,649,16 lgnitorum : giviurtero in sechs Handschriften der Gruppe M.); KFW. 3,931, StWG. 161, RVA. 41. Glosse zu Ez 28,14 tu cherub extentus et protegens et posui te in monte sancto Dei in medio lapidum ignitorum ambulasti ... "Du warst ein aufmerksamer, schirmender Cherub, ich setzte dich auf den heiligen Berg und du wandeltest inmitten flammender Steine ..." Der Bedeutungsansatz 'glühend machen' bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings wird weder dem Kontext noch der desubstantivischen Ableitungsstruktur gerecht. Es liegt ein duratives Verb vor. (Nur ahd.; man vergleiche von der selben Basis ae.fyrian). Zu fiur st.N. 'Feuer, Flamme, Feuersglut, Feuerschein', KFW. 3,925f. (mit Verweis), SchW. 135, StWG. 161; man vergleiche as. fiur, afr. fior, fiur, At.fyr, an. fúrr. Für das Westgermanische ist ein r/»-Stamm *fewur 'Feuer' anzusetzen1243. Das jan-Vcrb ist jedoch nur im Althochdeutschen bezeugt, wo die Basis in einen ¿-Stamm überführt worden ist. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] fleiscen ? 'abreißen, rupfen, das Fleisch von der Haut abschaben', (Gl.); KFW. 3,958f., StWG. 163, RVA. 41. StSG. 1,600,28 Uellicantem : fleiscanten, Göttweig 103, Clm 13002; fleiscbenten, Clm 22201; Nr.460, BV. 681, 12.Jh., mfrk. und bair.1244. Nach E. Steinmeyer (zur Stelle) gehört diese zwischen Isaias-Glossen stehende Glosse zu Am 7,14 ... non sum propheta et non sum fllius prophetae sed armentarius ego sum vellicans sycomoros. "Ich bin kein Prophet und bin kein Prophetensohn, sondern ein Hirt bin ich, der wilde Feigen abrupft." Bei diesem Beleg dürfte aber, wenn E. Steinmeyers Vermutung zutrifft, wie auch bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings alternativ erwogen wird, in den drei Handschriften eine falsche Wortwahl durch Verlesen und Fehldeutung des in den 1242 1243 1244

Man vergleiche auch KFW. 3 . 8 2 0 Í Man vergleiche KEW. 212. Man vergleiche K. Matzel, Die Bibelglossen des C l m 22201, S. 168f.

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Ableitungen von einem Nominalstamm

übrigen Parallelhandschriften bezeugten sleizanten erfolgt sein. Dem Verb könnte eine privative Struktur zu Grunde liegen. Privativa erscheinen im Althochdeutschen zumeist nur in Zusammenhang mit dem Präfix int-, man vergleiche beispielsweise oben int-beinen. Im Unterschied zu diesen "echten" Privativa wird hier, wie etwa auch bei scelen 'schälen' nicht der Kern eines Körpers entfernt, sondern es wird das Einwirken auf die Oberfläche eines Körpers bezeichnet. (Nur ahd.; man vergleiche mnl. vleeschen). Formal gehört die Bildung zu fleisc st.N. 'Fleisch', KFW. 3,955f. (mit Verweis), SchW. 135, StWG. 163; man vergleiche as.flêsk, ύι. flask, und das Entfernen dieser Oberfläche jlesk, a t. flask, an. jlesk. Sieh auch mhd. vleischenm\ [PERDURATIV, FINAL - PRIVATIV] fulken 'gruppieren, formieren, zusammendrängen', (Gl.); KFW. 3,1320f., StWG. 182, RVA. 45. StSG. 11,235,34 Glomerantur : gesamenot.fulch, Karlsruhe, Β LB. Aug. CCXX; Nr.67, BV. 313, 9.Jh., alem.; Glosse zu Greg, cura 3,23,71 in bonorum gravius nece glomerantur. "Durch den Tod von guten Menschen werden sie enger zusammengedrängt." (Man vergleiche an. fylkja 'Kriegsvolk ordnen, in Schlachtordnung aufstellen'1246; von der gleichen Basis ae. gefylcian). Zu folk st.M.N. 'Volk, Volksmenge', StWG. 3,1043f. (mit Verweis), SchW. 137, StWG. 169; man vergleiche AS. folk, nix. folk, At. fole, a n . f o l k . [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] fuotiren 'füttern, weiden, hüten', (O. OT. T.; Gl.); KFW. 3,1362f„ SchW. 144, RMWA. 83, StWG. 184, RVA. 51. Tatian 70,11 f. scouuot himiles fugala ... Inti iuuar fater thie himilisco fuotirit sie. (Man vergleiche an.foÖra-, auch mnd. vôderen, mnl. voederen). Zu fuotar st.N. 'Futter, Verpflegung', KFW. 3,1360f. (mit Verweis), SchW. 144, StWG. 184; man vergleiche ae. fôdder, an.fiÖr. Sieh auch unter fuoten. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] gerten 'anstacheln; quälen, peinigen', (N.; Gl.); KFW. 4,237, RMWA.92, 150, StWG. 198, RVA. 56. StSG. 11,233,45 Inpellere : kertin, Karlsruhe, BLB. Aug. CCXX; Nr.67, BV. 313, 9.Jh., alem.; Glosse zu Greg, cura 3,16,54 ilium (Paulus den Titus) stimulo impellere nititur. "Er strebt danach, jenen durch einen Anreiz anzutreiben." (Nur ahd.). Zu gart1 st.M. 'Stachel, Treibstecken', KFW. 4,119 (mit Verweis), SchW. 148, StWG. 192; man vergleiche ae. gâd, an. gaddr, got. gazds. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL]

1245 1246

LH. 3,395f. Sieh dazu J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 148

Ableitungen von einem Substantiv

273

fir-gîsalen 'jemanden als Geisel geben', (ein Beleg StSG. 111,184,5 Obsedatus : firgislter); KFW. 4,293, StWG. 219, RVA. 58. Die Bedeutungsangabe bei F. Raven, 'Pflanzen geißeln oder leisten' ist unverständlich. Der Beleg entstammt dem Summarium Heinrici, StiftsB. St. Blasien, verschollen; Nr.35, BV. 68, 12.Jh„ alem. (Nur ahd.; man vergleiche daneben von der gleichen Basis ae. gîslian 'Geiseln stellen', an. gisla). Die nicht-durative Bedeutung des althochdeutschen Verbs wird durch das Präfix hervorgerufen. Zu gisal st.M. 'Geisel, Bürge', KFW. 4,292 (mit Verweis), StWG. 219; man vergleiche ae. gtsel, an. gisl. Es handelt sich bei dem Basiswort um eine Entlehnung aus dem Keltischen1247. grünten 'ergründen, erforschen, erklären, den Grund für etwas legen, den Grund erreichen', (N.; Gl.); KFW. 4,449, SchW. 154, RMWA. 91, StWG. 242, RVA. 60. Notker l,19,22f. Talis habitus . talis uultus erat cum rimarer tecum secreta naturq! Uuás ih in dien uátón . tó ih tir half crúnden tía tóugeni dero naturς. Die systematische Bedeutung ist nur in der Wiener Notker-Handschrift überliefert1248. Npw 101,28 uone erist grüntest tu dia erda unte himela sint tiniu hentuuerhc. (Man vergleiche ae. gryndan, an. grynna 'seichter machen'). Zu grund st.M. 'Grund, Untergrund, Wurzel', KFW. 4,448f. (mit Verweis), SchW. 154, StWG. 242; man vergleiche as. grund, afr. grund, grond, ae. grund, an. grunnr, got. in grunduwaddjus 'Grundmauer'. Das starke Maskulinum geht auf germ. *grunâu 'Grund' zurück, das im Althochdeutschen zur a-Dekliation übergetreten zu sein scheint. Daneben ist ein Femininum ahd. *grunt 'Wiesengrund' zu erschließen1249. Zu diesem Femininum wird KFW. 4,449 offenbar die Präfixbildung gi-grunten 'den Grund erreichen, auf den Grund kommen' gezogen, da wohl aus semantischen Erwägungen heraus zwei getrennte Ansätze vorgenommen werden. Bei dem Beleg (StSG. 11,706,36 Fluctus equare : gegrundan) aus der Echternacher Handschrift Paris, BN. lat. 9344; Nr.509, BV. 752, 11 Jh., mfrk.; Verg. Aen. 3,671, dürfte es sich jedoch um das gleiche Verb, hier mit der ursprünglichen konkreten Bedeutung, handeln1250. Der mittelfränkische Beleg, dem auch as. i-grundian zur Seite steht, kann als Form ohne lautverschobenen Dental mit ahd. grünten unter einem Ansatz vereinigt werden1251. Die Motivierungsbeziehung zwischen Substantiv und Verb kann aber anhand der Belege nicht eindeutig festgelegt werden. [DURATIV, FINAL - ORNAHV/FACIENTTV]

1247 1248 1249 1250 1251

M a n vergleiche KEW. 253, E. Lewy, Zu den Lehnwörtern, S. 70. HSN. S. 155. M a n vergleiche A. Hübner, ZVSpF. 51 (1923) S. 18-27, DWB. 4,1,6,667. M a n vergleiche dazu DWB. 4,1,6,774. Zu diesem W o r t vergleiche man auch R. Bruch, Glossarium Epternacense, S. 60.

Ableitungen von einem Nominalstamm

274

uber-gulden 'vergolden, mit Gold durchwirken', (N.; Gl.); KFW. 4,472, SchW. 155, RMWA. 65, StWG. 243, RVA. 62. Notker 8,156, l l f . Sélbiû diû chúningin dîn falesia ... diû gestuônt ze dinero zésuuuún ... In ûbergultimo geuuate. (Man vergleiche ae. ofer-gyldan). Zu gold st.N. 'Gold', KFW. 4,321f. (mit Verweis), SchW. 152, StWG. 233; man vergleiche as. gold, afr. gold, gould, ae. gold, an. gull, got. gulp, heggen 'in Schutz nehmen, umsorgen' (?), (Gl., umbi- 'umzäunen 1 , untar-)·, KFW. 4,795, StWG. 261, RVA. 304. Zuerst bezeugt ist die Präfixbildung StSG. 1,75,30 Circumseptus : umpipihekit R. (Pa. umpi pifangan) - StSG. 1,197,38 Intersepta : untarhekit i untarzunit R. Die Deutung des Simplexbelegs ist umstritten1252. (Nur ahd.). Zu hag st.M. 'Umzäunung', KFW. 4,594 (mit Verweis auf heggen), StWG. 247; man vergleiche ae. haga 'Gehege', an. hagi 'Weideplatz'1253. Man vergleiche auch unten unter gi-heien. [DURATIV, FINAL - FACIENTTV] belsen 'umhalsen, umarmen, umfassen, erfassen', (B. GB. Ν. O.; Gl.); KFW. 4,941, SchW. 164, RMWA. 87, StWG. 251 halsen, RVA. 63f. StSG. 1,52,29 amplexans : habendi Pa.Kb halsenti Ra. - Benediktinerregel, StSpD. 204,9f. libhamun hreinnan welun nalles kihalsit wesan ... (Nur ahd.). Zu hals st.M. 'Hals, Nacken', KFW. 4,638 (mit Verweis), SchW. 158, StWG. 250; man vergleiche as. hals-, afr. ae. an. got. hals1254. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] hermen 'verleumden', (Gl., gi- 'tadeln, anklagen', Gl.); StWG. 256, RVA. 64. Zuerst StSG. 1,72,14 obiurgat : kaharmit Pa. kihirmit Kb.I2SS. (Man vergleiche an. hermasf, auch mnd. hermen). Zu harm st.M. 'Leid, Schmerz, Kummer; Unglück; Schmach, Beleidigung, Unrecht', SchW. 160, StWG. 256; man vergleiche as. harm, afr. herm, ae. hearm, an. harmr1256. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] bersten 'etwas braten, backen', (Gl.); StWG. 272, RVA. 69f. StSG. I,279,59f. Frigetur : kisuueizzit. kiherstit. kipratan uuirdit, Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 38, 9.Jh. alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes

1252 1253 1254 1255 1256

Man vergleiche StWG. 261, RVA. 304, H. Tiefenbach, BNF. NF. 15 (1980) S. 71. KEW 286. KEW. 289. Sieh dazu auch J. Splett, Abrogans-Studien, S. 133. KEW. 294; FTW. 79.

Ableitungen von einem Substantiv

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9.Jh., alem.1257; Glosse zu Lv 6,21 quae in sartagine oleo conspersa frigetur. "In der Pfanne soll es [das Speiseopfer], mit Ol angemacht, gebacken werden." (Man vergleiche ae. hierstan\ wohl nicht hierher afr. hersta, 'aufwiegeln'1258, an. herstask). Zu harst st.M. 'Bratrost, Scheiterhaufen', StWG. 257; man vergleiche as. harst 'Flechtwerk"259. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] bufaren 'aufhäufen', (Gl.); RVA. 76 gi-bufart-, StWG. 296 unter einem Ansatz huvaren. Die drei belegten Formen erscheinen im Partizip 2, so daß an ein toAdjektiv in der Bedeutung 'mit Haufen versehen' gedacht werden könnte. Zumindest aber der Beleg StSG. 11,678,21 Extructos montes : kihvuirta berige kann aus semantischen Gründen kaum als to-Adjektiv gedeutet werden. Der Beleg, aus der Handschrift Schlettstadt, Bibliothèque et Archives Municipales Ms.7; Nr.552, BV. 849, 12.Jh„ alem.1260, ist Glosse zu Verg. Georg. 1,283 ... ter pater exstructos disiecit fulmine mentis. "Dreimal warf der Vater die aufgehäuften Berge durch einen Blitz auseinander." (Nur ahd.). Das Verb ist daher zu dem Substantiv hofar 'Höcker, Buckel', StWG. 288, zu stellen. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] bungaren 'hungern', (JB. MF. N. NG. OT. T.; Gl.); SchW. 171, RMWA. 83, StWG. 291, RVA. 77. Tatian 61,4f. uue íu thie thar gisatote birut bithiu uuanta ir hungerúr... (Man vergleiche as. gi-hungrian, afr. hungeria, ae. hyngran, an. hungra, got. huggrjan). Zu hungar st.M. 'Hunger, Begierde', SchW. 171, StWG. 291; man vergleiche as. hungar, afr. hunger, ae. hungor, an. hungr, got. hûhrus aus germ. *hungru-m. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] buoren 'huren', (Gl.); StWG. 293, fehlt RVA. Zuerst StSG. 1,298,32 Scortantium : huorendero, Paris, BN. lat. 2685; Nr.506, BV. 741, 9.Jh, mfrk.; Glosse zu II Mcc 6,4 nam templum luxuria et comesationibus erat plenum et scortantium cum meretricibus ... "Denn der Tempel war mit Schwelgerei und Lustgelagen derer erfüllt, welche mit Buhlerinnen Unzucht trieben ..." (Man vergleiche afr. hôria 'Unzucht treiben')1262. 1257 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 1258 W. van Helten, PBB. 19 (1894) S. 403. 1259 Sieh FTW. 78. 1260 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 339-346. 1261 Sieh KEW. 321 mit weiterer Literatur; BEG. § 220b. 1262 Man vergleiche auch H.H. Munske, Der germanische Rechtswortschatz, S. 257.

276

Ableitungen von einem Nominalstamm

Zu huor st.N. 'Unzucht', StWG. 293; man vergleiche afr. /Wr1263. [DURATIV, FINAL - FACIENTTV] huoten 'behüten, bewachen, beobachten', (N. O. WH., häufiger bi- N. NG. RhC. WH.; Gl.); SchW. 172, RMWA. 92, StWG. 294, RVA. 77. Otfrid 1,19,1 Iôsépb ió tbes sínthes er húatta thes kíndes. Der bei T. Starck - J.C. Wells für das Simplex angeführte Glossenbeleg ist altsächsisch. (Man vergleiche as. hôdian, afr. boda, ae. hédan)nM. Zu huot st.M. 'Haube, Hut, Bedeckung', StWG. 294; man vergleiche as. afr. ae. hôd. Das jan-Vtrb weist für das Substantiv auf eine Grundbedeutung 'Schutz'1265. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] kemben 'Wolle krempeln, kämmen', (Gl.); StWG. 326, RVA. 84. StSG. 1,604,26 Pedentes : cbempenta. cbempente (Gruppe M.). Glosse zu Is 19,9 confundentur qui operabantur linum pedentes et texentes subtilia. "Bestürzt werden, die den Flachs bearbeiten ihn kämmen und fein weben." (Man vergleiche as. kembian, ae. cemban, an. kemba). Zu kamb st.M. 'Kamm', StWG. 320; man vergleiche as. kamb, ae. camb, an. kambf. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] kempfan 'srreiten, kämpfen', (B. GB.); SchW. 179, RMWA. 67, RVA. 84. Benediktinerregel, StSpD. 190,1 f. keuuisso ze karauuenne sint berzun vnseriv indi libbamun dero wibono piboto dera borsamii ze cbamfanne indi daz min bebit in uns cbnuat samftes... (Man vergleiche afr. kempia\ von der selben Basis ae. campian). Zu kämpf st.M. 'Kampf, StWG. 321; man vergleiche afr. kemp, ae. camp, an. kapp aus lat. campus1". [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] bi-kleimen 'beflecken', (Gl.); StWG. 334, RVA. 92. StSG. 1,90,3 Contaminatur : picbleimenti Pa. pikblementi Kb. Der Beleg ist wohl mit F. Raven und J. Splett1268 als Partizip 1 zu bestimmen und nicht, wie bei T. Starck - J.C. Wells als bikleimenti 'Beflecker, Entehrer'. Auch der von T. Starck - J.C. Wells1269 unter bi-klemmen 'verstopfen, klemmen' aufgeführte Beleg StSG. 1,518,47 Obstructum : picblemmit. plcblgmmlt dürfte mit F. Raven zu bikleimen zu stellen sein.

1263 Sieh dazu G. Darms, Schwäher und Schwager, S. 265f. sowie W. Wissmann, Die ältesten Postverbalia, S. 17f., der das Verb zu germ. * hora- st.M. 'Ehebrecher' stellt. 1264 Sieh KEW. 322. 1265 Sieh dazu auch DWB. 4,2,1978. 1266 KEW. 350. 1267 Ebenda. 1268 Abrogans-Studien, S. 145. 1269 StWG. 335.

Ableitungen von einem Substantiv

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(Man vergleiche ae. cléèman, an. kleima 'schmieren'). Zu kleim st.M. 'Leim', StWG. 334; man vergleiche ae. clâmnia. knüpfen 'knüpfen', (GL, bi- GL, in- 'lösen' N.); SchW. 183, RMWA. 67, StWG. 339, RVA. 94. Zuerst wohl StSG. 1,250,18 Subnectens : piknupfendi Kb. knuffenti Ra. (Nur ahd.; sieh auch mnd. knüppen). Zu knöpf st.M. 'Knopf, Knoten', StWG. 338; man vergleiche afr. knoppxm. Die systematische Bedeutung dürfte als "Knoten machen" zu bestimmen sein. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] krademen 'murren; toben, tosen, (N.; GL); SchW. 184, RMWA. 78, StWG. 343, RVA. 96. Zuerst wohl Notker 8,28,5f. Sie uuürden guôt unde stille. Et dominus in qternum permane. Vnde ziü chrádemon gentes uuíder trúhtene. Nach Α. Lötscher soll es sich hier gleichfalls wie bei brahten um ein "intentionales Schallerzeugnis" handeln. Die Bedeutung ist aber nicht nur auf das Hervorbringen menschlicher Stimmen beschränkt1272. (Nur ahd.). Zu kradam st.M. 'Krachen, Getöse', StWG. 3431273. [DURATIV, FINAL/KAUSAL - FACIENTTV/FIENTIVj kurnen 'dreschen, entkernen', (GL); StWG. 355, RVA. 92 unter kirnen. Zuerst wohl StSG. 1,38,28 trituratur : drisgit edo chorn churnit Pa. (Nur ahd.); daneben ahd. kirnen, dazu weiter unten. Zu korn st.N. 'Korn, Same, Getreide', SchW. 183; man vergleiche afr. korn, ae. com, an. korn, got. kaum aus germ. *kuma- 'Korn'. Es handelt sich um eines der seltenen unpräfigierten Privativa. Es ist wahrscheinlich, aber nicht zu entscheiden, ob der Bildung ursprünglich eine occupative Struktur ("etwas mit dem BS machen") zu Grunde liegt. [DURATIV, FINAL - PRIVATIV] leisten 'erweisen, leisten, beweisen, einhalten, erfüllen', (BG. N. NG. O. WH.; GL); SchW. 193, RMWA. 93, StWG. 367f„ RVA. 101. Otfrid 4,12,6f. ih zuélifi iuih zélita ioh súntar mir iruuélita: Uzar uuóroltmenigì, ir wàrìt min githígini, thaz ih ouh mîn girati iú allaz kúnd dati; Ioh so iz zi thisu uurdi, thaz ir mir léistît huldî... (Man vergleiche as. lêstian 'befehlen', afr. lâsta, lesta 'erfüllen', ae. Isèstan 'folgen, helfen', got. laistjan 'folgen, nachgehen')1274.

1270

Sieh FTW. 57; KEW. 375f. unter Klei. Zum Substantiv sieh R. Lühr, Expressivität und Lautgesetz, S. 287 sowie KEW. 385 und 386. 1272 Man vergleiche auch H. Tiefenbach, ADA. 88 (1977) S. 134. 1273 DWB. 5,1931. 1274 Sieh KEW. 438. 1271

278

Ableitungen von einem Nominalstamm

Zu einem im Althochdeutschen in der Bedeutung 'Spur' in waganleist (StWG. 689) erhaltenen Substantiv. Daneben ahd. leist st.M. (StWG. 376) in der Bedeutung 'Schusterleisten1. Man vergleiche ae. last 'Fußspur', an. leistr 'Fuß', got. laists 'Spur'1275. Für das jan-Vzïb ist als systematische Bedeutung 'einer Spur folgen' anzusetzen. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] ir-lenken, uz-lenken 'verrenken', (Gl.); StWG. 369, RVA. 107. Zuerst StSG. IV,235,56 Luxatus est : erlen chet, Clm 17142; Nr.418, BV. 623, 12.Jh., (Adespota). (Nur ahd.)1276. Die präfigierten Verben weisen auf eine Grundbedeutung des Simplex als 'biegen'. Zu lanca 'Lende, Weiche', StWG. 360; man vergleiche ae. hlenca, hlence 'Kettenglied1, an. hlekkr 'Ring, Kette'; man vergleiche auch mhd. lankemi. lenten 'landen, anlegen, an Land kommen', (Gl.); StWG. 369, RVA. 107. Zuerst StSG. 1,213,3 in qua nauis educantur : thar seef kilentit sint, Kb. (Man vergleiche afr. lenda 'aufhören, beenden', ae. lendan 'an Land kommen', an. lenda 'Landbesitz geben, an Land kommen'); für germ. *lanâ-ija- ist als Grundbedeutung möglicherweise ornatives 'jemanden mit (freiem) Land versehen'1278 anzusetzen sein, woraus sich sekundär 'Land bekommen, an Land ankommen, landen' entwickelt hätte. Zu lant st.N. 'Land, Gegend', SchW. 190, StWG. 360; man vergleiche as. afr. ae. an. got. landw. [DURATIV, FINAL - ORNATIV ?] limen 'leimen, zusammenfügen', (Gl., gi- GL); StWG. 376, RVA. 111. Zuerst wohl StSG. 1,585,15 Conclutinet : kilimit, Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh., alem.1280; Glosse zu Sir 22,7 qui docet fatuum quasi qui eonglutinet testamm\ "Wer einen Toren belehrt, leimt gewissermaßen Scherben zusammen." (Man vergleiche ae. ge-limen, an. lima). Zu lim st.M. 'Leim', StWG. 376; man vergleiche as. -lim, ae. lim, an. lirnm2. Umstritten ist dagegen die Deutung der Abrogansglossen StSG. 1,40,8 adsentator : gihangando limendo Pa. und ebenda 1,138,16 quifauit : der limit Pa. Ra. 1275 1276 1277 1278 1279 1280

Sieh dazu FTW. 369, KEW. 437. Sieh KEW. 438 unter lenken, wo der Hinweis auf das althochdeutsche Verb fehlt. Sieh FTW. 111, KEW. 255 unter Gelenk sowie PEW. 1005. Man vergleiche PIEW. 675 *lendh 'freies Land, Heide, Steppe'. KEW. 426f. Sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S.

17. 1281

Zur textkritischen Stellung des Lemmas vergleiche man E. Meineke, Bernstein im Althochdeutschen, S. 119f. 1282 Sieh FTW. 365, KEW. 437.

Ableitungen von einem Substantiv

279

ther limit Kb., die F. Raven1283 unter einem Ansatz litnmen 'zustimmen'? aufführt. Der Ansatz eines Verbs mit Kurzvokal1284 ist vor allem wegen der fehlenden Gemination, aber auch auf Grund der Bedeutung, die schwerlich mit dem starken Verb germ. *hlemma- 'tönen'1285 zusammengehört, zu dem es dann eine Ableitung sein müßte, nicht berechtigt1286. Mit J. Erben1287 ist eher davon auszugehen, daß ahd. limen 'zusammenfügen' im Abrogans in einer übertragenen Bedeutung 'festigen, fügen, unterstützen, begünstigen' verwendet sei. Demgegenüber wird StWG. N. 825 jetzt ein Verb limen2 'begünstigen' angesetzt. Zur Deutung der Ableitungsstruktur als instrumental vergleiche man P. von Polenz1288. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] liubten 'leuchten', (O. OT. T. W. WH.; Gl.); SchW. 199, RMWA. 89, StWG. 380, RVA. 112. Zuerst StSG. 1,144,32 Jacula : chen liuhlenti Pa. liuhtendi Kb. hliuhtenti Ra.1289. - Tatian l,26f. Inti thaz lioht in finstarnessin liuhta. - Otfrid 2,17,17f. Súntar thes gihélfe, thaz er iz irhéffe ûfan hôhaz kérzistal, thaz iz liuhte ubaral. (Man vergleiche as. liohtian, ae. lêohtan, got. liuhtjan 'leuchten'). Es ist nicht völlig sicher zu entscheiden, ob von einer deadjektivischen oder einer desubstantivischen Ableitung ausgegangen werden muß, weil sich duratives 'leuchten' sekundär aus einem deadjektivischen perdurativen 'hell machen' entwickelt haben kann. E. Seebold1290 stellt das Verb ohne weitere Begründung zum Adjektiv lioht 'licht, hell' (SchW. 199; man vergleiche as. lioht, afr. liaht, ae. léaht). Die althochdeutschen Belege für das unpräfigierte Verb, besonders aber das gotische Material, zeigen allerdings nur die durative Bedeutung, die doch die ältere zu sein scheint. Mit S. Feist und W.P. Lehmann1291 wird deshalb hier der desubstantivischen Ableitungsstruktur der Vorzug eingeräumt. Zu ahd. lioht st.N. 'Licht, Helle', Leuchte', SchW. 199; man vergleiche as. lioht, afr. liâcht, ae. lêoht, got. liuhap. Auch ahd. liehten, leohtan 'leuchten', SchW. 199 ist hierherzustellen1292. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV) 1283

RVA. 313. So noch StWG. 376. 1285 SEW. 263f. 1286 M a n vergleiche dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 92f., StWG. N. 852. 12,7 Der Schluß des zweiten Merseburger Zauberspruchs, S. 120f. 1288 ZDSp. 24 (1968) S. 156. 1289 Sieh J. Splett, Abrogans-Studien, S. 217. 1290 KEW. 440. So auch W. Meid, Wortbildungslehre, S. 248. 1291 S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 335 und W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 236. 1292 Z u m Übergang von io in ie sieh ebenda §§ 48 u n d 47 A. 7. Zur Entwicklung von 1284

germ, eu in liuhtert und lioht sieh BEG. § 47.

Ableitungen von einem Nominalstamm

280

lucken 'locken, verlocken, überreden', (N., ir- Gl.); SchW. 203, RMWA. 73, StWG. 389, RVA. 120. Zuerst StSG. 1,138,24 expedit : arluchit Pa. irluhhit Kb. Notker 1,106,17 aduersam fortunam . ze démo mág man únsih lúcchen ... (Man vergleiche ae. loccian, an. lokka). Zu lock st.M. 'Haar, Locke; Laubbüschel', SchW. 200, StWG. 383; man vergleiche afr. ae. lokknn. Man vergleiche auch ahd. lîhlucken. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] mahalen 'sprechen, ein Übereinkommen treffen, zur Braut nehmen', (O. WH., gi- H. LF. OT. T.; GL); SchW. 205, RMWA. 76, StWG. 394, RVA. 122. StSG. 1,152,36 pacto : mahalen Pa. machalen siton Kb. mabelq Ra. Ubersetzt wird aber nicht pacto, sondern eigentlich paciscim\ - Otfrid 1,8,1 Ther man theih noh ni ságéta, ther thaz wîb mahalta - uuas imo iz harto úngimah, thô er sa háfta gisah. (Man vergleiche as. mahalian, ae. mxdlan, an. m sia, got. mafljan). Zu mahal st.N. 'Gericht, Gerichtsstätte, Gerichtsversammlung', SchW. 205, StWG. 394; man vergleiche as. mahal·, ae. mœdel, an. mal, got. mapll29i. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] maníale,ι 'vertäfeln', (GL); StWG. 400, fehlt RVA. Eine Belegstelle StSG. 11,436,58 Tabulata : mantalti, Paris, BN. Nouv. acquis, lat. 241; Nr.518, BV. 771, 11 Jh., bair.-alem. und ebenda mantaln gitavili. vuenti, Clm 14395; Nr. 384, BV. 579, 11 Jh., bair.-alem.; Glosse zu Prud. perist. 11,73 dissociata putrem laxent tabulata carinam. "Die zerspaltenen Bretter sollen das morsche Schiff öffnen" (beim Schiffbruch). Lat. tabulâtum ist mit einer Partizipform übersetzt worden. Möglicherweise liegt der Bildung ein to-Partizip zu Grunde, eine sichere Entscheidung ist anhand der einen Belegstelle, zumal einmal eine unpräfigierte Form gewählt wurde, jedoch nicht möglich. (Nur ahd.). Zu mantal st.M. 'Mantel, Überwurf, StWG. 400; man vergleiche afr. mantel, an. motull aus lat. manteUum™. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] muosen 'essen, speisen', (Gl.); StWG. 425, RVA. 133. StSG. 1,22,34 Aletus : moasendi Pa. moasandi Kb. mosenti Ra. (Nur ahd.). Zu muos st.N. 'Speise, Essen, Mahl, Gericht', SchW. 216, StWG. 425; man

1293

Sieh KEW. 446 mit weiterer Literatur. Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 226. 1295 Sieh KEW. 256 unter Gemahl sowie H. Tiefenbach, Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, S. 71-74. 1296 Sieh KEW. 460. 1294

Ableitungen von einem Substantiv

281

vergleiche as. afr. ae. mäsu". Die Bedeutung 'essen, speisen, Speise zu sich nehmen' kann als "etwas mit BS machen" aufgefaßt werden. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] muoten 'ermahnen, etwas verlangen von', (ΜΗ. N., widar- 'schelten, streiten', Gl.); SchW. 217, RMWA. 92, StWG. 426, RVA. 133. Zuerst wohl StSG. 1,219,25 Obiurgat : uuitharmodit Kb. uuirdarmotit Ra. - Murbacher Hymnen 5,3 lop lütten giu dinu tak auurpru[rt]ganer motit.... (Man vergleiche as. far-môdian, afr. for-môda). Zu muot st.M.N. 'Seele, Herz, Geist', SchW. 216f., StWG. 425; man vergleiche as. afr. ae. môd, an. moÖr, got. mopsim. Zur Bedeutungsentwicklung von germ. *môâa vergleiche man zuletzt H. Beck1299. Das Verb kann den auch sonst bezeugten Ableitungsmustern zugeordnet werden, wenn 'ermahnen' im Sinne eines Einwirkens auf die Seele des Anderen als "etwas mit BS machen" aufgefaßt wird. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] murden 'morden, verderben, vernichten', (Gl.); StWG. 427, RVA. 133. Zuerst StSG. 1,192,36 luculat : murdü Pa. murthit Kb. murdnt Ra.1300 (Man vergleiche afr. morthia, an. myröa). Zu mord st.M.N. 'Mord, Tod', StWG. 421; man vergleiche as. mord, afr. morth, ae. morÖ, an. morâ301. Zur Bedeutung 'Tod' sieh R. Schützeichel1302. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] nagalen 'nageln', (NG. O.; Gl.); SchW. 219, RMWA. 75, StWG. 429, RVA. 134f. StSG. 1,182,14 infixam : canacalit Pa. kinekilid Kb. kinegilit Ra. - Otfrid 4,27,17 Sie dâtun, sô ih zélita: in thaz cruci man nan nágaltú. (Man vergleiche as. neglian, ae. ntzglian, an. negla, got. ganagljan)xm. Zu nagal st.M. 'Nagel', SchW. 219, StWG. 429; man vergleiche as. nagal, afr. neil, ae. nxg(e)l, an. nag!1104. [DURATIV - FINAL - INSTRUMENTAL] nîdε η 'hassen', (O.); SchW. 223, RMWA 65, RVA. 2,109 unter nidôn. Otfrid 2,18,15f. Thaz mánnilíh gibórge, sih zi íamanne ni belge, ioh ouh thóz bimìde, er mán nihein ni nîde. (Man vergleiche ae. niÔan, an. ni δα 'schmähen, verhöhnen').

1297

Sieh KEW. 493, FTW. 305. Sieh KEW. 494. 1299 Seelenwörter des Germanischen, S. 985-999. 1300 Zu murdrit in Ra. sieh unter murdiren. 1301 Sieh KEW. 488, FTW. 312. 1302 Z u m Muspili, S. 15-29, besonders S. 29. 1303 Sieh KEW. 497. 1304 Sieh KEW. 497, M. Schnieders, Die einheimischen nicht-komponierten schwachen ^«-Verben, S. 89, FTW. 291. 1298

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Ableitungen von einem Nominalstamm

Zu nid st.M. 'Feindschaft, Haß', SchW. 222, StWG. 438; man vergleiche as. afr. nîth, ae. niÖ, an. niÖ, got. neiftm. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] nisten 'nisten, wohnen', (N. WH.); SchW. 224, RMWA. 93, RVA. 142. Notker 10,383,22f. Fúlica ist marina auis. aide stag[n]nensis. unde nistet in petra . iéo ferro fóne stáde. (Man vergleiche ae. nistan\ an. nista 'mit Nahrungsmitteln versehen'). Zu nest st.N. 'Nest', SchW. 222, StWG. 436; man vergleiche ae. nestim. [DURATIV, FINAL1307 - OCCUPATIVI bi-reifen 'einschnüren, einwickeln', (Gl.); StWG. 478, RVA. 149. Nur Abrogane, StSG. 1,90,7 funeratus : piraifit Pa. piraiffit Kb.1308. (Man vergleiche ae. rsèpan 'binden'). Zu reif st.M. 'Reif, Seil, Strick', StWG. 478; man vergleiche as. rêp, ae. afr. râp, an. reip, got. skauda-raip 'Schuhriemen'1309. reinen 'die Grenzen bezeichnen, angrenzen', (ein Beleg StSG. IV,48,15 Conlimito : *meze reinó) StWG. 478, fehlt RVA. Der Beleg stammt aus der Handschrift Prag, Knihovna Národního Muzea X A 11; Nr.528, BV. 788, 13.Jh„ ahd.; Glossae Salomonis. (Man vergleiche mhd. reinen 'angrenzen, abgrenzen, Grenzen bezeichnen'). Zu rein st.M. 'Rain, Ackergrenze', StWG. 478; man vergleiche an. rein(a) F.1310. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] rimen 'zählen', (OT. T.); SchW. 239, RMWA. 78, RVA. 157. Tatian 79,8f. enonu ia coufit man zuene sparen mit scazzu Inti ein fon then nifellit ubar erda uzan iuuaran fater iuuares houbites hár allu girimitu sint. (Man vergleiche ae. ge-rtman). Bei dem jan-Verb handelt es sich um eine denominale Ableitung zu einem Substantiv, das vorliegt in ahd. rím st.M. 'Zahl, Berechnung, Reihe, Reihenfolge (SchW. 239, StWG. 485 'Zahl'; man vergleiche as. ae. rím, an. rimfA\ Nicht entschieden ist damit, ob das nur bei Otfrid bezeugte starke Verb ahd. gi-riman 'gehören, zählen' (SchW. 239) eine sekundäre Bildung ist1312 oder ein 1305

Sieh FTW. 292, KEW. 501 sowie K. Michel, Die mit - / abgeleiteten Denominativa, S.

32f. 1306

Sieh KEW. 502. In dieser Arbeit werden auch von Tieren ausgeübte Handlungen - im Gegensatz zu den nicht willentlichen, kausalen Handlungen - als final aufgefaßt. Zur Klasse der "lebenden Wesen" vergleiche man in diesem Zusammenhang auch E. Coseriu, Die lexematischen Strukturen, S. 266. 1308 Sieh J. Splett, Abrogans-Studien, S. 493 und 55. 1309 Sieh KEW. 590. 1310 Sieh FTW. 332, PEW. 1364 sowie KEW. 579 mit weiterer Literatur. 1311 Sieh dazu KEW. 591. 1312 So SEW. 370. 1307

Ableitungen von einem Substantiv

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altes primäres Verb fortsetzt. Beide, starkes Verb und Substantiv, können unabhängige Ableitungen von der Wurzel sein1313. Auch U. Hempen1314 führt girîman unter den starken Verben des Althochdeutschen ohne weiteren Kommentar auf1315. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] ringen 'zu einem Kreis formen, umringen', (N.; Gl., umbi- I. N.; Gl.); SchW. 239, RMWA. 70, StWG. 486, RVA. 157f. Notker 4,64,5f. Erat enim in circulum ducta fulgens corona . qu$ duodecim flammis ignotorum .i. preciosorum lapidum fulgorabat. Apollinis corona uuás keríngtiu únde glîzendiu. - Alter ist der Beleg für umbi-ringen, Isidor 1,4f. dhanne ir mit qrena euua abgrundiu uuazssar umbihringida, dhuo ir qrdha stedila uuac, mit imu uuas ih dhanne al dhiz frummendi... Sieh auch StSG. 1,484,61 congirauerunt : girinchtvn, Glosse zu Idt 13,16. Nicht hierher gehört StSG. 1,221,14 vallalione umpidringanne. Der Beleg ist gegen RVA. 158 und StWG. 486 und mit StWG. 107 zu umbi-dringan zu stellen. Der Ansatz umbi-hringen, StWG. 486, ist zu streichen1316. (Man vergleiche ae. hringan 'beringen', an. hringia 'umringen'). Zu ring st.M. 'Ring, Versammlung, Kreis', SchW. 239, StWG. 485; man vergleiche as. afr. ae. bring, an. hringr, got. hriggs1317. Ae. hringan scheint eine ornative Struktur zu Grunde zu liegen. Im Falle des altnordischen und althochdeutschen janNcrbs ließe sich eine efficientive Struktur annehmen, doch kann das Basissubstantiv ring bzw. hringr in 'umringen' zugleich Ergebnis wie Inhalt der Verbalhandlung sein. Da Efficientiva unter den althochdeutschen /(ZH-Verben sonst nicht nachweisbar sind, dürfte hier von einem primär facientiven Muster auszugehen sein. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] rosten 'rosten', (GL, ir- Gl.); StWG. 492, RVA 159. Zwei Belegstellen für das Simplex, zuerst StSG. 1,570,5f. Eruginat : rostet, Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11.Jh., bair.1318 und rostCr, Wien, ÖNB 2723; Nr.620, BV. 949, 2. Hälfte lO.Jh., bair.1319; Glosse zu Sir 12,10 non credos inimico tuo in aeternum sicut enim aeramentum eruginat nequitia illius. "Traue deinem Feinde nimmermehr, denn wie das Erz rostet, so ist auch seine Bosheit." (Nur ahd.).

1313

M a n vergleiche N. Törnquist, Zur Geschichte des Wortes Reim, S. 19f. Die starken Verben im Deutschen, S. 146. 1315 Sieh auch J. Trier, PBB. 66 (1942) S. 256f. sowie FTW. 342. 1316 Man vergleiche zur Glosse auch J. Splett, Samanunga-Studien, S. 117. 1317 Sieh KEW. 601. 1318 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 507-513. 1319 Zur Handschrift sieh ebenda S. 785-789. 1314

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Ableitungen von einem Nominalstamm

Zu rost st.M. 'Rost, Mehltau, Grünspan', SchW. 240, StWG. 492; man vergleiche as. rost, ae. rustli2°. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] rösten 'rösten, braten', (MH. N. T.; Gl.); SchW. 240, RMWA. 93, StWG. 492, RVA. 159. Tatian 333,31f. sie tho bráhtun imo. deil girostites fisges Inti uúaba hónages. (Nur ahd.; von der gleichen Basis ae. rostían·, mnd. rosten). Zu rôst st.M. 'Rost, Gitter, Scheiterhaufen', StWG. 492; man vergleiche as. rôstU2\ [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] ruomen '(sich) rühmen', (H. N. NG. O. WK.; Gl.); SchW. 242, RMWA. 79, StWG. 499, RVA. 164f. StSG. 1,132,34 iactans : hromendi Kb. - Wohl hierher auch Hildebrandlied 57 sih hmmen1322 - Otfrid 2,8,6 Ni uuárd íó uuóroltzítin, thiu zisámane gihîtîn, tház sih gèsto guati sùlîhêro rúamti. (Man vergleiche as. hrômian, ae. hrêman). Zu mom st.M. 'Ruhm, Ehre, Auszeichnung, Prahlerei', SchW. 242, StWG. 499; man vergleiche as. hrôm, a e. hrêamna. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] gi-sattilen 'satteln', (PG.); SchW. 246, RMWA. 76, StWG. 510 unter einem Ansatz gi-satulòn, fehlt RVA. StSG. V,518,26 Guesattilœ min ros .i. mitte sellam. Sieh auch J.A. Huismann 1324 Guesettilae min ros ./.// mittesella. und W. Haubrichs - M. Pfister1325 Guesettila minros ,i[d est], / mitte sella[m], (Nur ahd.; man vergleiche daneben von der gleichen Basis ae. sadolian). Zu satil st.M. 'Sattel', StWG. 509; man vergleiche afr. sadel, ae. sadol, an. sodull"26. in-sepfen 'aneinanderreihen, verbinden', (Gl.); StWG. 517 in-sepfen sw.V. (?), RVA. 167 unter einem Ansatz in-säen. Belegt findet sich StSG. 1,90,17 conserer : inseuit Pa. insefìt Kb. Das Samanunga-Glossar bietet an dieser Stelle casait pim. F. Raven hat auch die Abrogans-Belege deshalb zu ahd. säen gestellt. Dieser Zuordnung widerspricht jedoch der Wurzelvokalismus. Da im Samanunga-Glossar zudem vielfach abweichend glossiert wird, ist diese Deutung zumindest nicht zwingend1327. Eine sichere Entscheidung ist aber deshalb nicht möglich, da lat. conserere sowohl 'aneinanderreihen' als auch 'pflanzen' 1320

Sieh FTW. 351, KEW. 606. Sieh KEW. 605f. mit weiterer Literatur. 1322 Zitiert nach R. Lühr, Studien zur Sprache des Hildebrandliedes, man vergleiche auch ebenda S. 696-699. 1323 Sieh KEW. 609. 1324 RhVB. 33 (1969) S. 291, Nr.45. 1325 In Francia fui, Nr.45. 1326 Sieh KEW. 618, FTW. 427. 1327 Man vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 155. 1321

Ableitungen von einem Substantiv

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bedeuten kann1328. Nimmt man den Wurzelvokalismus der Belege ernst, muß der Ansatz in-sâen wohl abgelehnt werden. Die Stelle ist deshalb schon wiederholt, aber ohne überzeugende Ergebnisse, genauer betrachtet worden1329. Eine Verbindung mit ahd. säen 'säen' ist neben den genannten Gründen auch deshalb wenig wahrscheinlich, weil inseuit in diesem Fall als w-haltige Form eines verbum purum ahd. sâen/sâweti, germ. *sêjan/sêwan gedeutet werden müßte1330. Diese ölhaltigen Formen der verba pura sind für den nordseegermanischen Sprachraum bezeugt und auch mit Ausläufern im Althochdeutschen vertreten1331. Nach Durchsicht der einschlägigen Belege können die Formen im Althochdeutschen vor dem 10. Jahrhundert aber sicher nur in fränkischen oder zumindest fränkisch beeinflußten Handschriften nachgewiesen werden. Eine w-haltige Form im Glossar Pa. wäre deshalb als singuläre Erscheinung zu werten. Für das Verb säen finden sich solche ölhaltigen Formen im Althochdeutschen ausschließlich im Tatian. J. Splett1332 erwägt den Ansatz eines Verbs ahd. *in-sepfen, der durch ein bei M. Lexer1333 bezeugtes Verb mhd. sepfen 'verbinden' gestützt wird1334. Da aber die Graphie in Pa. statt ungewöhnlich sei, trifft J. Splett selbst keine endgültige Entscheidung. Auch der Ansatz im StWG. erfolgt ebenfalls nur unter Vorbehalt. (Nur ahd.) Die Bedeutung des Verbs und die Wahl der Graphien findet am ehesten wohl dann eine Erklärung, wenn ein Zusammenhang mit dem Substantiv ahd. saf, sapf st.M.N. 'Bast; Saft, Feuchtigkeit' (SchW. 243) in der in den Glossen häufig bezeugten Bedeutung 'Bast' (StWG. 501) angenommen wird. Auch das Substantiv ahd. sepfì 'Genossenschaft', StWG. 517, wäre dann hier anzuschließen. sidalen 'ausbreiten, siedeln', (Gl., gi- O.; Gl.); SchW. 250, RMWA. 75, StWG. 520, RVA. 176. Zuerst wohl Otfrid l,7,15f. Fona hôhsedale zi-stíaz er thie riche, gisídalt er in hímile thie ôtmùatîge. (Nur ahd.). Zu sedal st.M.N. 'Sitz, Thron', SchW. 246, StWG. 510; man vergleiche as. dal, afr. sedei, ae. seti, sediI33S, man vergleiche auch ahd. sidilo 'Ansässiger'. Die

1328 1329 1330 1331 1332 1333 1334 1335

K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,1518f. M a n vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 155. M a n vergleiche dazu in Kapitel III.2. Sieh K. Matzel, Der Sonderstatus der verba pura, S. 82. Abrogans-Studien, S. 155. LH. 2,288. Zustimmend auch A. Schwarz, Präfixbildungen, S. 275f. Sieh FTW. 427.

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Wörter scheinen zu germ. *setja- 'sitzen' zu gehören, doch ist der Konsonantismus unklar1336. J. Franck1337 erwägt daher, daß ahd. sedal als Entlehnung, vermutlich aus dem Niederdeutschen, zu deuten sei. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] sifteti 'sieben', (ein Beleg StSG. 1,375,2 Polenta .i. subtilissima farina .i. sinéduma : uel gisistit [1. gisiftit] melo)·, StWG. 521, RVA. 177. Der Beleg entstammt der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. CXXXV; Nr.59, BV. 303, lO.Jh., alem.; Glosse zu Jos 5,11 et comederunt de frugibus terrae die altero azymos panes et pulentam eiusdem anni. "Und am anderen Tag aßen sie von den Früchten des Landes, ungesäuertes Brot und Polenta (Gerstengraupen) von demselben Jahr." Übersetzt wird subtilissima farina als 'gesiebtes Mehl'. Ebenso die Glosse sinéduma, die von T. Starck - J.C. Wells1338 als ae. smedma 'feinstes Weizenmehl' gedeutet wird. Die Handschrift enthält zwei weitere altenglische Glossen; die hier erfaßte Glosse fehlt bei H. Michiels1339. In Anlehnung an E. Steinmeyer (zur Stelle) wird im Glossenwörterbuch1340 auch melo aus der Glosse gisistit melo (sieh oben) unter einem Ansatz ae. melu verzeichnet. (Man vergleiche ae. siftan 'sichten'; sowie mnl. sichten mit cht für ft. E. Seebold1341 verweist auf die Herkunft des Wortes nhd. sichten aus zwei Quellen, nämlich einmal aus denominalem sichten 'erblicken' und zum anderen aus mnd. sichten 'sieben' mit Verweis auf ae. siftan, schwz. siften. Ein Hinweis auf ahd. siften sollte ergänzt werden. Zu sib, sipf st.N. 'Sieb', SchW. 250, StWG. 520; man vergleiche ae. sife. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] silberen 'mit Silber überziehen', (N., ubar- NG.); SchW. 251, RMWA. 83, StWG. 523, RVA. 177. Notker 9,228,15f. Sô uuerdent ir federa déro gestlbertûn tûbun sand ς çcclesiq . unde der âftero teil tro rúkkes . dâr diê penn$ radicem hábent. Da nur eine Partizipialform überliefert ist, besteht die Möglichkeit, daß ursprünglich kein Verb, sondern ein ίο-Adjektiv vorliegt. Im Mittelhochdeutschen ist allerdings eine Verbform bezeugt1342, so daß der Ansatz einer denominalen Ableitung nicht auszuschließen ist. (Nur ahd.). Zu silber st.N. 'Silber', SchW. 251, StWG. 523; man vergleiche as. silubar, afr. sel(o)ver, silver, ae. seolfor, an silfi, got. silubr1343. 1336 1337 1338 1339 1340 1341 1342 1343

Man vergleiche dazu KEW. 671. ADA. 11 (1885) S. 27. StWG. 562. Über englische Bestandteile. StWG. 407. KEW. 671 unter sichten. Man vergleiche LH. 2,1758 übenilbem. Sieh KEW. 672.

Ableitungen von einem Substantiv

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[DURATIV, FINAL - ORNATIV] scalken 'knechten', (N.; Gl.); SchW. 254, RMWA. 74, StWG. 531, RVA. 177f. Notker 4,78,1 f. Súmelichen mit temo stábe daz hóubet in érnest préchende . álso si dien tüot. tien si irò geédele nimet. únde sie scálchet. - Daneben stehen acht Glossenbelege, die alle Prud. cath. 11,39 glossieren: haec dum sequuntur perfidi, praedonis in ius uenerant. Et manicipatam fumido uitam barathro immerserant. "Während die Ungläubigen dem folgten, waren sie in den rechtlichen Zuständigkeitsbereich des Räubers gekommen und hatten das ihm zum Eigentum übergebene in der rauchigen Unterwelt versenkt." Zuerst in der Handschrift Düsseldorf, F 1 manicipatam : kiscalcten1344. Es handelt sich nach Th. Stührenberg um eine Randglosse, sie bezieht sich auf manicipatam vitam als 'das geknechtete Leben'. Der Ansatz eines perdurativen Verbs 'zum Sklaven machen" 345 , ist daher nicht zutreffend. Vielmehr liegt eine durative Bedeutung 'jemanden wie einen Knecht behandeln, handeln, wie man es mit einem Knecht macht' vor. Das Verb kann daher der Gruppe der Occupativa zugerechnet werden. (Man vergleiche afr. bi-skalkia 'überlisten'). Zu scalk st.M. 'Knecht', SchW. 254, StWG. 531; man vergleiche as. afr. scalk 'Bösewicht', ae. scealc, an. skalkr, got. skalks1346. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] bi-scoffen ? 'verhöhnen' (MPs.); SchW. 258 bescofen, RMWA. 66, StWG. 545 bi-scoffôn, fehlt RVA. A. Quak' 347 , Psalm 2,4 Ther buot in himelen bescoffen sal si: in got bespotten sal si. Es liegt eine Präfixbildung vor zu einem Verb ahd. *scoffen, das auch durch die Ableitung ahd. scofftzzen vorausgesetzt wird. Nach R. Kyes1348 handelt es sich um ein schwaches Verb der 2. oder 3. Klasse. Es kann aber durchaus auch ein jan-Vcrb vorliegen. (Nur ahd.) Zu ahd. scopf/scoff st.N. in der Bedeutung 'Gedicht; Spott, Schimpf, StWG. 545134'. scümen 'schäumen' (T.; Gl.); SchW. 260, RMWA. 79, StWG. 551, RVA. 186. Tatian 147,32f. trohtin milti minemo sune. uuanta einago ist mir. inti manodseoh ist inti uoruuergit geist fahit inan inti cnusit inti scumit inti gisgrimmot zenin inti dorret inti ubil druoet. (Nur ahd.)1350. 1344 Sieh dazu Th. Stührenberg, Die althochdeutschen Prudentiusglossen, S. 61 mit A. 127; sieh auch StSG. 11,576,65. 1345 So StWG. 531. 1346 Sieh KEW. 623. 1347 Die altmittel- u n d altniederfränkischen Psalmen, S. 17. 1348 Dictionary of old low and central franconian psalms and glosses, S. 89. 1349 Zu diesem Wort sieh auch H. Klingenberg, RGA 5,381-384, besonders S. 383. 1350 Zur Tatian-Stelle vergleiche man E. Gutmacher, PBB. 39 (1914) S. 65.

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Der Glossenbeleg (StSG. 11,547,11 Despuit : scumta) stammt aus der Handschrift London, BMMss. Add. 34248; Nr.273, BV. 402, ll.Jh., alem.; Glosse zu Prud. psych. 367f. inde ad nocturnas epulas, ubi cantharus ingens despuit effusi spumantia damna Falerni... "und dann zu nächtlichen Festen, bei denen ein mächtiger Humpen beim Eingießen schäumenden Falerner ausspeit ..." Zu scûm st.M. 'Schaum', StWG. 551; es vergleicht sich mnd. schûm, mnl. sc(h)ume[m. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] scuohen 'beschuhen', (B. GB. Ν. NG.; Gl.); SchW. 260, RMWA. 72, StWG. 552, RVA. 187. Benediktinerregel 193,34f. edo kihaltidv cuatero tatio lanchom vnsereem indi kescuahte in garauuidu des cuatchundin fridoo fuazzum kangames. (Nur ahd.). Zu scuoh st.M. 'Schuh', SchW. 260, StWG. 552; man vergleiche as. skôh, afr. skôcb, ae. scôh, an. skór, got. skohs"52. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] spilen 'spielen1, (N. Ph.); SchW. 266 spilên, man vergleiche RMWA. 128 unter spilen, RVA. 2,142 unter spilon. Der Ansatz eines jan-Verbs spilen bei Notker und im Physiologus erfolgt zu Recht. Belegt sind, neben Formen, die zum ow-Verb gehören, Notker l,176,15f. Ludisne me inquam . texens rationibus inextricabilem laborinthum? Spilest tu sâment mir chad ih . mit tînero rèdo . sô feruuúndenen laborinthum uuvrcbendo? und Physiologus, StSpD. 129,95f. ... da bí stant oâh lielline gerta, so beginnet ez da mite spilen unde béuuindet diu hóren so uásto ... J. Schatz1353 nimmt allerdings - wohl weil im Verhältnis zum ow-Verb kein deutlicher Bedeutungsunterschied auszumachen ist - an, daß bei den Verben spilen und leiden e für o eingetreten sei. Eine nähere Begründung dafür fehlt jedoch. (Man vergleiche afr. spilia)\ zu germ. *spilon sieh Chr. Schaefer1354. Zu spil st.N. 'Spiel, Scherz, Schauspiel', SchW. 266, StWG. 574; man vergleiche afr. spil, spei1355. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] bi-spotten 'verspotten', (MPs); SchW. 266, RMWA. 94, fehlt StWG. 578, fehlt RVA. A. Quak1356, Ps 2,4 Ther buot in himelen bescoffen sal si : in got bespotten sal si. (Man vergleiche afr. spottia, an. spytta).

1351 1352 1353 1354 1355 1356

Sieh FTW. 466, KEW. 627. Sieh FTW. 465, KEW. 655. Althochdeutsche Doppelformen, S. 358. Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 371. Sieh FTW. 513, KEW. 687. Die altmittel- und altniederfränkischen Psalmen, S. 17.

Ableitungen von einem Substantiv

289

Zu spot st.M. 'Scherz, Spaß', SchW. 266, StWG. 578; man vergleiche as. spot, afr. spott, an. spott(r)l>". spurten 'nachspüren, erforschen', (Gl.); StWG. 582, RVA. 323. StSG. 1,244,36 ad inuestigandum : zi spuregenne Kb., MGI. 15,4 instigante +anacentemo spuranti, Bern, BB. Cod. 89; Nr.28, BV. 61, 1.Hälfte 9.Jh, obd.; Glosse zu Can. lib. 995A Qua post mille annos regni in terra justorum, instigante diabolo movendx sunt ad pugnam contra justos regnantes ... "Was nach tausend Jahren der Königsherrschaft im Land der Gerechten auf Veranlassung des Teufels hin zum Kampf gegen gerecht Herrschende bewegt werden muß." (Man vergleiche ae. spyrian, an. spyrja, aus germ. *spur-ija- 'nachspüren' = 'die Spur verfolgen'). Zu spor st.N. 'Spur, Fährte, Tritt, Fuß, Zeichen', SchW. 266, StWG. 577; man vergleiche ae. an. spor, man vergleiche auch spurrento 'Erforscher' (MH.), SchW. 2681358. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] stempfen 'zisilieren, stampfen', (Gl.); StWG. 591, RVA. 202. Bezeugt findet sich StSG. 1,67,16 Celatam : kastemphit, Abrogans R., sowie StSG. V,4,29 Typsanas ./. gestamphtiu gerst .i. ordeum. Glosse zu II Sm 17,19 tulit autem mulier et expandit velamen super os putei quasi siccans ptisanas et sie res latuit. "Und die Frau nahm eine Decke und breitete sie über die Öffnung des Brunnens aus, als ob sie gestampfte Gerste trocknete, so blieb die Sache (die im Brunnen versteckten Männer) verborgen. Die Variante typsanas, statt ptisanas, befindet sich in den Handschriften Ζ (Einsiedeln, Cod. 7, fol. 305; lO.Jh.) und Ψ ρ (Rom, Vaticanus, lat. 12958; 12.Jh.)1359. - StSG. V,5,8 Typsane : gestanphtiu gst. Beide Belege aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Hs. Oehningen 1; Nr.696, BV. 323, ausgehendes 13.Jh. (Man vergleiche ae. stempan, an. stappa)1360. Nach W. Wissmann 136 ' kann beim Substantiv sowohl ein deverbales als auch ein denominales Ableitungsverhältnis vorliegen. Da im Nordgermanischen das Substantiv fehlt, erwägt R. Lühr1362 eine Deutung des Substantives als postverbal, abgeleitet von einem schwachen ôn- oder jan-Vtrb. In Anbetracht der Spezialbedeutung 'zisilieren', die der älteste Beleg für das jan-Vtrb trägt1363, scheidet das /d/z-Verb als Basis für ein Nomen in der Bedeutung 'Stampfer, Mörser' wohl aus. Daher handelt es sich hier eher um eine Ablei1357 1358

Sieh FTW. 514, KEW. 690. M a n vergleiche auch KEW. 692 sowie C. Schuldt, Die Bildung der schwachen Verba,

§ 88 Α. 1. 1359 1360 1361 1362 1363

Man vergleiche Biblia Sacra iuxta Latinam vulgatam versionem 5,316. Sieh KEW. 695, wo der althochdeutsche Beleg zu ergänzen ist. N o m i n a Postverbalia S. 39f. Expressivität und Lautgesetz, S. 367. Man vergleiche dazu J. Splett, Samanunga-Studien, S. 229.

Ableitungen von einem Nominalstamm

290

tung von stampf st.M. in der Bedeutung 'Werkzeug zur Metallbearbeitung'. Dieses Substantiv selbst kann mit seiner allgemeinen Bedeutung 'Werkzeug zum Stoßen, Keule, Mörser'1364, man vergleiche as. stamp, aus einem ow-Verb, das vorliegt in ahd. stampfôn 'zerstampfen, zerstoßen' (StWG. 584) abgeleitet sein. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] stiften '(be)gründen, errichten', (N.; Gl., gi- 'festigen', I.; Gl.); SchW. 271, RMWA. 88, StWG. 592, RVA. 204. Notker 9,317,24 Ipse fundauit earn altissimus. Er seibo der hóhesto stifta sìa. - Isidor 38,13 ... et stabiliam regnum illius. -... endi ih chistiftu dhemu siiti riihhi. (Man vergleiche afr. stifta)·, auch in mnd. stiften, mnd. mnl. stiebten1365. Zu steft, stift st.M. 'Stachel, Dorn, Nadel', StWG. 5881366. Die ursprüngliche Bedeutung des jan-Vtrbs wäre etwa 'ein Bauwerk mit (Holz-)stiften versehen'. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] sama-stocken 'zerstoßen, zerkleinern', (ein Beleg StSG. 11,720,1 (Contundit) : samestochet); StWG. 595, RVA. 206. Der Beleg stammt aus der Handschrift Berlin, StBPK. Ms. lat. 4°; Nr. 19, BV. 50, ll.Jh., alem.; Glosse zu Verg. Ekl. 2,11 et rapido fessis messoribus aestu alia serpyllumque herbas contundit olentis. "Und für die von der sengenden Hitze Ermüdeten zerkleinert sie Knoblauch, Quendel und duftende Kräuter." (Nur ahd.). Zu stoc st.M. 'Stock', StWG. 595; man vergleiche as. afr. stokk, ae. stocc, an. stokkr1367. strâlen 'kämmen', (Gl.); StWG. 598, RVA. 208. Zuerst Gl.SS 392,11 pecto : stralu, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 50; BV. 972, 2.Hälfte 9 .Jh., süd-rhfrk.1368. Glosse zu Prise, inst. 36, 16 ... c vero antecedente in χ· 'pecto pexeris'... (Nur ahd.). Zu sträl st.M. 'Kamm', StWG. 598; man vergleiche as. strâP69. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] stürmen 'toben, lärmen, umherschwirren, stürmen', (N. OT. T.; Gl.); SchW. 274, RMWA. 87, StWG. 604, RVA. 212. Zuerst MGI. 76,1 perstrepit, +sturmta,

1364 1365 1366 1367 1368 1369

StWG. 584, FTW. 484, PIEW. 1012. Sieh KEW. 703. Sieh auch PIEW. 1015f„ FTW. 492, PEW. 1720f. Sieh FTW. 494, KEW. 704, R. Lühr, Expressivität und Lautgesetz, S. 231. Man vergleiche H. Butzmann, PBB. 86 (H 1964) S. 388 und 398. Zum Substantiv sieh FTW. 500, KEW. 706, PIEW. 1028.

Ableitungen von einem Substantiv

291

C l m 6300; BV. 523, 8.Jh.1370; Glosse zu Greg. mor. 4,17,117 Cum enim ad mentem male gesta poenitendo reducimus, gravi mox moerore confundimur, perstrepit in animo turba cogitationum ... "Wenn wir nämlich die schlechten Taten in der Buße nochmals überdenken, d a n n werden wir bald von tiefer Trauer ergriffen u n d viele Gedanken schwirren im Geist umher ..." - Tatian 96,13f. mitthiu her thò quam in hús thes Junten thero samanunga gisah trumbara inti menigi sturmenta inti uuvofenta inti uueinontefilu ... (Man vergleiche ae. styrman, an. styrma). Zu stürm st.M. 'Aufruhr, Kampf, Getümmel, Sturm', SchW. 274, StWG. 604; m a n vergleiche as. ae. storm, an. stormi11. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] bi-sulen 'beschmutzen, besudeln', (Gl.); StWG. 606, RVA. 213. Zwei Belege; StSG. 11,35,7 [cqno] Grauati : bisulida, Frankfurt am Main, Stadt- u n d UB. Ms. Barth. 139; Nr.142, BV. 158, 9.Jh, fränk.; Glosse zu Arat. 2,334f. "Ne sane ta ", quod inquit, "Incipiant violare canes coenoque gravati in margaritas vertan t contagia porci." "Er sagt, die schmutzigen H u n d e und Schweine sollen nicht beginnen Heiliges zu verletzen und sollen ihre Berührungen nicht auf Perlen hinwenden." - StSG. IV, 170,63 Rlitum : bisultun, C l m 23496; Nr.467, BV. 689, 12.Jh., bair.; Glossae Salomonis. (Man vergleiche ae. sylian 'schmutzen, beflecken'). Zu sol, sul st.M.N. 'sumpfige Stelle, Suhle, Lache', SchW. 263, StWG. 568; m a n vergleiche afr. sol, ae. sol, soluim. Das daneben stehende Verb got. bisauljan 'besudeln' wird von E. Seebold1373 auf eine nominale Vrddhi-Bildung zurückgeführt 1374 . swermen 'herausführen, schwärmen', (Gl., zisamane- Gl.); StWG. 617, RVA. 220. Das Simplex ist einmal bezeugt. StSG. 11,704,62 Educunt : suerement, Paris, BN. lat. 9344; Nr. 509, BV. 752, 11.Jh., mfrk. 1375 . Glosse zu Verg. Aen. l,430f. Qualis apes aestate noua per flora rura exercet sub sole labor, cum gentis adultos educunt fetus, aut cum liquentia mella stipant... "So treibt Arbeit die Bienen im Frühsommer unter den Strahlen der Sonne über die Blumengefilde, wenn sie die erwachsene Brut hinausführen oder wenn sie reinen H o n i g häufen ..." Die Bedeutung von lat. êducere 'in die Luft emporführen, hinausführen' ist als 'schwärmen lassen' verstanden worden. (Man vergleiche ae. swierman). 1370 Sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 21, H. Mayer, Althochdeutsche Glossen, S. 74, zweite Hälfte 8.Jh. (Handschrift aus Oberitalien). 1371 Sieh FTW. 505, KEW. 711. 1372 Sieh KEW. 678, PEW. 1761. 1373 Die Benennungsmotive von 'süß', 'sauer' und 'salzig', S. 128 mit A. 11. 1374 Bei G. Darms, Schwäher und Schwager, wird das Wort allerdings nicht behandelt. 1375 Sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 107-130.

292

Ableitungen von einem Nominalstamm

Zu swarm st.M. 'Schwärm', StWG. 613; man vergleiche as. swarm, ae. swearm, an. svarmSm. Die systematische Bedeutung ist auf eine Paraphrase "einen Schwärm machen" zurückzuführen. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] teilen 'teilen, austeilen, verteilen', (B. G. GB. MF. MH. N. NG. O. OT. T.; Gl.); SchW. 281, RMWA. 76, StWG. 624, RVA. 222. Zuerst wohl StSG. 1,186,7 erogat : catailit Pa. kideilit Kb. kitelit Ra. - Tatian 169,18f. meistar quid minemo bruoder thaz her teile mit mir erbi... (Man vergleiche as. dêlian, afr. déla, ae. déâan, an. deila, got. dailjati). Zu teil st.M.N. 'Teil, Anteil, Stück', SchW. 280, StWG. 623; man vergleiche as. afr. del, ae. dxl, got. dails"17. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] toumen 'duften, emporwallen, durchräuchern', (N.; Gl.); SchW. 92, RMWA. 79, StWG. 114, RVA. 30, alle unter D. Demgegenüber befinden sich die Belege bei E. Sehrt - W. Legner1378 unter einem Ansatz tóumen. Zuerst wohl Notker 4,76,1 f. ... únde gémo erstínchen tóumenta fire íro hírlichun stángmachúngo. Die Einordnung bei T. Starck - J.C. Wells dürfte erfolgt sein auf Grund von einmal bezeugtem as. thomiannn und des frühesten althochdeutschen Glossenbeleges (StSG. 11,428,47 Uaporat : doumta) aus den Handschriften Paris, BN. Nouv. aquis. lat. 241; Nr.518, BV. 771 und Clm 14395, Nr.384, BV. 579, 11.Jh., bair.-alem.; Glossen zu Prud. perist. 5,219f. cui multa carbonum strues uiuum uaporat halitum. "Wenn man viel Kohle darauf aufhäuft, wallt feuriger Dunst auf." In den beiden Handschriften ist germ, â zwar in der Regel zu ahd. t verschoben, im Anlaut vor Vokalen aber zu ahd. d "erweicht"1380. (Man vergleiche as. dômian 'dampfen')1381. Es kann sich um eine denominale Ableitung von einem Substantiv ahd. toum st.M. 'Rauch' handeln; SchW. 114 unter D (N. toum)·, man vergleiche mnl. doom. J.H. Gallee1382 stellt den Beleg StSG. 11,711,13 Vapor : hom zu einem Ansatz as. dôm. In diesem Beleg kann jedoch für as. d oder th verschrieben sein. Man vergleiche auch J. Pokorny1383, wo die Wortfamilie wohl zu Recht an die Wurzel *dbeu- 'stieben, wirbeln' angeschlossen wird1384. Dann 1376

Sieh KEW. 65 8f. FTW. 198 a und /-Stamm, PEW. 1754. Sieh auch KEW. 725, wo nur ein germanischer /-Stamm angesetzt wird. 1378 Notker-Wortschatz S. 508. 1379 Man vergleiche dazu in Kapitel II.2.A. 1380 Sieh dazu J. Berg, Die althochdeutschen Prudentiusglossen, S. 25f. 1381 F. Holthausen, Altsächsisches Wörterbuch, S. 13. 1382 Vorstudien zu einem altniederdeutschen wörterbuche, S. 46. 1383 PIEW. 261. 1377

1384

Sieh auch DWB. Neubearbeitung 6,408 unter

2

Daum.

Ableitungen von einem Substantiv

293

wäre von ahd. toum und toumen, as. dôm auszugehen. Ebenfalls hierher zu stellen und nicht von den bei T. Starck - J.C. Wells unter d behandelten Simplexbelegen zu trennen wäre unter dieser Voraussetzung das präfigierte Verb ahd. bi-toumen, bezeugt in der Bedeutung 'verblendet sein1 (ein Beleg StSG. 1,361,3f. Contenebrati : ptoumata)\ StWG. 630 sw.V. (?) 'verdunkeln' (unter 7), fehlt RVA. Der Beleg stammt aus der Handschrift Engelburg, StiftsB. Codex 66; Nr. 128, BV. 138, 12Jh., alem. Die Parallelüberlieferung bietet die Verben pitumpta und weitere Schreibvarianten, StWG. 641 als bitumben 'hintergehen'; bi-temphit, StWG. 93 als bi-dempfen 'mit Rauch bedecken oder umhüllen, ersticken' und bedussit, StWG. 645 als bi-tussen, bi-tussit 'töricht'. Alle Glossen dienen zur Ubersetzung einer einzigen Stelle, und zwar Num 14,44 At Uli contenebrati ascenderunt in verticem montis. "Jene aber waren verblendet und zogen der Höhe des Gebirges zu." Die Bedeutungsangabe bei T. Starck - J.C. Wells ist zu verbessern. Besonders die Wortwahl bi-dempfen zeigt deutlich den Zusammenhang zwischen den Bedeutungskreisen 'Rauch, D a m p f , 'emporwallen, räuchern' und 'verdunkeln'. [DURATIV, KAUSAL - FIENTTV] trösten 'trösten, aufrichten, Trost zusprechen, jemandem das (verlorene) Vertrauen (wieder-)geben, beschwichtigen, zuversichtlich machen, jemanden froh stimmen', (L. N. O. OG.; Gl.); SchW. 286, RMWA. 93, StWG. 637, RVA. 229. Zuerst StSG. 1,225,3 Paraclitum : drostendi Kb. trostenti Ra. - Otfrid 4,37,17 Thaz únsih so irlôste ther gótes boto drôste ... (Nur ahd.). Zu trôst st.M. 'Trost', SchW. 286, StWG. 637; man vergleiche afr. trdst, an. traust, man vergleiche auch got. trausti 'Bündnis, Bund"3®5. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] troumen 'träumen', (N.); SchW. 286, RMWA. 79, StWG. 637, RVA. 230. Notker l,51,12f. ... tô uuárd. taz imo trôumda . táz er sähe iouem síh uuázer ána gîezen ... (Man vergleiche as. drômian, an. dreyma)'1'6. Zu troum st.M. 'Traum', SchW. 286, StWG. 637; man vergleiche as. drôm, afr. dram, me. dream, an. draumrni\ [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] tuobben 'anstücken, flicken', (O., gi- Gl.); SchW. 289, RMWA. 71, StWG. 642, RVA. 233. Zuerst Otfrid 4,29,7f. Uuólt er sie gisâmanôn mit filu kleinen fádomon, er seibo sie birúachit, bi thiu nist thâr uuiht gidúachit. Hierher auch 1385

Sieh H. Götz, Leitwörter, S. 147-155, W. Braune, PBB. 43 (1918) S. 283-390, KEW.

742. 1386

Sieh M. Schnieders, Die einheimischen nicht-komponierten schwachen jan-Verben, S.

1387

Sieh KEW. 737.

53.

294

Ableitungen von einem Nominalstamm

StSG. IV,247,19 Resarcire. : emendare, i ketochen, Leipzig, UB. Rep.II 6 (Nr. 261, BV. 384, 9.Jh„ mfrk.1388); Adespota. Bei I. Frank1389 wird das Verb wohl irrtümlich als stark bezeichnet. (Nur ahd.). Zu tuoh st.M.N. 'Tuch, Stück Stoff, SchW. 289, StWG. 642; man vergleiche as. afr. ae. dôk1190. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] tuomen 'urteilen, richten', (MPs. Ν. OT. T.; Gl.); SchW. 289, RMWA. 79, StWG. 642, RVA. 233. Tatian 39,1 Nolite indicare.' ut non iudicemini; - Nicurûr tuomen, thaz ir nisit fortuomte ... (Man vergleiche anfrk. duomen, as. dômian, afr. dêma, ae. dêman, got. domjanr. Zu tuom st.M.N. 'Urteil', SchW. 289, StWG. 642; man vergleiche as. afr. ae. dôm, an. dómr, got. domsim. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] wâfanen 'bewaffnen', (Μ. ΜΗ. Ν. Ο.; Gl.); SchW. 306, RMWA. 80, StWG. 688, RVA. 247. Muspilli 68,39 der uuarch ist kiuuafanit: denne uuirdit untar in uuic arhapan. Eindeutige Verbformen sind erst bei Notker bezeugt. (Man vergleiche afr. wêpnad 'bewaffnet', an. vxpna). Zu wâfan st.N. 'Waffe', SchW. 306, StWG. 688; man vergleiche as. wâpan, afr. wêpen, ae. wâpen, an. νάρη, got. wepna™1. Ahd. wâfanen, nhd. bewaffnen sind Beispiele für Grenzfálle zwischen den Verben des Versehens, also den "echten" Ornativa und den Verben des Gebens1394. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] w ah sen 'mit Wachs überziehen', (Gl.); StWG. 690, RVA. 247. Nur StSG. 11,497,39 Incerat : uuahsit. Karlsruhe, BLB. St. Peter perg 87; Nr.73, BV. 324, 2. Hälfte 11.Jh., fränk.1395 und ebenda wahsit, St. Gallen, StftsB. 292; Nr. 190, BV. 221, lO.Jh., fränk.; Glosse zu Prud. ham. 404 incerat lapides fumosos idololatrix. "Die Götzendienerin überzieht die rußigen Steine mit Wachs." (Man vergleiche an. vexa).

1388 Zur Handschrift sieh I. Frank, Die althochdeutschen Glossen der Handschrift Leipzig, S. 251-244. 1389 j 1389 Ebenda S. 128. 1390 , Sieh KEW. 743. 1391 Sieh dazu auch S. Blum, Wortschatz und Übersetzungsleistung, S. 35. 1392 Sieh KEW. 744 sowie SEW. 158 unter einem Ansatz *3ö-ma-z unter ' âô 'tun'. 1393 Sieh KEW. 772. 1394 M a n vergleiche dazu auch P. von Polenz, ZDSp. 24 (1968) S. 151. 1395 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gre-

gors, S. 483-489.

Ableitungen von einem Substantiv

295

Zu wahs st.N. 'Wachs', SchW. 307, StWG. 690; man vergleiche as. wahs, afr. 1396

wax, ae. weax, an. vax . [DURATIV, FINAL - ORNATIV] waltnen 'wüten', (ein Beleg StSG. 11,171,1 Furentis : uualmenin)·, StWG. 693 walmen sw.V. (?), fehlt RVA. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 6277; Nr.345, BV. 518, 9 Jh., bair. und ist von E. Steinmeyer (zur Stelle) wohl zutreffend als "uualmentin ?" gelesen worden. Glosse zu Greg, cura 3,16,58 ... necesse est ut hi qui furentes conantur reprimere, nequaquam se in furore erigant, sed quidquid est tranquillitatis ostendant. "Diejenigen, die versuchen Wütende zu beschwichtigen, dürfen sich keinesfalls selbst in Wut bringen lassen, sondern müssen zeigen, was Ruhe ist." (Nur ahd.). Zu walm st.M. 'Eifer, Glut', SchW. 308; sieh auch ae. wielmmi. Auf Grund des einen Beleges ist es nicht sicher, ob die Bedeutung final oder kausal zu verstehen ist. Der Kontext legt ein kausales Verständnis aber wohl näher. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV ?] wehsalen 'wechseln, tauschen', (Gl., fir-, int-, Gl.); StWG. 705, RVA. 262. StSG. 1,155,16 mutual : uuihslit R.; StSG. 1,90,40 mutata : faruuihsalit Pa. firuuihsilit Kb.1398. (Man vergleiche afr. wixlia, ae. wixlan, an. vixla)·, zu germ. *wixslôn sieh Chr. Schaefer1399. Zu wehsal st.M.N. 'Wechsel, Tausch, Umstellung', SchW. 313, StWG. 705; man vergleiche as. wehsal, afr. wixle, an. vixllA. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] fur-wergen 'verfluchen', (T.); SchW. 319, RMWA. 70, RVA. 259. Tatian 147,32f. trohtin milti minemo sune. uuanta einago ist mir. inti manodseoh ist inti uoruuergit geist fahit inan inti cnusit ...1401. (Man vergleiche as. gi^wargian, ae. wiergan 'verfluchen, verdammen, verurteilen', got. ga-wargjan 'verfluchen, verdammen'). Zu warg st.M. 'Feind, der Böse, Teufel; ausgestoßener, friedloser Waldmensch', SchW. 310, StWG. 697; man vergleiche as. warg ae. wearg 'Räuber, Verbrecher', an. vargr 'Wolf, Dieb, Räuber, geächteter Missetäter'; man vergleiche auch got. launawargs 'Undankbarer 1402 . 1396

Sieh KEW. 771 mit weiterer Literatur. Man vergleiche FTW. 401. 1398 Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 534. 1399 Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 371. 1400 Sieh KEW. 779. 1401 Man vergleiche dazu auch E. Gutmacher, PBB. 39 (1914) S. 76 u n d 278. 1402 Sieh PIEW. 1154, FTW. 396, H. Wesche, PBB. 61 (1937) S. 109. Z u m Substantiv sieh auch M. Jacoby, uuargun, vargr 'Verbrecher, Wolf und die Besprechung dieser Arbeit von R. Schmidt-Wiegand, PBB. 99 (1977) S. 100-104. 1397

296

Ableitungen von einem Nominalstamm

wintaren 'überwintern', (Gl.); StWG. 734, RVA. 263. Zuerst StSG. 1,620,11 Hiemabunt : uuintarrant, Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh., alem.1403; Glosse zu Is 18,6 ... et aestate perpetua erunt super eum volucres et otnnes bestiae terrae super illum hiemabunt. "... und die Vögel werden darauf den ganzen Sommer verweilen und alle Tiere des Landes darauf überwintern." (Man vergleiche ae. ofer-wintran 'überwintern'). Zu wintar st.M. 'Winter1, SchW. 325, StWG. 734; man vergleiche as. wintar, afr. ae. winter, an. vetr, got. wintrusHW. Für einen Übergang zu einem ¿-Stamm spricht der Dat.Pl. wintrun, StSG. 11,617,30 (Pruinis) : uvintrun, Clm 18628; 11.Jh., bair. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Lehnübersetzung von lat. hiemäre 'überwintern'. Das Verb läßt sich wohl daher nicht in die im Althochdeutschen sonst bezeugten semantischen Muster einfügen. Nur das Altenglische zeigt die zu erwartende Präfixbildung. [PERDURATIV ?, FINAL - ?] wirken 'wirken, tun, vollbringen, arbeiten, tätig sein', (BR. LS. N. O. OT. T. WB. WH.; Gl.); SchW. 326, RMWA. 75, StWG. 737. RVA. 264 unter einem Ansatz wirken/wurchen. Zuerst wohl Baseler Rezepte 39,16f. ni eino nisi, ni in tag ni in naht, eino nislaffe, ni neouuiht niuuirce ... - Tatian 37,21f. uuizzenti thaz ther heilant quad in. ziu birut ir hefige themo uuibe guot uuerc uuirkit siu In mir. (Man vergleiche as. wirkian, afr. wirka, werkd). Zu ahd. werk 'Werk, Tat; Tun, Arbeit; Ertrag', SchW. 319, StWG. 717; man vergleiche as. afr. werk, ae. weorc, an. verk 'Werk, Tat"405. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] wiscen 'abwischen, abtrocknen, schleifen über', (N.; Gl., int-, ûz-, Gl.); SchW. 327, RMWA. 75, StWG. 739, RVA. 267. Notker l,13,25f. So uuiskên sîniu óugen . petímbertíu mit temo nebele tero stirbigôn dingo. - StSG. IV,139,17 Decisco : intwisco .t., Glossae Salomonis, London, BMMss. Add. 18379; Nr.268, BV. 391, 13.Jh., bair. Daneben stehen jedoch auch Formen ohne stammauslautendes -k-: StSG. IV,318,8 (Siccauit) : wista, Cambridge, University Library Add. MS. 2992; Nr.50, BV. 90, 13.Jh. Glosse zu Boeth. cons. 1,2,7 Haec dixit oculosque meos fletibus undantes contracta in rugam veste siccauit. "Dies sagte sie und trocknete mit ihrem in Falten zusammengezogenen Gewand meine tränenüberströmten Augen." - Notker l,13,27f. Et contracta ueste in rugam . siccauit oculos meos . undantes fletibvs. Unde mit kelésotemo tûoche irò uuâte . uuísta sì 1403

Sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S.

17. 1404

Sieh FTW. 384, KEW. 794. Für das Germanische ist wohl von einer -r-u- Bildung auszugehen, man vergleiche A. Bammesberger, Die Morphologie des urgermanischen Nomens, S. 161. Da im Altenglischen die ältere Form nur noch resthaft bezeugt ist, kann das nur dort und im Althochdeutschen belegte Verb als Ableitung von einem ¿-Stamm aufgefaßt werden. 1405 Sieh noch K. Matzel, Zu einigen älteren Quellen des Zimbrischen, S. 486 u n d K. Matzel, Untersuchungen zur Verfasserschaft, S. 239 A. 416 sowie unten unter wurken.

Ableitungen von einem Substantiv

297

mîniu vuûoffenten óugen. Diese Belege deuten aber wohl nicht auf ein Verb *wissen, zu dem wisketi mit ¿¿-Suffix gebildet wäre, sondern beruhen auf sekundärem Ausfall des k im Präteritum1406. Nicht alle der bei J. Schatz aufgeführten Fälle sind jedoch mit Sicherheit unter dem Stichwort "k- Ausfall" zu verbuchen, man vergleiche weiter unten unter nuscen. (Nur ahd., es vergleicht sich mnd. wischen, mnl. wissehen)·, von gleicher Basis daneben ae. wiscian, weoxian 'flechten'. Zu wise st.M. 'Bündel aus Stroh', StWG. 738; man vergleiche ae. wise, an. visk1*07. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] wunsetn '(etwas) wünschen, ersehnen, verlangen', (N. NG. O.; Gl.); SchW. 330, RMWA. 75, StWG. 747, RVA. 268. StSG. 1,162,35 optat : uuunskit Pa. uunskit Kb.Ra. uunscit R. - Notker 9,243,4f. So uuégoe mánnolíh sînen fìenden . sús uuóla uuúnsce in. (Man vergleiche ae. wyscan, an. yskia). Zu wunsc st.M. 'Wunsch', SchW. 330, StWG. 747. Die Bildung des Substantivs verweist seinerseits auf eine verbale ^-Bildung. Man vergleiche ae. wüsc-, an. ósk F.1408. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] wuntren 'staunen, sich wundern', (MF. WH.); SchW. 330, RMWA. 83; RVA. 2,189 nur Verweis auf uuunt(a)ron. Zuerst Monseer Fragmente 5,17f. Enti uuntxentiu uur tun elliu dhin fole enti quatun inu ... (Nur ahd.); daneben nur Fortsetzer von germ. *wun darán1*™. Zu wuntar st.N. Wunder, Wunderbares, Seltsames, Zeichen', SchW. 330, StWG. 748; man vergleiche as. wundar, ae. wundor, an. un dr. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] wuofen 'weinen, klagen, trauern, jammern', (MF. MH. N. NG.; Gl.); SchW. 331, RMWA. 66, StWG. 748, RVA. 269. Das schwache Verb ist wohl zuerst bezeugt StSG. 1,242,33 plorabam : uuofta Kb. Ra. (Man vergleiche an. αφα 'schreien, rufen', got. hopjan 'schreien, rufen, nennen'). Daneben stehen stark flektierende Formen. Im Althochdeutschen im Tatian (sieben Belege) und einmal bei Otfrid, ebenfalls im Altenglischen (st.sw.), Altfriesischen, Altsächsischen1410 und Altostniederfränkischen 1411 . Wenn daher 1406

Sieh dazu J. Schatz, Althochdeutsche Grammatik § 207. Sieh R. Schmidt-Wiegand, Studien zur historischen Rechtswortgeographie, S. 129-145; FTW. 413, KEW. 796. 1408 Sieh FTW. 388, KEW. 800, PEW. 1995, H.-J. Thiede, Der Wortstamm 'Wunsch'. 1409 Man vergleiche Helen Adolf, JEGP. 46 (1947) S. 395406, DWB. 14,2,1782f. 1410 Sieh SEW. 564. 1411 StWG. 748. 1407

Ableitungen von einem Nominalstamm

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ein starkes Verb germ. *wôpja- oder *wôpa- 'weinen'1412 angesetzt werden kann, so könnten bei den schwach flektierenden Formen wie im Falle von ahd. ruofen im Althochdeutschen schwach gewordene Fortsetzer eines ursprünglich starken Verbs vorliegen. Das Nebeneinander von starker und schwacher Flexion kann bei diesem Verb aber auch anders begründet werden. W. Wissmann 1413 und zustimmend K. Matzel1414 sehen in *wôpija- ein ursprünglich denominales Verb, daß erst unter Einfluß des in Lautgestalt und Bedeutung ähnlichen starken Verbs germ. *hrôpa- sekundär starke Formen ausgebildet habe. Als Basis der Ableitung ist dann ein Substantiv zu sehen, das fortlebt in ahd. wuof st.M. 'Weinen, Klage, Seufzen' (B. T.; Gl., SchW. 331, StWG. 748); as. ae. wôp, an. όρ 'Ruf, Geschrei'. Für diese Deutung könnte sprechen, daß sich der Flexionsklassenwechsel bei den ^«-Verben, die mit einiger Sicherheit ein starkes Verb fortsetzen - mit der einzigen Ausnahme ahd. ruofen, das allerdings mit wuofen in enger formaler und semantischer Beziehung steht -, im Gegensatz zu ahd. wuofen stets zuerst in den fränkischen Denkmälern abzeichnet, wohingegen die alemannischen Handschriften die starken Formen länger bewahren1415. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] zeihhanen 'kennzeichnen, zeichnen, bezeichnen, zeigen, anzeigen', (B. GB. I. ΜΗ. Ν.; Gl.); SchW. 333, RMWA. 80, StWG. 756, RVA. 271 f. StSG. 1,42,37 Adsignat : zaihnit Pa. Kb. zeihnit Ra.1416. - Isidor 21,1 f. lnu huuazs andres zeichnit dhar dhea dhri sanctus chiquhedan, nibu dhera selbun almahtigun dhrinissa guotliihhin ist araughit? (Man vergleiche afr. têknia, ae. txcnan, an. teikna, got. taiknjan)·, zu germ. *taiknôn sieh Chr. Schaefer1417. Zu zeihhan st.N. 'Zeichen, Vorzeichen', SchW. 333, StWG. 756; as. têkan, afr. têken, ae. tacen, an. teikn, got. taiknHn. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] zeineti1 '(jemanden) (an)anzeigen, verkünden, bezeichnen, vorausdeuten, hinweisen, lehren', (O.; Gl., man vergleiche auch bi- O. Ph., gi- O. T.) SchW. 333, RMWA. 81, StWG. 756, RVA. 273. Gl.S 162,31 exprimitur : ift cazeinnit, 1412

So SEW. 564, man vergleiche auch C.C. Stang, Lexikalische Sonderübereinstimmungen S. 60. 1413 Die ältesten Postverbalia des Germanischen, S. 46f. 1414 Zur althochdeutschen Isidorübersetzung II, S. 352f. A. 35, sieh auch Untersuchungen zur Verfasserschaft, S. 186 A. 165. 1415 Sieh dazu in Kapitel III.2. unter ruojen. 1416 Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 98. 1417 Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 377. 1418 Sieh KEW. 807 sowie besonders zur Verbreitung der Wortfamilie im Althochdeutschen G.P. Cubbin, PBB. 98 (H 1977) S. 324-345. Sieh auch H. Wesche, Der althochdeutsche Wortschatz auf dem Gebiet des Zaubers, S. 84-86.

Ableitungen von einem Substantiv

299

Clm 14379; BV. 596, 9.Jh.14"; Glosse zu Greg. hom. 1,9,1499 Sed, sicut superius diximus per quinqué talenta, quinqué videlicit sensus, id est exteriorum scientia designator, per duo autem intellectus et operado exprimitur. "Aber, wie ich bereits oben sagte, werden die offensichtlich fünf Sinne, das heißt das Wissen um äußere Dinge, durch fünf Talente bestimmt, durch zwei aber wird das Erkenntnisvermögen und die Tätigkeit bezeichnet." - Gl.S 165,3 ad demonstrandum : cenn, Clm 14510; BV. 596, 9. Jh.1420; Glosse zu Alcuinus de fide sanctae et individuae trinitatis 3,8 - Otfrid 4,27,19 Thô zéintun uuóroltenti sines selben hénti. (Nur ahd.). Zu zein st.M. 'Pfeilschaft, Rohr, Stab', StWG. 756; man vergleiche ae. tân, 'Zweig, Los', an. teinn, got. tainsun. Die systematische Bedeutung ist wohl "etwas (ein Zeichen) mit einem Stab machen". [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] Zilien 'richten, berühren', (N.; Gl.); SchW. 335, RMWA. 77, StWG. 762, RVA. 278. Zwei Belege, Notker 4,69,3f. die filo réhto enchédent tienjlânnan-ûf sih zíllenten stérnon sepentarii. - StSG. 11,437,32 Tangit : zilta, Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11. Jh., bair.-alem. Glosse zu Prud. perist. ll,97f. ... qui terga duorum diuidit et médius tangit utrumque latus. "... der die Rücken der beiden trennt und in der Mitte steht und beide Seiten berührt." Das janNtrb, dessen Ansatz nicht unumstritten ist1422 und auch nur unter Vorbehalt einem der sonst bezeugten Ableitungsmuster zugeordnet werden kann, steht neben häufigerem zilên 'sich bemühen, streben, sich beeilen' und zilôn 'sich bemühen, sich beeilen'. (Man vergleiche afr. tilla 'heben, emporheben, ae. tilian 'streben nach'). Zu z/7 st.N. 'Ziel, Ende, Grenze', SchW. 335, StWG. 762; nur ahd.; das Substantiv ist aber für die übrigen Einzelsprachen durch Ableitungen zu erschließen1423. Die systematische Bedeutung ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV ?] zimbaren '(er)bauen, zimmern', (B. GB. I. MF. N.; Gl.); SchW. 335, RMWA. 83, StWG. 762, RVA. 278. Isidor 37,14f.... dher seibo zimbrit mirhuusim. (Man vergleiche as. timbrian, afr. timbria, ae. timbran, an. timbra, got. tim(b)rjan). 1419

Zur Handschrift sieh B. Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen 1, S. 240f. Sieh ebenda S. 205f. und 248f. 1421 ppjçr 15 l j H. Wesche, Der althochdeutsche Wortschatz im Gebiete des Zaubers, S. 1420

82. 1422

Man vergleiche O. Schade, Altdeutsches Wörterbuch, S. 1261; F. Kriier, Der Bindevokal und seine Fuge, S. 281, der allerdings nur den Glossenbeleg nennt. Beide setzen zilên an. 1423 Sieh KEW. 812, FTW. 161. 1424 Sieh dazu K. Matzel, Untersuchungen zur Verfasserschaft, S. 401 A. 94.

300

Ableitungen von einem Nominalstamm

Zu zimbar st.N. 'Bauholz, Wohnung', StWG. 762; man vergleiche as. timbar, afr. ae. timber, an. timbrins. J. West1"26 n i m m t für das gotische /««-Verb Ableitung von got. timbrja 'Zimmermann' an. Der Vorschlag ist nicht ausreichend begründet und hat, da es sich dann u m das in der Klasse der althochdeutschen jan-Veiben nur seltene agentivische Ableitungsmuster handelte - man vergleiche das oben unter ambahten Gesagte - wenig Wahrscheinlichkeit für sich1427. Für germ. *timbrôn läßt Chr. Schaefer1428 es hingegen offen, ob ein Efficientativum (Facientivum) zu einem Basisnomen 'Gebäude' oder Instrumentativum zu einem Basisnomen 'Bauholz' vorliegt. In 'Bauholz' ist aber wohl die Ausgangsbedeutung zu sehen. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] Zinsen 'Steuerpflicht auferlegen', (Gl.); StWG. 763, RVA. 279. Zuerst wohl StSG. 11,346,13 (Adtributus est) : gizinster ist, Clm 14461; Nr.392, BV. 590, 9./10.Jh. bair.; Glosse zu Isid. off. 1,32,399 ... propter banc ergo vitae novitatem primus mensis in anni mensibus celebrationis buie attributus est, nam et ipse dicitur mensis novorum. "Wegen seiner Jugend also wurde ihm der erste Monat des Jahres zur Auszeichnung zugedacht, denn dieser wird auch selbst Monat der Jugend genannt." (Nur ahd.). Zu zins st.M. 'Steuer, Abgabe', SchW. 336, StWG. 763; man vergleiche as. afr. tins·, entlehnt aus lat. census1429. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] zûnen 'verzäunen, umzäunen', (Gl., be- Ν.; Gl.); SchW. 337, RMWA. 82, StWG. 770, RVA. 281. StSG. 1,667,18 Sepiam : ihzûne, Clm 4606; Nr.328, BV. 486, 12.Jh., bair. sowie ebenda gizivnet, Clm 6217; Nr.337, BV. 500, 13./14Jh., bair. und ebenda gezunet, Clm 14745; Nr.407, BV. 610, 14.Jh., obd.; Glosse zu Os 2,6 propter hoc ecce ego sepiam viam tuam spinis et sepiam eam maceria et semitas suas non inveniet. "Darum, siehe, will ich deinen Weg mit Dornen umzäunen und ihn mit einer Mauer versperren, und sie wird ihre Pfade nicht finden." (Man vergleiche afr. têna, ae. tynan). Zu zûn st.M. 'Zaun, Verschanzung', SchW. 337, StWG. 770; man vergleiche as. afr. ae. tun, an. i««1430. [DURATIV, FINAL - ORNATIV]

1425 1426 1427 1428 1429 1430

Sieh KEW. 813. ZDPh. 100 (1981) S. 327. Sieh auch W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 345. Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 382. Sieh KEW. 814. Sieh FTW. 165, KEW. 806.

Ableitungen von einem Substantiv

301

zürnen 'zürnen, sich empören', (G. N. O.; Gl.); SchW. 338, RMWA. 82, StWG. 773, RVA. 282. Zuerst wohl StSG. 1,231,29 conuentiosus : zurnenter R.1431 - Otfrid 4,30,5f. Alle, thie thâr uuârun ... zúrntun thia gimácha sines selbes racha. (Nur ahd.; man vergleiche mnd. mnl. tornen). Zu zorn st.N. 'Zorn', SchW. 337, StWG. 768; man vergleiche as. ae. tornm2. Nicht sicher ist dagegen die Deutung der Präfixbildung uozarnen 'verachten, verhöhnen' 1453 , (T. OT); SchW. 304 unter U, RMWA. 82 als uozurnen, RVA. 244. Das nur im Tatian bezeugte Verb ist offenbar schon früh nicht mehr verstanden worden und hat im Oxforder Tatian an einer Stelle eine Umdeutung zu urzarnen erfahren. Schon E.G. Graff 434 hat das Verb wohl zutreffend an ahd. zorn angeschlossen. Es handelt sich dann entweder um eine Präfixbildung, die unmittelbar zum /¿«-Verb zürnen zu stellen ist. Oder es ist mit W. Braune1435 ein Verb uozurnen anzusetzen, das mit dem seltenen Nominalpräfix uo gebildet und deshalb von einem Substantiv *uozorn Verschmähung, Verachtung' abgeleitet sei. Für diese Deutung spricht vielleicht der abgeschwächte Stammsilbenvokal der Belege, doch andererseits ist ein solches Substantiv sonst nicht bezeugt und auch der Status eines Nominalpräfixes uo- ist ungeklärt. Vielleicht ist doch eher von einem Verbalpräfix auszugehen, das etwa für ahd. à- stehen kann1436. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] In den im folgenden aufgeführten Fällen ist nicht mit letzter Sicherheit zu erweisen, ob es sich bei den Basen der Ableitungen um ¿-Stämme handelt: brabten 'laut schreien, heulen, tönen, lärmen, toben', (N.; Gl.); KFW. l,1312f., SchW. 101, RMWA. 88, StWG. 73, RVA. 12f. Zuerst StSG. 1,287,43 Perstrepebat : durhprastota prahta, Oxford, BL. Jun. 25; BV. 725, Nr.493, frühes 9.Jh., alem.1437 und Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh„ alem.; Glosse zu Ex 19,16 iam advenerat tertius dies et mane inclaruerat et ecce coeperunt audiri tonitrua ac micare fulgura et nubes densissima operire montem clangorque bucinae vehementius perstrepebat timuit populus qui erat in castris. "Als nun der dritte Tag kam und der Morgen anbrach, siehe, da begannen Donner zu rollen und Blitze zu leuchten, und dichtes Gewölk verhüllte den Berg, und 1431

Sieh dazu J. Splett, Samanunga-Studien, S. 258. Sieh KEW. 816. 1433 Die ältere Literatur ist verzeichnet RVA. 244. 1434 GSp. 5,695. 1435 PBB 43 (1918) S.179f. 1436 M a n vergleiche dazu W. Wilmanns, Wortbildung, § 420.4. Sieh auch J. Schatz, Althochdeutsche Grammatik, § 100. 1437 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 1432

Ableitungen von einem Nominalstamm

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der Schall der Posaunen ertönte immer stärker, und das Volk, das im Lager war, überkam Bangen." In den Worten A. Lötschers1438 handelt es sich um ein lautes "Schallerzeugnis", das "intentional" erzeugt sein muß. Es liegt also ein finales Verb vor. (Nur ahd.). Zu braht st.M. 'Lärm, Geschrei', KFW. 1,1311 (mit Verweis), StWG. 73; man vergleiche as. braht sowie ae. breahtm™. Ob ein a- oder z-Stamm anzusetzen ist, ist nicht zu entscheiden. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] ''h traten 'heiraten', (belegt ist StSG. III,67,70f. Innuba : vngeheirett)·, StWG. 660, RVA. 238. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 23796; Nr.468, BV. 691, bair.; 15.Jh.1440, Summarium Heinrici. Die Parallelüberlieferung zeigt Formen des Verbs hî(w)en. Der Beleg ist als mittelhochdeutsch zu werten. (Nur 15.Jh.). Zu bîrât st.M.F. 'Ehe, Vermählung', StWG. 278; man vergleiche auch ae. hîrêd·, sowie mhd. hîrât und hîrâtenI441. Die Parallelhandschriften zeigen Ableitungen vom Verb hîwen. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] kirnen 'dreschen, entkernen', (Gl., ir- Gl.); StWG. 332, RVA. 91f. Der bei F. Raven aufgeführte Beleg gicurnit (StSG. 111,504,35) gehört zu ahd. kurnen und ist daher abzutrennen; sieh dazu weiter oben. Das Verb ist belegt StSG. 1,39,28 trituratur : thrisgit edho choron chirnit Ka. (Pa. churnit)\ 4,326,14 Nucleo : kirnu, Clementis Ars 96, Clm 14456; Nr.391, BV. 588, 9.Jh., bair.; StSG. IV,326,15 Enucleo : erkirnu\ 5,107,12 Ennucleo : Ergerà. (Nur ahd.); ae. cyrnan, cernan, fnhd. kernen 'buttern' sind Ableitungen von germ. kern(j)ôn 'Butterfaß'; die etymologischen Zusammenhänge sind noch unklar1442. Zu kern st.M. 'Kern', StWG. 328 und kerno sw.M. 'Kern, Korn, Getreide' (NG.), SchW. 180; man vergleiche an. kjarni1443. [DURATIV, FINAL - wohl PRIVATIV] mesihhen 'Seidenstoff weben, färben ?', (ein Beleg MGI. bistincto +mezihet)\ StWG. 410, fehlt RVA. Der Beleg stammt aus der Handschrift Wien, ÖNB 949; Nr.602, BV. 928, 9./10.Jh.; Glosse zu Greg, cura 2,3,15 Quod recle etiam superhumerale ex auro, byacintho, purpura, bis tincto cocco, et torta fieri bysso prxcipi-

1438 1439 1440 1441 1442 1443

Semantische Strukturen, S. 41f. und 63. Sieh FTW. 277. Zur Handschrift sieh HSH. 2,XXXVIII. LH. 1,1302. Sieh auch KEW. 302, GSp. 2,462. Sieh KEW. 357. Sieh ebenda 366.

Ableitungen von einem Substantiv

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tur ... "Denn es ist richtig vorgeschrieben, daß das Obergewand aus Gold, Seide, Purpur, zweimal gefärbtem Scharlach und fein gewebtem Leinen hergestellt werden soll." Das Interpretament ist vielleicht als bis tincto zu lesen man vergleiche Ex 28,8 - und bezieht sich dann auf lat. tingere 'benetzen, färben"444 Unklar bleibt aber, wie das s in bis zu deuten ist. Wenn die Bedeutungsfestlegung für die vermeintliche Basis mesih zutreffend ist, ist zu erwägen, ob die Glosse nicht auf lat. torta bezogen werden muß. Weiter ist aber auch zu bedenken, ob das Wort nicht in Beziehung zu aram. rnesiha 'Christus, der Gesalbte' gesetzt werden kann. (Nur ahd.). Basis der Ableitung dürfte das nur im Glossar R. zweimal belegte Substantiv mesih, mezih 'Seide ?', StWG. 410, sein1445. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] scimpfen 'verlachen, verhöhnen, spotten', (OT. T.; Gl.); SchW. 257, RMWA. 67, StWG. 542, RVA. 181. Tatian 96,17f. gieng tbo in in ti quad, gir bina nist tòt thaz magatin ouh slafit Inti skimpbitun inan uuizente thaz siu tòt uúas ... (Nur ahd.). Zu scimpf st.M. 'Spaß, Scherz, Streich', StWG. 542; man vergleiche mnl. scimpwt. O b ein a- oder /-Stamm anzusetzen ist, ist nicht zu entscheiden. Spuren eines starken Verbs1447 sind nicht bezeugt. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] int-soumen 'den Packsattel abnehmen 1 , (Gl.); StWG. 570, fehlt RVA. E. Meineke1448, Destrauit c[amelos]. ent satelota. ent soumta\ ΒV. 437b144', 10., Anfang 11.Jh. - Hierher wohl auch Gl.R. 77,26f. destravit : in sadolota vel antsonda, wenn antsomda zu lesen ist. Der Beleg stammt aus der Handschrift Admont, StiftsB. 718; BV. 7, 12.Jh., nd. (?). Es handelt sich um eine Glosse zu Gn 24,32 et introduxit eum hospitium ac destravit camelos deditque paleas et faenum et aquam ad lavandos pedes camelorum et virorum qui vénérant cum eo. "Und er führte ihn in das Haus und sattelte die Kamele ab und gab ihnen Stroh und Heu, und brachte Brot und Wasser, um die Füße der Kamele und der Männer, die mit ihm gekommen waren, zu waschen." Die Gemeinsamkeit zwischen den beiden Handschriften, zumal in einem Fall von Doppelglossierung, ist auffallig. Die Heimat der Handschriften konnte bisher nicht zweifelsfrei ermittelt werden1450. Die Glossen des Admonter Codex werden 1444

K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 2,3130. Sieh dazu J. Splett, Samanunga-Studien, S. 48f. 1446 Sieh KEW. 633 sowie J. de Vries, PBB. 80 (1958) S. 6. 1447 So vermutungsweise DWB. 9,168 und 174. 1448 Saint Mihiel, S. 92. 1449 R. Schützeichel, Addenda und Corrigenda [I]. 1450 Zur Sprache der Handschrift Saint Mihiel 25 sieh E. Meineke, Saint Mihiel und H. Tiefenbach, BNF. NF. 11 (1976) S. 335-345. 1445

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Ableitungen von einem Nominalstamm

von H. Götz1451, allerdings mit Verweis auf die Handschrift Clm 22201, die bairische und mittelfränkische Sprachformen zeigt, als teilweise niederdeutsch bezeichnet. Weitere Ubereinstimmungen zwischen den Handschriften sind nicht auszumachen. (Nur ahd.). Zu soum2 'Bürde, Last', StWG. 569; man vergleiche ae. seam, beides entlehnt aus mlat. sauma 'Packsattel'1452. fir-wîffen 'Güter beschlagnahmen', (Gl.); StWG. 725, RVA. 261. Die beiden bezeugten Belege (StSG. 11,138,9 Proscribantur : feruuifùr uuerden .f. und StSG. 11,139,64 Proscribantur : firwiffit werden) entstammen den Handschriften St. Gallen, StftsB. cod. 299; Nr. 194, BV. 225, 2. Hälfte 9.Jh., alem.1453 und Schlettstadt, Bibliothèque et Archives Municipales Ms.7; Nr.552, BV. 849, 12.Jh., alem.1454; Glossen zu Can. apost. XL ... vel ejus propinqui sub obtentu Ecclesia proscribantur, et in causas incidant, qui... "... oder damit unter dem Vorwand der Kirche die Güter seiner Nachbarn beschlagnahmt werden und diejenigen in Prozesse geraten, die ..." Es handelt sich um eine genaue Übersetzung von lat. proscribereU55, das in erster Bedeutung 'öffentlich bekannt machen', in zweiter Bedeutung '(durch öffentlichen Anschlag) jemanden seiner Güter verlustig erklären' bedeutet. Das Verb ist auch im Langobardischen bezeugt1456. Basis der Ableitung ist wohl ein Substantiv ahd. wiffa F. 'Markzeichen von Grundstücken, Strohwisch, Zeichen', das in der Lex Baiuuariorum (10,18) bezeugt ist: Qui autem signum quem propter defensionem ponunter, aut iniustum iter excludendi vel pascendi campum defendendi vel amplicandi, secundum morem antiquum quod signum wiffam vocamus, abstulerit vel iniuste reciderit, cum I solido conponat. "Wer aber ein Zeichen, wie man es nach altem Brauch zur Abwehr setzt, entweder um einen Unrechten Weg zu verschließen oder um Weideland zu sichern oder zu erweitern, welches Zeichen wir Wiffa nennen, wegnimmt oder zu unrecht zerbricht, büßt mit einem Schilling"1457. Im Althochdeutschen ist auch ein Substantiv wipph (O.) st.M.N. 'Zeichen' (SchW. 325) bezeugt, das wohl von ahd. wipf 'Wipfel' beeinflußt sein dürfte1458. 1451

PBB. 81 (H 1959) S. 208. Sieh KEW. 620 sowie K. Dietz, Kratylos 37 (1992) S. 144. 1453 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 314-317. 1454 Zur Handschrift sieh ebenda S. 339-346. 1455 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 2,2024. 1456 M a n vergleiche F. van der Rhee, Die germanischen Wörter in den langobardischen Gesetzen, S. 140f. unter langob. uuifare. Sieh zu diesem Verb jetzt auch A. de Sousa Costa, Studien zu volkssprachigen Wörtern, S. 235-239. 1457 M a n vergleiche dazu R. Schmidt-Wiegand, Studien zur historischen Rechts Wortgeographie, S. 76. 1458 M a n vergleiche dazu R. Schmidt-Wiegand, ebenda S. 117. 1452

Ableitungen von einem Substantiv

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Daneben ist vielleicht auch an ahd. vuiffa (StSG. 11,348,22 Marrq, uidubia i. vuiffa) zu denken, das StWG. 725 unter einem etwas unklaren Ansatz "wiffa,, f.(?) (marra) 'Hacke, Haue'" erscheint. Es handelt sich um eine Glosse zu Juvenal 1,3,31 Of. tnaximus in viridis ferri modus, ut timeas ne vo mer deficiat, ne marrae et sarcula desint. Für lat. marra wird die Bedeutung 'Hacke, Haue' angeführt1459, aber auch 'eiserner Haken', die in Hinblick von wiffa als 'hervorstehendes Feldzeichen' in diesem Zusammenhang gesehen werden kann1460. Die von R. Schmidt-Wiegand ebenfalls aufgeführten Belege StSG. 111,430,15 Crines : wifphas (Erfurt, Wissenschaftliche Allgemeinbibliothek octav 8; Nr. 129, BV. 141) und Crines : wiffas (Marburg, UB. Mscr. 39; Nr.285, BV. 429; beide niederdeutsch), für die sie die Bedeutung 'Wipfel' angibt1461, gehören wohl nicht hierher1462. - Zwar ist auch lat. crines nicht nur in der Bedeutung 'Haar' bezeugt, sondern mit 'Schweif (der Kometen) 1 und 'Strahlen (des Feuers)' kann auch hier wieder die Verbindung zu einem besonders hervorstehenden Zeichen hergestellt werden, doch die Belege stehen in einem Glossar, das ausschließlich Körperteilbezeichnungen enthält. Bereits E. Steinmeyer (zur Stelle) hat daher vermutet, daß die Belege als "= wîffahs" 'Frauenhaar' gelesen werden müßten. Dieser Deutung haben sich die Bearbeiter des StWG. (sieh 721 wîbfahs st.N. 'Frauenhaar') angeschlossen, aber ohne Kennzeichnung als "as.". Dietrich1463 hatte den Beleg dagegen mit engl, weft 'Gewebe, Zopf, Locke' verbunden und als Bezeichnungsmotiv an die mit Bändern durchflochtenen Zöpfe der Frauen gedacht. wioftjen ? 'ernten', (ein Beleg StSG. 11,626,55 (Sustuleris) : uvihohes)\ RVA. 263f., fehlt StWG. Nach F. Raven liegt die 2.Sg.Ind.Präs. eines schwachen /¿«-Verbs vor. Der Deutung als Verbform ist zuzustimmen, doch handelt es sich wohl um die 2.Sg. Konj. Präs.1464. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 18059; Nr.428, BV. 634, ll.Jh., bair. F. Raven möchte den Beleg mit as. wiodôn, ae. wêodian 'Unkraut ausjäten' in Verbindung bringen. Dies setzt, was vertretbar scheint, eine Verschreibung uviohes statt uviotes voraus. Kontext und Art der Überlieferung legen diese Deutung nahe. Verg. Georg. 1,75: ...aut tenuis fetus viviae tristique sustuleris. "... und du wirst einbringen die zarte Frucht der Wicke und der herben Lupine". Die Glosse stammt, von einer

1459

K.E. Georges, Ausfuhrliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 2,819. Ausführlich zur Geschichte von nd. wipe - hd. Weife R. Schmidt-Wiegand, Studien zur historischen Rechtswortgeographie, S. 110-119. Sieh auch FTW. 412. 1461 Studien zur historischen Rechtswortgeograhie, S. 117. 1462 Die Lesung wisphas für die Erfurter Glosse - so zunächst von Dietrich, ZDA. 3 (1843) S. 116 - trifft nicht zu. Die Lesung E. Steinmeyers konnte in der Handschrift überprüft werden und ist zweifelsfrei richtig. 1463 Dietrich, ebenda S. 121. 1464 Man vergleiche auch die Hinweise des ersten Bearbeiters der Vergilglossen der Handschrift Clm 18059, H.J. Velthuis, D e Tegernseeer Glossen, S. 95. 1460

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Ableitungen von einem Nominalstamm

zweiten, späteren Hand, welche die erste, die an dieser Stelle für den Eintrag lupini : luuinun (StSG. 11,626,54) verantwortlich ist, oft verbessert1465. Die zweite Hand ergänzt zum Substantiv uuihun vi vogalchrut und zu sustuleris uvihohes. Ist die Deutung zutreffend, so muß von einer denominalen Ableitung vom Substantiv wiota F. (StWG. 736) ausgegangen werden, das im Althochdeutschen sonst nur in der Bedeutung 'Farn' belegt zu sein scheint1466. Eine mögliche Verbindung mit ahd. wiohha, wihba, wih F. 'Docht'1467 ist aus semantischen Gründen wohl weniger wahrscheinlich. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL]

b. Ableitungen von Partikelkomposita anafangen 'etwas (aus eigenem Besitze Gestohlenes) anfassen, in rechtsförmlicher Weise in Beschlag nehmen', (ein Beleg StSG. 11,354,10 Interciauit : anafangeda)·, KFW. 3,562. StWG. 25 anafangôn, RVA. 2 Verweis auf anafangon. Der Beleg stammt aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. St. Peter perg. 87; Nr.73, BV. 324, 2. Hälfte 11.Jh., fränk.1468. Der Beleg aus den Glossen zur Lex Ribuaria (XXXIII,2) ist hochdeutsch1469. (Nur ahd.); daneben stehen ahd. fungón (KFW. 3,436) und afr. fangia 'fangen1, at.fangian 'befestigen'. Das vorauszusetzende Substantiv, das in At. fang 'Beute' und in. fang 'Nehmen, Ergreifen' erscheint, ist eine Ableitung vom starken Verb germ. *fanha- 'fangen'1470. Das starke Verb anfrk. fangan wird von F. Holthausen1471 als Neubildung nach dem Partizip Präteritum gedeutet. Eine nominale Präfixbildung liegt vor in ahd. antfanc/anphang st.M. 'das Anfassen' (besonders rheinfrk.); 'Anfang, Beginn', KFW. l,417f., SchW. 86; man vergleiche afr. on(e)feng, ae. onfang, an. áfangxm, das gebildet ist wie ahd. anagnp 'Angreifen, Antasten einer Frau zwecks außerehelicher Verbindung'1473. Desubstantivische Ableitung dazu ist ahd. anafangan in der Funkti-

1465

M a n vergleiche dazu StSG. IV,561. Sieh auch F. Holthausen, Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 389, der ae. wêodian zum Substantiv ae. wêod 'Kraut, Gras' stellt. 1467 Sieh GSp. 1,728. 1468 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 483-489. 1469 U. Bliesener, Die hochdeutschen Wörter, S. 129. Der Kontext ist ausführlich wiedergegeben KFW. 1,562. 1470 SEW. 185. 1471 IF. 62 (1956) S. 152. 1472 Sieh auch LSEW. 1,226, wo jedoch für das Verb nur auf ana-fangen verwiesen wird. 1473 Sieh dazu F. van der Rhee, Die germanischen Wörter, S. 27. 1466

Ableitungen von einem Substantiv

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on eines Rechtsworts1474. Das Rechtswort findet sich erst wieder bezeugt a.1227 als 'durch Handanlegen begonnene Klage um Gut'1475. gi-unslibten 'zu Fall bringen, verführen', (ein Beleg StSG. 1,561,17 Inplanauit : giunslihta)\ StWG. 672, RVA. 245. Der Beleg entstammt der Handschrift St. Paul, Stiftsarchiv 82/1; Nr.521, BV. 779, lO.Jh., alem.; Glosse zu Sir 15,12 non dicas ïile me inplanavit non enim necessarii sunt illi homines impii. "Du darfst nicht sagen, er selbst hat mich verführt, denn er braucht keine Gottlosen." (Nur ahd.). Zu unsliht st.N. 'Fett', StWG. 672; zu einem vorauszusetzenden *ungislahti 'Schlachtabfálle'1476. urdanken 'Unwahres ersinnen', (ein Beleg StSG. 11,91,18 Commentus : urdancanter)·, StWG. 681, RVA. 245. Der Beleg stammt aus der Handschrift Würzburg, UB. Mp. th. f. 146; Nr.647, BV. 995, lO.Jh., ostfränk. Glosse zu Can. conc. Nie. XVIII. (Nur ahd.). Zu urdanc st.M. 'Erdichtung, Mutmaßung, List', StWG. 681.

c. Ableitungen von Komposita âbandmuosen 'das Abendessen einnehmen', (B. GB.); KFW. 1,7, SchW. 81, RMWA. 87, RVA. 1. Benediktinerregel, StSpD. 247,5 saneto paschae usque ad pentecosten ... ad seram cenent... ze naht abandmuasen. (Nur ahd.)1477. Zu âbandmuos st.N. 'Abendessen, das Abendmahl', KFW. 1,7 (mit Verweis), SchW. 81, StWG. 13; sieh auch oben muosen. gi-bêrtuomen 'voranstehen, herrschen', (eine Belegstelle, StSG. 11,317,5.6 Principan tur : sint kihertomit)·, StWG. 272, RVA. 70. Der Beleg entstammt der Handschrift Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 38, 9.Jh. alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh„ alem.1478; Glosse zu Greg, hom. 2,34,1605 Principatus etiam vocantur qui ipsis quoque bonis angelorum spiritibus prxsunt, qui subjectis aliis dum quœque sunt agenda disponunt, eis ad explenda divina ministeria prineipantur. "Die Obersten werden diejenigen genannt, die auch noch über den guten Engeln stehen. Ihnen sind andere untergeben, für 1474

Man vergleiche auch W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 34. M a n vergleiche dazu DRWB. 1,623 Anfang V und 624f. unter anfangen II 1. Zur rechtlichen Bedeutung sieh auch W. Schulze, Beiträge zur Wort- und Sittengeschichte, S. 160f. 1476 Sieh KEW. 751, DWB. ll,3,1330f. 1477 Man vergleiche LSEW. 1,14. 1478 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 1475

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Ableitungen von einem Nominalstamm

die sie bestimmen, was noch getan werden muß. Diesen stehen sie voran, um die göttlichen Dienste zu erfüllen." (Nur ahd.)· Zu hêrtuom st.M.N. 'Herrschaft, Herrschermacht', StWG. 272; man vergleiche as. hêrdôm, an. herradómr. Es ist wohl davon auszugehen, daß -tuom zu diesem frühen Zeitpunkt noch als Grundwort eines Kompositums angesehen worden ist, zumal ahd. tuom 'Macht, Herrschaft, Urteil, Gericht' selbst noch Ableitungen hervorbringen konnte. Sieh dazu unter tuomen. niwibluoten 'frisch blutend', (StSG. 1,78,8 Cruenta : niuuiplotenti Pa. niuplotendi Kb.; 1,78,10 Cmentum : niuplotenti Ra.); StWG. 442, RVA. 142. (Nur ahd.)1479. Es handelt sich wohl um eine Ableitung zu dem kurz zuvor (StSG. 1,78,6) in Pa. K. und Ra. belegten Substantiv niwiplot Pa. niuplot Kb. Ra., st.N. 'frisches Blut', StWG. 442.

B. Ableitungen von einem ya-Stamm a. Ableitungen von Simplicia ârunten 'verkünden, mündlich weiterverbreiten', (ein Beleg StSG. 1,623,8 (Adnuntiate) : aruuntid)\ KFW. 1,666, StWG. 35, nicht RVA. Der Beleg stammt aus der Handschrift Würzburg, UB. M.p.th.f.20; Nr.643, BV. 984, 9.Jh., ostfrk.; Glosse zu Is 12,5 cantate Domino quoniam magnifice fecit adnuntiate hoc in universa terra. "Lobsinget dem Herrn, denn er hat Herrliches getan; verkündigt es auf der ganzen Erde." (Nur ahd.). Zu ârunti st.N. 'Botschaft, Auftrag, Angelegenheit, Befehl', KFW. l,666f. (mit Verweis); SchW. 91, StWG. 35; man vergleiche as. ârundi, afr. êrende, ae. êrende, an. 0rendi. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] biladett, -biloden 'etwas bilden, formen, sich verwandeln', (Gl.; gi- O.); KFW. 1,1028, SchW. 96, RMWA. 65, StWG. 54 und StWG. N. 792, nicht RVA. StSG. 1,447,14 Finxit duas columnas çreas piladta zo suli hqrino, Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh., alem.; Glosse zu III Rg 7,15 et finxit duas columnas aereas decern et octo cubitorum altitudinis columnam unam. "Er formte auch zwei Säulen aus Erz, achtzehn Ellen war die Höhe einer Säule." Der Beleg fehlt bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings. (Nur ahd.).

1479

Sieh auch J. Splett, Abrogans-Studien, S. 485.

Ableitungen von einem Substantiv

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Zu biladi st.N. 'Ebenbild, Vorbild, Bild, Abbild', KFW. l,1028f„ SchW. 96, StWG. 54; einer oberdeutschen Nebenform zu ahd. bilidv, zum Suffix -odi/ -adi im Wechsel mit -idi sieh E. Karg-Gasterstädt1480. Das Substantiv ist für den Sprecher des Althochdeutschen wohl nicht mehr als Suffixbildung kenntlich und wird daher auch an dieser Stelle unter den Simplicia behandelt. [DURATIV, FINAL - FACIENTW] bilidett 'vormachen, als Beispiel erzählen, etwas bilden, formen', (O. WH.; Gl.); KFW. 1,1033, SchW. 96, RMWA. 65, StWG. 55, nicht RVA.'481. StSG. 1,588,4 Fingit : pilidit, St. Gallen, StiftsB. 28; Nr. 151, BV. 174, 9.Jh., obd.; Glosse zu Sap 15,7 sed et figulus mollem terram premens laboriose fingit ad usus nostros unumquodque vas. "Mühsam knetet ja auch der Töpfer die Erde weich und formt daraus verschiedene Gefäße zu unserem Gebrauche." - Otfrid l,22,59f. Er uuólta unsih lêren, uuir unsan fáter êrên, ... bî thíu ist iz hiar gibílidit. (Nur ahd.). Zu bilidi st.N. 'Bild(werk), Darstellung, Abbild', KFW. l,1034f. (mit Verweis); SchW. 96, StWG. 55; man vergleiche as. bilithi, afr. bild, ae. biltâ™. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] erben 'erben, gewinnen', (N.; Gl., ir- Gl.); KFW. 3,352, SchW. 124, RMWA. 64, StWG. 129, RVA. 35. StSG. 1,94,27 siuepossessio : edo haarpit Pa. edho kierpit Kb.1483. - Notker 8,75,14f. Vnde sin uuerch érbet dén irstânden lîchamen in incorruptione. (Man vergleiche afr. ervia, ae. irfan, an. erfa). Zu erbi st.N. 'das Erbe, Besitz, Erbteil', KFW. 3,353f. (mit Verweis), SchW. 124, StWG. 129; man vergleiche as. erbi, afr. erve, ae. irfe, got. arbi, an. αφ M. Das Verb folgt formal der Struktur der Emotiva. Die Paraphrase "BS bekommen" hat sonst keine Parallele innerhalb der ^'¿»-Klasse und ist möglicherweise an eine Struktur "jemand hat BS" anzuschließen. Sieh auch unter urerben. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] [bjioreiten ? 'befestigen' (ein Beleg StSG. 1,149,27 stabilitum : kistetihaftit edho kioreidit Kb.); StWG. 278, RVA. 71 unter einem Ansatz (gi-)hiureidit. Die Abrogans-Glosse ist offensichtlich verderbt und läßt keine sichere Deutung zu. Nach J. Splett1484, der F. Ravens Ansatz unverständlich nennt, ist das Wort möglicherweise zu ae. as. wredian 'stützen' zu stellen. Im Wörterverzeichnis1485 1480

PBB. 66 (1942) S. 292f. M a n vergleiche den Verweis RVA. 7 auf bilidôn·, zum Nebeneinander beider Verben sieh KFW. 1,1033. 1482 Z u m Substantiv sieh FTW. 269. 1483 Zu den Formen sieh J. Splett, Abrogans-Studien, S. 161. 1484 Abrogans-Studien, S. 221 f. 1485 Ebenda S. 464. 1481

310

Ableitungen von einem Nominalstamm

ist die Deutung nicht erwähnt. Da neben dem Abrogans-Beleg im Althochdeutschen (StSG. 1,209,8) auch ein altes Substantiv hioreiti st.N. 'Haus' bezeugt ist (StWG. 278), könnte es sich, wenn die Konjektur zutrifft, bei dem nur einmal belegten Verb um eine denominale Ableitung handeln. Eine verläßliche Aussage bezüglich der systematischen Bedeutung der Ableitung scheint in Anbetracht der unsicheren Uberlieferung nicht möglich. ir-birnen 'das Gehirn entfernen 1 (Gl., in- 'das Gehirn einschlagen' GL); StWG. 278, RVA. 71. StSG. 1,615,63.64 Excerebret : irhirne ist in acht Handschriften der Gruppe M. bezeugt. Eine weitere Handschrift aus dieser Gruppe, Wien, ÖNB 2723 (Nr.620, BV. 949, 2. Hälftr lO.Jh., bair.1486), StSG. 1,615,64, bietet inhirne. F. Raven deutet diesen Beleg als Schreibfehler. Es handelt sich um eine Glosse zu Is 66,3: ... qui mactat pecus quasi qui excerebret canem. "... wer ein Schaf opfert, ist gleich dem, der einem Hund das Gehirn entfernt." Da jedoch lat. ex,cerebrâre sowohl wörtlich als 'jemanden des Gehirns berauben', als auch dem Sinne nach 'das Gehirn einschlagen' bedeutet1487, ist es durchaus denkbar, daß einmal ir-hirnen als 'des Gehirns berauben' und einmal in-hirnen als 'das Gehirn einschlagen' übersetzt worden ist. Es können daher auch zwei präfigierte Verben angesetzt werden1488. Die Annahme eines Schreibfehlers ist zumindest nicht zwingend erforderlich. (Nur ahd.). Zu hirn(i) st.N. 'Hirn', StWG. 278; man vergleiche daneben an. hjarni, sowie mnl. bersene1489. lubben 'mit Gift bestreichen' (Gl.), StWG. 387, man vergleiche RVA. 2,93 unter luppon. StSG. 11,566,64 Medicata : geluppiu, Brüssel, BR. 9968; Nr.45, BV. 81, 11.Jh., mfrk.1490 und gßxppkt'x (E. Steinmeyer zur Stelle: dh. geluppitiu)·, Köln, DB. LXXXI; Nr.88, BV. 348, 11 Jh., mfrk.1491; Glosse zu Prud. ham. 539 ... sed magis aligera est magis et medicata sagitta. "... sondern eher ein geflügelter giftiger Pfeil." (Nur ahd.). Die Belege für das jan-Verb sind ausschließlich Formen des Partizips 2, so daß mit einem ίο-Adjektiv gerechnet werden könnte. Die Belege, die unter dem Ansatz lubbôn und gi-lubbôn 'vergiften', StWG. 387, aufgeführt sind, zeigen aber auch Formen des verbalen Infinitivs. Im Mittelhochdeutschen sind flektierte Verbalformen belegt1492. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß al1486

Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 785-789. 1487 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,2518. 1488 So auch StWG. 278. 1489 Sieh dazu KEW. 311. 1490 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 155-160. 1491 Zur Handschrift sieh ebenda, S. 208-214. 1492 LH. 1,1989.

Ableitungen von einem Substantiv

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len Bildungen die reguläre denominale Ableitungsstruktur zu Grunde liegt. Basis der Ableitung ist dann ahd. lubbi st.N. 'Gift, Zauberei', StWG. 387; man vergleiche ae. lybb, an. lyf, got. in lubja-leis 'giftkundig'1493. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] gi-mitten 'halbieren', (Gl.); StWG. 419, RVA. 131 unter mittifer(e)hen. Sieh StSG. 1,504,13 Dimidietur : gimittitwirt, Clm 22201; Nr.460, BV. 681, Mitte 12.Jh., bair. u. mfrk.1494. Die Parallelhandschriften haben Formen von gimittiferaben, das vom Glossator wohl nicht mehr verstanden wurde. Es handelt sich um eine Glosse zu lob 21,21 quid enim ad eum pertinet de domo sua post se et si numerus mensuum eius dimidietur. "Denn was kümmert ihn sein Haus nach seinem Tode, und daß die Zahl seiner Monde halbiert ist." - StSG. 1,517,65f. Dimidiabunt : kemittiwerdent. gimittenth. Die Belege entstammen den Handschriften Clm 4606; Nr.328, BV. 486, 12.Jh., bair. und wieder Clm 22201; Glosse zu Ps 54,24 ... viri sanguinum et doli non dimidiabunt dies suos ego autem sperabo in te Domine. "Die Männer der Blutschuld und des Truges werden die Hälfte ihrer Lebenstage nicht erreichen, ich aber vertraue auf dich, O Herr!" (Nur ahd.). Es handelt sich bei den erfaßten späten Belegen wohl jeweils um Nachbildungen von lat. dimidiare 'halbieren'1495, die mit Hilfe des Präfix gi- und dem Substantiv ahd. mitti geschaffen wurden. Die Verbalbildung unterliegt zudem dem Einfluß der Parallelglossierung und ist wohl eine Umgestaltung derselben. Ahd. mitti st.N. (SchW. 215) selbst ist Abstraktbildung zu dem Adjektiv germ. *medja 'mitten, in der Mitte befindlich'. Man vergleiche as. middia, ae. midde(l), an. midja. riuten 'roden, lichten', (Gl.); StWG. 489, RVA. 158. Das Simplex erscheint zuerst wohl StSG. 11,319,37 Stirpit : riutit aus der Handschrift Fulda, Hessische BB. Aa 2; Nr.146, BV. 163, lO.Jh., alem.1496. Es handelt sich um eine Glosse zu einem nicht sicher zu ermittelnden Kontext. Die Glosse befindet sich im Umkreis von Glossen zu Greg. mor. 2,36,1622-1626. - StSG. 1,379,27 Succide : nvti, Clm 18140; Nr. 429, BV. 637, 11.Jh., bair.1497; und riuti aus den Handschriften Wien, ÖNB 2723 und 2732, Göttweig, StiftsB. 103. Glosse zu los 17,15 ad quos Iosue ait si populus multus es ascende in silvam et succide tibi spatia in terra Ferezei et Rafaim ... "Os sprach zu ihnen: 'Wenn du ein zahlreiches Volk bist, so ziehe in den Wald hinauf und lichte dir Raum im Lande der Phereziter und Raphaiter ..."' 1493

Sieh FTW. 377. Zur Handschrift sieh K. Matzel, Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 168-173. 1495 K.E. Georges, Ausfuhrliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,2172. 1496 Zur Handschrift sieh auch W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 303-305. Zur Handschrift sieh ebenda S. 507-513. 1494

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Ableitungen von einem Nominalstamm

(Nur ahd.); man vergleiche mnd. rudert. Neben dem Verb steht das Substantiv ahd. riuti st.N. 'urbar gemachtes Land', StWG. 48914'8. Das damit vergleichbare an. rjódr Ν. 'Lichtung' weist als gemeinsame Herkunft auf einen alten i-Stamm. Da das jan-Vtrb die ¿-Stufe trägt, f-stufige Ableitungen von der Verbalwurzel oder einem in diesem Falle nicht bezeugten primären Verb aber im Althochdeutschen sonst nicht sicher nachgewiesen werden können, kann es sich bei ahd. riuten um eine denominale Ableitung handeln. Das Fehlen eines primären Verbs von der Wurzel *reu- ist mit E. Seebold1499 möglicherweise auf die Existenz einer Grundlage *reudh- 'Jätung setzen' zurückzuführen 1500 . [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] Nicht ganz sicher ist die Zugehörigkeit von: gotten 'Gerechtigkeit widerfahren lassen, vor Gericht bringen, rechtsprechen', (StSG. IV,220,14 Iustificare : gotten)· KFW. 4,371, StWG. 235, RVA. 59. Der einzige Beleg für dieses Wort ist überliefert in C. Sanftls Abschrift einer verschollenen St. Emmeramer Handschrift. (Nur ahd.)1501. Die Ableitung ist sicher desubstantivisch. Unklar ist, ob die Basis in einem althochdeutsch nicht bezeugten Substantiv *goto 'Richter, Verwaltungsbeamter, Priester'(?) oder im Substantiv ahd. got st.M. 'Gott, Herrscher', KFW. 4,332f. (dort mit Verweis auf gotten) zu suchen ist. Neben den Bearbeitern des KFW. geht auch M. Gebhardt1502 von einer Ableitung von ahd. got, germ. *gup- aus. Der Beleg wird als Ad-hoc-Bildung gedeutet. Die Bedeutung des jan-Verbs, die auf einen Begriff aus der Rechtssprache verweist, läßt sich jedoch auf diese Weise weniger gut verständlich machen. H. Wesche, dem sich auch K. von See1503 - zumindest was die althochdeutschen Belege betrifft - angeschlossen hat, bringt das Verb daher in Verbindung mit an. goÖi, got. gudja sw.M. 'Richter, Verwaltungsbeamter, Priester'(?)1504. Die Deutung des Beleges hängt letztlich ab von der Annahme eines dem nordischen Goden entsprechenden Rechtsprechers, dessen Amt sich sekundär aus der Priesterwürde herausentwickelt und verselbständigt habe. Im Althochdeutschen spiegelt sich dieses Amt - sieht man vom umstrittenen jan1498 1499

Sieh auch FTW. 352 unter reudra, reudia.

KEW. 597. 1500 Sieh ebenda 603 unter roden zu den weiteren Anschlußmöglichkeiten. Dazu stellt H.C. Melchert, ZVSpF. 91 (1977) S. 124f. noch toch. AB rutk-, 1501 M a n vergleiche H. Wesche, PBB. 61 (1937) S. 6-8. 1502 Bemerkungen zur Glosse tribunus coline, S. 70. 1503 Altnordische Rechtswörter, S. 107f. 1504 Zur Bedeutungsfestlegung vergleiche man H. Wesche, PBB. 61 (1937) S. 7f. Sieh auch FTW. 136, N.O. Heinertz, Etymologische Studien, S. 149f.

Ableitungen von einem Substantiv

313

Verb ab -, in der Glosse tribunus : co ting des Abrogans (StSG. 1,88,16, in den Handschriften Pa. und Kb.). Der Versuch M. Gebhardts1505, das Substantiv statt als cot-ing als *gi-thing(e)o 'juristischer Beamter' zu thing zu stellen und damit in einen anderen Bedeutungszusammenhang zu ziehen, kann aber nicht überzeugen, da für diese Annahme allein drei Schreibfehler bzw. archaische Schreibungen vorauszusetzen wären1506. Zur Erklärung des Substantivs vergleiche man auch H. Tiefenbach1507, der die Verbindung von cotinc mit dem in ahd. hûsgot 'Tempelhüter, Vorsteher' ?1508 vorliegenden Grundwort erwägt. Gegen die Deutung H. Wesches ist dann allenfalls einzuräumen, daß sowohl Ableitungen von schwach flektierenden Substantiven als auch eine in diesem Falle anzusetzende agentivische Ableitungsstruktur im Althochdeutschen nur selten sind. Doch wird diese Interpretation der Bedeutung des Verbs besser gerecht. Zwar ist die Bedeutung des jan-Vtxbs nicht mit letzter Sicherheit zu ermitteln, da der unmittelbare Kontext, in dem der Beleg steht, nicht erhalten ist, doch lassen sich für das Interpretament lat. iustificâre immerhin Bedeutungsangaben festhalten, die zumindest im Mittellateinischen deutlich rechtlichen Charakter tragen1509. Bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings und bei T. Starck - J.C. Wells wird als Bedeutungsangabe für gotten nur die im klassischen Latein für iustificâre vorherrschende Bedeutung 'rechtfertigen' angeführt. [DURATIV, FINAL - AGENTIV]

b. Ableitung von Partikelkomposita anamâleti 'brandmarken', (Gl., gi- Gl.); KFW. 1,435 (nur Verweis auf anamâlen); StWG. 26, RVA. 2. Zuerst wohl StSG. 11,455,24 Stigmarit : ganamalit, Paris, BN. Nouv. acquis, lat. 241; Nr.518, BV. 771, sowie Clm 14395; Nr.384, BV. 579, beide 11.Jh., bair-alem.; Glosse zu Prud. perist. 10,1079f. quamcumque partem corporis feruens nota stigmarit, hanc sie consecratam praedicant. "... von dem Teil des Körpers, der mit einem Brandmal bezeichnet ist, verkünden sie, daß er so geweiht ist." (Nur ahd.).

1505

Bemerkungen zur Glosse tribunus coline, S. 16. Sieh auch KFW. 4,367, StWG. 235 geling. 1507 BNF. NF. 11 (1976) S. 220. 1508 S J ^ Q 295 mit wohl unzutreffender Bedeutungsangabe 'Hausgott, Penat1, sieh dazu H. Tiefenbach, ebenda. 1509 Man vergleiche J.F. Niermeyer, Mediae Latinitatis Lexicon Minus, S. 569. 1506

314

Ableitungen von einem Nominalstamm

Zu anamâli st.N. 'Wundmal, Wundzeichen', KFW. l,435f„ StWG. 26; nur ahd.1510. ant(a)lengen 'antworten', (B. GB. OT. T.); KFW. 1,535, SchW. 89, RMWA. 69, man vergleiche RVA. 3 unter ant-lingen. Tatian 167,22 tho antelengita thiu menigi inti quad ... (Nur ahd.). Zu antlengi st.N. 'Antwort, Erwiderung', KFW. 1,551 (mit Verweis), StWG. 31; nur ahd.1511. Sieh auch unter antlingen. antwurten2 'antworten', (B. GB. I. MF. N. O. OT. T. WH. WU.; GL); KFW. l,570f., SchW. 90, RMWA. 93, StWG. 32, man vergleiche RVA. 3f. unter antuuurten. Isidor 8,2 Ibu sie antuurdant endi quhedant: 'in angilo'. (Man vergleiche as. andwordian, afr. ondwardia, ae. andwyrdan, got. andwaurdjanfiU. Wohl zu antwurti2 st.N. 'Antwort', KFW. l,574f„ SchW. 90, StWG. 32; man vergleiche as. andwordi, afr. ondwarde, ae. andwyrde, got. andawaurdi\ neben antwurtî, st.F.1S13. Voraussetzung für diese Deutung ist nach E. Seebold1514 allerdings, daß das Substantiv zugleich 'Antwort' und 'Widerspruch' bedeutet habe, "was nicht sehr wahrscheinlich" sei. Eher liege dem (gotischen) Verb ein Bahuvrihi *and^waurds 'dessen Wort entgegen ist' (= 'widersprechend') zu Grunde, möglicherweise handele es sich auch um ein ursprünglich unmittelbar aus waurd gebildetes Präfixdenominativum. Es ist zumindest sehr auffällig, daß abgesehen von antwurten und den Sonderfallen diuten und munden sonst keine Ableitungen von Partikelkomposita bezeugt sind, die vergleichbare Entsprechungen in den germanischen Einzelsprachen aufweisen. Zumindest für das althochdeutsche jan-Vtib kann aber wohl bereits eine einfache denominale Ableitungsstruktur vorausgesetzt werden. Auch ist nicht ausreichend klar, wieso die Bedeutungen 'Antwort' und 'Widerspruch' nicht doch beide gleichermaßen mit dem Bedeutungskreis des Substantivs in Verbindung gebracht werden können. Ein früher Beleg für umgelautetes u der Stammsilbe liegt vor in ahd. antwirten™. diuten 'deuten, erklären, wiedergeben, bezeichnen, bestimmen' (N.); SchW. 113, RMWA. 94, StWG. 103, RVA. 29. Notker 2,154,30f. Tiu fler uuórt . mugen uuír gelîcho . únde geméinlîcho diuten sága1516. 1510

Sieh H. Lauffer, Der Lehnwortschatz, S. 36 und 504f. Man vergleiche zu dieser und verwandten Bildungen R. Lühr, ZDA. 109 (1980) besonders S. 61 f., 68 und 70. 1512 Sieh auch LSEW. l,287f. 1513 Sieh auch R. Lühr, ZDA. 109 (1980) S. 50. 1514 ZVSpF. 82 (1968) S. 82f. 1515 Sieh dazu N. Kruse, Die Weingartener Buchunterschrift, S. 898. 1516 Zu den weiteren Belegstellen vergleiche man R. Lühr, ZLL. 24 (1994) S. 39. 1511

Ableitungen von einem Substantiv

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(Man vergleiche afr. bithiôda 'bedeuten', ae. geôéodan 'übersetzen', an. ftyöa 'deuten')1517. Zu *gidiuti 'Volkssprache'1518. Man vergleiche daneben O. in githiuti 'in der Volkssprache'; SchW. 113. Zwar soll es sich nach einer weit verbreiteten Ansicht bei dem janNzrb um eine Ableitung von dem Substantiv urgerm. *peudô 'Volk' handeln1519, doch weist bereits E. Seebold1520 darauf hin, daß das Verb zwar "auf diot bezogen" sei, doch könne es "semantisch keine Ableitung zu diesem sein". Die Deutungsversuche etwa E. Benvenistes1521, der im Verb eine Ableitung von *fxu3ô 'Volk' in der Bedeutung 'volksmäßig machen, verständlich auslegen' sieht1522, oder E.P. Hamps1523 der die Bedeutung 'auslegen, verständlich machen' aus 'in unsere Sprache bringen' hervorgegangen denkt, scheitern an dem ungeklärten semantischen Verhältnis zwischen Basis und Ableitung. E.P. Hamp nimmt daher an, daß die ältere Bedeutung des Substantivs 'Volk' ausgedehnt wurde auf 'die Gemeinschaft, die Kultur kennzeichnende Sprache'. Zwar weist K. McCone1524 in diesem Zusammenhang darauf hin, daß schon die zu Grunde liegende Wurzel *teu- neben 'dienen, schützen' auch eine Bedeutung 'aufmerken' trage, doch kann auch auf diese Weise die Bedeutung des desubstantivischen ^¿zw-Verbs nicht erklärt werden. Dies wäre nur möglich, wenn ein Substantiv westgerm. *peuâô in der Bedeutung 'Sprache' existiert hätte. Eine solche Bedeutung hat aber, wie R. Lühr1525 unlängst gezeigt hat, für *peuâô nicht bestanden. Als Basis kommt allein *gidiuti 'Volkssprache' in Frage, die Ableitung ist nicht urgermanischen Alters, sondern wahrscheinlich erst in der Klosterschule St. Gallens gebildet worden1526. Sieh auch unter untar-diuten. bi-insigilen 'versiegeln', (T.); SchW. 174, RMWA. 76, StWG. 304, RVA. 80. Tatian 323,lOf. sie tho thanna gangenti festinotun thaz grab, bilnsigilenti then stéin mit bibalterin1"7. (Nur ahd.). Zu insigili, insigel st.N. 'Siegel', StWG. 304; man vergleiche auch oben sigi-

1517 1518 1519 1520 1521 1522 1523 1524 1525 1526 1527 1528

Sieh auch ebenda S. 38-43. Ebenda S. 43f. Nachweise ebenda S. 37f. KEW. 138. Le vocabulaire 1,365. So auch W. Wilmanns, Wortbildung, S. 59, FTW. 185. IF. 79 (1974) S. 156. Wolf u n d Krieger, S. 116. ZLL. 24 (1994) S. 31-37. R. Lühr, ebenda S. 4244. Zur Stelle sieh E. Gutmacher, PBB. 39 (1914) S. 77. Sieh KEW. 672.

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Ableitungen v o n einem N o m i n a l s t a m m

munden 'zusammenfließen, münden', (N., ein Beleg); SchW. 216, RMWA. 66, RVA. 131. Not ker 3,236,17f. Si coeant et reuocentur iterum in unum cur sum. Suspensio uocis. Mündent sie áfter dés . ünde chôment sie in éina rúnsa. (Nur ahd.). Zu gimundi 'Mündung eines Flusses, StWG. 214; man vergleiche as. gimûthi, mnd. -munde. Daneben ahd. mund st.M. 'Mund', SchW. 216, StWG. 423; man vergleiche as. afr. mûth, ae. müÖ, an. munnr, got. munps1529. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] urkunden 'Zeugnis ablegen, bezeugen', (I.; Gl.); SchW. 304, RMWA. 66, StWG. 682, RVA. 245. Isidor 19,3 De quo dominus iesus christus propria uoce testatur: ... Umbi dhen druhtin nerrendo Christ sineru selbes stimnu urchundida, dhuo ir quhad... (Nur ahd.). Zu urkundi st.N. 'Zeugnis, Beweis', SchW. 304, StWG. 682; es vergleicht sich mnd. orkunde, mnl. orconder, daneben in gleicher Bedeutung das jüngere urkundi st. F.1530. Die Nomina urkundi, urkundi und urkundo setzen ein Präfixverb ahd. *ur-kunden voraus. Dieses Verb wurde später abgelöst durch ahd. úrkunden, ùrkundôn, das der Rechtssprache angehört und auf das deverbale Substantiv urkundi bezogen wurde. Zu diesem Vorgang und den im Isidor bezeugten Formen sieh auch K. Matzel1531.

c. Ableitungen von Komposita argwânen 'argwöhnen, Böses voraussehen', (ein Beleg StSG. 1,568,47 Non suspicaueris : arcwanist)·, KFW. 1,639, StWG. 33, RVA. 5. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 13002; Nr.382, BV. 527, 12. Jh., bair.; Glosse zu Sir 9,18 longe abesto ab homine potestatem habente occidendi et non suspicaberis timorem mortis. "Halte dich fern von einem Manne, der die Macht hat zu töten, so wirst du von der Todesfurcht nicht beargwöhnt." Wie die Mehrzahl der überlieferten Handschriften enthält die lateinische Vorlage suspicaueris statt suspicaberis des Archetyps1532. (Nur ahd.; man vergleiche auch mnd archwânen)^1. 1529

M a n vergleiche KEW. 492. wo v o n einer Bedeutungsübertragung aus ' M u n d ' ausgegangen wird. Das althochdeutsche Verb wird nicht erwähnt. 530 Sieh KEW. 753. Zu ur-kundo sieh auch M. Bürgisser, U n t e r s u c h u n g e n zur Wortbildung, S. 195. 1 31 U n t e r s u c h u n g e n zur Verfasserschaft, S. 30f. A. 51. Zu den Rechtstermini urkundo, urkundi, Urkunden - testis, testimonium - testan sieh K.F. Freudenthal, Arnulfingisch-karolingische Rechtswörter, S. 48-53. 1532 1533

M a n vergleiche Biblia Sacra (zur Stelle). Sieh LSEW. 1,326.

Ableitungen von einem Substantiv

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Zu argwan st.M. 'Argwohn, Verdacht', (Gl.); KFW. 1,639 (mit Verweis), StWG. 33. bismerien 'verspotten, verlachen', (ein Beleg StSG. 1,251,16 inridit : pismerit Kb.); KFW. 1,1118, StWG. 59, fehlt RVA. Nach R. Kögel1"4 sei das jan-Vtrb aus der ow-Klasse übergetreten1535. (Nur ahd.); man vergleiche aber ae. bismerian 'beschimpfen'1536. Zu bismer st.N. 'Verspottung', KFW. l,1117f. (mit Verweis), StWG. 59; man vergleiche as. bismer-sprâka, ae. bismer. Es handelt sich um ein Nominalkompositum1537. widarmuoten 'schelten, streiten', (Abrogans); StWG. 724, RVA. 261. StSG. 1,219,25 Obiurgat : uuitharmodit Kb. uuirdarmotit Ra. (Nur ahd.). Die Basis ist wohl im Substantiv widarmuoti st.N. 'Ungemach, Verfolgung, Unglück, Unrecht, Ungerechtigkeit', SchW. 322 (B. N. NG. O.), StWG. 724, zu sehen. Daneben steht auch das allerdings erst später bezeugte Substantiv widirmuot 'Ärgernis' (N. NG.). Es liegt ein duratives Verb vor; auch sind die Substantive häufiger belegt als das Adjektiv widarmuoti 'ungerecht, unrechtmäßig', (SchW. 322; man vergleiche as. widarmôd, ae. widermêde 'widerwärtig"538· wolaquetten 'segnen', (eine Belegstelle StSG. 1,500,14 Sanctificabat : uvolaquatta. vuolaquatta. uuola qvatta)·, StWG. 744, RVA. 268. Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11.Jh., bair.1539; Clm 19440; Nr.621, BV. 665, um 1000, bair.1540; Wien, ÖNB 2732; Nr.448, BV 950, lO.Jh., bair.1541; Glosse zu lob 1,5 cumque in orbem transissent dies convivii mittebat ad eos lob et sanctificabat illos consurgensque diluculo offerebat holocausta pro singulos. "Als dann die Tage des Gastmahls der Reihe nach um waren, sandte lob zu ihnen und segnete sie und, sich am frühen Morgen erhebend, brachte er für einen jeden Brandopfer dar." (Nur ahd.). Zu wolaqueti st.N. 'Begrüßung', StWG. 744. Neben der Lehnbildung wolaqueti (T.)1542 steht die denominale Verbalbildung. Man vergleiche die stark flektie-

1534

Ueber das Keronische Glossar, S. 181. Zum ötf-Verb sieh KFW. l,1118f. 1536 Sieh dazu auch H.H. Munske, Der germanische Rechtswortschatz, S. 57 und 255f. 1537 M a n vergleiche KFW. 1,953. 1538 Man vergleiche dazu auch H. Götz, PBB. 82 (H 1960) S. 208. 1539 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 507-513. 1540 Zur Handschrift sieh ebenda S. 744-750. 1541 Zur Handschrift sieh ebenda . 1542 Man vergleiche K. Toth, Die Lehnbildungen, S. 278-282. 1535

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Ableitungen von einem Nominalstamm

renden Lehnübersetzungen welaquedan 'jemanden segnen, preisen' und wolaquedan 'schmeicheln, jemanden preisen'1543.

C. Ableitungen von einem

wa-SiAmm

kniuwen 'niederknien', (NG, gi- N. O.); SchW. 183, RMWA. 95, man vergleiche StWG. 338 kniuwen to, Adv., RVA. 94. Notker 4,162,4f. Sélbemo bímele filo nâho gechníuuentíu . únde íro müotes keéinotíu. (Man vergleiche afr. kníga)\ von anderer Grundlage got. knussjan 'knien'. Zu knio st.N. 'Knie', SchW. 182, StWG. 338; man vergleiche as. knio, afr. knî, knê, ae. eneo, an. kné, got. kniu1544. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] sarewen 'rüsten', (Ν.); SchW. 245, RMWA. 94, RVA. 168. Notker 5,113, 1 If. Quia habere quidem signijìcat calciatum esse . armatum esse. Taz ana haben . bezéichenet keskúhen uuésen. aide gesáreuuit uuésen. (Man vergleiche afr. serva, ae. sierwan)1545. Zu sarò st.N. 'Rüstung', SchW. 245; man vergleiche ae. seam, got. sarwa 'Waffen, Rüstung'. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] scatewen 'Schatten geben, spenden', (N.; Gl., bi- N. T.); SchW. 255, RMWA. 94, StWG. 534, RVA. 178. Das Simplex erscheint zuerst StSG. 1,40,13 Adumbrat : scatuit Ra. (Man vergleiche as. skadowan, ae. sceadwian, got. ufar-scadwjan). Zu scato st.M. 'Schatten', SchW. 255, StWG. 534; man vergleiche as. skado, ae. sceadu, got. skadus1546. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] smir(w)en 'schmieren, streichen', (N.; Gl., bi- GL); SchW. 262, RMWA. 85, StWG. 563, RVA. 322. Zuerst die Präfixbildung StSG. 1,110,4 uneti : pismiruit Pa. pirmiruit Kb.1547. - Der Beleg Notker 10,558,lOf. Incrassatus . inpinguatus . dilatatus . Daz teta er gemäster . gesmireter . gebreîtter. ist wohl eine Lehnübersetzung von lat. inpinguatus in der Bedeutung 'fett machen'. Der Beleg sollte daher vielleicht besser zu einem Ansatz gi-smir(w)en gestellt werden, da das Verb nur so die perdurative Bedeutung zum Ausdruck bringt. Die Grundbe-

1543 Sieh dazu W. Betz, Deutsch und Lateinisch, S. 37. Zur Stellung der Wörter im Inventar frühmittelalterlicher volkssprachlicher Grußformen sieh K. Stroebe, PBB. 37 (1912) S. 191 u n d 209. 1544 Sieh KEW. 383. 1545 Sieh O. Bremer, PBB. 17 (1893) S. 333. 1546 Sieh KEW. 626. 1547 Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 174.

Ableitungen von einem Substantiv

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deutung des nicht-präfigierten Verbs ist dagegen durativ. Dahin deutet auch ein bei T. Starck - J.C. Wells unter Vorbehalt aufgeführter Simplexbeleg, Gl JJ 204,20 tinguit, smir (von H. Thoma1548 wohl zutreffend zu smir[wit] ergänzt; man vergleiche Prud. symm. 2,979 ambustumque caput culmi /uligine tinguit). Der Beleg entstammt der Handschrift London, BMMss. Add. 34248; Nr.273, BV. 402, 11.Jh., alem. - Unsicher ist dagegen, ob eine weitere, dort nur in runden Klammern genannte Belegstelle auf ein janNtib zurückführt. Man vergleiche StSG. IV,376 A. de vìgere salma mit loreole smeren auf der Rückseite des letzten Blattes der Handschrift Altenburg, StiftsB. AB 13 A 11; Nr.8, BV. 9, 13Jh., bair. Der Beleg, mit Stammvokal e, dürfte eher auf ahd. *smerôn hindeuten. Der zudem bei F. Raven verzeichnete Beleg smeruen, Baseler Rezepte, StSpD. 40,24, ist mit R. Schützeichel1549 zu einem Ansatz ahd. smerwên zu stellen. Eindeutig auf ein duratives Verb weist dagegen mhd. smirwen in der Bedeutung 'schmieren'1550. (Man vergleiche ae. smirwan, an. smyrjafK\ Zu smer(o) st.N. 'Schmiere', StWG. 562; man vergleiche as. smero, afr. smere, ae. smeoru, an. smjor. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] trisiwen 'Schätze sammeln', (OT. T.); SchW. 286, RMWA. 95, RVA. 229. Die Tatianstelle - (T. 69,12f.): Nicur& iu trisiuuen treso in erdu - übersetzt Mt 6,19 Nolite thesaurizare uobis thesauros in terra1552. (Nur ahd.). Zu treso st.M.N. 'Schatzkammer), Speicher', SchW. 285, StWG. 633155\ Die Belege weisen auf eine systematische Bedeutung "sich mit Schätzen versehen". [DURATIV, FINAL - ORNATIV]

D. Ableitungen von einem /-Stamm a. Ableitungen von Simplicia angusten 'sich ängstigen, in Angst sein', (N. O. WK.; Gl.); KFW. l,525f., SchW. 88, RMWA. 93, StWG. 29, RVA. 3. StSG. 1,6,9 angsior : angusta Pa. Otfrid 5,20,111 Biginnent sie (die Sünder beim Jüngsten Gericht) ángusten, sie uuóllent sib inzéllen. 1548

PBB. 73 (1953), zur Stelle. SchW. 262. 1550 LH. 2,1014f. 1551 Sieh KEW. 643f. 1552 Man vergleiche E. Gutmacher, PBB. 39 (1914) S. 8 und 65. 1553 Zu anfrk. trisewôr F. vergleiche man L. de Grauwe, De Wachtendonckse Psalmen en Glossen 2, S. 302f. 1549

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Ableitungen von einem Nominalstamm

(Nur ahd.; man vergleiche auch mnd. ang(e)sten, mnl. anxten)lS5\ Zu angust st.F. 'Angst, Sorge, Schmerz, Leid', KFW. l,523f. (mit Verweis), SchW. 88, StWG. 29; man vergleiche afr. ongost, angst. Zum Bedeutungsspektrum von ahd. angust vergleiche man besonders R. Endres1555. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] arbeiten 'plagen, bedrängen, sich abmühen', (B. GB. Ν. OT. T. WH.; Gl.); KFW. l,626f., SchW. 90, RMWA. 89, StWG. 33, RVA. 4. Tatian 104,8f. quemiSf zi mir alle thie giarbzitite inti biladane birut inti ih labon iuuih. (Man vergleiche afr. arbeida, an. erfiÖa, got. arbaidjan). Zu arbeit st.F. 'Drangsal, Mühe', KFW. l,621f„ SchW. 90, StWG. 33; man vergleiche as. arbêd, afr. arbeid, got. arbaips1™. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] ir-belgen2 'jemanden um das Seine bringen, vernichten', (ein Beleg StSG. 1,593,38 Deuorant : irbelgint)\ KFW. 1,871, StWG. 45 (die Stellenangabe ist zu korrigieren), fehlt RVA. 7. Belegt ist das Wort in den Handschriften Clm 13002; Nr.374, BV. 558, 12.Jh„ bair. und Clm 17403; Nr.426, BV. 632, 13.Jh„ bair.; Glosse zu Is 1,7 terra vestra deserta civitates vestrae succensae igni regionem vestram coram vobis alieni dévorant et desolabitur sicut in vastitate hostili. "Euer Land ist verödet, eure Städte sind niedergebrannt, eure Fluren vernichten Fremde vor euren Augen und sie sind verödet wie durch feindliche Verheerung." Die Deutung der Glosse ist nicht ganz sicher, denn es handelt sich in jedem Falle um eine sehr freie Ubersetzung. Aus einer systematischen Bedeutung 'jemandem die Haut abziehen' müßte im Sinne von 'das Fell über die Ohren ziehen1 lat. deuorant vom Glossator als 'jemanden um das Seine bringen, vernichten' übersetzt worden sein1557. (Nur ahd.). Wohl zu balg '(Tier)haut, Schlauch', KFW. l,794f. (Verweis unter Vorbehalt), SchW. 93, StWG. 41; man vergleiche as. balg, ae. belg, an. belgr, got. balgs aus germ. * Balgi. blesten 'fallen, klatschen, schlagen', (N.; Gl.); KFW. 1, 1200f., SchW. 99, RMWA. 93, StWG. 65, RVA. 9f. StSG. 1,225,28 Plaudit : plestit Ra. - Notker 8,24,9f. Iro leid iruuindet an tro hoûbet. unde íro únreht pléstet an íro schêitelun. (Nur ahd.). Zu blast st.M. 'das Niederwerfen, der Zusammenbruch', KFW. 1,1182 (mit Verweis); nur ahd. Man vergleiche auch älteres ana-blast 'Anprall, Ungestüm', (9.Jh.); KFW. 1,41 lf.1558. 1554 1555 1556 1557 1558

Sieh LSEW. 1,255. Zur Bedeutung von angust und Angst, S. 137-144. Sieh LSEW. 1,318. Sieh dazu auch den Kommentar KFW. 1,871. Sieh auch LSEW. 1,218.

Ableitungen von einem Substantiv

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[DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] briavett 'schreiben, aufschreiben, aufzeichnen, verzeichnen; beschlagnahmen, bestimmen', (I. N. O. OT. T.; Gl., gi- N.; Gl.); KFW. l,1380f., SchW. 102, RMWA. 66, StWG. 77, RVA. 15. Isidor 25,22f. Sibunzo uuehhono sindun chibreuido oba dhinem liudim ... (Man vergleiche afr. brêvia, an. bréfa). Zu bnaf st.M. 'Brief, Urkunde', KFW. l,1378f. (mit Verweis), SchW. 102, StWG. 77; man vergleiche as. bref, afr. bref, an. bref Es handelt sich um eine frühe Entlehnung aus lat. breve 'kurzes Schreiben' 1 " 9 . [DURATIV, FINAL - FACIENTTV] brüten 'heiraten, sich vermählen', (N.); KFW. 1,1465, SchW. 103, RMWA. 92, RVA. 20. Notker 10,483,8f. An demo drittezênden sprózzen . so gariuuint sih die fóllechómenen hírta unde berta mit stola prima . mit dero sie cum spomo prûten súlen . also iz chuît. (Man vergleiche ae. ge-brydian). Zu brut st.F. 'Braut', KFW. l,1463f. (mit Verweis), SchW. 103, StWG. 82; man vergleiche as. brûd, afr. breid, ae. bryd, an. bruÖr, got. brûps. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] dulten '(er)dulden, (er)leiden, rtragen, zulassen', (B. MF. MH. O.; Gl.); SchW. 115, RMWA. 90, StWG. 110, RVA. 32f. Zuerst StSG. 1,260,22 sustenet : thuldit Kb. - Otfrid 2,16,29 Sâlîg, tbie in nòti tbultent árabeiti... (Man vergleiche afr. thelda, ae. ge-fyldian)1560. Zu dult st.F. 'Geduld', SchW. 115, StWG. 110; man vergleiche ae. gepyld™. Vermutlich ist von einer Paraphrase "jemand hat BS" auszugehen. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] dursten 'dursten, Durst haben (nach)', (Ch. Ν. OG. OT. Ph. PT. T. WH.); SchW. 116, RMWA. 93, RVA. 34. Zuerst wohl Tatian 131,23f. ... giuuelih de dar trinkit fon uuazzare thesemo tburstit inan abur dedar trinkit fon thesemo uuazare thaz ih gibu. nithurstit zi euuidu. (Man vergleiche as. thurstian, ae. jpyrstan, an. fyrsta). Zu ahd. durst st.M. 'Durst, Dürre' SchW. 116, StWG. 112 (Ch. Ν. NG. O.; Gl.); man vergleiche as. thurst, ae. Jjurst, an. porsti. Das westgermanischen Substantive führen auf einen κ-Stamm zurück1562. Es handelt sich wohl um eine Abstraktbildung zu einem in got. *gapairsan 'verdorren' (bezeugt ist nur das PPP) vorliegenden starken Verb germ. *persa-X56\ Got. paurstei dagegen ist Ab-

1559 1560 1561 1562 1563

Sieh KEW. 105. Sieh KEW. 159. Z u m Substantiv sieh KEW. 250 unter Gedult. Sieh KEW. 162. SEW. 515.

Ableitungen von einem Nominalstamm

322

straktbildung zu einem Adjektiv germ. *pursta- 'vertrocknet'1564. Das jan-Verb kann aber auf Grund der Bedeutung (dursten ist rein durativ) und wohl auch der Belegverteilung nicht als deadjektivische Ableitung betrachtet werden. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] flübten 'vertreiben, in die Flucht schlagen', (O. OT.); KFW. 3, 1002, SchW. 136, RMWA. 89, RVA. 42. Otfrid 3,14,85f. In súsltcha rédina sô sánt er zuélif thegana ...; Thaz si díufal fluhtin in àrmilîchên suhtin ... Der bei F. Raven aufgeführte Beleg StSG. 11,669,16 Uersos : giflohta ist unsicher. KFW. 3,993 wird ein Ansatz flöhen angenommen 1565 . Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 18059; Nr.428, BV 634, 11.Jh., bair.; Glosse zu Verg. Aen. 11,629 bis Tusci Rutulos egere ad moenia versos. "Zweimal schlugen die Tuscer die Rotuler, die sich den Mauern zugewandt hatten, in die Flucht." Das volkssprachige Interpretament bezieht sich formal auf versos, lat. egere hingegen wird mit iagotun übersetzt1566. Ahd. iagotun wäre demnach mit 'sie schlugen in die Flucht' zu übertragen, während giflohta mit 'die die Flucht ergriffen hatten' übersetzt werden kann1S67. Die Bearbeiter des KFW.1568 führen unter den Ableitungen von dem starken Verb ahd. fliohan 'fliehen, flüchten' auch flöhen auf. Das reguläre o-stufige Kausativ ist mit grammatischem Wechsel bereits in ahd. ir-flougen 'in die Flucht schlagen' bezeugt. Auch liegt zwischen flöhen und dem starken Verb kein kausatives Bedeutungsverhältnis vor. Ahà. flöhen muß daher, wenn keine "unorganische" Ableitung ohne grammatischem Wechsel vorliegt, anders gebildet sein. Die Bearbeiter des KFW. vergleichen das Verb mit mhd. vloehen, vloehenen, mnd. vlöchenen, nhd. flöhen, so daß als Basis möglicherweise von einem zu fliohan gebildeten Partizipialadjektiv, mit Kürzung von *flöhenen in flöhen ausgegangen werden kann. In diesem Falle wäre aber die im Mittelhochdeutschen und Mittelniederländischen entstandene Länge des o nicht lautgesetzlich. Ein Bedarf für diese Bildung könnte bestanden haben, um Verwechslungen mit der Wortfamilie um germ. *fleuga- 'fliegen' zu vermeiden, die bei Ableitungen durch Eintritt des grammatischen Wechsels entstehen mußten. Die Zahl der nötigen Zusatzannahmen ist bei diesen Deutungsversuchen aber letztlich doch so groß, daß wohl besser mit F. Raven von einer Verschreibung giflohta statt gifluhta auszugehen ist. (Nur ahd.; man vergleiche mnd. vliichten 'in die Flucht jagen; durch die Flucht in Sicherheit bringen', mnl. vluchten 'in Sicherheit bringen, flüchten').

1564 1565 1566 1567 1568

Man vergleiche KEW. 162 und PEW. 322f. Sieh auch StWG. N. 846. Sieh StSG. 11,669,15. Hinweis von Prof. R. Schützeichel. 3,975.

Ableitungen von einem Substantiv

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Zu fluht st.F. 'Flucht, Zuflucht', KFW. 3,1001f. (mit Verweis), SchW. 136, StWG. 166; man vergleiche AS. fluht, afr. flecht, fly ht. Das Verb wird bei Otfrid in kausativer Funktion verwendet, die sonst nur dem Deverbativ ahd. (ir-) flougen 'flüchten' zukommt. Die Wortwahl dürfte hier aber allein auf den von suhtin geforderten Reim zurückzuführen sein. Wie die jüngeren mittelniederdeutschen Belege zeigen, haben sich Denominativ und Deverbativ in ihren Bedeutungen auch später wechselseitig beeinflußt. Für die althochdeutsche Neubildung ist eine Bedeutung 'in die Flucht schlagen' als systematische Bedeutung mit keiner der sonst bezeugten desubstantivischen Ableitungsmuster unmittelbar in Verbindung zu bringen. Sie kann allenfalls als analog zu einer facientiven Struktur gedeutet werden. [DURATIV, FINAL - (FACIENTIV)] frêbten 'opfern, durchstechen, die Kehle durchstoßen, (ein Opfertier) abstechen', (N.); KFW. 3,1233 unter einem Ansatz ? flehten), SchW. 140, RMWA. 88, RVA. 43. Ein Beleg, Notker 3,228,3f. dáz er dar útnbe dien uuínden sína tóhter ephigeniam ópferóta . únde día chalchas in friskinges utits . uuêneglicho flrêhta. (Nur ahd.). Zu fleht st.F. 'Verdienst, Gottesanteil am Opfer', KFW. 3,1232f., SchW. 140, StWG. 1771569. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] fristen 'aufschieben, zurückhalten, jemanden warten lassen', (N.); KFW. 3,1270, SchW. 141, RMWA. 93, StWG. 179, RVA. 44. Notker 9,204,16 Got fristet ouh iudicium. (Man vergleiche afr.fersta, an. fiesta). Zu frist st.F.(M.) 'Zeitraum, bestimmte Zeit, zeitlicher Abstand', KFW. 3,1267 (mit Verweis), SchW. 141, StWG. 179; man vergleiche zìi. ferst, frist, ae. first, An. frest. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] furzen 'einen Wind abgehen lassen', (ein Beleg StSG. IV,85, 11 Pedo : ich furz)·, KFW. 3,1407, StWG. 187, fehlt RVA. Der Beleg aus den Salomonischen Glossen entstammt der Handschrift Clm 17403; Nr.427, BV. 632, 13.Jh., bair. Die Parallelhandschriften zeigen firzo. (Nur 13.Jh.; man vergleiche mnd. mnl. vorten). Zu furz st.M. 'Wind, Furz', KFW. 3,1407, StWG. 187; nur ahd.; man vergleiche mnd. mnl. vort. Das erst spät bezeugte althochdeutsche y¿»-Verb ist wohl kaum mit KFW. 3,761 (unter ferzan) als deverbale Ableitung zu erklären, da kein Bedeutungsunterschied zwischen starkem und schwachem Verb vorliegt und das Substantiv als mögliche Basis danebensteht. In diesem Sinne auch E.

1569

Sieh auch KEW. 228 sowie zur Bedeutungsfestlegung H. Wesche, PBB. 61 (1937) S. 104, u n d R. Meißner, Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 27 (1917) S. 4.

324

Ableitungen von einem Nominalstamm

Seebold1570, der unter den Primärableitungen nur ¿-stufige Bildungen aufführt1571. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß eine ursprünglich schwundstufige Ableitung erst sekundär auf das Nomen bezogen worden ist. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] ana-gesten 'jemanden (als Gast) aufnehmen', (ein Beleg StSG. V, 102,8 (Inseritur) : anagigestituuard)·, KFW. 4,239; StWG. 195 als ana-gi-geiten 'hineinfügen, pfropfen', so auch RVA. 56. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 6277; Nr.345, BV. 518, 9.Jh., bair. In der Handschrift ist -gigeîtit (sieh StSG. 11,164,17) in -gigestit korrigiert, sieh ebenda zur Stelle. Der Ansatz bei T. Starck - J.C. Wells und bei F. Raven ist daher kaum wahrscheinlich. Es handelt sich um eine Glosse zu Greg, cura 2,5,19 (Paulus) Ecce jam coelestibus secretis inseritur... "Siehe, schon wird er aufgenommen in die Geheimnisse des Himmels." (Nur ahd.; man vergleiche ae. gistiarr, sieh auch mhd. gesten). Bei der hier in Anlehnung an das KFW. vorgezogenen Deutung dürfte es sich um eine Ableitung vom Substantiv gast st.M. 'Fremder, Gast' handeln1572. Sieh as. gast, ae. gxst, an. gestr, got. gasts. giften 'sich ausliefern, verkaufen, aussetzen, einer Sache weihen', (Gl.); KFW. 4,254, StWG. 207 unter gi-giften, RVA. 57. StSG. 1,442,10 Uenundatus : gigifter. Der Beleg stammt aus der Handschriftengruppe M., zuerst wohl in der Handschrift Wien, ÖNB 2732; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.1573; Glosse zu III Rg 21,20 et aitAhab ad Heliam num invenisti me inimice mee qui dixit inveni eo quod venundatus sis ut faceres malum in conspectu Domini. "Ahab sprach zu Elias: Hast du mich dir feindselig erfunden? Er sprach: Ich habe dich so erfunden, weil du dich verkauft hast, um zu tun, was vor dem Herrn böse ist." (Nur ahd.); von der gleichen Basis ae. giftian, an. gipta. Zu gift st.F. 'Gabe, Geschenk', KFW. 4,252f. (mit Verweis), SchW. 151, StWG. 206; man vergleiche afr. ieft, ae. gift, an. gipt, gift, sowie got. -gifts. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] guzzen 'beim Opfern ausgießen', (ein Beleg StSG. 11,648,3 Libauit, profundit : guzta)·, KFW. 4,524, StWG. 245, RVA. 63. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 18059; Nr.428, BV. 634, 11.Jh., bair. Glosse zu Verg. Aen. 1,736 dixit in mensam laticum libavit honorem "Sprachs und träufte auf den Tisch die Spende des Weines (als Spende an die Götter)." (Nur ahd.).

1570

SEW. 194f. unter feria-, Sieh auch KEW. 238 unter Furz, wo das als denominal bezeichnete Verb allerdings nur als spätmittelhochdeutsch gekennzeichnet wird. 1572 Man vergleiche KFW. 4,126f. (dort aber S. 127 kein Verweis). 1573 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 507-513. 1571

Ableitungen von einem Substantiv

325

Das jan-Vzib steht neben dem starken Verb ahd. giozan 'gießen, schütten', KFW. 4,275f.; man vergleiche as. giotan, afr. -jâta, ae. gêotan, an. gióta, got. gíutan aus germ. *geuta-xil\ Weil daneben aber auch ein schwundstufiges Substantiv germ. *gut-iz st.M. 'Guß1, ahd. guz 'Guß, Wasserschwall' (KFW. 4,524, StWG. 245, zwei Belege), afr. gete, ae. gyte 'Guß, Verschütten' steht, ist es für den spätalthochdeutschen Einzelbeleg, obwohl schwundstufige Ableitungen zu starken Verben der II. Ablautreihe im Althochdeutschen auch sonst bezeugt sind, wie im vergleichbaren Fall von ahd. scuzzen wohl besser, zumal auch die Zeitstruktur eher als "durativ" anzusehen ist, von einer denominalen Ableitung auszugehen. E. Seebold1575 führt denn auch nur das Substantiv unter den Primärableitungen auf. In diesem Sinne entscheidet sich auch W. Wissmann1576. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] huggen 'denken, gedenken, sich erinnern', (M. N. O. OG. OT. WH.; Gl., sieh auch gi-, AB. B. BB. BG. BI. FB. GB. JB. MB. NH. N. O. OG. OT. PT. T. WH.; Gl.); SchW. 171, RMWA. 68, StWG. 289, RVA. 305. StSG. 1,62,13 Conitio : hukkiu Pa. huckiu Kb.Ra. (Man vergleiche as. huggean, afr. bugia, ae. hycgan, an. hyggia, got. hugjan). Das Wort gehörte ursprünglich wohl der 3. Klasse der schwachen Verben an1577. Das gotische Präteritum hugida stellt eine Neuerung dar1578. Wohl zu hugu st.M. 'Geist, Sinn, Gesinnung' (SchW. 171, StWG. 289), man vergleiche as. bugi, afr. hei, ae. hyge, an. hugr, got. hugs1"9. Den Wörtern liegt möglicherweise ein starkes Verb zu Grunde, da mit got. gahugds 'Gedanke' ein feminines fr-Abstraktum überliefert ist. Dieser Bildungstyp setzt offenbar ein starkes beziehungsweise primäres Verb als Basis voraus1580. Da ein solches Verb aber in den germanischen Einzelsprachen nicht erhalten ist und schwundstufige primäre schwache jan-Ve.rba in begrenzter Zahl gebildet worden sind1581, ist die unmittelbare Rückführung des jan-Vcrbs auf ein erschlossenes starkes Verb nicht ratsam. Das jan-Verb ist auf das gut bezeugte Substantiv zumindest sekundär bezogen worden. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV]

1574

SEW. 228. Ebenda. 1576 N o m i n a Postverbalia, S. 52. 1577 Man vergleiche BEG. §§ 362 Α. 4, 368 Α. 3. 1578 Man vergleiche dazu K. Matzel, Zu den verba pura des Germanischen, II., S. 55f. A. 128, H. Collitz, Das schwache Präteritum, S. 75, A. Bammesberger, Language 45 (1969) S. 534, G. Schmidt, ZVSpF. 90 (1976) S. 263. 1579 Z u m Übergang der alten «-Stämme in die /'-Deklination in althochdeutscher Zeit sieh BEG. j j 220. Man vergleiche dazu den Abschnitt VI.10. 1581 Sieh ebenda. 1575

326

Ableitungen von einem Nominalstamm

jihten 'einen Beweis führen gegen, entscheiden lassen in bezug auf, zum Zugeständnis einer Sache bringen', (N.); SchW. 178, RMWA. 88, RVA. 83. Notker 6,64,11 f. Ter urâgento sol demo geurâgeten an sînero urâgo uuâla geben uuéderen téil er uuélle dero contradictionis . unde fone diu sol er in béidero iihten alsus . ist tíz tier. aide diz monstrum mennisko . aide ne ist? (Man vergleiche afr. jichta 'gestehen, überführen'). Zu jibt st.F. 'Lobpreis', gejiht 'Aussage, Bejahung, Zugeständnis, Bekenntnis, Lob', SchW. 178, StWG. 316; man vergleiche afr. jecht 'Geständnis'. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] kreften 'beleben', (Gl.); StWG. 345, RVA. 96. Eine Belegstelle, StSG. 11,444,43 Vegetata : gichrxstetiv, ist bezeugt in den Handschriften Paris, BN. Nouv. aquis. lat. 241; Nr.518, BV. 771 und ebenda gichrestetiv in Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11.Jh., bair.-alem. Glosse zu Prud. perist. 3,156 f . fiamma crepans uolat in faciem perque comas uegetata caput occupât exsuperatque apicem. "Die knisternde Flamme eilt über ihr Gesicht und zieht sich, belebt durch ihre Haare, über ihren Kopf und schlägt hoch auf." Nach E. Steinmeyer (zur Stelle) wurde in beiden Fällen s für f verschrieben. (Man vergleiche afr.for-krefta, ur-krefta 'schwächen, notzüchtigen'). Zu kraft st.F. 'Kraft', SchW. 184, StWG. 344; man vergleiche as. kraft, kräht, afr. kreft, kraft, ae. craft, an. kraptr1582. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] kusten 'schätzen, für wert achten', (Gl,,fir- 'etwas verderben' N. NG.); SchW. 187, RMWA. 93, StWG. 356, RVA. 100. Das Simplex erscheint nur StSG. 1,686,62 Adpreciatus sum : kechuster wart, Clm 4606; Nr.328, BV. 486, 12.Jh., bair.; Glosse zu Za 11,13 et dixit Dominus ad me proice illud ad statuarium decorum pretium quod adpretiatus sum ab eis. "Der Herr aber sprach zu mir: Wirf ihn dem Töpfer hin, den herrlichen Preis, weswegen ich von ihnen wert geachtet bin." Die lateinische Vorlage enthält die Variante adpreciatus. (Nur ahd.). Zu kust st.F. 'Meinung, (gute) Beschaffenheit', SchW. 187, StWG. 356; man vergleiche as. kust, afr. kest, ae. cyst, an. kost, got. kustus. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] quisten 'versuchen, in Angriff nehmen', (Gl., ir-, fir- 'vernichten' O.; Gl.); SchW. 189, RMWA. 93, StWG. 469 quisten sw.V (?) 'auf die Probe stellen, prüfen'; fehlt RVA., man vergleiche RVA. lOOf. unter einem Ansatz ftrchusten. Zuerst wohl Otfrid 5,7,33 Thaz friunt nihein ni uuéstî, uuio man nan firquistî... - Das Simplex ist einmal bezeugt StSG. 11,225,63 Temptat : chuuistit, St. Florian, III 222 B; Nr.138, BV. 152, 9./10.Jh., bair.; Glosse zu Greg, cura 2,6,21 Quam tarnen potestatem rede dispensât qui sollicite noverit et sumere ex illa

1582

Sieh KEW. 408.

Ableitungen von einem Substantiv

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quod adjuvat, et expugnare quod tentât [Hs. temptat]. "Der jedoch verwendet diese Gewalt in der rechten Weise, der gelernt hat, sie insoweit zu gebrauchen, als sie nützt, sie aber in Schranken zu halten, wenn sie zur Versuchung wird ..." Die Handschrift zeigt nach E. Steinmeyer lat. temptat (zu tempto)\ die Edition der Werke Gregors zeigt tentât (zu tento). (Man vergleiche an. kvista 'verstümmeln 1 , got. qistjan 'verderben'). Zu quist st.F. 'Qual', SchW. 18915" E. Seebold1584 stellt das jan-Verb dagegen unmittelbar zur Wurzel germ. *kweina- 'hinschwinden', denn "man muß ... berücksichtigen, daß jan-Verben zu //-Abstrakta (qistjan zu *qist) im Germanischen nicht normal sind." Es ist jedoch ebensogut möglich, daß weitere gotische Belege für diesen im Westgermanischen gut bezeugten Typ - man vergleiche die Ableitungen von iz-Abstrakta in diesem Abschnitt - nur zufällig nicht erhalten sind. Für das Alter der Bildeweise dürfte auch an. lysta (dazu unten lusten) zeugen. Die systematische Bedeutung kann mit einer Paraphrase "Qual verursachen" umschrieben werden, die im Gotischen und bei der Präfixbildung fir-quisten 'vernichten' noch deutlich durchscheint. Bei dem Simplex muß von einer Bedeutungsentwicklung von 'quälen' über 'auf die Probe stellen' zu 'erproben' ausgegangen werden. [DURATIV, FINAL - FACIENTTV] listen 'schmeicheln, umwerben, anlocken', (Gl.); StWG. 380, RVA. 111. StSG. 1,386,6 Blandire : listi (Handschriftengruppe M.). Glosse zu Idc 14,15 cumque adesset dies septimus dixerunt ad uxorem Samson blandire viro tuo et suade ei ut indicet tibi quid signified problema. "Als nun der siebente Tag herankam, sprachen sie zu dem Weibe Samsons: Schmeichle deinem Manne und berede ihn, daß er dir angibt, was das Rätsel bedeutet." (Nur ahd.). Zu list st.M.F. 'Kenntnis, Wissenschaft, Kunst; List; Handwerk', SchW. 199, StWG. 380; man vergleiche as. afr. ae. an. list, got. listsms. [DURATIV, FINAL - FACIENTTV] lusten 'gelüsten nach, begehren', (B. GB. H. I. Ν. Ο. ΟΤ. Τ. WH.; Gl.); SchW. 203, RMWA. 93, StWG. 390, RVA. 121. StSG. 1,92,7 cuiuslibet : so uuelihes so lustet Pa. so uuelihes luste Kb. - Hildebrandlied, StSpD. 7,59 nu dih es so wel lustit1586. (Man vergleiche as. lustian, ae. lystan, an. lysta). Zu lust st.M.F. 'Lust, Gelüste', SchW. 203, StWG. 390; man vergleiche as. afr. ae. lust, an. losti, got. lustus1587. 1583

M a n vergleiche zum Substantiv auch H.J. Schubert, Die Erweiterung des bibelgotischen Wortschatzes, S. 69. 1584 ZVSpF. 96 (1982/83) S. 37. 1585 Sieh KEW. 445, J. Trier, Der deutsche Wortschatz, S. 69f.. 1586 Sieh dazu R. Lühr, Studien zur Sprache des Hildebrandliedes, S. 687f. 1587 Sieh KEW. 451.

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Ableitungen von einem Nominalstamm

[DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] nôten 'zwingen, nötigen', (E. N. O.; Gl.); SchW. 226, RMWA 91, StWG. 445, RVA. 142f. Zuerst StSG. 1,6,11 coartor : ganaotit Pa. canotit Ka. kinotit Ra. Otfrid 5,10,4 thô nôttun sie nan ginúagi, thaz er mit in giangi. (Man vergleiche as. nôdian, afr. nêda, ae. ntedan, an. neyda, got. naujjjan). Zu nôt st.F.M. 'Not, Zwang', SchW. 225f., StWG. 444; man vergleiche as. nôd, afr. nêd, nâd, ae. nid, nêad, an. naud(r), got. naups15U. Die systematische Bedeutung dürfte als "Zwang ausüben" zu fassen sein. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] rusten 'rüsten, schützen, schmücken', (O.; Gl.); SchW. 243, RMWA. 93, StWG. 500, RVA. 166. Zuerst StSG. 1,132,42 omatus : cahrustist Pa. kihrustit Kb.Ra. - Otfrid 2,3,61 Thaz det er, thaz thu iz uuéssîs, thih thára ingegin rústis, uuant er hiar in lîbe thîn âhtit ió zi nîde. (Nur ahd.; man vergleiche mnd. mnl. rusten). Zu rust st.F. 'Rüstung, Ausrüstung, Pferdeschmuck', SchW. 243, StWG. 500; man vergleiche ae. hyrstim. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] scirmen '(jemandem) Schutz gewähren, schützen, behüten', (MH. N. NG. O. Ps.; GL); SchW. 257, RMWA. 79, StWG. 544 und 830, RVA. 182f. Der älteste Beleg findet sich wohl Murbacher Hymnen 16,5 scirmanto unser sih lagonte kadhui stiuri dina scalcha dea pluate archauftos. (Vgl. afr. skirma). Zu scirm st.M. 'Schutz', SchW. 257; man vergleiche mnd. scherm, mnl. sc(h)erm aus germ. *skermiim. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] scuzzen 'schwingend oder stoßend in schnelle Bewegung versetzen', (Gl.); StWG. 554, RVA. 190. StSG. 1,507,8 Uibrabit : schuzit. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 22201; Nr.460, BV. 681, 12.Jh„ mfrk. und bair.1591; Glosse zu lob 39,23 super ipsurn sonabit faretra vibrabit hasta et clypeus. "Auf ihm klirrte der Köcher, schwingt Lanze und Schild." - StSG. 11,436,52 Pellere : farscuzzan, Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11.Jh., bair.-alem.; Glosse zu Prud. perist. 11,70 ... peline et in medii stagna profunda fre ti. (Nur ahd.). Wie im Falle von ahd. guzzen steht neben dem schwundstufigen jan-Verb im Germanischen sowohl ein primäres Verb als auch eine schwundstufige Nominalbildung. E. Seebold1592 führt unter den Primärableitungen von germ. 1588 1589 1590 1591 1592

Sieh KEW. 507. Sieh auch KEW. 610 unter rüsten, SEW. 275 unter *hreuâa-. Man vergleiche DWB. 9,215. Sieh auch in Kapitel III.6 unter be-scrimen. Zur Handschrift sieh K. Matzel, Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 168f. SEW. 418.

Ableitungen von einem Substantiv

329

*skeuta- 'schießen' nur das Substantiv auf. Das erst spätalthochdeutsche janVerb ist wohl auf das Substantiv ahd. scuz st.M. 'schnelle Bewegung, Blitzschlag, Geschwindigkeit' (SchW. 260, StWG. 554) aus germ. *skut-i-z zurückzuführen. Nicht auszuschließen ist aber auch, daß das Verb als Ableitung von einem Verbaladjektiv germ. *-skut-i-/-ja- gebildet ist, das vorliegt in ae. rihtscyte 'treffsicher'1593. Da die Bedeutung des nicht komponierten Verbaladjektivs nicht eindeutig bestimmt werden kann, erfolgt die Entscheidung hier jedoch nur unter Vorbehalt. Daß die Verbalhandlung aus einzelnen Handlungsakten in nicht begrenzter Zahl bestehen kann, spricht für die Einordnung an dieser Stelle. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] fir-snuoren 'unabänderlich bestimmen, festheften', (N.); SchW. 263, RMWA. 86, RVA. 194. Notker 4,31,15 Souuio dero fersnûortôn man nedúrfe mûotôn . übe er anderes uutle . danne so is nôt ist. Als janNerb angesetzt auch bei H. Sehrt R. Legner1594. (Nur ahd.). Zu snuor st.F. 'Faden', StWG. 566; man vergleiche afr. snôr, mnd. snôr, mnl. snoer1595. gi-spuoten 'gelingen lassen, eilen', (N.); SchW. 267, RMWA. 92, RVA. 199. Notker 10,436,13f. Ia du trübten tuô mih kehaltenen . trübten uuola gespuôte mina fart ze dir uuanda ih fonefirremo eilende iruutndendo. (Man vergleiche as. spôdian, a e. spêdan). Zu spuot st.F. 'Schnelligkeit, Geschwindigkeit, Erfolg', SchW. 267, StWG. 582; man vergleiche as. spôd, ae. spêd, ein í/-Abstraktum zu ahd. spuon, ae. spôwan1596. stricken 'flechten, zusammenschnüren', (N.; G l , bi- Gl.); SchW. 273, RMWA. 73, StWG. 599, RVA. 209. Zuerst wohl StSG. 1,21,33 strida : pistrickit Ra. StSG. 1,214,35 Nectit : pistribhit Kb. pistrikit Ra. - Notker 10,515,5f. Et funes extenderunt in laqueum pedibus meis. Vnde dénitôn sie seil minen fuôzen ze strtcche . daz chit. sie stricton iro sêil. daz mine fuôze dar ána gebáftetin. Vuaz sint diu sêil ane geflóhtene reda . ze irreden getâne? (Nur ahd.; man vergleiche daneben mnd. stricken; von der gleichen Basis ae. strician). Zu strik st.M. 'Strick', SchW. 273, StWG. 599; wohl nur ahd.1597. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL]

1593 1594 1595 1596 1597

Man vergleiche dazu K. Matzel, HS. 104 (1992) Nr.44. Notker-Wortschatz, S. 467. Sieh KEW. 650. Sieh dazu KEW. 693. Sieh noch FTW. 500, KEW. 708, R. Lühr, Expessivität und Lautgesetz, S. 23lf.

Ableitungen v o n einem N o m i n a l s t a m m

330

tränen 'Tränen vergießen', (N. NG.); SchW. 284, RMWA. 80, RVA. 227. Notker 1,94,1 lf. UMe er nîeht netrânda . dâr er tro erstórcbeneten bóteh allen eruuârtêta. (Nur ahd.). Zu traban, trän st.M. 'Träne', SchW. 284, StWG. 632; man vergleiche as. trahni (Pl.)1598. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] tulden 'ein Fest feiern', (Β. GB. Ν.; Gl.); SchW. 288, RMWA. 66, StWG. 640, RVA. 231 f. StSG. 1,318,34 Celebrantes exsequias : tuldante karehida, Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh., alem.1599; Glosse zu Gn 50,10 veneruntque ad aream Atad quae sita est trans Iordanem ubi celebrantes exequias^ planctu magno atque vehementi impleverunt septem dies. "Als sie nun zur Tenne Atad kamen, welche jenseits des Jordans liegt, feierten sie daselbst das Leichenbegräbnis mit großer und schwerer Totenklage, sieben Tage hindurch." Notker 10,437,8f. Sézzent iû uôbhaften dag. unde dultent ten in gedránge ... (Man vergleiche got. duljyjan). Zu tuld st.F. 'Fest', SchW. 288, StWG. 640; man vergleiche got. dulps1601. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] wânen 'wähnen, meinen, vermuten', (APs. B. BG. GB. H. Ι. Μ. ΜΗ. Ν. NG. O. OT. T.; Gl.); SchW. 308f„ RMWA. 80, StWG. 694, RVA. 247f. Zuerst wohl StSG. 1,14,34 Arbiter : uuanendi Pa. uuanandi Kb. - Hildebrandlied, StSpD. 4,29 ni waniu ih iu lib habbeíal. (Man vergleiche as. wânian, afr. wêna, ae. wênan, an. véna, got. wenjan 'warten'). Zu wân st.M. 'Meinung, Mutmaßung, Vermutung', SchW. 308, StWG. 694; man vergleiche as. wân, afr. ae. wèn, an. van, got. wens{ém. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] wâten '(be)kleiden', (B. GB. Ν. O. OT. T. WH.; Gl.); SchW. 312, RMWA. 88, StWG. 700, RVA. 251. Tatian 71,3f. Nicurür tr suorgfolle uuesan sus quedante, uuaz ezzen uúir oda uúaz trinken uúir. odá mit hiu uuaten uuir unsih ... (Man vergleiche as. wâdien, aonfrk. wêdan, ae. wêdian). Zu wât st.F. 'Kleidung', SchW. 311, StWG. 700; man vergleiche as. wâd, afr. wêt, ae. wad, an. vádiÍ,M. 1598

Sieh FTW. 169, KEW. 736. Z u r H a n d s c h r i f t vergleiche m a n R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberliefer u n g des 8. J a h r h u n d e r t s , S. 17. 1599

600

Z u der zahlreich überlieferten Variante exsequias der Vorlage vergleiche m a n Biblia Sacra (zur Stelle). 1601 Sieh KEW. 159. 1602 Sieh dazu R. Lühr, Studien zur Sprache des Hildebrandliedes, S. 541 f. 1603 Laut D W B . 13,602, FTW. 387 liegt ein alter ¿-Stamm vor. Sieh auch KEW. 773. 1604 Sieh KEW. 778, PIEW. 76.

Ableitungen von einem Substantiv

331

[DURATIV, FINAL - ORNATIV] würzen 'würzen', (Gl.); StWG. 752. RVA. 271 nur Belege aus Williram von Ebersberg. Daneben steht aber im Summarium Heinrici (HSH. l,339,365f.) auch der Beleg Conditum vinum pigmentis compositum (gewurztwin). Möglicherweise liegt ursprünglich ein ίο-Adjektiv gewürzt in der Bedeutung 'mit Gewürz versehen' vor. Da im Mittelhochdeutschen aber sonst auch eindeutige Verbformen bezeugt sind1605, ist die Frage nicht sicher zu entscheiden. Es wird daher auch für diesen Beleg ein denominales ^Äw-Verb angesetzt. (Man vergleiche ae. wyrtian). Zu wurz st.F. 'Gewürz, Kraut, Wurzel', SchW. 332, StWG. 751; man vergleiche as. wurt, ae. wyrt, an. urt, got. waurtsiœ6. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] zenden 'beißen, essen; beißend, bitter sein', (N.; Gl.); SchW. 334, RMWA. 66, StWG. 753 zanden, RVA. 271. Zuerst bei Notker 2,109,21 f. in der übertragenen Bedeutung: Tíu nób fire sínt . tíu síNT sólih . taz siu zéndent . só du ho chôrôst. únde áber ínuerslúndeníu . süoze gedúnchent. (Nur ahd.). Zu zand st.M. 'Zahn', StWG. 753; man vergleiche as. tand, afr. tôth, an. tonn, got. tunpusm\ [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] zennenx 'Zähne bekommen', (ein Beleg, Ν.); SchW. 334, RMWA. 82, RVA. 277. Notker 5,126,16f. Neque cum esset sine dentibus . dentes ei iterum orti sunt. Nób zúñelos uuórtenèr änderest nezánta. (Nur ahd.). Zu zan st.M. 'Zahn', SchW. 332, StWG. 753 unter zand. Zu ahd. zan, für das als Vorform möglicherweise ein Lokativ uúá%.*hxdont mit Schwund des auslautenden Dentals anzunehmen ist, vergleiche man R. Lühr1608. Die Bedeutungsstruktur des nur bei Notker bezeugten Verbs weist eher auf ein ¿«-Verb. Das Verb kann nur dann an die bestehenden semantischen Muster für althochdeutsche desubstantivische jan-Wtrbtn angeschlossen werden, wenn die Bedeutung 'Zähne bekommen, zahnen' auf der Ebene des Systems für eine usuelle Handlung stehen kann, der daher durativer Charakter zuzuschreiben wäre. Andernfalls handelte es sich um einen Sonderfall. [DURATIV, KAUSAL - FIENTTV] zennen2 'reizen, mit den Zähnen zerren', (N.); SchW. 334, RMWA. 82, RVA. 333. Notker 10,559,6f. Et ego prouocabo eos in eo qui non est populus. et in gente

1605 1606 1607 1608

LH. 3,1040. Sieh KEW. 801. Sieh KEW. 804 mit weiterer Literatur. MSS. 38 (1979) S. 124f.

332

Ableitungen von einem Nominalstamm

stulta irritabo illos. Ih zéno ouh sie mit démo . der ttoh liât ne-ist . mit tumbemo diète grémo ih sie. (Nur ahd.). Zu zun st.M. 'Zahn', SchW. 332, StWG. 753, GSp. 5,6731609. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] zuhten 'aufziehen', (ein Beleg StSG. 1,151,31 nutrit : zuhdid Kb.); StWG. 769, RVA. 280. Die Parallelglossierung zeigt ziuhit Pa.Ra.1610. (Man vergleiche ae. tyhtan 'strecken, ziehen, anstacheln, ermahnen'). Zu zuht st.F. 'Unterhalt, Nahrung, Zucht, Lehre, Erziehung, Belehrung, Unterweisung, Schulung', SchW. 337, StWG. 769; man vergleiche as. tuht, afr. tocht, ae. tyhtlin. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] zumpften 'ausarbeiten, schmücken', (Gl.); StWG. 770, RVA. 281. StSG. 1,142,4 Falerare : zûpften Pa. (Nur ahd.); sieh auch unten gizumpften und ungizumpfiert. Zu zumfi st.F. 'Gemeinschaft, Vertrag', SchW. 337, StWG. 770; nur obd.1612. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV]

b. Ableitungen von Partikelkomposita gimunten 'sich erinnern', (ein Beleg StSG. 1,210,32 Meminit : kimundit Kb.Ra.); StWG. 424 gi-munten, RVA. 131 gimunden. (Nur ahd.). Zu gimunt st.F. 'Gedenken' (T.), SchW. 216; man vergleiche got. gamunds, ae. gemynaf1613. ginuhten 'übervoll sein', (ein Beleg StSG. 11,458,48 Redundant : knuhten)·, StWG. 216, RVA. 143; fehlt KFW. unter G-. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11 Jh., bair.-alem. Das ¿B-Präfix erscheint als k-. Die Graphie im Anlaut für germ, und fränk. g ist in der Handschrift selten, aber ausreichend bezeugt, um den Ansatz eines Verbs ginuhten zu stützen1614. Es handelt sich um eine Glosse zu Prud. apoth. 717

1609

Sieh auch DWB. 15,633. M a n vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 224 verbalia, S. 51. 1611 Sieh KEW. 817; E. Meineke, Abstraktbildungen, S. 1612 Sieh KEW. 818 mit weiterer Literatur. 1613 So schon E. Gutmacher, PBB. 39 (1914) S. 73 und Studien, S. 299. 1614 M a n vergleiche z.B. StSG. 2,413,24 kafurdiroten, 1610

kislafun.

und W. Wissmann, N o m i n a Post331-397. 233. Sieh auch J. Splett, Abrogans456,69

kisale,

462,66

kisunlero,

466,43

Ableitungen von einem Substantiv

333

ambesis dapibus cumulatim aggesta redundant fercula. "Nachdem sie das Mahl beendet haben, bleiben in großer Zahl übervolle Teller zurück." (Nur ahd.). Zu ginuht st.F. 'Fülle, Überfülle', StWG. 216; man vergleiche aonfrk. genuht. Das Substantiv ist im Althochdeutschen, besonders in den ältesten Handschriften, reich bezeugt1615. giwurten ? 'Glauben, Vertrauen schenken', (ein Beleg StSG. 1,699,27 Credidissent : giwrtin); StWG. 229, RVA. 271. Der Ansatz eines Verbs giwurten ist nicht sicher nachweisbar. Man vergleiche KFW. 4,298 den Ansatz giwrtin mit Verweis auf K. Matzel1616. (Nur ahd.). Da in der Handschrift Clm 22201 (Nr.460, BV. 681, 12.Jh„ mfrk. und bair.1617) die Ersetzung von wortanlautendem /beziehungsweise ν durch w häufig ist1618, kann der Beleg wie die Glossen in den Parallelhandschriften 1619 zu ahd. gi-fuoren, mhd. ge-vueren 'an einen Ort führen' oder ahd. fuorôn, mhd. vuoren '(im geistlichen Sinne) nähren'1620 gehören1621. Der Kontext gibt keine eindeutige Auskunft. II Mcc 3,12: ... decipi vero eos qui credissent loco et templo "(So würde es ein großer Frevel sein), wenn man die betrügen wollte, die auf den Ort und Tempel vertraut haben." Neben den Deutungsmöglichkeiten als "... die an dem Ort und Tempel (geistig) genährt wurden" (zu fuorôn) oder "... die an den Ort und Tempel geführt wurden" (zu gi-fuoren), stellt sich, wenn gelesen wird, als dritte Möglichkeit eine Ableitung vom Substantiv giwurt st.F. 'Geschehen, Freude, Befriedigung, Ergötzung, Genuß, Begehren' (SchW. 332, StWG. 229) in der aktuellen Bedeutung '... die sich an dem Ort und Tempel ergötzt haben' und damit ein Ansatz ahd. giwurten. gizumpften 'verbinden, ausarbeiten', (N.; Gl.); SchW. 337, RMWA. 88, StWG. 230; kein Hinweis KFW. 4,296, fehlt RVA. Es ist zu erwägen, ob mit StWG. 230 neben dem Verb zumpften auch ein gesonderter Ansatz gizumpften vorgenommen werden muß. Hierher gehört wohl StSG. 1,132,40 Elimatus : cazüpftit Pa. kizumftit Kb, StSG. 1,29,31 concordant : kazüftent R.; Notker1622 l,693,4f. Unde sie síh dl zesámine gehálset únde gezúmftet hâbetîn. (Nur ahd.). 1615

Z u m Ausgangspunkt der Nominalableitung, dem Perfektopräsens germ. *nah/nuQ-, sieh Th. Birkmann, Präteritopräsentia, S. 152. Sieh auch ahd. gatiah, SchW. 219, SEW. 355f., KEW. 258. 1616 Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 23. 1617 M a n vergleiche ebenda S. 168f. 1618 Sieh ebenda S. 120. 1619 Sieh StSG. 1,538,45f. 1620 So KFW. 1,1359. 1621 M a n vergleiche K. Matzel, Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 23. 1622 P. Piper, Die Schriften Notkers und seiner Schule.

334

Ableitungen von einem Nominalstamm

Basis der Ableitung ist dann das häufig bezeugte Substantiv ahd. gezumft st.F. 'Übereinkunft, Vertrag, Verbindung, Bund, Versöhnung' (N. NG. T. WB.), SchW. 337. Sieh auch unter zumpften und ungizumpften. undulten 'erhitzt sein1, (GL); StWG. 656, RVA. 235. StSG. 11,421,6 Estuantibus : uuillenten undultentan, Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11 Jh., bair.-alem.; vuillenten undultentan, Paris, BN. Nouv. aquis. lat. 241; Nr.518, BV. 771, 11 Jh., bair.-alem.; ebenda 2,401,54 Estuantibus : uuilluntan i undultantan, Prag, Universitni knihovna Ms VIII H 4; Nr.530, BV. 785, 11 Jh. bair.-alem.; Glosse zu Prud. cath. 7,124f. uentris meandros circumibat tortiles anhelus extis intus aestuantibus. "Der Atem zog umher in den krummen Windungen des Bauches, in den erhitzten Eingeweiden." (Nur ahd.). Wohl zu undult st.F. 'Ungeduld', StWG. 656, ein Beleg StSG. 11,299,54 Defectvm : undult, Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair. ungizumpften 'nicht übereinstimmen', (Gl.); StWG. 665, RVA. 241 un-gizumften 'in Widerspruch stehen'. Es ist wahrscheinlich, daß keine Weiterbildung zu ahd. zumpften oder gizumpften vorliegt, sondern daß in Anbetracht von ahd. ungizumft ein gesonderter Ansatz vorgenommen werden muß. Man vergleiche StSG. 11,100,30 Dissidere : ungazumpftan:, Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.1623 (und in drei Parallelhandschriften). Glosse zu Can. conc. Antioch. XCII Si qius episcopus de certis criminibus judicatur, et contingat de eo provinciales episcopos dissidere, cum judicatus ab aliis innocens creditur, reus ab aliis ... "Wenn ein Bischof wegen erwiesener Verbrechen verurteilt wird, und es ihm gelingen sollte, daß sich die Bischöfe darüber nicht einig sind, indem er nach seiner Verurteilung von den einen für unschuldig gehalten wird, von den anderen für einen Angeklagten ..." Die übrigen Belege, StSG. 11,111,69 und IV,322,59, beziehen sich auf die selbe Stelle. (Nur ahd.). Zu ungizumft st.F., StWG. 665 (recte) 'Mißhelligkeit, Uneinigkeit, Zwietracht'. Neben dem gut bezeugten Substantiv stehen als weitere Ableitungen ahd. ungizumftida und ungizumftîg. Sieh auch oben unter gi-zumpften und zumpften. unmabten 'geschwächt werden', (N.); SchW. 300, RMWA. 88, RVA. 242. Notker 2,131,29f. Tara näh kuán er den medicum . dér imo blûot liez in demo báde . únz imo sô únmáhta . dáz er dés kéndôta. Der Beleg ist in dieser unpersönlichen Konstruktion mit R. Schützeichel als 'geschwächt werden' zu übersetzen. Die Bedeutung kann auf eine systematische Bedeutung 'schwach machen' zurückweisen. Man könnte daher als Basis der Ableitung aber ein Adjektiv erwarten, zu dem das perdurative Verb als Faktitivum gebildet wäre.

1623 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 507-513.

Ableitungen von einem Substantiv

335

Ein Adjektiv ahd. *unmahti oder "mahti ist jedoch nicht bezeugt. Da die Verteilungsregel durativ : desubstantivisch - perdurativ : deadjektivisch bei den jüngeren Kompositionsbildungen des Althochdeutschen nicht mehr in Kraft ist, kann das jan-Vtib allein in diesem Fall einen solchen Ansatz nicht rechtfertigen. (Nur ahd.). Zu unmaht st.F. 'Machtlosigkeit, Schwäche', SchW. 300, StWG. 668. urlusten 'verdrossen, überdrüßig sein', (Gl.); StWG. 682, RVA. 246. StSG. 1,293,12 Tedet : ardriuzzit urlustit. Die Handschriften, die das Verb überliefern (Oxford, BL. Jun. 25; Nr.725, BV. 493 und Karlsruhe, BLB. Aug. IC; Nr.54, BV. 296, alem.), gehören dem 9. Jahrhundert an. Glossiert wird Gn 27,46 dixit quoque Rebecca ad Isaac taedet me vitae meae propter fdias Heth si acceperit Iacob uxorem de stirpe huius terrae nolo vivere. "Da sprach Rebecka zu Isaak: Ich bin des Lebens überdrüssig wegen der Töchter Heths. Wenn Jakob ein Weib nähme aus dem Volke dieses Landes, möchte ich nicht mehr leben." (Nur ahd.). Zu urlust st.F. 'Unlust, Widerwille, Ausschweifung', StWG. 682.

c. Ableitungen von Komposita gi-friundscaften 'sich verbinden', (ein Beleg StSG. 111,408,36 Federat : gefruntschaftet)·, KFW. 3,1278, StWG. 179, RVA. 44. Straßburg, UB. Hs. des Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg; Nr.557, BV. 857, 12.Jh., (mhd.). Hortus Deliciarum 1,54,117 ... et sic, duabus hic mediantibus, federat gefruntschaftet armonia corpus anime. "... und so, wenn diese beiden Dinge voneinander getrennt sind, verbindet sich im Einklang der Körper mit der Seele." Der Beleg aus dem Codex der Herrad von Landsberg ist als mittelhochdeutsch zu werten1624. (Nur 12.Jh.). Zu friuntscaft st.F. 'Freundschaft, Bündnis', KFW. 3,1277f. (mit Verweis), StWG. 179; nur ahd.; ahd. -skaf(t) ist hier Grundwort eines Determinativkompositums; man vergleiche as. friundskepi, afr. friondskip, frìundschup, ae. frèon dscipe16". ginôzsceffen 'vereinigen', (ein Beleg StSG. 1,206,14 sociandum : kinozsceffendi Kb.)1626. Der Beleg findet sich StWG. 216 unter einem Ansatz ginôzscaffôn, ginôzscaffen, StWG. Ν. 817 wird unter ginôzsceffen auf den Ansatz ginôzscaffôn 1624

Zur Bedeutungsfestlegung sieh B. Meineke, Althochdeutsche -jia/f/j-Bildungen, S. 47. Z u m Sobstantiv B. Meineke, ebenda S. 109-111, S. 117, Ch.T. Carr, N o m i n a l Compounds, S. 98. 1626 Man vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 291 und 485. 1625

Ableitungen von einem Nominalstamm

336

verwiesen, ohne diesen zu streichen1627. Bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings ist der Beleg unter G nicht verzeichnet. (Nur ahd.). Zu ginôzscaf st.F. 'Gemeinschaft', SchW. 227, StWG. 215f. Bei E. KargGasterstädt - Th. Frings fehlt dort auch das Substantiv1628. missizumpften 'abweichen, nicht übereinstimmen', (ein Beleg MGI. 56,26 discrepabat : § +missazunfta)·, StWG. 418, fehlt RVA. Die Handschrift Clm 4542; Nr.706, BV. 477 gehört dem Anfang des 9. Jahrhunderts an, die Glossen sind bairisch1629. Glossiert wird Greg. hom. 2,38,1643 Is autem qui ad conversationem venerat valde fratribus placebat; at contra, frater illius longe a vita ejus ac mortbus discrepabat. "Derjenige aber, der zur Umkehr gelangt war, gefiel den Brüdern sehr; doch sein Bruder dagegen wich weit von seiner Lebensweise und seinen sittlichen Eigenschaften ab." (Nur ahd.). Zu missizumft st.F. 'Uneinigkeit', StWG. 418. ôrslegen 'ohrfeigen', (ein Beleg StSG. 111,418,80 Alapizant : ôrslegen)·, StWG. 453, RVA. 144. Der Beleg (Straßburg, UB. Hs. des Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg; Nr.557, BV. 857, 12.Jh.) ist als mittelhochdeutsch zu werten. Er ist in der Textausgabe des Hortus deliciarum (HD.) nicht verzeichnet. (Nur 12.Jh.). Zu ôrslag st.M. 'Ohrfeige', StWG. 453; man vergleiche ae. êarslege 'Schlag, der das Ohr abschlägt'1630. winiscqffen 'etwas verabreden, eine Verabredung treffen', (StSG. 11,619,38.39 Pactus. mercatus : vuiniscaffender. uuiniscaffender)·, StWG. 732 winiscaffen 'einen Friedensvertag schließen', RVA. 263 uuiniscaffen 'Freundschaft schließen'. Die Handschriften St. Gallen, StiftsB. 292 (Nr. 190, BV. 271, fränk.-alem.) und Karlsruhe, BLB. St. Peter perg. 87 (Nr.73, BV. 324, fränk.1631) gehören dem 10. bzw. der 2. Hälfte des 11. Jahrhundert an. Glosse zu Sed. carm. pasch. 5,40f. Protimus in Judam, sedes ubi livor habebat, Spiritu intravit teterrimus armaque surnens. ... In Dominum, servile dedit consurgere bellum, Pactus grande nefas quavis mercede: nec illi Culpa datur pretio, sed inhaerent crimina facto. "Sofort fuhr ein bösartiger Geist in Judas, in dem die Mißgunst wohnte, und er erhob die Waffen gegen den Herrn und verursachte als dessen Sklave einen Kampf, 1627

Sieh auch RVA. 2,110. Man vergleiche besonders B. Meineke, Althochdeutsche -j&z/f/j-Bildungen, S. 69-75 und 89. 1629 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 6. 1630 Sieh Ch.T. Carr, Nominal Compounds, S. 130. 1631 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 483-489. 1628

Ableitungen von einem Substantiv

337

nachdem er ein großes Unrecht verabredet hatte um einen beliebigen Preis. Und nicht dieser Belohnung gibt man die Schuld, sondern das Verbrechen besteht in der Tat." Die Handschrift, die dem Glossator zur Verfügung stand, zeigt offensichtlich Pactus. mercatus statt Pactus ... mercede. Die Glosse bezieht sich aber ohnehin auf lat. pactus 'verabredet', das verbal und dem Sinne nach zutreffend mit einer Ableitung von dem Substantiv ahd. wirtiscaf in der Bedeutung 'Bündnis, Vertrag, Verabredung' als 'etwas verabreden' übersetzt worden ist. (Nur ahd.). Zu winiscaf st.F. 'Bündnis, Vertrag, Verabredung; Liebesverhältnis', SchW. 324, StWG. 732; sieh ae. winescipe, an. vinskapr. Bei Ch.T. Carr"32 wird das Substantiv zu Recht unter den Determinativkomposita behandelt, denn die althochdeutschen Bildungen auf -scaf sind, wenngleich einige ihrer Vertreter -scaf schon in althochdeutscher Zeit in der Funktion eines Halbsuffixes zeigen, als Komposita anzusehen. Ahd. scaf ist vor allem deshalb noch kein reines Formationsmorphem, weil es selbst noch als Basis für andere Ableitungen erscheinen kann1633.

E. Ableitungen von einem ó-Stamm a. Ableitungen von Simplicia âbten 'verfolgen, nachstellen', (N„ NG., O. OT. T.; Gl.); KFW. l,74f, SchW. 83, RMWA. 88, StWG. 18, RVA. lf. StSG. 1,246,29 persequere : ahten Kb. Ra. Tatian 78,14f. mit thiu sie íuuer áhtent In therro bürgt flioh& in andera ... (Man vergleiche as. âhtian, ae. êhtan). Zu âhta st.F. 'Verfolgung', KFW. l,72f„ SchW. 83, StWG. 18; man vergleiche afr. acht(e), ae. ôhti6iA. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] buozzen 'büßen, bessern, ausbessern, sühnen', (B. FB. GB. Μ. Ν. O. OT. PG. T.; Gl.); KFW. l,1512f., SchW. 104, RMWA. 98, StWG. 85, RVA. 21f. Man vergleiche etwa Otfrid 3,2,10 ... mit uuórton uuolt er (Christus) súazen thia gilóuba in imo (dem königlichen Beamten in Kapernaum) búazen. Weitere Belege werden besprochen bei H. Götz1635. (Man vergleiche as. bôtian, afr. beta, a e. bêtan, an. bata, got. botjan).

1632

Nominal C o m p o u n d s , S. 53. Man vergleiche Β. Meineke, Althochdeutsche íc«/f7>Bildungen, S. 86, 109-111, 117 u n d 176. 1634 SiehLSEW. 1,118. 1635 Zur Bedeutungsanalyse, S. 73f., S. 75f. 1633

Ableitungen von einem Nominalstamm

338

Bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings wird das Verb zu ahd. buoza st.F. 'Buße, Strafe, Besserung', KFW. l,1509f. (mit Verweis); SchW. 104, StWG. 85; man vergleiche as. bota, afr. bote, ae. bót, an. bót, got. bota, gestellt. Jacob Grimm hat demgegenüber ein starkes Verb der V. Ab- lautreihe germ. * Bata- 'vigere, valere' als Basis angesetzt1636. Zumindest nicht ablehnend hat sich zu dieser These auch J. Weisweiler1637 geäußert. Gegen die Annahme einer desubstantivischer Ableitung hat sich auch W. Wissmann1638 ausgesprochen, da nach seiner Überzeugung *Gôtô- wegen Λ Bata- 'Nutzen' als Substantiv ursprünglich ebenfalls die Bedeutung 'Nutzen' gehabt haben müsse. Das Verb dagegen trage von Anfang an die Bedeutung 'verbessern, wiederherstellen'. Das /¿«-Verb könne daher nicht vom Substantiv abgeleitet sein, sondern sei "ein direkt von der Wurzel gebildetes Kausativum, das seine Seitenstücke etwa in erlauben, glauben : lieb, blenden : blind' habe. In diesem Sinne hatte bereits F. Kluge1639 argumentiert, der ahd. buozzen, wenn auch unter Vorbehalt, zu den sogenannten Denominativen mit Ablaut, und zwar zu einem Adjektiv *Bat- in got. batiza 'besser', stellt1640. Diese Ansicht wird von W. Wissmann' 641 noch dahingehend erweitert, daß das Bedeutungsfeld "Buße" von * Bôtô- als postverbal zu * Bötjan aufgefaßt wird. G. Darms1642 kommt das Verdienst zu, die ältesten Belege noch einmal daraufhin überprüft zu haben, ob tatsächlich ein Bedeutungsunterschied zwischen Substantiv und Verb bestanden habe. Er kann nachweisen, daß got. bôtjan nur die Bedeutung 'nützen, Nutzen haben' zukommt. Daher spricht nichts dagegen anzunehmen, daß das Verb und das Substantiv voneinander abgeleitet sind. Die Annahme einer "Wurzelbildung" ist nicht länger zwingend. Unklar ist aber noch, welches Wort die Basis und welches die Ableitung ist. Da auch in den anderen indogermanischen Sprachen keine Spuren auszumachen sind, die auf ein primäres Verb und eine dazu gehörige Kausativbildung hinweisen, *Bôtô- zugleich als gemeingermanisch anzusetzen ist und als so frühe Rückbildung ohne Parallele wäre, ist das jan-Vcrb wohl nicht als Ausgangspunkt der Bildungen mit o-Vokalismus anzunehmen. G. Darms1643 sieht in *Bôtô- daher, trotz semantischer Schwierigkeiten, die diese Deutung mit sich bringt, eine formale Vrddhi-Ableitung zu germ. * Bata-, der Grundlage von ahd. baz 'besser'. Das /¿w-Verb ist dann eine denominale Ableitung zum Substantiv. 1636 1637 1638

Deutsche Grammatik 11,41, Nr.476. Buße, S. 285. Deutsche Literatur Zeitung 54 (1933) S. 204.

1639 Z D W 1640 1641 1642 1643

7

( 1905/ / 06 ) s

169

M a n vergleiche dazu auch KEW. 117 sowie unten den Abschnitt 5.7. Die ältesten Postverbalia, S. 14. Schwäher u n d Schwager, S. 272f. Ebenda S. 273f.

Ableitungen v o n einem Substantiv

339

[DURATIV, FINAL - FACIENTIV] untar-diuten 'untertan, untergeben sein' (OT. T.; GL); SchW. 113, RMWA. 94, StWG. 103, RVA. 29. StSG. 1,250,34 uel subd.it : edho untarthiudit thaz ist kitheaed suin Kb.1644. - Tatian 43,7f. Inti sie niforstuontun thaz uuort thaz her sprah zi In. Inti nidar stigenti mit In quam zi nazar&h. uuas In untarthiutit. (Man vergleiche ae. gedeodan 'teilnehmen, verbinden'). Zu deot st.F. (auch diot M.N.1645) 'Volk, (Volks-)gemeinschaft, Menschen; Heiden', SchW. 112, StWG. 102 diot st.M.'646; man vergleiche as. thiod(a), afr. thiad, ae. jxod, an. fjjód. Das präfigierte Verb ist auf diota in der Bedeutung '(Volks-)gemeinschaft' bezogen. Es ist bei weitem älter als die althochdeutsche Neubildung diuten 'deuten'. Unpräfigierte Belege, die auf deot in der Bedeutung 'Volk, (Volksgemeinschaft 1 bezogen wären, sind nicht bezeugt. Da beide Verben auf zwei verschiedene substantivische Basen zurückführen, sind sie folglich voneinander zu trennen1647. drewen/drouwen 'drohen, tadeln', (B. GB. MF. N. O. OT. T.; Gl.); SchW. 114, RMWA. 95, StWG. 107, RVA. 291f. Zuerst StSG. 1,32,12 ΛΓ^Κ« : thrauuis Pa. Kb. drauuis Ra. - Tatian 97,16f. after iuuaremo giloben uuese tu Inti íntátun sih irò óugun threuuita in ther heilant quedanti. gisehiy thaz íz uúer niuuizi... (Man vergleiche as. githrôon, afr. thrûwa, ae. prêan, prêagan und mit anderer Bedeutungsentwicklung an. preyja 'sich sehnen, die Zeit vertreiben'); mnl. dreigen 'drohen' gehört wohl zu dringen Es handelt sich um eine o-stufige Bildung zu der Wurzel idg. *treu- 'stoßen, drängen, verdrängen'. Eine andere Erweiterung dazu liegt vor in dem starken Verb germ. *preuta- 'müde werden'. Außergermanisch vergleicht sich griech. τρνω 'aufreiben, erschöpfen', aksl. tryti 'reiben'1649. Es ist daher nicht auszuschließen, daß es sich um eine Ableitung von einem primären Verb handelt, das in den germanischen Einzelsprachen nicht erhalten ist. Neben dem janVerb steht aber auch ein Substantiv germ. *prawô 'Leid, Plage, Drohung', das vorliegt in ahd. drawa, drôa st.sw.F. 'Drohung, Tadel, Last', SchW. 114, StWG. 106; an. prá. Verb und Substantiv sind im Althochdeutschen von Anfang an gut bezeugt, so daß auch von einer denominalen Ableitungsstruktur mit einer Paraphrase "eine Drohung machen" ausgegangen werden kann. Als desubstantivisch wird das Verb von den Bearbeitern des Deutschen Wörter-

1644 1645 1646 1647 1648 1649

Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien S. 372. Sieh dazu BEG. § 208.4. Sieh auch PIEW. 1084. Sieh dazu auch o b e n u n t e r diuten. So KEW. 156. M a n vergleiche KEW. 156.

Ableitungen von einem Nominalstamm

340

buchs1650, bei H. Falk - A. Torp1651 und von F. Holthausen' 652 gedeutet. Der Lautstand von nhd. drohen statt lautgesetzlichem dräuen ist durch das Substantiv beeinflußt. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] eggen 'eggen', (Gl.); KFW. 3,76, StWG. 117, RVA. 292. Zuerst wohl StSG. 1,606,17 Adequauerit : giegith. Fünf Handschriften der Gruppe M. Glosse zu Is 28,25 nonne cum adaequaverit faciem eius seret gith et cyminum sparget... "Wird er nicht, wenn er dessen Fläche geebnet hat, Dill ausstreuen, Kümmel auswerfen ..." Lat. adequo ist speziell auf die landwirtschaftliche Tätigkeit, und damit als 'zum Säen vorbereiten, eggen' übersetzt worden. (Man vergleiche as. eggian, ae. egean). Da das Substantiv im Germanischen wie ein Partizip aussah, scheint es sich beim Verb vorahd. *ag-ija- um eine Rückbildung zu westgerm. *agepô-, ahd. egida st.(sw.)F. 'Egge', KFW. 3,78f., StWG. 117, zu handeln1653. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] êrenx '(im religösen Sinne) ehren, hochschätzen 1 , (B. T.; Gl.); KFW. 3,384, StWG. 131, RVA. 35. StSG. I,484,53f. Magnificata est : giérot ist, Clm 22201; Nr.460, BV. 681, 12. Jh., mfrk. und bair.1654. Der Beleg ist StWG. 133 und KFW. 3,427 jedoch unter erôn verzeichnet. Auch im Falle von StSG. 1,484,53 gierit ist, das bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings ebenfalls unter den ônVerben vermerkt ist, scheint eher ein janNzrb vorzuliegen. Der Beleg aus den Handschriften Clm 13002 (Nr.374, BV. 558, 12.Jh„ bair.) und Clm 14689 (Nr.403, BV. 604, 1. Hälfte 12.Jh., bair.1655) ist Glosse zu Idt 12,18 ... bibam domine quoniam magnificata est anima mea hodie prae omnibus diebus meis. "Ich will trinken, o Herr, denn mehr als an irgend einem Tage meines Lebens bin ich heute geehrt worden." (Man vergleiche ae. ârian). Zu èra st.F. 'Ehre, Ansehen, Glanz', KFW. 3,346f. (mit Verweis), SchW. 124, StWG. 129; man vergleiche as. èra, afr. ere, ae. ár, an. «>1656. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] fackilen1 'Fackeln, Kienspäne (durch Einkerben, Spalten) herstellen' (Gl.); KFW. 3,530, StWG. 137, fehlt RVA. Zur Deutung von StSG. 111,220,29 Inspi-

1650

DWB. Neubearbeitung 6,1413. FTW. 193. 1652 Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 368. 1653 M a n vergleiche KEW. 165f„ PIEW. 22. 1654 Zur Handschrift sieh K. Matzel, Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 168f. 1655 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 855-859. 1656 Sieh auch E. Karg-Gasterstädt, PBB. 70 (1948) S. 310f. 1651

Ableitungen v o n einem Substantiv

341

cat : facihlit (E. Steinmeyer zur Stelle: 1. facbilit oder fackilûf™. Der Beleg (Summarium Heinrici) entstammt der Handschrift Trier, StadtB. 1124/2058; Nr.568, BV. 882, 13.Jh„ mfrk. nach rheinfrk.-obd. Vorlage1658. (Nur ahd.)· Zu fackala, fackila, fackula st.(sw.)F. 'Fackel', KFW. 3, 528f.; aus lat. fackala, facula1659. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] fackilen1 '(durch festes Umschlagen) umbrechen, knicken', (ein Beleg MF.); KFW. 3,350, SchW. 128, RMWA. 76, RVA. 36. (Nur ahd.). E. Ochs1660 hat nachgewiesen, daß harundinem quassatam, faclen aus den Monseer Fragmenten (12,20) mit nhd. Fackel nichts zu tun hat. Es handelt sich vielmehr um eine Ableitung von einer Werkzeugbezeichnung nhd. Fackel, ahd. *fackil zu *fack 'Hanf, Flachsbreche' in der Bedeutung 'mit der Fackel (der schwäbischen Flachsbreche) knicken'1661. Die Bedeutung schließt eine Deutung als ίο-Adjektiv aus. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] fideren 'Federn habend, bekommen', (Gl.); KFW. 3,800, StWG. 150, RVA 40; man vergleiche SchW. 133 gefideret Adj. 'geflügelt' (N.). (Man vergleiche at. fi denan, an .fiÖra\ sieh auch mnd. véderen, mnl. vederen). Zu federa st.F. 'Feder', KFW. 3,672, SchW. 131, StWG. 143; man vergleiche as. vethera, afr. fethere, ae. feöer, an. fjödr. W. Wilmanns1662 hat, wohl in Unkenntnis des Glossenbelegs - (StSG. 1,507,16 Plumiscet : uidirith, lob 39,26 numquid per sapientiam tuam plumescit accipiter expandens alas suas ad austrum. "Fiedert sich durch deine Weisheit der Habicht, wenn er seine Flügel nach dem Süden ausbreitet?") aus der Handschrift Clm 6225; Nr.339, BV. 503, 9.Jh., bair.; - auf der Basis der Belege aus Notker, die wie die in Kapitel II.2.B. behandelten ία-Adjektive gebildet sind, ausgerechnet gefidert als althochdeutsches Beispiel für diese Bildungsweise ausgewählt. Da aber in den Glossen eine ältere Verbform vorliegt, kann es sich auch bei den Notkerbelegen um echte Partizipialformen handeln. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV]

1657

Man vergleiche KFW. 3,530 unter Georj. 1,292. 1659 1660 1661

ifackilen

den Kommantar mit Verweis auf Verg.

Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 166-169. Man vergleiche G. Müller - Th. Frings, Germania Romana 2,244. Neuphilologische Mitteilungen 22 (1922) S. 124-128, besonders S. 124f. und 126.

Z u m Fortleben der Werkzeugbezeichnungen in den Mundarten vergleiche man E. Ochs, ebenda S. 125. Sieh auch K. Matzel, Untersuchungen zur Verfasserschaft, S. 266 A. 511. 1662 Wortbildung, S. 451 f.

Ableitungen von einem Nominalstamm

342

gi-ßeren 'wenden', (O.; Gl.); KFW. 3,802f„ SchW. 133, RMWA. 84, StWG. 150, RVA. 39. StSG. 1,114,21 uariantur : kifiarte Kb. (Nur ahd.); zu kifiarte man vergleiche J. Splett1663 und KFW. 3,803 unter 2. Zu fiera st.F. 'Seite', KFW. 3,802 (mit Verweis), SchW. 133, StWG. 150; man vergleiche got. fera. Unsicher ist, ob auch Abrogans Pa. kaforte unter Annahme einer Verschreibung hierher zu stellen ist, oder ob doch ein anderes Verb vorliegt, das mit der Bedeutung 'wegführen' dann am ehesten zu ahd. fuoren gehört1664. flehen 'erflehen, erbitten, schmeicheln', (B. GB.; Gl.); KFW. 3,948 (mit dem Hinweis, es könne bei den Glossenbelegen auch eine späte Abschwächung aus flehôn bzw. Konjugationsmischung vorliegen), SchW. 135 flêhan, RMWA. 71, StWG. 163 flêhôn, flehen-, RVA. 41 mit dem Verweis auf ebenda 2,44 flehôn. Zur Verteilung der lang- und kurzvokalischen Formen vergleiche man W. Wissmann1665. Zuerst wohl Benediktinerregel, StSpD. 278,15f. qui sub ipsis sunt qui adolantur ... / dea untar... denne sint keflehit (korrigiert aus ke fre flehit\ sieh E. Steinmeyer, zur Stelle). (Nur ahd.). Wohl zu ahd. fléha st.F. 'Flehen, Verlangen, Schmeichelei', man vergleiche KFW. 3,947 (mit Verweis); sieh auch SchW. 135 fleha, StWG. 163 fléha. Dagegen hat W. Wissmann 1666 das Verb als deverbale Ableitung zu as. geflîhan 'besänftigen' st.V. gestellt. Dieses Verb gehört jedoch nicht zur Familie von germ. *flaih- und kommt daher als Basis nicht in Betracht1667. Außerdem wäre, wie auch im Falle einer Zusammenstellung mit dem starken Verb got. gaplaihan 'bitten, erflehen'1668 das Ausbleiben des grammatischen Wechsel gesondert zu erklären. Näher liegt es, mit den Bearbeitern des KFW. von einer desubstantivischen Ableitung auszugehen, zumal ahd .fleha eine alte Bildung ist, die bereits im Abrogans bezeugt ist1669. Zur Bedeutungsfestlegung vergleiche O. Szemerényi1670. Durch die dort wahrscheinlich gemachte Verbindung mit lat. supplicâre erhält auch die Kontroverse um die Entwicklung von got. pi- und ahd.y?- eine weitere Stütze im Sinne der Deutung K. Matzels1671. [DURATIV, FINAL - wohl FACIENTIV] fluobiren 'trösten, beistehen, helfen', (OT. T.; Gl.); KFW. 3,1004, SchW. 136, RMWA. 83, StWG. 166, RVA. 42f. StSG. 1,92,8 Consolet : flobrit Pa. Kb. - Ta1663 1664 1665 1666 1667 1668

1669 1670 1671

Abrogans-Studien, S. 180. Sieh dazu J. Splett und die Hinweise im KFW. unter gì-fier en. Nomina Postverbalia, S. 23f. Ebenda S. 23f., auch 31, 209. Man vergleiche dazu K. Matzel, Anlautendes pl- und fl-, S. 190 mit A. 54. S

E

W

5 1 6

In diesem Sinne auch K. Matzel, Anlautendes ¡Λ- und fl-, S. 193. An den Quellen des lateinischen Wortschatzes, S. 28. Anlautendes pi- und fl-, S. 178-195.

Ableitungen von einem Substantiv

343

tian 231,31 f. Iudcci autem qui erant cum illa In domo consolabantur earn. - thie iudei mit Iru uuarun In themo hus ìnti siaßuobritun ... (Man vergleiche as. frôbrian, i.e. frefrían). Zu fluobara st.F. 'Trost, Hilfe', KFW. 3,1003f„ SchW. 136, StWG. 166; man vergleiche as. flôbra, frôfra, a e. frófror. Im Althochdeutschen ist, wie sonst überwiegend nur in Lehnwörtern1672, Dissimilation des ersten r eingetreten. Es handelt sich aber wohl um eine alte einheimische Bildung, die möglicherweise über angelsächsische Vermittlung ins Althochdeutsche gedrungen ist1673. Sieh dazu auch unter flehen. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] for(a)bten/furbten 'fürchten, befürchten', (APs. B. GB. MF. MH. N. NG. O. OT. T. TSp. WH.; GL); KFW. 3,1158f„ SchW. 139, RMWA. 89, StWG. 172, RVA. 52. Zuerst wohl StSG. 1,469,37 Reueritus : kaforahter aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh„ alem.1674; Glosse zu II Par 33,23 et non est reveritus faciem Domini sicut reveritus est Manasses pater eius ... "und er fürchtete nicht das Angesicht des Herrn, wie Manesse sein Vater, es gefürchtet hatte." - Tatian 202,7f. thanne forhten uuir thie menigi. (Man vergleiche as.forhtian, afr. fruchta, zs..fyrhtian,forhtian, got. faurhtjan). Zu ahd. for(a)hta st.F. 'Furcht', KFW. 3,1154f. (mit Verweis), SchW. 139, StWG. 171 f.; man vergleiche as.forhta, afr. vruchte, ae. fyrhto, got. faurhtei. Bei dem Substantiv handelt es sich um ein altes Adjektivabstraktum, dessen Grundlage erhalten ist in ahd. gotforht 'gottesfürchtig' (OT. T.), SchW. 153 und forhtal 'furchtsam' (N. O. OT. Ph. T.), SchW. 139. Man vergleiche as. foraht, ae. forht, got. faurhts 'furchtsam'1675. Da es sich um ein duratives Verb handelt, wird eine desubstantivische Ableitung vorliegen1676. [DURATIV, KAUSAL - EMOTIV] frummen 'tun, bereiten, ausführen, vollbringen, ausüben, erfüllen, leisten', (B. BG. I. MF. N. O. PE. WH. WS.; Gl.); KFW. 3,1300f„ SchW. 142, RMWA. 79, StWG. 181, RVA. 295f. StSG. 1,20,37 Admissum : cafrumit Pa. Kb. - Otfrid 3,24,19 loh âllaz thîn girati frúmit sar zi stati. (Man vergleiche as.frummian, afr. fromia).

1672

Man vergleiche BEG. § 120 Α. 4. Man vergleiche E. Gutmacher, PBB. 39 (1914) S. 232f. und W. Braune, PBB. 43 (1918) S. 383f., der keine Entscheidung fallt, ob von einer Entlehnung auszugehen ist oder nicht. Sieh auch FTW. 153, F. Kluge - W. Mitzka, Deutsches etymologisches Wörterbuch, S. 792; zum Anlaut K. Matzel, Anlautendes pl- und ß-, S. 194. 1674 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 17. 1675 Sieh dazu KEW. 237. Zur Deutung als femininer ô-Stamm sieh BEG. § 208 Α. 2. 1676 Anders HEW. 223f. und J. Dishington, Language 52 (1976) S. 856, der got .faurhtjan ohne Begründung zum Adjektiv faurhts stellt. 1673

Ableitungen von einem Nominalstamm

344

Zu fruma, froma st.F. 'Nutzen, Vorteil, Gewinn', KFW. 3,1300f. (mit Verweis), SchW. 142, StWG. 181167?. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] furben 'furchen, durchfurchen, pflügen', (Gl.); KFW. 3, 1378, StWG. 185, StWG. N. 812, fehlt RVA. Zuerst wohl MGI. 56,15 sulcauerant, +furht..., Clm 4542; Nr.706, BV. 477, 9. Jh., obd.; Glosse zu Greg. hom. 2,37,1632 ... testes veritatis et culpa, ... membra illius accepta verbera, livore inflicto, sulcaverant. "Die Zeugen der Wahrheit und der Schuld ... hatten seine von Schlägen und blauen Flecken gezeichneten Glieder durchfurcht." (Man vergleiche at. furari). Zufureh st.F. 'Furche', KFW. 3,1378 (mit Verweis), SchW. 144, StWG. 185; man vergleiche afr.furch, At.furh, a n . f o r i m . [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] ûf-gneisten 'Funken sprühen', (ein Beleg StSG. 11,428,52 Scintillât : vfgneista)·, KFW. 4,318, StWG. 232, RVA. 59. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11 Jh., bair.; Glosse zu Prud. perist. 5,226 Subter crepante aspergine scintillât excussus salis. "Unterhalb prasselt das Feuer durch Wassertropfen, Salz wird ausgestreut und es sprüht Funken." (Nur ahd.). Zu gneista (st.)F. 'Funke, Flämmchen', KFW. 4,318 gneista, gneisto, ganeistra, gnan(e)istro (mit Verweis), SchW. 152, StWG. 232; man vergleiche ae. gnêst, an. gneisti. Bereits in den ältesten Belegen (Abrogans Rb. cneista) erscheint im Anlaut die Verbindung Guttural-Nasal. Auch aksl. vbzgnetiti. 'anzünden' macht es wahrscheinlich, daß im Althochdeutschen kein Partikelkompositum *ganeista vorliegt. Sieh auch weiter unten gnaneisten1679. goumen 'essen, speisen, ein Mal bereiten; achtgeben, sich kümmern', (N. O. T.; Gl.); KFW. 4,380f., SchW. 153, RMWA. 79, StWG. 235, RVA. 59. Zuerst wohl StSG. 1,150,32 refecit : caumit Pa. kaumit Kb.Ra.1680. - Otfrid 1,8,20 ... kúndt er imo in dróume, er thes uuîbes (Marias) uuola góume. (Man vergleiche as. gômian 'achtgeben auf, ae. gîeman 'sich kümmern, beachten, betrachten, heilen', an. geyma 'achtgeben auf, got. gaumjan 'bemerken'). Nach E. Rooth1681 ist bei diesem Verb von einer Grundbedeutung 'essen' auszugehen. Diese Auffassung ist allerdings wohl zu Recht wiederholt bezweifelt worden1682. Bedeutungen wie 'bewirten', 'essen' und 'schmausen' sind nur im Althochdeutschen und Altsächsischen bezeugt und vergegenwärtigen kaum

1677 1678 1679 1680 1681 1682

Sieh KEW. 233 mit weiterer Literatur. Sieh FTW. 244, KEW. 237. M a n vergleiche noch J. Schatz, Althochdeutsche Grammatik, § 86. Man vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 224. Altgermanische Wortstudien, S. 17f. So schon von F. Slotty, IF. 46 (1928) S. 366-372.

Ableitungen von einem Substantiv

345

den ältesten Sprachzustand. F. Slotty1683 und E. Rooth1684 stimmen aber in der Deutung des Verbs als Denominativum überein1685. Doch die Substantive können auch postverbal gebildet sein, so faßt F. Holthausen 1686 ae. gîeme 'Sorge' auf, und dasselbe kann mit gleichem Recht für as. gôme, an. gaum (< germ. *çpumô) angenommen werden. Dies liegt auch bei ahd. gouma nahe, denn das Verhältnis zwischen dem Abstraktum in der Bedeutung 'Wahrnehmung' und dem Verb 'achtgeben, sich kümmern' hinterläßt Zweifel an der Deutung als Denominativum. Es kann durchaus auch zu einer verbalen Grundbedeutung 'beobachten, achtgeben, sich kümmern' ein Abstraktum 'Wahrnehmung' getreten sein. Diese Bedeutungssphäre wäre dann sekundär auf den Bereich der Nahrungsaufnahme ausgedehnt worden, wobei entweder eine Bedeutung 'sich um den Lebensunterhalt kümmern' oder 'auf den Geschmack achtgeben' den Ausschlag gegeben haben wird. In diesem Sinne setzt auch P. Persson1687 als Grundbedeutung für die von idg. *¿>ou- ausgehenden Ableitungen 'wahrnehmen, beobachten' an. Da zudem in ae. for-, ofer-gumian 'vernachlässigen, versäumen' und as. fargumon Verben bezeugt sind, die mit germ. * gaum-ija- in einem Ablautverhältnis stehen, könnte ein weiteres Indiz für die Ableitung von einer Verbalwurzel beigebracht werden1688. Wenn aber die Verbalwurzel *^au- bereits in an. gd 'beachten' vorliegt1689, so ist es trotz der genannten Bedenken wohl doch naheliegender, in dem Substantiv gaumô dann eine nominale Ableitung zu sehen, zu der das jan-Verb erst sekundär hinzugebildet wurde. Die zeit- und handlungsstrukturellen Merkmale des jan-Verbs lassen diese Deutung zu. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] buosten 'husten', (StSG. 11,729,12 Tussiens : huostenter)·, RVA. 77, StWG. 294 unter huostôn. Bei dem hier erfaßten Beleg aus den Handschriften Clm 18140 (Nr.429, BV. 637, 11 Jh., bair.1690) und Salzburg, UB. M II 279 (Nr.551, BV. 846, 12.Jh., bair.) kann zwar späte Abschwächung des Endsilbenvokals ô vorliegen. Da jedoch im Clm 18140 die Vokale der Endsilben "im Allgemeinen"

1683

Ebenda, S. 367. Altgermanische Wortstudien, S. 21. 1685 So auch C. Schuldt, Die Bildung der schwachen Verba, § 73, Κ. Michel, Die mit - i abgeleiteten denominativen verba und zuletzt KFW. 4,376f. (Ableitungsverweis unter gouma 'Essen, Speise, Genuß, Wahrnehmung') und KEW. 247. 1686 Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 129. 1687 Beiträge zur indogermanischen Wortforschung, S. 729. 1688 Man vergleiche dazu auch A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 91f. 1689 KEW. 247. 1690 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 507-513. 1684

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Ableitungen von einem Nominalstamm

bewahrt seien1691, ist nicht auszuschließen, daß hier ein /¿«-Verb vorliegt1692. Es handelt sich um eine Glosse zu Vitae patr. 5,569,25. (Nur ahd.). Zu huosta, huosti st.F. 'Husten 1 , daneben häufiger huosto sw.M.; man vergleiche SchW. 172, StWG. 294. Ableitungen von schwachen Substantiven sind insgesamt aber nur verhältnismäßig selten. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] zisamene-kliuwen 'sich sammeln, zusammenballen', (ein sicherer Beleg nur StSG. 1,276,38 Conglobad : zasamane kacliute); StWG. 336, RVA. 93. Oxford, BL. Jun. 25; BV. 725, Nr.493, frühes 9.Jh„ alem.1693 und Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem.; Glosse zu II Sm 2,25 congregatique sunt filii Beniamin ad. Abner et conglobati in unum cuneum steterunt in summitate tumuli unius. "Da sammelten sich die Söhne Benjamins um Abner und bildeten einen geschlossenen Haufen und stellten sich auf der Spitze eines Hügels auf." (Nur ahd.). Zu kliuwa st.F. 'Knäuel, Kugel', SchW. 182, StWG. 336; man vergleiche as. kliuwin 'Klumpen', ae. cleowen, cliwenun. kämen '(be)klagen, sich beschweren', (O.; Gl.); SchW. 185, RMWA. 79, StWG. 351, RVA. 98. Otfrid 5,7,19 Uuîb, ziu kûmistu thâr? (zu Io 20,13 mulier quid ploras). (Man vergleiche as. kûmian, afr. kêma). Zu kúma st.F. 'Klage', StWG. 350; afr. kerne. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] leisinen 'jemandem, einer Sache nacheifern, sich richten nach', (B. GB.); SchW. 193, RMWA. 80, RVA. 102 nur Verweis auf leisanon. Benediktinerregel, StSpD. 234,17 des cuatin erhaftaz keleisanit. (Nur ahd.). Zu -leisa in waganleisa F. "Wagenspur', StWG. 689; man vergleiche as. waganlêsa, mhd. leis, leise 'Spur, Geleis'1695. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] lougnen 'leugnen', (MF. MH. N. O. OT. Ps. T.; Gl.); SchW. 202, RMWA. 80, StWG. 386, RVA. 119f. Tatian 301,16f. iterum negauit cum iuramento quia non noui hominem ... - abur tho lougnita suerento uuanta ih niuueiz then man ... StSG. 1,7,26 recusare : uuideron laugnen Ra. 1691

So W. Holzgraefe, Die Sprache des althochdeutschen Glossars Clm 18140, S. 23. Man vergleiche auch GSp. 4,1063. 1693 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457465, besonders S. 459. 16.4 Sieh KEW. 382. 16.5 LH. l,1869f. Zum Substantiv sieh auch FTW. 369. 1692

Ableitungen von einem Substantiv

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(Man vergleiche as. lôgnian, afr. lêina, ae. lîegnian, an. leytia 'verbergen', got. laugnjan 'leugnen', ga- 'verborgen bleiben'). Wohl zu einem Substantiv, das vorliegt in ahd. lougna st.F. 'Leugnen', SchW. 202, StWG. 386; man vergleiche an. lauti aus germ. *laugnô, einer Ableitung zum starken Verb germ. *leuga- 'lügen'1696. Dagegen wird das jan-Wtib von W. Wissmann 1697 zu dem Adjektiv got. analaugns 'verborgen' gestellt. So werden auch bei M. Schnieders16'8 die altnordischen Belege gedeutet. Man vergleiche auch R. Hinderling 16 ", der von einer Ableitung mit dem "Untugendsuffix -ina" spricht. Das Adjektiv-Suffix -ni- ist jedoch laut F. Heidermanns 1700 im Germanischen nicht produktiv. Zudem verbinde sich das Verb nicht mit ana-, F. Heidermanns erklärt got. analaugns daher als Zusammenrückung aus einem Syntagma ana laugna 'im Verborgenen'. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] merken 'bestimmen, bezeichnen, feststellen', (WH., Gl., ana- 'angrenzen'); SchW. 211, StWG. 409, RVA. 127. Zuerst bezeugt wohl in der Präfixbildung StSG. 11,94,5 Conlimitant : anamerkant, St. Gallen, StiftsB. 299; Nr. 194, BV. 225, 2. Hälfte 9.Jh., alem.1701; Glosse zu Can. deer. Sir. XV ... qui vicinis tibi coïlimitant bine inde provinciis. "... die von hier an dich angrenzen und von da dann an die benachbarten Provinzen." (Man vergleiche afr. merka, an. merkja)"02. Zu marka st.F. 'Grenze, Ende, Bestimmung', SchW. 208, StWG. 402; man vergleiche as. marka, afr. merke, ae. meare, an. m0rk, got. marka™. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] mieten 'dingen, jemandem Geld geben', (NG. O.; Gl.); SchW. 212, RMWA. 88, StWG. 413, RVA. 129. StSG. 1,292,43 Se locauerunt : sih inneaton üb pifuluhun R. sih meton sich pifulahun O., Oxford, BL. Jun. 25; BV. 725, Nr.493, frühes 9 .Jh., alem1704 und Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem.; Glosse zu I Sm 2,5 saturati prius pro pane se locaverunt... "Die zuvor satt waren, haben sich um Brot verdungen ..." - Otfrid 4,37,25 Ni dúemes so thie riétun thie thie knéhta míattun ... 1696

M a n vergleiche KEW. 440, SEW. 336, A. Bammesberger, Die Morphologie, S. 115. Die altnordischen und westgermanischen Postverbalia, S. 88. 1698 Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 97. 1699 Studien zu den starken Verbalabstrakta, S. 125. 1700 HEW. 365f. 1701 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 314-317. 1702 Sieh KEW. 474. Zu germ. *markòn vergleiche man auch Chr. Schaefer, Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 378. 1703 Sieh KEW. 462, H . Tiefenbach, Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, S. 7478. 1704 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 1697

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Ableitungen von einem Nominalstamm

(Man vergleiche as. median, ae. on-mêdan). Zu mieta st.F. 'Lohn, Geschenk1, SchW. 212, StWG. 413; man vergleiche as. mèda, afr. mede, mîde, ae. med, meord·, got. mizdomi. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] multen 'Erde beackern, eggen', (Gl.); StWG. 423, RVA. 131. StSG. 1,606,14 Sarriet : multit (ONB 2723 u.a., Gruppe M.). Glosse zu Is 28,24 numquid tota die arabit arans ut serat proscindet et sariet humum suam. "Pflügt etwa der Pflüger den ganzen Tag, um zu säen, durchfurcht und eggt er seinen Acker immerfort?" (Man vergleiche ae. be-myldan, an. mylÖa). Zu molta st.F. 'Erde, Boden, Staub', SchW. 215, StWG. 421; man vergleiche afr. ae. molde, an. molÖ, got. muida. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] gi-nuscen 'verbinden', (Gl., int- 'losschnallen' Gl.; umbe- N.; Gl.); SchW. 227, RMWA. 75, StWG. 446, RVA. 143. StSG. 1,21,19 uestimentum : unpifangan canusgit Kb. Zur Ubersetzung als Partizip vergleiche man J. Splett1706. - Zu Notker 1,211,15 sieh unter gi-nusten. (Nur ahd.). Zu ahd. nusca st.F. 'Spange, Schnalle, StWG. 446. Das Substantiv selbst steht im Ablaut mit einer alten Verbalbildung mit s£-Suffix, die nur noch in air. nascid 'knüpft' erhalten ist1707. gi-nusten 'verbinden' (N., int- 'auftrennen, losschnallen' Gl.); sieh SchW. 227 unter gi-nuscen, StWG. 446 und RVA. 143 unter nusken. Notker 2,172,25f. lóh tara nâh.sô ér siu zesámine gehàfti.sô intuuúife sih . únde zenâme sih tiu ríngenta míssehélli dero natûrôn . úbe éinêr neuuâre . dér dáz fólle-hábeti . zesámine . dáz ér genústa. Der Notker-Beleg wird meist zu ahd. gi-nuscen gestellt1708. Nach J. Schatz wird "bei den Stämmen auf sk k vor t manchmal nicht geschrieben." Eine Erklärung wird nicht gegeben, doch dürfte es sich, wenn die Deutung zutrifft, ursprünglich um eine Ausspracheerleichterung gehandelt haben, die dann auch schriftlich fixiert worden wäre. Im Falle von ahd. gi- und intnusten müßte dieser Wandel aber schon sehr früh oder in mehreren germanischen Einzelsprachen zugleich eingetreten sein, denn mit J. Pokorny1709 ist das Verb mit an. η ista, nesta 'zusammenheften, festhaften' und zahlreichen sthaltigen Substantivbildungen des Altenglischen und Altsächsischen zusammenzustellen, die alle die Bedeutung 'Band, Nestel' etc. tragen. Zumindest

1705

Sieh KEW. 477. Abrogans-Studien, S. 72. 1707 Zu diesem Verb sieh W. Porzig, IF. 45 (1927) S. 159 und PIEW. 758. 1708 Sieh R. Pestalozzi, PBB. 41 (1916) S. 158, J. Schatz, Althochdeutsche Grammatik, § 485, H. Sehrt - W. Legner, Notker-Wortschatz, S. 399 und SchW. 227. 1709 PIEW. 75 8f. 1706

Ableitungen v o n einem Substantiv

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bei einer synchronen Betrachtung des Althochdeutschen sollten die Belege, auch wenn wechselseitige Beeinflussung stattgefunden haben dürfte, besser getrennt werden. Der zweite althochdeutsche Beleg (StSG. 11,770,17 Dijffibulat : in nuschta), eine Glosse aus dem Fragmentum Monacense, Cgm 1877 (Nr.296, BV. 440, ll.Jh. Alcimus Avitus, Poematum 4,382f. Ipse ... Proicit hic sceptrum linquit sublime tribunal, Pallia blattarum spreto diffibulat auro / Serica despiciens atque aspera tegtnina sumens. "Er wift das Zepter weg, gibt das hoch aufragende Tribunal auf, trennt, nachdem das Gold entfernt ist, sein Purpurgewand auf, verachtet Seidengewänder und nimmt stattdessen grobe Decken."), dürfte das Ergebnis einer Lehnübersetzung von lat. ftbulâre (denominal zu fibula) und damit ebenfalls auf ein Substantiv bezogen worden sein. Im Althochdeutschen vergleicht sich das Substantiv nusta st.sw.F 'Schnalle, Schlinge'. Im Gegensatz zum Verb hat das Substantiv bei T. Starck - J.C. Wells und R. Schützeichel einen eigenen Eintrag erhalten. Auch das Verb dürften folglich von den skhaltigen Bildungen zu trennen sein. Nicht auszuschließen ist auch, daß das Wort, das in einem Ablautverhältnis zu den Verbalbildungen des Altnordischen steht1710, letztlich auf ein primäres Verb zurückweist. rerten 'in Übereinstimmung bringen', (N.); SchW. 237, RMWA. 92, RVA. 153f. Notker 4,127,19f. So sì dô erspéh tía búoh-chámerigun fólleglichi . ûz-prâht hábentiu . dára-náh sí síh ιό rárta . dáz chít. taz si ió limeta. (Nur ahd.; man vergleiche von der selben Basis ae. reordian 'reden'). Zu rarta st.F. 'Ton, Stimme, Klang, Harmonie', SchW. 233; man vergleiche ae. reod, got. razda 'Sprache'. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] resten 'ruhen, schlafen', (B. GB. I. Ν. OT. T.; Gl.); SchW. 237, RMWA. 93, StWG. 481 (resten und rastôn unter einem Ansatz), RVA. 154. Isidor 42,8 ... dhero unchilaubono muotuuillun, in dhem dhiu chrumba nadra inne restida, ... Tatian 85,24f. tho quad imo ther heilant fohún habent loh lnti himiles fugala habent selida thar sie restent, mannes sún nihabO* uuara hér sin houbit inthelde ... (Man vergleiche as. restian, afr. rosta). Zu rosta st.F. 'Ruhe, Rast', StWG. 472; man vergleiche as. rosta, 'Ruhelager'; afr. in raste-lìk 'ruhig', ae. rast 'Ruhe, Ruhelager', an. rosi, got. rasta 'Meile, Strecke' (wohl als Wegmaß zwischen zwei Ruhepausen)1711. Im Althochdeutschen häufiger als rasta bezeugtes restî(n) st.F., SchW. 237, ist Nebenform von rasta und vom schwachen Verb erst abgeleitet1712. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] 1710 1711 1712

M a n vergleiche auch die verwandten Wörter KEW. 502 unter Nestel. Sieh KEW. 583 sowie FTW. 340. Sieh dazu K. Matzel, U n t e r s u c h u n g e n zur Verfasserschaft, S. 216, A. 312.

350

Ableitungen von einem Nominalstamm

be-rinten 'schälen', (ein Beleg StSG. 1,314,19 Decorticauit eas piskinta see. pirinta); StWG. 487, RVA. 157. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 19410; Nr.443, BV. 660, 9. Jh., bair.; Glosse zu Gn 30,37 tollens ergo Iacob virgos popúleos virides et amigdalinas et ex platanis ex parte decorticavit eas. "Da nahm Jakob frische Stäbe von Pappeln und Mandelbäumen und Platanen und schälte sie zum Teil ab." (Man vergleiche afr. renda, ae. rindan). Das im Althochdeutschen nur einmal bezeugte Verb ist wahrscheinlich eine denominale Ableitung zu einem Substantiv, das vorliegt in dem im Althochdeutschen sehr gut belegten st.(sw.)F. rinta, rinda 'Rinde', SchW. 239, StWG. 487. Verben mit ¿¿-Präfix und privativer Bedeutung sind in der Regel stets Denominativa. O b dahinter ein primäres Verb steht, für das der Ablaut in mnl. rinde, runde 'Rinde'1713 sprechen könnte, bleibt ungewiß. rûtien 'raunen, murmeln', (GL, gi-ûf- 'enthüllen, beantworten' GL); StWG. 497, RVA. 162. Das Simplex ist einmal bezeugt StSG. 111,260,44 Susurro : ichrvnon, Clm 2612 (Nr.313, BV. 461, 12.Jh, bair.1714 und ebenda irme, ÖNB 2400 (Nr.617, BV. 945, 12.Jh„ bair.1715); Summarium Heinrici. Die Präfixbildung ist früher bezeugt: StSG. 11,223,12 Debet enodare : gaufrunan, Clm 18550.a; Nr.438, BV. 652, 9.Jh., bair.; Glosse zu Greg, cura 2,11,34 ignominosum valde est si tunc quxrat discere cum quœstionem debet enodare. "Es ist sehr schimpflich, wenn er erst dann versucht, etwas zu erlernen, wenn er eine Frage beantworten soll." - StSG. 11,762,17 Detegerent : kaüffruntin, Clm 14747; Nr.408, BV. 611, lO.Jh., bair.; Glosse zu Acta Petri et Pauli auctore Marcello 635. (Nur ahd., von der gleichen Basis ae. rûnian)m6. Zu runa st.F. 'Geheimnis, Geflüster', StWG. 496; man vergleiche as. rûna, ae. rûn, an. rún, got. rúndlv. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] rumen 'ableiten, weggleiten', (GL); StWG. 497, RVA. 162. Belegt ist StSG. 111,298,68 Deriuo; detraho. i deduco, i ruso; Florenz, Biblioteca Medicea Laurenzina Plut. 16.5; Nr.l37, BV. 151, 13.Jh., alem.; Summarium Heinrici, Buch 111718. (Nur ahd.). Zu runsa st.F 'Lauf, Strom, (fließendes) Wasser', SchW. 242, StWG. 497; man vergleiche got. garuns 'Markt'1719. 1713 1714 1715 1716 1717 1718 1719

Man vergleiche dazu KEW. 601. Zur Handschrift sieh HSH. S. XXXVII. Sieh HSH. S. XXXVI. Sieh KEW. 585 unter raunen. Sieh ebenda 610. Man vergleiche HSH. 2,XLIVf. Sieh KEW. 610.

Ableitungen von einem Substantiv

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[DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] ruobben 'sich kümmern (um), (etwas) beachten, Rücksicht nehmen (auf), besorgt sein (um)', (MF. N. NG. O. PG. RhC.; Gl.); SchW. 242, RMWA. 71, StWG. 499, RVA. 164. Zuerst wohl Monseer Fragmente 29,20f. Nist abulgi bidiu huuanta siu indesemo mit ti gar te neo uuiht uueralt ehteo niruohhit neo niuueiz deses xrd lihhin habennes einiget abanst. (Vgl. as. rokian, a e. reccan, an. raskja). Zu ruohha st.sw.F. 'Sorge, Fürsorge, Sorgfalt, Bemühung', SchW. 242, StWG. 4991720. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] ruowen '(aus)ruhen, zur Ruhe kommen', (ein Beleg, WH. 24,2 so ih dechêina uuîla gerûouuet bin); SchW. 243. (Nur ahd.); man vergleiche auch mnl. rowen, mnl. rouwenmi. Zu ruowa st.F. ' Ruhe', SchW. 243; man vergleiche ae. rôw, an. ró. [DURATIV, FINAL - FACIENTTV] gi-sêlen 'beleben, ermuntern', (Gl.); StWG. 515, RVA. 168. Zuerst wohl StSG. 11,208,1 [minime] Fragantur : nigiselen, St. Paul, Stiftsarchiv 82/1; Nr.521, BV. 779, lO.Jh., alem.; Glosse zu Greg, cura 3,29,86 Sed inter htcc ita terrendi sunt [die Sünder], ut tarnen minime fragantur. "Aber währenddessen sollen sie so erschreckt werden, daß sie dennoch nicht entmutigt werden." Hier in übertragener Bedeutung von 'beseelt' zu 'ermuntert, belebt'. Der eigentlichen Bedeutung am nächsten steht StSG. 11,527,2 (LJegetauerat) : kksfltb (dh. kiselta) aus der Handschrift Bern BB. Cod. 264; Nr.32, BV. 65, 11.Jh., alem. Glosse zu Prud. ham. 8461722. (Nur ahd.; man vergleiche von der selben Basis ae. sâwlian 'sterben'). Zu sêla st.F. 'Seele', SchW. 247, StWG. 514; man vergleiche as. séola, afr. sêle, ae. sâwel, an. sal, got. saiwala"". scelen 'schälen', (OT. T.; Gl.); SchW. 256, RMWA. 77, StWG. 536, RVA. 321. Tatian 105,16f. ... ababrachun hungerente sini iungiron thiu éhir. inti azun skelente iz mit iro hanton ... (Nur ahd.). Zu scala st.(sw.)F. 'Schale, Hülse1, SchW. 254, StWG. 531; man vergleiche ae. scealum\ [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] scenten 'schänden, zuschanden, bestürzt machen, verwirren', (B. GB. Ν.; Gl.); SchW. 256, RMWA. 90, StWG. 538, RVA. 180. Benediktinerregel 216,7 Exal1720 1721 1722 1723 1724

Sieh Sieh Man Sieh Sieh

FTW. 346f. DWB. 8,1427f. vergleiche dazu B. La Farge, 'Leben' und 'Seele', S. 129f. mit A. 65. KEW. 663. ebenda 623.

352

Ableitungen v o n einem N o m i n a l s t a m m

tatus sum et humilitatus sum et confusus; / ... kedeonoter ... kescanter ... auar cuat mir. (Man vergleiche afr. skenda, ae. scendati). Zu scanta st.(sw.)M. 'Schande, Schmach', SchW. 255, StWG. 533; m a n vergleiche afr. skande, skonde, ae. sceand, got. skandami. Sieh dazu auch unter scinten. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] scerren 'einlassen, begrenzen, zuteilen', (H. L. P.; Gl., häufiger bi-, Gl.); SchW. 256, RMWA. 86, StWG. 439, RVA. 321. Hildebrandlied, StSpD. 6,50f.f. ih wallota sumaro enti wintro sehstic ur lante, dar man mih eo scerita in fole seeotantero ... - Ludwigslied, StSpD. 86,37 Giskerit ist thiu hieruuist so lango, so uuili Krist. Die literarischen Belege des Althochdeutschen werden besprochen bei E. Urmoneit 1726 . Das Ableitungsverhältnis wird dort als denominal bestimmt. (Man vergleiche as. skerian 'in Gruppen abteilen', ae. â-scierian 'trennen, abschneiden 1 , got. usskaijan 'herausreißen'). W o h l zu ahd. scara st.F. '(Heer-)Schar', SchW. 255, StWG. 5331727. Es ist aber nicht völlig auszuschließen, daß neben der denominalen Bildung auch eine ältere deverbale Ableitung bestanden hat. Dazu wären d a n n möglicherweise got. usskarjan, vielleicht auch mnd. scheren und mnl. scheren zu stellen1728. Bei H. Falk u n d A. Torp 1729 wird got. us-skarjan zudem o h n e weitere Erläuterung als eine kausative Bildung zu dem starken Verb germ. *skera- 'scheren' 1730 bezeichnet. Die Bedeutung des althochdeutschen janNzrbs läßt sich aber ohne Schwierigkeiten auf das Substantiv beziehen u n d auch im Falle von got. usskarjan kann die ferner stehende Bedeutung allein durch das Präfix hervorgerufen worden sein. So wird das jan-Vcrb von E. Seebold1731 wohl zu Recht nicht unter den Primärableitungen von germ. *skera- verzeichnet 1732 . [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] gi-scinen 'zusammenfügen, schienen', (ein Beleg StSG. 11,564,11 Sarciens : zelgente. geseknentv, E. Steinmeyer, zur Stelle: dh. gescinenti)·, StWG. 543, fehlt RVA. Der Beleg entstammt der Handschrift Köln, DB. LXXXI; 11.Jh.; mfrk. 1733 . Glosse zu Prud. perist. 10,890 aut fracta nodis sarciens conpaginat. "Er

1725

Sieh FTW. 452, KEW. 624, PEW. 1493f. Der Wortschatz des Ludwigsliedes, S. 313-315. 1727 M a n vergleiche auch J. Trier, PBB. 69 (1947), besonders S. 440f. 1728 Zu diesen Verben sieh R. Lühr, Studien zur Sprache des Hildebrandliedes, besonders S. 646 A. 1. 1726

1729 1730 1731 1732

F

T

W

s

5 3 4

SEW. 413f. Ebenda 413f. M a n vergleiche dazu auch PIEW. 939. Zu ahd. bi-scenen sieh n o c h L. Haessler, O l d

H i g h G e r m a n biteilen, besonders S. 30-33. 1733 M a n vergleiche zur H a n d s c h r i f t R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 208-214.

A b l e i t u n g e n v o n e i n e m Substantiv

353

fügt das Zerbrochene wieder zusammen, indem er es mit Knoten wieder zusammenfügt." (Nur ahd.)· Zu ahd. scina st.F., das nur in der Bedeutung 'Schienbein', man vergleiche StWG. 543 überliefert ist; man vergleiche ae. scinu 'Schiene', aus westgerm. *skinä 'Schiene, Röhre, Streifen"734. spriuzzett 'stützen, stärken', (Gl., gi- 'unterstützen, stützen, fördern', Gl., ir'stützen, stärken', MH.; Gl.); SchW. 267, RMWA. 98, StWG. 581, RVA. 198. Zuerst MGI., 76,26 stipatus +kaspriuzit, Clm 6300; BV. 523, 2.Hälfte 8.Jh. (Handschrift aus Oberitalien)1735. Glosse zu Greg. mor. 4,30,129 Jam apud semetipsum stipatus cunéis ad publicum procedit, jam quibus obsequiis fulciatur conspicit... "Schon tritt er gefaßt durch die Zuschauerreihen an die Öffentlichkeit und sieht, daß er durch Gunstbeweise bestärkt wird." Die althochdeutsche Glosse bezieht sich dem Sinne nach eigentlich auf fulciatur. - Murbacher Hymnen 11,3,2 cot du der himiles leoht pist saio ioh leohtes der himil faterlichemu arspriuztan arme duruhheitereru spreitis inluchis zesauun. (Nur ahd.) Da der Diphthong durch in den frühesten Denkmälern als alt gesichert ist, kann es sich nicht um eine Umlautform von «, sondern nur um altes iu aus germ, eu handeln. E. Seebold1736 zufolge liegt eine Ableitung von dem starken Verb ahd. spriozan 'sprießen' vor. Da aber beiden Verben die gleiche Ablautstufe zu Grunde liegt1737, ist das Verhältnis zwischen beiden Bildungen unklar. Es müßte dann eine «-stufige Ableitung vorliegen, für diesen Ableitungstyp sind aber aus dem Althochdeutschen sonst keine sicheren Belege nachzuweisen. An anderer Stelle1738 betont E. Seebold, daß es zumindest nicht ratsam sei, das althochdeutsche schwache Verb mit dem späteren starken Verb mhd. spriuzen gleichzusetzen. Es fallt in der Tat nicht leicht anzunehmen, daß ein ursprünglich starkes Verb im Althochdeutschen ausschließlich schwach und im Mittelhochdeutschen dann wieder stark flektiert. Auch sind die Bedeutungen 'stützen, stärken' nicht unmittelbar mit germ. *sprüta'sprießen' zusammen zu bringen. Das jan-Vcrb ist daher wohl eher als denominale Ableitung zu einem Substantiv spriuza st.F. 'Stütze, Strebe, Stange' (StWG. 581) zu stellen, das seinerseits aus dem starken Verb hervorgegangen ist1739. 1734

Sieh FTW. 463, KEW. 632.

1735

Zur H a n d s c h r i f t sieh R. Bergmann, D i e althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8.

Jahrhunderts, S. 21, MGI., S. 74. 1736

KEW. 691 unter spreizen.

1737

Z u germ, eu : ahd. eo/iu vergleiche m a n BEG. §§ 47, 48.

1738 j g · ^ 4 5 9 unter germ. *sprûta- 'sprießen 1 . 1739

Zur Wurzel idg. *(s)p(h)er-, sprei-, spreu- 'streuen, säen; sprengen, spritzen, sprühen' ver-

gleiche m a n PIEW. 993f.

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Ableitungen von einem Nominalstamm

[DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] stiuren 'lenken, steuern, unterstützen, aufrecht halten', (C. MH. N.; Gl.); SchW. 272, RMWA. 87, StWG. 594, RVA. 206. StSG. 1,211,11 curbanare : stiuren Kb. stfren Ra. - StSG. 1,620,15 Insti1"tons (aus Instutores von einer zweiten Hand korrigiert, E. Steinmeyer, zur Stelle) : in des stiurantin, aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh., alem.1740; Glosse zu Is 23,8 quis cogitavit hoc super Tyrum quondam coronatam cuius negotiatores principes institores eius incliti terrae. "Wer hat solches über Thyrus beschlossen, die ehedem Gekrönte, deren Kaufleute Fürsten, deren Händler die Vornehmen der Erde sind." Die Glosse ist nicht substantivisch, etwa als ahd. koufman, sondern von lat. instituere her übersetzt1741. - Murbacher Hymnen 3,5 Mentem gubernet et regat castofidelicorpore ... / muat stiurre inti rihte kadiganemu triuaftemu lihamin ... (Man vergleiche ae. steoran, an. styrd)mi. Zu stiura st.F. 'Steuer, Stütze', SchW. 272, StWG. 594; man vergleiche afr. stime, ae. stêor-rôdor, an. slyriin. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] sulzen 'sülzen', (ein Beleg StSG. IV,649,16 Iti augusto epar hircinum tolle. Vnde sulcez.); StWG. 606, fehlt RVA. Der Beleg entstammt der Handschrift Wien, ÖNB 2532; Nr.619, BV. 948, 12.Jh, fränk. und dürfte als mittelhochdeutsch zu werten sein. Es handelt sich um eine Glosse zu einer lateinischen Rezeptsammlung. (Nur 12.Jh.). Zu suiza st.(sw.)F. 'Salzlake1, StWG. 606; man vergleiche as. sultalw. Als systematische Bedeutung ist 'etwas mit Salzlake versehen' anzusetzen. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] suonen 'entscheiden, richten, verurteilen, sühnen, versöhnen', (B. BB. GB. GP. M. N. O. WK.; Gl., gi- BB. FB. LB. PfB. T.; Gl.); SchW. 276, RMWA. 82, StWG. 611, RVA. 217. Zuerst wohl StSG. 1,28,31 ccordant : casonet Pa. casonant Kb. - MGI. 76,21 intercessio mediatoris, +uuegon sonentes, Clm 6300; BV. 523, 8.Jh., bair.1745; Glosse zu Greg. mor. 4,29,128 ... non ut poena quasi peccatores plecteret, sed ut eos in locis remotioribus quiescentes, quia necdum intercessio Media1740 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 17. 1741 Z u m lateinischen Lemma (Vulg. institores) sieh E. Meineke, Bernstein im Althochdeutschen, S. 123 u n d 185. 1742 Sieh KEW. 701. 1743 Sieh auch dazu KEW. 701 sowie PIEW. 1009. 1744 M a n vergleiche E. Seebold, Die Benennungsmotive von 'süß', 'sauer' u n d 'salzig', S. 127. 1745 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 21.

Ableitungen v o n einem Substantiv

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toris advenerat, ... "... nicht, damit gleichsam die Sünder bestraft werden, sondern diejenigen, die sich in entferntere Orte zurückgezogen haben, weil der Spruch des Richters noch nicht erfolgt war." - Benediktinerregel, StSpD. 202,28f. indi daz piderborin suatiit tue pidiu keuuisso alle ze kerate vvissan. (Man vergleiche as. gi-sônian). Zu suona st.F. 'Sühne, Versöhnung; Urteil', SchW. 276, StWG. 610; man vergleiche as. sôna, afr. sône1746. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] terren 'schaden, verletzen, leiden, ohne Schonung behandeln', (I. MH. O. OT. T.; Gl.); SchW. 281, RMWA. 86, StWG. 625, RVA. 325. StSG. 1,202,14 Lesus : teriendi Kb. terienti Ra. StSG. 1,560,5 Lesi erant : kiterite uuarun, Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh„ alem.1747; Glosse zu Sap 18,2 et qui ante laesi erant... "Und die zuvor gelitten hatten ..." (Man vergleiche as. derian, afr. dera, ae. derian). Zu tara st.F. 'Schaden, Verletzung', SchW. 280, StWG. 622; man vergleiche ae. daru. Dem durativen jan-Vcrb steht in germ. * âarôn 'Schaden verursachen' ein nicht-duratives Efficientivum gegenüber1748. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] gi-triuwen 'sich verbünden', (Gl.); StWG. 636, man vergleiche RVA. 229 unter einem Ansatz triuuian. StSG. 1,426,73 Foederaueris patrem tuum kitriuos feter dinan, Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh„ alem.1749; Glosse zu II Sm 16,21 et ait Ahitofel ad Absalom ingredere ad concubinas patris tui quas dimisit ad custodiendam domum ut cum audierit omnis Israhel quod foedaveris patrem tuum roborentur manus eorum tecum. "Ahitofel sprach zu Absalom: Gehe zu den Nebenfrauen deines Vaters, die er zurückgelassen hat, um das Haus zu hüten, damit, wenn ganz Israel hört, daß du deinen Vater beschimpft hast, die Hände derer, die bei dir sind, stark werden." Der Glossator hat lat. foederâre seiner lateinischen Vorlage dem Wortsinn entsprechend mit ahd. triuwen übersetzt. Diese Ubersetzung ergibt jedoch im Kontext der zitierten Bibelstelle wenig Sinn. Der ursprüngliche Text und mit ihm auch die meisten Handschriften zeigen an dieser Stelle lat.foedâre 'verunstalten'1750. Die genannten Belege befinden sich in der Sammlung F. Ravens unter 2,26 gi-tru(uu)on. Der ebenda unter 1,229 als /««-Verb aufgeführte Beleg StSG. 1746

Sieh KEW. 714. Z u r Bedeutungsentwicklung in der Wortfamilie u m ahd. suona vergleiche m a n besonders K.F. Freudenthal, Arnulfingisch-karolingische Rechtswörter, S. 80f. 1747 Z u r H a n d s c h r i f t sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. J a h r h u n d e r t s , S. 17. 1748 Z u diesem Verb sieh C h r . Schaefer, Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 369. 1749 Z u r H a n d s c h r i f t sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. J a h r h u n d e r t s , S. 17. 1750 Z u r textkritischen Stellung des Lemmas sieh E. Meineke, Bernstein im Althochdeutschen, S. 115-141, besonders S. 128.

Ableitungen von einem Nominalstamm

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1,229,36 excellet : triuuit Ra. ist mit J. Splett1751 zu driuwan st.V. 'gedeihen' zu stellen. Ebenfalls nicht hierher StSG. 1,153,37 Foederati : catriuueote R. Dieser Beleg gehört mit J. Splett1752 zu triuwônmi. (Man vergleiche as. triuwian, afr. bi-trûwa, ae. tnewan 'vertrauen, hoffen, glauben'). Es liegt eine denominale Ableitung vor, doch ist nicht mit Sicherheit zu sagen, ob die Basis in dem Adjektiv ahd. gi-triuwi 'treu', SchW. 286; as. trûwi, afr. triûwe, ae. triôwe, got. triggws oder in dem davon abgeleiteten Substantiv ahd. triuwa st.F. 'Treue, Glaube, Vertrag', SchW. 286; as. treuwa, afr. triûwe, triôwe, ae. trêowa 'Treue, Wahrheit, Glaube', an. trú, got. triggwa 'Bündnis, Bund' zu suchen ist. Da das Verb stets lat. foederâre glossiert und damit offenbar ein rechtlicher Aspekt mitgemeint ist, der dem Substantiv stärker als dem Adjektiv anhaftet, scheint eine desubstantivische Ableitung vorzuliegen. Die eher perdurative Bedeutung von ahd. gi-triuwen ist durch das Präfix hervorgerufen. Die durative Bedeutung zeigt sich aber deutlich in dem Simplex ae. triewan, das von F. Holthausen 1754 daher wohl zu Recht als denominale Ableitung aufgefaßt wird1755. ir-truosanen 'reinigen', (ein Beleg StSG. 11,494,37 Defecauerat. purgauerat : erdruasnita)·, StWG. 639, RVA. 31. Der Beleg entstammt der Handschrift St. Gallen, StiftsB. 292; Nr.190, BV. 221, lO.Jh, alem. u. fränk.; Glosse zu Prud. cath. 7,74 ... sed tincta postquam membra defaecauerat... "... aber nachdem er die befleckten Glieder gereinigt hatte ..." (Nur ahd.). R. Kögel1756 hat das Verb als Lehnwort gedeutet und zu mlat. trüsdre 'tüchtig stoßen' gestellt. Dagegen spricht zunächst, daß ú im Althochdeutschen in der Mehrzahl der Fälle als ä erhalten geblieben ist1757. Auch die Bedeutung des Verbs führt im Vergleich mit lat. trüsare zu weit ab. Vielmehr handelt es sich um eine denominale Ableitung zu einem Substantiv truosana st.F. 'Bodensatz' (N. NG.), SchW. 288, StWG. 6391758. Das Verb ist im Althochdeutschen nur in der übertragenen Bedeutung bezeugt und führt als Bildung mit ir- Präfix auf eine systematische Bedeutung 'von Hefe, Bodensatz reinigen' zurück. Das anlautende d- weist auf das Mittel- und Rheinfränkische 1759 . Die Graphie 1751

Abrogans-Studien, S. 333. Samanunga-Studien, S. 236. 1753 Sieh auch StWG. N. 801f. 1754 Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 353. 1755 Z u m Bedeutungsgehalt des Substantivs sieh auch J. de Vries, Die geistige Welt der Germanen, S. 20f. 1756 PBB. 9 (1884) S. 316. 1757 BEG. § 41. 1758 M a n vergleiche zum Substantiv E. Alanne, Die deutsche Weinbauterminologie, S. 23 u n d 95 u n d die Ergänzungen in der Besprechung D. Kraliks, Die Sprache 2 (1950) S. 242. 1759 BEG. § 163. 1752

Ableitungen von einem Substantiv

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ist im Alemannischen und Rheinfränkischen die im 9. Jahrhundert vorherrschende Bezeichnung des aus germ, ô entstandenen Diphthongs uo"60. gi-tungen 'düngen 1 , (ein Beleg StSG. 11,683,74 Saturare : kitungin)·, StWG. 641, RVA. 323. Der Beleg stammt aus der Handschrift Schlettstadt, Bibliothèque et Archives Municipales Ms.7; Nr.552, BV. 849, 12.Jh., alem.1761; Glosse zu Verg. Georg. 1,80 Sed tarnen alternis facilis labor, arida tantum ne saturare fimo pingui pudeat sola ... "Aber dennoch ist die Arbeit leicht, wenn man abwechselt, nur scheue dich nicht, den ausgedörrten Boden mit kräftigem Dünger zu versorgen." (Man vergleiche afr. denga, ae. dyngan). Zu tunga st.F. 'Düngung', StWG. 641; man vergleiche afr. ae. dungmi. tiobett 'üben, ausüben, verehren', (N. NG. O.; Gl.); SchW. 304, RMWA. 64, StWG. 679f., RVA. 244. Zuerst wohl StSG. 1,274,47 Colunt : uabent. Der Beleg stammt aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9 Jh., alem.1763; Glosse zu Ex 8,26 ... quod si mactaverimus ea quae colunt Aegyptii coram eis lapidibus nos obruent. "... wenn wir das, was die Ägypter verehren, vor ihren Augen schlachten, so werden sie uns steinigen." - Otfrid 1,16,11 f. Si allo stuntâ bétôta ioh filu ouh fâstêta; gâtes uuillen buatta ioh thionôst sînaz úabta. (Man vergleiche as. ößian); man vergleiche auch afr. ôvenia, ae. efnan, an. ef1764

na Das yaw-Verb steht neben einem Substantiv ahd. uoba st.F. 'Feier', SchW. 304, StWG. 679. Obwohl das Nomen weit schlechter bezeugt ist als das Verb, so dürfte es sich doch um eine denominale Ableitung handeln, denn Spuren eines primären Verbs sind, trotz des Ablauts zwischen ae. efnan und ahd. uoben, nicht auszumachen. Außergermanisch vergleichen sich ai. áps- 'Werk, religiöse Handlung', dehnstufig zu ai. ápas- 'Werk, Handlung', lat. opus 'Arbeit, Werk' zur Wurzel idg. *op- 'arbeiten, zustande bringen; Ertrag der Arbeit, Reichtum" 765 . Die spärliche Uberlieferung des Substantivs im Althochdeutschen erklärt sich vielleicht doch, gegen H. Wesche1766, aus einer Herkunft aus heidnischer Bedeutungssphäre1767. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] 1760

Ebenda § 21. Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 339-346. 1762 Sieh KEW. 160 mit weiterer Literatur. 1763 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 1764 Sieh KEW. 747. 1765 Sieh auch PEW. 1866. 1766 PBB. 61 (1937) S. 28. 1767 Hinweise dazu bei E. Karg-Gasterstädt, PBB. 63 (1939) S. 128. 1761

Ableitungen von einem Nominalstamm

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warnen 'etwas verweigern', (ein Beleg Hildebrandlied, StSpD. 7,58f. argosto ostarliuto, der dir nu wiges warne, nu dih es so wel lustit...); SchW. 310, RMWA. 82, RVA. 2,175 unter einem Ansatz uuarnon. (Man vergleiche as. wernian, afr. werna, ae. wiernan 'etwas verweigern' und wohl auch an. varna in der Bedeutung 'abschlagen, hindern, verweigern'). In den germanischen Einzelsprachen stehen sich zwei verschiedene Bildungen gegenüber, die letztlich aber beide auf die Wurzel *uer- 'verschließen, bedecken, schützen, retten, abwehren'1768 zurückführen 1769 . Zu unterscheiden sind dabei einmal ahd. wamôn 'warnen, beschützen, sich in acht nehmen, kümmern um', mnd. warnen 'rüsten, sicher machen, aufmerksam machen', ae. wearnian 'warnen, hüten, sich hüten, sich unterhalten' und an. varna in der Bedeutung 'sich enthalten' sowie ahd. warnen 'sich in acht nehmen'. Diese Bildungen sind wohl an germ. *warô- 'beachten, bewahren' aus *warô- F. 'Aufmerksamkeit' anzuschliessen1770. Die Verben gehören folglich zum Wortfeld um nhd. wahren. Dabei liegt bei den «-haltigen Wörtern nach E. Seebold1771 "am ehesten eine «¿-Bildung zur Wz." vor. Ahd. warnen und die oben genannten Verben, sowie weiter wohl auch it. guarnire, frz. garnir 'mit etwas versehen, ausrüsten'1772 führen auf germ. *warnija- zurück und sind mit der Wortfamilie um wehren zu verbinden1773. Diesen »-haltigen Bildungen liegt wohl das Substantiv germ. *warnô- F. 'Vorsicht, Fürsorge'1774 zu Grunde, das enthalten ist in ahd. furewarna st.F. 'Vorbereitung' (NG.), SchW. 145, StWG. 187 und ae. wearn 'Widerstand, Weigerung'1775. [DURATIV - FINAL; FACIENTIV] weiden 'weiden', (N. wêdin, WH.); SchW. 313, RMWA. 65; RVA. 2,178 unter uueidon. Man vergleiche Williram 46,2 er uueidot unter lilion"K. (Nur ahd.). Zu weida st.F. 'Beute, Fang, Futter, Weide, SchW. 313, StWG. 705; man vergleiche as. weiöa, ae. wâp, an. veiÖr 'Jagd, Fang'. In Anbetracht der für das Substantiv bezeugten Bedeutungen dürfte als systematische Bedeutung für das jan^Jtrb eine Paraphrase "jemand macht einen Fang" anzusetzen sein1777. [DURATIV - FINAL; FACIENTIV] 1768

PIEW. 1162. Sieh dazu J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 646, DWB. 13,2078 und R. Lühr, Studien zur Sprache des Hildebrandliedes, S. 685f. 1770 So DWB. 13,2078. 1771 KEW. 777. 1772 Sieh dazu PEW. 505, DWB. 13,2078. 1773 Z u m fehlenden Umlaut vor r sieh R. Lühr, Studien zur Sprache des Hildebrandliedes, S. 686. 1774 Sieh dazu FTW. 393. 1775 Sieh auch F. Holthausen, Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 394. 1776 Sieh SHL. S. 138. 1777 Z u m Substantiv sieh FTW. 379, KEW. 783. 1769

Ableitungen von einem Substantiv

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gi-wtlen ? 'weilen, sich aufhalten', (ein Beleg StSG. 4,243,7 Cope : ih gewaile)\ StWG. 730 ge^wîlen mhd.sw.V. (?); fehlt RVA. Die Glosse entstammt der Handschrift Cgm 5250,28b; Nr.300, BV 444, bair., 11.Jh. (Adespota). Die Deutung des Beleges ist schwierig, da gewaile, mit der Graphie , nur dann mit an. hvila, got. heilan 'weilen, zögern, aufhören' verbunden werden kann, wenn als Schreibfehler, hyperkorrekte Schreibung oder aber als wohl sonst nicht bezeugtes Zeichen für die Diphthongierung von ahd. t gedeutet werden kann. In diese Richtung dürfte der Ansatz bei T. Starck - J.C. Wells hindeuten. Da "sehr vereinzelt" als Zeichen der Diphthongierung von germ, ô bezeugt ist und den "Beginn der Diphthongierung" signalisiert1778, kann möglicherweise im Falle von germ. î dieselbe Funktion anzeigen1779. Die Bedeutung des Verbs legt es jedenfalls nahe, es an ahd. (h)wîla st.sw.F. 'Zeitpunkt, Weile', StWG. 728 anzuschließen. Man vergleiche as. hwtla, afr. hwîle, ae. hwîl, an. hvila, got. heila 'Zeit, Weile'1780. Spuren eines starken Verbs, auf die der Vokalwechsel sonst deuten könnte, sind nicht auszumachen. zeigen 'gebrochene Knochen richten', (Gl.); StWG. 757 zeigen 'ausbessern', RVA. 274. Eine Belegstelle StSG. 11,564,11 Sardens : zelgenti aus der Handschrift Brüssel, BR. 9968; Nr.45, BV. 81, 11 Jh., mfrk.1781 und zelgente. gescknenti (dh. gescinenti), Köln, DB. LXXXI; Nr.88, BV. 3481782. Glosse zu Prud. perist. 10,890 revulsis qui medetur ossibus aut fracta nodis sarciens conpaginat. "... der gebrochene Knochen wieder heilt oder Gebrochenes wieder richtet, indem er es durch Knoten wiederherstellt." (Man vergleiche an. telgia 'hauen, zuschneiden, schnitzen')1783. Zu ahd. zelga st.F. in der Bedeutung 'Verband', die vorliegt G1.4F 42,7 ligatura : celga. Der Beleg findet sich StWG. 757 neben anderen, für die diese Deutung dem Sinne nach zutrifft, unter einer Bedeutungsangabe 'Flurabteilung unter Dreifelderwirtschaft, bestelltes Feld'1784. J. Trier1785 geht für den Zusammenhang der Bedeutungen von ahd. zelga von einer Bedeutung 'Stange im Flechtzaun' aus. Daraus entwickelt sich einerseits 'Einzäunung', zum anderen 'hölzerne Schiene', was die Bedeutung 'Verband' erklärt. Dazu vergleicht sich ae. telga 'Zweig, Ast', an. tjelga 'schmaler Zweig', mhd. zeige, zeich 'Ast'1786. 1778

BEG. § 13. M a n vergleiche dazu auch § 39 A. 5. 1780 Sieh KEW 784. 1781 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 155-160. 1782 Sieh auch ebenda S. 108-114. 1783 M a n vergleiche dazu M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten janVerben, S. 126, wo das Verb unter den "fraglichen" jan-Vtibtn eingeordnet wird. 1784 Man vergleiche zu diesem Beleg E. Meineke, ZDL. 59 (1992) S. 250f. 1785 PBB. 67 (1945) S. 126-131. 1786 Sieh dazu H. Tiefenbach, Bezeichnungen für Fluren, besonders S. 310. 1779

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Ableitungen von einem Nominalstamm

[DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] zellen 'zählen, rechnen', (B. GB. I. MF. N. NG. O. OT. Ph. T.; GL); SchW. 334, RMWA. 77, StWG. 757, RVA. 274f. Isidor 26,9f. ibu dhea sibunzo uuehhono fona daniheles zide uuerdhant chizelido ... (Man vergleiche as. tellian, afr. tella, ae. tellan, an. telja)\ zu germ. * talón sieh Chr. Schaefer1787. Zu zala, zal st.F. 'Zahl, Anzahl, Menge, Erzählung, Rede', SchW. 332, StWG. 753; man vergleiche as. tala, afr. tele, ae. talu, an. tat™. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV]

b. Ableitungen von Partikelkomposita antreiten 'ordnen', (Gl.); KFW. 1,559, StWG. N. 788, RVA. 2,9 unter antreiton. Der älteste überlieferte Beleg (StSG. IV, 18,46 Salsus uuisi : keantreitit) stammt aus der Handschrift Oxford, Bl. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, 1. Viertel 9.Jh., alem.1789; Glosse zum Glossar Affatim 564,4 salsus sapiens aut ordinatus temperatus. (Nur ahd.)1790. Zu antreita st.F. 'Reihenfolge, Ordnung', KFW. 1,558 (mit Verweis), SchW. 89, StWG. 31; nur ahd. genâden 'sich erbarmen', (APs.); SchW. 218, RMWA. 65. KFW. nicht unter G, RVA. 2,218 unter genadên. Ein Beleg in der Altalemannischen Psalmenübersetzung, StSpD. 295,17f. kenadiger truhtin inti rehter in ti got unser kanadit. (Nur ahd.); daneben ist im Althochdeutschen nur das ¿«-Verb bezeugt. Zu ginäda st.F. 'Gnade, Erbarmen', SchW. 218, StWG. 214; man vergleiche as. nâtha, afr. nâthe, an. ηάδ-. Das Substantiv ist Verbalabstraktum zu einem möglicherweise starken Verb, das in got. ñipáis 'du mögest unterstützen' vorliegt1791. Auch wenn der Ansatz eines starken Verbs als gesichert betrachtet werden könnte, spricht das Fehlen des grammatischen Wechsels und die Bezeugung allein als Präfixbildung gegen die Annahme deverbaler Herkunft1792.

1787

Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 371. Sieh KEW. 804. 1789 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 460. 1790 Sieh auch LSEW. l,283f. 1791 M a n vergleiche SEW. 360, KEW. 271. 1792 Sieh auch S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 376, W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 267. 1788

Ableitungen von einem Substantiv

361

F. Ableitung von einem^o-Stamm int-burdinen 'entlasten', (ein Beleg StSG. 11,759,39 Exonerates : intburdiniter)·, KFW. 1,1523, StWG. 86, nicht RVA. Der Beleg befindet sich in der Handschrift St. Gallen, StiftsB. 292; Nr.190, BV. 221, lO.Jh., alem.-fränk.; Glosse zu V. Mart. 1,9,161,16 exonerates gravi fasce penitus ac liber; regressus ad Alexandriam. "Innerlich entlastet und frei von einer schweren Bürde kehrte er nach Alexandrien zurück." (Nur ahd.). Zu burdin, burdîn st.F. 'Bürde, Last', KFW. l,1521f. (mit Verweis), SchW. 104, StWG. 86; man vergleiche afr. berthe, ae. byrÖen, got. baurjximì. ir-hizzen 'erhitzen', (Gl.); StWG. 280, fehlt RVA. Bezeugt sind StSG. 4,71,26 Igniueit : irhizzit, u.a. Zwettl, StiftsB. 1, BV. 1020, Nr.660, 13.Jh., bair. und irhizzet, Clm 13002, BV. 558, Nr.374, 12.Jh., bair.; Glossae Salomonis. (Nur ahd.; man vergleiche mhd. hitzen). Es handelt sich wohl um eine Ableitung zu dem gut bezeugtem Substantiv ahd. bizza, SchW. 168, StWG. 280, aus germ. *hitjô-, st.F. Die nicht-durative Bedeutung des Verbs erklärt sich durch das Präfix ir-. Wegen des Ablautverhältnisses zwischen Hitze und heiß weist E. Seebold'794 auf die mögliche Existenz eines beiden Ableitungen zu Grunde liegenden primären Verbs. Dann wäre allerdings auch nicht auszuschließen, daß ahd. -hizzen neben einem solchen Verb als Intensivbildung gestanden haben könnte. undeti 'wallen, wogen', (ein Beleg StSG. 11,487,50 (Aestuantem) : vndenda)\ StWG. 656, fehlt RVA. Der Beleg stammt aus der Handschrift St. Gallen, StiftsB. 134; Nr. 160, BV. 186, lO.Jh., alem.; Glosse zu Prud. cath. 7,156 Rex ipse Coos aestuantem múrices laenam reuulsa dissipabat fibula. "Der König selbst öffnete die Spange und zerteilte seinen wallenden Mantel, der von koischem Purpur glänzte." (Man vergleiche as. ûthian, StWG. 656, StSG. 11,584,35 stridulis : vtiándíon, Düsseldorf, Heinrich Heine Institut F 1; Nr. 100, BV. 105). Zu germ. *unpiòn sieh Chr. Schaefer1795. Zu unda st.sw.F. 'Welle, Woge, Flut', StWG. 655; man vergleiche as. ûthia, ae. yÖ, an. unnr. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV]

1793 1794 1795

Sieh auch BEG. § 211,36. KEW. 312 unter Hitze. Sprachwissenschaft 9 (1984) S. 368.

Ableitungen von einem Nominalstamm

362

G. Ableitungen von einem z&o-Stamm hahsenen '(durch Zertrennen der Fußsehnen) lähmen (von Pferden)', (Gl.); KFW. 4,608f., StWG. 248, RVA. 63. Glossiert werden lat. subnervo und in einem Fall (StSG. 111,411,52 und 416,79; Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg, Straßburg, UB.; Nr.557, BV. 857, 12.Jh., alem.) enervo. Die zahlreichen Glossen1796 beziehen sich, soweit dies ermittelt werden kann, ausschließlich auf vier Bibelstellen, so II Sm 8,4 et captis David ex parte eius mille septingentis equitibus et viginti milibus peditum subnervavit omnes iugales curruum dereliquit autem ex eis centum currus. "... und David nahm von ihm tausend und siebenhundert Reiter und zwanzigtausend Mann Fußvolk gefangen und ließ alle Wagenpferde lähmen, hundert Wagen aber ließ er davon übrig." los 11,6: ... equos eorum subnervabis et currus igne cobures. "... ihre Pferde sollst du lähmen und ihre Wagen im Feuer verbrennen." los 11,9: ... equos eorum subnervavit currusque conbusit. "... ihre Pferde lähmte er und ihre Wagen verbrannte er im Feuer." I Par 18,4: ... subnervavitque omnes equos curruum exceptis centum quadrigis quas reservavit sibi. "... und lähmte alle Wagenpferde mit Ausnahme von hundert Gespannen, die er für sich zurückbehielt". - Hortus Deliciarum 120,258 ("De David et Golia"; zu StSG. 111,411,52): enervo emollio haesine vel verböse steht dagegen wohl als Erläuterung zu Proprio mucrone caput ejus desecuit, dum per reges et philosophes utique arma ejus ad fidem conversos diaboli vires enervansydolatrim depulit... Bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings wird für diesen Beleg die Bedeutung 'entkräften' angesetzt. - Dazu tritt Summarium Heinrici, HSD. 2,138,81 Subnervo : hahsinon (Man vergleiche afr. hexnia 'die Kniekehlen durchschneiden'). Zu hâhsena F. 'Achillessehne', KFW. 4,608, StWG. 248; man vergleiche afr. hôx(e)ne, ae. hôhsinu, an. hásin 'Kniekehle' aus germ. *hanh(a)-sinwô F.1797. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIVI klâwen 'kratzen, scharren', (ein Beleg StSG. 1,232,32 Prurientes : klauuenti Ra.); StWG. 334 klâuuen, RVA. 92. (Nur ahd.; man vergleiche daneben an. kleyja). Das Verbum ist wohl zu einem Substantiv ahd. klâwa, klâ 'Klaue'; afr. klawe, ae. clâw zu stellen, auch wenn H. Psilander1798 und J. Splett1799 einen Ansatz mit Kurzvokal vertreten. Es liegt der Wortfamilie auch ein starkes Verb zu Grunde, das in an. klá und ae. clawan erhalten ist. Ein langvokalisches althochdeutschen jan-Vtrb müßte dann direkt an das primäre Verb angeschlossen werden, was aber deshalb mißlich ist, weil auch das primäre Verb selbst 1796 1797 1798 1799

M a n vergleiche die Stellennachweise im KFW. Sieh KEW. 285. ZVSpF. 45 (1913) S. 253-288, besonders S. 258. Abrogans-Studien, S. 338 u n d S. 465.

Ableitungen von einem Substantiv

363

dehnstufig ist. Die Lautform des vermutlich onomatopoetisch motivierten Verbs scheint aber ohnehin unfest zu sein, auch die abgeleiteten schwachen Verben fuhren nicht auf eine gemeinsame Basis zurück1800. In Anbetracht der durativen Zeitdauerart und der wahrscheinlich als instrumental einzustufenden Ableitungsstruktur liegt es näher, von einer desubstantivischen Bildung auszugehen. [DURATIV, FINAL -INSTRUMENTAL]

H. Ableitungen von einem «-Stamm a. Ableitungen von Simplicia blât(a)ren 'Blasen bilden', (StSG. 11,563,29 Coquit : blâtrkt; E. Steinmeyer, zur Stelle, dh. blâtrit)·, KFW. 1, 1186, StWG. 64, nicht RVA. Der Beleg entstammt der Handschrift Köln, DB. LXXXI; Nr.88, BV. 45, 11 Jh., mfrk.1801; Glosse zu Prud. perist. 10,488 ... uel summa pellis ignis obductus coquit papulasque fervor aestuosus excitât. "... oder wie das Feuer, das die Oberfläche der Haut überzieht, sie verbrennt und die glühende Hitze Bläschen bildet." Die Glosse bezieht sich vermutlich nicht auf coquit, sondern auf papulas excitât. Die Deutung als Verbform ist jedoch nicht ganz sicher1802. (Nur ahd.). Zu blât(a)ra sw.F. 'Hautbläschen, Blase, Eingeweide1, KFW. l,1185f. (mit Verweis), StWG. 64; man vergleiche as. blâdara, ae. blêdre, an. blaöra>mi. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] drucken 'zerbröckeln', (ein Beleg StSG. III,469,29f. StSG. III,469,29f. Asbestus. iâ calceuiua calc ungebructe); KFW. 1,1435 brukken sw.V., dort nur Verweis auf ungibruckit, Adj. Part.Prät.; man vergleiche StWG. 659 ungibrückt mhd., Adj. 'unzerbröckelt', RVA. 237 un-gi-brucht-. Zwar ist eine Verbalform erst im Mittelhochdeutschen bezeugt1804, doch kann der Beleg aus einem Pflanzenglossar des Codex St. Gallen 751 (Nr.207, BV. 238) als Partizipialadjektiv zu einem für das Althochdeutsche zu erschließenden Verb *brucken gedeutet werden. Die Datierung des Beleges aus der alemannischen Handschrift ist nicht sicher. Die Angabe bei F. Simmler1805, lO.Jh. alem., kann nur auf das im selben Codex überlieferte griechisch1800

Sieh KEW. 375 unter klauben, wo für das jan-Verb ebenfalls ein Ansatz mit Langvokal

erfolgt. 1802 1803 1804 1805

Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 208-214. M a n vergleiche dazu KFW. 1,1186. Sieh FTW. 283. LH. 1,363, BMZ. 1,245 brücken 'zerbröckeln'. Die westgermanische Konsonantengemination, S. 22.

364

Ableitungen von einem Nominalstamm

lateinische Kräuterglossar bezogen werden, man vergleiche dazu E. Steinmeyer1806. Die deutschen Interlinearglossen stammen "von zwei jüngeren Händen". (Nur ahd.). Die Basis der Ableitung ist wohl in einem Substantiv zu sehen, das vorliegt in ahd. brocho sw.M. 'Brocken', KFW. 1,1417, SchW. 102, StWG. 79. Man vergleiche auch got. gabruka F. 'Brocken'1807. Zu den schwachen Verben in der Wortfamilie um ahd. brechan vergleiche man F. Hundsnurscher 1808 . Obschon Ableitungen von schwachen Nomina im Althochdeutschen nicht häufig sind, so ist eine Einordnung als Pseudo-Partizip zu dem Substantiv ahd. brocko sw.M. dennoch weniger wahrscheinlich, weil einerseits wohl keine Paraphrase 'mit Brocken versehen' angenommen werden kann und andererseits mhd. brücken auf eine ^«-Ableitung weist. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] bruogen 'jemanden erschrecken', (OT. T.; Gl.); KFW. 1,1451, SchW. 103, RMWA. 70, StWG. 81, RVA. 20. Ein Glossenbeleg StSG. 1,257,13 terrendus : rpkendi Kb. - Ein weiterer Beleg Tatian 331,4f. oh sumiu uuib. fon unseren bruogitun únsih thiodar er themo liohte uúarun zi themo grabe ... (Man vergleiche ae. bregan). Das Verb steht neben einem Substantiv bruogo sw.M. 'Schrecken' (KFW. 1,1451, SchW. 103), das nur im Tatian bezeugt ist; man vergleiche ae. brôga. Die Wortfamilie ist auf das Altenglische, das Glossar Kb. und den Tatian beschränkt1809. Das Verb wird als desubstantivische Ableitung gedeutet1810. Die Herkunft des Substantivs ist unbekannt. Ableitungen von schwachen Nomina sind unter den althochdeutschen jan-Vcrben zwar eher selten, doch ist eine Verbalwurzel nicht bezeugt. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] deismen 'durchsäuern, Sauerteig herstellen', (OT. T.; Gl.); SchW. 108, RMWA. 79, StWG. 92, RVA. 23. StSG. 1,713,21 Fermentatimi est : getheismid uuard, Brüssel, Bibliothèque Royale 18723; Nr.48, BV. 84, lO.Jh., mfrk.1811; ebenda kedeisimit. erhabenuuard, in der Handschrift Karlsruhe BLB. Aug. CLXXVIII; Nr.63, BV. 309, 11. Jh., alem. und StSG. V,13,72 Fermento : deisemen, Augsburg, Bischöfliche Ordinariatsbibliothek Hs. Κ 6; Nr.685, BV. 14, 1806 54. Die Ableitung mit dem Vokal ô von einem germanischen starken Verb der VII. Ablautreihe stünde dann aber außerhalb von dessen Ablautreihe und bedarf einer genaueren Erklärung. Neben den bei G. Darms genannten Fortsetzern des substantivierten Verbaladjektivs germ. *drô-â-ô steht aber noch ein Substantiv mhd. bruot 'durch Wärme Belebtes, Brut'1855 aus urgerm. *6rô-âi-z F. 'Brüten, Brut'. Dieses kann keine Rückbildung zum schwachen jan-Vtrb sein, "weil Nomina auf idg. *-ti- Ableitungen von primären (= starken) Verben [hier von germ. * öröjan] sind"1856. Da mit germ. *Grô-âi-z ein altes Substantiv mit oVokalismus vorhanden ist, liegt es näher, auch *Ôrôâ-jan als denominale Ableitung zu fassen18". Das durative jan-Verb dürfte dann auch eher zu *6rô-âi-z als zum substantivierten Verbaladjektiv * Ôrô-3-ô zu stellen sein. [DURATIV, FINAL - OCCUPAIT/] fir-ebben 'sich beruhigen', (ein Beleg StSG. 1,495,1 Differbuerat : firebbita)·, KFW. 3,28, StWG. 115, RVA. 292. Der Beleg entstammt der Handschrift Karlsruhe, BLB. St. Peter perg. 87; Nr.73, BV. 324, 2. Hälfte 11.Jh., fränk.1858; Glosse zu Est 2,1 his itaque gestis postquam regis Asueri deferbuerat indignatio recordatus est Vasthi... "Als sich nach diesen Begebenheiten der Zorn des Königs Assuerus beruhigt hatte, gedachte er der Vasthi ..,"1859. (Man vergleiche ae. ebbian 'verebben'). Das jan-Werb setzt wohl ein Substantiv ahd. *ebba voraus, das auch durch die Ableitung ahd. ebbunga 'Ebbe' erwiesen wird; man vergleiche afr. ae. ebba. Das Substantiv ist eine Ableitung von idg. *op 'hinten, spät' mit einer im Germanischen weiterentwickelten Bedeutung des Gegensatzes und der Wiederholung1860. Nhd. Ebbe ist eine Entlehnung aus dem Niederdeutschen. Das janVerb ist aber sicher hochdeutsch1861. fnâbten 'schnauben', (N.); KFW. 3,1011, SchW. 137, RMWA. 88, RVA. 43. Zwei Belege, man vergleiche Notker 3,195,2f. Tie úber-múoten chúninga . die dû nû sihest sízzen an hóhemo stuoie . in tro púrpumn glizende ... mit prúttiskén ánasiunen dréuuente. fóre mûotigi fnáhtende. (Nur ahd.); daneben StWG. 167 ein Ansatz fnahtôn mit kurzem Stammvokal.

1854

Ebenda S. 266. LH. 1,370. 1856 Κ. Matzel, Zu den verba pura des Germanischen, S. 20. 1857 M a n vergleiche ebenda. 1858 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 483489. 1859 Zur Stelle vergleiche man auch KFW. 3,28. 1860 M a n vergleiche PIEW. 53f. sowie KEW. 165. 1861 Sieh dazu U. Bliesener, Die hochdeutschen Wörter, S. 194. 1855

Ableitungen von einem Substantiv

373

Zu ahd. *fnâht 'Schnaufer' wie ahd. fnâstôn, ae. gefnsstian zu ae. fnést, ahd. *fn Sä 'Atem, Hauch' i n f n Munga 'Niesen', StWG. 1671862. Das starke Verb ist das Zentrum einer onomatopoetischen Wortfamilie. T. Starck - J.C. Wells setzen alle verwandten Wörter mit Kurzvokal an, die Bearbeiter des KFW. mit Langvokal. Für das Altenglische bietet F. Holthausen 1863 ebenfalls langvokalische Formen an. Die onomatopoetischen Bildungen können aber vereinzelt sekundär gekürzt worden sein, so daß eine sichere Entscheidung nicht möglich ist. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] gi-fûren 'entmannen', (Gl., ir- 'entmannen, verschneiden' T.; Gl.)1864; KFW .3,1376, SchW. 144, RMWA. 87, StWG. 185, RVA. 52. Zu den ältesten Glossenbelegen zählt StSG. 2,151,12 Castrauerunt : ki fur rint der Handschrift Einsiedeln, StiftsB. cod. 205; Nr. 114, BV. 122, 9.Jh., wohl alem.; Glosse zu Can. conc. Nie. 1,147 sie eos, quos aut barbari, aut domini castraverunt ... "... so die, die entweder von Barbaren, oder ihren Herren kastriert wurden." Der Beleg erscheint bei A. Lloyd - O. Springer als einziger Nachweis für eine unpräfigierte Form, diese Deutung ist aber auf Grund der Beleglage und der Aktionsart des Verbums nicht wahrscheinlich. Das Wort ist zudem in den germanischen Volksrechten bezeugt. So Lex Alam. 65,31 (B 9) Si autem castraverit id est arfurit, ita ut virilia non tollat, cum 20 solidis conponat"65. Ein weiterer Beleg findet sich im Pactus legis Salicae 29,17 mallobergo geferit sunt (als Ergänzung zu dem Titel über die Lähmung des Gliedes)1866. Das volkssprachige Wort geferit ist auf salfränk. *ga-feurith zurückzuführen 1867 . (Man vergleiche ae. fyran). Zum altenglischen Verb ist aus dem Partizip Präteritum von a-fyran ein Substantiv afyrd 'Eunuch' rückgebildet1868. Man vergleiche auch nd. ni. fûen '(mit dem Fuebusch) schlagen' (von einem Fastnachtsbrauch). Das Verb ist als Ableitung zur Wurzel idg. *p"eu-\ pau-, pu- 'schlagen, scharf, schneidend hauen" 869 zu stellen. Außergermanisch vergleichen sich mit anderer Erweiterung lat. puto 'schneide', pavire 'schlagen', lit. piáuti 'schneiden, mähen1870. Da kein starkes Verb vorhanden zu sein scheint, das als Basis der 1862 1863

Sieh FTW. 244f„ SEW. 206 untet/neba-,

Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 110. Man vergleiche auch T. aifiurl 'Entmannter'. 1865 M a n vergleiche dazu A. Niederhellmann, Arzt und Heilkunde, S. 150. 1866 Sieh dazu ebenda S. 152f. 1867 Zur Entwicklung dieses Diphthongs vergleiche man W. v. Helten, PBB. 25 (1900) S. 412 und 296f. 1868 Sieh dazu J. Bosworth - T. Northcote Toller, An Anglo-Saxon Dictionary, S. 27. 1869 PI EW. 827. 1870 Sieh A. Niederhellmann, Arzt und Heilkunde, S. 152f. und F. Holthausen, IF. 32 (1913) S. 336. 1864

374

Ableitungen von einem Nominalstamm

Ableitung gelten könnte und das jan-Verb als primäre Bildung von der Wurzel isoliert stünde, dürfte es sich am ehesten um eine Ableitung nach einem Vorbild lat. eunuchus : eunuchizare von einem Substantiv ahd. *fûr handeln, das in ahd. uifûr st.M. 'Eunuch', StWG. 681, erhalten ist1871. Möglicherweise liegt das althochdeutsche Substantiv vor in StSG. 1,163,4 latro murdreo i fur, doch ist die bisherige Deutung der Glosse als lateinisch im Kontext der Handschrift durchaus plausibel1872. glosten 'glänzen', (ein Beleg StSG. 1,343,39 Quasi lucens iâ uessicula. facit glostat)·, KFW. 4,311, StWG. 232, fehlt RVA. Glosse zu Lv 13,2 homo in cuius carne et cute ortus fuerit diversus color sive pustula aut quasi lucens quippiam id est plaga leprae ... "Wenn auf der Haut des Leibes eines Menschen ein Fleck von verschiedener Farbe erscheint oder eine Blatter oder etwas gewissermaßen Glänzendes, das ist die Plage des Aussatzes ..." (Nur ahd.). Der Beleg befindet sich in der Handschrift St. Paul, 82/1; Nr.521, BV. 779, lO.Jh., alem. Man vergleiche auch mhd. glosen 'glühen, glänzen"873 und den Fortsetzer der hier erfaßten Basis der Ableitung, mhd. glost 'Glut, Hitze"874. Daneben steht mit Λ-Vokalismus wohl ahd. * glast 'Glanz' in glastregan 'Gewitterregen, Platzregen'1875. Die ablautenden Formen dürften wohl das Ergebnis lautmalender Vokalvariation sein. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] gi-beien 'schützen', (N.); KFW. 4,808,SchW. 161, RMWA. 72, RVA. 66. Ein Beleg Notker 2,121,12f. Fóne diu ist chád si . mánnolíh turf tig anderes mánnes hélfo . sînen scáz zegehéienne . únde ze iruuérrenne. (Nur ahd.). Ahd. heien ist eine Nebenform zu hegen mit Erweichung des inlautenden Gutturals, man vergleiche ahd. umbi-heggen 'mit einem Hag umgeben, schützen'. In beiden Fällen wird im Deutschen Wörterbuch 1876 von einer denominalen Ableitung ausgegangen. Das Verb ist dann zu mhd. heie, hei 'Hegung'1877 zu stellen. Das jan-Vcrb macht deutlich, daß es sich bei der Aufspaltung von hag und hei nicht um ein Ergebnis der mittelhochdeutschen Palatalisierung von innervokalischem g handeln kann. Die Aufspaltung muß älter sein1878. 1871

Sieh auch K. Michel, Die mit - / abgeleiteten denominativen jan-Verben, S. 17. Man vergleiche dazu allgemein K.Heinemann, Das Hrabanische Glossar, S. 32-34. 1873 LH. 1,1038. 1874 Ebenda. 1875 M a n vergleiche KFW. 301, J. Splett, Samanunga-Studien S. 96; m h d .glast, LH. 1,1029. Sieh auch KEW. 268 unter Glast und Glanz. 1876 DWB. 4,2,813 unter heien. 1877 LH. 1,1209. 1878 M a n vergleiche E. Karg-Gasterstädt, PBB. 61 (1937) S. 267 mit A. 1 u n d H. Tiefenbach, Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, S. 60f. 1872

Ableitungen von einem Substantiv

375

Durch die Analyse der althochdeutschen Belege sichert E. Karg-Gasterstädt, daß heien auf den Bereich des Sinnlichen (Wald, Feld, Wiese etc.) beschränkt ist, daß hegen zusätzlich auch für Gedankliches verwendet werden kann. Ahd. heien sei daher "ein wort der unteren Volksschichten". Diese Deutung ist aber wohl doch etwas zu kurz gegriffen, sicher scheint nur, daß die konkrete Bedeutung von heien die desubstantive Ableitung von einem Konkretum erweist. Die Bedeutung von hegen kann dagegen darauf weisen, daß hinter dem Verb und dem Substantiv hag ein primäres Verb als Basis gestanden hat. Auf ein solches Verb *haga- 'hegen' kann die Glosse StSG. 11,337,34 nutrilur : wirtkehain deuten1879. Die Existenz eines germanischen starken Verbs wird auch durch das Verbaladjektiv an. hoegr 'bequem, sanft' wahrscheinlich gemacht1880. Der Zusammenhang von Hag und hegen ist aber nicht gesichert. Laut E. Seebold1881 macht die Wortfamilie um nhd. Hag "nicht den Eindruck alt-ererbter Wörter"1882. Ein im Mittelhochdeutschen bezeugtes starkes Partizip geheien (neben geheiet) deutet wohl auf die jüngere Vermischung der Verben. koufen 'kaufen', (B. GB. MF. N. O. OT. T.; Gl.); SchW. 184, RMWA. 67, StWG. 342, StWG. N. 824, RVA. 94f. Zahlreiche Belege, zuerst wohl StSG. 1,210,15 conparator : chaufit Kb.; Atuft Ra., 3.Sg. Präs.; St. Gallen, StiftsB. 911; Nr.220, BV. 253, 8.Jh„ alem.; Karlsruhe, BLB. Aug. CXI; Nr.55, BV. 298, 9.Jh., alem.1883. (Nur ahd.). Dem Wort liegt lat. caupo 'Schankwirt, Kleinhändler"884 zu Grunde. Fraglich ist nur, ob es sich um eine direkte Ableitung von dem lateinischen Substantiv handelt, oder ob als Ausgangspunkt des althochdeutschen Verbs eine Entlehnung der lateinischen Verbalableitung caupônâri 'schachern'1885 anzunehmen ist1886. Die Bildungen mit ja-S\iíñ\ sind nach W. Wissmann1887 jünger als die ¿«-Bildungen und möglicherweise in Analogie zu *Bugan gebildet worden. Ein Indiz auch für ein hohes Alter des ^«-Verbs könnte allerdings in finn, kauppia, kaupata und kaupita 'zum Verkauf anbieten' gesehen werden, doch ist nicht ganz sicher, ob auch für das Finnische eine Entlehnung aus

1879

Dazu unter Vorbehalt S E W . 2 4 5 .

1880

Sieh dazu K. Matzel, HS. 105 ( 1 9 9 2 ) N r . 1 3 7 .

1881

KEW. 286.

1882

M a n vergleiche auch FTW. 68.

1883

M a n vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 4 6 5 .

1884

K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch l , 1 0 3 8 f .

1885

Ebenda 1,1039.

1886

M a n vergleiche W . Wissmann, Die ältesten Postverbalia, S. 21 mit A. 2 sowie K E W .

363, X. M i g n o t , Les verbes dénominatifs latins, S. 371. Altere Auffassungen sind zitiert bei G. Müller - Th. Frings, Germania R o m a n a 2 , 1 7 6 . 1887

Die ältesten Postverbalia, S. 22.

376

Ableitungen von einem Nominalstamm

dem Verb vorausgesetzt werden kann1888. Die Bedeutung des finnischen Verbs legt wohl eher eine denominale Ableitung von entlehntem kauppa 'Handel, Geschäft' nahe. Auch bei dem y^/z-Verb dürfte es sich um eine denominale Ableitung handeln1889. N. Wagner sieht eine Parallele in dem Verb as. mangón 'Handel treiben', das Ableitung zu lat. mango 'Händler' sein muß, da im Lateinischen nur ein Verb mangônicâre bezeugt ist, das aus formalen Gründen als Basis ausscheidet. Zu dem Verbaladjektiv germ. *kaup-i-/-ja- (?), das zumindest das hohe Alter des entlehnten ów-Verbs erweisen könnte, sieh K. Matzel1890. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] gi-lâwen/fir-lâwen 'verraten', (O.); SchW. 190, RMWA. 63, RVA. 101. Otfrid 4,8,24 Sie imo sár thuruh tház gihiazun míhilan scaz, in thíu er thaz gidáti, so gi' · '7 'ι Ί891 suaso inan gilati (Man vergleiche ae. lébwan, got. léwjan 'preisgeben, verraten'). Zu germ. *lêwa\ man vergleiche got. *lêw 'Gelegenheit'1892. gi-lemsen 'verriegeln', (ein Beleg StSG. I,474,22f. Conciderent oppilate : kimiazzin kilampsta)·, StWG. 369 unter einem Ansatz lemsen 'sperren', RVA. 106. Der Beleg wird ein zweites Mal RVA. 111 unter einem Ansatz (gi-)limpfen (?) aufgeführt, da F. Raven wohl an eine Verbindung zu ahd. gi-limpfan 'zukommen' (SchW. 198) und möglicherweise auch an das Substantiv fnhd. glimpf 'Verzierung, Metallbeschlag, Riemenzunge des Gürtels"893 gedacht haben mag. Von diesen Wörtern aus läßt sich jedoch der Stammvokal des althochdeutschen Verbs nicht erklären. Der Beleg ist daher wohl als kilamsta zu lesen. Auf Grund der nicht-durativen Bedeutung ist aber wohl besser von einem Ansatz gi-lemsen auszugehen. Der Beleg entstammt der Handschrift Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh„ alem.1894; Glosse zu II Esr 7,3 et dixi eis non aperiantur portae Hierusalem usque ad calorem solis cumque adhuc adsisterent clausae portae sunt et oppilatae ... "Und er sprach zu ihnen: 'Die Tore zu Ierusalem sollen nicht geöffnet werden, ehe die Sonne heiß scheint.

1888

M a n vergleiche T. Hoefstra, Ostseefinnisch u n d Germanisch, S. 222 und 235. M a n vergleiche dazu J. Brüch, ZDA. 83 (1951) S. 92-103, besonders S. 101 u n d N. Wagner, Das germanische Wortfeld u m den Kaufmann, S. 322f. ° 8 9 0 HS. 105 (1992) Nr. 194. 1891 Z u m Ausfall des w sieh BEG. § 110 Α. 1. 1892 Sieh PIEW. 682f., FTW. 364, W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 232, F. Holthausen, Altenglisches etymologisches Wörterbuch, S. 193. 1893 Man vergleiche dazu K. Matzel - J. Riecke - G. Zipp, Spätmittelalterlicher deutscher Wortschatz, S. 101. 1894 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 17. 1889

Ableitungen von einem Substantiv

377

Und während sie noch dabei standen, wurden die Tore verschlossen und verriegelt ,..""895. (Nur ahd.). Es handelt sich um eine Ableitung zu einem Substantiv, das vorliegt in an. lass 'Riegel' (aus u m . *lamsaR)im. loben 'funkeln, lodern', (ein Beleg StSG. II,55,49f. Uibratus : Ipfntkx, E. Steinmeyer zur Stelle: dh. lo:entiu, mit Rasur von h)\ StWG. 383, RVA. 114. Die Boethius-Glosse entstammt der Handschrift Einsiedeln, StiftsB. cod. 302; Nr. 117, BV. 126, 11.Jh. alem.; cons. 1,3,Ulf. harte si Threicio Boreas emissus ab antro verberet et clausuni reseret diem, emicat ac subito vibratus lumine Phoebus mirantes oculos radiis ferit. "Wenn aus thrakischer Höhle gesandt Boreas sie aufpeitscht und den verschlossenen Tag wieder öffnet, dann tritt Phoebus plötzlich hervor, funkelt im Licht und trifft die staunenden Augen mit seinen Strahlen." (Nur ahd.). Man vergleiche mhd. lohe sw.M. 'Flamme'1897; mit grammatischem Wechsel zu den unter lougen behandelten Formen1898. [DURATIV, KAUSAL - FIENTIV] löten 'löten', (ein Beleg StSG. IV, 194,22 Ferruminare quod est loden)·, StWG. 385, RVA. 114. Der Beleg entstammt einem bisher nicht bestimmten alphabetischen Glossar der Handschrift Clm 27329; Nr. 471, BV. 694, 14.Jh. Er ist im Kontext der Überlieferung als mittelhochdeutsch zu werten. (Nur 14 Jh.). Man vergleiche mhd. lot st.Ν. 'Blei, Metall'1899; man vergleiche auch afr. lad, ae. lead1™. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] meinen 'meinen, bedeuten, heißen', (I. MF. N. NG. O. RB. WH. WK. WU.; Gl.); SchW. 209, RMWA. 81, StWG. 405, RVA. 125. Isidor 20,21f. Endi dhoh ein guotliihhin dhera dhrinissa syrafin mit dhemu dhrifaldin quhide meinidon. (Man vergleiche as. anfrk. mênian, afr. ména, ae. mênan)mi. Die Ableitung läßt sich anschließen an ai. manyate : man, aksl. meniti sowie air. mian 'Wunsch'. Hierher gehört auch ahd. mema 'Erwähnung, Meinung, Klage, afr. méne, doch ist nach W. Wissmann1902 zumindest das althochdeut1895

Z u m lateinischen Lemma vergleiche man E. Meineke, Bernstein im Althochdeutschen, S. 190. 1896 Man vergleiche FTW. 363. Sieh auch J. Schatz, Althochdeutsche Grammatik § 165. 1897 LH. 1,1952. 1898 Sieh KEW. 447, PIEW. 688f. 1899 LH. 1,1961. 1900 Sieh KEW. 447. 1901 Sieh ebenda 471. 1902 Die altnordischen und westgermanischen Postverbalia, S. 89f.

378

Ableitungen von einem Nominalstamm

sehe Substantiv postverbal und kann deshalb nicht die Basis sein. Auch das Adjektiv mein 'falsch' (SchW. 209) liegt bedeutungsmäßig zu weit ab1903. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] mitren 'ans Ziel gelangen, ankommen', (ein Beleg O.); SchW. 212, RMWA. 84, RVA. 123 unter mar(euu)en/ miaren 'das Schiff festmachen, etwas anbinden' und 129 unter mi(e)ren 'landen1. Otfrid 5,25,1 f. Selben kristes stiuru iob sinêra ginâdu bin nú zi thiu gifierit, zi stáde hiar gimíerit. Der Beleg wird von J. Franck"04 auf Grund der anscheinend identischen Bedeutungen mit ahd. merren 'landen, anlegen' als Verschreibung für gimerrit gedeutet und mit diesem Verb verbunden. Dies scheint aber deshalb weniger wahrscheinlich, weil der Otfrid-Beleg im Reim steht und daher allenfalls als eine durch den Reim beeinflußte Umdeutung in Anlehnung an die von J. Franck genannten Wörter ni. méren 'Grenzpfáhle setzen' und mnl. miren 'an einen Pfahl binden, (ein Schiff) festmachen' verstanden werden kann. Deren langes ê wäre dann im Althochdeutschen als ie erschienen. (Nur ahd.). Nimmt man die Schreibung aber ernst, so ist das Verb mit den von J. Franck genannten Substantiven ae. mère 'Grenze, Gebiet', mnl. mère 'Grenzzeichen, Grenze', und in an. landa-móeri 'Grenzland, Grenzstein' zu verbinden. Es wäre dann wohl von einer Bedeutungsentwicklung wie im Falle von ahd. lenten 'landen, anlegen, an Land kommen' auszugehen. Sieh auch unter marewen und merren2. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] murdiren 'ermorden, erlegen', (Gl., fir- Gl.); StWG. 427, RVA. 133. StSG. 1,193,36 Iuculat : murdrit Ra. - StSG. 1,251,19 Sugillat : misdumurthirid Kb. murdrit Ra. (Man vergleiche afr. morthia, ae. for-myrÔran, got. maurprjan). Zu einem Substantiv mit iro-Suffix, das erhalten ist in ae. morÖor, got. maurpr 'Mittel zum Sterben'1905. Es ist nicht auszuschließen, daß das althochdeutsche Verb als Ableitung zu einem im Althochdeutschen an zwei Stellen belegten Substantiv murdro 'Mörder' (StSG. 1,163,4 latro murdreo i fur, Glossar R., StWG. 427; murdreo, Carmen ad Deum, SchW. 218) zu stellen ist. Agentiva sind in der Klasse der althochdeutschen /¿«-Verben jedoch selten; man vergleiche oben unter ambahtenKOt. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL]

1903

Sieh noch J. Trier, Wege der Etymologie, S. 143-147. ZVSpF. 37 (1901/04) S. 122. 1905 M a n vergleiche dazu E. Sievers, PBB. 5 (1878) S. 521 sowie KEW. 488, C. Schuldt, Die Bildung der schwachen Verba im Altenglischen, § 20. 1906 Sieh auch J. Splett, Abrogans-Studien, S. 373. 1904

Ableitungen von einem Substantiv

379

gi-pfriemett 'zusammenheften', (StSG. 11,695,62 Consertum : kefrienit [1. kefriemit ?]); StWG. 463, RVA. 146 unter pfriemen. Glosse zu Verg. Aen. 3,593f. Respicimus: dira inluuies immissaque barba, consertum tegumen spinis. "Wir schauen auf: entsetzlich sein Schmutz, wild wuchernder Bartwuchs, Lumpen mit Dornen zusammengeheftet." Der Beleg aus der Handschrift Melk, StiftsB. Nr. 1545 Vergil; Nr.92, BV. 434 entstammt dem 12. Jahrhundert. Da das Verb im Kontext in nicht-durativer Bedeutung erscheint, ist davon auszugehen, daß lat. con-sero durch die Präfixbildung gi-pfriemen und nicht durch einfaches duratives pfriemen wiedergegeben wird. Andernfalls steht zu vermuten, daß es sich nicht um ein janNerb, sondern um ein ίο-Adjektiv gepfriemit handelt. Der Beleg wäre dann wohl als kefriemt zu lesen"07. Eine sichere Entscheidung scheint jedoch, zumal die Bedeutung des Basissubstantivs nicht genau zu ermitteln ist, nicht möglich. (Nur ahd.). Die Basis der Ableitung ist im Althochdeutschen nicht bezeugt, man vergleiche ae. prêon 'Eisengerät zum Entfernen von Tuchflocken', mhd. pfrieme, phriem 'Heftstecknadel'1908, mnd.prine™. rabaneti/rânen 'jemanden fesseln, binden, wüten', (NG.); SchW. 233 bihrahanen 'erbeuten', (H.), , rânan 'wüten', RMWA. 80, StWG. 471, RVA. 147. Das erste h in bihrahanen ist ein Schreibfehler" 10 . Im zweiten Beleg ahd. (alem.) rânen ist das intervokalische h unter Dehnung des vorausgehenden a geschwunden" 11 . - Hildebrandlied, StSpD. 7,57 rauba bihrahanen. (Man vergleiche an. réna 'rauben, plündern'); die Verben führen auf germ. *raxnija- zurück, das denominale Ableitung von einem Substantiv germ. *raXan 'Fessel' ist"12. [DURATIV, FINAL - ORNATIV] ir-râbben 'an Gliedersteifheit leiden', (Gl.; StSpD.); StWG. 471, RVA. 147. Ein Glossenbeleg (StSG. IV,369,22 Ad equum qui est irreiht) entstammt der Handschrift Clm 7999; Nr.363, BV. 546 und wird von E. Steinmeyer ins 13. Jahrhundert datiert. Ein weiterer Beleg findet sich in dem Zauberspruch Ad equum errehet (StSpD. 373,2), überliefert in der Handschrift Zürich, StadtB. Ms. C 58/ 275 . (Nur 13.Jh.). Zu mhd. rtehe 'rheumatische Entzündung der Hüftlederhaut mit Gliedersteifheit (von Pferden)'" 13 . 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913

Zu diesen Bildungen vergleiche man in Kapitel II.2.B. LH. 2,263. Sieh dazu FTW. 220. Man vergleiche R. Lühr, Studien zur Sprache des Hildebrandliedes, S. 674. Sieh dazu J. Schatz, Althochdeutsche Grammatik, § 242. Sieh R. Lühr, Studien zur Sprache des Hildebrandliedes, S. 674f. LH. 2,335; sieh auch G. Eis, Altdeutsche Zaubersprüche, S. 50-52.

Ableitungen von einem Nominalstamm

380

bi-râsen 'jemanden stürzen, verurteilen, verdammen1, (ein Beleg StSG. 1,758,31 Damnatus : biraset)·, StWG. 472, RVA. 147f. Der von F. Raven unter gi-râsen aufgeführte Beleg ist mit R. Schützeichel1914 als «K-Verb aufzufassen. Auch ein vermeintlicher Beleg für das Simplex (StSG. IV,53,12 inde delirio : ichrasin) 'wahnsinnig sein, rasen', aus der Handschrift Prag, Knihovna Národního Muzea XA 11 (Nr.528, BV. 788, 13.Jh., ahd.; Glossae Salomonis) ist wohl kein jan-Vzrb. Die Bedeutung 'wahnsinnig sein' ist mit den bezeugten Ableitungsmustern nicht in Einklang zu bringen und an dem späten Beleg kann die Zugehörigkeit zu einer Verbklasse nicht mehr eindeutig abgelesen werden. Der Ansatz eines janNzrbs wird aber durch die Präfixbildung bi-râsen gesichert. Der Beleg stammt aus den Handschriften Brüssel, BR. 3641; Nr.43, BV. 79, 11.Jh. und Stuttgart, WLB. Cod. theol. et phil. 2° 218; Nr.560, BV. 863, 12.Jh., alem.; Glosse zu Rm 14,23 qui autem discernit si manducaverit damnatus est... "Wer aber einen Unterschied macht, wenn er ißt, ist verurteilt ..." (Nur ahd.; man man vergleiche mnd. rasen, mnl. rasen·, mit anderer Stammbildung ae. risan, an. rása)mi. Zu germ. *râsa 'Sturz, Eile', man vergleiche an. ras, ae. rxs 'Lauf, Sturm'; mnd. ras 'heftige Strömung'. Der systematischen Bedeutung ist wahrscheinlich eine Paraphrase "einen Sturz machen" zu Grunde zu legen. ruogen 'anklagen', (NG. O. OT. T.; Gl.); SchW. 242, RMWA. 70, StWG. 498, RVA. 163. Zuerst wohl StSG. 1,68,14 uel accusatio : ludari edo roakandi Pa. edho leitha rogenti Kb. - StSG. 1,251,23 accusare : rogan Ra. roken ein ist daz Kb.1916. Tatian 199,1 f. thisu sus quedante costotun Inan thaz sie Inan mohtin ruogen. (Man vergleiche as. wrôgian, afr. wrôgia, ae. wragan, an. roegja, got. wrohjan 'anklagen, beschuldigen'). S. Feist1917 stellt das jan-Verb wohl zutreffend als desubstantivische Ableitung zu germ. *wrôgi/jô- F. 'Anklage, Streit' in got. wrohs, an. róg, afr. wrôginge, wrôgene. E. Seebold1918 behandelt das Verb ebenfalls unter dem Substantiv, jedoch mit dem Zusatz "Herkunft unsicher", weil nicht sicher sei, wie das Nebeneinander von germ. *wrôgi/jô- und got. wrohjan zu beurteilen ist1919. Vermutlich liegen den gotischen Belegen jüngere Ausgleichsprozesse zu Grunde. Das semantische Verhältnis zwischen Nomen und jan-Vcrb ist aber nicht ganz klar. Zwar kann von einem Facientivum ausgegangen werden, doch sind die bezeugten Bedeutungen nicht ohne weiteres als durativ aufzufassen. 1914

SchW. 233. Sieh FTW. 340, KEW. 582. 1916 Sieh J. Splett, Abrogans-Studien, S. 128 und 495. 1917 S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 575. 1918 KEW. 608. 1919 Man vergleiche auch G. Darms, Schwäher und Schwager, S. 267. Das jan-Verb kann mit KEW. 608f. angeschlossen werden an lit. rekti 'schreien, schelten, und aksl. resti 'sagen, reden'. 1915

Ableitungen von einem Substantiv

381

[NICHT-DURATIV ?, KAUSAL - FACIENTIV] bi-sigtlen 'versiegeln, besiegeln, verkünden 1 , (WH.; Gl.); SchW. 250, StWG. 521, RVA. 177. Man vergleiche auch oben gi-sigilat, bi-insigilen. StSG. 1,632,32 Signatum : pisigilit, belegt in zahlreichen Handschriften, zuerst wohl Wien, ÖNB 2732; Nr.448, BV. 950, lO.Jh., bair.'920; Glosse zu 1er 32,11 et accepi librutn possessionis signatum stipulationes et rata et signa forinsecus. "Und ich nahm den gesiegelten Kaufbrief mit der Ubereinkunft und der Zustimmung, sowie der offenen Bescheinigung." (Man vergleiche afr. siglja)\ daneben ae. seglian, sowie got. sigljan, das möglicherweise aus sigillare entlehnt ist" 2 '. Sigilare ist im Lateinischen nur sehr selten und erst seit dem 6. Jahrhundert (Venantius Fortunatus) bezeugt, eine Entlehnung direkt aus dem lateinischen Verb ist daher wenig wahrscheinlich. Eher ist mit A. Wollmann 1922 von einer frühen kontinentalen Entlehnung des Substantivs lat. sigillum 'Siegelabdruck', einem Diminutivum zu lat. signum 'Zeichen, Kennzeichen', auszugehen. Das entlehnte Substantiv ist dann in den jeweiligen Einzelsprachen die Basis der schwachen Verben. Man vergleiche afr. sigel, ae. sijelmi sowie mnd. seg(g)el, mnl. segel, me. seel, mhd. sigel. Got. sigljo dagegen gilt als Ableitung aus mlat. *sigillom\ Im Althochdeutschen findet sich nur das Substantiv insigil(i)·, man vergleiche dazu oben unter insigilen. Daneben steht einmal das Simplex sigilen 'siegeln'. Der Beleg (StSG. IV.298,5 siglian, StWG. 521, RVA. 177) aus der Handschrift Essen, Münsterschatz; Nr.136, BV. 149 ist altsächsisch1925. scinten 'schälen, (Rinde) abziehen', (Gl.); StWG. 544, RVA. 18lf. Zuerst wohl StSG. 1,300,31 Decorticami : skinta aus der Handschrift St. Gallen, StiftsB. 295; Nr. 192, BV. 223, 9.Jh„ alem. Glossiert wird Gn 30,37 tollens ergo Iacob virgos popúleos virides et amigdalinas et ex platanis ex parte decorticavit eas ... "Da nahm Jakob frische Stäbe von Pappeln und Mandelbäumen und Platanen und schälte sie zum Teil ab ..." (Man vergleiche as. bi-skindian)·, das mittelhochdeutsche Verb schinden, schinten, das auch stark flektiert wird, ist wohl sekundär; nach U. Hempen 1926 eine

1920 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 821-826. 1921 Sieh W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 302. Zu dem lateinischen Verb 'kenntlich eindrücken' sieh K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 2,2658, X. Mignot, Les verbes dénominatifs latins, S. 318. 1922 Untersuchungen zu den frühen lateinischen Lehnwörtern, S. 288. 1923 Sieh dazu A. Wollmann, ebenda S. 263-289, K. Dietz, Kratylos 37 (1992) S. 147. 1924 Sieh KEW. 671 f. 1925 Sieh dazu auch A. Wollmann, Untersuchungen zu den frühen lateinischen Lehnwörtern, S. 286. 1926 Die starken Verben im Deutschen, S. 197.

382

Ableitungen von einem Nominalstamm

"echte Neubildung". Als Ausgangspunkt der Neubildung wird dort allerdings ein nicht bezeugtes Verb "ahd. scindôn" genannt. Das jan-Vtrb ist wohl eine Bildung zu mhd. schint, das im deutschen Sprachraum nur in der Bedeutung 'Obstschale' überliefert ist. Näher an der urspünglichen Bedeutung liegen nl. schinde 'Fell, Baumrinde' und an. skinn 'Haut, Fell' aus urgerm. *skinpa, einer Partizipialform zu idg. *(s)ken-m. Wie bei scenten dürfte der Bildung eine occupative Struktur "etwas mit BS machen" zu Grunde liegen. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] spirdiren 'stützen, sich abmühen, emporsteigen', (Gl.); StWG. 576, RVA. 196. Zuerst wohl StSG. 11,208,58 Innitentes : spirdirinte, St. Paul, 82/1; Nr.521, BV. 779, lO.Jh., alem.; Glosse zu Greg, cura 4,102 ... ut cum miris virtutibus rutilant, imperfectionis suae txdio tabescant, et nequaquam se de magnis erigant, dum adhuc contra minima innitentes laborant, sed quia extrema non valent vincere, de prœcipuis actibus non audeant superbire. "Obwohl sie in wunderbaren Tugenden erstrahlen, sollen sie Ekel vor ihrer Unvollkommenheit empfinden und sich keinesfalls um großer Dinge willen erheben, da sie noch gegen Kleinigkeiten mit Anstrengung sich abmühen. Da sie aber diese Schwierigkeiten nicht überwinden können, sollen sie nicht wagen, wegen besonderer Handlungen sich zu überheben." (Nur ahd.). Zu germ. *sper-pro 'das Spornen'. Dabei handelt es sich um ein -troAbstraktum zur Basis *sper 'Speer'1928. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] stivulen 'stützen', (Gl.); StWG. 595, RVA. 204. Das Simplex ist einmal bezeugt StSG. 1,502,6 Fulciet : gistiuelt und entstammt der Handschrift Clm 17403; Nr.426, BV. 632, 13.Jh., bair. Der Eintrag gistiuelt ist nachträglich in gl spruzit korrigiert worden. Glosse zu lob 8,15 innitetur su per domum suam et non stabit fulciet eam et non consurget. "Er baut auf sein Haus und es hält nicht stand, er stützt es und es will nicht aufrecht bleiben." (Nur ahd.). Die Basis ist erhalten in mhd. stivel st.sw.M. 'Stütze'1929; afr. stipe 'Pfahl' sowie nd. stipel193°. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] stouwen 'bezeugen, schelten, sich beklagen', (Gl., er- N.; Gl.); SchW. 272, RMWA. 95, StWG. 597, RVA. 323. StSG. V,19,25f. (Protestata est) : Iâ ualido, starkemo sermone predixit / quod sibi futurum erat / stouuento. gremizonto., Augs1927 1928 1929 1930

Sieh KEW. 633f„ FTW. 449, PIEW. 929. M a n vergleiche dazu E. Sievers, PBB. 5 (1878) S. 521. LH. 2,1205. Sieh KEW. 702.

Ableitungen von einem Substantiv

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bürg, Bischöfliche Ordinariatsbibliothek Hs. Κ 6; Nr.685, BV. 14, lO.Jh., bair.; Glosse zu Io 13,21 Cum haec dixisset Iesus turbatus est spiritu et protestatus est et dixit... "Als Jesus dieses gesagt hatte, wurde er im Geiste bewegt und bezeugte und sprach ..." Sieh auch StSG. 11,670,53 Incusat : stouuida, Clm 18059; Nr.428, BV. 634, 11.Jh., bair.; Glosse zu Verg. Aen. 12,580 Aeneas, magnaque incusat uoce Latinum. "Aeneas klagt mit lauter Stimme Latinus an." Sieh auch StSG. 11,289,57 Obiurgans : stouuent, Clm 19440; stouventer, Clm 18140. Glosse zu Greg. hom. 1,17,1497. Neben der Form stouwen sind auch die Varianten stuowen und stûen bezeugt. Es handelt sich dabei nicht um selbständige Bildungen1931. Zum Nebeneinander von got. au und ahd. ü vergleiche man got. bauan und ahd. bûanmi. Ahd. stuoen kann genau got. stojan 'richten' entsprechen1933. Laut J. Schatz1934 ist im Wurzelauslaut vor e der zweite Teil des Diphthongs geschwunden. Wo die w- Bildung durchdrang, entstand stouwen, sonst stuoenmi. Bezeugt sind einmal stuowen 'tadeln, schelten', StSG. 11,165,36 compere : stuouuan, Clm 6277; Nr.345, BV. 518, 9.Jh., bair.; Glosse zu Greg, cura 2,8,27 und sodann 'büßen' (Gl., häufiger gi-, ir-, Gl.); StWG. 603 stuoen, RVA. 210. Das Simplex ist einmal bezeugt, StSG. 11,755,55 (Solueram) : crlltcn. I gistylt, E. Steinmeyer, zur Stelle: dh. arlitan. I gistult. Dazu die wohl zutreffende Korrektur StSG. V,106,10: lies gestuit1916. Der zweite bei F. Raven für das Simplex aufgeführete Beleg, Muspili 67,25 stuen 'büßen' ist mit R. Schützeichel1937 zu ahd. stûên zu stellen193'. (Man vergleiche got. stojan 'richten'). Das janNzxb wird herkömmlicherweise zu den Substantiven afr. sto 'Stelle', ae. stôw, got. staua 'Gericht, Urteil, Streitsache' gestellt1939. Die Bedeutung 'stehen', die sich dann aus der Verbindung mit der Wurzel *stä- ergibt und die Bedeutung 'richten' können unter der Voraussetzung vereinigt werden, daß got. staua 'Gericht, Urteil' ursprünglich 'Gerichtsstätte' bedeutet habe. Da diese Bedeutung 'Gerichtsstätte' aber nirgendwo bezeugt ist, schlägt R. Gusmani1940 vor, die Bedeutungsfelder 'stauen, hemmen' (dazu ae. stôwian 'einhal1931

So G. Müller, PBB 79 (H 1957), S. 308-321. Sieh S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 451. 1933 Ebenda S. 455. 1934 Althochdeutsche Grammatik, § 24. 1935 Sieh auch R. Kögel, PBB 9 (1884) S. 514f. 1936 M a n vergleiche auch J. Schatz, Althochdeutsche Doppelformen, S. 362 und 375. 1937 SchW. 273. 1938 PIEW. 1008, dort als stuan 'anklagen'. Dies sei möglicherweise ein primäres Verb. Man vergleiche R. Kögel, PBB. 9 (1884) S. 514f. Die Belege werden besprochen bei G. Müller, PBB. 79 (H 1957) S. 318f. 1939 S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 455; sieh auch FTW. 493. 1940 Sprachwissenschaft 3 (1978) S. 225-236, besonders S. 227f. 1932

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Ableitungen von einem Nominalstamm

ten', mhd. stowen, stouwen 'verhindern, aufhäufen', nhd. stauen·, zu ae. stôw 'Ort, Platz, Stelle') und 'richten, anklagen, beklagen' voneinander zu trennen. Got. stôjan, ahd. stouwen sei dann ein Denominativum zu einem Substantiv, das vorliegt in got. staua1 'Urteil', das auf *stôu- oder *steu- zurückführe 1941 . Fraglich ist, ob mit R. Gusmani1942 der Vorläufer von nhd. stauen bereits für das Althochdeutsche als stouwen1 'hemmen, zurückhalten, stauen' vorausgesetzt werden kann. Unter den Belegen für ahd. stouwen kommt einzig eine Glosse in Betracht: StSG. 1,744,12 Reppulit : irstovuita, neben anderen in der Handschrift Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.1943; Glosse zu Act 7,27 qui autem iniuriam faciebat proximo reppulit eum dicens quis te constituit principem et iudicem super nos. "Derjenige aber, welcher seinem Nächsten Unrecht tat, stieß ihn zurück und sagte: Wer hat dich zum Vorsteher und Richter über uns gesetzt?" Da die Glosse in einem juristischen Zusammenhang erscheint, ist aber nicht auszuschließen, daß sie ebenfalls, dann wohl in einer übertragenen Bedeutung, auf got. stôjan zurückführt. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] studen 'errichten, begründen', (B. GB., gì- MH.; Gl.); SchW. 273, RMWA. 66, StWG. 601, RVA. 324. Benediktinerregel, StSpD. 195,17f. ... et inpigerunt in domum illam et non cecidit, quia fundata erat super petram. /... indi erloso tatun in hus daz indi ...fiai danta kestudit was oba steine ...l944 (Man vergleiche an. styÖia). Die Basis ist erhalten in mhd. stud 'Pfosten, Stütze'1945; ae. stoÖ, stuöu, an. stoÖ 'Stütze, Säule, Pfeiler', einer Bildung mit /-Formans zu idg. *st(h)au-, st(h)û-mt. [DURATIV, FINAL - INSTRUMENTAL] bi-temmen 'besetzen', (Gl,,fir- 'hinausstoßen, forttreiben'); StWG. 624, RVA. 225. Zuerst StSG. 1,135,18 Extrusit : fartemnit R. (Man vergleiche afr. damma, demma, ae. fordemman, an. demma, got. faurdammjan 'eindämmen, verhindern'). Nhd. dämmen, Damm haben anlautendes d- unter Einfluß des Niederdeutschen, in dessen Verbreitungsgebiet die Sache eine wesentlich größere Rolle spielte als im Süden. Von E. Seebold1947 wird nhd. Damm auch als späte Rückbildung aus dem Verb betrachtet. Die Herkunft des jan-Verbs sei "unklar". Zum Vergleich wird ohne weitere Erläuterung das "laut- und bedeutungsähnliche stemmen" herangezogen. Auch wenn 1941

Ebenda S. 230f. mit A. 13.

1942

Ebenda S. 227f.

1943

Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 507-513. 1944 Der lateinische Text ist zitiert nach R. Hanslik, Benedicti regula. Prolog 34. 1945 LH. 2,1261. 1946 Man vergleiche J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 557, PIEW. 1009. Sieh auch DWB. 10,4,259 unter studen und 256 unter stud. 1947 KEW. 126f.

Ableitungen von einem Substantiv

385

nhd. Damm, ebenso wie an. afr. dämm in der speziellen, auf die Küstensicherung bezogenen Bedeutung als Rückbildung aus dem Verb gelten kann, so ist doch nicht auszuschließen, daß dem Verb selbst ein später untergegangenes Substantiv zu Grunde liegt, das zumindest erhalten ist in got. dam"™. Diese Möglichkeit trifft sich mit älteren Auffassungen, die in dem Substantiv eine Bezeichnung aus dem Bereich des Hausbaus sehen wollen. Möglicherweise stammt das Wort schon aus vorindogermanischer Zeit1949. Eine Erklärung als denominale Ableitung ist dann, wenn das Substantiv alt ist, auch für das janVerb naheliegend1950. wiften 'weben', (Gl., widar- 'das Gewebe aufweben'); StWG. 725, RVA. 261. StSG. 11,533,58 Texuit : wab. i wifta. Zü rich, ZB. Ms. Rh. 62; Nr.653, BV. 1014, 11.Jh., alem.; Glosse zu Prud. psych. 365 Post immortalem tunicam quam pollice docto texuit alma Fides dans inpenetrabile tegmen pectoribus lotis. "Nachdem das unsterbliche Gewand, das die gütige Fides mit geschickten Fingern gewebt hat, den gereinigten Herzen eine undurchdringliche Bedeckung verleiht." (Nur ahd.). Zu ahd. *wift in giwift st.F. 'Gewebe, Stoff1951. Im Neuhochdeutschen hat sich das Substantiv nur in der Bedeutung 'Honigwabe' erhalten1952. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] zeinen2 'in Streifen schneiden', (Gl.); StWG. 756, RVA. 273f. Zuerst wohl StSG. 1,333,21 Incidit : zeinta, u.a. ÖNB 2732; Nr.448, BV. 950, lO.Jh., bair.1953; Glosse zu Ex 39,3 opere polymitario inciditque bratteas aureas et extenuavit in fila ... "... in gewirkter Arbeit; und zerschnitt Goldbleche und zog sie zu Fäden." (Nur ahd.). Man vergleiche mhd. zein st.M.N. 'Stange, Stab'1954; got. tains 'Zweig'1955. [DURATIV, FINAL - OCCUPATIV] zelten 'im Paßgang schreiten', (Gl.); StWG. 757, RVA. 277. Zuerst StSG. 111,669,11 Equus trutinans : celtintisro\ Innsbruck, UB. 711; Nr.243, BV. 287, 13.Jh., bair.; Mischglossar. - StSG. IV,57,32 Equus trutinans zeldendaz, Zwettl,

1948 M a n vergleiche dazu auch W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. I l l , S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 146. 1949 Zu diesen Fragen H. Güntert, Labyrinth, S. 30. 1950 So auch R. Hiersche, Etymologisches Wörterbuch, D,21f. 1951 Sieh auch SEW. 541 unter *wef-ti-z. 1952 Sieh KEW. 792. 1953 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 821-826. 1954 LH. 3,1050. 1955 Sieh auch DWB. 15,2111 und 15,207f.

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Ableitungen von einem Nominalstamm

StiftsB. 1; Nr.600, BV. 1020, 13.Jh., bair. und Heiligenkreuz, StiftB. 17; Nr.236, BV. 278, 12.Jh., bair.; Glossae Salomonis. (Nur ahd.); belegt wird das Verb nur in der Fügung zeltentaz ros. Im Althochdeutschen ist als verwandtes Wort nur zeiter st.M. 'Zelter, Paßgänger1 (StWG. 757) bezeugt. Dem Wort liegt span, thieldo als Bezeichnung für eine Art im Paßgang gehender asturischer Pferde zu Grunde. Die Entlehnung muß demnach vor der 2. Lautverschiebung erfolgt sein1956. Das althochdeutsche jan-Werb ist wie ahd. zeiter von einem vorauszusetzenden Lehnwort *teldo 'Paßgang' abgeleitet. [DURATIV, FINAL - FACIENTIV] zohen 'treiben, führen', (N.); SchW. 336 zohen, RMWA. 72, RVA. 279. Notker 1,106,24 Std aber nä mit prospera nîeht states neíst . so sì sia zibet . nob nîeht kuisses . únde sì die liute zóhet. E. Seebold1957 setzt germ. *tuh-ê an, H. Sehrt - E. Legner1958 bieten wohl zutreffend einen Ansatz zoben. (Nur ahd.); man vergleiche an. teygja. Es handelt sich nicht um eine Ableitung vom starken Verb germ. *teuha'ziehen', in ahd. ziohan 'ziehen1, SchW. 336, StWG. 764; sowie as. tiohan, afr. tia, ae. têon, an. (PPP) togenn, got. tiuhanI959, da sonst eine Bildung mit grammatischem Wechsel, etwa *zogen entstanden wäre. Daher ist von einer denominalen Ableitung auszugehen. Es lassen sich unter den Substantiven in der Tat kurzvokalische Bildungen finden, die als Basen herangezogen werden können, so das Hinterglied in ahd. herizoho sw.M. 'Heerführer, Herzog', StWG. 271 und in maguzoho sw.M. 'Erzieher', StWG. 3941960; magezo(ha) sw.F. 'Amme' (N.), SchW. 2051961. Das Verb dürfte daher mit einem Kurzvokal anzusetzen sein. [DURATIV, FINAL - AGENTIV]

b. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt bl. Ableitungen von Simplicia birnen 'trösten, erheben, innerlich aufrichten', (MH.; Gl.); KFW. l,1107f., SchW. 97, RMWA. 82, StWG. 58, RVA. 8. Zuerst wohl Murbacher Hymnen

1956

Man vergleiche dazu KEW. 809. SEW. 504f. 1958 Notker-Wortschatz, S. 634. 1959 Zu diesem sieh SEW. 503ff. 1960 Ebenda 768 unter -zoho wird auf einen Ansatz diese Belege SEW. 504 unter einem Ansatz *tug-ôn. 1957

1961

maga-zoho

Sieh dazu auch E. Urmoneit, Ludwigslied, S. 150.

verwiesen, der nicht erfolgt;

Ableitungen v o n einem Substantiv

387

19,12 kote fatere si tiurida sine[mu] ioh einin suniu mit atumu. pirnantin ititi nu inte in euun. (Nur ahd.). Es handelt sich vermutlich ursprünglich um eine ¿z-Präfigierung zu einem Verb, das zur Wurzel *er-: or-: r- 'sich in Bewegung setzen, erregen'" 62 zu stellen ist. Zu dieser Wurzel gehören aus dem Germanischen ahd. as. rinnan 'gleiten, schwimmen, laufen', ae. rinnan und iernan 'laufen', an. nnna 'fließen, rennen', got. rinnan 'rennen, laufen'. Ahd. bimen läßt sich jedoch nur schwer mit diesen Verben verbinden. Wahrscheinlicher ist es, als Grundbedeutung von einer konkreten Bedeutung 'etwas aufrichten 1 auszugehen und das Verb mit dem Substantiv griech. ερνος 'Schößling' aus *erna- zu verbinden. Für ahd. hinten 'trösten', das einen leicht nachvollziehbaren Bedeutungsübergang zu 'innerlich aufrichten' durchgemacht hätte, ist dann eine Vorform *bi-ernija- anzusetzen1963. boren 'hören 1 , (B. G. GB. M. MF. Ν. NG. O. OT. Ph. T. WH.; Gl., besonders auch gi- APs. B. FB. GB. H. I. MF. MPs. Ν. NG. O. OT. PG. Ph. Ps. PT. RhC. T. WB. W K ; Gl.) SchW. 169, RMWA. 85, StWG. 284, RVA. 74. Hildebrandlied, StSpD. 1,1 Ik gihorta dat seggen ... (Man vergleiche as. hôrian, afr. hera, ae. hieran, an. heyra\ sieh auch got. hausjan). Es handelt sich vielleicht um eine denominale Ableitung zu einem Substantiv, für das eine Grundform idg. *h2Ic-(h)ous- anzusetzen ist. Got. hausjan und griech. ακούω lassen dann wahrscheinlich ein *hlkoipie/o- erschließen, das mit D. Steinbauer1964 mit einer Paraphrase 'sich verhalten wie einer, der ein scharfes O h r hat' zu beschreiben wäre. Damit wäre eine essive Bedeutung ermittelt, die im Kreise der althochdeutschen desubstantivischen jan-Verben sonst isoliert steht und ein Relikt der Grundsprache zu sein scheint1965. tien 'eilen, streben, mühen', (Β. E. G. N. NG. O. OT. T. WH.; Gl.); SchW. 173, RMWA. 76, StWG. 298, RVA. 79f. StSG. 1,276,10 Cenare : stritan illan, aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh„ alem.1966; Glosse zu Idc 3,2. ... et postea discerent filli eorum certare cum hostibus et habere consuetudinem proeliandi. "Und später sollten ihre Söhne lernen, mit Feinden zu kämpfen und sich an das Kämpfen gewöhnen. - StSG. 1,4,20 Adnitentem :

1962

PIEW. 326f. Z u m ¿»-Verb it-emòn sieh H . Tiefenbach, Sprachwissenschaft 11 (1986), S. 186f. 1964 Etymologische U n t e r s u c h u n g e n , S. 86. 1.65 Z u m Alter des Typs D. Steinbauer, ebenda S. 85f. 1.66 Z u r H a n d s c h r i f t sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 4 5 7 4 6 5 , besonders S. 459. 1963

388

Ableitungen von einem Nominalstamm

Hentern Pa. ilantem Ka. ilantë Ra. - Tatian 36,23f. Inti quamun thô líente. ' Inti fundun mariun Inti loseben. ' Inti thaz kind gilegitaz in crippea ... (Man vergleiche as. îlian). Das jan-Vtrb wird zur Wurzel *ei- 'gehen' gestellt1967. E. Seebold1968 zufolge bleibe dabei jedoch die Ausgangsbedeutung 'mühen' unberücksichtigt. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß 'gehen' als körperliche Tätigkeit, im Gegensatz etwa zu 'reiten' an sich immer ein 'sich mühen' beinhaltet. Nicht zuzustimmen ist aber der Ansicht1969, das jan-Vcrb sei von der Wurzel *ei- als eine Intensivbildung mit /-Formans abgeleitet. Zur Wurzel gebildete Intensivbildungen mit /-Suffix sind sonst nicht bezeugt und können nicht mit den späteren einzelsprachlichen Intensiva verglichen werden. Da andererseits das im Althochdeutschen belegte Substantiv ila st.F. 'Eifer', SchW. 173, StWG. 298 nur sehr schwach bezeugt ist und auch aus Bedeutungsgründen kaum die Basis abgibt, ist wohl eher von einem Nomen Agentis mit /-Suffix in der Bedeutung 'der Geher' auszugehen. Zu vergleichbaren Bildungen mit /-Formans wie ahd. botil 'Büttel' zu biotan oder biril zu heran sieh W. Meid1970 und W.H. Snyder1971. Es läge dann ein Reflex eines sonst im Althochdeutschen nicht mehr sicher nachweisbaren agentivischen Bedeutungsverhältnisses vor, dessen Existenz im Germanischen durch gotische Belege aber gesichert ist. lisemen 'weben, stricken (?)', (ein Beleg StSG. 111,418,40 Inconsutili : gelisemet); StWG. 379 lisemen 'stricken', RVA. 111. Der Beleg entstammt der Handschrift Straßburg, UB. Hs. des hortus deliciarum der Herrad von Landsberg, 12.Jh. HD. 390 Dalmatica a Dalmatia provincia est dicta, in qua primum est inventa. Hec a Domini inconsutili gelisemet tunica et apostolorum colobio est mutuata. Colobium autem erat cuculiata vestís sine manicis sicut adhuc videmus in monachorum cucullis vel nautarum tunicis. Quod colobium a sánelo silvestre in dalmaticam est versum et odditis manicis infra sacrificium portari institutum. "... Die Dalmatica wird nach der Provinz Dalmatien, wo sie zuerst erfunden worden ist, benannt. Sie ist übernommen vom Kleid des Herrn, das ohne Naht war, und dem Gewand der Apostel ..." Die Ubersetzung von lat. inconsutili ist nicht ganz sicher zu beurteilen. Im Kontext Io 19,23 (Milites ergo cum crucifìxissent eum acceperunt vestimenta eius et fecerunt quattuor partes unicuique militi partem et tunicam erat autem tunica inconsutilis desuper contexta per totum) erweist sich 'ohne Naht' als gleichbedeutend mit 'von oben bis unten an einem Stück gewebt'. (Nur 12.Jh).

1967

PIEW. 296, so auch FTW. 27. KEW. 169. 1969 PIEW. 296, FTW. 27 und auch PEW. 337. 1970 Wortbildungslehre, S. 86. 1971 Sprachwissenschaft 14 (1989) S. 425. 1968

Ableitungen von einem Substantiv

389

Ahd. lisemen ist zu der Wortfamilie um das starke Verb ahd. lesati 'lesen', as. lesan, afr. lesa, ae. lesan 'lesen, sammeln', an. lesa 'sammeln, ernten, auswählen; bunte Gewänder herstellen', got. lisan 'lesen, sammeln' aus germ. *lesa- 'sammeln' zu stellen1972. Unklar ist die Herkunft des -m- in ahd. lisemen. Ein mhaltiges Substantiv ist nicht bezeugt. Nach E. Seebold1973 ist "das m wohl unter Einfluß des Wortes Faden, mhd. vadetn, vaden" entstanden. Möglicherweise liegt daher eine denominale Ableitung von einem nasalhaltigen Substantiv vor, man vergleiche ahd. lisina sw.F. 'Frauenkleidungsstück' und mlat. lisinna (StSG. 111,618,12), an. lesni 'weiblicher Kopfputz' und afr. lesene 'Schilling (Tuchgeld)', dessen η dann sekundär zu m umgestaltet worden wäre1974. Da nicht zu entscheiden ist, ob das vorauszusetzende Substantiv eine Bedeutung 'Tuch, Stoff oder aber eine Bedeutung 'Kleidungsstück' trägt, muß die Bedeutungsstruktur des Verbs offen bleiben. refsen 'schelten, tadeln', (B. GB. ΜΗ. Ν. O. T.; Gl.); SchW. 235, RMWA. 87, StWG. 476, RVA. 148. StSG. 1,275,69 Coercitus : kirafster kiuueriter, Oxford, BL. Jun. 25; BV. 725, Nr.493, frühes 9.Jh„ alem.1975 und Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem.; Glosse zu Dt 21,18 si genuerit homo filium contumacem et protervum qui non audiat patris aut matris Imperium et coercitus oboedire contempserit. "Wenn jemand einen widerspenstigen und frechen Sohn hat, der auf seines Vaters oder seiner Mutter Befehl nicht hört, und auch wenn sie ihn züchtigen, zu gehorchen verschmäht." - Tatian 201,8f. oba ih nu got niforhtu noh man ni Intrâtu. thoh uuidoru uuanta mir heuig ist thisu uuitua, girihhu sia. min odouuân zi iungisten quementi mih refse ... (Man vergleiche ae. refsan, an. refsa und mit Metathese as. respian, afr. respa)™ Zu einem «-Stamm, der vorliegt in ai. râpas- 'Gebrechen, körperlicher Schaden'1977. Da die Bedeutung der Basis für das Germanische beziehungsweise Althochdeutsche nicht sicher festzulegen ist, kann das semantische Muster nicht eindeutig bestimmt werden. Möglicherweise ist von einer Paraphrase "mit Schaden versehen" auszugehen.

1972

Z u m starken Verb sieh SEW. 332f„ PIEW. 680. KEW. 445. 1974 Z u m Bedeutungsverhältnis von 'lesen' und 'stricken' o.ä. sieh DWB. 6,10,61 sowie W. Mohr, ZDA. 75 (1938) S. 237. 1975 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457465, besonders S. 459. 1976 Sieh dazu E. Schwentner PBB. 43 (1918) S. 120. 1977 M a n vergleiche PIEW. 865, FTW. 338, J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 436, W. von Unwerth, PBB. 36 (1910) S. 31. 1973

Ableitungen v o n einem N o m i n a l s t a m m

390

b2. Ableitungen von Suffixbildungen bi-cbnuodilen 'erkennen', (WH.); SchW. 183, RVA. 94. Eine Belegstelle, SHL. 77,1: Mir becnûodelet mines uuínes stimma: In tûo mir min suéster. (Nur ahd.)1978. Zu germ. *knôpla-, bzw. einem Substantiv ahd. *cnuodil 'Zeichen'. Man vergleiche auch ahd. ein-knuodil. Es handelt sich dabei wohl um eine Ableitung mit dem Suffix idg. *-tlo- zur Wurzel *gnô-im. Daneben stehen ahd. chnuat st.F. 'substantia, Wesenheit, Natur' und ir-knuoen 'erkennen', SchW. 183. Neben bi-chnuodilen befindet sich in der Handschrift (Ein) auch ein Verb becnûodellichet, das RVA. 94 fehlt. Ein mittelhochdeutsches Verb, das auf bichnuodillichen zurückführt, ist auch bei M. Lexer1980 nicht verzeichnet. Als Basis ist ein zu erschließendes Adjektiv *cnuodilih anzusetzen. Dafür spricht abgesehen von der Existenz des Verbs auch das Adverb ahd. cbnuatlthho 'von Natur, auf natürliche Weise' (SchW. 183), für das dann ebenfalls eine adjektivische Basis wahrscheinlich wäre1981. bi-scre[n]kileti ? 'nageln, mit Nägeln befestigen', (ein Beleg StSG. 2,261,39 Clauatis : bi skrekiliden, E. Steinmeyer, zur Stelle: 1. bisrékiliden)·, StWG. 548; RVA. 184. Der Beleg entstammt der Handschrift Luxemburg, BN. 44; Nr.280, BV 424, 9.-11.Jh., mfrk.1982. Glosse zu Greg. dial. 1,4,169 vir Dei clauatis calciatus caligis ... veniebat. "Der Mann Gottes kommt, beschuht mit benagelten Sandalen." (Nur ahd.). Liest man den Beleg als screnkilen, so kann das Wort nach zwei Richtungen hin gedeutet werden. Es kann eine Ableitung vorliegen mit dem Suffix -il-ja1983 , das zu einem Verb screnken 'ausspreizen, schränken; kreuzweise übereinander legen, binden'1984 in der Bedeutung 'befestigen' gebildet sein müßte. Es besteht daneben aber auch die Möglichkeit, daß zu screnken ein Substantiv *screnkil 'Nagel' mit dem Gerätenamen bildenden Suffix -ila wie in ahd. stôzil,

1978

Das W o r t fehlt LH. 1,1655 u n d in den Nachträgen. Sieh E. Polomé, Germano-indo-aryan isoglosses, S. 285. M a n vergleiche dazu auch K. Matzel, HS. 104 (1992) Nr.176. 1980 LH. 1,1655 u n d in den Nachträgen. 1981 Z u r W o r t b i l d u n g der Adverbien auf -lîhho/-lihho vergleiche m a n E.-M. Heinle, Z u r W o r t b i l d u n g s m o r p h o l o g i e des Adverbs im Althochdeutschen, besonders S. 325-328. Sieh auch BEG. § 267.3. 1982 Z u r H a n d s c h r i f t vergleiche m a n R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 97f. Sieh auch R. Bruch, Glossarium Epternacense 2,11. 1983 Sieh dazu o b e n in Kapitel VI.3. 1984 Sieh dazu R. Lühr, Expressivität u n d Lautgesetz, S. 143. 1979

Ableitungen von einem Substantiv

391

slegel geschaffen wurde"83. Zu einem solchen Substantiv könnte das jan-Vcrb screnkilen gebildet worden sein, was wohl der zugrundeliegenden Textstelle und der Bedeutung des Belegs am nächsten käme. Letzte Sicherheit ist jedoch nicht zu erlangen, da der Ansatz auf einer Konjektur E. Steinmeyers beruht. bi-trobbsilen 'beflecken', (Gl.); StWG. 636, RVA. 229. Eine Belegstelle StSG. 1,178,25 Incestai : pitrobsilid Pa. pithrohsilit Kb. pitrohsilit Ra. (Nur ahd.). J. Splett"86 setzt bitrochsalen an. Als Basis der Ableitung kommt dann am ehesten eine Substantivbildung mit dem Suffix -sal in Betracht. Für die belegten Formen ist dann Assimilation des suffixalen a an das folgende i anzunehmen1987. Eine Basis ahd. *trohhsal ist jedoch nicht bezeugt"88. Alternativ könnte erwogen werden, die Bildung als Ableitung mit dem Suffix -V-l-jazu erklären. Als Basis der Ableitung müßte dann aber *trohhs- oder *trohh-sangesetzt werden, was wohl aus Gründen der Lautstruktur wenig Wahrscheinlichkeit besitzt.

b3. Ableitungen von Partikelkomposita antlingen 'antworten', (OT. PT. T); KFW. 1,55lf., SchW. 89, RMWA. 70, RVA. 3. Tatian 214,2f. Inti nioman mohta antlingen Imo uuorl. noh giturstig uuas einingfon themo tage Inan elihor fragen. (Nur ahd.)"89. Zu *antlingi st.N. 'Antwort, Erwiderung' aus germ. *anâi/a-ling-a/ija-mo. giduftett 'versammeln ?', (StSG. 1,120,37 exprobrat : caduftic Pa. kithußtithot Kb.); StWG. 110 gi-duften 'vorwerfen, vorrücken', RVA. 32. In Pa. ist c für t verschrieben1'91. (Nur ahd.; man vergleiche von der selben Basis ae. gedoftian 'versammeln, vereinigen'). Die Ubersetzung ist offenbar nicht von exprobare, sondern von dem in der Handschrift folgenden Verb lat. provocare her erfolgt1992. Zu ahd. *gedofto sw.M. 'Genösse'; man vergleiche ahd. gedofta sw.F. 'Genossin', StWG. 205 "". 1985 Nach F. Kluge, Nominale Stammbildungslehre, § 90 handelt es sich "meist" u m Bildungen zu primären Verben. Es kann bei dem nur im Althochdeutschen bezeugten Verb eine jüngere Neubildung vorliegen. Abrogans-Studien, S. 253f. und 519 im Anschluß an GSp. 5,505. 1987 M a n vergleiche dazu R. Kögel, Ueber das keronische glossar, S. 27. 1988 Z u m Suffix ahd. -(i)sal sieh W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 182. 1989 Sieh LSEW. l,277f. 1990 M a n vergleiche R. Lühr, ZDA. 109 (1980) S. 63f. und 70. 1991 Sieh J. Splett, Abrogans-Studien, S. 186. 1992 Ebenda S. 186f. 1993 Sieh auch F. Holthausen, Altenglisches Etymologisches Wörterbuch, S. 366.

392

Ableitungen von einem Nominalstamm

urerbett 'enterben' (?), (B. GB.); KFW. 3,352 unter einem Ansatz ir-erben 'enterben', SchW. 304 unter einem Ansatz er-urerban, RMWA. 64, RVA. 35. Die Abweichungen in der Deutung ergeben sich aus einer unterschiedlichen Lesung der Textstelle. E. Steinmeyer19"1 liest daz nulles einin erpolganer \ fater siniv nattes eonaldre chind- | (12)er vrerbe uzzan ...199S. Daraus ergibt sich ein Ansatz ahd. urerben. Die Deutungen als Lehnübersetzung der Präfixbildung lat. exheredare als ahd. urereben, wie sie bei W. Betz1996 und H. Ibach1997 vorgenommen werden, beruhen auf dieser Lesung. Die Konjektur R.-M.S. Heffners1998, der fir-erben ansetzen will, ist unbegründet. Doch ist die Lesung E. Steinmeyers, und damit die Deutung des jan-Verbs, noch von anderer Seite angezweifelt worden. U. Daab1999 liest stattdessen: siniu ... chind (12) erurerbe uzzan. Die Unklarheit der Stelle ergibt sich daraus, daß nicht sicher ist, ob das Morphem er, mit dem der Text oben auf Blatt 12 fortgesetzt wird, als Flexionsmorphem zum Substantiv chind oder als Präfix zu einem Verb urerban gezogen werden soll. Die Lesung U. Daabs hat den Ansatz eines Verbs erurerben zur Folge2000, als dessen Basis ebenfalls ein zu erschließendes Substantiv *urerbi 'Erbe' angesetzt werden müßte. Der Vorteil dieser Lesung besteht besonders darin, daß dann, wenn die Lautfolge er als Präfix zum folgenden Verb gezogen wird, kein sonst nicht bezeugter -er-Plural für das Neutrum chind angenommen werden muß. Geht man von dieser Deutung aus, dann entspricht der Beleg allerdings, zumindest in der Silbenstruktur, nicht mehr der zweiten überlieferten Glossierung, wie sie in StSG. 11,52,2 Ne nos exeredet : daz er unsih ni ar ar pe (Clm 19410; Nr.443, BV. 660, 9.Jh., bair.) vorliegt. Für die Lesung E. Steinmeyers spricht nun ebenfalls noch die Anlage des lateinischen Textes und der Vorgang der Wort-für-Wort und Form-für-Form-Ubersetzung, wie sie in den frühen Interlinearversionen wie der Benediktinerregel angenommen werden dürfen2001. Im lateinischen Text (StSpD. 192,14f.) heißt es fater suos! non aliquando fili- I (12)os exheredet. Die Pluralendung ist auf das neue Blatt (12) gesetzt. Hat der Schreiber bei einer Form-für-Form-Ubertragung das gleiche Verfahren angewandt, wie im lateinischen Text vorgegeben, dann hätte er auf Blatt 12 ebenfalls mit der Flexionsendung fortgesetzt und der Beleg wäre als chinder (Akk.Pl.) zu lesen. Nur bei dieser Deutung erweist sich die althoch1994

StSpD. 192,16-18. 1995 „( 12 y, m a r j < l e r t Jen Anfang des nächsten Blattes. 1996 Deutsch und Lateinisch, S. 106. 1997 PBB. 81 (1959) S. 126 und 133. 1998 A word index, S. 45. 1999 Benediktinerregel, S. 9. 2000 So auch SchW. 304. Zustimmend zuletzt U. Wessing, Interpretatio Keronis, S. 327 A. 25. 2001 Man vergleiche U. Daab, Studien zur althochdeutschen Benediktinerregel, S. 30.

Ableitungen von einem Substantiv

393

deutsche Übersetzung als baugleiche Entsprechung. Die Möglichkeit, einen er-Plural zu chint einzuführen, ist sehr leicht denkbar, da die semantische Nähe zu den zunächst Tierjunge bezeichnenden Substantiven, auf die der erPlural anfangs beschränkt war, offensichtlich ist2002. Unzweifelhaft ist aber, will man -ur- nicht als Schreibfehler oder archaisierende Schreibung ansehen, daß nicht von einer einfachen Präfixbildung ahd. ir-erben ausgegangen werden kann2003. Da die Abschwächung des nebentonigen ur- in der verbalen Wortbildung schon seit dem 8. Jahrhundert beobachtet werden kann, und nur noch dort erhalten ist, wo sich das Präfix mit einem Nomen verbunden hatte2004, ist von einer Ableitung zu einem Substantiv *urerbi auszugehen. urwenten 'verwalten' (?). Die Deutung der Glosse StSG. IV,338,43 (Tractanda) : zuuruuente aus der Handschrift London, BMMss. Ad. 19723 (Nr.270, BV. 393, lO.Jh., alem.) ist unsicher. Der Beleg wird StWG. 710 unter Vorbehalt zu einem Ansatz ir-wenten 'umwerfen, zurückhalten, umändern' gezogen. Der Form müßte dann eine Präfixbildung ur-wenten mit vorangestellter Präposition zu Grunde liegen. Anders F. Raven2005, der von ahd. zur-uuenten (?) 'schleppen, berühren' ausgeht, den Beleg aber, trotz der Kennzeichnung als Präfixbildung, unter Ζ placiert. Es handelt sich um eine Glosse zu Juvencus 4,227f. Sicut enim, longos cui contingit ire prefecto in terras, credens seruis tractanda talenta uni quinqué dedit, duo cepit et alter habenda, tertius unius curam traclare talenti suscepit, uires quoniam diuersa merentur. "So geschah es nämlich, daß ein Mann in ferne Länder verreiste. Er vertraute seinen Sklaven sein Geld zur Verwaltung an und gab dem ersten fünf Talente, der zweite erhielt zwei und der dritte hatte nur für die Verwaltung eines einzigen zu sorgen, da ja jeder entsprechend seinen Fähigkeiten Verschiedenes verdiente." Die Bedeutung der Glosse kann nur schwer mit den für ahd. ir-wenten ermittelten Bedeutungen in Einklang gebracht werden2006. Der von T. Starck - J.C. Wells bevorzugten Deutung der Glosse als Präposition + Präfixbildung ist aber wohl zuzustimmen, da auf diese Weise kein Eingriff in die Überlieferung vorgenommen werden muß. Da aber die Schreibung ur- wahrscheinlich macht, daß kein Verbalpräfix ir- vorliegt2007, sollte der Beleg, wenn nicht doch eine Verschreibung erfolgt ist, nicht unter wenten verzeichnet werden. Es kann dann nur eine nominale Basis, etwa ahd. *urwenti, zu Grunde liegen. Bedeutungen, wie sie in ahd. gi^wenten 'führen, leiten, bringen' (SchW. 315) vorliegen, können zumindest den Zusammenhang mit dieser Wortfamilie

2002 2003 2004 2005 2006 2007

M a n vergleiche dazu auch DWB. 5,707. So KFW. Sieh dazu zuletzt auch U. Wessing, Interpretatio Keronis, S. 733. RVA. 202. M a n vergleiche dazu auch SchW. 315 unter diesem Stichwort. Z u m Präfix ur- sieh unter urerben.

Ableitungen v o n einem Nominalstamm

394

absichern. Das wohl durative Verb setzt im Zweifelsfall eine substantivische Basis voraus.

b4. Ableitungen von Komposita 'freundlich reden', (Gl.); StWG. 730, RVA. 262. Zwei Belege, StSG. 1,421,9 Satisfac : gidancho i vuilli vurti\ Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11 Jh., bair.2008 und ebenda 1,424,37 Satisfac : uuilliuurti. Glosse zu II Sm 19,7 nunc igitur surge et procede et adloquens satisfac servis tuis. "Stehe also jetzt auf und geh heraus und tue deinen Knechten Genüge, indem du zu ihnen redest." (Man vergleiche ae. willewyrdan 'einem zu Willen reden, gute Worte geben'). Zu *williwurt 'Freundlichkeit'; man vergleiche SchW. 332 giwurt 'Geschehen, Freude' sowie antwurti SchW. 902009.

williwurten

J. Zusammenstellung der Belegverteilung a. Chronologische Gliederung Es lassen sich im Althochdeutschen 318 desubstantivische y^w-Verben ermitteln. Davon sind 77 Verben für das Urgermanische vorauszusetzen, 69 Verben für das Westgermanische nachweisbar und mehr als die Hälfte der Bildungen (172) sind erst seit althochdeutscher Zeit bezeugt. Erfaßt werden in dieser Tabelle alle Ableitungen, bei denen die Stammklasse der Basis ermittelt werden konnte. α. Urgermanische Bildungen

(77)

a) Ableitungen von einem «-Stamm aa) Ableitungen von Simplicia:

(34) (34)

ambahten, bluoten, bouh(ha)nen, fulken, fuoüren, hermen, kemben, -kleimen, leisten, lenten, limen, liuhten, lucken, mahalen, mur den, nagalen, niden, nisten, ringen, -spotten, spurten, stempfen, stürmen, teilen, träumen, tuomen, wäfanen, wahsen, wehsalen, -wergen, wunscen, wuofen, zeihhanen, zimbaren.

b) Ableitungen von einem ja-Stamm ba) Ableitungen von Simplicia:

(2) (1)

erben. 2008

Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gre-

gors, S. 507-513. 2009 Sieh auch LSEW. 288f. mit Verweis auf ae. willewyrdan.

Ableitungen von einem Substantiv

bb) Ableitungen von Partikelkomposita:

395

(1)

antwurterp-.

c) Ableitungen von einem wa-Stamm ca) Ableitungen von Simplicia·

(2) (2)

scatewen, smirwen.

d) Ableitungen von einem /-Stamm da) Ableitungen von Simplicia:

(7) (7)

arbeiten, briaven, fristen, quisten, nôten, tulden. wânen.

e) Ableitungen von einem o-Stamm ea) Ableitungen von Simplicia:

(15) (15)

buozzen, drewen, /¡deren, furbten, goumen, lougnen, merken, multen, ruohhen, scerren, stiuren, warnen, gi-wilen ?, zeigen, Zeilen.

f) Ableitungen von einem «-Stamm fa) Ableitungen von Simplicia:

(5) (5)

dursten, grünten, huggen, hungaren, lusten.

g) Ableitungen von einem «-Stamm ga) Ableitungen von Simplicia:

(3) (3)

nemnen, scûwen, -sperren.

h) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen ha) Ableitungen von Simplicia: (7)

(7)

lâwen, murdiren, rahanen, ruogert, stouwen, studen, -temmen.

i) Ableitungen von in keiner germanischen Einzelsprache bezeugten Basen (2) ia) Ableitungen von Simplicia: (2) hören, refsen.

ß. Erst im Westgermanischen bezeugte Bildungen:

(69)

a) Ableitungen von einem Ä-Stamm aa) Ableitungen von Simplicia:

(27) (27)

-brurten, buosumen, dempfen, dingen, -eiden, feinten, filien, -gulden, bersten, huoren, huoten, kempfen, muoten, -reifen, rimen, ruomen, siften, scalken, spilen, stiften, -sulen, swermen, toumen, Tilintaren, wirken, Zilien, zänen.

b) Ableitungen von einem wa-S tamm

(2)

396

Ableitungen von einem Nominalstamm

ba) Ableitungen von Simplicia:

(2)

kniuwen, sarewen.

c) Ableitungen von einem /-Stamm ca) Ableitungen von Simplicia:

(9) (9)

brüten, dulten, jibten, krefien, scirmen, -spuoten, wâlen, würzen, zuhten.

d) Ableitungen von einem o-Stamm da) Ableitungen von Simplicia:

( (

âhten, -diuten, eggen, êren^, ßuobiren, frummen, furben, kämen, mieten, resten, -rinten, scenten, suonen, terren, -triuwen, -tungen, uoben.

e) Ableitungen von einem yo-Stamm ea) Ableitungen von Simplicia:

( (

unden.

f) Ableitungen von einem wo-Stamm fa) Ableitungen von Simplicia:

( (

habsenen.

g) Ableitungen von einem »-Stamm ga) Ableitungen von Simplicia:

(3) (3)

bruogen, -hirzen, zwengen.

h) Ableitungen von Basen, deren Stammklasse nicht sicher bestimmbar ist

(1) ha) Ableitungen von Simplicia:

(1)

wîffen.

i) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen ia) Ableitungen von Simplicia:

bruoten, -ebben, gi-fären, îlen, meinen, -sigilen, scinteti.

(6)

j) Ableitungen von in keiner germanischen Einzelprache bezeugten Basen (2) ja) Ableitungen von Simplicia: (1) îlen.

jb) Ableitungen von Komposita: williwurten.

(1)

397

Ableitungen von einem Substantiv

γ. Erst im Althochdeutschen bezeugte Bildungen:

(172)

a) Ableitungen von einem ¿-Stamm aa) Ableitungen von Simplicia:

(46) (40)

-adalen, -beinen, besten, brâdemen -diuben, diuwen, -ben2, fiuren, ßeiscen, gerten, -gisalen, heggen, helsen, bufaren, knüpfen, krademen, kurnen, -lenken, mantalen, muosen, reinen, rosten, rösten, -satlilen, -sepfen, sidalen, silberen, -scoffen, scûmen, scuoben, -stocken, strälen, trösten, tuobben, walmen, wiscen, wuntren, zeinenzinsen, zürnen.

ab) Ableitungen von Partikelkomposita:

(3)

anafangen, -unslihten, urdanken.

ac) Ableitungen von Komposita:

(3)

âbandmuosen, -hêrtuomen, niwibluoten.

b) Ableitungen von einem y^-Stamm ba) Ableitungen von Simplicia:

(18) (8)

ârunten, -biladen, biliden, [bjioreiten ζ -himen, lubben, -mitten, riuten.

bb) Ableitungen von Partikelkomposita: anamâlen, ant(a)lengen, diuten, -insigilen, munden,

(6) urkunden.

bc) Ableitungen von Komposita:

(4)

argwânen, bismerien, widarmuoten, wolaquetten.

c) Ableitungen von einem wtí-Stamm ca) Ableitungen von Simplicia:

(1) (1)

trisiwen.

d) Ableitungen von einem /-Stamm da) Ableitungen von Simplicia:

(33) (20)

angusten, -beigenblesten, fluhten, frêbten, furzen, -gesten, giften, guzzen, kusten, listen, rusten, scuzzen, -snuoren, stricken, tränen, zenden, zennen\ zenneri2, zumpften.

db) Ableitungen von Partikelkomposita:

(8)

gimunten, ginuhten, giwurten, gizumpften, undulten, ungizumpften, unmabten, urlusten.

de) Ableitungen von Komposita:

(5)

-friundscaften, ginozsceffen, missizumpften, órslegen, winiscaffen.

e) Ableitungen von einem ¿-Stamm ea) Ableitungen von Simplicia:

(23) (21)

fackilen faikilen^, fteren, flehen, -gneisten, buosten, -kliuwen, leisinen, -nuscen, -nusten, rerten, rünen, runsen, ruowen, -seien, scelen, -seinen, spriuzzen, sulzen, -truosanen, weiden.

eb) Ableitungen von Partikelkomposita: antreiten, genâden.

(2)

398

Ableitungen von einem Nominalstamm

f) Ableitungen von einem yo-Stamm fa) Ableitungen von Simplicia:

(2) (2)

-burdinen, -hizzen.

g) Ableitungen von einem yó-Stamm ga) Ableitungen von Simplicia:

(1) (1)

klâwen.

h) Ableitungen von einem κ-Stamm

(13)

ha) Ableitungen von Simplicia:

(12)

blât(a)ren, brücken, deismen, gnaneisten, hiwen, ougen, slengiren, -sprâten, spuolen, widamen,

-witwen,

-zotten.

hb) Ableitungen von Komposita:

(1)

nasesnûden.

i) Ableitungen von Basen, deren Stammklasse nicht sicher bestimmbar ist ia) Ableitungen von Simplicia:

(8)

brahten, gotten, bîraten, kimen, mesihhen, scimpfen, -soumen, wio[tjen ?

j) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen ja) Ableitungen von Simplicia: (18)

(18)

-boren, fnlhten, gioiteti, -heien, koufen, lemsen, lohen, löten, mieren, pfriemen, -râhhen, râsen, spirdren, stivulen, wiften, zeinen1, zelten, zohen.

k) Ableitungen von in keiner germanischen Einzelsprache bezeugten Basen ka) Ableitungen von Simplicia:

(2)

birnen, lisemen.

kb) Ableitungen von Suffixbildungen:

(3)

chnuodilen, scre[n]kilen, trocbsilen.

kc) Ableitungen von Partikelkomposita:

(4)

antlingen, giduften, urerben, urwenten.

Betrachtet man diejenigen Ableitungen, deren Basis im Althochdeutschen erhalten und deren Stammklasse mit einiger Sicherheit zu bestimmen ist (266), für sich, so ergibt sich folgende Verteilung:

Ableitungen von einem Substantiv

Urgermanisch ¿-Stamm ya-Stamm œw-Stamm /-Stamm o-Stamm yo-Stamm wó-Stamm «-Stamm K-Stamm

Westgermanisch

34 2 2 7 15

399

Althochdeutsch

27

46 18 1 33 23 2 1

-

2 9 17 1 1

-

5 3

-

-

3

13

Die Ableitungen von Λ-Stämmen (107) stellen den weitaus größten Anteil. Auch eine deutliche Mehrzahl der schon für das Urgermanische vorauszusetzenden desubstantivischen jan-Verben ist von «-Stämmen abgeleitet (34). Auffällig ist dagegen, daß Ableitungen von «-Stämmen nur in vergleichsweise geringer Zahl (insgesamt 19) bezeugt sind. Davon sind 13 erst seit althochdeutscher Zeit nachweisbar. Im Althochdeutschen dann ist das Verhältnis zwischen den a/ja/wa-Stämmen, /-Stämmen und ô/jô/wô-Stämmen weitgehend ausgeglichen. Ein jan-Vçrb kann ohne formale Beschränkung von jedem Substantiv abgeleitet werden. Die Betrachtung der Basen nach dem Grad ihrer Komplexität ergibt ein eindeutiges Bild:

Urgermanisch Ableitungen von Simplicia Ableitungen von Partikelkomposita Ableitungen von Komposita Ableitungen von Suffixbildungen

76

Westgermanisch 68

1

Althochdeutsch 133

23

1

13

3

400

Ableitungen v o n einem N o m i n a l s t a m m

Die große Mehrzahl der Bildungen ist von Simplicia abgeleitet. Ableitungen von komponierten, präfigierten oder suffigierten Basen sind in nennenswerter Zahl erst seit althochdeutscher Zeit bezeugt. Dabei handelt es sich dann in erster Linie um Ableitungen von Partikelkomposita und von Komposita. Als Ableitung von einer Suffixbildung kommen, wenn überhaupt, mit ahd. trochsilen 'beflecken', skre[n]kilen ? 'nageln' und chnuodilen 'erkennen' nur drei Verben in Frage, die möglicherweise zwei sonst nicht bezeugte Substantive *trochsal, *screnkil und *chnuod.il voraussetzen. Auch die Bildungen von Nomina mit dem zweiten Bestandteil -scaf(t) und -tuom, die ebenfalls nur in verschwindend geringer Zahl nachweisbar sind (sieh 2.1.3 ac und de), erscheinen bereits zu einem so frühen Zeitpunkt, als diese noch als Grundwort eines Kompositums aufgefaßt werden konnten. Da es sich bei den vergleichsweise seltenen Ableitungen von komponierten Basen offenbar fast ausschließlich um Neubildungen aus althochdeutscher Zeit handelt, scheint damit aber immerhin doch ein deutliches Zeichen für die fortdauernde Produktivität des ya-Suffixes vorzuliegen.

b. Semantische Gliederung Bei der semantischen Analyse sind alle nicht-präfigierten Ableitungen von nicht komponierten Basen erfaßt worden, soweit die Basis zumindest in einer germanischen Einzelsprache erhalten ist. Dabei handelt es sich um 213 desubstantivische Ableitungen. Sie können mehrheitlich, aber nicht ausschließlich, eindeutig auf ein Ableitungsmuster bezogen werden. Dort, wo möglicherweise Doppelmotiviertheit bei gleicher Ableitungsbasis vorliegt, sind die betreffenden (3) Verben zur Kennzeichnung in runde Klammern gesetzt worden. Es ergeben sich daher 216 erfaßte Ableitungsbeziehungen. Wie zu Beginn dieses Kapitels ausgeführt, sind desubstantivische Ableitungen im Regelfall Durativa. Allein die zweifelhaften Fälle buosumen und fleiscen und wintaren weichen ab.

α. Urgermanische Bildungen

(68)

1. Finale Verben a) FACIENTTVA aa) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(28) (10)

ambahten, mahalen, murden, ringen, teilen, tuomen, wehsalen, wunscen, wuofen, zeihhanen.

ab) Ableitungen von einem /-Stamm: arbeiten, briaven f, fristen, quisten, nôten, tulden, wânen.

(7)

Ableitungen v o n einem Substantiv

ac) Ableitungen von einem o-Stamm:

(7)

buozzen, drewen, goumen, leugnen, scenen, warnen, Zeilen.

ad) Ableitungen von einem «-Stamm:

(2)

(grünten), buggen.

ae) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen: ruogen ?, stouwen.

b) ORNATIVA ba) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(2)

(14) (6)

boubkanen, fuotiren, bermen, lenten £ wâfanen, wabsen.

bb) Ableitungen von einem wa-Stamm:

(2)

scatewen, smirmen.

bc) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(2)

merken, ruohhen.

bd) Ableitung von einem «-Stamm:

(1)

(grünten).

be) Ableitungen von einem «-Stamm:

(2)

nemnen, scûwen.

bf) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten rahanen.

c) INSTRUMENTALIA ca) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(1)

(9) (6)

kemben, limen, lucken, nagalen, stempfen, zimbaren.

cb) Ableitungen von einem o-Stamm:

(1)

stiuren.

cc) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen: murdiren, studen.

(2)

d) OCCUPATIVA

(6)

da) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(4)

/ulken, leisten, nisten, spurien.

db) Ableitungen von einem o-Stamm: multen, zeigen.

(2)

402

Ableitungen von einem Nominalstamm

2. Kausale Verben: a) EMOTIVA aa) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(6) (1)

nîden.

ab) Ableitungen von einem y^-Stamm:

(1)

erben.

ac) Ableitungen von einem o-Stamm:

(1)

furhten.

ad) Ableitungen von einem «-Stamm:

(3)

dursten, bungaren, lasten.

b) FIENTIVA ba) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(5) (4)

bluoten, liuhten, stürmen, troumen.

bb) Ableitungen von einem o-Stamm:

(1)

ßderen.

ß. Erst im Westgermanischen bezeugte Bildungen

(51)

1. Finale Verben: a) FACIENTIVA aa) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(21) (8)

buosemen £ dingen, huoren, kempfan, rimen, spilen, swermen, wirken.

ab) Ableitungen von einem /-Stamm:

(2)

jihten, zuhten.

ac) Ableitungen von einem o-Stamm:

(9)

âhten, frummen, furhen, kûmen, resten, scenten, suonen, terren, uoben.

ad) Ableitungen von einem «-Stamm:

(1)

bruogen.

ae) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen: meinen.

(1)

b) ORNATIVA ba) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(11) (3)

huoten, ruomen, zûnen.

bb) Ableitungen von einem œw-Stamm:

(1)

Ableitungen von einem Substantiv

bc) Ableitungen von einem /-Stamm:

(4)

kreften, scirmen, wáten, würzen.

bd) Ableitungen von einem o-Stamm:

(3)

êren^, fiuobiren, mieten.

c) INSTRUMENTALIA ca) Ableitungen von einem «-Stamm:

(6) (4)

dempfen, bersten, siften, stiften.

cb) Ableitungen von einem ó-Stamm:

(1)

eggen.

cc) Ableitungen von einem »-Stamm:

(1)

zwengen.

d) OCCUPATIVA da) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(9) (4)

filien, muoten, scalken, Zilien £

db) Ableitungen von einem «w-Stamm:

(1)

kniuwen.

de) Ableitungen von einem z-Stamm:

(1)

brüten.

de) Ableitungen von einem wo-Stamm:

(1)

babsenen.

dd) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen: bruoten, scinten.

(2)

2. Kausale Verben: a) EMOTIVA aa) Ableitungen von einem z-Stamm:

(1) (1)

dulten.

b) FIENIWA ba) Ableitungen von einem «-Stamm:

(3) (2)

feinten, toumen.

bb) Ableitungen von einem y^-Stamm: unden.

(1)

404

Ableitungen von einem Nominalstamm

γ. Erst im Althochdeutschen bezeugte Bildungen:

(96)

1. Finale Verben: a) FACIENTIVA aa) Ableitungen von einem d-Stamm:

(32) (7)

(fleiscen), beggen, bufaren, knüpfen, (krademen), reinen, sidalen.

ab) Ableitungen von einem y^-Stamm:

(4)

arunten, biladen, biliden, riuten.

ac) Ableitungen von einem /-Stamm:

(8)

fluhten, frêbten, furzen, giften, guzzen, listen, scuzzen, zumpften.

ad) Ableitungen von einem ó-Stamm:

(6)

fackilen^, flehen f, rerten, ränen, ruowen, weiden.

ae) Ableitungen von einem «-Stamm:

(2)

brücken, hîwen.

af) Ableitungen von Basen mit nicht sicher bestimmbarer Stammklasse: (2) brahten, hîraten.

ag) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen: fnâhten, kaufen, zelten.

(3)

b) ORNATIVA ba) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(13) (6)

(fleiscen), mantalen, silberen, scuoben, trösten, zinsen.

bb) Ableitungen von einem yd-Stamm:

(1)

lubben.

bc) Ableitungen von einem œw-Stamm:

(1)

trisrwen.

bd) Ableitungen von einem /-Stamm:

(1)

rusten.

be) Ableitungen von einem ó-Stamm:

(1)

sulzen.

bf) Ableitungen von einem «-Stamm:

(1)

widamen.

bg) Ableitungen von Basen mit nicht sicher bestimmbarer Stammklasse: (1) scimpfen

bh) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen: mieren.

(1)

Ableitungen von einem Substantiv

c) INSTRUMENTALIA ca) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(17) (6)

besten, gerten, rösten, strâlen, wiscen, Leinen

cb) Ableitungen von einem /-Stamm:

(3)

stricken, zenden, zennen

cc) Ableitungen von einem o-Stamm: 2

fackilen ,

(2)

spriuzzen.

cd) Ableitungen von einem œw-Stamm:

(1)

klàwen

ce) Ableitungen von einem «-Stamm:

(1)

slengiren.

cf) Ableitungen von Basen mit nicht sicher bestimmbarer Stammklasse: wio[t]en.

(1)

cg) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen: löten, spirdiren, stivulen.

(3)

d) OCCUPATIVA da) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(11) (4)

diuwen, heben, muosen, tuohben.

db) Ableitungen von einem o-Stamm:

(3)

leisinen, runsen, salen.

de) Ableitungen von einem «-Stamm:

(1)

deismen.

dd) Ableitungen von Basen mit nicht sicher bestimmbarer Stammklasse: mesihhen.

(1)

de) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen: wiften, zeinen2.

(2)

e) AGENTIVA

(2)

ea) Ableitungen von Basen mit nicht sicher bestimmbarer Stammklasse: gotten.

(1)

eb) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen: zohen.

f) PRIVATIVA fa) Ableitungen von einem Ä-Stamm: kumen.

(1)

(2) (1)

406

Ableitungen von einem Nominalstamm

fb) Ableitungen von Basen mit nicht bestimmbarer Stammklasse: kirnen.

(1)

2. Kausale Verben: a) EMOTIVA aa) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(5) (3)

walmen, wuntren, zurríen.

ab) Ableitungen von einem z-Stamm:

(2)

angusten, kusten.

b) FIENTTVA ba) Ableitungen von einem ¿-Stamm:

(14) (5)

brddemen, fiuren, (krademert), rosten, scûmen.

bb) Ableitungen von einem z-Stamm:

(3)

blesten, tränen, zennen*·.

bc) Ableitungen von einem o-Stamm:

(1)

huosten.

bd) Ableitungen von einem «-Stamm:

(3)

blâtaren, gnaneisten, ougerp·.

bf) Ableitungen von im Althochdeutschen nicht bezeugten Basen: (2)

glasten, lohen.

Eine Aufgliederung nach den semantischen Typen und dem vermutlichen Alter der Bildungen gibt demnach folgendes Bild: Urgermanisch Facientiva Ornativa Instrumentalia Occupativa Agentiva Privativa Emotiva Fientiva

28 14 9 6

Westgermanisch 21 11 6 9

-

-

-

-

6 5

1 3

Althochdeutsch 32 13 17 11 2 2 5 14

Ableitungen von einem Substantiv

407

Die ermittelten 215 Ableitungsbeziehungen der 212 erfaßten desubstantivischen Ableitungen verteilen sich auf 181 Verben mit finaler und 34 Verben mit kausale Handlungsstruktur. Bei den kausalen Verben stehen sich 12 Emotiva und 22 Fientiva gegenüber. Es ist auffallig, daß die Zahl der Fientiva erst in althochdeutscher Zeit etwas stärker ansteigt. Hier sind allein 14 Verben zum ersten Mal bezeugt. Unter den finalen Verben stellen die Facientiva mit 79/81 Verben die größte Gruppe. Gut vertreten sind weiter die Ornativa (36/38), Instrumentalia (32) und Occupativa (26). Agentiva (2) und Privativa (2) demgegenüber kaum.

408

Ableitungen von einem Nominalstamm

2. Ableitungen von einem Adverb Die Z u s a m m e n s t e l l u n g enthält 14 Verben, die m i t einiger Gewißheit als deadverbiale Ableitungen bezeichnet werden k ö n n e n . Bedenkt m a n , d a ß auch aus den Klassen 2 u n d 3 der althochdeutschen schwachen Verben n o c h deadverbiale Bildungen hinzukommen 2 0 1 0 , so ist es verwunderlich, d a ß diese Bildeweise bisher so wenig Beachtung g e f u n d e n hat. In der Darstellung W. Meids fehlt jeder Hinweis auf diesen Wortbildungstyp. Bei H . Paul u n d W. W i l m a n n s , ebenso wie bei W. Henzen, werden die deadverbialen Bildungen n u r unter den deadjektivischen Ableitungen miterwähnt 2011 . Für das Althochdeutsche hat erst J. Splett in seiner k n a p p e n Übersicht über die althochdeutsche W o r t b i l d u n g die deadverbialen Ableitungen den anderen Typen als eigenständiges M u s t e r zur Seite gestellt 2012 . Die Verben: ufaren 'wiederholen', (N.; Gl.); KFW. 1,698, SchW. 82, R M W A . 83, StWG. 37, RVA. 1. StSG. 11,313,36 Iterata : kiauartiu, Karlsruhe, BLB. Aug. I C (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh., alem.2013; Glosse zu Greg. h o m . 1,18,1508 tarnen eis se iterata non desinit voce praedicare. " D e n n o c h h ö r t er nicht d a m i t auf, sich i h n e n gegenüber m i t wiederholter S t i m m e zu rühmen." (Nur ahd.). Z u afur 'aber, wieder, wiederum', KFW. 700f„ SchW. 82, StWG. 372014. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] bis[î]ten ? 'zurückweisen', (ein Beleg StSG. 1,238,31 repudiet : piseitit Kb.); StWG. N . 853, RVA. 168 bi-seiten. Ahd. piseitit als Übersetzung f ü r lat. répudiât zu repudiare 'zurückweisen, verschmähen' ist unklar. J. Splett 2015 ändert i m A n s c h l u ß an E.G. G r a f f 0 1 6 beseiten in bisîten ? 'zurückweisen'. Die Glosse findet wohl n u r d a n n eine adequate Erklärung, wenn ein Z u s a m m e n h a n g

2010 ^ Henzen, Deutsche Wortbildung, gibt auf S. 216 vier Beispiele fur Ableitungen "zu Partikeln und Adverbien" der ôn-Klasse. Eine noch unvollständige Darstellung des Bestandes deadverbialer ¿¡«-Verben bei E. Pollard, Über die -ôn und -jan^Itrba, S. 24-26. 2011 Sieh W. Meid, Wortbildungslehre. H. Paul, Deutsche Grammatik, Bd. 5, S. 118 nennt Ableitungen von gegen und wider, W. Wilmanns, Wortbildung, Bd. 2, S. 57 fünf, W. Henzen, Deutsche Wortbildung, S. 214 zwei Ableitungen. Eine Ausnahme bildet die Arbeit von M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, die den altnordischen deadverbialen Bildungen ein gesondertes Kapitel widmet. 2012 Wortbildung des Althochdeutschen, S. 1050f. 2013 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 17. 2014 Man vergleiche G. Schmidt, Studien zum germanischen Adverb, S. 265f. 2015 Abrogans-Studien, S. 349 und 501. 2016 GSp. 6,166.

Bildungen von einem Adverb

409

mit nhd. beseitigen2017 angenommen werden kann. Es läge dann eine Ableitung von einem Adverb vor, das in mhd. besîte 'beiseits, zur Seite' erhalten ist. Die Bearbeiter des KFW.2018 und F. Raven haben sich der Konjektur E.G. Graffs dagegen nicht angeschlossen. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] gi-êren2 ? 'zeitlich vorverlegen' (?), (ein Beleg StSG. 11,50,42 Continuenda : zi kienanne. kifruanne)·, KFW. 3,384, StWG. 805, fehlt RVA. Der Beleg aus der Handschrift Oxford, BL. Jun 25 (Nr.493, BV. 725, 1.Viertel 9.Jh„ alem.2019) ist Glosse zu Reg. Ben. 41,552 quam prandii sextam, si operis in agris habuerint, aut astatis fervor nimius fuerit, continuando, erit, et in abbatis sit Providentia ... "Die

Mahlzeit zur sechsten Stunde soll beibehalten werden, wenn sie Arbeit auf den Feldern haben, oder die Hitze des Sommers allzu groß ist, und sie liege im Entscheidungsbereich des Abtes." Es handelt sich wohl um eine Fehlübersetzung, da der Kontext offensichtlich mißverstanden wurde. Möglicherweise könnte die Glosse auch auf einem Mißverständnis der Stelle beruhen und mit erien 'pflügen' verbunden werden. Dann läge kein schwaches jan-Verb vor. Sieh auch unter gi-fruoen. (Nur ahd.)2020. Zu 'er 'einst, vormals, früher', KFW. 3,323f„ SchW. 124, StWG. 129; as. afr. er, ae. sbr, got. air(is).

firren 'entfernen, fernhalten', (N.; Gl., ir- Β. GB. L. Ν. O. OT. T. WK.; Gl.) KFW. 3,914f., SchW. 135, RMWA. 86, StWG. 158, RVA. 41. Das Simplex ist zuerst bezeugt StSG. 11,190,71 Elongatur : giuirrit in der Handschrift Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.2021; Glosse zu Greg, cura 3,17, 59 ... quid itaque elatione dejectius, quae dum supra se tenditur, ab altitudine verae celsitu-

dinis elongatur. "... was ist deshalb verwerflicher als eine Überheblichkeit, die, indem sie hinaufstrebt, sich von der Höhe und wahrer Erhabenheit entfernt." 2017

Sieh dazu KEW. 78. 1,1111 mit Verweis auf bi-seiten. 2019 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 460f. 202? M a n vergleiche KFW. 3,384 zur Stelle. 2021 KFW.: 9.Jh. Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750. 2018

410

Ableitungen von einem Nominalstamm

(Man vergleiche as .finían 'entfernen', afr .fira 'fern sein', a t. finan 'entfernen, zurückziehen', an .fina 'entfernen, freimachen, retten')2022. Zu ahd .fer 'fern, weit', KFW. 3,738, SchW. 132, StWG. 1472023; man vergleiche as. fer, dix. fir, fer, an. fiar-, [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] fremmett 'etwas vollbringen, darbringen', (OT. T. WH; Gl., gi- FB. MB. T.; Gl.); KFW. 3,1243, SchW. 140, RMWA. 78, StWG. 177, RVA. 294. Tatian 114,4f. ... inti solihiu megin, thiu thuruh sino [Christi] hen ti uuerdent gifremit102*. (Man vergleiche as. fremmian 'fördern, ausführen, nützen, gut tun', afr. frema, zt.fremman, an. fremja 'fördern, sich auszeichnen'). Zu ahd. fram in der Bedeutung 'vorwärts, vor, nach vorn', KFW. 3,121 lf., SchW. 139, StWG. 175; man vergleiche afr. ae. an. got. fram 'vorwärts'2025. Denkbar wäre auch, das Verb als Ableitung vom gleichlautenden Adjektiv aufzufassen, doch legen Bedeutung und Belegdichte es näher, mit M. Schnieders2026 von einer deadverbialen Bildung auszugehen. Das Adverb könnte dann auch als Basis für germ. *framea 'Speer' gelten, das von W. Krause2027 wohl zutreffend mit der Wurzel idg. *pro- in Verbindung gebracht wird2028. In diesem Sinne ist wohl auch die Bemerkung H. Kuhns2029 zu deuten, framea sei zu fram- 'voraus' zu stellen. Der altenglische Beleg wird auch von Y.M. Bierse2030 als deadverbiale Bildung aufgefaßt. Eine Bedeutung 'etwas vorwärts bringen' kann dann auf eine faktitive Struktur zurückgeführt werden. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] gi-fruoen 'früh kommen; zeitlich vorverlegen (?)', (Gl.); KFW. 3,1308, StWG. 181, RVA. 44. F. Raven und die Bearbeiter des StWG. verzeichnen nur StSG. IV,206,5 Manko : gefruao aus der Handschrift Trier, Bibliothek des Priesterseminars Hs. 61; Nr.567, BV. 877, ll./12.Jh., mfrk.2031; aus einem nicht bestimmten Glossar. Nach P. Katara2032 handelt es sich möglicherweise um eine Glosse zu Lc 21,38 et omnis populus manicabat ad. eum in tempio audire eum. "Und alles Volk kam des Morgens früh zu ihm in den Tempel, um ihn zu hören." - Hierher ist wohl auch der Beleg StSG. 11,50,42 Continuenda : zikier-

2022

M a n vergleiche auch E. Urmoneit, Der Wortschatz des Ludwigsliedes, S. 304f. Sieh auch PIEW. 810. 2024 Sieh dazu auch E. Gutmacher, PBB. 39 (1914) S. 21f. 2025 Sieh auch HEW. 209. 2026 Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 113. 2027 framea, S. 585-589 (< germ. *frama-). 2028 M a n vergleiche PIEW. 814 unter pro-mo-, 2029 ZDA. 101 (1972) S. 44. 2030 Conversions in English, S. 178. 2031 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 160-165. 2032 Die Glossen des Codex Seminarli Trevirensis, S. 152. 2023

Bildungen von einem Adverb

411

ranne, kifruanne aus der Handschrift Oxford, BL. Jun 25 (Nr.493, BV. 725, 1. Viertel 9.Jh., alem.2033) zu stellen2034. Die Bedeutung des Beleges scheint besser zu ahd. gi-frummen 'sich vollziehen' zu passen, doch weist die Doppelglossierung zikierranne. kifruanne dann, wenn wirklich von einem Verb gi-êren2 'zeitlich vorverlegen' auszugehen ist, auch für diesen Beleg eher auf eine Bedeutung 'zeitlich vorverlegen'. Es muß dann aber von einer Fehlübersetzung ausgegangen werden2035. Sieh dazu auch oben unter gi-êren2. (Nur ahd.). Wohl zu ahd. fruo 'früh', KFW. 3,1307f„ SchW. 142, StWG. 181; man vergleiche mnd. vro, mnl. vroe. Es kann auch das Adjektiv ahd. fruoi die Basis sein, doch ist das Adverb, daß nur im Deutschen und Niederländischen erscheint, keine deadjektivische Ableitung und ist selbst die ältere Form2036. furd(i)ren 'fördern, befördern', (Gl.); KFW. 3,1375, StWG. 185, StWG. N. XLI. RVA. 52 nur Verweis auf βurdirán. Zuerst StSG. 11,146,24 (Proueatur) : furdrit. Der Beleg stammt aus der Handschrift Frankfurt am Main, Stadtund UB. Ms. Barth. 64; Nr.141, BV. 157, ostfrk.2037; Glosse zu Can. conc. Ancyr. LIII Presbyter, si prœoccupatus corporali peccato provehatur, et confessas fuerit de se, quod ante ordinationem deliquerit, ... "Wenn ein Priester, der durch eine fleischliche Sünde vorbelastet ist, befördert werden soll, und von sich aus gesteht, worin er gesündigt hat ..." (Man vergleiche at.fyrÖran 'fördern'). Zu furdir 'weiter, darüber hinaus', KFW. 3,1372f. (mit Verweis), SchW. 144, StWG. 185; man vergleiche as.furtbof 0 1 *. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] gaganen 'jemandem entgegenkommen', (Gl.); KFW. 4,7f., RMWA. 80, StWG. 188, RVA. 54. Zuerst StSG. 1,285,39 Occurre : kakini. Der Beleg entstammt 2033 Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 460f. 203 So auch KFW. 3,1308. 2035 Sieh ebenda. 2036 Sieh dazu auch PEW. 482. 2037 M a n vergleiche dazu S. Blum, Wortschatz und Übersetzungsleistung, S. 75-77. Zur Herkunft der Handschrift und zu ihrer Datierung sieh auch E. Meineke, BNF. NF. 22 (1987) S. 336-342. 2038 Sieh G. Schmidt, Studien zum germanischen Adverb, S. 352.

412

Ableitungen von einem Nominalstamm

den Handschriften Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 38, 9.Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.2039; Glosse zu Gn 24,12 Domine Deus domini mei Abraham occure obsecro hodie mihi ... "Herr, du Gott meines Herrn Abraham, ich bitte dich, komme mir doch heute entgegen ..." (Man vergleiche ae. giegnan 'wenden, treiben', an. gegna 'entgegengehen, begegnen, treffen, entgegnen')2040. Zu gagan 'entgegen, gegen', KFW. 4,5f„ SchW. 145, StWG. 188; man vergleiι · 2041 che as. gegin, ae. geagn, an. gagn . [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] hintaren 'herabsetzen, erniedrigen', (N.; Gl.); SchW. 167, RMWA. 83, StWG. 277, RVA. 70f. Notker 8,28,11 f. In déro ébini . daz er ne-heînen mer ne-híndert sínero frêhte dártne änderen. (Man vergleiche ae. hindrian 'hindern, zurückhalten', an. hindra 'hindern, aufhalten, sich aufhalten'). Zu hintar 'hinter', SchW. 167, StWG. 277; man vergleiche ae. hinder, got. binda/™. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] nähen 'sich nähern, nahen', (MF. N. NG. O. OT. T. WH.; Gl.); SchW. 219, RMWA. 71, StWG. 430, RVA. 135. Zuerst wohl StSG. 1,34,17 adpropiat : nahit Pa.Ka. (Man vergleiche ae. ge-nêahwian, got. nêhjan 'sich jemandem nähern'). Zu näh 'nah, in der Nähe', SchW. 219, StWG. 430; man vergleiche as. näh, afr. nêi, ae. nêah, an. mí, got. nehi(afWì. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] nidaren 'erniedrigen', (Β. GB. MF. Ν. O. WH.; Gl.); SchW. 222, RMWA. 83, StWG. 439, RVA. 140. Der älteste sichere Beleg wohl Monseer Fragmente 23,27f. Duo kasah iudas . der inan dar forreat . daz . aer ga ni drit uuas . hrau . sih . duo enti arboot dea drizuc ... - Man vergleiche auch StSG. 11,307,69 Serris uitiorum damnat crintilum achustwdirit aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 38, 8.Jh„ alem.2044; Glosse zu Greg. hom. 1,7,1458.

2039

Zur Handschrift vergleiche man W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. Sieh M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 113f. 2041 Sieh G. Schmidt, Studien zum germanischen Adverb, S. 390f. Sieh auch E. Lewy, Kleine Schriften, S. 222. 2042 Sieh G. Schmidt, Studien zum germanischen Adverb, S. 278f. 2043 Sieh PEW. 1150, PIEW. 40. 2044 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberlieferung des 8. Jahrhunderts, S. 17.

Bildungen von einem Adverb

413

(Nur ahd.; von der gleichen Basis an. niÖntfAi. Zu nidar 'unter, nieder, abwärts', SchW. 222, StWG. 439; as. nithar, afr. nither, nether, ae. niöef°46. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] gi-niowibten 'vernichten, vergeuden, verschwenden', (GL); StWG. 441, RVA. 139. Zuerst wohl StSG. 1,573,33 Adnullabunt : giminniront. gineouvihlant aus der Handschrift Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11 Jh., bair.2047 und ebenda giminneront. gineovuihtant, Clm 19440; Nr.448, BV. 665, um 1000, bair.2048; Glosse zu Sir 21,5 cataplectatio et iniuriae adnullabunt substantiam ... "Gewalttat und Frevel vernichten Reichtum ..." (Nur ahd.). Zu niowiht 'nichts', SchW. 224, StWG. 441; man vergleiche ae. nawiht. Die Einordnung unter den Adverbien erfolgt mit der Einschränkung, daß das Negationswort insofern eine Sonderstellung einnimmt, als es als ehemals negierter Negationsverstärker (aus ni iowiht < ni io wibt) ursprünglich auch im Vorfeld des Satzes stehen konnte2049. gi-suntaren 'trennen', (RhC.); SchW. 275; RMWA. 83, RVA. 2,151 unter gisuntaron. Rheinfränkische Cantica, StSpD. 303,1 f. danne zedeileda hoster diede danne gesundereda kind adam ... Häufiger daneben ahd. suntarôn 'aussondern, trennen, teilen' (B. MH. N. O. TC.). (Man vergleiche ae. gesundrian, an. sun Óra 'teilen, trennen'). Zu ahd. suntar, sunder 'besonders, auf besondere Weise, getrennt, abgesondert, alleine stehend', SchW. 275, StWG. 608f.; man vergleiche as. sundar, afr. sunder, ae. sundor, an. sunÖr, got. sundro20S0. ûfen 'hervorheben, erhöhen, bekannt machen, vorbringen, erproben', (Gl.); StWG. 651, RVA. 234. StSG. 1,128,1 Experta : chauffit Pa. kiuftit Kb.Ra. 1,238,10 Rariscent : kiufent Kb. kiuffent Ra. 1,267,29 Vulgata : kiiuffit Kb.

2045

Man vergleiche auch S. Blum, Wortschatz und Übersetzungsleistung, S. 34. Sieh G. Schmidt, Studien zum germanischen Adverb, S. 284. 2047 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 509-514. 2048 Zur Handschrift vergleiche man ebenda, S. 744-749. 2049 Sieh Th. Vennemann, Zur Theorie der Wortstellungsveränderung, besonders S. 308. 2050 Sieh KEW. 679. 2046

Ableitungen von einem Nominalstamm

414

(Man vergleiche ae. yppan 'in die Höhe bringen, öffnen 1 , an• yppa 'aufheben, öffnen') 2051 . Außergermanisch vergleicht sich heth. up-zi 'geht auf (von der Sonne)2052; H. Kronasser2053 verzeichnet einen mündlichen Hinweis K. Matzels, der ahd. ki-(i)uffit 'verbreitet, veröffentlicht' auf eine Grundbedeutung 'von unten heraufgeholt' zurückführt. Zu ahd. ¿/"'oben, obenauf, hinauf, SchW. 293, StWG. 651; man vergleiche r

2054

as. arr. ae. up, an. upp . [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] widaren 'entgegen sein, widersprechen, zurückweisen', (O.; GL); SchW. 322, RMWA. 83, StWG. 723, RVA. 261. Otfrid 3,12,43f. So uuás sô thu es bizéinês, in érdu hiar giméinês, sô uuesez ál in himile, thir níaman thes ni uuídire. (Nur ahd.; daneben ahd. widarôn). Zu ahd. widar 'zurück, dagegen', SchW. 321, StWG. 722; man vergleiche as. afr. wither, ae. wider, an. viÖr, got. wiprcz2055. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] Die erfaßten Belege rechtfertigen den Ansatz eines Ableitungstyps "Deadverbialia", der von den deadjektivischen Bildungen zu trennen ist. Das Zeugnis des Hethitischen kann die deadverbialen Ableitungen zudem als einen sehr alten Typ erweisen2056, der im Zusammenhang der übrigen germanischen Einzelsprachen eine ausführlichere Behandlung verdient hätte. Das Ableitungsmuster der nicht präfigierten althochdeutschen deadverbialen ^«-Verben folgt dem Typ der deadjektivischen Faktitiva.

2051 Sieh dazu M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 114. Sieh auch G. Schmidt, Studien zum germanischen Adverb, S. 190, PIEW. 1106f. 2052 Sieh dazu N. Oettinger, Die Stammbildung des hethitischen Verbums, S. 489. 2053 Etymologisches Wörterbuch der hethitischen Sprache 1,574. 2054 Sieh G. Schmidt, Studien zum germanischen Adverb, S. 181f., KEW. 47f. 2055 Sieh G. Schmidt, Studien zum germanischen Adverb, S. 283-285. 2056 Zu den deadverbialen Verbalableitungen im Hethitischen vergleiche man die Zusammenstellung bei H. Kronasser, Etymologisches Wörterbuch der hethitischen Sprache, l,573f. Sieh auch oben unter ufen. Zum Aussagewert von hethitisch-germanischen Gemeinsamkeiten und zu weiteren lexikalischen Entsprechungen mit dem Hethitischen sieh E. Polomé, Germano-Indo-Aryan Isoglosses, S. 283.

Bildungen auseinem Syntagma

415

3. Bildungen aus einem Syntagma Α. Bildungen aus einer Präpositionalphrase zougen 'zeigen', (T. WH.); SchW. 337, RMWA. 70, StWG. 769 durch··, RVA. 280. Tatian 250,1 f. Ititi mit diu ther heilant uz giengfon themo temple zuo giengun sine iungiron thaz sie imo zougitin thiu gizimbriu thes temples ... Ahd. zougen ist als z-ougen zu deuten. Man vergleiche got. at-augjan 'zeigen' (= 'zum, vors Auge bringen')2057; as. tôgian, afr. toeghen. Die Ableitung erfolgt aus dem Syntagma Präposition + Substantiv als at augam [briggan]. Man vergleiche auch L. Hermodsson 2058 , der, allerdings ohne die Bildeweise zu erklären, die eigentümliche Sonderstellung des Wortes vermerkt. Zu den griechischen Entsprechungen sieh A.L. Rice2059. Zu den auf präpositionalen Verbindungen beruhenden Komposita im Griechischen vergleiche man E. Schwyzer2060. Ein weiterer Beleg für die Verschmelzung der Präposition at mit einem Verbum liegt möglicherweise vor in ahd. zagen 'zagen', falls von einer desyntagmatischen Ableitung aus got. at und agan 'sich fürchten' ausgegangen werden kann2061. Daneben, vielleicht als jüngere Neubildung, steht das Simplex ougenx 'zeigen, offenbaren, vor Augen bringen', (B. GB. I. MF. MH. N. NG. O. T. W H , bi-, gi-, ir- GL); SchW. 231, RMWA. 70, StWG. 455, RVA. 144f. Zuerst bezeugt wohl Isidor 21,18 Untasz hear nu aughidom uuir dhazs gheistliihhe chiruni dhera himiliscun chiburdi in Christe ... Die Bildung paßt nicht in das semantische Schema der Denominativa und dürfte daher wohl aus germ. *at-aug-ija- unter Bezug auf das Substantiv ahd. ouga rückgebildet sein2062. Ein neben zougen zweiter Vertreter dieses Typs ist nur durch lateinische Vermittlung erhalten. 2057

Sieh dazu W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 48. Reflexive und intransitive Verba, S. 98. 2059 Gothic prepositional compounds, S. 80. 2060 Q r ¿ e c ijische Grammatik 1,430. 2058

2061 Man vergleiche W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 45 und 271. In diesem Sinne etwa auch KEW. 804. 2062

M a n vergleiche auch ahd.

ougenen.

Ableitungen von einem Nominalstamm

416

zi-gi-faditnen 'in den Schoß werfen, (= als Erbe an Kindes statt annehmen)', (StSG. 11,354,39 Affatimire : zigifadimanne)\ man vergleiche StWG. 136, dort als gi-fadiman angesetzt, sowie StWG. N. 777 affatimio-, fehlt RVA. Es handelt sich bei affatimio um ein latinisiertes Rechtswort aus der Lex Rib., mit Assimilation von at- zu lat. af-1061. Es bezeichnet den symbolischen Akt des "Halm in den Schoß Werfens" bei der Übergabe des Erbrechts vom Vater auf einen Adoptivsohn2064. Gemeint ist damit offenbar zunächst der Vorgang des Adoptierens, die Annahme an Kindes Statt selbst. Es liegt eine Ableitung vor aus der Komposition von *at (ahd. az 'zu, an, in'; KFW. l,760f.) und *fapm 'Schoß', das althochdeutsch nur als fadam, fadum st.M. 'Garn, Faden' erhalten ist und nur in an. faÖmr Spuren der alten Bedeutung trägt2065. Das Wort lebt zunächst weiter nur in mlat. affatimire. Damit werden verbale Entlehnungen ins Lateinische auch in die -/-Konjugation integriert2066, während aus dieser Klasse kaum Verben ins Althochdeutsche entlehnt werden. Das lateinische Wort nun findet sich in den Glossen zur Lex Ribuaria (Karlsruhe, BLB, St. Peter perg. 87; StSG. 11,354,39 glossiert als Affatimire : zigifadimanne), nun in der allgemeineren Bedeutung 'als Erben an Kindes Statt annehmen'2067. Die Form ist hochdeutsch2068. Da eine Neuübersetzung des latinisierten Rechtswortes erfolgt ist, ist die lateinische Form offenbar nicht mehr durchsichtig und der Zusammenhang mit dem Rechtsbrauch dürfte nicht mehr allgemein geläufig gewesen sein. E. Steinmeier2069 spricht deshalb von der "Unkenntnis des Glossators der Etymologie". Die Glossierung als zi- + -gi-fadimen deutet aber darauf hin, daß von dem Glossator das vorgegebene Muster "Präposition + Substantiv", das durch die Assimilation von at- zu af- nicht mehr ohne weiteres sichtbar war, vielleicht doch noch verstanden wurde, denn der ursprüngliche Kontext (Lex Rib. Tit. 50 ... affatimire ... licentiam habeat) und die Gerundivform hätten ein Verbalpräfix zi- nicht zwingend erforderlich gemacht. Eine Verschmelzung von at und dem Verb, so wie im Fall von ahd. zougen, konnte bei konsonantisch anlautenden Verben nicht erfolgen. Ae. faÖmian und an.faÖma 'umarmen' zeigen dagegen keine Spuren der älteren Bildeweise. Diese Verben erscheinen nur als auf das Substantiv bezogen. Die Etymologie zumindest des althochdeutschen 2063

Sieh dazu Mittellateinisches Wörterbuch 1,346. Sieh dazu auch W. van Helten, PBB. 25 (1900) S. 225-542, besonders S. 453 und S. 459f. sowie DRWB. l,441f. Man vergleiche jetzt auch A. de Sousa Costa, Studien zu volkssprachigen Wörtern, S. 162-164. 2065 M a n vergleiche dazu PIEW. 824, KEW. 198. 2066 Weitere Beispiele für Rechtswörter bei W. van Helten, PBB. 25 (1900) S. 455. 2067 Sieh Mittellateinisches Wörterbuch 1,346. 2068 Man vergleiche U. Bliesener, Die hochdeutschen Wörter, S. 147, dort ohne Hinweis auf die Herkunft. 2069 ADA. 26 (1900) S. 208. 2064

Bildungen auseinem Syntagma

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Verbums, so wie im DRWB. angeführt2070, wäre dahingehend zu ergänzen, daß zu mlat. affatimire und zu ahd. zi-gi-fadimen, der Nachbildung dieses latinisierten germanischen Rechtswortes, kein germ. *fapum-ija-, sondern ein durch mlat. affatimire zu erschließendes Syntagma *at-fadum [werfan] als Basis der Ableitung gelten kann. Das gegebenenfalls sekundäre Vorhandensein eines Verbums *fapum-ija- 'umarmen' ist damit allerdings nicht ausgeschlos-

B. Ableitungen aus einer Wortgruppe wêferben '(wehe der Welt sagen), heulen, wehklagen', (Gl.); StWG. 721, RVA. 251. (Man vergleiche got. waifairhjan 'wehe der Welt sagen'). Es handelt sich um eine Ableitung zu einem Syntagma, das aus einer Interjektion ahd. we 'weh' (SchW. 312, StWG. 702) und einem Substantiv ahd. fer(a)h 'Leben' (KFW. 3,739, SchW. 132, StWG. 147) besteht. Vergleichbare Bildungen können auch für das Baltische erschlossen werden; man vergleiche lit. (v)aimanúoti, lett. (v)aimanât 'wehklagen, jammern, trauern, betrübt sein' aus (v)ai man 'weh mir!'2072. Die Wortbildung kann auf der semantischen Ebene als "delokutiv" bezeichnet werden. Auch die glossierten lateinischen Lexeme sind Delokutiva: StSG. 11,421,21 Heiulantes [feminae]: uueuerhentiu\ Glosse zu Prud. cath. 7,145; StSG. I,397,65f. Ululauit : vueuereta (2); V,91,14 vueuer&a\ Glossen zu I Sm 4,13. Zum Interpretament lat. eiulâre 'ei, ei sagen', das das gleiche Ableitungsmuster zeigt, vergleiche man B. Forssmann2073. E. Aufderhaar2074 begründet seine Uberzeugung, es müsse sich im Althochdeutschen um ein gotisches Lehnwort handeln, in der Hauptsache mit dem Hinweis auf die nur althochdeutsche und gotische Bezeugung. Einen gemeinsamen germanischen Ursprung zieht er demgegenüber nicht in Betracht. Diese Auffassung kann ohne weite2070 2071 2072 2073 2074

DRWB. 1,441 f. M a n vergleiche oben ougen neben älterem zougen. Sieh dazu E. Fraenkel, ZVSpF. 60 (1933) S. 244f. G n o m o n 44 (1972) S. 671. Gotische Lehnwörter, S. 13.

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Ableitungen von einem Nominalstamm

re stützende Indizien jedoch kaum aufrecht erhalten werden. Gerade das Vorliegen eines alten Wortbildungsmusters, sowohl in formaler als auch in semantischer Hinsicht, spricht für eine alte, schon germanische Bildung. Zum gleichen Resultat kommt auch W. Meid bei der Behandlung des Wortfeldes "Welt" im Gotischen und Althochdeutschen 2075 . Got. fairhus in seiner alten etymologischen Bedeutung 'Kosmos, Leben, Welt als Gesamtheit der Schöpfung' tritt nämlich im Verlauf der gotischen Zeit stark zurück und wird weitgehend von manaseps 'Menschenwelt' ersetzt. Got. fairhus erscheint nur noch als Bezeichnung für die unbelebte Welt als Ort2076. Es ist folglich unwahrscheinlich, daß ein Wort, das bereits im Gotischen eine derartige Bedeutungsentwicklung durchläuft, dann beträchtliche Zeit später ins Althochdeutsche in der ursprünglichen Bedeutung als 'belebte Welt' entlehnt wird. Allein durch die Gleichung got. waifairhjan : ahd. wêferhen ist fairhus als vorgotisch zu erweisen2077 und der Bedeutungswandel im Gotischen bekommt so erst seinen Ausgangspunkt. Die Verbindung Präposition + Substantiv und Interjektion + Substantiv zeigt besondere, von denen der denominalen und deverbalen Ableitungen abweichende Verhältnisse. Die ermittelten Beispiele lauten 'in den Schoß werfen' und 'vors Auge führen' sowie 'wehe der Welt sagen'. Der Verbalinhalt der beiden ersten Fälle dient zur Bezeichnung einer Richtung. Der dritte Fall bietet die Sonderform einer Handlung, einen Sprechakt. Derartige Bildungen vom Typ 'etwas sagen' sind häufig. Dabei ist unerheblich, ob ein Syntagma, eine Grußformel oder ein einzelnes Wort die Basis abgibt, zumal es sich bei den Einzelwörtern wohl immer um Interjektionen handelt, die den übrigen genannten Typen in pragmatischer Hinsicht gleichrangig zur Seite gestellt werden können. Belege sind aus den verschiedensten, auch nicht indogermanischen Sprachen zusammengetragen worden2078. E. Benveniste hat diese Verben mit dem treffenden Ausdruck "delokutive Verben" versehen2079. Diese Bezeichnung soll beibehalten werden, wiewohl sie und der mit ihr bezeichnete Sachverhalt in jüngster Zeit gelegentlich in Abrede gestellt wurde. Sie wird hier jedoch in etwas modifizierter Form verwendet. É. Benveniste hatte den fraglichen Typ als eigenständiges Wortbildungsmuster den denominalen und deverbalen Bildungen gegenübergestellt. Dagegen kann - neben der berechtig-

2075

W. Meid, Die Auseinandersetzung germanischer mit orientalisch-griechischer Weltsicht, S. 160-170. 2076 Sieh ebenda S. 165. 2077 Sieh auch ebenda S. 168. 2078 Man vergleiche M. Debrunner, Zur Hypostasierung von Wünschen und dergleichen, S. 113-123; H.Jensen, ZPSK. 4 (1950) S. 126-131; E. Fraenkel, ZVSpF. 60 (1933) S. 244-251. 2079 Les verbs délocutifs, S. 57-63.

Bildungen auseinem Syntagma

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ten Kritik an einzelnen Beispielen2080 - vor allem eingewendet werden, daß das Charakteristische dieser Verben nicht auf der formalen Ebene der Wortbildung zu suchen ist, denn als Basis der Ableitungen sind neben Redewendungen auch Simplizia, insbesondere Interjektionen, denkbar2081. Faßt man die betreffenden Verben jedoch als Teile einer eigenen semantischen Gruppe auf, so lassen sie sich, unabhängig von der formalen Seite der Wortbildung, als eigenständige Gruppe beschreiben. Diese Verben bringen nicht eine beliebige Handlung zum Ausdruck, sondern nur einen bestimmten Handlungstyp, den Sprechakt. Dabei ist die Nähe zu faktitiven und kausativen Ableitungsstrukturen unbestreitbar2082. Die Verben könnten nach dem Muster "x macht Basislexem" > "x macht ein das Basislexem bezeichnendes Wort" entstanden sein2083. Im Verlauf der Sprachentwicklung hat sich der Typ aber schon so weit isoliert, daß er deutlich abgrenzbar neben den klassischen Typen beschrieben werden kann. Got. waifairhjan läßt sich nicht mehr, wie es bei jâzen oder heilezzen vielleicht noch so eben denkbar wäre, mit "ein ja! machen" oder "ein Heil! machen", als "x macht das als Basislexem bezeichnete Wort" paraphrasieren2084. Die Wortart der Basis der Ableitung ist dabei zunächst zweitrangig. Das Besondere der "delokutiven" Verben betrifft nicht ihre formale Ableitungsstruktur als Ableitungen von Nomina oder Interjektionen oder als Bildungen aus Syntagmen, sondern es zielt auf ihr eigenes semantisches Profil neben den Kausativa und Faktitiva als Bezeichnung allein für diese Sonderform sprachlicher Handlungen.

2080 Eine knappe Übersicht über die Diskussion und die wichtigsten Literaturangaben findet man bei D. Steinbauer, Etymologische Untersuchungen, S. 191-193. Sieh auch H. Brekle, Sprachwissenschaft 1 (1976) S. 357-378. 2081 Die Übergänge zwischen Wort u n d Syntagma sind sind in diesen Fällen ohnehin, wie die Beispiele zeigen, fließend. 2082 Sieh D. Steinbauer, Etymologische Untersuchungen, S. 191. 2083 Ebenda 192. 2084 In diesem Sinne ist auch B. Forssmann, G n o m o n 44 (1972) S. 671, zu verstehen, wenn er lat. eiulâre als "delokutive Ableitung" von der Interjektion ei bezeichnet.

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Ableitungen von einem Nominalstamm

4. Ableitungen von einer Interjektion2085 jûven 'brüllen, schreien', (Gl.); StWG. 318 juvenjufen, RVA. 83. StSG. 1,58,15 Boare : iuuent sih Pa. iufen sih Kb. (Nur ahd.). Zu ahd. *jû!\ man vergleiche mhd. jû und jûwen 'rufen, jubilieren'2086. Zur Wortbildung, besonders im Verhältnis zu lat. jûbilâre vergleiche man H. Grundmann 2087 und unten unter juppazzen. Die Graphie dient wohl der Bezeichnung eines Gleitlauts2088. StSG. 1,58,15 Boare : iusen sich Ra. muß nicht, wie J. Splett2089 anführt, eine bloße Verschreibung für iufen sein. Es kann auch eine Umdeutung stattgefunden haben, nach der ju mit dem onomatopoetische Verben bildenden ¿-Formans, man vergleiche etwa ahd. sûsen, verbunden wurde. in(t)-neinen 'abstreiten', (O., fir- 'verneinen' Gl.); SchW. 221, RMWA. 81, StWG. 434, RVA. 137. Zuerst Otfrid 3,10,35f. "Drúhtín", quad siu, "al ist iz só, thaz uuízun uuirgiuutsso, álle man nintnéinent thaz thtnu uuortgiméinent." (Nur ahd.; man vergleiche an. neita). Zu ahd. nein 'nein', SchW. 221; man vergleiche as. nênimo.

2085

Man vergleiche auch Kapitel Γ/.5.Α. unter jâzen. 2086 ^ p j l ; 1483 und 1492. Sieh auch J. Richter, Ursprung und analogische Ausbreitung, S. 152 sowie KEW. 339 unter jauchzen. 2087 Jubel, S. 495. 2088 Weitere Erklärungsmöglichkeiten bei J. Splett, Abrogans-Studien, S. 115. Sieh auch

ebenda 467 unter juven. 2085

Abrogans-Studien, S. 115 mit Verweis auf G. Baesecke, Der deutsche Abrogans, S. 58

A. 1. 2090

Sieh auch KEW. 501, PIEW. 757.

Ableitungen von einem Adjektiv

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5. Ableitungen von einem Adjektiv Im Urindogermanischen tragen deadjektivische Ableitungen mit dem Suffix -ié/cb essive Bedeutung2091. Einem unmittelbar an Adjektivstämme angefügten Denominativsuffix -ié/ó- kommt zunächst niemals eine faktitive Funktion zu. Faktitive Bedeutung haben Ableitungen mit dem Denominativsuffix nur, wenn nicht direkt vom Adjektiv, sondern von einer ursprünglich dem jeweiligen Adjektiv zugeordneten Abstraktbildung ausgegangen wird2092. Auch wenn der faktitive Typ in mehreren Einzelsprachen vorliegt, so ist er durch sein Fehlen im Indoiranischen und Griechischen deutlich als sekundär erwiesen2093. Im Althochdeutschen zeigt sich im Vergleich mit der Grundsprache schließlich ein gänzlich verändertes Bild. Es sind in der Klasse der janVerben unter den Deadjektiva fast ausschließlich faktitive Verben bezeugt. Dieser Sachverhalt wird schon in K. Michels Untersuchung der denominalen ^«-Verben des Germanischen erkennbar2094. K. Michel unterscheidet zwischen solchen deadjektivischen Verben, die eine Handlung ausdrücken, "durch die dem objekt die durch das grundwort bezeichnete eigenschaft zu teil wird" und einer zweiten, sehr viel kleineren Gruppe von Verben, die "ein solches verhalten des subjekts der handlung" ausdrücken, "wodurch es in jenen zustand, den das adjektiv bezeichnet, gelangt"2095. U m präzisere Aussagen bezüglich der Semantik der althochdeutschen deadjektivischen Ableitungen treffen zu können, ist aber auch hier, wie im Falle der Desubstantiva, K. Michels althochdeutsche Materialbasis zu schmal. Daher werden im folgenden auch die althochdeutschen deadjektivischen jan-Verben vollständig aufgeführt. Es sind dabei auf einer ersten Ebene die regelmäßigen Ableitungen mit gleicher Ablautstufe von Basisadjektiv und Derivat von einer daneben stehenden kleinen Gruppe von Verben zu unterscheiden, die offensichtlich auf ein Adjektiv bezogen sind, die sich von diesem aber durch die Ablautstufe unterscheiden. Da neben diesen Verben kein primäres Verb steht, das als Basis der Ableitung in Betracht zu kommen scheint, sind diese Beispiele als "Denominativa mit Ablaut" bezeichnet worden2096.

2091

Sieh G. Klingenschmitt, ZVSpF. 9 2 ( 1 9 7 8 ) S. 2f. Als Beispiel läßt sich ai.

'schnell gehen' zu

raghü

'schnell' anfuhren.

2092

M a n vergleiche D. Steinbauer, Etymologische Untersuchungen, S. 85f.

2093

G. Klingenschmitt, ZVSpF. 9 2 ( 1 9 7 8 ) S. 2f.

2094

Die mit - / abgeleiteten denominativen verba, S. 35-53.

2095

Ebenda S. 39.

2096

M a n vergleiche dazu unten unter 5.G.

raghuyá

Ableitungen von einem Nominalstamm

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Die regelmäßig gebildeten Verben werden nach den im Althochdeutschen vorhandenen Stammklassen der Basisadjektive zusammengestellt2097. Reste einer i- und «-Deklination, die im Gotischen noch greifbar sind, sind im Althochdeutschen untergegangen. Hierher gehörige Adjektive wie ahd. hart aus urgerm. *harÔu-, ahd. lâri aus urgerm. *léz-i- sind zur ja-/jô- bzw. a-/ô-Deklination übergetreten. Innerhalb der Stammklassen erfolgt eine Untergliederung in der Abfolge 1. "Ableitungen von nicht komponierten Adjektiven", 2. "Ableitungen von abgeleiteten Adjektiven", 3. "Ableitungen von Partikelkomposita" und 4. "Ableitungen von Komposita". Am Schluß des Kapitels erfolgt eine tabellarische Übersicht über das Alter der einzelnen Bildungen sowie über die semantischen Bedeutungsgruppen, in der alle Simplicia erfaßt werden, deren Basis in wenigstens einer altgermanischen Einzelsprache erhalten ist und die als Ableitungen von einfachen, nicht komponierten Adjektiven anzusehen sind. Dabei zeigen sich die zwei bereits genannten Bedeutungsmuster: α) Perdurativ-finale Verben Faktitiva Verben vom Typ swerzen 'schwarz machen' zu einer adjektivischen Basis swarz 'schwarz'. Faktitiva sind auf der Ebene der Zeitstruktur perdurative Verben, weil sie eine begrenzt andauernde Handlung bezeichnen, deren Endpunkt erst dann erreicht ist, wenn der durch das Adjektiv bezeichnete Zustand eintritt. Auf der Ebene der Handlungsstruktur sind Faktitiva finale Verben, weil das Erreichen des durch das Adjektiv bezeichneten Zustandes - im Gegensatz zu den Mutativa des Typs ahd. warmen 'warm werden' - eine willentliche Handlung voraussetzt. Faktitiva sind folglich nur solche Verben, die zugleich auch perdurativ und final sind. Den faktitiven Deadjektiva liegt eine zweiwertige Struktur zu Grunde, die mit der Paraphrase "BA (= Basisadjektiv) machen" umschrieben werden kann. ß) Durativ - relationale Verben Essiva Verben vom Typ milten 'Mitleid haben' zu einer adjektivischen Basis milti 'barmherzig'. Essiva sind auf der Ebene der Zeitstruktur durative Verben, weil sie eine in der Zeit unbegrenzt andauernde Handlung bezeichnen, die 2097

Zu den Stammklassen der Adjektive im Althochdeutschen vergleiche man BEG. §§ 244-254. Z u m germanischen Adjektiv sieh HEW. sowie A. Bammesberger, Die Morphologie des urgermanischen Nomens, 1990, S. 236-263. Grundsätzliches zum Adjektiv bei W. Wissmann, Sprachwissenschaft 2 (1977) S. 93-112.

Ableitungen von einem Adjektiv

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den durch das Adjektiv bezeichneten Zustand voraussetzen, über deren Beginn und Ende jedoch nichts ausgesagt wird. Auf der Ebene der Handlungsstruktur sind Essiva relationale Verben, weil dem durch das Adjektiv bezeichneten Zustand weder eine willentliche, noch eine nicht-willentliche Handlung vorausgeht. Relationale Verben stellen nur eine Beziehung her zwischen dem Subjekt einer Handlung und dem mit dem Basisadjektiv bezeichneten Zustand. Essiva sind folglich nur solche Verben, die zugleich auch durativ und relational sind. Den essiven Deadjektiva liegt eine einwertige Struktur zu Grunde, die mit der Paraphrase "BA sein" umschrieben werden kann.

A. Ableitungen von einem ώ/ο-Stamm a. Ableitungen von Simplicia abubben 'verführen, verleiten', (eine Belegstelle StSG. 1,277,44 Deprauatus : kiabuhter. kihabuhter)·, KFW. 1,23, StWG. 14, RVA. 1. Die Belege entstammen den Handschriften Karlsruhe, BLB. Aug. IC; Nr.54, BV. 296 und Oxford, Bl. Jun 25; Nr.493, BV. 715, 9.Jh., alem.; Glosse zu Dt 18,20 propheta autem qui adrogantia depravatili voluerit loqui in nomine meo ... "Doch wenn ein Prophet, durch Vermessenheit verleitet, in meinem Namen verkünden wollte ..." (Nur ahd.)2098. Zu abuh 'falsch, verkehrt', KFW. 1,21 (mit Verweis), SchW. 81, StWG. 14; man vergleiche as. abuh20". Daneben stehen an. ofugr aus *abuga- und got. ibuks aus ^ebuha2'00. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITTV] beiden 'jemanden kühn, tapfer, beherzt machen, ermutigen, zuversichtlich sein', (MF. N. NG.; Gl.); KFW. 1,862, SchW. 94, RMWA. 65, StWG. 45, RVA. 6. Der früheste bezeugte Beleg für die faktitive Bedeutung steht wohl StSG. 1,762,17 Aedificabitur ./. gebaldit vuirdit. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 14179; Nr.380, BV. 568, 11.Jh.; Glosse zu I Cor 8,10 ... nonne conscientia eius cum sit infirma aedificabitur ad manducandum idolothyta. "... wird nicht sein Gewissen, da es schwach ist, ermutigt werden, Götzenopfer zu essen?" Ein Beleg für das Nebeneinander von faktitiver und essiver Ableitungsstruktur liegt vor in der Bedeutung 'Vertrauen haben, zuversichtlich sein', Monseer Fragmente 39,1 modo fidit, modo titubât / . huui lom . bal dita huui lom blugisota.

2098 20,9 2100

Sieh LSEW. 1,33. Zum Adjektiv sieh HEW. 94. Zu diesen Adjektiven sieh ebenda S. 93 und 172f.

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Ableitungen von einem Nominalstamm

(Man vergleiche as. beldian 'kühn machen, den Sinn stärken', ae. bielÖan, an. bella, got. balfyjan 'kühn sein, wagen')2101. Zu bald 'kühn, mutig, schnell bereit, unverzagt', KFW. l,787f. (mit Verweis), SchW. 92, StWG. 41; man vergleiche as. bald, ae. beald, an. ballr, got. balpei2102. Im Althochdeutschen überwiegt die faktitive Bedeutung, 'kühn sein' ist nur an einer Stelle bezeugt. Im Gotischen erscheint balpjan nur mit essiver Bedeutung. Dort, wo im Althochdeutschen die faktitive und essive Bedeutungsstruktur unter der Hülle eines Verbs vereinigt sind, kann schwerlich mehr von einer Dichotomie faktitiv - essiv innerhalb der Gruppe der deadjektivischen Verben gesprochen werden. Bei den fraglichen Verben handelt es sich in der Mehrzahl um Ableitungen von sogenannten "verhaltenbezogenen Adjektiven"2103. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV / DURATIV, RELATIONAL - ESSIV] bittaren 'zum Zorn reizen, ver-, erbittern', (Gl.); KFW. 1,1138, StWG. 61, RVA. 8. Zuerst bezeugt wohl StSG. 11,283,17 Amaricati : capittarte in der Handschrift Clm 19440; Nr.448, BV. 665, letztes Drittel 11.Jh.2104; Glosse zu Greg. hom. 1,10,1471 qui ex ea (dem Weg zum Paradies) bonis delectati discessimus, ad earn malis amaricati redeamus, prestante Domino nostro, etc. "Laßt uns, die wir, nachdem wir vom Guten erfreut waren, vom Weg zum Paradies abgewichen sind, auf diesen zurückkehren, da wir durch das Böse erbittert sind, wenn unser Herr es uns gewährt..." (Nur ahd.; man vergleiche auch mnd. mnl. bitteren). Zu bittar 'scharf, schneidend, schmerzhaft, bitter', KFW. l,1136f. (mit Verweis), SchW. 98, StWG. 61; man vergleiche as. bittar, ae. biter, an. bitfws. Von anderer Ablautstufe got. baitrs2106. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] bleihben 'etwas bleich, blaß machen', (GL); KFW. 1,1195, StWG. 65, RVA. 146. Zwei Belege, zuerst wohl StSG. 1,710,52 Exterminant : bleichent, Brüssel, BR. 18723 (bei E. Steinmeyer und im KFW. irrtümlich 18725); Nr.48, BV. 84, lO.Jh., mfrk.; Glosse zu Mt 6,16 Cum autem ieiunatis nolite fieri sicut hypercoritae tristes exterminantiW1 enim facies suas ut appareant hominibus ieiunantes. "Wenn ihr aber fastet, so werdet nicht wie die Heuchler, die finster blicken, denn sie verstellen ihr Gesicht, damit die Menschen sehen, daß sie fasten." (Man vergleiche ae. blican, an. bleikja). 2101

Sieh LSEW. 1,527. Zu diesen Adjektiven sieh HEW. 93 und 172f. 2103 Sieh dazu F. Hundsnurscher - J. Splett, Semantik der Adjektive, S. 35f. 2104 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750, besonders S. 745. 2105 Z u m Adjektiv sieh HEW. 126f. 2106 Sieh dazu ebenda S. 115. 2107 M a n vergleiche dazu Biblia Sacra, zur Stelle. 2102

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Zu bleib 'licht, hell, blaß, blaßgrau', KFW. l,1193f. (mit Verweis), SchW. 98, StWG. 65; man vergleiche as. blêk, ae. blâc, an. bleik/m. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] breiten 'ausbreiten, breit machen, etwas verbreiten, sich erstrecken', (B. GB. Ν. Ο. T. WH.; GL); KFW. l,1342f„ SchW. 101, RMWA. 90, StWG. 75, RVA. 13. Sieh Tatian 243,2f. sie breitent Iro ruomgiscrib Inti mihilosotun Iradon. Inti wuollent gangan In iro gigarauue. Der Bedeutungsansatz 'ausgedehnt sein', den E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings für Notker 9,206,22 angeben, ist besser mit R. Schützeichel2109 etwa in 'verbreitet' zu ändern. Man vergleiche: In jillen sint déro uuerlte ist sancta qalesia gebreitet. So kann auch dieser Beleg auf faktitives 'breit machen, ausbreiten' zurückgeführt werden2110. (Man vergleiche as. brêdian, ae. bridan, an. breiÖa, got. (us-)braidjan). Zu breit 'breit, ausgedehnt', KFW. l,1340f. (mit Verweis), SchW. 101, StWG. 57; man vergleiche as. brêd, afr. brêd, ae. brâd, an. breiÖr, got. bratps11". [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] brünett 'schmücken, (purpur)braun, bunt färben; Farbenpracht verleihen', (ein Beleg N.); KFW. 1,1436, SchW. 103, RMWA. 82, RVA. 20. Notker l,35,26f. ... petas purpureum nemus . i. uiolarium. Übe du óuh plumón uuéllêst ... so negáng ze blúom-gárten . dâr rôsâ . únde ríngelen . únde uiolq uuáhseNT. tie den gárten brûnent. Die Bedeutung 'schmücken' ist lat. purpurare 'purpurfarbig machen, freundlich schmücken' genau nachgebildet. (Nur ahd.). Zu brún 'dunkel, braun', KFW. 1,1435 (mit Verweis), StWG. 80; man vergleiche as. brún in uuirebrun, afr. brûn, ae. brûn, an. brúnnnn. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] ebanen 'ebnen, ordnen', (Gl.); StWG. 115 ebanôn, ebanen\ man vergleiche KFW. 3,20f., RVA. 2,30 unter ebanôn. Als althochdeutsche ^»-Verben können gelten: StSG. 1,692,37 Ordinate : ebinan. ebinen, Göttweig, StiftsB. 46/103; Nr.228, BV. 264, 12.Jh, bair.2113 und Clm 22201; Nr.460, BV. 681, Mitte 12.Jh., bair. u. mfrk.; Glosse zu I Mcc 6,40 et distincta est pars exercitus regis per montes excelsos et alii per loca humilia et ibant caute et ordinate. "Ein Teil des königlichen Heeres verteilte sich über die Höhen, ein anderer über die Niederung, und sie rückten vorsichtig und geordnet vor." Lat. ordinate ist offenbar als 'in gleicher Linie' aufgefaßt worden. Beeinflußt wurde die Wortwahl möglicherweise durch das im lateinischen Text unmittelbar vorausgehende, laut2108 2109 2110 2111 2112 2113

Z u m Adjektiv sieh HEW. 127. SchW. 101. Weitere Belege werden besprochen bei H. Götz, Zur Bedeutungsanalyse, S. 97, S. 102f. Z u m Adjektiv sieh HEW. 136f. Z u m Adjektiv sieh ebenda S. 143. Z u m Infinitiv auf -an in dieser Handschrift vergleiche man BEG. § 314.

Ableitungen von einem Nominalstamm

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lieh nahestehende Verb ibant. - Der zweite Beleg liegt vor in StSG. 11,772,31 Eminet : fräseuzzit ebenetsich, Rom, BV. Pal.lat. 1716; Nr.540, BV. 814, 10./ 11.Jh.; Glosse zu Arat. 905. Die faktitive Bedeutung wird daneben bereits im Abrogans (Kb.) durch das o«-Verb vermittelt. (Man vergleiche ae. efnan, got. ga-ibnjan). Zu eban 'eben, gleich', KFW. 3,2f. (mit Verweis auf ebanôn), SchW. 118, StWG. 114; man vergleiche as. evan, afr. even, ae. efen, 3.Ώ.. jafn, got. ibns2m. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] fir-einen 'mit sich eins sein', (Gl., ir- GL); KFW. 3,180, StWG. 120, RVA. 35. Ein Beleg, StSG. 1,658,53 Proposuit : firenith sich. Zur Verengung von / e i / zu / e / sieh K. Matzel2115. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 22201; Nr.460, BV. 681, Mitte 12.Jh, bair. u. mfrk.2116. Glossiert wird Dn 1,8 proposuit autem Danihel in cordo suo ne poïlueretur de mensa regis ñeque de vino potus eius ... "Dan aber war mit sich in seinem Herzen einig (nahm sich in seinem Herzen vor), sich nicht durch des Königs Kost, noch durch den Wein, den dieser trank, zu verunreinigen". - Einmal bezeugt ist auch die Präfixbildung 2117

w-einen (Nur ahd., man vergleiche auch mnl. vereenen). Zu ein 'allein, einzig', KFW. 3,120f. (mit Verweis), SchW. 120f, StWG. 120; man vergleiche as. en, afr. en, ân, ae. ên, an. einn, got. ains2m. elten 'verzögern, verlängern, versäumen, unterlassen', (O.); KFW. 3,272, SchW. 123, RMWA. 90, RVA. 2. Otfrid 4,6,45 Er uuiht es ouh thô ni alta ioh manag uué in zálta. Die Grundbedeutung tritt deutlicher zu Tage in mhd. elten 'alt machen'2119. (Man vergleiche ae. ieldan 'hinausschieben, verzögern, bleiben, verweilen', an. eldask 'alt werden'). Zu alt 'alt, bejahrt; ausgewachsen, vorzeitlich weit zurückliegend, abgenützt', KFW. l,287f. (mit Verweis), SchW. 85, StWG. 21; man vergleiche as. aid, afr. aid, old, ae. eald, krimgot. alt2120·, man vergleiche auch an. alÖinn, got. alpeis aus *alfija2m. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] gi-ergen 'verunstalten, verunzieren', (GL); KFW. 3,390, StWG. 131, RVA. 36. Die zwei einzigen überlieferten Belege (StSG. 11,197,29 Déprauat : gerget und ebenda 197,57 Deprauatur : gerget) entstammen beide der Handschrift Basel, 2114 2115 2116 2117 2118 2119 2120 2121

Z u m Adjektiv sieh HEW. 171f. Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 64. Zur Handschrift sieh ebenda S. 168-173. Sieh dazu KFW. 3,180. Sieh dazu KEW. 169. LH. 1,542. Z u m Adjektiv sieh HEW. 97f. Sieh dazu ebenda S. 98f.

Ableitungen von einem Adjektiv

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ÖBU. Β. V. 21; Nr. 14, BV. 26, 12.Jh., alem. Es handelt sich um Glossen zu Greg, cura 1,11,11 ne is quem crimen depravai proprium, intercessorfieriappetat pro culpis aliorum. "Damit nicht der, den ein eigenes Vergehen verunstaltet, wünscht, ein Vermittler zu werden für die Schuld anderer"2122. (Man vergleiche ae. geyrgan, an. ergjask). Zu arg 'verderbt, schlecht1, KFW. l,632f. (mit Verweis), SchW. 90, StWG. 33; man vergleiche afr. erch, erg, ae. earg, an. arg/m. ermen/armen 'verarmen, bedrücken', (Gl.; fir- Gl., ir- Ν. Gl.); KFW. 3,423 ernten, SchW. 91 armen, RMWA. 79, StWG. 133, StWG. N. 789, RVA. 5. Zuerst bezeugt ist wohl StSG. 1,767,1 (Aporiamur) : kiérmit uuerdemes, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Cod. Guelf. 47 Weissenburg; Nr.637, BV. 970, 9.Jh. südrheinfrk. Glossiert wird II Cor 4,8 in omnibus tribulationem patimur sed non angustiamur aporiamur sed non destituimur. "In allem sind wir bedrängt, aber wir werden nicht mutlos, wir sind in Not gekommen, aber verzagen nicht." - Die nicht umgelautete Variante findet sich StSG. 1,352,41 Attenuates : giarmter, in der Handschrift Clm 18140, Nr.429, BV. 637, 11 Jh., bair.2124; Glosse zu Lv 25,25 Si attenuatus frater tuus vendiderit possessiuculam suam et voluerit propinquus eius potest redimere quod Ule vendiderat. "Wenn dein Bruder verarmt und etwas von seiner Habe verkauft, so soll sein nächster Verwandter kommen und einlösen, was sein Bruder verkauft hat." (Man vergleiche ae. iermen 'quälen', an. erma 'jemanden als arm ansehen'). Zu arm 'gering', KFW. l,644f. (mit Verweis auf -ermen)·, SchW. 91, StWG. 34; man vergleiche as. arm, afr. erm, ae. earm, an. armr, got. arm?m. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] fehen1 'bunt machen, schmücken', (N.; Gl.); KFW. 3,679, SchW. 131, RMWA. 71, StWG. 144, RVA. 38. Sieh Notker l,78,29f. Mäht tû geuéhet uuérden . näh tien blûomôn? (Man vergleiche ae. â-féègan 'zeichnen, malen1, a n . f á 'malen, schmücken'). Zu fih 'verschieden(farbig), ungleich', KFW. 3,676f. (mit Verweis), SchW. 131, StWG. 144; man vergleiche as .fih, 2,t.fàg,fâh, an. -far, got. -faihs2126. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] fehen1 'jemanden als Feind behandeln, niederstoßen, auf jemanden eifersüchtig sein', (Gl.); KFW. 3,679, StWG. 144, RVA. 37f. StSG. 11,521,59 Proterit ·. fehlt, Einsiedeln, StiftsB. cod. 312; Nr.119, BV. 128, 13.Jh., alem.; Glosse zu Prud. psych, praef. 28 reges superbos ... pellit fugatos, sauciatos proterit, frangit ca2122

Zur Deutung der Stelle vergleiche man auch Greg, cura 1,11,13. Z u m Adjektiv sieh HEW. 102f. 2124 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 509-513. 2125 Sieh HEW. 104f. 2126 Ebenda 183f. 2123

Ableitungen von einem Nominalstamm

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tenas et rapinarti libérât. "Er trieb die hochmütigen Könige in die Flucht, oder verwundete sie und stieß sie mit den Füßen, zerbrach die Ketten und befreite das Geraubte." - StSG. 1,515,71 Zelaueris : hazest. i. vehest (sechs Belege in sechs Handschriften der Gruppe M.). Zu Ps 36,1 Noli contendere cum malignis neque aemuleris [zelaveris2111] facientes iniquitatem. "Erzürne dich nicht über die Bösen und ereifere dich nicht über die, welche Frevel verüben." (Man vergleiche as. aßhid PPP 'verurteilt'). Zu gi-ßh 'widerwärtig, verhaßt, geächtet', KFW. 3,677, SchW. 131; man vergleiche afr. fâch, ae. fâh, fâg 'feindlich'. Aus einer Grundbedeutung ßh 'verschieden, ungleich' dürfte sich zum einen die Bedeutung 'verschieden, verschiedenfarbig' und zum anderen 'verschieden, feindlich' ('der die Farben des Feindes trägt') entwickelt haben. Das Adjektiv gißh, das auch in der Verbindung gißh sin 'mit jemandem feind sein' erscheint, kann deshalb auch eine jüngere Rückbildung sein. Beide Verbalableitungen wären dann auf ßh in der Bedeutung 'verschieden, verschiedenfarbig' zu beziehen. Beide Adjektive gehen aber laut J. Pokorny2128 auf zwei unterschiedliche Ansätze zurück. Ahd. ßhen1 auf *peig-/peik-, ahd. ßhen2 auf *peig-/peiR-1[1'>. Ist diese Annahme zutreffend, so ist zumindest wohl von einer wechselseitigen sekundären Beeinflussung auszugehen. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] finstaren 'etwas verfinstern', (N.; auch bi-, N. NG. T.; Gl.); KFW. 3,883f., SchW. 134, RMWA. 83, StWG. 154, RVA. 40. Das Simplex ist bezeugt bei Notker 10,511,20f. Vuandafine dir CHRISTE ne-ßnstreNTdie finstri... (Nur ahd.). Zu ßnstar 'finster', KFW. 3,882f„ SchW. 134, StWG. 154; nur ahd.; man vergleiche mnd. mnl. vinster.2110. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] flehhen 'flachdrücken', (ein Beleg StSG. 111,344,49 Simius : mitgeflecternasen)·, KFW. 3,963, StWG. N. 810 flecken, RVA. 41 *gifleht- SH.; drei Handschriften des 12. Jahrhunderts, Clm 17151; Nr.419, BV. 625; Clm 17153; Nr.421, BV. 627; Clm 17194; Nr.424, BV. 630, fränk-obd.2131. (Nur ahd.). Im KFW. wird zu recht vermutet, daß es sich um eine Ableitung, hier im Partizip Präteritum, von dem Adjektiv flah 'flach' (KFW. 3,941, SchW. 135) handeln muß; man vergleiche mnd. vlak, mnl. viae aus westgerm. *flaka-mi. 2127

M a n vergleiche Biblia Sacra iuxta Latinam vulgatam versionem, zur Stelle. PIEW. 794 u n d 795. 2129 Sieh auch HEW. 184. 2130 Z u m Adjektiv sieh ebenda 618f. unter *pemstra-, 2131 Zur Handschrift sieh B. Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen 1, S. 139, HSH. 2,XLVf. 2132 Sieh dazu KEW. 217. 2128

Ableitungen von einem Adjektiv

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Bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings wird allerdings auf Grund der Graphie in geflecter ein althochdeutsches Verb flecken angesetzt. Die Graphie kann jedoch, besonders im Altwestfränkischen, in der Verbindung den Lautwert / h / repräsentieren2133. Statt eines sonst nicht belegten Verbs ahd. flecken aus *flak-ija-, dessen unmittelbare Basis ebenfalls nicht bezeugt ist, ist daher ein Verb ahd.flehben anzusetzen2134. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] fruoten 'klug machen, belehren', (N. NG.); KFW. 3,1310, SchW. 142, RMWA. 92, StWG. 181, RVA. 44. Sieh Notker 1,51,1 ... übe dû únfrúot píst. ih frûote díh. (Man vergleiche an.froeÖa). Zu fruot 'klug', KFW. 3,1309f. (mit Verweis), SchW. 142, StWG. 181; man vergleiche as. afr. ae. frôd, an. froör, got. flops. Doch ist nicht auszuschließen, daß sowohl im Adjektiv *frôâa- als auch im jan-Vcrb o-stufige Ableitungen von einem nur in got. frapjan bezeugten starken Verb germ. *frajjja- 'verstehen'2135 vorliegen. Da das starke Verb einerseits nur selten, andererseits das Adjektiv aber häufig und das janNzxb im Althochdeutschen erst spät belegt ist, wird die Annahme einer einzelsprachlichen deadjektivischen Ableitung wohl das Richtige treffen. Das jan-Vexh wird von E. Seebold2136 daher auch nicht unter den Primärableitungen verzeichnet. Zum Bedeutungskern der Sippe ('pflanzliches Wachsen und Sprießen'), vergleiche man E. Piirainen2137. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] füllen 'füllen, auffüllen, voll machen', (B. MF. N. O. OT. T.; Gl.); KFW. 3,1321 f., SchW. 143, RMWA. 77, StWG. 182, RVA. 45. Zuerst bezeugt wohl StSG. 1,250,15 Supplet : fullit (Kb.Ra.); sieh auch Tatian 81,31f. ... fullür thiu faz mit uuazaru ... (Man vergleiche as.fullian, afr. fullia, ae.jyllan, an.jylla, got. fulljan). Zu fol 'voll', KFW. 3,1025f. (mit Verweis), SchW. 137, StWG. 168; man vergleiche as. fui, afr. fui, fol, it. full, an.fullr, got. fulls2"*. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] ir-geilen 'erheben', (ein Beleg, APs., StSpD. 297,28f. truhtin. nist erhabanaz berza minaz noh ni erkeilidiu sint ougun miniu)\ SchW. 149 erkeilen; RMWA. 76, man vergleiche KFW. 4,179, RVA. 2,218 unter ir-geilen. Die Einordnung als «z-Verb dürfte erfolgt sein, da alle übrigen Belege zur dritten Klasse gehören.

2133

Man vergleiche BEG. § 154 Α. 4. Z u m Adjektiv sieh HEW. 199. 2135 SEW. 208. 2136 Ebenda. 2137 Germ. *frâcf und germ, "klôk-. Anders HEW. 217f. Sieh auch J. Trier, Der deutsche Wortschatz, S. 71f. 2138 Z u m Adjektiv sieh HEW. 220. 2134

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Ableitungen von einem Nominalstamm

In Anbetracht von Form und Bedeutung, sowie im Hinblick auf das gotische jan-Verb, ist der hier vorgenommene Ansatz jedoch vorzuziehen. (Man vergleiche got. gailjan 'fröhlich machen, erfreuen'). Zu geil 'hochmütig', KFW. 4,178f. (mit Verweis auf geilen), SchW. 149, StWG. 195; man vergleiche as. gèl, ae. gàtAV'. gi-genzen 'erhalten, behüten, erretten, gesund machen', (Gl.); KFW. 4,217, StWG. 197, RVA. 56. Glossiert wird in drei Handschriften (StSG. 11,426,22 Sospitant : gigen zent. gigenzent, Paris, BN. Nouv. aquis. lat. 241 und Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11.Jh., bair.-alem. sowie StSG. 11,475,64 Sospitat : gigenzent, Clm 18922; Nr.441, BV. 658, 11.Jh., bair.) Prud. perist. 1,117 ... sospitant quae nunc colonos, quos Hiberus alluit. "... die (die Glieder der Märtyrer) nun die Bewohner behüten, die der Ebro umspült." (Nur ahd.)2140. Zu ganz 'gesund, unverletzt, ganz, ungeteilt', KFW. 4,100f., SchW. 148, StWG. 191; man vergleiche afr. mnd. mnl. g a n f m . gleifen 'abschrägen, verengen' (Gl.; nur Part.Prät.), KFW. 4,303, StWG. 231, RVA. 58. Zuerst bezeugt (StSG. 1,432,1 Fenestras obliquas : gigleifit) in der Handschrift St. Gallen, StiftsB. 299, Nr. 194, BV. 225, 2. Hälfte 9.Jh„ alem.2142; Glosse zu III Rg 6,4 fecitque in templo fenestras obliquas. "Und er brachte in dem Tempel abgeschrägte Fenster an." (Nur ahd.; man vergleiche mhd. gleifenfm. Zu gleif 'schräg, abgeschrägt', KFW. 4,303 (mit Verweis), StWG. 231; man vergleiche mnd. glepiw. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] gremmen 'erzürnen, erbittern, kränken, verletzen', (B. GB. Ν.; Gl., ir- NG.; Gl., gi- Gl.); KFW. 4,415f„ SchW. 154, RMWA. 78, StWG. 239, RVA. 298. Das Simplex ist wohl zuerst bezeugt StSG. 1,175,40 Imitat : kremit RX. - StSG. 11,70,54 Praestrinxit : gremita, aus der Handschrift Wien, ÖNB 271; Nr.587, BV. 904, bair., lO.Jh. (KFW.: 9.Jh.); Glosse zu Boeth. cons. 2,3,10 Nunc te primum liuenti oculo praestrinxit. "Jetzt hat es (das Glück) dich zum ersten Mal mit scheelen Augen gestreift"2145. (Man vergleiche ae. gremian, an. gremja, got. gramjan). Das Verb steht neben einem starken Verb, das in ae. grimman 'dröhnen, tosen; wüten, toben', as. grimman und mhd. grimmen erhalten ist. Da das ver2139

Z u m Adjektiv sieh ebenda 226. Sieh auch KFW. 4,101 unter 'ganzen. 2141 Z u m Adjektiv sieh HEW. 232. 2142 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 314-317. 2143 LH. 1,1031. 2144 Z u m Adjektiv sieh HEW. 245. 2145 Zu dieser Glosse vergleiche man auch KFW. 4,416. 2140

Ableitungen von einem Adjektiv

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meintlich primäre Verb im Altsächsischen nur im Präsens erscheint und auch der altenglische Beleg grummon unsicher ist, hält E. Seebold2146 die starken Formen für sekundär2147. Zusätzlich zu den bei E. Seebold genannten Formen könnte noch der Glossenbeleg Seuit glimnit aus der Handschrift Leiden, Cod. Voss lat. fol. 24 hierher gehören, wenn glimnit mit W. Stüben2148 als Verschreibung für grimmit gelten kann2149. Auch weist A. Bammesberger2150 wohl mit Recht darauf hin, daß neben dem o-stufigen Adjektiv ae. as. ahd. gram, an. gramr 'gram, zornig, feindlich' auch ae. grim, an. grimmr, ahd. grim, grimmi bezeugt sind, so daß sich der Ablaut in diesem Adjektivtypus wohl am ehesten durch die Annahme eines primären Verbs erklären läßt. W. Wissmann 2151 führt zudem noch ahd. unbegrummôn 'etwas benagen' an, das als schwundstufige Ableitung an diese Wortfamilie angeschlossen werden kann. F. Heidermanns 2152 stellt ahd. as. ae. grimman 'rasen, wüten, toben' dagegen als y^-Ableitung zu einem Adjektiv germ. *gremma- 'grimmig, zornig'. Die durative Bedeutung der Verben spricht aber in Verbindung mit den bereits angeführten Einwänden eher gegen diese Vermutung2153. Das althochdeutsche janNtxb selbst dürfte aber unmittelbar auf das Adjektiv gram 'erzürnt, ergrimmt' (man vergleiche as. ae. gram, an. gramr) zurückgehen, denn der Bedeutungsbereich der "zornigen Gemütserregung" liegt zunächst nicht im starken Verb, sondern erscheint zuerst beim Adjektiv2154. Da das o-stufige Adjektiv aber zumindest im Gotischen fehlt und auch im Althochdeutschen nur einmal bei Notker bezeugt ist, kann letzte Sicherheit nicht erzielt werden 21 ". [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] gi-guoten 'sich bewähren', (O.); KFW. 4,505, SchW. 156, RMWA. 92, RVA. 62. Sieh Otfrid l,3,13f. Sih ábrahám gigúatta ioh drúhtíne ouh gilíubta, uuánt er uas gihôrsam ... (Man vergleiche an. goeÖa 'ausstatten, fördern, beschenken'). Zu guot 'gut, tapfer, zuverlässig, tüchtig', KFW. 4,486f., SchW. 156, StWG. 244; man vergleiche as. afr. ae. gôd, an. goör, got. gops2156.

2146 2147 2148 2149 2150 2151 2152 2153 2154 2155 2156

239 u n t e r *gremma- (?) 'wüten'. So auch U. H e m p e n , Die starken Verben, S. 197. PBB. 63 (1939) S. 454. Sieh auch StWG. 239 unter grimman ae. st.V. Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 42. N o m i n a Postverbalia, S. 67. H E W . 258. M a n vergleiche auch DWB. 4,1,6,354 unter grimmen. M a n vergleiche dazu S. Blum, PBB. 82 (H 1960) S. 178f. u n d 187f. KFW. 4,401, SchW. 154. M a n vergleiche auch as. a t. gram, an .gramr, H E W . 253f. Z u m Adjektiv sieh H E W . 250f.

Ableitungen von einem Nominalstamm

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heften 'fest machen, heften', (I. MF. MZ. N. O. WH.; GL); SchW. 161, RMWA. 88, StWG. 260, RVA. 64. Isidor 12,21 Dhazs heftida auur zi gote dhar ir after dhiu quhad:... - StSG. 1,110,31 Deuinxerat : pihaftta Pa. pihafta Kb. Ra. (Man vergleiche as. heftian, afr. hefta, ae. hxftan, an. hepta, got. haftjan). Zu haft 'gehalten, gebunden' (LF. N. O. T.; GL); KFW. 4,588f. (mit Verweis), SchW. 158, StWG. 247; man vergleiche as. haft, habt, ae. haft, an. haftr, got. haft/157. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] heilen 'gesund machen', (E. MF. N. O. OT. T.; GL); KFW. 4, 828f., SchW. 162, RMWA. 76, StWG. 262, RVA. 66f. Monseer Fragmente 4,21 f. Muoz inan . in uirra ta gum heilan daz inan lei do tin. - StSG. 1,221,34 saluiuifica : kiheli Kb2158. (Man vergleiche as. hêlian, afr. bêla, a e. héâan, an. beila, got. hailjan)1™. Zu heil 'gesund', KFW. 4,81 Of. (mit Verweis), SchW. 161, StWG. 262; man vergleiche as. afr. bel, ae. hai, an. heill, got. hail/m. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] heitaren 'froh machen', (MH.; GL); KFW. 4,861, SchW. 162, RMWA. 83, StWG. 265, RVA. 67. Murbacher Hymnen 5,3 lop lutten giu dinu tak auur pru[n]ganer motit antluzz[i] ioh himiles siederà unsaro heitarit prusti. StSG. 1,118,9 clarit : haitrit Kb. - StSG. 1,200,19 Liquet : heitirit Kb. heitrit Ra. (Nur ahd.). Zu heitar 'froh', KFW. 4,859f. (mit Verweis), SchW. 162, StWG. 265; man vergleiche as. hêdar, ae. hâdofUA. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] heizen 'erhitzen1, (eine Belegstelle, StSG. 1,660,33-35, Gl.W 98,2 Succenderetur : giheizituvrti)·, KFW. 4,892f„ StWG. 265 'anzünden', RVA. 67 'leidenschaftlich entzünden'. Das Verb erscheint in sechs Varianten in sechs Handschriften der Gruppe M. und nur in der Ubersetzung von lat. succendere 'anzünden, leidenschaftlich entflammen' 2162 , zu Dn 3,19: tunc Nabuchodonosor repletus est furore et aspectus faciei illius inmutatus est super Sedrach Misac et Abdenago et praecepit ut succenderetur fomax septuplum quam succendi consuerat. "Da wurde Nebukadnezer voller Grimm und sein Angesicht veränderte sich gegenüber Sadrach, Meschach und Abed-Nego, und er befahl, man solle den Ofen siebenmal stärker erhitzen, als man es sonst zu tun pflegte." Im Kontext ist die Bedeutung als 'erhitzen, heiß machen' zu verstehen. 2157

Sieh KEW. 299; zur Bildung des Adjektivs F. Kluge, Nominale Stammbildungslehre § 222, HEW. 263f. 2158 Sieh J. Splett, Abrogans-Studien, S. 318. 2159 Sieh KEW. 300. 2160 Zum Adjektiv sieh HEW. 267f. 2161 Zum Adjektiv sieh ebenda S. 265f. 2162 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 2,2894.

Ableitungen von einem Adjektiv

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(Man vergleiche as. hêtian 'heizen', ae. on-hêtan 'erhitzen', an. heita 'heiß machen, brauen'). Zu heiz 'heiß', KFW. 4,863f. (mit Verweis), SchW. 163, StWG. 265; man vergleiche as. afr. hêt, ae. hat, an. heitf1". [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] beiden 'neigen, verneigen', (N. OT. T.; gi- N.; Gl.); KFW. 4,904, SchW. 163, RMWA. 65, StWG. 266, RVA. 68. Tatian 324,25 mittiu sio tho forohtun Inti helditun iro annuzi In erda ... (Man vergleiche as. af-heldian, afr. haldia, ae. hyldan·, an. hella 'ausgießen'). Wie bei nhd. Halde handelt es sich um eine deadjektivische Ableitung. Die Basis liegt vor in ahd. bald 'geneigt', KFW. 4,623f. (mit Verweis), SchW. 158, StWG. 249; man vergleiche ae. heald, an. hallfm. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] gi-belzen 'lähmen', (B. N. O., ir- Gl.); KFW. 4,943, SchW. 164, RMWA. 97, StWG. 268, RVA. 68. Otfrid 5,23,140f. thoh élti nan githuínge, Tbiu mo állaz liob insélzit, joh máhto nan gihélzit... - StSG. 1,277,14 Debilitatum : arlemit arhelzit, die Belege entstammen den Handschriften Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 38, 9.Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9. Jh., alem.2165; Glosse zu Ex 22,10 si quis commendaverit proximo suo asinum bovem ovem et omne iumentum ad custodiam et mortuum fuerit aut debilitatum vel captum ab hostibus nullusque hoc viderit ... "Wenn jemand seinem Nächsten einen Esel, oder ein Rind, oder ein Schaf, oder irgend ein anderes Tier zur Verwahrung anvertraut, und dieses stirbt, oder wird beschädigt, oder von den Feinden weggenommen, ohne daß jemand es sieht ..." In wörtlicher Verwendung StSG. IV,262,49 Subneruauit : erhelci, Oxford, BL. Laud. lat. 92; Nr.449, BV. 730, 9.Jh., mfrk.2166; Glosse zu los 11,9 fecit sicut praeceperat ei Dominus equos eorum subnervavit currusque conbusit. "Und er tat, wie der Herr ihm befohlen hatte, ihre Pferde lähmte er, und ihre Wagen verbrannte er." (Man vergleiche ae. â-hyltan 'ein Bein stellen'; sieh auch an. heltast 'lahm werden'). Zu halz 'lahm', KFW. 4,664f„ SchW. 159, StWG. 252; man vergleiche as. afr. halt, ae. healt, an. haltr, got. halts11". gi-bemmen 'niederdrücken, nicht zur Entfaltung kommen lassen, ruinieren, erniedrigen', (ein Beleg StSG. 1,688,27 Humiliant : gihemment); KFW. 4,947

2163

Z u m Adjektiv sieh HEW. 271f. Z u m Adjektiv sieh ebenda 276f. sowie PIEW. 552, J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 205. 2165 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457465, besonders S. 459. 2166 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 291-297. 2167 Z u m Adjektiv sieh HEW. 275f. 2164

Ableitungen von einem Nominalstamm

434

(unter Vorbehalt), StWG. 268, RVA. 68. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 22201; Nr.460, BV. 681, Mitte 12.Jh„ bair. u. mfrk. 2 ' 68 . Die Parallelüberlieferung bietet gihonnent, gihonint. Das T. Starck -J.C. Wells geben mit 'demütigen' eine vom Interpretament und der Parallelglossierung her gesehen durchaus mögliche Bedeutungsangabe, doch läßt sich aus dem Kontext der Glosse nicht herauslesen, ob die übertragene Bedeutung hier tatsächlich gemeint ist. Mal 3,5: et accedam ad vos in iudicio et ero testis velox maleficis et adulteris et periuris et qui calumniantur mercedem mercennarii viduas et pupilles et opprimunt \humiliant\ peregrinum nec timuerunt me dicit Dominus ... "Und ich will zu euch kommen zum Gericht und will ein schneller Zeuge sein gegen die Zauberer, Ehebrecher, Meineidigen und gegen die, die Gewalt und Unrecht tun den Tagelöhnern, Witwen und Waisen und die den Fremdling niederdrücken und mich nicht fürchten, spricht der Herr...". Die VulgataAusgaben bieten lat. opprimunt des Archetyps. Die Vorlage des Glossators zeigt an dieser Stelle mit der Mehrzahl der überlieferten Handschriften lat. humilian^. Der Bedeutungsansatz 'niederdrücken' rückt das althochdeutsche Verb bedeutungsmäßig enger an mhd. nhd. hemmen sowie an an. hemja aus germ. *hamija- heran2170. Mit K. von Bahder2171 ist das Verb aber durchaus mit ahd. hamalôn 'verstümmeln' und dem postverbalen Adjektiv hamafm zusammenzustellen. Diese Bildungen gehören, wie auch hemmen, zum Adjektiv ham 'lahm, gebrechlich' (KFW. 4,665, SchW. 159); man vergleiche afr. ehemmed 'verstümmelt'. Hierher gehört wohl auch, mit vergleichbarer Bedeutungsentwicklung, slav. komol. 'hornlos, verstümmelt'2173. F. Heidermanns 2174 vermutet in dem Adjektiv allerdings eine Rückbildung aus *hameja-, jedoch ohne Hinweis auf die dann offene Herkunft des jan- Verbs. Allenfalls könnten ham und hemmen als Formen ohne ¿-mobile auf ahd. skamm und skemmen bezogen werden. Das jan^/ttb erscheint in seiner Grundbedeutung als 'lahm machen, lähmen' = 'Bewegung verhindern, hemmen' und bringt die Vorstellung des Hemmens als 'Bewegung verhindern', ursprünglich wohl durch das Anlegen von Fußfesseln, zum Ausdruck. Der Bedeutungsansatz bei J.F. Niermeyer2175,

2168 2169

Zur Handschrift sieh K. Matzel, Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 168-173. Man vergleiche Biblia Sacra, Biblia Sacra iuxta Latinam vulgatam versionem (zur Stel-

le). 2171 2172 2173 2174 2175

Sieh dazu KEW. 304, allerdings mit dem Vermerk "weitere H e r k u n f t unklar". Zur Wortwahl in der frühneuhochdeutschen Schriftsprache, S. 119. Dazu W. Wissmann, Die altnordischen und westgermanischen Postverbalia, S. 97f. M a n vergleiche dazu V. Machek, IF. 53 (1935) S. 91. HEW. 278. Mediea Latinitatis Lexicon Minus, S. 507.

Ableitungen von einem Adjektiv

435

wo unter humiliare als erste Bedeutung etwa 'niederdrücken' und 'ruinieren' angeführt wird, scheint diese Deutung zu bestätigen. hêren 'erheben', (NG.); KFW. 4,970, SchW. 165, RMWA. 84, RVA. 304 nur heren 'rufen'. Notker 9,251,19f. CHRISTVS RESVRGENS A MORV/1S IAM NON MORITVR . MORS ILLI VLTRA NON DOMINABITVR. irstanden font tôde ne-irstirbit nieht mer der tod ne-hêrit sih fúrder über in. - Man vergleiche auch Notker 8,60,23f. Er gehöret in sinero béto . niêht ein fine érdo hárenten . nube ôuh fine hímele. In der Taxschen Ausgabe im Text hárenten, im Apparat hérenten. (Nur ahd.). Zu her 'alt, ehrwürdig, von hohem Rang', KFW. 4,957 (mit Verweis), SchW. 164, StWG. 269; man vergleiche as. hêr, afr. ae. hâr 'grau', an. hárfm. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] herten 'härten, verhärten', (N. NG.; Gl.); SchW. 165, RMWA. 92, StWG. 272, RVA. 70. Notker 3,227,20f. Souuéliu sárf kedúnchet. tíu tvot éin-uuéder. sô hértet ten man . aide bézerôt in . aide ingeltet in. (Man vergleiche as. herdian, afr. her da, ae. hierdan, an. her da, got. ga-hardjan). Zu hart 'hart', SchW. 160, StWG. 272; man vergleiche as. hard, ae. heard, an. harÔr, got. hardus2"1. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] höben 'erhöhen', (Ν. NG. O.; Gl.); SchW. 168, RMWA. 72, StWG. 281, RVA. 72. StSG. 1,124,36 Exaltat : haohit Pa. hohit edo irhefit Kb. - Otfrid L 5f. Thémo (Ludwig) st iàmêr héili ioh sâlida giméini, druhtîn höhe mo thaz gúat ioh freuue mo émmizên thaz múaT. (Man vergleiche afr. hêia, ae. hêan, got. hauhjan). Zu hô(h) 'hoch, erhaben', SchW. 168, StWG. 280; man vergleiche as. höh, afr. hâch, ae. hêah, an. hár, got. hauhs2178. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] bulden 'versöhnen, geneigt machen', (N. O.; Gl.); SchW. 171, RMWA. 65, StWG. 290, RVA. 76. Zuerst wohl StSG. 1,286,58 Placabo : kihuldu aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug IC (Rd.); Nr. 54, BV. 296, 9.Jh„ alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.2179; Glosse zu Gn 32,20 ... placabo ilium muneribus quae praecedunt et postea videbo ... "Ich will ihn durch die Geschenke, die mir vorausgehen, versöhnen, und erst dann will ich ihn sehen ..." (Man vergleiche an. hylla).

2176

Z u m Adjektiv sieh HEW. 269f. Z u m Adjektiv sieh ebenda 280f. unter germ. *haräu- 'hart, rauh'. 2178 Z u m Adjektiv sieh ebenda 285f. 2179 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 2177

Ableitungen von einem Nominalstamm

436

Zu hold 'geneigt, zugetan, gnädig, treu, ergeben1, SchW. 169, StWG. 282; man vergleiche as. afr. ae. hold, an. hollr, got. hulps. Das daneben stehende Substantiv ahd. huldî st.F. 'Gunst, Gnade, Nachsicht', SchW. 171, StWG. 290 (man vergleiche as. huldi, afr. beide, ae. hyldu, an. hyllt), kommt als Basis aus semantischen und formalen Gründen nicht in Frage. Feminine /«-Stämme bilden im Germanischen keine Basen für ^»-Verben, nicht-durative Verben werden gewöhnlich nicht von Substantiven abgeleitet2180. Das j/zw-Verb und das Substantiv sind Ableitungen aus dem Adjektiv, das auf germ. *hulpa- zurückführt. Ahd. o in hold ist aus u vor a der Folgesilbe entstanden. Die Ableitungen *hulptn und *huljjjan behalten u vor i bzw./ 181 . [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] hurseen 'anspornen, sich üben', (O.; Gl., gi- N.; GL); SchW. 172, RMWA. 75, StWG. 295, RVA. 78. Zuerst StSG. 1,279,3 Exercens : panonter hurskenter, Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem.; Glosse zu I Sm 20,20 et ego tres sagittas mittam iuxta eum et iaciam quasi exercens me ad signum. "Ich aber werde drei Pfeile in seine Nähe hinschießen, als übte ich mich, nach dem Ziele zu schießen." - Otfrid 1,1,17f. Thie dati man giscribe, theist mannes lust zi lîbe; nim góuma thera díhta: thaz húrsgit thîna dráhta. (Nur ahd.); in fachsprachlicher Verwendung ist das Verb in nhd. hurschen 'Hunde anhetzen' erhalten geblieben. Zu horsc 'rasch, schnell, eifrig, begierig', StWG. 286; man vergleiche as. horsk, ae. horsc, an. horskfn1·, wohl zu mhd. hurren 'sich rasch bewegen' sw.V.2183. Die Bedeutung 'anspornen' dürfte auf eine systematische Bedeutung 'jemanden schnell, eifrig, begierig machen' zurückführen. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV], îtalen 'ausleeren, nichtig machen', (Gl., ir-, gi-, Gl.); StWG. 314, RVA. 82. Zuerst in StSG. 1,102,10 Depopulates : aritalit Pa. Ra. iritalit Kb. Allein fünf Belegstellen befinden sich im Abrogans. Später wird das Verb nur noch selten verwendet. (Nur ahd., von der gleichen Basis ae. îdlian). Zu îtal 'nichtig, leer, eitel', SchW. 176, StWG. 314; man vergleiche as. îdal, afr. ae. îdet™. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV]

2180 2181 2182

Z u m Substantiv vergleiche man noch M. Ohly-Steimer, ZDA. 86 (1955) S. 81-119. M a n vergleiche BEG. § 32. Sieh auch KEW. 314 sowie HEW. 31 If. M a n vergleiche K. Michel, Die mit - i - abgeleiteten denominativen Verba, S. 44. Sieh

auch HEW. 313 sowie PIEW. 583, DWB. 4,2,1969. 2183 LH. 1,1397, ein Beleg. 2184 Z u m Adjektiv sieh HEW. 321 sowie KEW. 172, N. van Wijk, IF. 35 (1915) S. 265-268.

Ableitungen von einem Adjektiv

437

jungen 'verjüngen', (N. Ph. WH.); SchW. 178, RMWA. 70, RVA. 84. Notker 9,293,7f. So man alte réba iúnget. unde man sie biêgendo in día érda begrébet . so heîzzent sié propagines a porro pangendo. (Nur ahd.). Zu jung 'jung', SchW. 178, StWG. 318; man vergleiche as. afr. jung, ae. geong, an. ungr, got. juggsm\ [DURATIV, FINAL - FAKTITIV] gi-krumben 'verdrehen, krümmen', (N. O.); SchW. 185, RMWA. 64, RVA. 97. Otfrid H If. Oha ih thero búacho guati hiar iauuiht missikêrtî, gikrúmpti thero rédino, thero quit ther éuangélió. (Man vergleiche ae. crympan 'kräuseln'). Zu krumb 'krumm', SchW. 185, StWG. 349; man vergleiche as. krumb, afr. -krumb, ae. crumbnu. künden 'bekannt machen, verkündigen', (B. [G.] GB. I. [M.] MF. Ν. O. OT. Τ. WH.; Gl.); SchW. 185f„ RMWA. 66, StWG. 351 f., RVA. 98f. Isidor 24,1 f. Dhesa inßeiscnissa auh dhes gotes sunes heilac gheist in psalmom sus chundida, dhar ir quahd... - StSG. 1,176,36 nuntiabo : chundiu Pa. (Man vergleiche as. kûthian, afr. kêtha, ae. cydan, an. kynna, got. kunfyjan). Zu kund 'bekannt 1 , SchW. 185, StWG. 351; man vergleiche as. afr. kûth, ae. cüö, an. kunnr, got. kunpsml. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] kurzen 'kürzen', (O. T.; Gl.); SchW. 187, RMWA. 98, StWG. 355, RVA. 100. Tatian 253,3 lf ob thurah thie gicoranon. uuerdent gicurzite thie taga ... (Man vergleiche afr. korta, kerta). Zu kurz 'kurz', SchW. 187, StWG. 355; man vergleiche afr. kurt, kort, an. kortr, kurtr aus lat. curtufni. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] quicken 'beleben, lebendig, bereit machen', (N.; Gl., man vergleiche besonders ir- Β. Ν. NG. O. Ph. R h C ; Gl.); SchW. 189, RMWA. 73, StWG. 469, RVA. 91. Zuerst StSG. 1,275,5 Concinnenda : lioht za qhiuchanne za mahhonne (R.). za chuichanne (O.). Der Beleg entstammt den Handschriften Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rd.); Nr.54; BV. 38, 9.Jh„ alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.2189; Glosse zu Ex 25,6 oleum ad luminaria concinnanda ... "Öl, um die Lampen bereit zu machen ..." - Notker 2,150,12f. Alliu ding chicchenta . diso unseren lichamen diu sêla chicchet. 2185

Z u m Adjektiv sieh HEW. 325. Z u m Adjektiv sieh ebenda S. 344f. 2187 Z u m Adjektiv sieh KEW. 419. Sieh auch HEW. 347 unter *kunäa- 'abstammend'. 2188 Z u m Adjektiv sieh KEW. 421. 2189 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 2186

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Ableitungen von einem Nominalstamm

(Man vergleiche anfrk. -quicken sowie an. k(v)eikva, das eine Kreuzung mit ablautendem an. kveikja sein kann2190; man vergleiche auch got. qiujan sowie ae. cwician 'lebendig machen'2191). Zu quek '(be)lebend, lebendig, belebt', SchW. 188, StWG. 467; man vergleiche ae cwicu, an. kvikf"1. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV] leiden 'verabscheuen, sich verhaßt machen', (N. O.; Gl.); SchW. 193, RMWA. 65, StWG. 366, RVA. 101. Zuerst Gl.AA 235,2 abominare : leidene. Glosse zu Sancii Basilii Admonitio ad Filium Spiritualem 686,27 Virtus anima est humilitati studere, et tumorem superbia abominari. "Eine gute Eigenschaft der Seele ist es, sich um Demut zu bemühen und das Geschwür des Hochmuts zu verabscheuen." Der Beleg stammt aus der Handschrift Basel, ÖBU. F. III 15a; BV. 31, 8.Jh., alem.2193. Zu leid und abominari vergleiche man G. de Smet2194. Der frühe Beleg, der G. de Smet nicht bekannt war, stützt seine These von der Herkunft der leid- : abominari Ubersetzungen an der Stelle von firwâzan aus alemannischen (und fränkischen) Klöstern. - Otfrid 5,12,75f. Nist ménnisgôno uuízzt ni uuédar âna ánder núzzi, ioh er sih góte leidit, ob ér siu zuei giscéidit. (Man vergleiche as. â-lethian, an. leiÖa). Zu leid 'leid, böse', SchW. 193, StWG. 366; man vergleiche afr. as. lêth, ae. läÖ, an. /«. Dazu ablautend ahd. giwona. Das Adjektiv ist zu der Wurzel idg. *uen- zu stellen, zu der Ableitungen in den germanischen Sprachen reich entfaltet sind2657. Nicht auszuschließen ist allerdings auch, daß das Adjektiv mit F. Heidermanns2658 wegen der Beleglage und der Bedeutungsverhältnisse als Rückbildung aus dem jan-Verb aufgefaßt werden muß. Das jan-Verb erklärt Heidermanns deshalb als "altes Kausativum" 'beliebt machen' zu idg. *uen- 'lieben'. Die semantischen Beziehungen sind in diesem Fall aber keineswegs befriedigender gedeutet. [PERDURATIV, FINAL - FAKTITIV)

a2. Ableitungen von abgeleiteten Adjektiven α) Ableitungen von Basen auf -ag, -ig und -ig: gi-buldigen 'geneigt machen', (Gl.); StWG. 290, RVA. 76f. Zwei Belege; man vergleiche StSG. 111,64,8 Placet : gehvldegùr (HSH. 1,93 gehvldeget Concido con2652 Die Belege gehören wohl zu idg. "dheus- in aksl. duchi 'Hauch, Atem, Geist'. Sieh dazu auch HEW. 155 unter *äeuza-, 2653 Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 535. 2654 Zu den Adjektiven sieh HEW. 652f. unter "wamma- sowie W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 393, PIEW. 1145. 2655 Zu afr. wenia 'wohnen' sieh W. van Helten, PBB. 14 (1889) S. 253f. 2656 Zu den Adjektiven sieh H. Eichner, Die altenglischen Verba auf -Ixcan, S. 101, KEW. 266. 2657

Sieh dazu PIEW. 1164f. und auch FTW. 386 und 388 mit den Ansätzen ven1 'gern 2 haben, lieben, wünschen' und ven 'arbeiten, streiten, mühen', die vermutlich ursprünglich zusammengehören. 2658 HEW. 654.

Ableitungen von einem Adjektiv

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cido, placet et placet, colo colo, SH. 2612); Nr.313, BV. 461, 12.Jh., bair. - StSG. 111,414,57 Placet : gehuldige (HD. 1,483 Vidima quae placet duplex hominemque Deumque. "Ein Opfer, das sowohl den Menschen, als auch Gott gefällt."); Straßburg, UB., Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg, Nr.557, BV. 857, 12.Jh., alem. (Nur 12.Jh.). Die Ableitung setzt ein Adjektiv * huldig 'gnädig' voraus; man vergleiche auch StWG. 290 huldigaro. lidigen 'frei machen', (Gl.); StWG. 364 ledigen, lidigen 'erledigen', RVA. 110. Zwei Belege; StSG. 111,418,64 Expédiant : lidigen, 418,65 Expediti : gelideget. Die Belege entstammen der Handschrift Straßburg, UB. Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg (12. Jahrhundert) und dürften als mittelhochdeutsch zu werten sein. HD. 1,393 Laici autem debent arma portare Ecclesiam a paganis protegant et clerum ad servicium Dei expediant lidigen. Unde et illorum vestes sunt stricte, quatinus expediti gelidiget reddantur pugne. "Die Laien aber müssen die Waffen tragen, schützen die Kirche vor Heiden und machen den Klerus frei für den Dienst an Gott. Deshalb ist auch ihre Kleidung kurz, damit sie im Kampf unbehindert sind." Zu einem ebenfalls nur mittelhdochdeutsch belegten Adjektiv ledec, ledic 'frei'2659. Man vergleiche auch an. lidug/6i0. Die Bedeutungsangabe 'erledigen' im StWG. ist zu verbessern. ß) Ableitungen von Basen auf -bàri: liutbâren 'öffentlich bekannt machen', (ein Beleg N.); SchW. 200, RMWA. 83, RVA. 114 unter einem Ansatz (gi-)liutparen. Notker 4,50,14f. Ze^érist tie hêrosten . die iouis ίη-gesîde hîezen . dero námen diu himel-toûgeni ne-uuólta gelíutpâret uuérden ... (Nur ahd.). Man vergleiche mhd. lûtbxre 'laut, öffentlich'2661, γ) Ableitungen von Basen auf -luomi·. gi-managluomen 'vermehren', (ein Beleg StSG. IV,331,39 Multiplicat : kamanaclomit)\ StWG. 398, RVA. 123. Der Beleg stammt aus C. Sanftls Abschrift einer verlorengegangenen St. Emmeramer Handschrift. Glosse zu Greg. hom. 1,19,1513 (Ps 39,6) Annuntiavi et locutus sum, multiplicati sunt super numerum. "Ich habe ausdrücklich gesagt, sie haben sich übermäßig vermehrt." 2659 2660 2661

LH. 1,1852, N. 3,294. Sieh dazu J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 355. LH. 1,1994. Sieh auch oben unter 5.B.b. sowie HEW. 124f.

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Ableitungen von einem Nominalstamm

(Nur ahd). Zu einem Adjektiv ahd. *managluomi. Ein bei J. Pokorny2662 angeführtes Adjektiv ahd. luomi 'nett, nachgiebig, mild' erscheint nur in der Gestalt eines Halbsuffixes 26 ".

a3. Ableitungen von Komposita grundfesten 'fest gründen', (Gl.); KFW. 4,450, StWG. 242, fehlt RVA. Der erste Beleg für die Ableitung (StSG. IV,262,13 (Funditus) : gigrunfestid\ Oxford, Laud. Iat. 92; 9.Jh.) beruht auf einer Fehlübersetzung. Man vergleiche los 6,5 ... et muri funditus corruent civitatis ... "... alsdann werden die Mauern der Stadt (Jericho) bis auf den Grund zusammenstürzen." Statt lat. fundere 'zu Boden strecken, auf den Grund zusammenstürzen lassen'2664 ist lat. fundâre 'mit einem Boden versehen, fest gründen' übersetzt worden2665. Der zweite Beleg (Notker, Ps 47,9 gruntfestota, 3.Sg. Prät.) stammt aus der Wiener NotkerHandschrift. (Nur ahd.; man vergleiche aber mnd. gruntvesten, mnl. grontvesten). Basis der Ableitung muß ein im Althochdeutschen nicht bezeugtes adjektivisches Determinativkompositum *grundfest 'fest gegründet' sein, das erhalten ist in an. grunnfastr 'fast agrounded (of a ship)' und mnd. grundvast. Abstraktbildung zu diesem Adjektiv ist ahd. gruntfestî st.F. 'feste Grundlage, Basis, Fundament', das von den Bearbeitern des KFW.2666 als Basis des Verbs bezeichnet wird. Auch wenn nicht auszuschließen ist, daß bei späten Belegen eine Ableitungskette Adjektiv - feminines zVAbstraktum - jan-Vçrb vorliegen könnte, so ist für das nicht-durative Verb doch die Annahme einer deadjektivischen Ableitung aus semantischen Gründen vorzuziehen. Weitere Ableitungen von femininen zVAbstrakta sind zudem nicht mit Sicherheit nachweisbar2667. gi-mittidwerahen 'zur Lebensmitte gelangen1, (StSG. 1,517,62 Dimidiabunt : gimittiduerhent)\ StWG. 419, RVA. 131 unter mittiferahen. Der Beleg (Göttweig, StiftsB. 46/103; Nr.228, BV. 264, bair.) wird in das 12. Jahrhundert datiert. Glosse zu Ps 54,24 ... viri sanguinum et doli non dimidiabunt dies suos ego autem sperabo in te Domine. "Die Männer der Blutschuld und des Truges werden die Hälfte ihrer Lebenstage nicht erreichen, ich aber vertraue auf dich, o Herr." 2662 p j

2663

E W

6 7 4

Man vergleiche StWG. 389 unter -luomi sowie oben unter 5.B.b. 2664 Sieh K.E.Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,2876. 2665 Zum Ausfall des Dentals in gigrunfestid sieh O. Gröger, Die althochdeutsche und altsächsische Kompositionsfuge, § 162,2. 2666 4,450. 2667 Sieh auch Ch.T. Carr, Nominal Compounds, S. 90.

Ableitungen von einem Adjektiv

515

(Nur 12.Jh.). Die Parallelüberlieferung zeigt mittiferahen1^1. Basis der Ableitung dürfte eine sonst nicht bezeugte Adjektivbildung sein, die zusammengesetzt ist aus dem Substantiv mitti und dem Adjektiv dwerah 'quer', StWG. 113. Das Adjektiv wird auch vorausgesetzt durch das Substantiv ahd. mittidwerahî st.F. 'die Mitte des Körpers', StWG. 419, das selbst seit dem 10./11. Jahrhundert bezeugt ist. mittiferaben 'zur Lebensmitte gelangen', (Gl., ¿i- Gl.); StWG. 419, RVA. 131. Der älteste Beleg scheint vorzuliegen StSG. 1,517,60-61 f., 63-66 Dimidiabunt : gimittiuerihent-, und andere Schreibvarianten, zuerst wohl in der Handschrift Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11.Jh., bair.2'69. Sieh oben unter gi-mittidwerahen. - Das Simplex erscheint StSG. 1,504,10-13 Dimidietur : mittivereh& (Clm 19440) u.a. Schreibvarianten. Glosse zu Job 21,21 quid enim ad eum pertinet de domo sua post se et si numerus mensuum eius dimidietur. "Denn was kümmert ihn sein Haus nach seinem Tode, und daß die Zahl seiner Monde abgekürzt ist." (Nur ahd.). Wohl wie mittidwerahen eine deadjektivische Ableitung. Das in Frage kommende Adjektiv liegt vor in as. midfiri 'in reifem Alter'. Daneben steht auch hier mit ahd. mittiferahî st.F. 'Lebensmitte, Hälfte', StWG. 420, ein feminines zVAbstraktum2670.

b. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt eitett 'etwas im Feuer härten, durch Feuer brennen', (N.; Gl.); KFW. 3,239, SchW. 122, RMWA. 89, StWG. 123, RVA. 35. StSG. I,603,8f. Codi lateris : gieittes zigales, Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11 .Jh., bair.2671 und ebenda gieites ziegles, Wien, ÖNB 2723; Nr.620, BV. 949, 2. Hälfte lO.Jh., bair.2672; Glosse zu Is 16,7 idcirco ululabit Moab ad Moab universus ululabit his qui laetantur super muro codi lateris loquimini piagas suas. "Deswegen wird Moab zu Moab hinheulen, ganz Moab wird heulen, denen, die sich an Mauern von gebrannten Ziegelsteinen erfreuen, verkündet ihre Strafen!" (Nur ahd.; man vergleiche auch mnd. êiden).

2668

Sieh dazu unten. Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 509-513. 2670 Sieh auch Ch.T. Carr, Nominal C o m p o u n d s , S. 125, E. Fabian, Das exozentrische ¡Compositum, S. 264. 26 ' Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 509-513. 2672 Zur Handschrift sieh ebenda S. 744-750. 2669

516

Ableitungen von einem Nominalstamm

Unter den im Althochdeutschen überlieferten verwandten Wörtern kommt nur das Substantiv eit st.M. 'Feuerstätte, Feuer' (KFW. 3,234f., dort mit Ableitungsverweis, SchW. 122, StWG. 123; man vergleiche as. êd, ae. âd) als Basis der Ableitung in Frage. Da es sich aber um ein perduratives Verb handelt, würde die Annahme einer desubstantivischen Ableitungsstruktur den Gesetzmäßigkeiten innerhalb der Klasse zuwiderlaufen. Dies ist im Einzelfall natürlich denkbar, im Griechischen, wo diese Wortfamilie weiter verbreitet ist2673, befindet sich allerdings auch ein Verbaladjektiv ai3ός 'glühend, brandfarbig, dunkel', das in seiner germanischen oder vorurgermanischen Gestalt auch die Basis für das jan-Vtrb gewesen sein dürfte. Es kann dann von einem Faktitivum ausgegangen werden. mesten 'mästen', (N.; Gl.); SchW. 211, RMWA. 93, StWG. 403, RVA. 128f. StSG. 1,22,36 Alendum : mastenti Pa. mastendan Kb. und StSG. I,273,7f. Altilia dicta quasi alitilia quia aluntur kimastiu, Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 38, 9.Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.2674; Glosse zu III Rg 4,23 decern boves pingues et viginti boves pascuales et centum arietes excepta venatione cervorum caprearum atque bubalorum et avium altilium. "Zehn Mastrinder, zwanzig Weiderinder und hundert Widder, ungerechnet das Wildbret, Hirsche, Rehe, Büffel und gemästete Vögel." - Notker 10,558,8f. Mit démo guote állemo uuard er ge-méstet. unde do spórnota er. (Man vergleiche ae. mxstan). Neben dem jan-Verb steht im Althochdeutschen das Substantiv mast st.M. 'der Dicke, Fette, Mästung, Fütterung' (NG.), SchW. 208; ae. mast 'Eicheln, Schweinefutter'2675, das wohl auf idg. *madz-d 'Nahrung geben' zurückführt 2676 . Das im Althochdeutschen spät bezeugte Substantiv kommt als Basis für das perdurative jan-Verb, für das eine systematische Bedeutung 'fett machen' anzunehmen ist, aber kaum in Frage. Es ist daher eher von einem allerdings sonst nicht bezeugten Adjektiv *mast 'fett' auszugehen2677. screnketi 'fangen, überlisten, ausspreizen' (O.; Gl., be- 'zu Fall bringen' N. O. T.; Gl., gi- 'kreuzweise übereinander legen, binden', O. und weitere Präfixbildungen); SchW. 258f„ RMWA. 74, StWG. 548, RVA. 184. Zuerst wohl in StSG. 1,290,55 Subplantauit : piscranchta R. piscranhta O.; Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9 .Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 2673

Sieh PIEW. 11. Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457465, besonders S. 459. 2675 Z u m Substantiv sieh PIEW. 649f., FTW. 318. 2676 M a n vergleiche KEW. 466. 2677 M a n vergleiche dazu DWB. 6,1713f. Der im DWB. für NG. 9,280,9 iro masla als Adjektiv ahd. mast angesetzte Beleg ist aber mit R. Schützeichel (SchW. 208) und H. Sehrt - W. Legner, Notker-Wortschatz, S. 354, zum Substantiv zu stellen. Das Adjektiv erscheint auch nicht in der Zusammenstellung R.T. Giuffridas, Das Adjektiv in den Schriften Notkers. 2674

Ableitungen von einem Adjektiv

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725, frühes 9.Jh., alem.2678; Glosse zu Gn 27,36 at ille subiunxit iuste vocatum est nomen eius Iacob subplantavit enim me en altera vice. "Und er sprach: Der heißt mit Recht Jakob. Denn er hat mich nun zweimal überlistet." - Otfrid 5,23,154f. ther diufal in thaz dúat. Nihéin ouh thes githénkit, uuio er sie émmizigên scrénkit. (Man vergleiche ae. screncan 'ein Hindernis in den Weg legen' aus germ. *skrank-ija- 'verschränken, ein Bein stellen'). Wohl zu einem nicht bezeugten Adjektiv germ. *skrank- 'schräg, quer' neben *skanka-167\ Als systematische Bedeutung wäre dann von 'schräg, verschränkt machen' auszugehen. slîmen 'glätten, schärfen', (ein Beleg O.); SchW. 261, RMWA. 78, RVA. 191 (irrtümlich N.). Otfrid 1,23,5lf. Ist thiu ákus iu giuuézzit, zi theru uuúrzelun gisézzit, ouh harto gislîmit thémo, then si rinit. (Nur ahd.). Es vergleicht sich zunächst ahd. slim st.M. 'Schleim' (StWG. 559; man vergleiche ae. sltm, an. slim), einer Ableitung zur Wurzel *(.s)lei- 'schleimig'. Die perdurative Bedeutung des /¿«-Verbs als 'glatt machen' (mit final - faktitiver Bedeutungsstruktur im Gegensatz etwa zu ahd. limen 'leimen' zu lim) weist aber darauf hin, daß wohl nicht das Substantiv die Basis der Ableitung sein kann. Auch liegt kein sonst gebräuchliches desubstantivisches Ableitungsmuster vor. Eher ist ein Adjektiv vorauszusetzen. Außergermanisch vergleicht sich air. slemun 'glatt, schlüpfrig'2680. Für das Germanische bezeugt F. Heidermanns2681 nur das Adjektiv *slimßa- 'schräg, schief. sûmen 'nachlassen, nachgeben', {Gl, fir- Β. E. GB.; Gl.); SchW. 275, RMWA. 79, StWG. 607, RVA. 213. Der Simplexbeleg StSG. 1,275,59 Cedit : sumit 'zum Eigentum werden' (aus der Handschrift Oxford, BL. Jun. 25 (Rd.); Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.2682) kann Verschreibung aus rumit sein, das in der Parallelhandschrift Karlsruhe Aug. IC an dieser Stelle steht. Zu ahd. rûmen 'räumem, zurückweichen' sieh StWG. 496. Es handelt sich um eine Glosse zu Nm 24,18 et erit Iudumea possessio eius hereditas Seir cedet inimicis suis Israhel vero fortiter aget. "Und Edom wird sein Besitztum sein, Seir wird der Anteil seiner Feinde werden, und Israel wird große Taten tun." Lat. cedere ist in Rd. nicht im Sinne von 'zuteil werden', sondern als 'weichen, auf jemanden übergehen' übersetzt worden. Sicher bezeugt ist nur die Präfixbildung fir-sämen, zuerst wohl StSG. 11,170,17 Dissimulât : uarsumit, Clm 6277; Nr. 345, BV. 518, 9.Jh., 2678

Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457465, besonders S. 459. 2679 Zu dem Adjektiv sieh KEW. 652, R. Lühr, Expressivität und Lautgesetz, S. 143. 2680 Man vergleiche auch FTW. 538, PEW. 1532. 2681 HEW. 513. 2682 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459.

518

Ableitungen von einem Nominalstamm

bair.; Glosse zu Greg, cura 3,15,56 ... ut quo se per disciplinant ligare dissimulât, eo se esuriens per voluptatum desideria spargat. "... wie einer, der vorgibt, sich an Zucht und Ordnung zu halten, sich um so mehr zerstreut, weil er nach Lustbarkeiten hungert." Es kann sich nicht um eine unmittelbar auf dissimulât bezogene Glosse handeln. Sie übersetzt sinngemäß essuriens oder ist als Kontextglosse einzustufen. (Nur ahd.). J. Pokorny2683 zufolge kann es sich bei dem Verb um eine denominale Ableitung von einer sonst nicht bezeugten Basis *sû-mô-s 'nachlassend, säumend' handeln, die zu einer Wurzel idg. *seyo- 'loslassen, nachlassen, lassen' (?), zu der auch griech. eán '(zu)lassen' gehört, zu stellen ist2684. Zwar können für diese Deutung keine weiteren Stützen beigebracht werden, eine andere Anknüpfung scheint aber nicht in Sicht2685. tuzzen 'beruhigen', (ein Beleg O.); SchW. 291, RMWA. 98, RVA. 233. Otfrid 1,11,41 Uuóla, thiu nan dúzta inti in ira bárm sazta, scôno nan insuebita inti bî iru nan gilégita! (Nur ahd.); man vergleiche auch mhd. tiitzen 'zum Schweigen bringen', nfries. dutten 'schlafen', isl. dotta 'vor Müdigkeit einnicken'. Nicht sicher ist, ob auch mnl. dotten, dutten, mnd. vordulten 'verwirren' hierher zu stellen sind. Das janVerb ahd. tuzzen, mhd. tützen ist ein perduratives Verb, das auf handlungsstruktureller Ebene als final einzustufen ist. Als Basis der Ableitung ist daher ein Adjektiv germ. *âut(t)- 'ruhig' anzusetzen, zu dem ahd. tuzzen eine Faktitivbildung ist.

F. Ableitungen von einem Partizipialadjektiv a. Ableitungen vom Partizip eines schwachen Verbs feizten 'mästen', (Gl.); KFW. 3,699 feiztên ("daneben auch feizten ... ?"), StWG. 145 gi-feiziten, ir-feiziten sowie feizten und irfeiztên, RVA. 38. StSG. 1,373,13 Incrassatus : giueiziter u.a. (Gruppe M.). Es ist nicht völlig sicher, ob neben dem ¿«-Verb auch ein y^w-Verb angesetzt werden muß, zumal die fraglichen Formen aus dem 12. Jahrhundert stammen. Auszugehen ist zunächst von einem Adjektiv germ. *faita- 'fett'2686, zu dem ein Faktitivum gebildet wurde, wie es in an .fetta und mhd. veizen 'fett machen' bezeugt ist. Aus dem Partizip Präte2683

p I E W

9 1 5

Zum Adjektiv sieh auch HEW. 567f. unter *sûma- sowie PEW. 1482. Zu den Adjektiven auf *-mó- vergleiche man E.P. H a m p , HS. 96 (1983) S. 173. 2685 M a n vergleiche KEW. 620 "Herkunft unklar". 2686 Z u m Adjektiv sieh HEW. 186f. 2684

Ableitungen von einem Adjektiv

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ritum des schwachen Verbs, germ. *faitiäa-, ahd. feizit (nhd. feist) leitet sich ahd.feizten her. Unter dieser Voraussetzung sind -jan und -in Verb dort kaum auseinanderzuhalten, wo keine eindeutigen Flexionsformen überliefert sind. Im Partizip ist der Bedeutungsunterschied aufgehoben, 'fett geworden' und 'fett gemacht' wird 'fett'2687. Die bei F. Raven zusammengestellten Belege stimmen formal zur 1. Klasse.

b. Ableitungen vom Partizip eines starken Verbs eiginen 'anmaßen, sich zuschreiben, etwas für sich beanspruchen', (O.; Gl.); KFW. 3,110, SchW. 120, RMWA. 80, StWG. 119, RVA. 35. Zuerst StSG. 11,88,29 Non uindicent : ni eiganen im, Bern, BB. Cod. 98; Nr.28, BV. 61, 9.Jh., alem.-bair.; Glosse zu Can. conc. Afric LVI ut eadem äioecesis permissa, proprium tantum episcopum habeat: ceteras sibi non vindicent dioeceses. "Damit den Diözesen dasselbe erlaubt ist und sie einen eigenen Bischof haben. Die anderen Diözesen beanspruchen sie nicht für sich." (Nur ahd.; man vergleiche mnd. eigenen, mnl. eigenen). Zu eigan 'eigen', KFW. 3,104f.; das Adjektiv ist ursprünglich Partizip Präteritum des Perfektopräsens eigan2m. KFW. 3,104 wird das Verb, wohl in Anbetracht der Herkunft des Adjektivs, als unmittelbare Ableitung vom Perfektopräsens gedeutet. Doch dürfte eine Partizipialform erst dann als Basis einer Ableitung herangezogen werden können, wenn die Form als Partizipialadjektiv vom Verbalstamm abgelöst erscheint. Auch die zunächst nur althochdeutsche Bezeugung spricht für eine jüngere Ableitung von einer adjektivischen Basis. int-bagenen 'gefallen, angenehm sein', (StSG. 11,45,14 Adridebat placebat. / inthagenda)·, KFW. 4,601f„ RVA. 63; fehlt StWG. 248. Der Beleg stammt aus der Handschrift Köln, DB. XIX; Nr.86, BV. 346, 9.Jh., mfrk.2689; Glosse zu Beda hist, eccles. 5,2,230 Mansie ... in qua vir dei saepius ubi opportunitas adridebat (placebat) temporis, ... manere ... consumerai. "Die Wohnung, in der der Mann Gottes gewöhnlich häufig blieb, wo die Umstände angenehm waren." Die Bildung ist kaum mit R. Bergmann als in-thagên zu lesen2690. (Nur ahd.); die schwachen Verben des Altfriesischen, Altenglischen und Altnordischen setzen germ. *hag-ô- fort. Alter a/ô Ablaut im altnordischen Zweig der Sippe (hagar 'es trifft sich, ziemt sich', hógr 'bequem') läßt ein Primärverb als Ausgang der Bildungen wahr2687 2688 2689 2690

M a n vergleiche E. Linke, PBB. 82 (H 1961) S. 239. Zu den Formen sieh RVA. XVI (man vergleiche auch KFW. 3,114 unter eihhenen). Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 297f. So fragend Mittelfränkische Glossen, S. 298 A. 2236; sieh dazu auch KFW. 4,601.

Ableitungen von einem Nominalstamm

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scheinlich sein2691. Das althochdeutsche jan-Verb setzt wegen des «-Formans eine Nominalbildung voraus. Ein Substantiv haganlin, das im Althochdeutschen nur noch in der Bedeutung 'Weißdorn' sowie in Personennamen und als Hinterglied von Ortsnamen erscheint, kommt als Basis nicht in Frage, da das Substantiv eine andere Bedeutungsentwicklung durchlaufen hat2693. Die Bedeutung 'gefallen, angenehm sein' deutet dagegen eher auf ein Adjektiv, das sich als Partizipialadjektiv vom Paradigma des starken Verbs germ. *haga- 'hegen' abgelöst hat. fir-noscenen 'verdrängen, unterdrücken, aufreiben', (ein Beleg StSG. 11,518,30 Obtritos : fernoscenen). Die Stelle ist StWG. 436 als einziger Beleg für einen Ansatz fir-nescan st.V. 'zerquetschen' verzeichnet2694. Bei dem Eintrag in der Handschrift Einsiedeln, StiftsB. cod. 316 (Nr. 120, BV. 129, 11.Jh., alem.) handelt es sich um eine Glosse zu Prud. symm. 1,575 Vix pauca inueniens ... ingenia obtritos aegre retinentia cultus. "Du wirst kaum einige Gesinnungen finden, die sich mit Mühe festhalten an verdrängten Kulten." (Nur ahd.). Das Wort ist zwar geeignet, neben den Adjektiven got. hnasqus, ae. hncesce 'weich' den Ansatz eines starken Verbs germ. *hneskwa- 'zerreiben'2695 zu sichern, doch deutet die Form fernoscenen nicht zwangsläufig auf ein Partizip des starken Verbs selbst. Da in der Handschrift nicht-abgeschwächte Formen gut bezeugt sind, liegt hier vielleicht keine abgeschwächte Akkusativ PluralForm nach dem Muster der schwachen Adjektivflexion, sondern eine ^-Ableitung zu einem von *hneskwa- abgelösten Partizipialadjektiv vor. touganen 'das Glaubensgeheimnis verwalten', (ein Beleg StSG. 11,291,48 Administrent : tougnent)·, StWG. 630, RVA. 227. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11.Jh., bair.2696; Glosse zu Greg. hom. 1,17,1503 Ecce iam pene nulla est stzculi actio quam non sacerdotes administrent. "Sieh, es gibt schon beinahe kein Meßopfer (keine heilige Handlung) in diesem Jahrhundert, das nicht Priester verrichtet haben." (Nur ahd.). Das jan-Verb steht neben dem Adjektiv ahd. tougan 'verborgen, geheim, heimlich' (MH. N. NG. O. Ps.; Gl.; SchW. 283, StWG. 630), das wohl als erstarr2691

Man vergleiche KEW. 69 sowie SEW. 245f. unter *haç*a- 'hegen'. Sieh FTW. 68. 2693 StWG 248 Zu hagan 'Weißdorn', als Bezeichnung der Felder umzäunenden Pflanze, vergleiche O. Marzeil, Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, 1,1223. Sieh auch J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 202, M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 54. 2694 So auch SEW. 268 unter *hneskwa-. Der Beleg fehlt bei F. Raven. 2695 SEW. 268. 2696 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 509-513. 2692

Ableitungen von einem Adjektiv

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tes Partizip zu einem starken Verb germ. *äauga- 'verbergen'2697 zu stellen ist2698. Das durative Verb steht in einem Zusammenhang actio ... sacerdotes administrent. Administrare wurde mit dem Kontext auf den Umgang mit dem Sakrament (mysterium) bezogen. Die Bedeutung scheint im Althochdeutschen dabei auf ein Substantiv bezogen zu sein. Ein solches Substantiv liegt vor in der Ableitung ahd. touganî 'Verborgenheit, das (religiöse) Geheimnis', SchW. 283, StWG. 6302699. Ableitungen von femininen /(»/Stämmen sind unter den schwachen /¿«-Verben des Althochdeutschen aber sonst nicht sicher bezeugt. Ahd. touganî setzt selbst eine verbale Basis mit gleicher Ablautstufe voraus. Der Bezug auf das Substantiv dürfte daher nur sekundär sein. gi-wabanen 'etwas erwähnen, sagen, jemandes gedenken, denken an', (N. O.; GL), SchW. 307, RMWA. 80, StWG. 690, fehlt RVA. Otfrid 1,9,lf. Thes er iu uuard giuuáhinit, thô uuard irfúllit thiu zíf700. (Nur ahd.). Das Verb steht neben dem starken Verb ahd. giwahan 'etwas erwähnen, erzählen' (N. O.), SchW. 306; zu germ. *wah- für das E. Seebold2701 unter -wahw-na («'-) zu stellen2766. Die Bedeutung der althochdeutschen Präfixbildungen aber steht wohl den Kausativen ae. rêran 'erheben, befördern, errichten', an. reisa 'aufrichten', got. urraisjan 'aufrichten, erwecken' näher. Man vergleiche StSG. 2762

SEW. 266 Sieh auch W. Schulze, ZVSpF. 46 (1914) S. 188f„ KEW. 501, A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 27 sowie J. Jensen, Die I. und II. Ablautsreihe, S. 67. 2763 SEW. 266. 2764 Ebenda 370. 2765 Zur Bedeutung 'sich fügen' vergleiche man J. Trier, PBB. 66 (1942) S. 257. Sieh auch ebenda S. 255 sowie FTW. 342. 2766 M a n vergleiche KEW. 604, PW. 1436, K. Brugmann, G r u n d n ß § 465. Sieh dazu in Kapitel III.3.

Ableitungen von einem Verbalstamm

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11,329,64 Suppedit : ánarérit. I. inskiupit., Clm 14747; Nr.408, BV 611, 10Jh., bair.; Glosse zu Hieron. in Matth. 28 Cum enim ipse vitiorum incentiva suppeditet, et vobis etiam volúntate peccantibus, si consenserimus ei vitia suggerenti ... "Wenn er nämlich selbst den Anstoß für Sünden gibt, und wenn wir auch durch unseren Willen sündigen, wenn wir ihm zustimmen, der die Sünden bringt ..." Die Glosse bezieht sich, wie auch die vorausgehende (StSG. 11,329,62 Incentiua : shuntunga. i. inzuntunga) nicht auf Hieronymus in Matth. 39 (so StSG.), sondern auf Hieron. in Matth. 28. Auf die Abweichung zwischen Handschrift (Suppedit) und Edition (suppeditet) verweist E. Steinmeyer (zur Stelle) selbst. - StSG. 11,230,35 lnpetuntur : umpipirerit uuirdit, St. Florian, StiftsB. III 222 B; Nr. 132, BV 152 und Wien, ÖNB 949; Nr.602, BV 928, beide 9./10.Jh„ bair. Es handelt sich um Glossen zu Greg, cura 3,28,83 Admonendi sunt, ut noverint, quia quo magis loceo prominenti consistunt, eo crebrioribus sagittis insidiatoris impetuntur. "Sie müssen daran erinnert werden, damit sie es wissen. Denn je öfter sie sich an herausragenden Stellen aufstellen, desto häufiger werden sie von feindlichen Pfeilen angegriffen." (Man vergleiche ae. a-rêran, an. reisa 'aufrichten', got. us-raisjan 'aufrichten, erwecken'). Es dürfte sich dabei um eine Kausativbildung zu dem starken Verb germ. * reisa- 'aufgehen, untergehen' handeln. Zum starken Verb und seinen Ableitungen vergleiche man E. Seebold2767, der das althochdeutsche /¿«-Verb nicht erwähnt und A. Bammesberger2768, der das althochdeutsche jan-Verb rêren ohne Kommentar und Bedeutungsangabe unter den Kausativbildungen aufführt. So auch J. Jensen2769, der für das Simplex ahd. rêren eine nicht bezeugte Bedeutung 'fallen machen' angibt. Während die beiden unterschiedlichen Bedeutungen im Altenglischen auf das jan- und ow-Verb verteilt werden, sind im Althochdeutschen offenbar zwei verschiedene Verben zusammengefallen. Die Brücke für diesen Zusammenfall dürfte in der Metapher 'die Stimme erheben' für 'brüllen' zu suchen sein. seigen 'versenken', (Gl.); StWG. 513, RVA. 168. Zwei Belegstellen; zuerst StSG. 11,345,3 Non traducem (Ed. η in que tragica) Nolles seiganta, Clm 6325; Nr.348, BV. 529, 9.Jh., bair. und StSG. 11,346,5. Non que traducem ... artem (Ed. Tragica ... arte) nohdrato seiccantl list, Clm 14461; Nr.392, BV. 590, 9./10.Jh., bair.; Glosse zu Isid. off. 2,12,432 ... ut melodiam sanctœ religioni congruentem, non quce tragica exclamat arte. "Wie eine Melodie, die zur heiligen Religion paßt, die nicht laut ertönt in der tragischen Kunst." Die Graphie

2767 2768 2769

SEW. 371f. Deverbative jan-Vtrbz des Altenglischen, S. 31 f. Die I. u n d II. Ablautsreihe, S. 67.

I. Ablautreihe

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steht im Oberdeutschen für inlautendes westgerm. Die Deutung der Stelle ist durch die abweichende Version in den der Glossierung zu Grunde liegenden Handschriften erschwert. Das dort verwendete Lexem traducem kann wohl am ehesten mit lat. traducere verbunden werden, das dann im Kontext im Sinne von 'lächerlich machen, diffamieren' 2771 aufgefaßt werden muß. Die Glossierung scheint sich aber ohnehin in erster Linie auf lat. non ... exclamat arte zu beziehen, so daß die Ubersetzung "die nicht laut ertönt ..." vielleicht als "die versenkt ist in ..." verstanden werden kann. - Der zweite Beleg, StSG. 1,360,10 Concisus : giseictiu, befindet sich in den Handschriften Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11 Jh., bair.2772 sowie Wien, ÖNB 2723; Nr.620, BV. 949, 2. Hälfte 10Jh. und Wien, ÖNB 2732; Nr.621, BV. 950, lO.Jh., beide bair.2773. Glossiert wird Nm 10,5 sin autem prolixior atque concisus clangor increpuerit movebunt castra primi qui sunt ad orientaient plagam. "Wenn der Schall aber länger und in kurzen Stößen erklingt, so sollen zuerst diejenigen aufbrechen, welche nach Osten zu lagern." Der Glossierung liegt ein Übersetzungsfehler zu Grunde. Statt lat. concisus 'prägnant, kurzgefaßt' wird die Form als Partizip Perfekt Passiv von concîdô 'zusammenfallen, sinken' gedeutet. (Man vergleiche as. sêgian, ae. sigan 'senken, fällen'). Zu sîgan 'sinken, herabfließen', SchW. 250, StWG. 521; man vergleiche as. sigan, afr. (nur Präs.) siga, ae. sigan 'sinken', an. siga aus germ. *seiga- 'sinken'2774. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] seibben 'harnen, durchseihen, schmelzen', (Gl.); StWG. 513, RVA. 168. Zuerst wohl StSG. 1,200,29 mulcit : seihhit Kb. sehhit Ra. An dieser Stelle übersetzt seihhen lat. mulcere 'glätten' im Sinne von 'weich machen'2775. (Nur ahd.). Zu sihan 'herausseihen', SchW. 251, StWG. 521; man vergleiche afr. sia, ae. sêoη aus germ. *seihwa- 'seihen, tropfen'2776. Das jan-Vcrb kann als "bewirken, daß etwas tropft" paraphrasiert werden. Es ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob die systematische Bedeutung, die wohl am ehesten als 'schmelzen' anzusetzen wäre, auf der Ebene der Zeitstruktur als nicht-durativ aufge2770

Man vergleiche dazu BEG. § 180, sieh auch E. Ulrich, Die althochdeutschen Glossen,

S. 19. 2771 Dazu K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 2,3169, J.F. Niermeyer, Mediae Latinitatis Lexicon Minus, S. 1037. 2772 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 509-513. 2773 Zu den Handschriften sieh ebenda S. 785-789 und S. 821-826. 2774 SEW. 388f. Sieh auch KEW. 664 unter Sage, A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 64. 2775 Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 279. 2776 SEW. 389f. Sieh auch KEW. 664.

Ableitungen v o n einem Verbalstamm

542

faßt werden kann. Möglicherweise handelt es sich bei dem n u r im Althochdeutschen bezeugten Deverbativ u m eine jüngere Neubildung, die dem Muster der Kausativa n u r analogisch nachgebildet wurde. Die Bedeutungen der beiden Verben haben sich im Althochdeutschen offenbar berührt. Das starke Verb fallt wegen der M o n o p h t h o n g i e r u n g von ei > é vor h in Klasse Ib2777; der Lautwandel tritt dagegen nicht ein vor ahd. hhlv>. [NICHT-DURATIV ?, FINAL - KAUSATIV] scritteti '(aufzeigen, kundtun, offenbaren, erweisen', (N. O. WH., gi-1. N. O., ir- 'leuchten lassen, zeigen, brechen', N.; Gl.); SchW. 256, RMWA. 80, StWG. 536, RVA. 178f. O t f r i d 2,9,31f. Dmhtîn kôs imo einan uuini... Gibôt thaz er irslúagi ... sînan éinigan sun ... uuólt er sâr mit uuillen thaz sin gibót iifúllen ... Er afur uuídorort ni uuánt, êr er nan fasto gibant; er suórgata thero uuorto, bi thiu skéint er iz sô harto. (Man vergleiche ae. scénan 'glänzend machen'). Zu ahd. sânan 'scheinen, leuchten, bekannt werden', SchW. 257, StWG. 543; m a n vergleiche as. skînan 'scheinen, glänzen', afr. skîna, ae. scînan, an. skina, got. skeinan aus germ. * skeina- 'scheinen' 2779 . Das janNtrb kann mit der Paraphrase "bewirken, daß etwas leuchtet, bekannt wird" charakterisiert werden. Von dieser G r u p p e abgetrennt und als denominal zu einem Substantiv, das vorliegt in an. skeina 'Wunde, Riß' gestellt wird von A. Bammesberger im Anschluß an M. Schnieders 2780 ahd. ir-sceinen 'brechen', afr. skênia, ae. scênan in der Bedeutung 'erbrechen, aufreißen' und an. skeina 'ritzen, verwunden' 2781 . Zumindest f ü r ahd. ir-sceinen ist diese Deutung jedoch fraglich, da das Substantiv z u m einen im Althochdeutschen nicht bezeugt, die Bedeutung des N o m e n s aber, so wie sie im Altnordischen vorliegt, z u m anderen sehr eng ist u n d die Bedeutung des janNtibs auch als aus 'offenbaren' (= 'etwas aufbrechen, daß es erscheint, leuchtet', etwa Finsternis, Unwissenheit) entstanden u n d d a n n gegebenenfalls sekundär auf ein N o m e n bezogen worden sein kann. Alle sechs Belege f ü r ahd. ir-sceinen 'brechen' beziehen sich auf Prud. ham. 442 qui summum ... bonnum putat ... miserorum in corpore fasces frangere. "Derjenige, der es f ü r das höchste Gut hält, ... die Ruten zu brechen auf den Körpern von Unglücklichen." Zuerst wohl StSG. 11,390,11 Frangere : arskeinan aus der Handschrift London, BMMss. Add. 16894; Nr.267, BV. 389, 11.Jh., bair. 2777

Sieh BEG. § 331. E b e n d a § 43 A. 4. 2779 SEW. 409f. Sieh auch KEW. 628, A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba englischen, S. 64. 2778

des Alt-

2780

Die einheimischen nicht k o m p o n i e r t e n schwachen Verben, S. 123.

2781

M a n vergleiche auch J. de Vries, Altnordisches etymologisches W ö r t e r b u c h , S. 488

( d e n o m i n a l zu skeina), StWG. 536 ir-sceinen2.

I. Ablautreihe

543

[NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] screiten 'auseinanderspreizen', (Gl.); StWG. 547, RVA. 183f. Zuerst wohl StSG. 11,480,25 Diuaricatis : giscreitten. Der Beleg findet sich in fünf Handschriften des 11. Jahrhunderts, darunter in der Handschrift Kiel, UB. Cod. MS. KB 145; Nr.245, BV. 340, Anfang 11.Jh., bair.2782; Glosse zu Prud. perist. 5,252 ... lignoque plantas inserii, diuaricatis cruribus. "... und steckt die Füße unter einen Holzblock mit auseinandergespreizten Beinen." (Man vergleiche an. skreiÖast). Zu scritan 'schreiten', SchW. 259, StWG. 549; man vergleiche as. skrídan, afr. (nur Präs.) scrtda, ae. scrîdan, an. skrida aus germ. *skreipa- 'schreiten'2783. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] sleifen 'gleiten', (Gl., auch bi- 'zu Grunde richten'); StWG. 557, RVA. 190. Das Simplex ist nur einmal belegt Gl.RR. 230,27 lubricat, sleifit, Rom, BV. lat. 3860; BV. 834, Anfang ll.Jh. Die Glossen dieser Handschrift sind oberdeutsch2784. Glossiert wird Prud. perist. 12,35 nunc pretiosa ruit per marmara lubricatque cliuum, donec virenti fluctuet colymbo. "Nun läuft es über kostbaren Marmor und gleitet sanft den Hügel hinab, bis es in ein grünes Becken fließt." Die Grundbedeutung des althochdeutschen Verbs könnte gleich lat. lubricare 'schlüpfrig, glatt machen' lauten. Die Parallelglossierung (StSG. 11,541,72) aus der Handschrift London, BMMss. Add. 34248; Nr.273, BV. 402, 11. Jh., alem., bietet mit Lubricat : slijfit wohl das starke Verb278S. In der Londoner Handschrift könnte allerdings auch eine sonst nicht bezeugte Intensivbildung zu dem genannten starken Verb vorliegen2786. Die Bedeutung 'gleiten' (durativ) dürfte vom starken Verb auf das schwache übertragen worden sein. Ein transitives Verb zeigt sich in der seit dem 11. Jahrhundert bezeugten Präfixbildung bi-sleifen, so in StSG 2,383,57 Labefactat. deicit. : bisleifta aus der Handschrift Göttweig, StiftsB. 34/44; Nr.227, BV. 263, ll.Jh., bair. Es handelt sich um eine Glosse zu Prud. psych. 30f.: ilia hostile caput falerataque tempora uittis altior insurgens labefactat. "Sie aber erhebt sich höher und richtet ihr feindliches Haupt und die mit Binden umwundenen Schläfen zu Grunde." (Man vergleiche afr. slêpa 'schleifen, schleppen'). Zu slîfan 'gleiten, vergehen, verfallen, zusammensinken', SchW. 261, StWG. 558; man vergleiche mnd. slîpen, mnl. slijpen 'schleifen' aus germ. *sleipa'schleifen'2787. Zu einer Bedeutung 'gleiten, schleifen' ist für ein Kausativ eine 2782 Zur Handschrift sieh B. Kölling, Kiel UB, S. 2 3 4 f , sieh auch ebenda S. 101, Nr.93 zum Kontext der Stelle. 2783 SEW. 42If. 2784 Zur Handschrift sieh H. Thoma, PBB. 85 (H 1963) S. 232. 2785 So StWG. 558. 2786 Zu fur dann zu erwartendes im Alemannischen sieh BEG. § 176. 2787 SEW. 429f. Sieh auch KEW. 637.

544

Ableitungen von einem Verbalstamm

Bedeutung "bewirken, daß etwas gleitet, schleift" zu erwarten, die etwa 'schleifen lassen, hin- und her schleifen' lauten müßte. Aus einer solchen Bedeutung dürfte sich die Bedeutung 'zu Grunde richten' entwickelt haben, die in ahd. bi-sleifen erscheint2788. Ob für das unpräfigierte jan-Verb eine ursprünglich nicht-durative Bedeutung angesetzt werden kann, ist kaum zu erweisen. Die ermittelten Bedeutungen lassen keine sichere Entscheidung für eine Klassifizierung zu. [DURATIV ?, KAUSAL - KAUSATIV ?] in-sleihhett 'einschmuggeln, unterschieben', (Gl., auch untar- Gl.); StWG. 557, RVA. 190. Beide Präfixbildungen sind in der selben Handschriftengruppe bezeugt; so StSG. II,107,30f. Subintroductam [mulierem] stulingun. ingisleihtaz, Wien, Ö N B 2723; Nr.620, BV. 949, 2. Hälfte lO.Jh., bair.2789; Glosse zu Can. conc. Nie. III Interdixit per omnia magna synodus, non episcopus ... nec aliens omnio, qui in clero est, licere subintroductam habere mulierem. "Die große Kirchenversammlung hat es unter allen Umständen untersagt, weder der Bischof, noch ..., daß einer, der im Klerus ist, eine eingeschmuggelte Frau haben dürfe." - Sieh auch StSG. II,127,3f. Subsicivum : untersleichtes. Glosse zu Can. deer. Innoc. XLVIII. (Nur ahd.). Zu ahd. slîhhan 'schleichen, langsam gehen', SchW. 261, StWG. 558; in-slîhhan 'fliehen vor', Otfrid; nur ahd.; man vergleiche auch mnd. sltken 'schleichen' aus germ. *sleika- 'schleichen'2790. Außergermanisch vergleicht sich ohne smobile griech. λιγδην 'oberflächlich berührend, streifend'. Das Bedeutungsverhältnis zum starken Verb ist verdunkelt. Vermutlich kommt germ. *sleikaeine Grundbedeutung 'langsam bewegen' zu; dazu könnte ahd. *sleihhen als 'schieben' Kausativ sein. sleizzen 'abreißen, abrupfen, ausraufen', (GL, fir- Gl., ze-, NG.); SchW. 261, RMWA. 97, StWG. 557, RVA. 190. Zuerst wohl StSG. 1,600,26 Uellicantem : sleizanten, (Gruppe M.), unter anderem aus der Handschrift Wien, Ö N B 2723; Nr.620, BV. 949, 2. Hälfte lO.Jh., bair.2791; Glosse zu Am 7,14 et respondit Amos et dixit ad Amasiam non sum propheta et non sum filius prophetae sed armentarius ego sum vellicans sycomoros. "Da antwortete Amos und sprach zu

2788

M a n vergleiche dazu H. Paul - H. Henne - G. Objartel, Deutsches Wörterbuch, S. 740

unter ^ s c h l e i f e n 'etwas auf dem Boden Gleitendes hinter sich herziehen 1 . 2789 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 785-789. 2790 SEW. 428f. 2791 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 785-789.

I. Ablautreihe

545

Amasias: Ich bin kein Prophet und bin kein Prophetensohn, sondern ein Hirt bin ich, der wilde Feigen zieht"2792. (Man vergleiche - mit anderer Bedeutungsentwicklung - ae. slêtan 'hetzen, mit Hunden jagen'). Zu ahd. slîzan 'zerreißen, zerbrechen', SchW. 262, StWG. 560; man vergleiche an. slita, ae. slîtan, afr. sIita, as. slîtan aus germ. *sleita- 'zerreissen'2793. Ein vergleichbares Bedeutungsverhältnis liegt bei dem Paar ahd. btzan : beizen vor. Die kausative Beziehung kommt dort deutlicher zum Ausdruck, sie dürfte aber auch dem vorliegenden Fall als "bewirken, daß etwas zerreißt (zum Beispiel ein Seil)" zu Grunde liegen. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] be-smeizzen 'beflecken', (N.); SchW. 262, RMWA. 97, RVA. 192. Ein Beleg Notker 8,22,1 f. Vnde tréttoe er in erdo minen lib . daz chit . pesmêizze er míh mit irdischen sundon. (Nur ahd.). Zu smizan 'anstreichen, aufladen, schmieren', be-smizan 'bestreichen, besudeln', SchW. 262, StWG. 564; man vergleiche as. (PPP) -smitan, afr. smita, ae. smitan, got. smeitan aus germ. *smeita- 'schmeißen'2794. Ausgangspunkt für die Bedeutungen ist vermutlich das 'Bewerfen (einer Hauswand) mit feuchtem Lehm.'2795. Zu einer Bedeutung 'besudeln', die in be-smtzan vorliegt, kann ein Kausativ "bewirken, daß etwas besudelt ist" gebildet werden, das in übertragener Bedeutung als 'beflecken' erscheint. sneiten 'beschneiden', (Gl.); man vergleiche SEW. 443. StWG. 564 und RVA. 2,140 unter sneitôn. Neben den Belegen, die für das janNzrb zeugen können, steht das deverbale όκ-Verb gi-sneitôn2796. Die fraglichen Belege, aber auch die für das ên-Veib snitên werden bei F. Raven unter snitôn mitverzeichnet. Belegt ist das jan-Vtib StSG. I,597,52f. Non pulabitur : nihtgesneithwirt, Clm 22201; Nr.460, BV. 681, Mitte 12.Jh., mfrk. u. bair.2797; gesneitetwirt, Clm 4606; Nr.328, BV. 486, 12Jh., bair.; gisneitit uuirdet, Stuttgart, WLB. HB IV 26, Nr.561, BV. 867, 12.Jh., alem.279'; gunaillet wirdet, Clm 6217; Nr.337, BV. 500, 2792 Die Variante vellicantem statt vellicans ist in den Apparaten der Biblia Sacra und der Biblia Sacra iuxta Latinam vulgatam versionem (sieh zur Stelle) nicht verzeichnet. 2793 SEW. 430. M a n vergleiche A. Bammesberger, Deverbative ya«-Verba des Altenglischen, S. 65 u n d J. Jensen, Die I. und II. Ablautsreihe, S. 67. 2794 SEW. 437f. 2795 Sieh dazu SEW. 438. 2796 M a n vergleiche dazu W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 24. Sieh auch SEW. 443 und RVA. 2,140. 2797 Zur Handschrift sieh K. Matzel, Die Bibelglossen des Clm 22201, S. 172f. 2798 Die Dialektzuweisung bei F. Simmler, Die westgermanische Konsonantengemination, S. 31 beruht offenbar auf einem Irrtum, man vergleiche ebenda S. 32, A. 242. Er beruft sich auf H. Garke, Prothese und Aphaerese, S. 54. An dieser Stelle wird die Handschrift aber von H. Garke als alemannisch gekennzeichnet.

546

Ableitungen von einem Verbalstamm

13./14.Jh., bair.; Zürich, ZB Ms. Rh. 66; Nr.654, BV. 1015, 12.Jh.; Glosse zu Is 5,6 et portant eam desertam non putabitur et non fodietur et ascendent vepres et Spinae et nubibus

mandabo

ne pluant

super eam imbrem.

"Ich will i h n

(den

Weinberg) wüst liegen lassen, er wird nicht beschnitten werden und nicht gehackt werden und es werden Disteln und Dornen darauf wachsen und ich will den Wolken gebieten, daß sie nicht darauf regnen." Es kann sich bei den späten Belegen zwar um Formen mit Abschwächung der Endsilbe handeln, doch ist der Ansatz einer deverbalen ^-Ableitung auch durch das Altnordische und Altenglische zu stützen. Es wird sich bei den Belegen kaum um Fälle mit diphthongiertem î und Flexionsklassenwechsel handeln. Als Belegstelle für das y'^w-Verb wird von E. Seebold2799 allerdings StSG. 1,597,47 angegeben. Die dort verzeichnete Glosse gisnitannivuirdit ist aber mit T. Starck J.C. Wells2800 zum starken Verb ahd. snîdan und nicht zu sneiten zu stellen. (Man vergleiche ae. snéedan, an. sneiÖa). Zu snîdan 'schneiden, fällen, mähen, ernten', SchW. 263, StWG. 565; man vergleiche as. snîthan, afr. snîtha, ae. snîÔan, an. snida, got. sneipan aus germ. *sneifxt- 'schneiden'2801. Zu einer Bedeutung 'schneiden, ernten' kann 'ab-, beschneiden' kausativ sein. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] spreiten 'ausbreiten, ausstreuen', (MH. N. RhC. T.; Gl.); SchW. 267, RMWA. 90, StWG. 580, RVA. 196f. Zuerst StSG. 1,4,27 notans : caspraitandi Kb. Statt lat. nodare 'knoten, knüpfen' ist notare 'bekannt machen, verbreiten' übersetzt2802. - Tatian 262,31 f. ... ubil scale Inti lazzo tho du uuestos thaz ih thar arnon tbar ih nisauuiu Inti samanon thar ih ni spreitta gilampf thir zibifelahanne minan scaz munizzerin ... (Man vergleiche ae. sprâdan 'spreiten, ausbreiten'); sieh auch mnd. sprêden, spreiden, aschw. spreda, norw. spreida. Wohl zu spritan 'ausbreiten, umherschweifen', StWG. 581. Das starke Verb wird trotz schwed. spriden (das aber möglicherweise entlehnt ist) meist als eine sekundäre Bildung aufgefaßt, so von E. Seebold2803 und U. Hempen2804. Ein Nomen, das die Basis der o-stufigen jan-Vtrhcn, und auch von ahd. kespreit[i] 'Ausbreitung' st.F.2805 abgegeben haben könnte, ist jedoch nicht in Sicht. Ahd. spreiten 'ausstreuen' kann als "bewirken, daß etwas ausgebreitet 2799

SEW. 433.

2800 S t W G

565

2801 443 f. Sieh auch A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 32, M. Schnieders, D i e einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 22. 2802

Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 55. 2803 455 u n d KEW. 691 unter spreiten ("Ein Grundwort ahd. spritan, mhd. spriten ist sehr schwach bezeugt und keine ausreichende Stütze für eine genauere Etymologie."). 2804 Die starken Verben im Deutschen, S. 196. 2805 SchW. 267.

I. Ablautreihe

547

wird" und damit als kausative Bildung aufgefaßt werden. Auch ist ahd. sprîtan schon früh (zuerst StSG. 11,689,42 (Errantes) : spritentan, Melk, StiftsB. unsigniert; Nr.293, BV. 435, 9.Jh., bair.) und keineswegs nur selten bezeugt. Daher ist zu erwägen, ob es nicht doch ein reguläres Paar sprîtan : spreiten gegeben hat, das sich aber wegen der geringen Bedeutungsdifferenz zwischen beiden gegenseitig beeinflußt und so zur Verdunklung der Verhältnisse geführt hat2806. Für die Annahme einer deverbalen Ableitung sprechen sich auch A. Bammesberger2807 und J. Jensen2808 aus2809. A. Bammesberger setzt für das starke Verb eine Bedeutung 'sich ausbreiten' an. Dazu kann 'ausstreuen, ausbreiten' als "bewirken, daß etwas sich ausbreitet" durchaus kausativ sein. Ob eine systematische Bedeutung 'ausstreuen' als nicht-durativ aufgefaßt werden kann, ist nicht sicher zu erweisen. [NICHT-DURATIV ?, FINAL - KAUSATIV] gi-streibben 'umwickeln', (ein Beleg StSG. 11,492,43 Circumplicat : kestreichit)·, StWG. 599, RVA. 208. Von E. Seebold2810 wird dieser Beleg unter einem Ansatz ga-strihhan verzeichnet. Da keine Begründung gegeben wird, muß angenommen werden, daß E. Seebold hier ein Beispiel für die Diphthongierung von ahd. î zu ei erblickt hat. Diese ist seit spätalthochdeutscher Zeit in bairischen Texten bezeugt28". Unter den Prudentiusglossen der Handschrift Stuttgart, WLB. HB XII 6 (Nr.563, BV. 874, 12.Jh. alem.) ist jedoch nach Ausweis der übrigen in StSG. verzeichneten Belege aus dieser Handschrift die Diphthongierung nicht durchgeführt. So stehen mit StSG. 11,491,20 Sopor.o : rifero (zu ahd. rif, rtfi 'reif) und ebenda 2,492,44 Defluentem : spritentë (zu ahd. spritan 'ausbreiten') an den einschlägigen Stellen nicht diphthongierte Formen. Das jan-Vcrb ist eine Glosse zu Prud. perist. 10,272 Ars seminandis ejjicax erroribus barbam rigentem dum lonis circumplicat. "Die Kunst ist wirkungsvoll, um Irrglauben zu erzeugen, wenn man den steifen Bart Jupiters umwickelt." (Gemeint ist wohl ein Kräuseln des Bartes.) (Nur ahd.). Zu ahd. ga-strihhan 'bestreichen, schleifen', SchW. 273, StWG. 599; man vergleiche ae. strican, afr. strika, an. strykva aus germ. *streika- 'streichen'2812. Es

2806 Ein bei K. Schiller - A. Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch 4,342 neben as. sprêdian f u r das Mittelniederdeutsche aufgeführtes starkes Partizip ist jedoch nicht nachweisbar. 2807 Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 65 mit weiterer Literatur. 2808 Die I. und II. Ablautsreihe, S. 67. 2809 M a n vergleiche weiter FTW. 517 und W. Wilmanns, Wortbildung, S. 33. 2810 SEW. 476. 2811 M a n vergleiche MG. § 42. 2812 SEW. 476f.

548

Ableitungen von einem Verbalstamm

vergleicht sich lat. stringere. Man vergleiche auch das von der gleichen Ablautstufe gebildete ow-Verb ahd. streichen 'streicheln'. gi-sweihhen 'abwenden', (ein Beleg StSG. 11,31,8 (Declinatis) DECLINAOS : Gesuuechenten)·, StWG. 615 'abbiegen', RVA. 220. Der Beleg entstammt der Handschrift Trier, StadtB. 1093/1694; Nr.569, BV. 881, 11.Jh., westliches Moselfränkisch2813. Glosse zu Arat. II,V,5 30 nam debilis aevo Et declinatis senior iam visibus ales Flammivomo sub sole iacet. "Denn der altersschwache Vogel liegt schon mit abgewendetem Blicken unter der flammenspeienden Sonne." Der Beleg ist von R. Bruch2814 als Ableitung zu einem Adjektiv ahd. swach gedeutet worden, doch ist im Kontext - zumal ahd. * swach nur aus Ableitungen erschlossen werden kann - zutreffender mit H. von Gadow ein Verb ahd. gisweihen 'abwenden' anzusetzen, das hier mit im 11. Jahrhundert im westlichen Moselfränkisch aufretender Monophthongierung von ei zu ê erscheint2815. (Nur ahd.). Zu ahd. swthhan 'abfallen, weichen von, sich abwenden', SchW. 278, StWG. 618; man vergleiche as. swtkan, afr. swîka, ae. swîcan, an. svikva aus germ. *sweika- 'ausweichen'2816. Ableitungen von der o-Stufe sind bei E. Seebold nicht aufgeführt, doch ist wohl auch in an. sveykr 'nachgebend' eine Beleg für diese Bildeweise zu sehen2817. sweinen 'vermindern', (Gl., fer- Ν.); SchW. 278, RMWA. 81, StWG. 615, RVA. 220. StSG. 11,236,55 Deminuunt : snement (E. Steinmeyer zur Stelle: 1. nement). Der Beleg entstammt der Handschrift Karlsruhe, Aug. BLB. CCXX; Nr.67, BV. 313, 9.Jh., alem. E. Steinmeyers Deutung ist jedoch mit dem Kontext der Stelle nicht gut in Einklang zu bringen; man vergleiche Greg, cura 3,28,84 Sic ergo in humano genere et quidam in meliori ordine deteriores sunt, et quidam in deteriori meliores, quia et isti sortem extremi habitus bene vivendo transcendunt, et illi superioris loci meritum moribus non exsequendo diminuunt. "So gibt es also bei den Menschen einige Schlechtere in besserem Stand und einige Bessere in schlechterem Stand. Denn die einen übertreffen ihr äußeres Ansehen durch eine gute Lebensweise und die anderen vermindern das Verdienst einer höheren Stellung, indem sie den guten Sitten nicht folgen." F. Raven und T. Starck - J.C. Wells folgen daher einem Vorschlag E. Karg-Gaster-

2813 Zur Handschrift vergleiche man R. Bergmann, von Gadow, Die althochdeutschen Aratorglossen, S. 58 2814 Glossarium Epternacense 2,68. 2815 Zur M o n o p h t h o n g i e r u n g vergleiche man auch dorübersetzung II, S. 375. 2816 SEW. 486f. 2817 M a n vergleiche dazu K. Matzel, HS. 104 (1992)

Mittelfränkische Glossen, S. 134f., H. und 102. K. Matzel, Zur althochdeutschen Isi-

Nr. 19.

I. Ablautreihe

549

städts2818 die sueinent liest. Dazu stellt sich auch bei Notker belegtes fer-sweinen 'schwächen'. (Nur ahd.). Zu swînan 'verschwinden, kleiner werden, abnehmen', SchW. 279, StWG. 619; aus germ. *sweina- 'schwinden' 28 ". Für die systematische Bedeutung ist von einer Paraphrase von 'verschwinden' als "bewirken, daß etwas schwindet" auszugehen. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] treiben 'verfolgen; vertreiben ?', (N.); SchW. 285, RMWA. 64, RVA. 227. Notker 8,81,26f. In déro uilleti nesélêst dû mih diê mih trébonont . daz chit . trêibent ¡inde iágont. so saul tuôt unde sine holdon. (Man vergleiche ae. drièfan, an. dreifa 'vertreiben, ausstreuen', got. draibjan 'plagen'). Zu ahd. triban 'treiben'; SchW. 285, StWG. 634; man vergleiche as. drivan, afr. driva, ae. drifan, an. drifa, got. dreiban aus germ. * drei ña- 'treiben'2820. Germ. * drei5a- bedeutet absolut 'dahin treiben, sich vorwärts bewegen', mit Akkusativ 'treiben, vertreiben'. Diese Bedeutung kann auf das jan-Vcrb übertragen worden sein, es kann aber auch im Althochdeutschen ein Kausativ "bewirken, daß jemand dahintreibt, sich vorwärtsbewegt" vorliegen, was mit einer Bedeutung 'verfolgen', die aus nicht-durativem 'vertreiben' zu denken wäre, durchaus zusammenstimmt. Zumindest im Gotischen scheint aber kein kausatives Verhältnis vorzuliegen2821. W. Meid stellt das Wort zu den im Germanischen seltenen ^»-Verben mit "intensiv-iterativer" Bedeutung. Wenn von 'vertreiben' als systematischer Bedeutungen ausgegangen werden kann, stimmen die zeit- und handlungstrukturellen Merkmale des Verbs trotz aller Vorsicht jedoch mit denen der meisten übrigen deverbalen Ableitungen überein. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] weigeti 'quälen, ermüden, ermatten', (OT. T.; Gl.); SchW. 313, RMWA. 69, StWG. 706, RVA. 252. StSG. 1,279,2 Exagitabat : uueicta. Der Beleg stammt aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9 .Jh., alem.2822; Glosse zu I Sm 16,14 spiritus autern Domini recessit a Saul et exagitabat eum spiritus nequam a Domino. "Der Geist des Herrn aber wich von Saul und ein böser

2818

PBB. 62 (1938) S. 456. SEW. 483. 2820 SEW. 162f. Sieh auch J. Jensen, Die I. und II. Ablautsreihe, S. 67. 2821 Sieh dazu A. Bammesberger, Deverbative jan-Vtxbí des Altenglischen, S. 26f., W. Meid, Wortbildungslehre, S. 247. 2822 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 2819

550

Ableitungen von einem Verbalstamm

Geist vom Herrn quälte ihn." - Tatian 96,4£ uuanta tôt ist thin dohter. zihiu uueigis thú nú elihor then meistar. (Man vergleiche as. wêgian 'quälen', ae. wxgan 'beunruhigen, plagen, täuschen'). Zu wîgan 'Krieg führen', StWG. 726; man vergleiche ae. gewegan, an. vega, got. weihan aus germ. *weiga-/weiha- 'kämpfen'2823. Sieh auch J. Jensen2824 und A. Bammesberger2825, wo einige ältere Deutungsversuche (denominal zu germ. *waigô- 'Kraft') zu Recht abgelehnt werden, da das Bedeutungsverhältnis "völlig unverständlich" sei. Aber auch das Verhältnis zum starken Verb ist nicht ganz klar, es sei denn, man könnte ausgehend von der Bedeutung 'quälen' (im Sinne von nicht-durativem 'reizen') dieses mit einer Paraphrase "bewirken, veranlassen, daß jemand kämpft" beschreiben2826. Eine sichere Festlegung der systematischen Bedeutung scheint nicht möglich. [NICHT-DURATIV ?, FINAL - KAUSATIV ?]

b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt α) neben einem Perfektopräsens lêren 'zeigen, erklären, lehren, unterweisen, ausbilden', (Β. BB. E. G. LB. MF. MH. MPs. Ν. NG. O. RB. RhC. T.; Gl.); SchW. 194, RMWA. 84, StWG. 370, RVA. 107f. Zuerst wohl StSG. 1,32,14 doces : laeris Pa. kris Kb.; zehn weitere Belegstellen im Abrogans. - Tatian 207,5f meistar uuir uuizumes thaz thu uuâr uuvrti bist Inti gotes uueg In uuâre lêris2'27. (Man vergleiche as. 1ertan, afr. lêra, ae. lêran 'lehren, raten, drängen, predigen, bekehren, got. laisjan 'lehren, belehren, lernen'). Zu germ. *lais- 'wissen'; man vergleiche got. lais 'ich weiß'2828. Die ältere Forschung ist meist von einer denominalen Herkunft des /¿«-Verbs ausgegangen282'. Germ. *laizô- 'Lehre', das dann als Basis betrachtet werden müßte, ist jedoch von W. Wissmann2830 als postverbal erwiesen worden und scheidet als Basis des /¿«-Verbs aus. Sichere Denominalia aus dieser Wortfamilie sind da2823

SEW. 544f. Die I. u n d II. Ablautsreihe, S. 67. 2825 Deverbative jan-Vzrba des Altenglischen, S. 67. 2826 Z u m starken Verb sieh R. Lühr, Studien zur Sprache des Hildebrandliedes, S. 616-618 und E. Seebold, Anglia 84 (1966) S. 1-5. 2827 Zur M o n o p h t h o n g i e r u n g von germ, ai vor r sieh BEG. § 43. 2828 SEW. 322f. Sieh auch KEW. 435. 2829 Sieh dazu A. Bammesberger, Deverbative jan-Ve rba des Altenglischen, S. 29f. 2830 N o m i n a Postverbalia, S. 63f. 2824

I. Ablautreihe

551

gegen got. laistjan, a e. lêstan und ahd. leisten2"1. Als Kausativ gedeutet wird ahd. leren auch bei K. Matzel2832. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] ß) neben einem starken Verb in-geintn '(durch Rösten oder Dörren) rissig machen, bersten, aufklaffen, aufschneiden, öffnen, spalten', (N.; Gl.); KFW. 4,181, SchW. 149, RMWA. 80, StWG. 195, RVA. 56; man vergleiche auch KFW. 4,262 in-ginen ("mit i < « < ei ?"). Zuerst wohl StSG. 1,420,3 6f. Frixum cicer : giroupta chihhuriun. i inchenta aravueiz, Wien, ÖNB 2723; Nr.620, BV. 949, 2. Hälfte 10Jh., bair.2g"; Glosse zu II Sm 17,282834. (Man vergleiche ae. tô-gênan 'sagen, behaupten'); man vergleiche daneben ahd. geinôn, ae. gânian aus germ. * gain-ô-itii. Ein starkes Verb ahd. *gînan ist nicht sicher nachzuweisen; möglicherweise kann der Beleg StSG. 11,603,3 Hianter : girigo. i ginanto2836 hierfür in Anspruch genommen werden. Der Beleg stammt aus den Handschriften München, Cgm 5248,2; Nr.299, BV. 443, 2. Hälfte 11 Jh., bair.2837 und Clm 18140; Nr. 429, BV. 637, 11 .Jh., bair.2838. Die Form, wie auch die Bedeutung der Glosse 'gierig den Rachen aufsperren' gibt dafür jedoch keinen sicheren Anhalt2839. Rufini Historia Ecclesiastica 3,6,18 alii autem per inediam hiantes velut rabidi canes hue atque illuc ferebantur. "Andere aber, die vor Hunger gierig den Rachen aufsperrten wie tollwütige Hunde, wurden hin und her getrieben." Ein starkes Verb germ. *geina- 'gähnen, klaffen' kann dennoch nachgewiesen werden; man vergleiche ae. -gînan, an. ginamo. Daneben stehen auch die schwundstufigen «ÓH-Verben ae. ganian, an. gan^m. Das starke Verb ist als duratives 'klaffen' im Sinne von 'offen stehen' zu betrachten. Dazu könnte 2831

Sieh dazu in Kapitel V.l.

2832

HS. 105 (1992) Nr.195. Man vergleiche noch J. Jensen, Die I. und II. Ablautsreihe, S. 67 sowie z u m Perfektopräsens germ. *lais- Th. Birkmann, Präteritopräsentia, S. 79. 2833 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 785-789. 2834 2835

Sieh dazu unter SEW. 219.

itt-keinen.

2836

Man vergleiche ebenda. Zur Handschrift sieh W. Schulte, D i e althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 706-709. 2838 Zur Hanschrift sieh ebenda S. 509-513. 2839 Sieh auch KFW. 4,263 unter ginên, StWG. 195 unter ginento Adv. 2840 j g ^ r 219f. Sieh auch A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 2837

63. 2841

Zu diesen und weiteren verwandten Bildungen sieh W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 149f. und 156.

552

Ableitungen von einem Verbalstamm

ein Kausativ die systematische Bedeutung "bewirken, daß etwas gähnt, klafft" tragen, die im Althochdeutschen als 'spalten, aufklaffen, aufschneiden' (nicht-durativ) erscheint. Im Falle von ae. to-gênan hat sich eine Bedeutungsübertragung zu 'den Mund öffnen' vollzogen. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] sweifen 'umstürzen', (Gl., gi- Gl.); StWG. 615, RVA. 219. Simplex und Präfixbildung sind je einmal belegt. Zuerst StSG. 1,130,12 euersio : kasuuuaifit Pa. (daneben Kb. kauueifit). (Nur ahd.). Zu einem starken Verb ahd. *swîfan. Sieh dazu auch W. Braune - H. Eggers2842, wo wegen ahd. swepfar 'schlau' auf ein starkes Verb ahd. swîfan (ohne Asterisk) und germ. *swipan [!] hingewiesen wird. Das Adjektiv wird von E. Seebold2843 als germ. *swip-ra zu germ. *swaipa- 'schwingen' gestellt. In den germanischen Einzelsprachen stehen sich offensichtlich ein starkes Verb mit Formen des Wurzelvokals germ, ai und eines mit dem Wurzelvokal germ, ei gegenüber. Man vergleiche E. Seebold2844 unter *swaipa- 'schwingen', wo auch jene Belege verzeichnet sind, die auf germ. *sweipa- zurückführen. Beide Verben sollten jedoch voneinander getrennt werden, wenngleich sie sich in ihrer einzelsprachlichen Entwicklung gelegentlich vermischt haben. Besonders deutlich wird dies im Altnordischen, wo das Präsens sveipa und das PPP sveipenn der VII. Ablautreihe folgen, das Präteritum sveip, svipo aber nach der I. Ablautreihe gebildet wird. Zu germ. *swaipa- ist neben an. sveipa auch ae. swâpan, afr. swêpa, as. farswêpan und ahd. sweifan 'ringen, kämpfen'2845 zu stellen2846. Hierzu sind die ^«-Verben an. sveipa, ae. *swâpan (ne. sweep), afr. *swêpa (swêpene) gebildet. Außergermanisch vergleicht sich air. soíbid 'betrügt' aus *svoibîti2M\ Zu germ. *sweipa-, das die Basis des althochdeutschen janVerbs darstellt, gehören dagegen as. forswîpan 'vertreiben' und mhd. swîfen 'sich emporschwingen'. Daß es sich hier um keine westgermanische Neuerung handeln kann, geht aus got. midjasweipains 'Sintflut' hervor. Das Kompositum setzt ein schwaches Verb der 3. Klasse voraus, das eine o-stufige Ableitung zu *sweipa- ist2848. Auf ein primäres Verb mit «-Vokalismus verweist auch lett. sveîebenât 'in die Runde schwingen', wenngleich C.C. Stang2849 das Verb aber nur mit ae. swâpan 'fegen, schwingen', ahd. sweifan 'ringen' (aus 2842

BEG. § 96 b). SEW. 480. 2844 SEW. 479. 2845 Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 515. 2846 Klasse VII, StWG. 615; BEG. § 351 Α. 2 mit der Bedeutungsangabe 'winden', die aber nur annäherungsweise in der Präfixbildung umbi-sweifan 'umhüllen' bezeugt ist. 2847 Sieh dazu J. Pokorny, ZVSpF. 49 (1920) S. 78. 2848 Sieh dazu H.J. Schubert, Die Erweiterung des bibelgotischen Wortschatzes, S. 30. 2849 Lexikalische Sonderübereinstimmungen, S. 57. 2843

I. Ablautreihe

553

*swaipa-) vergleicht. Bereits J. Endzelin2850 hat jedoch darauf verwiesen, daß das baltische Verb mit germ. *swaipa- nur "nahe verwandt", nicht aber identisch sei2851. Im Zuge der sogenannten neuhochdeutschen Diphthongierung sind die Verben auch im Deutschen zusammengefallen. Nhd. schweifen ist zudem in seiner Bedeutung weitgehend beeinflußt von einer Neubildung des Rotwelschen, wo in Analogie zu rotw. schwänzen (zu Schwanz) auch schweifen als 'umherstreifen 1 auf das Substantiv Schweif bezogen worden ist. Möglicherweise liegt nhd. schweifen in der Bedeutung 'umherstreifen' aber auch ein Fortsetzer eines weiteren starken Verbs zu Grunde, das vorliegt in an. svtfa, a e. swîfan 'herumschweifen'. Dieses wird von E. Seebold2852 zu einem starken Verb germ. *sweifa- 'schweifen' gestellt. Die Bezeugung dieses Verbs im Althochdeutschen ist fraglich2853. Ahd. sweifen selbst kann kaum hierhergehören, da Bildungen mit ^-Suffix neben starken Verben der I. Ablautreihe den grammatischen Wechsel stets zeigen. Man vergleiche zum Beispiel die zur selben Wurzel gebildete Variante ohne i-mobile ahd. zi-weiben. Das Bedeutungsverhältnis zwischen starkem Verb und jan-Vtrb ist nicht ganz klar, zumal das starke Verb im Altsächsischen nur in präfigierter Form vorliegt. Am ehesten ist von einer Bedeutung 'schwingen' auszugehen. Dann kann 'umstürzen' wohl als "bewirken, daß etwas schwingt" verstanden werden. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] sweigen 'zum Schweigen bringen', (N., gi- Gl.); SchW. 278, RMWA. 69, StWG. 615, RVA. 219f. Das Simplex ist einmal bezeugt, Notker 8,25,8f. Vuele sint daz? Ane iudei unde heretici. Also dô schein dó iudei déro chindo lob sueîgton . unde siê CHRISTVS maneta dirro scrifte. (Nur ahd.). Das jan-Veib ist eine Kausativbildung zu einem starken Verb germ. *sweiga'schweigen', das aber in den älteren Einzelsprachen nicht bezeugt ist. Erst im Mittelhochdeutschen findet sich das starke Verb swigen 'schweigen'2854. Auch E. Seebold2855 deutet ahd. mhd. sweigen als Kausativbildung, mhd. swigen wird aber mit ahd. swîgên und as. swîgon auf westgerm. *swîgê- zurückgeführt. U. Hempen 2856 bezeichnet mhd. swigen deshalb als "echte starke Neubildung", da es ahd. swîgên entspreche. Wenn aber die Beurteilung von ahd. sweigen als Kausativbildung richtig ist, dann müßte in ahd. swîgên der Fortsetzer eines alten primären Verbs gesehen werden, das noch vor seiner Eingliederung in 2850 2851 2852 2853 2854 2855 2856

ZVSpF. 52 (1923) S. 121. Man vergleiche auch PIEW. 1041 f. unter *suei-, SEW. 484f. Man vergleiche dazu das SEW. LH. 2,1373. KEW. 659. Die starken Verben im Deutschen, S. 196.

554

Ableitungen von einem Verbalstamm

die 3. Klasse der schwachen Verben die Möglichkeit zu einer Kausativbildung von der o-Stufe eröffnen konnte. Es fragt sich aber, ob diese Erscheinung nur deshalb in Erwägung gezogen werden sollte, da das starke Verb erst in mittelhochdeutscher Zeit bezeugt ist. Ein primäres Verb ist nämlich für das Germanische auch durch das von der e-Vollstufe gebildete Verbaladjektiv germ. *sweigi-/-ja- vorauszusetzen, das vorliegt in ae. swîge 'still, schweigsam, ruhig'2857. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] zi-weiben 'zerstreuen, ausstreuen', (Gl.; Ν.); SchW. 313, RMWA. 684, StWG. 705, RVA. 251 f. Zuerst wohl StSG. 11,171,62 Dissipatur : ziuueipit, Clm 6277; Nr.345, BV. 518, 9.Jh., alem.; Glosse zu Greg, cura 3,19,62 Voluntas quippe ad Ixtitiam pertinet, pugnus ad iram. Incassum ergo per destinentiam corpus atteritur, si inordinatis dimissa motibus mens vitiis dissipatur. "Vergeblich wird der Körper durch Enthaltsamkeit aufgerieben, wenn der Geist durch ungeordnete Bewegungen aufgegeben und durch Fehler zerstreut (wörtlich wohl: 'fahren gelassen') wird." (Man vergleiche an. veifa 'schwingen, schleudern'); ob auch ae. wâfan 'umwickeln, bekleiden', got. bi-waibjan 'bekleiden' hierhergehört2858, ist wegen der stark abweichenden Bedeutung fragwürdig2859. Alle diese Verben werden von J. Jensen2860 wenig überzeugend zu einem Substantiv "germ. *waibo, erhalten in anord. veif f. 'der vordere Schwimmfuß der Seehunde' ..." gestellt. Eher ist mit M. Schnieders2861 Anschluß an ein starkes Verb isl. vifla 'verwirren', schwed. dial, vìva 'schlenkern, schleudern' zu suchen. Nach W. Wissmann 2862 handelt es sich dabei um Parallelbildungen ohne s-mobile zu an. suifa, ae. swìfan, afries. svìva aus germ. *sweifa- 'schweifen'2863. Die Formen mit i-mobile scheinen auf das Germanische und Baltische beschränkt zu sein2864, die slosen Formen sind dagegen dort seltener. Außergermanisch vergleicht sich unter einem Ansatz idg. * ueib, ueip 'drehen'2865, ai. vepáyati, vipáyati 'macht zittern', Kausativ zu ai. vépate 'regt sich, zittert, bebt'2866.

2857 M a n vergleiche dazu K. Matzel, HS. 104 (1992) Nr.6. Zur Etymologie sieh auch J. Knobloch, Uber das Schweigen, S. 14. 2858 So W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 74. 2859 Sieh dazu auch A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 102f. 2860 Die I. u n d II. Ablautsreihe, S. 63. 2861 Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 24f. 2862 N o m i n a Postverbalia, S. 24 und 44. 2863 Sieh dazu SEW. 484f. 2864 Sieh PIEW. 1042 unter *sueip-, 2865 PIEW. 1131 f. 2866 Man vergleiche dazu auch W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary S. 74 und S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 97f. Sieh auch oben unter schweifen.

I. Ablautreihe

555

c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt kêren 'wenden, umwenden', (APs. N. O. Ps. WH.; Gl., häufiger bi- N. NG. O. Ph. TC.; Gl.); SchW. 180, RMWA. 84, StWG. 327, RVA. 87. Das Simplex findet sich etwa StSG. 1,300,16 Gira, congregata i chere, aus der Handschrift St. Gallen, StiftsB. 295; Nr. 192, BV. 223, 9.Jh., alem.; Glosse zu Gn 30,32 gyra omnes greges tuos et separa cunetas oves varias et sparso veliere. "Wende alle deine Herden um und sondere alle bunten und gesprenkelten Schafe ab." Lat. gyrdre 'sich herumdrehen' ist vom Glossator offenbar als Transitivum 'etwas herumdrehen' aufgefaßt worden. (Man vergleiche as. kêrian, afr. kêra)\ bedeutungsmäßig entspricht ae. cenan 'wenden', das aber im Lautstand abweicht. E. Seebold2867 zufolge ist die "Herkunft unklar". Die neben dem schwachen Verb stehenden Substantive ahd. kêr st.M. 'Krümmung des Weges' und kêra st.sw.F. 'Krümmung, Biegung, Wendung' sind nicht sehr häufig und nicht vor dem 11. Jahrhundert bezeugt. Sie dürften wohl postverbal sein2868. Das Verb ist daher besser auf eine Vorform germ. *kaizija- aus *kaisija- aus idg. *go is- zurückzuführen und kann dann als o-stufige Ableitung zur Wurzel *geis-, einer Erweiterung zu *gei- 'drehen, biegen1, gestellt werden. Ahd. kêren zeigt Monophthongierung von germ, ai vor r869. Zu an. keisa 'biegen, krümmen' vergleiche man M. Schnieders2870 und J. de Vries2871. Da die Bedeutung der Basis nicht genau festgelegt werden kann, ist auch das Bedeutungsverhältnis nicht sicher zu bestimmen. Nicht-duratives 'wenden' ist aber möglicherweise als "bewirken, daß sich etwas biegt, sich dreht" zu paraphrasieren. neizen 'plagen, bestrafen, bedrängen, erschöpfen', (B. GB. Ν. NG.; Gl.); SchW. 221, RMWA. 97, StWG. 434, RVA. 137. StSG. 1,276,1 Confectus : kibeuuiter kineizter. Der Beleg entstammt den Handschriften Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9 .Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.2872; Glosse zu Dt 25,18 ... quando tu eras fame et labore confectus et non timuerit Deum. "...als du von Hunger und Mühsal erschöpft warst und er (Amalek) Gott nicht fürchtete." (Man vergleiche ae. nsètan, got. ga-naitjan 'schmähen'). Die jan-Veiben werden von S. Feist2873 und W.P. Lehmann2874 unter Vorbehalt 2867

KEW. 356. So auch PI EW. 355. 2869 Sieh dazu W. Meid, Germanische Sprachwissenschaft I § 41. 2870 Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 125. 2871 Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 305. 2872 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 2873 Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 194. 2874 A Gothic Etymological Dictionary, S. 146. 2868

556

Ableitungen v o n einem Verbalstamm

zu an. hneita 'verwunden' gestellt und damit mit einem starken Verb germ. *hneita- 'stoßen'2875 verbunden. Beide Verben stimmen aber im Anlaut nicht überein, im Gotischen und im Glossar Rd. wäre dann *hnaitjan bzw. *hneizen zu erwarten gewesen2876. Stattdessen sind die Verben wohl zu einer Wurzel *neid- 'heruntermachen, schmähen' zu stellen2877. Dennoch steht außer Frage, daß die Bedeutung des jan-Verbs durch die Wortfamilie um das starke Verb germ. *hneita- 'stoßen' beeinflußt worden sein kann. Eine jüngere Verquikkung beider Wortfamilien hat daher N.O. Heinertz2878 nachzuweisen versucht. Für ein kausatives Bedeutungsverhältnis lassen sich vielleicht deshalb keine Hinweise mehr finden. Eher scheint die Bedeutung des primären Verbs auf das jan-Verb übergegangen zu sein. Diese Unsicherheiten können allerdings auch darauf hindeuten, daß nicht auszuschließen ist, daß es sich um eine denominale, oder zumindest doch von einem Nomen beeinflußte Ableitung handelt. Die dafür in Betracht zu ziehenden Substantive sind allerdings im Germanischen nicht nachweisbar. Zu denken wäre an lett. naîds 'Haß, Zwietracht', griech. ο νειδος 'Schimpf, Schmach, Tadel'. reihhen 'reichen, sich erstrecken; herbringen, jemand auferlegen', (N.; Gl., giN.; GL); SchW. 236, RMWA. 71, StWG. 478, RVA. 149. Zuerst MGI. 76,12 inrogauit + raihta, überliefert in der Handschrift Clm 6300; BV. 523, 2.Hälfte 8.Jh., bair.2879; Glosse zu Greg. mor. 4,26,123 Sicut et superius dictum est, non conclusit, dicit aperuit; et non abstulit, irrogauit (Hs. inrogauit). "Wie oben erwähnt, sagt er, er verschloß ihn (den Eingang) nicht, sondern öffnete ihn, und er entfernte es (das Böse) nicht, sondern brachte es her." - Die Bedeutung 'jemand auferlegen' dürfte im Sinne von 'etwas auf jemand erstrecken, auf jemand ausdehnen, etwas über jemand verhängen' zu verstehen sein2880. (Man vergleiche afr. rêka, ae. râcan aus westgerm. *reik-ija- 'reichen')2881. Das Verb ist wohl zur Wurzel idg. * reg- 'lenken, richten, leiten' zu stellen, doch sind die Einzelheiten noch weitgehend unklar. Das janNtïb könnte an eine Variante idg. *reig- zu *reg- angeschlossen werden, die in lit. réizti 'rekken' vorzuliegen scheint, wenn nicht lit. réiziuos 'sich brüsten' auf eine ande-

2875

SEW. 267. Z u r Bewahrung des h- im Althochdeutschen sieh BEG. § 153 mit A. 1. 2877 M a n vergleiche PIEW. 760, X. Delamarre, Le Vocabulaire, S. 271, F. H o l t h a u s e n , Altenglisches etymologisches W ö r t e r b u c h , S. 231 (zu ai. nidydtê 'schmäht'), J. de Vries, Altnordisches etymologisches W ö r t e r b u c h , S. 242, M. Schnieders, Die einheimischen nicht k o m p o nierten schwachen Verben, S. 30 u n d FTW. 297. 2878 Etymologische Studien, S. 20ff. 2879 Z u r H a n d s c h r i f t vergleiche m a n R. Bergmann, Die althochdeutsche Glossenüberliefer u n g des 8. J a h r h u n d e r t s , S. 21. Sieh auch K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches H a n d w ö r t e r b u c h 2,1455 unter ir-rogâre. 2881 M a n vergleiche KEW. 590, PIEW. 862. 2876

I. Ablautreihe

557

re Grundbedeutung weist. Als o-stufige Ableitung zu *reig - wird das Verb von J. Pokorny2882 und W. Pfeifer2883 gestellt. Im Althochdeutschen steht neben reihhen aber auch ein starkes Verb (gi-) rîhhan 'herrschen, mächtig sein, auferlegen' (SchW. 238, B. N. NG., int- 'offenbaren', B. T.; StWG. 486), das germ. *reika- 'herrschen'2884 voraussetzt. Auch wenn germ. *reika- auf Grund des Stammvokals als keltische Entlehnung gelten kann2885 und es sich bei dem starken Verb daher möglicherweise um eine jüngere analogische Neubildung handelt, so ist doch nicht auszuschließen, daß das jan-Vtrb als deverbale Ableitung zu diesem Verb *reika- gebildet oder zumindest doch von diesem beeinflußt worden ist. Ähnlich argumentieren auch die Bearbeiter des Deutschen Wörterbuchs2886, doch wird dort der Zusammenhang letztlich aus semantischen Gründen abgelehnt. Ahd. reihhen 'ausdehnen, sich erstrecken' könnte aber als 'das Herrschen bewirken, ermöglichen' verstanden werden, wenn man davon ausgeht, daß erst die territoriale Ausdehnung Herrschaft konstituiert2887. Sieh auch unten handreihhen. reizen 'reizen, anregen, verletzen', (N.; GL); SchW. 237, RMWA. 97, StWG. 480, RVA. 150. Zuerst Notker 2,11 l,8f. Mísselichen uuég hábetit keuángen állero menniskôn sórga . die sórga in récchet. únde réizet. mánigfaltiu ringa! (Man vergleiche an. reità 'reizen, aufhetzen'). Das althochdeutsche jan-Verb wird zumeist mit dem starken Verb ahd. rizan 'einritzen, schreiben, reißen' (SchW. 240, StWG. 489f.; man vergleiche as. writan, afr. PPP -writen, ae. writan, an. rita aus germ. *wreita- 'ritzen') verbunden2888. Die bei dieser Annahme vorauszusetzende Bedeutungsentwicklung von 'Ritzen mit dem Sporn' zu 'reizen'2889 ist allerdings weder in den Belegen zu fassen, noch läßt sich auf diesem Wege ein zu erwartendes kausatives Bedeutungsverhältnis herstellen. A. Walde - K. Hofmann 2890 stellen ahd. reizen daher zu lett. ridit 'hetzen, aufwiegeln' und mit anderer Erweiterung lat. irritare 'erregen, reizen', griech. ερεδω 'setze in Bewegung, errege, reize'. Dieser Deutung hat sich jetzt auch E. Seebold2891 angeschlossen und führt das janVerb nunmehr auf "voreinzelsprachl. *rei-d- 'reizen'" zurück. Nicht auszuschließen ist, daß einzelsprachlich eine Vermischung zwischen beiden Wortfamilien stattgefunden hat. Wenn 'reizen' die systematische Bedeutung ist, 2882 p i E W 2883

2884 2885

p

E

W

SEW. 369f. M a n vergleiche SEW. 370.

2886 D W B 2887

g62 1 3 9 9

8 584

Sieh auch FTW. 342, KEW. 590. M a n vergleiche SEW. 566f., M. Schnieders, Die einheimischen nicht k o m p o n i e r t e n schwachen Verben, S. 19, J. de Vries, Altnordisches etymologisches W ö r t e r b u c h , S. 439. 2889 M a n vergleiche SEW. 567. 2890 Lateinisches etymologisches W ö r t e r b u c h 1,719 u n t e r irrito. 2891 KEW. 592. 2888

558

Ableitungen von einem Verbalstamm

könnte unter Vorbehalt von einem Kausativ "bewirken, daß jemand sich erregt, daß jemand erregt ist" ausgegangen werden. aba-streifen 'abstreifen', (ein Beleg Ph., StSpD. 131,126 streifet diê hûd abo); SchW. 272, RMWA. 66, RVA. 208. (Nur ahd.)2892; man vergleiche mhd. streifen 'gleiten, ziehen, abhäuten'2893. Daneben stehen im Ablaut mhd. streifeht 'stripicatus', strife und strijfel 'Streifen'. M. Lexer2894 erschließt daher ein starkes Verb mhd. *strífen. Zu dieser Wortfamilie gehört dann auch mnd. stripim. Da im (spät-) althochdeutschen Physiologus ahd. î nicht diphthongiert erscheint, muß der Stammvokal auf germ, ai zurückführen. Ein starkes Verb wäre daher, wenn es erhalten geblieben wäre, als germ. *streipa- anzusetzen. Da die westgermanische Konsonantengemination in der Regel nur nach Kurzvokal eintrat2896, spricht die Lautgestalt des Physiologus-Beleges nicht gegen die Annahme einer jan-Ableitung. Da aber möglicherweise Vermischung mit der Wortfamilie um mhd. Striefen, ahd. stroufen stattgefunden hat, sind die Zusammenhänge nicht ganz sicher2897. Jedenfalls liegt eine Labialerweiterung zur Wurzel idg. *ster- vor2898. sweizzen 'backen, braten, schmoren', (Gl.); StWG. 615, RVA. 220. Zuerst StSG. 1,279,59 Frigetur : kisuueizzit. kisuueizit ... gipratan uuirdit. Die Belege stammen aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh„ alem.2899; Glosse zu Lv 6,21 quae in sartagine oleo conspersa frigetur. "In der Pfanne soll es (das Speiseopfer) in Öl angemacht, gebacken werden." (Man vergleiche ae. switan 'schwitzen', an. sveitask). Zur Wurzel *sueid- 'schwitzen' ist im Altindischen ein Präsens nach der ersten Klasse svedate gebildet worden, daneben nach der 4. Klasse svidyati, dem ahd. swizzen entspricht. Germ. *swaitija- kann mit ai. svedáyati 'läßt schwitzen' verglichen werden. Ein primäres Verb germ. *sweita- ist nicht bezeugt2900. Sieh auch A. Bammesberger2901, der das Verb ebenfalls als o-stufige Ableitung zur Wurzel *sueid- 'schwitzen' stellt. Daß eine denominale Ableitung zum Substantiv ahd. sweiz 'Schweiß, Blut', ae. swât 'Schweiß, Blut, Schaum, Mühe, Ar-

2892

Man vergleiche auch M. Dallapiaza, Der Wortschatz des ahd. Physiologus, S. 63. LH. 2,1230. 2894 LH. 2,1238. 2895 Man vergleiche KEW. 708. 2896 BEG. § 118. 2897 Sieh dazu KEW. 708. 2898 Man vergleiche auch PIEW. 1029, FTW. 501, PEW. 1739. 2899 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457465, besonders S. 459. 2900 Sieh dazu KEW. 708. 2901 Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 100. 2893

I. Ablautreihe

559

beit' vorliegt2902, ist zwar nicht völlig auszuschließen, sie erklärt aber das Bedeutungsspektrum des jart-Wcrhs nicht. Von J. Pokorny2903 und W. Wilmanns2904 wird das Verb dem vermeintlich primären Verb ahd. swizzen zur Seite gestellt, das im Althochdeutschen nur schwach flektiert. Ob ein primäres Verb germ. *sweita- existiert hat, ist ungewiß. Da die Bedeutung 'schwitzen' bereits von Verb swizzen getragen wird, dürfte im Althochdeutschen für ein weiteres Verb aus dieser Bedeutungssphäre keine Notwendigkeit bestanden haben2905. - Eine andere Deutungsmöglichkeit wird von E. Seebold2906 angeführt, wo ahd. sweizzen unter Vorbehalt von *sweid- getrennt und als Auslautvariante neben das starke Verb germ. *sweipa- 'erhitzen' (zu *sey) in an. sviÖa 'brennen, braten' gestellt wird. Man vergleiche weiter E. Seebold2907, der an anderer Stelle vermutet, daß die Wörter der Bedeutung 'leuchten, glühen' von 'erhitzen, braten' fernzuhalten seien. Die Verbindung mit der Wurzel *sueid- sei "denkbar, aber liegt nicht nahe"2908. Die Deutung des althochdeutschen jan-Vcxbs als o-stufige Ableitung zu einer im Germanischen nicht weiter bezeugten verbalen Basis bleibt ungeachtet der etymologischen Verknüpfung in beiden Fällen bestehen.

B. Ableitungen von der Schwundstufe Nur unter Vorbehalt können vier Verben als Ableitungen von der Schwundstufe gedeutet werden: bizzen 'murren', (MPs., Psalm 2,1 Umbe uuarth bizzedon thiede inde luide thabten idele thing!)·, SchW. 98, RMWA. 97, fehlt RVA. (Nur MPs.); man vergleiche daneben ae. grist-bitian 'Zähne knirschen', ahd. bizzôn 'knirschen' Das schwache Verb kann eine Ableitung vom Substantiv ahd. biz 'Biß' sein oder von dem starken Verb ahd. bîzan 'beißen, benagen, peinigen', SchW. 98; man vergleiche as. bîtan, afr. bita, ae bîtan, an. bita, got. beitan aus germ. *beita-im. Eine sichere Entscheidung scheint nicht möglich. Die Bedeutungs2902 So F. Kluge - W. Mitzka, Etymologisches Wörterbuch, S. 691, F. Holthausen, Altenglisches Etymologiches Wörterbuch, S. 332, J. Jensen, Die I. und II. Ablautsreihe, S. 63, K. Michel, Die mit - / - abgeleiteten schwachen verba, S. 28f. 2903 PIEW. 1043. 2904 Wortbildung, § 33 und 28a. 2905 Z u m jan-Verb sieh noch X. Delamarre, Le Vocabulaire, S. 287. Zu ahd. swizzen sieh auch in Abschnitt l.B. 2906 KEW. 660 unter schweißen. 2907 SEW. 487. 290> KEW. 660. 2909 SEW. 96f„ KS. 72.

560

Ableitungen von einem Verbalstamm

beziehung dürfte allerdings eher auf eine deverbale Ableitung deuten, da von einer Bedeutung 'Biß' kein direkter Weg zu 'murren' führt. Daher kann eine deverbale Intensivbildung vorliegen. Ob aber überhaupt von einem janNtrb auszugehen ist, bleibt ungewiß2'10. zuo-kliben 'an jemandem hängen', (ein Beleg E. Meineke, St.Mihiel, Nr.303 Conglutinata est zuochilibita)\ StWG. Ν 851; fehlt RVA. St.Mihiel, Bibliothèque Municipale 25; BV. 437b (Addenda und Corrigenda [I]), 10., Anfang 11 Jh.29"; Glosse zu Gen 34,3 ... et conglutinata est anima eius cum ea ... "... und sein Herz hing an ihr...". (Nur ahd.). Der Ansatz eines langvokalischen z"2912 ist nicht gerechtfertigt. Es sollte sich vielmehr um eine schwundstufige Bildung zu germ. *kleiba- 'haften'2913 handeln. Beispiele für schwundstufige Ableitungen zu starken Verben gibt W. Wilmanns. Danach2914 handelt es bei diesen Bildungen mit Ausnahme der Intensiva mit Gemination des stammauslautenden Konsonanten um Kausativa. Da nur wenige halbwegs sichere althochdeutsche Beispiel für eine schwundstufige Ableitung neben einem Verb der I. Ablautreihe vorliegen, kann nicht ausgeschlossen werden, daß es sich doch eine Verschreibung handelt und der Beleg zum ««-Verb ahd. klibên gestellt werden muß2915. Der Ansatz mit Langvokal setzte hingegen einen Flexionsklassenwechsel des starken Verbs ahd. klîben voraus. Dies ist aber unter den Verben der I. Ablautreihe ein höchst seltener Vorgang2916. swizzen 'schwitzen', (N. O.; Gl.; ana-, ûz.-, Gl., ir- Ν.); SchW. 279, RMWA. 97, StWG. 620, RVA. 221. Zuerst wohl Otfrid 5,6,35f. loh rúarit thanne smérza thaz stéinina hérza, bigínnit thanne suízzen, mit záhirin síh nezzen. (Nur ahd.). Die etymologische Deutung des Verbs ist unklar. E. Seebold2917 verbindet nhd. schwitzen mit den Primärverben ai. svídyati und lett. svîst. Auch die Bearbeiter der Grimmschen Wörterbuches2918 rechnen mit der Möglichkeit, daß in ahd. swizzen der Fortsetzer eines alten /Präsens vorliegt. Ein eindeutiger Hinweis ist aber aus dem Material nicht zu gewinnen. Wenn ahd. swizzen unmittelbar mit dem Primärverb ai. svídyati zu verbinden ist, dann wäre ein 2910

L. de Grauwe, De Wachtendonckse Psalmen en Glossen, S. 512. Zur Handschrift sieh E. Meineke, St. Mihiel, S. 285. 2912 So Gl.Thoma 14,7, StWG. 336, korrigiert StWG. N. 851. 2913 SEW. 296f. 2914 Wortbildung, S. 53f. 2915 Zu diesem KEW. 375 unter kleben. 2916 Man vergleiche dazu unter III.2. 2917 KEW. 662. Sieh auch ebenda 660 unter Schweiß, W. Wilmanns, Wortbildung §§ 33 und 28a, PIEW. 1043. 2918 DWB. 9,2723f. 2911

I. Ablautreihe

561

altes primäres Verb in voralthochdeutscher Zeit zur schwachen Flexion übergewechselt oder von vorn herein schwach flektiert worden2919. Ai. svidyate (Yajnavalkya) ist jedoch spät bezeugt und erweist für ahd. swizzen kaum indogermanisches Alter. Es könnte sich so um eine innergermanische deverbale Bildung mit Schwundstufe der Wurzel handeln. zi-tiggen ? 'verdichten', (ein Beleg StSG. 1,74,23 Constipata : citigchit Pa. citighit Kb.Ra.); StWG. 99 zi-dicken 'verdichten' und StWG. 625 derselbe Beleg als zi-tiggen sw.V. (?), RVA. 28 unter zi-dicken. (Nur ahd.). Das nur im Abrogans bezeugte Verb ist, wenn die Deutung der Graphien zutrifft2920, wohl am ehesten als schwundstufige Ableitung zu dem starken Verb germ. *diga-292\ got. digan 'kneten' zu stellen. Eine sichere Entscheidung ist aber wohl nicht möglich.

2. II. Ablautreihe A. Bildungen von der abgetönten Vollstufe (germ, au) a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt bougen 'niederbeugen, krümmen, neigen', (N.; Gl.); KFW. l,1291f., SchW. 100, RMWA. 70, StWG. 71, RVA. l l f . Zuerst wohl Notker, etwa 8,49,8f. Er bôugta den hímel, unde irbéizta hára níder. uuanda er chúnta terrenis cqlestia. (Man vergleiche as. bôgian, 'beugen' afr. beia, ae. Megan 'beugen, wenden, unterwerfen, erniedrigen', an. beygja 'beugen'; vielleicht auch, mit anderer Bedeutungsentwicklung, got. usbaugjan 'ausfegen'). Zu biogan 'biegen', KFW. l,1077f., SchW. 97; man vergleiche as. biugan, ae. bûgan, an. bióga, got. biugan aus germ. *Beuga- 'biegen'2922. Die aktuellen Bedeutungen des jan-Vcibs sind teils nicht-durativ, teils perdurativ. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] drouwen 'heranwachsen; heranreifen lassen ?', (ein Beleg StSG 1,232,25 Pupiscere : trouuen, Ra.); StWG. N. 801, fehlt RVA. (Nur ahd.).

2919

Ahd.

sweizzen

(sieh dazu oben) könnte dann eine o-stufige Ableitung zu diesem Verb

sein. 2920

Man vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 136 und 518 unter zitiggsti ?, der die Graphie für geminiertes germ, g ansieht. 1921 SEW. 151. 2922 SEW. llOf. Sieh auch A. Bammesberger, Deverbative jan-Vubà des Altenglischen, S. 33f. sowie J. Jensen, Die I. u n d II. Ablautsreihe, S. 128.

562

Ableitungen von einem Verbalstamm

Es dürfte sich um ein Kausativ zum starken Verb ahd. driuwart 'hervorragen, gedeihen', StWG. N. 801, handeln, das selbst ebenfalls nur einmal StSG. 1,229,36 als excellet : triuuit bezeugt ist. Zum Ansatz als starkes Verb vergleiche man J. Splett2923. E. Seebold2924 führt dagegen unter einem Ansatz germ. *-prôww-a- '(gedeihen)' nur ae. gepruoen und das PPP mhd. uf gedrouwen auf. Ahd triuuit trennt er ohne weitere Begründung ab, was aber nicht zuletzt aus semantischen Gründen unbefriedigend bleibt. Läßt sich die Zusammenstellung halten, so wäre für das janNtrb aber zumindest als systematische Bedeutung transitives 'heranreifen lassen' zu erwarten. Dies könnte als "bewirken, daß etwas gedeiht" kausativ verstanden werden. Gestützt wird diese Deutung durch die Ubersetzung im Glossar R. (StSG. 1,233,25 Pubescere : germinare), wo dem selben lateinischen Interpretament lat. germinare 'hervorsprießen, hervorsprießen lassen'2925 gegenübersteht. Es ist daher denkbar, daß auch für ahd. drouwen eine transitive Bedeutung angenommen werden kann. [NICHT-DURATIV, FINAL ? - KAUSATIV ?] drôzen 'strotzen', (Gl.); StWG. 108 'abwendig machen, strotzen', RVA. 30. Die drei Glossenbelege für das Simplex (Verg. Ekl. 10,20 und 4,21f.) werden eingehend besprochen von C.-P. Herbermann 2926 . Nicht hierher gehört wohl NG., N. 8,92,14 trozta 'detinuit', sondern zu mhd., nhd. trotzen, da die Bedeutung zu weit absteht2927. Die Bedeutungsangabe bei T. Starck - J.C. Wells ist unter dieser Voraussetzung zu verbessern, da sich 'abwendig machen' offensichtlich auf den Beleg des Notker-Glossators beziehen soll. Zudem werden an dieser Stelle entgegen sonstiger Gepflogenheit die Belege sowohl unter einem Ansatz drôzen sw.V. als auch unter drôzenti Adj.Part.Präs. verzeichnet. Dieser Ansatz ist zu streichen. (Man vergleiche ae. â-prietan 'ermüden, drängen, zwingen', an. preyta 'sich abmühen, sich anstrengen, ermüden')2928. Zu bi-driozan 'einen Widerwillen haben, sich etwas verdrießen lassen', SchW. 114; man vergleiche as. (PPP) a-tbrotan, ae. â-pûotan 'verdrießen', an. prióta 'müde werden, aufhören, mißlingen', got. us-firiutan 'jemanden zusetzen, schelten' (nur Präs.) aus germ. *-preuta- 'erschöpft werden'2929. Das janNzrb ist ursprünglich ein Kausativ2930. Mit A. Bammesberger2931 ist dafür wohl von ei2923 Abrogans-Studien, S. 333. Sieh auch W. Wissmann, Nomina Postverbalia in den altgermanischen Sprachen, S. 126 mit A. 3 sowie PIEW. 1095. 2924 SEW. 524f. 2925 K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 1,2926. 2926 Etymologie und Wortgeschichte, S. 164-166. 2927 So auch C.-P. Herbermann, ebenda S. 165 A. 33, DWB. 11,1,2,1116 und SchW. 287 unter trozen. Anders GSp. 5,25, RVA. 30, StWG. 108, SEW. 523. Sieh dazu auch unter III.4. 2928 Sieh dazu C.-P. Herbermann, Etymologie und Wortgeschichte, S. 134f. 2929 SEW. 523f. 2930 Zur Bedeutungsentfaltung im Althochdeutschen sieh C.-P. Herbermann, S. 164-166. 2931 Deverbative jan-Ve.rba des Altenglischen, S. 37.

II. Ablautreihe

563

ner systematischen Bedeutung 'ermüden' auszugehen. Diese könnte als "bewirken, daß jemand müde wird" auf ein ursprünglich kausatives Verhältnis hindeuten, doch liegt eine Unsicherheit besonders darin, daß das starke Verb nur in präfigierter Form erscheint. Vermutlich ist von einer Bedeutung 'mit Druck auf jemanden, etwas einwirken' auszugehen2932. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] ir-ßougen 'jemand in die Flucht schlagen, flüchten', (B. GB. I. WH.; Gl.); KFW. 3,995, SchW. 136, RMWA. 70, StWG. 166, RVA. 42. Isidor 31,22f. (Christus, der) ... allem herrum ubilero angilo arflaugidem, unsih dhurahleid.it in dhea chiheizssenun lantscaf dhar honec endi miluh springant... (Man vergleiche zïr.flâgia 'flüchten', ae. â-flygan 'in die Flucht schlagen', an. fl0ja 'fliehen'). Zu ahâ.fliohan 'fliehen', KFW. 3,973f., SchW. 136, StWG. 164; man vergleiche as. fliohan, afr. fliâ, ae. fleon, an. (nur Prät.) fló, got. pliuhan aus germ. *fleuha-293\ Die Bedeutung 'in die Flucht schlagen' ist kausativ zu 'fliehen'. Zu den Bedeutungen 'fliehen, flüchten, in die Flucht schlagen' vergleiche man auch unter fluchten. flôzettx 'sich ergießen, etwas fließen machen, ausschwemmen, den Staub von sich waschen, wegspülen', (WH.; Gl., aba-, gi-, ûz- Gl.); KFW. 3,996, SchW. 136, StWG. 166, StWG. N. 846, RVA. 42. Das Simplex ist bezeugt StSG. 11,710,28 Uoluitur : geflozit uuarl, Paris BN. lat. 9344; Nr.509, BV. 752, 11 Jh., mfrk.; Glosse zu Verg. Aen. 6,657f. ... choro paeana canentis inter odoratum lauris nemus, unde superne plurimus Eridani per silvam volvitur atnnis. "... sie singen im Chor Jubelgesänge im lorbeerduftenden Hain, woher sich von oben her der überreiche Strom des Eridanus durch Wald hindurch ergießt." (Man vergleiche as.flôtian, an.Jleyta). Zu fltozan 'fließen', KFW. 3,978 (mit Verweis), SchW. 136, StWG. 165; man vergleiche as. fliotan, afr. fliata, ae. flêotan, an. Jlióta aus germ, "fleuta- 'fließen'2934. Sowohl eine Bedeutung 'abwaschen' als auch 'sich ergießen' kann als "bewirken, daß etwas (ab-)fließt" paraphrasiert werden. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] in-frôren 'auftauen lassen', (N.); KFW. 3,1289, SchW. 142, RMWA. 85, RVA. 44 'gefrieren'. Notker 10,535,8 Verbum patris inphrôret siê (die in Sünde wie Eis Erstarrten). Mit R. Schützeichel ist von einem Präfix int- auszugehen, da das Präfix hier ein 'Entfernen, Befreien von etwas' zum Ausdruck bringt2935. 2932

Man vergleiche FTW. 194. SEW. 518f. unter einem Ansatz pleuha-, Man vergleiche dazu aber K. Matzel, Anlautendes pl- u n d fl- im Gotischen, besonders S. 187 sowie oben unter flehen. Bei E. Meineke, vumtflougez, S. 38 wird das jan-Vtrb jedoch zu *fleuga - gestellt. 2933

2934 2935

SEW. 202ff. Zu fläzen2 'sich überheben' sieh oben unter V.2. Man vergleiche dazu H. Schwarz, Präfixbildungen im deutschen Abrogans, S. 290f.

Ableitungen von einem Verbalstamm

564

(Nur ahd.); daneben steht einmal ahd. frören. Zu ahd. friosan 'frieren, gefrieren', KFW. 3,1265, SchW. 141, StWG. 178f.; man vergleiche ae. frêosan, an. friósa aus germ. *freusa 'gefrieren'2936. Einmal bezeugtes ahà.frôr 'Frost'2937 ist eine postverbale Bildung. fir-lôren 'vernichten', (MF.); SchW. 201, RMWA. 85, RVA. 115. Monseer Fragmente 15,14f. Der chuninc duo So qr iz kahorta uuart arbolgan . enti santa siniu herifor lorta dea man slagun enti for brennita irò bur¿n%. (Nur ahd.). Zu fir-liosan 'verlieren, zu Grunde richten', SchW. 199, StWG. 379; man vergleiche as. -liosan, afr. -liasa, ae. -lêosan, got. -liusan aus germ. *-leusa- 'verlieren'2939. Das /«»-Verb fir-lôren ist als "bewirken, daß etwas zu Grunde gerichtet wird" Kausativ zu fir-liosan. rouhhen 'ein Rauchopfer darbringen, Weihrauch opfern, räuchern', (N. O. OT. T.; Gl.); SchW. 241, RMWA. 71, StWG. 494, RVA. 160. Tatian 26,15f. ... & omnis multitude erat populi orans foris hora Incensin ... - Inti al thiu menigi uuas thes folkes ûzze b&onti In thero ziti thes rouhennes ... - Otfrid 1,4,19f. Ingiang er thô skíoro, góldo garó zíero, mit zínseru in hénti thaz hûs róuhenti. (Man vergleiche afr. rêka, ae. ríecan 'rauchen, räuchern', an. reykja 'Rauch aussenden, räuchern'). Neben den ^»-Verben steht ein starkes Verb ahd. riohhan 'glimmen, rauchen', SchW. 239, StWG. 487; man vergleiche afr. riâka, ae. rêocan 'rauchen, dampfen, riechen, stinken', an. riúka 'rauchen, stieben, dampfen' aus germ. *reuka'rauchen'. Nach E. Seebold2940 ist das Ableitungsverhältnis eher denominativ, auch A. Bammesberger2941, der das altenglische Verb zu den deverbalen Ableitungen zählt, schließt denominale Ableitung aus germ. *rauki 'Rauch' (ahd. rouh, afr. rêk, ae. rtec, an. reykr) nicht aus2942. Es ist in der Tat nur wahrscheinlich, daß die Bedeutung 'rauchen', die im heutigen Deutsch allein herrscht und auch für das Altenglische und Altnordische angesetzt wird, auf die Vermittlung des Substantivs zurückführt. Im Althochdeutschen überwiegen demgegenüber Bedeutungen wie O p f e r bringen, opfern' und in diesem Kontext 'räuchern', das als "bewirken, daß etwas raucht" (das heißt, daß das Opfer angenommen wurde), kausative Funktion aufweist. Durch die Berührung

2936

SEW. 210f. Sieh auch PIEW. 846. Sieh dazu KFW. 3,1289. 2938 M a n vergleiche K. Matzel, Untersuchungen zur Verfasserschaft, S. 317 A. 692 und 306 A. 30. 2939 SEW. 339f. 2940 Ebenda 380. 2941 Deverbative jan^ferba des Altenglischen, S. 35. 2942 Sieh auch M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 20. 2937

II. Ablautreihe

565

mit dem Nomen kann die systematische Bedeutung jedoch, zumindest was die Zeitstruktur betrifft, nur unter Vorbehalt bestimmt werden. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] sloufen 'einführen, hineinschlüpfen, eindringen lassen', (N.; Gl.); SchW. 262, RMWA. 67, StWG. 560, RVA. 192. Zuerst bezeugt ist wohl StSG. 11,148,39 (Inserta) : gesloufit, Frankfurt a.M., Stadt- und UB. Ms. Barth. 64; Nr.141, BV. 157, 9.Jh., ostfrk.; Can. conc. Carth. Praef. 183 De his ergo primitus, si placet beatitudine vestrœ, tractemus et postea extern qua acta vel inchoata sunt inserta firmabuntur ... "Darüber also sprechen wir zuerst, wenn es euch gefällt, und danach wird das Übrige, was behandelt oder begonnen ist, eingeführt und bekräftigt werden." (Man vergleiche as. slôpian 'losmachen', afr. slêpa 'umlegen', ae. sliepan 'überstreifen', got. af-slaupjan 'abstreifen, ablegen'). Zu ahd. sliofan 'schlüpfen, sich verkriechen', SchW. 261, StWG. 558 ir-, untar-, uz-, man vergleiche ae. slûpan, got. sliupan 'schleichen, schlüpfen' aus germ. *sleupa- 'schlüpfen, schleichen'2943. A. Bammesberger sieht im Altenglischen ein kausatives Bedeutungsverhältnis, da 'abstreifen' als "bewirken, daß etwas abgleitet (etwa von Kleidern)" gedeutet werden kann. Der älteste althochdeutsche Beleg scheint dagegen in der Bedeutung 'etwas einführen' eher auf die für ahd. sliofan bezeugte Bedeutung 'sich verkriechen' bezogen zu sein, wenn man annimmt, daß das im Canones-Beleg übertragen gebrauchte 'einführen' auf eine wörtliche Bedeutung zurückgeht, die als "bewirken, daß etwas versteckt ist" paraphrasiert werden könnte. Die systematische Bedeutung des germanischen jMw-Verbs folgt aber offenbar der zu erwartenden Struktur. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] soufett 'ertränken, versenken, stürzen', (N. NG.; häufiger bi- APs. B. GB. MF. N. O.; Gl.,fir- Gl.); SchW. 264, 68, StWG. 569, RVA. 194. Zuerst wohl StSG. 1,109,6 Demersit : farsaufta R.2944. - Notker 8,82,19f. Et ero similis descendentibus in lacum. Vuanda so bin ih kelîh tien sih soûffenten in den se . die dísa uuerlt minnont. (Nur ahd.). Zu ahd. süfan 'trinken, versinken, saufen, schlürfen, schöpfen', SchW. 274, StWG. 605; man vergleiche ae. sûpan, an. súpa aus germ. *sûpa- 'saufen'2945. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] sougett 'säugen, nähren', (N. O. OT. T.; Gl., gi- 'entwöhnen' I.); SchW. 264, RMWA 70, StWG. 569, RVA. 194f. Das Simplex erscheint zuerst StSG. 2943

SEW. 435f. Sieh auch A. Bammesberger, Deverbative yan-Verba des Altenglischen, S. 36, J.Jensen, Die I. und II. Ablautsreihe, S. 128. 29 Man vergleiche dazu J. Splett, Samanunga-Studien, S. 226. 2945 SEW. 399f. Zu den althochdeutschen starken Verben der II. Ablautreihe mit dem Wurzelvokal ä sieh BEG. § 333 Α. 3 sowie oben unter III.2

Ableitungen von einem Verbalstamm

566

1,204,16 Ladas : aukit Kb. sugit Ra. Der Glosse in Kb. liegt falsche Worttrennung zu Grunde, zu erwarten wäre Lacta[t] saukii2946. Der Beleg befindet sich bei F. Raven unter 2,11 ouhhôn. - Tatian 313,17f. ... salige sint umberente Inti uuambun thiede nibarun Inti brusti thiode nisougitun ... (Man vergleiche as. sôgian). Zu sûgan 'saugen, trinken', SchW. 274, StWG. 605; man vergleiche as. ae. sûgan, an. suga aus germ. *süga- 'saugen'2947. Die Bedeutung 'jemanden säugen' setzt bei einer Paraphrase "bewirken, daß jemand saugt" auf der Ebene des Systems ein nicht-duratives Verb mit kausativer Bedeutung voraus. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] stouben 'zerstreuen, verscheuchen', (N.; Gl., ir-); SchW. 272, RMWA. 65, StWG. 596, RVA. 208. Zuerst als Präfixbildung StSG. 1,72,11 Cathazizat : arstaupit Pa. irstaupit Kb. arstaupit Ra. Lat. catechizare 'in der Religion unterweisen' ist in der mittelalterlichen Bedeutung 'antreiben, verscheuchen' im Sinne von lat. exorcizare gebraucht2948. - Notker 10,383,25f. Irbelgent sih cedri . unde tuont sie in molestias aide scandala unde stroubet sie daz dannan. (Nur ahd.). Zu stioban 'stieben', SchW. 272, StWG. 594; sonst nur mnd. mnl. stuven aus germ. *steuBa- 'stieben'2949. Das germanische starke Verb hat keine sichere Vergleichsmöglichkeit, mit E. Seebold2950 ist es aber wohl als Bildung mit Jmobile zu der Wurzel *dheu-bh- zu stellen. Als "bewirken, daß etwas stiebt" ist stouben ein nicht-duratives Verb mit kausativer Bedeutung. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] trouffen 'träufeln, tropfen, ergießen lassen', (Gl., bi- Gl.); StWG. 637, RVA. 230. Zuerst wohl StSG. 11,282,58 Distillauerunt : trouftun, Clm 19440; Nr.448, BV. 665, letztes Drittel 11 Jh., bair.2951; Glosse zu Greg. hom. 1,10,1470 Manus mex distillaverunt myrrham. (Zu Cant 5,5.) "Meine Hände troffen vor Myrre." Die Parallelüberlieferung bietet truffun (zu triofan). Bei F. Raven fehlt der Beleg StSG. I,645,58f. Stilla : trouphi. trouf, da F. Raven das Wort möglicherweise als Glosse zu einem vermeintlichen Interpretament lat. stilla 'Tropfen' gedeutet hat. Der Kontext (Ez 21,2) erweist den Beleg jedoch eindeutig als Verbalform, die Aufnahme bei T. Starck - J.C. Wells unter troufen ist daher zutreffend. Allerdings liegt eine Bedeutung vor, die eher dem starken Verb angehört. Die Verben haben sich in ihren Bedeutungen offenbar vermischt.

2946

Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 287. SEW. 398. 2948 Sieh ebenda S. 133. 2949 SEW. 474. Sieh auch H. Paul, Deutsches Wörterbuch, S. 842 unter stäuben. 2950 KEW. 702. 2951 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 744-750, besonders S. 745. 2947

II. Ablautreihe

567

(Man vergleiche ae. driepan 'träufeln, tröpfeln, fallen lassen, befeuchten1, an. dreypa 'tröpfeln lassen, träufeln, sprengen, sprenkeln, triefen'). Zu triofan 'triefen, tropfen', SchW. 285, StWG. 635f.; man vergleiche as. drtopan, afr. driapa, ae. drêopan, an. driúpa aus germ. *âreupa- 'tropfen'2952. Als systematische Bedeutung ist für das jan-Vtrb wohl von einer nicht-durativen Bedeutung wie 'fallen lassen, ergießen lassen' auszugehen. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV]

b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt stroufen 'abpflücken, abstreifen', (N.; Gl.); SchW. 273, RMWA. 68, StWG. 601, RVA. 210. Zuerst wohl Notker l,84,3f. Seres sízzent hítia uérro ôstert inebetì india . die stróufenl âba ho bóumen éina uuólla . día uttír héizén sîdâ. (Man vergleiche ae. be-striepan 'abstreifen', auch mnd. slröpen 'streifen'). Es kann sich um eine Kausativbildung zu einem starken Verb germ. *streupa'streifen' handeln2953. Reste einer starken Flexion finden sich bei dem Verb mhd. Striefen 'streifen'2954. Die Belege sind aber unsicher (einmal strouf im Reim mit ouf und einmal als Variante zu Parzival 219,3) und der Ansatz erscheint nicht im SEW. Die Herkunft des jan-Verbs findet aber auf andere Weise keine angemessene Erklärung, denn die Zusammenstellung mit ahd. roufen als Form mit s-mobile2955 kann nur schwer überzeugen2956. So hat auch U. Hempen2957 mhd. Striefen nicht als Neubildung klassifiziert2958. Es kann dann neben germ. *streuka- 'streichen'2959 auch eine Variante *streupa- gebildet worden sein. Eine Ableitung von der Schwundstufe läge vor in mhd. strupfen 'abrupfen'. Als o-stufige Bildungen stehen neben ahd. stroufen noch die Verben mhd. stroufen, bestroufen sowie mhd. stroufe st.F. 'leichte Verletzung, Bestreifung'2960. Eine Parallele liegt vor in ahd. sloufen : sliofan. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV ] 2952

SEW. 169f. Sieh auch A. Bammesberger, Deverbative ^an-Verba des Altenglischen, S.

2953

M a n vergleiche dazu F. Kluge - W. Mitzka, Etymologisches Wörterbuch, S. 756f. un-

34.

ter streifen. LH. 2,1238, st.V. und N. 3,371, sieh dazu auch DWB. 10,3,997 unter Striefen und J. Grimm, Deutsche Grammatik 2,47. 2955 So N. Lindquist, PBB. 43 (1918) S. 100. 2956 M a n vergleiche dazu P. Persson, Beiträge zur indogermanischen Wortforschung 1,454, S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 395. 2957 Die starken Verben im Deutschen, S. 199. 2958 Man vergleiche noch J. Jensen, Die I. und II. Ablautsreihe, S. 128. 2959 SEW. 478. 2960 LH. 2,1238.

Ableitungen von einem Verbalstamm

568

frören 'regnen (lassen ?), tropfen (lassen ?)', (ein Beleg StSG. 11,415,32 Pluit : trprkt\ E. Steinmeyer, zur Stelle: dh. trorit)\ StWG. 637, RVA. 229. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 14395; Nr.384, BV. 579, 11 Jh., bair.-alem.; Glosse zu Prud. cath. 3,79 arbor onus tremefacta suum deciduo grauis imbre pluit. "Der schwere Baum wird geschüttelt und läßt seine Last herabfallen, wie wenn Regen fallt." (Man vergleiche an. dreyra 'bluten', got. gadrausjan 'hinabstürzen'). Zu germ. *âreusa- 'fallen'; man vergleiche as. driosan, ae. drêosan, driusan2961. Ein starkes Verb ahd. *triosan fehlt. Eine Ableitung vom Substantiv trôr 'Blut, Eiter' ist aber auf Grund der im Vergleich zum Verb sehr engen Bedeutung des Nomens wenig wahrscheinlich. Als systematische Bedeutung wäre 'regnen lassen' im Sinne von "bewirken, daß etwas fallt" anzusetzen und das Verb damit als nicht-durativ zu beschreiben. Die bezeugten aktuellen Bedeutungen können aber wohl nicht mehr ohne weiteres als nicht-durative, kausative Bedeutungen klassifiziert werden, zumal das Verb im Althochdeutschen nur einmal bezeugt ist. Die Schwierigkeiten bei der Bedeutungsfestlegung zumindest auf der Ebene der Handlungsstruktur - können möglicherweise auf die Besonderheiten der für gewöhnlich unpersönlich konstruierten kausalen Witterungsimpersonalia zurückzuführen. [NICHT-DURATIV, KAUSAL ? - KAUSATIV ?]

c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt dösen 'zugrunde richten', (N.); SchW. 114, RMWA. 87, RVA. 30. Notker 2,168,2f. Sicuti ea qu$ sunt inimica corrumpunt. Also iz óuh tara gágene dísiu dôset . tíu imo uuíderuuartíg sint. (Man vergleiche an. peysa 'kräftig vorwärtsstreben, stürmen'); sieh auch mhd. ver-doesen. Die ^¿«-Verben stehen im Ablaut mit schwundstufigem an. frysia 'hervorstürzen' und mit norw. tosa 'rasseln'2962. Es dürfte sich um eine ¿-Erweiterung zur Wurzel idg. *têu-, teuo-, tuô-, tu'schwellen'2963 handeln, zu der Bedeutungen wie 'Schwall, anschwellende Bewegung (auch seelisch), Auflauf, Tumult' angesetzt werden. Ein Reflex der eStufe liegt vielleicht vor in der í-Erweiterung mhd. diusen 'zerren, zausen'2964, doch sind hierzu offensichlich keine starken Formen bezeugt2965. 2961 2962

SEW. 170f. Sieh dazu M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben,

S. 26. 2963

PIEW. 1083f. LH. 1,443. 2965 Sieh noch F. Holthausen, IF. 20 (1906/07) S. 326 und FTW. 188, wo das Verb auf einen Ansatz germ. *pus- zurückgeführt wird. 2964

II. Ablautreihe

569

flewen/flouwen 'waschen, ausspülen, fließen lassen', (OT. T., ir- Gl.); KFW. 3,965, SchW. 135, RMWA. 95, StWG. 164, RVA. 293. Tatian 55,6f. ... thie fiscara stigun nidar thaz sie fleuuitin iro nezzi ... - StSG 1,124,6 Eluere : arflauuen Pa. Ra. iiflauuen Kb. und 2,41 A.6 oiflait cauota"1%(·. (Nur ahd.). Eine Unterscheidung von ahd. flewen1 'waschen' und flewen2 'fließen, wallen' ist wohl nicht erforderlich2967. Die Bildung führt auf germ. *flawija- (aus vorurgerm. *plou -), eine ursprünglich o-stufige Ableitung von der Wurzel idg. *pleu - 'fließen' zurück2968. Daneben steht ai. plâvâyati 'schwimmen, überschwemmt', mit indoiran. Ä zu o in offener Silbe, einem Kausativ zu piavate 'schwimmt, schwebt, fliegt'2969. grouben 'braten, backen, rösten', (Gl.); KFW. 4,443; StWG. 495 unter roupm\ RVA. 60 nur Verweis auf gi-roupen. StSG. 1,424,17 Frixam : kacraupta, Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh„ alem.; Glosse zu II Sm 6,19 et partitus est multitudini universae Israhel tarn viro quam mulieri singulis collyridam panis unam et assaturam bubulae carnis unam et similam frixam oleo et abiit omnis populus unusquisque in domum suam. "Alsdann verteilte er unter die ganze Menge Israels, an einen jeden, Mann wie Frau, einen Brotkuchen und ein Stück gebratenes Rindfleisch und mit Ol geröstetes Gebäck; danach zog das ganze Volk fort, ein jeder in sein Haus." - StSG. I,324,26f. Lagana in qua postea in sartagine et oleo frigatur gigroubit. Der Beleg entstammt der Handschrift St. Paul, Stiftsarchiv 82/1; Nr.521, BV. 779, lO.Jh., alem.; Glosse zu Ex 29,2 panesque azymos et crustula absque fermento quae conspersa sint oleo lagaña quoque azyma oleo lita de simila tritícea cuneta facies. "Ungesäuerte Brote, ungesäuerte, mit Ol angemachte Kuchen und ungesäuerte, mit Ol bestrichene Fladen: aus feinem Weizenmehl mache alles." Ein weiterer Beleg StSG. 11,185,14 groubit. (Nur ahd.). F. Ravens Ansatz roupen, dem T. Starck - J.C. Wells folgen, setzt voraus, daß der Form grouben eine mit gi- präfigierte Bildung zu Grunde liegt. Mit J. Schatz2970 ist jedoch mit Rücksicht auf das Alter der Belege besser von einem Verb mit dem Anlaut gr- auszugehen, das auf germ. *graub-ija- zurückführt. Auch deuten die verwandten Substantive ahd. griobo 'Brennholz, Griebe', ae. ele-greofa 'Ölgriebe' und möglicherweise, wenn die Wörter mit inlautendem -p-

2966 2967

M a n vergleiche dazu J. H o f m a n n , PBB. 85 (1963) S. 120. M a n vergleiche DWB. 3,1710f. (die betreffende Stellenangabe im KFW. ist zu korri-

gieren|. 296

Weiteres bei K. Matzel, Zu den verba pura, S. 32f., sieh auch SEW. 204f. unter *flôwasowie K. von Bahder, Zur Wortwahl in der frühneuhochdeutschen Schriftsprache, S. 76. 2969 Man vergleiche dazu PIEW. 836. 2970 Althochdeutsche Grammatik, § 231.

570

Ableitungen von einem Verbalstamm

hierhergehören, auch ahd. griupo 'Pfanne' auf einen alten Anlaut gr-. Nicht hierher gehört wohl nhd. Graupen, das aus obersorb. krupa entlehnt gilt2971. Daneben stehen seit dem 11. Jahrhundert Verben gleicher Bedeutung mit anlautendem r- bzw. gir-, die als Präfixbildungen umgedeutet beziehungsweise als Simplica zu einer vermeintlichen Präfixbildung rückgebildet wurden (u.a. StSG. I,631,40f. Frixit : roupta, u.a. aus der Handschrift C l m 18140; Nr.429, BV. 637, 11.Jh., bair.2972; Glosse zu 1er 29,22 et adsumetur ex eis maledictio omni transmigrationi luda quae est in Babylone dicentium ponat te Dominus sicut Sedeciam et sicut Ahab quos frixit rex Babylonis in igne. "Und alle Weggeführten Judas, die in Babylon sind, sollen ihnen als Bild des Fluches dienen, so daß sie sagen: Der Herr mache dich Sedekias und Ahab gleich, die der König von Babylon im Feuer rösten ließ."). Diese Wörter werden von den Bearbeitern des KFW. nicht unter grouben verzeichnet und dürften in einer späteren Lieferung unter R erscheinen. T. Starck - J.C. Wells u n d F. Raven führen demgegenüber alle Belege unter einem Ansatz roupen 'rösten, braten' auf. Da die Belege mit inlautendem -p- ausnahmslos auf bairische Quellen zurückgehen2973, die Formen mit -b- in alemannischen Handschriften stehen2974, ist es wohl wahrscheinlich, daß die Belege mit den Graphien und

unter einem Ansatz zusammengefaßt werden können. Das jan-Verb und die genannten Substantive, die den Anlaut gr- erhalten haben, da dort keine U m d e u t u n g als Verbalpräfix erfolgen konnte, stehen im Ablaut zueinander. Für das Germanische ist daher der Ansatz eines starken Verbs * greu 5a- in Erwägung zu ziehen, von dem jedoch keine weiteren Spuren erhalten sind. Ebenfalls ein starkes Verb ahd. *griuban, *ga-riuban, wird von den Bearbeitern des DWB.2975 angesetzt, wobei offenbleibt, wie der Anlaut gedeutet werden soll. Ein schwach gewordener Fortsetzer des starken Verbs könnte in bair. grieben1'}11 handeln, doch ist die Ableitung nur dann verständlich, wenn von gistounen als Ableitung von der Wurzel *steu oder einem daran anzuschließenden starken Verb ausgegangenwerden kann. 2984

Zur Handschrift sieh P. Pauly, Die Glossen der Handschrift Pommersfelden, S. 168f. Sieh PIEW. 869, DWB. 4,1,6,250. 2986 SEW. 378f. 2987 Man vergleiche auch KEW. 584, A. Bammesberger, Deverbative yan-Verba des Altenglischen, S. 96. Zu germ. *reufa- sieh ebenda S. 35f. 2988 Zur Handschrift vergleiche man B. Bischoff, D i e s ü d o s t d e u t s c h e n Schreibschulen l,41f. 2989 BEG. § 13. 2990 BEG. § 45. 2991 So KEW. 697 unter nhd. staunen. 2992 PIEW. 1008f. 2985

II. Ablautreihe

573

strewen/strouwen '(be)streuen, ausbreiten, bahnen', (B. GB. O. OT. T.; Gl.); SchW. 273, RMWA. 95, StWG. 599, RVA. 324. Zuerst wohl StSG. 1,292,21 Sternens : streuuanti in den Handschriften Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.2993; Glosse zu Dt 19,3 sternens diligenter viam ... "Du sollst den Weg sorgfältig bahnen ..." - StSG. 1,26,26-28 Agere strata siue uia publica : toan ardhanit castrauuit, Ka.2994. (Man vergleiche as. streuwian, strôian, ae. streowian, an. strá, got. straujan). Stroh u n d vergleichbare Substantive sind offenbar postverbale Bildungen 2995 . Die y¿z«-Verben können dann nur direkt als o-stufige Ableitungen von idg. * streu-, einer Erweiterung der Wurzel *ster- 'ausbreiten, ausstreuen' aufgefaßt werden. Außergermanisch vergleicht sich lat. struere 'aufschichten', erweitert aus sternere 'streuen' 2996 . Die «-Stufe der Wurzel ist im Germanischen erhalten in der erweiterten Form *streuka- 'streichen' 2997 . zouwen '(Eisen) bearbeiten', (Gl.); StWG. 758, RVA. 333. Zuerst wohl StSG. 11,663,15 Exercebant : zouuitun. Der Beleg entstammt der Handschrift C l m 18059; Nr.428, BV. 634, l l . J h , bair.; Glosse zu Verg. Aen. 8,424 ferrum exercebant vasto Cyclopes in antro. "Eisen schmiedeten die Cyklopen gerade in riesiger Höhle". (Man vergleiche got. tanjan)·, sieh auch die Runeninschrift von Gallehus. Mit F. Holthausen 2998 ist von einer Grundbedeutung 'bereiten, zurichten, zurecht machen' auszugehen und das Verb mit got. taujan 'machen, tun', mnd. touwen zu einer Wurzel idg. *deu- dau- zu stellen. Hierher auch got. ubil-tôjis 'Missetäter', as. ae. tôl 'Werkzeug' 2999 . Mit anderer Ablautstufe sind ae. täwian und ahd. zâwên hierzu gebildet3000. Der zweite Beleg, StSG. 1,395,43 Coccum bistinctum : ziuuirgizauuetiz, trägt die Bedeutung 'färben'. Er stammt aus der Handschrift Clm 14689 (Nr.403, BV. 604, 12.Jh„ bair.300'). Glosse zu Prologus Sancti Hieronymi in Libro Regum 58f. In tabernaculum Dei offert unusquisque quod potest: alii aurum et argentum et lapides pretiosos, alii byssum et pur2993 Z u r H a n d s c h r i f t sieh W . Schulte, Die a l t h o c h d e u t s c h e Glossierung der Dialoge Gregors, S. 4 5 7 4 6 5 , besonders S. 459. 2994 M a n vergleiche J. Splett, Abrogans-Studien, S. 79. 2995 M a n vergleiche KEW. 709 u n d D W B . 10,3,1483. M a n vergleiche ebenda 708, PIEW. 1031. Zur B e d e u t u n g s e n t f a l t u n g des Verbs sieh W . Pfeifer, PBB. 82 (H 1960) S. 132-145. 2997 SEW. 478. 2998 IF. 39 (1921) S. 71. 2999 Sieh auch BEG. § 358 Α. 3. 3000 M a n vergleiche auch S. Feist, Vergleichendes W ö r t e r b u c h der gotischen Sprache, S. 474f., W.P. L e h m a n n , A G o t h i c Etymological Dictionary, S. 342 sowie FTW. 165 u n t e r lu'vorwärts streben', PIEW. 218f. u n t e r (deu- o d e r dou-) : du-, 3001 Z u r H a n d s c h r i f t sieh W. Schulte, Die a l t h o c h d e u t s c h e Glossierung der Dialoge Gregors, S. 855-859.

574

Ableitungen von einem Verbalstamm

puram, coccum offerunt et hyacincthum; nobiscum bene agetur, si obtulerimus pelles et caprarum pilos. "Im Hause Gottes bringt jeder dar, was ihm möglich ist. Die einen bringen Gold, Silber und Edelsteine, andere bringen purpurnes Leinen u n d scharlachrote Seide. Für uns ist es angemessen, wenn wir Pelze und Ziegenfelle bringen." Das Substantiv ahd. zouwa F. 'Farbe, das Färben 1 (StWG. 769, ein Beleg StSG. 11,221,41, aus der Handschrift Clm 18550,1) ist wohl Rückbildung aus dem janNzrb. D a n n ist für das Verb auch in Anbetracht der verschiedenen in der Wortfamilie bezeugten Ablautstufen am ehesten von einer deverbalen Bildung auszugehen.

B. Ableitungen von der Schwundstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt mitten 'schütteln, schwingen, zittern', (GL); StWG. 447, RVA. 315. Belegt ist StSG. 1,265,27 Uiberare : scuten. hnuttë Kb. hnutten Ra.; StSG. 1,234,29 contutie : nutit Ra. (Kb. hat hier knusit)3002. Ein weiterer Beleg liegt vor in StSG. 1,727,43 Mensuram bonam Squarti et confertam . kidroho'H et coagitatem. kiscutta. ì kinutta. Der Beleg stammt aus der Handschrift Schlettstadt, Bibliothèque et Archives Municipales Ms.7; Nr.552, BV. 849, 12.Jh„ alem.3003; Glossiert wird Lc 6,38 date et dabitur vobis mensuram bonam confersam et coagitatam superejjluentem dabunt in sinum vestrum. "Gebet, so wird euch gegeben werden, ein gutes, ein eingedrücktes, gerütteltes und aufgehäuftes M a ß wird m a n euch in den Schoß geben." (Nur ahd.); sieh auch ahd. notôn 'schütteln'. Zu niutan (bezeugt ist nur das Präsens bi-hniutid) 'befestigen, abschlagen, herausschlagen', StSG. 1,146,30 munit : pihniutit Pa. phiniudid Kb. pihniutit Ra. und StSG. 1,247,34 excutit : pihniutit Kb.3004; man vergleiche an. hnióda aus germ. *hneuâa- 'schlagen'3005. Im Vergleich zum Grundverb erscheint die Bedeutung 'schütteln' als iterativ. [DURATIV, FINAL - ITERATIV] Möglicherweise sind mit ahd. guzzen '(beim Opfern) ausgießen' u n d ahd. scuizen 'schwingend oder stoßend in schnelle Bewegung versetzen' zwei weitere schwundstufige Ableitungen an dieser Stelle anzuführen. Eine eindeutige 3002

Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 402 und 486. Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 339-346. 3004 Sieh ebenda S. 365 und 484. 3005 S E W 2 6 8 s ¡ e h a u c h j d e V r i e s > Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 244. 3003

II. Ablautreihe

575

Entscheidung ist im Falle der selten und spät bezeugten y¿z«-Verben, denen anders als bei dem Beispiel nutten schwundstufige Substantive zur Seite stehen, jedoch nicht möglich3006.

b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt luzzen 'schmähen, tadeln, herabsetzen', (N.); SchW. 204, RMWA. 98, RVA. 122. Notker 1,52,28 Táz heizet communis locus an îo-gelîchemo statu . táz man nîomanen némmendo . keméine áchúste lúzzet . álso dise uérsa tûont. Das Verb ist entgegen F. Raven aber nicht im Abrogans belegt. StSG. 1,236,30 modicum : luzcit Kb. ist t für c verschrieben oder verlesen3007. (Nur ahd.). Wohl zu einem starken Verb germ, luta- 'sich neigen'3008; man vergleiche ae. lütan, an. lúta 'sich neigen, vorbücken'3009. Eine o-stufige Ableitung liegt vor in ae. lîetan 'beugen'. Die Ableitungsstruktur des schwundstufigen althochdeutschen Verbs könnte allerdings auch als 'klein machen, erniedrigen' faktitiv interpretiert werden, so daß nicht auszuschließen ist, daß zu dem Adjektiv westgerm. *lût-a- 'klein' mit Kürzung des Langvokals vor Doppelkonsonant wie in dem für ahd. luzzil, luzzic vorauszusetzenden Stamm westgerm. *lutt- eine deadjektivische Ableitung gebildet worden ist3010. Da das Bedeutungsverhältnis am ehesten als intensiv-iterativ gedeutet werden kann, deutet man das jan-Verb am besten als Deverbativ, zumal das angesichts der nicht bezeugten, aber sonst vorauszusetzenden Adjektivform ratsam scheint. [DURATIV, FINAL - INTENSIV-ITERATIV ?] aba-nuppen 'abpflücken', (ein Beleg StSG. 11,380,8 Decerpere : aua nuppan)\ StWG. 446, RVA. 143. Der Beleg ist mittelfränkisch und nicht altsächsisch3011. Er stammt aus der Handschrift Antwerpen, Museum PlantinMoretus M 17.4; BV. 11, Nr.10, 10/11 Jh., mfrk.3012. Glossiert wird Prosp. epigr. Praef. 3. Dum sacris mentem placet exercere loquelis caelestique animum pascere pane iuvat: uosdam Ceu prato libuit decerperefloresdistinctisque ipsos texere uersiculis. "Während es gefällt, den Verstand mit heiligen Reden zu üben, und es 3006

Sieh dazu in Kapitel V.l. Man vergleiche K. Matzel, ADA. 76 (1965) S. 100. Sieh auch J. Splett, AbrogansStudien, S. 346 und 475, StWG. 392 unter ¡uzzíg 'ein wenig'. 3007

3008 S E W

3009

340f

Sieh dazu weiter SEW. 341 unter germ. *lut-ja. Zu den Formen des Adjektivs sieh K. Matzel, Is. lyuzil, besonders S. 414. 3011 So wohl RVA. 143: "nd. zu chnupfen". 3012 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 228f. Sieh auch P. Pauly, Die althochdeutschen Glossen der Handschriften Pommersfelden 2671, S. 142f. 3010

Ableitungen von einem Verbalstamm

576

hilft, den Geist mit himmlischem Brot zu nähren, war es beliebt, etliche Blumen gleichsam von einer Wiese abzupflücken und sie selbst mit ausgewählten Versen zu weben." Über der deutschen Glosse steht zusätzlich noch lat. extraheremi. Die lateinische Glosse könnte, da sie lat. decerpere und ahd. aba-nuppen formal genau nachgebildet scheint, für ahd. nuppen, so wie für lat. trahere eine Grundbedeutung 'ziehen' wahrscheinlich machen. Ahd. abanuppen bedeutet dann 'abziehen, abpflücken' und das Simplex kann in der Bedeutung 'ziehen' als Kausativ zu *hneupa- 'reißen' verstanden werden. Sowohl lat. trahere als auch decerpere können aber auch die Bedeutungen 'abrupfen, zerren' tragen, so daß es näher liegt, auch für die schwundstufige Ableitung von einer iterativen Bedeutung auszugehen. (Nur ahd.); von der gleichen Ablautstufe auch ae. hnoppian3014. Das starke Verb liegt vor in ae. (nur Sg.Prät) a-hneop, got. (nur Part. Präs.) -hniupan aus germ. *hneupa- 'reißen'3015. Weitere Ableitungen von der Schwundstufe sind got. dis-hnupan 'zerreißen' (< *hnup-no), ae. nypel 'Rüssel' und hnoppian 'rupfen'.

c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt bluhben 'leuchten, brennen', (Gl., fu-, ir-)·, KFW. 1,1226, StWG. 67, fehlt RVA. 10, dort nur Verweis auf bluoen. Das Simplex ist einmal bezeugt StSG. 1,142,14 Flagrans : pluhhenti Pa. (Nur ahd.); man vergleiche auch mhd. blühen 'brennen, leuchten'. Es handelt sich um eine schwundstufige Ableitung zur Wurzel *bt,leu-(k)- 'brennen'3016, einer Erweiterung von 'glänzen'. Formal vergleicht sich, jedoch mit anderer Bedeutungsentwicklung, lit. blunkù, blùkti 'fahl werden, die Farbe verlieren'. Das vorauszusetzende primäre Verb ist vielleicht erhalten in mhd. blieben 'brennend leuchten'3017, für das ein Partizip verblohen mit Ausgleich des grammatischen Wechsels aus "Die Tochter Sion oder die minnende Seele" angeführt werden kann3018. Der Beleg aus einer Handschrift des 14. Jahrhunderts (Klosterneuburg N. 1244) steht allerdings im Reim (lohen : verblohen) und kann für sich genommen kein altes starkes Verb erweisen. Bei U. Hempen3019 ist das Verb nicht erfaßt.

3013 3014 3015 3016 3017 3018 3019

Sieh P. Pauly, ebenda S. 128. Sieh SEW. 269. Ebenda. PIEW. 159f. LH. 1,308: starkes Verb. Sieh auch ebenda 1,314 unter blühen. M a n vergleiche BMZ. 1,211. Die starken Verben im Deutschen.

II. Ablautreihe

577

knussen 'stoßen, zusammenschlagen, zerstampfen, werfen, schütteln, knikken, (B. GB. OT. T.; Gl.); SchW. 183, RMWA. 88, StWG. 339, RVA. 308f. Zuerst wohl StSG. 1,90,16 Conpungar : cachnusit Pa. kicnusit Kb. - Tatian 148,19f. mittiu zuo gieng inti inan gisah sliumo der geist gitruobta then kneht inti gicnusit in erda uualzota scumenti. (Man vergleiche ae. cnyssan 'zerstoßen, zermalmen'); von der selben Ablautstufe an. knosa 'mit Schlägen mißhandeln', daneben dehnstufig nd. knûsen, Schweiz, chnüssen 'prügeln'3020. R. Kögel3021 verbindet das jan-Verb einschließlich got. knussjan 'knien' mit an. knoda, ae. cnedan, ahd. chnelan 'kneten', aksl. qneto 'drücke'. Dann wäre ahd. ss das Prudukt einer Dentalverbindung. Die Zusammenstellung ist aber semantisch nicht sonderlich befriedigend3022. Auch ist ahd. ss als Ergebnis einer jGemination nicht so selten wie in der älteren Literatur angenommen 3023 . Das Verb kann daher mit J. Pokorny3024 zu an. knosa und ae. cnyssan gestellt werden. Die Bedeutungen 'stoßen, zerstampfen, schütteln' können als iterativ gedeutet werden, zumal wenn von einer Ausgangsbedeutung 'drücken, zusammendrücken' auszugehen ist. lubben 'waschen, spülen', (Gl., ir- Gl.); StWG. 388 luhhen, liuhhen, RVA. 112, GSp. 2,145f. liuhhen. Zuerst wohl StSG. 1,203,10 Luere : luhhen Kb. luhen Ra. StSG. 1,204,14 Lotos : liuhhit Kb. luhit Ra. Mit J. Splett3025 ist ein Ansatz luhhen vorzunehmen. Die Graphie in Kb. dürfte demnach auf eine Verschreibung zurückzuführen sein, denn als Umlautsbezeichnung für ahd. û ist erst spätalthochdeutsch eingetreten. Fragwürdig ist allerdings auch StSG. I,125,5 iluhhendi Kb. (wenn nicht gi-luhhendi anzusetzen ist) und StSG. II,248,59 Fractus : kaliuhit, zu einer nicht ermittelten Gregor-Stelle3026. Der Beleg wird auch StWG. 388 und RVA. 112 auf Grund der Bedeutung 'fractus' nur unter Vorbehalt mit den anderen Formen verbunden. (Nur ahd.). Folgt man trotz dieser Einwände der Deutung J. Spletts, die vor allem durch bair. lühen 'waschen, spülen'3027 gestützt wird, so ist das Verb als schwundstu-

3020

Man vergleiche PIEW. 372. PBB. 7 (1880) S. 178. 3022 Sieh dazu auch A. Bammesberger, Deverbative yd«-Verba des Altenglischen, S. 125f. 3023 Sieh dazu E. Glaser, Die Stellung der Geminata ss, S. 62. Die Geminata wird auch BEG. § 170, J. Schatz, Althochdeutsche Grammatik, § 201, F. Simmler, Die westgermanische Konsonantengemination, S. 102 und E. Glaser, Die Stellung der Geminata ss, S. 62 als Geminationsprodukt gedeutet. Man vergleiche dazu auch W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 83. 3024 p I E W 372 unter *gneus- (zur Basis *gen- 'zusammendrücken'). 3025 Abrogans-Studien, S. 287. 3026 Sieh dazu E. Steinmeyer, zur Stelle. 3027 J.A. Schmeller, Bayerisches Wörterbuch 1,1467. 3021

Ableitungen von einem Verbalstamm

578

fige Ableitung zu einer Wurzel idg. *lou-, loua 'waschen'3028 in lat. lavâre, griech. λόω{ich bade', arm. loganam 'bade mich' zu stellen, die im Germanischen vorliegt in an. laudr 'Lauge1, ahd. longa, ae. lêah 'Badewasser'. Die eStufe der Wurzel scheint nicht bezeugt zu sein. fir-mucketi 'ersticken, stumpfsinnig sein1, (eine Belegstelle StSG. 1,130,36 Ebitudo : farmuchit Pa. firmochid Kb. farmuckit Ra.); StWG. 423, RVA. 314 firmuchit- (?). Das Verb ist vom lateinischen Interpretament suffocatio 'das Erstikken' her übersetzt3029. (Nur ahd.). Es liegt wohl eine Anlautvariante ohne ¿-mobile zu germ. *smeuk- 'rauchen'3030 vor, mit der Grundbedeutung 'ersticken'3031. Ein Zusammenhang mit nhd. mucken, lat. mugîre 'brüllen' ist aus semantischen Gründen abzulehnen3032. muzzen 'betrügen, trügerisch handeln', (N.); SchW. 218, RMWA. 98, RVA. 134. Notker 8,39,19f. Linguis suis dolose agebaNT. Mit íro gechôse múzton siê. (Nur ahd.). Einen Deutungsversuch hat, wie es scheint, bisher nur E.G. Graff5033 unternommen, der an eine Entlehnung aus lat. mûtâre denkt und dabei eine Bedeutungsentwicklung von lat. mûtâre im Sinne von 'ändern, verändern, sein Wort brechen', zu 'betrügen, täuschen1 angenommen haben mag. Diese Deutung ist aber auf Grund der Vokalquantität des Stammvokals wenig wahrscheinlich. Entlehnungen aus lat. mûtâre sind demgegenüber ahd. mûzzôn und ae. bi-mûtian 'auswechseln'3034. Das y»-Verba des Altenglischen, S. 103f. SEW. 538f.

III. Ablautreihe

605

aus3210. Die starke Stammbildung des nur dort bezeugten Verbs ist aber möglicherweise sekundär. [NICHT-DURATIV, KAUSAL ? - KAUSATIV ?]

c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt dwesben 'vernichten', (O., ir-, fir- O.); SchW. 117, RMWA. 64, RVA. 34. Otfrid 4,26,23 Ziu sie nan sus thuésbên, thia frútna in imo irlésgên. - 2,12,77 Odo inan thes gilústi, er ménnisgon firthuósbtì, thaz krdft sin thaz giméinti, thaz ér in sar irdéiltì. (Nur ahd.). Die Graphie in ahd. dwesben führt wie in vergleichbaren Fällen (StSG. 11,486,45 (Sub bifido) : vnder demo gesbaldenen, 1,396,3 Detrabant : pisbrachant\ neben pisprachant) auf germ, -sp- zurück3211. Hierzu stimmen auch mhd. rheinfrk. bedespen, verdespen 'verbergen', els. bad. rhein. südhess. dusper 'düster, dämmrig'3212. Es ist daher von einer Vorform germ. *pwaspija- auszugehen. Eine Verbindung mit lat. tesqua, -ôrum 'Einöden, düstere Gegenden', die H. Petersson3213 vorgeschlagen hat, wird von A. Walde - K. Hofmann 3214 besonders deshalb abgelehnt, weil die bei H. Petersson fälschlich angesetzte Form *puasbionon mit germ. -5· nicht auf idg. *tuosqV zurückführbar ist. Dieser Einwand entfällt jedoch bei der Rückführung auf germ. *Jjwaspija-. Wenn dann ahd. dwesben wirklich hierher gehört, dann ist für qif der gleiche Wandel qV zu ρ vorauszusetzen, wie er etwa für idg. * ulq-o - germ, ''wulfa bezeugt ist. Während in *wulfa dann das alte ρ zu f weiterverschoben wird, bleibt es in germ. *pwespa- in gedeckter Stellung erhalten. Die Lautfolge -sp- erscheint dann wie in ahd. dwesben vereinzelt als -sb-. Der Anschluß H. Peterssons hätte so letztlich doch das Richtige getroffen. Wenn ein primäres Verb im Althochdeutschen bezeugt wäre, hätte es in die Ablautreihe Illb eingegliedert werden müssen. Gemäß W. Braune - H. Eggers3215 folgen die Verben, deren Wurzel auf zweifache Konsonanz endet, bei denen aber / oder r dem Stammvokal nicht folgt, sondern vorausgeht, ebenfalls, wie die Verben auf e + R + K/ + RR der Klasse Illb. Dieser Gruppe habe sich auch ahd. febtan angeschlossen. Zu dieser Reihe gehören aber offenbar von Haus aus auch alle primären Verben, die von E. Seebold3216 unter der 3210 3211 3212 3213 3214 3215 3216

Sieh dazu auch DWB. 13,1409. M a n vergleiche dazu F. Kluge, ZDW. 9 (1907) S. 316f. Man vergleiche dazu auch BEG. § 133 Α. 2. IF. 20 (1906/07) S. 367. Lateinisches etymologisches Wörterbuch 2,675. BEG. § 338. SEW. 56.

Ableitungen von einem Verbalstamm

606

Überschrift "e + G-Reihe" (K vor Geräuschlaut) verzeichnet sind, so daß auch primäre Verben mit der Lautstruktur e + h + Κ und e + s + Κ hierher zu stellen sind. Dies zeigt ahd.fernoscenen zu germ, ''hneskwa- 'zerreiben'3217, das nur im Altnordischen bezeugte Verb germ. *gnesta- 'krachen'3218 mit den bezeugten Formen gnesta, gnast, gnusto und die schwundstufige Adjektivableitung nhd.dial. dusper neben ahd. dwesben. Ahd. fehtan hat sich dann hier nicht "angeschlossen", sondern ist Grundbestandteil dieser Ablautreihe. kerren 'fegen, kehren', (MF.; Gl., gi- O.; Gl.); SchW. 180, RMWA. 86, StWG. 328, RVA. 308. Das Simplex erscheint wohl zuerst in den Monseer Fragmenten 7,13f. Danne quui dit. ih huuir fu . in miin hus danan . ih uz fuor . enti quhoman fin dit ital hûs. besmon . ga cherit enti ga sconit. (Man vergleiche ae. cierran 'kehren, wenden, vorwärts gehen, zurückkehren, bekehren'). Nach E. Seebold3219 handelt es sich wohl um eine denominale Ableitung zu einem in ahd. ubar-kara 'Kehricht' verbautem Substantiv. Das jan-Verb ist aber schon früh und sehr zahlreich bezeugt. Daher wird das Verb von J. Pokorny3220 als germ. *karzjan zur Wurzel idg. *gers- 'drehen, biegen' gestellt3221. gi-klenken 'zusammenpressen, winden, knüpfen', (Gl., fir- 'niederhauen' Gl., in- 'aufbinden, lösen' O.); SchW. 182, RMWA. 74, StWG. 335, RVA. 92. Zuerst wohl StSG. 1,222,26 Obtrunkat : firklenkit Kb. farslecnkit Ra. (für farclenkit) - StSG. 1,60,6 tortuosum : kachlankhit Pa. kiklenkind Kb. kiclemkit Ra.3222. - Otfrid 1,27,60 zi thíu, thaz ih inklénke tbie riomon, thier giskrénke. (Man vergleiche ae. beclencan 'festhalten'). Das j a n N e r b ist wahrscheinlich zu einem nicht erhaltenen starken Verb germ. *klenka-x zu stellen, das eine Variante ist zu germ. *klenga¿ 'sich zusammenziehen' in ahd. (nur Präs.) klingen, ae. clinganim. Vergleichbar ist wohl das Nebeneinander von germ, k und g im Falle von germ. *klenga-x und *klenka-1 'klingen'3224, germ. *krenga- neben *krenka- 'fallen'3225. Vielleicht ist dann auch nhd. Klinke, Türklinke ursprünglich als 'Instrument, das die Türhälften verknüpft, festhält' hierher zu stellen und die von E. See3217 3218 3219

Ebenda 268. Ebenda 235. KEW. 365.

3220 p l E W 3221

392f

Sieh dazu auch A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 105, H. Petersson, IF. 20 (1906/07) S. 368, F.A. Wood, IF. 22 (1907/08) S. 147. 3222 Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 464. 3223 Sieh dazu SEW. 300, Α. Bammesberger, Deverbative >«-Verba des Altenglischen, S. 40 (dengan) und 106 (beclertcan) sowie besonders zu den etymologischen Zusammenhängen R. Lühr, Expressivität u n d Lautgesetz, S. 123f. 3224 SEW. 299f. 3225 Ebenda 308.

III. Ablautreihe

607

bold 3226 vertretene Verknüpfung mit germ. *klinga- 'klingen' (nach dem Geräusch des Fallriegels) ist nur volksetymologisch 3227 . lerken 'festhängen, an etwas hängen', (ein Beleg StSG. 11,679,20 Herent : lerchint)\ StWG. 370, RVA. 109. Der Beleg entstammt der Handschrift Schlettstädt, Bibliothèque et Archives Municipales Ms. 7; Nr.552, BV. 849, 12.Jh., alem.3228. Es handelt sich u m eine Glosse zu Verg. Ekl. 3,102 ... his certe ñeque amor causa est; uix ossibus haerent; nescio quis teneros oculus mihi fascinat agnos. "Für diese ist schwerlich nicht die Liebe der Grund. Sie hängen kaum an ihren Knochen. Ich weiß nicht, welches Auge mir meine zarten Lämmchen verzaubert hat." - Ein weiterer Beleg, StSG. 1,47,12 extinguere : ìrlerchen Kb. (man vergleiche in Pa. arlasken), der von F. Raven als ir-lerchen ebenfalls hierher gestellt wird, ist mit R. Kögel3229 zu ir-lescen zu stellen. (Man vergleiche an. lerka 'zusammenbinden, quälen1)3230. Im Ablaut dazu stehen d a n n an. lurkr 'Prügel', ne. dial, lark 'mit einer Peitsche schlagen' und ae. lorg 'Stange, Spindel' 3231 . Allerdings ist der semantische Zusammenhang mit den dazugestellten Wörtern unklar. menden 'sich freuen, bejubeln', (B. GB. I. MF. M H . MPs. Ν. NG. Ο. OT. T. WH.; Gl.); SchW. 210, RMWA. 66, StWG. 407, RVA. 127. Isidor 20,18f. See hear nu dhea dhrifaldun heilacnissa undar eineru biiihti dhasz himilisca fole so mendit. - StSG. 1,8,5 gaudens : mendenti Pa. mandhendi Ka. mendanti Ra. (Man vergleiche as. mendian 'sich freuen'). Es kann sich bei dem jan-Verb entweder u m eine Ableitung von dem Adjektiv germ. *manpa- handeln 3232 , oder das Verb ist unmittelbar zu der Wurzel *mendh- 'seinen Sinn worauf richten, lebhaft sein'3233 beziehungsweise einem untergangenen starken Verb zu stellen. Das Verbalabstraktum ahd. m en di st.F. 'Freude' (SchW. 210, StWG. 407) k o m m t als femininer ?VStamm als Basis nicht in Betracht. Da das Adjektiv im Altenglischen, Altsächsischen u n d Althochdeutschen n u r als Kompositionsglied erscheint, in der Wortfamilie daneben aber auch noch alte ablautende Bildungen wie got. mundôn 'sehen auf und an. munda 'zielen, streben 1 bezeugt sind3234, dürfte es sich eher u m

3226

KEW. 378. Weiteres dazu PEW. 852. Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 339-346. 3225 Ueber das Keronische Glossar, S. 92 und 133, so auch J. Splett, Abrogans-Studien, S. 100 und StWG. 371. 3230 Sieh dazu J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 358. 3231 Man vergleiche PIEW. 691f. unter *lorgâ, lorgi 'Stock, Knüttel'. 3232 So HEW. 402. 3233 PIEW. 730. 3234 Zu diesen Verben sieh S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 367, J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 395. 3227

608

Ableitungen von einem Verbalstamm

eine ursprünglich deverbale Ableitung handeln3235. Letzte Sicherheit ist in diesem Fall jedoch nicht zu erzielen3236. mengen1 'vermischen', (I.); SchW. 210, RMWA. 69, RVA. 127. Isidor 41,4f. In dhes «.uniste sitzit pardus mit gheizssinu, bauhnit dhea nidhigun chimenghide mit sundigem. (Man vergleiche as. mengian, afr. mendza, ae. mengan aus westgerm. ''manοι ja). Es handelt sich um das heimische Gegenüber zum wohl entlehnten Verb ahd. miscen. Außergermanisch vergleicht sich aks. umeknati 'weich werden', lit. mìnkyti 'kneten, durcharbeiten' und wohl auch ai. mácate 'zermalmt' zu *men(3)k- 'kneten'3237. merren1 'ärgern, stören', (M. O. T.; Gl.); SchW. 211, RMWA. 86, StWG. 410, RVA. 128. Tatian 127,8£ inti ni eeret sinan fater inti muoter inti gimerrit tatun gotes bibot thuruh iuuvar gisaznessi. (Man vergleiche as. merrian 'hindern, stören, ärgern', afr. meria, ae. mierran 'stören, verwüsten, vergeuden, hindern, irren', got. marzjan). Die Etymologie ist unklar3238. Das Verb wird aber von J. Pokorny3239 wohl zutreffend als ¿-Erweiterung *mer-s- 'stören, ärgern', zu * mer- 'aufreiben, reiben' gestellt3240. Außergermanisch vergleicht sich ai. marsayati als Kausativ zu ai. , 3241 m rapate bi-renken 'verrenken, drehend ziehen', (MZ.); SchW. 237, RMWA. 74, RVA. 152. Zweiter Merseburger Zauberspruch, StSpD. 365,1 f. Phol ende Uuodan uuorun zi holza. du uuart demo Balderes uolon sin uuoz birenkit. (Man vergleiche ae. wrencan). Die jan-Verben werden von E. Seebold3242 als "Nasalierung einer Tektalerweiterung von uer- 'drehen'" gedeutet. Eine solche Erweiterung, allerdings mit inlautendem germ, f l i e g t vor in dem starken Verb *wrenga- 'ringen' zu * m e n ^ - l n . Das ahd. -renken und ae. wrencan zu Grunde liegende Verb ist dann entweder mit A. Bammesberger3244 "als direkte Bildung aus der o-Stufe 3235

Auch FTW. 310 wird das Adjektiv als sekundäre Bildung gedeutet. Sieh noch auch BEG. § 230. Zur Entwicklung des Dentals in ahd. menden, as. metidian sieh ebenda § 163 A. 6 sowie R. Lühr, Expressivität und Lautgesetz, S. 154. 3237 PI EW. 730. Sieh auch KEW. 473, PEW. 1090 sowie K. Matzel, Untersuchungen zur Verfasserschaft, S. 362 mit A. 876. 3238 Sieh S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 347, W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 246. 3239 PIEW. 737. 3240 Man vergleiche dazu auch A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 95. 3241 Nach A. Bammesberger, Deverbative jan-Verbs. des Altenglischen, S. 95 zur Wurzel *mer-s- 'stören, ärgern 1 , sieh auch PIEW. 737. 3242 KEW. 594. 3243 Sieh PIEW. 1155; man vergleiche auch SEW. 570: "verschiedene Tektale". 3244 Deverbative j a n ^ t r b a des Altenglischen, S. 112. 3236

III. Ablautreihe

609

der nasalierten ^-Erweiterung ureng- der Wurzel uer- 'drehen, biegen"1 aufzufassen, oder es ist neben germ. *wrenga- auch eine Variante *wrenka- (zu * ureng-12'5) anzusetzen3246. bi-sengen 'versengen', (Gl.); StWG. 516, RVA. 168. Zuerst wohl StSG. 1,84,7 concremauit : piscanchit Pa. pisenkit Kb. KFW. 1,1111 werden die Belege durch Verweis zu einem Ansatz senken 'senken, versenken' gestellt. Dagegen ist eine Deutung der Belege als Formen von ahd. bi-sengen 'versengen', die schon E.G. Graff 2 4 7 vorgeschlagen wird, semantisch eher befriedigend3248. Mit J. Splett kann in Kb. {pisenkit) für postkonsonantisches g stehen. In Pa. (piscanchit) steht dagegen eindeutig für k. Da aber ohnehin eine Verschreibung vorliegt (für pisanchit ?) ist die Form nicht ganz sicher zu beurteilen. J. Splett denkt an Vermischung mit scenken 'einschenken', was aber semantisch auch nicht unbedingt naheliegt. (Man vergleiche anfränk. bisingon, afr. ofsendza 'absengen', ae. sengan 'anbrennen, sengen'). Neben dem yaw-Verb stehen auch schwundstufige Bildungen mit verwandter Bedeutung, so daß möglicherweise ein zu Grunde liegendes starkes Verb angenommen werden kann. Man vergleiche etwa mhd. sungen, sunken 'anbrennen, versenkt werden'3249. Es ist dann an ein Verb germ. *senga- oder *sengwazu denken. Dieses Verb ist in der älteren Forschung meist mit dem starken Verb germ. *sengwa-{ 'singen' gleichgesetzt worden3250, doch wird diese Gleichsetzung von J. Pokorny3251 und A. Bammesberger3252 ebenfalls aus semantischen Gründen abgelehnt. Auch von E. Seebold3253 wird das jan-Vzrh von *sengwa- getrennt und mit aksl. presqcati 'trocknen' verglichen. In jedem Falle handelt es sich um eine o-stufige Ableitung von einer Wurzel *senkoder senku-. In späterer Zeit sind dann entweder zwei unabhängige Bildungen lautlich zusammengefallen, oder es hat eine Bedeutungsentwicklung stattgefunden, die im Germanischen zur Ausprägung zweier primärer Verben aus der gleichen Wurzel geführt hat. Die Nähe der beiden Bedeutungssphären zeigt sich in Fällen wie mhd. sengen 'pfeifen, knistern', besonders auch im

3245

PIEW. 1154. Z u m Nebeneinander von Wurzeln auf urgerm. *enk- und * eng- sieh besonders R. Lühr, Expressivität u n d Lautgesetz, S. 167-170. 3247 GSp. 6,257. 3248 Man vergleiche dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 146f. und 499. 3249 LH. 2,1214. 3250 So C. Schuldt, Die Bildung der schwachen Verba § 7, auch DWB. 10,1,585, F. Kluge W. Mitzka, Etymologisches Wörterbuch, S. 703. 3251 PIEW. 907 unter senk-, 3252 Deverbative yare-Verba des Altenglischen, S. 110 (für ae. sengan). 3253 KEW. 668. 3246

610

Ableitungen von einem Verbalstamm

Nebeneinander von germ. *spreka-1 'sprechen' und *spreka¿ 'knistern, prassein'3254. wenken 'wanken, schwanken', (N. O.; Gl. ar-); SchW. 315, RMWA. 74, StWG. 709, RVA. 255f. Das Simplex erscheint zuerst bei Otfrid, so 4,15,51 f. Theist gibót mînaz zíu, ir íúih minnôt untar íú, ioh íágilíh thes thénke, thero mínnóno ni uuénke. - StSG. 1,233,16 Prepitat : eruuakhit Kb. aruuankit Ra. (Nur ahd.). Das jan-Yerb steht neben einem ebenfalls schwach flektierten Verb ahd. winken, so daß sich wie im Falle von ahd. screcken und scricken ein scheinbar estufiges und ein o-stufiges schwaches jan-Verb gegenüberstehen. Es dürfte sich bei diesem Verb um eine o-stufige Ableitung von einer Wurzel idg. * ueng'gebogen sein'3255 handeln. Dazu stehen im Ablaut an. vakka 'umherirren, schlendern'3256, as. wancon, ahd. wankôn 'wanken'. Da ¿-stufiges ahd. winkan ebenfalls ein schwaches Verb ist, das im Alt- und Mittelhochdeutschen offenbar erst sekundär starke Formen ausgebildet hat3257, kann es sich bei ahd. wenken nur um eine direkte Bildung aus der Wurzel handeln. Demgegenüber ist die noch von A. Walde3258 vorgeschlagene Deutung als Denominativ zu ahd. wank st.M. 'Krümmung, Biegung; Zweifel', SchW. 309, StWG. 695, aus semantischen Gründen weniger überzeugend. werien/werren '(jemandem) wehren, verwehren, (etwa) verbieten, (jemanden) hindern, verteidigen, schützen (vor)', (N. O. OT. T.; Gl.; bi- B. BR. GB. NG. O. T. WK.; Gl.); SchW. 320, RMWA. 86, StWG. 716, RVA. 331f. Das Simplex erscheint etwa Tatian 48,22f. Iohannes uuârlicho uuerita Imo sus quedanti. ih seal fon thir gitoufit uuerdan Inti thù quimist zi mir ... Zuerst bezeugt ist die Präfixbildung bi-werren, so StSG. 1,335,25 Auigantur malefìci uuarun pauuerit lubpara, Karlsruhe, Β LB. Aug. IC; (Rb.), Nr.54, BV. 296, 8.Jh„ alem.3259; Glosse zu Ex 7,22 feceruntque similiter malefici Aegyptiorum incantationibus suis et induratum est cor Pharaonis nec audivit eos sicut praeeeperat Dominus. "Und die Zauberer der Ägypter taten dasselbe durch ihre Verschwörungen und Pharaos Herz verhärtete sich, und er hörte nicht auf sie, wie der Herr es vorausgesagt hatte." Lat. auigantur ist nicht Bestandteil des Vulgatatextes, sondern selbst Glosse3260. 3254

Man vergleiche dazu SEW. 455. PIEW. 1148. 3256 Sieh dazu auch J. de Vries, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, S. 639. 3257 Sieh dazu W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 40 u n d 110, KEW. 794; zur weiteren Entwicklung in neuhochdeutscher Zeit E. Theobald, Sprachwandel bei deutschen Verben, S. 230. 3258 A. Walde - J. Pokorny, Vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen Sprachen 3255

1,218. 3259 3260

R. Bergmann, Die althochdeutschen Glossenhandschriften des 8. Jahrhunderts, S. 17. Z u m Lemma sieh E. Meineke, Bernstein im Althochdeutschen, S. 97f.

III. Ablautreihe

611

Daneben steht SchW. 320, RMWA. 86 ein Ansatz werten1 mit der Bedeutungsangabe 'kleiden'. Diese nur Otfrid 1,11,45 bezeugte Bedeutung dürfte aus Bedeutungen wie 'schützen (vor), sich hüten' hervorgegangen sein, die zu werten, werren gehören. Ein gesonderter Ansatz scheint daher unter dem Gesichtspunkt der Wortbildung nicht erforderlich. (Man vergleiche as. werian, afr. wera, ae. werian 'wehren, schützen, verteidigen, hindern', an. verja 'zurückhalten, hindern, verteidigen, wehren', got. warjan 'wehren'). Das janNtrb steht in der Germania isoliert. Außergermanisch vergleicht sich das Kausativ ai. vâràyati 'verhüllt, bedeckt' zu vrnoti 'wehrt, beschützt umhüllt', griech. érymai 'ich wehre ab, beschütze, rette' aus * uer-s-, einer Ableitungen von der Wurzel *uer- 'verschließen, bedecken', woraus 'durch Verschließen schützen, retten, abwehren' entwickelt ist3261. zerben 'sich drehen, wälzen', (O., umbi- O.); SchW. 334, RMWA. 64, RVA. 277. Otfrid 2,1,21 Tho er déta, thaz sib zárpta, tber btmil sus ιό uuárpta. (Nur ahd.); von der selben Ablautstufe ae. tearflian 'sich wälzen, rollen'. Dazu steht ablautend ae. getyrfan 'schlagen, angreifen, überfallen' und das o«-Verb ae. torfian 'werfen, steinigen'. An. tyrfa 'mit Rasen, Torf bedecken', das lautlich ae. -tyrfan entspricht, ist jedoch Denominativum zu toif'Torf, Rasen'3262. Es handelt sich im Falle von ahd. zerben wohl um eine o-stufige Ableitung von der Wurzel idg. *derbh- 'winden, zusammendrehen' 3263 . Eine denominale Ableitungsstruktur ist für das althochdeutsche Verb aus semantischen Gründen sicher auszuschließen. Vielmehr ist das schwundstufige Substantiv ahd. zurb selbst geeignet, eine deverbale Ableitungsstruktur wahrscheinlich zu machen3264. Daneben findet sich auch das Substantiv ahd. zurft (StSG 2,626,62 Terga : zurft), das vielleicht ein feminines //-Abstraktum ist3265.

3261 Sieh PIEW. 1161f. Eine Bildung von der erweiterten Schwundstufe der Wurzel * uerliegt möglicherweise vor in nhd. Wurst. Man vergleiche H. Paul - H. H e n n e - G. Objartel, Deutsches Wörterbuch, S. 1063. Sieh dazu auch KEW. 781, A. Bammesberger, Deverbativa jan-Verba des Altenglischen, S. 103, M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 5, PEW. 1948, sowie Th.V. Gamkrelidse - V.V. Ivanov, Indo-European, S. 741 u n d W.H. Snyder, ZVSpF. 85 (1971) S. 81. 3262

Man vergleiche zu diesen Wörtern A. Bammesberger, Deverbative janNt rba des Altenglischen, S. 129. 3263 PIEW. 21 lf. Sieh auch DWB. 15,1575 unter zirben sowie H. Petersson, IF. 20 (1906^07) S. 367f. 32 4 Zu zurb sieh H. Tiefenbach, Bezeichnungen für Mist und Dünger, S. 54. Dagegen sind die PIEW. 212 angeführten Formen ahd. zurba, zurfRasen' nicht bezeugt. 3265 Zu den Belegen sieh StWG. 772 sowie GSp. 5,706.

612

Ableitungen von einem Verbalstamm

B. Ableitungen von der Schwundstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt α) von einem Perfektopräsens turren 'anstürmen, stürmen', (Gl., ir- Gl.); StWG. 645, RVA. 233. StSG. F/,329,16 Aneto : turro, St. Gallen, StiftsB. 882; lO.Jh.; Glosse zu Eut. ars 458,26 aries, arieto, arietas. - StSG. 1,529,72 Remoue : irturri, Göttweig, StiftsB. 46/103; Nr.228, BV. 264, 12.Jh., bair.; Glosse zu Prv 4,24 remove a te os pravum et detrahentia la bia sint procul a te. "Entferne von dir Verkehrtheit des Mundes und verleumderische Lippen laß fern sein von dir". Der Beleg fehlt bei T. Starck - J.C. Wells. Die Bearbeiter des Glossenindex haben irturri an dieser Stelle offenbar als Verschreibung gedeutet, da die Parallelüberlieferung der Gruppe M. Formen von ahd. ir-firren 'entfernen, sich entfernen' zeigt3266. Es kann aber durchaus eine Präfixbildung ir-turren 'entfernen' zu turren 'anstürmen' gebildet sein, wenn man dem Präfix ahd. ir- hier die Funktion "Richtung nach hinten, zum Ausgangspunkt zurück" zuschreibt3267. Bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings3268 wird dieser Beleg daher unter F nicht verzeichnet. (Nur ahd.). Es kann sich um eine Ableitung von der Schwundstufe der Wurzel idg. *dhers 'wagen, kühn sein'3269 handeln, die vorliegt in ahd. dan 'wagt', got. gadars, ahd. gitar, turren327°. Die systematische Grundbedeutung kann angesichts der bezeugten Bedeutung 'anstürmen' iterativ sein. [DURATIV, FINAL - ITERATIV]

ß) von einem starken Verb brutten 'jemanden ängstigen, erschrecken, in Staunen versetzen', (N. O.; GL); KFW. l,1472f., SchW. 103, RMWA. 94, StWG. 82, RVA. 20f. Zuerst wohl StSG. 11,310,2 Terreant : prut ten, aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug.

3266

StWG. 158f. unter ir-firren. Zu den Präfixbedeutungen vergleiche man H. Schwarz, Präfixbildungen im deutschen Abrogans, besonders S. 319. 3268 KFW. 3,915f. unter ir-firren. 3269 PIEW. 295. 3267

3270

S. 69.

Zu germ. *3ars vergleiche man auch SEW. 147 und Th. Birkmann, Präteritopräsentia,

III. Ablautreihe

613

IC (Rb.), Nr.54, BV. 296, 8Jh., alem.3271; Glosse zu Greg. hom. 1,11,1475 lile in sancta Ecclesia doctus pradicator est, qui et nova seit proferre de suavitate regni, et vetita dicere de terrore supplicii, ut vel poena terreant, quos prxmia non invitant. "Derjenige wird in der heiligen Kirche ein Prediger, der Neues vorzutragen weiß über die Schönheit des Königreichs und Altes zu sagen weiß über die Schrecken der Strafe, damit die Strafen diejenigen erschrecken, die nicht die Belohnungen einziehen." (E. Gamillscheg3272 erschließt aus lyones. brogi, forez, brogi, brougi, dauph. brogi, bruja 'tief nachdenken' ein Verb burgund. *brugdjan 'außer sich geraten', das F. Holthausen 3273 und G. Köbler3274 als got. *brugdjan 'schwingen, bewegen' verbuchen; man vergleiche auch ae. ge-brygdan 'drehen', das aber nicht sicher zu erweisen ist)3275. Daneben liegen schwundstufige Bildungen vor in ae. brôdian, brogdettan 'zittern, glitzern'. Zu brettan 'zücken, schnell bewegen', KFW. 1,1375, SchW. 102, StWG. 77; man vergleiche as. brugdun Prät. 'knüpften (Netze)', afr. breida, ae. bregdan, an. bregda-, aus germ. *öregäa- 'zücken'3276 Das Bedeutungsverhältnis ist nicht klar. Wenn für das germanische starke Verb die nicht-durative Bedeutung 'zücken, zucken' angesetzt werden kann, dann wäre eine Bedeutung 'sich erschrecken' am ehesten als kausativ, mit einer Paraphrase "bewirken, daß jemand (zusammen-)zuckt", zu deuten. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] undir-burgen 'verfalschen', (ein Beleg StSG. 11,495,51 Interpolât : undirburgit)·, StWG. 86, RVA. 23. Der Ansatz ist bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings unter Β nicht verzeichnet. Der Beleg stammt aus der Handschrift St. Gallen, StiftsB. 292; Nr. 190, BV. 221, lO.Jh., fränk.; Glosse zu Prud. apoth. Praef. 45 ... qui laeta Christi culta fur interpolât addens auenas aemulas. "... ein Schurke der die fruchtbaren Felder Christus' verfälscht, indem er wilden Hafer hinzugibt, damit dieser mit dem Korn wetteifere." (Man vergleiche ae. byrgan 'begraben', an. byrgja 'einschließen', got. baurgjan 'bergen'); eine weitere schwundstufige Bildung liegt vor in an. ábyrgr 'so beschaffen, daß man dafür verantwortlich ist'3277. Es dürfte sich bei dem Verb um eine schwundstufige Ableitung zu dem starken Verb germ. * Berga- 'bergen' handeln (man vergleiche as. gibarg, ae. beor3271

Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Die althochdeutschen Glossenhandschriften des 8. Jahrhunderts, S. 17. 3272 Romania Germanica 3,54. 3273 Gotisches etymologisches Wörterbuch, S. 18. 3274 Gotisches Wörterbuch, S. 105. 3275 Man vergleiche dazu A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 130. 3276 SEW. 129ff. 3277 Sieh dazu K. Matzel, HS. 104 (1992) Nr.65.

Ableitungen von einem Verbalstamm

614

gan, an. biarga, got. bairgan 'bewahren')3278. Die Prudentius-Ausgabe J. Bergmans3279 bietet interpulat nach der Mehrzahl der Handschriften 3280 . Die St. Gallener Handschrift zeigt dagegen lat. interpolât zu interpolare 'entstellen, verfalschen'3281. Es kann daher wohl von einer Lehnübersetzung undir-burgen zu interpolare ausgegangen werden. Ahd. untar- für lat. inter- findet sich bereits im Abrogans an vier Stellen bezeugt3282. Nur wenn von einem lateinischen Lemma inter-pullâre ausgegangen wird, wäre im Hinblick auf lat. pullâre 'ausschlagen, sprossen' eher an eine Verbindung zu ahd. burien, burren 'emporstreben, in die Höhe heben', KFW. 1,1541 f., zu denken. Zu diesem Verb sind wie in purigient, erpurige, uppurigemes oder ufpurge gelegentlich Formen mit inlautendem g als Reflex des j nach r1283 überliefert. Der Beleg ist jedoch bei E. Karg-Gasterstädt - Th. Frings auch unter diesem Ansatz nicht verzeichnet. Junten 'sich aufmachen, emporsteigen', (N.; gi- O.); KFW. 3,1332, SchW. 143, RMWA. 91, RVA. 46. Notker 4,106,18f. Te socer subire cqlsa poscit astra iuppiter. Dîn suer iuppiter heizet tíh funden . ubar die hóhen stêrnen. (Nur ahd.); von der selben Basis as .fundón 'streben', AÏ. fundían 'streben, beabsichtigen'. Zu finden 'finden', KFW. 3,856f„ SchW. 134, StWG. 153; man vergleiche as. findan, afr. finda, ae. ftndan, an. finna, got. fin pan aus germ. * fenpa- 'finden'3284. Eine weitere schwundstufige Ableitung liegt vor in an. anö-fyndr 'leicht zu finden', tor-fyndr 'schwer zu finden', ae. êadfynde 'leicht zu finden'3285. Zu dem nicht-durativen starken Verb können Bedeutungen wie 'sich aufmachen; streben' als "bewirken, daß jemand etwas findet" kausativ sein. Die Zeitstruktur des nur im Althochdeutschen bezeugten jan-Veibs ist durativ. Wie im vorausgehenden Beispiel wäre das Kausativ eines nicht-durativen starken Verbs von der Schwundstufe gebildet worden. [DURATIV, FINAL - KAUSATIV] gi-ruspen 'sich sträuben', (ein Beleg StSG. 11,667,47 Inhorruit : giruspit)·, RVA. 166; StWG. 500 als gi-rûspen. Glossiert wird Verg. Aen. 10,71 Of. pastus harundinea, postquam inter retia ventum est, substitit infremuitque ferox et inhorruit armos ... "wo er (der Eber) sich suhlte im Rohr, nun aber umlauert von Netzen

3278 115f. 3279 3280 3281 3282 3283 3284 3285

106f.; sieh auch A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba

des Altenglischen, S.

Aurelii Prudentii Clementis Carmine. Sieh dazu J. Bergman, zur Stelle. Sieh dazu K.E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch 2,379. Sieh dazu H. Schwarz, Präfixbildungen im deutschen Abrogans, S. 403. BEG. § 118 Α. 3. SEW. 193f. Sieh dazu K. Matzel, HS. 105 (1992) Nr.61.

III. Ablautreihe

615

haltmacht, wütend schäumt und borstig sträubt seinen Rücken." Die Glosse steht in der Handschrift Clm 18059; Nr.428, BV. 634, 11.Jh., bair. (Nur ahd.). Mit E.G. GrafP286, der etwa auf mhd. rüspelhär verweist, ist wohl eher von einem kurzvokalischen Ansatz auszugehen. Das janNzib stellt sich dann als schwundstufige Ableitung zu ahd. hrespan 'rupfen', ir-hrespan 'erschöpfen, verbrauchen' (nur Abrogans), StWG. 481; man vergleiche ae. (nur gehrespan), afr. hrespa aus germ. *hrespa- 'reißen'3287. Von der o-Stufe gebildet ist ahd. raspón 'eilig sammeln, zusammenraffen' 3288 . stungen 'anstacheln, stechen, quälen', (N. NG.; Gl.); SchW. 273, RMWA. 70, StWG. 602, RVA. 211. Die Belege mit inlautendem £ finden sich bei Notker, so Notker 8,15,14 Vnde in iûueren herzon uuérdént ir gestúnget. (Nur ahd.). Es dürfte sich um eine Ableitung zu dem starken Verb germ. * stenga- 'stechen'3289 handeln, das vorliegt in ahd. stingan 'schröpfen', StWG. 593 (ein Präsensbeleg); man vergleiche ae. stingan, an. stinga und unter Vorbehalt auch got. us-stagg 'stich aus'. Zwar kann es sich beim jan-Veib auch um eine denominale Ableitung zu dem Substantiv germ. *stungiz handeln, doch wird die Bedeutungsvielfalt des Verbs wohl besser von * stenga- aus erklärt3290. Germ. *stung-iz ist zudem nur in ahd. stung st.M. 'Stich' erhalten und dieses ist nur ein einzigen Mal bezeugt3291. - Nicht ganz sicher zu deuten sind die Belege mit inlautendem k (, ). So zum einen StSG. 1,254,4 Stimulât : stechot stunkit Kb., zum anderen StSG. 11,185,28 Inpulsus : gistunctaz, etwa Clm 18140; Nr.429, BV. 637, 11.Jh., bair.3292; Glosse zu Greg, cura 2,11,33 ... cutnque indubitanter constet quod externis occupationum tumultibus impulsum a semetipso corruat, ... studere incessabiliter debet, ut ... "Denn da ohne Zweifel feststeht, daß es (das Herz) auf Grund von äußerlichen Anstößen zu Grunde geht, muß man sich unaufhörlich bemühen ..." Der zweite Beleg erscheint bei E. Seebold3293 als Fortsetzer von germ. *stengw-ja- unter *stenkwa 'stoßen', allerdings mit der Bemerkung "oder zu steng-a- ?". Da obd. , häufig für germ., fränk. g steht3294, sind die Fortsetzer der beiden primären Verben in

3286 3287 3288 3289 3290

GSp. 2,548. M a n vergleiche SEW. 274. Sieh auch PIEW. 948 unter *kreb-, SEW. 470f. Unsicher ist W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 51: "denominal ?", S. 191: "zum

st.V.". 3291

Sieh StWG. 602. Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 509-513. 3293 SEW. 471. 3294 BEG. § 180. 3292

Ableitungen von einem Verbalstamm

616

der Tat schwer voneinander zu trennen. Möglich wäre es, daß ahd. stungen 'stechen' zu *stenga- 'stechen' und ahd. *stunken zu *stenkwa- zu stellen ist. Da alle Ableitungen von germ. *stenkwa- im Althochdeutschen aber schon den Bedeutungswandel hin zu 'riechen', 'Geruch' vollzogen haben, sind wohl auch die ausschließlich oberdeutschen Belege mit und im Wortinnern, die diese Bedeutung nicht zeigen, zu germ. * stenga- zu stellen. Die für das althochdeutsche janNtrb bezeugte Bedeutung 'anstacheln' könnte auf ein ursprünglich iteratives Bedeutungsverhältnis verweisen. [DURATIV, FINAL - ITERATIV]

b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt gurten '(sich) gürten, rüsten', (N. O. OT. T.; Gl.); KFW. 4,518f.; SchW. 156, RMWA. 92, StWG. 244f., RVA. 62. Tatian 339,14f mittiu thü altes thenis thino henti Inti ander thib gurtit Inti leitit thih tbara tbú niuúilis ... (Man vergleiche ae. gyrdan, an. gyrda). Es handelt sich wohl um eine Ableitung zu einem zu erschließenden Verb germ. *-gerâa- 'gürten', dessen Ansatz durch got. bi-gaurdans (PPP) 'gegürtet'3295 nahegelegt wird. Anders E. Seebold3296, der in got. -gaurdans eher eine selbständige Partizipialbildung zu germ. *gurd-ija- 'gürten' sieht. Dieses jan-Verb wird von ihm3297 als denominale Ableitung gedeutet. Zumindest ahd. gurt ist aber wohl eine postverbale Bildung und auch A. Bammesberger3298 geht davon aus, daß das Verb ohne nominale Grundlage zu der Wurzel *g¡>erdh'flechten, winden'3299 gestellt werden muß. Dafür spricht auch, daß mit der Ableitung got. gairda 'Gürtel' (< *gerâô F.) eine weitere Ablautstufe dieser Wurzel bezeugt ist. Dazu kommt, daß auch Ableitungen mit dem Suffix -ila, das in den verwandten Bildungen an. gyrdill, ae. gyrdel, ahd. gurtil erscheint, meist ein primäres Verb voraussetzen. Eine jüngere Anlehnung an die Bedeutung dieser Substantive dürfte angesichts der Bedeutung des Verbs dann aber nur zu wahrscheinlich sein. Die systematische Bedeutung des jan-Verbs ist daher nicht sicher zu ermitteln. [?, FINAL - ? ] fir-bunden 'gefangen nehmen', (WH.); SchW. 172, RVA. 77. Williram 109,1: kêre uuídere, kêre uuídere, uerhúndeta! 3295 3296 3297 3298 3299

Sieh dazu W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 68. SEW. 225. KEW. 282. Deverbative jan-Yerba des Altenglischen, S. 116. PI EW. 444.

III. Ablautreihe

617

(Nur ahd. ); man vergleiche ae. huntian 'jagen'3300. Es kann sich um eine denominale Ableitung von dem Substantiv hunda 'Beute', StWG. 291, handeln; man vergleiche got. hunps 'Gefangenschaft' und ae. häö 'Beute'3301; nach W. Sanders3302 "eigentlich 'als Beute verkauft, versklavt'". Das Substantiv ist allerdings außer im Kompositum herihunda (StWG. 270) nur an einer Stelle bezeugt. Man vergleiche MGI. 55,27 praedatn, +hunda\ Clm 4542; Nr.706, BV. 477, Anfang 9. Jh.3303. Das Kompositum erscheint gleichfalls nur an zwei Stellen (StSG. 1,282,48 und 1,287,24 in den Handschriften Oxford, Jun. 25 und Karlsruhe Aug. IC). Die Belege gehören ebenfalls dem frühen 9. Jahrhundert an3304. Dieses offenbar schon sehr bald ausgestorbene Substantiv ist abgeleitet von einem starken Verb germ. *-henpa'fangen', das seinerseits weiterlebt in got. -hinpan, aschw. hinna 'erlangen'3305. Es ist daher nicht auszuschließen, daß es sich bei dem ^ww-Verb selbst um eine schwundstufige Ableitung von dem starken Verb handelt. Wenn für das germanische y^w-Verb von einer Bedeutung 'jagen' ausgegangen werden kann, läge eine schwundstufige durative Bildung zu einem nicht-durativen starken Verb vor. würgen 'ersticken, würgen', (Gl., ir- Ν.; Gl.); SchW. 331, RMWA. 70, StWG. 750, RVA. 270f. Zuerst wohl StSG. 1,207,21 Mactat : uurkhit Kb. uurgit Ra. (Man vergleiche ae. wyrgan, auch mnl. wroegen, wrugen). Ein starkes Verb ist nur in mhd. erwergen 'würgen'3306 bezeugt. Es ist daher nicht auszuschließen, daß es sich um eine sekundäre starke Bildung handelt. Es sind aber auch o-stufige Ableitungen von der gleichen Basis bezeugt; so in ahd. warg 'Räuber, Waldmensch'. Bei allen diesen Wörtern handelt es sich um Ableitungen von der Wurzel * uer-¿-, einer Erweiterung zu * uer- 'drehen'3307. Besonders lit. ver ¿ti 'zusammenschnüren, aksl. povräti 'binden' mag auf die Existenz eines primären Verbs auch in den germanischen Sprachen deuten. [NICHT-DURTIV, KAUSAL - ?] 3300 Das W o r t ist bei F. Holthausen, Etymologisches Wörterbuch des Altenglischen, S. 178, unerklärt. 3301 Sieh dazu R. Hinderling, Studien zu den starken Verbalabstrakta, S. 140. 3302 Der Leidener Willeram, S. 135 mit A. 112. 3303 Sieh R. Bergmann, Die althochdeutschen Glossen des 8. Jahrhunderts, S. 6. 3304 Ebenda S. 17. 3305 255f. An außergermanischen Anschlüssen ist zu ergänzen air. ro'gemn (< *ghndne-t), alb. gjënj, lat. praehendo, griech. χανδανοχ Sieh dazu T.L. Markey, Journal of Indo European Studies 12 (1984) S. 280f.; É. Benveniste, Le vocabulaire des institutiones indoeuropéennes, 1,357. 3306

LH. 1,700, 3,779. 3307 pjgijçr 1154. Eine Zusammenstellung der einschlägigen Belege dieser Wortfamilie bei J. Puhvel, W h o were the Hittite burkilas pesnesì, S. 153f., sieh auch M. Jacoby, wargus, vargr, S. 94f. Man vergleiche auch KEW. 800, R. Liihr, Expressivität und Lautgesetz, S. 177-79.

618

Ableitungen von einem Verbalstamm

zunten 'anzünden, entflammen, entfachen', (N. OG.; Gl. gi-, ir-)·, SchW. 337, RMWA. 91, StWG. 711, RVA. 281. Zuerst wohl StSG. 1,132,39 incendere : ιηzunten Pa. - Notker 8,179,23f. Vnde inphâhest uuisunga . unde brénnefrúscinga. Also die sint . die sih ze Góte bechêrent . unde oûh die . diê sih zúndent . mit déro Gotes minno. (Nur ahd.); man vergleiche schwundstufiges got. tundnan 'brennen' und die vollstufigen Bildungen got. tandjan 'anzünden', an. tenda, ae. tendan, fries, tän sowie an. tinna 'Feuerstein'. Die schwundstufigen Bildungen sollen auf ein Substantiv zurückführbar sein3308, von dem auch die erweiterten Nomina nhd. Zunder und Zundel gebildet sind. Eine solche substantivische Basis ist aber nicht bezeugt. Von einem solchen Substantiv aus ließe sich zudem weder eine der offensichtlich verwandten vollstufigen Bildungen, noch die nicht-durative Bedeutung des y^w-Verbs erklären. Vielmehr dürften diese schwundstufigen Ableitungen geeignet sein, den Ansatz eines nur schwach bezeugten starken Verbs germ. *tenpna- 'brennen'3309 zu stützen. Man vergleiche ae. tinned (ein Beleg) und mhd. zinden, zinnen 'brennen, glühen'3310. Die Bedeutung des schwundstufigen jan-Vcrbs wäre dann als kausativ zu bestimmen. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV]

c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt uf-ir-bulzen 'auftauchen', (Gl., uz-ir- 'hervorsprudeln'); KFW. 1,1488, StWG. 84, RVA. 21. Zuerst das einmal bezeugte uf-ir-bulzen in StSG. 11,151,3 (Emergentes) : ufar pulseen ten (E. Steinmeyer, zur Stelle: 1. ufarpuleenten). Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 6355; 9Jh.; Glosse zu Can. apost. XXXVIII bis in anno episcoporum concilia celebrentur; ut ... emergeates ecclesiasticas contentiones amoveant. "Zweimal im Jahr wird eine Versammlung der Bischöfe abgehalten. Dabei sollen hervortretende Streitigkeiten innerhalb der Kirche beigelegt werden." Die Lesung ufar pulscenten spricht zwar zunächst für uf-irbulercen und damit für eine -t-ja- Bildung, doch erweist das daneben zweimal bezeugte uz-ir-bulzen 'hervorsprudeln' eindeutig ein nicht erweitertes janNtrb. (Nur ahd.); außergermanisch vergleicht sich lat. bulliré, bullâre und auch griech. παφλάζω 'brodle, brause', die abgetönte Dehnstufe kann vorliegen in air. indlâidi. Die Schwund- und dehnstufigen Ableitungen sind nach J. Pokorny3311 zur Wurzel 'aufsprudeln' zu stellen. Von daher ist es nicht auszu3308 3309 3310 3311

So DWB. 16,554. SEW. 502. LH. 3,1123. Sieh dazu auch KEW. 818. PIEW. 155.

III. Ablautreihe

619

schließen, daß auch der deutschen Bezeichnung für den Pilz - ahd. buliz, mhd. bülez -, das von der bezeichneten Sache her nur schwer als Lehnwort aus lat. boletus3312 - verständlich ist, zusammen mit dem jan-Verb eine einheimische Basis zu Grunde liegt. Eine o-stufige Ableitung zu dieser Wurzel könnte nämlich vorliegen in nhd. balzenmi. Deutlichere Spuren eines vermeintlich starken Verbs germ. * Beltà- sind aber offensichtlich nicht bezeugt. dûben 'pressen, drücken', (Ph. WH.; Gl., bi- WH.; Gl., gi- I. M H . O); SchW. 115, RMWA. 72, StWG. 110, RVA. 32; sieh auch RVA. 326 unter einem Ansatz bi-tuheni. Das Simplex ist belegt StSG. 11,640,20 Premuní : duhent, Clm 18059; Nr.428, BV. 634, 11.Jh., bair.; Glosse zu Verg. Georg. 3,401 ... quod surgente die mulsere horisque diuonis, nocte premmit; quod iam tenebris et sole cadente, sub lucent exportant. "Was man bei Tagesanbruch und den Tag über gemolken hat, drückt man über Nacht zusammen, was schon bei Dunkelheit oder Sonnenuntergang, bringt man vor Morgengrauen weg." - Physiologus, StSpD. 131,114f. [E]în sclahda naderôn ist, héizzét uipera, fine déro zélet phisiologus, so siu suangar uuérdân seule, daz er sînén mûnt dûoge in dén irò. - Zuerst bezeugt ist die Präfixbildung StSG. 1,144,25 fuleire : pituhan Pa.3314. (Man vergleiche as. thûhian, wohl in StSG. 11,582,48 thúc dád). Das jan-Verb führt möglicherweise auf eine sonst allerdings nicht bezeugte ¿¿'-Erweiterung der Wurzel idg. *(s)teu- 'stoßen' zurück3315. Das Nebeneinander von Formen mit -h- und -w- in Verbindung mit û und / F o r m a n s läßt jedoch eher an eine Vorform germ. *punhija- denken, in der η vor h mit Ersatzdehnung des u geschwunden ist. Das jan-Ve rb kann dann angeschlossen werden an die germ. *fnoenga- 'zwingen' zu Grunde liegende Wurzel *tuengh, zu der nach einem Muster *¡yrenh-/ spreng- in got. preihan 'drücken, pressen'/ahd. dringan eine Variante *pwenh- hinzugebildet worden sein müßte. Ein Bedeutungsunterschied ist zwischen den Verben nicht auszumachen. furben 'reinigen, sauber machen, fegen, putzen', (MF. NG. OT. T.; Gl., giGl., ir- Μ. Ν. O.; Gl.); KFW. 3,1370f„ SchW. 144, RMWA. 64, StWG. 185, RVA. 51. Zuerst wohl StSG. 1,469,33 Expiarent : kifuraptin, Karlsruhe Β LB. Aug. IC (Rb.); Nr.54, BV. 296, 8.Jh., alem.3316; Glosse zu II Par 29,15. congregaveruntque fratres suos et sanctificati sunt et ingressi iuxta mandatum regis et Imperium Domini ut expiarent domum Dei. "Diese versammelten ihre Brüder, heiligten sich und traten nach dem Gebot des Königs, dem Befehl des Herrn ge3312

Sieh dazu KEW. 546. So PEW. 117 vermutungsweise; sieh auch KEW. 57: "Herkunft ganz unklar". 3314 Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 216 und 432 unter den Ansätzen bidnngan ? (Kb.Ra.) und bidûhen ? (Pa.) 'zusammendrängen, befestigen'. 3315 Man vergleiche PIEW. 1032. 3316 Zur Handschrift sieh R. Bergmann, Die althochdeutschen Glossenhandschriften des 8. Jahrhunderts, S. 17. 3313

620

Ableitungen von einem Verbalstamm

mäß ein, um das Haus Gottes durch Sühne zu reinigen." - Tatian 93,20 thanne quidit. ih uuirbu in min hús thanan ih úzgieng. inti quementi findit zuomigaz mit besemen gifurbit inti gigaruuit. (Man vergleiche as.ßtrvian)·, als Lehnwort auch in franz. fourbir, it. forbare. Das janNtïb ist wohl - mit grammatischem Wechsel - zu einer Wurzel idg. *prep- 'in die Augen fallen'3317 zu stellen, die in griech. πρέπω 'falle in die Augen' (aus *prep-s-) und arm. erevim 'werde sichtbar, erscheine' vorliegt3318. Zu einer Bedeutung 'in die Augen fallen, sichtbar werden' (nicht-durativ) könnte dann 'putzen' als "bewirken, daß etwas sichtbar wird" kausativ gedeutet werden. spolken 'heraustreten, herausgepreßt werden', (ein Beleg StSG. 11,662,52 Elisos : spolchentun)·, StWG. 577 spolken, RVA. 196 und GSp. 6,335 spolchen3319. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 18059; Nr.428, BV. 634, 11.Jh., bair.; Glosse zu Verg. Aen. 8,260f. ... et angit inhaerens elisos oculos et siccut sanguine guttur. "... und läßt heraustreten die Augen und schnürt die blutleere Kehle zusammen". (Nur ahd.). Eine Anschlußmöglichkeit innerhalb der germanischen Sprachen fehlt, sofern man nicht eine Verbindung mit der Wurzel idg. *(s)p(h)el- 'spalten' in Betracht zieht und spolken als ¿-Erweiterung dazu deutet3320. Hierher gehörte dann ohne ¿-mobile nd. polken 'bohren, pulen'3321. Wenn wirklich ein regelmäßiges schwundstufiges jan-Verb vorliegt, wäre aber wohl eher eine Form *spulken/spulchen zu erwarten, denn Belege für den Anschluß an den Vokalismus des Partizips 2 sind zumindest bei den jan-Verben, deren Basis gemäß ihrer Lautstruktur im Althochdeutschen der III. Ablautreihe angehören müßte, sonst nicht zu finden. Möglicherweise ist das u auch vor dem oberdeutschen Fortsetzer von germ, k gesenkt worden, doch spricht nd. polken dagegen, falls dies nicht entlehnt ist3322. spulgen 'etwas zu tun pflegen, sich einer Sache widmen' (N., zwei Belege), SchW. 267, RMWA. 69, RVA. 199. Notker 9,257,25f. Des sie spulgent . daz begágenet in. (Nur ahd.); man vergleiche auch mhd. spulgen"23. 3317

PIEW. 845.

3318

So zuerst F. H o l t h a u s e n , ZVSpF. 28 (1887) S. 284. M a n vergleiche a u c h H . O s t h o f f , IF. 8 (1898) S. 43f. sowie H . Pedersen, ZVSpF. 39 (1904/05) S. 363. 3319

Z u m Schicksal v o n germ, k n a c h l vergleiche m a n BEG. §§ 140 u n d 144. M a n vergleiche d a z u R. Liihr - K. Matzel, E i n e weitere Möglichkeit, S. 160 m i t weiteren H i n w e i s e n . 3320

3321

Sieh n o c h FTW. 511, w o die g e r m a n i s c h e n v e r w a n d t e n e- u n d o-stufigen F o r m e n aufg e f ü h r t werden. 3322 3323

A n d e r e Beispiele f ü r die S e n k u n g gibt BEG. § 32 Α. 3. Sieh d a z u R. L ü h r - K. Matzel, Eine weitere Möglichkeit, S. 157 A. 62.

III. Ablautreihe

621

Unter den mit s- anlautenden Bildungen gibt es im Germanischen u n d Außergermanischen keine unmittelbare Vergleichsmöglichkeit. Auffällig ist dagegen die Bedeutungsnähe zu dem nur im Westgermanischen bezeugten starken Verb *plega- 'sich einsetzen' 3324 in ahd. pflegan 'sorgen für, zu tun haben mit', SchW. 232, StWG. 462; as. (nur Präs.) plegan, afr. piega, ae. plêon, das der V. Ablautreihe angehört. Deutet man daher ahd. m h d . spulgen als Bildung mit i-mobile, so lassen sich beide Verben auf eine Wurzel idg. *(s)pel¿- zurückführen. Dazu steht ahd. spulgen als schwundstufige Ableitung3325. Ein starkes Verb germ. *spelga- müßte, wenn es zu erweisen wäre, der III. Ablautreihe angehören. Die Bedeutung 'etwas zu tun pflegen' ist möglicherweise aus 'sich immer wieder einsetzen' entstanden. Für das jan-Verb wäre d a n n als systematische Bedeutung von einer iterativen Bedeutung auszugehen. Sturzen 'stürzen, fallen, zu Fall bringen', (N.; Gl.); SchW. 274, RMWA. 98, StWG. 604, RVA. 212. Notker 8,169,7f. Démo únuuízzigen féhe uuard er geébenot. unde démo uuard er gelîh. So ßrro stúrzta er. (Man vergleiche afr. sterta, ae. styrtan 'losstürzen, auffahren, aufspringen'). Ahd. stutz st.M. 'Sturz', SchW. 274; StWG. 604, ist wahrscheinlich eine postverbale Bildung 3326 . Zumindest als Transitivum ist das jan-Verb auch nicht mit den bezeugten desubstantivischen Bedeutungsmustern in Einklang zu bringen. Neben den schwundstufigen Ableitungen steht das o-stufige jan-Ve.rb an. sterta 'straff ziehen, straffen' 3327 und mhd. sterzen 'ragen, sich rasch bewegen', me. sterten 'auffahren, erschrecken' und die Weiterbildung ae. steartlian 'stolpern'. Alle diese Ableitungen sind zur Dentalerweiterung *sterd- der Wurzel *ster- 'starr, steif zu stellen3328. Unsicher ist dagegen, ob in as. cigistertanne (StSG. II,354,5)3329 'zerstören' ein starkes Verb vorliegt, das im Mittelpunkt dieser Wortfamilie stehen könnte 3330 .

3324 3325 3326 3327

SEW. 363f. Man vergleiche dazu auch R. Lühr - K. Matzel, Eine weitere Möglichkeit, S. 156f. Sieh dazu W. Wissmann, Nomina Postverbalia S. 51. Sieh dazu M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben,

S. 23. 3328 Man vergleiche PIEW. 1023Í sowie E. Seebold, KEW. 712, der mit Recht darauf verweist, daß die Bedeutungsentwicklungen im einzelnen noch nicht ausreichend klar seien, PEW. 1753, A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 128. 3329 Sieh dazu unter II.2. 3330 Man vergleiche dazu DWB. 10,4,697.

Ableitungen von einem Verbalstamm

622

4. IV. Ablautreihe A. Bildungen von der abgetönten Vollstufe (germ, a) a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt α) von starken Verben hellen 'verhüllen', (nur Gl., bi- 'umhüllen, verhüllen' N. O.; GL); KFW. 4,931 f., StWG. 267, RVA. 304. StSG. 1,264,26 Uelant : hellent Kb. helliant Ra. StSG. 1,108,25 contend.it : pihalit Pa. pihelis Kb.3331. - Otfrid 5,25,67f. Lúagent ió zemo argen, thaz sie génaz bergen, thaz siez ió bihéllên mit árgemo uuillen. (Man vergleiche as. bi-hellian). Zu helan 'vor jemandem verhehlen, verbergen', SchW. 163, StWG. 265; man vergleiche as. helan, afr. heia, ae. helan aus germ. * hela- 'verbergen'3332. Zwar kann 'verhüllen' als "bewirken, daß etwas verborgen ist" kausativ aufgefaßt werden, doch ist der Bedeutungsunterschied zwischen beiden Verben so gering, daß sich die Bedeutungen auch gegenseitig beeinflußt haben dürften. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] stecken 'befestigen, nageln, anstecken', (B. GB. Ν. NG.; Gl.); SchW. 270, RMWA. 73, StWG. 590, RVA. 201. Zuerst wohl Benediktinerregel, StSpD. 217,8f. kanganti edo stantanti kehneictemu si sinbulum haubite kestactem in erda ... (Nur ahd.); man vergleiche mhd. stecken. Das Verb ist zu ahd. stehhan, as. stekan, afr. steka aus germ. *steka- zu stellen3333. Es ist wohl ursprünglich nicht von einer Intensivbildung 3334 , sondern von einer Kausativbildung auszugehen und 'stecken, festheften' ist als "bewirken, daß etwas sticht" aufzufassen. Dies ist besonders deshalb wahrscheinlich, da mit ahd. sticken daneben bereits eine Intensivbildung bezeugt ist. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] twellen 'hemmen, hindern, zurückhalten, verweilen, bleiben, zaudern, zögern', (N. O.; GL); SchW. 291f„ RMWA. 77, StWG. 646, RVA. 233f. Otfrid 2,4,65f. Thaz imo uuíht ni dérre, thes uuéges ouh ni mirre, odo ouh uuiht ni duélle, then uueg ther fáran uuólle. (Man vergleiche as. dwellian 'verführen, hindern, täuschen, sich verirren', afr. dwelia, ae. dwellan, an. dvelja 'aufhalten, hindern').

3331 3332 3333 3334

Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 173 u n d 456. SEW. 252f. Ebenda 467f. Sieh dazu KEW. 698.

II. Ablautreihe

623

Zu twelan 'sich säumig zeigen', StWG. 646; anfrk. dwelon 'irren', as. (nur fardwolon), ae. (nur gedwolen) aus germ. *âwela- 'verharren'. E. Seebold3335 setzt eine Form germ. *-âwela- an, doch erscheint das starke Verb im Altniederfränkischen 3336 u n d ebenso im Althochdeutschen auch unkomponiert 3 3 3 7 . Das jan-Verb kann als "bewirken, daß jemand verharrt" und damit kausativ gedeutet werden. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV] wellen 'wählen, auserwählen', (N. O.; Gl., häufiger ir- Β. MF. Ν. NG. O.; Gl.); SchW. 314, RMWA. 77, StWG. 708, RVA. 329f. Otfrid 4,15,53 In thô druhtîn zélita, uuant ér se seibo uuélita, manota sie ihes náhtes tnánagfaltes réhtes. (Man vergleiche as. willian, an. velja, got. waljan). Zu germ. *wel- 'wollen' in ahd. as. wili, afr. wel(i), ae. wile, an. vili, got. wilimt. Das y^w-Verb ist wie ai. varáyati 'wählt aus', aksl. voliti 'wollen' eine deverbale Bildung 3339 . Die Einordnung der Basis unter die starken Verben erfolgt unter dem Vorbehalt, daß es sich ursprünglich nicht u m ein starkes Verb, sondern um den Optativ eines athematischen Verbs handelt. [NICHT-DURATIV, FINAL - INTENSIV ?] zerren 'zerreißen', (MH.; Gl.); SchW. 334, RMWA. 86, StWG. 758, RVA. 277. Murbacher H y m n e n 24,8,1 ( N a m uelum templi scissum est) inu lachan thera bella kizerrit uuarth. (Man vergleiche as. far-terian, ae. ge-teran 'vernichten, zerstören'). Zu zeran 'reißen, zanken, streiten, zerstören, beenden', SchW. 334, StWG. 758; m a n vergleiche ae. teran 'zerreißen', got. -tairan aus germ. *tera- 'reißen'3340. Die Bedeutung 'zerreißen' kann als "bewirken, daß etwas reißt" kausativ gedeutet werden. Ae. ge-teran wird von A. Bammesberger nicht behandelt, doch steht dem Verb sonst nur das Substantiv ae. ge-ter 'Streit' (aus germ. *teram) zur Seite. Wenn aber 'reißen' die ältere Bedeutung ist, was angesichts der Beleglage und der konkreteren Bedeutung wahrscheinlich näher liegt, d a n n ist die Bedeutung 'Streit' sekundär und das Substantiv k o m m t kaum als Basis der Ableitung in Betracht. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV]

3335

Ebenda 172f. Sieh dazu H. Tiefenbach, BNF. NF. 6 (1971) S. 397. 3337 Sieh auch A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 49. 3338 SEW. 55If. 3339 Sieh KEW. 773 unter Wahl und 798 unter wollen, PEW. 1929, PIEW. 1137, S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 549, M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 25. 3340 SEW. 502f. Sieh auch KEW. 810. 3336

Ableitungen von einem Verbalstamm

624

b. Die Basis ist nicht im Althochdeutschen, aber in einer anderen germanischen Einzelsprache bezeugt α) von Perfekto-Präsentien mennen1 'gerichtlich vorladen', (LR; Gl.); SchW. 210, RMWA. 81, RVA. 313. Die StWG. 407 und RVA. 313 aufgeführten Glossenbelege sind - mit einer Ausnahme (StSG. 11,354,4) - abzutrennen und zu einem Ansatz mennen2 zu stellen3341. Das Wort mennen in der Bedeutung 'gerichtlich vorladen' ist im Althochdeutschen nur als Rechtswort bezeugt; nämlich zum einen im Lex Salica Fragment (56,18f.) ibu er in cuninges deonoste baft ist, danne nimag er ini gimenen - und zum anderen StSG. 11,354,4 Mannire : menan bannan, in der Handschrift Karlsruhe, Β LB. St. Peter perg. 87; Nr.73, BV. 324, 2. Hälfte 11.Jh., fränk.3342; Glosse zu Lex Rib. XXXII, 1 Tunc manniat eum ad mallum. Es handelt sich dabei nicht, wie im Falle von ahd. mennen2, um eine Entlehnung aus lat. minare in der Bedeutung 'durch Schreien und Prügeln antreiben', sondern das Verb führt direkt auf frk. *manjan zurück. Dieses Wort ist einerseits zu franko-lateinisch mannire 'vorladen' weitergebildet worden3343. Bei R. Schmidt-Wiegand heißt es dazu: "Als der Ubersetzer der Lex Salica eine ahd. Entsprechung für lat. mannire finden mußte, das mit der Bedeutung 'laden' völlig eindeutig auf die gerichtliche Vorladung festgelegt war, griff er nicht zu der volkssprachlichen Entsprechung manòn 'mahnen, ermahnen, erinnern, auffordern 1 sondern zu einer Rückbildung aus maniré zu mennen, das sonst nicht für das Althochdeutsche belegt ist." Der Beleg aus der Handschrift St. Peter, perg. 87 ist dieser Aussage zu ergänzen. Andererseits erscheint das Wort als frk. *manjan, ahd. mennen und ist dann wie ahd. manôn, manên 'erinnern, ermahnen, auffordern', got. miman 'meinen, glauben' eine Ableitung von dem Perfekto-Präsens germ. *man 'meinen, sich erinnern', das vorliegt in as. -man, ae. an. got. manw. Die Bedeutung '(gerichtlich) vorladen' kann als "bewirken, daß sich jemand (an den Gerichtstermin) erinnert" aus einer kausativen Beziehung hervorgegangen sein. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV]

3341

Sieh dazu in Kapitel III. 1. Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 483-488. 3343 M a n vergleiche dazu I. Schröbler, Glossar zu den germanischen Lehnwörtern, S. 198 und R. Schmidt-Wiegand, Die volkssprachigen Wörter, S. 190f. 3344 SEW. 345f. 3342

IV. Ablautreihe

625

c. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt berien/berren 'schlagen, klopfen, befestigen, reiben', (GL); KFW. l,914f., StWG. 48, RVA. 285. Zuerst wohl StSG. 1,365,9 Per tritarti uiam : afterkaperitemo uuege. Der Beleg stammt aus der Handschrift Clm 19410. Es handelt sich um eine Glosse zu N m 20,19 dixeruntque filii Israhel per tritam gradiemur viam ... "Da sprachen die Söhne Israels: Wir wollen auf dem gebahnten Weg dortin ziehen." Der "gebahnte Weg" ist im Sinne von "befestigt" aufgefaßt worden. (Man vergleiche ae. ge-berian 'zerdrücken, quälen', an. berja 'schlagen, dreschen, töten'); mit anderer Ablautstufe ahd. borôn 'bohren', ae. boriati, an. beria. Außergermanisch vergleicht sich unter anderem lat. foro 'bohre', aks. borjú 'kämpfen, streiten'" 45 . Das jan-Verb ist als o-stufige Ableitung zur Wurzel *bher- 'mit einem scharfen Werkzeug bearbeiten, ritzen, schneiden, spalten'3346 zu stellen3347. Daneben stehen «-stufige Ableitungen wie in lat. ferire und eine schwundstufige Bildung in ahd. borôn, as. boron, ae. borian, an. bora 'bohren' 3348 . Die Bedeutungen 'schlagen, klopfen' können als "bewirken, daß sich etwas spaltet" kausativ gedeutet werden. dennen 'ausdehnen, aufspannen, ausbreiten', (B. GB. Ν. O. OT. T.; Gl.); SchW. 109, RMWA. 81, StWG. 93, RVA. 288. Tatian 94,18f. themta sina hant in sine iungiron inti quad senu min muoter inti mine bruoder. (Man vergleiche as. thennian, ae. pennen 'dehnen, strecken, spannen, niederwerfen', an. Jxnja 'ausstrecken, ausspannen', got. uf-panjan 'ausstrecken, nach etwas trachten'). Das jan-Vcrb setzt germ. *pena- voraus, eine Bildung zur Verbalwurzel idg. *ten- 'dehnen, ziehen', die vorliegt in ai. tanóti 'spannt', griech. teinôllm. Eine Kausativbildung liegt vor in ai. tanayati"50. Man vergleiche auch die Erweiterungen lat. tendere und germ. * pensa-. Die Bedeutungen des althochdeutschen janNe.rbs können als "bewirken, daß sich etwas dehnt, zieht" kausativ aufgefaßt werden. ferien/ferren 'rudern, segeln, führen, steuern, fortschaffen', (N. O. OT. T.; Gl.); KFW. 3,743, SchW. 132, RMWA. 86, StWG. 148, RVA. 293. Zuerst StSG. 1,263,29 a uehendis mercidibus : zi uuerienni meato Kb.3351. - Tatian 337,24f. thie andere iungoron mit ferennu quamun ... thinsenti thaz nezzi fisgo. 3345 3346 3347 3348 3349 3350 3351

M a n vergleiche LSEW. l,561ff. PIEW. 134. Sieh a u c h A. Bammesberger, Deverbative jan-Vztbz des Altenglischen, S. 87. Sieh d a z u W . W i s s m a n n , N o m i n a Postverbalia, S. 78f. Sieh K E W . 131. Sieh a u c h A. Bammesberger, Deverbative jan-Vt:\>z des Altenglischen, S. 102. Sieh dazu J. Splett, Abrogans-Studien, S. 398.

626

Ableitungen von einem Verbalstamm

(Man vergleiche AS. ferian, afr. feria, ae. ferian 'tragen, bringen, sich begeben, gehen', an.ferja 'ziehen, fahren', got.farjan 'fahren, zu Schiff fahren'). Die o-stufige Ableitung steht neben den Verbaladjektiven germ. *fur-i-/-ja- und *ßr-i-/-ja-, die ein primäres Verb mit ç/o-Ablaut voraussetzen, das im Germanischen als 'fera- anzusetzen wäre3352. Als schwundstufige Bildungen treten hinzu got. gafaun sowie ahd._/z¿rí3353. marewen 'verbinden', (ein Beleg, N.); SchW. 208, RMWA. 94, RVA. 123. Eine Lautform, die einen Ansatz ahd. marewen rechtfertigen könnte, befindet sich nur an einer Stelle. Belegt ist Notker l,91,28f. Natura nehénget nîeht. táz siu síh mâreuuên. Zu diesem Ansatz stellt F. Raven zwei weitere Belege, so märtun in der Glosse StSG. 1,723,18 Applicauerunt : stetidun. märtun aus der Handschrift Brüssel 18723"54. Auch der von F. Raven ebenfalls an dieser Stelle aufgeführte Beleg ahd. gimierit (Otfrid 5,25,2) ist abzutrennen. Fraglich ist allerdings, ob ein gesonderter Ansatz mierenmi anzunehmen, oder, besonders auf Grund der Bedeutung 'ans Ziel gelangen, ankommen', mit J. Franck3356 von einer Verschreibung für gimerrit auszugehen ist. Sieh dazu ebenfalls unter merren 'landen'. (Nur ahd.); man vergleiche mhd. merwen 'in das Joch spannen, verbinden'3357. Im Hinblick auf diese Belege setzt J. Franck3358 für ahd. marewen eine Vorform germ. *marw-ija- mit einer Grundbedeutung 'in das Joch, in den Pflug einspannen' an. Zu beachten ist aber, daß auch bei M. Lexer unter merren Belege für die Fortsetzer von ahd. merrenx, merren2 und marewen zusammengefaßt worden sind. Wenn die Graphie keine jüngere Entwicklung spiegelt, so ist neben idg. *mere¿>-, merg^- von einer weiteren Erweiterung von der Wurzel idg. *mer- 'flechten, binden'3359 auszugehen. merren2 'landen, anlegen'; (O.?; GL). Sieh StWG. 401 unter mären und RVA. 123 unter mar(euu)en/miaren 'das Schiff festmachen, etwas anbinden' und 129 unter mi(e)ren 'landen', SchW 187. unter mieren\ sowie oben unter marewen und merren Zu einem Ansatz ahd. menen dürfte zu stellen sein StSG. 1,723,18 Applicuerunt : stetidun. märtun aus der Handschrift Brüssel, BR. 18723 (bei E. Stein-

3352 Man vergleiche dazu K. Matzel, HS. 105 (1992) Nr.76 und 81, sowie K. Matzel, Zu den germanischen Verbaladjektiven, S. 140f. mit A. 82. Man vergleiche auch R. Hinderling, Studien zu den starken Verbalabstrakta, S. 171, PIEW. 816f. 3354 3355 3356 3357 3358 3359

Man vergleiche dazu unter merren2 'landen'. SchW. 212. ZVSpF. 37 (1901/04) S. 126. LH. 1,2115f. unter merren. ZVSpF. 37 (1901/04) S. 127. PIEW. 733.

IV. Ablautreihe

627

meyer u n d im KFW. irrtümlich 18725), Nr.48, BV. 84, 10. Jh., mfrk. 3360 . Es handelt sich u m eine Glosse zu Mc 6,53 et cum transfretassent pervenerunt in terram Gennesareth et adplicuerunt. "Als sie n u n hinübergefahren waren, kamen sie an die Landschaft Genesareth u n d legten an." Die Parallelglossierung zeigt n u r stediton. E. Steinmeyer (zur Stelle) hat den Beleg vermutungsweise, aber o h n e weitere Begründung als Glosse zu lat. cognovemnt des folgenden Verses (Mc 6,54) gestellt. F. Krüer 3361 denkt an eine Glosse zu lat. exclamaverunt zu Vers 49. T. Starck - J.C. Wells folgen diesen Deutungen und verzeichnen den Beleg daher unter einem Ansatz mâren, mârien 'rühmen'. Die Glosse ist aber durchaus mit dem Kontext u n d der Bedeutung der Parallelglosse zu verbinden, wenn das Verb mit dem etymologisch verwandten Verb ahd. marewen 'verbinden' (N.) in Beziehung gesetzt wird. F. Raven hat den Beleg aus der Brüsseler Handschrift 18723 daher unter einen Ansatz mar(euu)en gestellt u n d das inlautende w offenbar als sekundäre Erscheinung gedeutet. Unklar ist auch die Deutung des von F. Raven ebenfalls unter marewen aufgeführten Belegs ahd. gimierit, O t f r i d 5,25,1 f. Selben kistes stíuru ioh sînêra gindâu bin nú zi thiu gifìerit, zi stóde hiar gimierit. Das Verb erscheint dort noch ein zweites Mal unter einem gesonderten Ansatz m(i)eren 'ans Ziel gelangen, ankommen' 3362 . J. Franck 3363 hat diesen Beleg auf G r u n d der anscheinend identischen Bedeutungen ebenfalls mit merren verbunden u n d vermutet, möglicherweise sei eine Verschreibung für gimerrit anzunehmen. Dies scheint aber weniger wahrscheinlich, weil der Otfrid-Beleg im Reim steht. Es kann dann allenfalls eine U m d e u t u n g in Anlehnung an die von J. Franck genannten Wörter ni. mêren 'Grenzpfähle setzen' und mnl. mêren 'an einen Pfahl binden, (ein Schiff) festmachen', ae. mare 'Grenze, Gebiet' u n d mnl. mire 'Grenzzeichen, Grenze' stattgefunden haben, deren langes ê d a n n im Althochdeutschen als ie erschienen wäre. Es ist aber wohl nicht gerechtfertigt, die vage Möglichkeit einer Verschreibung oder U m d e u t u n g einer Erklärung als eigenständige langvokalische Bildung vorzuziehen. Der Otfrid-Beleg erscheint daher unter einem Ansatz mieren. Der verbleibende Beleg aus der Brüsseler Handschrift wird wohl am besten, da ein N o m e n mit Kurzvokal, das die Basis des Verbs abgegeben haben könnte, nicht vorliegt - falls keine sekundäre Beeinflussung von Wörtern mit langem ê a n g e n o m m e n werden soll -, unter einem Ansatz ahd. merren2 'landen, anlegen, verbinden' unmittelbar mit der Wurzel idg. *mer- verbunden, die von J. Pokorny 3364 als 1. mer-, erweitert als *meregh-, meragh- 'flechten, bin3360 Zur Handschrift vergleiche man R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 171, E. Meineke, Sprachwissenschaft 10 (1985) S 209-236. 3361 Der Bindevokal und seine Fuge, S. 88 A. 1. 3362 RVA. 129. So auch SchW. 212. 3363 ZVSpF. 37 (1901/04) S. 122. 3364 PI EW. 733.

628

Ableitungen von einem Verbalstamm

den' angesetzt wird. Aus den germanischen Sprachen wird dort n u r aschwed. merpi und aisl. merö 'Fischreuse' aufgeführt. Zu prüfen wäre allerdings, ob das zu 6. mer-, mer-s 'stören, ärgern, vernachlässigen, vergessen'3365 gestellte Substantiv afr. mère 'Band, Fessel' zusammen mit den oben genannten Nomina nicht ebenfalls besser mit 1. mer- zu verbinden wäre. In den Einzelsprachen scheinen sich d a n n o h n e h i n zumindest *marija- 'landen' u n d *marzija'hemmen, hindern' in ihren Bedeutungen beeinflußt zu haben 3366 . Als "bewirken, daß etwas angebunden ist" kann eine Bedeutung 'landen, anlegen' als kausativ gedeutet werden. seilen 'übergeben, einliefern, überweisen', (B. GB. MF. M H . N. NG. O. OT. T. TC.; GL); SchW. 248, RMWA. 77, StWG. 515, RVA. 319f. Zuerst wohl StSG. 1,42,38 tradit : salit Pa. Ka. - Monseer Fragmente 23,21f. Mane autem facto, consilium inierunt omnes principes sacerdotum et seniores populi aduersus iesum, et eum morti traderent. / Duo mor gan uuarth . ken gun in sprahha . alle dea herostun . biscoffa . enti dea furistun . dero liuteo . quatun uuidar ihûse . daz si inan zato de sellenti uuarin. (Man vergleiche as. gisellian, afr. sella, ae. sallan, siellan 'geben, liefern, leihen, überliefern, verbergen', an. selia 'übergeben, fortgeben, übertragen, verkaufen', got. saljan 'opfern'). Es handelt sich u m eine o-stufige Ableitung von der Wurzel *sel- 'nehmen, ergreifen', die außergermanisch vorliegt in griech. ελείν 'nehmen, in die Gewalt bekommen' u n d air. selaim 'nehme'. Daneben steht als nicht-duratives Kausativ germ. *salija- als "bewirken, daß jemand etwas nimmt" 3367 . Der Beleg ist gelegentlich als von denominaler Herkunft gedeutet worden 3368 . Doch hat W. Wissmann 3369 wahrscheinlich gemacht, daß es sich bei den in Frage k o m m e n d e n Substantiven an. sal 'Bezahlung', an. sala, ae. salu 'Verkauf, ahd. sala 'Übergabe eines Gutes', sal 'Gut' u m postverbale Bildungen handelt. screcken 'stürzen, springen, aufspringen', (N.; Gl.); SchW. 258, RMWA. 72, StWG. 547, RVA. 184. Zuerst wohl Notker 3,221,22f. Umbe súmeliche ergîeng iz sô . dáz sie iro mit únrehte geuuúnnena sálighéit. scráhta, in uuírdiga ferlórnísseda. Wie im Falle von ahd. wenken u n d winken steht ein o-stufiges jan-Verb screcken neben einer vermeintlich «-stufigen Ableitung ahd. scricken 'aufspringen, sich bewegen', SchW. 259, StWG. 549. Bei ahd. scricken dürfte es sich jedoch u m 3365

Ebenda 737. Sieh dazu auch J. Franck, ZVSpF. 37 (1901/04) S. 125. 3367 Man vergleiche PIEW. 899, A. Bammesberger, Deverbative jan-Yerba des Altenglischen, S. 97f., M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 20. 3368 So C. Schuldt, Die Bildung der schwachen Verba, § 47, J. Trier, PBB. 69 (1974) S. 421, S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 308 und zuletzt W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 294. 3369 Die altnordischen und westgermanischen Nomina Postverbalia, S. 20f. 3366

IV. Ablautreihe

629

eine Intensivbildung handeln. Zu dem o-stufigen Verb sind aber auch hier, und zwar wohl nach dem Muster von ahd. brechan offensichtlich sekundäre starke Formen bezeugt 3 " 0 . Das Verb ist als o-stufige Ableitung zu einer Basis *skreg-, einer Erweiterung zur Wurzel idg. *sker- 'springen' 3371 zu stellen, die vorliegt in griech. σκάψω 'ich hüpfe, springe'. Die Bedeutung von nhd. erschrecken wäre d a n n aus 'aufspringen, auffahren' entstanden zu denken. O b ein später untergegangenes germanisches primäres Verb bestanden hat, das als die Basis des jan-Vzxbs betrachtet werden kann, ist in Anbetracht des griechischen Beleges wahrscheinlich, aber nicht zu erweisen. Die im Althochdeutschen erhaltenen starken Belege sind aber gegen U. Hempen 3372 , die die starken Formen o h n e weiteren Kommentar zu einem Ansatz ahd. screckan, mhd. schrecken stellt, als Neubildungen anzusehen, da die starken Formen erst seit dem 11. Jahrhundert und auch nur in drei jeweils einmal bezeugten Präfixbildungen ahd. ir-screcken 'erschrecken, bestürzt machen', ûz-screcken 'hervorglänzen, vorspringen' und ûz-ir-screcken 'überspringen' bezeugt sind, deren Bedeutungen nicht auf ein kausatives Verhältnis hindeuten 3373 . Daher ist auch die ältere Auffassung 3374 , wonach schwach flektiertes ahd. screcken eine Kausativbildung zu einem starken Verb wäre, das sich in den stark flektierenden Formen von ahd. screcken erhalten hätte, kaum aufrecht zu halten, es sei denn, screcken wäre als Pseudokausativ ist auf die jüngeren starken Formen von scricken bezogen worden. M a n vergleiche auch unter scricken. spennett 'anlocken, verführen, überreden', (Gl., [intspjennen APs.? B. GB.; Gl.); SchW. 265, RMWA. 81, StWG. 573, RVA. 322. Zuerst wohl StSG. 1,486,19 Suade : speni, Clm 6225; Nr.339, BV. 503, 9.Jh„ bair.; Glosse zu Idt 12,10 ... vade et suade Hebraeam illam ut sponte consentiat habitare mecum. "Gehe hin und überrede jene Hebräerin, daß sie sich freiwillig entschließe, mir beizuwohnen." (Man vergleiche ae. for-spennen 'verlocken, verführen', an. spenja 'verlocken, überreden'). Neben dem jan-Vcrb steht ein starkes Verb ahd. spanan 'antreiben, überreden, raten, verlocken, verführen', SchW. 265, StWG. 570; man vergleiche as. spanan, afr. spana, ae. spanan aus germ. *spana- 'locken'3375. Das jan-Vtrb dürfte aber wie vergleichbares ahd. ferren und furren nicht auf ein starkes Verb mit d-Vokalismus, sondern auf ein Verb mit g-Vokalismus zurückführen. Dagegen

3370 M a n vergleiche dazu KEW. 653, SEW. 422, W. Wissmann, N o m i n a Postverbalia, S. 190 A. 4. 3371 PIEW. 933f. 3372 Die starken Verben im Deutschen, S. 148 und 192. 3373 Man vergleiche dazu auch BEG. § 341 Α. 2. 3374 So DWB. 9,1667, FTW. 472. 3375 SEW. 449f.

Ableitungen von einem Verbalstamm

630

geht A. Bammesberger 3376 von einer Ableitung von der Schwundstufe einer Wurzel *spê(t)- 'ziehen, spannen' aus3377. Neben spennen steht aber als schwundstufige Ableitung ahd. spunnen, so daß die o- und die Schwundstufe zu einem Verb der IV. Ablautreihe gebildet scheinen. stellen 'aufstellen, hinstellen', (N. NG. Ps.; Gl., bi- O.); SchW. 270, RMWA. 77, StWG. 591, RVA. 202. Zuerst wohl StSG. 1,92,22 statuetur : kistallit Pa. kistellit Kb. (Nur ahd.). Es kann sich bei dem jan-Verb um eine denominale Ableitung von einem Substantiv stai st.M.N. 'Standort, Stelle', SchW. 268, StWG. 584, handeln 3378 . Es ist aber auch nicht auszuschließen, daß es sich um eine o-stufige Ableitung von einer Wurzel idg. *stel- handelt. Die ¿-Stufe, die im Germanischen nicht bezeugt ist, wird fortgesetzt von griech. στέλλο> 'ich setze instand'. Während bei der Annahme eines Denominativs die semantischen Beziehungen nicht sehr befriedigend erklärt werden3379, könnte eine Bedeutung 'aufstellen, hinstellen' als "bewirken, daß etwas instand gesetzt wird" kausativ gedeutet werden3380. Vielleicht liegen mit ahd. stellen und stullen zwei Ableitungen von dieser Wurzel vor. Schwundstufige und o-stufige Ableitungen sind neben primären Verben, die, sofern sie erhalten wären, der IV. Ablautreihe angehören müßten, vergleichsweise häufig3381. Es ist dann angesichts der Bedeutungsverhältnisse gut denkbar, daß eine alte deverbale Ableitung sekundär auf das einzig erhaltene Nomen ahd. stai 'Stallung, Stelle, Stand; Stellvertretung von Personen', germ. *stalla- 'Stand' bezogen worden ist. Auch ahd. stillen ist als 'stehen machen' dann wohl letztlich hier anzuschließen. strecken 'sich erstrecken, ausstrecken', (B. MF. N.; Gl.); SchW. 272, RMWA. 73, StWG. 599, RVA. 208f. Monseer Fragmente 4,27f. Duo quat ih . demo manne . strechi. dina hant. Enti aer strechita . enti uuart soar . so samahe! I so diu ander. (Man vergleiche afr. strekka, ae. streccan). Das Verb kann an ein Adjektiv angeschlossen werden, das erhalten ist in ahd. fram-strac 'starr', StWG. 176; mhd. strac 'starr'3382, mnd. strakm\ Das Adjektiv ist aber erst vergleichsweise spät bezeugt und es ist daher vielleicht nicht völlig sicher, ob ein Ansatz urgerm. *strakka- vorzunehmen ist. Zweifel an dieser 3376

Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 118. Man vergleiche aber PIEW. 982, zu *sp». 3378 M a n vergleiche DWB. 10,2,2,2195, FTW. 487f„ E. Sievers, IF. 4 (1894) S. 338. 3379 Sieh dazu KEW. 694. 3380 Man vergleiche auch KEW. 699. 3381 Sieh dazu unten in Abschnitt 4.C. 3382 Man vergleiche dazu PIEW. 1023, DWB. 10,3,1 lOOf., R. Lühr, Expressivität und Lautgesetz, S. 230f. 3383 LH. 1,1220. 3377

IV. Ablautreihe

631

Deutung finden sich auch bei E. Seebold3384, der darauf hinweist, daß zumindest "die Parallelität zu dem besser vergleichbaren recken ... unverkennbar" sei. Daher wird von R. Lühr und K. Matzel3385 auch ein Anschluß des y¿«-Verbs als deverbale Ableitung von der Wurzel urgerm. * strek- in Erwägung gezogen. Es ist dann von einer Variante auszugehen, die mit i-mobile zu einer Wortfamilie gebildet ist, in deren Zentrum das starke Verb germ. *treka- 'aufhäufen, bedecken, ziehen', in ahd. trechan, afr. treka-"u aus idg. *dreg- steht. Das starke Verb gehörte im Althochdeutschen dann der IV. Ablautreihe an3387. wenneti2 'schwingen, zitternd bewegen, wetzen, schärfen', (N.; Gl.); SchW. 315, RMWA. 82, StWG. 709f„ RVA. 330. Zuerst wohl StSG. 1,265,30 minitare ·. huuennen Kb. Ra. Nach J. Splett3388 ist hier lat. minitare von vorausgehenden Interpretament uibrare her übersetzt. (Nur ahd.). Das janNtib steht innerhalb der Germania isoliert. Es könnte mit einer ostufigen Ableitung *uoneie- als Intensivbildung zu einer Basis idg. *uen'schlagen, verwunden'3389 verbunden werden, oder die Bedeutung der ¿-Stufe ist auf ein ursprüngliches Kausativ übergetreten. Mit anderer Ablautstufe stünden daneben die Nomen got. wunds, ahd. wund, as. ae. wund 'verwundet', ahd. wunta, ae. wund, an. und 'Wunde' sowie ae. wenn 'Geschwulst' (wohl aus 'Beule infolge eines Schlages'). Außergermanisch vergliche sich das Verb cymr. ym-wan 'kämpfen'. Dagegen spricht allerdings die Graphie in Kb. und Ra., die für gewöhnlich germ, hw- voraussetzt. Eine andere Anknüpfung scheint jedoch nicht greifbar, allenfalls könnte ein Anschluß an das starke Verb germ. *hwîna- 'kreischen, sausen' in Erwägung gezogen werden. Es bliebe dann aber das Bedeutungsverhältnis und der Stammvokal unklar. In Anbetracht der unklaren Übersetzung ist es vielleicht doch wahrscheinlicher, in diesem Fall von einem Schreibfehler auszugehen. Es könnte nämlich bei einer Übersetzung von lat. minitare 'drohen' durchaus eine Vermischung mit dem nur wenig oberhalb der Glosse bezeugten Verb ahd. wezzen 'schärfen' eingetreten sein, das StSG. 1,205,11 als huuazzandi Kb. huuazanti Ra. auftritt. Falsch gesetztes hw- erscheint nach R. Kögl3390 zweimal in der Handschrift Kb. (StSG. 1,113,32 uuirtharhuuazzan und 1,181,39 unpibuualzii) sowie viermal in der Handschrift Ra.

3384 3385 3386 3387 3388 3389 3390

KEW. 706. Eine weitere Möglichkeit, S. 153f. SEW. 506f., R. Lühr - K. Matzel, Eine weitere Möglichkeit, S. 153f. M a n vergleiche BEG. § 341. Ebenda S. 402. Man vergleiche PIEW. 1108. Ueber das Keronische Glossar, S. 125-130.

Ableitungen von einem Verbalstamm

632

zemtnen 'zähmen', (Gl.; gi- OT. T.; Gl.); SchW. 334, RMWA. 79, StWG. 758, RVA. 333. Das Simplex erscheint zuerst wohl StSG. IV,201,5 Domo : zemm aus der Handschrift Trier, Bibliothek des Priesterseminars, Hs. 61; Nr.567, BV. 877, mfrk.3391; aus einem nicht bestimmten alphabetischen Glossar. Älter ist die Präfixbildung gi-zemmen, so Tatian 87,15f. ... zibrah thie kisrinun inti thio fuozthruhi giminnirota inti nioman mohta in gizemen ... (Man vergleiche afr. temia, ae. temman 'zähmen, unterwerfen', an. temja 'zähmen, gewöhnen', got. gatamjan 'zähmen, bändigen'). Außergermanisch vergleicht sich ai. damáyati 'bändigt', Kausativ zu dâmyati, griech. δαμνάμι 'ich bezwinge', lat. domare 'bezwingen', air. damnaid 'bindet fest'. Die Grundbedeutung ist 'fügen' - 'gefügig machen'. Die Abgrenzung dieser Verben von der Wortfamilie um das starke Verb germ. *tema- 'ziemen'3392 in ahd. zeman 'ziemen, passen', got. ga-timan 'geziemen' ist nicht ganz leicht vorzunehmen. Laut den Bearbeitern des DWB.3393 könnte ahd. zemmen Kausativ zu got. timan sein. Doch ist das Bedeutungsverhältnis bei dieser Annahme nicht ganz klar, und sie wird von A. Bammesberger3394 aus diesem Grunde zurückgewiesen. Immerhin wäre für 'zähmen' eine Paraphrase "bewirken, veranlassen, daß etwas paßt, sich ziemt" nicht ganz unvorstellbar. Aber auch wenn aus semantischen Gründen kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen Verben angenommen werden kann, so ist doch davon auszugehen, daß zwischen dem starken Verb, das auf *dem- 'bauen'3395 zurückführt und dem ^«-Verb 3396 ein ursprünglicher Zusammenhang besteht3397. Die Verben könnten dann letztlich auf eine Wurzel *dem- 'fügen' zurückführen 3398 . Es ist aber auch nicht auszuschließen, daß das jan-Verb auf das Adjektiv germ. *tama- bezogen worden ist, das vorliegt in an. tamr, ae. afr. as. tarn, ahd. zam. Mit K. Brugmann 3399 kann man das jan-Vcrb "ebensogut mit damáyati identifizieren wie als Ableitung von urgerm. *tama- 'zahm' ... betrachten." Eine semantische Analyse gibt in den Fällen, in denen das vermeintliche Grundverb nicht erhalten ist, meist keinen Aufschluß. Weil ein Kausativ im Altindischen bezeugt ist und zugleich das Adjektiv im Goti-

3391 3392 3393 3394 3395 3396 3397

Zur Handschrift vergleiche man R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, S. 160-165. SEW. 501f. DWB. 15,109. Deverbative jan-Verba, des Altenglischen, S. 100. PIEW. 198. Sieh ebenda 199 unter * dem 9·. Man vergleiche dazu A. Bammesberger, Deverbative jan-Ve.rba des Altenglischen, S.

100. 3398 3399

Sieh dazu SEW. 501f. IF. 32 (1913) S. 195.

IV. Ablautreihe

633

sehen fehlt, ist es aber vielleicht doch wahrscheinlicher, im Zweifelsfall nur von einer jüngeren Beeinflußung durch das Adjektiv auszugehen 3400 .

B. Bildungen von der e-Stufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt gi-bâren 'sich betragen, benehmen', (StSG. 1,248,1 fineta, lizzitunc daz ist thane man antharuuis kiparúr antharuuis thenkit Kb.); KFW. 1,812, StWG. 42, RVA. 2,205 unter gi-bârên. Ein weiterer Beleg StSG. 1,710,56, aus der Handschrift Lindau, Privatbesitz des Freiherrn Max Lochner von Hüttenbach, Verbleib unbekannt (Nr.264, BV. 385) ist altsächsisch. Die Herkunft ist bei T. Starck J.C. Wells nicht gekennzeichnet. (Man vergleiche as. gibarían, ae. gebáran). Zu heran 'tragen', KFW. l,883f., SchW. 94, StWG. 46; m a n vergleiche as. heran, afr. bera, ae. heran, an. bera, got. bairan aus germ. * Bera- 'tragen' 3401 . Daneben steht die Primärableitung germ. *txr-i-/-ja- in an. been 'imstande zu tragen', ahd. bari 'tragend, fähig zu tragen'3402. Das durative jan-Yerb ist jedoch nicht als deadjektivische Ableitung zu deuten. brâbben 'einritzen, eingraben, einprägen', (Gl., ana- Gl.); KFW. 1,1308, StWG. 72, RVA. 12. Zuerst StSG. 1,468,23 Scalpere celata : eraban kiprahtiu. Der Beleg entstammt der Handschrift Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rb.), Nr.54, BV. 296, 8.Jh., alem.3403; Glosse zu II Par 2,7 ... et qui sciat scalpere celata cum his artifieibus... "... und der kundig ist, Schnitzwerk auszuführen mit den Künstlern ..." (Nur ahd.); m a n vergleiche daneben ae. (â-)brâcian. Zu brehhan 'brechen, in etwas einbrechen, eindringen', KFW. l,1328f.; m a n vergleiche as. brekan, afr. breka, ae. brecan, got. brikan aus germ. *Breka- 'brechen'3404. Zur Bedeutungsentfaltung in der Wortfamilie u m ahd. brehhan u n d den dehnstufigen Substantivbildungen ahd. gold-brâhha 'Goldschmuck', gibrâhhi 'Ziselierarbeit' sowie brâhha 'erstes Pflügen der Flur' u n d brâhhi 'Brachfeld' vergleiche m a n F. Hundsnurscher 340S . Die Substantive selbst dürften als Basis der Ableitung aus semantischen Gründen kaum in Betracht k o m m e n . 3400 Man vergleiche noch S. Feist, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 203 und W. Wissmann, Nomina Postverbalia S. 44f. 3401 104ff. Sieh auch A. Bammesberger, Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 134, W. Wissmann, Nomina Postverbalia, S. 123. 3402 Man vergleiche dazu K. Matzel, HS. 104 (1991) Nr.80. 3403 R. Bergmann, Die althochdeutschen Glossenhandschriften des 8. Jahrhunderts, S. 17. 3404 SEW. 132f. 3405 Probleme des sprachübergreifenden Wortschatzvergleichs, S. 1023f.

634

Ableitungen von einem Verbalstamm

Ebensowenig das Adjektiv ahd. -brâhhi in ubarbrâhhi 'übertrieben', das von F. Heidermanns3406 unter Vorbehalt als Basis bezeichnet wird. [DURATIV, FINAL - INTENSIV-ITERATIV ? ] brâmen '(brünstig) schreien, brüllen', (StSG. 11,352,33 Prugit : bramii)·, KFW. 1,1318, StWG. 73, fehlt RVA. Es handelt sich um eine Glosse zur Lex Alam. XCIX 168,16 Si quis bissontem bubalum vel cervutn qui prugit furaverit... "Wenn einer ein Wiesent, einen Büffel oder einen Hirsch, der brüllt, stiehlt ..."; belegt in der Handschrift Clm 4460; Nr.323, BV. 473, 11.Jh., fränk. (Man vergleiche ae. breman 'brüllen'); aus it. bramire 'brüllen' erschließt F. Holthausen3407 unter Vorbehalt ein Verb got. *bramjanìm. Zu ahd. breman 'schreien, brüllen', KFW. 1,1352, StWG. 75; (nur ahd.) aus germ. *brema- 'brüllen'3409. Da es sich hier um eine onomatopoetische Wortfamilie handelt (man vergleiche etwa auch ahd. brummen, mhd. brimmen), kann nicht ausgeschlossen werden, daß die dehnstufige Ableitung auf eine onomatopoetische Vokalvariation zurückführt. Da das Bildemuster aber auch sonst in Handschriften des ältesten Althochdeutschen bezeugt ist, wird der Beleg hier mit R. Bergmann3410 als regelmäßige dehnstufige Bildung aufzufassen sein. [DURATIV, FINAL - INTENSIV- ITERATIV]

C. Bildungen von der Schwundstufe a. Die Basis ist im Althochdeutschen bezeugt brummen 'grunzen, sich paaren (von Schweinen)', (ein Beleg StSG. 11,337,24, K. Siewert3411 subando, rpfire porco ê subare .i. prumin)·, KFW. 1,1435, StWG. 80, fehlt RVA. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 375; Nr.305, BV. 450, ll./12.Jh., obd.; Glosse zu Horaz, Epodon 12,11 f.3412. (Nur ahd.), man vergleiche mnd. brummen, mnl. brommen. Zu breman 'brüllen', KFW. 1,1352, SchW. 101, StWG. 75; (nur ahd.) aus germ. * Brema- 'brüllen'3413. Man vergleiche das oben unter bramen Gesagte. Als systematische Bedeutung kann von iterativem 'grunzen' ausgegangen werden. 3406

HEW. 141. Gotisches etymologisches Wörterbuch, S. 130. 3408 Man vergleiche SEW. 135 unter Vorbehalt den Ansatz germ. *Bram-eja-. 3409 135; man vergleiche auch ebenda 136. 3407

3410 3411 3412 3413

Die althochdeutschen Glossen zur Lex Alamannorum, S. 63. Die althochdeutsche Horazglossierung, S. 124. M a n vergleiche ebenda S. 68f. und 168f. (zur Handschrift) und S. 124-126 (zur Stelle). SEW. 135. Sieh auch KEW. 109.

IV. Ablautreihe

635

[DURATIV, FINAL - ITERATIV] bullen 'bedecken', (N.; Gl. bi-)\ SchW. 171, RMWA. 78, StWG. 290, RVA. 77. Notker 4,58,1 Sí saz kehúltiu mit irò uuîzhullun. Zuerst wohl die Präfixbildung bi-hulleti in StSG. 1,257,40 uelamen : pihullid Kb. pihullit Ra. (Man vergleiche as. bi-hullian, afr. bi-hella, ae. be-hyllan, an. hylja, got. huljan 'verhüllen'). Zu helan 'verbergen, verheimlichen', SchW. 163, StWG. 265; man vergleiche as. helan afr. heia, ae. helan aus germ. * hela- 'verbergen'3414. Die Bedeutungen von Basis und Derivat liegen eng beieinander und haben sich möglicherweise auch gegenseitig beeinflußt. Eine Bedeutung 'etwas bedecken' kann aber als "bewirken, daß etwas verhüllt, verborgen ist" kausativ aufgefaßt werden. Zu einem nicht-durativen primären Verb wäre dann das Kausativ wieder von der Schwundstufe abgeleitet worden. [NICHT-DURATIV, FINAL - KAUSATIV]

b. Die Basis ist in keiner germanischen Einzelsprache bezeugt gi-furrett 'jemanden vorziehen', (ein Beleg StSG. 11,164,56 (Preferamus) : giuurrimes), KFW. 3,1406, StWG. N. 847; RVA. 2,50 unter gi-furiron. Der Beleg entstammt der Handschrift Clm 6277; Nr.345, BV. 518, 9.Jh, alem.; Glosse zu Greg, cura 2,6,22 dignum est ut eosdem quos corrigimus, tacita nobis cogitatione praeferamus.... "Es ist angemessen, daß wir diejenigen, die wir verbessern, im stillen Gedanken uns vorziehen." (Nur ahd.). Die Konjektur F. Ravens, der sich gegen E.G. Graff 5415 auch zunächst T. Starck - J.C. Wells3416 angeschlossen hatten, ist nicht begründet. Vielmehr ist das Verb wie germ. *furâuz- 'Furt' als eine regelhafte schwundstufige Ableitung aufzufassen. Diese Bildungen sind aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht als "außerhalb der Ablautreihe" 3417 stehende Ableitungen von einer Wurzel idg. *por- zu deuten, zu der etwa das starke Verb germ, "'fara- 'fahren'3418 gehört. Vielmehr liegen Bildungen zu der Schwundstufe der Wurzel idg. *per- vor, die im Germanischen nur indirekt nachweisbar ist3419. Das bei K. Matzel erfaßte schwundstufige Verbaladjektiv germ. *fur-i-/-ja- in got. 3414 SEW. 252. Sieh auch KEW. 299 unter hehlen, A. Bammesberger, Deverbative yaw-Verba des Altenglischen, S. 116, PIEW. 533 unter *kel- 'bergen, verhüllen', W.P. Lehmann, A Gothic Etymological Dictionary, S. 193, sowie PEW. 714. 3415 GSp. 3,620. 3416 StWG. 186. 3417 So SEW. 188. 3418 Ebenda 186f. 3419 M a n vergleiche dazu oben unter Jenen sowie K. Matzel, HS. 104 (1991) Nr.76.

636

Ableitungen von einem Verbalstamm

gafaúrs 'ehrbar, nüchtern, besonnen', unfaúrs 'geschwätzig' kommt selbst auf Grund seiner Bedeutung als Basis wohl nicht in Frage, wenn man nicht 'jemanden vorziehen' als "ehrbar machen" faktitiv deuten möchte. Das Nebeneinander von ahd. spunnen und spennen, ahd. stullen und stellen sowie ahd. mullen und an. melja 'zermalmen' deutet aber wohl darauf hin, daß zu primären Verben, die ursprünglich der IV. Ablautreihe gefolgt wären, derartige Paarbildungen vergleichsweise häufig sind, ohne daß in jedem Fall von einer nominalen Basis ausgegangen werden muß. mullen 'plagen, zerknirschen, zerstoßen', (G. MH. N. NG.; Gl., fir- APs. B. N. NG.; Gl.), SchW. 216, RMWA. 78, StWG. 423, RVA. 314. Zuerst wohl StSG. 1,293,52 Terebat : mulita aus der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh„ alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh., alem.3420. Glossiert wird Nm 11,8 circuibatque populus et colligens illud frangebat mola sive terebat in mortario ... "Und das Volk ging umher und sammelte es (das Mana), mahlte es mit Mühlen oder zerstieß es in Mörsern 1 . - StSG. 1,217,21 Non conlidimur : ni firmullumes Kb. ni mullemes Ra. - Murbacher Hymnen 24,9 Tu hostis antiqui uires per crucem mortis conteris, qua nos signati frontibus uixillum fidei ferimus. / thu fientes hentriskes chrefti thuruh chruci todes mulis themo uuir kezeichante endinum siginumft thera kelauba fuaremes. (Man vergleiche an. mylja)im. Das yeu& (Φuá-, ¿ V ) : ¿Aw- : 1¿>Ú- 'wachsen, gedeihen'.

lg7

Man vergleiche FTW. 243 unter fu 2 'rein sein'. Der Bindevokal und seine Fuge, S. 204 A. 2. Man vergleiche SchW. 165 unter heren 'rufen'. Man vergleiche KFW. 4,711 unter einem Ansatz

harén.

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Ableitungen von einem Verbalstamm

(Man vergleiche ae. herían, got. hazjan 'preisen'). Eine sichere Etymologie für das janNtib existiert nicht, zu den verschiedenen Möglichkeiten sieh S. Feist3653 und J. Pokorny3654. Die zu Grunde liegende Lautform kann eine Wurzel *kas- 'laut preisen, rühmen' erweisen, zu der dann das Verb zu stellen wäre. Es kann aber auch von einem im Ablaut zu *kes- stehenden *kos- auszugehen sein. Möglicherweise liegt ursprünglich nur ein ¿«-Verb vor3655, das sekundär in die y¿z»-Klasse übergetreten ist. Wenn aber von *koseie- auszugehen ist, dann ist das Verb zu Typ ahd. tewen/touwen zu stellen. gi-kewen/gi-kouwen 'nennen', (ein Beleg, T.); SchW. 180, RMWA. 95, RVA. 308. Tatian 243,15f. In ti nicuret iu gikeuuen fater oba erdu. ein ist îuuuer fater ther In himile noh ni sit giherzane meistern.. (Man vergleiche ae. ge-ciegan)**. Der Tatian-Beleg erlaubt, mit J. Grimm 3657 von einem ursprünglich starken Verb auszugehen. Ae. ge-ciegan ist demgegenüber aber eindeutig als schwach einzustufen. Da keine nominale Anknüpfungsmöglichkeit besteht, könnte mit A. Bammesberger3658 eine direkte Bildung aus der Wurzel idg. *gou- 'rufen, schreien' angenommen werden, und zwar die Fortsetzung eines Intensivs *goueie-6S stören 'zerstören, vernichten, umstürzen', (N., NG.; Gl.; zir- Gl., zi- Ν. OG.; Gl.); SchW. 272, RMWA. 85, StWG. 596, RVA. 206f. Zuerst wohl StSG. 1,290,47 Subuertam : zistorre, Karlsruhe, Β LB. Aug. IC (Rd.); Nr.54, BV. 296, 9.Jh., alem. und Oxford, BL. Jun. 25; Nr.493, BV. 725, frühes 9.Jh„ alem.3660; Glosse zu Gn 19,21 dixitque ad eum ecce etiam in hoc suseepi preces tuas ut non subvertam urbem pro qua locutus es. "Da sprach er zu ihm: Siehe, auch darin erhöre ich deine Bitte, daß ich die Stadt nicht zerstöre, für die du Fürsprache eingelegt hast." (Man vergleiche as. stôrian, afr. tosterà, auch mhd. stoeren aus germ. *staur-ija-). Neben dieser ursprünglich o-stufigen Ableitung mit Monophthongierung von germ, au, ahd. ou vor Apikal im Althochdeutschen tritt auch eine schwundstufige Ableitung auf, die bezeugt ist in ahd. sturren, z.%. farsturian, ae. styrian3661 und mhd. stüren. Gemeinsam mit der ^-Erweiterung in germ. 3653

Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, S. 252. PIEW. 530. 3655 SchW. 160 baren 'rufen, schreien, zurufen'. 3656 Sieh dazu auch E. Gutmacher, PBB. 39 (1914) S. 72. 3657 Deutsche Grammatik l,804f. 3658 Deverbative jan-Verba des Altenglischen, S. 105. 3659 Man vergleiche auch PIEW 403 unter *göu-, goug-, gû-. 3660 Zur Handschrift sieh W. Schulte, Die althochdeutsche Glossierung der Dialoge Gregors, S. 457-465, besonders S. 459. 3661 Dies wohl sekundär zur ôn-Klasse, sieh dazu A. Bammesberger, Deverbative jariNtrba des Altenglischen, S. 127. 3654

Der Typ ahd. tewen/touwen

681

*sturma- 'Sturm' führen die Verben mit ¿-mobile auf eine Basis *pwera- 'drehen, rühren', idg. *tuer-, zu der dann die Urform von stören allerdings "mit sekundärer Hochstufe"3662 gebildet sein müßte. Sieh auch ahd. sturren. tewen/touwen 'sterben, fallen', (M. O.; G l g a - MF.), SchW. 283, RMWA. 95, StWG. 625, RVA. 325. Muspilli 66,1 ... sin tac piqueme, daz er touwen seal. StSG. 1,725,27 Erat morilurus : uuas teuuant. Der Beleg entstammt der Handschrift Karlsruhe, BLB. Aug. CLXXVIII; Nr.63, BV. 309, alem. 11 Jh.; Glosse zu Lc 7,2. (Man vergleiche as. dôjan). E. Seebold3663 stellt das jan-Verb als o-stufige Bildung zu einem Ansatz germ. * âauja- 'sterben', der durch an. deyja - dô erwiesen ist. Dieses starke Verb, das auch schwache Nebenformen ausgebildet hat3664, gehört im Altnordischen der VI. Ablautreihe an. Germ. * âauja- *dheu-. Zu dieser Grundlage stellt sich vermutlich auch got. *diwan 'sterben', das der V. Ablautreihe angehört und auf germ. *äewa- weist. Die westgermanischen yaw-Verben können als o-stufige Ableitungen aber nur unmittelbar oder über ein verloren gegangenes starkes Verb mit der Wurzel *dheu- verbunden werden3665. Wegen der starken Flexion von germ. * âauja- kann man die Fortsetzung eines Präsenstyps * ¿tutou- mit iterativer oder faktitiver Bedeutung annehmen. Die Fortsetzung germ. *âauist dann dem Typ der o-stufigen Kausativa und Iterativa auf *-éje-, die schwach flektierten, angeschlossen worden. Die nicht-durative Bedeutung 'sterben, fallen' schließlich ist bei diesem Verb zumindest auf der Ebene des Systems möglicherweise nicht kausal aufzufassen, sondern im Sinne von 'gewaltsam sterben, zu Tode bringen' final und damit kausativ zu verstehen. Die Bedeutung 'töten', die von den Bearbeitern des StWG. angeführt wird, ist jedoch nicht sicher nachweisbar. Auf diese Bedeutungssphäre verweist allerdings auch die gotische o-stufige Bildung afdauips 'geplagt, gehetzt'.

3662

So KEW. 711.

3663 S E W 3664

148

Sieh M. Schnieders, Die einheimischen nicht komponierten schwachen Verben, S. 50. 3665