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German Pages 660 Year 2016
Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht Band 7
Die (Re)Kommunalisierung in der Energieverteilung Grenzen und Möglichkeiten kommunaler wirtschaftlicher Betätigung in der Elektrizitätsverteilung – Zugleich eine kritische Auseinandersetzung mit dem energiewirtschaftlichen Konzessionsvergaberecht
Von Stefanie Grünewald
Duncker & Humblot · Berlin
STEFANIE GRÜNEWALD
Die (Re)Kommunalisierung in der Energieverteilung
Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht Herausgegeben von Ralf Brinktrine und Markus Ludwigs
Band 7
Die (Re)Kommunalisierung in der Energieverteilung Grenzen und Möglichkeiten kommunaler wirtschaftlicher Betätigung in der Elektrizitätsverteilung ‒ Zugleich eine kritische Auseinandersetzung mit dem energiewirtschaftlichen Konzessionsvergaberecht
Von Stefanie Grünewald
Duncker & Humblot · Berlin
Die Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern Heinz-Henning und Brigitte Jürges und meinem Ehemann Dr. Philipp Grünewald
Vorwort Mit dieser Arbeit möchte ich einen Beitrag zu der rechts- und verwaltungswissenschaftlichen Diskussion um die (Re)Kommunalisierung leisten. Es geht dabei zum einen um die grundsätzliche Frage, in welchem Rahmen Gemeinden wirtschaftlich tätig werden können und welche Grenzen dabei von ihnen zu beachten sind. Zum anderen wird im Besonderen auf die Energieverteilung und insbesondere das Konzessionsvergabeverfahren eingegangen. Den Schlusspunkt bildet die Betrachtung tauglicher Modelle und Formen für (re)kommunalisierte Netzgesellschaften in der Energiewirtschaft, die zugleich den Zielen der (Re)Kommunalisierung Rechnung tragen. Diese Arbeit unternimmt den Versuch, der Diskussion um die (Re)Kommunalisierung im Grundsätzlichen wie Speziellen neue Impulse zu geben. Sie wurde im April 2015 abgeschlossen und von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Das Kolloquium fand am 27.04.2016 statt. Meinem Doktorvater Prof. Dr. Heribert Hirte danke ich für die Betreuung dieser Arbeit und dafür, dass er mir im fachlichen Austausch zugleich Orientierung als auch inhaltliche Freiheit gegeben hat. Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Ivo Appel für die Erstellung des Zweitgutachtens. Außerdem danke ich der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Förderung dieser Promotion mit einem Stipendium, wobei ich die ideelle Förderung besonders hervorheben möchte. Mein persönlicher Dank für die stiftungsseitige Betreuung gilt Dr. Gernot Uhl. Diese Arbeit wäre jedoch ohne meine Eltern, Heinz-Henning und Brigitte Jürges, und meinen Mann, Dr. Philipp Grünewald, nicht möglich gewesen. Seit meiner Kindheit haben mich meine Eltern liebevoll begleitet und unterstützt. Ihr Zuspruch und liebevolles Vertrauen in meine Fähigkeiten waren meine steten Begleiter. Sie haben mir die Kraft und den Mut gegeben, diese Arbeit zu beginnen. Meinem Mann habe ich das erfolgreiche Bestehen dieser Promotionszeit zu verdanken. Er hat mich durch das Studium und die Promotionszeit begleitet, mir bei allen Unwegsamkeiten liebevoll zur Seite gestanden, mich ermutigt und mir die Kraft gegeben, diesen bereichernden Abschnitt meines Lebens zu meistern. Meinen Eltern und meinem Mann ist diese Arbeit daher in großer Liebe und Dankbarkeit gewidmet. Hamburg, September 2016
Stefanie Grünewald
Inhaltsübersicht § 1 Einleitung und erste grundsätzliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Stromnetze als Felder erhöhter kommunaler Aktivität . . . . . . . . . . . 23 II. Rolle und Wesen des Staates und die Bedeutung des Wettbewerbs . 26 III. Finanzierung staatlicher Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 § 2 Gegenstand und Gang der Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 3 (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung: Begriffsbestimmung und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Energieversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Verteilernetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Wegenutzungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. (Rück-)Übertragung der Elektrizitätsverteilung in gemeindliche Verantwortung: Begriffliche Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 § 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Finanzielle Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 II. Wirtschaftspolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Sicherheitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 IV. Politische Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . 58 V. Ökologische Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 VI. Verwirklichung der demokratischen Dezentralisierung . . . . . . . . . . . . 64 VII. Wiederentdeckung örtlicher Belange und lokaler Identität . . . . . . . . . 64 VIII. Gemeinwohlorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 IX. Sozialpolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 X. Erwägungen des Verbraucherschutzes, der Transparenz und fairen Preisgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 XI. Kritische Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 § 5 Technischer und ökonomischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Technischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Ökonomischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 § 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung und die Befugnis der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . 95 II. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Einfach-spezialgesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
10 Inhaltsübersicht IV. Landesrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 V. Ergebnis zum gesetzlichen Rahmen für die (Re)Kommunalisierung und Befugnis der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 § 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Einführende Bemerkungen bzgl. der Konzessionsvergabe . . . . . . . . 246 II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung . . . . . . 246 III. Verfassungsmäßigkeit des Wandels vom „Überlassen“ zum „Übereignen“ in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz i. S. d. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 V. Laufzeitbegrenzung des Konzessionsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 § 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung . . . . . 451 I. Ausgewählte Modelllösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen . . . . . . . . 473 III. Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen i. R.d. Realisierung einer Partnerlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 IV. Besondere Verfahrensregeln für die Realisierung einer Partnerlösung . 564 V. Zusammenfassung (Re)Kommunalisierungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . 575 § 9 Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . 577 Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung und erste grundsätzliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Stromnetze als Felder erhöhter kommunaler Aktivität . . . . . . . . . . . 23 II. Rolle und Wesen des Staates und die Bedeutung des Wettbewerbs . 26 III. Finanzierung staatlicher Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 § 2 Gegenstand und Gang der Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 3 (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung: Begriffsbestimmung und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Energieversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Verteilernetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Wegenutzungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. (Rück-)Übertragung der Elektrizitätsverteilung in gemeindliche Verantwortung: Begriffliche Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Verstaatlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Entprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. (Re)Kommunalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Verwaltungsinterner Organisationsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Begriff im Zuge der Wiedervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 c) (Rück-)Übertragung von privatem in kommunales Eigentum . 47 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 § 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Finanzielle Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 II. Wirtschaftspolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Sicherheitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 IV. Politische Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . 58 V. Ökologische Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 VI. Verwirklichung der demokratischen Dezentralisierung . . . . . . . . . . . . 64 VII. Wiederentdeckung örtlicher Belange und lokaler Identität . . . . . . . . . 64 VIII. Gemeinwohlorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 IX. Sozialpolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 X. Erwägungen des Verbraucherschutzes, der Transparenz und fairen Preisgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 XI. Kritische Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 § 5 Technischer und ökonomischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Technischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Stromtransport und -verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
12 Inhaltsverzeichnis 2. Leitungsgebundenheit der Energieversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Mangelnde Speicherbarkeit von Elektrizität und schwankende Nachfrage nach Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Folgen der erneuerbaren Energien für den Netzbetrieb . . . . . . . 76 5. Hohe Komplexität des Netzbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Ökonomischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Bedeutung von elektrischer Energie für die Volkswirtschaft . . . 78 2. Struktur und Historie des Energiemarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Wertschöpfung und Preisbildung in der Elektrizitätswirtschaft . . 81 4. Netzkosten und -einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 5. Wettbewerb im Energiemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 6. Netze als natürliches Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 7. Größenvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 8. Dichtevorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 9. Erfahrungskurveneffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 § 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung und die Befugnis der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . 95 1. Europäisches Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Energieversorgung im Wettbewerb und die europäische Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Grundsatz der Gleichbehandlung privater und öffentlicher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Schutz der kommunalen Betätigung über Art. 4 EUV? . . . . . 100 d) Originäre kommunale Aufgabe wegen Zuordnung zu Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse? . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Dienste bzw. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Protokoll Nr. 26 und dessen Auswirkungen . . . . . . . . . . . . 106 cc) Art. 14 AEUV und die kommunale Leistungserbringung . 107 dd) Art. 106 AEUV und die kommunale Leistungserbringung . 108 e) Eigentumsrechtliche Neutralität des EU-Primärrecht . . . . . . . 110 f) Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 g) Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . 111 h) Ergebnis zum Europäischen Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Europäisches Sekundärrecht: Drittes Binnenmarktpaket . . . . . . . . 113 a) Elektrizitätsrichtlinie 2009 / 72 / EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Verordnung 713 / 2009 und Verordnung 714 / 2009 . . . . . . . . . . 117 c) Ergebnis: Europäisches Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Ergebnis Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Art. 87d ff. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Inhaltsverzeichnis13 2. Art. 74 Nr. 11 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Wirtschaftspolitische Grundordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Berufs- und Eigentumsfreiheit zugunsten kommunaler Betätigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Grundrechtsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Eigentumsfreiheit zugunsten Gemeinden als Sonderfall? . . . . 130 c) Befugnis aus Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5. Staatsaufgabe Energieversorgung wegen Ermöglichung der Grundrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 6. (Re)Kommunalisierung aus Art. 15 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 7. Sozialstaatsprinzip und Gewährleistungsverantwortung . . . . . . . . 136 8. Demokratieprinzip als Rechtfertigung kommunaler Leistungs erbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 9. Allgemeine Befugnis aus Art. 28 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Inhalt und Funktion der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . 141 b) Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Ein Definitionsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Maßstab der Zulässigkeit kommunaler wirtschaftlicher Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Argumentationslinien für die Befugnis der Gemeinden zur Elektrizitätsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Kommunale Elektrizitätsverteilung aus Gründen der Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Energieversorgung als Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Subjektiv-öffentliches Recht der Gemeinden zur Leistungserbringung (Grundrechtsähnliches Recht) . . . . . . . . . 160 dd) „War schon immer so“-Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 ee) Kompetenz aufgrund der Finanzhoheit der Gemeinden . . 163 ff) Kompetenz aufgrund der Planungshoheit der Gemeinden . 164 gg) Kompetenz aufgrund der Gebietshoheit der Gemeinden bzw. aufgrund des Örtlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . 165 (1) Kompetenz aufgrund der Straßenbaulast und des kommunalen Eigentums an Straßen und Wegen . . . 165 (2) Kompetenz wegen Befriedigung örtlicher Bedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (3) Kompetenz aufgrund örtlicher Angelegenheit . . . . . . 171 (a) Auslegung Örtlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 171 (b) Bedeutung für (Re)Kommunalisierung der Elek trizitätsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 hh) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 d) Zusammenfassung zu Art. 28 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 10. Zusammenfassung zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . 181
14 Inhaltsverzeichnis III. Einfach-spezialgesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Rechtlicher Zuschnitt des Energiesektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Vorgaben aus dem EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Begriffsbestimmungen in § 3 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Zweck des EnWG in § 1 Abs. 1 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Aufgaben der Elektrizitätsverteiler gem. § 14 EnWG . . . . . . . 187 d) Enteignung in der Energieversorgung gem. § 45 EnWG . . . . 188 e) Konzessionsvergabe gem. § 46 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Vorgaben aus dem BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 IV. Landesrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Landesverfassungen und die (Re)Kommunalisierung . . . . . . . . . . 192 2. Gemeindeordnungen der Länder und die (Re)Kommunalisierung . 195 a) Allgemeine Befugnis in der Energieversorgung nach GemO der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung in der Energieverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Öffentliche Zweckverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (1) Spezifisches gemeinderechtliches Verständnis des öffentlichen Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (2) Gewinnerzielungsabsicht und der öffentliche Zweck . 198 (3) Finanzielle und wirtschaftliche Risiken versus öffentlicher Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (4) Spezialregelungen für die energiewirtschaftliche Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (5) Bedeutung für die (Re)Kommunalisierung der Elek trizitätsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Subsidiaritätsprinzip als Grenze der kommunalen Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Qualifizierte Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (2) Qualifizierte Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (3) Einfache Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (4) Einfache Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (5) Subsidiaritätsklausel besonderer Art . . . . . . . . . . . . . 219 (6) Zusammenfassung und Auswirkungen auf die (Re) Kommunalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 cc) Örtlichkeitsprinzip als Grenze der kommunalen Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (1) Örtlichkeitsprinzip der Gemeindeordnungen . . . . . . . 222 (2) Erweiterung des Aktionsradius durch die Gemeindeordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
Inhaltsverzeichnis15 (a) Regelungen in den Gemeindeordnungen . . . . . . . 223 (aa) Reichweite der Erweiterung des Aktions radius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (bb) Bereichsspezifische Öffnungsklauseln . . . . 224 (cc) Generelle Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . 225 (dd) Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets . . 226 (b) Art. 28 Abs. 2 GG und das Demokratieprinzip als verfassungsrechtliche Grenze . . . . . . . . . . . . . . . 228 (c) Landesverfassungen als Grenze . . . . . . . . . . . . . 235 (d) Europarechtliches Erfordernis einer Ausweitung? . 236 (e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 dd) Leistungsfähigkeit als Grenze der kommunalen Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3. Zusammenfassung Landesrecht und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . 243 V. Ergebnis zum gesetzlichen Rahmen für die (Re)Kommunalisierung und Befugnis der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 § 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Einführende Bemerkungen bzgl. der Konzessionsvergabe . . . . . . . . 246 II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung . . . . . . 246 1. Überblick über den typischen Ablauf des Konzessionsvergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. Sinn und Zweck von Verfahrensregeln und Entscheidungskrite rien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3. Verfahrensregeln für die Konzessionsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Vorgaben aus § 46 EnWG abschließend? . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Bekanntmachungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Bekanntmachungspflicht vor Durchführung Konzessionsvergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Bekanntmachungspflicht nach Vergabe der Konzession . . 252 c) Informationspflicht und Auskunftsanspruch vor Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 aa) Datenumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 bb) Zeitliche Dimension der Herausgabe von Daten . . . . . . . 260 cc) Zurverfügungstellung von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 dd) Vertraulichkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 ee) Ansprüche der Interessenten auf Datenherausgabe . . . . . . 270 (1) Anspruch gegen die Gemeinde oder auf Einschreiten der Regulierungs- oder Kartellbehörde gegen die Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (a) Energierechtliche Ansprüche aus §§ 30, 65 EnWG . 271 (b) Verfahrensrechtlicher Anspruch aus § 29 VwVfG . 272 (c) Kartellrechtlicher Anspruch aus § 19 GWB n. F. . 273
16 Inhaltsverzeichnis (aa) Anwendbarkeit GWB-Bestimmungen . . . . . 273 (bb) Exkurs: 8. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . . . . 274 (cc) § 19 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (d) Anspruch aus Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (2) Anspruch gegen den Altkonzessionär oder auf Einschreiten der Regulierungs- oder Kartellbehörde . . . . 280 (a) Vertragliche und vorvertragliche Ansprüche . . . . 280 (b) Energierechtlicher Anspruch aus § 30 EnWG . . . 281 (c) Energierechtlicher Anspruch aus §§ 65, 54 EnWG . 283 (d) Kartellrechtlicher Anspruch aus § 21 Abs. 2 GWB . 285 ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 d) Durchführung eines Interessenbekundungsverfahrens . . . . . . 287 e) Weitere Anforderungen an Verfahrensgestaltung und -durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 aa) Vorgaben aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip . 289 bb) Kartellrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 cc) Anwendung vergaberechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . 292 (1) Anwendung des deutschen Vergaberechts . . . . . . . . . 292 (a) Ausnahme von den Vergaberechtsvorschriften wegen Spezialität des § 46 EnWG . . . . . . . . . . . 292 (b) Direktvergabe an (re)kommunalisiertes Unternehmen wegen Grundsätzen der In-house-Vergabe . 293 (c) Konzessionsvergabe als öffentlicher Auftrag eines öffentlichen Auftraggebers i. S. d. §§ 98, 99 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (d) Freiwillige Anwendung des Vergaberechts . . . . . 299 (e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (2) Anwendung des europäischen Vergaberechts . . . . . . 300 (a) Vorliegen eines Dienstleistungsauftrags . . . . . . . . 300 (b) Vorliegen einer Dienstleistungskonzession nach bereits verbindlich geltendem Europarecht . . . . . 301 (aa) Gesetzliche Vorgabe für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession . . . . . . . . . . . . . . 301 (bb) Zusätzlich geforderte Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 α) Eingehung eines wirtschaftlichen Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 β) Vorliegen eines Beschaffungsvorgangs . 306 γ) Dienstleistung im öffentlichen bzw. Allgemeininteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 (c) Vorliegen einer Dienstleistungskonzession i. S. d. neuen Konzessionsvergaberichtlinie (2014 / 23 / EU) . 310
Inhaltsverzeichnis17 (aa) Kein Vorliegen eines besonderen Ausschlusstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (bb) Fehlende Anwendbarkeit der Konzessionsvergaberichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (cc) Ergebnis zum Vorliegen einer Dienstleistungskonzession i. S. d. Konzessionsvergaberichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (d) Europäische Verfahrensregeln bei Vergabe der Dienstleistungskonzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (aa) Anwendbarkeit und Geltung europäischer Vergaberegeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (bb) Einzelne Verfahrensvorgaben . . . . . . . . . . . . 322 α) Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 β) Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (e) Ergebnis Europäisches Vergaberecht . . . . . . . . . 326 dd) Ausschreibungspflicht nach Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . . 326 f) Privilegierung von gemeindlichen (Re)Kommunalisierungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 aa) Modifikation Verfahrensregeln wegen Art. 28 Abs. 2 GG . 327 bb) Keine Privilegierung wegen § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG . . . . 329 (1) Anwendung Diskriminierungsverbot aus § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG auf qualifizierte Wegenutzungsverträge . 329 (2) Diskriminierungsverbot und (Re)Kommunalisierung . 330 cc) Wettbewerbsrechtliches Verbot von Vorfeldabsprachen und Vorfestlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 dd) Keine Privilegierung wegen Art. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . 333 g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 4. Zulässige Entscheidungs- und Auswahlkriterien für die Vergabeentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 a) Keine grenzenlose Wahlfreiheit der Gemeinden . . . . . . . . . . 335 b) Vorgaben aus § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG . . . . . . . . . . 337 aa) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (1) „Zweck“ versus „Ziel“ des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . 337 (2) Leitende Aspekte der Auslegung und Grenzen der Kriterienwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (3) Möglichkeit der Bildung von Unterkategorien . . . . . 341 bb) Mögliche aus § 1 Abs. 1 EnWG ableitbare Auswahl- und Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (1) Kriterien aus der sicheren Versorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (2) Kriterien aus der effizienten und preisgünstigen Versorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . 343
18 Inhaltsverzeichnis (3) Kriterien aus der umweltverträglichen Versorgung sowie dem zunehmenden Beruhen auf erneuerbaren Energien i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . 346 (4) Kriterien aus der verbraucherfreundlichen Versorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 c) Weitere Auswahl- und Entscheidungskriterien außerhalb von § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 aa) Zulässigkeit weiterer Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 bb) Kriterien aus dem übrigen Energiewirtschaftsrecht . . . . . . 351 (1) § 4 Abs. 2 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 (2) §§ 17 ff., 20 EnWG und § 5 EEG . . . . . . . . . . . . . . . 354 (3) Berücksichtigung der Konzessionsabgabe und weiterer Leistungen an die Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (4) Stromnetzentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 cc) Kriterien aus anderen Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 (1) (Re)Kommunalisierungsfreundliche Kriterien aufgrund Art. 28 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 (2) „Bekannt und bewährt“ nach Gewerberecht bzw.. . . Erfahrungen als Netzbetreiber als Kriterien . . . . . . . 365 (3) Wirtschaftlichkeit i. S. d. § 97 Abs. 5 GWB als Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 (4) „Berechtigte wirtschaftliche Interessen“ i. S. d. Gemeindeordnungen als Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 5. Gewichtung der Auswahl- und Entscheidungskriterien . . . . . . . . 372 6. Verfahrensdurchführende und -entscheidende Stelle . . . . . . . . . . . 375 7. Zusammenfassung Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 III. Verfassungsmäßigkeit des Wandels vom „Überlassen“ zum „Übereignen“ in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 1. Vereinbarkeit der Übereignungspflicht mit Art. 14 GG . . . . . . . . 383 a) Eingriff in eine geschützte Eigentumsposition . . . . . . . . . . . . . 383 b) § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG als Inhalts- und Schrankenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 c) Verfassungswidrigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 d) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 2. Vereinbarkeit mit dem Rückwirkungsverbot unter besonderer Berücksichtigung der Endschaftsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . 398 3. Vereinbarkeit mit Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
Inhaltsverzeichnis19 IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz i. S. d.. . § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 1. „Wirtschaftlich angemessene Vergütung“ als unbestimmter Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 2. Bewertungsmethoden für die Ermittlung des Verteilernetzwertes . 412 a) Sachzeit- und Substanzwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 b) Ertragswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 3. EnWG-Novelle 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 4. Kaufering-Entscheidung, fortgeltender Maßstab der Vergütung? . 419 a) Kaufering-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 b) Übertragbarkeit der Kaufering-Entscheidung auf die Gesetzeslage nach der Novelle des EnWG 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 5. Lösung unklarer Gesetzeslage durch Vergleich mit anderen Rechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 a) Ausgleichs- (§ 304 AktG) und Abfindungsanspruch (§ 305 AktG) nach AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 b) Aktienrechtliches „Squeeze-out“-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 431 c) Übergang des Erbbaurechts durch Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . 433 6. Kritische Würdigung der Sachzeit- und Ertragswertmethode unter Berücksichtigung der vorherigen Untersuchungen . . . . . . . . . . . . 435 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 V. Laufzeitbegrenzung des Konzessionsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 § 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung . . . . . 451 I. Ausgewählte Modelllösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 1. Stand-Alone-Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 a) Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 b) Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 aa) Holdingmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 bb) Netzgesellschaft als Tochtergesellschaft (Tochtermodell) . 457 cc) Netzgesellschaft als Muttergesellschaft (Muttermodell) . . 458 2. Partnerlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 a) Potentielle Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 b) Mögliche Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 aa) Neugründung einer gemeinsamen Gesellschaft . . . . . . . . 462 bb) Eigentumsrechtlicher Zusammenschluss . . . . . . . . . . . . . 463 cc) Gesellschaftsrechtliche Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 dd) Schuldrechtliche Kooperationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . 466 (1) Pachtmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 (2) Dienstleistungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 ee) Gründung einer gemeinsamen Netzholding (Netzgemeinschaftsunternehmen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 ff) Netzkauf- und Netzgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470
20 Inhaltsverzeichnis
II.
3. Zusammenfassung und Vereinbarkeit mit Zielen der (Re)Kommunalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen . . . . . . . . 473 1. Grundgesetzliche Anforderungen an die Ausgestaltung der (re)kommunalisierten Netzgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 a) Vorgaben aus Art. 28 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 aa) Organisationshoheit und Wahlfreiheit der Gemeinden . . . 474 bb) Kooperationshoheit zwischen den Gemeinden . . . . . . . . . 475 cc) Zusammenarbeit mit Privaten aufgrund finanzieller Eigenverantwortung der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 b) Vorgaben aus dem Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 2. Gesellschafts- und kommunalrechtliche Würdigung möglicher Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 a) Öffentlich-rechtliche Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . 479 aa) Regie- und Eigenbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 bb) Anstalt des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 b) Privatrechtliche Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 aa) Allgemeine kommunalrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . 483 bb) Zu den einzelnen Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . 485 (1) GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 (a) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . 486 (b) Kommunalrechtliche Rahmenbedingungen . . . . . 488 (2) AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 (a) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . 493 (b) Kommunalrechtliche Rahmenbedingungen . . . . . 494 (3) Personengesellschaften und das kommunalrechtliche Gebot der Haftungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 (4) Genossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 (a) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . 500 (b) Kommunalrechtliche Rahmenbedingungen . . . . . 503 (5) Ausländische Gesellschaftsformen am Beispiel der englischen Limited . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 cc) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 3. Energierechtliche Vorgaben für die Realisierung der (Re)Kommunalisierungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 a) Entflechtungsvorgaben aus dem EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 aa) Adressaten der Entflechtungsbestimmungen . . . . . . . . . . 515 bb) Inhalt und Umfang der Entflechtung . . . . . . . . . . . . . . . . 516 (1) Eigentumsrechtliche Entflechtung . . . . . . . . . . . . . . . 517 (2) Rechtliche Entflechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 (3) Operationelle Entflechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 (4) Informatorische und buchhalterliche Entflechtung . . 521
Inhaltsverzeichnis21 cc) Ausnahme von umfänglicher Entflechtung für „kleine“ Verteilernetzbetreiber (sog. De-minimis-Regelung) . . . . . 523 dd) Ausnahmen von der Geltung der De-minimis-Regelung . 529 ee) Zusammenfassung Enflechtungsvorgaben aus dem EnWG . 532 b) Anreizregulierung und die Erlösobergrenzen . . . . . . . . . . . . . 532 c) Zusammenfassung und Folgen aus den energierechtlichen Vorgaben für die einzelnen (Re)Kommunalisierungsmodelle . 535 aa) Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 bb) Holdingmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 cc) Muttermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 dd) Tochtermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 ee) Eigentumsrechtlicher Zusammenschluss . . . . . . . . . . . . . . 541 ff) Gesellschaftsrechtliche Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 gg) Pacht- und Dienstleistungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 hh) Gemeinsame Netzholding (Netzgemeinschaftsunternehmen) und Netzkauf- sowie Netzgenossenschaft . . . . . . . . 543 4. Kartellrechtliche Vorgaben für die Realisierung einer Partnerlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 a) Europäische Fusionskontrolle nach FKVO . . . . . . . . . . . . . . . 544 b) Zusammenschlusskontrolle nach §§ 35 ff. GWB bei gemein samer Netzholding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 c) Kartellrechtliche Bedenken aus § 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . 553 5. Zusammenfassung der zulässigen (Re)Kommunalisierungsmodelle und Abgleich mit den Zielen der (Re)Kommunalisierung . . . 553 III. Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen i. R.d. Realisierung einer Partnerlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 1. Energierechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 2. Kartellrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 3. Kommunalrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 IV. Besondere Verfahrensregeln für die Realisierung einer Partnerlösung . 564 1. Relevante Verfahrensgegenstände und -regelungen . . . . . . . . . . . . 564 2. Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 a) Einheitliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 aa) Förmliches Vergabeverfahren mit integrierter Konzes sionsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 (1) Verstoß gegen § 46 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 (2) Verstoß gegen § 19 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 bb) Konzessionsvergabe mit integrierter „Partnerwahl“ . . . . . 571 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 b) Getrennte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 3. Zusammenfassung besondere Verfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . . . 575 V. Zusammenfassung (Re)Kommunalisierungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . 575
22 Inhaltsverzeichnis § 9 Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . 577 Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653
§ 1 Einleitung und erste grundsätzliche Erwägungen I. Stromnetze als Felder erhöhter kommunaler Aktivität Angesichts der hohen kommunalen Überschuldung1 suchen viele Gemeinden neue Einnahmequellen in neuen Betätigungsfeldern.2 Dies führt zu einer neuerlichen Expansion erwerbswirtschaftlicher Betätigung der Gemeinden,3 die von einigen als eine „unerwartete Renaissance“4 der Kommunalwirtschaft beschrieben wird. In der Energiewirtschaft wird dieser generellen „Boom“ noch dadurch verstärkt, dass im Jahr 2011 ca. 950 und im Jahr 2012 etwa 1200 Konzessionsverträge ausgelaufen sind.5 Bis zum Jahre 2016 werden die meisten der auf 20 Jahre geschlossenen Konzessionsverträge für den Verteilernetzbetrieb in Deutschland auslaufen.6 Damit bietet sich für die Gemeinden die Gelegenheit eine wirtschaftliche Betätigung in Form der Stromverteilung (wieder) einzusteigen. Auch die Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise und daraus resultierende Unsicherheiten und Ängste gegenüber dem Marktgeschehen und den Wettbewerbskräften verstärken diesen allgemeinen Trend hin zu mehr staatlicher Leistungserbringung.7 Nicht zuletzt wird dieser Trend hin zu mehr kommunalem Engagement im Energiebereich sicherlich auch durch die schrecklichen Vorfälle in Fuku shima im März 2011 und den daraufhin von der Bundesregierung im Sommer 2011 beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie begünstigt.8 Die (Re)Kommunalisierung der Stromnetze „liegt voll im Trend“9, dies lässt sich
1 Groß, DVBl. 2002, 1182 (1182), der dies „finanzielle Dauermisere“ nennt; Vogelsang/Lübking/Ulbrich, Kommunale Selbstverwaltung,3. (2005), Rn. 394. 2 Broisius-Gersdorf, AöR 130 (2005), 392 (393). 3 So auch Gloy/Loschelder/Erdmann-Poppen, Wettbewerbsrecht,4 (2010), § 66 Rn. 1; Vogelsang/Lübking/Ulbrich, Kommunale Selbstverwaltung,3. (2005), Rn. 394. 4 Bauer, DÖV 2012, 329 (329). 5 Libbe, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand? (2013), S. 18 (21); Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (2011), S. 6. 6 Hische/Rohmann, Raumplanung 2011, 249 (250); Ude, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand? (2003), S. 48 (50), der anführt, dass dies mehrere tausend seien. 7 Reck, RaumPlanung 2011, 243 (244). 8 Hische/Rohmann, Raumplanung 2011, 249 (249). 9 Hische/Rohmann, Raumplanung 2011, 249 (249).
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an vielen Stellen der politischen Presse wie auch ersten wissenschaftlichen Veröffentlichungen entnehmen.10 Von dem Auslaufen der Konzessionsverträge im Elektrizitätsbereich sind potentiell alle in Deutschland tätigen 887 Stromnetzbetreiber betroffen.11 Zusätzlich bietet dies auch den Gemeinden, die bis dato nicht (oder nicht mehr) in der Elektrizitätsverteilung tätig waren, neue Handlungsmöglich keiten. Dass die Gemeinden von dieser Möglichkeit schon Gebrauch gemacht haben, zeigen die 44 Stadtwerksneugründungen im Zeitraum zwischen den Jahren 2007 und 2011.12 Es verwundert daher nicht, dass das Thema (Re)Kommunalisierung im Moment eines der zentralen Themen der Energiewirtschaft und der viel zitierten Energiewende ist. Die (Re)Kommunalisierung könnte eines der wichtigen Zukunftsthemen der Kommunalpolitik werden.13 In der öffentlichen Wahrnehmung stellt sich das Thema der (Re)Kommunalisierung aber vor allem als politisch und hoch umstritten dar. So schrieb Walter Hamm am 25. Januar 2010 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in dem Artikel „Entprivatisierung“14: „Wer Versorgungsnetze in großem Stil kauft und wer für diese Investitionen in bisher von privaten Unternehmen übernommene Aufgaben hohe Milliardenbeträge bereitstellen kann, sät Zweifel an der angeblichen desaströsen kommunalen Finanzlage.“ Dieser von Hamm formulierten Skepsis begegnen viele Gemeinden jedoch mit ehr geizigen (Re)Kommunalisierungsplänen und dem Willen (wieder) in den Besitz der Konzessionen für den Netzbetrieb zu gelangen. Der Trend zur (Re)Kommunalisierung ist dabei zunächst primär ein deutsches Phänomen, welches bislang nur vereinzelt im Ausland aufgetreten ist.15 10 U. a.: Bauer, DÖV 2012, 329 (329); Hische/Rohmann, Raumplanung 2011, 249 (249). 11 BNetzA, Stromnetzbetreiber Deutschland, Stand: 03.02.2015, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:57 Uhr unter: http://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/DatenaustauschundMonitoring/Unter nehmensStammdaten/UebersichtStromUndGasNetzbetreiber/UebersichtStromUnd Gasnetz betreiber_node.html. 12 Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (2011), S. 7. 13 Bauer, DÖV 2012, 329 (330), der dies bereits heute als Zukunftsthema der Kommunalpolitik erachtet. 14 Hamm, Entprivatisierung, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Januar 2010, S. 9. 15 Stichwortartige Hinweise auf die Rekommunalisierung finden sich auch in Bolivien, in Frankreich, auf den Philippinen, in Südafrika, in Tansania, in Trinidad und in den Vereinigten Staaten, so Bauer, DÖV 2012, 329 (333 f.); In Italien haben einzelne große Städte ihr Interesse signalisiert, so Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (2011) S. 13; siehe hierzu auch: Wollmann, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand? (2013), S. 37 (40).
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Bei diesen (Re)Kommunalisierungsbestrebungen sind die Besonderheiten des Energiemarktes zu beachten. Anders als in anderen Netzbereichen waren die Energienetze seit Anbeginn der kommerziellen Verbreitung von Energie auch in privater Hand. So gab es eben nicht, wie bspw. im Telekommunikations-, Post- und Fernmeldesektor, ein ausschließlich staatliches Netzmonopol.16 Private Akteure dominierten zunächst sogar den Netzbetrieb.17 Dank der bis zum Jahre 2016 fast aller Orts auslaufenden Konzessionsverträge bietet sich den Gemeinden die Chance, innerhalb eines begrenzten Zeitfensters die Netze zurückzuerwerben. Diese Chance steht vielerorts aber auch erheblichen wirtschaftlichen, finanziellen, technischen, politischen und nicht zuletzt juristischen Bedenken gegenüber. Nicht nur im Zusammenhang mit den Konzessionsverträgen sind viele juristische Fragen auch nach der EnWG-Novelle vom August des Jahres 2011 offen. Insbesondere auch im Bereich der (Re)Kommunalisierung selbst, ihrer Zulässigkeit und Umsetzung stellen sich viele ungeklärte Fragen. Während Beiträge zum Thema Privatisierung ganze Bibliotheken füllen, findet sich das Stichwort „Rekommunalisierung“ bzw. „Kommunalisierung“ praktisch in nur wenigen Sach registern wieder.18 Um das politisch Gewollte umzusetzen, müssen aber rechtliche Maßstäbe und Grenzen insbesondere im Hinblick auf die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz gem. Art. 20 Abs. 3 GG untersucht und benannt werden.19 Dies stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Zutreffend führte Ulrich Bammert, Geschäftsführer der neugegründeten Hamburg Energie20 hierzu aus: „Wir reden über einen Prüfungsauftrag [bzgl. der Übernahme der Netze durch die kommunale Hand], der ökonomisch, ökologisch und juristisch Fragen beinhaltet, es geht also um ein dickes Brett, das da zu bohren ist.“21 Den drängendsten juristischen Fragen der (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilernetze will sich diese Dissertation widmen. 16 Zum staatlichen Monopol im Telekommunikations-, Post- und Fernmeldesektor, vgl. Geppert/Schütz-Cornils, Beck’scher TKG-Kommentar,4. (2013), A. Geschichte und Entwicklung des deutschen Telekommunikationsrechts, Rn. 26 ff. 17 Hierzu: § 5 II.2. 18 Anstelle vieler: Brüning, Verwaltungs-Archiv 2009, 453 (455); siehe hierzu ausführlich auch in § 3 IV.3.c). 19 So auch Brüning, VerwArch 2009, 453 (455). 20 Hamburg Energie wurde am 15. Mai 2009 mit Unterstützung des Hamburger Senates als hunderprozentige Tochter des kommunalen Betriebes Hamburg Wasser gegründet, hierzu Sender, Interview von Helmut Sendner mit Ulrich Bammert, „Ein dickes Brett zu bohren“, Energie & Management, 15. September 2010, S. 16. 21 Sender, Interview von Helmut Sendner mit Ulrich Bammert, „Ein dickes Brett zu bohren“, Energie & Management, 15. September 2010, S. 16.
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II. Rolle und Wesen des Staates und die Bedeutung des Wettbewerbs In der leitungsgebundenen Elektrizitätswirtschaft tritt der Staat in mehreren Rollen in Erscheinung. Zum einen ist er auf Bundes- und Landesebene Normgeber und setzt damit den juristischen Rahmen für das Handeln im Energiemarkt. Des Weiteren tritt er als Aufsichtsbehörde über den Markt in Form der Bundesnetzagentur (nachfolgend BNetzA) und der Landesregulierungsbehörden in Erscheinung und damit als Kontroll- und Regulativorgan. Zum anderen wird er in Form der Gemeinden als Entscheidungsorgan tätig, in dem er (gem. § 46 EnWG) darüber entscheidet, wer die notwendigen Konzessionen für den Netzbetrieb erhalten soll.22 Zu guter Letzt ist der Staat selbst als Unternehmer Akteur im Elektrizitätsmarkt, und zwar inzwischen auf allen Wertschöpfungsstufen von der Erzeugung über den Netzbetrieb bis zum Vertrieb von Strom. Ein besonderes Konfliktpotential zwischen diesen unterschiedlichen Rollen kann dabei insbesondere zwischen der Rolle des Staates als „Entscheider“ über die Konzessionsvergabe und dessen Auftreten als Akteur im Markt um die Konzessionen entstehen. Denn entschließt sich eine Gemeinde dazu, sich um die Stromkonzessionen auf dem eigenen Gemeindegebiet zu bewerben, so tritt sie auf der einen Seite als staatlich autorisierter „Entscheider“ über die Konzessionsvergabe auf und auf der anderen Seite als Bewerber und Markt akteur in diesem Entscheidungsverfahren um die Konzessionen. Damit ist die Gemeinde zugleich Spieler und Schiedsrichter im Spiel um die Konzessionen.23 Durch diese Doppelrolle entsteht ein Interessenkonflikt. Vor allem die Möglichkeit der kommunalen Selbstbegünstigung steht als Gefahr dabei immer im Raum.24 Dass dies nicht ohne Auswirkungen auf das Vergabeverfahren bleiben kann,25 werden die nachstehenden Ausführungen zeigen. Das Grundprinzip der deutschen Wirtschaftsordnung stellt der Wettbewerb dar. Unternehmen begeben sich in den Markt und durch Konkurrenz dieser Unternehmen zu- und untereinander entstehen unterschiedliche Angebote und Preise. Nicht nur durch das GG,26 sondern auch durch das GWB ist der Wettbewerb27 als „Institution einer marktwirtschaftlich orientierten Wirt22 Hierzu
ausführlich in § 7 II.6. auch Jacob, N&R 2012, 194 (201); ähnlich: Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 18 f. 24 So auch Jacob, N&R 2012, 194 (201). 25 Siehe hierzu auch: § 7 II.6. 26 Hierzu: § 6 II. 27 Vgl. § 5 II.5. 23 So
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schaftsordnung“ in Deutschland rechtlich geschützt.28 Das „fundamentum competitionis“ ist die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung.29 Die herausgehobene Bedeutung des Wettbewerbs wird auch durch das europäische Primärrecht nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa herausgestellt. Mit Blick auf den europäischen Binnenmarkt ist das europäische Vertragswerk durch die Leitidee des freien Wettbewerbs gekennzeichnet,30 was etwa in Art. 119 Abs. 1 AEUV und im Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerber (Protokoll Nr. 27) deutlich wird. In diesem Wettbewerb sind die Marktakteure grundsätzlich Private, die in Ausübung ihrer Privatautonomie den Markt gestalten. Dies stellt auch der EuGH fest,31 wenn er in Bezug auf das Vorliegen eines unverfälschten Wettbewerbs darauf abstellt, dass dieser anzunehmen sei, wenn ein normaler Produkt- und Dienstleistungswettbewerb auf der Grundlage der Leistungen der „Marktbürger“ stattfinde.32 Die Wirtschaft soll auf diese Weise im freien Wettbewerb und in grundsätzlicher Freiheit vor (staatlichen) Eingriffen aus sich heraus funktionieren.33 Denn es ist nicht die Aufgabe staatlicher Stellen durch marktwirtschaftliche Betätigung Gewinne zu erwirtschaften; vielmehr soll die Marktwirtschaft von den „Kräften des Wirtschaftslebens“ ausgefüllt werden.34 Durch die dennoch notwendigen staatlichen Eingriffe darf die Marktwirtschaft daher nicht in ihrer Struktur grundlegend verändert oder verletzt werden (etwa durch Herbeiführung eines Staatssozialismus, Staatskapitalismus, eine Verfälschung des Wettbewerbs oder eine Diskriminierung der Privatwirtschaft).35 Die Staatsfreiheit der Wirtschaft ist vielmehr grundsätzlich geboten.36 Auf diese Weise kann der Wettbewerb seine marktregulierenden Funktionen erfüllen sowie Angebotsvielfalt und Kostensenkungen schaffen.37 Dass die privaten Akteure in diesem Wirtschaftsgefüge frei agieren können, ist nicht etwa wegen der Grundrechte so. Vielmehr sind die GrundrechUWG Kommentar,33. (2015), Einleitung Rn. 1.25. UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung Rn. 1.25. 30 So auch Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung Rn. 1.42. 31 EUGH, Urt. v. 13.02.1979, C- 85/76, Slg. 1979, S. 464 (541), Rn. 91. 32 Callies/Ruffert-Weiß, Kommentar zum AEUV/EUV,4. (2011), Art. 101 AEUV Rn. 78. 33 Dauses-Hoffmann, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts,28. EGL (Juni 2011), Art. 101 und Art. 102 AEUV im Überblick, Rn. 8 ff. 34 So treffend Bracker/Dehn-Dehn/Wolf, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein,11. (2014), § 101, S. 597. 35 Freiherr von Gamm, GRUR 1959, 303 (305). 36 Maunz/Dürig-Di Fabio, Grundgesetz Kommentar,39. EGL (Juli 2011) Art. 2 Rn. 76. 37 Zu den Funktionen des Wettbewerbs ausführlich in § 5 II.5. 28 Köhler/Bornkamm-Köhler, 29 Köhler/Bornkamm-Köhler,
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te Ausdruck der Anerkennung der prinzipiell freien Bürger, denen originär Freiheit und Freiheitsrechte wie die Selbstentfaltung der Person zukommen.38 Die Grundrechte wiederholen dies und verbinden es mit einem verfassungsrechtlich gewährleisteten Abwehrrecht gegen den Staat und seine Untergliederungen. Demgegenüber existiert der Staat nicht seiner selbst willen, sondern um seinen Bürgern zu dienen.39 Er fungiert als Treuhänder bei der Aufgabenwahrnehmung für den Bürger und ist den Bürgern hierüber Rechenschaft pflichtig.40 Der Staat agiert gerade nicht privatautonom wie seine Bürger,41 sondern muss stets einen öffentlichen Zweck bei seiner Aufgabenwahrnehmung erfüllen, was sich im GG maßgeblich aus dem Rechtsstaats-42 und Sozialstaatsprinzip ergibt.43 Insofern hat sich das Verfassungsmodell der Bundesrepublik und ebenso das der Europäischen Union für eine Trennung von Gesellschaft und Staat entschieden, in der der Staat und seine Einheiten „im Reich der Bindungen agieren“, wohingegen die Gesellschaft und ihre Bürger sich „im Reich der Freiheit befinden“.44 Dies kommt im Grundgesetz an prominenter Stelle in Art. 1 Abs. 3 GG zum Ausdruck. Zum besseren Verständnis des Wesens des Staates und dessen Verhältnis zum Wettbewerb lohnt dabei auch ein Blick in die Geschichte des Staates und der Staatslehre. Der Staat erfüllt eine Surrogatsfunktion für die ehemals vorhandenen Gemeinschaften von Menschen.45 Diese Gemeinschaften von Menschen werden unter der einen großen „kollektiven Bindung des Menschen“, nämlich dem Staat, zusammengefasst.46 Diesen Surrogatscharakter 38 Sehr deutlich: BVerfG, Urt. v. 22.02.2011, 1 BvR 699/06, NJW 2011, 1201 (1202), Rn. 48 der Entscheidung. 39 So auch Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Gemeinden (2010), S. 56; Isensee/Kirchhof-Isensee, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV,3. (2006) § 71 Rn. 27; Hegels, Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821), S. 257 ff., wonach sich der moderne Staatsbau auf „den Not- und Verstandesstaat [beschränkt], der für die Lebens- und Freiheitsbedürfnisse der Bürger organisiert wird.“ 40 BVerfG, Urt. v. 22.02.2011, 1 BvR 699/06, NJW 2011, 1201 (1202), Rn. 48 der Entscheidung. 41 Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), S. 21 (37). 42 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2 (2011), Teil 2, Rn. 22; Pünder/Dittmar, JURA 2005, 760 (760). 43 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2 (2011), Teil 2, Rn. 22. 44 Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Gemeinden (2010), S. 34. 45 Dürig, JZ 1953, 193 (198). 46 Dürig, JZ 1953, 193 (198).
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hat der Staat bis heute, was sich aus zahlreichen Normierungen im GG (Art. 1, Art. 6, Art. 9, Art. 2, Art. 28 und Art. 20, 79 GG) ableiten lässt. Isensee knüpft an dieses Staatsverständnis an, indem er ausführt, dass „die öffentliche Gewalt gegenüber dem Menschen als dem ursprünglichen Träger der Freiheit subsidiär“47 ist und „nur soweit die freie Initiative die Forderungen des Gemeinwohls nicht erfüllt, darf die öffentliche Gewalt tätig werden.“48 Es bedarf daher einer Rechtfertigung staatlichen und kommunalen Handelns, wobei nach hier vertretener Ansicht diese Rechtfertigung nicht leichthin erfolgen kann, was sich „eben aus dem prinzipiellen Vorrang privater Lebensgestaltung als Verfassungsgrundsatz“49 und dem so verstandenen Subsidiaritätsprinzip aus den Wertungen des GG ergibt. Dieses so verstandene Subsidiaritätsprinzip,50 also der Vorrang des Privaten vor dem Staatlichen, leiten einige Stimmen in der Literatur unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip ab,51 welches den Staat unter Rechtfertigungsdruck hinsichtlich Eingriffen in die Freiheitsrechte der Bürger stelle und damit einen Vorrang freiheitlicher Entfaltung in der Verfassung etabliere. Andere entnehmen die Subsidiarität staatlichen Handelns und Wirtschaftens der allgemeinen Handlungsfreiheit der Bürger gem. Art. 2 Abs. 1 GG.52 Wieder andere leiten es aus einer Zusammenschau von Art. 28, Art. 20,79, Art. 1, Art. 6 und Art. 9 GG ab, wobei Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG in Bezug auf den Stand der Familie die Subsidiarität ausdrücklich normiert.53 Aus der Zusammenschau dieser Normen ergebe sich, dass in der Verfassung ein Vorrangprinzip der Gestalt enthalten sei, dass die einzelne Person vor der Familie, diese wiederum vor Kooperationen, die Kooperationen vor Gemeinden, Letztere vor den Bundesländern und schließlich die Bundesländer vor dem Bund stünden.54 Andere ziehen dabei noch zusätzlich den Art. 23 GG i. V. m. dem europäischen Subsidiaritätsprinzip heran,55 47 Isensee,
Subsidiariatätsprinzip und Verfassungsrecht (1968), S. 273. Subsidiariatätsprinzip und Verfassungsrecht (1968), S. 273. 49 Sodan, in: Ziekow, Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft (2000), S. 35 (56). 50 Verneinend im Hinblick auf ein Subsidiaritätsprinzip aus dem GG: VG Gießen, Beschl. v. 14.10.2004, Az. 8 G 3009/04, NVwZ-RR 2005, 201 (202); Britz, NVwZ 2001, 380 (381); Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 17; Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 127. 51 Isensee, Subsidiariatätsprinzip und Verfassungsrecht (1968), S. 270 ff. 52 Ackermann, DVBl. 1965, 353 (354); Ipsen, NJW 1963, 2102 (2107). 53 Dürig, JZ 1953, 193 (198); Erichsen, Gemeinde und Private im wirtschaftlichen Wettbewerb (1987), S. 32. 54 Dürig, JZ 1953, 193 (198). 55 Oppermann, JuS 1996, 569 (570 f.). 48 Isensee,
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welches nach der Maastricht-Entscheidung des BVerfG eine Verfassungspflicht darstellt.56 Dieses so verstandene Subsidiaritätsprinzip aus dem GG begegnet heftiger Kritik, die sich wesentlich darauf stützt, dass dem GG kein solches Prinzip direkt entnommen werden könne und die vereinzelten bereichsspezifischen Normierungen einer Subsidiarität staatlicher Intervention (z. B. in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) keine Allgemeingültigkeit aufwiesen.57 Dem ist insoweit zuzustimmen, als im GG keine ausdrückliche allgemein Subsidiaritätsregelung zu finden ist. Die Zusammenschau der vorgenannten GG-Bestimmungen und das zuvor dargestellte Verständnis vom Wesen des Staates führen aber nach hier vertretener Ansicht zu einem grundsätzlichen Vorrang von privatem vor staatlichem Handeln. Denn der Staat erfüllt nach seinem historischen Entstehungsgrund sowie Sinn und Zweck nur eine Surrogatsfunktion, und zwar nur dort, wo diese nötig ist. Allgemein anerkennend führt dies auch die Bundesregierung in der 17. Legislaturperiode aus: „Ordnungspolitisch sollte nach dem Prinzip der Subsidiarität grundsätzlich der Staat nur die Aufgaben übernehmen, die Private nicht eben so gut und wirtschaftlich erfüllen können.“58 Dem Staat obliegen damit als Treuhänder für die Bürger (nicht aus sich heraus) zentrale Aufgaben, ohne deren Erfüllung das Staatsgefüge für die Bürger nicht funktionieren würde. Der Staat fungiert durch seine Organe als Normsetzer und als Aufsichtsinstanz.59 Deswegen bestehen die primären Aufgaben des Staates im Hinblick auf den Wettbewerb und Markt darin, für den Wettbewerb und die Akteure im Markt den ordnungspolitischen und rechtlichen Rahmen zu setzen (legislatives Einwirken), diesen Rahmen auszugestalten, zu koordinieren und ggf. steuernd einzugreifen (exekutives Einwirken) und durch Gerichte die Einhaltung des Rahmens zu überwachen (judikatives Einwirken). Dieses Können des Staates wird aus der ihm obliegenden Staatsgewalt abgeleitet, die wiederum gem. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG vom Volke ausgeht und gem. Art. 20 Abs. 3 GG gebunden ist, und zwar die 56 BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, NJW 1993, 3047 (3057) ‒ „Maastricht-Urteil“. 57 Britz, NVwZ 2001, 380 (381); Gloy/Loschelder/Erdmann-Poppen, Wettbewerbsrecht4. (2010) § 66 Rn. 11; Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), S. 21 (29); Lübke, EuR Bei 2011, 99 (103); Mann/Püttner-Wendt, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 42 Rn. 45 f.; Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, 421 (427); Storr, Der Staat als Unternehmer,3. (2001), S. 433 ff. 58 Bundesregierung, Stellungnahme der Bundesregierung zum Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 2009/2010, BT-Drs. 17/6640, S. II. 59 Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag, Berg- und Energierecht vor den Fragen der Gegenwart (1989), S. 251 (252).
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Legislative an die verfassungsmäßige Ordnung und die Exekutive und Judikative an Gesetz und Recht. Im Übrigen ergibt sich aus Art. 1 Abs. 3 GG die Bindung aller drei Gewalten und damit auch der Gemeinden als Teil der Exekutive an die Grundrechte. Nun könnte man im Zusammenhang mit dem Energiemarkt die besondere Rolle der Wettbewerbsverzerrungen durch das natürliche Monopol Netz zum Anlass nehmen, um ein Einschreiten des Staates zu begründen. Um überhöhte Preise und vernachlässigte Netze zu vermeiden, könnte dem Staat bzw. den Gemeinde ein Netzbetrieb sogar geboten sein. Der Gesetzgeber hat sich mit der Einführung des umfassenden Regulierungsrechts indes dafür entschieden, staatlicherseits in den Markt einzugreifen und gefestigte Machtpositionen durch Entflechtungsbestimmungen, Begrenzungen von Netzentgelten, Anreizregulierung, etc. und eine Überwachung durch die BNetzA zu durchbrechen und die monopolistischen Strukturen auf diese Weise zu kontrollieren.60 Dies zeigt, dass natürliche Monopole nicht durch den Staat selbst betrieben werden müssen. Sie müssen vielmehr staatlicherseits kontrolliert und reglementiert werden.61 Hierfür wurde die BNetzA mit neuen Rechten ausgestattet und der Energiemarkt liberalisiert und dem Wettbewerb geöffnet.62 Diese vorstehend dargelegten vielfältigen „wesensgemäßen Einwirkungsmöglichkeiten“ des Staates auf den Wettbewerb und Markt müssen im Grundsatz dazu führen, dass eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand nur eine Ausnahme bleiben kann.63 Dabei geht eine Stimme in der Literatur sogar soweit, dies damit zu begründen, dass „grundsätzlich eine erwerbswirtschaftliche Betätigung nicht mit dem Wesen und Sinn des Staates, der Länder und Gemeinden als ursprünglichen Gebietskörperschaften zur Sicherheit und zum Wohle der Gewaltunterworfenen in Einklang“ stünde.64 Jedenfalls lässt sich feststellen, dass nur in Ausnahmefällen der Staat selbst als Marktakteur auftreten und hierbei die freie Wirtschaft als Institution nicht erdrücken oder gar unmöglich machen darf.65 Adam Smith beschrieb dies als Marktversagen, welches dadurch entsteht, dass die „unsicht60 Hierzu:
§ 8 II.3. auch Vossler, iwp 03/2012, 1 (1). 62 Etwa durch § 46 Abs. 2 S. 5 EnWG; hierzu bspw.: Theobald/Gey-Kern, EuZW 2011, 896 (898 f.). 63 So schon: Freiherr von Gamm, GRUR 1959, 303 (304), dieser formuliert sogar soweit gehend, dass die staatliche erwerbswirtschaftliche Betätigung nur „ultima ratio“ sein dürfe. 64 Freiherr von Gamm, GRUR 1959, 303 (304). 65 Maunz/Dürig-Di Fabio, Grundgesetz Kommentar,39. EGL (Juli 2011), Art. 2 Rn. 76. 61 So
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bare Hand des Marktes“66, d. h. die kompetativen Selbstregulierungsmechanismen des Wettbewerbs nicht wirken können.67 Im Hinblick auf die Infrastruktur wurde dies jedoch in der Vergangenheit auch anders beurteilt. Es gab Stimmen, die gerade die existentiell notwendige Infrastrukturbereitstellung als ausschließliche Wahrnehmungszuständigkeit des Staates ansahen.68 Diese Ansicht kann im Zuge der Strukturreformen in Eisenbahn-, Telekommunikations- und Postwesen,69 aber auch im Rahmen der Liberalisierung des Energiemarktes durch die Europäische Union, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Der Staat ist im Bereich der Infrastruktur vielmehr weitestgehend auf die Gewährleistungs- und Regulierungsverantwortung reduziert.70 Es besteht gerade keine Erfüllungsverantwortung in dem Sinne, dass ein Eingreifen des Staates selbst, z. B. durch den Eingenbetrieb der Stromnetze, geboten ist.71 Der Staat hat somit aus sich heraus keine automatische oder gar ausschließliche Zuständigkeit zur Wahrnehmung der Elektrizitätsversorgung. Im Gegenteil: Grundsätzlich hat der Staat die erwerbswirtschaftliche Betätigung seinen Bürgern und damit den Privaten zu überlassen. Dies gilt es im Rahmen der nachfolgenden Betrachtungen zur (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze zu beachten.
III. Finanzierung staatlicher Aktivitäten Die Finanzierung des Staates und der Gemeinden basiert in Deutschland auf dem Steuer- und Abgabenstaatsystem gem. Art. 105 bis 108 GG. Das bedeutet, dass der Staat seine Aufgabenwahrnehmung und den Erhalt seiner Einrichtungen in erster Linie aus dem Steuer- und Abgabenaufkommen seiner Bürger finanzieren muss.72 Verfassungsrechtlich ist dieser Vorrang 66 Smith, An Iquiry into the Nature and Cause of the Wealth of Nations (1937), S. 423. 67 Zu den Besonderheiten, die im Zusammenhang mit der Eigenschaft der Stromnetze als natürliches Monopol entstehen, siehe Kap. § 5 II.6. 68 Krüger, Marktwirtschaftliche Ordnung und öffentliche Vorhaltung der Verkehrswege (1969), S. 1 f., 12 ff., 31. 69 So Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung (2001), S. 620. 70 Ausführlich zur Staatsaufgabenproblematik: Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung (1998), S. 128 ff. 71 So auch BKartA, Beschluss vom 30.11.2012, B8-101/11, S. 44 (Rn. 114). 72 Epping/Hillgruber-Kube, Beck’scher Onlinekommentar,24. Edition (Stand: 01.03.2015), Art. 105 Rn. 2; Frenz, GewArch 2006, 100 (101); Papier, DVBl. 2003, 686 (689); Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, 421 (428); Rothe, in: Wallerath (Hrsg.), Kommunen im Wettbewerb,1. (2001), S. 43 (43); Waechter, Kommunalrecht,3. (1997), XIII. Kapitel, Rn. 596.
III. Finanzierung staatlicher Aktivitäten 33
des Steuerstaates geregelt.73 Hieraus folgt, dass sich der Staat und die Gemeinden finanzverfassungsrechtlich vor allem aus Einnahmen, die die Bürger entrichten, und nicht aus eigener wirtschaftlicher Betätigung finanzieren soll.74 Der Staat und auch die Gemeinden erhalten somit ihre finanzielle Ausstattung durch Partizipation an der Wirtschaftsaktivität ihrer Bürger.75 Dabei steht die staatliche Besteuerungsgewalt in einem Konflikt zur Eigentums- und Berufsfreiheit der Bürger, dient indes der Verwirklichung der Sozialstaatlichkeit.76 Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass die Teilnahme der Bürger an Wettbewerb und Wirtschaft zur Generierung eines möglichst hohen Steuereinkommens (im Interesse des Staates) die verfassungsrechtlich vorgesehene Regel ist. Damit die Bürger ein möglichst hohes Steuereinkommen für den Staat erzielen können, hat das staatliche Engagement im Wettbewerb nur in geringfügiger Weise stattzufinden, um den den Bürgern überlassenen Markt nicht zu behindern. Insbesondere ergibt sich aus dem Steuer- und Abgabenstaatsystem, verstärkt durch das Rechtsstaatsprinzip77 das Erfordernis eines besonderen öffentlichen Zwecks der staatlichen Wirtschaftstätigkeit.78 Denn der Staat bedarf gerade grundsätzlich keiner wirtschaftlichen Betätigung, um Einnahmen zur Finanzierung der von ihm zu erbringenden Leistungen zu generieren. Insofern ist das erwerbswirtschaftliche Handeln des Staates eine Ausnahme, deren Zulässigkeit jeweils kritisch zu prüfen ist.79 Konträr dazu ist momentan aber zu beobachten, dass eine Ausgabenpolitik ungeahnten Ausmaßes stattfindet, die die Steuerlast der Bürger erhöht, die Schuldenlast des Staates aber wenig bis gar nicht minimiert. Anstatt die Schuldenlast durch Einsparungen zu reduzieren, sollen zusätzliche Mehreinnahmen durch staatliche bzw. kommunale wirtschaftliche Aktivität generiert werden. Dies ist eine bedenkliche Entwicklung, die das Gefüge zwischen Steuerstaat und der Entfaltung privatwirtschaftlicher Berufs- und Eigentumsfreiheit in Ungleichgewicht bringt. Auch dies gilt es im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen zu berücksichtigen. 73 Papier, DVBl. 2003, 686 (689); Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, 421 (428); Waechter, Kommunalrecht,3. (1997), XIII. Kapitel, Rn. 596. 74 Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), S. 21 (35). 75 Maunz/Dürig-Papier, Grundgesetz Kommentar,59. EGL (Juli 2010), Art. 14 Rn. 167. 76 Maunz/Dürig-Papier, Grundgesetz Kommentar,59. EGL (Juli 2010), Art. 14 Rn. 168. 77 Wolf, GewArch 1999, 177 (178 f.). 78 Dolde, ZHR 166 (2002), 515 (516); Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 17; Papier, DVBl. 2003, 686 (689); Rennert, JZ 2003, 385 (390). 79 Dolde, ZHR 166 (2002), 515 (516); Ehlers, JZ 1990, 1089 (1089); Fabry/ Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 17; Rennert, JZ 2003, 385 (394); Wolf, GewArch 1999, 177 (179).
§ 2 Gegenstand und Gang der Untersuchungen Diese vorstehenden ersten einleitenden Worte und grundsätzlichen Er wägungen sollen den nachfolgenden Gang der Untersuchungen begleiten, um letztlich die drängenden juristischen Fragen im Zusammenhang mit der (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze zu klären. Bevor eine eingehende Befassung mit dem Phänomen der (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze erfolgt, wird zunächst eine Klärung der relevanten Begrifflichkeiten für diese Arbeit vorgenommen werden [§ 3]. Dabei spielt der Begriff der (Re)Kommunalisierung, der kein juristischer ist, eine zentrale Rolle. Die Begriffsbestimmung wird in Abgrenzung zu andern, in der allgemeinen politischen wie juristischen Diskussion ebenfalls und z. T. synonym verwendeten Begriffen erfolgen. In dem darauf folgenden Abschnitt [§ 4] werden die Gründe für die (Re)Kommunalisierung, die von Gemeinden im Zusammenhang mit diesem Vorhaben angegeben werden, näher betrachtet. Dieser Abschnitt soll einen Eindruck von den Erwartungen vermitteln, die mit der (Re)Kommunalisierung seitens der Gemeinden verbunden werden und gleichzeitig auch für die späteren Ausführungen Maßstab der (Re)Kommunalisierungsentscheidungen sein. Bereits an dieser Stelle wird auch eine erste kritische Auseinandersetzung und Bewertung erfolgen. Im Anschluss hieran wird der technische und wirtschaftliche Rahmen, in dem sich die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze bewegt, näher beleuchtet werden [§ 5]. Gerade im Energiebereich, insbesondere im Bereich der Elektrizitätswirtschaft, sind technische Gegebenheiten und Grenzen zu berücksichtigen [§ 5 I.], die sich auch auf den wirtschaftlichen und juristischen Rahmen auswirken. Daneben sind wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu beachten. Auch diese werden gesondert dargestellt werden [§ 5 II.]. Daneben hat die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze aber vor allem in einem komplexen rechtlichen Rahmen zu erfolgen [§ 6]. Hierbei ist zunächst im Rahmen der (Re)Kommunalisierung der Gesetzesvorbehalt zu beachten. Für das Tätigwerden der Gemeinden als Teil des Staates bedarf es einer gesetzlichen Grundlage und diesbezüglichen Befugnis. In besonderer Weise ist daher das „Ob“ und „Wie“ der (Re)Kommunalisierung aus rechtlicher Sicht zu prüfen. Im Hinblick auf den Energiebereich ist dabei zunächst das Europarecht als übergeordneter Rahmen von großer Bedeutung [§ 6 I.]. Neben dem europäischen Primärrecht [§ 6 I.1.] ist dabei das Sekun-
§ 2 Gegenstand und Gang der Untersuchungen35
därrecht [§ 6 I.2.], besonders in Form der Energiebinnenmarktpakete relevant. Aber auch das Grundgesetz [§ 6 II.] bestimmt den rechtlichen Rahmen der Energieversorgung in besonderer Weise. Darüber hinaus setzt das einfache Recht, insbesondere in Form des Energiewirtschaftsrechts, den Rahmen für die (Re)Kommunalisierungsvorhaben der Gemeinden [§ 6 III.]. Auch das Landesrecht [§ 6 IV.] in Form der Landesverfassungen [§ 6 IV.1.] und des Kommunalrechts [§ 6 IV.2.], welches gerade im Hinblick auf das Tätigwerden von Gemeinden den von übergeordneter Gesetzesebene vorgegebenen Rahmen näher konkretisiert, geben die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen für die (Re)Kommunalisierung vor. Dieser rechtliche Rahmen wird in § 6 eingehend untersucht werden. Daran anschließend wird in § 7 auf die Rückführung der Netze in kommunale Hand, also die Umsetzung der (Re)Kommunalisierung und die damit verbundenen Probleme eingegangen werden. Dabei wird das Konzessionsvergabeverfahren eingehend unter Betrachtung verschiedener Aspekte des Verfahrens untersucht [§ 7 II.3.]. In besonderem Maße wird dabei den Anforderungen an die Verfahrensgestaltung und -durchführung Aufmerksamkeit gewidmet [§ 7 II.3.e)]. Aber auch andere Aspekte, wie die Informationspflicht und der Auskunftsanspruch vor Durchführung der Konzessions vergabe [§ 7 II.3.c)], die Durchführung eines Interessenbekundungsverfahrens [§ 7 II.3.d)] und die Frage, ob (Re)Kommunalisierungsvorhaben im Rahmen der Konzessionsvergabe privilegiert werden können [§ 7 II.3.f)], werden geprüft. Darüber hinaus werden die zulässigen Entscheidungs- und Auswahlkriterien im Rahmen der Konzessionsvergabe [§ 7 II.4.] ebenso wie die Möglichkeit ihrer Gewichtung [§ 7 II.5.] eingehend betrachtet. Schon in den einleitenden Ausführungen wurde auf den Interessenkonflikt der Gemeinden bei der (Re)Kommunalisierung hingewiesen. Hieran anknüpfend erfolgt eine eingehende Betrachtung der verfahrensdurchführenden und -entscheidenden Stelle und eine kritische Hinterfragung der derzeitigen Regelungen im EnWG [§ 7 II.6.]. Mit Blick auf die Realisierung eines (Re)Kommunalisierungsvorhabens stellen sich oftmals besondere Frage- und Problemstellungen bei der Übereignung bzw. nach altem Recht der Überlassung der Netzanlagen. Diesen Fragen, insbesondere mit Blick auf die Novelle des EnWG im Jahre 2011 und die Verfassungsmäßigkeit der neuen Übereignungspflicht nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG [§ 7 III.], aber auch bzgl. der wirtschaftlich angemessenen Vergütung [§ 7 IV.], widmen sich die weiteren beiden Abschnitte. Ehe eine Schlussbetrachtung im Hinblick auf die Folgen und Konsequenzen der Auswertungen erfolgt, werden verschiedene (Re)Kommunalisierungsmodelle dargestellt und rechtlich untersucht [§ 8]. Zunächst werden dabei exemplarische Modelllösungen für die (Re)Kommunalisierung vorge-
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§ 2 Gegenstand und Gang der Untersuchungen
stellt [§ 8 I.]. In einem zweiten Schritt wird dann die Auseinandersetzung mit den hierfür relevanten rechtlichen Vorgaben und Grenzen erfolgen [§ 8 II.], um dadurch rechtlich zulässige (Re)Kommunalisierungsmodelle zu ermitteln und im Abgleich mit den Zielen der (Re)Kommunalisierung taugliche Formen vorstellen zu können. Auch andere, im Zusammenhang mit den (Re)Kommunalisierungsmodellen typische Problemkreise, die Vereinbarung von Garantierenditen bei Partnerlösungen [§ 8 III.] und die Verfahrensregeln für die Suche nach einem Partner für die (Re)Kommunalisierung [§ 8 IV.], werden untersucht werden, ehe eine abschließende Betrachtung der Ergebnisse [§ 9] folgt. Selbstverständlich können dabei nicht alle aktuellen und generell pro blematischen Aspekte des Energierechts und der (Re)Kommunalisierung betrachtet und untersucht werden. Diese Arbeit beschränkt sich vielmehr auf die Betrachtung des Elektrizitätssektors und dabei – aus der Natur der (Re)Kommunalisierung heraus – auf die Verteilernetzebene. Sie setzt Schwerpunkte in ausgewählten, in der Praxis derzeit besonders diskutierten Bereichen.
§ 3 (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung: Begriffsbestimmung und Abgrenzungen Das Thema (Re)Kommunalisierung wirft schon rein begrifflich Fragen auf. Um die Bedeutung des Begriffs (Re)Kommunalisierung zu beleuchten, wird daher begrifflich von anderen, in der allgemeinen Diskussion ebenfalls verwendeten Begriffen abgegrenzt werden. Da sich diese Arbeit auf die (Re)Kommunalisierung innerhalb der Energieversorgung, konkret bezogen auf die Elektrizitätsverteilernetze, bezieht, werden jedoch zunächst die Begriffe der Energieversorgung und der Verteilernetze begrifflich und inhaltlich eingeführt. Da eine (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze ohne den Erhalt des Wegenutzungsrechts bzw. Konzessionsrechts nach § 46 EnWG nicht möglich ist und der Begriff der Wegenutzungsverträge bzw. Konzessionsverträge daher an vielen Stellen dieser Arbeit Erwähnung und Verwendung findet, wird auch dieser vorab begrifflich dargestellt werden.
I. Energieversorgung Der Begriff der Energieversorgung zerfällt begrifflich in zwei Teile, „Energie“ und „Versorgung“, die im EnWG getrennt definiert werden. Energie ist gem. § 3 Nr. 14 EnWG sowohl Elektrizität als auch Gas, soweit beide Energieträger zur leitungsgebundenen Energieversorgung verwendet werden. In dieser Arbeit wird dabei die Elektrizität im Fokus stehen. In § 3 Nr. 36 EnWG wird der Begriff der Versorgung legaldefiniert als „die Erzeugung oder Gewinnung von Energie zur Belieferung von Kunden, der Vertrieb von Energie an Kunden und der Betrieb eines Energieversorgungsnetzes“. Damit umfasst der deutsche Begriff der Versorgung alle Wertschöpfungsstufen des Energiesektors [hierzu unter § 5 II.3.], nämlich sowohl die Erzeugung (§ 3 Nr. 36 Var. 1 EnWG), die Übertragung und Verteilung über das Netz (§ 3 Nr. 36 Var. 3 EnWG) als auch den Vertrieb (§ 3 Nr. 36 Var. 2 EnWG). Das EnWG verwendet damit den Begriff der Versorgung anders, als die Richtlinie 2009 / 72 / EG, der die zahlreichen Legaldefinitionen im Übrigen größtenteils entstammen. In Art. 2 Nr. 19 der RL 2009 / 72 / EG wird die Versorgung als „Verkauf einschließlich des Weiterverkaufs von Elektrizität an Kunden“ definiert. Damit ist die Versorgung nach europäischem Verständnis lediglich auf die letzte Wertschöpfungsstufe, den Vertrieb (vgl. § 3 Nr. 36 Var. 2 EnWG), beschränkt. Damit bietet das europäische Recht
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§ 3 (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung
eine größere Klarheit. Im deutschen Recht entsteht demgegenüber die Schwierigkeit, dass bei der Verwendung des Begriffs „Energieversorgung“ nicht klar ist, welcher der drei Wertschöpfungsstufen gemeint ist.1 Für die weiteren Ausführungen wird dennoch der Begriff der Energieversorgung nach deutschem Verständnis verwendet, allerdings nur dann, wenn auch alle drei Wertschöpfungsstufen gemeint sind. Im Übrigen werden die Wertschöpfungsstufen getrennt genannt, wobei die Verteilung der Energie in Form von Elektrizität über Verteilernetze zentral sein wird.
II. Verteilernetze Was unter den vorgenannten Verteilernetzen zu verstehen ist, ergibt sich aus einer Betrachtung der unterschiedlichen Netzebenen der Elektrizitätsverteilung. Das EnWG und die zugrundeliegende Richtlinie 2009 / 72 / EG differenzieren zwischen zwei Netzebenen: der Übertragungs- und der Verteilernetzebene. Für die Betrachtung der (Re)Kommunalisierung kommt es, schon begrifflich, nur auf die Netze an, die auch im Gemeindegebiet befindlich sind und von den Gemeinden in diesem Einflussbereich überhaupt übernommen werden können. Daher ist die Verteiler- und nicht die Übertragungsnetzebene entscheidend. Verteilung meint gem. § 3 Nr. 37 EnWG den „Transport von Elektrizität mit hoher, mittlerer oder niederer Spannung über Elektrizitätsverteilernetze oder der Transport von Gas über örtliche oder regionale Leitungsnetze, um die Versorgung von Kunden zu ermöglichen, jedoch nicht die Belieferung der Kunden selbst“.2 Die zugrundeliegende Richtlinie 2009 / 72 / EG sieht in Art. 2 Nr. 5 ebenfalls eine ähnliche Bestimmung vor, wonach Verteilung „den Transport von Elektrizität mit hoher, mittlerer oder niedriger Spannung über Verteilernetze zum Zwecke der Belieferung von Kunden, jedoch mit Ausnahme der Versorgung“ meint, wobei Art. 2 Nr. 19 RL 2009 / 72 / EG die Versorgung, wie zuvor unter § 3 I. bereits ausgeführt, definiert als „den Verkauf einschließlich des Weiterverkaufs von Elektrizität an Kunden“, so dass der Vertrieb vom Begriff der Verteilung nicht umfasst ist. Die europäische Definition der Verteilung bezieht sich dabei nur auf Elektrizität als Energieform, nicht jedoch auf Gas, ganz anders die deutsche Legaldefinition, die auch den Transport von Gas mit einschließt. 1 So auch Danner/Theobald-Theobald, Energiewirtschaftsgesetz mit Verordnungen, EU-Richtlinien, Gesetzesmaterialien, Gesetzte und Verordnungen zu Energieeinsparung und Umweltschutz sowie andere energiewirtschaftlich relevante Rechtsregelungen,55. EGL (2007), § 3 EnWG Rn. 272. 2 Zu der technischen Bedeutung und dem technischen Rahmen siehe § 5 I.
III. Wegenutzungsverträge39
Das örtliche Verteilernetz ist demzufolge im EnWG in § 3 Nr. 29 c definiert, als „ein Netz, das überwiegend der Belieferung von Letztverbrauchern über örtliche Leitungen, unabhängig von der Druckstufe oder dem Durchmesser der Leitungen, dient; für die Abgrenzung der örtlichen Verteilernetze von den vorgelagerten Netzebenen wird auf das Konzessionsgebiet abgestellt, in dem ein Netz der allgemeinen Versorgung im Sinne des § 18 Abs. 1 und des § 46 Abs. 2 betrieben wird einschließlich von Leitungen, die ein örtliches Verteilernetz mit einem benachbarten örtlichen Verteilernetz verbinden“. Auch bei der Definition des örtlichen Verteilernetzes bezieht sich die deutsche Legaldefinition damit sowohl auf Gas (ersichtlich aus der Formulierung „Druckstufen“) als auch auf Elektrizität. Eine entsprechende Definition fehlt in der RL 2009 / 72 / EG. Diese enthält in Art. 2 Nr. 6 nur die Definition des Verteilernetzbetreibers, der definiert ist als „eine natürliche oder juristische Person, die verantwortlich ist für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Verteilernetzes in einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen sowie für die Sicherstellung der langfristigen Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Verteilung von Elektrizität zu decken“. In dieser Definition verwendet der Richtliniengeber den Begriff des Verteilernetzes und diesen wiederum nur im Kontext mit Elektrizität als Energieträger. Eine entsprechende Definition fehlt im deutschen EnWG. Bei den nachfolgenden Betrachtungen wird nur der Elektrizitätssektor betrachtet, so dass auch nur die Verteilernetze für Elektrizität eine Rolle spielen werden. Als Begriff wird hierfür das „Verteilernetz“ entsprechend § 3 Nr. 29c EnWG benutzt werden.
III. Wegenutzungsverträge Zentraler Schlüssel für den Betrieb der Verteilernetze ist der Abschluss eines Wegenutzungsvertrages zwischen Gemeinde3 und zukünftigem Netzbetreiber nach § 46 EnWG. Das EnWG unterscheidet in § 46 EnWG zwi3 Die Gemeinden i. S. d. § 46 EnWG sind dabei alle kreisangehörigen oder kreisfreien Städte sowie Gemeinden, Samtgemeinden, Orts- oder Verbandsgemeinden, vgl. auch BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben in der Strom und Gasversorgung (9.11.2010), S. 12; Kermel/Bruckner/Baumann-Kermel, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 31; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 13. Wenn nachfolgend von „Gemeinden“ die Rede ist, sind damit eben diese Erscheinungsformen kommunaler Selbstverwaltung gemeint.
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§ 3 (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung
schen einfachen Wegenutzungsverträgen gem. § 46 Abs. 1 EnWG und qualifizierten Wegenutzungsverträgen gem. § 46 Abs. 2 EnWG. Der einfache Wegenutzungsvertrag nach § 46 Abs. 1 EnWG bezieht sich auf die einfache Wegenutzung über Direkt- oder Stichleitungen (leitungsbezogener Vertrag), während der qualifizierte Wegenutzungsvertrag nach § 46 Abs. 2 EnWG sich auf die Stromverteilung im gesamten Gemeindegebiet bezieht (gebietsbezogener Vertrag).4 Nachfolgend wird § 46 Abs. 2 EnWG im Fokus der Betrachtungen stehen. Dieser qualifizierte Wegenutzungsvertrag kommt nicht etwa im Wege eines normalen Vertragsschlusses zustande oder gar kraft staatlichen Verleihungsaktes, sondern in einem – noch näher zu untersuchenden – Vergabeverfahren.5 In diesem Verfahren – auch Konzessionsvergabe genannt – wird über die Vergabe der Dienstleistung „örtlicher Netzbetrieb“ an einen Dritten entschieden. Die qualifizierten Wegenutzungsverträge, wie sie das EnWG bezeichnet, werden in diesem Zusammenhang auch Konzessionsverträge genannt.6 Diese Konzessionsverträge sind Vereinbarungen zwischen der Gemeinde und einem Netzbetreiber über die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege zur Verlegung und zum Betrieb des Stromnetzes.7 Die Konzessionsverträge enthalten zusätzlich zur Nutzungsbefugnis über Straßen und Wege für den Netzbetrieb i. d. R. Regelungen über den Leitungsbau, Folgekosten, Konzessionsabgaben und etwaige Vergünstigungen, Modalitäten der Beendigung des Vertrages sowie insbesondere Endschaftsbestimmungen.8 Diese Endschaftsbestimmungen regeln u. a., welche Netzanlagen in welcher Form bei Auslaufen des Konzessionsvertrages zu übertragen sind.9 Im Gegenzug zur Einräumung des Wegenutzungsrechts im Konzessionsvertrag erhält die Gemeinde Konzessionsabgaben gem. § 48 EnWG i. V. m. KAV10 vom Netzbetreiber. 4 Danner/Theobald-Theobald, Energiewirtschaftsgesetz mit Verordnungen, EURichtlinien, Gesetzesmaterialien, Gesetzte und Verordnungen zu Energieeinsparung und Umweltschutz sowie andere energiewirtschaftlich relevante Rechtsregelungen,56. EGL (Mai 2007), § 46 EnWG Rn. 18; Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 33 ff. (zu den einfachen Wegenutzungsverträgen) und § 46 Rn. 52 ff. (zu den qualifizierten Wegenutzungsverträgen). 5 Siehe hierzu § 7 II. 6 Hierauf auch hinweisend: Hoch/Theobald, KszW 2011, 300 (300) m. w. N. 7 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 56; Niehof, RdE 2011, 15 (15 f.), Kermel/Brucker/Baumann-Kermel, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung1. (2008), S. 20; Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 24; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 101. 8 Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 24. 9 So fast wörtlich auch: Kermel-Kermel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 1 Rn. 18. 10 = Konzessionsabgabenverordnung, basierend auf § 48 Abs. 2 S. 1 EnWG.
IV. Übertragung der Elektrizitätsverteilung in gemeindliche Verantwortung41
Nach Abschluss des Vergabeverfahrens und Vergabe des Wegenutzungsrechts an den neuen Netzbetreiber (auch Konzessionär, Konzessionsnehmer oder -inhaber genannt) ist ausschließlich dieser zum Betrieb des Netzes für die gesetzlich vorgeschriebene Höchstzeit von 20 Jahren gem. § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG berechtigt. Neigt sich der Konzessionsvertrag seinem zeitlichen Ende, ist die Gemeinde zu einer Neuvergabe und Durchführung eines erneuten Vergabeverfahrens verpflichtet.11
IV. (Rück-)Übertragung der Elektrizitätsverteilung in gemeindliche Verantwortung: Begriffliche Annäherung Nachdem diese für die (Re)Kommunalisierung grundlegenden Begrifflichkeiten und ihre Verwendung für diese Arbeit aufgezeigt wurden, ist der Begriff der (Re)Kommunalisierung näher zu betrachten. Allgemein beschrieben geht es dabei um das Phänomen der (Rück-)Übertragung der Stromverteilernetze in staatliche Verantwortung. Wie vorstehend bereits ausgeführt, werden neben dem Begriff der (Re)Kommunalisierung in der allgemeinen Diskussion auch andere – teils rechtliche – Begriffe verwendet, um diese Thematik zu umschreiben. Teils als Synonym, aber auch mit anderer Bedeutung versehen, wird auch von Verstaatlichung und Entprivatisierung gesprochen. Die in der allgemeinen Diskussion verwendeten Begriffe werden nachfolgend dargestellt und untereinander abgegrenzt. Dabei wird der Begriff der (Re)Kommunalisierung in seinen unterschiedlichen Bedeutungen ebenfalls näher beleuchtet werden. Ziel ist es eine möglichst trennscharfe Abgrenzung der Begrifflichkeiten und damit eine erste Klarheit im Zusammenhang mit dem Begriff der (Re)Kommunalisierung zu schaffen. 1. Verstaatlichung Im Zusammenhang mit der (Re)Kommunalisierung wird in der Diskus sion auch der Begriff der „Verstaatlichung“ regelmäßig verwendet. Insbesondere seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ist dieser Begriff wieder in aller Munde und wird z. T. inflationär oft gebraucht. Dabei ist jedoch aus rechtlicher Sicht der Begriff der „Verstaatlichung“ i. S. d. „Vergesellschaftung“ vordeterminiert. Die „Verstaatlichung“ ist eine bereits in der Weimarer Reichsverfassung unter dem Begriff der „Vergesellschaftung“ niederlegte Handlungsform des Staates. In Art. 156 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung konnte das Reich „[…] durch Gesetz, […], für die Vergesellschaftung geeignete private wirtschaftliche Unternehmungen in Gemeineigentum über11 Hierzu
§ 7 II.
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§ 3 (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung
führen“ und sich „[…] an der Verwaltung wirtschaftlicher Unternehmungen und Verbände beteiligen oder sich daran in anderer Weise einen bestimmenden Einfluß sichern“. Art. 156 Abs. 2 Weimarer Reichsverfassung erweiterte dies um die Möglichkeit, dass das Reich „[…] ferner im Falle dringenden Bedürfnisses zum Zwecke der Gemeinwirtschaft durch Gesetz wirtschaftliche Unternehmungen und Verbände auf der Grundlage der Selbstverwaltung zusammenschließen“ konnte.12 Auch das Grundgesetz regelt in Art. 15 GG die Möglichkeit der Verstaatlichung unter der nichtamtlichen Überschrift „Sozialisierung, Überführung in Gemeineigentum“. Hiernach können „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel […] zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in anderen Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“ Auch im Grundgesetz taucht damit der Begriff der „Vergesellschaftung“, wie ihn die Weimarer Reichsverfassung schon verwendet hat, auf. Im Zusammenhang mit der Rückführung der Stromnetze in staatliches Eigentum, wird der Begriff der „Verstaatlichung“ sowohl für die Rückführung der Übertragungsnetze in Staatseigentum der Bundesrepublik Deutschland13 als auch für die Rückführung der Verteilernetze in kommunales Eigentum14 verwendet. Die Verwendung des Begriffs der Verstaatlichung passt jedoch nur auf ein bestimmtes Szenario, nämlich dass der Zwangsüberführung in Bundeseigen12 Siehe hierzu ausführlicher: Maunz/Dürig-Dauner, Grundgesetz Kommentar,52. EGL (Mai 2008), Art. 15 Rn. 5. 13 So etwa: Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849 (857); Redaktion des FD-GewRS in FD-GewRS 2008, 254257, „Bundesnetzagentur spricht sich gegen Verstaatlichung der Stromnetze aus“; Beck Redaktion, „SPD fordert Verstaatlichung der deutschen Stromnetze“, Becklink 260721, 4. Juni 2008; Spiegel Online, „SPD will Stromnetz verstaatlichen“, 2.6.2008, unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,557256,00. html, zuletzt abgerufen: 10.08.2011, 16:01 Uhr; FAZ.net, „SPD-Fraktionsvize fordert Verstaatlichung der Stromnetze“, 3. März 2008, unter http://www.faz.net/artikel/ C30770/energie-spd-fraktionsvize-fordert-verstaatlichung-der-stromnetze-30169287. html, zuletzt abgerufen: 10.08.2011, 16:04 Uhr; Wildhagen, Warum das E.on-Netz verstaatlicht wird, 10.11.2009 unter http://www.wiwo.de/unternehmen-maerkte/ warum-das-e-on-netz-verstaatlicht-wird-413637/, zuletzt abgerufen: 23.04.2015, 11:00 Uhr. 14 So etwa: Berliner Morgenpost (Onlineausgabe), „Berliner SPD will Strom und Wasser verstaatlichen“, 7.8.2010, 20:50 Uhr, unter http://www.morgenpost.de/berlinaktuell/article1368579/Berliner-SPD-will-Strom-und-Wasser-verstaatlichen.html, zuletzt abgerufen: 23.4.2015, 11:01 Uhr; Bund der Steuerzahler Hamburg, „Beteiligung: JA, Verstaatlichung: NEIN“, 23.5.2011, unter http://www.steuerzahler-hamburg. de/Beteiligung-JA-Verstaatlichung-NEIN/35653c43357i1p61/index.html, zuletzt abgerufen: 23.04.2015, 11:02 Uhr.
IV. Übertragung der Elektrizitätsverteilung in gemeindliche Verantwortung43
tum (als Staatseigentum). Auf den Elektrizitätssektor übertragen ist der Begriff der Verstaatlichung daher nur im Kontext mit der Rückführung von Übertragungsnetzen in Staats- und damit Bundeseigentum zu verwenden. Hierüber hat es in der Vergangenheit auch bereits zahlreiche Diskussionen gegeben. Verschiedenste Modelle, bis hin zu einer Deutschen Netz AG wurden diskutiert. Eben dies ist aber tatsächlich, wirtschaftlich und rechtlich strikt von der Diskussion und Frage nach einer (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze zu trennen. Ganz deutlich wird dies anhand der Netz- und Eigentumsstruktur der verschiedenen Netzebenen. Während die Übertragungsnetze mit Ihren größtenteils überirdischen Leistungen, Masten, etc. im Eigentum der Netzunternehmen15 stehen16 und sich im Rahmen der Verstaatlichung dieser Netzebene immer auch die Frage der Enteignung stellt, sind die Verteilernetze in der Regel in Form von Erdkabeln im Grund und Boden der Gemeinden verlegt und nach § 46 EnWG besonderen – auch besonderen eigentumsrechtlichen – Regelungen unterworfen. Mit Ablauf des Konzessionsvertrages ist dieser neu durch die Gemeinde zu vergeben.17 Hierzu bedarf es wegen § 46 EnWG und den Bestimmungen zur Konzes sionsvergabe keiner hoheitlichen Enteignungsmaßnahme. Für die (Rück-) Übertragung der Verteilernetze in kommunales Eigentum ist von dem Begriff der „Verstaatlichung“ daher Abstand zu nehmen. Im Rahmen dieser Arbeit wird somit nicht von Verstaatlichung die Rede sein. 2. Entprivatisierung Der Begriff der Entprivatisierung taucht nur vereinzelt und uneinheitlich in der juristischen Literatur auf. So führen Maunz / Dürig im Rahmen von Art. 15 GG aus: „Somit ist die Überführung in Gemeineigentum gerade kein bloßer Eigentümeraustausch, sondern ein Entzug des Eigentums durch Beseitigung der herkömmlichen Privateigentümerbefugnisse. In diesem Sinne impliziert die Überführung in Gemeineigentum eine ‚Entprivatisierung des Vermögens‘.“ [Hervorhebung durch Verfasserin]18 15 Die Übertragungsnetze sind derzeit im Eigentum von Amprion, Tennet, TransnetBW und 50Hertz, vgl. BMWI, Energiewende, Energiepolitische Information 5_2011 unter: http://www.bmwi-energiewende.de/2012-05/alles-im-blick-behalten. html, zuletzt abgerufen am 7.8.2013, 14:37 Uhr. 16 Danner/Theobald-Theobald, Energierecht, Energiewirtschaftsgesetz mit Verordnungen, EU-Richtlinien, Gesetzesmaterialien, Gesetze und Verordnungen zu Energieeinsparung und Umweltschutz sowie andere energiewirtschaftlich relevante Rechtsregelungen,55. EGL (Jan. 2007), § 3 EnWG, Rn. 44. 17 Hierzu § 7 II. 18 Maunz/Dürig-Durner, Grundgesetz Kommentar,52. EGL (Mai 2008), Art. 15 Rn. 43; in diesem Zusammenhang auch schon: Ridder, VVDStRL 10 (1952), S. 124 (140), der diesen Begriff im Kontext der Erläuterung der Enteignung verwendet.
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§ 3 (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung
Kloepfer benutzte den Begriff der „Entprivatisierung“ auf dem Fünften Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht in einem ganz anderen Kontext. Er führte zu der Frage „Umweltschutz als Aufgabe des Zivilrechts“ aus und stellte in diesem Zusammenhang klar, dass der Umweltschutz prinzipiell keine Privatsache, sondern eine öffentliche Aufgabe sei. In dem Bericht über das Fünfte Trierer Kolloquium wird Kloepfer weiter so wiedergegeben: „Bei einer verstärkten umweltpolitischen Finalisierung des Privatrechts warnte Kloepfer vor einer Entprivatisierung des Privatrechts, bei der die handelnden Privatpersonen zu Tatwerkzeugen der staatlichen Umweltpolitik würden.“ [Hervorhebung durch Verfasserin]19 Mehde verwendet den Begriff der Entprivatisierung im Zusammenhang mit dem britischen Schienennetzbetreiber Railtrack und für das Szenario, dass eine einmal aus dem öffentlichen Sektor herausgelöste und nunmehr private Rechtsposition zurückgedrängt wird, also gewissermaßen, wenn auch nicht eine Verstaatlichung so doch jedenfalls eine „Entprivatisierung“ erfolgt.20 Aber auch im Zusammenhang mit der (Re)Kommunalisierung der Stromnetze taucht der Begriff der „Entprivatisierung“ in der öffentlichen Diskussion auf. So schrieb Walter Hamm am 25. Januar 2010 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Artikel mit dem Titel „Entprivatisierung“, der sich mit dem Phänomen des Rückkaufes von Versorgungsnetzen im Energiebereich kritisch auseinandersetzte.21 Der von Hamm verwendete Begriff der „Entprivatisierung“ meint dabei die Rückgängigmachung der Privatisierung von Staatsaufgaben durch die Rückführung der Aufgaben in staatliche Hand. Was diese kurze Darstellung der verschiedenen Verwendungen des Begriffs „Entprivatisierung“ zeigt, ist, dass dieser Begriff nicht trennscharf und begrifflich so offen ist, dass er für die Beschreibung verschiedener Phänomene benutzt werden kann und wird. Begrifflich setzt die „Entprivatisierung“ dabei voraus, dass zuvor ein Prozess der Privatisierung von Staatseigentum stattgefunden hat. Dieser gedankliche Zwischenschritt spricht gegen eine Verwendung des Begriffs im energierechtlichen Kontext. Ein besonderes Spezifikum des Energiebereichs, anders als bspw. im Post- oder der Eisenbahnwesen, ist jedoch, dass der Staat nie ein ganzheitliches Monopol in der Energieversorgung hatte [hierzu § 5 II.2.]. Vielmehr gab es im Energiebereich schon immer private Unternehmen, die Netze betrieben haben und in der Stromversorgung tätig waren. Es gibt außerdem Gemeinden, die über einen sehr langen Zeitraum selbst nicht als Netzbetreiber tätig waren. Mit der Verwendung des Begriffs „Entprivatisierung“ wür19 Müggenborg,
NVwZ 1989, 1146 (1147). ZögU 2002, 421 (422). 21 Hamm, Entprivatisierung, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Januar 2010, S. 9. 20 Mehde,
IV. Übertragung der Elektrizitätsverteilung in gemeindliche Verantwortung45
de man lediglich die Übertragungsvorgänge von Netzgesellschaften in kommunales Eigentum erfassen, bei denen zuvor die Netzgesellschaft durch die Gemeinde privatisiert wurde. Dies trifft aber auf viele Netze gar nicht zu. Außerdem ist der Begriff auch auf eine bestimmte Form der Rückübertragung in kommunales Eigentum begrenzt. Spricht man von Entprivatisierung, so kann nur ein Vorgang gemeint sein, in dem das Netz vollständig in die öffentliche Verwaltung zurückintegriert wird, bspw. in Form eines Regie- oder Eigenbetriebs. Würde das Netz indes in eine Stadtwerksgesellschaft in Form der GmbH übertragen, so läge weiterhin eine formelle Privatisierung vor, da sich die Gemeinde einer privatrechtlichen Form bedient und u. U. vielleicht sogar Dritte an der GmbH beteiligt.22 Der Begriff der Entprivatisierung ist im Kontext der Rückführung der Verteilernetze in das Eigentum der Kommunen daher nicht gut geeignet und wird nachfolgend nicht verwendet werden. 3. (Re)Kommunalisierung Betrachtet man die allgemeine verwaltungsrechtliche Literatur im Hinblick auf den Begriff „Rekommunalisierung“ oder „Kommunalisierung“, so finden sich wenige Werke, in denen dieser Begriff überhaupt erwähnt ist. Weder Erichsen / Ehlers „Allgemeines Verwaltungsrecht“23 noch in Maurers Verwaltungsrechtslehrbuch24 wird der Begriff erwähnt, geschweige denn thematisiert. In der energie- und kommunalrechtlichen Literatur war dies bis vor wenigen Jahren noch ähnlich. Seit etwa 5 Jahren finden sich nunmehr aber einige Aufsätze und Abhandlungen,25 die sich mit dem Thema (Re)Kommunalisierung befassen oder dieses Thema zumindest am Rande aufgreifen. Aber auch in den energierechtlichen Grundlagenwerken wird die (Re)Kommunalisierung wenn überhaupt, eher kurz abgehandelt,26 Dies gilt ebenso für die kommunalrechtliche Literatur, in der oftmals der Begriff nur eingestreut 22 Dauses-Seidel/Mertens, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts,34. EGL (2013), H. IV. Öffentliches Auftragswesen, Rn. 201 f.; Maunz/Dürig-Ibler, Grundgesetz Kommentar,52. EGL (Mai 2008), Art. 86 Rn. 116 f. 23 Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht,14. (2010). 24 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht,18. (2011). 25 Bauer, DÖV 2012, 329 (334); Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), S. 31 ff.; Kermel-Arnold, Praxishandbuch der Konzes sionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 1; Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionen im EnWG1. (2012), S. 272 ff. und S. 644 ff.; auch schon: Schmidt, ZfE 1989, 256 (256) – allerdings ohne Definition des Begriffs; Schneider/Theobald-Theobald, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 1 Rn. 153 ff.; Scholtka/Baumann, N&R 2010, Beilage 3, 1 (4 f.). 26 Etwas umfassender indes Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 32 ff.
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§ 3 (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung
wird.27 Insofern bedarf es zur Nutzbarmachung dieses Begriffs einer vorherigen inhaltlichen Klärung. Hierbei stellt sich das Problem, dass der Begriff der Kommunalisierung oder Rekommunalisierung in der juristischen Literatur uneinheitlich und für unterschiedliche Phänomene verwendet wird. a) Verwaltungsinterner Organisationsvorgang Der Begriff der „Kommunalisierung“ wird zum einen als „die Überführung von Aufgaben aus der Trägerschaft des Landes in die Trägerschaft der Kommune“28 definiert. Die so verstandene „Kommunalisierung“ betrifft eine Aufgabenübertragung innerhalb der staatlichen Verwaltung.29 Burgi beschreibt dies als „Funktionalreform“30. Ähnlich wird die Kommunalisierung von Staatsaufgaben auch „[…] – in einem engeren (rechtlichen Sinne) – als Überführung von Aufgaben, die bislang vom staatsunmittelbaren Verwaltungsapparat der Flächenländer wahrgenommen wurden, in die pflichtige Trägerschaft der Gebietskörperschaften Gemeinde und Kreis, die so genannten Kommunen“31 definiert. Dieses Verständnis der Kommunalisierung als verwaltungsinternem Organisationsvorgang findet sich auch in § 16 des Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für das Haushaltsjahr 2005 (Haushaltsgesetz Hessen 2005) wieder.32 Auch das saarländische Gesetz zur Kommunalisierung unterer Landesbehörden legt eben dieses Begriffsverständnis zugrunde.33 Dieses Verständnis der Kommunalisierung als verwaltungsinterner Organisationsvorgang entspricht nicht dem in dieser Arbeit behandelten Themenkomplex und ist für die nachstehenden Ausführungen ohne Belang. 27 So etwa in Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wirtschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 2. 28 Burgi, Die Verwaltung, Bd. 42 (2009), 155 (156). 29 So etwa im Grundlagenwerk: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/VoßkuhleBaer, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1 (2006), § 11 Rn. 19. 30 Burgi, Die Verwaltung, Bd. 42 (2009), 155 (156). 31 Henkel, Die Kommunalisierung von Staatsaufgaben (2010), S. 30; so auch Belz, SächsVBl. 1993, 226 (227); Mayer, Empfiehlt sich eine Kommunalisierung des Gefahrenabwehrrechts der Bayrischen Bauordnung? (1999), S. 78. 32 „Das Ministerium der Finanzen wird ermächtigt, im Falle einer Kommunalisierung der Landrätinnen und Landräte sowie Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister als Behörden der Landesverwaltung die sich hieraus ergebenden notwendigen Anpassungen im Rahmen der veranschlagten Mittel im Haushaltsvollzug vorzunehmen.“, Haushaltsgesetz, Verkündungsstand: 3.6.2011, in Kraft ab 1.1. 2005 (über beck-online). 33 Gesetz über Kommunalisierung unterer Landesbehörden (Saarland), Verkündungsstand: 22.6.2011, in Kraft ab 1.1.2011, vom 27. November 1996 (Amtsbl. S. 1313).
IV. Übertragung der Elektrizitätsverteilung in gemeindliche Verantwortung47
b) Begriff im Zuge der Wiedervereinigung Auch in einem weiteren Kontext wurde der Begriff der „Kommunalisierung“ und „Rekommunalisierung“ verwendet. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde in Anlehnung an die Formulierung in § 1 Abs. 1 S. 2 u. 3 TreuhG und § 1 KVG, die unentgeltliche Übertragung (ehemals) volkseigener Grundstücke und Betriebe auf Gemeinden, Städte und Kreise als Kommunalisierung des zuvor volkseigenen Vermögens bezeichnet.34 Bei der Verwendung des Begriffs der Kommunalisierung in diesem Kontext ging es ausschließlich um die Überführung ehemaliger volkseigener Betriebe in das Eigentum der Gemeinden, Städte und Kreise in den neuen Bundesländer.35 Auch dieses spezielle, wiedervereinigungsgeprägte Verständnis des Begriffs wird für die nachfolgenden Ausführungen nicht fruchtbar gemacht. c) (Rück-)Übertragung von privatem in kommunales Eigentum Eine ganz andere Definition findet sich bei der Betrachtung der (Rück-) Übertragung von privatem in kommunales Eigentum in Bezug auf den Energiesektor. Damit wird eine ganz aktuelle aber auch bereits vor 30 Jahren bzw. sogar bereits vor 150 Jahren angestoßene Debatte aufgegriffen und mit einem zentralen Schlagwort versehen.36 Bereits 1989 griff Löwer den Begriff der „Rekommunalisierung“ in dem ersten Satz seiner Einleitung auf: „Aus verschiedenen Ursachen heraus werden derzeit als Reizstoff der energiepolitischen Diskussion der Begriff ‚Dezentralisierung‘ und ‚Rekommunalisierung‘ der Energiewirtschaft behandelt.“37 Dabei verwendet er diese beiden Begriffe für die Beschreibung des Ziels, „dass grundsätzlich die Zuständigkeit für die Elektrizitätsversorgung von den bestehenden Verbund- und Regionalunternehmen weitestgehend auf kommunal organisierte Versorgungsunternehmen übertragen werden“ solle.38 Eben dieses Begriffsverständnis wurde 21 Jahre später auch den Speyerer Kommunaltagen zum Thema „Rekommunali34 BGH, Pressemitteilung Nr. 6/1995, LKV 1995, 150; Brüning, VerwaltungsArchiv 2009, 453 (455); Danker, Privatisierung versus Rekommunalisierung 2002, S. 112 ff.; Schützenmeister, LKV 1991, 213 (213). 35 Schützenmeister, LKV 1991, 213 (213). 36 Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung – Eine Bestandsaufnahme (August 2011), S. 3, die dies als „historischen Debatte“ bezeichnen; eine historische Betrachtung in: Köpke, Rationelle Energieverwendung im kommunalen Bereich,2. (1993), S. 180 f. 37 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 1. 38 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 1.
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§ 3 (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung
sierung der Versorgungsaufgaben“ zugrunde gelegt.39 Eher allgemein ließe sich der Begriff der (Re)Kommunalisierung aber wohl mit von Hoff’s Definitionsansatz fassen, wonach die (Re)Kommunalisierung „sämtliche Gestaltungen, deren Gemeinsamkeit in einer Veränderung der bestehenden Arbeitsteilung zwischen kommunaler öffentlicher Hand und Privatwirtschaft“ umfasst, „die im Ergebnis zu einem größeren öffentlichen Einfluss führen.“40 Für diese Arbeit spielt der Begriff der (Re)Kommunalisierung aber insbesondere im Zusammenhang mit dem Elektrizitätsbereich und den Verteilernetze eine Rolle. Daher soll diese sehr allgemeine Definition weiter auf die Elektrizitätsverteilernetze konkretisiert werden. Die Monopolkommission definiert in diesem Zusammenhang den Begriff in ihrem Sondergutachten 59, als „eine Entwicklung, bei der die Energieversorgung aus privater Hand wieder vermehrt in die Hände der Städte und Gemeinden übergeht. Sie kann Teile der Wertschöpfungskette oder die gesamte Wertschöpfungskette von der Energieerzeugung über den Vertrieb und den Netzbetrieb betreffen. Sie kommt z. B. darin zum Ausdruck, dass Kommunen neue Stadtwerke gründen, ihre Anteile an bestehenden Stadtwerken zurückkaufen oder Konzessionen für den Netzbetrieb erwerben. Unter Rekommunalisierung im weiteren Sinne wird auch die zunehmende Bildung von Kooperationen einzelner Stadtwerke und Regionalversorger ver standen.“41 Ähnlich umfassend finden sich auch Ausführungen in einer Studie42 des Instituts für den öffentlichen Sektor e. V. in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge der Universität Leipzig43, zur „Rekommunalisierung in der Energieversorgung“, wonach unter dem Begriff der „Rekommunalisierung“ sehr vielseitige Erscheinungen zu verstehen seien. Danach reiche die Rekommunalisierung von Neugründung öffentlicher Unternehmen44 bis hin zu Rückübertragung von bereits privatisierten, ehemals öffentlichen Aufgaben45, aber auch dem Verständnis, dass Rekommunalisierung als interkommunale Zusammen 39 Stirn,
KommJur 2011, 48 (48 ff.). Hoff, VergabeR 2013, 395 (395), m.w.A. 41 Monopolkommission, Sondergutachten 59 Energie 2011 (September 2011), S. 25–26. 42 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (7). 43 Nachfolgend abgekürzt mit „Studie des IfdöS e. V. und dem KöWuD der Universität Leipzig“. 44 28,6 % der befragten Kommunen gaben dies als Antwort an (mehrfach Nennung war möglich). 45 92,1 % der befragten Kommunen gaben dies als Antwort an (mehrfach Nennung war möglich). 40 von
IV. Übertragung der Elektrizitätsverteilung in gemeindliche Verantwortung49
arbeit46 oder Konzessionsvergabe an öffentliche Unternehmen47 von den Kommunen zu sehen sei.48 Eher abstrakt führt auch Kreikenbaum den Begriff „Kommunalisierung“ ein, den er weit gefasst verstanden wissen will. Der Begriff beinhalte „in dynamischer Hinsicht die Übertragung der leitungsgebundenen Energieversorgung von privaten oder gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen auf kommunale Unternehmen.“49 Dabei sei der Begriff der „Kommunalisierung“ schon dann einschlägig, „wenn nur das Energieverteilungsnetz übernommen und die Energie weiterhin von anderen Unternehmen produziert wird.“50 Libbe / Hanke / Verbücheln führen zur Bedeutung des Begriffs Rekommunalisierung aus: „Gemeint ist damit ein der Privatisierung entgegengesetzter, ‚fließender‘ Trend weg von materieller Privatisierung hin zur Eigenwahrnehmung durch öffentliche Einrichtungen. Dabei ist die Aufgabenwahrnehmung durch privatrechtlich organisierte Eigenunternehmen (anstelle von privatwirtschaftlichen Unternehmen), die Ausdruck einer formellen Privatisierung sind, zweifellos eine – wenn nicht sogar die gängigste – Form der Rekommunalisierung.“51 Wenn auch ohne Definition des Begriffes, so verwendet auch Kühling / Hermeier52, Schmidt-Assmann53 und Hische / Rohmann54 den Begriff der (Re)Kommunalisierung in diesem Sinne. Insofern lassen sich in der Literatur bereits Annäherungen und auch sehr ausdifferenzierte Definitionen des Begriffs der Rekommunalisierung und Kommunalisierung finden. Deutlich wird jedoch auch, dass zwischen dem 46 13,6 % der befragten Kommunen gaben dies als Antwort an (mehrfach Nennung war möglich). 47 26,4 % der befragten Kommunen gaben dies als Antwort an (mehrfach Nennung war möglich). 48 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (7). 49 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 20. 50 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 20. 51 Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung – Eine Bestandsaufnahme (2011) S. 4; so auch Bauer, DÖV 2012, 329 (334). 52 Kühling/Hermeier, Wettbewerb um Energieverteilnetze (2008), S. 27. 53 Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag, Berg- und Energierecht vor den Fragen der Gegenwart (1989), S. 251 (251). 54 Hische/Rohmann, Raumplanung 2011, 249 (249).
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§ 3 (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung
Begriff der Kommunalisierung und der Rekommunalisierung nicht trennscharf unterschieden wird,55 ja beide Begriffe zum Teil sogar synonym verwendet werden. Während Im Hinblick auf die inhaltliche Reichweite des Phänomens (Re)Kommunalisierung den nachstehenden Ausführungen das Verständnis der Monopolkommission zugrunde gelegt werden wird, also gerade verschiedenste Übertragungsformen (Neugründung durch Gemeinde, Anteilserwerb, Konzessionserwerb, Kooperationen) als umfasst betrachtet werden, wird zwischen Kommunalisierung und Rekommunalisierung eine deutliche sprachliche, wie inhaltliche Ausdifferenzierung vorgenommen. Für eine Rekommunalisierung muss es eine vorherige Privatisierung des Stromnetzes gegeben haben, die die betreffende Gemeinde rückgängig macht, indem sie den Netzbetrieb wieder teilweise oder umfassend in kommunale Hand überführt.56 Dazu ist zwingende Voraussetzung, dass die Gemeinde zu irgendeinem (in der näheren Vergangenheit liegenden) Zeitpunkt das Netz einmal betrieben hat,57 sich jedoch zu einem späteren Zeitpunkt dazu entschied, dieses an einen Privaten zu vergeben.58 Will die Gemeinde diese Privatisierung wieder rückgängig machen, so muss von einer Rekommunalisierung gesprochen werden. Denkbar ist aber auch, dass eine Gemeinde das Netz in absehbarer Zeit nicht selbst betrieben hat, sondern zuvor immer ein privates Unternehmen diese Leistungen erbracht hat. Entscheidet sich die Gemeinde nunmehr quasi erstmalig selbst zur Leistungserbringung, so liegt eine Kommunalisierung vor.59 Diese begriffliche Unterscheidung sollte aufgrund der inhaltlichen Be55 Soweit ersichtlich nimmt nur Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 32 f. diese Unterscheidung vor und seit 3. Aufl. nun auch: Hoppe/Uechtritz/Reck-Ronellenfitsch, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 2 Rn. 26; dagegen etwa: Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), Rn. 131 ff., die nur die „Rekommunalisierung“ beschreiben. 56 So auch Mannel, GIS Business 2011, 26 (26); Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 32 f.; Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (454); Köpke, Rationelle Energieverwendung im kommunalen Bereich, S. 181; a. A. Bauer, DÖV 2012, 329 (329) in Fn. 1, der für die Rekommunalisierung ausführt, dass es nicht notwendig um eine Rückgängigmachung einer früheren Privatisierung handeln müsse. 57 So auch Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 33. 58 So auch Mannel, GIS Business 2011, 26 (26). 59 So auch Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (454); Jacob, RdE 2011, 212 (214).
V. Zusammenfassung51
deutung dieser Klarstellung vorgenommen werden, dient sie doch auch der Klarheit darüber, was die Gemeinden beabsichtigen und welche Umstände dabei zu berücksichtigen sind. Den Begriff der Rekommunalisierung zu verwenden, wenn eine Gemeinde seit 100 Jahren selbst nicht in der Elektrizitätsverteilung tätig war, ist irreführend und suggeriert fälschlicherweise, dass die Gemeinde etwas zurück übertragen bekommen, was sie noch kurze Zeit zuvor selbst geleistet oder betrieben hat.60 Die Verwendung in diesem Kontext suggeriert auch das Vorhandensein eines gewissen „Rest-Know-hows“ und von Reststrukturen, die den Prozess der Rückübertragung des Stromverteilernetzes auf die Gemeinde begünstigen. Um eine derartige Suggestion zu verhindern, soll dieser sprachlichen und inhaltlichen Feinheit nachfolgend dort Rechnung getragen werden, wo der inhaltliche Unterschied beider Begrifflichkeiten zum Tragen kommt. Ist dies nicht der Fall und treffen die Ausführungen sowohl für die Kommunalisierung wie Rekommunalisierung zu, wird der Begriff der (Re)Kommunalisierung verwendet werden. Dieser Begriff der (Re)Kommunalisierung eignet sich für die nachfolgenden Ausführungen sprachlich wie inhaltlich sehr gut, da die Gemeinden als Akteure und neue Eigentümer der Netze Gegenstand der Untersuchung sind, was im Begriff der (Re)Kommunalisierung deutlich zum Ausdruck kommt. Daneben bietet die Differenzierung zwischen Rekommunalisierung und Kommunalisierung eine Genauigkeit, die besonders gut für den speziellen Zuschnitt des Energiesektors geeignet ist. Dementsprechend wird der Begriff der (Re)Kommunalisierung für die weiteren Ausführungen verwendet werden.
V. Zusammenfassung Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, ist im Hinblick auf die hier gegenständliche Thematik von der (Re)Kommunalisierung der Energieversorgung in Form der Elektrizitätsverteilung, zu sprechen. Nur diese Formulierung ermöglicht einen sauberen, juristischen Umgang mit der zu untersuchenden Thematik und verhindert Unklarheiten oder Missverständnisse. Das vorstehend entwickelte Begriffsverständnis wird daher nachfolgend zugrunde gelegt. Dabei wird die (Re)Kommunalisierung in Bezug auf die Verteilernetze nach vorstehendem Verständnis, konkret in Bezug auf die Elektrizitätsverteilung, betrachtet. Diesbezüglich werden die qualifizierten Wegenutzungsverträge (Konzessionsverträge) genauer untersucht werden. 60 Darauf hinweisend auch: Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 32 f.; angedeutet auch in: Kermel-Arnold, Praxishandbuch Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 1.
§ 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung Das Thema (Re)Kommunalisierung ist bislang vor allem in der allgemeinen politischen Diskussion vermehrt aufgetreten. Dieser Diskussion folgt die juristische Betrachtung, die die im Zusammenhang mit der (Re)Kommunalisierung auftretenden Fragen zu beantworten versucht. In der Diskussion um die (Re)Kommunalisierung der Stromnetze werden dabei facettenreiche Argumente für und gegen diese aufgeführt. Bevor die juristischen Frageund Problemstellungen näher betrachtet werden, soll daher zunächst eine kurze Bestandsaufnahme der Gründe für die (Re)Kommunalisierung und der von den Gemeinden mit der (Re)Kommunalisierung verfolgten Ziele erfolgen. Dabei wird auch eine im Jahr 2011 vom Institut für den öffentlichen Sektor e. V. in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge der Universität Leipzig veröffentlichte Studie zur „Rekommunalisierung in der Energieversorgung“1 berücksichtigt werden, an der sich 159 Gemeinden aus allen 13 Flächenbundesländern beteiligt haben.2 Gegenstand der Studie war dabei u. a. die Erforschung der Beweggründe der Gemeinden in Bezug auf die (Re)Kommunalisierung.
I. Finanzielle Erwägungen Die (Re)Kommunalisierungsbestreben werden insbesondere damit begründet, dass man sich von Seiten der Gemeinden neue Einnahmequellen durch den Betrieb der Netze erhoffe.3 Die Gemeinden wollen auf diese 1 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 ff. 2 Die Studie wurde mittels eines postalischen Fragebogens erstellt, der an alle 699 Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern versandt wurde. 159 Gemeinden beteiligten sich, was eine Rücklaufquote von 22,7 % ergibt, vgl. Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (6). 3 So auch Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (453); Haucap/Coenen, IR 2009, 338 (338); Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 26; Scholtka/Baumann, N&R 2010, Beilage 3, 1 (4); so auch: Bundes SGK, Kommunalisierung von Strom- und Gasverteilnetzen, März 2010, S. 2, http:// www.bundes-sgk.de/spd-webapp/servlet/elementblob/454765/content;jsessionid=27F 7B16E2B3BAD6EC4C3B02A1F1AE49E, zuletzt abgerufen: 23.04.2015, 11:04 Uhr; Bürgerinitiative „Unser Hamburg, unser Netz“, Ein gutes Geschäft, unter http://
I. Finanzielle Erwägungen53
Weise an den Gewinnen auf dem Wachstumsmarkt Energie partizipieren.4 Zwar hat die Regulierung auch bei den Gewinnmargen der Netze Grenzen gezogen, die dazu führen, dass „nur noch“ unter 10 % des eingesetzten Kapitals zu verdienen sind.5 Vergleicht man dies jedoch mit den Zinsen, die man derzeit für andere Investitionen erhält, ist eine mögliche Eigenkapitalverzinsung von 9,05 % für Neuanlagen und 7,14 % für Altanlagen, wie sie die BNetzA für die zweite Regulierungsperiode ab 1. Januar 2014 festgelegt hat,6 hoch lukrativ. Mit der Erzielung einer stabilen Rendite ist der reine Netzbetrieb wirtschaftlich daher ein attraktives Betätigungsfeld.7 Die Durchführung der Energieversorgung soll dabei auch als Mittel dazu dienen, die Defizite in den Gemeindehaushalten durch Gewinnzuführung aus dem erwerbswirtschaftlichen Handeln zu verringern.8 Des Weiteren sollen die Gewinne auch zum Ausgleich für andere kommunale Tätigkeiten verwendet werden, die defizitär sind.9 Wie wichtig dieses Ziel für viele Gemeinden ist, zeigen vor allem auch vertraglich vereinbarte Garantierenditen [hierzu § 8 III.], in den Fällen, wo eine Gemeinde mit einem privaten Partner zusammen (re)kommunalisiert.10 Das Ziel der Einnahmeerzielung ergab auch die Studie des IfdöS e. V. und dem KöWuD der Universität Leipzig, wonach 73,8 %11 der Gemeinden mit defizitärem Haushalt und 70,6 % der Gemeinden mit Haushaltsüberschuss die Einnahmegenerierung als Ziel ihrer (Re)Kommunalisierung nannten.12 Im Rahmen der finanziellen Ziele ist dabei zunächst kritisch anzumerken, dass die Gemeinden bereits ohne (Re)Kommunalisierung am Netzbetrieb mitverdienen. Dafür, dass der Netzbetreiber die Leitungen des Netzes im Erdunser-netz-hamburg.de/weil-es-sich-lohnt-3/#wirtschaftlich, zuletzt abgerufen: 23.04. 2015, 11:06 Uhr. 4 Rothe, in: Wallerath (Hrsg.), Kommunen im Wettbewerb,1. (2001), S. 43 (44). 5 Becker, Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne (2011), S. 297. 6 Weyer, N&R 2012, 72 (76). 7 Düwel/Schorsch, Kommunalwirtschaft 2010, 740 (740). 8 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung in der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 103; Reinhardt, GIS Business 2011, 26 (27). 9 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung in der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 103–104. 10 So etwa in Hamburg, wo eine Garantiedividende mit E.on Hanse und Vattenfall ausgehandelt wurde, die eine Verzinsung des von Hamburg zu zahlenden Kaufpreises liefern soll, vgl. Jutta Blankau (damalige Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg), Hamburg schafft die Energiewende, Hamburger Abendblatt, 18.4.2012, S. 2. 11 Mehrfachnennungen waren möglich. 12 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (9).
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§ 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung
reich der Gemeinde verlegen und nutzen kann, entrichtet er an die Gemeinde Konzessionsabgaben nach § 48 EnWG i. V. m. KAV. Dagegen sind in Bezug auf die Netzentgelte, d. h. die Entgelte, die die Netzbenutzer für das Einspeisen und Verteilen des Stroms an den Netzbetreiber zahlen und die damit die mögliche Gewinnmarge maßgeblich bestimmen, den Einnahmen Grenzen durch die BNetzA gesetzt.13 Nach Mitteilung der relevanten Daten nach § 28 ARegV durch die Netzbetreiber mittels eines Regulierungskontos nach § 5 ARegV ermittelt die BNetzA die Erlösobergrenzen für die Netzentgelte.14 Zwar können bei gutem wirtschaftlichen Agieren vorgenannte Maximalrenditen erzielt werden. Dies jedoch nur solange sich diese im Rahmen der Vorgaben der BNetzA halten. Die Renditen, die erzielt werden können, hängen dabei maßgeblich von dem wirtschaftlichen Betrieb und dem Eigenkapitalvolumen des Netzbetreibers ab. Nur wenn der Netzbetreiber einen effizienten und wirtschaftlichen Netzbetrieb installieren kann und insoweit Optimalbedingungen vorliegen, können Renditen erzielt werden. Von derartigen Optimalbedingungen aber auszugehen und auf diese Maximalrendite eine so weitreichende Entscheidung wie die (Re)Kommunalisierung des Verteilernetzes zu stützen, ist riskant. Andere vermeintlich sichere Investi tionen, wie etwa in Windkrafträder der inzwischen insolvente Prokon Regenerative Energien GmbH,15 haben sich letztlich als verlustreiches Geschäft erwiesen. Auch von Prokon wurden Genussrechte mit einer überdurchschnittlich hohen Verzinsung16 den Anleger offeriert. Vor dem Hintergrund dieser überdurchschnittlichen Einnahmemöglichkeiten übersahen oder vernachlässigten viele Anleger die mit dem Erwerb der Rechte zusammenhänAnreizregulierung: Lismann, NVwZ 2014, 691 (691 ff.). hierzu: BNetzA, Hinweise für Verteilernetzbetreiber zur Anpassung der Erlösobergrenzen für das Kalenderjahr 2014, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:06 Uhr, unter: http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sach gebiete/Energie/Unternehmen_Institutionen/Netzentgelte/Strom/Erloesobergrengzen/ HinweiseEOG_pdf.pdf;jsessionid=4538F89B0131487064091EE4395038D4?__blob= publicationFile&v=6. 15 Zur Insolvenz von Prokon: Insolvenzeröffnungsbeschluss, Amtsgericht Itzehoe, 1.5.2014, 28 IE 1/14, hierzu auch becklink 1030634, FAZ, Anlageanbieter Prokon droht mit Insolvenz, 11.1.2014, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:07 Uhr, unter: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zinsen/windkraft-genussrechteanlage-anbieter-prokon-droht-mit-insolvenz-12747232.html; Hussla, Handelsblatt, Prokon, Das Verfahren ist eröffnet, 1.5.2014, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:07 Uhr, unter: http://www.handelsblatt.com/finanzen/steuern-recht/recht/prokondas-verfahren-ist-eroeffnet/9830584.html; NRW Verbraucherschutzzentrale, Prokon: Die Folgen der Insolvenz, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:08 Uhr, unter: http:// www.vz-nrw.de/prokon. 16 Zumeist etwa 8 % Verzinsung, siehe hierzu mit bereits kritischen Hinweisen zum Risiko: TAZ, Warnung vor grünen Geldanlagen, 19.2.2010, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:08 Uhr, unter: http://www.taz.de/!48604/. 13 Zur
14 Siehe
I. Finanzielle Erwägungen55
genden Risiken. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens droht eben diesen Anlegern der Totalverlust ihrer Investitionen.17 Ehe die Gemeinden Mehreinnahmen generieren können, ist außerdem der Rückerwerb der Netze nötig, für den der gegenwärtige Netzbetreiber einen möglichst hohen Preis erzielen wollen wird [hierzu § 7 IV.]. Diese Kosten müssen erst mit dem Netzbetrieb verdient werden, ehe überhaupt von Einnahmen gesprochen werden kann. Dem gegenüber steht eine kommunale Rekordverschuldung von 44,3 Mrd. Euro aus Wertpapieren und Krediten im Jahr 2010, mit der die Gemeinden zu kämpfen haben.18 Hinzu kommt ein Investitionsbedarf in den lokalen und regionalen Netzausbau, den der Verband Kommunaler Unternehmen bis 2030 auf € 25 Milliarden schätzt.19 Dabei sind Kosten für intelligente Netze (smart grids) und einen möglichst innovativen Netzausbau nicht einmal einbezogen. Diese finanziellen Lasten sind miteinzubeziehen, wenn es um das Erwirtschaften von Renditen durch den Netzbetrieb geht. Viele Gemeinden übersehen dies jedoch in ihrer (Re)Kommunalisierungseuphorie. Sie blicken vielmehr einseitig auf die Ertragschancen und übergehen dabei die hohen Kosten des Netzerhaltes und -ausbaus. Auch übersehen sie, dass eine (Re)Kommunalisierung dort nicht ohne Weiteres funktionieren kann, wo das notwendige „Know-how“ für den Netzbetrieb fehlt.20 Die Konzessionsverträge laufen i. d. R. über 20 Jahre. Hat die Gemeinde das Netz einmal aus der Hand gegeben, verliert sie auf die Zeit von 20 Jahren „Know-how“ in Bezug auf den ökonomisch wie technisch höchst komplizierten Betrieb des Netzes [hierzu § 5]. Einer optimalen eigenständigen Leistungserbringung steht dieser Know-how-Verlust entgegen.21 Auch schmälert dieser die Renditechancen. Denn der Netzbetrieb stellt hohe technische, wirtschaftliche und juristische Anforderungen an den Betreiber. Die Anforderungen sind komplex und ihre Nichteinhaltung kann zu regulatorischen Sanktionen führen. So sind die derzeit durch die BNetzA festgelegten Maximalrenditen von 9,05 % vor Steuern bzw. 7,41 % vor Steuern für Altanlagen nur für den Netzbetreiber erzielbar, der sein Netz höchstgradig effizient betreibt.22 Hierzu sind aber u. a. die vorstehenden komplexen 17 Zu den Folgen einer Insolvenz für den Genussrechtsinhaber: Heinrichs/ Wilbrink, NZG 2014, 1168 (1168 ff.); Mock, NZI 2014, 102 (102 ff.). 18 Deutscher Städtetag, Statistisches Jahrbuch deutscher Gemeinden,98. Jahrgang (2011), S. 492. 19 Mühlstein, Energie & Management Dezember 2011, 66 (69). 20 Auf dieses Problem weist auch hin: Göhner, BC 2011, 565 (565). 21 Diese Bedenken äußert auch Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung – Eine Bestandsaufnahme (2011) S. 22. 22 BNetzA, Eigenkapitalrenditen für Investitionen Strom/Gas, zuletzt abgerufen am 12.4.2015, 14:09 Uhr, unter: http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/ Pressemitteilungen/DE/2011/111102EigenkapitalrenditeInvestitions Strom Gas.html.
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§ 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung
Anforderungen zu erfüllen und zusätzlich bedarf es besonderen unternehmerischen Geschicks. Wenn die Gemeinden bei ihren (Re)Kommunalisierungsbestrebungen also mit der Erzielung der Maximalrendite rechnen, ist dies nicht nur sehr optimistisch, sondern unrealistisch und wird dem unternehmerischen Risiko, welches sie mit der (Re)Kommunalisierung des Netzes eingehen, nicht gerecht.23 Vielmehr sind grundsätzlich Zweifel an der Rentabilität der (Re)Kommunalisierung im Allgemeinen geboten.24 Dabei ist zu beachten, dass nach den aktuellen Bekundungen der BNetzA bei der nächsten turnusmäßigen Neufestlegung im Jahr 2016 die Renditen an den aktuellen Bedingungen des Kapitalmarktes orientiert werden soll.25 Aufgrund der anhaltend niedrigeren Zinsen am Kapital- und Finanzmarkt ist mit deutlich fallenden Maximalrenditen zu rechnen.26 Zusätzlich sei auch darauf hingewiesen, dass die Gemeindeverwaltung selbst oder die entscheidenden Gemeindevertreter kein unternehmerisches Risiko tragen.27 Dies liegt vielmehr beim Steuerzahler,28 der bei einem Scheitern des (Re)Kommunalisierungsvorhabens zahlen muss. Nicht zuletzt hieraus ergibt sich eine besondere Verantwortung bei der Entscheidung über die (Re)Kommunalisierung.
II. Wirtschaftspolitische Erwägungen Für die (Re)Kommunalisierung werden von den Gemeinden außerdem wirtschaftspolitische Erwägungen vorgetragen. Die (Re)Kommunalisierung soll vielen Gemeinden zur Ermöglichung eines besseren Wettbewerbs im Energiesektor dienen. Eine kommunale Netzgesellschaft würde den Wettbewerb auf den dem Netz vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen [hierzu in § 5 II.3.] im Gegensatz zu einem privaten Unternehmen mit Verbindungen zur Erzeugung und Stromdienstleistung auf faire Weise ermöglichen und damit den Wettbewerb fördern.29 In dieselbe Richtung zielt 23 Ähnlich
kritisch: bne, bne kompass 01/11, S. 7. kritisch: Göhner, BC 2011, 565 (565). 25 Hennersdorf, Stromnetzbetreiber, Finanzieller Nackenschlag, Wirtschafts woche, 2.3.2015, S. 8. 26 Hennersdorf, Stromnetzbetreiber, Finanzieller Nackenschlag, Wirtschafts woche, 2.3.2015, S. 8. 27 Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland,2. (1994), § 18 Rn. 47. 28 So auch Rothe, in: Wallerath, Kommunen im Wettbewerb,1. (2001), S. 43 (45). 29 Hierauf hinweisend auch: IHK Berlin/Handwerkskammer Berlin, Garantie für Klimaschutz und sinkende Preise? Die Rekommunalisierung der Energieversorgung in Berlin im Faktencheck, zuletzt abgerufen am 1.8.2013, 16:19 Uhr unter: http:// www.ihk-berlin.de/linkableblob/1268330/.12./data/Faktencheck_Rekommunalisie rung-data.pdf. 24 Ebenso
III. Sicherheitserwägungen57
ein weiteres Argument: Ein staatlich kontrolliertes Netz biete die Gewähr für faire Preise und verhindere das Abschöpfen der Gewinne durch die Marktmacht der „Großkonzerne“.30 Im Zusammenhang mit wirtschaftspolitischen Erwägungen steht auch die Stärkung der lokalen Wertschöpfung im Argumentationsfokus.31 Die lokale Wertschöpfung durch den kommunalen Netzbetrieb sichere auch die weitergehende Wertschöpfung durch lokale kleine und mittlere Unternehmen im Zusammenhang mit dem Netzbetrieb (Instandhaltung, Wartung, Netzpflege, ggf. Netzausbau sowie Dienstleitungen rund um den Netzbetrieb).32 Im Rahmen dieser wirtschaftlichen Erwägungen ist jedoch kritisch anzumerken, dass der § 11 Abs. 1 EnWG alle Betreiber von Energieversorgungsnetzen, damit also auch die privaten Unternehmen, dazu verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten, bedarfsgerecht zu optimieren, zu stärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist. Auch der (diskriminierungs-)freie Zugang von Wettbewerbern zur Netzinfrastruktur ist gesetzlich geregelt und Pflicht eines jeden (auch private) Netzbetreibers gem. § 20 EnWG. Das in den §§ 20 ff. EnWG geregelte Netzzugangsmodell zeichnet sich gerade durch eine strikte Trennung von Netzbetrieb und dem Vertrieb von Energie aus.33 Insofern sind die Bedenken, dass ein privater Netzbetreiber die verbundene Erzeugungs- oder Vertriebsfirma bevorteilt, durch gesetzliche Regelung ausgeräumt worden. Da auch die Renditen des Netzbetreibers gesetzlich gedeckelt und die Netzentgelte i. R.d. Regulierung begrenzt sind, liegt schon jetzt ein staatlich kontrolliertes Netz vor. Hierzu bedarf es keiner (Re)Kommunalisierung.
III. Sicherheitserwägungen In Zeiten der Finanzkrise und unsicherer Wirtschafts- und Finanzverhältnisse geht der Trend hin zu mehr Sicherheit. Wenn der Wettbewerb auf den 30 Grüne Sankt Augustin, Eigene Stadtwerke: 10 Jahre Interimslösung?, 4.4.2012, zuletzt abgerufen am 12.2.2013, 17:43 Uhr unter: http://gruene-sanktaugustin.de/ meta-navigation/top/suche/. 31 Jutta Blankau, Hamburg schafft die Energiewende, Hamburger Abendblatt, 18.4.2012, S. 2; Reinhardt, GIS Business 2011, 26 (27). 32 Reck, RaumPlaung 2011, 243 (244); siehe auch: Antrag SPD-Fraktion sowie einzelne Abgeordnete, BT-Drs. 17/3649, 10.11.2010, S. 3. 33 Danner/Theobald-Hartmann, Energierecht, Energiewirtschaftsgesetz mit Verordnungen, EU-Richtlinien, Gesetzesmaterialien, Gesetze und Verordnungen zu Energieeinsparung und Umweltschutz sowie andere energiewirtschaftlich relevante Rechtsregelungen,65. EGL (Januar 2010), § 20 EnWG Rn. 14.
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§ 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung
Märkten versagt, sehnen sich die Bürger nach einem „starken Staat“.34 Dabei werden die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zumeist einem Marktversagen zugeschrieben. Als Lösung erscheint einigen in der Konsequenz weniger Markt und mehr Staat nötig, um aus der Krise zu gelangen.35 Es ist daher nicht verwunderlich, dass gerade in Zeiten der Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise staatliche Aktivitäten auf dem Markt an Attraktivität gewinnen und unter Sicherheitsaspekten, mit Blick auf die Netze vor allem unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit, von den Bürgern auch akzeptiert oder sogar gewünscht werden.36 Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat ein großes Marktversagen und dabei auch das Versagen privater Marktakteure offenbart. Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Märkte ist erschüttert worden.37 Die (Re)Kommunalisierung könnte hierauf eine Antwort sein.38 Kritisch ist jedoch anzumerken, dass im Hinblick auf die Krise z. T. recht einseitig auf das Versagen der privaten Unternehmen am Markt abgestellt wird. Es darf aber nicht außer acht gelassen werden, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise ein ebenso großes Versagen seitens staatlicher Unternehmen offenbart hat. Hier sind besonders Landesbanken zu nennen, die sich entgegen ihrer originären Aufgabe in risikoreiche Geschäfte im Ausland verstrickt haben und dadurch ebenso wie einige private Kreditinstitute der Rettung durch die Bundesrepublik bedurften. Dass ein staatliches Unternehmen immer mehr Sicherheit bietet und darüber hinaus auch für eine größere Versorgungssicherheit steht, kann so pauschal somit nicht festgestellt werden. Im Übrigen ist im Hinblick auf den Energiesektor in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf das Netz, ein Versagen privater Netzbetreiber nicht erkennbar, so dass in diesem Zusammenhang das Thema der Sicherheit auch eher wie ein „Einfangargument“ wirkt und weniger aufgrund aktueller, real existierender Probleme relevant erscheint.
IV. Politische Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeit Bei der (Re)Kommunalisierung geht es aber auch und vor allem um die Sicherung des lokalen politischen Einflusses auf den Betrieb des Netzes und 34 So Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (453); Reck, RaumPlanung 2011, 243 (244). 35 Haucap/Coenen, IR 2009, 338 (338). 36 Bürgerinitiative „Unser Hamburg, unser Netz“, 10 Gute Gründe, http://unsernetz-hamburg.de/10-gute-gruende/, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:13 Uhr, darunter auch die Versorgungssicherheit als Grund. 37 Ähnlich auch Bauer, DÖV 2012, 329 (334). 38 Ähnlich auch Bauer, DÖV 2012, 329 (334).
IV. Politische Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeit59
damit um die (Rück-)Gewinnung von Macht, wirtschaftlichem Einfluss und Kontrolle über den lokalen Energiebereich.39 Zentral ist dabei vor allem die regionale bzw. lokale Steuerung der volkswirtschaftlich relevanten Netzinfrastruktur.40 Des Weiteren soll durch die (Re)Kommunalisierung ein höherer „Bürgernutzen“ in der Netzgesellschaft etabliert werden.41 Die Studie des IfdöS e. V. und dem KöWuD der Universität Leipzig hat in diesem Zusammenhang ermittelt, dass 94,2 %42 der in der Studie befragten Gemeinden die Wahrung des kommunalen Einflusses bzw. die kommunale Steuerung als Grund für die (Re)Kommunalisierungsbestrebungen anführen.43 Anders als bei privaten Unternehmen stelle sich bei einem durch die öffentliche Hand geführten Unternehmen nicht das Problem fehlender Kontrolle über die Unternehmenstätigkeit.44 Eben der durch diese fehlende Kontrolle mögliche Missbrauch einer Monopolstellung könne am wirkungsvollsten dadurch bekämpft werden, dass die Leistungen durch ein öffentliches Unternehmen erbracht würden.45 Dabei geht es den Gemeinden aber neben Kontrolle auch um die Er reichung kommunal gesetzter Ziele. Ein wirtschaftlich erfolgreicher kommunaler Betrieb sei besser geeignet, um in die gemeinsamen Strate gien zur Umsetzung kommunalpolitischer Konzepte (wie z. B. einem lokalen oder regionalen Energie- und Klimaschutzprogramm) eingebunden zu 39 So auch Scholtka/Baumann, N&R 2010, Beilage 3, 1 (4); verallgemeinert, aber ähnlich: Haucap/Coenen, IR 2009, 338 (338).; Libbe, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand? (2013), S. 18 (19); Reck, RaumPlanung 2011, 243 (244); Reinhardt, GIS Business 2011, 26 (27); im politischen Kontext: Bürgerinitiative „Unser Hamburg, unser Netz“, 10 Gute Gründe, http://unser-netzhamburg.de/10-gute-gruende/, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:13 Uhr, darunter auch Demokratische Kontrolle; Jutta Blankau, Hamburg schafft die Energiewende, Hamburger Abendblatt, 18.4.2012, S. 2. 40 Hische/Rohmann, RaumPlanung 2011, 249 (250); VKU, FAQ Rekommunalisierung, 9.12.2010, unter http://www.vku.de/energie/unternehmensstrategien/rekom munalisierung/fragen-und-antworten-zu-rekommunalisierung.html, zuletzt abgerufen: 10.08.2011, 11:44 Uhr. 41 Richter, Die Bedeutung von Strategie für die Umsetzung einer (Re-)Kommunalisierung in der Elektrizitätswirtschaft (2011), S. 77. 42 Mehrfachnennungen waren möglich. 43 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (8). 44 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 80. 45 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 80; Wissenschaftlicher Beirat der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, ZögU Bd. 17 (1994), 195 (199, 202).
60
§ 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung
werden.46 Insoweit kann die politische Einflussnahmemöglichkeit also auch als Vernetzung von politischer Entscheidung und wirtschaftlicher Umsetzung verstanden werden. Diese von den Gemeinden gesetzten Ziele sehen viele von ihnen durch private Energieversorger nicht hinreichend verfolgt. Dies belegt auch die vorgenannte Studie: Die fehlende Zielkonvergenz zwischen privater und öffentlicher Seite nannten 44,2 %47 der befragten Gemeinden als einen weiteren Grund für ihre (Re)Kommunalisierungsbestrebungen.48 Das Ziel der politischen Einflussnahme lässt jedoch Fragen offen. Was genau verbirgt sich hinter dem Wunsch nach mehr Einflussnahmemöglichkeit der Gemeinden auf die Netze? Das Netz bildet nur eine Art Autobahn, die grundsätzlich und diskriminierungsfrei jedem, der Strom einspeisen will, gem. § 20 EnWG, offen steht. Der Netzbetrieb selbst ermöglicht also keine Auswahl von Einspeisern. Es besteht daher bspw. keine Einflussnahmemöglichkeit dahingehend, dass durch einen kommunalen Anbieter erzeugte Energie vorzugsweise ins Netz eingespeist wird und andere Anbieter aus dem Netz ferngehalten werden. Dies bleibt den Gemeinden trotz Netzbetrieb verwehrt. Insofern verbleibt eine Einflussnahmemöglichkeit im Hinblick auf den Ausbau des Netzes, Erneuerung von Netzabschnitten, technische Optimierungen, etc. aber nicht in Bezug auf kommunale Stromanbieter oder erneuerbare Energieeinspeisung. Im Übrigen können Gemeinden aber auch schon heute und ohne kommunaleigenes Netz Klimakonzepte verabschieden und die an der Energieversorgung beteiligten Akteure dadurch ein Stück weit energiepolitisch im Sinne der kommunalen, politischen Vorgaben beeinflussen. Hierfür bedarf es keines kommunalen Netzbetriebes. Stichhaltig verbleibt daher einzig der schnellere Netzausbau, den die Gemeinden mit einer kommunalen Netzgesellschaft politisch beeinflussen und vorantreiben könnten, soweit ihre finanziellen Mittel und die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten dies überhaupt zulassen.
V. Ökologische Gründe Für die (Re)Kommunalisierung wird im Bereich der Energienetzinfrastruktur außerdem vermehrt das Argument vorgetragen, dies sei dem Um46 Bundes SGK, Kommunalisierung von Strom- und Gasverteilnetzen, März 2010, S. 2, http://www.bundes-sgk.de/spd-webapp/servlet/elementblob/454765/conte nt;jsessionid=27F7B16E2B3BAD6EC4C3B02A1F1AE49E, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:04 Uhr. 47 Mehrfachnennungen waren möglich. 48 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (8).
V. Ökologische Gründe61
weltschutz und insbesondere der Förderung regenerativer Energien förderlich.49 Die Energienetze seien dabei entscheidend für die Energiewende.50 Auch im Koalitionsvertrag zur 18. Legislaturperiode heißt es: „Die Verteilernetze sind das Rückgrat der Energiewende vor Ort, da der Zubau erneuerbarer Energien eine zunehmende Dezentralisierung des Energieversorgungssystems bewirkt.“51 Die Bürgerinitiative „Unser Hamburg, unser Netz!“ führt hierzu weiter aus, dass die großen vier Netzbetreiber eine Geschäftspolitik zugunsten von Atomkraft und Kohle verfolgen würden und damit gerade in Hamburg teilweise verhindern würden, dass Investitionen in die Netze zugunsten der erneuerbaren Energien erfolgen.52 Anders bei einer Gemeinde als Netzbetreiber: Diese sei nicht nur wirtschaftlichen Erfolgen und der Gewinnerwirtschaftung verschrieben, sondern würde auch andere Aspekte bei der Investition in die Netzinfrastruktur verfolgen.53 Dabei könne eine Gemeinde, anders als ein privatwirtschaftliches Unternehmen, auch gezielt durch Ihre Netzinfrastrukturpolitik den Ausbau von regenerativen Energien fördern und die nachhaltige Energieversorgung sichern, auch wenn dies zunächst nicht mit dem Erwirtschaften eines Gewinns verbunden sei.54 Denn an einem solchen Ausbau dezentraler Netzstrukturen hätten die „dominierenden Oligopolisten […] wenig Interesse“55. Auch die Studie des IfdöS e. V. und dem KöWuD der Universität Leipzig ergab, dass bei der Frage nach den Zielen der (Re)Kommunalisierung 49 Libbe, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand? (2013), S. 18 (20); Jutta Blankau, Hamburg schafft die Energiewende, Hamburger Abendblatt, 18.4.2012, S. 2; so auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzes sionsverträgen (2011), S. 22; Pressemitteilung der BürgerEnergie Berlin vom 21. August 2012, „Berlin braucht einen unabhängigen Netzbetreiber“, zuletzt abgerufen am 12.2.2013, 17:47 Uhr unter: http://www.buerger-energie-berlin.de/presse; so auch Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 26. 50 Reck, RaumPlanung 2011, 243 (244). 51 Deutschlands Zukunft gestalten, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 16.12.2013, S. 43. 52 Bürgerinitiative „Unser Hamburg, unser Netz“, Argumente für den Rückerwerb des Netzes, unter http://unser-netz-hamburg.de/argumente/#c336, zuletzt abgerufen: 10.08.2011, 11:54 Uhr sowie Energienetze für den Klimaschutz, http://unser-netzhamburg.de/weil-es-sich-lohnt-3/#okologisch, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:17 Uhr. 53 Bürgerinitiative „Unser Hamburg, unser Netz“, 10 Gute Gründe, unter http:// unser-netz-hamburg.de/10-gute-gruende/, zuletzt abgerufen: 23.04.2015, 11:15 Uhr und Warum 100 %?, unter http://unser-netz-hamburg.de/warum-100/, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:13 Uhr. 54 Hische/Rohmann, RaumPlanung 2011, 249 (250). 55 Richter, Die Bedeutung von Strategie für die Umsetzung einer (Re-)Kommunalisierung in der Elektrizitätswirtschaft (2011), S. 77 mit weiteren Ausführungen.
62
§ 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung
33,6 %56 der Gemeinden mit defizitärer Haushaltslage und 35,3 %57 der Gemeinden mit Haushaltsüberschuss ökologische Ziele für ihr (Re)Kommunalisierungsvorhaben nannten.58 Als weiteres Argument wird vorgebracht, dass die (Re)Kommunalisierung eine schnellere und umfangreichere Implementierung von Smart Grids fördern könne,59 wobei immer mitklingt, dass dies durch Gemeinden besser als durch Private geleistet werden könne. Dies wird noch mit dem Argument ergänzt, dass die Gemeinden eine höhere Sachkompetenz zur Einführung intelligenter Netze habe.60 Es wird außerdem angeführt, dass aufgrund der „Sozialdominanz“ kommunale Energieversorger auch ohne weitere gesetzliche Vorgaben externe Kosten beachten und über das gesetzliche Maß hinaus Umweltschutzmaßnahmen ergreifen und durchführen würden.61 Das Ziel, mit dem Netz den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern, lässt sich zumindest alleine durch die Übernahme des Konzessionsvertrages und damit dem Recht das Netz zu betreiben, nicht erreichen.62 Der Netzbetrieb ist nach den Entflechtungsregelungen des EnWG [sog. Unbundling, hierzu ausführlich in § 8 II.3.a)] von dem Vertrieb und insbesondere auch der Erzeugung des Stroms getrennt. Die Wertschöpfungsstufen sind durch diese Regelungen im EnWG sozusagen „neutralisiert“.63 Nur weil die Gemeinde das Netz mit einer eigenen Netzgesellschaft betreibt, kann sie daher nicht unmittelbar mit dieser Netzgesellschaft zu einem Ausbau rege56 Mehrfachnennungen
waren möglich. waren möglich. 58 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (9). 59 Pressemitteilung der BürgerEnergie Berlin vom 25. April 2012, Bürger kaufen Berliner Stromnetz, zuletzt abgerufen am 12.2.2013, 17:49 Uhr unter: http://www. buerger-energie-berlin.de/presse; Düwel/Schorsch, Kommunalwirtschaft 2010, 740 (741); Antrag SPD-Fraktion sowie einzelner Abgeordneten, BT-Drs. 17/3649, 10.11.2010, S. 3. 60 BKartA, Ausschussdrs. 17(9)383, Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, 21.1.2011, S. 4. 61 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 86; Werbeck, Öffentliche EVU und Umweltschutz, ZögU Bd. 18 (1995), 42 (50 f.). 62 Gentzsch, in: Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffent liche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 4 (5); so auch Hansen/Grau, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand? (2013), S. 140 (142 f.). 63 So auch Säcker, Die kommunale Beteiligung an energiewirtschaftlichen Unternehmen innerhalb und außerhalb des Gemeindegebiets, in: Haushaltsausschuss Nr. 20/20, Umweltausschuss 20/10 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Anlage 2 S. 2. 57 Mehrfachnennungen
V. Ökologische Gründe63
nerativer Energieerzeugungsanlagen beitragen oder Einfluss auf die Erzeugung oder Vertriebsprodukte nehmen.64 Dies würde dem Unbundlingregime der §§ 6 ff. EnWG widersprechen. Sie könnte den Anschluss erneuerbarer Energien zügig voran treiben, hierzu sind jedoch die Netzbetreiber ohnehin nach § 1 Abs. 1 a.E, § 11 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 EnWG verpflichtet. Dies ist ein wichtiger Punkt, der von vielen Befürwortern der (Re)Kommunalisierung noch nicht hinreichend wahrgenommen wurde. Denn anders als zu Zeiten der Geltung des § 10 EnWG 1998, wird heute mit dem Netz keine Endkundengrundversorgung übernommen.65 Der Grundversorger und der Netzbetreiber sind seit der Implementierung der europäischen Entflechtungsregelungen streng von einander zu trennen.66 Früher ging mit dem Netzbetrieb auch die Grundversorgereigenschaft einher.67 Heute aber ist Grundversorger, wer die meisten Haushaltskunden im Versorgungsgebiet gem. § 36 Abs. 2 S. 1 EnWG beliefert. Insofern erhält die Gemeinde durch die (Re)Kommunalisierung des Netzes keinen Einfluss auf den Energiemix, umwelt- oder ressourcenpolitische Ziele.68 Die Förderung dezentraler und erneuerbarer Energien lässt sich durch den Netzkauf selbst ebenfalls nicht erreichen, denn die dem Verteilernetzbetreiber zukommende tatsächliche und rechtliche Rolle in der Energieversorgung besteht gerade nur (noch) darin die Energie (diskriminierungsfrei) zu verteilen.69 Insofern sollten die Möglichkeiten in energiepolitischer Hinsicht durch die (Re)Kommunalisierung tätig zu werden, nicht überschätzt werden.70 Auch im Hinblick auf die bessere Eignung der Gemeinden zum Netzausbau und zur Netzmodernisierung sind Bedenken anzumelden. So führt auch das BKartA in einer Stellungnahme aus, dass das BKartA es für fraglich halte, dass die Gemeinden besser als private Netzbetreiber die neuen He rausforderungen des Netzausbaus meistern könnten.71 Im Übrigen ist in 64 Gentzsch, in: Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffent liche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 4 (5). 65 Zur alten Rechtslage ein Überblick in Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,2. (2010), § 36 Rn. 4 ff. 66 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 36 Rn. 5; Scholtka, NJW 2005, 2421 (2425). 67 So bis zum Jahre 2005, gem. § 10 EnWG a. F.; hierzu Britz/Hellermann/ Hermes-Hellermann, EnWG,2. (2010), § 36 Rn. 4 ff. 68 Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 32. 69 bne, bne kompass 01/11, S. 7. 70 Schmidt, ZfE 1989, 256 (263). 71 BKartA, Stellungnahme des BKartA zur öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages zur Rekommunalisierung der Energieversorgung, Ausschussdrucksache 17(9)383 vom 21.1.2011, S. 4.
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§ 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung
Bezug auf die Beteiligung der Gemeinden an der Energiewende zu sagen, dass dies auch bereits ohne das Eigentum am Netz möglich ist. Planerisch hat die BauGB Novelle im Jahre 2011 hierzu Erhebliches beigetragen. Bereits jetzt kann die Gemeinde nach § 9 Nr. 23b BauGB in dem Bebauungsplan Festsetzung zur Förderung der Energiewende und zum Schutz vor dem Klimawandel treffen. Auch in § 5 Abs. 2 Nr. 2b BauGB ist etwas derartiges für den Flächennutzungsplan vorgesehen. Ebenso enthält § 1 Abs. 5 BauGB nunmehr ausdrücklich den Klimaschutz und die Klimaanpassung als eines der Ziele, zu denen Bauleitpläne beitragen sollen. Auch insofern benötigt die Gemeinde für Aktivitäten zugunsten der Energiewende nicht die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze.
VI. Verwirklichung der demokratischen Dezentralisierung Reformen hin zu einer Zunahme an kommunaler Verantwortung und kommunaler Zuständigkeit verfolgen politisch u. a. auch das Ziel einer Stärkung der orts- und damit möglichst bürgernahen Aufgabenwahrnehmung.72 Diese könnte man bei der (Re)Kommunalisierung darin erblicken, dass durch die kommunale Aufgabenwahrnehmung die einzelnen Bürger eine mittelbare Einflussnahmemöglichkeit auf das lokale Netz über die Wahl ihrer Gemeinderatsmitglieder erhalten. Die wohl dahinter stehende Überlegung ist, den Bürger auf diese Weise in die lokale Energiepolitik einzubinden und die lokale Energiepolitik so auch demokratisch zu legitimieren. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die durch die Gemeinde betriebene Elektrizitätsverteilung die Bürger wirklich so sehr betrifft und entscheidende und messbare Vorteile für diese bringen kann. Denn die Bürger selbst stehen mit dem Netzbetrieb weniger direkt in Kontakt. Der lokale Netzbetrieb und damit die besondere Nähe ist vielmehr für lokale Netzeinspeiser von Bedeutung. Für die Bürger dürften eher ein Interesse an einem lokalen Energievertrieb und lokaler Energieerzeugung bestehen.
VII. Wiederentdeckung örtlicher Belange und lokaler Identität Betrachtet man den im Jahre 2013 verwendeten Plakatslogan „Unser Hamburg, unser Netz!“73 der Bürgerbewegung in Hamburg, die sich erfolg72 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 22.; Burgi, Die Verwaltung, Bd. 42 (2009), 155 (158). 73 Siehe http://unser-netz-hamburg.de/, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:19 Uhr.
VIII. Gemeinwohlorientierung65
reich für eine Rückübertragung des Hamburger Netzes in die Hand der Freien und Hansestadt Hamburg einsetzt, entdeckt man, dass es bei der Forderung nach der (Re)Kommunalisierung nicht nur um harte Fakten, sondern auch um Fragen lokaler Identität geht. Das Stromnetz hat eine hohe Bedeutung für die Grundversorgung der Gemeindeeinwohner und damit Grundbedürfnisse der Bevölkerung vor Ort.74 Stadtwerke und lokaler Netzbetrieb werden von einigen „als ein Stück Heimat“ und „Identifika tionsfaktor für die Menschen in der Region“ wahrgenommen.75 An den Netzen kristallisiert sich eine Art Wiederentdeckung örtlicher Belange. Dies lässt sich auch insofern verallgemeinern, als dass ein neues Interesse an der örtlichen Infrastruktur und der Infrastruktureinrichtungen in kommunaler Hand aufgekommen ist.76 Im Hinblick auf die Wiederentdeckung örtlicher Belange kann jedoch kritisch angemerkt werden, dass unklar ist und bleibt, warum sich plötzlich an den Verteilernetzen, die z. T. über Jahrzehnte nicht im Eigentum der Gemeinden standen, ein neues Gefühl von lokaler Identität einstellt. Vielfach entsteht der Eindruck, dass der „Identifikationsfaktor kommunales Netz“ als eine geschickte Werbemaßnahme implementiert und forciert wird, insbesondere, da die Bürger als Verbraucher von Energie selbst mit dem Netzbetreiber i. d. R. nicht in Berührung kommen.
VIII. Gemeinwohlorientierung Neben diesen Argumenten wird angeführt, dass ein öffentliches Unternehmen bei der Bewirtschaftung der Netze dem Gemeinwohl verpflichtet und daher anders als die privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht lediglich an Profit interessiert sei.77 Durch die erfolgreiche (Re)Kommunalisierung würde „Gemeinwohlinteressen […] wieder der Vorrang vor Gewinnmaximierungsstrategien eingeräumt“.78 Damit würde auch ein Gegengewicht zur 74 Ähnlich: Bürgerinitiative „Unser Hamburg, unser Netz!“, Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger, unter http://unser-netz-hamburg.de/weil-es-sich-lohnt3/#offentlich, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:15 Uhr. 75 Reck, RaumPlanung 2011, 243 (243). 76 So auch Haucap/Coenen, IR 2009, 338 (338); ebenso: Antrag SPD-Fraktion sowie einiger Abgeordnete, BT-Drs. 17/3649, 10.11.2010, S. 3. 77 Bürgerinitiative „Unser Hamburg, unser Netz“, Argumente für den Rückerwerb des Netzes, unter http://unser-netz-hamburg.de/argumente/#c336, zuletzt abgerufen am 10.08.2011, 11:54 Uhr; und Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger, http://unser-netz-hamburg.de/weil-es-sich-lohnt-3/#offentlich, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:15 Uhr. 78 SPD-Fraktion sowie einzelne Abgeordnete, BT-Drs. 17/3649, 10.11.2010, S. 3.
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§ 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung
Marktmacht der großen Energieversorgungsunternehmen gesetzt.79 Anders als bei privaten Unternehmen würde sich auch nicht das Problem fehlender Kontrolle über die Unternehmenstätigkeit stellen.80 Diese Argumente fußen auf der gemeinwirtschaftlichen Theorie öffentlicher Unternehmen.81 Die Gemeinwirtschaftstheorie geht davon aus, dass zwei unterschiedliche Formen von Interessen bestehen: Individualinteresse und Gemeininteressen (öffentliche Interessen, gesamtwirtschaftliche Inte ressen).82 Öffentliche und gemeindliche Unternehmen würden danach eingesetzt, um den Gemeininteressen und den hieraus ableitbaren Zielen zu dienen und damit anders agieren, als private (gewinnorientierte) Unternehmen mit starken Individualinteressen (bspw. Elektrizitätsversorgung zu einem günstigen Preis zur Verfügung stellen und maximale Einnahmen erzielen).83 Die Elektrizitätsversorgung wird dabei von den Vertretern der Gemeinwirtschaftslehre immer wieder als Beispiel dafür genannt, dass durch öffentliche Unternehmen ein monopolistischer Preismissbrauch verhindert werden könne.84 Auch in Bezug auf das schillernde Ziel der Gemeinwohlorientierung ist kritisches Hinterfragen angezeigt. Insbesondere im Hinblick auf die Abkehr vom profitorientierten Wirtschaften, werden Erwartungen nach Preissenkungen, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch zwischen den Zeilen, in die Diskussion gestellt. Dabei ist die gemeinwirtschaftliche Theorie, wonach öffentliche Unternehmen gemeinwohlorientierter, nämlich im Gemeininte resse handeln, kritisch zu hinterfragen. Bei der gemeinwirtschaftlichen Theorie handelt es sich um einen sehr theoretische Betrachtung, die die Individualinteressen der beteiligten Personen (Gemeinderat, gemeindliche Vertretung in dem kommunalen Netzunternehmen, Angestellte des Netzun-
79 Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 22. 80 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 80. 81 Grundsätze dieser Theorie stammen von Thiemeyer, Grundsätze einer Theorie der Gemeinwirtschaft (1973). 82 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 81. 83 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 81; Thiemeyer, Grundsätze einer Theorie der Gemeinwirtschaft (1973), S. 12 ff. und 21 ff. 84 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 81; Greiling, Öffentliche Trägerschaft oder öffentliche Bindung von Unternehmen,1. (1996), S. 198.
IX. Sozialpolitische Erwägungen67
ternehmens) idealisiert.85 Es werden weder die Individualinteressen der Beschäftigten noch die der kontrollierenden Kommunalpolitiker berücksichtigt, die jedoch erhebliche Auswirkungen auf das Unternehmen haben können.86 Insofern geht die gemeinwirtschaftliche Theorie von einem theoretisch optimalen Zustand der reinen Erfüllung von Gemeininteressen aus, der in der Praxis aber durch Individualinteressen und Fremdeinwirkungen von außen überlagert sein kann, wodurch auch ein öffentliches Unternehmen ein nicht zwingend gemeinwohlorientierten Verhalten zeigen kann. Dabei birgt auch das privatwirtschaftliche Marktmodell, in dessen Umfeld sich das kommunale Netzunternehmen bewegen muss, das Risiko, dass auch das kommunale Unternehmen zu einem „Wirtschaftskonzern mutiert“, der seinen am Gemeinwohl orientierten Auftrag gegen Gewinnerzielung, Unternehmensausbau und etwaige wirtschaftliche Randnutzungen eintauscht.87 Stober formuliert dies so: „Hier zeigt sich die ökonomische Erkenntnis, dass Politiker kaum wissen, wie ihre Entscheidungen wirken. Durch das Setzen falscher Anreize entsteht der bekannte Kobra-Effekt88, weil den öffentlichen Unternehmen suggeriert wird, sie müssten sich wie Privatunternehmen verhalten.“89
IX. Sozialpolitische Erwägungen Mit der (Re)Kommunalisierung wird auch das Ziel der Standortsicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und Ausbildungsplätzen vor Ort für die Bürger der Gemeinde verbunden.90 Darüber hinaus spreche für die (Re)Kom85 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 81. 86 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 81. 87 Wörtlich: Stober, NJW 2002, 2357 (2360); kritisch auch: Badura, DÖV, 1998, 818 (823); Dreier, DÖV 2002, 537 (544); so auch zur Wandlung des Staates: Wallerath, JZ 2001, 209 (211 ff.). 88 Siebert, Der Kobra Effekt (2001), S. 11 ff., dessen Beschreibung des „Kobra Effekts“ auf die Zeiten der englischen Kolonialverwaltung in Indien zurückgehen, wo es eine Kobraplage gegeben haben soll, der der Gouverneur Herr werden wollte, indem er eine Prämie pro abgliefertem Kobrakopf aussetze, mit der Idee, dass die Inder ihm die Kobras einfangen und töten sollten. Stattdessen begannen die Inder jedoch Kobras zu züchten, um die Prämie zu erhalten. 89 Stober, NJW 2002, 2357 (2360). 90 Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 22; Haucap/Coenen, IR 2009, 338 (338); Hische/Rohmann, RaumPlanung 2011, 249 (250); Libbe, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand
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§ 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung
munalisierung in dieser Hinsicht auch, dass sich eine Gemeinde als Ge sellschafter für eine arbeitnehmerfreundlichere Unternehmenspolitik ein setze und diese auch leben würde.91 Auch wird die Energieversorgung durch die Gemeinde als sozialverträglicher beschrieben, da es sich um ein an kommunale Sozialstrukturen angepasstes Versorgungssystem handele, das der Förderung der räumlichen Entwicklung und einer höheren Beschäf tigungswirksamkeit zuträglich sei.92 Daneben besteht auch die Hoffnung, dass ein kommunaler Energieversorger sich vor Ort als Kultur- und Sportsponsor betätigt und sich auch auf diesem Wege sozial in der Gemeinde engagiert.93 Wie wichtig sozialpolitische Erwägungen für die (Re)Kommunalisierungsmotivation der Gemeinden sind, ermittelte auch die Studie des IfdöS e. V. und dem KöWuD der Universität Leipzig, wonach 20,8 %94 der befragten Kommunen aus sozialpolitischen Gründen (re)kommunalisieren wollen.95 Im Hinblick auf diese Erwägungen zugunsten der (Re)Kommunalisierung der Stromnetze zeigt sich eine gewisse Glorifizierung des kommunalen Arbeitgebers. Es darf auch hier nicht außer acht gelassen werden, dass der Netzbetrieb einen wirtschaftlichen Unternehmensbetrieb erfordert, der anders bzw. stärker als die Verwaltungstätigkeit an Effizienz und das Erwirtschaften von Gewinnen geknüpft ist.96 Gerade dann, wenn die Netzgesellschaft in Privatrechtsform betrieben wird, gibt es juristisch und wirtschaft(2013), S. 18 (19); Reck, RaumPlanung 2011, 243 (244); Reichardt, GIS Business 2011, 26 (27); im politischen Kontext auch: Jutta Blankau, Hamburg schafft die Energiewende, Hamburger Abendblatt, 18.4.2012, S. 2; VKU, in FAQ Rekommu nalisierung, 9.12.2010, S. 1, unter http://www.vku.de/energie/unternehmensstrate gien/rekommunalisierung/fragen-und-antworten-zu-rekommunalisierung.html; Bundes SGK, Kommunalisierung von Strom- und Gasverteilnetzen, März 2010, S. 2, http://www.bundes-sgk.de/spd-webapp/servlet/elementblob/454765/content;jsessionid =27F7B16E2B3BAD 6EC4C3B02A1F1AE49E, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:04 Uhr. 91 Bundes SGK, Kommunalisierung von Strom- und Gasverteilnetzen, aus März 2010, S. 2, http://www.bundes-sgk.de/spd-webapp/servlet/elementblob/454765/con tent;jsessionid=27F7B16E2B3BAD6EC4C3B02A1F1AE49E, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:04 Uhr. 92 Schmidt, ZfE 1989, 256 (257). 93 Richter, Die Bedeutung von Strategie für die Umsetzung einer (Re-)Kommunalisierung in der Elektrizitätswirtschaft (2011), S. 77. 94 Mehrfachnennungen waren möglich. 95 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (8). 96 Vgl. § 5 II.3. und § 5 II.4.
X. Erwägungen: Verbraucherschutz, Transparenz und faire Preisgestaltung69
lich gesehen keinen Ansatzpunkt, der die oben dargestellten Erwartungen trägt und die kommunale Netzgesellschaft zwingend zu einem sozialeren Arbeitgeber macht.
X. Erwägungen des Verbraucherschutzes, der Transparenz und fairen Preisgestaltung Monopole haben in der Vergangenheit hohe Monopolrenten zulasten der Verbraucher erwirtschaftet. Die öffentlichen Unternehmen, so eine Hoffnung im Zusammenhang mit der (Re)Kommunalisierung, könnten zum Schutz der Verbraucher beitragen und für bessere Transparenz und Fairness sorgen.97 Insbesondere faire Energiepreise stehen im Vordergrund der Argumentation.98 Dabei wird immer auch Anleihe bei den Folgen der Privatisierung genommen, die gezeigt hätten, dass hiermit nicht mehr Verbraucherrechte, preisgünstigere Angebote, ein höheres Qualitätsniveau oder höherer Gemeinwohlnutzen einher gingen.99 Im Gegenteil sei zu konstatieren, dass durch wenige große Unternehmen im Markt zu lasten der Verbraucher die Angebotsvielfalt und Wahlfreiheit meist reduziert worden sei.100 Eine kritische Würdigung ist auch hinsichtlich dieser Erwägungen geboten. Durch die BNetzA sind die Kosten für den Strompreis offengelegt. Die Netzentgelte sind durch Obergrenzen reguliert und unterstehen einer Überwachung seitens der BNetzA. Die Gemeinde kann durch die (Re)Kommunalisierung des Netzes gar keinen wesentlichen Einfluss auf die Energiepreise101 nehmen, denn die Stromkosten [hierzu § 5 II.3.] für den Energieverbrauch der jeweiligen Kunden sind zwischen Stromlieferanten und Endverbrauchern vertraglich vereinbart.102 Und auch die Netzentgelte, auf die der Netzbetreiber Einfluss hat, werden von der BNetzA reguliert.103 Erwartungen in Richtung Kostensenkung erteilte zutreffend daher auch die Bundesregierung unter Berufung auf die Monopolkommission eine Absage: 97 Bürgerinitiative „Unser Hamburg, unser Netz“, Argumente für den Rückerwerb des Netzes, unter http://unser-netz-hamburg.de/argumente/#c336, zuletzt abgerufen: 10.08.2011, 11:54 Uhr; sowie unter 10 Gute Gründe, http://unser-netz-ham burg.de/10-gute-gruende/, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:13 Uhr. 98 Dieses Aspekt auch benennend: Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 22. 99 Auszug aus NRW Landtag Drs. 15/27, 7.7.2010, S. 1. 100 Auszug aus NRW Landtag Drs. 15/27, 7.7.2010, S. 1. 101 Mit Ausnahme des Anteils, der auf die Netzkosten entfällt, welche ebenfalls in den Strompreis eingepreist werden. 102 bne, bne kompass 01/11, S. 7. 103 bne, bne kompass 01/11, S. 7.
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§ 4 Gründe für und Ziele der (Re)Kommunalisierung
„Die Bundesregierung teilt insgesamt die Bewertung der Monopolkommission, dass in Bezug auf die Netzebene mit einer Rekommunalisierung durch Rückkauf der Netze ein Einfluss auf die Endverbraucherpreise in Richtung einer Preissenkung kaum möglich ist […]“.104 Daher ist im Zuge einer (Re)Kommunalisierung der Stromnetze nicht mit sinkenden Energiepreisen zu rechnen. Die verbraucherfreundliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität sieht außerdem § 1 Abs. 1 EnWG für alle, also auch die privaten Netzbetreiber, vor. Inwiefern gemeindliche Netzbetreiber in diesem Bereich verstärkt aktiv sein werde, kann nicht beurteilt werden.
XI. Kritische Zusammenfassung Wie man den vorstehend dargestellten Gründen und Zielen entnehmen kann, sind diese vielschichtig und betreffen unterschiedlichste Bereiche der Energieversorgung. Dabei hat die Studie des IfdöS e. V. und dem KöWuD der Universität Leipzig105 deutlich gezeigt, dass auch die einzelnen Gemeinden nicht ein zentrales Ziele, sondern viele unterschiedliche Ziele verfolgen. Während für einige Ziele ernst zu nehmende Logik (für die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze) spricht, sind andere doch eher schwach oder verkennen sogar die Komplexität des Netzbetriebes als Betätigungsfeld. Es erscheint daher wichtig, festzuhalten, dass ein Wechsel des Netzbetreibers und damit der Versorgungszuständigkeit hin zu den Gemeinden keinen Wert an sich darstellt.106 Vielmehr ist es eine politische Entscheidung, die sich ebenso wie alle anderen politischen Entscheidungen an Maßstäben wie Sinnhaftigkeit, Nutzen für die Bürger und der Erreichung von Gemeinwohlzielen messen lassen muss.107 Diese Schattenseiten sind ebenso bei den Erwägungen im Hinblick auf die (Re)Kommunalisierung zu berücksichtigen und dürfen nicht vernachlässigt werden. Eine zu große (Re)Kommunalisierungseuphorie ist daher kritisch zu sehen.
104 Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache 17/11434, vom 2.11.2012, S. 3; ebenfalls kritisch in Bezug auf eine mögliche Energiepreissenkung Hansen/Grau, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand? (2013), S. 140 (141). 105 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (8 ff.). 106 So auch Schmidt, ZfE 1989, 256 (257). 107 Ähnlich auch Schmidt, ZfE 1989, 256 (257).
§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen Neben den zahlreichen juristischen Fragestellungen und Problemen, die sich im Rahmen der (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsnetze stellen, ist zwingend zu beachten, dass es sich bei den Verteilernetzen nicht um einen beliebigen Wirtschaftszweig handelt, der Gegenstand unternehmerischer Tätigkeit sein kann. Die Netze bilden einen zentralen Teil der für die Wirtschaft und das Leben jedes Einzelnen wichtigen Infrastruktur. Im Zusammenhang mit den Elektrizitätsnetzen sind besondere (netztypische) technische und ökonomische Gegebenheiten zu beachten, die dieses Feld unternehmerischer Betätigung besonders prägen und besondere Anforderungen, auch an die rechtliche Behandlung stellen. Bevor der rechtliche Rahmen eingehend untersucht wird wird, soll nachfolgend ein kurzer Überblick über die technischen und ökonomischen Besonderheiten der Energieversorgung, insbesondere der Elektrizitätsverteilung gegeben werden.
I. Technischer Rahmen Die Netze als leitungsgebundene Infrastruktur weisen einige technische Besonderheiten auf. Dies gilt für Netze im Allgemeinen, also sowohl für Gas-, Elektrizitäts-, Telekommunikations- oder Wasser- und Abwassernetze. Im Bereich der Elektrizität gelten aufgrund des zu befördernden Stoffes aber darüber hinaus weitere Besonderheiten, die diese Netze von anderen unterscheiden. 1. Stromtransport und -verteilung Der klassische Stromtransport über Wechselspannung führt zu einer Unterteilung des Energienetzes in Deutschland in mehrere Netzbereiche und -ebenen. Die elektrische Energieübertragung erfolgt zunächst über weite Strecken über die Höchstspannungsebene von 220 kV und 380 kV (bei großer Entfernung auch 765 kV) nicht nur in Deutschland, sondern länderübergreifend in einem europäischen Verbundnetz, dem UCTE.1 Um die 1 BNetzA, Markt und Wettbewerb Energie, Kennzahlen 2010, November 2010, S. 8; Bendrat, Analyse der Spannungsqualität in Verteilernetzen auf der Niederspannungsebene sowie Realisierung geeigneter Kompensationsmaßnahmen (2011), S. 4;
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
Verluste beim Transport des Stroms von der Erzeugung bis hin zum Verbraucher gering zu halten, wird der Strom zunächst über Übertragungsnetze unter hoher Spannung transportiert. Auf den nachgelagerten Netzebenen wird die Spannung dann bis zu einem verbrauchsfreundlichen Maß herunter gedrosselt. Diese Form der Energieübertragung über Wechselspannung ist in Deutschland der Regelfall.2 Den Übertragungsnetzen sind Verteilernetze in Hoch- (110 kV), Mittel- (10, 20 oder 30 kV) und Niederspannung (600V, 400 V oder 230 V / 235 V) nachgelagert.3 Großverbraucher aus Industrie, Gewerbe und Verwaltung beziehen die elektrische Energie je nach Bedarf und Verbrauch bereits vom Hoch- oder Mittelspannungsnetz.4 Im Übrigen dient das Hoch- und Mittelspannungsnetz aber der großflächigen Elektrizitätsverteilung.5 In Umspannwerken und Ortsnetzstationen wird die Spannung dann bis zur Niederspannung heruntertransformiert, um über Freileitungen oder Erdkabel zu den einzelnen Verbrauchern zu gelangen.6 In ländlichen Gebieten erfolgt die Stromverteilung überwiegend über Fernleitungen, wohingegen in städtischen Gebieten hauptsächlich (Erd-)Kabelnetze zum Einsatz kommen.7 Diese Verteilernetze werden in Deutschland von 888 Verteilernetzbetreibern (Stand: 2013) betrieben.8 Die Verteilernetze sind untereinander regelmäßig nicht verbunden, sondern nur über die vorgelagerte Netzebene.9 Dies kann sich jedoch dann anders verhalten, wenn bspw. zwei Städte unmittelbar benachbart liegen oder derselbe Netzbetreiber für die Netze zuständig ist.10 Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 612; Schwab, Elektroenergiesysteme,3. (2012), S. 435 f. 2 Schrader, Umschalten in die Zukunft, Süddeutsche Zeitung vom 27.11.2012, abgedruckt in Informationen zur politischen Bildung Nr. 319/2013, S. 48 (49). 3 Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 612; Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 37; Schwab, Elektroenergiesysteme,3. (2012), S. 22 f. und 435 f. 4 Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 612; Schwab, Elektroenergiesysteme,3. (2012), S. 24. 5 Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 613. 6 Schwab, Elektroenergiesysteme,3. (2012), S. 23 und S. 511. 7 Bendrat, Analyse der Spannungsqualität in Verteilernetzen auf der Niederspannungsebene sowie Realisierung geeigneter Kompensationsmaßnahmen (2011), S. 5. 8 BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2013, S. 23, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:31 Uhr, unter: http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Down loads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2013/131217_ Monitoringbericht2013.pdf?__blob=publicationFile&v=15. 9 Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 612. 10 Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 612; Bräuer/Egeln/Werner, Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft und seine Auswirkungen auf kommunale Querverbundunternehmen,1. (1997), S. 51 f.
I. Technischer Rahmen73
Um gerade im Hinblick auf die Errichtung von Offshore-Windparks die Energie im Norden Deutschlands der deutlich höheren Nachfrage im Süden zuzuführen, wird neben dem vorstehend erläuterten „klassischen“ Stromtransport über Wechselspannung als Innovationsfaktor auf die Gleichspannung gesetzt. Anders als bei dem „klassischen“ Stromtransport über Wechselspannung ermöglicht die Übertragung mit Gleichspannung den Transport von Strom über große Distanzen bei verhältnismäßig geringeren Verlusten.11 Für den Transport von Energie aus fünf Offshore-Windparks von der Nordsee nach Bayern sind bei einer 400-Kilovolt-Wechselstromtrasse Verluste von fast 10 Prozent zu erwarten.12 Erfolgt selbiger Transport über eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Verbindung (sog. HGÜ-Verbindung) mit 800 Kilovolt, entstehen Verluste von nur etwa 2,5 Prozent.13 Diesem verlustärmeren Transport über weite Entfernungen steht jedoch ein deutlich höher tatsächlicher und Kostenaufwand bei der Errichtung der HGÜ-Verbindungen gegenüber, insbesondere bzgl. der Schaltstationen am Anfang und am Ende einer Gleitstromtrasse. Deswegen sind HGÜ-Verbindungen derzeit erst ab einer Entfernung von ca. 600 Kilometern wirtschaftlich.14 Für die juristische Behandlung kommt es nach dem EnWG nicht auf eine Differenzierung zwischen Wechsel- oder Gleichspannung oder den verschiedenen Spannungsebenen des „klassischen“ Stromtransportes an. Das EnWG und die zugrundeliegenden Richtlinien differenzieren lediglich zwischen der Übertragung und der Verteilung von Strom, also den Übertragungsnetzen und den Verteilernetzen [hierzu bereits in § 3 I. und § 3 II.]. 2. Leitungsgebundenheit der Energieversorgung Eine technische Besonderheit im Bezug auf den Elektrizitätsbereich besteht darin, dass die Weiterleitung und Versorgung mit Elektrizität nur auf festen Leitungswegen, d. h. leitungsgebunden, erfolgen kann.15 Das bedeutet, dass die Belieferung mit Elektrizität ausschließlich über ein zu errich11 Ausführlich zur Gleichspannung und HGÜ-Verbindungstechnologie und Geschichte: Niederhausen/Burkert, Elektrischer Strom (2014), S. 38 ff. 12 Schrader, Umschalten in die Zukunft, Süddeutsche Zeitung vom 27.11.2012, abgedruckt in Informationen zur politischen Bildung Nr. 319/2013, S. 48 (49). 13 Schrader, Umschalten in die Zukunft, Süddeutsche Zeitung vom 27.11.2012, abgedruckt in Informationen zur politischen Bildung Nr. 319/2013, S. 48 (49). 14 Schrader, Umschalten in die Zukunft, Süddeutsche Zeitung vom 27.11.2012, abgedruckt in Informationen zur politischen Bildung Nr. 319/2013, S. 48 (49). 15 Bräuer/Egeln/Werner, Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft und seine Auswirkungen auf kommunale Querverbundunternehmen,1. (1997), S. 49; Scholtka/ Baumann, N & R 2010, Beilage 3, 1 (1).
74
§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
tendes und zu unterhaltendes, flächendeckendes physisches Leitungsnetz geschehen kann.16 Dieses Netz muss jedes Haus, Unternehmen, jede Fabrik, etc. anschließen, denn der Absatz von Elektrizität und die Belieferung der Kunden können nur dort erfolgen, wo die Kunden über einen Netzanschluss verfügen.17 Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an das Netz, das so fein verästelt sein muss wie das Gebiet, welches es mit Elektrizität versorgt. Daneben muss die Durchleitung der Energie ständig technisch überwacht, kontrolliert und sichergestellt werden. Darüber hinaus folgt aus der Leitungsgebundenheit der Energieversorgung auch das zentrale Problem, dass zum Zwecke einer echten Konkurrenz ein konkurrierendes Netz errichtet und betrieben werden müsste [hierzu ausführlich § 5 II.6.].18 Dass dies jedoch wirtschaftlich und ökologisch wenig sinnvoll ist, wird nachstehend noch ausgeführt werden. So wie für die Energie das Netz der wesentliche Transportweg ist, so stellt der öffentliche Weg für das Stromnetz das „unentbehrliche Transportmittel“ dar.19 Auch insofern wirkt sich die Leitungsgebundenheit der Elek trizitätsversorgung aus. Diese Leitungsgebundenheit der Energieübertragung und -verteilung macht die Netze zu dem technischen Nadelöhr, durch das alle Energie fließen muss, um den Endverbraucher zu erreichen. Funktioniert das Netz nicht, kommt die gesamte Energiewirtschaft von der Erzeugung bis zum Vertrieb der Energie zum Endkunden zum Erliegen. Dies unterstreicht die Bedeutung der Netze zusätzlich. Anders als bei anderen Waren, die zum Endverbraucher notfalls auf anderen Wegen gebracht werden können (bspw. alternativ über Schienen, Seeweg oder Straßennetz), ist der Elektrizitätsbereich auf die Elektrizitätsnetze zwingend angewiesen.
16 Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 606; Bartel, Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 95. 17 Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 606. 18 So auch Schulz, LKRZ 2012, 41 (41). 19 Stern, Die verfassungsrechtliche Position der kommunalen Gebietskörperschaften in der Elektrizitätsversorgung (1966), S. 7.
I. Technischer Rahmen75
3. Mangelnde Speicherbarkeit von Elektrizität und schwankende Nachfrage nach Energie Für den Bereich der Elektrizität kommt noch erschwerend hinzu, dass Strom quasi nicht speicherbar20 ist.21 Die mangelnde physikalische Speicherbarkeit von Strom erfordert daher, dass der erzeugte Strom unmittelbar einer Nutzung zugeführt wird, indem er über das Einspeisen in das Netz zu einem oder mehreren Verbrauchern gelangt. Selbst wenn das Netz tadellos funktioniert, entspricht es nicht immer den tatsächlichen Gegebenheiten und Bedürfnissen der Endverbraucher in dem Moment Strom zu verbrauchen, in dem er andernorts in das Netz eingespeist wird. Wenn bspw. in der Nacht um 3:00 Uhr der Wind auf den norddeutschen Windkrafträder gut steht und diese viel Energie erzeugen können, gibt es wenige Haushalte, die diese Energie überhaupt abnehmen und auch wenige Unternehmen, die in dieser Zeit einen hohen Energiebedarf haben. Der Strom muss jedoch abgenommen werden. Diese mangelnde Flexibilität im Hinblick auf das Ausbleiben von Stromnachfragern und die schwankende Nachfrage nach Energie, aber auch das umgekehrte Phänomen des Vorhaltens von Energie bei Nachfragespitzen, muss durch ein ausgeklügeltes System der Energieflusssteuerung ausgeregelt werden.22 Gerade in diesem Zusammenhang fällt die fehlende Speicherbarkeit elektrischer Energie und das zusätzliche Erfordernis Spannung und Fre20 Eine schon derzeit wirtschaftliche und genutzte Möglichkeit ist jedoch den Strom durch Pumpkraftwerke zu leiten und durch die Wasserkraft erneut Strom zu erzeugen. Durch das Hochpumpen des Wasser in höhere Lagen entstehen jedoch Energieverluste, vgl. hierzu Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 607. Neuartige Techniken, wie Lithium-Ionen-Zellen zur Speicherung von Energie werden sind in der Entwicklung, allerdings bislang nur zu einem zweistelligen Megawatt-Bereich wirtschaftlich einsetzbar, vgl. hierzu Müller, Energie & Management, 15.2.2012, S. 15. 21 Bräuer/Egeln/Werner, Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft und seine Auswirkungen auf kommunale Querverbundunternehmen,1. (1997), S. 49; Bartel, Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 95. 22 Die Schwankungen im Netz werden ausgeregelt, indem bei einer Überschussnachfrage zusätzliche Energie durch das Hochfahren von Kraftwerken ins Netz eingespeist und bei zurückgehender Nachfrage eine entsprechende Zurücknahme der Energieeinspeisung aus den Kraftwerken vorgenommen wird, vgl. Schulte/SchröderBüdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 613. Zusätzlich werden energieintensive Unternehmen bei einem „zu viel“ an Strom im Netz akquiriert, um Strom aus dem Netz zu vergünstigten Konditionen zu entnehmen oder der Strom wird exportiert. Maßgeblich sind hierbei die Regelzonen, vgl. Schwab, Elektroenergiesysteme,3. (2012), S. 13 ff. Es erfolgt eine Koordination in Bilanzkreisen und ein Bilanzausgleich innerhalb der Regelzonen nach der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV), vgl. Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 613.
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
quenz konstant zu halten, besonders ins Gewicht.23 Treten zu große Frequenzschwankungen auf, kann dies zu einem Netzzusammenbruch und damit schlimmstenfalls großflächigem Stromausfall führen.24 4. Folgen der erneuerbaren Energien für den Netzbetrieb Erneuerbare Energien gewinnen, nicht zuletzt durch den (Wieder-)Ausstieg aus der Atomenergie mehr und mehr an Bedeutung. Im ersten Halbjahr 2011 wurde in Deutschland so viel Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wie noch nie zuvor, und zwar 57 Milliarden Kilowattstunden, die 20,8 % des Energiebedarfs decken und im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von 2,5 % darstellen.25 Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil der erneuerbaren Energien auf 35 % an der Stromerzeugung ansteigen. Maßgeblich für Deutschland setzen sich diese erneuerbaren Energieträger aus Windkraft, Wasserkraft, Biomasse, Sonnenenergie und Geothermie zusammen.26 Zentrales juristisches Element für das Vorantreiben des Ausbaus der erneuerbaren Energien ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Durch die hierdurch mögliche Mischung von zentraler und insbesondere dezentraler Energieerzeugung (durch immer mehr Klein- und Kleinsterzeuger im Bereich der erneuerbaren Energien) und deren Einspeisung in das Netz werden erhöhte Anforderungen an den Netzbetrieb im Hinblick auf die Auslastung des Netzes gestellt.27 Unabhängig von der Aufnahmefähigkeit des Netzes ist gesetzlich eine Anschluss- und Abnahmepflicht für Strom aus erneuerbaren Energien geregelt (§§ 5 ff. EEG).28 Dies kann zu Netzengpässen führen.29 Daneben belasten die Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 613. Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 95. 25 Deutsche Telekom, Vernetze Energie, Februar 2012, 4 (4) mit Verweis auf BDEW. 26 BMU, Kurzinfo Erneuerbare Energien, Stand 1.8.2012, zuletzt abgerufen am 3.10.2013, 12:13 Uhr unter: http://www.bmu.de/erneuerbare_energien/kurzinfo/doc/ 3988.php. 27 Reck, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts,1. (2009), 61 (69); ausführlich hierzu: Müller-Kirchenbauer/Leprich, EnWZ 2013, 99 (99 ff.). 28 BNetzA, Monitoringbericht 2010, erschienen 31.11.2010, S. 27 zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:43 Uhr, unter: http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2010/ Monitoringbericht2010Energiepdf.pdf?__blob=publicationFile&v=2; Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts,4. (2009), Rn. 2706. 29 BNetzA, Monitoringbericht 2010, erschienen 31.11.2010, S. 27 zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:43 Uhr, unter: http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2010/Moni toringbericht2010Energiepdf.pdf?__blob=publicationFile&v=2. 23 Schulte/Schröder-Büdenbender, 24 Bartel,
II. Ökonomischer Rahmen77
zunehmend bidirektionalen Stromflüsse die Netze, die Aufrechterhaltung der Systemsicherheit sowie die Zunahme der Verbindung von Strom, Gas und Wärme stellen weitere Komplexitätsaspekte und potentielle Schwierigkeiten dar.30 Um diese Herausforderungen zu meistern, ist neben dem nötigen Know-how im Netzbetrieb der Einsatz modernster Computertechnologie erforderlich, ohne den ein modernes Netzmanagement nicht möglich ist.31 Dies wird viele Gemeinden, die das Netz (re)kommunalisieren wollen, vor eine schwierige Aufgabe stellen, deren Lösung vielen Gemeinden nur durch Kooperationen gelingen wird.32 5. Hohe Komplexität des Netzbetriebs Wie die vorstehenden technischen Ausführungen gezeigt haben, darf nicht vergessen werden, dass Netze nicht einfach in der Erde liegen und aus sich heraus stabil funktionieren. Vielmehr steht hinter jedem Netz ein höchst komplexer technischer Betrieb, der nicht nur die jederzeitige Durchleitungsmöglichkeit von Elektrizität gewährleistet, sondern auch die Einspeisung von Strom aus unterschiedlichsten Orten, Quellen, zu unterschiedlichsten Zeiten und Mengen koordinieren muss. Im Übrigen muss seitens des Netzbetreibers gewährleistet sein, dass regelmäßige Wartungen und Reparaturen erfolgen, der Netzausbau vorangetrieben und nicht zuletzt der Anschluss von neuen Elektrizität erzeugenden Anlagen vorgenommen wird. Daneben muss der Netzbetreiber die technische Fortentwicklung (zukünftig insbesondere hin zu smart grids) leisten und darf dabei die Versorgungssicherheit nicht aus dem Blick verlieren. Nur durch diese beispielhafte Aufzählung wird deutlich, welche vielschichtigen technischen Aufgaben mit dem Betrieb eines Netzes verbunden sind. Besonders deutlich fasst dies Schwab zusammen: „Den meisten Endabnehmern bleibt die ungeheure Komplexität hinter der Steckdose verborgen […].“33 Was Schwab hier ausführt, gibt auch Anlass i. R.d. (Re)Kommunalisierung zur Vorsicht zu mahnen.
II. Ökonomischer Rahmen Neben den zahlreichen technischen Besonderheiten und Herausforderungen des Netzbetriebes stellen sich auch aus ökonomischer Sicht zahlreiche zu beausführlich: Müller-Kirchenbauer/Leprich, EnWZ 2013, 99 (99 ff.). in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts,1. (2009), S. 61 (69). 32 Reck, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts,1. (2009), S. 61 (69). 33 Schwab, Elektroenergiesysteme,3. (2012), S. 1–2. 30 Hierzu 31 Reck,
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
rücksichtigende Rahmenbedingungen, die den Netzbetrieb stark von anderen Wirtschaftszweigen unterscheiden. Auch diese Rahmenbedingungen wirken sich auf die rechtliche Behandlung des Netzbetriebes aus und sind daher wichtig für das Verständnis der juristischen Behandlung der Energieversorgung. 1. Bedeutung von elektrischer Energie für die Volkswirtschaft Um das wirtschaftliche Gefüge in der Energiewirtschaft besser zu verstehen, ist es hilfreich, die Bedeutung von Energie für die Volkswirtschaft zunächst als Ausgangspunkt zu beleuchten. Die leitungsgebundene Energieversorgung hat für alle Teile der Wirtschaft einen Vorleistungscharakter.34 Ohne Energie kann nicht gewirtschaftet werden, bspw. ist eine Verarbeitung von Rohstoffen zu Endprodukten ohne den Einsatz von Energie nicht mehr möglich. Gerade aus diesem Grund hat Energie auch eine hohe Wettbewerbsbedeutung. Verlässliche, günstige Energie ist gerade für die industrielle Fertigung ein wichtiger Wettbewerbsfaktor.35 Insofern ist es zutreffend, wenn man von der sicheren Energiezufuhr als dem „Rückgrat einer funk tionierenden Volkswirtschaft“ spricht.36 Welche verheerenden Auswirkungen hingegen ein instabiles Stromnetz für die Volkswirtschaft haben kann, zeigt sich besonders deutlich, wenn man sich die zurückliegenden Stromausfälle und ihre Konsequenzen vor Augen führt. Insgesamt finden sich in Deutschland (zum Glück bislang) relativ wenige solcher Beispiele. In den vergangenen Jahren hat in der medialen Wahrnehmung besonders der winter- bzw. schneebedingte Stromausfall im Münsterland am 1. Adventswochenende im Jahre 2005 (26. / 27.11. 2005) für Aufmerksamkeit gesorgt.37 Dreißig Meter hohe Strommasten brachen unter der Last des Schnees und Eises zusammen.38 Die Versor34 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 19. 35 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 19. 36 Bundesregierung, Energie für Deutschland, http://www.bundesregierung.de/ Content/DE/Magazine/MagazinWirtschaftFinanzen/064/sa-ener gie-fuer-deutschland. html, zuletzt abgerufen am 06.01.2012, 11:00 Uhr. 37 Detailliert siehe hierzu: BNetzA, Untersuchungsbericht über die Versorgungsstörung im Netzgebiet des RWE im Münsterland vom 25.11.2005, Bonn, Juni 2006, S. 1 ff. zuletzt abgerufen am 06.01.2011, 11:22 Uhr, unter: http://www.bundesnetz agentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNetzA/Sachgebiete/Energie/Sonderthemen/ VersorgungsstoerungMuensterland05/UntersuchungsberichtId6420pdf.pdf?__blob= publicationFile. 38 Seifert, Blackout, Leben ohne Strom, vom 1.12.2006, Deutschlandradio, http:// www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/569663/, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:38 Uhr.
II. Ökonomischer Rahmen79
gungsunterbrechung begann in der Nacht von Freitag, 26.11.2005, auf Samstag, 27.11.2005.39 Der Stromausfall hielt teilweise drei Tage und Nächte an. Erst am Donnerstag, 1.12.2005, war die Stromversorgung wieder weitestgehend hergestellt.40 Der Stromausfall legte ganze Gemeinden lahm. Volkswirtschaftlich betrachtet richtete er einen Schaden in Millionenhöhe an.41 Auch wenn sich Beispiele für Stromausfälle dieser Art in Deutschland selten finden lassen, ist die Gefahr eines großflächigen Stromausfalls auch in Deutschland ernst zu nehmen. Dies zeigt ein im Jahre 2011 vorgelegter Bericht zur Technikfolgenabschätzung bei großflächigem Stromausfall des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss), der sich ausführlich mit einem System des Krisenmanagements, Folgen eines solchen Stromausfalls und Optionen sowie Handlungsbedarf in Deutschland auf 136 Seiten auseinandersetzt.42 Auch das deutsche Netz ist Gefahren im Hinblick auf seine Stabilität – nicht zuletzt auch durch die erneuerbaren Energien, veraltete Netzstrukturen etc. – ausgesetzt, die unter ungünstigen Bedingungen zu einem Zusammenbruch mit katastrophalen Folgen für die gesamte Volkswirtschaft führen können. 2. Struktur und Historie des Energiemarktes Der Energiemarkt in Deutschland ist heute durch eine pluralistische Struktur geprägt.43 Kleine, mittlere und große Unternehmen sind im Markt auf allen Ebenen der Wertschöpfung aktiv, ebenso wie private, öffentliche und gemischt-wirtschaftliche Unternehmen. Dabei war der Energiemarkt zunächst durch den „Erfindungs- und Pioniergeist Privater“ geprägt.44 Vor 39 BNetzA, Untersuchungsbericht über die Versorgungsstörung im Netzgebiet des RWE im Münsterland vom 25.11.2005, Bonn, Juni 2006, unter: http://www. bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNetzA/Sachgebiete/Energie/ Sonderthemen/VersorgungsstoerungMuensterland05/UntersuchungsberichtId6420pdf. pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen: 06.01.2011, 11:22 Uhr, S. 7. 40 BNetzA, Untersuchungsbericht über die Versorgungsstörung im Netzgebiet des RWE im Münsterland vom 25.11.2005, Bonn, Juni 2006, S. 11 zuletzt abgerufen am 06.01.2011, 11:22 Uhr, unter: http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/ Downloads/DE/BNetzA/Sachgebiete/Energie/Sonderthemen/Versorgungsstoerung Muensterland05/UntersuchungsberichtId6420pdf.pdf?__blob=publicationFile. 41 Seifert, Blackout, Leben ohne Strom, vom 1.12.2006, Deutschlandradio, http:// www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/569663/, zuletzt abgerufen: 06.01. 2012, 11:15 Uhr. 42 Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, BT-Drs. 17/5672 vom 27.4.2011. 43 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 568. 44 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 574; Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Bd. 1, Einl. E. EnWG,
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
allem Unternehmen der Elektroindustrie waren zunächst führend im Energiemarkt, so bspw. die Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Electricität (DEG) oder Siemens & Halske.45 Die Städte und Gemeinden waren hingegen zunächst skeptisch und nicht im Energiemarkt aktiv.46 Allerdings erkannten diese nach einiger Zeit, dass auch sie mit dem Energiemarkt zusätzliche Einnahmen für die kommunalen Haushalte erzielen konnten, indem sie das Straßen- und Wegeigentum durch die Vergabe von Wegerechten zu Geld machten.47 Hieraus entwickelte sich das noch heute vorzufindende spezielle Konzessionsvertragsrecht über die Nutzung der Straßen und Wege zur Verlegung und zum Betrieb der Stromnetze, was damals wie heute den Gemeinden zusätzliche Einnahmen brachte / bringt.48 Nachdem zunächst Strom nur sehr kleinflächig zur Verfügung stand, wurde 1891 die erste Hochspannungsleitung von Lauffen nach Frankfurt am Main errichtet.49 Um die Versorgung in der Fläche großräumig zu ermöglichen, die bisher aufgrund ihrer Lage außerhalb der städtischen Ballungszentren unversorgt geblieben war, wurden sog. „Überlandzentralen“ durch kleinere private, landwirtschaftliche sowie dörfliche Genossenschaften gegründet.50 Aufgrund des großen Kapitalbedarfs für den Ausbau des Leitungsnetzes in die dünnbesiedelten Gebiete schlossen sich später teilweise Gemeinden diesen „Überlandzentralen“ an.51 Dies kann wohl als Anfang des kommunalen Engagements im Netzbetrieb gesehen werden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war damit ein pluralistisches Nebeneinander von privaten und kommunalen Energieversorgern entstanden.52 Historisch kam es über die Jahrzehnte zu einer stärkeren Mischung und Heterogenität auf dem Markt. Prominentestes Beispiel war und ist RWE, die an ihrem Netz die Gemeinden, die sie belieferten, beteiligte und dadurch als gemischt-wirt-
Rn. 366; umfassende Darstellung der energiewirtschaftlichen Geschichte in Deutschland: Becker, Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne (2011), S. 8 ff. 45 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 575 und Fn. 176. 46 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 575. 47 Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. E. EnWG, Rn. 366; Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 575. 48 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 5; Zur historischen Entwicklung ausführlich: Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Wirtschaft und Gemeinden (1989), S. 35 ff. 49 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Wirtschaft und Gemeinden (1989), S. 37 m. w. N., der dies als 2. Phase der Entwicklung beschreibt; Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 576 und Fn. 186. 50 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 576. 51 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 576. 52 BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, 7 C 58/94, LKV 1996, 23 (24).
II. Ökonomischer Rahmen81
schaftliches Unternehmen am Markt agierte.53 Typischerweise oblagen die Stromerzeugung und die Stromverteilung im großen Maßstab den überre gional tätigen Verbundunternehmen sowie den regionalen Energieversorgungsunternehmen, die gemischt-wirtschaftlich oder privatwirtschaftlich organisiert waren.54 Die eher kleinräumige Verteilung war indes durch kommunale Eigenbetriebe oder Gesellschaften organisiert, wobei jedoch auch die regionalen (privaten) Energieversorger in kleineren Gemeinden als vorherrschend bezeichnet werden können.55 Im 20. Jahrhundert stellt sich dann zunächst eine Dominanz örtlicher Strom- und Gasversorgungsunternehmen in kommunaler Hand ein.56 Die Privaten wurden indes nie völlig verdrängt und Anfang der 1990er Jahre kam es zu zahlreichen Privatisierungswellen im Bereich der Energieversorgung,57 die den Anteil der privaten Netzbetreiber wieder stärkte. Bis heute stellt sich der Energiemarkt als bunte Mischung aus privater und staatlicher Betätigung dar. 3. Wertschöpfung und Preisbildung in der Elektrizitätswirtschaft Aus ökonomischer Perspektive ist die Wertschöpfung in der Elektrizitätswirtschaft von besonderer Bedeutung. Sie verläuft über verschiedene Wertschöpfungsstufen.58 Sie beginnt auf der ersten Stufe mit der Erzeugung von Elektrizität durch Großanlagen wie Kern-, Kohle- oder Gaskraftwerken sowie zunehmend aus erneuerbare Energien.59 Damit der Strom zum Endkunden gelangt, bedarf es einer weiteren Stufe, die der Übertragung und Verteilung von Elektrizität (Transport) zum Endverbraucher.60 Diese Stufe der Wertschöpfungskette betrifft die Netzinfrastruktur.61 Als dritte Wertschöp53 Hierzu ausführlich: Becker, Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne (2011), S. 24 ff. 54 BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, 7 C 58/94, LKV 1996, 23 (24). 55 BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, 7 C 58/94, LKV 1996, 23 (24). 56 Säcker-Pielow, Berliner Kommentar Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. E. EnWG Rn. 366. 57 Bauer, DÖV 2012, 329 (334 in Fn. 52); siehe hierzu auch Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (245 ff.) m. w. N.; Ude, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand? (2013), S. 48 (48). 58 Hierzu auch Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 609 f. 59 Stender, Netzinfrastruktur-Management (2008), S. 16. 60 Pleß, Strategische Handlungsoptionen von Netzbetreibern vor dem Hintergrund der Anreizregulierung nach § 21a EnWG für Unternehmen der Energiewirtschaft (2010), S. 35. 61 Stender, Netzinfrastruktur-Management (2008), S. 17; Pleß, Strategische Handlungsoptionen von Netzbetreibern vor dem Hintergrund der Anreizregulierung nach § 21a EnWG für Unternehmen der Energiewirtschaft (2010), S. 35.
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
7,31 Ct/kWh Energiebeschaffung und Vertrieb (25,19 %) 5,94 Ct/kWh Netzentgelte (20,47 %) 6,24 Ct/kWh EEG-Umlage (21,5 %) 0,092 Ct/kWh § 19 Strom NEV-Umlage (0,32 %) 0,009 Ct/kWh Umlage für abschaltbare Lasten, ab 2014 (0,003 %) 4,65 Ct/kWh Mehrwertsteuer (16,02 %) 0,62 Ct/kWh Abrechnung, Messung, Messstellenbetrieb (2,34 %) 1,68 Ct/kWh Konzessionsabgaben (5,79 %) 0,178 Ct/kWh KWK-Aufschlag (0,61 %) 0,25 Ct/kWh Offshore Haftungsumlage (0,86 %) 2,05 Ct/kWh Stromsteuer (7,06 %)
fungsstufe ist der Absatz und Vertrieb von Elektrizität zu nennen, der im Wesentlichen die Abnahme von Strom durch den Endverbraucher betrifft.62 Auf dieser Ebene wird die erzeugte Elektrizität kommerziell an die Endkunden vermittelt, wofür diese einen Strompreis entrichten. Aus allen drei Wertschöpfungsstufen zusammen sowie weiteren Kostenbestandteilen bildet sich der Strompreis (Haushaltskunden, Juni 2014)63:64 62 Stender, Netzinfrastruktur-Management (2008), S. 16; Pleß, Strategische Handlungsoptionen von Netzbetreibern vor dem Hintergrund der Anreizregulierung nach § 21a EnWG für Unternehmen der Energiewirtschaft (2010), S. 35. 63 Kritisch zum „wahren“ Strompreis: Becker, ZNER 2012, 563 (563 ff.). 64 Durchschnittlicher Strompreis für Haushalte 2014, BDEW, BDEW-Strompreisanalyse Juni 2014, Haushalte und Industrie, S. 13, zuletzt abgerufen am 23.04. 2015, 11:41 Uhr, unter: http://bdew.de/internet.nsf/id/20140702-pi-steuern-und-abga
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Die Kosten der drei Wertschöpfungsstufen machen damit nur rund 48 % des Strompreises aus.65 Die übrigen ca. 52 % des Strompreises setzen sich aus Steuern, Umlagen und Abgaben zusammen.66 Innerhalb der letzten 15 Jahre ist im Hinblick auf diesen, von den Verbrauchern zu entrichtenden Strompreis eine 1000 % Steigerung zu verzeichnen.67 4. Netzkosten und -einnahmen Die Netzinvestitionen im Elektrizitätsbereich haben einen hohen Fixkostenanteil, der den Schwerpunkt der Gesamtkosten des Netzbetriebs bildet.68 Der Betrieb des Netzes (Durchleitung des Stroms, Wartung, etc.) macht demgegenüber verhältnismäßig geringe Kosten aus.69 Diese vergleichsweise hohen Fixkosten sind langfristig und zu einem Großteil irreversibel,70 d. h. es handelt sich um Investitionen, die für den Markteintritt notwendig und entscheidend sind, bei einem Ausscheiden aus dem Markt jedoch unwiederbringlich verloren gehen (Irreversibilität oder versunkene Kosten [„sunk costs“]).71 Diese sog. Irreversibilität liegt konkret dann vor, wenn zur Produktion eines Gutes oder einer Leistung spezifisches Kapital eingesetzt werden muss, welches jedoch in anderen Verwendungen an Wert verliert ben-am-strompreis-steigen-weiter-de/$file/140702 %20BDEW %20Strompreisanaly se202014 %20 Chartsatz.pdf. 65 BDEW, BDEW-Strompreisanalyse Juni 2014, Haushalte und Industrie, S. 13, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:41 Uhr, unter: http://bdew.de/internet.nsf/id/ 20140702-pi-steuern-und-abgaben-am-strompreis-steigen-weiter-de/$file/140702 %20 BDEW %20Strompreisanalyse202014 %20Chartsatz.pdf. 66 BDEW, BDEW-Strompreisanalyse Juni 2014, Haushalte und Industrie, S. 13, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:41 Uhr, unter: http://bdew.de/internet.nsf/id/ 20140702-pi-steuern-und-abgaben-am-strompreis-steigen-weiter-de/$file/140702 %20 BDEW %20Strompreisanalyse202014 %20Chartsatz.pdf. 67 Berschens/Sommer/Stratmann, Handelsblatt 23.5.2012, Titelseite sowie S. 6 f. (S. 6). 68 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Bettzüge/Kesting, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Teil 1, Kap 4 Rn. 8. 69 Bzgl. des Telekommunikationsnetzes: Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht,2. (2006), § 1 Rn. 6. 70 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Bettzüge/Kesting, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Teil 1, Kap 4 Rn. 8; Bräuer/Egeln/Werner, Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft und seine Auswirkungen auf kommunale Querverbundunternehmen,1. (1997), S. 34. 71 Bräuer/Egeln/Werner, Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft und seine Aus wirkungen auf kommunale Querverbundunternehmen,1. (1997), S. 51; Knieps, Wettbewerbsökonomie,3. (2008), S. 32; Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 79.
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
(bis hin zum totalen Wertverlust).72 Die Stromleitungen und -anlagen, die zwingend für den Netzbetrieb erforderlich sind, können für alternative Verwendungsmöglichkeiten ohne weiteres genutzt werden.73 Nur mit erheblichen Kosten kann eine alternative Verwendung herbeigeführt werden, was wirtschaftlich jedoch wenig sinnvoll sein wird. Insofern ist der Eintritt in den Netzbetrieb mit hohen versunkenen Kosten verbunden. Für neue Anbieter auf dem Markt stellen eben diese versunkenen Kosten eine Markteintrittsbarriere dar.74 Denn im Gegensatz zu dem etablierten Netzbetreiber müssen Wettbewerber zunächst ein hohes finanzielles Risiko auf sich nehmen und irreversible Investitionen tätigen.75 Zusätzlich fallen Kosten für den Erhalt und Betrieb der Netze an. Wie hoch diese, bisher abstrakt beschriebenen Kosten sind, kann anhand konkreter Zahlen der BNetzA belegt werden: Die Verteilernetzbetreiber hatten in den Jahren 2007 bis 2009 stetig steigende Kosten für den Erhalt und die Erneuerung ihrer Netze. Im Jahre 2007 waren dies noch € 948 Millionen, im Jahre 2008 schon € 1.133 Millionen und im Jahre 2009 bereits € 1.277 Millionen.76 Damit stiegen nur die Kosten für den Erhalt und die Erneuerung der bestehenden Netze um 34,7 %. Dieser Trend setze sich in den darauffolgenden Jahren, besonders drastisch im Jahre 2010 fort. Für das Jahr 2010 betrugen die Kosten € 1.631 Millionen (Zuwachs von ca. 28,7 %) und für das Jahr 2011 fielen sie auf € 1.408 Millionen (Reduktion um ca. 15,8 %).77 Ab dem Jahr 2012 wurde die Statistik von BNetzA und BKartA im gemeinsamen Monitoringbericht umgestellt. Die Statistik weist nur noch Investitionen und Aufwendungen aus, wobei diese auch die Kosten für Mess- und Steuereinrichtungen sowie Kommunikationsinfrastruktur enthalten.78 Aber auch aus dem Vergleich dieser Zahlen ist zu entnehmen, dass die Investitionen und 72 Mühlenkamp,
Wirtschaftsdienst 2007, 707 (708). in: Berliner Kolloquium, Sicherung des Wettbewerbs im kommunalen Bereich (1995), S. 29 (33 f.); Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 79. 74 Bräuer/Egeln/Werner, Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft und seine Auswirkungen auf kommunale Querverbundunternehmen,1. (1997), S. 51. 75 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 79. 76 BNetzA, Markt und Wettbewerb Energie, Kennzahlen 2010 (2010), S. 21. 77 BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2012, S. 52, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:43 Uhr unter: http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Down loads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2012/Monitoring Bericht2012.pdf?__blob=publicationFile. 78 BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2013, S. 53 f., zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 11:44 Uhr, unter http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Down loads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2013/131217_ Monitoringbericht2013.pdf?__blob=publicationFile&v=15. 73 Bartling,
II. Ökonomischer Rahmen85
Aufwendungen seit dem Jahr 2007 deutlich anstiegen, von € 5.108 Millionen im Jahr 2007 auf € 6.930 Millionen im Jahr 2011. Im Jahr 2012 sanken Sie indes ab auf € 6.005 Millionen.79 Daneben sind aber von den Verteilernetzbetreibern auch noch Investitionen in den Neu- und Ausbau sowie in die Erweiterung von Verteilernetzen zu tätigen. Diese lagen im Jahre 2007 bei € 1.179 Millionen, im Jahre 2008 bei € 1.260 Millionen und im Jahre 2009 bei € 1.258 Millionen.80 Auch diese Kosten stiegen weiter stetig an. Im Jahre 2010 erhöhten sich auch diese Kosten massiv auf € 1.558 Millionen, im Jahre 2011 auf € 1.604 Millionen.81 Nach einer Untersuchung des Verbandes kommunaler Unternehmen beträgt der Investitionsbedarf in die Verteilernetze € 25 Milliarden bis zum Jahr 2030, wobei die Kosten für eine Weiterentwicklung hin zu intelligenten Netzen (smart grids) nicht einmal berücksichtigt sind.82 Diese Darstellung zeigt, dass die Kosten und Investitionen im Bereich der Verteilernetze ein nicht zu vernachlässigender Faktor sind. Zwar hängt es von der Größe eines jeden Verteilernetzgebietes ab, wie hoch der tatsächliche Anteil an den oben dargestellten Gesamtkosten ist. Nichtsdestotrotz sind der Erhalt und der Neu- und Ausbau von Netzen ein gewichtiger Faktor, den es kostentechnisch zu berücksichtigen gilt, insbesondere, weil der Erhalt und Ausbau neben dem normalen Netzbetrieb ebenfalls aus den Netzentgelten finanziert werden muss. Anders als die Kosten sind die Einnahmen aus den Netzentgelten in den Jahren 2006 bis 2010 deutlich gesunken.83 Während beispielsweise die Haushaltskunden im Jahre 2006 noch ca. 7,2 ct / kWh zahlten, waren es im Jahre 2010 ca. 5,8 ct / kWh.84 Dies ist eine Reduzierung um 24 %. Ähnlich verhält es sich bei den Gewerbekunden, die 2006 noch ca. 6,4 ct / kWh an Netzentgelten zahlten und im Jahre 2010 nur noch ca. 5,9 ct / kWh.85 Einzig bei den Industriekunden ist der Preis für die Netzentgelte nahezu stabil geblieben. Im Jahre 2006 zahlten diese ca. 1,7 ct / kWh, in den Jahren 2007 79 BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2013, S. 53 f., zuletzt abgerufen am 23.04. 2015, 11:44 Uhr, unter http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/ DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2013/131217_Monito ringbericht2013.pdf?__blob=publicationFile&v=15. 80 BNetzA, Markt und Wettbewerb Energie, Kennzahlen 2010 (2010), S. 21. 81 BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2012, S. 52, zuleztt abgerufen am 23.04. 2015, 11:43 Uhr unter: http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/ DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2012/MonitoringBericht 2012.pdf?__blob=publicationFile. 82 Reck, CDU NRW Mitgliedermagazin 6/2011, 14 (16). 83 BNetzA, Markt und Wettbewerb Energie, Kennzahlen 2010 (2010), S. 24. 84 BNetzA, Markt und Wettbewerb Energie, Kennzahlen 2010 (2010), S. 24. 85 BNetzA, Markt und Wettbewerb Energie, Kennzahlen 2010 (2010), S. 24.
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
bis 2009 sank der Preis ein wenig ab und stabilisierte sich im Jahre 2010 auf ca. 1,6 ct / kWh.86 Diese Einnahmereduktion bei den Netzentgelten hat maßgeblich mit der restriktiven Entgeltregulierung87 durch die zuständigen Regulierungsbehörden zu tun.88 Nach § 23 a Abs. 1 EnWG fand bis zum 1.1.2009 eine Exante-Genehmigung der Netzentgelte durch die Regulierungsbehörden statt. Die von den Netzbetreibern verlangten Entgelte mussten dabei den Regelungen des § 21 Abs. 1 EnWG entsprechen und die Netzbetreiber durften maximal die Netzentgelte verlangen, die ihnen zuvor genehmigt waren.89 Neben der kostenorientierten Entgeltregulierung existierte aber schon seit der Einführung im Jahre 2005 nach § 21a EnWG eine anreizorientierte Regulierung. Seit dem 1.1.2009 wurde das System der kostenorientierten Entgeltregulierung durch die sog. Anreizregulierung90 nach § 21a EnWG abgelöst.91 Hiernach werden durch die Regulierungsbehörde für eine bestimmte Regulierungsperiode Obergrenzen für die Höhe der aus den Netzentgelten zu erzielenden Netzerlöse vorgegeben.92 Die Kosten werden dazu zu Beginn der Regulierungsperiode ermittelt und es wird eine Obergrenze für die Regulierungsperiode festgesetzt; während der Regulierungsperiode bildet diese Obergrenze der Netzentgelte bzw. des Gesamterlöses den regulierenden Mechanismus.93 Diese kurz umrissene Kosten- und Einnahmestruktur des Netzbetriebes muss im Hinblick auf die (Re)Kommunalisierung im Fokus der Überlegungen und Planungen stehen. Eine Gemeinde, die eine (Re)Kommunalisierung anstrebt, muss sich über diese Struktur des Netzbetriebes, die Risiken und die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten hinreichend im Klaren sein. 86 BNetzA,
Markt und Wettbewerb Energie, Kennzahlen 2010 (2010), S. 24. hierzu: Danner/Theobald-Missling, Energierecht, Energiewirtschaftsgesetz mit Verordnungen, EU-Richtlinien, Gesetzesmaterialien, Gesetze und Verordnungen zu Energieeinsparung und Umweltschutz sowie andere energiewirtschaftlich relevante Rechtsregelungen,64. EGL (August 2009), § 23 a EnWG Rn. 1 ff.; Stumpf/Gabler, NJW 2005, 3174 (3176). 88 Schneider/Theobald-Theobald/Zenke/Lange, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 17 Rn. 1 ff., insbesondere Rn. 3. 89 Schneider/Theobald-Theobald/Zenke/Lange, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 17 Rn. 3. 90 Ausführlich zur Methode der Anreizregulierung: Schneider/Theobald-Ruge, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 18. 91 Schneider/Theobald-Theobald/Zenke/Lange, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 17 Rn. 34. 92 Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849 (852); Schneider/Theobald-Theobald/ Zenke/Lange, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 17 Rn. 34. 93 Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849 (852); Schneider/Theobald-Theobald/ Zenke/Lange, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 17 Rn. 34. 87 Ausführlich
II. Ökonomischer Rahmen87
5. Wettbewerb im Energiemarkt Bei der Betrachtung des ökonomischen Rahmens, im dem sich die (Re)Kommunalisierung der Netze bewegt, ist das zentrale Grundprinzip unserer Wirtschaftsordnung und dessen Marktgefüges entscheidend: Der Wettbewerb. Es lässt sich keinem Gesetz eine exakte Definition des Begriffs Wettbewerb entnehmen.94 Auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur findet sich keine allgemein anerkannte Begriffsbestimmung.95 Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter Wettbewerb ein Verhalten mehrerer Personen, dass dadurch gekennzeichnet ist, dass einer danach strebt, etwas zu erlangen oder zu gewinnen, während ein anderer zur gleichen Zeit selbiges tut („rivalry for the same thing“).96 Daraus, dass beide bzw. mehrere das gleiche Ziel anstreben, resultiert zwangsläufig der Wettbewerb zwischen ihnen.97 Von besonderer Bedeutung für diese Arbeit ist der Wettbewerb in Bezug auf die Unternehmen im Markt. Auf die Unternehmen im Markt wirkt sich der Wettbewerb in horizontalen Wettbewerbsbeziehungen zwischen Unternehmen derselben Marktstufe aus und in vertikalen Austauschbeziehungen zu Unternehmen vor- und nachgelagerter Wertschöpfungsstufen.98 In diesem Verhältnis besteht Wettbewerb dann, wenn es einen oder mehrere Mitbewerber um ein Gut gibt.99 Bei der Konkurrenz um dieses Gut kommen dem Wettbewerb mehrere wirtschaftsbezogene Funktionen zu: Zum einen erfüllt der Wettbewerb eine Allokationsfunktion. Der Wettbewerb hat die Funktion begrenzte und knappe Ressourcen zu einer effizienten Ausnutzung zu führen und damit eine produktive Effizienz zu erreichen.100 Dabei geht es zum einen um den effizienten Einsatz der Produktionsmittel und zum anderen um die nachfrageabhängige optimale Struktur der Produk94 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.1; teilweise wird sogar bezweifelt, ob eine Definition des Wettbewerbs überhaupt möglich ist; hierauf hinweisend Emmerich, Kartellrecht,12. (2012), § 1 Rn. 1 m. w. N. 95 Calliess/Ruffert-Weiß, EUV/AEUV,4. (2011), Art. 101 Rn. 77. 96 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.1. 97 Fast wörtlich: Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.1. 98 Fast wörtlich: Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.4. 99 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.4. 100 Herdzina, Wettbewerbspolitik (1999), S. 7 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie,3. (2008), S. 5; Rasch, Wettbewerb durch Netzzugang? (2009), S. 169; Wildmann, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik (2014), S. 221.
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
tion.101 Durch den Wettbewerb wird damit eine optimale Zuordnung von Gütern erlangt. Neben der Allokationsfunktion erfüllt der Wettbewerb aber auch eine Verteilungsfunktion, die die Entstehung oder den Abbau nicht leistungs gerechter Einkommen verhindert und somit zu Verteilungsgerechtigkeit führt.102 Dabei meint Verteilungsgerechtigkeit, dass sich Unterschiede in den Einkommen aus Leistungsdifferenzen ergeben können, nicht jedoch aus vorgegebenen Strukturen.103 Die Erzielung von Monopolrenten [hierzu nachfolgend unter § 5 II.6.] ist damit nicht vereinbar. Des Weiteren kommt dem Wettbewerb eine wichtige Innovationsfunktion zu. Im Wettbewerb müssen sich Produkte unter- und gegeneinander behaupten. In diesem Mit- und Gegeneinander von Produkten und dem Versuch den anderen Wettbewerber zu übertreffen, schafft der Wettbewerb eine Innovationskraft, die zum einen durch Informationen, aber vor allem in Bezug auf Prozesse (Prozessinnovation) und Produkte (Produktinnovation) eine große Rolle spielt.104 Denn der Wettbewerb belohnt und fördert innovative Produkte und Verfahren und diejenigen, die diese anbieten. Auch gewährleistet der Wettbewerb wirtschaftliche Freiheit der Marktteilnehmer und sichert damit Handlungs- und Wahlfreiheit. Diese Freiheitsfunktion des Wettbewerbs schafft ein maximales Transaktionspotential.105 Sie findet Ihre Grenzen jedoch in den Freiheitsrechten anderer, die bspw. durch das Vorliegen einer zu konzentrierten Marktmacht in ihren Handlungs- und Wahlmöglichkeiten eingeschränkt werden.106
101 Herdzina, Wettbewerbspolitik (1999), S. 7 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie,3. (2008), S. 5; Rasch, Wettbewerb durch Netzzugang? (2009), S. 169; Wildmann, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik (2014), S. 221. 102 Herdzina, Wettbewerbspolitik (1999), S. 7 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie,3. (2008), S. 5; Rasch, Wettbewerb durch Netzzugang? (2009), S. 169; Wildmann, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik (2014), S. 222, der dies als „Machtbegrenzungsfunktion“ beschreibt. 103 Herdzina, Wettbewerbspolitik (1999), S. 7 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie,3. (2008), S. 5; Rasch, Wettbewerb durch Netzzugang? (2009), S. 169; Wildmann, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik (2014), S. 222. 104 Herdzina, Wettbewerbspolitik (1999), S. 7 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie,3. (2008), S. 5; Rasch, Wettbewerb durch Netzzugang? (2009), S. 169; Wildmann, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik (2014), S. 222 f. 105 Herdzina, Wettbewerbspolitik (1999), S. 7 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie,3. (2008), S. 4; Rasch, Wettbewerb durch Netzzugang? (2009), S. 169. 106 Knieps, Wettbewerbsökonomie,3. (2008), S. 4 f.
II. Ökonomischer Rahmen89
Daneben fördert und erzwingt der Wettbewerb auch die Anpassung (Anpassungsfunktion) an sich ändernde Umstände und betreibt damit auch eine Art der Selektion („survival of the fittest“). Zuletzt verhindert der Wettbewerb durch ein ständiges Konkurrenzverhältnis übermäßige wirtschaftliche Machtkonzentration zum Nachteil der Marktgegenseite und übt damit eine Kontrolle über die Marktkräfte aus (Kontrollfunktion).107 Alle diese Funktionen des Wettbewerbs führen zu einer Ordnung des Marktgeschehens. Daneben erfüllt der Wettbewerb aber auch eine gesellschaftspolitische Funktion, die sich teilweise aus vorgenannten Aspekten ergibt. Der Wettbewerb schafft im Idealfall gesellschaftspolitisch eine gleichmäßige Machtverteilung in Wirtschaft und Gesellschaft und ermöglicht eine auf Privatautonomie und Eigentum basierende Privatrechtsordnung.108 Der Wettbewerb kann in Wirtschaft und Gesellschaft somit eine Reihe von positiven Effekten hervorbringen und Funktionen leisten, die eine funktionierende Ordnung insgesamt hervorbringt. Dies allerdings nur in einem Zustand, in dem sich kein Marktversagen einstellt, sondern der Wettbewerb und die Wettbewerbskräfte funktionieren. Der Markt darf nicht strukturell in Schieflage geraten bspw. durch zu hohe Machtkonzentration oder Eingriffe von außen, weil ansonsten ein Ungleichgewicht eintritt, welches den Wettbewerb und dessen ordnende Funktionen behindert oder gar ausschließt.109 6. Netze als natürliches Monopol Diese positiven Funktionen, die der Wettbewerb normalerweise auf dem Markt erfüllt und gewährleistet, sind im Bezug auf die Netze zumindest teilweise außer Kraft gesetzt. Dies liegt in dem Charakter der Netze als natürliche Monopole begründet.110 Der Begriff „Monopol“ bedeutet „allein verkaufen“ (zusammengesetzt aus „monos“ für allein und „polein“ für verkaufen) und stammt aus dem Altgriechischen.111 Ein Monopol ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich nicht ohne Weiteres vermehren oder duplizieren lässt. Natürliche Monopole zeichnen sich durch die sog. Subadditivität aus, d. h. dass die Produktionskosten von einem oder mehreren Produkten UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.25. Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 1 Rn. 9 ff. 109 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.25. 110 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Bettzüge/Kesting, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Teil 1, Kap 4 Rn. 8; Neveling/Theobald, ZNER 2001, 64 (64). 111 Hertwig, EUR 2011, 745 (745). 107 Köhler/Bornkamm,-Köhler, 108 Hierzu:
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
dann am geringsten sind, wenn nur ein Anbieter auf dem Markt ist und somit „allein verkauft“.112 Dieser eine Anbieter kann kostengünstiger als mehrere Anbieter auf dem Markt auftreten.113 Zwar ist es im Stromnetzbereich technisch grundsätzlich möglich, zusätzliche Stromleitungen zu verlegen; dies ist jedoch wegen der Subadditivität weder wirtschaftlich sinnvoll noch ist die damit einhergehende erhebliche Belastung der Umwelt wünschenswert.114 Insofern entspricht der ökonomische Befund den technischen Ausführung zur Leitungsgebundenheit der Energieversorgung [hierzu § 5 I.2.]. In Bezug auf die Energienetze wird zusätzlich zur Beschreibung als natürliches Monopol auch vom Vorliegen eines „monopolistisches Bottlenecks“ für die gesamte Energieversorgung gesprochen.115 Denn alle Wertschöpfungsstufen hängen davon ab, dass die erzeugte Elektrizität durch den Flaschenhals des Netzes zu seinen Abnehmern gelangt. Damit hat das Netz eine zentrale Bedeutung für die vor- wie auch nachgelagerten Wertschöpfungsstufen.116 Die Netze stellen gerade das Nadelöhr der Versorgung mit Elektrizität dar. Sie können nicht umgangen oder durch Alternativwege ersetzt werden.117 Lange Zeit nahm man entsprechend der „Besonderheitenlehre“ an, dass die Strom- und Gasversorgung, also die Energieversorgung über alle Wertschöpfungsstufen hinweg, in Gänze als natürliches Monopol zu klassifizieren sei.118 Mittlerweile ist es h. M. in der Wirtschaftswissenschaft, dass innerhalb der Wertschöpfungskette die Erzeugung und der Vertrieb von Strom, anders als die Netze, keine Charakteristika eines natürlichen Monopols aufweisen.119 112 Mühlenkamp.
Wirtschaftsdienst 2007, 707 (707). Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 99. 114 Bräuer/Egeln/Werner, Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft und seine Auswirkungen auf kommunale Querverbundunternehmen,1. (1997), S. 51; Knieps, Wettbewerbsökonomie,3. (2008), S. 23. 115 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Bettzüge/Kesting, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Teil 1, Kap 4 Rn. 8. 116 So auch Bartel, Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 106 f. 117 Hierzu bereits in § 5 I.1. und § 5 I.2. 118 König/Theobald, in: Grupp/Rollenfitsch (Hrsg.), Planung – Recht – Rechtsschutz, Festschrift für Wilie Blümel zum 70. Geburtstag, (1999), S. 277 (280); Neveling/Theobald, ZNER 2001, 64 (64); Schneider/Theobald-Gussone/Theobald, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 6 Rn. 7. 119 Neveling/Theobald, ZNER 2001, 64 (64); Bräuer/Egeln/Werner, Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft und seine Auswirkungen auf kommunale Querverbundunternehmen1. (1997), S. 33 ff., die für die Fernwärmeerzeugung und die Energieverteilung ein natürliches Monopol annehmen. 113 Bartel,
II. Ökonomischer Rahmen91
Durch das natürliche Monopol der Netze entstehen Markteintrittsbarrieren, die den Wettbewerb durch andere Anbieter im Netz unterbinden können. So kann der (unkontrollierte, frei agierende) Monopolist grundsätzlich einseitig bestimmen, welchen Anbietern er Zugang zu seinem Netz gewährt, kann einzelnen Anbietern höhere Nutzungsentgelte auferlegen oder sie einseitig bevorzugen. Außerdem bergen die Stromnetze als natürliches Monopol grundsätzlich die Gefahr für den Wettbewerb, dass versteckte Quersubventionierungen aus dem monopolistisch geprägten Segment zugunsten der vor- und nachgelagerten Segmente der Wertschöpfungskette vorgenommen werden mit der Folge, dass die grundsätzlich im Wettbewerb stehenden vorund nachgelagerten Segmente unter erheblichen aus dem Netzmonopol folgenden Wettbewerbsverzerrungen leiden.120 Aktivitäten des Monopolisten können gerade nicht, wie sonst, durch potentielle Wettbewerber im Markt kontrolliert werden. Sie sind vielmehr der Selbstregulierungskraft des Wettbewerbs entzogen. Dieser Fall, der auch als „statische Monopolresistenz“ bezeichnet wird, ist auch der Grund dafür, warum der Staat zum Schutze des Marktes, der Wettbewerber und Verbraucher in das Marktgeschehen regulativ eingreift.121 Dabei können Wettbewerbsverzerrungen sogar soweit gehen, dass der Markteintritt neuen Anbietern erschwert oder gänzlich versagt wird und damit über den wirtschaftlichen Erfolg nicht die Qualität des Wettbewerbers, sondern dessen Ausgangsposition und Startchancen, insbesondere dessen Kapital entscheiden.122 Da die Eigenschaft der Netze als natürliches Monopol jedoch nicht beseitigt werden kann, ist es aus ökonomischer Sicht vielmehr sinnvoll, künstlich (durch Gesetze) einen Wettbewerb zu schaffen. 7. Größenvorteile Die Netzinvestitionen sind dadurch gekennzeichnet, dass ein signifikant steigender Größenvorteil, sog. Netzwerkeffekt oder auch „economies of scale“, gegeben ist. Das bedeutet, dass bei der Erhöhung der Produktion die langfristigen Stückkosten sinken oder anders ausgedrückt, Größenvorteile liegen dann vor, wenn eine proportionale Erhöhung aller Inputfaktoren zu einer überproportionalen Erhöhung aller Outputkomponenten führt,123 die 120 Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 27, die von der Verhinderung von ruinösen oder Verdrängungswettbewerb sprechen. 121 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 79. 122 So auch Bräuer/Egeln/Werner, Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft und seine Auswirkungen auf kommunale Querverbundunternehmen,1. (1997), S. 51. 123 Knieps, Wettbewerbsökonomie,3. (2008), S. 24.
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
durchschnittlichen Kosten sich damit vergünstigen (sog. kostensenkende Skaleneffekte).124 Diese Fixkostendegression führt jedoch auch dazu, dass eine bestimmte Unternehmensgröße, auch kritische Masse genannt, erreicht werden muss, damit sich ein Unternehmen an einem monopolistisch strukturierten Markt behaupten kann.125 Vereinfacht gesagt, hat ein Netzbetreiber mit vielen angeschlossenen Kunden (bspw. durch verschiedene, zusammenhängende oder in der Nähe befindliche Netze) gegenüber einem Netzbetreiber der alleine ein einziges Netz betreibt, wirtschaftliche Kostenvorteile. Existieren solche Größenvorteile, so ist es für den Verbraucher am preiswertesten sich an diesen einen Anbieter zu halten.126 Diese Größenvorteile werden noch dadurch gesteigert, dass irreversible Kosten bei der Übernahme der Infrastruktur, also am Anfang der Aufnahme der Tätigkeit als Netzbetreiber, entstehen.127 Durch Größenvorteile kann der etablierte Anbieter hohe Outputmengen und gute Einnahmen erzielen.128 Dass ein neuer Netzbetreiber eben diesen Effekt und die gleiche Kosten-Einnahmen-Struktur erzielen kann, ist indes nicht gesagt. Die hohen, irreversiblen Kosten in Verbindung mit der unklaren Möglichkeit der Amortisation dieser Investitionen stellen für Wettbewerber daher ein zusätzliches Markteintrittshemmnis dar.129 Die Kombination der Größenvorteile und der irreversiblen Kosten führt daher zu einer Privilegierung von größeren Netzstrukturen und den etablierten, bereits im Markt befindlichen, Netzeigentümer. 8. Dichtevorteile Für die Elektrizitätsverteilung über ein Netz sind darüber hinaus noch die sog. Dichtevorteile oder „economies of density“ von Bedeutung. Diese besagen, dass ein Vorteil dadurch gegeben ist, dass aufgrund von größerer Dichte an Nachfrage die Durchschnittskosten für ein bestimmtes Gebiet sinken.130 Um das Ziel einer preiswerten Energieversorgung zu gewährleisten, muss das 124 Bräuer/Egeln/Werner, Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft und seine Auswirkungen auf kommunale Querverbundunternehmen,1. (1997), S. 33. 125 Nerlich/Kreplin-Gras, Münchener Anwaltshandbuch Sanierung und Insolvenz,2. (2012), § 2 Rn. 67. 126 Bartel, Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 100. 127 Hierzu § 5 II.4. 128 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Kahlenberg/Peter, Kartellrecht,2. (2009), § 36 GWB Rn. 81. 129 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Kahlenberg/Peter, Kartellrecht,2. (2009), § 36 GWB Rn. 81. 130 Bartel, Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 101.
II. Ökonomischer Rahmen93
Netz möglichst effektiv betrieben und umfassend ausgelastet werden.131 Denn je höher die Auslastung des Netzes, desto niedriger ist der Fixkostenanteil der auf den durchgeleiteten Strom, also den jeweiligen Elektrizitätsbezug, entfällt.132 Ist ein Netz nur wenig ausgelastet, so sind die Fixkosten relativ (im Hinblick auf den durchgeleiteten Strom betrachtet) höher. Wird in einem dicht besiedelten Gebiet ein Elektrizitätsnetz verlegt, so können mit geringeren Kosten deutlich mehr Haushalte angeschlossen werden, als in einem sehr dünn besiedelten Gebiet, wo ganze Netzverzweigungen nur dem Anschluss eines Haushaltes dienen.133 Die höhere Netzauslastung führt somit zu einer besseren wirtschaftlichen Ausbeute. Die Kosten sind dadurch im Verhältnis niedriger. Mithin ist es wirtschaftlich sinnvoll ein Netz zu betreiben, dass viele Nutzer und dadurch eine hohe Auslastung aufweist. 9. Erfahrungskurveneffekt Daneben können sich auch Vorteile in Form von Synergieeffekten und Kostenersparnissen durch die Generierung von Erfahrungswerten einstellen. Der sog. Erfahrungskurveneffekt resultiert daraus, dass sich pro Einheit, die erneut und immer wieder produziert wird („betriebliches Lernen“134), Erfahrungswerte einstellen, die einen Lern- und Verbesserungseffekt mit sich bringen.135 Diese Lerneffekte können sich auf unterschiedlichsten Ebenen einstellen. So kann vermutet werden, dass bspw. langjährige Mitarbeiter in einer Netzgesellschaft durch Erfahrungswerte i. d. R. viel effizienter und effektiver als Neueinsteiger in diesem Bereich arbeiten. Auch die Organisationsstruktur einer Netzgesellschaft als Ganze kann von Erfahrungskurveneffekten profitieren. Ein bereits im Netzbetrieb tätiges Unternehmen wird diese Effekte positiv einbringen und kostenreduzierend nutzen können. Steigt eine Gemeinde indes völlig neu i. R. e. Kommunalisierung in den Netzbetrieb ein, so werden sich diese Effekte erst mit der Zeit einstellen. Zu Beginn der Tätigkeit als Netzbetreiber werden sie jedoch nicht vorliegen, wenn nicht externes Know-how eingekauft wird. Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 607. Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 607. 133 Bartel, Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 101, führt hierzu als Beispiel den Anschluss eines Wohngebietes im Vergleich zum Anschluss eines einzelnen Bauernhofes auf dem Land an. 134 Paprottka, Synergie und Integration von Unternehmenszusammenschlüssen (1996), S. 98. 135 Bartel, Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 222; Paprottka, Synergie und Integration von Unternehmenszusammenschlüssen (1996), S. 98 ff. 131 Schulte/Schröder-Büdenbender, 132 Schulte/Schröder-Büdenbender,
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§ 5 Technischer und ökonomischer Rahmen
III. Zusammenfassung Die Energieversorgung erfolgt in Deutschland über ein technisch hoch komplexes Stromnetz mit verschiedenen Netzebenen, von denen für die nachfolgenden Betrachtungen die unterste Netzebene, die Verteilernetze, von Bedeutung sind [§ 5 I.1.]. Aufgrund der Leitungsgebundenheit und fehlenden Speicherbarkeit von Strom kommt den Netzen eine erhöhte technische Bedeutung zu [§ 5 I.2. und § 5 I.3.]. Die Stabilität der Netze hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab, wird derzeit aber vor allem durch das zunehmende Einspeisen von erneuerbarer Energie aus dezentralen Anlagen auf eine harte Probe gestellt [§ 5 I.4.]. Dabei ist die sichere Versorgung mit Energie von herausragender Bedeutung für die Volkswirtschaft und jeden einzelnen Bürger [§ 5 II.1.]. Historisch betrachtet war die Energieversorgung zunächst von privater Initiative geprägt, stellt sich inzwischen aber als ein gemischtes Feld staatlicher wie privater Betätigung dar [§ 5 II.2.]. Die Wertschöpfung erfolgt dabei über drei Stufen, von denen die Netze die verbindende, und monopolistisch geprägte Struktur i. S. e. „bottle neck“ darstellen [§ 5 II.6.]. Die Kosten und Einnahmen des Netzbetriebes sind im besonderen Maße durch die Eigenschaft der Netze als natürliches Monopol geprägt, wodurch der Wettbewerb und eine wettbewerbliche Selbstregulierung in weiten Teilen außer Kraft gesetzt sind [§ 5 II.6.]. Dabei führen Größen- und Dichtevorteile sowie Erfahrungskurveneffekte zu einer günstigeren Ausgangslage für etablierte Netzbetreiber, die mehrere Netze oder große Netzbereiche betreiben [§ 5 II.7., § 5 II.8. und § 5 II.9.]. Aus technischen wie wirtschaftlichen Gründen ist es daher wenig sinnvoll, eine kleinteilige Netzstruktur durch Zersplitterung der Stromverteilernetze zu schaffen.
§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung und die Befugnis der Gemeinden Die Entscheidung einer Gemeinde das örtliche Verteilernetz zu (re)kommunalisieren kann nicht – wie etwa bei einem privaten Unternehmer – in Ausübung ihrer Privatautonomie und unternehmerischen Entscheidungsfreiheit erfolgen. Vielmehr ist die Gemeinde als Teil der vollziehenden Gewalt an gesetzliche Grenzen gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG),1 die sich bereits auf die Frage auswirken, ob eine Gemeinde überhaupt das Verteilernetz (re)kommunalisieren darf. Denn die Staatsgewalt in einem Rechtsstaat ist begrenzt, insbesondere auch dahingehend, dass ihr Tätigwerden durch Erwägungen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein muss.2 Aus der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz, wie sie in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegt ist, ergibt sich eine Art Prüfungsauftrag im Vorwege des Tätigwerdens der Gemeinden. Nur wenn die beabsichtigte Tätigkeit im Rahmen von Recht und Gesetz gestattet ist, darf die Gemeinde sich ihr annehmen. Für die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze des Stromsektors muss daher das gesamte relevante Recht auf die Frage hin untersucht werden, ob ein solches Tätigwerden der Gemeinden von Recht und Gesetz umfasst ist und wenn ja, in welchen rechtlichen Grenzen die (Re)Kommunalisierung möglich ist. Dabei sind auch mögliche indirekte Aussagen der Gesetze auf eine Befugnis der Gemeinden zum Tätigwerden in der Energieverteilung zu untersuchen.
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen Dem Europarecht sind zahlreiche wichtige Impulse für das nationale Energierecht zu verdanken. Die Liberalisierung des Energiemarktes, initialisiert durch die Energiebinnenmarktpakete, bildet dabei einen zentralen Wendepunkt in der Organisation und Gestalt des Energiemarktes und seiner Akteure.3 Aber auch im Übrigen enthält das europäische Recht, insbeson1 Zur Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, statt vieler: Maunz/Dürig-Herzog/Grzeszick, Grundgesetz Kommentar,51. EGL (Dezember 2007), Art. 20 Abs. 3 Rn. 75 ff. 2 Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), S. 21 (37 f.); Püttner, Die öffentlichen Unternehmen (1969), S. 128 ff. 3 Grundlegend: Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole im EG-Vertrag (1996).
96
§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
dere das Primärrecht, Regelungen, die im Hinblick auf eine mögliche Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung von Bedeutung sein können. Das europäische Gemeinschaftsrecht genießt dabei grundsätzlich Anwendungsvorrang, der auch im Verhältnis zu spezifischen kommunalen Rechten und Pflichten nach deutschem Recht zu berücksichtigen ist.4 Nach ganz h. M. ist dies sogar so weitgehend zu beachten, dass die von Art. 79 Abs. 3 GG nicht erfasste Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG als „nicht europafest“ gewertet wird.5 Insofern sind die Aussagen des europäischen Rechts im Hinblick auf die (Re)Kommunalisierung sorgsam zu prüfen und beachten. 1. Europäisches Primärrecht In diesem Zusammenhang ist zunächst das europäische Primärrecht zu befragen. a) Energieversorgung im Wettbewerb und die europäische Wirtschaftsverfassung Der europäische Binnenmarkt ist nicht nur Ziel, sondern große Errungenschaft der Europäischen Union. Nach Art. 26 Abs. 2 AEUV umfasst er einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Europäischen Verträge gewährleistet ist. Zur Ermöglichung dieses freien Binnenmarktes ist das europäische Vertragswerk durch die Leitidee des freien Wettbewerbes gekennzeichnet.6 Flankiert wird dieser europäische Binnenmarkt und dessen freier Wettbewerbsgedanke von dem primärrechtlichen Bekenntnis zu einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsverfassung, welches deutlich in Art. 119 Abs. 1 AEUV niedergelegt ist. Nach Art. 119 Abs. 1 AEUV sind die Mitgliedstaaten und die EU „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet“. Den Mitgliedstaaten obliegt es 4 Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers,
Rechtspraxis
kommunaler
Unternehmen,3.
(2015), B. Rn. 2. 5 Groß DVBl. 2002, 1182 (1189); Hoppe/Uechtritz/Reck-Ronellenfitsch, Handbuch kommunale Unternehmen,3. (2012), § 3 Rn. 15; Mann/Pütter-Ruffert, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 1,3. (2007), § 38 Rn. 6; SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke-Henneke, Kommentar zum Grundgesetz,13. (2014), Art. 28 GG Rn. 58; Schoch, in: Henneke, Kommunen und Europa (1999), S. 11 (11); Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 2. 6 So auch Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung. Rn. 1.42.
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen97
danach, ein marktwirtschaftliches und nach außen offenes Wirtschaftssystem zu etablieren.7 Dabei geht das Gebot des „freien Wettbewerbs“ in zwei Richtungen: (1) der Wettbewerb soll gegen private Beschränkungen und (2) vor Eingriffen der öffentlichen Hand geschützt werden.8 Auch Art. 3 Abs. 3 S. 1 EUV greift dieses marktwirtschaftliche Bekenntnis auf. Gem. Art. 3 Abs. 3 S. 1 EUV errichtet die Union einen Binnenmarkt, der u. a. gem. Art. 3 Abs. 2 S. 2 EUV ein Garant für „eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“ sein soll. Dieser Befund wird durch die vier Grundfreiheiten (Warenverkehrsfreiheit, Art. 34 ff. AEUV; Personenverkehrsfreiheit, Art. 45 ff. AEUV; Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 ff. AEUV, und Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Art. 63 ff. AEUV) gestützt, die den einzelnen EU-Bürgern subjektive Rechte unmittelbar aus diesen Grundfreiheiten gewähren.9 Darüber hinaus wird der freie Wettbewerb auch durch die Regelungen der Art. 101 ff., 107 ff. AEUV geschützt und die marktwirtschaftliche Ordnung gestärkt.10 Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und die Regulierung staatlicher Beihilfen.11 Auch wenn nach wohl herrschender Ansicht dem Europarecht kein allgemeiner Subsidiaritätsgedanke i. S. e. Vorranges der privaten vor der staatlichen Wirtschaftsbetätigung zu entnehmen ist,12 so führen die vorstehend dargestellten europarechtlichen Vorgaben doch zu einem grundsätzlichen Bekenntnis zu einem freien Wettbewerb in marktwirtschaftlicher Ordnung, in dem staatliche Wettbewerbsteilnahme nur eine Ausnahme sein sollte. Einem staatlicherseits organisierten Wirtschaftsgeschehen (mit staatlichen Unternehmen) wird hierdurch eine Absage erteilt. Diese generellen Ausführungen im Hinblick auf die Wettbewerbs- und Wirtschaftsordnung der Europäischen Union gelten zunächst allgemein für alle Wirtschaftsbereiche. Seit der Liberalisierung des Energiemarktes, angestoßen durch die Europäische Union mit dem Ersten Energiebinnenmarkt paket, insbesondere der Elektrizitätsrichtlinie von 1996, wurde auch die 7 Lenz/Borchardt-Koch, EU-Verträge Kommentar,6. (2013), Vorb. Art. 119–144 AEUV Rn. 2. 8 Ronellenfitsch, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, Kolloquium aus Anlass des 100. Geburtstags von Prof. Dr. Dr. h. c. Ernst Forsthoff (2003), S. 53 (88). 9 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.42. 10 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.42. 11 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.42. 12 Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Einl. E. EnWG Rn. 329; wohl auch Tettinger, DVBl. 1999, 679 (681 f.); Möslein, Dispositives Recht (2011), S. 77, Rn. 195.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Energieversorgung, insbesondere die Energieübertragung und -verteilung dem Wettbewerb geöffnet,13 die zuvor durch ihre monopolistischen Strukturen den Marktkräften und dem Wettbewerb weitestgehend entzogen war. Durch die Energiebinnenmarktpakete wurde die Energieversorgung schrittweise dem Wettbewerb geöffnet, so dass auch sie im Wettbewerb der Marktkräfte organisiert und durch rechtlich vorgesehene Regulierungsmechanismen zusätzlich strukturiert wird. Der deutsche Energiemarkt und auch die deutschen Regelungen mussten und müssen sich, insbesondere auch wegen der Kompetenz der Europäischen Union zur Rechtsangleichung (Art. 114 ff. AEUV)14, an die europäischen Maßstäbe im Kontext mit der „europäischen Wettbewerbsidee“ anpassen.15 b) Grundsatz der Gleichbehandlung privater und öffentlicher Unternehmen Aus den Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 345, 101, 102 AEUV wird der europarechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung der privaten und öffentlichen Unternehmen hergeleitet.16 Nach anderer Ansicht ergibt sich dies bereits aus Art. 106 AEUV.17 Auch im Sekundärrecht spielt dieser Grundsatz eine Rolle. Deutlich tritt dies in den Erwägungsgründen zur Transparenzrichtlinie RL 2006 / 111 / EG zum Vorschein, und zwar in Grund (4), wo es heißt: „Bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln sollte keine unbegründete Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen getroffen werden. Diese Richtlinie sollte auf öffentliche und auf private Unternehmen anwendbar sein.“ Insofern steht aber auch fest, dass das europäische Primärrecht von der Existenz öffentlicher Unternehmen im Allgemeinen ausgeht. Eine Definition enthält das Europäische Primärrecht indes nicht. Für die Frage, was ein öffentliches Unternehmen ausmacht, ist abermals das Sekundärrecht in Form der Transparenzrichtlinie hilfreich.18 Gem. Art. 2 Energierecht,67. EGL (Oktober 2010), Einführung in das europäische Energierecht, Rn. 28 ff. 14 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.42. 15 So auch Becker, NstZ 2009, 306 (307). 16 EUGH, Urt. v. 24.2.1994, RS- C-99/92, Sammlung der Rechtsprechung 1994 Seite I-00541 (und über juris); Garbitz/Hilf/Nettesheim-Wernicke, Das Recht der Europäischen Union,43. EGL (März 2011), Art. 106 AEUV Rn. 5; ausführlich Storr, Der Staat als Unternehmer,3.(2001), S. 292 ff. 17 Badura Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung (2011), S. 108; Becker, NStZ 2009, 306 (309); so noch zu Art. 86 EGV: Kämmerer, Privatisierung (2001), S. 97. 18 Richtlinie 80/723/EWG vom 25.6.1980 gültig bis zum 2006 und ersetzt durch Richtlinie 2006/111/EG. 13 Danner/Theobald-Däuper,
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen99
lit. b) der Richtlinie ist ein öffentliches Unternehmen „jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss19 ausüben kann.“ Die öffentliche Hand umfasst dabei gem. Art. 2 lit. a) „alle Bereiche der öffentlichen Hand, inklusive Staat sowie regionale, lokale und alle anderen Gebietskörperschaften“. Durch den Grundsatz der Gleichbehandlung schafft das Primärrecht für die Betätigung durch öffentliche Unternehmen jedoch Vorgaben. Zum einen folgt aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung, dass „mit der Gleichbehandlung aller Typen von Unternehmen die Grenzen zwischen Staat und Gesellschaft im wirtschaftlichen Bereich“ abgebaut werden sollen.20 Zum anderen – und in diesem Zusammenhang bedeutender – resultiert hieraus, dass die Mitgliedstaaten, die sich mit ihren Untergliederungen als Unternehmen am Markt beteiligen, dafür Sorge tragen müssen, dass die Wettbewerbsvorschriften durch ihre staatlichen Unternehmen ebenso eingehalten werden (kein Handeln gegen Gesetz), wie dies auch durch private Konkurrenten erfolgen muss.21 Denn aus dem europäischen Grundsatz der Gleichbehandlung folgt, dass staatliche oder gemeindliche Unternehmen nicht aufgrund der staatlichen Inhaberschaft und erst recht nicht wegen wie auch immer gearteter Sonderrechte ungerechtfertigt gegenüber privaten Marktteilnehmern bevorzugt werden dürfen.22 Die Europäische Kommission führt dazu in einer Entscheidung, die Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung durch den EuGH war, aus:23 „Falls ein Staat neben der Ausübung seiner Funktion als öffentliche Gewalt als Aktionär tätig sein kann, so darf er nicht seine Funktion als Staat, die die öffentliche Gewalt ausübt, und als staatlicher Aktionär miteinander vermischen. […] Es bestünde keine Gleichbehandlung zwischen den öffentlichen Unternehmen und den Privatunternehmen mehr, wenn der Staat seine Vorrechte als öffentliche Gewalt zugunsten der Unternehmen, deren Aktionär er ist, nutzen würde.“ Ein solcher – wie von der EU Kommission beschriebener – Wettbewerb unter ungleichen Bedingungen wird im Zusammenhang mit den wirtschaftli19 Ein beherrschender Einfluss liegt nach Art. 2 lit b) i) bis iii) vor, wenn die öffentliche Hand die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt, oder über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leistungsoder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann. 20 Kämmerer, Privatisierung (2001), S. 97. 21 Becker, NStZ 2009, 306 (309). 22 Becker, NStZ 2009, 306 (309). 23 Zitiert in EuGH Entscheidung vom 5. Juni 2012, Rs. C-124/10P, Kommission vs. EFTA/EDF/Französische Rebulik/Iberdrola SA, Rn. 21 (97).
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
chen Betätigungen der Gemeinden jedoch stets eine Gefahr und berechtigte Befürchtung darstellen. Dies kann maßgeblich darauf gestützt werden, dass kommunale Unternehmen steuerliche Vorteile im Vergleich zu ihren privaten Konkurrenten genießen, keinem Insolvenzrisiko ausgesetzt sind, ein besserer Zugang zu behördlichen Informationen und Kontakten besteht und auch auf Seiten der Verbraucher einem kommunalen Unternehmen eine Art „Amtsbonus“ zuteil wird.24 Von besonderer Bedeutung ist im Zusammenhang mit der (Re)Kommunalisierung außerdem die Rolle, die die Gemeinden bei der Vergabe der Konzessionen einnehmen. Sie sind zum einen die mit im Vergabeverfahren um die Konzessionen entscheidende Stelle. Zum anderen sind sie aber auch Bewerber im Verfahren um die Konzession, wenn sie das Netz (re)kommunalisieren wollen. Aufgrund dieser Doppelrolle der Gemeinden besteht damit zusätzlich eine besondere Gefahr der Ungleichbehandlung.25 Dennoch muss festgestellt werden, dass das europäische Primärrecht von der Existenz öffentlicher Unternehmen ausgeht. Der Grundsatz der Gleichbehandlung soll dabei jedoch einer Bevorzugung vorbeugen; Grundlage oder Rechtfertigung öffentlichen wirtschaftlichen Handelns ist er indes nicht. c) Schutz der kommunalen Betätigung über Art. 4 EUV? Eine solche Grundlage oder Befugnis bzw. der Schutz kommunaler wirtschaftlicher Betätigung könnte sich aber aus Art. 4 EUV ergeben. Das europäische Primärrecht ist allerdings zurückhaltend, was Vorgaben hinsichtlich der Verwaltungsstrukturen der Mitgliedstaaten und deren Aufgaben betrifft. Insofern verwundert es nicht, dass jahrzehntelang die kommunale Ebene, die es auch längst nicht in allen Mitgliedstaaten gibt, keine Erwähnung im europäischen Primärrecht gefunden hat.26 Erstmals27 hat mit dem Vertrag von Lissabon in Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV die kommunale Ebene Eingang in das europäische Primärrecht gefunden.28 Die Aufnahme der regionalen und lokalen Selbstverwaltung in das europäische Primärrecht könnte für eine Stärkung der Gemeinden29 und 24 Hill, BB 1997, 425 (425); Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts,2.(1994), § 18 Rn. 47; Gloy/Loschelder/Erdmann-Poppen, Wettbewerbsrecht,4. (2010), § 66 Rn. 2. 25 Ausführlich zur Doppelrolle der Gemeinden in der Konzessionsvergabe, siehe § 7 II.6. 26 Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, 249 (249). 27 Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, 249 (249). 28 Ausführlich zu Art. 4 EUV, siehe Bogdandy/Schill, ZaöRV 2010, 701 (701 ff.). 29 So Grabitz/Hilf/Nettesheim-Wernicke, Das Recht der Europäischen Union,41. EGL (Juli 2010), Art. 14 AEUV Rn. 19.
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen101
ihrer Handlungsmöglichkeiten sprechen. Erste Ansätze in diese Richtung werden jedoch zu Recht kritisch gesehen.30 Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV enthält nur eine Achtungspflicht hinsichtlich mitgliedstaatlicher Strukturen, die zur Identität des Mitgliedstaates zu zählen sind, einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung. Dadurch enthält Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV kein etwaiges Recht oder etwaige Befugnisse.31 Vielmehr erklärt die Europäische Union im Rahmen einer Selbstbindung, dass sie die Identität der Mitgliedstaaten (bspw. bei Gesetzgebungsvorhaben) achtet und auf diese Rücksicht nimmt. Dies macht auch die Rechtsfolge des Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV deutlich. Seinem Wortlaut nach richtet sich Art. 4 Abs. 2 EUV gerade nicht an die Mitgliedstaaten32, ihre Untergliederungen oder gar die einzelnen Gemeinden, sondern an die Europäische Union selbst.33 Den Organen der EU erlegt Art. 4 Abs. 2 EUV eine Pflicht34 auf, die jedoch nicht wie im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG und dem staatlichen Auftrag zum Schutze der Menschenwürde einen absoluten Schutzcharakter aufweist.35 Damit ist vielmehr nur gesagt, dass die regionale und lokale Selbstverwaltung als Ausdruck mitgliedstaatlicher Strukturen an sich von der Europäischen Union zu achten ist,36 soweit diese zur Identität des jeweiligen Mitgliedstaates zu zählen ist. Hieraus können die Gemeinden aber keine Befugnis zur (Re)Kommunalisierung ableiten. Vielmehr verweist Art. 4 EUV diesbezüglich auf Gesetz und Recht in den Mitgliedstaaten.
30 Epping/Hillgruber-Hellermann, Beck’scher Online Kommentar GG,18. Edition (15.05.2013), Art. 28 Rn. 26. 31 A. A.: erwägend Grabitz/Hilf/Nettesheim-von Bogdandy/Schill, Das Recht der Europäischen Union,41. EGL (Juli 2010), Art. 4 EUV Rn. 16. 32 Erst, wenn ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 EUV so weit reicht, dass dies zu einem Verstoß gegen das Gebot der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV führt, richtet sich auch der Art. 4 Abs. 2 EUV gegen die Mitgliedstaaten vgl. Grabitz/ Hilf/Nettesheim-von Bogdandy/Schill, Das Recht der Europäischen Union,41. EGL (Juli 2010), Art. 4 EUV Rn. 5. 33 Grabitz/Hilf/Nettesheim-von Bogdandy/Schill, Das Recht der Europäischen Union,41. EGL (Juli 2010), Art. 4 EUV Rn. 5. 34 Zum Achtungsgebot detailliert, vgl. Bogdandy/Schill, ZaöRV 2010, 701 (725 ff.). 35 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Bogdandy/Schill, Das Recht der Europäischen Union,41. EGL (Juli 2010), Art. 4 EUV Rn. 33. 36 A. A. angedeutet in Geiger/Khan/Kotzur-Geiger, EUV/AEUV,5. (2010), Art. 4 EUV Rn. 3.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
d) Originäre kommunale Aufgabe wegen Zuordnung zu Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse? Auf europäischer Ebene sind Aufgaben zum Wohle der Allgemeinheit im AEUV in Art. 14 AEUV und Art. 106 Abs. 2 AEUV als „Dienstleistungen“ bzw. „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ geregelt. Diese werden im sekundärrechtlichen Kontext, also in Umsetzung von europäischen Richtlinien in den deutschen Übersetzungen, oftmals mit dem Begriff der „Daseinsvorsorge“ gleichgesetzt. Eine sehr häufig vertretene Ansicht in Deutschland ist, dass Aufgaben der Daseinsvorsorge originäre Staatsaufgabe seien.37 Diesen Ansatz aufgreifend könnte sich auf Ebene des europäischen Primärrechts durch Zuordnung einer Aufgabe zu den „Dienstleistungen“ oder „Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ ergeben, dass schon nach europäischem Recht hierfür eine originäre Aufgabenzuständigkeit des jeweilige Mitgliedstaats und seiner Untergliederungen besteht. Dass die Energieversorgung, insbesondere der Netzbetrieb zu den „Dienstleistungen“ bzw. „Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ gezählt wird, ist dabei nahezu unumstritten.38 Insofern kann der Betrieb des Elektrizitätsnetzes unproblematisch den Diensten bzw. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zugeordnet werden. Allerdings müsste zusätzlich dem Europarecht entnommen werden können, dass diese Dienste bzw. Dienstleistungen – ähnlich der vorzitierten in Deutschland verbreiteten Ansicht – zu den originären staatlichen Aufgaben nach europäischem Primärrecht zählen. aa) Dienste bzw. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Daher ist das Verständnis des Begriffs der Dienste bzw. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und die möglichen Rechtsfolgen der Zuordnung einer Tätigkeit zu diesen von entscheidender Bedeutung. Dienste von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse sind in Art. 14 AEUV oder als Dienstleistungen in Art. 106 Abs. 2 AEUV im Primärrecht 37 Hierzu
ausführlich in § 6 II.9.c)aa). vieler: Europäische Kommission, Begleitdokument zu der Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen: Europas neues Engagement, KOM(2007) 725 endg., S. 3 f.; Lattmann, in: Krautscheid, Die Daseinsvorsorge im Spannungsfeld von europäischem Wettbewerb und Gemeinwohl,1. (2009), S. 419 (422). 38 Statt
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen103
genannt.39 Weder die Verträge noch das Sekundärrecht enthalten jedoch eine allgemeine Definition.40 Einzig das Protokoll über die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (Protokoll Nr. 26) führt zu den Diensten in Art. 1 aus,41 allerdings jedoch auch nicht dergestalt, dass von einer Definition oder klärenden Begriffsbestimmung gesprochen werden könnte. Nach allgemeinem Verständnis stellen die Dienste nicht deren Träger in den Vordergrund oder regeln gar, dass diese durch die Europäische Union oder ihre Mitgliedstaaten zu erfüllen sind (sog. Neutralität gegenüber der Trägerperson).42 Die Dienste beziehen sich vielmehr auf aufgabenbezogene, dem Gemeinwohl verpflichtete Leistungen, also gerade auf die Leistungserbringung selbst.43 Nach Ausführung der EU Kommission werden Dienste dann als im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegend bezeichnet, wenn sie im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Mitgliedstaaten mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden.44 Dem Europarecht liegt dabei durchaus die wettbewerbliche Vorstellung zugrunde, dass die bestmögliche Versorgung mit den Diensten auch durch Wettbewerb zwischen verschiedenen Akteuren auf dem Markt erreicht 39 Nachfolgend
nur noch als „Dienste“ bezeichnet. auch Grabitz/Hilf/Nettesheim-Warnicke, Das Recht der Europäischen Union,41. EGL(Juli 2010), Art. 14 AEUV Rn. 26. 41 In diesem Protokoll weisen die Vertragsstaaten auf die Bedeutung der Dienste von allgemeinem Interesse hin und erklären in Art. 1 deren wichtige Rolle, einen weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei deren Gestaltung. Im Übrigen weisen sie in Art. 1 auf die Vielfalt und das hohe Niveau dieser Dienstleitungen hin. Dies genießt gem. Art. 51 EUV Primärrechtsstatus, vgl. auch Grabitz/Hilf/Nettesheim-Wernicke, Das Recht der Europäischen Union,41. EGL (Juli 2010), Art. 14 AEUV Rn. 35. 42 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 15; Europäische Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, Mitteilung vom 20.9.2000, KOM [2000] 580 endg., S. 11, Rn. 21: „Die Kommission macht also keine Vorgabe dahingehend, dass Liestungen der Daseinsvorsorge [gemeint sind die Dienste] von öffentlichen oder privaten Unternehmen zu erbringen sind […].“ 43 Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen, 2010, S. 36; Europäische Kommission, Weißbuch für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, KOM [2004] 374 endg., S. 6 (Rn. 2.2); Wurzel/Schraml/ Becker-Hennecke, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), A. Rn. 25; Geiger/Khan/Kotzur-Kotzur, EUV/AEUV,5. (2010), Art. 14 AEUV Rn. 1. 44 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, auszugsweiser Abdruck der Mitteilung vom 11.09.1996, KOM (96) 443 endg., S. 1–15, ZögU Bd. 20 (1997) 77 (78); Europäische Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, Mitteilung vom 20.9.2000, KOM [2000] 580 endg., S. 9 Rn. 14 (= Amtsblatt EG 2001/C 17/04, Rn. 14.); Wurzel/Schraml/Becker-Henneke, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), A Rn. 25. 40 So
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
werden kann45 und Marktöffnung und Wettbewerb geeignete Mittel zur Sicherung der Daseinsvorsorge im deutschen Sinne sind.46 Nach dem Europarecht können die Dienste von Unternehmen erbracht werden, und zwar nicht zwingend öffentlichen, sondern auch privaten Unternehmen.47 Die von einigen als „Leitfrage des deutschen Rechts“ bezeichnete Frage danach, ob der Staat die Leistungen der Daseinsvorsorge selbst erbringen sollte, lässt das Europarecht indes offen.48 Insbesondere aufgrund seiner eigentumsrechtlichen Neutralität, die sich aus Art. 345 AEUV ergibt [dazu nachfolgend § 6 I.1.e)], lässt das Europarecht offen, wer die Dienste bzw. Dienstleistungen erbringt.49 Wie und unter welchen Bedingungen die Dienste erbracht werden, ist dem Europarecht indes ein zentrales Anliegen. Europarechtlich problematisch wird die wirtschaftliche Betätigung des Staates dann, wenn messbare Sondervorteile den öffentlichen Wirtschaftsteilnehmern im Wettbewerb zuteil werden.50 Über die Grundfreiheiten und das europarechtliche Wettbewerbsrecht bestimmt das Europarecht für die Art und Weise der Leistungserbringung im allgemeinen Interesse die Geltung seiner Leitidee, nämlich dass diese Leistungen im Wettbewerb erbracht werden sollen.51 Daher gelten für die Erbringung der Dienste auch die Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln. Die Kommission hat einzig für die Erbringung von nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten und Leistungen die Geltung dieser Regelungen ausgeschlossen.52 Dass die kommunale Energieversorgung, auch in Form der Elektrizitätsverteilung, eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt und damit gerade nicht von dieser Ausnahme umfasst ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung.53 45 Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen, 2010, S. 36; Ennuschat, RdE 2001, 46 (50); Europäische Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, Mitteilung vom 20.9.2000, KOM [2000] 580 endg., S. 9 (Rn. 14). 46 Ennuschat, RdE 2001, 46 (50), der diese für das „beste Mittel“ erachtet. 47 Lattmann, in: Krautscheid, Die Daseinsvorsorge im Spannungsfeld von europäischem Wettbewerb und Gemeinwohl,1. (2009), 419 (421). 48 Möstl, in: Brenner/Huber/Möstl, Der Staat des Grundgesetzes, Festschrift für Badura zum siebzigsten Geburtstag (2004), 951 (964). 49 Möstl, in: Brenner/Huber/Möstl, Der Staat des Grundgesetzes, Festschrift für Badura zum siebzigsten Geburtstag (2004), 951 (964). 50 Möstl, in: Brenner/Huber/Möstl, Der Staat des Grundgesetzes, Festschrift für Badura zum siebzigsten Geburtstag (2004), 951 (964). 51 Möstl, in: Brenner/Huber/Möstl, Der Staat des Grundgesetzes, Festschrift für Badura zum siebzigsten Geburtstag (2004), 951 (964). 52 Europäische Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, Mitteilung vom 20.9.2000, KOM [2000] 580 endg., S. 10 Rn. 18 (= Amtsblatt EG 2001/C 17/04, Rn. 18). 53 Mit einigen Ausführungen dazu: Becker, NstZ 2009, 306 (309).
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen105
Sehr misslich in diesem Zusammenhang ist, dass die deutschen Übersetzungen von europäischen Berichten, dem Sekundärrecht, etc. im Zusammenhang mit den Diensten nicht konsequent auch diese sprachliche Formulierung verwenden, sondern gerade in jüngerer Zeit von „Daseinsvorsorge“ sprechen.54 Dies ist insofern irreführend, als dass damit ein Terminus verwendet wird, der in Deutschland einen Bedeutungsgehalt hat,55 der nicht zwingend mit dem europäischen Bedeutungsinhalt für die Dienste übereinstimmt.56 Insbesondere schon deswegen, weil die Dienste eine marktbezogene Dienstleistung umschreiben, was nicht zwingend dem deutschen Verständnis von Daseinsvorsorge entspricht.57 Mit der Übersetzung der Dienste als „Daseinsvorsorge“ darf daher rechtlich kein Bedeutungsgehaltswechsel einhergehen, vielmehr muss es bei der zuvor dargestellten Definition und Bedeutungsgehalt verbleiben.58 Die Tatsache, dass eine Tätigkeit den Diensten zuzuordnen ist, hat europarechtlich damit nicht zur Folge, dass deswegen öffentliche Stellen befugt sind, diese Tätigkeit wahrzunehmen. Das Europarecht trifft gerade keine Festlegung bzgl. des Trägers der Dienste. Die Elektrizitätsverteilung kann daher nicht mit Verweis darauf (re)kommunalisiert werden, dass es sich hierbei um einen Dienst bzw. eine Dienstleistung im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse i. S. d. Art. 14, 106 AEUV handelt. 54 So bspw. Europäische Kommission, Bericht für den Europäischen Rat in Laeken, „Leistungen der Daseinsvorsorge“, 17.10.2011, KOM (2001) 598; Europäische Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, Mitteilung vom 20.9.2000, KOM [2000] 580 endg. (= Amtsblatt EG 2001/C 17/04). 55 Ausführlich zum Begriff der Daseinsvorsorge § 6 II.9.c)aa). 56 Dies wird insbesondere auch deutlich bei der Betrachtung der sprachlichen Fassung der „Dienste“ in anderen EU-Ländern, etwa „services d’intérêt general“, „services of general interst“, „servicios de interés generales“, „servicos de interesse geral“, „servici d’interesse generale“, Tjänsten i allmänhetens interesse“ oder „Diensten van algemeen Belang. 57 In diese Richtung auch Ronellenfitsch, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, Kolloquium aus Anlass des 100. Geburtstags von Prof. Dr. Dr. h. c. Ernst Forsthoff (2003), S. 53 (91), der davon spricht, dass die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse als „marktbezogene Daseinsvorsorgeleistungen“ zu verstehen sei. 58 So auch Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1041); so auch: Möstl, in: Brenner/ Huber/Möstl, Der Staat des Grundgesetzes (2004), S. 950 (954), der zwar zunächst davon spricht, dass der deutsche „Daseinsvorsorgebegriff unmittelbar auf eine europäische Ebene gehoben“ habe, so dann aber einschränkend ausführt, dass „gleichsam eine europäische Definitionshoheit bzgl. des überkommenen deutschen Daseinsvorsorgebegriffs“ durch die Kommission beansprucht worden sei (S. 954) und die Verwendung des Begriffs der Daseinsvorsorge im Europarecht „nicht darüber hinwegtäuschen“ dürfe, „dass es ein vom klassischen Daseinsvorsorgebegriff verschiedener Begriff der Daseinsvorsorge“ sei (S. 955).
106
§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
bb) Protokoll Nr. 26 und dessen Auswirkungen Etwas anderes könnte sich aus dem ergänzenden Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse ergeben.59 Das Protokoll Nr. 26, welches gem. Art. 51 EUV Primärrechtsstatus genießt,60 enthält in Art. 1 1. Spiegelstrich eine interessante Formulierung, die unter Umständen doch den Schluss nahe legen könnte, dass die staatlichen Behörden (auch die Gemeinden) in besonderer Weise im Rahmen der Dienste tätig werden können. So heißt es in Art. 1 1. Spiegelstrich des Protokolls Nr. 26, dass zu den gemeinsamen Werten der Union in Bezug auf die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse i. S. d. Art. 14 AEUV insbesondere „die wichtige Rolle und der weite Ermessensspielraum der nationalen, regionalen und lokalen Behörden in der Frage, wie Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf eine den Bedürfnissen der Nutzer so gut wie möglich entsprechende Weise zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind […]“ [Hervorhebung durch Verfasserin] zählt. Die Formulierung ist insoweit auf den ersten Blick missverständlich, als dass man hieraus ableiten könnte, dass die regionalen Behörden die Dienste selbst zur Verfügung stellen, organisieren oder in Auftrag geben können und damit den originären Ausgangspunkt für die Dienste bilden. Zu einem solchen Schluss kommt Jung, der in dieser Regelung i. V. m. Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV eine primärrechtliche Anerkennung der kommunalen Selbstverwaltung und deren Vorrang bei Daseinsvorsorgeleistungen entnimmt.61 Dieser Schluss erscheint bei genauerer Betrachtung jedoch voreilig. Betrachtet man zunächst den Wortlaut des Art. 1 1. Spiegelstrich des Protokolls Nr. 26, so regelt dieser, dass die Behörden entscheiden, „wie Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse […] zur Verfügung zu stellen […] sind“. Damit obliegt den nationalen, regionalen und lokalen Behörden eine Rahmenentscheidung, die sich auf das Maß und die Art und Weise der Diensteerbringung bezieht. Hieraus ergibt sich aber dem Wortlaut nach nicht zwingend, dass die Behörden den originären Ausgangspunkt der Diensteerbringung bilden. Weiter regelt Art. 1 1. Spiegelstrich des Protokolls Nr. 26, dass die Behörden entscheiden, „wie Dienste […] in Auftrag zu geben […] sind“. Damit ist den nationalen, regionalen und lokalen Behörden somit auch überlassen, Verfahrensregeln im Hinblick auf die Vergabe der Dienste bzw. die Beauftragung mit Diensten aufzustellen. Insoweit wird auch hier die Rolle der Behörden als „Rahmensetzer“ betont, nicht jedoch als Leis59 Amtsblatt
der EU Nr. 115 vom 09/05/2008, S. 308. auch Calliess/Ruffert-Jung, EUV/AEUV,4. (2011), Art. 14 AEUV Rn. 14. 61 Calliess/Ruffert-Jung, EUV/AEUV,4. (2011), Art. 14 AEUV Rn. 27.
60 So
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen107
tungserbringer. Als letztes enthält der Art. 1 1. Spiegelstrich des Protokolls Nr. 26 die Regelung, dass die Behörden entscheiden, „wie Dienste […] zu organisieren sind“. Insoweit obliegt den Behörden daher auch die Organisationsentscheidung, bspw. dergestalt, dass die entscheidende Behörde eine bestimmte Organisationsform präferieren kann. Eine Verankerung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und ein Vorrang staatlicher Dienste erbringung ist hieraus indes nicht ableitbar. Auch die Zusammenschau mit Art. 4 EUV ergibt hierbei kein anderes Bild. Wie zuvor zu Art. 4 EUV dargestellt, enthält dieser keinen Regelungsgehalt dergestalt, dass ein Vorrang kommunaler Leistungserbringung gegenüber anderen Formen der Leistungserbringung besteht. Es ist daher festzuhalten, dass das Protokoll Nr. 26 in Art. 1 1. Spiegelstrich lediglich die Entscheidung im Hinblick auf den Rahmen der Diensteerbringung und deren Organisation den nationalen, regionalen oder lokalen Behörden belässt. Eine Abkehr von der Trägerneutralität in Bezug auf die Dienste kann indes nicht festgestellt werden. Hierzu hätte es eindeutiger Formulierungen bedurft, die auch i. R.d. Primärrechts zu einer Kehrtwende hätten führen müssen. Dies ist indes nicht ersichtlich. cc) Art. 14 AEUV und die kommunale Leistungserbringung Das Primärrecht lässt vielmehr offen, wer und in welcher Rechtsform die Dienste erbracht werden können oder sollen.62 Aus Art. 14 AEUV kann dies insbesondere aufgrund seiner aufgabenbezogenen Formulierung entnommen werden, die gerade im Hinblick auf die Dienste eine Funktions garantie ausspricht, nicht jedoch eine Bestandsgarantie hinsichtlich der Organisationsstrukturen.63 Art. 14 AEUV dient gerade nicht dazu, einen bestimmten Status an Organisationsstrukturen in den verschiedenen Mitgliedstaaten zu schützen, sondern vielmehr der Harmonisierung der Erbringung der Dienste (also die Art der Dienstleistung) mit dem Gemeinschaftsrecht.64 Damit verhilft Art. 14 AEUV den Diensten auf primärrechtlicher Ebene zu einer eigenständigen Bedeutung im Spannungsfeld zwischen Gemeinwohl und Wettbewerb.65 62 EuGH, Urt. v. 14.7.1981, RS 172/80, EuGH Sammlung 1981/II, 2021 (2030, Rn. 7); Wurzel/Schraml/Becker-Henneke, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), A. Rn. 25. 63 So Wurzel/Schraml/Becker-Hennecke, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), A. Rn. 26. 64 So Wurzel/Schraml/Becker-Hennecke, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), A. Rn. 26. 65 Geiger/Khan/Kotzur-Kotzur, EUV/AEUV,5. (2010), Art. 14 AEUV Rn. 1.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Nach dem Europarecht verbleibt es bei der auch durch Art. 14 AEUV gewährleisteten Freiheit der Mitgliedstaaten zur politischen Gestaltung der Dienste von allgemeinem Interesse.66 Eine notwendigerweise öffentliche Erbringung der Dienste folgt damit gerade nicht aus Art. 14 AEUV oder dem Protokoll Nr. 26. Insofern enthält die Zuordnung der Energieverteilung zu den Diensten per se keine Antwort darauf, wen das Europarecht für den richtigen Leistungserbringer hält. Der im Gesetzgebungsprozess geforderten Stärkung der Regionen und Gemeinden bei der Gestaltung der Dienste gegenüber dem Binnenmarkt und den Wettbewerbsvorschriften hat die EU Kommission keine derartige Rechnung getragen.67 Auch mit dieser Tatsache wäre es daher unvereinbar, nunmehr in Art. 14 AEUV oder dem Protokoll Nr. 26 einen solchen Regelungsgehalt hineinzulesen. Wie zuvor dargelegt, liegt dem europäischen Primärrecht keine gesetzliche Entscheidung zugrunde, wonach die Dienste einer Erfüllung durch den Staat bedürfen. Vielmehr kann die Energieversorgung nach europäischem Verständnis vollständig im Wettbewerb erbracht werden. Der EuGH geht sogar soweit, dass er feststellt, dass Dienste, die in keinem Fall von Privatunternehmen erbracht werden können, kaum vorstellbar seien.68 Da dem europäischen Recht somit kein Verständnis dahingehend zu entnehmen ist, dass der Staat grundsätzlich der Erbringer der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ist, sondern vielmehr auch Private im Wettbewerb sehr wohl (sogar erwünschtermaßen) diese erbringen können, ergibt sich hieraus keine Befugnis oder Rechtfertigung der (Re)Kommunalisierung. dd) Art. 106 AEUV und die kommunale Leistungserbringung Anders als Art. 14 AEUV spricht Art. 106 Abs. 2 AEUV von „Dienstleistungen“ von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Damit ist jedoch kein anderer Bedeutungshalt verbunden.69 Für Unternehmen, die diese Dienste erbringen, bestimmt Art. 106 Abs. 2 AEUV, dass die Wettbewerbsregelun66 Für Art. 14 AEUV so: Geiger/Khan/Kotzur-Kotzur, EUV/AEUV,5. (2010), Art. 14 AEUV Rn. 6; Europäische Kommission, Begleitdokument zu der Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen: Europas neues Engagement, KOM(2007) 725 endg., S. 4. 67 Allgemein hierzu: Waiz, in: Krautscheid, Die Daseinsvorsorge im Spannungsfeld von europäischem Wettbewerb und Gemeinwohl,1. (2009), 41 (55). 68 EuGH, Urt. v. 12.11.1998, Rs. C-360/96, NVwZ 1999, 397 (399, Rn. 44 des Urteils). 69 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Wernicke, Das Recht der Europäischen Union,43. EGL (März 2011), Art. 106 AEUV Rn. 37.
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen109
gen nur insoweit gelten, als die Anwendung dieser nicht die Erfüllung der besonderen Aufgaben tatsächlich oder rechtlich verhindert. Auch wenn dies sprachlich zunächst eine andere Betonung legen mag, so hebt Art. 106 AEUV damit die allgemeine Geltung der Wettbewerbsregeln gem. Art. 101 ff. AEUV gerade auch für Unternehmen, die Dienste erbringen, hervor und macht deutlich, dass der Grundsatz bestehen bleibt, dass alle Unternehmen, auch solche, die Dienste i. S. d. Art. 106 Abs. 2 AEUV erbringen, grundsätzlich den Wettbewerbsregeln unterliegen.70 Den Gedanken, dass Wettbewerb der zentrale Mechanismus für Angebotsvielfalt und Kostensenkung sowie zum Schutz der Verbraucherinteressen ist, greift auch der Art. 106 Abs. 1 AEUV damit auf. Dabei ist es unerheblich, um welche Art von Unternehmen es sich handelt, ob der Staat oder ein Privater Eigentümer ist, welche Rechtsform oder welches Tätigkeitsfeld gewählt wurde.71 Art. 106 Abs. 1 AEUV setzt allerdings die Existenz öffentlicher Unternehmen voraus und erkennt diese somit an.72 Ebenso setzt Art. 106 Abs. 1 AEUV aber auch voraus, dass andere, nichtöffentliche Unternehmen die Dienste erbringen können, was auch in Art. 106 Abs. 2 AEUV deutlich wird. Es gilt im europäischen Wettbewerbsrecht ein einheitlicher Unternehmensbegriff.73 Damit geht auch der Art. 106 AEUV von dem aus den Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 345, 101, 102 AEUV hergeleiteten Grundsatz der Gleichbehandlung der privaten und öffentlichen Unternehmen aus.74 Auch Art. 106 AEUV verleiht keine Befugnis oder Rechte an die Mitgliedstaaten oder deren Untergliederungen zur Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung im Bereich der Energieversorgung, sondern bestimmt vielmehr das grundsätzliche Verhältnis der Dienste zu den Wettbewerbsregeln des AEUV.75 Jedenfalls kann aber auch Art. 106 AEUV entnommen Europarecht,2. (2011), 1, Kap. 4, Rn. 346. den ex-Art. 86 I EG so Kämmerer, NVwZ 2004, 28 (29); Lübke, EuR Bei 2011, 99 (106). 72 Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 276; Danner/Theobald-Grünewald, Energierecht,75. EGL (Oktober 2012), XII B.1 Einführung in das Kommunalwirtschaftsrecht, Rn. 4. 73 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Wernicke, Das Recht der Europäischen Union,43. EGL (März 2011), Art. 106 AEUV Rn. 36. 74 Garbitz/Hilf/Nettesheim-Wernicke, Das Recht der Europäischen Union,43. EGL (März 2011), Art. 106 AEUV Rn. 5; EUGH, Urt. v. 24.2.1994, RS- C-99/92, Sammlung der Rechtsprechung 1994 Seite I-00541 (und über juris); ausführlich Storr, Der Staat als Unternehmer,3.(2001), S. 292 ff. 75 A. A.: Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 276, der die (Re)Kommunalisierung durch Einschaltung kommunaler Unternehmen immer für möglich und zulässig hält, weil dies aus Art. 1006 Abs. 1 AEUV folge, der die Existenz öffentlicher Unternehmen voraussetze. 70 Frenz, 71 Für
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
werden, dass die Betätigung des Staates und öffentlicher Unternehmen im Wettbewerb dem Europarecht nicht fremd ist. Eine Befugnis hierzu lässt sich Art. 106 AEUV indes nicht entnehmen. e) Eigentumsrechtliche Neutralität des EU-Primärrecht Art. 345 AEUV lässt die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten unberührt76 und führt zu einer eigentumsrechtlichen Neutralität der europäischen Verträge.77 Den Mitgliedstaaten steht es danach frei, öffentliche Unternehmen zu betreiben, was den Betrieb kommunaler Unternehmen einschließt.78 Die Entscheidung wird auf europäischer Ebene damit weder zugunsten noch zulasten von öffentlichen Unternehmen als Leistungserbringern getroffen. Denn das Rechtfertigungsbedürfnis von Wettbewerbseingriffen ergibt sich im Europarecht aufgrund seiner in Art. 345 AEUV niedergelegten eigentumsrechtlichen Neutralität eben nicht aus der Frage, ob Unternehmen in staatlichem oder privatem Eigentum stehen.79 Insofern kann auch keinerlei Befugnis oder Rechtfertigung aus Art. 345 AEUV hergeleitet werden. Öffentliche Unternehmen sind daher nur insoweit zulässig, als sie oder ihr Handeln nicht zu Verstößen gegen Grundfreiheiten führt.80 Dies muss ebenso für die Wettbewerbsregeln der europäischen Verträge gelten, weil nur dadurch, dass auch diese eingehalten werden, eine freie Entfaltung der Grundfreiheiten möglich ist.81 f) Subsidiaritätsprinzip In Art. 5 Abs. 3 EUV ist normiert, dass die EU in den Bereichen, die nicht ihrer ausschließlichen Zuständigkeit unterliegen, nur tätig wird, sofern 76 Theobald/Nill-Theobald,
Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013),
S. 403. 77 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 15; Die EU Kommission formulierte zur staatlichen bzw. kommunalen wirtschaftlichen Betätigung, dass die europäische Haltung hierzu von „Neutralität und Gestaltungsfreiheit“ geprägt sei, vgl. KOM [2000], 580 endg., Mitteilung vom 20.9.2000. 78 Ausführlich hierzu: Müller-Graff, in: Habersack/Hüffer/Hommelhoff/Schmidt, Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003 (2003), S. 929 (946 ff.). 79 Möstl, in: Brenner/Huber/Möstl, Der Staat des Grundgesetzes, Festschrift für Peter Badura zum siebzigsten Geburtstag, (2004), 951 (964). 80 Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 403. 81 So im Ergebnis auch: Becker, NStZ 2009, 306 (308).
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und soweit die Ziele nicht durch die Mitgliedstaaten auf zentraler, regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können. Zunächst trifft Art. 5 Abs. 3 EUV und das hier normierte Subsidiaritätsprinzip nur eine Aussage darüber, wie die Europäische Union ihre Zuständigkeit nach den Verträgen ausüben darf, da sie Adressat des Art. 5 Abs. 3 EUV ist („wird die Union […] nur tätig, sofern und soweit […]“). Art. 5 Abs. 3 EUV normiert damit eine Kompetenzausübungsschranke für die EU und ihre Organe.82 Dabei nimmt Art. 5 Abs. 3 EUV ausdrücklich Bezug auf die regionale und lokale Ebene (wörtlich in Art. 5 Abs. 3 S. 1 EUV). Neben der Kompetenzausübungsschranke für die Europäische Union und ihre Organe wird aus Art. 5 Abs. 3 EUV auch mittelbar der Schutz der Gemeinden abgeleitet.83 Mit Verweis auf dieses Subsidiaritätsprinzip wird vertreten, dass auch das Europarecht die Allzuständigkeit der Gemeinden verankert habe und schütze.84 Dies führt aber sicherlich zu weit. Die kommunale Ebene erfährt zwar einen gewissen Schutz vor europäischer Kompetenzausübung zu ihren Lasten.85 Ob aber die kommunale Ebene überhaupt zuständig ist oder nicht doch der Bund oder die Länder, darüber trifft Art. 5 EUV keinerlei Aussage. Dies zu bestimmen obliegt gerade den Mitgliedstaaten selbst. Art. 5 Abs. 3 EUV gibt den Gemeinden also auch keine Befugnis oder ein eigenes Recht im Hinblick auf bestimmte Aufgabenfelder wie die Elektrizitätsverteilung. Vielmehr bildet Art. 5 EUV eine Grenze für die Ausübung hoheitlicher Gewalt durch die Europäische Union.86 Art. 5 Abs. 3 EUV lässt sich daher auch keine gesetzliche Grundlage für die (Re)Kommunalisierung durch die Gemeinden entnehmen. g) Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung von 1985 umschreibt den Inhalt und die Elemente der kommunalen Selbstverwaltung,87 82 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Bast/von Bogdandy, Das Recht der Europäischen Union,41. EGL (Juli 2010), Art. 5 EUV, Rn. 49. 83 Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 2. 84 Bergmann (Hrsg.), Handlexikon der Europäischen Union,4. (2012), unter „Allzuständigkeit“, S. 49. 85 So auch Calliess/Ruffert-Puttler, EUV/AEUV,4. (2011), Art. 4 EUV Rn. 18. 86 Grabitz/Hilf/Nettesheim-Bast/von Bogdandy, Das Recht der Europäischen Union,41. EGL (Juli 2010), Art. 5 EUV Rn. 50 ff. 87 Maunz/Dürig-Mehde, Grundgesetzkommentar,67. EGL (November 2012), Art. 28 Rn. 6.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
die in den Mitgliedstaaten geregelt, geschützt und anerkannt werden sollen (vgl. Art. 2 der Charta). Diese Charta haben inzwischen alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union,88 zuletzt Frankreich im Jahre 2007, unterzeichnet.89 Ausgehend von der Intention der Charta, könnte diese das mögliche Recht der kommunalen Selbstverwaltung regeln bzw. anerkennen. Allerdings normiert die Charta keine europaweit geltenden Rechte und / oder Befugnisse der kommunalen Selbstverwaltungsträger, sondern bildet ein Instrument der Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten zur Bewahrung oder Einführung der kommunalen Selbstverwaltung als solche.90 Sie ist Ausdruck des europäischen Willens, ein Mindestmaß an „gewissen Grundelemente[n] der kommunalen Selbstverwaltung zu sichern“91. Sie war der erste Schritt zu einer europäischen Berücksichtigung der kommunalen Selbstverwaltung als Verwaltungsstruktur in den Mitgliedstaaten.92 Ihre Bedeutung darf aber nicht überbewertet werden.93 Aus der Charta können nicht etwa direkte Befugnisse und Rechte für kommunale Selbstverwaltungsträger in den Mitgliedstaaten hergeleitet werden.94 Auch mit der Neuaufnahme der regionalen und lokalen Strukturen in bspw. Art. 4 Abs. 2 EUV95 wurde nicht etwa die Charta aufgewertet, verändert oder ein bestimmter Katalog kommunaler Befugnisse oder Rechte von der Europäischen Union anerkannt oder gar gewährt.96 Ein solch direkter und weitreichender Schutz aus der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung würde auch den Regelungen der Charta, die den Mitgliedstaaten große 88 Deutschland hat mit Gesetz vom 22.1.1987 (BGBl. II 1987, 65) zugestimmt, abgedruckt u. a. in NVwZ 1988, 1111 (1111); seit dem 1.9.1988 gilt sie als Bundesrecht, vgl. Hoppe/Uechtritz/Reck-Ronellfitsch, Handbuch kommunale Unternehmen,3. (2012), § 3 Rn. 17. 89 Calliess/Ruffert-Puttler, EUV/AEUV,4. (2011), Art. 4 EUV Rn. 20. 90 Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, 249 (250). 91 Hoppe/Uechtritz/Reck-Ronellfitsch, Handbuch kommunale Unternehmen,3. (2012), § 3 Rn. 17. 92 Hoppe/Uechtritz/Reck-Ronellfitsch, Handbuch kommunale Unternehmen,3. (2012), § 3 Rn. 17. 93 BeckOK-Hellermann, GG,24. Edition (Stand: 01.03.2015), Art. 28 GG Rn. 26; Hoppe/Uechtritz/Reck-Ronellfitsch, Handbuch kommunale Unternehmen,3. (2012), § 3 Rn. 17; Faber, DVBl. 1991, 1126 (1129), Spannowsky, DVBl. 1991, 1120 (1124), der jedoch eine Anerkennung des Schutzes der Rechtsposition der Kommunen sieht; a. A. Hellermann Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung (2000), 126 ff. 94 BeckOK-Hellermann, GG,24. Edition (Stand: 01.03.2015), Art. 28 GG Rn. 26; a. A. Hellermann Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung 2000, 124 ff. 95 Hierzu bereits in § 6 I.1.c). 96 So auch (z. T. wörtlich) Calliess/Ruffert-Puttler, EUV/AEUV,4. (2011), Art. 4 EUV Rn. 20; a. A.: Hoffschulte, DVBl. 2005, 202 (204 f.).
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen113
Freiheiten bei der Anwendung und Geltung ihrer Bestimmungen zugesteht, widersprechen. Denn nach Art. 13 der Charta steht es den Parteien frei zu entscheiden, auf welche (regionale bzw. lokale) Einheit die Charta von den Mitgliedstaaten angewendet wird und ob Einheiten gänzlich oder teilweise von der Geltung ausgenommen werden.97 Daher ergibt sich auch aus der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung keine Befugnis für ein Tätigwerden der Gemeinden, weder allgemein noch im Rahmen der Elektrizitätsverteilung. h) Ergebnis zum Europäischen Primärrecht Nach dieser eingehenden Prüfung kann konstatiert werden, dass dem europäischen Primärrecht keine Rechte oder Befugnisse der Gemeinden zur Wahrnehmung allgemeiner oder gar besonderer Aufgaben i. S. d. Elektrizitätsverteilung zu entnehmen sind. Insbesondere kennen weder der EUV noch der AEUV eine besondere Garantie der kommunalen Selbstverwaltung98 oder enthalten eine Zuweisung bestimmter Aufgaben an die Gemeinden. Das europäische Primärrecht enthält keine Anforderungen an das „Ob“ staatlicher bzw. kommunaler wirtschaftlicher Betätigung, wie es der Art. 28 Abs. 2 GG sowie die deutschen Gemeindeordnungen tun [dazu in § 6 II. und § 6 IV. ausführlich].99 Es überlässt vielmehr den Mitgliedstaaten eben diese Ausgestaltung und enthält Vorgaben zu dem „Wie“ der Betätigung öffentlicher Unternehmen i. S. e. gesetzlichen Rahmens. Hierbei erkennt das EU-Recht die Existenz öffentlicher Unternehmen grundsätzlich an. Eine Befugnis zur (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze durch die Gemeinden lässt sich dem Primärrecht aber nicht entnehmen. 2. Europäisches Sekundärrecht: Drittes Binnenmarktpaket In den vergangenen Jahren hat die Europäische Union die Liberalisierung100 des Energiemarktes forciert. Zentrales Element dieser Liberalisierung sind die Europäischen Energiebinnenmarktpakete für den Strom- wie Gasmarkt. Inzwischen liegen drei Energiebinnenmarktpakete vor,101 deren 97 Vgl. hierzu allg. Maunz/Dürig-Mehde, Grundgesetz Kommentar,67. EGL (November 2012), Art. 28 Abs. 2 Rn. 5 ff. 98 BeckOK-Hellermann, GG,24. Edition (Stand: 01.03.2015), Art. 28 GG Rn. 26. 99 Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen (2010), S. 35. 100 Ausführlich zur Liberalisierung in der Energieversorgung: u. a. Baur/Salje/ Schmidt-Preuß-Ludwigs, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 6 Rn. 1 ff. 101 Das Erste Energiebinnenmarktpaket aus 1998 und 1996 enthält die Richtlinie 96/92/EG und Richtlinie 98/30/EG. Das Zweite Energiebinnenmarktpaket setzt sich
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Ziel – stark vereinfacht – die Ermöglichung von freiem Wettbewerb in der Energieversorgung ist, wobei insbesondere privaten Anbietern hierdurch ermöglicht werden soll, am Markt zu gleichen Bedingungen wie die bereits im Markt etablierten Anbieter teilzunehmen bzw. teilzuhaben.102 Diese Liberalisierung ist aufgrund der Monopole im Netzbereich [siehe § 5 II.6.] und der Gefahr einer Ausstrahlungswirkung auf die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufe nicht ohne Einwirken von außen möglich. Es bedarf daher staatlicher regulatorischer Eingriffe. Insofern folgt der Liberalisierung des Energiemarktes die Regulierung des selbigen. Derzeit ist das dritte Energiebinnenmarktpaket und dessen Umsetzung in nationales Recht der zentrale Gegenstand des relevanten europäischen Sekundärrechts. Für die (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilernetze sind von dem Dritten Energiebinnenmarktpaket die Richtlinie für den Elektrizitätsmarkt (RL 2009 / 72 / EG), die Verordnung Nr. 714 / 2009 über den grenzüberschreitenden Energiehandel und die Verordnung Nr. 713 / 2009 bezüglich der Errichtung der ACER103 relevant. a) Elektrizitätsrichtlinie 2009 / 72 / EG Die Richtlinien, die die Mitgliedstaaten in nationales Recht transferieren müssen (Art. 288 Abs. 3 AEUV), gelten nicht unmittelbar,104 sondern maßgeblich kommt es nach der Umsetzung auf die Regelungen im nationalen Recht (in Deutschland im EnWG) an. Nichtsdestotrotz sind die Richtlinien der zentrale Ausgangspunkt und bei Unklarheiten der nationalen Regelungen oder Defiziten in der Umsetzung ggf. unmittelbar zu berücksichtigen. Lässt das nationale Recht etwas unklar oder offen, so ist diese Frage anhand richtlinienkonformer Auslegung zu klären.105 Damit bietet das europäische Sekundärrecht im Hinblick auf die Richt linien aber auch Spielräume für die Mitgliedstaaten, die in der Umsetzung aus der Richtlinie 2003/54/EG, Richtlinie 2003/55/EG sowie der Verordnung Nr. 1228/2003, Verordnung Nr. 1775/2005 und dem Beschluss 2003/796/EG zusammen und ist damit schon weitaus ausdifferenzierter. Das Dritte Energiebinnenmarktpaket enthält die Richtlinie 2009/72/EG (Elektrizität), Richtlinie 2009/73/EG (Gas) sowie die Verordnung Nr. 713/2009 (Errichtung ACER), Verordnung Nr. 714/2009 (Energiehandel) und Verordnung Nr. 715/2009 (Zugang Erdgasfernlieferungsnetz). 102 Ähnlich Hertwig, EuR 2011, 745 (750). 103 = Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Agency for the Cooperation of Energy Regulators). 104 Statt vieler: Frenz, Europarecht,2. (2011), Kap. 1 Rn. 19 und zur ausnahmsweisen unmittelbaren Geltung Rn. 20 ff. 105 Frenz, Europarecht,2. (2011), Kap. 1 Rn. 28 ff.
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen115
gewisse Freiheiten haben, den Regelungsgehalt der Richtlinien ihrem heimischen Recht anzupassen.106 Insbesondere die staatlichen bzw. kommunalen Einflussmöglichkeiten auf die Bereitstellung, Übertragung und Verteilung von Energie sind in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union daher unterschiedlich ausgeprägt.107 In England ist der staatliche Einfluss auf den Energiesektor quasi völlig zurückgedrängt, wohingegen in Skandinavien, insbesondere Norwegen und Schweden, die Gemeinden weiterhin eine zentrale Rolle in der Energiebereitstellung und -verteilung einnehmen.108 Nachfolgend soll das Regelwerk des Dritten Energiebinnenmarktpaketes auf mögliche Aussagen im Hinblick auf staatliche und insbesondere kommunale Befugnisse im Energiebereich, insbesondere im Hinblick auf die Verteilernetze des Stromsektors, genauer betrachtet werden. Hierbei sind Art. 2, Art. 3 und Art. 24 der Elektrizitätsrichtlinie (RL 2009 / 72 / EG) von besonderem Interesse. Art. 2 der Elektrizitätsrichtlinie enthält wie § 3 EnWG eine Vielzahl an Begriffsbestimmungen und -definitionen. In Art. 2 Nr. 35 der Richtlinie sind die Elektrizitätsunternehmen definiert.109 Diese werden nach ihren Aufgaben und Tätigkeitsbereichen definiert, nicht jedoch durch ihre Rechtsform oder ihren Eigentümer. Es lässt sich daher Art. 2 Nr. 35 der Elektrizitätsrichtlinie nicht entnehmen, ob dieser die Vorstellung zugrunde liegt, dass öffentliche Unternehmen als Elektrizitätsunternehmen fungieren können (oder gar sollen). Vielmehr lässt sich, wenn überhaupt, dann doch aufgrund der Formulierung „natürliche oder juristische Personen“ jedenfalls davon ausgehen, dass private Unternehmen gemeint sind, da der Staat zumindest nie in Form der natürlichen Person agieren kann. Art. 3 (10) Satz 1 RL 2009 / 72 / EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten „Maßnahmen zur Erreichung der Ziele des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts sowie des Umweltschutzes, wozu gegebenenfalls auch Energieeffizienz- / Nachfragesteuerungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Bekämpfung von Klimaveränderungen und Maßnahmen für Versorgungssicherheit“ ergreifen. Weiter ergibt sich dann aus Art. 3 (10) Satz 2 RL 2009 / 72 / EG: 106 Statt vieler: Calliess/Ruffert-Ruffert, EUV/AEUV,4. (2011), Art. 288 AEUV Rn. 26 ff. 107 Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (August 2011), S. 13. 108 Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (August 2011), S. 13. 109 Art. 2 Nr. 35 der Richtlinie 2009/72/EG lautet: „ ‚Elektrizitätsunternehmen‘ eine natürliche oder juristische Person, die mindestens eine der Funktionen Erzeugung, Übertragung, Verteilung, Lieferung oder Kauf von Elektrizität wahrnimmt und die kommerzielle, technische und/oder wartungsbezogene Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen erfüllt, mit Ausnahme der Endkunden.“
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
„Diese Maßnahmen können insbesondere die Schaffung geeigneter wirtschaftlicher Anreize für den Aufbau und den Erhalt der erforderlichen Netzinfrastruktur einschließlich der Verbindungsleitungskapazitäten gegebenenfalls unter Einsatz aller auf einzelstaatlicher Ebene oder auf Gemeinschafts ebene vorhandenen Instrumente umfassen.“ Satz 2 weist dem Staat und seinen Untergliederungen damit eine klare Rolle im Netzbereich zu. Durch die Formulierung „insbesondere“ in Satz 2 wird deutlich, dass der europäische Normgeber die Mitgliedstaaten mehr in der Rolle des stimulierend fördernden Rahmengebers, nicht jedoch in der des selbst auf dem Markt agierenden Netzbetreibers sieht. Zwar stellt der Satz 2 auch noch klar, dass dies „unter Einsatz aller […] vorhandenen Instrumente“ erfolgen kann. Aber auch dies ist auf die Schaffung von wirtschaftlichen Anreizen durch den Staat bezogen, die gerade darauf abzielen, Anreize für Private zu schaffen. Andernfalls hätte die Regelung auch eine Ermächtigung zum staatseigenen oder kommunalen Handeln im Bereich der Netzinfrastruktur enthalten können. Art. 3 (10) RL 2009 / 72 / EG ist daher als Befugnis für staatliche Unterstützungsmaßnahmen, nicht jedoch als Befugnisnorm für staatliches bzw. kommunales Eigenhandeln als Netzbetreiber zu verstehen. Art. 24 der Richtlinie 2009 / 72 / EG bestimmt, dass Verteilernetzbetreiber benannt werden, bei denen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Verteilernetzbetreiber die Artikel 25, 26 und 27 der Richtlinie einhalten. Interessant an dieser Norm im Hinblick auf die Frage, ob der europäische Normgeber eine Befugnis des Staates zum Netzbetrieb direkt oder indirekt anerkennt bzw. regelt, ist die einleitende Formulierung des Art. 24 der Richtlinie 2009 / 72 / EG: „Die Mitgliedstaaten oder von diesen dazu aufgeforderte Unternehmen, die Eigentümer von Verteilernetzen sind oder die für sie verantwortlich sind, benennen für einen Zeitraum, den die Mitgliedstaaten unter Effizienzerwägungen und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse festlegen, einen oder mehrere Verteilernetzbetreiber.“ Es wird hier eindeutig unterschieden zwischen entweder den Mitgliedstaaten oder aber Unternehmen, die Eigentümer von Verteilernetzen sind. Weiter ausdifferenziert wird jedoch nicht zwischen staatlichen oder privaten Unternehmen. Es ist offen, ob hier also nur private oder aber auch staatliche Unternehmen gemeint sind. Insofern kann auch Art. 24 der Richtlinie 2009 / 72 / EG keine Befugnis des kommunalen Netzbetriebes entnommen werden. Art. 24 der Richtlinie steht einem kommunalen Netzbetrieb aber auch nicht entgegen. Diesen Befund bekräftigt auch das gesamte Kapitel IV der Elektrizitätsrichtlinie, also die Art. 24 ff. Dieses Kapitel befasst sich mit dem „Betrieb des Verteilernetzes“. An keiner Stelle ist hierbei ein staatlicher Netzbetrieb explizit oder indirekt erwähnt. Vielmehr sind die Art. 24 ff. der Richtlinie offen formuliert, so dass hier keine Aussagen über die staatliche Befugnis zum Netzbetrieb zu finden sind. Es bleibt daher festzuhalten, dass die Elek-
I. Europarechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen117
trizitätsrichtlinie nicht zwischen privaten oder öffentlichen Unternehmen explizit unterscheidet oder eine Befugnis an öffentliche Unternehmen zum Netzbetrieb der Richtlinie entnommen werden könnte. Ein Verbot kommunaler Betätigung im Energiebereich lässt sich der Elektrizitätsrichtlinie aber umgekehrt auch nicht entnehmen.110 b) Verordnung 713 / 2009 und Verordnung 714 / 2009 Die Verordnung 714 / 2009 betrifft den Energiehandel und damit einen von der Energieverteilung grundsätzlich getrennten Bereich der Energieversorgung. In Art. 10 der Verordnung benennt sie die Verteilernetzbetreiber, allerdings ohne Ausführungen dazu, ob diese privat und / oder öffentlich sein können. Anders in den Erwägungsgründen zur Verordnung 713 / 2009. Die Verordnung 713 / 2009 betrifft die Errichtung der ACER und steht damit ebenfalls nicht im direkten Zusammenhang zu der hier gegenständlichen Frage nach der Befugnis oder Rechtfertigung der Betätigung der Gemeinden i. S. d. (Re) Kommunalisierung im Bereich der Elektrizitätsverteilung. Dennoch enthält die Verordnung in ihrem Erwägungsgrund Nr. 6 eine interessante Ausführung: „Daher gilt es, die Unabhängigkeit der Agentur von öffentlichen wie auch den privaten Strom- und Gaserzeugern und Übertragungs- / Fernleitungsnetzbetreibern und Verteilernetzbetreibern und den Verbrauchern sicherzustellen […].“ (Hervorhebung durch Verfasserin) Die Formulierung ist etwas unglücklich, da nicht eindeutig daraus hervorgeht, ob der Erwägungsgrund nur von „öffentlichen wie auch den privaten Strom- und Gaserzeugern“ spricht, oder sich die Formulierung „von öffentlichen wie auch den privaten“ auf die Strom- und Gaserzeuger, die Übertragungs- / Fernleitungsnetzbetreiber sowie die Verteilernetzbetreiber bezieht. Unklar ist dies deswegen, weil die Aufzählung auch noch die Verbraucher enthält, die aber nicht öffentlich wie auch privat sein können, sich somit also diese Formulierung nicht auf die gesamte Aufzählung beziehen kann. Betrachtet man jedoch bspw. die englische Fassung der Verordnung, so wird deutlich, dass der Erwägungsgrund 6 sowohl im Hinblick auf die Erzeuger als auch bezüglich der Netzbetreiber von „öffentlichen wie auch den privaten“ spricht.111 Wortwörtlich übersetzt heißt es in der englischen Fassung nämlich:112 110 Entsprechend hierzu auch nichts zu finden in: Schneider/Theobald-Schneider, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 2 Rn. 44 ff. 111 Regulation 713/2009. 112 Erwägungsgrund 6 in der englischen Fassung: „[…] it is necessary to guarantee the independence of the Agency from electricity and gas producers, transmission and distribution system operators, whether public or private, and consumers […].“
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
„Strom- und Gaserzeuger, Übertragungs- / Fernleitungsnetzbetreiber und Verteilernetzbetreiber, ob öffentlich oder privat, und Verbraucher“. Aus den Erwägungsgründen der Verordnung lässt sich daher entnehmen, dass der europäische Verordnungsgeber öffentliche wie auch private Verteilernetzbetreiber anerkennt. Auch wenn die Erwägungsgründe unmittelbar nicht bindend sind,113 so kann ihnen doch entnommen werden, welche Vorstellung der europäische Normgeber im Hinblick auf den Energiesektor hat. Dass nach europäischer Vorstellung sowohl öffentliche wie auch private Unternehmen das Netz, insbesondere auch das Verteilernetz betreiben können, wird in den Erwägungen (6) der Verordnung Nr. 713 / 2009 deutlich. Weiter führt die Verordnung aber nichts zu den Verteilernetzbetreibern, seien es öffentliche oder private, aus. Auch begründet sie keine Befugnis für den Staat und seine Untergliederungen öffentliche Verteilernetze zu betreiben. Es verbleibt daher bei dem zuvor bereits mehrfach festgestellten Befund, dass das Europarecht öffentliche Unternehmen anerkennt, wobei die Verordnung Nr. 713 / 2009 dies explizit für die Betätigung öffentlicher Unternehmen als Verteilernetzbetreiber ausführt. c) Ergebnis: Europäisches Sekundärrecht Auch aus dem Europäischen Sekundärrecht, namentlich aus dem Dritten Energiebinnenmarktpaket, lässt sich keine Befugnis der Gemeinden zur Betätigung in der Elektrizitätsverteilung i. S. d. (Re)Kommunalisierung ableiten. Allerdings lässt sich dem Erwägungsgrund Nr. 6 der Verordnung Nr. 713 / 2009 entnehmen, dass die Europäische Union private wie öffent liche Verteilernetzbetreiber anerkennt. 3. Ergebnis Europarecht Das Europarecht hält sich trägerneutral. Unternehmen werden im Wettbewerbsrecht sowohl in privater als auch öffentlicher Hand anerkannt, wobei das Europarecht grundsätzlich keinerlei Unterschiede in Bezug auf den Träger des Unternehmens macht, sondern vielmehr die Gleichbehandlung staatlicher und privater Unternehmen postuliert. Dabei erkennt das Europarecht an mehreren Stellen des Primär- und Sekundärrechts die Existenz öffentlicher Unternehmen ausdrücklich an. Es überlässt allerdings den Mitgliedstaaten, Befugnisse für den Staat und seine Untergliederung zur Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung zu treffen. Das Europarecht setzt 113 Immenga/Mestmäcker-Körber,
schnitt FKVO, Einleitung, Rn. 78.
Wettbewerbsrecht, Bd. 1,5. (2012), VI. Ab-
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben119
bzgl. dieser Betätigung wie auch der privaten wirtschaftlichen Betätigung lediglich einen übergeordneten gesetzlichen Rahmen. Eine Befugnis zur (Re)Kommunalisierung lässt sich dem Europarecht indes nicht entnehmen.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben Während dem Europarecht also keine klare Aussage über die Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung entnommen werden konnte, wohl aber eine grundsätzliche Akzeptanz öffentlicher Unternehmen, ist normenhierarchisch nunmehr das nationale Verfassungsrecht in den Blick zu nehmen. Neben Art. 28 Abs. 2 GG, der wohl als Schlüsselnorm der gemeindlichen Kompetenzen auf Verfassungsebenen bezeichnet werden kann, sollen dabei aber zunächst andere Artikel des Grundgesetzes, wie etwa Art. 87 d ff. und Art. 74 Nr. 11 GG, die Grundrechte sowie Staatsstrukturprinzipien untersucht werden. 1. Art. 87d ff. GG Im Hinblick auf wichtige Infrastruktur und Infrastrukturaufgaben, zu denen die Energieversorgung zu zählen ist,114 sind in Art. 87e ff. GG Aufgabenzuweisungen an den Bund enthalten. Dabei enthalten die Art. 87e f. GG Regelungen zu zentralen Infrastruktur- und Netzbereichen, nämlich zum Eisenbahnverkehr in Art. 87e GG sowie zum Postwesen und der Telekommunikation in Art. 87f GG. Keine Regelung findet sich indes zur Energieversorgung, die ebenso durch einen Infrastrukturcharakter geprägt ist, ein natürliches Monopol darstellt und aufgrund der Leitungsgebundenheit der Energieversorgung einen eigenen Netzbereich aufweist. Das GG weist die Energieversorgung explizit keiner staatlichen Verantwortung zu. Im Hinblick auf die Bedeutung der Energie und ihrer Vergleichbarkeit mit dem Postwesen, der Eisenbahn und Telekommunikation als leitungsgebundene Infrastruktur von besonderer Bedeutung für die Bürger und das Funktionieren von Wirtschaft und Staat, überrascht dieser Befund. Aus den Art. 87d ff. GG folgt zunächst, dass die Energieversorgung vom GG nicht als staatsnahe (Bundes-)Tätigkeit angesehen wird. 2. Art. 74 Nr. 11 GG Eine spezifische Zuweisung des Energiesektors zum staatlichen Aufgabenkanon fehlt im Grundgesetz. Außer im Rahmen der Gesetzgebungszu114 Hierzu
bereits grundlegend in § 5 II.1.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
ständigkeiten findet sich noch nicht einmal die Erwähnung der Energieversorgung bzw. der Netzinfrastruktur für Strom und Gas. Einzig in Art. 74 Nr. 11 GG wird in dem Klammerzusatz zum Recht der Wirtschaft die „Energiewirtschaft“ der konkurrierenden Gesetzgebung zugeordnet. Hiernach erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung auf „das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) […]“ (Hervorhebung durch Verfasserin). Wie aber die Zuordnung der Energiewirtschaft zum Recht der Wirtschaft schon deutlich macht, wird diese als Wirtschafts- und Wettbewerbsfeld vom Gesetzgeber wahrgenommen und nicht etwa als staatlicher Aufgabenbereich. Die Energiewirtschaft steht in dem Klammerzusatz in einer Reihe mit zweifelsohne staatsfernen Wirtschaftssektoren, die die Verankerung der Energiewirtschaft in der Privatwirtschaft deutlich hervorhebt.115 Betrachtet man die genannten Wirtschaftszweige, so ist das Fehlen einer eigenen staatlichen Wirtschaftsaktivität in diesen Bereichen geradezu charakteristisch. Besonders deutlich wird dies dadurch, dass der Gesetzgeber explizit das „privatrechtliche“ Versicherungswesen in den Klammerzusatz aufgenommen hat. Auch hierdurch betont der Verfassungsgeber nochmals, dass es sich um staatsferne Wirtschaftszweige handelt. Aus Art. 74 Nr. 11 GG ist daher eine Zuordnung der Energiewirtschaft zur Privatwirtschaft abzuleiten. Nun könnte man aber einwenden,116 dass eine solche Deutung im Kontext der Norm eine Überinterpretation darstellen würde. In Art. 74 GG geht es schließlich nicht darum, Aufgaben dem Staat oder der freien Wirtschaft zuzuordnen, sondern vielmehr um die Frage danach, ob eine Materie der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes oder der Länder untersteht. Hieraus wird gefolgert, dass Art. 74 GG nur die Kompetenz zur Normsetzung und nicht die Kompetenz zur Aufgabenerfüllung regele,117 und insofern in diesem Kontext ohne Belang sei. Selbst wenn man – entgegen hier vertretener Ansicht – Art. 74 Nr. 11 GG nur diese reduzierte Aussage entnehmen will, so lässt sich hieraus im Kontext mit dem sonstigen Fehlen von Bestimmungen im Hinblick auf die Energieversorgung im GG dennoch der zuvor gezogen Schluss ableiten. Da sich außer in Art. 74 Nr. 11 GG im Grundgesetz keinerlei ausdrückliche 115 So insbesondere auch Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 567. 116 In diese Richtung: Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 129. 117 In diese Richtung auch: Schiller, Staatliche Gewährleistungsverantwortung und die Sicherstellung von Anschluss und Versorgung im Bereich der Energiewirtschaft,1. (2012), S. 68.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben121
Regelungen oder Erwähnungen der Energieversorgung befinden, ist die Rolle des Staates in der Energieversorgung zunächst auf die Rolle als Normsetzer beschränkt. Denn Art. 74 Nr. 11 GG besagt, dass durch die Gesetzgebung der Rahmen der Energieversorgung geschaffen werden soll. Dies macht wiederum deutlich, dass das Grundgesetz die Rolle des Staates bei der Setzung des Ordnungsrahmens durch Gesetze (Art. 74 Nr. 11 GG) sieht, nicht jedoch im wirtschaftlichen (Eigen-)Engagement im Markt. 3. Wirtschaftspolitische Grundordnung Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Mitbestimmungsurteil festgestellt, dass das GG wirtschaftspolitisch neutral sei.118 Darauf gestützt ist vielen Stimmen in der Literatur zu entnehmen, dass das Grundgesetz keine Entscheidung für ein bestimmtes Wirtschaftssystem bzw. eine Wirtschaftsverfassung treffe.119 Konsequenterweise leitet sich aus dieser Annahme auch ab, dass das GG nicht von einer bestimmten Form der staatlichen wirtschaftlichen Betätigung als zulässig oder unzulässig ausgeht.120 Die Weimarer Verfassung (Art. 151–165 WRV) enthielt dagegen explizite Bestimmungen zur Wirtschaftsverfassung. Ebenso regeln noch heute einigen Länderverfassungen (Bayern,121 Brandenburg,122 Rheinland-Pfalz,123 Thü118 BVerfG, Urt. v. 1.3.1979, 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 (336 ff.). 119 Britz, Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 58; Danner/Theobald-Grünewald, Energierecht,75. EGL (Oktober 2012), XII B.1 Einführung in das Kommunalwirtschaftsrecht, Rn. 4; Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 17; Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (29); Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 125. 120 Danner/Theobald-Grünewald, Energierecht,75. EGL (Oktober 2012), XII B.1 Einführung in das Kommunalwirtschaftsrecht, Rn. 4. 121 Die Bayerische Verfassung enthält in Art. 151 Abs. 2 S. 2 die Regelung „Die Freiheit der Entwicklung persönlicher Entschlusskraft und die Freiheit der selbstständigen Betätigung des einzelnen in der Wirtschaft wird grundsätzlich anerkannt.“ Art. 152 Bayerische Verfassung schreibt dem Staat diesbezüglich die Überwachung dieser Entfaltung vor. Der Bayrischen Verfassung ist daher eine wirtschaftliche Grundordnung zugunsten privater Entfaltung und eine Nachrangigkeit staatlicher Eingriffe zu entnehmen. 122 Die Brandenburgische Verfassung enthält in Art. 42 folgende Regelung: „(1) Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung wirtschaftlicher Eigeninitiative, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die Verfassung und die ihr entsprechenden Gesetze verstößt. Das Land strebt Wettbewerb und Chancengerechtigkeit an. (2) Das Wirtschaftsleben gestaltet sich nach den Grundsätzen einer sozial gerechten und dem Schutz der natürlichen Umwelt verpflichteten marktwirtschaftlichen Ordnung. Der Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ist unzulässig und zu verhindern.“
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
ringen124) sowie viele ausländische Verfassungen und auch das europäischen Primärrecht eine bestimmte Wirtschaftsverfassung.125 Auch wenn das GG keine derartig direkte Regelung einer Wirtschaftsverfassung enthält, ist es anders, als es einige Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung ausführen,126 indes nicht zutreffend davon auszugehen, dass dem GG keinerlei wirtschaftliche Grundvorstellung zugrunde liegt. Zwar gibt es im GG keine ausdrückliche Regelung einer bestimmten Wirtschaftsverfassung. Aber dennoch finden sich im Verfassungsrecht, insbesondere manifestiert durch die Grundrechte in den Art. 14, Art. 12 und Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 3 GG klare Vorgaben,127 die eine so deutliche Rahmenentscheidung128 vorgeben, dass diese sich nur in einer sozialen, marktwirtschaftlichen Ordnung verwirklichen lässt.129 Zwar unterliegen diese Grundrechte einem Gesetzesvorbehalt, ihr Wesensgehalt ist jedoch unantastbar, so dass ihre vollständige Aushöhlung bspw. durch Einführung einer Zentralverwaltungs- bzw. Planwirtschaft nicht verfassungsgemäß wäre.130 Die Verwirklichung der durch das GG umfänglich garantierten Berufs-, Eigentums-, Handlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes Insbesondere aus Art. 42 Abs. 2 S. 1 Brandenburgische Verfassung ergibt sich daher, dass die wirtschaftliche Grundordnung des Landes Brandenburgs die Soziale Marktwirtschaft ist. 123 Landesverfassung von Rheinland-Pfalz enthält in Art. 51 Abs. 1 das Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft. 124 Art. 38 der Landesverfassung Thüringen bestimmt: „Die Ordnung des Wirtschaftslebens hat den Grundsätzen einer sozialen und der Ökologie verpflichteten Marktwirtschaft zu entsprechen.“ 125 Maunz/Dürig-Di Fabio, Grundgesetz Kommentar,39. EGL (Juli 2001), Art. 2 Rn. 76. 126 Britz, Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 58; Danner/Theobald-Grünewald, Energierecht,75. EGL (Oktober 2012), XII B.1 Einführung in das Kommunalwirtschaftsrecht Rn. 4; Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (29); Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 125; Fabry/AugstenMeßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 17. 127 Zu den relevanten Grundrechten vgl. § 6 II.4. 128 Dies als „Rahmenordnung“ anerkennend auch Köhler/Bronkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung Rn. 1.44, und der die Soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftssystem der Bundesrepublik beschreibt, vgl. Köhler/BornkammKöhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.46. 129 So auch Maunz/Dürig-Di Fabio, Grundgesetz Kommentar,39. EGL (Juli 2001), Art. 2 Rn. 76; Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG Kommentar,33. (2015), Einleitung, Rn. 1.46; Sodan, in: Ziekow, Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft (2000), S. 35 (37 ff.); Sodan, DÖV 2000, 361 (366). 130 Kahl/Waldhoff/Walter-Schliesky, Bonner Kommentar GG, Bd. 1,153. EGL (August 2011), Art. 14 GG Rn. 10; Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts,2. (1994), § 18 Rn. 25; Freiherr von Gramm, GRUR 1959, 303 (303); Ehlers, JZ 1990, 1089 (1089).
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben123
kann nur im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung geschehen. Denn diese Grundrechte gewährleisten, dass die wirtschaftliche Betätigung im Wettbewerb und in Marktfreiheit geschieht.131 Dies wird auch dadurch verstärkt, dass die öffentliche Gewalt und damit alle – wie auch immer organisierten – öffentlichen Stellen gem. Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden sind.132 Staatlichen Stellen ist es daher untersagt, sich in den Wettbewerb in einer die Grundrechte beeinträchtigenden Art und Weise einzuschalten. Diese grundsätzliche marktwirtschaftliche Ausrichtung wird auch vom BVerfG anerkannt.133 Schon vor und auch i. R.d. Mitbestimmungsurteils des BVerfG wies dies darauf hin, dass der Gesetzgeber jede ihm sachgerecht erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen dürfe, solange er dabei das GG und insbesondere die Grundrechte beachte.134 In diesem Kontext ist die „wirtschaftspolitische Neutralität“ zu verstehen. Insofern hat das BVerfG damit die zuvor dargestellten Erwägungen bestärkt, dass gerade nicht jedwede Wirtschaftspolitiken durchgeführt werden könnten, sondern nur solche, die insbesondere mit Art. 12 GG und Art. 14 GG im Einklang stehen. Wenn man die weiteren Vorgaben des GG betrachtet, insbesondere zusätzlich zu den Grundrechten das Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG und die soziale Eigentumsbindung aus Art. 15 GG sowie Art. 14 Abs. 2 GG, so kann von den heute bekannten und erprobten Wirtschaftsverfassungen nur eine soziale Marktwirtschaft alle diese Rechte und Festlegungen des GG in Einklang bringen.135 Insofern mag das GG keine explizite, allgemeine Subsidiaritätsanordnung i. S. e. allgemeinen Vorrangs privater vor staatlicher Wirtschaftstätigkeit enthalten,136 die Zusammenschau der einzelnen Bestimmungen des GG ergibt jedoch eine verfassungsrechtliche Grundausrichtung auf eine sozial marktwirtschaftliche Wirtschaftsverfassung,137 in der staatliche Wirtschaftstätigkeit nur eine Ausnahme darstellen kann. UWG,33. (2015), Einleitung Rn. 1.45. BB 1997, 425 (428). 133 BVerfG, Urt. v. 27.01.1965, 1 BvR 213, 715/58 u. 66/60, BVerfGE 18, 315 (327); BVerfG, Beschl. v. 13.07.1992, 1 BvR 303/90, NJW 1993, 1969 (1970). 134 Grundlegend BVerfG, Urt. v. 26.07.1954, 1 BvR 459, 484 548, 555, 623, 651, 748, 783, 801/52, 5, 9/53, 96, 114/54, BVerfGE 4, 7 (17 f.); BVerfG, Beschl. v. 10.06.1958, 2 BvQ 2/58, BVerfGE 7, 377 (400); BverfG, Urt. v. 01.03.1979, 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 (338). 135 So schon: Freiherr von Gramm, GRUR 1959, 303 (303); Huber, Wirschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1 (1953), S. 36 f., der dies „sozialverpflichtete Marktwirtschaft“ nennt. 136 Statt vieler so etwa Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Einl. E. EnWG Rn. 329; Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. E. EnWG Rn. 400. 137 Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 37 f., die von einer „strukturellen Komplementarität von verfassungsrecht131 Köhler/Bronkamm-Köhler, 132 Hill,
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Eine Bestärkung dieser These findet sich auch in dem Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft im Staatsvertrag138 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 18. Mai 1990 (in Kraft getreten am 1. Juli 1990).139 Hierin vereinbarten die Bundesrepublik Deutschland und die DDR, dass Grundlage der Vereinigung beider Staaten die „Soziale Marktwirtschaft als gemeinsame Wirtschaftsordnung beider Vertragsparteien“ werden wird.140 Nach der Präambel des Vertrages ist es der gemeinsame Wille der Bundesrepublik Deutschland und der DDR „die Soziale Marktwirtschaft als Grundlage für die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung mit sozialem Ausgleich und sozialer Absicherung und Verantwortung gegenüber der Umwelt auch in der Deutschen Demokratischen Republik einzuführen“.141 Dieser Staatsvertrag und dessen Grundsätze gelten nach wie vor fort, da sie gem. Art. 45 Abs. 2 des Einigungsvertrages „nach Wirksamwerden des Beitritts als Bundesrecht geltendes Recht“ verbleiben.142 Selbst wenn man diesem Staatsvertrag daher in zutreffender Weise keinen Verfassungsrang zubilligt,143 zeigt er dennoch, dass diese Wirtschaftsverfassung dem Verständnis der „neuen“ Bundesrepublik Deutschland zugrunde liegt und als einfaches Recht zu berücksichtigen ist. Nichts desto trotz widersprechen das Grundgesetz und die Grundfestlegung auf die Soziale Marktwirtschaft nicht schon per se einer wirtschaftlilich gewährleisteter Eigentums- und Wirtschaftsfreiheit einerseits sowie der Marktwirtschaft und Wettbewerbsordnung andererseits“ ausgehen; ähnlich: Maunz/DürigDi Fabio, Grundgesetz Kommentar,39. EGL (Juli 2001), Art. 2 Abs. 1 Rn. 88; dass eine solche Zusammenschau vorzunehmen ist, bestätigt sogar Wesener, der im Übrigen das Vorliegen einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsverfassung ablehnt, vgl. Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 125. 138 Der Staatsvertrag ist nachzulesen unter: http://www.hdg.de/lemo/html/ dokumente/DieDeutscheEinheit_vertragWaehrungsWirtschaftsSozialunion/, zuletzt abgerufen am 22.06.2014, 14:56 Uhr. 139 Zur Entstehungsgeschichte und zeitlichem Ablauf vgl.: Deutsche Bundesbank, Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion von 1990, Frankfurt am Main, 1.6.2010, zuletzt abgerufen am 10.4.2013, 12:20 Uhr unter: http://www.bundesbank. de/Redaktion/DE/Kurzmeldungen/Fokusthemen/Archiv/2010_06_01_20_jahre_deut sche_waehrungsunion_chronik_wirtschafts_waehrungs_sozialunion.html. 140 Abgedruckt in: Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts,2. (1994), § 18 Rn. 9; hierauf verweisend auch Sodan, DÖV 2000, 361 (366). 141 Abgedruckt in: Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts,2. (1994), § 18 Rn. 9. 142 Sodan, DÖV 2000, 361 (366). 143 Ernst/Piotrowski, NVwZ 2004, 924 (927); a. A.: Sodan, DÖV 2000, 361 (366); differenzierend: Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht,17. (2011), § 5 I 4, S. 39.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben125
chen Betätigung durch den Staat und seine Untergliederungen. Eine solche Betätigung des Staates kann (bspw. als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips) sinnvoll und geboten sein, wenn marktwirtschaftliche Kräfte nicht in der Lage sind, wichtige Leistungen für den Bürger zur Verfügung zu stellen (durch Marktversagen begründete Gewährleistungsverantwortung). Allerdings bedarf es grundsätzlich einer eben solchen Rechtfertigung. Denn öffentliche Unternehmen sind gerade nicht berechtigt, sich wie Privatunternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht am Marktgeschehen zu beteiligen.144 Es bleibt vielmehr der Grundsatz, dass Marktakteure die Privaten und nicht etwa der Staat sind. Dies entspricht der dem GG zu entnehmenden sozialen Marktwirtschaft als wirtschaftliches Grundordnung der Bundesrepublik. 4. Berufs- und Eigentumsfreiheit zugunsten kommunaler Betätigung? Üblicherweise werden die Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat verstanden.145 Allerdings ist dieser Gehalt der Grundrechte in den letzten Jahrzehnten einigen Entwicklungen unterworfen gewesen.146 Wie weitreichend diese Betrachtung der Grundrechte geht, soll nachfolgend unter der Fragestellung untersucht werden, ob die Gemeinden sich zwecks (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze möglicherweise auf Grundrechte berufen können. a) Grundrechtsberechtigung Die Gemeinden sind aus den Grundrechten zunächst grundsätzlich nicht berechtigt, sondern als Teil des Staatsapparates gem. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG verpflichtet (Konfusionsargument).147 Wählen die Gemeinden eine öffentlich-rechtlichen Organisationsformen, etwa die Anstalt, Körperschaft, Stiftung des öffentlichen Rechts oder sogar nur den Eigen- oder Regiebetrieb,148 so bleibt es schon aufgrund der Organisationsform bei der auch Stober, NJW 2002, 2357 (2361). Staatsrecht II,11. (2014), § 3 Rn. 44 f.; ausführlich hierzu: Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte (2003). 146 Etwa: Kröger, Grundrechtsentwicklung in Deutschland (1998), S. 1 ff.; Gostomzyk, JuS 2004, 949 (949 ff.); Ladeur, DÖV 2007, S. 1 ff.; Maunz/Dürig-Papier, Grundgesetz Kommentar,59. EGL (Juli 2010), Art. 14 Rn. 123; Lepa, Der Inhalt der Grundrechte,6. (1990), Rn. XI ff. 147 Isensee/Kirchhof-Ronellenfitsch, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 4,3. (2006), § 98 Rn. 41; hierzu auch Maunz/Düring-Mehde, GG,67. EGL (Nov. 2012), Art. 28 Abs. 2 Rn. 16. 148 Hierzu noch in § 8 II.2.a). 144 So
145 Manssen,
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Zugehörigkeit zur Exekutive in Form der mittelbaren Staatsverwaltung, die weiterhin über Art. 1 Abs. 3 GG den Bindungen an die Grundrechte unterworfen ist, nicht jedoch selbst in Ausübung dieser handelt.149 Denn die Gemeinden können sich, auch nicht in der Form kommunaler öffentlichrechtlicher Unternehmen, auf Grundrechte berufen, da es ihnen an der nötigen Grundrechtsfähigkeit fehlt,150 die ihnen auch nicht durch erwerbswirtschaftliche Betätigung zuwächst.151 Problematischer ist die Frage der Grundrechtsfähigkeit jedoch dann, wenn sich die Gemeinden einer privaten Rechtsform, bspw. der GmbH, bedienen. Denn grundsätzlich können sich juristische Personen auf die Grundrechte gem. Art. 19 Abs. 3 GG berufen, soweit sie ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind. Wird eine Gesellschaft in Privatrechtsform zu 100 % von der staatlichen Hand, bspw. einer Gemeinde gehalten, so ist allgemein anerkannt, dass auch in diesem Fall eine vollumfängliche Grundrechtsbindung, nicht jedoch die Berechtigung aus den Grundrechten für diese Gesellschaft besteht.152 Hieran ändert nach umstrittener Ansicht auch nichts, dass die Gemeinde mit der Gesellschaft erwerbswirtschaftlich bzw. fiskalisch tätig wird.153 Denn der Staat darf durch seine Formwahl nicht den für ihn geltenden Regelungen entfliehen.154 Als problematischer Sonderfall ist jedoch eine Gesellschaft anzusehen, welche in Privatrechtsform geführt wird und neben einem staatlichen Eigner (bspw. einer Gemeinde) auch noch einen oder mehrere private Eigner aufauch statt vieler Gurlit, NZG 2012, 249 (252). Beschl. v. 08.07.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82(100 ff.); hierzu auch: Danner/Theobald-Grünewald, Energierecht,75. EGL (Oktober 2012), XII B.1 Einführung in das Kommunalwirtschaftsrecht, Rn. 4 Fußnote 7. 151 Maunz/Düring-Mehde, GG,67. EGL (Nov. 2012), Art. 28 Abs. 2 Rn. 16 und 17 mit Hinweis auf fehlen der „grundrechtstypischen Gefährdungslage“. 152 BVerfG, Beschl. v. 16.05.1989, 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 (1783 ff.); BVerfG, Urt. v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, NJW 2011, 1201 1202, Rn. 49 f.; Jarass, DÖV 2002, 489 (495); Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht,32. (2008), § 18 Rn. 8 f.; Gloy/Loschelder/Erdmann-Poppen, Handbuch des Wettbewerbrechts,4. (2010), § 66 Rn. 14; Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 215; Gurlit, NZG 2012, 249 (252). 153 Jarass/Pieroth-Jarass, GG,13. (2014) Art. 1 Rn. 38; Maunz/Düring-Mehde, GG,67. EGL (Nov. 2012), Art. 28 Abs. 2 Rn. 16; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 109; a. A. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht,18. (2011), § 3 Rn. 26; keine Grundrechtsbindung in diesen Fällen nimmt auch an: Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht,32. (2008), § 18 Rn. 10. 154 Keine Flucht ins Privatrecht, vgl. Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 63. 149 So
150 BVerfG,
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben127
weist. Diese sog. gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen155 sind eindeutig weder dem Staat (und damit den Bindungen an die Grundrechte gem. Art. 1 Abs. 3 GG) noch der Privatwirtschaft (also den grundrechtlichen Freiheiten) zuzuordnen. Überwiegend anerkannt ist, dass Unternehmen, die mehrheitlich von der öffentliche Hand gehalten werden und deren Geschäftsführung dem entscheidenden Einfluss der öffentlichen Hand unterliegt, nicht grundrechtsfähig sein sollen.156 Zu dieser fehlenden Grundrechtsberechtigung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen wegen entscheidendem staatlichen 155 Ausführlich hierzu: Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 107 ff., S. 130 ff. 156 BVerfG, Beschl. v. 16.5.1989, 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 (1783 ff.); BVerfG, Beschl. v. 18.05.2009, 1 BvR 1731/65, NVwZ 2009, 1282 (1282 ff); Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht,32. (2008), § 18 Rn. 9; siehe auch Podszun, GWR 2009,253 (253 ff.); Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 27; Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 18; mit dem Augenmerk auf die Schutzbedürftigkeit der privaten Anteilseigner wird jedoch in der Literatur gefordert, gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform grundsätzlich für grundrechtsfähig anzusehen, vgl. Maunz/Dürig-Remmert, Grundgesetz Kommentar,55. EGL (Mai 2009), Art. 19 Abs. 3 Rn. 66; v. Arnauld, DÖV 1998, 437 (450), grundsätzlich grundrechtsfähig, wegen privater Eigentümer; Manssen, Staatsrecht II,11. (2014), § 4 Rn. 75 ff.; anders der Ansatz von Ehlers, Gutachten E zum 64. Deutschen Juristentag, 2002, S. E 39, der die fehlende Bindung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen wie folgt begründet: Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen „üben – von dem Fall der Beleihung abgesehen – jedenfalls dann keine Staatsausgewalt aus, wenn sie in Privatrechtsform organisiert sind. Sie werden nicht in den ‚Staatsorganismus inkorporiert‘ “, hieran anknüpfend folgert er, dass „selbst dann keine Grundrechtsbindung [vorliegt], wenn sie von der öffentlichen Hand beherrscht werden und die private Beteiligungsquote gering ist“. Einschränkend führt er jedoch dann aus, dass die die Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand bleibe, die wiederum zum „grundrechtskonformen Gebrauch“, S. E 40, der Beteiligungsrechte verpflichte; a. A.: aus Gründen der Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Praktikabilität; Schmidt-Aßmann, BB 1990/Beilage 34, 1 (10 f.); so auch Pieroth, NWVBl. 1992, 85 (87 ff.); für begrenzte Ausdehnungsfähigkeit der Grundrechte auf gemischt-wirtschaftliche Unternehmen: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 1. Halbband, (1988), § 71 VII Rn. 7 (S. 1170); Merten, in: Bernat/Böhler/Weilinger (Hrsg.), Festschrift für Heinz Krejci zum 60. Geburtstag, 2. Bd. (2001), S. 2003 (2020 f.), der darauf hinweist, dass die Betrachtung der prozentualen Beteiligung nicht ausreiche, sondern dies nur eine „aktienrechtliche Vermutungsregelung“ sei. Wie bei der „Geschlechtsbestimmung von Zwittern“ könne auch die Entscheidung der Grundrechtsberechtigung von Mischunternehmen nicht allen „widerstreitenden Umständen gleichzeitig gerecht werden“; Koppensteiner, NJW 1990, 3105 (3107 und 3114); Jarass/PierothPieroth, Grundgesetz,13. (2014), Art. 19 Rn. 19 a; Wirth, Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsverpflichtung öffentlicher und gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen (2000), S. 70 f., der sich gegen eine Beseitigung des Grundrechtsschutzes privater Beteiligter an gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen ausspricht und den HEW-Beschluss des BVerfG kritisiert.
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Einflusses hat das BVerfG im Falle eines Stromversorgers bereits 1990 im sog. HEW-Beschluss entschieden.157 In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Freie und Hansestadt Hamburg an dem Stromversorger HEW einen Anteil von 72 % der Aktien, der ihr (so das BVerfG) einen entscheidenden Einfluss auf das unternehmerische Handeln des Stromversorgers ermöglichte.158 Für diesen Fall urteilte das BVerfG, dass sich der Stromversorger als gemischt-wirtschaftliches Unternehmen nicht auf Grundrechte berufen könne.159 Diese Auffassung bekräftigte das BVerfG grundsätzlich abermals im Jahre 2011 in der Flughafen-Frankfurt-Entscheidung, in der es um eine 52 %ige Beteiligung der öffentlichen Hand ging.160 Damit stellt das BVerfG für die Frage nach der Grundrechtsfähigkeit eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens auf die Beherrschung dieses Unternehmens ab, wobei es jedoch nicht lediglich auf die gesellschafts- oder satzungsrechtlich mögliche Einflussnahme ankommt, sondern vor allem auf die „Gesamtverantwortung“ für die Unternehmensgestaltung und -politik.161 Wann ein solcher beherrschender Einfluss vorliegt, kann daher nicht immer im Vorwege bestimmt werden. Es gilt jedoch, dass je näher sich eine staatliche Beteiligung an einer Gesellschaft der 50 %- Grenze nähert, desto eher anzunehmen ist, dass ein Beherrschungsverhältnis der öffentlichen Hand vorliegt.162 Ist die Beteiligung oberhalb der 50 %-Grenze, kann von einer Beherrschung in der Regel ausgegangen werden. Damit ist eine Abhängigkeit im Hinblick auf eine mögliche Beherrschung durch ein Unternehmen umso weniger wahrscheinlich, je geringer die Beteiligung eines Gesellschafters an einer Gesellschaft ist.163 157 BVerfG, Beschl. v. 16.5.1989, 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 (1783 ff.); hierauf hinweisend auch Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 130 ff.; kritisch hierzu: Wirth, Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsverpflichtung öffentlicher und gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen (2000), S. 70 f. 158 BVerfG, Beschl. v. 16.5.1989, 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 (1783 ff.); Maunz/Dürig-Papier, Grundgesetz Kommentar,59. EGL (2010), Art. 14 Rn. 213. 159 Kritisch: Jarass, DÖV 2002, 489 (495 f.). 160 BVerfG, Urt. v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, NJW 2011, 1201 (1201 ff., insbesondere 1203); hierauf hinweisend auch Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 132 ff. 161 BVerfG, Urt. v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, NJW 2011, 1201 (1204, Rn. 54); abweichende Meinung selbige Entscheidung, Richter Schluckebier, BVerfG, Urt. v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, NJW 2011, 1201 (1209, Rn. 114). 162 Emmerich/Habersack-Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht,7. (2013), § 17 AktG, Rn. 18. 163 Emmerich/Habersack-Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht,7. (2013), § 17 AktG, Rn. 18.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben129
Damit bleibt aber die Frage danach bestehen, wie der Fall zu beurteilen ist, dass der Staat bspw. in Form einer Gemeinde, eine Minderheitsbeteiligung an einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen hält. Denn bei einer Minderheitsbeteiligung könnte aufgrund der Mehrheit der privaten Anteilseigner und damit der Beherrschung durch diese eine Grundrechtsberechtigung der gesamten Gesellschaft folgen. Liegt eine Beherrschung durch Private vor, so muss hiervon ausgegangen werden, da ansonsten der Grundrechtsschutz der mehrheitlich durch die Privaten dominierten Gesellschaft verloren ginge.164 Allerdings ist auch bei einer Minderheitsbeteiligung gesellschaftsrechtlich anerkannt, dass eine Beherrschung seitens des Minderheitsgesellschafters durch entsprechende satzungsrechtliche Ausgestaltungen gegeben sein kann (nach § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1 und 2 AktG).165 Dafür muss zusätzlich zu der Minderheitsbeteiligung durch verlässliche, rechtliche oder tatsächliche Umstände dem beteiligten Unternehmen der nötige Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Gesellschaft gesichert sein.166 In diesem Fall kann trotz mehrheitlicher Anteile privater Eigentümer der staatliche Einfluss auf die Gesellschaft so stark sein, dass eine öffentliche Beherrschung anzunehmen und die Grundrechtsfähigkeit und der Grundrechtsschutz abzulehnen sind.167 Handelt es sich indes um eine Minderheitsbeteiligung der öffentlichen Hand ohne derartige Einflussmöglichkeiten, so ist aus der Rechtsprechung zu folgern, dass ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen mit staatlicher Minderheitsbeteiligung durchaus grundrechtsfähig sein kann. In diesem Fall gelten für das Unternehmen die gleichen Rechte wie für rein privates Unternehmen. Ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen mit staatlicher Minderheitsbeteiligung kann sich daher im Hinblick auf die Konzessionsvergabe je nach Prüfung des Einzelfalls auf Grundrechte berufen. Im Hinblick auf die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze wird in vielen Fällen, in denen eine (Re)Kommunalisierung unter Einbezug eines privaten Partners diskutiert wird, die Einflussnahmemöglichkeit der Gemeinde auf das (re)kommunalisierte Verteilernetzunternehmen zum besonderen Thema 164 So auch Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischtwirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 138 f. 165 Gurlit, NZG 2012, 249 (253); grundlegend: BGH, Urt. v. 13.10.1977, II ZR 123/76, NJW 1978, 104 (2. Leitsatz und 104 ff.); BGH, Beschl. v. 17.3.1997, II ZB 3/96, NJW 1997, 1855 (1856); kritisch: Mülbert, ZHR 163 (1999), 1 (20 ff.). 166 Emmerich/Habersack-Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht,7. (2013), § 17 AktG, Rn. 18 ff. mit weiteren konkreten Beispielen. 167 So auch Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischtwirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 142 ff.
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gemacht. Nicht selten geht es den Gemeinden gerade darum, mehr als 50 % der Anteile an der Gesellschaft zu halten und den privaten Partner insbesondere für den operativen Betrieb zu gewinnen. In diesen Fällen, wo die Gemeinde sich eine Mehrheit der Anteile an der (re)kommunalisierten Gesellschaft sichert, ist eine Grundrechtsfähigkeit abzulehnen. Aber auch da, wo die Gemeinde nur eine Minderheitsbeteiligung im Rahmen der (Re)Kommunalisierung eingeht, ist in jedem Einzelfall genau zu untersuchen, welche Einflussnahmemöglichkeiten und -rechte der Gemeinde zukommen. Dass die Gemeinde nicht lediglich als zu vernachlässigender Gesellschafter an einer (re)kommunalisierten Netzgesellschaft ohne jede Einflussnahmemöglichkeit beteiligt sein wird, kann schon aus den Vorgaben der Gemeindeordnungen [hierzu ausführlich unter § 8 II.2.b)aa)] gefolgert werden. So regelt bspw. § 108 Abs. 1 Nr. 6 der Gemeindeordnung von Nordrhein-Westfalen, dass eine Beteiligung oder Gründung eines Unternehmens in Privatrechtsform nur zulässig ist, wenn „die Gemeinde einen angemessenen Einfluss, insbesondere in einem Überwachungsorgan, erhält und dieser durch Gesellschaftsvertrag, Satzung oder in anderer Weise gesichert wird“. b) Eigentumsfreiheit zugunsten Gemeinden als Sonderfall? Wie zuvor dargestellt, handeln der Staat und seine Untergliederungen, und damit auch die Gemeinden, in Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen Kompetenzen (aus dem GG und dem einfachen Recht). Demgegenüber handeln Private, ob natürliche oder juristische Personen, in Ausübung ihrer grundrechtlichen Freiheiten. Der Staat und damit auch die Gemeinden sind daher grundsätzlich Adressaten der Grundrechte, die gem. Art. 1 Abs. 3 GG alle drei Gewalten binden, nicht jedoch ihre Träger.168 Für Art. 14 GG nehmen einige Stimmen in Literatur und Rechtsprechung als Ausnahme an, dass dieser dann auch für die Gemeinden Geltung entfalte, wenn sie nicht als Gebietskörperschaft aus Art. 28 Abs. 2 GG umfasste Rechte und Pflichten wahrnehmen, sondern wenn sie, wie ein Privater, Rechte aus ihrem Eigentum als juristische Person (Art. 19 Abs. 3 GG) geltend machen würden.169 Hierzu hat der BayVerfGH170 entschieden: „Wenn die Rechtsordnung den Gemeinden die Möglichkeit zubilligt, privatrechtliches Eigentum innezuhaben“ dann können sie in „dessen Verletzung in ei168 Hierzu
vorstehend in § 6 II.4.a). Die verfassungsrechtliche Position der kommunalen Gebietskörperschaften in der Elektrizitätsversorgung (1966), S. 50 ff. und 56. ff.; BayVerfGH, Beschl. v. 13.7.1984, Vf. 29/VI/82, NVwZ1985, 260 (260); a. A.: Maunz/Dürig-Papier, GG,59. EGL (Juli 2010), Art. 14 Rn. 209. 170 BayVerfGH, Beschl. v. 13.7.1984, Vf. 29/VI/82, NVwZ 1985, 260 (260). 169 Stern,
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben131
nem Rechtsstreit zwischen gleichgeordneten Trägern privater Rechte im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen“. Hiergegen ist jedoch mit der herrschenden Meinung171 einzuwenden, dass Art. 14 GG „nicht das Privateigentum, sondern [vielmehr] das Eigentum Privater“ schützt.172 Dass es überhaupt Gemeinden gibt, die mit ihrem Eigentum bspw. wirtschaften können, liegt in Art. 28 Abs. 2 GG begründet. Sie sind keine originären Träger von Grundrechten.173 Sie sind Teil des Staatsaufbaus und mit Hoheitsrechten ausgestattet, mitsamt den daraus resultierenden grundrechtsdogmatischen Konsequenzen.174 Es würde daher der Grundrechtsdogmatik widersprechen, den Gemeinden grundsätzlich eine eigene Grundrechtsfähigkeit gegen den Staat, dessen Teil sie ja selbst sind, zuzugestehen. Denn selbst dann, wenn Gemeinden keine öffentlichen Aufgaben wahrnehmen, sind sie dem Staat nicht in der gleichen Weise („grundrechtstypische Gefährdungslage“) ausgeliefert wie etwa einzelne Private.175 Selbst wenn sie keine öffentliche Aufgabe wahrnehmen, können sich Gemeinden daher grundsätzlich nicht auf Art. 14 GG berufen.176 c) Befugnis aus Art. 12 GG Für Art. 12 GG gilt dies in verschärfter Form. Denn die Gemeinden werden nicht in Ausübung ihrer Berufsfreiheit tätig, sondern zur Erfüllung der ihnen im Staatsaufbau zugeordneten Aufgaben. Im Wesentlichen kann daher auf die vorstehenden Ausführungen zu Art. 14 GG verweisen werden.177 Die Gemeinden können sich grundsätzlich nicht auf Art. 12 GG berufen, weil sie grundsätzlich weder grundrechtsberechtigt sind noch eine wirtschaftliche Betätigung, wie die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze, in Ausübung ihrer Berufsfreiheit ergreifen. Sie können sich daher grundsätzlich nicht auf Art. 12 GG berufen. 171 BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982, 2 BvR 1187/80, BverfGE 61, 82 (108 f.); BGH, Urt. v. 31.10.1974, III ZR 45/72, NJW 1975, 158 (159); Bethge, NVwZ 1985, 402 (403); Jarass/Pieroth-Jarass, GG,12. (2012), Art. 14 Rn. 28; Maunz/Dürig-Papier, GG, 59. EGL (Juli 2010), Art. 14 Rn. 204 ff., 209; Sachs-Wendt, GG,6. (2011), Art. 14 Rn. 17. 172 BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 (108 f.). 173 A. A.: BayVerfGH, Beschl. v. 13.07.1984, Vf. 29/VI/82, NVwZ 1985, 260 (262): „originäre Befugnis“. 174 So auch BGH, Urt. v. 31.10.1974, III ZR 45/72, NJW 1975, 158 (159); Bethge, NVwZ 1985, 402 (403). 175 Sachs-Wendt, GG,6. (2011), Art. 14 Rn. 17. 176 Jarass/Pieroth-Jarass, GG,12. (2012), Art. 14 Rn. 28; Maunz/Dürig-Papier, GG,59. EGL (Juli 2010), Art. 14 Rn. 209 lehnt Ausnahme zugunsten Gebietskörperschaften grundsätzlich. ab. 177 Siehe hierzu § 6 II.4.b).
132
§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
d) Zusammenfassung Damit können sich die Gemeinden bei Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit im Bereich der Verteilernetze grundsätzlich nicht auf die Ausübung von Grundrechten berufen, vielmehr unterliegen die Gemeinden den Bindungen an die Grundrechte.178 Eine Ausnahme hiervon bildet nach h. M. lediglich ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen, welches nicht einem beherrschenden Einfluss des Staates unterliegt, um den (mehrheitlich) privaten Anteilseignern den Grundrechtsschutz nicht abzuschneiden.179 Eine Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze ergibt sich aus den Grundrechten indes nicht. 5. Staatsaufgabe Energieversorgung wegen Ermöglichung der Grundrechtsausübung Dass die Grundrechte nicht nur als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat zu sehen sind, sondern ebenso die objektive Werteordnung der Verfassung und damit des Staatsaufbaus der Bundesrepublik Deutschland wiedergeben, ist spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1975 anerkannt.180 Aus dem GG resultiert die Pflicht des Staates den Grundrechten zu ihrer maximalen Geltung zu verhelfen.181 Auf interessante Weise leitet hieraus Wesener die Pflicht des Staates zur Sicherstellung der Energieversorgung ab. Er führt hierzu aus, dass die Ausübung von Grundrechten in vielen Bereichen des täglichen Lebens nur möglich sei, weil der Bürger multifunktional einsetzbare Energie erhalte.182 Die Freiheit der Berufswahl wäre ohne eine hinreichende Versorgung mit Elektrizität nicht möglich.183 Selbiges gelte auch für die Meinungs- und Pressefreiheit sowie für die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 GG.184 Selbst die Ent178 BVerfG, Beschl. v. 07.06.1977, 1 BvR 108, 424/73 und 226/74, BVerfGE 45, 63 (79 f.), BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 (103); Gloy/Loschelder/Erdmann-Poppen, Handbuch des Wettbewerbsrechts,4 (2010), § 66 Rn. 14; Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 215. 179 Hierzu in § 6 II.4.a). 180 Grundlegend BVerfG, Urt. v. 25.02.1975, 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74, BVerfGE 39, 1 (41 ff.), zu den Grundrechten als Ausdruck der objektiven Werteordnung des GG bereits: BVerfG, Urt. v. 15.01.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (205), BVerfG, Urt. v. 29.05.1972, 1 BvR 424/71 und 325/72. 181 Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 135. 182 Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 136. 183 Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 136. 184 Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 136.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben133
faltung der Persönlichkeit würde in unserem Zeitalter ohne Energie nur schwerlich möglich sein.185 Damit der einzelne seine Grundrechte maximal entfalten könne, habe der Staat daher die Pflicht zur Sicherstellung der Energieversorgung.186 Auch wenn Wesener dies nicht weiter ausführt, so wird man doch, denkt man diesen Ansatz weiter, hieraus konsequenterweise auch eine Befugnis zur Eigenerbringung der Energieversorgung, somit auch der (Re)Kommunalisierung der Energieverteilung, annehmen müssen. Dabei ist Wesener zunächst im Hinblick auf die Beschreibung der Bedeutung der Energieversorgung für den Einzelnen und die gesamte Volkswirtschaft zuzustimmen. Dies stellt auch bereits das BVerfG fest, indem es ausführte, dass die Energieversorgung eine Leistung darstelle, „derer die Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich“187 bedürfen. Aus der Feststellung, dass die Bürger Strom zur Ausübung ihrer Grundrechte benötigen, zu folgern, dass deswegen der Staat zur Sicherstellung der Energieversorgung verpflichtet sei, geht jedoch in dieser allgemeinen Form zu weit, insbesondere, wo konsequenterweise aus diesem Ansatz eine Befugnis oder gar Pflicht zur Eigenerbringung durch den Staat abzuleiten ist. Der Ansatz von Wesener ist allerdings dahingehend zu berücksichtigen, dass dem Staat auch aus der Gewährleistung der Grundrechte und der Pflicht, diesen zu maximaler Geltung zu verhelfen, die Pflicht erwächst, im Rahmen einer Gewährleistungsverantwortung notfalls die Energieversorgung sicherzustellen.188 Für diese Eintrittsverantwortung des Staates aus seiner Gewährleistungsverantwortung bedarf es aber erst eines Versagens der privaten Leistungserbringung oder einer Gefährdungslage für die Grundrechte,189 worauf Wesener gar nicht eingeht. Nicht nur weil es Grundrechte gibt, muss der Staat alles, was für deren maximale Entfaltung nötig ist, selbst anbieten. Wäre dem so, würde eine private Wirtschaft schon bald in weiten Teilen zum Erliegen kommen. Dies würde auch zu paradoxen Ergebnissen führen, weil bspw. auch Lebensmittel existenziell für die Ausübung von Grundrechten sind. Dennoch käme niemand auf den Gedanken hieraus zu folgern, dass als Staatsaufgabe nur noch der Staat Supermärkte oder landwirtschaftliche Betriebe betreiben sollte. 185 Wesener,
Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 136 f. Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 137 f. 187 BVerfG, Beschl. v. 20.03.1984, 1 BvL 28/82, BVerfGE 66, 248 (258); BVerfG, Urt. v. 10.12.1974, 2 BvK 1/73, 2 BvR 902/73, BVerfGE 38, 258 (270 f.). 188 So auch Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netz anlagen,1. (2012), S. 25. 189 Knauff, DÖV 2009, 581 (583), Schoch, NVwZ 2008, 241 (241 ff.); mit kritischen Anmerkungen zur Gewährleistungsverantwortung: Franzius, VerwArch 99 (2008), 351 (351 ff.). 186 Wesener,
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Insofern ergibt sich aus der Gewährleistung der Grundrechte durch den Staat keine Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung, sondern eine Gewährleistungsverantwortung und Letztverantwortlichkeit für die Energieversorgung, wenn der Wettbewerb hierfür nicht sorgt. 6. (Re)Kommunalisierung aus Art. 15 GG Auch aus Art. 15 GG kann keine Befugnis zur (Re)Kommunalisierung geschlossen werden. Eine Sozialisierung nach Art. 15 GG liegt im Falle der (Re)Kommunalisierung der Stromnetze nicht vor. Hierzu bedürfte es eines staatlichen Überführungsgesetzes,190 welches regelt, dass die in privatem, staatlichen oder gemischt-wirtschaftliches Eigentum191 stehenden Stromnetze nunmehr insgesamt durch die Gemeinden gegen Entschädigung zu betreiben sind. Denn nach Art. 15 GG sind nur sog. „Legalsozialisierungen“ zulässig, d. h. auf einem Bundes- oder Landesgesetz basierende Enteignungen192, die entsprechend der Junktim-Klausel auch zugleich die Entschädigung regeln.193 Eine solche Regelung sieht § 46 Abs. 2 EnWG, der seit der Novelle 2011 eine Netzübereignungspflicht des alten an den neuen Konzessionsnehmer statuiert, nicht vor [hierzu ausführlich in § 7 III.]. Die Regelung führt gerade nicht dazu, dass die Gemeinden das Netz im Wege der Enteignung übereignet bekommen,194 sondern statuiert zum Zwecke der Schaffung eines Wettbewerbs um die Verteilernetze eine Übereignungspflicht des alten an den neuen (auch ggf. privaten) Netzbetreiber. Da nach derzeitigem Stand auch keine Sozialisierungsgesetze für die Verteilernetzebene geplant sind, kann sich die (Re)Kommunalisierung der Stromverteilernetze nicht nach Art. 15 GG richten.195 190 Das Erfordernis, die Überführung „durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt“ vorzunehmen, stellt eine Anforderungen an die Form der Vergesellschaftung dar, vgl. Maunz/Dürig-Durner, Grundgesetz Kommentar,52. EGL (Mai 2008), Art. 15 Rn. 41 und 74 ff. 191 Art. 15 GG enthält gerade keine Einschränkung im Hinblick auf den Eigentümer der Sozialisierungsgegenstände, vgl. Maunz/Dürig-Durner, Grundgesetz Kommentar,52. EGL (Mai 2008), Art. 15 Rn. 30. 192 Per Landesgesetz nur dann, wenn die Landesverfassung eine entsprechende, über Art. 15 GG nicht hinausgehende Sozialisierungsnorm enthält, Maunz-DürigDurner, Grundgesetz Kommentar,52. EGL (Mai 2008), Art. 15 Rn. 77. 193 Maunz/Dürig-Durner, Grundgesetz Kommentar,52. EGL (Mai 2008), Art. 15 Rn. 74–75. 194 So auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 650, der das Ziel der Norm in der „Eigentumsumverteilung zwischen Privatpersonen“ sieht. 195 Anders etwa im Hinblick auf die Übertragungsnetze, bei denen eine Verstaatlichung diskutiert wurde, die auch mittels eines Sozialisierungsgesetzes erfolgen
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben135
Wenn auch nicht direkt auf Art. 15 GG gestützt, so könnte man aber dem Art. 15 GG eine in ihm grundsätzlich verkörperte Wertung entnehmen, die eine Rechtfertigung für die (Re)Kommunalisierung darstellen könnte. Wenn nämlich sogar zuvor rein privates Eigentum über Art. 15 GG verstaatlicht werden kann und dadurch der Staat zum wirtschaftlichen Akteur in zulässiger Weise wird, dann könnte es als mildere Maßnahme erst recht zulässig sein, dass der Staat sich wirtschaftlich auf dem Markt betätigt, ohne dabei privates Eigentum zu sozialisieren. Denn Art. 15 GG zeigt gerade eine Offenheit des GG für die „Verwirklichung gemeinwirtschaftlicher Vorstellungen“.196 Man könnte meinen, dass Art. 15 GG andere als die rein privatwirtschaftlich organisierten Wirtschaftsformen ermögliche und damit auch ein System, in dem öffentliche Unternehmen wirtschaften.197 Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass Art. 15 GG einen historischen Kompromiss widerspiegelt, der in den Beratungen des Parlamentarischen Rates zur Frage der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zustande kam.198 Die Möglichkeit, ggf. Unternehmen zu verstaatlichen, sollte offengehalten werden, wohingegen in Art. 14 GG die Eigentumsgarantie geregelt wurde. Aus Art. 15 GG lässt sich daher gerade kein Gebot zur Sozialisierung entnehmen.199 Ebenso wenig kann Art. 15 GG eine allgemeine Wertung dahingehend entnommen werden, dass öffentliches Wirtschaften als ein Weniger zur Enteignung grundsätzlich gewollt ist. Hierzu bedürfte es wegen des Gesetzesvorbehaltes einer klaren gesetzlichen Regelung. Im Hinblick auf die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand kann Art. 15 GG daher – trotz inhaltlicher Nähe – nicht zu deren Rechtfertigung herangezogen werden.200 Denn obwohl man Art. 15 GG dem öffentlichen Wirtschaftsrecht wird zuordnen können, enthält dieser keine generelle Legitimation für den Staat und seine Untergliederungen, in wettbewerbsrelevanter Art und Weise tätig zu werden.201 könnte, hierzu etwa: Dinand/Reuter, Die Netz AG als zentraler Netzbetreiber in Deutschland,1. (2006), S. 60 ff.; Bauchmüller, Berlin will rasch deutsche Stromnetz AG, 17. Mai 2010, unter: http://www.sueddeutsche.de/geld/bund-erhoeht-druck-ber lin-will-rasch-deutsche-stromnetz-ag-1.688569, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:01 Uhr. 196 Sachs-Wendt, GG,6. (2011), Art. 15 Rn. 2. 197 So auch Mangoldt/Klein/Starck-Depenheuer, GG, Bd. 1,6. (2010), Art. 15 Rn. 1. 198 Mangoldt/Klein/Starck-Depenheuer, GG, Bd. 1,6. (2010), Art. 15 Rn. 2; BeckOK-Axer, GG,24. Edition (Stand: 01.03.2015), Art. 15 Rn. 2; Kahl/Waldhoff/WalterSchliesky, Bonner Kommentar GG, Bd. 1,153. EGL (August 2011), Art. 15 Rn. 1. 199 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Hofmann, GG,13. (2014), Art. 15 Rn. 8. 200 So auch schon Freiherr von Gramm, GRUR 1959, 303 (303). 201 Kahl/Waldhoff/Walter-Schliesky, Bonner Kommentar GG, Bd. 1,153. EGL (August 2011), Art. 15 Rn. 5.
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7. Sozialstaatsprinzip und Gewährleistungsverantwortung Aus dem Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 GG leitet sich zunächst ein Gestaltungsauftrag des Staates und dabei insbesondere des Gesetzgebers ab.202 Bei der Gestaltung der Bundesrepublik soll danach auch soziale Gerechtigkeit verwirklicht werden (Staatszielbestimmung).203 Aufgrund des Sozialstaatsprinzips trägt der Staat aber auch eine verfassungsrechtliche Grundverantwortung für die Gewährleistung zentraler Infrastrukturdienste allgemein (Gewährleistungsverantwortung),204 zu denen die Energieversorgung als „Leistung, derer die Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich“205 bedürfen, ebenfalls zählt. Dabei gehen einige Aussagen über das Verhältnis des Sozialstaatsprinzips zur Energieversorgung sogar so weit, dass „die ‚Staatszielbestimmung‘ der Sozialstaatlichkeit einschließlich der staatlichen Verantwortung für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht“ eine „verfassungsrechtlich fundierte Pflicht des Staates, für eine ausreichende Energieversorgung Sorge zu tragen“, begründe.206 Ob dies so weit reicht, dass aus dem Sozialstaatsprinzip dem Staat ein Recht bzw. sogar die Pflicht zur Erbringung der Energieversorgung erwächst, ist kritisch zu prüfen. Eine Pflicht im Sinne einer Erfüllungsverantwortung des Staates lässt sich aus dem Sozialstaatsprinzip sicher nicht ableiten. Auch der Hinweis darauf, dass die Grundversorgung mit elementaren Gütern und Leistungen eine Verantwortung der Gemeinden begründe, ist zu pauschal, um hieraus eine uneingeschränkte Erfüllungs- oder Leistungsverantwortung der Gemeinden207 abzuleiten. Eine solche Pflicht zur Eigenerfüllung bedarf klarer, eindeutiger Regelungen. Zutreffend wird man von einer Gewährleistungsverantwortung des Staates ausgehen können und insofern von einer Pflicht für die Energieversorgung (notfalls) Sorge zu tragen, wenn der Markt die Energieversorgung nicht
202 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 592; Schoch, NVwZ 2008, 241 (241 ff., insb. 244). 203 BVerfG, Urt. v. 17.08.1956, 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, 87 (198); BVerfG, Beschl. v. 18.06.1975, 1 BvR 528/72, BVerfG 40, 109 (133 f.); Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke-Hofmann, GG,13. (2014), Art. 20 Rn. 27; Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 131. 204 Lübke, EuR-Bei 2011, 99 (102); Maunz/Dürig-Möstl, Grundgesetz Kommentar,48. EGL (November 2006), Art. 87e Rn. 189; ausführlich zur Gewährleistungsverantwortung: Schoch, NVwZ 2008, 241 (241 ff.). 205 BVerfG, Beschl. v. 20.03.1984, 1 BvL 28/82, BVerfGE 66, 248 (258). 206 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 189. 207 So Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), 251 (253).
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben137
mehr gewährleistet.208 Dies besagt aber nicht, dass der Staat diese Aufgabe grundsätzlich unmittelbar selbst zu erledigen hat.209 Eine Sorge im Hinblick auf die Energieversorgung hat der Staat nur im Sinne einer Letztverantwortlichkeit für die Energieversorgung zu tragen.210 Aus der Gewährleistungsverantwortung folgt für den Staat dabei eine Überwachungs- und Einstandspflicht.211 Durch das Sozialstaatsprinzip ist nur die Letztverantwortlichkeit des Staates und dessen Einstandspflicht indiziert, und zwar dort, wo die anderweitige Gewährleistung dieser wichtigen Infrastrukturdienste versagt,212 die privaten Bewerber nicht ausreichend leistungsfähig oder aber nicht leistungswillig sind.213 Nur dann hat der Staat zwingend aus Art. 20 Abs. 1 GG eine Gewährleistung der Energieversorgung zu schaffen.214 Der Vollständigkeit halber muss daher gefragt werden, ob die derzeitigen Marktstrukturen der Energieversorgung ein Einschreiten des Staates wegen Marktversagens i. S. d. skizzierten Gewährleistungsverantwortung notwendig machen. Der Markt darf nach Art. 20 Abs. 1 GG nicht einfach nur „dem freien Spiel der Kräfte“ überlassen werden215 oder durch Wettbewerbsverzerrungen geprägt sein, von denen einige Wenige zum Nachteil einer Vielzahl anderer profitieren. Im Hinblick auf die Stromnetze ist diese Frage nicht aus der Luft gegriffen. Aufgrund der monopolistischen Stellung des Netzbetreibers hat dieser massive Möglichkeiten, den Markt und jeden einzelnen Bürger erheblich zu beeinträchtigen. Denn durch die Monopolstellung fehlt es an regulativ wirkender Konkurrenz, Marktversagen und Marktverzerrung sowie Missbrauch der Marktmacht durch den Netzbetreiber drohen daher umso mehr.216 Wie vorstehend ausgeführt, folgen vordergründig aus dem Sozialstaatsprinzip zunächst ein Kontrollrecht und eine Kon trollpflicht über die private Wirtschaft und ggf. auch das Recht und die 208 So auch Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 25; hierzu auch bereits in § 6 II.5. 209 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 592; Lübke, EuRBei 2011, 99 (104). 210 So auch, wobei dann doch eine Staatsaufgabe angenommen wird: Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 132. 211 Hofmann-Riem/Schmidt-Aßmann-Trute, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen,1. (1996), S. 167 (198 ff.), der von Koordinierungs- und Verzahnungsverantwortung im Energiebereich spricht (204); Kühne, N&R, 2010 (Beilage 3), 6 (8); Hoch/Theobald, KSzW 2011, 300 (303). 212 So auch Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 592. 213 Sauer, EWeRK 2012, 106 (108). 214 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Hofmann, GG,13. (2014), Art. 20 Rn. 27. 215 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Hofmann, GG,13. (2014), Art. 20 Rn. 27. 216 Hierzu bereits in § 5 II.6.
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Pflicht zu ihrer Beschränkung, wenn die private Wirtschaft zu Lasten des Gemeinwohls agiert.217 Dieser Pflicht kommt die Bundesrepublik durch Regulierung und Regulierungsmechanismen,218 durch Gesetze und administrative Vorgaben derzeit nach.219 Im Übrigen muss der Staat die notwendigen rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen für eine flächendeckende Versorgung mit Energie schaffen.220 Gegen die erheblichen Verzerrungen der marktwirtschaftlichen Ordnung auf dem Energiemarkt findet das EnWG zahlreiche regulative Antworten.221 Das EnWG enthält für den Betrieb der Netze insbesondere in § 1, § 20, §§ 6 ff. sowie § 46 EnWG [hierzu ausführlich in § 7 V. und § 8 II.3.] die Marktmacht des Netzbetreibers und etwaigen Missbrauch begrenzende Regeln.222 Dabei bestimmt § 20 EnWG die Pflicht des Netzbetreibers jedermann diskriminierungsfreien Zugang zum Netz zu gewähren und § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG die Pflicht der Gemeinden spätestens alle 20 Jahre einen Wettbewerb um das Netz durchzuführen. Daneben schreiben die §§ 6 ff. EnWG die grundsätzliche Trennung (sog. Entflechtung oder Unbundling) der monopolistischen Netzebene von den anderen Wertschöpfungsstufen der Energieversorgung (Erzeugung und Vertrieb) vor, um so den Missbrauch der monopolistischen Netzstruktur und Ausweitung ihrer auf die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen zu unterbinden.223 Im Übrigen sind die Netzentgelte i. R.d. Anreizregulierung durch die BNetzA in ihrer Höhe begrenzt, wodurch auch auf der Einnahmeseite des Netzbetriebes einem Missbrauch vorgebeugt wird.224 Insofern hat der Staat durch seine Gesetzgebung im EnWG dem Sozialstaatsprinzips zum Schutze der Bürger vor Monopolmissbrauch bereits umfänglich Rechnung getragen.225 Einem freien Spiel der Kräfte ist der Strommarkt daher keineswegs überlassen. Auch kann ein darüber hinausgehendes Marktversagen nicht festgestellt werden. 217 Erichsen,
S. 14.
Gemeinde und Private im wirtschaftlichen Wettbewerb (1987),
218 Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung,3. (2008), Rn. 183; Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 592; Lübke, EuR-Bei 2011, 99 (102). 219 Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung,3. (2008), Rn. 183; Lübke, EuR-Bei 2011, 99 (102). 220 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 619. 221 Hierzu noch ausführlich in § 7 V. und § 8 II.3. 222 So auch Lübke, EuR-Bei 2011, 99 (102 f.). 223 Hierzu ausführlich in § 8 II.3.a). 224 Hierzu ausführlich in § 8 II.3.b). 225 So im Ergebnis auch: Schiller, Staatliche Gewährleistungsverantwortung und die Sicherstellung von Anschluss und Versorgung im Bereich der Energiewirtschaft,1. (2012), S. 392 ff. zu der Frage der Versorgungssicherstellung.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben139
Aus der Gewährleistungsverantwortung des Staates ergibt sich daher nicht, dass staatlicherseits die Energieversorgung, insbesondere der Betrieb der Netze, in der derzeitigen Situation durchgeführt werden muss.226 Insbesondere lässt sich aus dem Sozialstaatsprinzip kein Staatsauftrag dergestalt entnehmen, dass die öffentliche Hand quasi von vornherein selbst im Wirtschaftsgeschehen als Akteur tätig werden soll. Denn Art. 20 Abs. 1 GG gibt nur das Ziel vor, nämlich eine gerechte Sozialordnung, nicht jedoch den Weg zu diesem Ziel.227 Für die Erreichung dieses Ziels lässt das Sozialstaatsprinzip alle Wege offen,228 erklärt aber den Staat für den Letztver antwortlichen. Das Sozialstaatsprinzip gebietet somit derzeit nicht die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze. 8. Demokratieprinzip als Rechtfertigung kommunaler Leistungserbringung Durch die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze könnte das Gemeindevolk stärker in die kommunale Versorgung einbezogen werde, wenn durch die (Re)Kommunalisierung Einwirkungsmöglichkeiten auf den Netzbetrieb entstehen. Eben dies führen einige Gemeinden auch als Grund für ihre (Re)Kommunalisierungsbestrebungen an.229 Diesen Gedanken aufgreifend könnte man die Frage stellen, ob das Demokratieprinzip, welches gem. Art. 28 Abs. 1 GG ausdrücklich auch für die kommunale Ebene Anwendung findet,230 nicht sogar eine Mitbestimmung und Partizipation der Bevölkerung an wichtigen Infrastrukturen wie der Stromnetze gebietet, dem durch die (Re)Kommunalisierung des Elektrizitätsnetzes auf Gemeindeebene Rechnung getragen werden könnte. Dieser Ansatz weitet jedoch den Anwendungsbereich des Demokratieprinzips erheblich und über die dem GG zugrunde liegende Vorstellung hinaus aus. Das Demokratieprinzip gebietet die Rückführung staatlicher Herrschaft auf das Staatsvolk.231 Damit ist u. a. die Le gitimation der Volksvertretung durch regelmäßig stattfindende Wahlen und 226 Lübke, EuR-Bei 2011, 99 (103); Isensee/Kirchhof-Ronellenfitsch, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 4,3. (2006), § 98 Rn. 42: „verfassungsrechtliche Bestandsgarantie öffentlicher Unternehmen oder gar der wirtschaftlichen Betätigung des Staates schlechthin existiert nicht.“ 227 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Hofmann, GG,13. (2014), Art. 20 Rn. 27. 228 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Hofmann, GG,13. (2014), Art. 20 Rn. 27. 229 Siehe § 4 VI. 230 Hierzu Sachs-Sachs, GG,6. (2011), Art. 20 Rn. 15; Kahl/Waldhoff/WalterRobbers, Bonner Kommentar GG, Bd. 1,137. EGL (Dezember 2008), Art. 20 Rn. 747 ff. 231 Kahl/Waldhoff/Walter-Robbers, Bonner Kommentar GG, Bd. 1,137. EGL (Dezember 2008), Art. 20 Rn. 411; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Hofmann, GG,13. (2014), Art. 20 Rn. 39.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
genereller gesprochen der effektive Einfluss des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt gemeint.232 Es geht hierbei eben gerade um die Legitimation der Herrschaft des Staates über die Bürger. Damit folgt aus dem Demokratieprinzip die Pflicht zur Beteiligung der Bürger und dem Vorhandensein einer Legitimationskette im Hinblick auf die staatliche Herrschaft. Hieraus folgt jedoch keine derartige Pflicht in Bezug auf wirtschaftliche Betätigungsfelder wie die Elektrizitätsnetze, die gerade nicht im Rahmen staatlicher Herrschaft bzw. hoheitlichen Handelns von den Gemeinden wahrgenommen werden. Dies ergibt sich auch schon daraus, dass das GG der Energieversorgung keinen derartigen staatsnahen Charakter zuweist.233 So müssen etwa die Entscheidungen der Gemeinde im Gemeinderat eine Rückführbarkeit auf den Willen des Gemeindevolks aufweisen.234 Hieraus folgt jedoch, dass die Entscheidung zu privatisieren in gleicher Weise dem Demokratieprinzip entsprechen kann, wie die Entscheidung zu (re)kommunalisieren.235 Es bleibt daher festzuhalten, dass das Demokratieprinzip keine gemeindliche Durchführung der Stromverteilung i. S. d. (Re)Kommunalisierung gebietet. 9. Allgemeine Befugnis aus Art. 28 Abs. 2 GG Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, ist der Staat nach dem Grundgesetz nicht der geborene Netzbetreiber oder Energieversorger. Eine solche Reglung lässt sich dem GG nicht entnehmen. Allerdings spricht dieser Befund nicht dagegen, dass die Gemeinden im Rahmen ihrer allgemeinen Kompetenzen nach Art. 28 Abs. 2 GG die Netze betreiben können. Die Gemeinden haben nicht aus ihrem bloßen Dasein heraus umfassende Kompetenzen und Selbstfindungsrechte. Vielmehr werden Ihnen Kompetenz und Aufgaben durch Art. 28 Abs. 2 GG im Verhältnis zu Bund und Ländern übertragen, wodurch eine staatsorganisatorische Aufgabenverteilung erfolgt.236 Jede Tätigkeit der Gemeinden unterliegt dabei der im Grundgesetz und den Gesetzen niedergelegten Kompetenzordnung und stellt gerade keine Grundrechtswahrnehmung seitens der Gemeinden dar [hierzu schon unter § 6 II.4.a)].237 Insofern bleibt jede kommunale Handlung, und sei es auch 232 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Hofmann, GG,13. (2014), Art. 20 Rn. 39 f.; Kahl/Waldhoff/Walter-Robbers, Bonner Kommentar GG, Bd. 1,137. EGL (Dezember 2008), Art. 20 Rn. 406. 233 Hierzu bereits in § 6 II.1. und § 6 II.3. 234 Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (August 2011), S. 16. 235 So auch Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (August 2011), S. 15. 236 Britz, Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 67; Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. E. EnWG Rn. 404. 237 Britz, Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 67; Waechter, Kommunalrecht,3. (1993), Rn. 597.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben141
in Form der wirtschaftlichen Betätigung, staatliches Verwaltungshandeln.238 Dieses Handeln bedarf einer Rechtfertigung in Form staatlicher Zuständigkeit und inhaltlicher Notwendigkeit für die Aufgabenwahrnehmung.239 Denn staatliche Aufgaben sind eben nur solche, die dem Staate per Verfassung oder diese konkretisierende Gesetze zugewiesen sind.240 Damit bildet die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 GG den zentralen Ansatzpunkt für eine mögliche Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung. Auf sehr unterschiedliche Art und Weise wird aus Art. 28 Abs. 2 GG und der jeweiligen Lesart dieses Artikels die Pflicht oder Möglichkeit der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung der Netze abgeleitet. Dabei sind die Begründungsansätze sehr unterschiedlich und sollen nachfolgend dargestellt und bewertet werden. Um eine gewisse Übersichtlichkeit und Systematisierung der verschiedenen Begründungsansätze zu erreichen, wird jedoch zunächst allgemein geklärt werden, was unter kommunaler Selbstverwaltung zu verstehen ist, und ob und wie sich die Betätigung der Gemeinde in der Elektrizitätsverteilung dazu verhält. Darauf aufbauend werden die verschiedenen Begründungsansätze und ihre Tragfähigkeit im Hinblick auf die Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung untersucht werden. a) Inhalt und Funktion der kommunalen Selbstverwaltung Damit es sich bei der (Re)Kommunalisierung um ein zulässiges Vorgehen der Gemeinden handelt, müsste Art. 28 Abs. 2 GG überhaupt soweit reichen, dass sich hieraus eine Kompetenz der Gemeinden zur Energieversorgung durch den Betrieb von Verteilernetzen ergibt. Es stellt sich damit zunächst die Frage, was „kommunale Selbstverwaltung“ i. S. d. Art. 28 Abs. 2 GG ist. Eine gesetzliche Definition dieses Begriffs lässt sich weder dem GG noch anderen Gesetzen entnehmen. Die kommunale Selbstverwaltung stellt damit einen abstrakten, durch den Gesetzgeber zu konkretisierenden Rechtsbegriff dar, der durch gesetzliche Gestaltung mit konkretem Inhalt gefüllt werden muss,241 ähnlich wie dies für den Begriff des Eigentums nach Art. 14 GG gilt. 238 So auch Scharpf, GewArch 2005, 1 (4); Schink, NvwZ 2002, 129 (136); Storr, Der Staat als Unternehmer,3. (2001), S. 41 ff. 239 Sodan, in: Ziekow, Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft (2000), S. 35 (56). 240 Sodan, in: Ziekow, Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft (2000), S. 35 (56). 241 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 56.
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In der Literatur wird verschiedentlich versucht, dem Begriff der kommunalen Selbstverwaltung bzw. Selbstverwaltungsgarantie abstrakt mehr Kontur zu verschaffen.242 Recht allgemein definiert Hölzer die Selbstverwaltungsgarantie als „Erscheinungsform der Dezentralisierung der staatlichen Verwaltung“.243 In einem ersten Annäherungsschritt soll daher die kommunale Selbstverwaltung im Hinblick auf den Aspekt der „Verwaltung“ näher betrachtet werden. Kommunale Selbstverwaltung kann zunächst als spezifische, weil kommunale, Form der Verwaltungstätigkeit begriffen werden. Was genau unter dem Begriff der Verwaltungstätigkeit zu verstehen ist, lässt sich zwar nicht dem VwVfG, welches verschiedentliche Regelungen zum Verwaltungsverfahren enthält, entnehmen, das GG liefert jedoch einige sehr brauchbare Hinweise. Das GG stellt die Verwaltung und ihr Tätigwerden unter dem Begriff der vollziehende Gewalt in Art. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 2 GG in einen Zusammenhang mit der Rechtsprechung und Gesetzgebung und dabei in einen funktionalen Zusammenhang mit dem Vollzug der Gesetze.244 Unter Zuhilfenahme einer Entscheidung des BVerfG zur Frage, was Vorschriften des Verwaltungsverfahrens sind, kann dies noch weiter konkretisiert werden. Das BVerfG bezog sich in seiner Entscheidung auf Art. 84 Abs. 1 GG und führte zu den Verwaltungsverfahrensvorschriften aus, dass diese gerade dann vorlägen, wenn Normen die „die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Blick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf regeln.“245 Verkürzt gesagt, liegt Verwaltungstätigkeit daher bei der Wahrnehmung ei-
242 Hölzer, Der Energiesektor zwischen Marktwirtschaft und öffentlicher Auf gabe: Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Steuerung unter besonderer Berücksichtigung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts und des Europarechts (2000), S. 307 f.; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvor gaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 50 ff., die auf das Wesen der Selbst verwaltungsgarantie abstellt; Karst, DÖV 2002, 809 (810), der den Garantiegehalt näher durch drei Untergruppen bestimmt ([1]institutionelle Rechtssubjektsgarantie, [2] objektive Rechtsinstitutionsgarantie und [3] subjektive Rechtsstellungsgarantie). 243 Hölzer, Der Energiesektor zwischen Marktwirtschaft und öffentlicher Aufgabe: Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Steuerung unter besonderer Berücksichtigung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts und des Europarechts (2000), S. 307 f. 244 Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, Verwaltungsverfahrensgesetz,8. (2014), § 1 Rn. 138. 245 BVerfG, Beschl. v. 8.4.1987, 2 BvR 909/82 u. a., NJW 1987, 3115 (3117).
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ner im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe durch behörd liche Willensbildung und Entscheidung vor.246 Insofern ist der Begriff der Verwaltung näher eingegrenzt. Um den Inhalt und die Reichweite der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie weitergehend zu erfassen, bietet sich zusätzlich eine funktionsbezogene Betrachtung der kommunalen Selbstverwaltung an.247 Denn die Funktionen, die die kommunale Selbstverwaltung ihrem Sinn und Zweck nach erfüllen soll, liefern eine weitere Konkretisierung des Begriffs und tragen dabei dem gesetzgeberischen Konzept Rechnung. Als Funktionen der kommunalen Selbstverwaltung und Selbstverwaltungsgarantie werden üblicherweise die Wahrnehmung der Gebietshoheit, der Personalhoheit, der Rechtssetzungs- und Ordnungshoheit, der Planungshoheit, der Finanzhoheit, der örtlichen Daseinsvorsorge sowie der Aufbau der Demokratie von unten als politisch-demokratische Funktion genannt.248 Auch diese funktionale Betrachtung zeigt sehr deutlich, dass die kommunale Selbstverwaltung als Wahrnehmung von Hoheitsrechten und hoheitlichen Aufgaben zu verstehen ist. Diese Rechte und Aufgaben finden ihre Wurzel wiederum in Gesetzen. Auch nach dieser funktionalen Betrachtung stellt sich die kommunale Selbstverwaltung als Wahrnehmung von öffentlichen, nämlich Hoheitsrechten dar. Die Wahrnehmung der Elektrizitätsverteilung ist jedoch keiner solchen hoheitlichen Funktion oder Aufgabe zuzuordnen. Die Elektrizitätsverteilung ist im GG an keiner Stelle als hoheitliche Aufgabe ausgestaltet. Sie stellt daher gerade kein klassisches Verwaltungshandeln oder eine klassische Verwaltungstätigkeit dar. Allerdings ist der gegenständliche Aufgabenbereich der Gemeinden nicht abschließend bestimmt,249 sondern wird durch Gesetze konkretisiert. Darü246 So auch in Bezug auf die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe fast wörtlich: Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, Verwaltungsverfahrensgesetz,8. (2014), § 1 Rn. 138; OVG Münster, Beschl. v. 19.6.2002, 21 B 589/02, NVwZ-RR 2003, 800 (801). 247 Andere stellen auf das Wesen der Selbstverwaltung ab und leiten hieraus weitere Konkretisierungen ab, so etwa Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 50 ff. 248 Schütz, NVwZ 1996, 1053 (1056); zu einzelnen dieser Aspekte: BeckOKHellermann, GG,24. Edition (Stand: 01.03.2015), Art. 28 Rn. 30 f.; Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 19; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 50; Schmidt-Eichstaedt, KommJur 2009, 249 (250). 249 Danner/Theobald-Grünewald, Energierecht,75. EGL (Oktober 2012), XII B.1 Einführung in das Kommunalwirtschaftsrecht, Rn. 5.
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ber hinaus wird den Gemeinden auch ein gewisses sog. Aufgabenfindungsrecht zugestanden, d. h. das Recht sich neue Aufgaben im Hinblick auf die eigene Zuständigkeit zu suchen.250 Insofern ist es möglicherweise angezeigt, über die klassische Verwaltungstätigkeit hinausgehende Betätigungen ebenfalls unter den Begriff der kommunalen Selbstverwaltung zu subsumieren. b) Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden In den Gemeindeordnungen (nachfolgend „GemO“) wurde aber neben dem klassischen Verwaltungshandeln der Gemeinden eine weitere Form der kommunalen Selbstverwaltung gesetzlich ausgestaltet: Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden. Nach h. M. umfasst die kommunale Selbstverwaltung auch diese wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden als „historisch gewachsene Erscheinungsform der kommunalen Selbstverwaltung“251. Was hierunter genau zu verstehen und welcher Maßstab an die Zulässigkeit dieser zu stellen ist, wird nachfolgend ausgeführt werden. Hierbei soll auch ein über die bereits bekannten Definitionen der wirtschaftlichen Betätigung hinausgehender Definitionsversuch gewagt werden. aa) Ein Definitionsversuch Der Begriff der „wirtschaftlichen Betätigung“ ist von dem Handeln der Gemeinden in Form des klassischen Verwaltungshandelns als Exekutivorgan abzugrenzen. Unklar ist dabei jedoch nach wie vor, was genau der Begriff „wirtschaftliche Betätigung“ umfasst. Diese Unklarheiten ergeben sich nicht zuletzt aus der „Allzuständigkeit“ der Gemeinden auf ihrem Gebiet gem. Art. 28 Abs. 2 GG, die zu einer allgemeinen Kompetenz der Gemeinden führen. Eine zusätzliche explizite Erwähnung der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden findet sich in Art. 28 Abs. 2 GG nicht. Auch an anderen Stellen des GG oder Bundesrechts sucht man vergeblich danach. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Definitionsversuche in der Literatur unternommen wurden. Sehr generell wird zum einen vertreten, dass alles, was nicht originäre Aufgabe der Gemeinden sei, eine wirtschaftliche Betätigung darstelle.252 Andere grenzen ab, indem sie darauf abstellen, dass immer dann eine wirtschaftliche Betätigung vorliege, wenn eine Aufgabenerfüllung nach Art eiEnergierecht,75. EGL (Oktober 2012), XII B.1 Einführung in das Kommunalwirtschaftsrecht, Rn. 5. 251 Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl § 107 S. 490; so auch Dolde, ZHR 166 (2002), 515 (516). 252 Wallerath, in Wallerath, Kommunen im Wettbewerb,1. (2011), S. 9 (16). 250 Danner/Theobald-Grünewald,
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nes kaufmännischen Geschäftsbetriebes erfolge.253 Die wohl geläufigste und zugleich bereits recht alte Definition ist die sog. Popitz-Formel254, die besagt, dass eine wirtschaftliche Betätigung dann anzunehmen sei, wenn die Tätigkeit auch von einem Privaten mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeführt werden würde.255 Sie war in dieser Form bereits im Jahre 1935 im Zusammenhang mit der Deutschen Gemeindeordnung verbreitet.256 Neben Versuchen in der Literatur hat auch die Legislative sich um Klarheit im Umgang mit dem Begriff der wirtschaftlichen Betätigung bemüht. Das „Manko“ an Begriffsklarheit haben einige Bundesländer durch eigene Definitionen in ihren GemO zu beseitigen versucht. Einige – aber längst nicht alle – haben in ihren GemO (und damit nur für ihr Bundesland gültige) Definitionen aufgenommen. So definiert § 91 Abs. 1 Brandenburgische Kommunalverfassung: „Wirtschaftliche Betätigung im Sinne dieses Gesetzes ist das Herstellen, Anbieten oder Verteilen von Gütern, Dienstleistungen oder vergleichbaren Leistungen, die ihrer Art nach auch mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnten.“ Deutlich erkennbar ist der klare Bezug dieser Definition zu der zuvor bereits dargestellten Popitz-Formel. Ähnlich aber dennoch mit einem interessanten Unterschied bestimmt § 68 Abs. 1 S. 1 der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommerns: „Als wirtschaftliche Betätigung ist der Betrieb von Unternehmen zu verstehen, die als Hersteller, Anbieter oder Verteiler von Gütern oder Dienstleistungen am Markt tätig werden, sofern die Leistung ihrer Art nach auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnte.“ [Hervorhebung durch Verfasserin] Auch die § 107 Abs. 1 S. 3 GemO Nordrhein-Westfalen sieht vor: „Als wirtschaftliche Betätigung ist der Betrieb von Unternehmen zu verstehen, die als Hersteller, Anbieter oder Verteiler von Gütern oder Dienstleistungen am Markt tätig werden, sofern die Leistung ihrer Art nach auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnte.“ [Hervorhebung durch Verfasserin] Unter Zuhilfenahme dieser länderspezifischen Definitionen kann der Versuch einer allgemein gültigen Definition der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden unternommen werden. Hierfür wird erneut die Popitz-Formel und die Definitionsergänzung in den § 68 Abs. 1 S. 1 KV Mecklenburgin: Wallerath, Kommunen im Wettbewerb,1. (2011), S. 9 (15). Popitz-Formel geht zurück auf den preußischen Finanzstaatssekretär Johannes Popitz, vgl. Franz, Kommunalrecht Sachsen-Anhalt,1. (2004) Rn. 177. 255 Erstmals: Runderlass vom 22.3.1935, Mbl für die preußische Innere Verwaltung, 1935, S. 475; Wallerath, in: Wallerath, Kommunen im Wettbewerb,1. (2011), S. 9 (15). 256 Mann/Püttner-Oebbecke, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 41 Rn. 9. 253 Wallerath, 254 Die
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Vorpommern und § 107 Abs. 1 S. 3 GemO Nordrhein-Westfalen, die vorstehend hervorgehoben wurden, verwendet. Zusätzlich wird ein weiterer Aspekt ins Zentrum der Betrachtung gerückt. Dem Begriff der wirtschaftlichen Betätigung kann man sich sinnvoller Weise darüber nähern, dass man neben der Popitz-Formel (Betätigung, die durch Private ebenfalls mit Gewinn erzielungsabsicht betrieben werden würde) auf den gewählten Ordnungsrahmen (nämlich Gleich- statt Überordnung) abstellt. Insofern lässt sich die Popitz-Formel sinnvoll dadurch erweitern, dass man neben dem Abstellen auf die Tätigkeit, die auch von einem Privaten mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeführt werden würde, zusätzlich prüft, ob die Gemeinde tätig wird, indem sie Gelder in eine von dem Verwaltungskörper (zumindest teilweise) separierten Organisationsform überträgt, damit diese auf dem Markt und im Wettbewerb in einem grundsätzlichen Gleichordnungsverhältnis mit anderen privaten Akteuren tätig wird. Dadurch würde nicht nur auf die Tätigkeit, sondern ebenso auf den gewählten Ordnungsrahmen (im Falle der wirtschaftlichen Betätigung nämlich Gleichordnung) für die wirtschaftliche Betätigung abgestellt. Diese Komponenten zusammen bilden eine sinnvolle Abgrenzung von der hoheitlichen Erfüllung von Verwaltungsaufgaben. Dieser Definitionsvorschlag macht außerdem deutlich, dass sich die Gemeinden in anderer Art und Weise in andere, nicht staatlich dominierte „Gefilde“, nämlich dem Markt und Wettbewerb, in Gleichordnung mit den Privaten begeben. Auch kann mit dieser Definition erklärt werden, warum die GemO Vorschriften vorsehen, die diese wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden begrenzen. Denn mit der gleichgeordneten Betätigung im Markt und Wettbewerb, die üblicherweise „Spielwiese“ der Privaten und nicht der Gemeinden sind, begibt sich die Gemeinde in „fremde Gefilde“ und setzt sich einem wettbewerblichen Risiko aus. Dies entscheidet sich grundlegend von der Verwaltungstätigkeit. Um risikoreiche Geschäfte in diesem, den Marktkräften in weiten Teilen überlassenen Wettbewerbsfeld zu minimieren und ausufernde wirtschaftliche Tätigkeiten der Gemeinden zu kontrollieren, regulieren die GemO der Bundesländer eben diese wirtschaftliche Betätigung, Die in den Gemeinden enthaltenen Regelungen gehen dabei schon auf die aus dem Jahre 1935 stammenden §§ 67 ff. DGO zurück.257 Will eine Gemeinde in den Netzbetrieb durch (Re)Kommunalisierung (wieder) einsteigen, so handelt es sich hierbei um eine (Wieder-)Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung. Der Betrieb der Netze untersteht gerade nicht der hoheitlichen Verwaltungstätigkeit als Staatsaufgabe. Vielmehr ist der Netzbetrieb dem Markt und Wettbewerb (nicht zuletzt durch die europäische Rechtssetzung) eröffnet, indem das Netz gerade auch von Privaten 257 Theobald/Nill-Theobald,
S. 402.
Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013),
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mit Gewinnerzielungsabsicht i. S. d. Popitz-Formel betrieben wird. Wollen Gemeinden das Netz betreiben, so nutzen sie hierfür zumindest teilweise von ihr getrennte Organisationseinheiten,258 die sich in dem Verfahren um die Konzessionsvergabe, wie auch später im Markt selbst, in Gleichordnung mit den Privaten bewegen. Der Netz-betrieb und die (Re)Kommunalisierung des Verteilernetzes stellen daher – nach der zuvor dargestellten Definitionserweiterung – eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden dar. bb) Maßstab der Zulässigkeit kommunaler wirtschaftlicher Betätigung Nachdem die Zuordnung des Netzbetriebes zur wirtschaftlichen Betätigung festgestellt ist, stellt sich die Frage, ob die Gemeinden überhaupt wirtschaftlich tätig werden dürfen und wenn ja, in welchen Grenzen dies zulässig ist. In Art. 28 Abs. 2 GG findet sich keine Erwähnung der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden und damit auch kein Anhaltspunkt dafür, ob diese von Verfassungs wegen als zulässig oder unzulässig betrachtet wird.259 Ausdrückliche Bestimmungen über die Zulässigkeit einer wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand sind im Grundgesetz auch im Übrigen nicht enthalten.260 Mangels ausdrücklichen Verbotes der wirtschaftlichen Betätigung wird die grundsätzliche verfassungsmäßige Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden jedoch gemeinhin anerkannt.261 Einige leiten die grundsätzliche Zulässigkeit aus den Art. 87e Abs. 3, 87 f Abs. 2 und 135 Abs. 6 GG ab.262 Diese Bestimmungen des GG regeln für spezielle im GG genannte Bereiche bzw. Unternehmen, dass diese durch den Bund geführt werden dürfen. Insofern ist zutreffend, dass das GG die wirtschaftliche Betätigung des Bundes in speziellen Bereichen anerkennt. Allerdings ist es wohl zu weitgehend, hieraus eine generelle Zulässigkeit 258 Hierzu
ausführlich in § 8 II.2. EuR 2004, 810 (810). 260 Freiherr von Gramm, GRUR 1959, 303 (303). 261 Burmeister/Staebe, EuR 2004, 810 (810); Britz, NVwZ 2001, 380 f.; Erichsen, Gemeinde und Private im wirtschaftlichen Wettbewerb (1987), S. 13; Gern, NJW 2002, 2593 (2593) mit Verweis auf Art. 110 Abs. 1 GG; dies als zulässig voraussetzend: Heintzen NVwZ 2000, 743 (743 ff.); Kühling NJW 2001, 177 (177 ff.); Kulartz, Kommunale Gebietsreform und Energieversorgung,1. (1982) S. 104; Schink NVwZ 2002, 129 (129); Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 14; Dolde, ZHR 166 (2002), 515 (516); Zulässigkeit voraussetzend: Oebbecke ZHR 164 (2000), 375 (377). 262 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 14. 259 Burmeister/Staebe,
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wirtschaftlicher Betätigung staatlicher Einheiten zu schließen. Insbesondere kann hieraus keine Schlussfolgerung für die Ebene der Gemeinden gezogen werden, da die Art. 87e Abs. 3, 87 f Abs. 2 und 135 Abs. 6 GG sich nur auf den Bund beziehen. Für die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden ist die verfassungsmäßige Grundlage daher einzig der Art. 28 Abs. 2 GG.263 Denn Art. 28 Abs. 2 GG regelt die im Einklang mit der Verfassung möglichen Betätigungen der Gemeinden. Dem wird jedoch entgegengehalten, dass Art. 28 Abs. 2 GG nur hoheitliches Handeln umfasse, nicht aber erwerbswirtschaftlich-fiskalisches Handeln.264 Dies wird damit argumentiert, dass es keinen verfassungsrechtlichen Totalvorbehalt für jegliches Staatshandeln gebe.265 Dieser Ansicht kann mit der ganz herrschenden Meinung266 nicht gefolgt werden. Auch kommunales erwerbswirtschaftliches Handeln mittels kommunaler Unternehmen ist Instrument kommunaler Aufgabenerfüllung und als solches Teil des Verwaltungshandelns.267 Es handelt sich bei der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden nicht um eine von der Verfassung losgelöste freie erwerbswirtschaftliche Entfaltung, sondern um die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben im Wege kommunaler Marktteilnahme.268 Zwar handelt die Gemeinde nicht hoheitlich, aber dennoch bleibt sie Verwaltungsträger der auf der Grundlage des Art. 28 Abs. 2 GG agiert. Auch wenn die Gemeinde hierzu Unternehmen verwendet, so gelten doch die in Art. 28 Abs. 2 GG gezogenen Kompetenzgrenzen.269 Dies gilt auch dann, wenn sich die Gemeinde nicht öffentlich-rechtUnternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 20; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 401 f. 264 Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung (2000), S. 157; Henneke-Wieland, Optimale Aufgabenerfüllung im Kreisgebiet? (1999), S. 193 (S. 196 ff.) Hoppe/Uechtritz/Reck-Uechtritz/Otting/Olgemöller, Handbuch kommunale Unternehmen,3. (2012), § 6 Rn. 30. 265 Hoppe/Uechtritz/Reck-Uechtritz/Otting/Olgemöller, Handbuch kommunale Unternehmen,3. (2012), § 6 Rn. 30. 266 Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 63; VerfGH Rh-Pf., Urt. v. 28.03.2000, VGH N12/98, DVBl. 2000, 992 (992); Rennert, JZ 2003, 385 (391, 394); Schneider, DVBl. 2000, 1250 (1258); Glaser, Die Verwaltung 2008, 483 (488 ff.). 267 VerfGH Rh-Pf., Urt. v. 28.03.2000, VGH N12/98, DVBl. 2000, 992 (992) mit der treffenden Beschreibung: „Die öffentliche (kommunale) bleibt auch dann Verwaltung, wenn sie wirtschaftet.“; Glaser, Die Verwaltung 2008, 483 (488); Schneider DVBl. 2000, 1250 (1258). 268 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 20; Gern, NJW 2002, 2593 (2598). 269 Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 63. 263 Fabry/Augsten-Meßmer,
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licher, sondern privatrechtlicher Organisationsformen bedient. Denn durch die Formwahl kann die Gemeinde nicht den Grenzen des zulässigen Handelns entfliehen („Keine Flucht ins Privatrecht!“).270 Die Kompetenz (und Kompetenzgrenzen) der Gemeinden, so auch das BVerwG, gelte unabhängig davon, ob die örtliche Energieversorgung eine Aufgabe der kommunalen Leistungsverwaltung oder wesentlich durch Elemente der wirtschaftlichen Betätigung geprägt sei.271 Da die Gemeinde als Verwaltungsträger nicht zum Selbstzweck existiert, bedarf es für jedes Handeln der Gemeinden eines legitimierenden öffentlichen Zwecks. Dies folgt bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip272 und gilt sowohl für hoheitliches wie erwerbswirtschaftliches Handeln.273 Außerdem wirkt der sachliche Schutzgehalt des Art. 28 Abs. 2 GG nur dann, wenn die wirtschaftliche Betätigung aus einem öffentlichen Zweck heraus gerechtfertigt ist.274 Unklar ist dabei, wie unmittelbar zum Wohle der Einwohner der Gemeinde (also aus einem öffentlichen Zweck) gehandelt werden muss, um die Betätigung als im öffentliche Zweck liegend zu rechtfertigen [hierzu ausführlich in § 6 IV.2.b)aa)]. In jedem Fall bleibt festzuhalten, dass die wirtschaftliche Betätigung als spezifische Form des Verwaltungshandeln grundsätzlich nach Art. 28 Abs. 2 GG mindestens an den gleichen Anforderungen zu messen ist, wie sie auch im Rahmen der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln zu beachten sind. c) Argumentationslinien für die Befugnis der Gemeinden zur Elektrizitätsverteilung Für die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden im Rahmen der Elektrizitätsverteilung werden unterschiedlichste Argumenta tionslinien vorgetragen. Nachstehend sollen diese Argumentationslinien dargelegt und einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der europäischen Liberalisierung und der Etablierung von Wettbewerbsprinzipien im Energiemarkt ist kritisch zu hinterfragen, ob 270 Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 63. 271 BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, 7 C 58/94, LKV 1996, 23 (23). 272 Danner/Theobald-Grünewald, Energierecht,75. EGL (Oktober 2012), Kap. XII, B. 1., Rn. 24. 273 Burmeister/Staebe, EuR 2004, 810 (810); Gern, NJW 2002, 2593 (2598); Schink NVwZ 2002, 129 (133); explizit für die Zulässigkeit der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung: Kulartz, Kommunale Gebietsreform und Energieversorgung,1. (1982), S. 104. 274 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 21.
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und wenn inwieweit heute noch von der Energieversorgung als Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung gesprochen werden kann.275 Dabei sollen die Funktion der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, die zuvor dargestellt wurden [Wahrnehmung der Gebietshoheit, der Personalhoheit, der Rechtssetzungs- und Ordnungshoheit, der Planungshoheit, der Finanzhoheit, der örtlichen Daseinsvorsorge sowie der Aufbau der Demokratie von unten als politisch-demokratische Funktion, vgl. § 6 II.9.a)] zur besseren Kategorisierung und Beleuchtung der Begründungsansätze fruchtbar gemacht werden. aa) Kommunale Elektrizitätsverteilung aus Gründen der Daseinsvorsorge Die Rechtfertigung der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung im Zusammenhang mit der Elektrizitätsverteilung wird z. T. unter dem sehr kurzen Verweis darauf erbracht, dass: „die Daseinsvorsorge […] eine staatliche Aufgabe“276 oder, dass die Energieversorgung eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge sei.277 Die Sicherstellung der Energieversorgung durch geeignete Maßnahmen, so führt Löwer an, sei „eine öffentliche Aufgabe von größter Bedeutung. Die Energieversorgung gehört zum Bereich der Daseinsvorsorge.“278 Andere führen an, dass die ideale Energieversorgungsstruktur darin liege, diese als wesentlichen Teil der kommunalen Daseinsvorsorge zu begreifen.279 Dem Begründungsansatz folgend, wird aus der Zuordnung zur Daseinsvorsorge abgeleitet, dass die Energieversorgung von den Gemeinden in Ausübung ihres Selbstverwaltungsrechts und damit als staatliche Aufgabe durchgeführt werden müsse280 bzw. daher eine typi275 So auch Becker, NstZ 2009, 306 (307); auch schon: Löwer, DVBl. 1991, 132 (142); dies auch aufwerfend, aber verneinend: Hoch/Theobald, KSzW 2011, 300 (303). 276 Ronellenfitsch, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff Kolloquium (2003), S. 53 (113); Waller, „Neue Energie“ für die kommunale Selbstverwaltung (2013), S. 19. 277 So etwa Becker/Faber, NVwZ 2002, 156 (156). 278 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 161. 279 Antrag SPD-Fraktion sowie einiger Abgeordneten, BT-Drs. 17/36749, 10.11. 2010, S. 3. 280 Hellermann, EnWZ 2013, 147 (152); Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 101 (nennt dies); Lang, Neuordnung der energierechtlichen Rahmenbedingungen und Kommunalisierung der Elektrizitätsversorgung (1993), S. 16; Schmidt, ZfE 1989, 256 (256); Waller, „Neue Energie“ für die kommunale Selbstverwaltung (2013), S. 19; auch auf die Daseinsvorsorge abstellend: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 54.
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sche281 Aufgabe der Gemeinden sei.282 Bei dieser Argumentationslinie283 handelt es sich nicht etwa um eine nur von wenigen Personen vertretene Mindermeinung. Auch in Entscheidungen des BGH, BVerwG und BVerfG lassen sich ähnliche Ausführungen finden.284 So entschied der BGH in Sachen Elektrizitätsversorgung Oldenburg, dass die Energieversorgung der Bevölkerung „an sich zur Daseinsvorsorge“ gehöre „und damit […] öffentlichrechtlicher Natur“ sei.285 In einer anderen Sache entschied der BGH, dass die Durchführung der Wasser- und Energieversorgung „zu den typischen die Daseinsvorsorge betreffenden Aufgaben der kommunalen Gebietskörperschaften“ gehöre.286 Auch das BVerwG führt in einer Entscheidung aus, dass die „kommunale Energieversorgung als in der örtlichen Gemeinschaft wurzelnde Angelegenheit der ‚Daseinsvorsorge‘ den verfassungsrechtliche geschützten Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinde“ zuzuordnen sei.287 Dabei geht das BVerwG noch weiter, indem es erläutert: „Daran ändert nichts, dass die Durchführung der örtlichen Energieversorgung nicht in jedem Fall und regelmäßig in vollem Umfang den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuzurechnen sein wird.“288 Auch das BVerfG entschied in seinem HEW289-Beschluss, dass „die Durchführung der Wasser- und Energieversorgung zu den typischen, die Daseinsvorsorge betreffenden Aufgaben der kommunalen Gebietskörperschaften“ gehöre.290 Außerdem sei die ständige Verfügbarkeit von ausreichenden Energiemengen der öffentlichen Daseinsvorsorge als eine entscheidende Voraussetzung für 281 „die Daseinsvorsorge betreffende“, so BGH, Urt. v. 21.03.1996, III ZR 245/94, BGHZ 132, 198 (205); so auch BVerfG, Kammerbeschl. v. 16.05.1989, 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 (1783). 282 Becker/Faber, NVwZ 2002, 156 (156); BVerfG, Kammerbeschl. v. 16.05.1989, 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 (1783); BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, 7 C 58/94, LKV 1996, 23 (23); BGH, Urt. v. 21.03.1996, III ZR 245/94, BGHZ 132, 198 (205). 283 Becker/Faber, NVwZ 2002, 156 (156); BVerfG, Kammerbeschl. v. 16.05.1989, 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 (1783); BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, 7 C 58/94, LKV 1996, 23 (23); BGH, Urt. v. 21.03.1996, III ZR 245/94, BGHZ 132, 198 (205). 284 BGH, Urt. v. 21.03.1996, III ZR 245/94, BGHZ 132, 198 (205); BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, 7 C 58/94, LKV 1996, 23 (23); BVerfG, Kammerbeschl. v. 16.05.1989, 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 (1783). 285 BGH, Urt. v. 15.12.1983, III ZR 226/82, NJW 1984, 2947 (2948); allerdings anschließend daran einschränkend: „Sie wird nach der historisch gewachsenen Konzeption des Energiewirtschaftsrechts als privatrechtliche Tätigkeit angesehen.“ 286 BGH, Urt. v. 21.03.1996, III ZR 245/94, RdE 1996, 191 (193). 287 BVerwG, BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, 7 C 58/94, LKV 1996, 23 (23). 288 BVerwG, BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, 7 C 58/94, LKV 1996, 23 (23). 289 = Hamburger Elektrizitätswerke. 290 BVerfG, Kammerbeschl. v. 16.05.1989, 1 BvR 705/88, NJW 1990, 1783 (1783); BVerfG, Urt. v. 10.12.1994, 2 BvK 1/73, 2 BvR 902/73, BVerfG 38, 258 (270 f.).
152
§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
die Funktionsfähigkeit der gesamten Wirtschaft und der Absicherung einer menschenwürdigen Existenz zuzuordnen.291 Konkret ergibt sich aus diesem Ansatz für die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze, dass die Gemeinden hierzu berechtigt sein sollen, weil die Elektrizitätsverteilung einen Teil der Daseinsvorsorge bilde und die Daseinsvorsorge im kommunalen Zuständigkeitsbereich liege. Dabei fungiert der Begriff der Daseinsvorsorge als ein eigenständiger Begründungsansatz und bildet eine Kategorie an Aufgaben, die dem Staat und seinen Untergliederungen vorbehalten sind. Nach diesem Begründungsansatz folgt (als Rechtsfolge) aus der Zuordnung einer Aufgabe zum Bereich der Daseinsvorsorge die Zuständigkeit des Staates bzw. seiner Untergliederungen. Hiernach wird also dem Begriff der Daseinsvorsorge selbst eine kompetenzbzw. zuständigkeitsbegründende Funktion beigemessen. Dieser Ansatz ist zu fixiert auf einen Begriff, dessen Gehalt weder allgemein noch rechtlich abschließend geklärt ist. Ebenso überschätzt er die Bedeutung des Begriffs der „Daseinsvorsorge“ für rechtliche Zusammenhänge und überbewertet dessen Funktion.292 Sehr deutlich wird dies, wenn man sich die Historie des Begriffs „Daseinsvorsorge“ und dessen Entstehung betrachtet. Im Jahre 1931 verarbeitete Karl Jaspers auf Grundlage von Max Weber, der zuvor soziologisch bereits an diesem Phänomen gearbeitet hatte,293 die „Massenordnung in Daseinsvorsorge“294, die der neuen urbanen Lebensweise mit Massenversorgung geschuldet war.295 Jaspers legte hiermit den Grundstein für den von Ernst Forsthoff296 danach in die Rechtswissenschaft eingebrachten Begriff der Daseinsvorsorge.297 In den Werken von Forsthoff wird der Begriff der „Daseinsvorsorge“ jedoch nicht als Rechts291 BVerfG, Beschl. v. 20.03.1984, 1 BvL 28/82, BVerfGE 66, 248 (258); BVerfG, Beschl. v. 11.10.1994, 2 BvR 633/86, BVerfGE 91, 186 (206), wonach: „Das Interesse an einer Stromversorgung ist heute so allgemein wie das Interesse am täglich Brot.“ 292 Ablehnend auch: Storr, DÖV 2002, 357 (358). 293 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft,5. (1972), Erster Teil, Erstes Kapitel, § 10 S. 23 ff. 294 So auch der Titel des Abschnittes „Massenordnung in Daseinsvorsorge“ in Jaspers, Geistige Situation der Zeit (1931), S. 25 ff.; hierauf hinweisend auch Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 110. 295 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 110. 296 Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger (1938), S. 4 ff.; hierauf hinweisend auch Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 110. 297 Hans Peter Ipsen, AöR 97 (1972), 375 (416); hierauf hinweisend auch Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 110.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben153
begriff eingeführt,298 sondern vielmehr als deskriptiver Begriff, der Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre einander annähern sollte.299 Forsthoff schuf mit dem Begriff der Daseinsvorsorge eine Umschreibung für eine Tätigkeit des Staates, die dem Bereich der Leistungsverwaltung zuzuordnen sei300 und führte damit eine Abkehr von dem Verständnis der Verwaltung als Eingriffsverwaltung ein.301 Für die Bedeutung des Begriffs der Daseinsvorsorge wählte Forsthoff noch eine sehr allgemeine Begriffsbestimmung: „Alles, was von Seiten der Verwaltung geschieht, um die Allgemeinheit oder nach objektiven Merkmalen bestimmte Personenkreise in den Genuss nützlicher Leistungen zu versetzen, ist Daseinsvorsorge.“302 Noch in heutiger Zeit wählte Burgi eine sehr ähnliche Definition. Hiernach handelt es sich bei Daseinsvorsorge um Leistungen „zur Befriedigung der Bedürfnisse für eine dem jeweiligen Lebensstandard entsprechende Lebensführung (Daseinsvorsorge)“.303 Badura definiert Daseinsvorsorge als „Gewährleistung durch staatliche Leistung oder Regelung oder Aufsicht, d. h. staatliche Verantwortung für die Versorgung mit daseinsnotwendigen Diensten und Leistungen“.304 Diese drei ausgewählten Definitionen liefern eine gewisse Annäherung an den Begriff, können aber längst keine klare Erklärung oder gar Eingrenzung der umfassten Aufgaben liefern. Damit zeigen sie auch einen der Kritikpunkte an dem Begriff der Daseinsvorsorge auf: Den unklaren Gehalt des Begriffs der Daseinsvorsorge.305 Eben dies wird von einigen als Vorteil des Begriffs gesehen: Die „Konturlosigkeit“ des Begriffs der Daseinsvorsorge 298 Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung (1959), S. 55, aber selbst kritisch dazu, dass zunächst Daseinsvorsorge nur ein Begriff der Verwaltungslehre war, um hierüber eine Forbildung dieser zu erreichen; hierauf hinweisend auch Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 116; Scheidemann, Ursprung, Funktion und Wandlungen des Begriffs Daseinsvorsorge (1990), S. 6. 299 Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung (1959), S. 55; Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 116. 300 A. A.: Scheidemann, Ursprung, Funktion und Wandlungen des Begriffs Daseinsvorsorge (1990), S. 159, der ausführt: „Die Leistungsverwaltung macht nur einen Teil der Daseinsvorsorge des Staates aus.“ 301 Schiller, Staatliche Gewährleistungsverantwortung und die Sicherstellung von Anschluss und Versorgung im Bereich der Energiewirtschaft,1.(2012), S. 75; hierzu kritisch Löwer, DVBl. 1991, 132 (136 ff.). 302 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Erster Band, Allgemeiner Teil,19. (1973), Vorbem. vor § 20, S. 370. 303 Burgi, Kommunalrecht,4. (2012), § 17 Rn. 11. 304 Badura, in: Schwarze, Daseinsvorsorge im Lichte des Wettbewerbsrechts (2001), S. 25 (25/27). 305 So auch Löwer, DVBl. 1991, 132 (137).
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
sei „gleichzeitig die Stärke der Definition, da sie eine Anpassung ohne normierte Beschränkungen gewährt.“306 Dem ist nicht zu folgen. Hierin ist vielmehr die große Schwäche des Begriffs zu sehen. Ein unbestimmter Begriff, der so viele Unklarheiten im Hinblick auf Bedeutung, Rechtsfolgen, juristische Qualität, etc. aufwirft, kann keine Rechtsbegriffsqualität beigemessen werden, erst recht kann und darf sich alleine darauf keine Rechtfertigung etwaigen staatlichen Handelns oder die Befugnis zu staatlicher Betätigung gründen.307 Nichts desto trotz sprechen einige Autoren dem Begriff der „Daseinsvorsorge“ den Charakter eines Rechtsbegriffs zu. Formal sei der Begriff „Daseinsvorsorge“ alleine schon deshalb ein Rechtsbegriff, weil er Eingang in die Gesetzessprache gefunden habe.308 Ein Beispiel dafür bietet § 1 Abs. 1 des Regionalisierungsgesetzes für den Bereich ÖPNV vom 27.12.1993 (RegG)309, in dem „die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV“ als „eine Aufgabe der Daseinsvorsorge“ bestimmt wird. Auch in einigen Gemeindeordnungen findet sich der Begriff der Daseinsvorsorge wieder.310 So etwa in Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GemO Bayern, § 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 KO Thüringen oder § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO Baden-Württembergs. Der Begriff der Daseinsvorsorge ist nach zutreffender herrschender Meinung aber auch hierdurch nach wie vor kein Rechtsbegriff.311 Vielmehr ist er als soziologischer Begriff zu bezeichnen.312 Dem Begriff der Daseinsvor306 Scheidemann, Ursprung, Funktion und Wandlungen des Begriffs Daseinsvorsorge (1990), S. 166. 307 So auch Löwer, DVBl. 1991, 132 (137), der eine Kompetenzbegründung über den Begriff der Daseinsvorsorge als „unhaltbar“ beschreibt; a. A.: Ronellenfitsch, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, Kolloquium aus Anlass des 100. Geburtstags von Prof. Dr. Dr. h. c. Ernst Forsthoff (2003), S. 53 (81), wonach der Begriff der Daseinsvorsorge in der Rechtswissenschaft akzeptiert sie und Eingang in die Rechtssprache gefunden habe. Die „Erforderlichkeit eines eigenständigen Rechtsbegriffs der Daseinsvorsorge ergibt sich hieraus zwanglos“, S. 82. 308 Ronellenfitsch, in: Blümel, Ernst Forsthoff Kolloquium (2003), S. 53 (73). 309 BGBl. I, 2378, 2395 zuletzt geändert am 12.12.2007 BGBl. I 2871; so auch Burgi, Kommunalrecht,4. (2012), § 17 Rn. 13. 310 So auch Ronellenfitsch, in: Blümel, Ernst Forsthoff Kolloquium (2003), S. 53 (81) m. w. N. 311 Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 102; Ruge, Die Gewährleistungsverantwortung des Staates und der Regulatory State (2004), S. 159; Schiller, Staatliche Gewährleistungsverantwortung und die Sicherstellung von Anschluss und Versorgung im Bereich der Energiewirtschaft,1. (2012), S. 81; Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (253). 312 Ruge, Die Gewährleistungsverantwortung des Staates und der Regulatory State (2004), S. 159.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben155
sorge kommt kein eigenständiges juristisches Gewicht zu. Weder begründet die Daseinsvorsorge an sich Zuständigkeiten noch schafft sie sinnvolle Abgrenzungen.313 Hierzu bedarf es rechtlicher Ausführungen, tragfähiger Rechtsbegriffe und Gesetzen. Dies alles kann der Begriff der Daseinsvorsorge nicht leisten. Sogar hinsichtlich des Umfangs, also der Frage, welche Leistungen solche der Daseinsvorsorge sind, gibt es keine klaren Grenzen.314 Auch die Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 RegG für den ÖPNV-Bereich und die Gemeindeordnungen von Bayern, Thüringen und Baden-Württemberg ändert an diesem Befund nichts. In § 1 Abs. 1 RegG wird ausgeführt, dass „die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr […] eine Aufgabe der Daseinsvorsorge“ darstellt. Der Gesetzgeber hat sich hier des Begriffs der Daseinsvorsorge bedient, obwohl ein anderer Rechtsbegriff passender und klarer gewesen wäre. Dass durch die Wahl dieses Begriffes Rechtsklarheit geschaffen wurde, ist zu bezweifeln. Statt sich in den nebulösen Begriff der Daseinsvorsorge zu flüchten, hätte der Gesetzgeber besser folgende Formulierung gewählt: „Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist eine öffentliche Aufgabe.“ Diese Gesetzesfassung drängt sich sogar auf, wo doch § 1 RegG gerade überschrieben ist mit „Öffentliche Aufgabe, Zuständigkeit“. Aus dieser missglückten gesetzgeberischen Fassung nunmehr eine gesteigerte Bedeutung des Begriffs der Daseinsvorsorge abzuleiten, ginge zu weit. Auch in den Gemeindeordnungen wird der Begriff der Daseinsvorsorge ohne rechtliche Klarheit verwendet. So wird in der Kommunalordnung Thüringens bspw. die Daseinsvorsorge bemüht, um bestimmte Tätigkeitsfelder dem Anwendungsbereich der für die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden geltenden Subsidiaritätsklausel zu entziehen [dazu ausführlich unter § 6 IV.2.b)bb)]. Diese Subsidiaritätsklauseln, die sich auch (in unterschiedlich strengen Ausprägungen)315 in anderen Gemeindeordnungen wiederfinden, sehen allgemein vor, dass staatliches wirtschaftliches Handeln dann nachrangig und unzulässig ist, wenn ein Privater die Leistung ebenso gut oder besser erbringen kann. Die Kommunalordnung Thüringens regelt hierzu eine Ausnahme, indem sie nur Tätigkeiten „außerhalb der kommunalen 313 So auch Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 33 Rn. 56. 314 Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 33 Rn. 56, Lattmann, in: Krautscheid, Die Daseinsvorsorge im Spannungsfeld von europäischem Wettbewerb und Gemeinwohl,1. (2009), S. 419 (421). 315 Die Anforderungen an die Subsidiarität sind in den Gemeindeordnungen unterschiedlich streng geregelt, hierzu ausführlich in § 6 IV.2.b)bb).
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Daseinsvorsorge“ der Subsidiaritätsklausel unterwirft.316 Es bleibt jedoch unklar, welche Tätigkeiten dies genau sein sollen und wie weitreichend die Ausnahme zu verstehen ist. Insofern ist auch hier der Begriff der Daseinsvorsorge mehr als unglücklich gewählt. Dies machen auch die Gesetzesfassungen in den anderen Gemeindeordnungen deutlich, die im Rahmen der Subsidiaritätsklausel vielmehr explizit Tätigkeitsfelder benennen, die ausgenommen sind. So sind etwa nach der Niedersächsischen Kommunalver fassung in § 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 explizit die Energie- und Wasserversorgung, der Personennahverkehr und die Telekommunikationsnetze (inklusive -dienste) ausgenommen.317 Diese Darstellung zeigt, dass da wo der Begriff der Daseinsvorsorge Eingang ins das Recht gefunden hat, andere Regelungen sinnvoller und naheliegender gewesen wären. Hieraus eine Rechtsqualität des Begriffs zu folgern geht fehlt. Im Übrigen wäre die Herleitung einer Kompetenz der Gemeinden aus der Daseinsvorsorge auch ein Zirkelschluss.318 Eine Aufgabe wird dann zur Daseinsvorsorge gezählt, wenn der Staat und / oder seine Untergliederungen die Bevölkerung durch Wahrnehmung dieser Aufgabe mit einer nützlichen Leistung versorgen. Der Staat ist also deswegen zuständig oder legitimiert, weil er diese Aufgabe der Daseinsvorsorge wahrnimmt. Vereinfacht gesagt: Weil der Staat es tut, ist es eine Aufgabe des Staates. Dieser Zirkelschluss hilft als Begründung für eine staatliche Aufgabenkompetenz nicht weiter. Aber selbst wenn man den Begriff der Daseinsvorsorge für sinnvoll erachtet, um damit einen bestimmten Kanon an Aufgaben zu beschreiben und somit aufgabenbezogen abzugrenzen,319 so lässt sich aus dem Begriff „Daseinsvorsorge“ nicht ableiten, dass bestimmte Leistungen nur durch den Staat bzw. die Gemeinden erbracht werden dürfen.320 Zugespitzt aber zutreffend führt Vossler dazu an, dass es ja immerhin auch keine staatlichen Bäcker gebe, obwohl deren Handwerk auch der Daseinsvorsorge zuzurechnen sei.321 Dieses Allein316 So
§ 71 Abs. 1 Nr. 4 KO Thüringen. in § 6 IV.2.b)bb). 318 So auch Kreikenbaum, Kommunalisierung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung (1999), S. 102. 319 So in etwa: Scheidemann, Ursprung, Funktion und Wandlungen des Begriffs Daseinsvorsorge (1990), S. 175. 320 So auch Burgi, Kommunalrecht,4. (2012), § 17 Rn. 11; Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (28); Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, 1989, S. 3; Scheidemann, Ursprung, Funktion und Wandlungen des Begriffs Daseinsvorsorge (1990), S. 160 f.; so auch Schmidt-Assmann, in: Hüffer/ Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (253). 321 Vossler, iwp 3/2012, 1 (1); so auch Löwer, DVBl. 1991, 132 (137), der auf Nahrungsmittel abstellt. 317 Hierzu
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben157
stellungsmerkmal ist nicht Gegenstand des Begriffs der Daseinsvorsorge, auch wenn der Begriff oft im Zusammenhang mit Staatsaufgaben genannt wird. Dieser Befund wird von einigen Stimmen in der Literatur auch noch dadurch gestützt, dass der Begriff der Daseinsvorsorge eine „soziologisch grundierte und eher deskriptive Formel“ darstelle und gerade kein Mandat des Staates unter Ausschluss der Privatwirtschaft bedeute.322 Denn gerade in den typischerweise genannten Daseinsvorsorgebereichen, wie Telekommunikation und Energie, sind an die Stelle einer stattlichen Zurverfügungstellung neue wettbewerbliche und privatwirtschaftliche Formen der „gemeinwohlorientierten Dienstleistung“ getreten, die vom Staat im Rahmen seiner Gewährleistungs- und Regulierungsverantwortung überwacht, nicht jedoch i. R.d. Leistungsverwaltung erbracht werden.323 Auch das Bundesverfassungsgericht macht dies in einer Entscheidung sehr deutlich. Aus der Zuordnung der Energieversorgung zu einer Aufgabe der Daseinsvorsorge folge nicht, dass diese „von Staats wegen“ zu besorgen sei oder diese etwa eine den Gemeinden (exklusive) obliegende „Staatsaufgabe“ bilde.324 Vielmehr sei die leitungsgebundene Versorgung mit Strom (und auch mit Gas) traditionell in Deutschland träger- und auch organisationsneutral.325 Damit wird auch ein Bogen zu den europäischen Vorgaben im Hinblick auf die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gespannt.326 Auch machte dies schon das EnWG von 1935 in seinem § 2 Abs. 2 S. 1 deutlich, wonach der Begriff des Energieversorgungsunternehmens „ohne Rücksicht auf Rechtsform und Eigentumsverhältnisse“ alle Unternehmen und Betriebe, die andere mit elektrischer Kraft oder Gas versorgen, umfasste.327 Der derzeitige § 3 Nr. 18 EnWG ist im Hinblick auf seine Definition im gleichen Sinne zu lesen.328 322 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 116 („deskriptiver Begriff“); Maunz, VerwArch 1959, 315 (319); Ossenbühl, DÖV 1971, 513 (517) („soziologischer Terminus“). 323 Möstl, in: Brenner/Huber/Möstl, Der Staat des Grundgesetzes (2004), S. 951 (952); Storr, DÖV 2002, 357 (364 f.). 324 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 10; BVerfG, Beschl. v. 5.12.2002, 2 BvL 5/98, NVwZ 2003, 974 (977), welches dies deutlich im Hinblick auf Art. 20 Abs. 2 GG ausspricht: „Insbesondere lässt sich Art. 20 II GG nicht entnehmen, dass Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge oder sonstige Aufgaben allein deshalb zwingend unmittelbar vom Staat zu erledigen wären, weil sie von wesentlicher Bedeutung für das Allgemeinwohl sind.“ 325 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 10. 326 Vgl. hierzu § 6 I.1.d). 327 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 10; hierzu ausführlich in § 6 III.1.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Daher sollte der Begriff der Daseinsvorsorge im juristischen Kontext auch nicht überbewertet werden. Ihm fehlt es an definitorischer Klarheit und Trennschärfe. Im Hinblick auf die z. T. jahrzehntelange Fremdversorgung der Einwohner durch private Netzbetreiber hilft ein pauschaler Verweis auf die Daseinsvorsorge als Begründung dafür wenig weiter, dass die Elektrizitätsverteilung eine kommunale Aufgabe sei.329 Denn unterstellt, es gebe eine kommunale Alleinkompetenz aus Art. 28 Abs. 2 GG für die Energieversorgung, wie erklärt sich dann die z. T. Jahrzehnte währende Versorgung der Bevölkerung durch Private? Sehr richtig, wird in diesem Zusammenhang festgestellt, dass dann die „am Energiemarkt tätigen Energieversorgungsunternehmen privatrechtlicher oder gemischtwirtschaftlichen Zuschnitts […] offenbar nur Kostgänger kommunaler Enthaltsamkeit der Eigenkompetenz ausübung“330 sein können. Ob eine Betätigung der Daseinsvorsorge zugerechnet werden kann, ist also im Hinblick auf die Frage, ob die Gemeinden diese Aufgabe in zulässiger Weise selbst betreiben können, ohne Bedeutung.331 Hierzu bedarf es vielmehr einer Bestimmung in der Rechtsordnung.332 Der Begriff der Daseinsvorsorge liefert keinen Mehrwert im Hinblick auf die Frage, ob eine bestimmte Aufgabe Teil der kommunalen Aufgaben ist. Insbesondere liefert dieser keine Kompetenzbegründung. bb) Energieversorgung als Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie Einige Stimmen in der Literatur wollen die Energieversorgung und -verteilung zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie zählen und nennen dies als Begründung für die kommunale Befugnis zur Elektrizitätsverteilung.333 Der Betrieb des örtlichen Verteilernetzes einschließlich des Transports des Stroms zum Endkunden sei maßgeblich von der kommunalen 328 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 10. 329 So Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (253). 330 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 3. 331 Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (28). 332 So schon Badura, DÖV 1966, 624 (631). 333 BayVerfGH, Entsch. vom 23.12.1957, Vf. 107, 114, 117 – VII-56, DÖV 1958, 216 (217 f.); Becker/Faber, NVwZ 2002, 156 (157); Karst, DÖV 2002, 809 (811); Müller-Kirchenbauer/Leprich, EnWZ 2013, 99 (100); Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte, 1986, S. 171, m. w. N.; Jarass/Pieroth-Pieroth, GG,13. (2014), Art. 28 Rn. 13a; von Schwanenflügel, in: Peter/Rhein, Wirtschaft und Recht (1989), S. 151 (159).
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Selbstverantwortungsgarantie umfasst und schließe im Übrigen auch die freie Entscheidung der Gemeinden über den Abschluss und die Ausgestaltung von Netznutzungsverträgen mit Dritten ein.334 Gegen die Zuweisung der Energieversorgung zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie spricht jedoch schon die Annahme eines solchen fest definierbaren Kernbereichs. Hierzu entschied das BVerfG in seiner sog. Rastede-Entscheidung, dass der unantastbare Wesensgehalt und Kern der Selbstverwaltungsgarantie gerade nicht einen feststehenden Aufgabenkatalog umfasse.335 Was zum Kern der Selbstverwaltungsgarantie gehöre, bestimme sich aufgrund der historischen Entwicklung und den aktuellen Erscheinungsbildern der Selbstverwaltung.336 Einen abstrakt feststehenden Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie lehnt das BVerfG hiermit zutreffend ab. Insofern trägt eine Argumentation mit einem pauschalen Verweis darauf, dass die Energieversorgung zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung gehöre, nicht. Wendet man vielmehr die Formel des BVerfG zwecks Ermittlung des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung an, um die Frage zu beantworten, ob die Elektrizitätsverteilung zu diesem Kern zu zählen ist, so müssen die Historie und die aktuellen Entwicklungen der Elektrizitätsverteilung betrachtet werden. Historisch [vgl. Ausführungen in § 5 II.2.] wie aktuell zeigt sich die Elektrizitätsverteilung als Feld kommunaler wie auch privater Betätigung. Eine klare Zuordnung dieser zum elementaren Kern der Selbstverwaltung lässt sich nicht treffen. Um diese Feststellung zu überprüfen, kann im Rahmen einer Gegenprobe die Frage gestellt werden, ob die kommunale Selbstverwaltung eines wesentlichen Kernstücks beraubt wäre, würde man sich diese ohne Elektrizitätsverteilungsbefugnis vorstellen: Es wären weder Typus noch Struktur der Selbstverwaltung in ihrem Wesen verändert.337 Daher kann die Elektrizitätsverteilung nicht zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gezählt werden338 und erhält daher hierüber auch keinen besonderen kommunalen Zuweisungsgehalt. 334 Becker/Faber, 335 BVerfG,
NVwZ 2002, 156 (157). Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, NVwZ 1989,
347 (347). 336 BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, NVwZ 1989, 347 (348); so auch schon: BVerfG, Beschl. v. 7.10.1980, 2 BvR 584, 598, 599, 604/76, BVerfGE 56, 298 (312 f.); so auch Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (257). 337 So Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (259), der dies sogar nicht nur für die Energieverteilung, sondern Energieversorgung ausführt. 338 So Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (260).
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Die Zuordnung der Energieverteilung zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung ist daher pauschal aber auch nach Prüfung der historischen und gegenwärtigen Gestalt der Energieversorgung abzulehnen. Auch diese Argumentationslinie zugunsten einer kommunalen Kompetenz in der Energieverteilung überzeugt daher nicht. cc) Subjektiv-öffentliches Recht der Gemeinden zur Leistungserbringung (Grundrechtsähnliches Recht) Art. 28 Abs. 2 GG bildet einen besonderen verfassungsrechtlichen Kompetenztitel. Aus Art. 28 Abs. 2 GG folgt die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden der Gestalt, dass sie selbst entscheiden können (abgesehen von den kommunalen Pflichtaufgaben), wann und ob sie Tätigkeiten oder Aufgaben im Rahmen ihrer Kompetenz an sich ziehen und wenn ja, in welcher Form dies geschehen soll.339 Hieraus könnte sich eine Art subjektives öffentliches Recht der Gemeinden zur Energieverteilung mit grundrechtsähnlichem Gehalt ergeben.340 Es ist nahezu unbestritten,341 dass Art. 28 Abs. 2 GG jedoch kein Grundrecht darstellt und den Gemeinden kein grundrechtsähnliches Recht vermittelt.342 Hiergegen spricht schon die Stellung des Art. 28 Abs. 2 GG im staatsorganisatorischen Teil des GG.343 Art. 28 Abs. 2 GG schützt vielmehr die kommunale Verwaltung durch die Gemeinden innerhalb des Staatsaufbaus vor Übergriffen durch übergeordnete staatliche Einheiten.344 Damit regelt Art. 28 Abs. 2 GG ausschließlich eine Kompetenzverteilung und Kompetenzbeachtungspflicht zwischen den verschiedenen Verwaltungsträgern im Staatsaufbau der Bundesrepublik.345 339 Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 402. 340 So Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1041 f.). 341 A. A.: Becker/Faber, NVwZ 2002, 156 (157), wonach die „dogmatische Struktur […] grundrechtsähnlich“ sei. 342 BVerfG, Beschl. v. 04.04.1978, 2 BvR 1108/77, BVerfG 48, 64 (79); BVerfG, Beschl, v, 06.10.1981, 2 BvR 384/81, BVerfGE 58, 177 (189); BbgVerfG, Urt. v. 16.09.1999, VfGBbg 28/98, NVwZ-RR 2000, 129 (134); Scharpf, GewArch 2005, 1 (6); a. A.: Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1041 f.) der von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ausgestaltet als „subjektives Recht“ spricht. 343 So Scharpf, GewArch 2005, 1 (6) in Bezug auf Art. 11 Abs. 2 S. 1 BV, der ebenfalls im staatsorganisatorischen Teil der BV steht. 344 So Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (261). 345 So Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (262).
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben161
Eine Kompetenz zum Eingriff in den Energiemarkt i. S. e. grundrechtsähnlichen Rechtsposition verleiht Art. 28 Abs. 2 GG daher nicht. Erst recht kann hieraus keine „Kompetenz auf Ausschaltung oder Zurückdrängung der privaten Energieversorgung“ abgeleitet werden.346 Auch hierauf kann damit keine Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung gestützt werden. dd) „War schon immer so“-Argument Darüber hinaus wird als Argumentationslinie vorgetragen, dass die Gemeinden schon immer die Energieverteilung vorgenommen hätten.347 Auf dieses historische Argument gestützt, folgern einige Stimmen in der Literatur, dass es sich bei der Energieverteilung um eine örtliche Aufgabe der Gemeinden handele.348 Dass die historische Betrachtung der gewachsenen Struktur der kommunalen Selbstverwaltung einen Aspekt und Anhaltspunkt für die Zuordnung von kommunalen Aufgaben darstellen kann, wurde grundsätzlich in der Rechtsprechung [wie vorstehend in § 6 II.9.c)bb) dargestellt] anerkannt.349 Damit ist jedoch auch nur einer von weiteren möglichen Anknüpfungspunkten gefunden, der darüber hinaus auch keine, für alle Zeit feststehende Zuordnung zu den kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben zu geben vermag, sondern vielmehr ein Indiz darstellt, welches aber zeitlichen Neuerungen unterworfen ist.350 Davon losgelöst greift das Argument „War schon immer so“ in Bezug auf die Elektrizitätsverteilung aber auch zu kurz und ist historisch unvollständig.351 Betrachtet man die historischen Entwicklungen der Elektrizitätsver346 So Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (261). 347 Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 170; von Schwanenflügel, in: Peter/Rhein, Wirtschaft und Recht (1989), S. 151 (159); Püttner, DÖV 1990, 461 (463 f.); Tettinger, NWVBl. 1989,1 (2). 348 So etwa Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 170; von Schwanenflügel, in: Peter/Rhein, Wirtschaft und Recht (1989), S. 151 (159); Tettinger, NWVBL 1989, 1 (2); weil deswegen zum Wesensgehalt der kommunalen Selbstverwaltung zu zählen, so Püttner, DÖV 1990, 461 (463 f.). 349 BVerfG, Beschl. v. 12.01.1982, 2 BvR 113/81, NVwZ 1982, 367 (367); BVerfG, Beschl. v. 12.07.1960, 2 BvR 373 und 442/60, NJW 1960, 1755 (1756); BVerfG, Beschl. v. 23.06.1987, 2 BvR 826/83, BVerfGE 76, 107 (118); BVerfG, Beschl. v. 07.10.1980, 2 BvR 584, 598, 599, 604/76, BVerfGE 56, 298 (312 f.); OVG Münster, Urt. v. 19.01.1995, 15 A 569/91, NVwZ 1995, 718 (720). 350 In ähnlicher Richtung auch: OVG Münster, Urt. v. 19.01.1995, 15 A 569/91, NVwZ 1995, 718 (719). 351 Zur historischen Entwicklung in der Energieverteilung bereits in § 5 II.2. ausführlich.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
sorgung von Anfang an, so fehlt es diesem Ansatz an Überzeugungskraft. Historisch gründete sich die Versorgung mit Gas und kurz danach auch Elektrizität auf private „Pionier-Initiative“352, die zunächst auf die Versorgung einzelner, punktueller Bereiche beschränkt war.353 Der Trend hin zu einer kommunalen Energieversorgung stellte sich erst später, mit der Möglichkeit der größeren Verbreitung von Gas und Elektrizität ein.354 Die Gemeinden knüpften dabei an ihr kommunales Eigentum an den öffentlichen Straßen und Wegen an, um ebenfalls im Energiemarkt tätig zu werden.355 Hieraus entwickelte sich dann das Konzessionsvertragsrecht über die Nutzung des Straßen- und Weggrundes zur Verlegung von Leitungen, das für die Gemeinden eine zusätzliche Einnahmequelle brachte.356 Die Konzessionen zum Betrieb der Netze wurden hierbei oft, sogar im Regelfall, an private Unternehmen vergeben.357 Der Eigenbetrieb des Netzes durch die Gemeinden bildete dagegen eine Ausnahme. Wenn man also in die Geschichte der Energieverteilung blickt, so kann keine Aussage dahingehend getätigt werden, dass die Energieversorgung schon immer originäre durch die Gemeinden selbst wahrgenommene Aufgabe gewesen sei. Zwar waren die Gemeinden am Energiemarkt aktiv, aber es wäre historisch unzutreffend davon zu sprechen, dass sie alleinig oder marktbestimmend gewesen wären. Insofern ist diese Argumentationslinie in der Betrachtung der Kompetenzfrage alleinig nicht weiterführend. Dass die Gemeinden bereits über Jahrzehnte in der Energieverteilung tätig sind, kann vielmehr als Indiz, nicht jedoch als einzig überzeugendes Argument gewertet werden.
352 Zur historischen Entwicklung der Energieversorgung etwa: Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 574 ff.; Becker, Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne (2011), S. 8 ff. 353 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 5; Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. E. EnWG, Rn. 366 f.; umfassende Darstellung der energiewirtschaftlichen Geschichte in Deutschland: Becker, Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne (2011), S. 8 ff. 354 So auch Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. E. EnWG, Rn. 366. 355 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 5. 356 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 5. 357 Fischerhof, DÖV 1957, 303 (314), der ausführt, dass u. a. bei der Versorgung mit Energie „überwiegend die Privatwirtschaft sie [die Elektrizitäts- und Gasversorgung] ins Werk gesetzt“ habe und die nur in gewissem Prozentsatz vorhandene gemeindliche Betätigung gegen die Annahme der Energieversorgung als Weseneszug der kommunalen Selbstverwaltung spreche; Löwer, DVBl. 1991, 132 (141).
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben163
ee) Kompetenz aufgrund der Finanzhoheit der Gemeinden Art. 28 Abs. 2 S. 1 und 3 GG gewährleisten den Gemeinden die eigene Finanzhoheit, deren Wahrnehmung Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist.358 Hieraus leitet sich eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft der Gemeinden im Rahmen des gesetzlichen Haushaltswesens ab.359 Laut BVerfG ist hiermit nur garantiert, dass den Gemeinden das eigene Wirtschaften mit Einnahmen und Ausgaben nicht aus der Hand genommen wird.360 Die Gemeinden sollen also selbst über ihre Einnahmen und Ausgaben entscheiden können. Dies drückt Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG mit dem Begriff der „finanziellen Eigenverantwortlichkeit“ aus. Die Verwaltung des so verstandenen gemeindeeigenen Vermögens, zu dem auch das Straßen- und Wegenetz gehört, darf jedoch nicht so verstanden werden, dass dieses in allen einzelnen Rechtspositionen umfassend geschützt ist.361 Ein so weitreichender Schutz – so das BVerfG – könne sich alleine aus Art. 14 Abs. 1 GG ergeben.362 Offengelassen hat das BVerfG, ob zu der Finanzhoheit auch eine angemessene Finanzausstattung oder jedenfalls eine finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden gehört.363 Würde man dies vertreten, so könnte man die energiewirtschaftliche Betätigung der Gemeinden zum Zwecke der finanziellen Ausstattung der gemeindlichen Haushalte als von der Finanzhoheit und damit von Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet ansehen und hieraus eine Kompetenz der Gemeinden zum Betrieb der Verteilernetze ableiten. Allerdings besagt die Frage danach, ob die Gemeinden einen Anspruch auf eine gewisse finanzielle Mindestausstattung haben, noch nichts darüber, wie diese Finanzausstattung zu gewährleisten ist. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt begäbe, dass ein Anspruch der Gemeinden auf finanzielle Mindestausstattung bestünde, so könnte man hieraus kein Recht der Ge358 Siehe
hierzu § 6 II.9.a). Beschl. v. 07.01.1999, 2 BvR 929/97, NVwZ 1999, 520 (521); BayVerfGH, Entsch. v. 16.12.1992, Vf. 14-VI-90, NVwZ-RR 1993, 422 (422); BVerfG, Beschl. v. 24.06.1969, 2 BvR 446/64, BVerfGE 26, 228 (244); BVerfG, Beschl. v. 15.10.1985, 2 BvR 1808, 1809, 1810/82, BVerfGE 71, 25, (36); Maunz/DürigMehde, Grundgesetz Kommentar,67. EGL (November 2012), Art. 28 Abs. 2, Rn. 76. 360 BVerfG, Beschl. v. 07.01.1999, 2 BvR 929/97, NVwZ 1999, 520 (521). 361 BVerfG, Beschl. v. 07.01.1999, 2 BvR 929/97, NVwZ 1999, 520 (521); BayVerfGH, Entsch. v. 16.12.1992, Vf. 14-VI-90, NVwZ-RR 1993, 422 (422); Wolff, DÖV 2006, 908 (907). 362 BVerfG, Beschl. v. 07.01.1999, 2 BvR 929/97, NVwZ 1999, 520 (521). 363 BVerfG, Beschl. v. 07.01.1999, 2 BvR 929/97, NVwZ 1999, 520 (521); BVerfG, Beschl. v. 10.06.1969, 2 BvR 480/61, BVerfGE 26, 172 (181); Dombert, LKV 2009, 343 (345); Volkmann, DÖV 2001, 497 (497 ff.). 359 BVerfG,
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meinden ableiten, sich diese finanzielle Mindestausstattung im Wege wirtschaftlicher Betätigung selbst zu beschaffen. Vielmehr müsste hierzu nach dem Vorbehalt des Gesetzes zunächst eine gesetzliche Grundlage vorhanden sein oder geschaffen werden. Im Übrigen ist es abwegig hieraus die Rechtfertigung für die Übernahme einer freiwilligen Aufgabe der Gemeinde zu folgern. Vielmehr würde – wenn überhaupt – die finanzielle Mindestausstattung bzw. angemessene Finanzausstattung sich auf die Pflichtaufgaben der Gemeinden beziehen, und nicht auf Tätigkeiten, die die Gemeinden nicht zwingend zu erfüllen haben.364 Auch aus der Finanzhoheit der Gemeinden ist somit keine tragfähige Begründung für eine Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung abzuleiten. ff) Kompetenz aufgrund der Planungshoheit der Gemeinden Art. 28 Abs. 2 GG schützt auch die Planungshoheit der Gemeinden.365 Das BVerfG hat offengelassen, ob neben der Bauleitplanung auch noch weitere Entscheidungen planerischen Charakters von der Planungshoheit umfasst sein können.366 Von der Planungshoheit könnten daher auch die Infrastruktur, insbesondere die Energienetzinfrastruktur, und deren Betrieb umfasst sein. Für den Telekommunikationsbereich hat das BVerfG ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob die Planungshoheit diese umfasse, da Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG dies der bundeseigenen Verwaltung zuordne.367 Für den Energiebereich findet sich keine solche Regelung in den Art. 87 ff. GG [vgl. § 6 II.1.], so dass eine Klärung nötig erscheint. Dies insbesondere deswegen, weil die Planungshoheit als Argument für eine kommunale Befugnis in der Elektrizitätsverteilung in der Literatur zu finden ist.368 Der Betrieb von Elektrizitätsnetzen berührt den Bereich der Planungshoheit der Gemeinden insofern, als dass die Elektrizitätsnetze zwingend auf den Grund und Boden der Gemeinden angewiesen sind. Darüber hinaus sind die Gemeinden gem. § 123 BauGB zur Erschließung von Grundstücken innerhalb des Gemeindegebiets verpflichtet (kommunale Pflichtaufgabe).369 364 So auch: BbgVerfG, Entsch. v. 16.12.1992, Vf. 14-VI-90, NVwZ-RR 2000, 129 (134). 365 BVerfG, Beschl. v. 07.01.1999, 2 BvR 929/97, NVwZ 1999, 520 (521); BVerfG, Beschl. v. 07.10.1980, 2 BvR 584, 598, 599, 604/76, BVerfGE 56, 298, (312); BVerfG, Beschl. v. 23.06.1987, 2 BvR 826/83, NVwZ 1988, 47 (48 f.). 366 BVerfG, Beschl. v. 07.01.1999, 2 BvR 929/97, NVwZ 1999, 520 (521). 367 BVerfG, Beschl. v. 07.01.1999, 2 BvR 929/97, NVwZ 1999, 520 (521). 368 So etwa Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 55. 369 Hierauf hinweisend auch: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 55.
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben165
Entsprechend müssen die Gemeinden die Verlegung von Erdkabeln bzw. das Aufstellen von Strommasten planerisch regeln und begleiten. Der Betrieb von Elektrizitätsnetzen, um den es bei der Frage der (Re)Kommunalisierung geht, hat indes wenig mit planerischen Entscheidungen i. S. d. Planungshoheit der Gemeinden zu tun.370 Hier geht es um den Betrieb eines Unternehmens, um unternehmerische Entscheidungen und die Gewährleistung der im EnWG, vor allem in § 1 EnWG, niedergelegten Grundsätze. Ab dem Moment, indem in den entsprechenden Bauleitplänen die Netze und damit zusammenhängenden Versorgungsstationen eingeplant sind, endet die Planungshoheit der Gemeinden. Einzelne Arbeiten am Straßen- und Wegenetz (bspw. zur Wartung und Reparatur der Netze) sind zwar von der Gemeinde planerisch zu begleiten und flankieren insoweit den Netzbetrieb; in einer Gesamtbetrachtung der mit der Elektrizitätsverteilung verbundenen Aufgaben und Pflichten sind diese jedoch zu vernachlässigen. Die (Re)Kommunalisierung der Netze betrifft schwerpunktmäßig vielmehr den Netzbetrieb selbst. Aus der Planungshoheit der Gemeinden kann daher keine Kompetenz im Hinblick auf die (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsnetze abgeleitet werden. gg) Kompetenz aufgrund der Gebietshoheit der Gemeinden bzw. aufgrund des Örtlichkeitsprinzips Die Gemeinden könnten aber auch die Kompetenz zur Energieverteilung aufgrund ihrer aus Art. 28 Abs. 2 GG abzuleitenden Gebietshoheit zustehen. Die Gebietshoheit kann dabei an drei verschiedene Aspekte anknüpfen: (1) Straßenbaulast und kommunales Eigentum an Straßen und Wegen im Gemeindegebiet, (2) die Befriedigung der örtlichen Bedürfnisse der Bürger auf dem gemeindlichen Hoheitsgebiet oder (3) dem aus Art. 28 Abs. 2 GG abzuleitenden Örtlichkeitsprinzip als Ausfluss der Gebietshoheit. (1) Kompetenz aufgrund der Straßenbaulast und des kommunalen Eigentums an Straßen und Wegen Das Straßen- und Wegenetz innerhalb der Gemeinden ist grundsätzlich nicht im Eigentum einzelner Privater, sondern stellt eine öffentliche Sa370 A. A.: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 55 f., der auf S. 56 ausführt: „So ist naheliegend, dass nicht nur der Bau und die Planung, sondern auch der der Planung und dem Bau von Energieversorgungsnetzen nachfolgende Betrieb solcher Netze als örtliche Aufgabe einzustufen sind, soweit dieser der Versorgung der Einwohner im Gemeindegebiet mit leitungsgebundener Energie dient.“
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che371 im Gemeingebrauch dar.372 Die öffentliche Sachherrschaft wird dabei vom Träger der Straßenbaulast ausgeübt.373 Für die Straßen des örtlichen Verkehrs ist dies grundsätzlich die jeweilige Gemeinde.374 Die Nutzung der Straßen und Wege ist jedoch jedem aufgrund des Gemeingebrauchs375 und der darauf lautenden Widmung möglich.376 Die Verlegung von Stromleitungen als Nutzung der Straßen und Wege ist indes nicht vom Gemeingebrauch umfasst.377 Hierfür bedarf es vielmehr gem. § 46 EnWG eines Wegenutzungs- bzw. Konzessionsvertrages zwischen Gemeinde und Netzbetreiber [hierzu in § 7], der sich nach privatrechtlichen Grundsätzen außerhalb des öffentlichen Rechts richtet.378 An das kommunale Wegeeigentum und die kommunale Straßenbaulast anknüpfend wird zum Teil angenommen, dass ein Ortsbezug und damit ein Bezug zur Kompetenz der Gemeinden aus ihrer Gebietshoheit vorliege, weil die Elektrizitätsverteilung auf das gemeindliche Straßen- und Wegenetz wegen der Leitungsgebundenheit der Energieversorgung zwingend angewiesen sei.379 Die wege- und straßenrechtliche Kompetenz der Gemeinden (als hoheitliche Aufgabe) sei daher zwingend betroffen und die Gemeinde damit zur Energieverteilung befugt.380 grundlegend: Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, 1025 ff. Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 143; Kodal-Herber, Straßenrecht,7. (2010), Kap. 6 Rn. 1. 373 Kodal-Rinke, Straßenrecht,7. (2010), Kap. 1 Rn. 12.6. 374 Kodal-Tegtbauer, Straßenrecht,7. (2010), Kap. 14 Rn. 30. 375 Der schlichte Gemeingebrauch umfasst die Nutzung der Straßen und Wege zu Zwecken des Verkehrs i. S. d. Straßenrechts sowie zu kommunikativem Verkehr, vgl. Kodal-Rinke, Straßenrecht,7. (2010), Kap. 1 Rn. 12.7. 376 Kodal-Stahlhut, Straßenrecht,7. (2010), Kap. 27, Rn. 7. 377 Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 24. 378 BKartA, Beschluss vom 30.11.2012, B8 101/11, Rn. 54, BeckRS 2013, 09751; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 24, der in diesem Zusammenhang auch auf § 8 Abs. 10 BFStrG verweist. 379 Stern, Die verfassungsrechtliche Position der kommunalen Gebietskör perschaften in der Elektrizitätsversorgung (1966), S. 32; Britz, Örtliche Energie versorgung,1. (1994), S. 144; Leitungsgebundenheit der Energieversorgung siehe § 5 I.2. 380 Hölzer, Der Energiesektor zwischen Marktwirtschaft und öffentlicher Aufgabe (2000), S 307, der jedoch die überregionale Energieverteilung ausnimmt; Templin, VerwArch 100 (2009), 529 (539); Britz, Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 144; Stern, Die verfassungsrechtliche Position der kommunalen Gebietskörperschaften in der Elektrizitätsversorgung (1966), S. 32; Glöckner, Kommunale Infrastrukturverantwortung und Konzessionsmodelle (2009), S. 75, der von einer „Schlüsselstellung“ der Kommunen spricht, allerdings § 46 EnWG als spezielle Regelung anerkannt; Kulartz, Kommunale Gebietsreform und Energieversorgung (1982), S. 98. 371 Hierzu 372 Britz,
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Bezüglich der Wege- und Straßenrechte nimmt die Gemeinde jedoch keine Hoheitsrechte (i. S. d. Wahrnehmung ihrer Gebietshoheit) wahr.381 Das Recht zur Wegenutzung wird nicht etwa durch staatlichen Verleihungsakt, sondern durch Ausübung der eigentumsrechtlichen Verfügungsbefugnis über die öffentlichen Wege – als rein privatwirtschaftliches Handeln der Gemeinden – dem Netzbetreiber eingeräumt.382 Dies beruht auf der rechtlichen Konstruktion der Straßen und Wege als öffentliche Sachen, die eigentumsfähig sind und damit der privatrechtlichen Ordnung unterstehen, allerdings durch den öffentlichen Zweck eingeschränkt sind.383 Die Nutzung dieser Straßen und Wege im Rahmen der Konzessionsvergabe durch die Gemeinde erfolgt daher nicht in öffentlich-rechtlicher Ausübung, sondern als Nutzung von Eigentum in rein privatwirtschaftlicher Art und Weise.384 Insofern stellt auch die für den Erhalt der Stromkonzession an die Gemeinde zu entrichtende Konzessionsabgabe keine Abgabe im eigentliche Sinne an die Gemeinde als Wegeherrin dar, sondern ein privatrechtliches Entgelt i. S. e. Vergütung an die Wegeeigentümerin.385 Hoheitliche Handlungsfelder der Gemeinden aus dem Anknüpfungspunkt „Weg in die Gemeinde“ ergeben sich daher nur sehr eingeschränkt, bspw. bei der Wahrung des ungehinderten Gemeingebrauchs und des einwandfreien Straßenzustandes, sowie u. U. im Hinblick auf baurechtliche oder polizeirechtliche Aspekte.386 Ein etwaiges „hoheitliches Versagungsermessen“ der Gemeinden in Bezug auf die Nutzung der Straßen und Wege für die Verteilernetze und Netzinfrastruktur besteht indes nicht.387 Dass mit den Straßen und Wegen grundsätzlich keine weiterreichenden hoheitlichen bzw. öffentlich-rechtlichen Befugnisse ver381 So Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (254); BKartA, Beschl. v. 31.11.2012, B8 101/11, Rn. 54, über BeckRS 2013, 09751. 382 Templin, VerwArch 100 (2009), 529 (540); Dehmer, Energieversorgungskonzepte – Vorranggebiete – Kartellrecht (1989), S. 206, der ausführt: „die Inanspruchnahme von Grund und Boden allein kann eine kommunale Aufgabe nicht begründen“; abgedeutet: Püttner DÖV 1990, 461 (464); Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/ Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (253 f.). 383 Kodal-Herber, Straßenrecht,7. (2010), Kap. 6 Rn. 12. 384 Templin, VerwArch 100 (2009), 529 (540); Dehmer, Energieversorgungskonzepte – Vorranggebiete – Kartellrecht, 1989, S. 206; Schmidt-Assmann, in: Hüffer/ Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (253 f.); a. A. Hellermann, EnWZ 2013, 147 (147), der die Nutzung der öffentlichen Straßen und Wege sui generis einordnet und als Infrastruktureinrichtung und insofern Verwaltungsleistung charakterisiert. 385 BKartA, Beschl.v. 31.11.2012, B8 101/11, Rn. 54, über BeckRS 2013, 09751. 386 Templin, VerwArch 100 (2009), 529 (540); wohl auch bereits Dehmer, ET 1987, 274 (278), zu alter, noch im GWB normierter Regelung. 387 Templin, VerwArch 100 (2009), 529 (540); wohl auch bereits Dehmer, ET 1987, 274 (278), zu alter, noch im GWB normierter Regelung.
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bunden sind, zeigen auch die Straßen- und Wegegesetze der Länder, die für eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung die Anwendung des bürgerlichen Rechts anordnen, bspw. § 23 Abs. 1 Nordrhein-Westfälisches Straßen- und Wegegesetz, § 28 Abs. 1 Schleswig-Holsteiner Straßen- und Wegegesetz oder Art. 22 Abs. 2 Bayrisches Straßen- und Wegegesetz. Von diesem Grundsatz der privatrechtlichen Ausgestaltung der Nutzung der Straßen und Wege ist jedoch in Bezug auf das Bundesland Hamburg eine Ausnahme zu machen.388 In Hamburg erfolgt die Wegenutzung ausschließlich nach öffentlich-rechtlichen Regelungen.389 Für Hamburg gilt daher, dass hier (und nur hier) die Nutzung des Straßen- und Wegenetzes öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist. Dieser Ansatz hat sich jedoch nicht bundesweit durchsetzen können, so dass hierin eine einzelne Durchbrechung zu sehen ist. Trotz der bundesrechtlich mit Ausnahme von Hamburg privatrechtlich ausgestalteten Wegenutzung, dienen Straßen und Wege der Allgemeinheit. Diese ist auch im Rahmen der Energieversorgung zu beachten. Die Nutzung zu Energieversorgungszwecke erfolgt ebenfalls zum Wohle der Allgemeinheit. Lediglich von einer rein privatrechtlichen Rechtsausübung zu sprechen, erscheint daher zu kurz zu greifen.390 Die Gemeinde tritt im Rahmen der Einräumung von Wegerechten eben nicht als bloßer Eigentümer einer Sache auf, sondern verfolgt den spezifischen hoheitlichen Zweck der Sicherung der örtlichen Energieversorgung.391 Hierdurch erfolgt eine über die privatrechtliche Nutzung hinausgehende öffentliche Nutzung. In Bezug auf die vorstehenden Ausführungen und im Hinblick auf die mögliche Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze ist allerdings zu berücksichtigen, dass die bloße Kompetenz der Gemeinden über die Nutzung von Straßen und Wegen zu entscheiden, nichts darüber aussagt, ob die Gemeinde darüber hinaus auch befugt ist, diese Nutzungen der Straßen und Wege selbst vorzunehmen. Hierfür bedarf es vielmehr einer Kompetenz zum Tätigwerden als Energieverteiler und Netzbetreiber.392 Die Entscheidungshoheit in Bezug auf die Konzessionsvergabe, die sich gerade u. a. aus der (vorstehend dargestellten) gemeindlichen Stra388 Auch das Bundesland Berlin weist eine gewisse Besonderheit auf. In Berlin bedarf es zusätzlich zu einer privatrechtlichen Gestaltung des Konzessionsvertrages immer auch einer öffentlich-rechtliche Sondernutzungserlaubnis, vgl. Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 15. 389 Schulte/Schröder-Büdenbender, Handbuch Technikrecht,2. (2012), S. 642. 390 Templin, VerwArch 100 (2009), 529 (540). 391 Templin, VerwArch 100 (2009), 529 (540). 392 Notthoff, Novellierungsversuche des Energiewirtschaftsrechts vor dem Hintergrund grundrechtlicher Normen (1994), S. 130.
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ßenbaulast ergibt, besagt noch nicht, dass die Gemeinden selbst zum Betrieb der Verteilernetze berechtigt sind.393 Ob die Gemeinden selbst zu einer unternehmerischen Betätigung i. R.d. (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung berechtigt sind, ergibt sich nicht daraus, dass ihnen das Recht zukommt, die Konzessionsverträge für die Wegenutzung wegen des Eigentums an Straßen und Wegen zu vergeben.394 Das Wegerecht und deren Vergabe durch Wegenutzungs- bzw. Konzessionsverträge allein begründen gerade keine kommunale Energieversorgungsaufgabe. Hierzu bedarf es vielmehr einer gesonderten Kompetenzzuordnung. Auch ist der Gesamtbereich der Elektrizitätsverteilung zu komplex, um ihn mit der simplen Anknüpfung an die Straßenbaulast den Gemeinden in kommunaler Befugnis zuzuordnen.395 Denn neben dem Straßen- und Wegerecht ist für die Elektrizitätsverteilung ein ganzes Bündel an öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Vorgaben zu beachten. Damit geht die Wahrnehmung der Energieverteilung weit über etwaige Straßen- oder Wegerechte hinaus. Nur aus der wege- und straßenrechtlichen Kompetenz der Gemeinden kann daher ebenfalls keine Befugnis der Gemeinden zur Elektrizitätsverteilung bzw. (Re)Kommunalisierung dieser hergeleitet werden. (2) Kompetenz wegen Befriedigung örtlicher Bedürfnisse Als weiterer Begründungsansatz für das Vorliegen einer kommunalen Befugnis zur Energieverteilung wird vorgebracht, dass die kommunale Energieverteilung ein örtliches Bedürfnis befriedige und daher die Gemeinde über Art. 28 Abs. 2 GG zur Energieverteilung befugt sei.396 Durch die Betätigung in der Energieverteilung würden die Energieverbraucher im Gemeindegebiet mit Energie versorgt, wodurch ein in der örtlichen Gemeinschaft wurzelndes gemeinsames Bedürfnis befriedigt würde.397 Eine Kompetenz würde durch den Kreis der zu versorgenden Gemeindebewohner als 393 Wohl a. A.: BVerwG, BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, 7 C 58/94, LKV 1996, 23 (24), das in seinem Urteil auf die Entscheidungshoheit der Kommunen über die örtliche Stromversorgung generell abstellt und ausführt, dass die Entscheidung über die örtliche Stromversorgung der gemeindlichen Selbstverwaltung unterliege und damit schon zu einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zu rechnen sei. 394 So auch Püttner, DÖV 1990, 461 (464), der ausführt, dass das „Wege(Straßen)-Eigentum“ kein „kommunales Mandat zur Versorgung“ begründe. 395 So Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (255). 396 Britz, Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 69; Kulartz, Kommunale Gebietsreform und Energieversorgung,1. (1982), S. 98, der neben der örtlichen Verknüpfung durch den Kreis der Bürger, die beliefert werden auch auf die zwangsläufige Verknüpfung mit Grund und Boden der Gemeinde abstellt. 397 Britz, Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 69.
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Kunden hergestellt.398 Dieser Ansatz schlägt eine Brücke zu den Ausführungen des BVerfG in seiner Rastede-Entscheidung,399 wonach als Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft diejenigen Bedürfnisse, „[…] die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind […]“, umfasse.400 Hiernach müssen gerade spezifische in der Gemeinde wurzelnde Bedürfnisse oder Interessen durch den Netzbetrieb erfüllt werden. Betrachtet man die Bedürfnisse der Gemeindebewohner in der jeweiligen Gemeinde, so müsste sich ein spezifischer Bezug zwischen der Energieverteilung und eben diesen Gemeindebewohnern als besonderes in der örtlichen Gemeinschaft wurzelndes Verbindungsmerkmal ergeben. Bei dem Energiebedarf des Einzelnen handelt es sich aber nicht um ein typisches gemeindebezogenes Bedürfnis. Vielmehr ist das Bedürfnis nach Energie und deshalb nach Energieverteilung andernorts in der Bundesrepublik ebenso vorhanden,401 so dass sich hieraus kein spezifisches auf eine Gemeinde bezogenes Bedürfnis ableiten lässt.402 Insofern fehlt es an dem „relevanten örtlichen Charakter“ des Netzbetriebes.403 Aus der Befriedigung der Bedürfnisse der Gemeindebewohner nach elektrischer Energie als alleinigem Anknüpfungspunkt, lässt sich daher ebenfalls keine Befugnis der Gemeinden zur Elektrizitätsverteilung ableiten. Vielmehr bedarf es eines zusätzli398 Hölzer, Der Energiesektor zwischen Marktwirtschaft und öffentlicher Aufgabe (2000), S. 307; Kulartz, Kommunale Gebietsreform und Energieversorgung,1. (1982), S. 98 f.; Stern, Die verfassungsrechtliche Position der kommunalen Gebietskörperschaften in der Energieversorgung (1966), S. 32. 399 Hierzu nachfolgend in § 6 II.9.c)gg)(3)(a) ausführlich. 400 BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, NVwZ 1989, 347 (347, 4. Leitsatz). Die Stadt Buxtehude und die Gemeinde Rastede hatten gegen eine zuvor ergangene Entscheidung des BVerwG (Buxtehude-Urteil 7 C 3/81 und Rastede-Urteil 7 C 2/781) Verfassungsbeschwerde erhoben, Kühling, NJW 2001, 177 (178). 401 Dies als unschädlich abtuend: Gern, NJW 2002, 2593 (2594). 402 Allgemein zur Frage der örtlichen Aufgabe in Abgrenzung zur überörtlichen Aufgabe: Clemens, NVwZ 1990, 834 (840 f.), der ausführt: „Örtlich ist eine Aufgabe, die nach ihrem Schwerpunkt innerhalb der Grenzen der Gemeinde anfällt und nicht zugleich eine Aufgabe im Gesamtgebiet der größeren Organisationseinheit Gemeindeverband (Kreis) darstellt; allein der Umstand, daß sie in mehreren oder allen Gemeinden eines Kreises anfällt, macht sie noch nicht zu einer überörtlichen Angelegenheit.“ 403 BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619, 1628/83, BVerfGE 79, 127 (153); hierauf hinweisend: Clemens, NVwZ 1990, 834 (840), so auch Gern, Deutsches Kommunalrecht,3. (2003), Rn. 60 der zusätzlich ausführt: Die Energieversorgung „ist allerdings heute mit Blick auf die großräumige Verflechtung der Elektrizitätsversorgung und Vermarktung durch eine einzelne Gemeinde nur selten ordnungsgemäß zu erfüllen“, weswegen sie nicht mehr von der örtlichen Angelegenheit nach Art. 28 II GG umfasst sei.
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chen gemeindespezifischen bzw. örtlichen Charakters, der erst durch einen territorialen Bezug auf das Gemeindegebiet geschaffen wird. (3) Kompetenz aufgrund örtlicher Angelegenheit Der spezifische territoriale Bezug zum Gemeindegebiet und der Gemeinde als territorial abgegrenzter Verwaltungseinheit ist daher der zentrale Anknüpfungspunkt für die Kompetenz der Gemeinden zum Betrieb der Verteilernetze. Gem. Art. 28 Abs. 2 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft […] in eigener Verantwortung zu regeln“. Aus der Formulierung „der örtlichen Gemeinschaft“ wird in Rechtsprechung und Literatur das sog. Örtlichkeitsprinzip abgeleitet. Hiernach ist die Gemeinde nur im Hinblick auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft befugt tätig zu werden. Dieses Örtlichkeitsprinzip, insbesondere (nach hier vertretener Auffassung) der diesem innewohnende territoriale Bezug zum Gemeindegebiet schafft – wie nachfolgend dargestellt werden wird – eine Befugnis der Gemeinden zur kommunalen Energieversorgung und (Re)Kommunalisierung. Dabei stellt Art. 28 Abs. 2 GG im Hinblick auf das Örtlichkeitsprinzip nach hier und auch im Schrifttum vertretener Ansicht404 nicht nur einen Aspekt der Selbstverwaltungsgarantie, sondern zugleich eine Grenze jeglicher kommunalen Betätigung dar, die auch im Rahmen von (Re)Kommunalisierungsbestrebungen der Gemeinden zu beachten ist. (a) Auslegung Örtlichkeitsprinzip In einem ersten Schritt ist eine genaue Betrachtung des Begriffsverständnisses der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ nach Art. 28 Abs. 2 GG nötig. Eine Legaldefinition des Begriffs der örtlichen Angelegenheit lässt sich weder dem GG noch dem einfachen Recht entnehmen. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen unbestimmten Verfassungsbegriff, der der Auslegung bedarf.405 Das BVerfG hat in einer Entscheidung eine viel 404 Ehlers, DVBl. 1998, 497 (504); Meyer, LKV 2000, 321 (323), wonach die Grenzen der Verbandskompetenz zu beachten seien; Schink, NVwZ 2002, 129 (133); differenzierend zwischen hoheitlichem und erwerbswirtschaftlich-fiskalischem Handeln und im Ergebnis a. A.: Hoppe/Uechtritz/Reck-Uechtritz/Otting/Olgemöller, Handbuch kommunale Unternehmen,3. (2012), § 6 Rn. 23 ff.; Ruffert, VerwArch 92 (2001), 27 (34 f.). 405 So auch Rehn/Cronauge/von Lennep/Knisch, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Bd. 2,37. EGL (September 2011), § 107 S. 55.
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beachtete Definition gefunden, die zuvor schon im Rahmen des § 6 II.9.c) gg)(2) angeführt wurde, wonach örtliche Angelegenheiten i. S. d. Art. 28 Abs. 2 GG „diejenigen Bedürfnisse und Interessen [sind], die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen.“406 Diese Definition erscheint unnötig kompliziert. Im Hinblick auf die Frage, was örtliche Angelegenheiten sind, wäre es naheliegender „örtlich“ im Sinne einer territorialen Beschreibung und Begrenzung auf das Gemeindegebiet zu verstehen und somit als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft solche Aufgaben zu klassifizieren, die sich auf den territorialen Grund und Boden der Gemeinde beziehen bzw. einen Bezug hierzu aufweisen. Eben hieran entzündet sich der seit jeher andauernde Streit über die Frage, wie eng das Örtlichkeitsprinzip i. S. d. Art. 28 Abs. 2 GG auszulegen ist. In der fachlichen Auseinandersetzung hierüber stehen sich im Wesentlichen zwei Pole gegenüber. Zum einen407 die zuletzt skizzierte, sich am Begriff „örtlich“ orientierende Auslegung, wonach eine dem Örtlichkeitsprinzip des Art. 28 Abs. 2 GG unterfallende kommunale Aufgabe nur eine Aufgabe auf dem Gemeindegebiet selbst – also territorial verstanden – ist. Das Örtlichkeitsprinzip wird hiernach als Grenze kommunaler Aktivität verstanden, da nur kommunale Aktivitäten auf dem Gebiet der Gemeinde von Art. 28 Abs. 2 GG umfasst sein können. Dem gegenüber wollen andere Stimmen in Literatur und Rechtsprechung408 das Örtlichkeitsprinzip weiter verstanden wissen. Eine Rückführ406 BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, NVwZ 1989, 347 (347, 4. Leitsatz); Kühling, NJW 2001, 177 (178). 407 Enkler, ZG 1998, 328 (338 f.), aber dennoch auch zum zulässigen Rahmen sog. „mehr-örtlicher“ Betätigung; Siekmann, in: Stober/Vogel, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand (2000), S. 103 (121 f.); Lux, NVWBl. 2000, 7 (9); Schink, NVwZ 2002, 129 (136), der davon spricht, dass die Tätigkeit „örtlich radiziert“ sein muss; zumindest teilweise so auch: Stern, Die verfassungsrechtliche Position der kommunalen Gebietskörperschaften in der Elektrizitätsversorgung (1966), S. 30. 408 BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, NVwZ 1989, 347 (347 Leitsatz 4); Britz, Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 69; Danner/ Theobald-Grünewald, Energierecht,75. EGL (Oktober 2012), Kap. XII, B.1. Rn. 34, der ausführt: „Entgegen einer langläufigen Meinung ist das Örtlichkeitsprinzip allerdings nicht ausschließlich territorial zu sehen“; Schneider/Theobald-Wolff, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 5 Rn. 48 ff., der jedoch zu indirekten Grenzen räumlicher Expanision ausführt (Rn. 52), die da wären: 1. Leistungsfähigkeit, 2. Bedarfsangemessenheit und 3. öffentlicher Zweck (Rn. 53), wobei es nach Wolff aber zuweitginge, „in das Erfordernis des öffentlichen Zwecks eine strikte örtliche Begrenzung
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barkeit auf örtliche Belange der Gemeinschaft, also bspw. Einwohnerinte ressen, würde für einen örtlichen Gebietsbezug und damit für das Vorliegen einer örtlichen Aufgabe i. S. d. Art. 28 Abs. 2 GG ausreichen. Einige Stimmen in der Literatur wollen den Begriff der örtlichen Angelegenheit damit sozialempirisch verstanden wissen und die Aufgabe der Energieversorgung zu einer kommunalen Aufgabe nach Art. 28 Abs. 2 GG zählen.409 Örtlich beziehen sie sich auf all dasjenige, was sich auf die Gemeinschaft einer Gemeinde beziehe.410 Dabei genüge für das Kriterium der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft schon, dass die Tätigkeit auch den Versorgungsinteressen in der Stammgemeinde diene.411 Damit wird der Begriff der örtlichen Angelegenheit sehr weit ausgedehnt.412 Diesem weiten Begriffsverständnis folgend, würden sogar expansive gemeindliche Betätigungen außerhalb des Gemeindegebiets einen örtlichen Bezug zumindest mittelbar aufweisen, solange jedenfalls ein angemessenes Mindestmaß an Aktivitäten zugunsten der Stammgemeinde stattfindet.413 Gegen diese schwerpunktmäßig auf die soziale Gemeinschaft bezogene Betrachtung spricht jedoch, dass damit das Örtlichkeitsprinzip an Bedeutung und Abgrenzungsschärfe verliert.414 Denn erfolgt eine Aufgabenerfüllung zum Wohle der Gemeindebewohner und ist sie damit einem gemeindlichen, hineinzulesen“; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 407; Dehmer, Energieversorgungskonzepte – Vorranggebiete – Kartellrecht (1989), S. 205 ff.; von Schwanenflügel, in: Peter/Rhein, Wirtschaft und Recht (1989), S. 151 (159); Waechter, Kommunalrecht,3. (1997), Rn. 629 ff.; stark differenzierend: Oebbecke, ZHR 164 (2000), 375 (382; 386 f.). 409 Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 407 ff., die von einer tragenden Rolle der kommunalen Unternehmen in der Energieversorgung sprechen (S. 410); für ein „soziologisch-politisches“ Verständnis des Örtlichkeitsprinzips auch Schmidt-Jortzig, DÖV 1989, 142 (145). 410 Kühling, NJW 2001, 177 (178); Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 407 f.; Schmidt-Jortzig, DÖV 1989, 142 (145). 411 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 18; kritisch Stern, Die verfassungsrechtliche Position der kommunalen Gebietskörperschaften in der Elektrizitätsversorgung (1966), S. 28, der ausführt, dass „der lose Zusammenhang bzw. ein bloßes Überschneiden oder Berühren lokaler Interessen“ nicht ausreiche, im Übrigen aber auch annimmt, dass die Energieverteilung eine örtliche Angelegenheit darstellt. 412 Noch weiter geht eine abzulehnende Ansicht, wonach des Örtlichkeitsprinzip für die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden nicht gelte, sondern dieses Prinzip nur für hoheitliches Handeln zum Zwecke des Schutzes der Gemeinden auf ihrem „Hoheitsgebiet“ relevant sei, vgl. Hoppe/Uechtritz/Reck-Uechtritz/Otting/Olgemöller, Handbuch kommunale Unternehmen,3. (2012), § 6 Rn. 22 ff. 413 So auch Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 18. 414 Ähnlich auch Ruffert, VerwArch 92 (2001), 27 (34 f.).
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öffentlichen Zweck dienlich, so würde nach der sozialempirischen Betrachtung des Örtlichkeitsprinzips immer auch eine örtliche Aufgabe vorliegen.415 Die öffentliche Zweckverfolgung auf die Gemeinde bezogen und das Örtlichkeitsprinzip würden damit inhaltlich die gleiche Prüfung vornehmen. Hierdurch werden aber zwei von einander zu trennende Fragestellungen und Zulässigkeitskriterien für das gemeindliche Tätigwerden vermengt. Das Örtlichkeitsprinzip i. S. d. Art. 28 Abs. 2 GG wird dadurch seines eigenständigen Bedeutungsgehalts beraubt. Darüber hinaus wäre auch die Kompetenzaufteilung zwischen den verschiedenen Gemeinden nachhaltig gestört. Jede Gemeinde ist Träger von Staatsgewalt innerhalb des ihr zugewiesenen Wirkungskreises.416 Nur innerhalb dieses Rahmens ist sie gesetzliche legitimiert öffentliche Zwecke zu definieren und Tätigkeiten hieraus i. R.d.e Gesetze zu entfalten.417 Sie darf daher auch nur innerhalb dieses Wirkungskreises und dieser ihr zugewiesenen Berechtigung tätig werden.418 Da die öffentliche Verwaltung auch Verwaltung bleibt, wenn sie wirtschaftlich tätig wird,419 gilt dies auch für die wirtschaftliche Betätigung. Das Örtlichkeitsprinzip schafft damit eine klare Trennung von Zuständigkeiten, Rechten und Pflichten. Auch dies würde durch weitergehende Auslegung des Örtlichkeitsbegriffs unterlaufen werden. Nach wie vor bedarf es daher eines territorialen Bezuges, der auch in der Definition des BVerfG nicht verloren gegangen ist. Auch das BVerfG verweist auf die „örtliche Gemeinschaft“, die nicht anders als territorial, auf das Gemeindegebiet, bezogen verstanden werden kann und verlangt einen „spezifischen Bezug“ zu dieser.420 Des Weiteren ist auch noch ein anderer Aspekt von Bedeutung, der in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur nicht hinreichend in den Fokus gerückt wurde. Bei der Betrachtung des Art. 28 Abs. 2 GG wird in Literatur und Rechtsprechung zentral auf die Formulierung „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ abgestellt. Aus der Frage, was macht die örtliche 415 So auch einräumend: Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), Fn. 2, S. 408. 416 So auch Reichert/Baumann, Kommmunalrecht, Besonderes Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg,2. 2000, S. 125 Rn. 145; so auch Oebbecke, ZHR 164 (2000), 375 (381), der dies Ermächtigung zur Aufgabenerfüllung im „Zuständigkeitsraum der Gemeinde“ nennt. 417 So auch Ruffert, VerwArch 92 (2001), 27 (34). 418 A. A.: Oebbecke, ZHR 164 (2000), 375 (382), der es dennoch nicht für in jedem Fall ausgeschlossen hält, dass außerhalb des Gemeindegebiets wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde in zulässiger Weise stattfinden kann/darf. 419 Ehlers, DVBl, 1998, 497 (504). 420 BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, NVwZ 1989, 347 (347, 4. Leitsatz).
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Gemeinschaft aus, wird dann abgeleitet, was noch im Rahmen des Örtlichkeitsprinzips von der Gemeinde zulässigerweise als Aufgabe übernommen werden darf. Hierbei wird jedoch übersehen, dass Art. 28 Abs. 2 GG nicht losgelöst nur von „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ spricht, sondern dies im dem Kontext ausführt, dass „den Gemeinden“ das Recht zur Wahrnehmung dieser Angelegenheiten einräumt wird. Zentral für die Frage, was eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellt, ist damit das Subjekt (die Gemeinde), das diese ausführt, als Ausgangspunkt der Betrachtung. Daher sind die Gemeinde selbst und ihre juristische Ausgestaltung maßgeblich für die Frage danach, was eine von ihr wahrzunehmende örtliche Angelegenheit ist. Die Gemeinden sind Gebietskörperschaften und als solche örtliche Verwaltungseinheiten. Nach der Definition ist eine Gebietskörperschaft eine Körperschaft, deren Zuständigkeit und Mitgliedschaft geographisch bzw. territorial bestimmt ist.421 Denn eine Gebietskörperschaft ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Aufgaben und Befugnisse sich auf ein bestimmtes Gebiet und alle sich in dem Gebiet aufhaltenden Personen beziehen.422 Sie ist eben nicht einfach nur eine Körperschaft, die auf der Mitgliedschaft von Personen beruht, sondern gerade durch einen zusätzlichen territorialen Bezug gekennzeichnet. Nimmt diese Gebietskörperschaft Aufgaben war, so kann es eben nicht darauf ankommen, dass diese die Mitglieder der Körperschaft generell in irgendwie gearteter Weise betreffen, sondern es muss darauf ankommen, dass ein territorialer Bezug zum Gemeindegebiet vorhanden ist. Konsequenterweise kann daher eine Gemeinde als Gebietskörperschaft nur Aufgaben wahrnehmen, die erstens ihre Körperschaftsmitglieder, also Einwohner betreffen und zweitens (aufgrund der Besonderheit der Gemeinden als Gebietskörperschaften) einen territorialen Bezug aufweisen. Das Örtlichkeitsprinzip ist daher immer im Zusammenhang mit dem territorialen Gebiet der Gemeinde zu betrachten.423 Eine örtliche Angelegenheit muss daher immer einen territorialen Bezug aufweisen, indem das kommunale Engagement im territorialen Machtbereich der Gemeinde belegen ist.
Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), § 1 Rn. 1.3; Pünder/SchellenbergPünder, Vergaberecht,1. (2011), § 98 Rn. 14. 422 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), § 1 Rn. 1.3; Pünder/SchellenbergPünder, Vergaberecht,1. (2011), § 98 Rn. 14; so auch in Duden Recht A-Z (2007), S. 185. 423 So wohl auch Löwer, NWVBl. 2000, 241 (244), der in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass ein Verwaltungsakt, der unter Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit ergeht, rechtswidrig, z. T. So gar nichtig sein könne.; a. A.: Kühling, NJW 2001, 177 (178); Cronauge, AfK 1999, 24 (31). 421 Hirte,
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
(b) Bedeutung für (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung Welcher Auslegung des Begriffs „örtlich“ man folgt, mag in vielen Fällen im Ergebnis keinen Unterschied machen. Für die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze spielt es indes eine Rolle, wenn eine Gemeinde expansive Pläne und Ziele über das eigene Gemeindegebiet hinaus verfolgt. Knüpft man an die sozialempirische Auslegung des Begriffs der örtlichen Angelegenheit an, muss die Elektrizitätsverteilung einen Bezug zu den Gemeindebewohnern und den ihnen als solchen gemeinsamen und ihr Zusammenleben in der Gemeinde betreffenden Bedürfnissen bzw. Interessen haben und als Angelegenheit in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln bzw. einen spezifischen Bezug hierzu aufweisen.424 Da dieses Begriffsverständnis sehr weit ist, wird aufgrund der lokalen Leitungsnetze und des Strombezuges der Gemeindebewohner aus diesem Leitungsnetz vom Vorliegen eines örtlichen Angelegenheit ausgegangen.425 Als Gründe hierfür kann auf die Ausführungen im Hinblick auf die Begründungsansätze zur Befriedigung örtlicher Bedürfnisse und zur Kompetenz aufgrund der Straßenbaulast und des kommunalen Eigentums verwiesen werden.426 Allerdings darf nicht allzu leicht über das Erfordernis der Erfüllung eines örtlichen Bedürfnisses hinweggegangen werden. Diesbezüglich ist kritisch zu hinterfragen, ob tatsächlich ein örtliches Bedürfnis nach einer kommunalen Energieversorgung besteht.427 Insbesondere muss muss kritisch hinterfragt werden, ob es sich bei dem Betrieb der Energieverteilernetze um die Erfüllung eines spezifischen in der örtlichen Gemeinschaft wurzelnden Bedürfnisses handelt. Schließlich haben die Menschen bundesweit, egal in welcher Gemeinde sie leben, ein Bedürfnis nach Energie. Festzuhalten bleibt jedoch, dass zahlreiche Stimmen gestützt auf das vorstehend erläuterte Verständnis des Örtlichkeitsprinzips von der Energieverteilung als örtlicher Angelegenheit ausgehen.428 Auch bei einer Expansion der Stromverteilungsaktivitäten durch Engagement der Gemeinde außerhalb des eigenen Gemeindegebiets kann nach dem sozialempirischen Verständnis eine örtliche Angelegenheit vorliegen, wenn die Aktivitäten außerhalb des Gemeindegebietes immer noch einen hinreichenden Bezug zum eigen Gemeindevolk aufweisen. So könnte etwa argumentiert werden, dass eine Beteiligung an einem fremden Verteilernetz für die Gemeinde wirtschaftlich sinnvoll sein kann, weil hierdurch Einnahmen zu424 So nach Definition des BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, NVwZ 1989, 347 (347 Leitsatz 4). 425 Vgl. § 6 II.9.c)gg)(3)(a). 426 Vgl. § 6 II.9.c)gg)(3)(a). 427 Diese Frage auch aufwerfend: Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 244 ff. 428 Hierzu unter verschiedenen Aspekten und Argumentationslinien in § 6 II.9.c).
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben177
gunsten des eigenen Gemeindehaushaltes erwirtschaftet werden können und auch Know-how durch die Beteiligung erlangt werden könnte, welches vor Ort bei der eigenen Energieverteilung fruchtbar gemacht werden kann. Hiermit soll nur beispielhaft gezeigt werden, dass das sozialempirische Verständnis der örtlichen Angelegenheit überörtlichen Aktivitäten eine große Freiheit einräumt. Nach hier vertretener Auffassung ist das Örtlichkeitsprinzip jedoch enger, nämlich territorial zu verstehen als nach der sozialempirischen Auslegung des Begriffs. Wie vorstehend ausgeführt bedarf es für das Vorliegen einer örtlichen Angelegenheit eines territorialen Bezuges zum Gemeindegebiet selbst und damit zur Gebietshoheit der Gemeinde. Durch die Belegenheit der Verteilernetzinfrastruktur im territorialen Machtbereich der Gemeinde (im Gemeindegebiet selbst) ist dieser territoriale Bezug zunächst zu bejahen. Rein faktisch ist das Verteilernetz auf das jeweilige Gemeindegebiet zugeschnitten und innerhalb der Gebietshoheit der Gemeinden belegen. Innerhalb ihrer Gebietshoheit erscheint daher grundsätzlich die Befugnis der Gemeinde zur (Re)Kommunalisierung des Verteilernetzes gegeben. Etwas anderes wäre dann anzunehmen, wenn man die Elektrizitätsverteilung vor Ort nicht als eigenständigen Teil der Energieversorgung betrachten, sondern demgegenüber die Elektrizitätsverteilung im Kontext europaweiter Energieversorgung sehen würde.429 Diese Abstraktion, weg von der Belegenheit der Netze im Erdreich der Gemeinde, ist insbesondere aufgrund der Entwicklungen im Energiebereich seit dem Jahre 1998 und der Liberalisierung und auch Entörtlichung der Energieversorgung naheliegend.430 Der Strommarkt hat durch die Liberalisierung einen überörtlichen Charakter bekommen, der ihn europäisch (und nicht im Sinne einer typischen kommunalen Aufgabe örtlich) ausrichtet. Daher kann nach der Liberalisierung des Strommarktes die Elektrizitätsversorgung nicht mehr einfach als Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft und damit der Gemeinden angesehen werden.431 Denn auch die Energieverteilung muss sich zunehmend „in die Marktstrukturen der europäischen Wettbewerbsordnung einpassen“.432 Die zunehmende 429 So Becker, NstZ 2009, 306 (307); kritisch auch Hauser, Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen: Beschränkungen durch Verfassung, Gemeindeordnung und Wettbewerbsrecht, 2004, S. 98; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 410 f. 430 So argumentierend: Ossenbühl, DÖV 1992, 1 (8 f.); in diese Richtung: Gern, Deutsches Kommunalrecht,3. (2003), Rn. 60; Schwintowski, in: Büdenbender/Kühne, Das neue Energierecht in der Bewährung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Jürgen Baur,1. (2002), S. 348 f. 431 So auch Dietlein/Burgi/Hellermann-Burgi, Öffentliches Recht in NordrheinWestfalen,5. (2014), § 2 (Kommunalrecht) Rn. 64. 432 So Becker, NstZ 2009, 306 (307).
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Europäisierung der Energieversorgung, insbesondere auch des Energietransportes über Netze, sät daher Zweifel an der Kategorisierung der Elektrizitätsverteilung als örtliche Angelegenheit. Diese Zweifel können noch dadurch vertieft werden, dass im Hinblick auf die Elektrizitätsverteilung möglicherweise die Anknüpfung an die Netze zu kurz greift und vielmehr der Energietransport als Ganzes zu betrachten ist. Zwar liegen die Verteilernetze im territorialen Gebiet der Gemeinden, aber wenn man an den Sinn und Zweck der Elektrizitätsverteilung anknüpft, geht es vor allem um die Ermöglichung der Versorgung der Verbraucher mit Energie. Dabei ist die Elektrizitätsverteilung das letzte Stück in einer langer Versorgungskette von der Erzeugung bis zu dem Verbrauch des Stroms. Insofern stellt die Elektrizitätsverteilung das Ende eines großflächigen Versorgungsweges dar. Im Hinblick darauf bildet die Elektrizitätsverteilung gerade keine spezifische kommunale Angelegenheit. Die Elektrizitätsverteilung muss sich vielmehr an europäischen Standards orientieren und bundes- und europaweiten Anforderungen genügen. Denn erst durch die sichere Abnahme des eingespeisten Stroms durch den von den Verteilernetzen angeschlossenen Letztverbrauchern ist das Funktionieren der gesamten Energieversorgung gewährleistet. Damit hat die Elektrizitätsverteilung längst keine rein lokale Bedeutung mehr, sondern ist viel großflächiger zu betrachten. Die Elektrizitätsverteilung ist daher ihrer Bedeutung nach längst der örtlichen Angelegenheit entwachsen und zu einer bundes- wenn nicht europaweiten Angelegenheit geworden. Damit ist die Elektrizitätsverteilung inhaltlich betrachtet auch nicht mehr als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zu verstehen und nicht der allgemeinen Befugnis der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 GG unterstellt. Es ist jedoch deutlich zu erkennen, dass in Literatur und Praxis zahlreiche Versuche unternommen werden, um die Elektrizitätsverteilung (gerade noch) der gemeindlichen Kompetenz zu unterstellen. Mit Blick auf den territorialen Zuschnitt der Netze und ihrer Belegenheit im Gemeindegebiet mag dies auch unter Ausblendung der europäischen Entwicklungen gerade noch überzeugen. Insofern erscheint einzig haltbar auf die Netzeinheiten abzustellen, die nach wie vor (rein faktisch) in örtliche, sich an den Gemeindegrenzen orientierende Einheiten aufgeteilt sind. Denn trotz der europarechtlichen Einflussnahme auf das Energierecht werden die Verteilernetze vor Ort, begrenzt auf das Gemeindegebiet, betrieben und auch nur hierfür, also quasi in Gebietseinheiten, vergeben. Eine gemeindebezogene Verankerung der Elektrizitätsverteilung in den einzelnen Gemeinden ist daher faktisch nach wie vor (wenn auch in geringem Maße) gegeben.433 Die Belegenheit der Netze im 433 Aber auch diesbezüglich kritisch: Kuhnt, RdE 1992, 125 (132), der ausführt, dass die faktische Stellung der Gemeinden „keine verfassungsrechtlich abgesicherte
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territorialen Machtbereich der Gemeinde spielt dabei die bedeutende Rolle. Knüpft man hieran an, wird man gerade noch einen dem Örtlichkeitsprinzip entsprechenden Bezug zur Gemeinde herstellen können. Betrachtet man jedoch stärker die inhaltliche Dimension der Elektrizitätsverteilung, so muss man konsequenterweise die Elektrizitätsverteilung als keine dem Art. 28 Abs. 2 GG mehr unterstehende Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft qualifizieren. Folgt man indes dem Ansatz (gerade noch) von einer örtlichen Angelegenheit auszugehen, darf dabei jedoch eines in jedem Falle (nach hier vertretener Ansicht zur Auslegung des Örtlichkeitsprinzips) nicht übersehen werden: Eine örtliche Angelegenheit liegt nur vor, wenn die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze einen territorialen Bezug zur Gemeinde aufweist, also gerade nur durch die Gemeinde im eigenen Gemeindegebiet betrieben wird. Über das Gemeindegebiet hinausgehende Aktivitäten der Gemeinde sind nicht nur problematisch,434 sondern grundsätzlich435 mit dem Örtlichkeitsprinzip und Art. 28 Abs. 2 GG nicht vereinbar.436 Nach hier vertretener territorialer Ansicht fehlt es einer überörtlichen Betätigung an dem notwendigen territorialen Bezug zur Heimatgemeinde. Da die Anhänger des sozialempirischen Verständnisses des Örtlichkeitsprinzips in diesem Fall anders entscheiden würden, ist es insofern durchaus von Bedeutung, welchem Verständnis des Örtlichkeitsprinzips man folgt. hh) Ergebnis Die Elektrizitätsverteilung ist, betrachtet man sie inhaltlich, dem örtlichen Wirkungskreis längst entwachsen. Die Elektrizitätsverteilung ist danach Aufgabenwahrnehmungszuständigkeit und dies erst recht nicht in einem ausschließlichen Sinn“ begründe. 434 Britz, Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 70 f. 435 Auszunehmen hiervon sind Kooperationen zwischen Gemeinden, die über die Kooperationshoheit der Gemeinden geschützt sind, vgl. Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen, 2010, S. 57; und keine unzulässige überörtliche Angelegenheit darstellen, sondern eine mehrörtliche Angelegenheit, in der sich die Verbandskompetenz der beteiligten Gemeinden sozusagen addiert; Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 63. 436 Hölzer, Der Energiesektor zwischen Marktwirtschaft und öffentlicher Aufgabe: Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Steuerung unter besonderer Berücksichtigung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts und des Europarechts, 2000, S. 307; Schmidt-Assmann, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 251 (259); a. A.: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle, 2013, S. 61 f.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
nicht mehr als örtliche Angelegenheit und damit Befugnis der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 GG zu qualifizieren. Literatur und Praxis unternehmen indes zahlreiche Versuche, um die Elektrizitätsverteilung (gerade noch) dem Einflussbereich der Gemeinden und ihrer Befugnis nach Art. 28 Abs. 2 GG zuzuordnen. Hierbei überzeugt einzig die territoriale Aufgliederung der Verteilernetze und dessen Belegenheit im territorialen Machtbereich der Gemeinden. Da die Zuordnung der Energieverteilung zur örtlichen Angelegenheit nach Art. 28 Abs. 2 GG derzeit als gängige Praxis festzustellen ist, soll nachfolgend die aus Art. 28 Abs. 2 GG folgende Befugnis zum Engagement der Gemeinden im Bereich der Elektrizitätsverteilung im eigenen Gemeindegebiet weiter untersucht werden. Dabei wird jedoch einzig die (Re)Kommunalisierung des eigenen Verteilernetzes im eigenen Gemeindegebiet als zulässige Form der (Re)Kom munalisierung betrachtet, da ansonsten der (nach hier vertretener Ansicht) für das Örtlichkeitsprinzip nach Art. 28 Abs. 2 GG notwendige spezifische territoriale Bezug zur Gebietskörperschaft fehlt. Diese steht außerdem unter dem Vorbehalt, dass die gemeindliche Betätigung als Netzbetreiber im Einklang mit dem Grundgesetz und den einfachgesetzlichen Regelungen ist. Denn die gemeindliche Befugnis aus Art. 28 Abs. 2 GG ist nicht vorbehaltlos, sondern nur „im Rahmen der Gesetze“ gewährleistet.437 Dies gilt es daher nachfolgend genau zu untersuchen. Die vorstehend an dieser Zuordnung der Elektrizitätsverteilung zu Art. 28 Abs. 2 GG erhobene Kritik wird jedoch – trotz dieses nachfolgenden Vorgehens – aufrecht erhalten. Die Elektrizitätsverteilung ist – wie vorstehend ausgeführt – längst nicht mehr von besonderer örtlicher Bedeutung, sondern erfüllt eine weit darüber hinaus gehende bundes-, wenn nicht europaweite Aufgabe. Hiernach ist eine Befugnis der Gemeinden die Elektrizitätsverteilung im Rahmen einer (Re)Kommunalisierung an sich zu ziehen konsequenterweise nicht gegeben. d) Zusammenfassung zu Art. 28 Abs. 2 GG Art. 28 Abs. 2 GG gewährt den Gemeinden das Recht „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ zu regeln. Nach hier vertretener Ansicht fehlt es an dem Vorliegen einer örtlichen Angelegenheit, da durch die die Europäisierung im Energiebereich seit dem Jahre 1998 und den damit zusammenhängenden Entwicklungen in Form der Liberalisierung und Entörtlichung der Energieversorgung die Verteilernetze nicht isoliert auf das Gemeindegebiet, sondern im bundes- und europaweiten Netzzusammenhang zu sehen 437 Hierauf
auch hinweisend: Hoch/Theobald, KSzW 2011, 300 (304).
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sind. Hiernach ist das Vorliegen einer örtlichen Angelegenheit zu verneinen. Allerdings halten sich Rechtsprechung und Literatur weit überwiegend nach wie vor daran fest, dass die Verteilernetze im Gebiet der Gemeinde belegen und auf diese zugeschnitten sind. Dies erscheint im Hinblick auf das Vorliegen einer örtlichen Angelegenheit nach hier vertretener Ansicht nicht ausreichend. Dennoch wird man diese Ansicht und das hierauf gestützte Vorliegen einer örtlichen Angelegenheit i. S. d. Art. 28 Abs. 2 GG wohl gerade noch als juristisch vertretbar werten müssen. Auch aus diesem Grunde wird daher weitergehend untersucht werden, wie sich die einfach-gesetzlichen und landesrechtlichen Regelungen zur Betätigung der Gemeinden im Zusammenhang mit der (Re)Kommunalisierung verhalten. Aus der Anknüpfung an die Belegenheit und den Zuschnitt des Netzes folgt in seiner rechtlichen Konsequenz, dass die Gemeinden hiernach grundsätzlich befugt sind, sich auf dem eigenen Gemeindegebiet in der Elektrizitätsverteilung zu betätigen. Art. 28 Abs. 2 GG ist allerdings seiner Natur nach sehr grundsätzlich und allgemein gehalten. Selbst unter Zugrundelegung dieser Ansicht kann Art. 28 Abs. 2 GG somit auch nur eine sehr allgemeine Befugnis entnommen werden. Diese Befugnis ist nicht vorbehaltlos gewährt. Vielmehr haben die Gemeinden diese allgemeine Befugnis nur im Rahmen der geltenden Gesetze.438 Im Sinne des Gesetzesvorbehaltes und des Erfordernisses einer gesetzlichen Befugnisnorm für die (Re)Kommunalisierung kann daher nicht nur Art. 28 Abs. 2 GG betrachtet werden. Vielmehr muss das ihn konkretisierende gesetzliche Regelwerk geprüft werden. Nur, wenn sich aus dem konkretisierenden Regelwerk eine Befugnis der Gemeinden zur Elektrizitätsverteilung ergibt, ist die (Re)Kommunalisierung rechtlich zulässig. Art. 28 Abs. 2 GG bildet daher den ersten grundrechtlichen Anknüpfungspunkt für eine solche, kann aber nicht als abschließend gewertet werden. 10. Zusammenfassung zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben Das Grundgesetz trifft keine energiespezifische Aussage,439 aus der he raus eine Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung abzuleiten wäre. Der Energiesektor findet lediglich im Rahmen der Gesetzgebungskompetenzen in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG Erwähnung.440 438 So auch noch einmal fast wortgleich festgestellt: LG Kiel, Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart. 83/10, besprochen durch Sauer, EweRK 3/2012, 106 (107). 439 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 10. 440 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 11.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Zugunsten der Gemeinden, die im Rahmen der Elektrizitätsverteilung tätig werden wollen, finden auch die Grundrechte keine Anwendung. Wie gezeigt werden konnte, kann auch aus der Ermöglichung der Grundrechtsausübung für die Bürger keine Staatsaufgabe für die Energieversorgung abgeleitet werden. Auch dem Art. 15 GG ist werde direkt noch mittelbar eine Aussage im Hinblick auf eine Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung zu entnehmen. Diese ergibt sich auch nicht aus dem Sozialstaatsprinzip oder der Gewährleistungsverantwortung des Staates, solange nicht ein Marktversagen ein Einschreiten des Staates im Bereich der Elektrizitätsverteilung notwendig macht. Auch das Demokratieprinzip bietet keinen Anknüpfungspunkt für eine Befugnis der Gemeinden. Einzig Art. 28 Abs. 2 GG schafft eine grundgesetzliche Grundlage für ein Tätigwerden der Gemeinden i. S. d. (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze im Rahmen wirtschaftlicher Betätigung. Dabei müssen sich die (Re)Kommunalisierungsambitionen der Gemeinden innerhalb des eigenen territorialen Gebietes und der den Art. 28 Abs. 2 GG konkretisierenden Gesetze bewegen. Aus Art. 28 Abs. 2 GG folgt für die (Re)Kommunalisierung des Verteilernetzes im Gemeindegebiet nur eine allgemeine Befugnis der Gemeinden zur wirtschaftlichen Betätigung in der Energieverteilung, die durch die Gesetze näher ausgestaltet und begrenzt wird. Damit reicht die Betrachtung des Art. 28 Abs. 2 GG im Hinblick auf eine Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung nicht aus. Vielmehr sind die den Art. 28 Abs. 2 GG konkretisierenden Gesetze zu beachten und nachstehend zu prüfen.
III. Einfach-spezialgesetzliche Vorgaben Im Sinne des Vorrangs des Gesetzes ist hierbei zunächst auf das Bundesrecht und seine Aussagen im Hinblick auf eine mögliche Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung einzugehen. Mit Blick auf die Elektrizitätsverteilung als spezifische energierechtliche Aufgabe ist daher das EnWG besonders relevant. Aber auch das zunächst eher allgemein erscheinende BauGB ist zu beachten. Bevor diese beiden Bundesgesetze mit Blick auf ihre Aussagen zur Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung untersucht werden, soll der Zuschnitt des Energiesektors, insbesondere seine im EnWG gewachsenen Strukturen, betrachtet werden. Denn bereits der Zuschnitt des Energiesektors ermöglicht erste Rückschlüsse auf die Frage nach der Befugnis der Gemeinden und ihrer Rolle in der Energieversorgung.
III. Einfach-spezialgesetzliche Vorgaben183
1. Rechtlicher Zuschnitt des Energiesektors Der Energiesektor in seinem heutigen, aber auch in seinem historischen Zuschnitt, lässt nicht die Gemeinde als geborenen Energieversorger erkennen. Ein solcher Befund stünde auch im Gegensatz zu der Entwicklungsgeschichte der Stromwirtschaft und der Entstehungsgeschichte des EnWG.441 Die Versorgung mit Gas und kurz danach auch mit Elektrizität gründete sich auf private „Pionier-Initiative“442, die zunächst auf die Versorgung einzelner, punktueller Bereiche beschränkt war.443 Der Trend hin zu einer kommunalen Energieversorgung stellte sich erst später ein.444 Diesen ursprünglichen Zuschnitt des Energiesektors macht besonders die ursprüngliche Präambel des EnWG deutlich.445 In dieser Präambel – aus dem Jahre 1934446 – wurde ausgeführt, dass die „Sicherung des notwendigen öffentlichen Einflusses in allen Angelegenheiten der Energieversorgung“ sicherzustellen ist. Hätte der historische EnWG-Gesetzgeber die Vorstellung gehabt, dass der Staat bzw. die Gemeinden für die Energieversorgung und den Netzbetrieb zuständig wären, dann müsste kein „öffentlicher Einfluss“ auf diese gesichert werden.447 Denn die Wahrnehmung einer Aufgabe in eigener Kompetenz ist das Maximum an Einfluss.448 Die Sicherung eines öffentlichen Einflusses wäre in diesem Falle absurd. Hiermit wurde in der Präambel vielmehr die Vorstellung des Gesetzgebers festgehalten, dass die Erfüllung der Aufgaben der Energieversorgung, auch und insbesondere den Privaten durch das EnWG zugewiesen sind.449 Die gesetzlichen Regelungen im 441 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 4; hierzu auch schon in § 5 II.2. 442 Zur historischen Entwicklung der Energieversorgung: Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 35 ff., Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung (2001), S. 574 ff. 443 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 5. 444 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 5. 445 Fortgeltung der Präambel wird unterschiedlich beurteilt, siehe Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 181 (Fußnote); Papier, in: Wilke (Hrsg.), Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin (1984), S. 529 (540, Fn. 50), der zur Fortgeltung und Aufhebung der Präambel durch alliertes Recht nach dem Ende des 2. Weltkrieges ausführt. 446 Reichsgesetzblatt, Teil 1, 1935, S. 1451 ff. 447 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 192. 448 So auch Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 192. 449 So auch Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 161; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (226).
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
EnWG sahen und sehen nicht die Konstitution der Energieverteilung als konkrete Verwaltungsaufgabe vor, sondern beschränken die staatlichen Kompetenzen vielmehr auf die Aufsicht und Eingriffsmöglichkeiten in bestimmten Konstellationen.450 Heute stellt sich die deutsche Energiewirtschaft als Mischform zwischen gemeindlichem und privatem Engagement dar. Zum einen wird der Staat selbst als Wirtschaftsteilnehmer in öffentlich-rechtlicher oder gemischtwirtschaftlicher Form tätig.451 Zum anderen betätigen sich private Unternehmen aus dem In- und Ausland in der Elektrizitätsverteilung und -übertragung. Dabei haben der Wettbewerb auf der einen und die Regulierungsverantwortung des Staates auf der anderen Seite (insbesondere durch den europäischen Liberalisierungsprozess) höchste Priorität.452 Insofern ist auch die Umgestaltung des Energiewirtschaftsrechts durch ein von der EU ausgehendes Wettbewerbskonzept geprägt.453 2. Vorgaben aus dem EnWG Das EnWG befasst sich an verschiedenen Stellen mit der Energieverteilung und enthält einige Regelungen, die im Hinblick auf die Frage nach einer Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung relevant sein können. Diese werden nachfolgend betrachtet werden. a) Begriffsbestimmungen in § 3 EnWG Auch das aktuelle Energiewirtschaftsgesetz kennt die Gemeinde als „ geborenen“ Elektrizitätsversorger nicht.454 Wer die Energieversorgungsunternehmen sind, ist heute in § 3 Nr. 18 EnWG geregelt. Hiernach sind Energieversorgungsunternehmen „natürliche oder juristische Personen, die Energie an andere liefern, ein Energieversorgungsnetz betreiben oder an einem Energieversorgungsnetz als Eigentümer Verfügungsbefugnis besitzen“. auch und hierzu Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (226). auch Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 416. 452 Ähnlich auch Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 410 ff. 453 Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 410 f.; Ehlers/Fehling/Pünder-Ehlers/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1,3. (2012), § 4 B. Rn. 11; ausführlich zum europarechtlichen Einfluss Achterberg/ Püttner/Würtenberger-Pielow, Bd. 1,3. (2012), § 22 Rn. 16 ff. 454 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft (1989), S. 109. 450 So 451 So
III. Einfach-spezialgesetzliche Vorgaben185
Im gleichen Sinne wie der damalige § 2 Abs. 2 S. 1 EnWG (1935) ist auch noch heute eine träger- und organisationsneutrale Formulierung zu finden.455 Im Übrigen macht „natürliche Person“ in § 3 Nr. 18 EnWG deutlich, dass auch ein einzelner Privater ein Netzbetreiber sein kann. Insofern ermöglicht das EnWG einen Netzbetrieb auch unter vollständigem Ausschluss des Staates auf Betreiberseite. Andersherum schließt § 3 Nr. 18 EnWG ein Engagement des Staates als Netzbetreiber aber auch nicht aus. Die Gemeinden als Gebietskörperschaften und damit juristische Personen des öffentlichen Rechts können hiernach auch Energieversorgungsunternehmen sein. Auch in Bezug auf die konkrete Definition des Betreibers von Elektrizitätsversorgungsnetzen in § 3 Nr. 2 EnWG lässt sich dies feststellen. Nach § 3 Nr. 2 EnWG sind Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen „natürliche oder juristische Personen oder rechtlich unselbstständige Organisa tionseinheiten eines Energieversorgungsunternehmens, die Betreiber von Übertragungs- oder Elektrizitätsverteilernetzen sind.“ Auch § 3 Nr. 2 EnWG lässt daher offen, ob Private oder öffentliche-rechtliche Personen nach Vorstellung des EnWG Netzbetreiber sein sollten. Zusätzlich enthält das EnWG eine genau Definition des Begriffs des Betreibers von Elektrizitätsverteilernetzen. Gem. § 3 Nr. 3 EnWG sind dies natürliche oder juristische Personen oder rechtlich unselbstständige Organisationseinheiten eines Energieversorgungsunternehmens. Auch im Zusammenhang mit den Elektrizitätsverteilernetzbetreibern gilt daher das schon zu § 3 Nr. 2 und § 18 EnWG Gesagte. b) Zweck des EnWG in § 1 Abs. 1 EnWG Daneben ist der Zweck des EnWG zu beachten. § 1 Abs. 1 EnWG nennt als Zweck des Gesetzes „eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht.“ Diesem Zweck sind alle Energieversorgungsunternehmen nach § 2 Abs. 1 EnWG verpflichtet. Aus § 1 Abs. 1 EnWG lässt sich direkt keine Systementscheidung zugunsten eines kommunalen bzw. staatlichen Netzbetriebes als Zweck entnehmen.456 Allerdings lässt sich die umgekehrte Frage stellen: Ist die (Re)Kommunalisierung mit diesem in § 1 Abs. 1 EnWG niedergelegten Zweck des EnWG vereinbar? Insbesondere im Hin455 So auch Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 10. 456 BKartA, Stellungnahme des Bundeskartellamtes zur öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages zur Rekommunalisierung der Energieversorgung, Ausschussdrucksache 17(9)383 vom 21. Januar 2011, S. 4.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
blick auf die preisgünstige und effiziente Versorgung der Allgemeinheit mit Energie könnte die (Re)Kommunalisierung problematisch sein. Die Frage der Effizienz ist dabei nicht nur eine rein ökonomische. Sie wird durch das EnWG auch zu einer juristischen Frage gemacht. Dieser Aspekt darf daher in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden, auch wenn § 1 Abs. 1 E nWG mit seinen Zwecksetzungen keine direkte Rechtsfolge begründet.457 Nichtsdestotrotz hat § 1 EnWG eine rechtliche Bedeutung und Dimension dahingehend, dass dieser der Auslegung und Anwendung der spezielleren Normen des EnWG (so bspw. im Rahmen der Vergabeentscheidung nach § 46 EnWG458) dient.459 Durch einzelne (Re)Kommunalisierungsvorhaben kann es zu einer Zersplitterung zusammenhängender Versorgungsgebiete in kleine Netzbereiche kommen, die zu Effizienzeinbußen führen können. Dabei kann die Zersplitterung des Netzes soweit gehen, dass rentable regionale Netzverbünde insgesamt betroffen sein können. Betreibt bspw. ein privater Netzbetreiber mehrere Netze in einer Art regionalem Verbund, so werden vermutlich hierunter einige wenige besonders lukrative Netzbereiche (bspw. hauptsächlich städtischer Bereich mit guter Netzauslastung und vielen angeschlossenen Haushalten, Unternehmen, etc.)460 sein, aber auch einige weniger lukrative Netzbereiche (bspw. hauptsächlich ländliche oder dünn besiedelte Gebiete mit einer geringen Netzauslastung)461. Diese Mischung der attraktiven Netzbereiche mit den weniger attraktiven Netzbereichen führt optimalerweise insgesamt dazu, dass der Netzbetreiber auch weniger rentable Bereiche mitversorgen kann. Erfolgt nun eine (Re)Kommunalisierung, die vor allem für Gemeinden mit lukrativen Netzbereichen interessant sein wird, so könnten diese Netzbereiche von der Gemeinde aus der „attraktiven Mischung“ herausgelöst werden (sog. „Rosinenpicken“ oder „cream skimm ing“)462. Zurück bliebe ein Netz, welches der ausgleichenden Mischung beraubt wurde. In der Folge des Herauslösens des lukrativen Netzbereiches können im verbleibenden Netzbetrieb Leerkosten (Fix- und variable Kosten, die keinen entsprechenden Einnahmen gegenüberstehen) entstehen.463 Denn 457 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann/Hermes, 458 Hierzu
detailliert in § 7 II.
EnWG,3. (2015), § 1 Rn. 40.
EnWG,3. (2015), § 1 Rn. 40. ZfE 1989, 256 (259). 461 Schmidt, ZfE 1989, 256 (259). 462 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 12; so wohl auch Lang, Neuordnung der energierechtlichen Rahmenbedingungen und Kommunalisierung der Elektrizitätsversorgung (1993), S. 18; Schmidt, ZfE 1989, 256 (260). 463 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 12; so wohl auch Lang, Neuordnung der energierechtlichen Rahmenbedingungen und Kommunalisierung der Elektrizitätsversorgung (1993), S. 18; Schmidt, ZfE 1989, 256 (260). 459 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann/Hermes, 460 Schmidt,
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für den Teil des weniger ausgelasteten, also weniger lukrativen Netzbereiches fallen ja weiterhin die Fixkosten und variablen Kosten an, nur dass diese nicht mehr durch Netzeinnahmen aus lukrativen Netzbereichen kompensiert werden.464 Erhebliche wirtschaftliche Einbußen drohen daher. Das Ziel der Preisgünstigkeit und Effizienz nach § 1 Abs. 1 EnWG gerät dadurch in Gefahr. Durch die Zersplitterung der Netzbereiche sind neben den Effizienzverlusten daher auch höhere Kosten anzunehmen, die wiederum für die Netznutzer und damit für den Wettbewerb im Netz nachteilig sind und die Vertriebsmärkte hemmen können.465 Im Übrigen wirkt sich auch das durch die 20-jährige Konzessionszeit [detailliert hierzu in § 7 V.] verlorengegangene Know-how bei den Gemeinden in puncto Netzbetrieb aus, was ebenfalls nachteilig Folgen für die Effizienz und Preisgünstigkeit des Netzbetriebes haben kann. Des Weiteren kann sich eine Gefahr für die Preisgünstigkeit und Effizienz der Energieversorgung auch dadurch ergeben, dass öffentliche Unternehmen nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung [vgl. vorstehend § 6 II.9.b)bb) und nachfolgend § 6 IV.2.b)aa)(2)] agieren dürfen und damit auch die Kontrolle effektiven Wirtschaftens nicht im Vordergrund stehen wird.466 Ohne diesen Antrieb des wirtschaftlichen Erfolges in Form der Gewinnerzielung besteht grundsätzlich die Gefahr, dass öffentlichen Unternehmen weniger effizient als private Unternehmen wirtschaften.467 Insofern spricht das Ziel der preisgünstigen und effizienten Energieversorgung nach § 1 Abs. 1 EnWG in der Tendenz gegen eine (Re)Kommunalisierung, schließt diese aber nicht aus, da Effizienz und Preisgünstigkeit nur zwei von fünf Zwecken des § 1 Abs. 1 EnWG darstellen und jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob die vorstehenden Befürchtungen jeweils tatsächlich zutreffen. c) Aufgaben der Elektrizitätsverteiler gem. § 14 EnWG Des Weiteren ist § 14 EnWG bei der Betrachtung der EnWG-Vorgaben hervorzuheben. § 14 EnWG regelt die gesetzlichen festgeschriebenen Aufgaben der Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen. Auch in § 14 EnWG ist nicht ersichtlich, dass dem Staat oder seinen Untergliederungen etwaige 464 Schmidt,
ZfE 1989, 256 (259). Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 6 Rn. 21. 466 Haucap/Coenen, IR 2009, 338 (339). 467 Haucap/Coenen, IR 2009, 338 (339). 465 BKartA/BNetzA,
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Befugnisse im Hinblick auf den Netzbetrieb zukommen. Ganz im Gegenteil: Der Betreiber der Verteilernetze bekommt einen gesetzlichen Aufgabenkanon auferlegt, was dafür spricht, dass staatlicherseits sichergestellt werden sollte, dass private Netzbetreiber auch die im Gemeinwohl liegenden Aspekte der Elektrizitätsverteilung in der täglichen Praxis berücksichtigen und umsetzen. Ähnlich wie bereits zur Präambel des EnWG aus dem Jahre 1934468 ausgeführt,469 gilt auch hier, dass eine so deutliche Regelung nicht nötig gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber davon ausginge, dass der Staat (in welcher Form auch immer) die Netze betreiben wird. Denn der Staat ist dem Gemeinwohl und den im Interesse der Allgemeinheit liegenden Aspekten der Energieversorgung (wie § 14 Abs. 1 EnWG ausführt „Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung“) sozusagen durch sein „Staatsein“ bereits verpflichtet. d) Enteignung in der Energieversorgung gem. § 45 EnWG Des Weiteren ist die Regelung in § 45 EnWG möglicherweise relevant. Diese regelt spezifische Voraussetzungen für die Enteignung zu Zwecken der Energieversorgung. Diese Regelung nehmen einige Stimmen in der Literatur zum Anlass, hieraus eine Staatsaufgabe für die Energieversorgung, im Besonderen für die Energieverteilung, abzuleiten.470 Wenn § 45 EnWG Enteignungsmaßnahmen zum Zwecke der Energieversorgung für zulässig erkläre, so sei dies nur damit begründbar, dass mit der Energieversorgung eine Staatsaufgabe erfüllt werde.471 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Enteignungsmaßnahmen nach §§ 45 f. EnWG können auch zugunsten privater Netzbetreiber erfolgen.472 Dies hatte das BVerfG bereits in einer Entscheidung zur alten Enteignungsnorm in § 11 Abs. 1 EnWG a. F. entschieden.473 Die Regelung über die Zulässigkeit von Enteignungsmaßnahmen sagt nichts darüber aus, ob das dadurch ermöglichte Vorhaben oder die Energieverteilung als Ganze öffentliche oder gar Staatsaufgabe ist. Sehr deutlich wird dies, wenn man vergleichbare Regelungen aus anderen Bundesgesetzen heranzieht. In §§ 85 ff. BauGB sind ebenfalls Regelungen zum 468 Reichsgesetzblatt,
Teil 1, 1935, S. 1451 ff. § 6 III.1. 470 So Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 115. 471 So Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 115 (zur alten Enteignungsnorm in § 11 EnWG a. F.). 472 So stellt es Wesener sogar selber fest, vgl. Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 115 (zur alten Enteignungsnorm in § 11 EnWG a. F.). 473 BVerfG, Beschl. v. 20.03.1984, 1 BvL 28/82, BVerfGE 66, 248 (257). 469 Siehe
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Zwecke der Enteignung niedergelegt. Auch bei Bauvorhaben474 können Enteignungen nötig sein, um diese zu verwirklichen. Dennoch würde niemand behaupten, dass sich hieraus ableiten ließe, dass Bauvorhaben eine Staatsaufgabe darstellen. Dass eine Enteignung selbstverständlich schon wegen Art. 14 GG einem öffentlichen Zweck dienen muss, besagt noch lange nicht, dass das Vorhaben, zu dessen Gunsten enteignet wird, ein staatliches ist. Insofern lässt sich § 45 EnWG keine Aussage über die Befugnis der Gemeinden im Rahmen der Energieverteilung entnehmen. e) Konzessionsvergabe gem. § 46 EnWG Zentrale Norm im Zusammenhang mit den Stromkonzessionen ist § 46 EnWG. Der § 46 EnWG ordnet den Gemeinden die Rolle als die die Konzession vergebende öffentliche und neutrale Vergabestelle zu. Das EnWG erklärt damit die Gemeinden sozusagen zum Schiedsrichter475 über das Bieterspiel um die Konzessionen. Damit kommt der Gemeinde nach den Vorstellungen des EnWG-Gesetzgebers zunächst die Rolle als staatliche Vergabestelle zu. Allerdings regelt § 46 Abs. 4 EnWG, dass die Regelungen über die Vergabe der Wegenutzungsverträge in § 46 Abs. 2 und 3 EnWG auch für Eigenbetriebe, somit also eine ausschließlich kommunale Unternehmensform, entsprechende Anwendung finden. Hiermit ist deutlich gesagt, dass die Vorgaben bzgl. des Konzessionsverfahrens aus § 46 EnWG auch für Gemeinden gelten, sich aber in ihrer direkten Normierung an private Energieversorgungsunternehmen richten. Hieraus kann abgeleitet werden, dass das EnWG im Grundsatz von dem Wettbewerb der Privaten i. R. d. Konzessionsvergabe ausgeht.476 Treten indes kommunalen Unternehmen in den Wettbewerb, so gelten die gleichen Spielregeln auch für sie. Dabei sieht § 46 EnWG gerade „kein vorrangiges Zugriffsrecht“ der Gemeinden auf die Energieverteilung vor.477 § 46 Abs. 4 EnWG enthält somit eine ausdrück 474 Bspw. bei der Realisierung der Erweiterung der Landebahn von Airbus unter teilweiser Zuschüttung des Mühlenberger Lochs und hierfür notwendiger Ausgleichsmaßnahmen auf anderen Flächen, vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.2007, 4 C 12/05, NVwZ 2007, 1074 (1075). 475 Grundlegend im Zusammenhang mit Netzwirtschaften den Begriff des „Schiedsrichters“ für die Aufgaben der Kartell-/Regulierungsbehörden einführend und damit Grenzen staatlicher Kompetenz aufzeigend: Heise, Das Verhältnis von Regulierung und Kartellrecht im Bereich der Netzwirtschaften (2008), S. 138 und insbesondere S. 267, wonach: „innerhalb des wettbewerblichen Steuerungsmodells […] dem Staat nicht die Rolle eines Akteurs, sondern die eines Schiedsrichters zu[komme]“. 476 LG Kiel, Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart. 83/10, besprochen durch Sauer, EweRK 3/2012, 106 (107). 477 LG Kiel, Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart. 83/10, besprochen durch Sauer, EweRK 3/2012, 106 (107).
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
liche rechtliche Anerkennung gemeindlicher Betätigung in Form von Eigenbetrieben. § 46 Abs. 4 EnWG regelt dabei aber nur, welche Regeln für kommunale Unternehmen gelten, nicht jedoch Voraussetzungen dafür, wann eine Gemeinde befugt ist, sich im Rahmen einer (Re)Kommunalisierung um die Konzession für das Verteilernetz zu bewerben. f) Zusammenfassung Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, ist dem EnWG kein „geborener Netzbetreiber“ zu entnehmen. Vielmehr deuten die Regeln des EnWG auf einen wettbewerbsorientierten, durch private Unternehmen ausgefüllten Energiemarkt hin, in dem dem Staat und seinen Untergliederungen eine rahmensetzende und regulierende Funktion zukommt. Die Ziele des EnWG sprechen dabei insbesondere gegen eine Zersplitterung in kleinteilige Strukturen, wie dies im Rahmen der (Re)Kommunalisierung durch einzelne Gemeinden zu befürchten ist. Insbesondere die Preisgünstigkeit und Effizienz der Energieverteilung können mit der (Re)Kommunalisierung konfligieren. In § 46 EnWG erkennt das EnWG in Abs. 4 jedoch an, dass auch kommunale Unternehmen Bewerber um Konzessionen sein können. Unter welchen Bedingungen die Gemeinden hierzu befugt sind und wann dies rechtmäßig ist, lässt das EnWG allerdings offen. Dem EnWG können daher keine konkretisierenden Hinweise im Hinblick auf die Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung entnommen werden. An einigen Stellen im EnWG scheint vielmehr eine Begrenzung kommunaler Aktivitäten durch. Dies ist mit Blick auf die allgemeine Befugnis aus Art. 28 Abs. 2 GG zu beachten. 3. Vorgaben aus dem BauGB Auch das zunächst in diesem Kontext nicht besonders relevant erscheinende BauGB ist mit Blick auf die (Re)Kommunalisierung möglicherweise relevant. Gem. § 123 BauGB ist die Erschließung Aufgabe der Gemeinde, soweit sie nicht gesetzlich oder aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung einem anderen obliegt. Hieraus folgert Wesener, dass damit auch die Energieverteilung eine Aufgabe der Gemeinden darstelle, da die Anlagen für die Energieversorgung (also die Netzinfrastruktur) ebenfalls zu den Erschließungsanlagen zählen würden und daher ebenso von der Erschließungslast der Gemeinden umfasst seien.478 478 Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 118, 121, 172.
III. Einfach-spezialgesetzliche Vorgaben191
Allerdings kann eine solche Schlussfolgerung nur gezogen werden, wenn, wie § 123 BauGB es selbst bestimmt, nicht eine gesetzliche Regelung zu einem anderen Ergebnis führt, indem nämlich die Erschließungslast einem anderen als der Gemeinde auferlegt wird. Das EnWG sieht in § 11 EnWG vor, dass dem Energieversorgungsnetzbetreiber alle im Zusammenhang mit dem Netz stehenden Pflichten (Betrieb, Wartung, bedarfsgerechte Optimierung, Verstärkung und Ausbau)479 obliegen und trifft insofern eine von § 123 BauGB abweichende Regelung.480 Nicht die Gemeinde muss das Netz verlegen und betreiben, sondern hierzu ist der Konzessionsinhaber verpflichtet. Dass dieser seinen Aufgaben nachkommt, hat die Gemeinde zu kontrollieren, selbst muss sie jedoch nicht die Leitungen verlegen. Dass es sich hierbei um eine von § 123 BauGB abweichende Regelung handelt, bestreitet aber Wesener mit dem Argument, dass im Konzessionsvertrag keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu sehen sei, die die Erschließung ausschließlich dem Konzessionsinhaber zuordne.481 Eine solche Verlagerung der Erschließungslast auf einen Dritten sei in § 123 BauGB lediglich als Ausnahme vorgesehen.482 Dies sei ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfes zum BauGB aus dem Jahre 1958 mit § 123 BauGB nicht gewollt gewesen.483 Dieser Kritik soll nachgegangen werden. Betrachtet man die Entstehungsgeschichte des § 123 BauGB, so ist zunächst auf § 140 BauGB-Entwurf des von der Hauptkommission für die Baugesetzgebung aufgestellten Entwurfs eines Baugesetzes vom 2.3.1956 hinzuweisen, der eine Legaldefinition der Erschließung vorsah.484 Energieanlagen waren zwar nicht explizit genannt; nach der Begründung zu § 140 BauGB-Entwurf sollten sie aber als Teil der Erschließungsanlage und -last des § 123 BauGB umfasst sein.485 Diese Definition wurde jedoch nie in das BauGB übernommen, da der Gesetzgeber 479 Auflistung so wörtlich in Britz/Hellermann/Hermes-Sötebier, EnWG,3. (2015), § 11 Rn. 2. 480 BeckOK-Jaeger, Öffentliches Baurecht,28. Edition (Stand: 01.01.2015) § 123 BauGB Rn. 6.1; angedeutet (allerdings noch zur alten Rechtslage): Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger-Ernst/Grziwotz, BauGB,87. EGL (Februar 2008), § 123 BauGB, Rn. 15 a; Battis/Krautzberger/Löhr-Reidt, BauGB,12. (2014), § 123 Rn. 2. 481 Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 121 f. 482 Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 122. 483 Wesener, Energieversorgung und Energieversorgungskonzepte (1986), S. 122; Begr. des RegEntw. zum BBauG v. 16.04.1958, BT-Drs. 3/336, S. 97, linke Spalte. 484 So wiedergegeben in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger-Ernst/Grziwotz, BauGB,87. EGL (Februar 2008), § 123 Rn. 2. 485 So wiedergegeben in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger-Ernst/Grziwotz, BauGB,87. EGL (Februar 2008), § 123 Rn. 2.
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nicht mehr als in der Sache unbedingt geboten regeln wollte.486 Schon damals entschied sich der Gesetzgeber dafür, die Erschließungslast und § 123 BauGB offen für die gesetzliche Ausgestaltung zu belassen. Eine konkrete Zuweisung der Netzinfrastruktur zur Erschließungslast wurde daher nie getroffen. Mit § 11 EnWG wurde dann jedoch eine solche energierechtliche Ausgestaltung und Abweichung von § 123 BauGB geschaffen. Diese bestimmt speziell für die Energieverteilung Aufgaben und Zuständigkeiten und trifft damit eine von § 123 BauGB abweichende Regelung. Auch die Versorgung mit Strom ist im EnWG klar zugeordnet. Diese hat, wenn die Verbraucher keine andere Entscheidung getroffen haben durch den Grundversorger gem. § 36 EnWG zu erfolgen. Auch dies ist eine von § 123 BauGB abweichende Bestimmung.487 Aus § 123 BauGB ergibt sich daher für die Elektrizitätsverteilung keine gemeindliche Befugnis durch die in § 123 BauGB geregelte Erschließungslast der Gemeinden, da hiervon abweichende Regelungen im EnWG getroffen wurden. 4. Zusammenfassung Dem Bundesrecht ist keine das Recht aus Art. 28 Abs. 2 GG konkretisierende Befugnis für die Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung der Netze zu entnehmen.
IV. Landesrechtliche Vorgaben Landesrechtliche Vorgaben und hieraus folgende Konkretisierungen des Art. 28 Abs. 2 GG können sich zum einen aus den jeweiligen Landesverfassungen ergeben, zum anderen enthalten die Gemeindeordnungen der Bundesländern vielfältige Regelungen, die Befugnisse und Handlungsvorgaben für die Gemeinden bestimmen. 1. Landesverfassungen und die (Re)Kommunalisierung Einige, aber nicht alle Landesverfassungen der 16 deutschen Bundesländer enthalten Regelungen, die die Energieversorgung betreffen. Zum einen ist die Bayerische Landesverfassung zu nennen, die in Art. 83 Abs. 1 eine bundesweit einmalige Regelung enthält, wonach „die Versorgung mit elek 486 Abschlussbericht zum Entwurf der BauReg zum BauGB; BT-Drs. 3/1794, S. 90; so wiedergegeben in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger-Ernst/Grziwotz, BauGB,87. EGL (Februar 2008), § 123 Rn. 2. 487 Ernst/Zinkahn-Ernst/Grziwotz, BauGB,87. EGL (Februar 2008), § 123 Rn. 15a.
IV. Landesrechtliche Vorgaben193
trischer Kraft“ in den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden fällt.488 Für Bayern lässt sich aus diesem eindeutigen Gesetzeswortlaut des Art. 83 Abs. 1 Bayrische Landesverfassung entnehmen, dass die Versorgung mit Elektrizität grundsätzlich im Aufgabenbereich der Gemeinden liegt. Dies ist jedoch eine einmalige landesrechtliche Ausnahmeregelung. Aufgrund des Vorranges des Gesetzes ist dabei trotz der Regelung in Art. 83 Abs. 1 der Bayerischen Landesverfassung auch in Bayern das zu Art. 28 Abs. 2 GG vorstehend Ausgeführte zu beachten.489 Die Befugnis der Gemeinden zum Tätigwerden in der Energieversorgung, insbesondere in der Elektrizitätsverteilung, ist hiernach nur dann gegeben, wenn sich diese innerhalb des Rahmens der Gesetzes bewegt. Auch insoweit ist die bayrische Regelung einer Konkretisierung durch die Gesetze unterworfen. Eine besondere Regelung im Hinblick auf die Energiewirtschaft enthält auch die Hessische Verfassung in Art. 41 Abs. 1 Nr. 1, wonach mit Inkrafttreten der Landesverfassung u. a. die Betriebe der Energiewirtschaft in Gemeineigentum überführt werden. Allgemeiner fasst dies die nordrhein-westfälische Landesverfassung in Art. 27, wonach „Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben“ in Gemeineigentum überführt werden. Beide Regelungen knüpfen zeitlich an das Inkrafttreten der jeweiligen Verfassung an und enthalten daher Regelungen, die mit Inkrafttreten der Verfassungen umgesetzt werden sollten. Diese sog. Sofortsozialisierung sind jedoch bereits „im Anlauf steckengeblieben“.490 Darüber hinaus wurden beide Verfassungen von den Grundrechten des Grundgesetzes überlagert sowie teilweise von den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes,491 so dass die vorgenannten Bestimmungen heute keine Befugnisnorm etwa für eine (Re)Kommunalisierung durch die Gemeinden darstellen. Auch gelten die Sozialisierungsregelung der Landesverfassungen gem. Art. 31 GG nur soweit, als sie nicht über die in Art. 15 GG geregelte Sozialisierung hinausgehen.492 Wie vorstehend im Rahmen der Dar488 Diese Zuweisung spezifischer Aufgaben ist im Vergleich mit den übrigen Länderverfassungen einmalig, vgl. Scharpf, GewArch 2005, 1 (3). Aus dieser konkreten Aufgabenzuweisung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof abgeleitet, dass es dem Gesetzgeber und der Rechtsprechung grundsätzlich untersagt sei, den Gemeinden auch nur einen der in Art. 83 Abs. 1 Bayrische Verfassung genannten Bereiche völlig zu entziehen oder deren Kernbereich anzutasten, vgl. Scharpf, GewArch 2005, 1 (3). 489 § 6 II.10. 490 Zu Art. 41 Hessische Verfassung: Meyer/Stolleis, Staats- und Verwaltungsrecht für Hessen,5. (2000), S. 48. 491 Zu Art. 41 Hessische Verfassung: Meyer/Stolleis, Staats- und Verwaltungsrecht für Hessen,5. (2000), S. 48. 492 Maunz/Dürig-Durner, Grundgesetz Kommentar,52. EGL (Mai 2008), Art. 15 Rn. 77.
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stellung zu Art. 15 GG ausgeführt wurde, ist diesem gerade keine Befugnis zur (Re)Kommunalisierung zu entnehmen.493 Darüber hinaus sind die Sozialisierungsregelungen in den Landesverfassungen bereits wegen ihrer Reichweite im Hinblick auf das Sozialisierungsobjekt und das Fehlen einer Entschädigungsklausel höchstens im Rahmen einer deutlich einschränkenden verfassungskonformen Auslegung überhaupt rechtlich haltbar.494 Insbesondere steht auch Art. 14 GG den Regelungen in den Landesverfassungen entgegen.495 Die saarländische Landesverfassung enthält eine zwar anders formulierte Regelung in Art. 52, die aber eine ähnliche Zielrichtung aufweist. Hiernach dürfen „Schlüsselunternehmungen der Wirtschaft (Kohlen-, Kali- und Erzbergbau, andere Bodenschätze, Energiewirtschaft, Verkehrs- und Transportwesen) […] wegen ihrer überragenden Bedeutung für die Wirtschaft des Landes oder ihres Monopolcharakters nicht Gegenstand privaten Eigentums sein und müssen im Interesse der Volksgemeinschaft geführt werden.“ [Hervorhebung durch Verfasserin] Aber auch für diese Regelung gelten die vorstehenden Ausführungen. Zusätzlich ist der Hintergrund der Regelung in besonderer Weise zu berücksichtigen. Denn die saarländische Verfassung ist im Hinblick auf ihre wirtschaftsgestaltenden Regelungen von den Erfahrungen des Nationalsozialismus geprägt gewesen. Dies wird sehr deutlich in den Sitzungsprotokollen der Gesetzgebenden Versammlung des Saarlands vom 14.10. bis 15.12.1947, wo an verschiedenen Stellen im Hinblick auf die Neuordnung der Wirtschaft auf „Methoden des Hitlerregimes“496 im Hinblick auf die Großindustrie verwiesen wird sowie darauf, dass die „Wirtschaftsordnung der Vergangenheit […] versagt“497 und ein „ungeheures Ausmaß des sozialen Elends“498 über das Saarland und Deutschland gebracht habe und „dem überwiegenden Einfluß wirtschaftlicher Machtgruppen […] durch die Verfassung eine Schranke gesetzt“499 werden müsse, da diese daran eine erhebliche Mitverantwortung trügen.500 Insofern wird auch 493 § 6
II.6. Maunz/Dürig-Durner, Grundgesetz Kommentar,52. EGL (Mai 2008), Art. 15 Rn. 77; für Nichtigkeit indes: Isensee, DÖV 1978, 233 (235); Isensee, DÖV 1978, 647 f.; a. A. Seebald, DÖV 1978, 645 ff. 495 Isensee, DÖV 1978, 233 (235). 496 Stöber, Die saarländische Verfassung vom 15. Dezember 1947 und ihre Entstehung (1952), S. 455. 497 Stöber, Die saarländische Verfassung vom 15. Dezember 1947 und ihre Entstehung (1952), S. 458. 498 Stöber, Die saarländische Verfassung vom 15. Dezember 1947 und ihre Entstehung (1952), S. 458. 499 Stöber, Die saarländische Verfassung vom 15. Dezember 1947 und ihre Entstehung (1952), S. 456. 500 Stöber, Die saarländische Verfassung vom 15. Dezember 1947 und ihre Entstehung (1952), S. 455 ff. 494 So
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hier deutlich, dass die Regelungen in der saarländischen Verfassung nicht mehr die aktuelle Lage widerspiegeln und im Rahmen einer Verfassungsrevision hätten überarbeitet werden müssen. Die Landesverfassungen ergeben daher keine über Art. 28 Abs. 2 GG hinausgehende Befugnis oder inhaltliche Ausgestaltung der Energieversorgung. Allerdings ist die Verfassung Bayerns mit Blick auf die klare Zuordnung der Energieversorgung zum gemeindlichen Wirkungskreis als einmalige Ausnahmeerscheinung hervorzuheben. 2. Gemeindeordnungen der Länder und die (Re)Kommunalisierung Die Befugnisse und Aufgaben der Gemeinden ergeben sich auf unterster Ebene des positiven Rechts aus den Gemeindeordnungen, die als Landesrecht erlassen werden. Sie konkretisieren die allgemeinen Befugnisse, die den Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 GG für die Wahrnehmung der örtlichen Angelegenheiten gegeben sind. Alle Bundesländer haben sich zwar bei der Erstellung ihrer Gemeindeordnungen zunächst an der Deutschen Gemeindeordnung (DGO) vom 30. Januar 1935 orientiert, so dass in manchen Bereichen in allen Bundesländern ähnliche bis nahezu identische Regelungen bestehen. Allerdings haben sich mit der Zeit auch zahlreiche länderspezifische Besonderheiten ausgeprägt. a) Allgemeine Befugnis in der Energieversorgung nach GemO der Länder Die Kommunalordnung von Thüringen (§ 2 Abs. 2 S. 1), die GemO Brandenburgs (§ 2 Abs. 2 S. 1) und die Kommunalverfassung von MecklenburgVorpommern (§ 2 Abs. 2 S. 1) bestimmen, dass die Versorgung mit Energie zur Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft gehört. Diese Regelungen, stellen einen klare rechtliche Zuordnung der Energieversorgung zum gemeindlichen Zuständigkeitsbereich dar und sind insofern eine landesrechtliche Konkretisierung des Art. 28 Abs. 2 GG. Diese Regelungen sind dem spezifischen Gemeindewirtschaftsrecht, welches die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden regelt, vorangestellt und beziehen sich nicht spezifisch, aber eben auch auf die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden. Diese Bestimmungen, die gesetzestechnisch vor die Klammer gezogen wurden, sehen damit eine allgemeine Befugnis der Gemeinden, die aber weiteren gesetzlichen Voraussetzungen des Gemeindewirtschaftsrechts unterliegt, vor. Sie schaffen insofern eine
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konkretere, aber nicht inhaltlich weiterreichende allgemeine Befugnis wie Art. 28 Abs. 2 GG.501 b) Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung in der Energieverteilung Wie bereits vorstehend i. R.d. Darstellung zu Art. 28 Abs. 2 GG aus geführt [vgl. § 6 II.9.], ist das Tätigwerden der Gemeinden durch die (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung als wirtschaftliche Betätigung zu klassifizieren. Diese ist in den Gemeindeordnungen der Länder im jeweiligen Kapitel über das Gemeindewirtschaftsrecht landesrechtlich konkretisiert und ausgestaltet. Nur unter den in der jeweils geltenden Gemeinde ordnung genannten gesetzlichen Voraussetzungen ist die Aufnahme der wirtschaftlichen Betätigung und damit die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze zulässig. Dabei hat sich das Recht der Länder zum Gemeindewirtschaftsrecht, anders als bei anderen Kapiteln der Gemeindeordnungen, sehr unterschiedlich entwickelt und in den Gemeindeordnungen konkretisiert. Insgesamt kann das Recht der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden in den verschiedenen Gemeindeordnungen als bunter Flickenteppich bezeichnet werden, dem es aufgrund vieler und regelmäßiger Änderungen an Einheitlichkeit und Beständigkeit fehlt.502 Allen Gemeindeordnungen ist dabei jedoch nach wie vor gemein, dass die wirtschaftliche Betätigung einer öffentlichen Zweckverfolgung dienen [hierzu unter aa)] und darüber hinaus die sog. „Schrankentrias“ [hierzu unter bb) bis dd)] bestehen muss. Diese Schrankentrias stellt als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine wirtschaftliche Betätigung drei Schranken auf, nämlich bb) die Subsidiarität, cc) das Örtlichkeitsprinzip und dd) die Leistungsfähigkeit der Gemeinden. Nur wenn eine wirtschaftliche Betätigung diese vier Voraussetzungen der jeweiligen Gemeindeordnung erfüllt, ist die Gemeinde befugt wirtschaftlich tätig zu werden. Dies gilt für die (Re)Kommunalisierung der Energieverteilernetze durch die Gemeinden als spezifische Form wirtschaftlicher Betätigung und stellt eine gesetzliche Ausformung der Befugnis aus Art. 28 Abs. 2 GG dar. Ob die Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung der Energieverteilernetze befugt sind, richtet sich daher zentral nach den Bestimmungen der jeweils geltenden Gemeindeordnungen. Nachfolgend sollen diese daher eingehend anhand der zuvor dargestellten Struktur, aufgeteilt in aa) Öffent501 Hierzu
§ 6 II.9.d). auch im Hinblick auf die häufigen Änderungen der GemO: Reck, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts,1. (2009), S. 61 (64). 502 So
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liche Zweckverfolgung, bb) Subsidiaritätsprinzip, cc) Örtlichkeitsprinzip und dd) Leistungsfähigkeit, untersucht werden. aa) Öffentliche Zweckverfolgung Schon aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt nach h. M. die Bindung der staatlichen Kompetenz an eine öffentliche Zweckverfolgung.503 Auch in den Gemeindeordnungen wird durch die Bindung an einen öffentlichen Zweck ausgeformt, was sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und der daraus folgenden Begrenzung staatlichen Handelns auf das Gemeinwohl als Staatszweck ergibt.504 Diese Bindung an einen öffentlichen Zweck unterscheidet die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden von der wirtschaftlichen Betätigung Privater, die dies im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit, Berufsfreiheit und in Ausübung ihrer Privatautonomie ohne derartige Zwecksetzung tun können.505 (1) S pezifisches gemeinderechtliches Verständnis des öffentlichen Zwecks Alle Gemeindeordnungen506 enthalten eine Regelung, die den öffentlichen Zweck zur Voraussetzung und zugleich Rechtfertigung der wirtschaftlichen 503 Zur Bindung an den öffentlichen Zweck allgemein: BVerfG, Beschl. v. 08.07.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82, 107; Wolff, DÖV 2011, 721 (725); Säcker, Die kommunale Beteiligung an energiewirtschaftlichen Unternehmen innerhalb und außerhalb des Gemeindegebiets, in Haushaltsausschuss Nr. 20/20, Umweltausschuss 20/10 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Anlage 2 S. 5; so auch Säcker, in: Klees/Gent, Festschrift für Peter Salje, Zum 65. Geburtstag am 9. Februar 2013 (2013), 375 (378) m.V.a. BVerwG, Urt. v. 22.02.1972, I C 24.69 in VerwRspr 1973, 215 (218), wo BVerwG ausführt, dass „im sozialen Rechtsstaat“ Gemeinden durch ihre wirtschaftlichen Unternehmen im öffentlichen Interesse Aufgaben übernehmen könnten, die durch „die genannte Zweckbestimmung gedeckt“ seien. 504 Nierhaus, Kommunalrecht für Brandenburg,1. (2003), Rn. 615. 505 So Säcker, Die kommunale Beteiligung an energiewirtschaftlichen Unternehmen innerhalb und außerhalb des Gemeindegebiets, in Haushaltsausschuss Nr. 20/20, Umweltausschuss 20/10 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Anlage 2 S. 5; Säcker, in: Klees/Gent, Festschrift für Peter Salje, Zum 65. Geburtstag am 9. Februar 2013 (2013), 375 (377); so auch: Hauser, Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen (2004), S. 66. 506 §§ 101 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, 107 S. 1 GemO SchleswigHolstein; §§ 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 149 Abs. 1 KV Niedersachsen; §§ 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2, 75 Abs. 1 S. 1 und S. 2 KV Mecklenburg-Vorpommern; § 128 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 GemO Sachsen-Anhalt; §§ 91 Abs. 2 Nr. 1, 92 Abs. 4 KV Brandenburg; § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 GemO Sachsen; § 71 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 S. 1 KomO Thüringen; § 121 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 8 S. 1 GemO
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Betätigung erklären (vgl. hierzu Anlage 1)507. Ein öffentlicher Zweck i. S. d. Regelungen der Gemeindeordnungen ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die wirtschaftliche Betätigung sachlich und räumlich im gemeindlichen Wirkungskreis bzw. Aufgabenbereich liegt und dazu dient, die Bedürfnisse der Gemeindebewohner zu befriedigen.508 Mithin muss die wirtschaftliche Betätigung gerade nicht bloß generell dem Gemeinwohl dienen, sondern gerade aus Gründen des „örtlichen Gemeinwohls“ erfolgen.509 Dies macht auch etwa die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung in § 107 Abs. 1 S. 1 deutlich, indem sie formuliert: „Die Gemeinde darf sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben wirtschaftlich betätigen, wenn ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert.“ Innerhalb dieser Vorgaben obliegt es den Gemeinden einen förderungswürdigen Zweck zu bestimmen, wobei die örtlichen Gegebenheiten, die finanzielle Ausstattung der Gemeinde und die Bedürfnisse der Gemeindebewohner von entscheidender Bedeutung sind.510 (2) Gewinnerzielungsabsicht und der öffentliche Zweck Wie vorstehend ausgeführt, bedarf es auch im Rahmen der wirtschaftlichen Betätigung einer öffentlichen Zweckverfolgung. Wann ein öffentlicher Zweck i. R.d. wirtschaftlichen Betätigung bereits angenommen werden kann, ist indes umstritten. Einige Stimmen in der Literatur lassen bereits eine mittelbare Gemeinwohlorientierung genügen, wonach eine wirtschaftliche Betätigung einer Gemeinde dem öffentlichen Zweck diene, wenn die Gewinne, die hierdurch erwirtschaftet werden, für die Finanzierung von öffentHessen; §§ 107Abs. 1 Nr. 1, 107a Abs. 1, 109 Abs. 1 GemO Nordrhein-Westfalen; § 85 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 GemO Rheinland-Pfalz; § 108 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 3, Abs. 4 Nr. 1 KVG Saarland; § 102 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, Abs. 7 S. 1 GemO Baden-Württemberg und Art. 87 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 GemO Bayern. 507 Übersicht zu den relevanten Regelungen der Gemeindeordnungen zum öffentlichen Zweck (Anlage 1). 508 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 25; Bracker/Dehn-Dehn/Wolf, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein,11. (2014), § 101 S. 598; Waller, „Neue Energie“ für die kommunale Selbstverwaltung (2013), S. 51. 509 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 25; Bracker/Dehn-Dehn/Wolf, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein,11. (2014), § 101 S. 598 f., der den Begriff „Einwohnernützigkeit“ verwendet; Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl. § 107 S. 491. 510 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 29; zur Bestimmung des öffentlichen Zwecks (im Kontext mit dem damaligen Erfordernis eines „dringenden öffentlichen Zwecks“) siehe: OVG Münster, Beschl. v. 1.4.2008, 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031 (1035).
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lichen Aufgaben und öffentlicher Aufgabenwahrnehmung verwendet würden.511 Weitergehend wird sogar auch vertreten, dass auch reines Gewinnstreben einer wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde nicht entgegenstehe;512 denn die Gewinne dienten der Gemeinde zum Wirtschaften und dadurch auch den Einwohnern. Nicht wenige GemO enthalten jedoch eine explizite Regelung darüber, dass die Teilnahme am Wettbewerb, um Gewinne zu erzielen, keinem öffentlichen Zweck entspricht.513 Auch das BVerfG hat in einem obiter dictum klargestellt, dass die reine Gewinnerzielungsabsicht mit dem öffentlichen Zweck nicht vereinbar ist, indem es den Gemeinden rein erwerbswirtschaftlich-fiskalische Tätigkeiten untersagt hat.514 Denn ein gemeindliches Unternehmen müsse gerade durch seine Leistungserbringung und nicht mittelbar durch die Erzielung von Erträgen dem Gemeinwohl der Gemeindebewohner dienen.515 Denn nur, wenn die Gemeinde die Verfolgung eines öffentlichen Zwecks darlegen kann, gelingt ihr auch die Rechtfertigung der wirtschaftlichen Betätigung. Einer solchen bedarf es aber auch.516 Zutreffend hat auch der RhPfVerfGH entschieden, dass von öffentlichen Aufgaben losgelöste erwerbswirtschaftliche Betätigungen, bei denen das Gewinnstreben Selbstzweck ist, von vornherein schon nicht den Schutz der Selbstverwaltungsgarantie genießt.517 Dieses so zutreffend als „money mak 511 Britz, NVwZ 2001, 380 (382 f.); Burmeister/Staebe, EuR 2004, 810 (810); Britz, NVwZ 2001, 380 (382 f.); Otting, DVBl. 1997, 1258 (1260, 1262). 512 Britz, NVwZ 2001, 380 (382); Jarass, DÖV 2002, 489 (495). 513 Art. 87 Abs. 1 S. 2 GemO Bayern: „Alle Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen, entsprechen keinem öffentlichen Zweck.“, so ähnlich auch § 128 Abs. 1 S. 2 KVG Sachsen-Anhalt; § 108 Abs. 3 S. 3 KVG Saarland und § 68 Abs. 2 S. 2 KV Mecklenburg-Vorpommern. 514 BVerfG, Beschl. v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, NJW 1982, 2173 (2175); so auch OVG Münster, Beschl. v. 1.4.2008, 15 B 122/08, NVwZ 2008, 1031 (1031, Ls. 4); Ehlers, JZ 1990, 1089 (1091); Hösch, NVwZ 2000, 393 (399); Papier, DVBl. 2003, 686 (689); a. A.: Britz, NVwZ 2001, 380 (382), die ausführt, dass verfassungsrechtlich gerade kein Verbot reiner Gewinnerzielungsabsicht bestünde; Cremer, DÖV 2003, 921 (922 ff.). 515 BVerfG, Beschl. v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, NJW 1982, 2173 (2175); Gern, Sächsisches Kommunalrecht,2. (2000), Rn. 812. 516 A. A.: Cremer, DÖV 2003, 921 (922 ff.). 517 VGH Rh-Pf., Urt. v. 28.03.2000, VGH N12/98, DVBl. 2000, 992 (992); Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, 421 (428); ausführlich und teilweise a. A.: Hoppe/ Uechtritz/Reck-Uechtritz/Otting/Olgemöller, Handbuch kommunale Unternehmen,3. (2012), § 6 Rn. 51 ff.; Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 21; Gloy/Loschelder/Erdmann-Poppen, Handbuch des Wettbe-
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ing“ beschriebene Vorgehen genügt nicht als Rechtfertigungsgrund.518 Denn Gewinne für den Haushalt zu erwirtschaften ist kein öffentlicher Zweck.519 Außerdem wird jedes Gewinne generierendes Wirtschaften einer Gemeinde immer in irgendeiner Weise von Nutzen für kommunales Handeln und das Gemeinwohl sein. Ein solcher Maßstab ermöglicht keine klare Abgrenzung und der öffentliche Zweck würde zu einem nichtssagenden Nullum verkommen.520 Zudem ist die Finanzierung staatlicher Aufgaben vorrangig durch das Steuer- und Abgabensystem gewährleistet.521 Diese Begrenzung ist insbesondere deswegen folgerichtig, weil auch eine kommunale Wirtschaftsbetätigung, und sei es auch als privatrechtlich organisiertes Unternehmen, stets eine Staats- und Verwaltungstätigkeit bleibt.522 Bei der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden handelt es sich also vielmehr um einen anderen Modus von Verwaltungshandeln, der aber ebenso aufgrund von Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtlichen Bindungen unterworfen und auf Verteilernetzebene maßgeblich durch Art. 28 Abs. 2 GG geregelt ist. Sehr bildlich lässt sich dies damit beschreiben, dass auch kommunale Unternehmen nur der „verlängerte Arm“ der kommunalen Aufgabenerfüllung sind.523 Auch trägt der Ausschluss der reinen Gewinnerzielungsabsicht als Grund wirtschaftlichen Handels der amtlichen Begründung zu § 67 Abs. 1 Nr. 1 DGO Rechnung, die die Vorgängervorschrift zu den heute in den einzelnen Bundesländern vorhandenen Regelungen über die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden ist. In dieser Begründung heißt es: „Es kann einer Gemeinde nie erlaubt sein zu wirtschaften, wenn ihr einziges Ziel das der Gewinnerzielung ist.“524 werbsrechts,4 (2010), § 66 Rn. 37; Rautenberg, KommJur 2007, 1 (2); Dolde ZHR 166 (2002), 515 (517); Hauser, Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen (2004), S. 125 f. 518 So ausdrücklich: Papier, DVBl. 2003, 686 (689); ebenso in Bezug auf die nicht Subsumierbarkeit unter die Finanzhoheit der Gemeinden: Maunz/Dürig-Mehde, Grundgesetz Kommentar,67. EGL (November 2012), Art. 28 Abs. 2 Rn. 77; Schink, NVwZ 2002, 129 (134). 519 So auch ausdrücklich: Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, 421 (428). 520 So auch Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, 421 (428). 521 Vgl. § 1 III.; darauf hinweisend auch Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, 421 (428). 522 Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl. § 107 S. 491, der so trefflich formuliert: „Verwaltung bleibt Verwaltung, auch wenn sie wirtschaftet.“; Ehlers, DVBl. 1998, 497 (504); Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 14. 523 Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (August 2011), S. 15. 524 Abgedruckt in Hidien, emeindliche Betätigungen rein erwerbswirtschaftlicher Art und „öffentlicher Zweck“ kommunaler wirtschaftlicher Unternehmen (1981), S. 26.
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Sehr treffend bringt dies die GemO von Schleswig-Holstein in § 101 Abs. 1 Nr. 1 auf den Punkt: Die Gemeinde darf hiernach tätig werden, wenn ein öffentlicher Zweck, „dessen Erfüllung im Vordergrund stehen muss“ die wirtschaftliche Betätigung rechtfertigt.525 Diese gesetzliche Regelung macht den Grundsatz deutlich, dass es bei der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden um Verwaltungshandeln und damit öffentliche Zweckverfolgung geht. Dies schließt nicht aus, dass sie von wirtschaftlichen Nebeneffekten flankiert wird. Diese dürfen jedoch nicht Zweck der gemeindlichen wirtschaftlichen Betätigung sein. Es ist daher entgegen den in jüngerer Zeit lauter geworden Stimmen526 nicht ausreichend, wenn die Gemeinde aus Gewinnstreben tätig wird; es bedarf eines öffentlichen Zwecks für die Zulässigkeit der gemeindlichen Wirtschaftsaktivität und damit auch der (Re)Kommunalisierung. Nur dann ist die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden in der Elektrizitätsverteilung überhaupt grundsätzlich zulässig. (3) Finanzielle und wirtschaftliche Risiken versus öffentlicher Zweck Es ist jedoch allzu einfach, nur auf die Möglichkeiten der Einnahmeerzielung durch wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden zu schauen und diese als Nebeneffekt zur eigentlichen öffentlichen Zweckverfolgung zu akzeptieren. Dass der Fokus der freiwilligen wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden oftmals auf dieser wirtschaftlichen Chance liegt, macht schon die Diskussion darüber deutlich, ob Gewinnerzielungsabsichten der Gemeinden mit dem öffentlichen Zweck vereinbar sind [vgl. § 6 IV.2.b)aa)(2)]. Ob jedoch die Eingehung nicht unerheblicher wirtschaftlicher Risiken mit dem öffentlichen Zweck vereinbar ist, wenn auch Private zur von der Gemeinde angestrebten Leistungserbringung willens und in der Lage sind,527 wird in diesem Zusammenhang soweit ersichtlich nicht hinreichend themaauch Nierhaus, Kommunalrecht für Brandenburg,1. (2003), Rn. 617; Gern, Sächsisches Kommunalrecht,2. (2000), Rn. 813, die beide ausführen, dass die Gewinnerzielungsabsicht nur Nebenzweck sein dürfe. 526 Cremer, DÖV 2003, 921 (921 ff.); Otting, DVBl. 1997, 1258 (1260, 1262); Schneider/Theobald-Wolff, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 5 Rn. 23 ff. und 100 ff.; wohl auch Becker, DÖV 2000, 1032 (1033, sowie Fn. 10). 527 Anders ist die Situation dann zu beurteilen, wenn es sich um eine volks wirtschaftlich notwendige Leistung handelt, die jedoch kein Privatunternehmen bereit ist zu erbringen. In diesem Falle ist der Staat und möglicherweise die Gemeinden aus ihrer Gewährleistungsverantwortung heraus zur Erbringung der Leistung verpflichtet, vgl. hierzu schon Freiherr von Gamm, GRUR 1959, 303 (305); allgemein auch: Maunz/Dürig-Möstl, Grundgesetz Kommentar,60. EGL (Oktober 2010), Art. 87 f Rn. 73 ff.; sowie § 6 II.7. 525 So
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tisiert.528 Insofern wird ein ökonomischer Nutzen für den Gemeindehaushalt und die Gemeindebewohner in den Fokus gerückt und die Eingehung von Risiken und das Entstehen von Verluste und deren Auswirkungen auf das eigentliche Ziel der öffentlichen Zweckverfolgung ausgeblendet. Der Schutz der Gemeinden vor wirtschaftlichen Risiken ist jedoch einer der zentralen Gründe der Bestimmungen in den Gemeindeordnungen über das Gemeindewirtschaftsrecht überhaupt.529 Dies zeigen auch etwa die Regelungen in den Gemeindeordnung zur Haftungsbegrenzung bei privatrechtlichen Unternehmensformen530 oder aber zur Leistungsfähigkeit [hierzu nachfolgend in § 6 IV.2.b)dd) ausführlich] als Voraussetzung zur Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung.531 Aber auch im Zusammenhang mit dem öffentlichen Zweck wird die Betrachtung wirtschaftlicher Risiken in einigen Gemeindeordnungen deutlich, die den Gemeinden gerade vorgeben, Erträge bzw. Überschüsse für den kommunalen Haushalt zu erwirtschaften und insofern das Erwirtschaften von Defiziten ablehnen.532 So argumentiert auch etwa Burgi, dass sich aus Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG sogar die Pflicht ableite, bei wirtschaftlicher Betätigung Gewinne zu generieren, welches sich auch in § 109 Abs. 1 S. 2 GemO Nordrhein-Westfalens dadurch konkretisiert habe, dass Unternehmen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde erwirtschaften sollten.533 Daneben bestimmen einige Gemeindeordnungen534 auch, dass die Erfüllung des öffentlichen Zwecks im Vordergrund stehen muss, die Gemeindeunternehmen aber einen „Ertrag“535 bzw. „Überschuss“536 für den kommunalen Haushalt erwirtschaften „sollen“, 528 Gesehen allerdings im Rahmen der Novellierung Hessischer Gemeindeordnung hin zur echten Subsidiaritätsklausel: „Durch die Schaffung einer echten Subsidiaritätsklausel in Satz 1 Nr. 3 sollen die Gemeinden vor überflüssigen wirtschaft lichen Risiken bewahrt und die Privatwirtschaft vor einer Beeinträchtigung ihrer berechtigten Interessen geschützt werden.“, vgl. Hessischer LT-Drs. 16/2463, S. 59; ansonsten vielmehr Beiträge zur Beherrschung dieser wohl gewollten Risiken: zur Möglichkeit einer Etablierung eines Risikomanagments nach privatrechtlichem Vorbild: Trips, NVwZ 2003, 804 ff. 529 Hierauf hinweisend auch: Tomerius, LKV 2000, 41 (44). 530 Vgl. § 6 II.9.b) und § 6 IV.2.b)dd). 531 Vgl. § 6 IV.2.b)dd). 532 § 97 Abs. 3 GemO Sachsen; § 102 Abs. 3 GemO Baden-Württemberg; § 121 Abs. 8 S. 1 GemO Hessen und § 85 Abs. 3 S. 1 GemO Rheinland-Pfalz. 533 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe (1999), S. 41 ff.; relativierend im Ergebnis aber auf die geringe Steuerungswirkung und der Zulässigkeit von Randnutzung lediglich aus Gewinnstreben hinweisend: Burgi, Kommunalrecht,4. (2012), § 17 Rn. 43 f. 534 § 97 Abs. 3 GemO Sachsen; § 102 Abs. 3 GemO Baden-Württemberg; § 121 Abs. 8 S. 1 GemO Hessen und § 85 Abs. 3 S. 1 GemO Rheinland-Pfalz. 535 § 97 Abs. 3 GemO Sachsen; § 102 Abs. 3 GemO Baden-Württemberg. 536 § 121 Abs. 8 Abs. 1 GemO Hessen; § 85 Abs. 3 S. 1 GemO Rheinland-Pfalz.
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„soweit dadurch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks nicht beeinträchtigt wird“.537 Hiermit formulieren die vorgenannten Gemeindeordnungen, dass es sich, wenn die Gemeinde sich wirtschaftlich betätigt, hierbei um eine ertragbringende Betätigung handeln soll. Damit wird in den vorgenannten Gemeindeordnungen ausgedrückt, dass gerade keine Tätigkeit aufgenommen werden darf, die Defizite für den Haushalt erwarten lässt. Gemeinden sollten sich daher davor hüten, allzu risikoreiche Geschäfte einzugehen, da ihnen durch die vorgenannten Gemeindeordnungen aufgegeben ist, mit der Betätigung Erträge für den Haushalt zu erwirtschaften, solange dies die öffentliche Zweckverfolgung nicht gefährdet. Dies ist auch folgerichtig, denn die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde ist lediglich optional möglich und daher nachrangig im Vergleich zu den Pflichtaufgaben der Gemeinden.538 Pflichtaufgaben539 muss die Gemeinde aufgrund gesetzlicher Anordnung wahrnehmen (das „Ob“ ist damit gesetzlich vorgegeben, es gibt kein Erschließungsermessen der Gemeinde), sie kann aber über die Art, also das „Wie“ der Aufgabenerfüllung selbst entscheiden (Auswahlermessen).540 Hinter dieser Nachrangigkeit verbirgt sich der Gedanke, dass die Gemeinde nur dann über ihre Pflichtaufgaben hinaus tätig werden soll, wenn sie hierdurch einen zusätzlichen Nutzen für die Gemeinde und ihre Bewohner erreichen kann und ihre eigentlichen Aufgaben nicht dadurch gefährdet werden. Ein solcher Nutzen liegt jedoch ökonomisch gesprochen nur dann vor, wenn mit der gemeindlichen Betätigung Einnahmen generiert, jedenfalls aber keine Verluste erwirtschaftet werden. Wird mit der Betätigung ein Minus erwirtschaftet, büßt sie dadurch ihren Nutzen für die Gemeinde und den Gemeindehaushalt ein. Denn durch verlustreiche wirtschaftliche Betätigung fügt die Gemeinde sich selbst Nachteile zu und gefährdet möglicherweise auch die Erbringung ihrer Pflichtaufgaben. Nun könnte man darauf verweisen, dass es die Natur der Sache ist, dass eine wirtschaftliche Betätigung Chancen auf Gewinne und Risiken auf Ver537 § 97 Abs. 3 GemO Sachsen; § 102 Abs. 3 GemO Baden-Württemberg; § 121 Abs. 8 S. 1 GemO Hessen; § 85 Abs. 3 S. 1 GemO Rheinland-Pfalz. 538 Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (35). 539 Hierzu werden insbesondere bspw. gem. Art. 57 Abs. 1 S. 1 GemO Bayern gezählt: „Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Feuersicherheit, der öffentlichen Reinlichkeit, des öffentlichen Verkehrs, der Gesundheit, der öffentlichen Wohlfahrtspflege einschließlich der Jugendhilfe, des öffentlichen Unterrichts und der Erwachsenenbildung, der Jugendertüchtigung, des Breitensports und der Kultur- und Archivpflege“ sowie die Versorgung mit Trinkwasser gem. Art. 57 Abs. 2 S. 1 GemO Bayern. 540 Waechter, Kommunalrecht,3. (1997), IV. Kapitel, Rn. 160; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht,12. (2007), Rn. 151.
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luste mit sich bringt. Dies ist zutreffend. Es steht daher jedem Einzelnen frei, sich für ein risikoreiches Geschäft mit der Chance auf Gewinne zu entscheiden. Ob diese Freiheit jedoch auch den Gemeinden zusteht, muss bezweifelt werden. Anders als Private, die zunächst nur sich selbst verpflichtet sind, ist die Gemeinde als Teil der staatlichen Verwaltung mit zahlreichen Aufgaben zum Wohle seiner Gemeindebewohner beauftragt und erfüllt damit einen öffentlichen Zweck für ihre und gegenüber ihren Bewohner. Dabei ist sie vordergründig der Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben verpflichtet.541 Die wirtschaftliche Betätigung kann sie demgegenüber zusätzlich freiwillig eingehen. Sie hat jedoch alles zu unterlassen, was die Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben gefährdet. Dies hat auch für die Eingehung erheblicher finanzieller und wirtschaftlicher Risiken durch Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung, die gerade keine Pflichtaufgabe der Gemeinde darstellt, sondern lediglich optional möglich ist, zu gelten. Damit widerspricht die Eingehung nicht unerheblicher wirtschaftlicher und finanzieller Risiken der wirtschaftlichen Betätigung und steht im Widerspruch zur Wahrnehmung eines öffentlichen Zwecks. Gerade mit Blick auf die (Re)Kommunalisierung und die hiermit zu sammenhängenden erheblichen Kosten des Netzerwerbs [hierzu ausführlich in § 7 IV.] und der Regulierung der Erlöse aus dem Netzgeschäft [hierzu ausführlich in § 8 II.3.b)] ist große Skepsis an der Zulässigkeit angezeigt. Sicherlich kann nicht pauschal davon gesprochen werden, dass die (Re)Kommunalisierung wegen einer zu hohen Belastung der kommunalen Haushalte generell unzulässig ist. Allerdings wird man in jedem Einzelfall aufgrund der teilweisen in den Milliardenbeträgen542 liegenden Kosten der (Re)Kommunalisierung sehr genau prüfen müssen, ob die wirtschaftliche Betätigung nicht zu Verlusten für die gemeindlichen Haushalte führt, welche im Vorfeld absehbar sind543 und begleitet werden von dem Risiko, dass diese in absehbarer Zeit nicht kompensiert werden können. Diesbezüglich sind die Gemeinden gehalten [insbesondere auch im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Erfordernis der Leistungsfähigkeit, hierzu unter § 6 IV.2.b) dd)] mittels betriebswirtschaftlicher Bewertungsmethoden eine plausible Abschätzung der Chancen und Risiken der (Re)Kommunalisierung vorzu541 Kregel, LKV 2004, 481 (482); angedeutet auch in Schink: NVwZ 2002, 129 (134), und Berchtold, KommJur 2009, 212 (214). 542 In Hamburg wird ein Betrag von 1,6 Milliarden Euro für die drei Netze (Strom, Gas und Wärme) in den Raum gestellt, für Berlin werden allein für das Stromnetz Beträge zwischen 400 Millionen und drei Milliarden Euro gehandelt, vgl. TAZ, Rekommunalisieurng von Stromnetzen: Das Volk begehrt Energie, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:11 Uhr, unter: http://www.taz.de/!117837/. 543 Etwa wegen bereits absehbarer, notwendiger und hoher Investitionen in die Netzinfrastruktur, der Erforderlichkeit eines kostenintensiven Netzausbaus, etc.
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nehmen.544 Dabei spielen auf der Risikoseite zusätzlich zu den Kosten für den Netzkauf und -betrieb insbesondere die bereits vorhandene Verschuldung des kommunalen Haushaltes, die laufenden und absehbaren (zukünftigen) Ausgaben für gemeindliche Pflichtaufgaben, freiwillige Aufgaben, Löhne und Gehälter, Zinsen, etc. eine Rolle. Kommt die betriebswirtschaftliche Abschätzung zu einem Überwiegen des Risikos gegenüber den Chancen des Netzerwerbs und -betriebs, so ist eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde mangels öffentlicher Zweckdienlichkeit nach hier vertretener Ansicht unzulässig. (4) Spezialregelungen für die energiewirtschaftliche Betätigung Einen Sonderweg im Hinblick auf die energiewirtschaftliche Betätigung der Gemeinden und die Verfolgung eines öffentlichen Zwecks beschreiten die Gemeindeordnung von Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern.545 Diese enthalten spezifische Regelungen, die das Verhältnis der Stromversorgung zur Erfüllung des öffentlichen Zwecks näher bestimmen. § 128 Abs. 2 S. 1 KVG Sachsen-Anhalt bestimmt, dass die „Betätigung in den Bereichen der Strom-[…]versorgung […] einem öffentlichen Zweck [dient] und […] unter der Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 zulässig“ ist. In Nordrhein-Westfalen wurde für die energiewirtschaftliche Betätigung sogar am 29. Dezember 2010 ein gesamter neuer Paragraph (§ 107a GemO Nordrhein-Westfalen) eingeführt.546 Dieser bestimmt, dass „wirtschaftliche Betätigung in den Bereichen der Strom-[…]versorgung […] einem öffentlichen Zweck“ dient. Auch die Kommunalverfassung von Mecklenburg-Vorpommern sieht in § 68 Abs. 2 S. 3 vor, dass „die wirtschaftliche Betätigung in den Bereichen der Strom-[…]versorgung […] auch bei Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets einem öffentlichen Zweck“ dient. Hiermit fingieren die Gemeindeordnungen positiv rechtlich, dass die Stromversorgung (immer) einem öffentlichen Zweck entspricht.547 Rechtlich 544 So auch Säcker, in: Klees/Gent, Festschrift für Peter Salje, Zum 65. Geburtstag am 9. Februar 2013 (2013), 375 (383), der dies im Hinblick auf die kommunalaufsichtsrechtliche Kontrolle der Vertretbarkeit kommunaler Entscheidungen für ausreichend erachtet, um die Kontrolle der Kommunalaufsicht bzgl. der Entscheidungen der Gemeinden und möglicher Überschreitung ihres Beurteilungsspielraums zu gewährleisten. 545 § 107a GemO Nordrhein-Westfalen;§ 128 Abs. 2 S. 1 KVG Sachsen-Anhalt.; § 68 Abs. 2 S. 3 KV Mecklenburg-Vorpommern. 546 GV NRW, 64. Jahrgang, vom 28.12.2010, 2010/Nr. 38, S. 688. 547 Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl. § 107a S. 502; Klang/Grundlach/Kirchmer, Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt,3. (2012), § 116 Rn. 7.
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folgt daraus, dass die Gemeinden nicht darlegen müssen, dass die von Ihnen angestrebte wirtschaftliche Betätigung ([Re]Kommunalisierung der Stromversorgung) einem öffentlichen Zweck entspricht, sondern dies wird gesetzlich zu ihren Gunsten vermutet.548 Diese Regelungen können als klare Impulse der Landesgesetzgeber in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen hin zur (Re)Kommunalisierungsfreundlichkeit im Energiesektor gewertet werden. In Nordrhein-Westfalen war sogar erklärtes Ziel der Novelle des Gemeindewirtschaftsrechts, mit der diese Regelung eingeführt wurde, in einem deutlich höheren Maß als zuvor den kommunalen Anbietern das Tätigwerden auf dem Energiemarkt zu ermöglichen.549 Diese Regelungen stoßen in der Literatur zu recht auf verfassungsrechtliche Bedenken.550 So stellt sich schon im Hinblick auf die in NordrheinWestfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt in den Gemeindeordnungen geregelte gesetzliche Fiktion eines öffentlichen Zwecks die Frage, ob der Landesgesetzgeber auf die im Übrigen bspw. in § 107 GemO Nordrhein-Westfalen genannten Voraussetzungen verzichten kann und darf, insbesondere das Merkmal, dass die Gemeinde ihre Betätigung nur zur „Erfüllung ihrer Aufgaben“ aufnehmen darf.551 Denn die zentrale Legitimation der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden besteht gerade darin, dass ein öffentlicher Zweck verfolgt wird. Umso problematischer erscheint dies, wenn man die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 107a in die GemO in Nordrhein-Westfalen betrachtet. Dieser ist zu entnehmen: „Ein öffentlicher Zweck ist nämlich auch die Gewinnerzielung zur Deckung von Ausgabebedarfen in anderen öffentlichen Bereichen. Dies ist schon deshalb zu rechtfertigen, da es sich bei der energiewirtschaftlichen Versorgung um ein elementares Grundbedürfnis der Bevölkerung handelt, die nicht von wenigen privaten Marktteilnehmern beherrscht werden darf.“552 Ein solcher Hintergrund einer gesetzlichen Fiktion, die die Gemeinden von der Darlegung der öffentlichen Zweckverfolgung befreien, muss (verfassungs-)rechtlich als äußerst problematisch bezeichnet werden. Die Gewinnerzielung zu einem öffentlichen Zweck zu erklären, ist daher rechtlich nicht haltbar.553 Dies steht in einem Widerspruch zu dem vorstehend dargelegten Ausgangspunkt, wonach öffentliche Zweckverfolgung gerade mehr ist, als die bloße 548 Klang/Grundlach/Kirchmer, Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt,3. (2012), § 116 Rn. 7. 549 Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl. § 107a S. 502. 550 Attendorn, KommJur 2010, 361 (364). 551 Attendorn, KommJur 2010, 361 (365). 552 Auszug aus NRW Landtag Drs. 15/27, 7.7.2010, S. 11. 553 Hierzu ausführlich in § 6 IV.2.b)aa)(2).
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Generierung von Gewinnen.554 Die Gemeinde muss ihr Handeln an der öffentlichen Zweckverfolgung ausrichten. Dies gebietet auch, dass die Gemeinden vor Aufnahme jeder wirtschaftlichen Tätigkeit eingehend prüfen und darlegen, dass ein öffentlicher Zweck verfolgt wird. Dies gilt auch für die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze. Eine gesetzliche Fiktion des öffentlichen Zwecks ist generell abzulehnen. Sie unterläuft einen zentralen (Selbst-)Überprüfungsprozess für gemeindliches Handeln. Dies hat auch trotz der Regelungen in den GemO von Nordrhein-Westfalen, MecklenburgVorpommern und Sachsen-Anhalt zu gelten, da die Länder sich nicht durch eine gesetzliche Fiktion von der Pflicht zur Prüfung und Darlegung einer öffentlichen Zweckverfolgung freizeichnen können. Trotz dieser gesetzlichen Fiktion in den Gemeindeordnungen ist den Gemeinden in NordrheinWestfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt daher dringend anzuraten, eigene Erwägungen mit Blick auf den mit der (Re)Kommunalisierung verfolgten öffentlichen Zweck anzustellen und darzulegen. Dies kann gleichzeitig als eine interne Kontrolle der Motivationen für die (Re)Kommunalisierung gesehen werden und insofern nützliche Hilfestellung für die Gemeinden sein. (5) Bedeutung für die (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung Mit der Pflicht zur öffentlichen Zweckverfolgung aus Art. 28 Abs. 2 GG und einigen Gemeindeordnungen555 sind erste Bedingungen und Grenzen für die (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsversorgung gesetzt. Die Gemeindeordnungen der Länder enthalten, wie vorstehend dargelegt, diesbezüglich unterschiedliche Anforderungen an die Befugnis der Gemeinden zum Tätigwerden. Die GemO von Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und MecklenburgVorpommern sehen zwar die öffentliche Zweckverfolgung grundsätzlich vor, fingieren diese jedoch dann, wenn die Gemeinde in der Stromversorgung tätig werden will. Für Gemeinden in diesen Bundesländern gilt daher eigentlich im Hinblick auf die (Re)Kommunalisierung, dass sie die Verfolgung eines öffentlichen Zwecks nicht darlegen müssen, sondern dieser i. R.d. gesetzlichen Fiktion angenommen wird. Diese Regelungen sind jedoch zu kritisieren und – wie vorstehend ausgeführt – wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abzulehnen. Die öffentliche Zweckverfolgung ist Rechtfertigung und elementarer Grund staatlicher Betätigung, so dass dieser nicht durch landesgesetzliche Regelung ausgehebelt werden kann. 554 Vgl.
Ausführungen in § 6 IV.2.b)aa)(2). Abs. 2 S. 1 KV Mecklenburg-Vorpommern; § 2 Abs. 2 S. 1 GemO Brandenburg; § 2 Abs. 2 S. 1 KO Thüringen. 555 § 2
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Dies gilt umso mehr mit Blick darauf, dass bei vielen Gemeinden die Absicht Gewinne mit der (Re)Kommunalisierung der Netze zu erzielen im Vordergrund des gemeindlichen Tätigwerdens steht. Dies zeigt besonders eindrucksvoll die bereits in § 4 genannten Studie des IfdöS e. V. und dem KöWuD der Universität Leipzig, wonach 73,8 % der Gemeinden mit defizitärem Haushalt und 70,6 % der Gemeinden mit Haushaltsüberschuss die Einnahmegenerierung als Ziel ihrer (Re)Kommunalisierungvorhaben nannten.556 Wie die vorstehenden Ausführungen deutlich gemacht haben, ist dies jedoch grundsätzlich im Rahmen der gemeinderechtlichen Regelungen im Sinne einer öffentlichen Zweckverfolgung kein tragfähiger und rechtfertigender Grund für die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze. Es ist daher jeweils kritisch zu fragen, ob die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze einen öffentlichen Zweck i. S. d. Regelungen in den Gemeindeordnungen verfolgt. Hierbei ist zunächst in besonderer Weise zu berücksichtigen, wie komplex die angestrebte wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden ist. Je komplexer die Tätigkeit, umso sorgfältiger und umfassender bedarf die Rechtfertigung über den öffentlichen Zweck der Begründung.557 Insbesondere hat dies im Hinblick darauf zu gelten, dass die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden in Grundrechte der übrigen privaten Marktteilnehmer eingreifen könnte. Auch hieraus ergibt sich ein erhöhtes Erfordernis an den öffentlichen Zweck. Denn „je schwerer der Markteingriff ist, desto dringlicher von der Art des öffentlichen Zwecks oder von der Gebotenheit im Rahmen des Erfordernisses muss die wirtschaftliche Betätigung sein“.558 Auch hat in jedem Einzelfall eine genaue Betrachtung der wirtschaftlichen und finanziellen Risiken zu erfolgen, die die Gemeinde mit ihrer freiwilligen wirt556 Studie des IfdöS e. V. und dem KöWuD der Universität Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (9). 557 Wörtlich so, Säcker, Die kommunale Beteiligung an energiewirtschaftlichen Unternehmen innerhalb und außerhalb des Gemeindegebiets, in Haushaltsausschuss Nr. 20/20, Umweltausschuss 20/10 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Anlage 2 S. 6; so auch Säcker, in: Klees/Gent, Festschrift für Peter Salje, Zum 65. Geburtstag am 9. Februar 2013 (2013), 375 (379); angedeutet in Mann/ Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011),§ 54 Rn. 16. 558 OVG Münster, Beschl. v. 13.8.2003, 15 B 1137/03, NVwZ 2003, 1520 (1523); fast wortgleich auch: Säcker, Die kommunale Beteiligung an energiewirtschaftlichen Unternehmen innerhalb und außerhalb des Gemeindegebiets, in Haushaltsausschuss Nr. 20/20, Umweltausschuss 20/10 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Anlage 2 S. 6; so auch Säcker, in: Klees/Gent, Festschrift für Peter Salje, Zum 65. Geburtstag am 9. Februar 2013 (2013), 375 (379): „Je intensiver und umfangreicher der Markteingriff zum Nachteil anderer Wirtschaftsteilnehmer, desto gewichtiger muss der verfolgte öffentliche Zweck sein.“
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schaftlichen Betätigung im Bereich des Verteilernetzbetriebs eingeht. Denn die Eingehung nicht unerheblicher wirtschaftlicher und finanzieller Risiken steht im Widerspruch zur Erbringung kommunaler Pflichtaufgaben und der Wahrnehmung des öffentlichen Zwecks durch die Gemeinden. In diesem Zusammenhang ist auf die von den Gemeinden vorgetragenen Gründe für die (Re)Kommunalisierung jeweils im Einzelfall abzustellen. Die typischerweise vorgetragenen Argumente im Zusammenhang mit der Begründung von (Re)Kommunalisierungsbestrebungen wurden im § 4 dargestellt und bereits kritisch gewürdigt. Viele Gründe, die in diesem Zusammenhang vorgetragen werden, haben sich dabei als wenig tragfähig erwiesen.559 Auch, wenn bei der Beurteilung des Vorliegens eines öffentlichen Zwecks der Gemeinde eine Einschätzungsprärogative zuzuerkennen ist,560 sind dadurch nicht jegliche Gründe und Ideen im Sinne eines öffentlichen Zwecks rechtfertigend. Es ist daher jeweils im Einzelfall sehr genau zu überprüfen, ob die Gemeinden einen legitimierenden öffentlichen Zweck verfolgen und darlegen können.561 Dabei erscheint ein Argument, welches jedoch in der Diskussion um die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze bisher wenig bis keine Erwähnung gefunden hat, tragfähig. Für die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze bzw. Stromnetze insgesamt spricht, dass der Staat hiermit zur Ermöglichung von Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungs- und Wettbewerbsstufen, also der Erzeugung und dem Vertrieb, beitragen könnte. Zieht der Staat die monopolistische Netzinfrastruktur aus dem Wettbewerb, indem er bspw. durch die Gemeinden die Verteilernetze betreibt, so könnte dies zu einer Art Neutralisierung des Netzes führen. Hierdurch könnte verhindert werden, dass potentielle Wettbewerbsverzerrungen unter den privaten Marktteilnehmern eintreten. Damit diese Neutralisierung des Monopols Netz trägt, wäre aber dem Grunde nach eine ganzheitliche Entscheidung im Sinne einer Deutschen Netz AG erforderlich, die nicht nur die Übertragungsnetze, sondern ebenso die Verteilernetze im Bundesgebiet einschließt.562 Denn beide 559 Vgl.
§ 4. in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (35); Waechter, Kommunalrecht,3. (1997), XIII. Kapitel, Rn. 604. 561 Dies insbesondere auch im Hinblick auf die in den Gemeindeordnungen gesetzlich normierte Voraussetzung der öffentlichen Zweckverfolgung, ohne die eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden nicht zulässig ist, vgl. hierzu ausführlich § 6 IV.2.b)aa)(1) und § 6 IV.2.b)aa)(2). 562 So etwa in den Niederlanden, beginnend mit den Übertragungsnetzen, vgl. Dinand/Reuter, Die Netz AG als zentraler Netzbetreiber in Deutschland,1. (2006), S. 47 ff.; de Nooij/Baarsma, Energy Policy 37 (2009), 5449 (5449 ff.). 560 Hill,
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Netzebenen stellen ein natürliches Monopol dar ‒ mit den vorstehend schon mehrfach angesprochenen Risiken und Beeinträchtigungen für den Wett bewerb.563 Nichtsdestotrotz könnten Gemeinden auch schon heute ihre (Re)Kommunalisierungsbestrebungen auf dieses tragfähige Argument stützen. Damit dieser Grund jedoch voll umfänglich trägt, wäre außerdem er forderlich, dass sich der Staat und dabei insbesondere die Gemeinden auf die Wertschöpfungsstufe Netzbetrieb reduzieren, also bewusst das Netz (re)kommunalisieren und dafür die übrigen Wertschöpfungsstufen (Erzeugung und Vertrieb) den privaten Wettbewerbern überlassen.564 Nur so würde eine Art Neutralisierung des Netzes eintreten. Wenn allerdings die Gemeinden sich neben dem Netzbetrieb auch auf den anderen Wertschöpfungsstufen betätigen (so wie es derzeit der Fall ist), stellt dies keine wettbewerbliche Verbesserung dar. Die Risiken des Monopolmissbrauchs bleiben und verlagern sich vielmehr auf einen möglichen staatlichen Monopolmissbrauch.565 Ein solch ganzheitlicher Ansatz i. S. e. Netzneutralisierung ist indes bisher in Deutschland nicht erkennbar und im Hinblick auf die Verteilernetze und das derzeitige Engagement der Gemeinden auf allen Ebenen der Wertschöpfung innerhalb der Energieversorgung (also gerade auch im Vertrieb und der Erzeugung) nicht zu erwarten. Oftmals sind Gemeinden, die (Re)Kommunalisierungsbestrebungen entwickeln, sogar zunächst auf einer der anderen Wertschöpfungsstufen aktiv und wollen das Verteilernetz dann zusätzlich in das gemeindliche Unternehmen integrieren. Derzeit ist daher nicht erkennbar, dass die Gemeinden eine Rechtfertigung der (Re)Kommunalisierung i. S. e. öffentlichen Zweckverfolgung aus dem Aspekt der Neutralisierung des monopolistischen Stromnetzes durch staatliche Übernahme ziehen könnten. Insofern ist die Rechtfertigung der (Re)Kommunalisierung durch einen öffentlichen Zweck in jedem Einzelfall ein kritisch zu hinterfragender Aspekt, der auch zur Unzulässigkeit des (Re)Kommunalisierungsvorhabens führen kann.
563 Vgl.
§ 5 II.6. aufgreifend und weiterführend, vgl. § 7 II.6. 565 Schon jetzt etwa: Kopp/Maaß, Stromanbieter erzürnt über Hamburg Energie, Erneute Vorwürfe wegen Wettbewerbsverzerrung, Die Welt (online), 19.5.2012, zuletzt abgerufen am 06.07.2014, 18:22 Uhr unter http://www.welt.de/print/die_welt/ hamburg/article106339798/Stromanbieter-erzuernt-ueber-Hamburg-Energie.html. 564 Dies
IV. Landesrechtliche Vorgaben211
bb) Subsidiaritätsprinzip als Grenze der kommunalen Leistungserbringung Das Subsidiaritätsprinzip, welches in den Gemeindeordnungen unterschiedliche Ausformung erfahren hat, ist aus dem verfassungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgrundsatz in Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG sowie aus den Grundrechten privater Wettbewerbsteilnehmer (Art. 12, Art. 2 GG ggf. auch Art. 14 GG) bereits verfassungsrechtlich ableitbar und geboten.566 Allgemein besagt dieses Subsidiaritätsprinzip, dass die kommunale Leistungserbringung nachrangig (subsidiär) zur privatwirtschaftlichen Erbringung von Leistungen ist.567 Die Gemeindeordnungen regeln dies in Subsidiaritätsklauseln in z. T. sehr unterschiedlichen Formen (vgl. hierzu Anlage 2).568 Dabei bemühen die Gemeindeordnungen569 zwei Vergleichsmaßstäbe:570 Zum einen wird ein Qualitätsmerkmal angelegt, nämlich der Güte der Leistung (in den Gemeindeordnungen ausgedrückt durch „gut[e]“ oder „besser[e]“ Erfüllung), die auch aus der Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit der Erbringung der Leistung besteht. Zum anderen wird ein ökonomisches Merkmal als Maßstab verwendet (in den Gemeindeordnungen ausgedrückt durch „wirtschaftlich[e]“ Erfüllung), welches aus dem Verhältnis des Ressourceneinsatzes (Kosten) zum Ergebnis zu ermitteln ist.571 Die Subsidiaritätsklauseln sind dabei in den Gemeindeordnungen der Länder unterschiedlich ausgestaltet. Für die nachfolgenden Betrachtungen werden die unterschiedlichen Regelungen in die folgenden Kategorien572 566 Zur Ableitbarkeit aus dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz: so auch Libbe/Hanke/ Verbücheln, Rekommunalisierung (August 2011), S. 17. 567 Pünder/Dittmar, JURA 2005, 760 (764); Roling, NVwZ 2009, 226 (227). 568 § 121 Abs. 1 Nr. 3 GemO Hessen; § 108 Abs. 1 Nr. 2 KVG Saarland; § 71 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KomO Thüringen; § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO Baden-Württemberg; § 85 Abs. 1 Nr. 3 GemO Rheinland-Pfalz; Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GemO Bayern; § 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 KV Niedersachsen; § 87 Abs. 1 Nr. 3 GemO Sachsen; § 101 Abs. 1 Nr. 3 GemO Schleswig-Holstein; § 68 Abs. 2 Nr. 3 KV Mecklenburg-Vorpommern; §§ 107, 107a GemO Nordrhein-Westfalen; § 128 Abs. 1 und 2 KVG Sachsen-Anhalt und § 91 Abs. 3 S. 1 KV Brandenburg. 569 Bis auf die Gemeindeordnung in Brandenburg, hierzu in § 6 IV.2.b)bb)(5). 570 Für die Ermittlung der Subsidiarität, das Verfahren und Vorgehen, siehe ausführlich: Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 24. 571 RhPfVerfGH, Urt. v. 28.3.2000, VGH N 12/98, NVwZ 2000, 801 (803); OVG Magdeburg, Urt. v. 19.5.2005, 1 L 40/04, BeckRS 2005, 15342; Articus/SchneiderSöbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl § 107 S. 493; Klang/ Grundlach/Kirchmer, Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt,3. (2012), § 116 Rn. 5; Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 24. 572 Siehe hierzu auch Anlage 2.
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unterteilt: (1) Qualifizierte Subsidiaritätsklausel, (2) Qualifizierte Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen, (3) Einfache Subsidiaritätsklausel, (4) Einfache Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen und (5) Subsidiaritätsklausel besonderer Art (reduzierte einfache Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmemöglichkeit). Anhand dieser Kategorien und der diese ausfüllenden Bestimmungen in den Gemeindeordnungen werden Aussagen und Wirkungen für die (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung untersucht werden. (1) Qualifizierte Subsidiaritätsklausel Einige Gemeindeordnungen enthalten eine Subsidiaritätsklausel, die zum Inhalt eine wirkliche Subsidiarität kommunalen wirtschaftlichen Handelns hat. Diese werden als qualifizierte Subsidiaritätsklauseln bezeichnet.573 Sie bestimmen, dass die Gemeinden ihre privatwirtschaftliche Konkurrenz übertrumpfen müssen, damit sie wirtschaftlich tätig werden dürfen. Den Regelungen in den Gemeindeordnungen liegt damit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Privatwirtschaft zugrunde, das zu einer Beweislastumkehr zulasten der Gemeinden führt.574 In den Bundesländern mit dieser qualifizierten Subsidiaritätsklausel ist die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden nachrangig zur Betätigung Privater. Insofern sind in diesen Bundesländern den (Re)Kommunalisierungsbestrebungen rechtliche Hürden und Grenzen gesetzt, die von den Gemeinden nur durch den Nachweis der besseren Eignung (als Netzbetreiber) überwunden werden können. Hintergrund ist wirtschaftspolitisch, dass eine uneingeschränkte kommunale Wirtschaftstätigkeit eingeschränkt und damit der Privatwirtschaft Schutz vor einem „Überhandnehmen gemeindlicher Konkurrenzwirtschaft“575 geboten werden soll.576 Der Grundsatz der Privatwirtschaft soll damit gewahrt werden und die Gemeinden sollen gerade auch im Hinblick auf die 573 Anstelle vieler: Mann/Püttner-Nierhaus, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 40 Rn. 13. 574 Mann/Püttner-Nierhaus, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 40 Rn. 13. 575 Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (35). 576 So führt es auch der hessische Landesgesetzgeber aus, der mit der Novelle der Hessischen Gemeindeordnung im Jahre 2005 der privatwirtschaftlichen Betätigung den Vorrang vor der gemeindlichen Betätigung geben wollte: „Durch die Schaffung einer echten Subsidiaritätsklausel in Satz 1 Nr. 3 sollen die Gemeinden vor überflüssigen wirtschaftlichen Risiken bewahrt und die Privatwirtschaft vor einer Beeinträchtigung ihrer berechtigten Interessen geschützt werden.“, vgl. Hessische LT-Drs. 16/2463, S. 59; Rauber/Rupp/Stein/Schmidt/Bennemann/Euler/Ruder/ Stöhr-Rauber, Hessische Gemeindeordnung (2012), § 121 Rn. 1.
IV. Landesrechtliche Vorgaben213
„Steuerkraft ihrer Einwohner“ hierauf Rücksicht nehmen [vgl. § 1 III.].577 Im Übrigen soll damit auch abgesichert werden, dass die Gemeinden ihre Energie und Kraft auf die Erfüllung der ihnen primär zugeordneten Verwaltungsaufgaben konzentrieren578 und diese vor Überforderung in finanzieller wie personeller Hinsicht geschützt werden.579 Eine solche qualifizierte Subsidiaritätsklausel enthält das Saarländische Kommunalselbstverwaltungsgesetz und bestimmt in § 108 Abs. 1 Nr. 3, dass die wirtschaftliche Betätigung zulässig ist, wenn „der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann“ (Hervorhebung durch Verfasserin). Damit hat das Saarland als einziges Bundesland eine reine qualifizierte Subsidiaritätsklausel, wonach gilt, dass die Gemeinden im Zuge der (Re) Kommunalisierung belegen müssen, dass sie die Elektrizitätsverteilung besser als ein privater Konkurrent erbringen können. Nur dann sind die Gemeinden berechtigt sich wirtschaftlich zu betätigen. (2) Qualifizierte Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen Es gibt jedoch auch Gemeindeordnungen, in denen zwar eine qualifizierte Subsidiaritätsklausel (wie zuvor dargestellt) für die wirtschaftliche Betätigung geregelt ist, die jedoch nicht für alle Bereiche wirtschaftlichen Tätigwerdens gilt. Vielmehr sehen die nachfolgend dargestellten Gemeindeordnungen Ausnahmebereiche vor, die den Gemeinden die Möglichkeit bieten, ohne vorherigen Vergleich mit Dritten wirtschaftlich tätig zu werden.580 Die Bayerische GemO bestimmt in Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, dass eine wirtschaftliche Betätigung zulässig ist, wenn „bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann“ [Hervorhebung durch Verfasserin]. Ebenso regelt es die GemO BadenWürttembergs in § 102 Abs. 1 Nr. 3, die jedoch nicht von einem anderen, sondern „privaten Anbieter[n]“ spricht.581 Für eine wirtschaftliche Betäti577 Hill,
II.
578 Hill,
in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (35). in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (35), vgl. Ausführungen in § 1
579 Rauber/Rupp/Stein/Schmidt/Bennemann/Euler/Ruder/Stöhr-Rauber, Hessische Gemeindeordnung (2012), § 121 Rn. 4.2. 580 Blum/Häusler/Meyer-Freese, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (2011), § 136 Rn. 26. 581 Dies gilt seit der Novelle vom 1.12.2005, vgl. Freiherr von Rotberg, Gemeindeordnung Baden-Württemberg,30. (2011), S. 31.
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gung im Rahmen der „kommunalen Daseinsvorsorge“ müssen die Gemeinden in Bayern und Baden-Württemberg daher nicht die Anforderungen der qualifizierten Subsidiaritätsklausel erfüllen.582 Problematisch ist hier die Verwendung des Begriffs der Daseinsvorsorge zum Ausschluss bestimmter Aufgaben aus der zuvor in § 6 IV.2.b)bb)(1) dargestellten qualifizierten Subsidiaritätsklausel. Wie in § 6 II.9.c)aa) aufgezeigt, eignet sich der Begriff der Daseinsvorsorge für rechtliche Abgrenzungs- und Zuordnungsfragen nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass die Energieversorgung in Form des Netzbetriebes mit der wohl h. M. [siehe Ausführungen in § 6 II.9.c)aa)] von dem Begriff der Daseinsvorsorge in den vorgenannten Bestimmungen umfasst ist.583 Insofern klarer und juristisch vorzugswürdiger nimmt die GemO in Rheinland-Pfalz nicht die kommunale Daseinsvorsorge aus, sondern bestimmt Bereiche, die vom Erfordernis der qualifizierten Subsidiaritätsklausel ausgenommen sind. Gem. § 85 Abs. 1 Nr. 3 der GemO Rheinland-Pfalz ist das Tätigwerden in „der Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wärme (Energieversorgung), der Versorgung mit Wasser, der Versorgung mit Breitbandtelekommunikation und des öffentlichen Personennahverkehrs“ ausgenommen. Die Niedersächsische Kommunalverfassung erweitertet diesen Ausnahmebereich noch zusätzlich um den „Betrieb[..] von Telekommunikationsleitungsnetzen einschließlich der Telefondienstleistungen“, enthält im Übrigen aber eine der GemO Rheinland-Pfalz entsprechenden Subsidiaritätsklausel in § 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3.584 Die Kommunalordnung Thüringens schafft in § 71 Abs. 2 Nr. 4 eine Verbindung beider Arten von Ausnahmebereichsumschreibungen und führt in Satz 2 folgenden von der qualifizierten Subsidiaritätsklausel ausgenommenen Bereich auf: „Dies [die Subsidiaritätsklausel] gilt nicht bei einem Tätigwerden im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge, insbesondere im Bereich der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung einschließlich einer Betätigung auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung erneuerbarer Energien sowie der Verteilung von hieraus gewonnener thermischer Energie […].“ In Bezug auf die Wahl des Begriffs der kommunalen Da582 Schwartz,
NordÖR 2011, 421 (423 in Fn. 19). auch explizit zu § 71 Abs. 1 Nr. 4 KO Thüringen: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle, 2013, S. 95. 584 Bis zum 31.12.2005 sah die Niedersächische Kommunalverfassung noch eine einfache Subsidiaritätsklausel vor, die jedoch durch Gesetz vom 15.11.2005 in eine Qualifizierte überführt wurde. Ziel war die Verbesserung der Position der mittelständischen Wirtschaft im Verhältnis zur kommunalen Konkurrenz, vgl. Blum/Häusler/ Meyer-Freese, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (2011), § 136 Rn. 19. 583 So
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seinsvorsorge ist auf die vorstehende Kritik zu verweisen. Durch die beispielhafte Erläuterung des Inhaltes ist aber immerhin mehr an Klarheit über den Ausnahmebereich gewonnen. Da der Begriff der Energie- bzw. Stromversorgung in den vorstehenden GemO nicht näher bestimmt ist, kann unter Zuhilfenahme des EnWG eine Begriffsbestimmung, wie sie in § 3 I. vorgenommen wurde, erfolgen. Hiernach ist die Energieverteilung, wie sie Gegenstand der (Re)Kommunalisierung ist, von der Energieversorgung und der Stromversorgung als speziellem Unterfall umfasst und daher Teil der vorgenannten Ausnahmebereiche. Für die (Re)Kommunalisierung müssen die Gemeinden im Geltungsbereich dieser Klauseln daher nicht dem Erfordernis einer qualifizierten Subsidiaritätsklausel genügen. Durch diese sektorale Freistellung von der qualifizierten Subsidiaritätsklausel wird den Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, sich wirtschaftlich zu betätigen, ohne einen vorherigen Vergleich mit privaten Konkurrenten standzuhalten.585 Dabei geht die Bereichsausnahme sogar so weit, dass die Gemeinden sogar tätig werden dürfen, wenn ein Dritter unter Umständen sogar eine bessere Erfüllung der Aufgabe zu leisten im Stande ist. Insofern ist den Regelungen eine deutliche Begünstigung und Erleichterung kommunaler wirtschaftlicher Betätigung in den Ausnahmebereichen und damit auch eine deutliche „Befeuerung“ der (Re)Kommunalisierungbestrebungen im Energiebereich zu entnehmen. Einen anderen Ausnahmebereich sieht die Hessische GemO vor. Die emO Hessens enthält zunächst eine qualifizierte Subsidiaritätsklausel in G § 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, bestimmt allerdings dann, dass diese gem. § 121 Abs. 1a GemO Hessen nicht für die „ausschließlich auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung und des Vertriebs von Strom, Wärme und Gas aus erneuerbaren Energien sowie der Verteilung von elektrischer und thermischer Energie bis zum Hausanschluss“ gilt. Insofern enthält die Gemeindeordnung eine Privilegierung kommunaler Aktivitäten im Bereich der erneuerbaren Energien sowie der Energieverteilung. Von diesem Ausnahmebereich ist auch die herkömmliche Elektrizitätsverteilung, wie sie Gegenstand dieser Arbeit ist, umfasst. (3) Einfache Subsidiaritätsklausel Des Weiteren gibt es aber auch Subsidiaritätsklauseln in den Gemeindeordnungen, die die kommunale wirtschaftliche Betätigung grundsätzlich weniger starken Restriktionen als die qualifizierten Subsidiaritätsklauseln 585 Blum/Häusler/Meyer-Freese, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (2011), § 136 Rn. 26.
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unterwerfen. Nach den sogenannten einfachen Subsidiaritätsklauseln586 ist die kommunale Wirtschaftstätigkeit schon zulässig, wenn private Anbieter nicht eine bessere Aufgabenerfüllung leisten können.587 Insofern muss also ein privater Wettbewerber entscheidende Vorteile gegenüber einem kommunalen Tätigwerden aufweisen, also besser sein als der kommunale Anbieter. Dies muss die Gemeinde belegen und für den Fall zurückstehen, dass ein Dritter die Aufgabe besser bzw. wirtschaftlicher anbieten kann.588 Kann die Gemeinde indes genauso gut wie ein Dritter die Aufgabe erfüllen, ist eine wirtschaftliche Betätigung zulässig. Hierdurch wird von Seiten der Landesgesetzgeber die Begrenzung kommunaler Betätigung zugunsten der Gemeinden im Vergleich zur qualifizierten Subsidiaritätsklausel herabgesetzt. Diese einfachen Subsidiaritätsklauseln finden sich in den GemO von Sachsen (§ 94a Abs. 1 S. 1 Nr. 3) und Schleswig-Holstein (§ 101 Abs. 1 Nr. 3). Gem. § 101 Abs. 1 Nr. 3 GemO Schleswig-Holstein ist eine wirtschaftliche Betätigung zulässig, wenn „der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erfüllt werden kann“. Mit der Modifikation, dass sie nicht besser und wirtschaftlicher „durch private Dritte“ erfüllt werden kann, ist dies auch in § 94a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GemO Sachsen geregelt. Allerdings enthält die Gemeindeordnung Schleswig-Holsteins in § 2 Abs. 1 S. 3 GemO eine einzigartige Regelung, die besagt, dass die Gemeinden, bevor sie eine öffentliche Aufgabe übernehmen, die zu erfüllen sie nicht gesetzlich verpflichtet sind, zu prüfen haben, ob „die Aufgabe nicht ebenso gut auf andere Weise, insbesondere durch Private, erfüllt werden kann“. Damit enthält der § 2 Abs. 1 S. 3 GemO Schleswig-Holstein eine Art qualifizierte Subsidiaritätsklausel für alle Aufgaben, die nicht Pflichtaufgaben der Gemeinde sind,589 und zwar im Hinblick auf das Qualitätsmerkmal der Güte der Leistung, nicht jedoch im Hinblick auf den ökonomischen Vergleichsmaßstab (es fehlt gerade die Anforderung es wirtschaftlicher betreiben zu müssen). Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde ist keine Pflichtaufgabe, sondern steht im Rahmen des Gesetzes im Ermessen der Gemeinden,590 so dass § 2 Abs. 1 S. 3 GemO auch für die wirt586 Mann/Püttner-Nierhaus, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 40 Rn. 12. 587 Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl. § 107 S. 493. 588 Klang/Grundlach/Kirchmer, Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt,3. (2012), § 116 Rn. 5. 589 Bracker/Dehn-Dehn/Wolf, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein,11. (2014), § 101 Rn. 599. 590 Krebs, Rechtliche Grundlagen und Grenzen kommunaler Elektrizitätsversorgung (1996), S. 54.
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schaftliche Betätigung gilt. Es stellt sich daher die Frage, ob § 2 Abs. 1 S. 3 GemO eine vor die Klammer gezogene Bestimmung ist, die die in § 101 Abs. 1 Nr. 3 GemO Schleswig-Holstein geregelte einfache Subsidiaritätsklausel modifiziert. Dies ist schon im Hinblick auf den Wortlaut des Gesetzes, der einen Prüfungsauftrag an die Gemeinde formuliert und nicht etwa ein Erfordernis für die kommunale Betätigung (i. S. e. Tatbestandsvoraussetzung) normiert, zu verneinen.591 § 2 Abs. 1 S. 3 GemO SchleswigHolstein enthält eine Verpflichtung der Gemeinden vor Aufnahme einer Betätigung, die keine Pflichtaufgabe darstellt, zu prüfen, ob Private diese Aufgabe nicht ebenso gut erfüllen können. Diese Prüfungspflicht ist Teil des Entscheidungsfindungsprozesses der Gemeinde, bestimmt aber nicht das Ergebnis.592 Im Hinblick auf die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden führt § 2 Abs. 1 S. 3 GemO Schleswig-Holstein nur dazu, dass die Gemeinde zu prüfen hat, ob Private für die Aufgabenerfüllung in Betracht kommen. Diese Pflicht obliegt ihr aber im Rahmen der einfachen Subsidiaritätsklausel des § 101 Abs. 1 Nr. 3 GemO Schleswig-Holstein ebenso. Es verbleibt daher bei der für die wirtschaftliche Betätigung geltenden einfachen Subsidiaritätsklausel des § 101 Abs. 1 Nr. 3 GemO Schleswig-Holstein.593 Eine sprachlich anders gefasste Regelung findet sich in MecklenburgVorpommern, wo die Kommunalverfassung die Subsidiaritätsklausel als Paritätsklausel ausdrückt.594 In § 68 Abs. 2 Nr. 3 KV Mecklenburg-Vorpommern ist geregelt, dass die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden zulässig ist, wenn „die Gemeinde die Aufgabe ebenso gut und wirtschaftlich wie Dritte erfüllen kann.“ Hierin jedoch eine eigenständige Kategorie von Subsidiaritätsklausel zu erblicken, ginge fehl. Vielmehr stellt auch diese Subsidiaritätsklausel darauf ab, dass die Gemeinde solange wirtschaftlich tätig werden darf, wie ein Privater nicht besser und wirtschaftlicher als sie die Aufgabeerfüllung leisten kann.595 Ist die Gemeinde ebenso gut und wirtschaftlich wie ein privater Konkurrent (gemeindliche Darlegungslast), ist sie an der Aufnahme der wirtschaftlichen Betätigung nach § 68 Abs. 2 591 So auch Bülow/Erps/Schliesky/von Allwörden-Schliesky/Schulz, Kommunalverfassungsrecht Schleswig-Holstein (Februar 2011), § 2 Rn. 43 f. 592 Bülow/Erps/Schliesky/von Allwörden-Schliesky/Schulz, Kommunalverfassungs recht Schleswig-Holstein (Februar 2011), § 2 Rn. 43 f. 593 Bülow/Erps/Schliesky/von Allwörden-Schliesky/Schulz, Kommunalverfassungs recht Schleswig-Holstein (Februar 2011), § 2 Rn. 43 f.; so ohne nähere Begründung auch: Berghäuser/Gelbe, KommJur 2012, 47 (47). 594 Schwartz, NordÖR 2011, 421 (423). 595 So auch Darsow/Gentner/Glaser/Meyer-Darsow, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern,4. (2014), § 68 Rn. 18.
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Nr. 3 KV Mecklenburg-Vorpommern nicht gehindert.596 Daher handelt es sich auch hierbei um eine einfache Subsidiaritätsklausel, wenn auch in anderer sprachlicher Fassung. Im Rahmen der einfachen Subsidiaritätsklausel, die in den Bundesländern Sachsen (§ 94a Abs. 1 S. 1 Nr. 3), Schleswig-Holstein (§ 101 Abs. 1 Nr. 3) und Mecklenburg-Vorpommern (§ 68 Abs. 2 Nr. 3) enthalten ist, genügt als Rechtfertigung, dass die Gemeinde ebenso gut wie ein Privater die Aufgabe erfüllen kann. Einzig, wenn Private eine bessere Aufgabenerfüllung gewährleisten können, ist das kommunale Tätigwerden subsidiär. Nur in diesem Falle muss eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden zurückstehen. (4) Einfache Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen Die GemO Nordrhein-Westfalens enthält zunächst in § 107 auch eine einfache Subsidiaritätsklausel, jedoch erweitert um eine Bereichsausnahme für bestimmte Tätigkeitsbereiche. § 107 Abs. 1 Nr. 3 GemO Nordrhein-Westfalen regelt, dass „bei einem Tätigwerden außerhalb der Wasserversorgung, des öffentlichen Verkehrs sowie des Betriebes von Telekommunikationsleitungsnetzen einschließlich der Telekommunikationsdienstleistungen der öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt […]“ wird oder werden darf. Die Energieversorgung findet überraschender Weise in dieser Bereichsausnahme keine Erwähnung. Für die Energieversorgung wurde aber ein eigener Paragraph, § 107a GemO NordrheinWestfalen, geschaffen. Allerdings enthält § 107a GemO Nordrhein-Westfalen keine Subsidiaritätsklausel bzw. explizite Ausnahme von ihr. Hieraus können zwei sehr unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen werden: Zum einen könnte man zu dem Schluss kommen, dass, weil in dem speziellen § 107a GemO Nordrhein-Westfalen zur Subsidiarität keine Regelung enthalten ist, für die Energieversorgung auch keinerlei Subsidiarität zu beachten ist.597 Zum anderen könnte aber auch mangels Regelung im speziellen § 107a GemO Nordrhein-Westfalen die allgemeine Regelung des § 107 Abs. 1 GemO Nordrhein-Westfalen gelten, in der die Energieversorgung von der Subsidiarität gerade nicht ausgenommen ist und somit die einfache Subsidiaritätsklausel des § 107 Abs. 1 Nr. 3 GemO Nordrhein-Westfalen in der Energieversorgung gilt. Dem Landesgesetzgeber schwebte – ausweislich der Gesetzesmaterialien – bei der Regelung des § 107a GemO Nordrhein-Westfalen vor, einen spe596 So auch Darsow/Gentner/Glaser/Meyer-Darsow, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern,4. (2014), § 68 Rn. 18. 597 Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl. § 107a S. 502; so wohl auch Schwartz, NordÖR 2011, 421 (423 in Fn. 19).
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zialgesetzlichen Tatbestand für die energiewirtschaftliche Betätigung zu schaffen.598 Dies spricht dafür, dass die Voraussetzungen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Gemeinden speziell und abschließend in § 107a GemO Nordrhein-Westfalen geregelt werden sollten und daher für die energiewirtschaftliche Betätigung der Gemeinden keine Subsidiaritätsregelung gilt. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Sonderregelung des § 107a GemO Nordrhein-Westfalen, der gerade die kommunalen Anbieter den Privaten im Markt gleich stellen wollte.599 Es wäre daher entgegen der Systematik und dem Willen des Gesetzgebers mangels ausdrücklicher Regelung einer Subsidiaritätsklausel in § 107a GemO Nordrhein-Westfalen die allgemeine Subsidiaritätsklausel des § 107 Abs. 1 Nr. 3 GemO Nordrhein-Westfalen anzuwenden. Für die energiewirtschaftliche Betätigung der Gemeinden in Nordrhein-Westfalen verbleibt daher als einziges zu prüfendes Zulässigkeitskriterium die Leistungsfähigkeit der Gemeinde [dazu nachfolgend in § 6 IV.2.b)dd)].600 Ähnlich, wenn auch gesetzestechnisch anders formuliert, sieht das KVG von Sachsen-Anhalt in § 128 Abs. 2 S. 1 vor, dass die „Betätigungen in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung, der Wasserversorgung, Abfallentsorgung, Abwasserbeseitigung, Wohnungswirtschaft und des öffentlichen Verkehrs […] einem öffentlichen Zweck [dienen] und […] unter der Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 zulässig“ sind. Auch hiernach ist nur noch die Leistungsfähigkeit (diese ist als Zulässigkeitsvoraussetzung in § 128 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KVG Sachsen-Anhalt geregelt) als Voraussetzung für die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden im Bereich der Stromversorgung zu prüfen. (5) Subsidiaritätsklausel besonderer Art Eine besondere Subsidiaritätsklausel enthält die Kommunalverfassung Brandenburgs. Gem. § 91 Abs. 3 S. 1 KV Brandenburg gilt: „Die Gemeinde hat im Interesse einer sparsamen Haushaltsführung dafür zu sorgen, dass Leistungen, die von privaten Anbietern wirtschaftlicher erbracht werden können, diesen Anbietern übertragen werden.“ In § 91 Abs. 3 S. 3 heißt es außerdem: „Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Gemeindevertretung […] eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde im öffentlichen Interesse für erforderlich hält; die Entscheidung ist zu begründen.“ Erst im Jahre 598 Nordrhein-Westfalen
LT-Drs. 15/27, S. 11. Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl. § 107a S. 502. 600 Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl. § 107a S. 502. 599 So
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2012 wurde diese Fassung der Subsidiaritätsklausel eingeführt. Der Landesgesetzgeber ging dabei – ausweislich der Gesetzesmaterialien – davon aus, mit dieser Neufassung die Subsidiaritätsklausel „abgeschafft“ zu haben.601 Betrachtet man die gesetzliche Neuregelung, so ist jedoch nicht die Subsidiaritätsklausel in Gänze abgeschafft worden, sehr wohl jedoch die zuvor geltende qualifizierte Subsidiaritätsklausel.602 Ebenso unzutreffend wie die Annahme, dass keinerlei Subsidiarität nach Maßgabe des § 91 Abs. 3 S. 1 KV Brandenburg gelte, ist aber die Annahme, dass nunmehr eine einfache Subsidiaritätsklausel [wie in § 6 IV.2.b)bb)(3) dargestellt] auch in Brandenburg gelte.603 Diese Ansicht verkennt, dass die brandenburgische Subsidiaritätsklausel nur auf den Vergleichsmaßstab der Wirtschaftlichkeit, nicht jedoch auch auf einen Qualitätsmaßstab abstellt.604 Als Maßstab kommt es gem. § 91 Abs. 3 S. 1 KV Brandenburg nur darauf an, ob ein privater Anbieter die Leistung wirtschaftlicher erbringen kann. Außerdem enthält die Brandenburgische KV in § 91 Abs. 3 S. 3 das Recht der Gemeinde, trotz Vorhandenseins eines privaten Anbieters, der die Leistung wirtschaftlicher als die Gemeinde erbringen kann, dennoch selbst tätig zu werden, wenn die Gemeindevertretung die Eigenerbringung im öffentlichen Interesse für erforderlich hält. Damit liegt eine gesetzliche Ausnahme zum Subsidiaritätserfordernis vor. Insofern handelt es sich bei der brandenburgischen Subsidiaritätsklausel um eine reduzierte einfache Subsidiaritätsklausel (Vergleichsmaßstab ist lediglich die Wirtschaftlichkeit) mit Ausnahmemöglichkeit wegen öffentlichen Interesses. Die brandenburgische Subsidiaritätsklausel stellt damit eine für die (Re)Kommunalisierung günstige Regelung dar. (6) Zusammenfassung und Auswirkungen auf die (Re)Kommunalisierung Die Regelungen in den Gemeindeordnungen der einzelnen Bundesländer stellen unterschiedliche Maßstäbe an die wirtschaftliche Betätigung im Zusammenhang mit der Subsidiaritätsklausel. Während das KVG Saarland (§ 108 Abs. 1 Nr. 3) eine qualifizierte Subsidiaritätsklausel und damit die strengsten Anforderungen an die Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung 601 Brandenburg
LT-Drs. 5/3023, S. 4. LKV 2012, 151 (158); Schmidt, KommJur 2012, 409 (411, in Fn. 7); so auch Pogoda, LKV 2012, 159 (160), der vom Vorliegen einer nunmehr einfachen Subsidiaritätsklausel ausgeht, dabei jedoch entscheidendes übersieht. 603 So aber Pogoda, LKV 2012, 159 (160). 604 Insofern auch fälschlicherweise, weil auf die Normierung eines Qualitätsmerkmals (besser) abstellend, welches in § 91 GemO Brandenburg gar nicht mehr geregelt ist, Dyllick/Lörincz/Neubauer, LKV 2012, 151 (158), die formulieren „Heute muss er [der Private] besser sein.“ 602 Dyllick/Lörincz/Neubauer,
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seitens der Gemeinden enthält, bestimmen die GemO von Sachsen (§ 94a Abs. 1 S. 1 Nr. 3), Schleswig-Holstein (§ 101 Abs. 1 Nr. 3) und Mecklenburg-Vorpommern (§ 68 Abs. 2 Nr. 3) lediglich eine einfache Subsidiaritätsklausel, die es den Gemeinden einfacher macht, ein (Re)Kommunalisierungsbestreben in die Tat umzusetzen. Eine reduzierte einfache Subsidiaritätsklausel enthält die KV Brandenburgs (§ 91 Abs. 3 S. 1), wonach das Subsidiaritätserfordernis lediglich im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit, nicht jedoch auf die Güte der Leistungserbringung zu erfüllen ist und im öffentlichen Interesse sogar eine Ausnahme hiervon zulässig ist. Im Hinblick auf die (Re)Kommunalisierungsbestrebungen der Gemeinden besonders günstig sind die Gemeindeordnungen mit Ausnahmebereich für die energiewirtschaftliche Betätigung. Bereichsausnahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung enthalten zum einen die GemO von Hessen (§ 121 Abs. 1a), Thüringen (§ 71 Abs. 2 S. 1 Nr. 4), Bayern (Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 4), Baden-Württemberg (§ 102 Abs. 1 Nr. 3), Rheinland-Pfalz (§ 85 Abs. 1 Nr. 3) und Niedersachsen (§ 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3), die im Übrigen eine qualifizierte (also besonders strenge Subsidiaritätsklausel) vorsehen; zum anderen aber auch die GemO von Nordrhein-Westfalen (§ 107a) und Sachsen-Anhalt (§ 128 Abs. 1 und 2), die im Übrigen eine einfache Subsidiaritätsklausel bestimmen. In den Bundesländern, in denen für die energiewirtschaftliche Betätigung eine Ausnahme von der Subsidiaritätsklausel geregelt ist, müssen die Gemeinden für die (Re)Kommunalisierung des Netzes keinem Vergleich mit der Privatwirtschaft standhalten. Unabhängig davon, ob ein privater Konkurrent genauso gut oder sogar besser in der Lage wäre, das Netz zu betreiben, dürfen die Gemeinden hier wirtschaftlich tätig werden. Jedenfalls setzt die Subsidiaritätsklausel in den vorgenannten Bundesländern dem keine Grenzen. Anders ist es in den Bundesländern, in denen eine (qualifizierte, einfache oder reduzierte einfache) Subsidiaritätsklausel gilt. Hier müssen die Gemeinden die jeweiligen Anforderungen i. S. d. Subsidiaritätsklausel erfüllen und belegen, dass sie genauso gut oder besser bzw. genauso wirtschaftlich oder besser dazu in der Lage sind, das Netz zu betreiben. Insbesondere im Saarland, wo eine qualifizierte Subsidiaritätsklausel gilt, besteht damit eine hohe rechtliche Hürden für die (Re)Kommunalisierung der Netze. Diese rechtlichen Anforderungen im Zusammenhang mit der Subsidiaritätsklausel sollten von den Gemeinden nicht unterschätzt werden. cc) Örtlichkeitsprinzip als Grenze der kommunalen Leistungserbringung Der gemeindlichen wirtschaftlichen Betätigung und damit auch der (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze sind neben dem öffentlichen Zweck und der Subsidiarität auch durch das kommunalrechtliche Örtlichkeitsprinzip rechtliche Grenzen aus den Gemeindeordnungen gesetzt.
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(1) Örtlichkeitsprinzip der Gemeindeordnungen Wie bereits im Zusammenhang mit Art. 28 Abs. 2 [§ 6 II.9.c)gg)(3)] dargestellt, ist das Örtlichkeitsprinzip aus der Verfassung selbst abzuleiten. Insofern enthalten die Gemeindeordnungen selbst keine explizite Wiederholung der Geltung des Örtlichkeitsprinzips. Dem Kommunalrecht in Deutschland liegt aber ein territorial bestimmtes Kommunalsystem zugrunde,605 so dass auch den Gemeindeordnungen das Örtlichkeitsprinzip immanent ist. Wie bereits unter Art. 28 Abs. 2 GG ausgeführt [vgl. § 6 II.9.c)gg)(3)], liegt dem Örtlichkeitsprinzip dabei das Verständnis zugrunde, dass gemeindliche Aktivität grundsätzlich an den Grenzen des Territoriums der Gebietskörperschaft endet und enden muss. Demgegenüber grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig ist eine gebietsfremde Betätigung (also jenseits der eigenen Gemeindegrenzen).606 In Bezug auf die (Re)Kommunalisierung auf dem eigenen Gemeindegebiet ist bei der Energieverteilung (gerade noch) eine örtliche Angelegenheit anzunehmen, wie vorstehend kritisch in § 6 II.9.c)gg)(3) dargestellt wurde. Insofern wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. (2) Erweiterung des Aktionsradius durch die Gemeindeordnungen Trotz dieser Vorgaben treffen einige Gemeindeordnungen Regelungen über die Erweiterung des gemeindlichen Aktionsradius. Insbesondere in den letzten Jahren hat darauf gestützt das Engagement der Gemeinden außerhalb ihres eigenen Gemeindegebietes im In- wie auch Ausland, zugenommen und viele Facetten entwickelt.607 Gerade auch im Energiebereich sind Gemeinden weit über ihre kommunalen Grenzen hinaus aktiv geworden.608 Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass Gemeinden, die erfolgreich eine (Re)Kom munalisierung realisiert haben, auch über die eigenen Gemeindegrenzen hinaus in der Energieverteilung tätig werden möchten.609 Bayerisches Kommunalrecht,12. (2007), Rn. 337. Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 41 Rn. 24; vgl. § 6 II.9.c)gg)(3). 607 So auch Brosius-Gersdorf, AöR 130 (2005), 392 (394). 608 Vgl. kommunale Beteiligung am Trianel Windpark Borkum (unter http://www. trianel-borkum.de/), an dem etwa die Stadtwerke Lübeck Holding (zu 100 % in der Hand der Hansestadt Lübeck, vgl. http://www.sw-luebeck.de/unternehmen/unterneh mensgruppe/swl-holding.html, zuletzt abgerufen am 23.8.2013, 17:00 Uhr) mit 5,12 % oder die Stadtwerke Aachen AG mit 11,97 % beteiligt ist, hierzu unter http://www. trianel.com/de/trianel-gruppe.html, zuletzt abgerufen am 24.04.2015, 12:20 Uhr. 609 Oebbecke, ZHR 164 (2000), 375 (379), der dies als „Leistung an Gebietsfremde außerhalb des Gemeindegebiets“ in Abgrenzung zur Leistungserbringung an 605 Knemeyer,
606 Mann/Püttner-Oebbecke,
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Einige Gemeindeordnungen tragen diesem Phänomen kommunaler Expansionsbestrebungen durch Öffnungsklauseln Rechnung, die den Aktionsradius der kommunalen Unternehmen über die gemeindlichen Grenzen hinweg erweitern (vgl. Anlage 3). Dies könnte im Rahmen des Gesetzesvorbehaltes des Art. 28 Abs. 2 GG eine zulässige Konkretisierung darstellen. Weder das BVerfG noch die Landesverfassungsgerichte haben bisher (soweit ersichtlich) zu dieser Problematik Stellung bezogen.610 Auch sonst waren diese Regelungen der Gemeindeordnungen kaum Gegenstand gerichtlicher Verfahren, da konkurrierenden Privaten oftmals das subjektive Klagerecht abgesprochen wurde und anzunehmen ist, dass betroffene Gemeinden kein Urteil provozieren wollen, das irgendwann womöglich auch Ihnen eine Tätigkeit außerhalb des eigenen Gemeindegebiets untersagt.611 Nachfolgend werden daher die Regelungen der Gemeindeordnungen analysiert und deren rechtliche Zulässigkeit geprüft. (a) Regelungen in den Gemeindeordnungen Mit Ausnahme der Kommunalverfassung von Niedersachsen und der GemO Sachsens sehen alle Gemeindeordnungen Regelungen zur Erweiterung des Aktionsradius der wirtschaftlichen Betätigung über die Gemeindegrenzen hinaus vor (vgl. Anlage 3).612 Diese Regelungen sind indes nicht einheitlich gefasst. Es lassen sich zum einen Unterschiede in Bezug auf die Reichweite der Erweiterung des gemeindlichen Aktionsradius feststellen [hierzu unter (aa)], und zum anderen kann zwischen bereichsspezifischen Öffnungsklauseln [hierzu unter (bb)], die nur für bestimmte Betätigungen eine Erweiterung des Aktionsradius vorsehen, und generellen Öffnungsklauseln [hierzu unter (cc)], die die Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets für alle wirtschaftlichen Betätigungen bestimmen, unterschieden werden. Außerdem knüpfen einige Regelungen in den Gemeindeordnungen an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen an [hierzu unter (dd)]. Gemeindefremde „im Gemeindegebiet“ beschreibt und überraschend feststellt, dass Ersteres gerade keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft sei (S. 387). 610 Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen (2010), S. 79; Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Einl. E. EnWG, Rn. 378 der von einem „stillschweigenden Verfassungswandel“ spricht. 611 So auch Brosius-Gersdorf, AöR 130 (2005), 392 (394–395). 612 § 101 Abs. 2 und 3 GemO Schleswig-Holstein; § 68 Abs. 2 S. 2 KV Mecklenburg-Vorpommern; § 128 Abs. 2, 3, 4 KVG Sachsen-Anhalt; § 91 Abs. 4 KV Brandenburg; § 71 Abs. 5 KomO Thüringen; § 121 Abs. 1a, 5 GemO Hessen; §§ 107 Abs. 3, 107a Abs. 3 GemO Nordrhein-Westfalen; § 85 Abs. 2 GemO RheinlandPfalz; § 108 Abs. 4 KVG Saarland; § 102 Abs. 7 GemO Baden-Württemberg und Art. 87 Abs. 2 und 3 GemO Bayern.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
(aa) Reichweite der Erweiterung des Aktionsradius Einige Gemeindeordnungen bestimmen eine beachtliche Erweiterung des Aktionsradius der wirtschaftlichen Betätigung. Als Regel kann wohl die Formulierung bezeichnet werden, dass die Betätigung „außerhalb des Gemein degebiets“613 unter bestimmten Voraussetzungen gestattet ist. Hiernach sind die Gemeinden im Geltungsrahmen der jeweiligen Gemeindeordnung, also innerhalb der eigenen (Bundes-)Landesgrenzen, zu einer wirtschaftlichen Betätigung berechtigt, da an den (Bundes-)Landesgrenzen die Gesetzgebungskompetenz der Länder endet.614 Hiervon abweichend bestimmt die GemO Schleswig-Holsteins in § 101 Abs. 2, dass auch außerhalb Schleswig-Holsteins ein wirtschaftliches Handeln möglich ist. Das KVG von Sachsen-Anhalt (§ 128 Abs. 5), die KV Brandenburgs (§ 91 Abs. 4 S. 2) und die GemO Nordrhein-Westfalens (§ 107a Abs. 3 S. 3) gehen sogar soweit, dass eine Betätigung im Ausland unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein soll. (bb) Bereichsspezifische Öffnungsklauseln Einige Gemeindeordnungen treffen inhaltliche Aussagen darüber, welche Betätigungen von der Öffnungsklausel umfasst sind, und schaffen hierdurch lediglich bereichsspezifische Öffnungsklauseln. So weicht die KV Brandenburgs (§ 91 Abs. 4) vom Grundsatz, dass die gemeindliche wirtschaftliche Betätigung nur auf dem Gemeindegebiet erfolgen kann, durch bereichsspezifische Ausnahmen ab. Auch die GemO von Sachsen-Anhalt (§ 128 Abs. 3), Hessen (§ 121 Abs. 1a) und Nordrhein-Westfalen (§ 107a Abs. 3) sehen bereichsspezifische Öffnungsklauseln vor, enthalten allerdings auch eine generelle Öffnungsklausel615 (für die übrigen Bereiche wirtschaftlicher Betätigung siehe § 128 Abs. KVG Sachsen-Anhalt, § 121 Abs. 5 GemO Hessen und § 107 Abs. 3 GemO Nordrhein-Westfalen). Die KV Mecklenburg-Vorpommerns enthält in § 68 Abs. 2 S. 2 eine zunächst im Kontext des Örtlichkeitsprinzips unscheinbare Regelung, wonach die „wirtschaftliche Betätigung in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung […] auch bei Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets einem öffentlichen Zweck“ diene. Obwohl hierbei der öffentliche Zweck im Fokus steht, erkennt sie aber auch die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets in diesem bereichsspezifischen Umfang durch Fiktion an.616 613 Auch als „Handeln extra muros“ bezeichnet in Abgrenzung zum „Handeln intra muros“, vgl. etwa Dünchheim/Schöne, DVBl. 2009, 146 (152). 614 Gern, NJW 2002, 2593 (2598). 615 Hierzu nachfolgend. 616 Allgemein zu den Fiktionen i. R.d. Öffnungsklauseln zur wirtschaftlichen Betätigung: Oebbecke, ZHR 164 (2000), 375 (377).
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Die Öffnungsklauseln in diesen Ländern beziehen sich (wie die Regelung aus Mecklenburg-Vorpommern beispielhaft zeigt) nur auf einen bestimmten Bereich wirtschaftlicher Betätigung, der außerhalb der Gemeindegrenzen in zulässiger Weise betrieben werden kann und privilegieren diesen. § 68 Abs. 2 S. 2 KV Mecklenburg-Vorpommern, § 128 Abs. 3 KVG SachsenAnhalt und § 91 Abs. 4 KV Brandenburg617 nehmen den Bereich der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung von der Bindung an das Örtlichkeitsprinzip aus; § 107a Abs. 3 GemO Nordrhein-Westfalen nimmt die energiewirtschaftliche Betätigung aus. Die GemO Hessens bestimmt diesen Kreis der Betätigungen in § 121 Abs. 1a. Hiernach kann sich die Gemeinde in folgenden Bereichen wirtschaftlich betätigen: „ausschließlich auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung und des Vertriebs von Strom, Wärme und Gas aus erneuerbaren Energien sowie der Verteilung von elektrischer und thermischer Energie bis zum Hausanschluss“, wobei die „wirtschafte Beteiligung der Einwohner […] ermöglicht werden“ soll. Diese vorgenannten Normen sind damit auch für etwaige aus der (Re)Kommunalisierung heraus erwachsende Bestrebungen in Richtung einer überörtlichen Betätigung in der Energieverteilung zu beachten. Hierdurch schaffen die Länder in den Gemeindeordnungen für die eigenen kommunalen Unternehmen mehr Chancen und Möglichkeiten im Wettbewerb.618 (cc) Generelle Öffnungsklauseln Die GemO von Rheinland-Pfalz (§ 85 Abs. 3), Schleswig-Holstein (§ 101 Abs. 2), Sachsen-Anhalt (§ 128 Abs. 4), Hessen (§ 121 Abs. 5)619, BadenWürttemberg (§ 102 Abs. 7), Bayern (Art. 87 Abs. 2), Nordrhein-Westfalen (§ 107 Abs. 3) sowie das KVG des Saarlands (§ 108 Abs. 4) und die KO Thüringens (§ 71 Abs. 5) bestimmen, dass die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden allgemein „außerhalb des Gemeindegebiets“ zulässig ist. Sie öffnen damit den Aktionsradius der gemeindlichen wirtschaftlichen Betätigung für alle Wirtschaftsfelder und nicht lediglich einen fest vorgegebenen Bereich. Eine (Misch-)Sonderform stellt das KVG Sachsen-Anhalts dar, das in § 128 Abs. 3 eine bereichsspezifische Öffnungsklausel vorsieht, aber für die übrigen Wirtschaftsfelder bestimmt, dass außerhalb des Gemeindegebiets gem. § 128 Abs. 4 KVG Sachsen-Anhalt „nur in begründeten Ausnahmefällen“ ein Wirtschaften zulässig sein soll. 617 § 91 Abs. 4 KV Brandenburg erweitert dies außerdem noch um Betätigungen im Rahmen von Vereinbarungen und Konzessionen, siehe Anlage 3. 618 So auch (für die Regelung in Sachsen-Anhalt): Gern, NJW 2002, 2593 (2594). 619 Die Hessische Gemeindeordnung sieht damit zusätzlich zu einer spezifischen Öffnungsklausel auch eine generelle Öffnungsklausel vor.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
(dd) V oraussetzungen für die Zulässigkeit der Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets Nachdem vorstehend die Reichweite der Öffnungsklauseln kurz erläutert wurde, werden nachfolgend überblicksartig die materiellen Voraussetzungen für die Aufnahme einer überörtlichen Betätigung dargestellt. Nicht alle Gemeindeordnungen knüpfen an die Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets gesonderte Voraussetzungen. Weder § 68 Abs. 2 S. 2 KV Mecklenburg-Vorpommern noch § 91 Abs. 4 KV Brandenburg regeln etwas Derartiges. Allerdings ist in diesen Fällen von der Geltung der Schrankentrias, wie sie auch für die gemeindliche Betätigung innerhalb des Gemeindegebiets gilt und nicht etwa von einer Befreiung hiervon auszugehen. Die überwiegende Mehrheit der Gemeindeordnungen bestimmt dies ausdrücklich durch Verweis auf den jeweiligen Absatz, der die Schrankentrias als Voraussetzung einer zulässigen wirtschaftlichen Betätigung enthält.620 § 128 Abs. 3 und 4 KVG Sachsen-Anhalt bildet hiervon eine Ausnahme. Für die für die (Re)Kom munalisierung der Energieverteilung einschlägige bereichsspezifische Ausnahme bestimmt § 128 Abs. 3 KVG Sachsen-Anhalt, dass die Betätigung in der Stromversorgung einem öffentlichen Zweck diene und darüber hinaus die Zulässigkeit von der Leistungsfähigkeit und den Voraussetzungen des Abs. 1 S. 1 Nr. 3 (Subsidiaritätsklausel) abhinge. Insofern wiederholt sich im Rahmen der Öffnungsklausel in Sachsen-Anhalt die Regelung im Hinblick auf die öffentliche Zweckverfolgung, die vorstehend in § 6 IV.2.b)aa)(4) bereits ausführlich kritisch betrachtet wurde. Es gelten auch in diesem Zusammenhang die vorstehend getroffenen Aussagen, so dass auch hier eine öffentliche Zweckverfolgung seitens der Gemeinden positiv dargelegt werden muss. Dass diese Regelung z. T. als „wegweisend“ angesehen wird, ist daher und aus weiteren (nachfolgend dargestellten Gründen) nicht nachvollziehbar.621 Zusätzlich zu diesen Voraussetzungen bestimmt die Mehrzahl der Gemeindeordnungen neben weiteren formalen Voraussetzungen622, dass die Zulässigkeit der überörtlichen wirtschaftlichen Betätigung davon abhängt, dass die „berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind“ (so geregelt in § 121 Abs. 5 Nr. 2 GemO Hessen).623 Dieser Schutz 620 So in § 102 Abs. 7 GemO Baden-Württemberg; Art. 87 Abs. 2 GemO Bayern; § 108 Abs. 4 KVG Saarland; § 85 Abs. 2 GemO Rheinland-Pfalz; § 101 Abs. 2 GemO Schleswig-Holstein; § 71 Abs. 5 KomO Thüringen; § 121 Abs. 1a und 5 GemO Hessen; §§ 107 Abs. 3, 107a Abs. 3 GemO Nordrhein-Westfalen. 621 So etwa Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (August 2011), S. 15. 622 Hierzu etwa Gern, NJW 2002, 2593 (2593 ff.). 623 § 102 Abs. 7 GemO Baden-Württemberg; Art. 87 Abs. 2 GemO Bayern; § 108 Abs. 4 KVG Saarland; § 85 Abs. 2 GemO Rheinland-Pfalz; § 101 Abs. 2 GemO Schleswig-Holstein; § 128 Abs. 3 und 4 KVG Sachsen-Anhalt; § 121 Abs. 5
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der von der kommunalen Aktivität betroffenen Gemeinden folgt schon aus dem auch diesen Gemeinde aus Art. 28 Abs. 2 GG zustehenden Recht, die Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln. Insofern erstaunt es, dass nach den vorgenannten Gemeindeordnungen kein Einvernehmen mit der von der überörtlichen Betätigung betroffenen Gemeinde hergestellt werden muss, sondern (wie es in den Gemeindeordnungen formuliert ist) ihre Interessen lediglich berücksichtigt werden müssen.624 Zusätzlich zu den Interessen der betroffenen Gemeinde dehnen die GemO Schleswig-Holsteins und KV Brandenburgs die zu wahrenden Interessen, wegen der Gestattung einer Betätigung außerhalb des eigenen Bundeslandes, auch noch auf Bundes- und die eigenen Landesinteressen in § 101 Abs. 3 S. 1 GemO Schleswig-Holstein und § 91 Abs. 4 S. 2 KV Brandenburg aus. Demgegenüber enthalten die KO Thüringens und die KV Mecklenburg-Vorpommerns keine derartige Regelung. Dabei sind jedenfalls als berechtigte Interessen all’ diejenigen Rechte anzusehen, die der von der überörtlichen Aktivität betroffenen Gemeinde ebenfalls im Rahmen der Gesetze, insbesondere also aus Art. 28 Abs. 2 GG, zustehen.625 Hierzu wird man vor allem die eigene wirtschaftliche Betätigung zählen müssen,626 so dass in dem Fall eine überörtliche Betätigung ausgeschlossen ist, in dem die betroffene Gemeinde selbst in der Energieverteilung tätig werden will. Problemtisch wird es indes, wenn eine eigene wirtschaftliche Betätigung von der betroffenen Gemeinde geplant, aber noch nicht umgesetzt ist. Denn für den Fall, dass die Gemeinde selbst nicht wirtschaftlich tätig ist, wird angenommen, dass auch kein berechtigtes Interesse bestünde, welches eine überörtliche Betätigung einer anderen Gemeinde behindere.627 Auch insofern sind die Bestimmungen über die überörtliche Betätigung inhaltlich problematisch. Die Mehrzahl der Gemeindeordnungen mit Ausnahme der rheinland-pfälzischen und brandenburgischen Gemeindeordnung führt genauer dazu aus, was als berechtigte Interessen anzuerkennen ist. In Art. 87 Abs. 2 S. 2 GemO Bayern und § 107a Abs. 3 S. 2 GemO Nordrhein-Westfalens ist hierzu bestimmt, dass bei „der Versorgung mit Strom und Gas […] nur die Interessen GemO Hessen; §§ 107 Abs. 3, 107a Abs. 3 GemO Nordrhein-Westfalen; § 91 Abs. 4 KV Brandenburg. 624 Rehn/Cronauge/von Lennep/Knisch, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Bd. 2,37. EGL (September 2011), § 107a S. 14. 625 So auch Rehn/Cronauge/von Lennep/Knisch, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Bd. 2,37. EGL (September 2011), § 107a S. 14 f. 626 Bracker/Dehn-Dehn/Wolf, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein,11. (2014), § 101 S. 600. 627 So Bracker/Dehn-Dehn/Wolf, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein,11. (2014), § 101 S. 600; ähnlich, wenn auch etwas differenzierter: Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), § 107 S. 497.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
als berechtigt [gelten], die nach den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen.“ § 101 Abs. 2 S. 2 GemO Schleswig-Holstein bestimmt demgegenüber, dass bei „im Wettbewerb wahrgenommenen Aufgaben […] nur die Interessen als berechtigt [gelten], die nach bundesgesetzlichen Vorgaben eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen“. § 102 Abs. 7 S. 2 GemO Baden-Württemberg fasst den Kreis der relevanten Vorschriften weiter, indem alle „maßgeblichen Vorschriften [die] eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen“ den Kreis der berechtigen Interessen eingrenzen. Die KO Thüringens in § 71 Abs. 5 S. 2, § 108 Abs. 4 Nr. 2 S. 2 KVG Saarland und § 121 Abs. 5 Nr. 2 GemO Hessen dehnen dies „bei gesetzlich liberalisierten Tätigkeiten“ auf die „maßgeblichen Vorschriften“, die „eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen“ aus; § 128 Abs. 3 und Abs. 4 KVG Sachsen-Anhalt fassen dies sprachlich unter „Aufgaben, die im Wettbewerb wahrgenommen werden“ und dem „jeweilige Ordnungsrahmen“ als Richtschnur der berechtigten Interessen. Damit grenzen die GemO Bayerns und Nordrhein-Westfalens den Kreis der berechtigten Interessen am weitesten (lediglich auf solche nach den Vorschriften des EnWG) ein. Die GemO Schleswig-Holstein begrenzt die Interessen auf diejenigen, die nach bundesgesetzlichen Vorgaben eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen. Baden-Württemberg, Thüringen, das Saarland, Hessen und Sachsen-Anhalt normieren in ihren Gemeindeordnungen dagegen sehr allgemein die maßgeblichen Vorschriften bzw. den jeweiligen Ordnungsrahmen als Richtschnur der berechtigten Interessen und sind insoweit noch weiterreichender. Dabei ist die Frage in jedem Einzelfall anhand dieses Maßstabes zu klären, ob es berechtigte Interessen der betroffenen Gemeinde gibt, die gegen eine Ausweitung der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde sprechen. Hierbei bestehen erhebliche Rechtsunsicherheiten. Oftmals wird man eine definitive Aussage nur treffen können, wenn die betroffene Gemeinde sich ausdrücklich zu ihren Interessen oder einverstanden erklärt hat. (b) A rt. 28 Abs. 2 GG und das Demokratieprinzip als verfassungsrechtliche Grenze Die verfassungsrechtliche Verankerung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie findet sich – wie vorstehend in § 6 II.9. dargelegt – in Art. 28 Abs. 2 GG. Dieser begrenzt die gemeindliche Kompetenz auf die örtlichen Angelegenheiten.628 Es stellt sich daher die Frage, ob die Regelungen in den Gemeindeordnungen überhaupt verfassungskonform sind. 628 So auch Grawert, in: Grupp/Rollenfitsch, Planung – Recht – Rechtsschutz, Festschrift für Willi Blümel zum 70. Geburtstag am 6. Januar 1999 (1999), S. 119
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Zugunsten der landesrechtlichen Regelungen wird vertreten, dass die Gemeindeordnungen in zulässiger Weise den Art. 28 Abs. 2 GG konkretisieren würden.629 Art. 28 Abs. 2 GG steht unter dem Vorbehalt, dass „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung“ von den Gemeinden geregelt werden können. Hieran anknüpfend wollen einige Stimmen in den Öffnungsklauseln der Gemeindeordnungen eine verfassungsrechtlich zulässige Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie „im Rahmen der Gesetze“ nach Art. 28 Abs. 2 GG sehen.630 Die Landesgesetzgeber hätten gerade von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Selbstverwaltungsgarantie im Rahmen der Gesetze auf Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets zu erweitern. In einem gewissen Maße sei es eben möglich rechtsgestaltend den örtlichen Bezug auszuformen und zu gestalten631 und dadurch grenzüberschreitende Tätigkeiten der Gemeinden zuzulassen.632 Burgi führt hierzu aus, dass Art. 28 Abs. 2 GG unter einem Gesetzesvorbehalt stünde und die Gemeindeordnungen, wenn sie Regelungen zu einer überörtlichen wirtschaftliche Be tätigung enthielten, nur ausformulieren, was unter örtlich (noch) zu verstehen sei.633 Bei diesen Erwägungen wird jedoch übersehen, dass eine Ausformung oder Ausgestaltung sich an den gesetzlichen Vorgaben orientieren und deren gesetzten Rahmen einhalten muss. Die der kommunalen Selbstverwaltung immanente Rückkopplung an die gemeindliche (territoriale) Kompetenz kann daher nicht umgangen oder erweitert werden.634 (S. 129 ff.) „Auswärtige Engagments sind […] regelwidrig“; Ehlers, DVBl. 1998, 497 (504); auf diese Ansicht hinweisend, aber a. A.: Wolff, DÖV 2011, 721 (723); auch: Karst, DÖV 2002, 809 (813 ff.). 629 Für die Zulässigkeit auch: Jarass DVBl. 2006, 1 (2 ff.); Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3.(2013), S. 412; so wohl auch zu lesen: Schneider/Theobald-Wolff, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 5 Rn. 48 ff.; Moaring, WiVerw 1998, 233 (244 ff.); Burmeister/Staebe, EuR 2004, 810 (811); Bracker/Dehn-Dehn/Wolf, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein,11. (2014), § 101 S. 600; so auch Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 19; Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 62; Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen (2010), S. 82 ff.; Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), § 107 S. 497. 630 Bracker/Dehn-Dehn/Wolf, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein,11. (2014), § 101 S. 600; Burmeister/Staebe, EuR 2004, 810 (811). 631 So auch Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 19. 632 Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 62. 633 Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen (2010), S. 82 ff.
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Gegen die Argumentation, die überörtliche Tätigkeit sei nur eine Ausformung des Art. 28 Abs. 2 GG im Rahmen des dort vorgesehen Gesetzesvorbehaltes, ist weiterhin insbesondere zweierlei zu erwidern.635 Zum einen regelt Art. 28 Abs. 2 GG selbst, dass die Gemeinden für die örtlichen Angelegenheiten zuständig sind. Insofern widerspricht es dem klaren Gesetzeswortlaut des Art. 28 Abs. 2 GG, diesen in den Gemeindeordnungen dahingehend zu „konkretisieren“, dass aus „örtlich“ in der untergesetzlichen Ausformung schließlich „überörtlich“ wird. Dies sprengt die Wortlautgrenze des Art. 28 Abs. 2 GG und kann nicht als Auslegung des Begriffs oder gar Ausgestaltung dessen bezeichnet werden. Auch dem Sinn und Zweck des Art. 28 Abs. 2 GG widerspricht eine solche Ausweitung. Durch die überörtliche Betätigung der Gemeinden wird diese eben nicht mehr zur Befriedigung der Bedürfnisse der eigenen Gemeindebewohner vor Ort tätig, wozu Art. 28 Abs. 2 GG der Gemeinde aber das Recht einräumt.636 Zum anderen regelt Art. 28 Abs. 2 GG, dass die Gemeinden die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft „im Rahmen der Gesetze“ in eigener Verantwortung regeln sollen. Daraus aber ein Recht zu entnehmen, die verfassungsrechtlich auf die örtliche Gemeinschaft begrenzten Kompetenzen landesrechtlich auszuweiten, geht fehl.637 Vielmehr ist in diesem Zusammenhang an den Vorrang des Gesetzes zu erinnern. Danach begrenzt die grundgesetzliche Bestimmung, dass die Gemeinden auf örtliche Angelegenheiten beschränkt sind, die landesrechtlichen Regelungen, dass die Gemeinden auch außerhalb des Gemeindegebiets oder überörtlich tätig werden dürfen. Dem kann auch nicht damit begegnet werden, dass man das Örtlichkeitsprinzip des Art. 28 Abs. 2 GG nur als Kompetenzbegrenzung für hoheit liches Handeln ansieht und die wirtschaftliche Betätigung hiervon ausnimmt.638 Einerseits können sich die Gemeinden nicht auf den Schutzbe634 In ähnliche Richtung: Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Einl. E. EnWG Rn. 339; Rennert, JZ 2003, 385 (391), a. A. SäckerPielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. E EnWG, Rn. 442, wonach: „Rein rechtlich gesehen, wird sich ein kommunaler Netzbetreiber auch um die Neuvergabe eines Konzessionsvertrages nach § 46 Abs. 2 EnWG in einer anderen Gemeinde bewerben können.“ 635 Zur überörtlichen Wirtschaftstätigkeit allgemein auch Säcker-Pielow, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Einl. E. EnWG Rn. 366 ff. 636 Ähnlich zunächst auch Britz, Örtliche Energieversorgung,1. (1994), S. 71, die dann jedoch vom Vorliegen eines örtlichen Bezugs ausgeht, „wenn eine Kommune auch ihr eigenes Gebiet versorgt“; so auch Sachs-Nierhaus, GG,6. (2011), Art. 28 Rn. 49, wonach eine „strikte Bindung an die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu fordern“ und die Betätigung des Gemeindegebiets nicht zulässig sei. 637 So auch Rennert, JZ 2003, 385 (391). 638 So aber Henneke, DVBl. 1998, 685 (690), der auf Ausführungen von Wieland bei dem Professorengespräch im Jahr 1998 des Deutschen Landkreistages
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reich des Art. 28 Abs. 2 GG im Hinblick auf die grundsätzliche Befugnis zur kommunalen wirtschaftlichen Betätigung berufen, dann aber andererseits die den Schutzbereich bildenden Merkmale (örtliche Angelegenheiten) ignorieren.639 Außerdem stellt auch die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden eine Form des Verwaltungshandelns und damit staatliche Aufgaben erfüllung dar.640 Sie ist nicht etwa davon losgelöst und gründet sich auf Grundrechte oder Privatautonomie der Gemeinden.641 Daher gelten die gemeindlichen Kompetenzbegrenzungen ebenso für das wirtschaftliche Handeln der Gemeinden. Auch geht die Annahme fehl, dass sich aus dem Sinn und Zweck des Art. 28 Abs. 2 GG ergebe, dass die örtliche Begrenzung kommunaler Tätigkeit nur dazu diene, die angrenzenden Nachbargemeinden vor Übergriffen durch andere Gemeinden zu schützen und daher, wenn die Nachbargemeinden einverstanden seien, nichts gegen eine überörtliche Tätigkeit von Gemeinden spreche.642 Nur aus dem Bestehen eines Abwehrrechts der einen Gemeinde gegen Übergriffe durch eine andere Gemeinde könne nicht gefolgert werden, dass überörtliche Aktivitäten stets verfassungswidrig seien.643 Dieser Reduktion des Art. 28 Abs. 2 GG auf die Begrenzung ungewollter horizontaler Übergriffe ist nicht beizutreten. Es kommt hierauf gar nicht an, wenn die Gemeinde – wie hier vertreten – schon nicht die Kompetenz zum überörtlichen Tätigwerden hat. Denn die Kompetenzbindung einer jeden Gemeinde auf ihr eigenes Gemeindegebiet, insbesondere in örtlicher Hinsicht, folgt bereits aus zwingendem Verfassungsrecht.644 Diese Versuche verweist; Dolde, ZHR 166 (2002), 515 (516); Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (53). 639 So treffend auf den Punkt gebracht in Manglodt/Klein/Starck-Tettinger, Kommentar zum GG, Bd. 2,5. (2005), Art. 28 Rn. 173: „Die Grenzen des Schutzbereichs sind zugleich Kompetenzgrenzen“; Glaser, Die Verwaltung 2008, 483 (488); Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (54). 640 „Verwaltung bleibt Verwaltung, auch wenn sie wirtschaftet“, so Ehlers, NWVBl. 2000, 1 (5); Ehlers, DVBl. 1998, 497 (504); Glaser, Die Verwaltung 2008, 483 (488); im Ergebnis a. A.: Dünchheim/Schöne, DVBl. 2009, 146 (152 f.), die trotz Vorbringen dieses Aspekts zur Zulässigkeit der überörtlichen Betätigung gelangen. 641 Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (54). 642 So etwa Hoppe/Uechtritz/Reck-Uechtritz/Otting/Olgemöller, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 6 Rn. 22 ff., insbesondere Rn. 26 ff.; Langner, Die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit und die Grundfreiheiten des EG-Vertrages (2008), S. 70 und S. 80. 643 So etwa Langner, Die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit und die Grundfreiheiten des EG-Vertrages (2008), S. 70 und S. 80. 644 Vgl. hierzu: Rennert, JZ 2003, 385 (391): „Und ‚zur Seite‘ ‒ zur Nachbargemeinde – hin beschränkt sich die kommunale Kompetenz auf die Versorgung des jeweils eigenen Gebiets. Ein Stadtwerk darf daher nicht von sich aus der Bevölkerung der Nachbargemeinde Strom und Wasser liefern. Das kann ihm auch der Lan-
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zwecks Erweiterung der räumlichen gemeindlichen Handlungsspielräume sollen den Gemeinden bessere Chancen im Wettbewerb mit bzw. gegen die Privaten verschaffen und eine Verdrängung der kommunalen Unternehmen durch die insofern freieren Privaten verhindern.645 Dabei werden aber (auch und insbesondere von den Landesgesetzgebern) die rechtlichen Grenzen der Zulässigkeit überschritten. Ein weiterer Aspekt ist im Hinblick auf die Unzulässigkeit der überörtlichen Betätigung von zentraler Bedeutung. An dieser Stelle muss die Frage gestellt werden, ob die über die Gemeindegrenzen hinausgehende Tätigkeit überhaupt einem öffentlichen Zweck im Sinne des Allgemeinwohls der Gemeindebürger oder nicht vielmehr der Erzielung von Gewinnen und Wettbewerbsvorteilen für die kommunalen Unternehmen dient. Letzteres muss bejaht werden.646 Dies schon deswegen, weil die Gemeinden i. d. R. einer gebietsüberschreitende Betätigung nicht bedürfen, um ihre eigenen Angelegenheiten ordnungsgemäß zu erfüllen.647 Daher ist in der Regel anzunehmen, dass mit der Expansion der gemeindlichen Betätigung wirtschaftliche Ziele (etwa Gewinnmaximierung und bessere Marktpositionierung) erreicht werden sollen. Dies stellt aber gerade keine öffentliche Zweckverfolgung, wie sie zwingende Voraussetzung für die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden ist,648 dar.649 Es kann angenommen werden, dass sich die Gemeinden über die eigenen Gemeindegrenzen hinaus betätigen, um so „Anteile auf Märkten außerhalb ihres Gemeindegebietes zu gewinnen und zugleich Größenvorteile (economies of scale) und damit Effi zienzgewinne zu erzielen“.650 Auch ist wahrscheinlich, dass die Gemeinden der Öffnung der Märkte und damit dem zunehmenden Wettbewerb versuchen dadurch zu begegnen, dass sie sich bemühen, größere Märkte zu erschließen, um bspw. Probleme der Betriebskapazitätsauslastung zu beheben, Größenvorteile (economies of scale) zu generieren oder allgemein ihre desgesetzgeber nicht erlauben; die Kompetenzbindung jeder Gemeindetätigkeit auch in örtlicher Hinsicht beruht auf zwingendem Verfassungsrecht.“ 645 Reichert/Baumann, Kommmunalrecht, Besonderes Verwaltungsrecht für Baden-Württemberg,2. (2000), S. 125 Rn. 145. 646 So auch Papier, DVBl. 2003, 686 (688 f.); Ehlers, DVBl. 1998, 497 (499 f.); Heilshorn, Gebietsbezug der Kommunalwirtschaft (2003), S. 169; Heilshorn, Verw Arch 2005, 88 (97.); a. A.: Wolff, DÖV 2011, 721 (725). 647 So auch Heilshorn, Gebietsbezüge der Kommunalwirtschaft (2003), S. 169, der zusätzlich davon spricht, dass die Gemeinden den „Gemeinwohlauftrag“ grundsätzlich auf ihrem eigenen Gebiet erfüllen könne. 648 Hierzu bereits vorstehend mehrfach. 649 In zaghaften Ansätzen angedeutet auch bei Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen (2010), S. 58. 650 Kühling, NJW 2001, 177 (177).
IV. Landesrechtliche Vorgaben233
Wettbewerbsposition zu verbessern.651 Auch der Aspekt, dass bei der wirtschaftlichen Betätigung in der Elektrizitätsverteilung Gemeindebewohner in anderen Gemeinden mit Energie versorgt werden, also typischerweise eben gerade nicht die eigenen Einwohner direkt von der Expansion begünstigt sind, führt des Weiteren zur Bekräftigung der Überlegungen, dass die Ausweitung des kommunalen Engagements wirtschaftlichen Erwägungen geschuldet ist, nicht jedoch einem öffentlichen Zweck dient.652 In der bereits zuvor genannten Sasbach-Entscheidung hatte sich das BVerfG zur Frage der reinen Gewinnerzielung als Motiv kommunalen Handelns in einem obiter dictum ablehnend geäußert. Dabei begründete das BVerfG dies damit, dass ein kommunales Unternehmen gerade durch seine Leistungserbringung und nicht mittelbar durch die Erzielung von Erträgen dem Gemeinwohl der Gemeindebewohner dienen müsse.653 Dieses Argument lässt sich aber auch hinsichtlich der Begrenzung kommunaler Aktivitäten auf das Gemeindegebiet anführen.654 Wenn ein kommunales Unternehmen nach Ansicht des BVerfG gerade durch seine Leistungserbringung dem Gemeinwohl der Gemeindebewohner dienen muss, so ist hiervon nicht die Leistungserbringung außerhalb des Gemeindegebietes umfasst, da diese dem Gemeinwohl anderer (fremder) Gemeindebewohner dient. Hierzu kann das verfassungsrechtlich geschützte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden nicht dienen; denn dieses Recht der Gemeinden ist schon deswegen „notwendigerweise mit Gebietsgrenzen verbunden“, weil auf andere Weise die weitreichende Kompetenz der Gemeinden und die Freiheit vor Einmischung von außen, also der „Autonomiebereich“ der Gemeinden nicht erklärbar wäre.655 Die gemeinderechtliche Ausweitung des Aktionsradius der Gemeinden in einigen Gemeindeordnungen verstößt daher gegen Art. 28 Abs. 2 GG und ist verfassungswidrig.656 651 Kühling,
NJW 2001, 177 (177). Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen (2010), S. 32; Mann/Püttner-Oebbecke, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 41 Rn. 29; a. A.: Northoff, Zulässigkeit kommunaler unternehmerischer Tätigkeit im Ausland (2008), S. 34. 653 Gern, Sächsisches Kommunalrecht,2. (2000), Rn. 812; BVerfG, Beschl. v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, NJW 1982, 2173 (2175). 654 A. A.: Wolff, DÖV 2011, 721 (724 f.). 655 Badura DÖV 1998, 818 (822); David, NVwZ 2000, 738 (742); Ehlers DVBl. 1998, 497 (504); Ruffert, VerwArch. 92 (2001), 27 (34); Schink, NVwZ 2002, 129 (135). 656 Ausführlich hierzu: Grawert, in: Klaus Grupp/Michael Ronellenfitsch (Hrsg.), Festschrift für Willi Blümel zum 70. Geburtstag am 6. Januar 1999, Berlin (1999), S. 119 (124 ff.); Ehlers, DVBl. 1998, 497 (503 f.); Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge (2005), S. 87; Heilshorn, VerwArch 96 (2005), 88 (98); Schink, NVwZ 2002, 129 (135); Mangoldt/Klein/Starck-Tettinger, Kommentar zum 652 Burgi,
234
§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
Dieser Befund wird durch den Einbezug des Demokratieprinzips in die vorstehenden Erwägungen noch verstärkt.657 Aus dem Demokratieprinzip folgt u. a. dass auch gemeindliche Organe eine gewisse personelle Legitimation aufweisen müssen, die sie durch das Teilvolk der Gemeinde und deren Einfluss auf die Gemeinde und ihre Geschicke erlangen. Diese Demokratische Legitimation ist hinsichtlich der handelnden Gemeinde und ihrer Organe auf dem Gebiet der Gemeinde und damit dem Gebiet des Gemeindeteilvolkes gegeben. Anders verhält es sich jedoch, wenn eine Gemeinde auf dem Gebiet eines anderen Gemeindeteilvolks tätig wird. Denn hier fehlt es gerade an dem Einfluss des von der Tätigkeit betroffenen Teilvolks auf die gemeindliche Tätigkeit, da die Aufgabenwahrnehmung außerhalb des betroffenen Gemeindegebiets gesteuert wird.658 Auch wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip verstoßen daher die Ausweitungsregelungen der Gemeindeordnungen zur überörtlichen wirtschaftlichen Betätigung gegen die Verfassung. Ehe diese Öffnungsklauseln als verfassungswidrig verworfen werden, sind die landesrechtlichen Erlaubnistatbestände in Bezug auf die überörtlichen Tätigkeiten jedoch verfassungskonform auszulegen.659 Denn aus der Feststellung, dass die zielgerichtete überörtliche Tätigkeit verfassungsrechtlich nicht möglich ist, folgt noch nicht, dass Aktivitäten, die über das Gemeindegebiet hinausgehen, nicht ausnahmsweise unter anderen Vorzeichen zulässig sein können. Aufgrund der über Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Kooperationsfreiheit der Gemeinden, können die entsprechenden Erlaubnistatbestände bspw. dahingehend interpretiert werden, dass sie die verfassungsrechtlich gewährten einvernehmlichen Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Gemeinden umfassen.660 Auch auswärtige (ledigliche) Hilfstätigkeiten können hierunter gefasst werden.661 Insofern ist eine verfassungskonforGG, Bd. 2,5 (2005), Art. 28 Rn. 173, der von einer „Kompetenzgrenze“ und einer „kompetenznegierenden ne-ultra-vieres Regel“ als sachlicher „Beschränkung auf die Erledigung der örtlichen Aufgaben“ spricht; a. A.: Northoff, Zulässigkeit kommunaler unternehmerischer Tätigkeit im Ausland (2008), S. 37; Wolff, DÖV 2011, 721 (723 f.). 657 Hierzu auch Heilshorn, Gebietsbezug der Kommunalwirtschaft (2003), S. 172. 658 So auch Heilshorn, Gebietsbezug der Kommunalwirtschaft (2003), S. 171 f. 659 Meyer, LKV 2000, 321 (323); Heilshorn, Gebietsbezug der Kommunalwirtschaft (2003), S. 175 f.; dies andeutend jedoch: Lux, NWVBL 2000, 7 (10); Scharpf, NVwZ 2005, 148 (151). 660 Ehlers, NWVBl. 2000, 1 (6); Hobe/Biehl/Schroeter, Europarechtliche Einflüsse auf das Recht der deutschen kommunalen Selbstverwaltung (2004), S. 176.; Hoppe/Uechtritz/Reck-Uechtritz/Otting/Olgemöller, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 6 Rn. 33 ff.; Kühling, NJW 2001, 177 (182); kritisch zu diesen Öffnungsklauseln: Becker, DÖV 2000, 1032 (1035 f., 1039). 661 Heilshorn, VerwArch 96 (2005), 88 (98).
IV. Landesrechtliche Vorgaben235
me Auslegung möglich, die im Ergebnis aber nicht zu einem Mehr an Betätigungsmöglichkeiten der Gemeinden aufgrund der Gemeindeordnungen führt, sondern den bereits verfassungsrechtlich gewährten Betätigungsrahmen abbildet. Die Betätigung einer Gemeinde auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde, bspw. als Netzbetreiber, ist indes als verfassungswidrige Betätigung abzulehnen. (c) Landesverfassungen als Grenze Auch die Landesverfassungen der einzelnen Bundesländer enthalten Bestimmungen im Hinblick auf die Kompetenzen der Gemeinden. In diesem Zusammenhang besonders interessant sind die Regelungen einzelner Länder, die die gemeindlichen Aktivitäten auf das Gebiet der Gemeinden in ihren Landesverfassungen begrenzen. So bestimmen Art. 46 Abs. 1 Verfassung von Schleswig-Holstein, Art. 77 Abs. 1 Verfassung von Mecklenburg-Vorpommern und Art. 87 Abs. 2 Verfassung von Sachsen-Anhalt, dass die Gemeinden berechtigt und verpflichtet sind, die öffentlichen Aufgaben „in ihrem Gebiet“ zu erfüllen. Ähnliches regeln auch die Verfassungen von Brandenburg (Art. 97 Abs. 2), Baden-Württemberg (Art. 71 Abs. 2), Rheinland-Pfalz (Art. 49 Abs. 1 S. 1) und Nordrhein-Westfalen (Art. 78 Abs. 2), die ebenfalls die Formulierung „in ihrem Gebiet“ enthalten, dabei aber von der Erfüllung „aller Aufgaben“ (Brandenburger Verfassung Art. 97 Abs. 2) sprechen bzw. die Gemeinden „in ihrem Gebiet“ zum Träger der „öffentlichen Aufgaben“ bestimmen (Baden-Württembergische Verfassung Art. 71 Abs. 2) oder aber noch allgemeiner die Gemeinden „in ihrem Gebiet“ zum „Träger der öffentlichen Verwaltung“ (Nordrhein-Westfälische Verfassung Art. 78 Abs. 2) bzw. der „gesamten örtlichen öffentlichen Verwaltung“ (Rheinländische Verfassung Art. 49 Abs. 1 S. 1) ernennen. Diese Landesverfassungen wiederholen damit die aus Art. 28 Abs. 2 GG ableitbaren Grenzen der kommunalen Betätigung, indem auch sie die Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden nur „in ihrem Gebiet“, also im Gebiet der Gemeinde für zulässig bestimmen. Insofern kann auf die vorstehenden Ausführungen zur Lesart des Art. 28 Abs. 2 GG verwiesen werden.662 Besonders hervorzuheben ist dieser Befund im Hinblick darauf, dass Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, NordrheinWestfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz diese ausdrückliche Beschränkung der gemeindlichen Aktivität auf das Gebiet der Gemeinde in ihren Landesverfassungen enthalten, zugleich aber in ihren Gemeindeordnungen eine Erweiterung des Aktionsradius der Gemeinden über das Ge662 Siehe
§ 6 IV.2.b)cc)(2)(b).
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
meindegebiet hinaus erlauben. Hier zeigt sich eine fehlende Konvergenz zwischen Landesverfassungen und Gemeindeordnungen. (d) Europarechtliches Erfordernis einer Ausweitung? Gegen die vorgebrachte Kritik an den Regelungen der Gemeindeordnungen zur überörtlichen Betätigung wird das europarechtliche Erfordernis zur Ausweitung der gemeindlichen Kompetenzen über die eigenen Gemeindegrenzen hinaus vorgetragen. Mit Blick auf die Energieversorgung wird dabei die Elektrizitätsrichtlinie und das europäische Primärrecht bemüht: In Art. 3 Abs. 1 Elektrizitätsrichtlinie RL 2003 / 54 und RL 2009 / 72 / EG ist bestimmt: „Die Mitgliedstaaten tragen […] dafür Sorge, […] dass Elektrizitätsunternehmen […] hinsichtlich der Rechte und Pflichten nicht diskriminiert werden.“ Eine Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen ist (wie vorstehend bereits dargestellt)663 indes nicht geregelt. Hieraus wird, unter Zuhilfenahme des europäischen Primärrechts, das ebenfalls keine Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen enthält, gefolgert, dass kommunale Unternehmen im Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt gleich den Privaten zu behandeln seien.664 Hiermit sei es daher auch unvereinbar, kommunale Unternehmen durch das Örtlichkeitsprinzip auf das eigene Gemeindegebiet zu begrenzen.665 Sogar die Grundfreiheiten aus dem AEUV werden zugunsten der kommunalen Energieversorgungsunternehmen herangezogen, um eine europarechtliche Unzulässigkeit des Örtlichkeitsprinzips zu begründen.666 Dabei wird ganz konkret ausgeführt, dass gemeindliche Unternehmen auch außerhalb des Gebietes in anderen Gemeinden Netze betreiben könnten,667 ja dies sogar europarechtlich geboten sei. Das Örtlichkeitsprinzip zulasten der Gemeinden verstoße nämlich gegen die Niederlassungsfreiheit Art. 49 ff. AEUV und die Kapital663 § 6
I.2.a).
Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 403; Reck, DVBl. 2009, 1546 (1552 ff.); Schwintowski, ZögU 2003, 283 (296); Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 275 (ohne weitere Ausführungen). 665 Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 409; Reck, DVBl. 2009, 1546 (1552 ff.); Schwintowski, ZögU 2003, 283 (296); Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 275 (ohne weitere Ausführungen); Schwintowski, in: Büdenbender/Kühne (Hrsg.), Das neue Energierecht in der Bewährung,1. (2002), S. 339 (347 ff.). 666 Ausführlich: Reck, DVBl. 2009, 1546 (1552 ff.). 667 Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 275. 664 Theobald/Nill-Theobald,
IV. Landesrechtliche Vorgaben237
verkehrsfreiheit Art. 63 ff. AEUV. Die Bundesländer seien daher aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sogar verpflichtet, die die gemeindlichen Unternehmen diskriminierenden Vorschriften des Örtlichkeitsprinzips abzuschaffen.668 Allerdings ist dieser Ansicht entgegenzuhalten, dass die europäischen Richtlinien nur den Mindeststandard des geltenden Rechts formulieren und es den Mitgliedstaaten unbenommen ist, diesen Mindeststandard durch strengere Regeln sozusagen „überzuerfüllen“.669 Daher ist es europarechtlich auch zulässig, wenn Bundes- und Landesgesetzgeber die öffentlichen Unternehmen strengeren Regeln unterwerfen als den Privaten. Hierin ist kein Verstoß gegen die Richtlinie zu sehen. Dies insbesondere auch deswegen, weil das Europarecht [wie vorstehend in § 6 I.1.e) ausgeführt] bewusst keine Entscheidung über die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten trifft, sondern diesen überlässt, diesbezügliche Regelungen zu formulieren. Außerdem erscheint es auch recht fernliegend, aus dem Gebot der Gleichbehandlung öffentlicher und privater Unternehmen, wie man es Art. 3 Abs. 1 der Elektrizitätsrichtlinie entnehmen kann, ein Verbot mitgliedstaatlicher Selbstbeschränkungen herzuleiten.670 Dies geben weder die Gesetzgebungsgeschichte noch die Zielsetzung der Richtlinie her.671 Auch im Übrigen ist das europäische Prinzip der Gleichbehandlung nicht als allgemeines Gleichstellungsgebot öffentlicher und privater Unternehmen zu verstehen, sondern vielmehr als Verbot der Besserstellung öffentlicher Unternehmen.672 Auch die Grundfreiheiten zu bemühen, geht fehl. Die Grundfreiheiten gelten grundsätzlich nicht zum Schutz staatlicher Einheiten, sondern schützen vor staatlichen Maßnahmen.673 Außerdem sind die Grundfreiheiten auch deswegen nicht auf die vorliegende Streitfrage anwendbar, weil sie in ihrer Schutzrichtung nicht die Inländer vor Inländerdiskriminierung schützen 668 Nagel, ZögU 23 (2000), 428 (434 ff.); Nagel, NvwZ 2000, 758 (759); Schwintowski, NvwZ 2001, 607 (612), der einen Verstoß gegen Art. 28, 30 EGV und auch gegen Art. 31 GG annimmt; zutreffend a. A.: Weiß, DVBl. 2003, 564 (566 ff.). 669 So ausdrücklich für die Sozialpolitik in Art. 153 Abs. 2 b) AEUV; so etwa zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie: Grabitz/Hilf-Magnus, Das Recht der Europäischen Union,32. EGL(April 2007), Anhang Umsetzung Richtlinie A.15, Rn. 6. 670 Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 13; a. A.: Moraing, WiVerw 1998, 233 (258), der in diesem Fall wegen Benachteiligung der kommunalen Unternehmen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG annimmt. 671 Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 13; Weiß DVBl. 2003, 564 (573). 672 So auch Weiß, DVBl. 2003, 564 (566 f.). 673 Herdegen, Europarecht,16. (2014), § 14 Rn. 11; Jarass, EuR 2000, 705 (707 f.); Manger-Nestler/Noack, JuS 2013, 503 (503); detailliert: Weiß, DVBl. 2003, 564 (567 ff.).
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
sollen, sondern vielmehr stets eine Binnenmarktrelevanz in Form eines grenzüberschreitenden Bezugs notwendig ist.674 Bei der Beschränkung der gemeindlichen wirtschaftlichen Aktivität durch das Grundgesetz, einige Landesverfassungen sowie einige Gemeindeordnungen, geht es aber darum, dass die inländischen kommunalen Unternehmen durch inländisches Recht beschränkt werden.675 Auf die Grundfreiheiten kann also nicht etwa die Ansicht gestützt werden, dass den gemeindlichen Unternehmen ein erweiterter Aktionsradius zustehe. Auch können Art. 106 AEUV und der primärrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung nicht zugunsten einer Ausweitung kommunaler Kompetenzen angeführt werden.676 Ganz im Gegenteil weitet Art. 106 AEUV gerade die Schutzrichtung zugunsten der Privaten aus, indem er Eingriffe und Verfälschungen des Wettbewerbs durch Bevorteilung öffentlicher Unternehmen durch den Staat zu verhindern sucht.677 Europarechtlich ist daher eine Erweiterung des Aktionsradius der Gemeinden nicht geboten.678 (e) Zusammenfassung Über die Begrenzung kommunaler Aktivitäten auf die (eigene) örtliche Gemeinschaft, die verfassungsrechtlich in Art. 28 Abs. 2 GG geregelt ist, kann sich auch der Landesgesetzgeber nicht mit den Gemeindeordnungen hinwegsetzen.679 Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in einzelnen Gemeindeordnungen getroffenen Regelungen zur überörtlichen gemeindewirtschaftlichen Tätigkeit sind zutreffend und berechtigt.680 Es ist nicht von Bedeutung, ob sich die Aktivitäten der Gemeinde außerhalb des Gemeindegebiets in irgendeiner positiven Art und Weise auf die Gemeindebewohner auswirken, sondern i. S. d. Art. 28 Abs. 2 GG kommt es darauf an, dass sich die Aufgabe auf die konkrete Gebietskörperschaft und örtliche 674 Jarass, EuR 2000, 705 (706 f.); Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 31; Weiß, DVBl. 2003, 564 (570 f.); Wolff, DÖV 2011, 721 (726 f.). 675 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 31. 676 Vgl. hierzu § 6 I.1.d)dd). 677 So auch Wolff, DÖV 2011, 721 (726); so auch schon: Scharpf, NVwZ 2005, 148 (152 f), noch zu Art. 86 EGV. 678 So auch Weiß, DVBl. 2003, 564 (574). 679 Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 26. 680 Siehe vorstehende Ausführungen sowie: Becker, DÖV 2000, 1032 (1035 f. und 1039); Ehlers, NWVBl. 2000, 1 (5 f.); Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge (2005), S. 87.; Sachs-Nierhaus, Grundgesetz,6. (2011), Art. 28 Rn. 49.
IV. Landesrechtliche Vorgaben239
Gemeinschaft beziehen lässt.681 Dabei ist eine territoriale Verankerung und Begrenzung anzuerkennen. Fehlt es an dieser Rückführbarkeit auf die Erfüllung von gemeindebezogenen Gemeinwohlbelangen, darf die Gemeinde die Aufgabe nicht wahrnehmen.682 Gemeindeordnungen, die eine überörtliche wirtschaftliche Betätigung ungeachtet dieser rechtlichen Vorgaben gestatten, sind daher wegen Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 2 GG sowie das Demokratieprinzip verfassungswidrig.683 Allerdings kommt eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmungen in den Gemeindeordnungen dahingehend in Betracht, dass hiervon die aufgrund der über Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Kooperationsfreiheit gewährten Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Gemeinden umfasst und geregelt sind.684 Auch können im Einzelfall überörtliche Aktivitäten von untergeordneter Bedeutung hiervon umfasst sein. Eindeutig als verfassungswidrig abzulehnen sind jedoch zielgerichtete gemeindliche Expansionsbestrebungen, bspw. durch wirtschaftliche Betätigung als Netzbetreiber auf fremdem Gemeindegebiet. Für eine solche Ausweitung der gemeindlichen Wirtschaftsaktivitäten fehlt es auch bereits an der demokratischen Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG,685 derer die Gemeinden als Teile der staatlichen Verwaltung bedürfen.686 dd) Leistungsfähigkeit als Grenze der kommunalen Leistungserbringung Die Leistungsfähigkeit als Grenze kommunalen Handelns ist aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG ableitbar und soll diesem im Landesrecht Rechnung tragen (siehe Anlage 4).687 Wenn im Rahmen der Begrenzungen durch das Örtlichkeitsprinzip und das Subsidia681 Meyer,
LKV 2000, 321 (323). Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2
682 Fabry/Augsten-Meßmer,
Rn. 25. 683 So auch Heilshorn, Gebietsbezug der Kommunalwirtschaft (2003), S. 175 f.; Grawert, in: Reichard, Kommunen am Markt (2001), S. 9 (24 ff.), der weiter ausführt, dass sich Expansionsklauseln mit Blick auf Verfassungsrecht nur als reine Kooperationsklauseln verstehen ließe. 684 Hobe/Biehl/Schroeter, S. 176.; Kühling, NJW 2001, 177 (182); kritisch zu diesen Öffnungsklauseln: Becker, DÖV 2000, 1032 (1035 f. und 1039). 685 Hierauf besonders abstellend: Heilshorn, Gebietsbezug der Kommunalwirtschaft (2003), S. 170 ff. 686 Mann/Püttner-Oebbecke, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 41 Rn. 25; Heilshorn, Gebietsbezug der Kommunalwirtschaft (2003), S. 170 ff.; Oebbecke, ZHR 164 (2000), 375 (388 f.); a. A.: Jarass, DVBl. 2006, 1 (4). 687 So auch Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (August 2011), S. 17; Bracker/Dehn-Dehn/Wolf, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein,11. (2014), § 101 S. 599.
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ritätsprinzip die Möglichkeit einer kommunalen Betätigung verbleibt, so ist weiterhin die Leistungsfähigkeit der Gemeinde als Grenze wirtschaftlicher Betätigung zu beachten.688 Unter dem Begriff der Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist die Fähigkeit zu verstehen, die für die wirtschaftliche Betätigung erforderlichen Mittel (bspw. finanzieller oder personeller Art) bereit zu stellen und für Verbindlichkeiten zu haften.689 Das (finanzielle) Risiko der Betätigung muss dabei in einem angemessenen Verhältnis zur (finanziellen) Bewegungsfreiheit der Gemeinde stehen.690 Aus der Leistungsfähigkeit als Grenze kommunalen Wirtschaftens folgt, dass Art und Umfang des kommunalen Unternehmens der Finanz- aber auch der Verwaltungskraft der Gemeinde angepasst sein müssen.691 Es kommt daher jeweils im Einzelfall darauf an, wie die konkrete finanzielle Situation, der aktuelle Schuldenstand und damit der Handlungsspielraum der jeweiligen Gemeinde bemessen sind.692 Das Erfordernis der Leistungsfähigkeit der Gemeinde führt dazu, dass sich die Gemeinde im Vorfeld der Aufnahme einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung mit den zu erwartenden zukünftigen Entwicklungen und typischen Risiken der Erwerbstätigkeit auseinandersetzen muss.693 Durch das Kriterium der Leistungsfähigkeit als Grenze wirtschaftlicher Betätigung sollen die kommunalen Haushalte vor finanzieller Überforderung (wirtschaftlichen Risiken, finanziellen Verlusten, Schulden für den Gemeindehaushalt, etc.), aber auch 688 Templin führt hierzu an, dass es seit der bundesverfassungsrechtlichen Rastede-Entscheidung nicht mehr auf die Leistungsfähigkeit ankomme, vgl. Templin, VerwArch 100 (2009), 529 (543), m.V.a. BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, BVerfGE 79, 127 (152). Diesem Vortrag ist zu widersprechen. Auch Templin führt selbst an, dass das BVerfG in vorgenannter Entscheidung ausgeführt habe, dass eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft nicht für alle Gemeinen ungeachtet ihrer Einwohnerzahl, flächenmäßigen Größe und Struktur gleich sein könne, vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, BVerfGE 79, 127 (152), und eine Prüfung an „Sachkriterien unter Orientierung an Anforderungen zu erfolgen [hat], die an eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung zu stellen sind.“, vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988, 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, BVerfGE 79, 127 (153). Damit macht auch das BVerfG in seiner Entscheidung 1988 die Leistungsfähigkeit in dieser Auslegung zum Maßstab. 689 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 36. 690 Articus/Schneider-Söbbeke, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,4. (2012), Erl. § 107 S. 493. 691 Darsow/Gentner/Glaser/Meyer-Darsow, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern,4. (2014), § 68 Rn. 15. 692 Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 36. 693 Bracker/Dehn-Dehn/Wolf, Gemeindeordnung Schleswig-Holstein,11. (2014), § 101 S. 599.
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die Verwaltungskraft der Gemeinde geschützt werden.694 Hierdurch soll eine Risikobegrenzung erfolgen.695 Es geht dabei auch und vor allem darum, die Erfüllung der eigentlichen Gemeindeaufgaben (Pflichtaufgaben) im Vordergrund zu belassen und diese abzusichern.696 Es soll gerade nicht zu einer Vernachlässigung der Hauptaufgaben der Gemeinde (wie Straßenbau, Errichtung und Unterhaltung von Schulen etc.) kommen.697 Insbesondere für den Fall, dass man das Örtlichkeitsprinzip sehr großzügig – anders als hier vertreten – auslegt, so muss als Korrektiv – neben dem öffentlichen Zweck – der Leistungsfähigkeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es verwundert demgegenüber, dass über das Kriterium der Leistungsfähigkeit zu lesen ist, dass diesem nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme oder dass dieses Kriterium bisher in der Praxis keine Rolle gespielt habe.698 Dies muss gerade im Hinblick auf die massive Ausweitung und Ausbreitung kommunaler Aktivitäten und die große Schuldenlast der Gemeinden Bedenken auslösen. Insbesondere bei immer größeren finanziellen Engagements der Gemeinden in der nationalen Wirtschaft und sogar auf ausländischen Märkten und gleichzeitig steigender finanzieller Not der Gemeinden ist das Kriterium der Leistungsfähigkeit ein wichtiges und nötiges Regulativ kommunaler wirtschaftlicher Betätigung. Eine kritische Prüfung der Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist vor Aufnahme etwaiger wirtschaftlicher Aktivitäten somit nicht nur wirtschaftlich und politisch sinnvoll und dringend geboten, sondern rechtlich vorgeschrieben. Die Kommunalaufsicht und auch die Gerichte sind gehalten, auf diesen Aspekt, gerade auch im Hinblick auf z. T. vorschnelle (Re)Kommunalisierungsbestrebungen stärker zu achten.699 Auch die Gemeinden selbst sollten ehrlich mit ihrer kommunalen Haushaltsituation umgehen und sich der Einhaltung der LeistungsfäKommunalrecht Sachsen-Anhalt,1. (2004), Rn. 197; Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (35); Fabry/Augsten-Meßmer, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), Teil 2 Rn. 37; Jarass. DVBl. 2006, 1 (11); Bedeutung hervorhebend und mit deutlichen Worten in Richtung Gemeinden: Ehlers, DVBl. 1998, 497 (503). 695 Franz, Kommunalrecht Sachsen-Anhalt,1. (2004), Rn. 197; Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (35). 696 Hill, in: Hill, Kommunalwirtschaft (1998), 21 (35). 697 So schon Ackermann, DVBl. 1965, 353 (354). 698 Hierauf hinweisend: Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 23; Hoppe/Uechtritz/Reck-Uechtritz/ Otting/Olgemöller, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 6 Rn. 76 ff. 699 So auch Mann/Püttner-Pielow, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2,3. (2011), § 54 Rn. 23; Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen (2010), S. 60. 694 Franz,
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§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
higkeit und damit der gesetzlichen Grenzen bewusster werden. Denn zu Recht weißt Winkel darauf hin, dass der Punkt der finanziellen Leistungsfähigkeit „in der kommunalen Praxis gern klein geredet“ wird.700 Dies gilt um so mehr dann, wenn Gemeindeordnungen die energiewirtschaftliche Betätigung von den Bestimmungen der Subsidiarität und Örtlichkeit ausdrücklich ausnehmen (so etwa GemO von Nordrhein-Westfalen (§ 107 a), Thüringen (§ 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 4), Bayern (Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 4), Baden-Württemberg (§ 102 Abs. 1 Nr. 3), Rheinland-Pfalz (§ 85 Abs. 1 Nr. 3) und Niedersachsen (§ 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3)) und damit die einzige Grenze und gleichzeitig Risikoüberprüfung vor Aufnahme der wirtschaftlichen Betätigung dem Kriterium der Leistungsfähigkeit zufällt. Für die meisten Gemeinden wird es bei ehrlicher Durchsicht der Haushaltsbücher aufgrund der immensen Überschuldung der kommunalen Haushalte daher mangels Leistungsfähigkeit nicht in Betracht kommen, sich wirtschaftlich im Rahmen der Elektrizitätsverteilung zu betätigen. Betrachtet man den Schuldenstand aus Wertpapieren und Krediten in den Gemeinden, der 2010 in den neuen Ländern für alle Gemeinden zusammen bei € 4,415 Milliarden in den alten Bundesländern für alle Gemeinden zusammen bei € 39,958 Milliarden, also zusammen bei € 44,373 Milliarden lag,701 so ist schwerlich vorstellbar, wie die zukünftigen Anforderungen an die Aufrechterhaltung und Modernisierung der Elektrizitätsverteilung durch die Gemeinden erfüllt werden sollen. Denn mit der Ausweitung von wirtschaftlichen Aktivitäten der Gemeinde wächst auch die Gefahr sich finanziell zu übernehmen und damit nicht mehr im Rahmen der eigenen Leistungsfähigkeit zu agieren.702 Insbesondere sollten Gemeinden bei der Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit und der möglichen Übernahme des Stromverteilungsnetzes auch die enormen Kosten und den hohen Investitionsbedarf in das Netz im Verhältnis zu ihrer eigenen Haushaltslage berücksichtigen.703 Obschon das Netz ein Monopol darstellt und insofern während der Laufzeit des Konzessionsvertrages keine negativen Folgen durch Wettbewerb auf die Einnahmenerzielung zu erwarten sind, bestehen dennoch nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Risiken; dies insbesondere auch deswegen, weil die nötige Unterhaltung und Investitionen in die Netze aus durch die Anreizregulierung gedeckelten Erlösen geleistet werden müssen.704 Der Netzbetrieb ist 700 Winkel,
NWVBl. 2008, 285 (287). Städtetag Berlin, Statistisches Jahrbuch 2011, S. 492 (ohne die
701 Deutscher
Stadtstaaten). 702 Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen (2010), S. 77. 703 Zu den Kosten des Netzbetriebs, vgl. § 5 II.4. 704 Hierzu ausführlich in § 5 II.4. und § 8 II.3.b).
V. Ergebnis243
damit nicht unerheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Risiken ausgesetzt.705 Diese Aspekte spielen derzeit in der z. T. sehr euphorisch geführten Diskussion um die (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung eine zu untergeordnete Rolle. 3. Zusammenfassung Landesrecht und Ausblick Das Landesrecht, insbesondere die Gemeindeordnungen, enthalten relevante Vorgaben und Grenzen für die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden im Rahmen der (Re)Kommunalisierung der Energieverteilung. Dabei konkretisieren die Gemeindeordnungen durch die Vorgabe der öffentlichen Zweckverfolgung, die unterschiedlichen Ausformungen des Subsidiaritätsprinzips, die Bindung an das Örtlichkeitsprinzip sowie die Leistungsfähigkeit den von Art. 28 Abs. 2 GG durch eine allgemeine Befugnis vorgege benen Rahmen. Diese gesetzlichen Vorgaben des Landesrechts stellen damit nicht zu unterschätzende gesetzliche Grenzen für die Zulässigkeit der (Re)Kommunalisierung auf.
V. Ergebnis zum gesetzlichen Rahmen für die (Re)Kommunalisierung und Befugnis der Gemeinden Der gesetzliche Rahmen für die (Re)Kommunalisierung ist maßgeblich durch Art. 28 Abs. 2 GG sowie die ihn konkretisierenden Gemeindeordnungen bestimmt. Eine Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung kann indes nicht aus dem Europarecht, dem übrigen Verfassungsrecht oder einfachen Recht hergeleitet werden. Vielmehr sieht Art. 28 Abs. 2 GG eine allgemeine Befugnis zugunsten der Gemeinden vor, die auch die Befugnis zur wirtschaftlichen Betätigung und damit zur (Re)Kommunalisierung einschließt. Diese ist jedoch nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet. Diese allgemeine Befugnis wird in der Landesverfassung Bayerns in Art. 83 Abs. 1 spezifisch für den Energiebereich wiederholt, geht aber nicht über Art. 28 Abs. 2 GG hinaus. Die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden ist jedoch nach den Gemeindeordnungen und den einschlägigen Abschnitten über das Gemeindewirtschaftsrecht von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig. Die Gemeinde muss mit der (Re)Kommunalisierung einen öffentlichen Zweck verfolgen, der sich nicht in der Erzielung von Gewinnen erschöpfen darf. Darüber hinaus darf nach den Vorgaben der jeweiligen Gemeindeordnung keine Subsidiarität 705 Hierzu
ausführlich in § 5 II.4. und auch im Rahmen des § 7 II.3.e)cc)(2)(b).
244
§ 6 Gesetzlicher Rahmen für die (Re)Kommunalisierung
gemeindlichen wirtschaftlichen Handelns gegeben sein. Außerdem muss sich die (Re)Kommunalisierung grundsätzlich im Rahmen der örtlichen (auf die jeweilige Gemeinde bezogenen) Grenzen halten. Dies beschränkt die (Re)Kommunalisierungs-bestrebungen auf das eigene Gemeindegebiet. Anders lautende Regelungen in den Gemeindeordnungen sind verfassungskonform auszulegen. Zu guter Letzt muss die Gemeinde ihre eigene Leistungsfähigkeit in Zusammenhang mit der angestrebten (Re)Kommunalisierung eingehend prüfen. Dieser Voraussetzung wird in der Praxis zu wenig Beachtung geschenkt. Dies zusammen ergibt eine umfassende Befugnis- und Rechtfertigungsprüfung für die (Re)Kommunalisierung. Dabei muss im Rahmen der (Re)Kommunalisierung besonders der öffentlichen Zweckdienlichkeit dieser wirtschaftlichen Betätigung und der Subsidiaritätsprüfung Aufmerksamkeit geschenkt werden. Stellt das öffentliche Unternehmen nur ein „reines Spiegelbild privater Unternehmen“ dar, muss ernsthaft seine Notwendigkeit bezweifelt werden, insbesondere wo der Steuerzahler das Unternehmensrisiko trägt.706 Von besonderer Bedeutung für die Zulässigkeit der kommunalen Betätigung im Bereich der Stromnetze ist auch die Leistungsfähigkeit der Gemeinden. Dieses Kriterium (wird es ernst genommen und eingehalten) wird für viele Gemeinden aufgrund der hohen kommunalen Verschuldung eine erhebliche Hürde für die (Re)Kommunalisierung sein. Diese Vorgaben führen zu einer erhöhten Darlegungs- und Rechtfertigungslast seitens der (re)kommunalisierungsfreudigen Gemeinden.707
706 Haucap/Coenen,
IR 2009, 338 (342). Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Einl. E. EnWG Rn. 378, der jedoch optimistisch davon ausgeht: „Hinsichtlich der eigentlichen Versorgung der Gemeindeeinwohner mit Strom und Gas ist diese Hürde regelmäßig zu überwinden.“ 707 Säcker-Pielow,
§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand Nachdem der rechtliche Rahmen für ein zulässiges Tätigwerden der Gemeinden im Netzbereich nunmehr abgesteckt ist, bedarf der eigentliche Akt der Rückführung der Netze in kommunale Hand einer genaueren Unter suchung. Aufgrund der Wettbewerbsverzerrungen durch das Monopol im Stromnetzbereich hat ein Liberalisierungsprozess auf diesem Markt, maßgeblich vorangetrieben durch die Europäische Union, die früheren Monopolbereiche einem bis dato unbekannten Wettbewerb ausgesetzt.1 Maßgebliches Ziel war die Marktöffnung sowie die Beseitigung der Monopolrenten.2 In diesem neuen Spiel der Kräfte treten die Gemeinden zunächst gesetzlich vorgesehen (§ 46 Abs. 2 EnWG) als die Entscheider über die Vergabe der örtlichen Stromverteilernetze auf. Ihr entscheidendes Handlungs- und Einflussnahmeinstrument auf die Energieversorgung ist dabei der Abschluss der Wegenutzungsverträge nach § 46 Abs. 2 EnWG.3 Wie bereits zuvor angeführt, laufen in den nächsten Jahren nahezu alle Konzes sionsverträge aus, deren Neuvergabe einige Gemeinden für die (Re)Kommunalisierung der örtlichen Stromverteilernetze nutzen wollen. Von entscheidender Bedeutung für die rechtlichen Bedingungen dieser Neuvergabe der Stromkonzessionen ist die Novelle des EnWG vom 4. August 2011, die nachfolgend besondere Berücksichtigung finden wird. Trotz der Novellierung des EnWG stellen sich zahlreiche, teilweise unbeantwortete neue und alte Fragen in Bezug auf die Wegenutzungsverträge und deren Neuvergabe. Eine gerichtliche Klärung von Grundsätzen und Regeln der Konzessionsvergabe ist bislang nur vereinzelt erfolgt. Auch die rudimentären gesetzlichen Regelungen geben bislang in wichtigen Fragen wenig bis keinen Aufschluss. In einem für die Stromversorgung entscheidenden Feld, welches mit großen Investitionen in Millionenhöhen verbunden ist, herrscht daher große Rechtsunsicherheit.4 Die nachfolgenden Erläuterungen sollen einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen leisten. Dabei ist es selbstverständlich nicht möglich, allen Fragen im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe nachzugehen. Daher beschränken sich die nachstehenden Ausführungen auf ausgewählte, für die Wissenschaft und Praxis relevante Fragen. 1 Kühling, 2 Kühling, 3 § 3 4 So
NJW 2001, 177 (177). NJW 2001, 177 (177).
III. auch Hoch/Theobald, KSzW 2011, 300 (301).
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
I. Einführende Bemerkungen bzgl. der Konzessionsvergabe Für die Rückführung der Netze in kommunale Hand i. S. d. (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze ist § 46 EnWG von entscheidender Bedeutung. Dieser bestimmt in § 46 Abs. 2 EnWG allgemein, dass die Gemeinden spätestens alle zwanzig Jahre die Netze im Rahmen eines konzessionsrechtlichen Vergabeverfahrens auszuschreiben und neu zu vergeben haben. Nur durch Beteiligung an und dem Obsiegen in diesem Verfahren besteht die Möglichkeit, die Konzession für den Betrieb des Stromnetzes zu erhalten. Für dieses konzessionsrechtliche Vergabeverfahren sieht das EnWG allerdings nur einige rudimentäre Regelungen vor [hierzu in § 7 II.3.]. Um diese zu komplettieren ist die Hinzuziehung anderer gesetzlicher Bestimmungen notwendig [auch hierzu in § 7 II.3.]. Dies gilt, wie nachfolgend gezeigt werden wird, auch für die Vergabe- und Auswahlkriterien [hierzu in § 7 II.4. und § 7 II.5.]. Am Ende des Verfahrens um die Einräumung der Stromkonzessionen steht die Entscheidung über die Konzessionsvergabe [hierzu in § 7 II.6.], die seit der Novelle des EnWG im Sommer 2011 bei Wechsel des Konzessionsnehmers zu einem Übereignungsanspruch des neuen Konzessionsnehmers im Hinblick auf die Netzanlagen führt [zu den Problemen dieser Neuregelung in § 7 III.]. In diesem Zusammenhang stellen sich Fragen nach der Höhe der Vergütung der Netzanlagen [hierzu in § 7 IV.]. Durch die umfassenden Regelungen, die zu einem Wettbewerb im Stromnetz führen, stellt sich außerdem die Frage, ob daneben der Wettbewerb um das Netz (durch Neuvergabe der Stromkonzessionen spätestens alle zwanzig Jahre) überhaupt noch sinnvoll bzw. erforderlich ist [hierzu in § 7 V.]. Diesen Problemkreisen wird nachfolgend nachgegangen werden. Dabei werden die (Re)Kommunalisierung und die hiermit zusammenhängenden Probleme an den relevanten Stellen entsprechend berücksichtigt werden.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung Das konzessionsrechtliche Vergabeverfahren und die Vergabeentscheidung der Gemeinde, bestimmen den Konzessionsnehmer und Netzbetreiber des Verteilernetzes für die Laufzeit des Konzessionsvertrages. Bei der Ver gabe der Konzessionen treffen zahlreiche unterschiedliche Rechtsmaterien aus dem öffentlichen wie auch dem Privatrecht zusammen. Maßgeblich wird das Vergabeverfahren dabei durch § 46 Abs. 3 EnWG bestimmt, der Regelungen für die Vergabe sog. qualifizierter Wegenutzungsverträge5 vor5 Hierzu
bereits in § 3 III.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung247
sieht.6 Die nachfolgenden Darstellungen beschränken sich auf die reguläre Beendigung des Konzessionsvertrages. Für die vorzeitige Vertragsverlängerung ergeben sich aus § 46 Abs. 3 S. 3 EnWG weitere Besonderheiten, die in Schrifttum und Literatur diskutiert werden,7 auf die nachfolgend aber nicht näher eingegangen werden wird. 1. Überblick über den typischen Ablauf des Konzessionsvergabeverfahrens Typischerweise läuft das Vergabeverfahren um die Konzessionen in nachfolgenden kurz skizzierten Schritten ab:8 Zunächst wird das Auslaufen des Konzessionsvertrages durch die Gemeinde nach § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG bekannt gegeben [hierzu in § 7 II.3.b)]. In dieser Bekanntmachung erfolgt typischerweise die Aufforderung an alle Interessenten zur Interessenbekundung, die für den Fall des regulären Ablaufs des Konzessionsvertrages im EnWG explizit jedoch nicht geregelt ist.9 Dieses Interessenbekundungsverfahren ist dennoch in der Praxis weit verbreitet. Nach dem Interessenbekundungsverfahren folgt die eigentliche Angebotsabgabe durch die Interessenten. Hierzu leitet die Gemeinde die notwendigen Unterlagen, bspw. auch bereits konkrete Konzessionsvertragsentwürfe, an die Interessenten weiter.10 Die Bewerber können ihr Angebot dann mit Bezug auf den Vertragsentwurf der Gemeinde abgeben und in ihrer Angebotsabgabe bspw. Korrekturen, Änderungen sowie Erweiterungen vorschlagen11 oder einen eigenen Konzessionsvertragsentwurf vorlegen.12 Nach den Angebotsabgaben folgen Verhandlungen zwischen der Gemeinde und den Bewerbern in mündlicher 6 Im Gegenzug zum einfachen Wegenutzungsvertrag, der maßgeblich in § 46 Abs. 1 EnWG geregelt ist. 7 Kurzdarstellung in Schulz, LKRZ 2012, 41 (42); BDEW, Leitfaden Konzes sionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 15 ff.; BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), Rn. 15, 17, 22 f., 34 ff., 43; Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 3 ff. 8 Allgemein hierzu auch: Hofmann, NZBau 2012, 11 (13); kurzer allgemeiner Überblick auch in Waller, „Neue Energie“ für die kommunale Selbstverwaltung (2013), S. 248 f. 9 DStGB, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV, Ausgabe 6/2010, S. 7; KermelBerzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 33. 10 Hofmann, NZBau 2012, 11 (13); Geßner/Jansen, LKV 2011, 450 (452); so auch: OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.9.2013, 10 ME 88/12, BeckRS 2013, 55901. 11 Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 357; so auch wiedergegeben in OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.9.2013, 10 ME 88/12, BeckRS 2013, 55901. 12 DStGB, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV, Ausgabe 6/2010, S. 7.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
oder schriftlicher Form.13 Es schließt sich die Auswahlphase an, für die das EnWG ebenfalls keine verfahrensrechtlichen Regelungen14 enthält.15 Den Abschluss der Auswahlphase bildet die Auswahlentscheidung der Gemeinde, die gem. § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG öffentlich bekannt zu machen ist. Der eigentliche Abschluss des Konzessionsvertrages beendet das Vergabeverfahren um die Stromkonzessionen. Wie die vorstehenden Ausführungen zum typischen Verfahrensablauf zeigen, sieht das EnWG zu wichtigen Fragen des Vergabeverfahrens keine Regelungen vor. Insbesondere in Anbetracht der hohen Bedeutung des Netzbetriebes und den damit zusammenhängenden wirtschaftlichen und politischen Interessen sowie den komplexen rechtlichen Fragestellungen muss dieser Befund überraschen. Es handelt sich bei diesen gesetzlich nicht erfassten und geregelten Fragen um ein problematisches Defizit, das eine große Gefahr für den Wettbewerb um die Verteilernetze darstellt und zu erheblichen Rechtsunsicherheiten bei allen Beteiligten führt. 2. Sinn und Zweck von Verfahrensregeln und Entscheidungskriterien Zentrales Anliegen des liberalisierten Energiemarktes ist die Schaffung von mehr und die Stärkung des vorhandenen Wettbewerbs. Dies soll nach dem derzeitigen Recht durch die turnusmäßige Vergabe der Wegenutzungsrechte im Rahmen des Vergabeverfahrens erfolgen. Da aus dem Konzessionsverfahren nur ein Bewerber als zukünftiger Konzessionär und Netzbetreiber hervorgehen kann, ist das Verfahren um die Vergabe der Konzession von besonderer Bedeutung.16 Die das Verfahren näher ausgestaltenden Verfahrensregeln existieren dabei nicht zum Selbstzweck. Der Zweck von Verwaltungsverfahren liegt vor allem in der Verwirklichung des materiellen Rechts aus der Ex-ante-Sicht.17 Schon im Verfahren selbst sollen das materielle Recht und dessen Einhaltung durch das Verfahren gewährleistet werden. Das Verfahren und dessen Verfahrensregeln sollen die Richtigkeit der Verfahrensentscheidungen fördern, die notwendige Kommunikation ermöglichen und kanalisieren, das Entstehen von Entscheidungen garantieren, deren Findung objektivieren und rationalisieren18 sowie schließlich die 13 Hofmann,
NZBau 2012, 11 (13). in § 7 II.4. und § 7 II.5. 15 DStGB, „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV, Ausgabe 6/2010, S. 7. 16 Grundlegend zur Bedeutung des Verfahrens: Luhmann, Legitimation durch Verfahren (1969), S. 11 ff. 17 So zum Verfahren nach VwVfG: Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, Verwaltungsverfahrensgesetz,8. (2014), § 9 Rn. 84. 18 Luhmann, Legitimation durch Verfahren (1969), S. 12 f. und 203. 14 Hierzu
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung249
Macht, die durch das Verfahren und insbesondere die Entscheidung ausgeübt wird, legitimieren19 Verfahren, und die sie bestimmenden Regeln sollen außerdem im sozialen System dazu dienen, eine verbindliche Entscheidung zu erarbeiten20 und deren breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu fördern.21 Insofern tragen geordnete Verfahren und deren Entscheidungen auch dem Demokratieprinzip Rechnung.22 Mit dem Verfahren und den Verfahrensregeln sollen außerdem Rechtssicherheit und -klarheit für alle Verfahrensteilnehmer geschaffen werden. Aus dem Rechtsstaatsgebot folgt dabei auch das Gebot der Sachlichkeit und Neutralität des Verfahrens.23 Dabei gewährleisten Verfahrensvorschriften einen vorhersehbaren Ablauf und eine Orientierung für alle am Verfahren Beteiligten.24 Verfahrensvorschriften dienen neben der Organisation des Verfahrens damit auch der Verfahrensökonomie.25 Sie sollen gewährleisten, dass von allen Bewerbern derjenige gefunden wird, der den gesetzlichen Anforderungen am meisten entspricht.26 Es bedarf daher auch eindeutiger Entscheidungskriterien, die den Entscheidungsprozess ermöglichen und die Richtigkeit der Entscheidung kontrollierbar und damit die Entscheidung vorhersehbar machen.27 Deswegen ist die Bedeutung von eindeutigen Verfahrensregeln und -kriterien, die einen geordneten Ablauf der Konzessionsvergabe garantieren, gar nicht hoch genug zu bewerten und keinesfalls entbehrlich. Dass das EnWG nur rudimentäre Regelung zum Konzessionsvergabeverfahren und den Entscheidungskriterien enthält, stellt daher ein Defizit und eine große Gefahr für den Wettbewerb, seine Teilnehmer sowie die Verbraucher dar. Denn eindeutige Verfahrensregeln und -kriterien sind zwingend notwendig, um einen fairen, diskriminierungsfreien, gleichbehandelnden und transparenten Wettbewerb um die Stromkonzessionen zu ermöglichen. Diesem Anspruch werden die derzeitigen Regelungen des EnWG zur Konzessionsvergabe nicht gerecht.
19 Luhmann,
Legitimation durch Verfahren (1969), S. 20. Legitimation durch Verfahren (1969), S. 41. 21 So zum Verfahren nach VwVfG: Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, Verwaltungsverfahrensgesetz,8 (2014), § 9 Rn. 66; ähnlich auch Würtenberger, NJW 1991, 257 (260). 22 Würtenberger, NJW 1991, 257 (261). 23 BVerwG, Urt. v. 20.9.1984, 7 C 57/83, NVwZ 1985, 187 (187, Leitsatz 3), Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, Verwaltungsverfahrensgesetz,8. (2014), § 9 Rn. 62. 24 So auch MüKo-Münch, ZPO, Bd. 3,4. (2013), § 1042 Rn. 4. 25 Würtenberger, NJW 1991, 257 (261). 26 BVerfG, Beschluss v. 18.12.2007, 1 BvR 2177/07, Rn. 35 über juris und BeckRS 2008, 30814. 27 Luhmann, Legitimation durch Verfahren (1969), S. 203. 20 Luhmann,
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
3. Verfahrensregeln für die Konzessionsvergabe Nachdem die herausragende Bedeutung von Verfahrensregeln vorstehend dargelegt wurde, wird nachstehend das derzeit geltende Recht der Konzessionsvergabe untersucht. Ziel ist es, die de lege lata für die Vergabe und das Verfahren geltenden Verfahrensregeln ausfindig zu machen und darzulegen. Dabei wird der Mangel an Verfahrensregeln im EnWG besonders im Fokus stehen. Wie gezeigt wird, sind neben den Regelungen des EnWG daher auch (bereits heute) Verfahrensvorgaben aus anderen Rechtsquellen zu berücksichtigen. Welche dies sind, was sich aus diesen ergibt und ob dadurch ein schlüssiges Gesamtbild entsteht, wird nachfolgend beleuchtet. a) Vorgaben aus § 46 EnWG abschließend? Das EnWG enthält in § 46 EnWG keine detaillierten Verfahrensregeln für die Vergabe der Stromkonzessionen. § 46 EnWG beschränkt sich vielmehr auf Bekanntmachungspflichten der Gemeinde im Vorfeld und nach Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens in § 46 Abs. 3 EnWG sowie Informationsherausgabepflichten des Altkonzessionärs an die Gemeinde in § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG. Im Übrigen schweigt § 46 EnWG zu den maßgeblichen Verfahrensregeln. Dass diese nur rudimentären Verfahrensregelungen des EnWG für die höchst komplexe Vergabe und Vergabeentscheidung über die Stromkonzession nicht ausreichen können, um ein rechtsstaatliches Verfahren, dass den zuvor in § 7 II.2. dargelegten Erfordernissen gerecht wird, zu gewährleisten, steht wohl außer Frage.28 In der Praxis werden daher aus den übrigen EnWG-Bestimmungen und durch verschiedentliche Anleihe in weiteren Gesetzen Vorgaben für das Verfahren entnommen. Wo der § 46 EnWG im Hinblick auf weitere Verfahrensregelungen schweigt, haben Rechtsprechung und Literatur einen ganzen Strauß an zusätzlichen Verfahrensregeln entwickelt. Dem steht auch § 46 EnWG nicht entgegen.29 Dieser bestimmt zwar Verfahrensregeln für die Konzessionsvergabe, diese sind jedoch nicht als abschließend zu betrachten.30 Nach Sinn und Zweck des § 46 EnWG soll 28 So auch Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 8; in ähnliche Richtung: Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Salje, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 58, Rn. 55 ff. 29 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 65 ff.; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 144 ff.; a. A.: Byok/Dierkes, RdE 2011, 126, (135), die einen Vorrang des § 46 EnWG annehmen. 30 Siehe hierzu auch Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 60 ff.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung251
die Konzessionsvergabe so rechtzeitig vor Auslaufen des Konzessionsvertrages dem Markt geöffnet werden, dass überhaupt ein Wettbewerb um die Konzession entstehen kann.31 Um diesem Ziel Rechnung zu tragen, insbesondere um einen fairen Wettbewerb um die Konzessionen zu ermöglichen, sind daher sogar zwingend Verfahrensregeln, die über § 46 EnWG hinausgehen, für einen Wettbewerb um das Netz heranzuziehen. b) Bekanntmachungspflichten Das EnWG sieht anstelle von Verfahrensregelungen in § 46 Abs. 3 EnWG Bekanntmachungs-pflichten der Gemeinde im Hinblick auf das Konzes sionsvergabeverfahren vor. Dabei kann zwischen den Bekanntmachungspflichten vor Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens und denen nach der Vergabe der Konzession differenziert werden. aa) Bekanntmachungspflicht vor Durchführung Konzessionsvergabeverfahren Nach § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG hat die Gemeinde die Bekanntmachung des bevorstehenden Konzessionsvertragsendes „spätestens“ zwei Jahre vor Ablauf des Vertrages durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger vorzunehmen. Der Gesetzgeber hat sich bei der Formulierung des § 46 Abs. 3 EnWG nicht für eine feste (fixe) Frist entschieden, sondern aufgrund des Wortlaut „spätestens“ eine Mindestfrist geregelt.32 Die Gemeinden müssen also mindestens zwei Jahre vor Konzessionsvertragsende die Bekanntgabepflicht erfüllen, können dies aber nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG auch schon früher tun, was im Einzelfall beim Vorliegen von sachlichen Gründen für einen Zeitraum von fünf Jahren vor Konzessionsvertragsende für zulässig erachtet wird.33 Sinn und Zweck dieser Bekanntmachungspflicht ist es, Interessenten die Kenntnis und Möglichkeit zu verschaffen, am Konzessionsvergabeverfahren Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 2,3. (2014), § 46 Rn. 4; Theobald, DÖV 2009, 356 (356). 32 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 26. 33 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 30; frühzeitige Bekanntmachungen hält auch Templin für zulässig, da die Wettbewerber wegen der Möglichkeit der vorzeitigen Verlängerung der Konzessionsverträge nach § 46 Abs. 3 S. 3 EnWG sowieso gezwungen seien, regelmäßig den Bundesanzeiger nach Bekanntmachungen durchzusehen und daher gar keine Vereitelung von Wettbewerb drohe, vgl. Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 356. 31 Säcker-Wegner,
252
§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
teilzunehmen und damit einen Wettbewerb um die Stromkonzession frühzeitig zu etablieren.34 Die Bekanntmachung seitens der Gemeinde muss daher auch den Zeitpunkt des Vertragsendes benennen.35 Durch die Novelle des EnWG im Sommer 2011 wurde außerdem eine Hinweispflicht in § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG eingeführt. Hiernach muss die Bekanntmachung des Auslaufens des Konzessionsvertrages „einen ausdrücklichen Hinweis auf die nach Absatz 2 Satz 4 von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung“ enthalten [hierzu ausführlich in § 7 II.3.c)]. Um eine sinnvolle Bekanntmachung zu erreichen und damit die Pflicht nach § 46 Abs. 3 EnWG nicht ad absurdum zu führen, muss diese darüber hinaus mindestens die Beschreibung des Konzessionsgebietes (Gemarkung, Anzahl Zählstellen, Kundenzahl etc.) sowie der Art des Netzes bekannt geben. Wird die Kundengrenze von 100.000 unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossener Kunden überschritten,36 bedarf es zusätzlich zu der Bekanntgabe im Bundes-anzeiger einer EU-weiten Bekanntmachung im Amtsblatt der EU nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG. Eine solche EU-weite Bekanntgabe im Amtsblatt der EU ist außerdem angezeigt (wenn auch nicht gesetzlich bestimmt), wenn sich das Netz in einer Grenzlage befindet, so dass es sehr wahrscheinlich ist, dass auch Netzbetreiber aus den angrenzenden EU-Ländern Interesse am Netzbetrieb haben könnten. Dies gebieten schon Sinn und Zweck des § 46 Abs. 3 EnWG. Selbiges gilt auch dann, wenn aus anderen Gründen von einer Binnenmarktrelevanz des Konzessionsvertrages ausgegangen werden kann.37 Insofern ist auch die Regelung in § 46 Abs. 3 EnWG zur Bekanntgabe vor Durchführung eines Konzessionsvergabeverfahrens nicht abschließend. bb) Bekanntmachungspflicht nach Vergabe der Konzession Aus § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG ergibt sich im Übrigen die Verpflichtung der Gemeinden, ihre Entscheidung über den Neuabschluss des Konzessionsvertrages oder die Verlängerung des Konzessionsvertrages mit dem bisherigen 34 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.3.2008, VI-2 4 (Kart) 8/07, RdE 2008, 287 (288 f.); Theobald, DÖV 2009, 356 (356). 35 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 23. 36 Zu dieser sog. De-minimis-Regelung ausführlich in § 8 II.3.a)cc). 37 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 4; Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 697.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung253
Netzbetreiber mit den maßgeblichen Gründen für die Entscheidung öffentlich bekannt zu geben. Dadurch werden die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der gemeindlichen Entscheidung gewährleistet38 und ihre Kontrolle ermöglicht. Diese Bekanntmachung hat vor dem Abschluss des Konzessionsvertrages zu erfolgen, um Dritten die Möglichkeit zu geben, Einwendungen gegen die Entscheidung vorzubringen.39 Dabei wird ein Zeitraum von frühestens 15 Kalendertagen nach der Bekanntgabe der Auswahlentscheidung gefordert,40 um zu gewährleisten, dass mögliche Einwendungen gegen die Entscheidung auch gehört und beachtet werden. Diese 15-tägige Frist wird aus der analogen Anwendung des § 101a Abs. 1 GWB entnommen und ist nicht unumstritten. So entschied etwa das LG Köln, dass § 101a Abs. 1 GWB für die Konzessionsvergabe analog nicht anwendbar sei, da § 46 EnWG eine ausdifferenzierte Regelung darstelle, die nicht erkennen lasse, dass die mangelnde Regelung einer Frist vor Abschluss des Konzessionsvertrages eine planwidrige Regelungslücke darstelle.41 Jedenfalls lässt sich aber schon aus Art. 19 Abs. 4 GG ableiten,42 dass vor Abschluss des Konzes sionsvertrages den übrigen Bewerbern eine angemessene Zeit gegeben werden muss, um mögliche Verletzungen eigener Rechte geltend zu machen und so einen vollständigen Rechtsschutz zu erlangen. Diese Schlussfolgerung wird auch durch eine Entscheidung des EuG bekräftigt.43 Dieser EuGEntscheidung lag zwar keine Konzessionsvergabe zugrunde;44 dennoch urteilte das EuG für die Ausschreibung von Dienstleistungen, um die es bei der Vergabe der Stromkonzessionen auch geht,45 dass zur Gültigkeit einer Zuschlagserteilung nach dem Verfahren „zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die abgelehnten Bieter von der Zuschlagsentscheidung unterrichtet worden sind, und der Unterzeichnung des Vertrags eine angemessene Frist“ liegen müsse, damit zumindest ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt werden könne.46 Nur so werde das „Recht auf einen umfassenden und effekauch Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 137. Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 5. 40 Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 4 f. 41 LG Köln, Urt. v. 22.3.2013, 90 O 51/13, ZNER 2013, 620 (620, Rn. 34 ff.). 42 LG Köln, Urt. v. 22.3.2013, 90 O 51/13, ZNER 2013, 620 (620, Rn. 34 ff.); so auch VG Aachen, Beschl. v. 15.04.2011, 1 L 113/11, ZNER 2012, 103 (103), auf dessen Entscheidung das LG Köln im vorzitierten Urteil verweist. 43 EuG, Urt. v. 20.9.2011, T-461/08, insbesondere Rn. 121, BeckRS 2011, 81495. 44 Es ging um die Ausschreibung für Dienstleistungen zur „Unterstützung bei Wartung, Support und Entwicklung des Front-Office-Kreditvergabesystems (SERAPIS)“, vgl. EuG Urteil vom 20.9.2011, T-461/08, vor Rn. 1, BeckRS 2011, 81495. 45 Ausführlich zur Einordnung der Stromkonzession, vgl. § 7 II.3.e)cc)(2). 46 EuG, Urt. v. 20.9.2011, T-461/08, insbesondere Rn. 121, BeckRS 2011, 81495. 38 So
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
tiven gerichtlichen Rechtsschutz“ hinreichend gewährt.47 Andernfalls wäre der „von den zuständigen Gerichten gewährte Rechtsschutz lückenhaft“.48 Daher sollte in jedem Falle, wenn auch eine Analogie zu § 101a Abs. 1 GWB und die dortige 15-tägige Frist verneint wird, eine hinreichend lange Frist49 vor Abschluss des Konzessionsvertrages eingehalten werden. In welcher Form die fristgerechte Bekanntmachung zu erfolgen hat, lässt sich § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG nicht entnehmen. Die systematische Stellung innerhalb des Abs. 3 legt aber nahe, dass auch diese Bekanntmachung im Bundesanzeiger oder Amtsblatt der EU, wie in § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG ausdrücklich genannt, erfolgen muss. Hiergegen tragen Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung vor, dass diese Form der Bekanntmachung ungeeignet und eine Bekanntmachung in den kommunalen Bekanntmachungsorganen wie den lokalen Amtsblätter oder Tageszeitung ausreichend sei.50 Dies wird damit begründet, dass § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG dem Zweck diene, die Bewerber im Konzessionsverfahren und die Verbraucher im Gemeindegebiet über die Entscheidung der Gemeinde zu informieren, was durch eine Bekanntmachung im Bundesanzeiger nicht erreicht werden würde.51 Dabei wird jedoch übersehen, dass die nachträgliche Bekanntmachung der Entscheidung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung dienen soll52 und insoweit von zentraler Bedeutung für die Bewerber ist, die ein nicht ordnungsgemäßes Verfahren rügen wollen. Damit erfüllt die nachträgliche Bekanntmachung (primärrechtliche) europäische Anforderungen an die Transparenz der Entscheidung.53 Deswegen ist mehr nötig als eine einfache Bekanntmachung in einer regionalen Tageszeitung, die u. U. ausländischen Bewerbern gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zu47 EuG,
Urt. v. 20.9.2011, T-461/08, insbesondere Rn. 121, BeckRS 2011, 81495. Urt. v. 20.9.2011, T-461/08, insbesondere Rn. 121, BeckRS 2011, 81495. 49 So werden bspw. auch von Braun zwei Wochen vor Vertragsabschluss gefordert: Braun, NZBau 2011, 400 (402); OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.11.2010, 1 S 107/10, NVwZ-RR 2011, 293 (293, 2. Leitsatz). 50 VG Münster, Beschl. v. 9.3.2007 ‒ 1 L 64/07, BeckRS 2007, 22786, welches in Zeitung oder Internet für ausreichend erachtet; Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), § 46 Rn. 113; Stuhlmacher/Stappert/Schoo/ Jansen-Reinhardt, Grundriss zum Energierecht,1. (2011), Kap. 6 Rn. 26; DStGB, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV, Ausgabe 6/2010, S. 8; Andeutend im Ergebnis aber zu Veröffentlichung nach § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG ratend: Hofmann, NZBau 2012, 11 (17); Templin, IR 2009, 125 (128); Thomale/Kießling, N & R 2008, 166, (171), die die Bekanntmachung im Bundesanzeiger und in der örtlichen Presse als ausreichend erachten (keine Notwendigkeit einer gemeinschaftsweiten Mitteilung). 51 DStGB, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV, Ausgabe 6/2010, S. 8. 52 So in Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur EnWGNovelle: BT-Drs. 13/7274, S. 21. 53 Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 53. 48 EuG,
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung255
gänglich ist.54 Es ist daher auch für die nachträgliche Bekanntmachungspflicht nach § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG die Einhaltung der in § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG vorgeschriebenen Form durch die Gemeinden zu gewährleisten. Zusätzlich dazu sollte die Bekanntmachung im kommunalen Amtsblatt erfolgen, in dem auch im Übrigen die kommunalen Entscheidungen bekannt gemacht werden.55 c) Informationspflicht und Auskunftsanspruch vor Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens Damit Interessenten und Bewerber in den Wettbewerb um die Konzession für das Verteilernetz eintreten können, müssen ihnen hinreichende Informationen vorliegen, die eine inhaltliche Befassung mit der jeweiligen Konzession und dem relevanten Verteilernetz ermöglichen. Die Frage danach, wie ein potentieller Netzbetreiber sich im Wettbewerb um die Wegenutzungsrechte einen realistischen wirtschaftlichen Einblick von den notwendigen Netzdaten verschaffen kann, war vor der EnWG Novelle im August 2011 ein heiß diskutiertes Thema. Sowohl das EnWG 1998 als auch das EnWG 2005 sahen keinen gesetzlichen Anspruch der Interessenten oder Bewerber um die Konzession auf Informationen über den Netzbetrieb vor. Allerdings wurde eine Informationspflicht aus vertraglicher Nebenpflicht, aus Treu und Glauben § 242 BGB56 oder aus gesetzlichem Schuldverhältnis z. T. angenommen,57 wenn eine solche nicht schon im Konzessionsvertrag selbst58 vertraglich geregelt war.59 Auch der Gemeinsame Leitfaden des BKartA und der BNetzA befasste sich bereits vor der Novelle aus dem Jahr 2011 mit diesem Themenfeld.60 Dennoch war ein solcher Auskunftsanspruch oftmals 54 So auch Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 53. 55 Nur hierfür bzw. zusätzlich die Veröffentlichung in der Tagespresse, SäckerWegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), § 46 Rn. 115. 56 OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.01.2008, 11 U20/07 (Kart), ZNER 2008, 57 (60); LG Hannover, Urt. v. 24.06.2010, 18 O 260/08, ZNER 2010, 414 (415); LG Hannover, Urt. 28.02.2013, 21 O 10/11, ZNER 2013, 186 (187); Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (171 f.); Büttner/Templin, ZNER 2011, 121 (128); Hofmann, NZBau 2012, 11 (14); Schulz, LKRZ 2012, 41 (43). 57 Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 30 (Rn. 44). 58 Nach Angaben von Düwel/Schorsch, Kommunalwirtschaft 2010, 740 (742) enthielten „nur eine ganz geringe Zahl der in der Vergangenheit abgeschlossenen Konzessionsverträge […] Auskunfts- und Informationsansprüche zu Gunsten des kommunalen Vertragspartners“. 59 Ausführlich hierzu Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 ff. 60 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 6, Rn. 22.
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zwischen altem Netzbetreiber, Gemeinde und potentiellen, neuen Netzbetreibern heiß umstritten und musste oftmals gerichtlich geklärt werden.61 Spätestens nach der Kleinen Anfrage der Linksfraktion62 vom 3. Juni 2011 und der Antwort der Bundesregierung,63 in der diese erklärte, dass im Rahmen der Novelle des EnWG eine Vorschrift zur Offenlegung der Netzdaten durch die Netzbetreiber eingeführt werden solle, war klar, dass mit der Novelle eine gesetzliche Befassung mit Informationspflichten und Auskunftsansprüchen zu erwarten war. Wie wichtig eine Pflicht des Konzessionärs zur Weitergabe netzspezifischer Informationen und ein daran anknüpfender Auskunftsanspruch sind, macht eine Überlegung sehr deutlich: Ein einheitlicher Wissenstand aller Bieter ist zwingende Voraussetzung für die Schaffung eines diskriminierungsfreien, fairen und transparenten Wettbewerbs um das Netz. Nur so können Informationsasymmetrien zu Lasten einzelner Wettbewerber, die eine Verzerrung des Wettbewerbs mit sich bringen, vermieden werden. Nur durch frühzeitige Weitergabe von netzspezifischen Informationen kann damit die Chancengleichheit der Interessenten und Bewerber um die Konzessionen gewährleistet werden. Nur so wird potentiellen Interessenten die Möglichkeit eröffnet, auf solider Grundlage über eine Teilnahme am Wettbewerb zu entscheiden.64 Nur so können Interessenten überhaupt ein spezifisches Angebot für die Netzübernahme kalkulieren.65 Werden die notwendigen Daten nicht übermittelt, entstehen durch diese Informationsdefizite zugunsten des alten Netzbetreibers erhebliche Wettbewerbsverzerrungen. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des § 46 Abs. 2 und 3 EnWG, der gerade die Öffnung des Stromverteilermarktes und den Wettbewerb um das Netz zum Ziel hat.66 Darüber hinaus entstünde ohne vorherige Datenherausgabe nach Vergabe der Konzession an einen neuen Netzbetreiber ein erheblicher Nacherfassungsaufwand, der zu zusätzlichen Kosten führen würde und auch eine (zumindest kurzfristige) Qualitätsreduktion im Netzbetrieb mit sich bringen könnte.67 Würde die fehlende Informationsherausgabe zur Abgabe eines überhöhten Kaufpreises für das Netz führen, so läge hierin 61 Schulz, LKRZ 2012, 41 (43); so auch der Begründung Gesetzesentwurf zur EnWG-Novelle zu entnehmen: BT-Drs. 17/6072, S. 88. 62 BT-Drs. 17/6064, S. 2, Frage Nr. 11. 63 BT-Drs. 17/6289, S. 4. 64 Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (171); Becker/Templin, ZNER 2013, 10 (15). 65 Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (171); Becker/Templin, ZNER 2013, 10 (15), die dies mit der Gefahr einer Bewerbung „ins Blaue hinein“ beschreiben. 66 So auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.03.2008, VI-2 U (Kart) 8/07, 2 U (Kart) 8/07, RdE 2008, 287 (288). 67 Reinhardt, GIS Business, 2011, 26 (27).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung257
ein Verstoß gegen § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV.68 Eine Nichtigkeit gem. § 134 BGB als Folge des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz aus § 1 GWB69 hätte dabei gravierende Auswirkungen. Es war daher nötig, dass der Gesetzgeber sich dieser Thematik angenommen hat. In § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG hat der Gesetzgeber mit der Novelle im Jahr 2011 eine Informationsherausgabepflicht geregelt, wonach der bisherige Netzbetreiber verpflichtet ist, der Gemeinde spätestens ein Jahr vor Bekanntmachung des Auslaufens des Konzessionsvertrages diejenigen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den Abschluss eines Vertrages nach § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG „erforderlich“ sind. Diese Pflicht wird eingerahmt von der gem. § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG ebenfalls neu geregelten Bekanntgabe- und Veröffentlichungspflicht der Gemeinden im Hinblick auf die vom alten Netzbetreiber über das Netz herausgegebenen Daten. In der Bekanntgabe der Gemeinden muss nach § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG ein Hinweis enthalten sein, dass der Altkonzessionär der Gemeinde Daten überlassen hat und an welchem Ort diese Daten veröffentlicht und einsehbar sind.70 Hiermit soll erreicht werden, dass alle Bewerber um die Konzessionen im Wettbewerb den gleichen Ausgangspunkt haben und kein Bewerber gegenüber den anderen einen Informationsvorsprung hat.71 Diese Regelungen, die in das EnWG Eingang gefunden haben, können aber keinesfalls als zufriedenstellend bezeichnet werden. An einigen Stellen werfen Sie beinahe mehr Fragen auf, als sie beantworten. Diese Fragen beziehen sich auf den geschuldeten Datenumfang [hierzu unter aa)], die zeitliche Dimension der Datenherausgabe [hierzu unter bb)], die Zurverfügungstellung der Daten [hierzu unter cc)], etwaige Vertraulichkeitserklärungen im Gegenzug zur Datenherausgabe [hierzu unter dd)] sowie die möglichen Ansprüche 68 BKartA/BNetzA,
Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), Rn. 27. Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 1 GWB
69 Immenga/Mestmäcker-Zimmer,
Rn. 183. 70 Der Verweis in § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG lediglich auf die Daten nach § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG muss als Redaktionsversehen betrachtet werden, gemeint sind vielmehr die Informationen nach § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG. So auch: Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5, Rn. 23 Fn. 17; Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, Dr. Haouache, Bekanntmachungspflichten gem. § 46 III 1 EnWG, 4.1.2012, S. 2. zuletzt abgerufen am 13.07.2014, 17:15 Uhr unter: http://www. versorger-bw.de/fileadmin/BENUTZERDATEN/Bildmaterial/Kartell/Frage_Antwort/ Bekanntmachungspflicht_gem_46_III_1.pdf. 71 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 61; Thomale/ Kießling, N&R 2008, 166 (167 m. w. N.).
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
der Interessenten auf Datenherausgabe, deren Anspruchsgegner und rechtliche Grundlage [hierzu unter ee)]. aa) Datenumfang In § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG ist seit der EnWG Novelle aus dem Jahr 2011 die Pflicht des Altkonzessionärs zur Informationsherausgabe niedergelegt. Der bisherige Netzbetreiber ist danach verpflichtet, der Gemeinde spätestens ein Jahr vor Bekanntmachung des Auslaufen des Konzessionsvertrages diejenigen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den Abschluss eines Vertrages „erforderlich“ sind. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage danach, was erforderliche Daten i. S. d. § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG sind. Von Interesse und Bedeutung für die Bewerbung um die Konzession ist eine Vielzahl von Informationen, wie die über den Ertragswert des Netzes, Anschaffungskosten der Netzinfrastruktur, Netzkundendaten, Informationen zur Aufteilung der Erlösobergrenzen nach § 26 ARegV etc.72 Gem. § 46 Abs. 2 S. 5 EnWG hat die BNetzA eine Festlegungsbefugnis bezüglich des Umfangs sowie Datenformats der zur Verfügung zu stellenden Informationen gegenüber dem Altkonzessionär. Hiermit könnte die BNetzA eine Entscheidung über die „erforderlichen“ Informationen treffen. Die Entscheidung i. R.d. § 46 Abs. 2 S. 5 EnWG hat die BNetzA dabei im Einvernehmen mit dem BKartA zu fällen. Bisher hat sie von dieser Feststellungsbefugnis jedoch keinen Gebrauch gemacht. Allerdings enthält der von der BNetzA und dem BKartA herausgegebene Gemeinsame Leitfaden eine recht ausführliche Darstellung der notwendigen Daten73 für den Netzbetrieb, die i. R.d. Neu72 Städte und Gemeindebund NRW, Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen, NRW-Mitteilung 15/2011 (4.1.2011), S. 2; mit weiteren Ausführungen Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 99 ff.; zur Relevanz der Daten zur Ermöglichung einer zuverlässigen Schätzung des Ertragswertes des Netzes: LG Hannover, Urt. v. 28.02.2013, 21 O 10/11, ZNER 2013, 186 (186, Leitsatz 2 und 187). 73 Diese sind: Anzahl der von § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG erfassten Anlagegüter (aufgeteilt nach Kategorien); Altersstruktur der Anlagegüter des Elektrizitätsnetzes des jeweiligen Konzessionsgebiets (originäre historische Anschaffungs-/Herstellungsjahre), Art und Besonderheiten des Elektrizitäts- bzw. Rohrleitungsnetzes (z. B. verbaute Materialien) und der sonstigen Anlagegüter, Angaben zum Konzessionsgebiet einschließlich eines Netzplans mit Kennzeichnung z. B. der Netzverknüpfungspunkte und derjenigen Leitungen, welche nicht vom Überlassungsanspruch nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG erfasst werden, Strukturdaten gemäß § 27 Abs. 2 StromNEV (Veröffentlichungspflichten des Netzbetreibers) bezogen auf das Konzessionsgebiet, also insbesondere im Falle von Stromnetzen: 1. die Stromkreislänge jeweils der Kabel- und
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vergabe vom Altkonzessionär zur Verfügung zu stellen sind.74 Der Gemeinsame Leitfaden hat jedoch keine Rechtsqualität.75 Er setzt keine durch Gerichte verbindlich zu beachtenden Maßstäbe fest76 und entspricht auch nicht § 46 Abs. 2 S. 5 EnWG. Nichts desto trotz hat die BNetzA vom Gesetzgeber eine Feststellungskompetenz zugewiesen bekommen, die sie i. R.d. § 29 EnWG nutzen kann. Derzeit ist nicht ersichtlich, dass die BNetzA, wenn sie von der Feststellungsbefugnis nach § 46 Abs. 2 S. 5 EnWG Gebrauch macht, von den Festlegungen in dem Gemeinsamen Leitfaden abweichen wird. Modifikationen sind aber sicherlich vorstellbar. Im Moment bietet aber für die Frage nach den zu veröffentlichen „erforderlichen“ Daten und deren Umfang der Gemeinsame Leitfaden eine Grundlage, die im Verfahren berücksichtigt werden sollte.77 Darüber hinaus existieren auch in einzelnen Bundesländern Hinweise oder Leitfäden der zuständigen Behörden zum Umfang der herauszugebenden Daten.78 Aber auch diese besitzen (nach Freileitungen in der Niederspannungs-, Mittelspannungs-, Hoch- und Höchstspannungsebene zum 31. Dezember des Vorjahres, 2. die installierte Leistung der Umspannebenen zum 31. Dezember des Vorjahres, 3. die im Vorjahr entnommene Jahresarbeit in Kilowattstunden pro Netz und Umspannebene, 4. die Anzahl der Entnahmestellen jeweils für alle Netz- und Umspannebenen, 5. die Einwohnerzahl im Netzgebiet von Betreibern von Elektrizitätsversorgungsnetzen der Niederspannungsebene zum 31. Dezember des Vorjahres, 6. die versorgte Fläche nach § 24 Abs. 2 Satz 2 und 3 StromNEV zum 31. Dezember des Vorjahres und 7. die geographische Fläche des Netzgebietes zum 31. Dezember des Vorjahres; sowie das Konzessionsabgabenaufkommen (getrennt nach den jeweiligen Tarif- und Sondervertragskunden), vgl. BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 7 Rn. 25. Zusätzlich für die möglichen Kosten der Netzübernahme: kalkulatorischer Restwert, kalkulatorische Nutzungsdauer, aufwandsgleiche Kostenpositionen, kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung, kalkulatorische Gewerbesteuer, kostenmindernde Erlöse und Erträge, Höhe der nicht aufgelösten Netzanschlussbeiträge und Baukostenzuschüsse, Netzabsatzmenge, zugehörige Bilanz- und GuV-Werte, Auskünfte über die auf das Konzessionsgebiet bezogene mehrjährige Vermögens-, Ertrags-, Finanz- und Investitionsplanung sowie neutrale Schadensberichte, vgl. BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), Rn. 49. 74 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), Rn. 25 und 49; Büttner/Templin, ZNER 2011, 121 (128) mit ausführlicher Kritik bzgl. unzureichender Beschreibung der notwendige herauszugebender Daten: „Bedauerlicherweise nennt der Leitfaden die herauszugebenden Daten nur kursorisch. […].“ 75 Kermel/Hofmann, KSzW 2011, 310 (310 ff.) mit zahlreichen kritischen Anmerkungen. 76 Kermel/Hofmann, KSzW 2011, 310 (313). 77 Offen gelassen, ob Gemeinsamer Leitfaden diese Wirkung entfaltet: KermelBerzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 17. 78 So bspw. in Niedersachsen: Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 8 ff.; Theobald, DÖV 2009, 356 (357).
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außen) keine Rechtsverbindlichkeit, können aber nach innen eine faktische Bindungswirkung durch die Selbstbindung der Verwaltung entfalten.79 In jedem Fall müssen die Netzdaten so umfänglich sein, dass sie dem Ziel der Eröffnung von Wettbewerb um das Netz nach § 46 Abs. 3 EnWG gerecht werden und es den Interessenten ermöglichen, eine stichhaltige Kalkulation für ein Angebot für das Netz abzugeben.80 Denn nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG sind gerade alle „für die Bewerbung“ erforderlichen Daten herauszugeben. Dringend ist, um Rechtsklarheit für alle Beteiligten im Konzessionsvergabeverfahren zu erlangen, eine Äußerung der BNetzA bzw. die Ausübung ihrer Feststellungsbefugnis im Hinblick auf den konkreten Datenumfang geboten. Dies liegt sowohl im Interesse der vergebenden Gemeinden wie auch der Interessenten und dem jeweiligen Altkonzessionär. Denn eine mangelnde Datenherausgabe kann schwerwiegende Folgen für das gesamte Konzessionsverfahren nach sich ziehen. Hierin kann ein Verstoß gegen das Kartellrecht, insbesondere gegen § 1 GWB und ggf. Art. 101 AEUV, zu sehen sein.81 Auch ein Verstoß gegen § 19 GWB sowie § 21 Abs. 2 GWB könnte vorliegen, wodurch Sanktionsmechanismen der Kartellbehörden nach §§ 32 ff. GWB ausgelöst würden und eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB vorliegen könnte.82 Auch kann dies zu einer Nichtigkeit des Konzessionsvertrages gem. § 134 BGB i. V. m. § 19 GWB führen.83 bb) Zeitliche Dimension der Herausgabe von Daten Die neue Regelung zur Datenherausgabepflicht sieht eine unglückliche Bestimmung hinsichtlich der zeitlichen Dimension dieser Herausgabepflicht vor. Denn § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG besagt, dass der Altkonzessionär „spätestens ein Jahr vor Bekanntmachung der Gemeinde nach Abs. 3“ die Daten zur Verfügung zu stellen hat. Damit knüpft die Bekanntmachungspflicht des Altkonzessionärs an die Bekanntmachungspflicht der Gemeinde hinsichtlich 79 Ausführlich hierzu Kermel-Christ, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 9 Rn. 24 ff. 80 So auch Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 9. 81 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), Rn. 27 und 30. 82 Hofmann, NZBau 2012, 11 (15, in Fn. 33); Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 125 und 128; Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 7 f. 83 Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 8.
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des Vertragsendes des Konzessionsvertrages an. Das Auslaufen des Konzessionsvertrages muss von der Gemeinde gem. § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG „spätestens zwei Jahre vor Ablauf“ des Konzessionsvertrages bekanntgegeben werden.84 Aus dieser gesetzlich unglücklich gewählten zeitlichen An- und Verknüpfung ergibt sich somit, dass spätestens ein Jahr vor der Bekanntgabe der Gemeinde, die wiederum spätestens zwei Jahren vor Ablauf des Konzessionsvertrages erfolgen muss, die Daten herauszugeben sind. Hieraus kann jedoch nicht generell die Frist von spätestens drei Jahren vor Auslaufen des Konzessionsvertrages generiert werden, da die Formulierung des Gesetzes auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Bekanntgabe durch die Gemeinde abstellt. Denn für die Herausgabepflicht wird in der Fassung des § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG nicht auf das Konzessionsvertragsende, sondern auf die „Bekanntgabe“ des Auslaufens des Vertrages durch die Gemeinde Bezug genommen. Gibt die Gemeinde drei Jahre vor dem Auslaufen des Konzessionsvertrages dessen Neuausschreibung bekannt, so muss daher spätestens vier Jahre vor Ende des Konzessionsvertrages die Datenherausgabe erfolgen. Durch diese gesetzliche An- und Verknüpfung ist das Verhalten der Gemeinde im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe entscheidend für die Frage nach der Zeit für die Herausgabe der Daten. Dies ist besonders unglücklich, da die Datenherausgabe zeitlich vor der Bekanntgabe des Auslaufens des Konzessionsvertrages liegt und ein Netzbetreiber, der von drei Jahren vor Konzessionsende als Frist für die Datenherausgabe ausgeht, durch eine frühzeitige Bekanntgabe seitens der Gemeinde die eigene He rausgabefrist nicht wird einhalten können. Die Regelung des § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG erlegt dem Altkonzessionär daher die Pflicht zur ständigen Abstimmung mit der Gemeinde über den beabsichtigten Bekanntgabetermin der Gemeinde im Hinblick auf das Auslaufen des Konzessionsvertrages auf. Erkundigt sich der Altkonzessionär zu spät oder gar nicht, läuft er Gefahr seiner Datenherausgabepflicht nicht gerecht zu werden und sich damit einem Missbrauchsverfahren durch Kartell- und / oder Regulierungsbehörde auszusetzen. Hierfür besteht kein sinnvoller Grund. Noch komplizierter wird die Frage danach, wann der Altkonzessionär die Netzdaten zu übermitteln hat, wenn die Gemeinde sich zur frühzeitigen Verlängerung des Konzessionsvertrages entscheidet. Wann in diesem Fall eine rechtzeitige Herausgabe der Netzdaten erfolgen soll, ist offen. Die Anknüpfung der Frist zur Herausgabe der Netzdaten an die Bekanntgabe über das Vertragsende durch die Gemeinde ist daher als verunglückt zu bezeichnen. Vorzugswürdig ist hier eine klare Regelung, die an das Vertragsende des Konzessionsvertrages anknüpft. Damit einher müsste konsequenterweise auch eine zeitliche Fixierung der Bekanntgabepflicht der Gemeinden über das Auslaufen des Kon84 Hierzu
vorstehend in § 7 II.3.b)aa).
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
zessionsvertrages gehen, damit nicht die Herausgabe der Daten und die Vorbereitung der Konzessionsvergabe durch die Gemeinde fehlgehen. Im Sinne der Rechtsklarheit wäre es zu begrüßen, dass die Herausgabe der Netzdaten in § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG dahingehend geändert wird, dass die Netzdatenherausgabe drei Jahre vor Konzessionsvertragsende zu erfolgen hat und die Gemeinde dann ein Jahr Zeit hat, die Konzessionsvergabe vorzubereiten, zu deren ersten Schritt, nämlich der Bekanntgabe des Auslaufens des Konzessionsvertrages, sie zwei Jahre vor Ablauf des Konzessionsvertrages und nicht wie derzeit in § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG geregelt, „spätestens“ zwei Jahre vor Ablauf verpflichtet ist. Ergänzend könnte eine Informationspflicht der Gemeinde gegenüber dem Netzbetreiber geregelt werden, für den Fall, dass die Gemeinde sich für eine frühzeitigere Bekanntgabe oder frühzeitige Verlängerung des Konzessionsvertrages entscheidet. In diesem Fall müsste die Informationspflicht der Gemeinde jedoch so frühzeitig ansetzen, dass es dem Altkonzessionär noch möglich ist, vor der Aufnahme des Konzessionsvergabeverfahrens die Netzdaten zur Verfügung zu stellen. Daneben wird die zeitliche Dimension der Datenherausgabepflicht noch in anderer Weise relevant. Die Frage, wann der Gemeinde die Netzdaten überlassen werden müssen, beantwortet noch nicht die Frage danach, wann die Gemeinde die Daten ihrerseits den Interessenten oder Bewerbern überlassen muss oder wann und ob dies durch den Altkonzessionär zu erfolgen hat. So entschied bspw. das Brandenburgische OLG vor der Gesetzesnovelle noch, dass erst nach Beendigung des Konzessionsvergabeverfahrens ein Auskunftsanspruch gegen den Altkonzessionär fällig werde,85 denn erst wenn der Hauptanspruch, nämlich Herausgabe des Netzbesitzes bzw. Netzeigentums fällig werde, werde auch der entsprechende Hilfsanspruch auf Auskunft fällig.86 Dieser Ansicht haben sich auch Stimmen in der Literatur angeschlossen.87 Diese Überlegungen gehören mit der Regelung in § 46 Abs. 2 und Abs. 3 EnWG nun spätestens der Vergangenheit an, widersprachen aber auch schon vor der Novelle dem Sinn und Zweck des § 46 EnWG. Dieser bezweckt gerade die Eröffnung von Wettbewerb um das Netz, der ohne die Zurverfügungstellung der notwendigen Informationen gar nicht in geeigneter Weise entstehen kann. Denn ohne die notwendigen Daten ist den Interessenten die Ausübung ihres Teilhaberechts nach Art. 12 Abs. 1 85 Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 29.12.2009, Kart W 13/09, RdE 2010, 345 (345 f.); so auch BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), Rn. 48; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.2.1997, 11 U (Kart) 38/96, WuW 1997, 999 (1000), die dies aus einen Anspruch aus § 242 BGB i. V. m. dem Netzkaufvertrag zwischen Altund Neukonzessionär herleiten. 86 Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 29.12.2009, Kart W 13/09, RdE 2010, 345 (345 f.). 87 So bspw. Schau, RdE 2011, 1 (5).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung263
i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG durch Teilnahme am Verfahren gar nicht möglich.88 Auch die Regelung in § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG macht dies sehr deutlich, indem sie die Herausgabe von Informationen, „die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den Abschluss eines Vertrages nach Satz 1 erforderlich sind“ [Hervorhebung durch Verfasserin] verlangt. Sie knüpft damit an die Bewerbungssituation („im Rahmen einer Bewerbung“) an und nicht etwa an das Obsiegen im Verfahren oder die Stellung als Neukonzessionär. Dies ist auch aus rein praktischen Erwägungen sinnvoll und geboten. Interessenten müssen die Kosten und Erträge des Netzes vor Abgabe eines Angebotes um die Konzessionen kalkulieren können, und zwar bereits vor Verfahrensbeginn. Wie sonst sollte ein Interessent eine wirtschaftliche Kalkulation für seine Bewerbung um die Konzession erstellen? Die Netzdaten sind zwingend notwendige Voraussetzung für die Abgabe eines verbindlichen Angebotes gegenüber der Gemeinde als Konzessionsgeberin.89 Dies gebietet auch schon die Chancengleichheit der Interessenten und Bewerber. Denn ohne frühzeitige hinreichende Informationsherausgabe kann ein Interessent (von außen) nicht in gleicher Weise in das Verfahren eintreten, wie der alte Netzbetreiber, dem die Netzinformationen im eigenen Hause vollumfänglich vorliegen. Ein „level playing field“ würde aufgrund von Informationsasymmetrien verhindert und der Wettbewerb erheblich verzerrt. Eine Herausgabe der Informationen zu einem späteren Zeitpunkt als dem Beginn des Konzessionsvergabeverfahrens (Bewerbungsstadium) oder gar eine „häppchenweise“ Herausgabe von Informationen, je nach Phase des Verfahrens, ist daher grundsätzlich abzulehnen.90 Denn sollte ein Bewerber im Konzessionsverfahren aufgrund seines Angebotes obsiegen, so erfolgt die Übernahme des Netzes mit dem Zuschlag der Gemeinde im Vergabeverfahren91 zu den Bedingungen des abgegebenen Angebotes; es folgt nicht etwa ein anschließendes Kalkulationsverfahren, in dem der obsiegende Bewerber die Möglichkeit hätte, sein Angebot mit Hilfe der dann erhaltenen Netzdaten konkret zu kalkulieren und ggf. zu korrigieren. Daher sind die Netzdaten von der Gemeinde schon im Bewerbungsstadium an die Interes88 Allgemein zu Veröffentlichungspflichten im Zusammenhang mit Dienstleistungskonzessionen: Burgi, NZBau 2005, 610 (615). 89 Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabe-verfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 8. 90 Für eine schrittweise Informationsherausgabe aber: Jacob, N&R 2012, 194 (198); BDEW; Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 46 ff. 91 Schau, RdE 2011, 1 (3).
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senten herauszugeben, damit diese sich akkurat bewerben können. Verspätet wäre eine Herausgabe der Informationen daher, wenn diese erst im Vergabeverfahren selbst oder etwa mit Abschluss der Vergabe und Erteilung der Konzession erfolgen würde. Der Vergangenheit gehören damit auch sog. zweistufige Verfahren an, bei denen den Interessenten zunächst nur Rahmendaten hinsichtlich des Netzes mitgeteilt werden und erst zu einem späteren Zeitpunkt eindeutige und erschöpfende Beschreibungen des Netzes folgen.92 Diese Aufsplittung der relevanten Netzdaten widerspricht der Regelung des § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG und dem dahinter stehenden Grundsatz der effektiven Wettbewerbsermöglichung. cc) Zurverfügungstellung von Daten Als weiterer Kritikpunkt ist die unklare Regelung im Hinblick auf die Zurverfügungstellung der Daten zu nennen. Die Bekanntgabe muss gem. § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG einen „ausdrücklichen Hinweis auf die nach Absatz 2 Satz 3 von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger“ enthalten. Diese Regelung lässt wichtige Fragen zum einen in Bezug auf den Kreis derjenigen, denen die Daten zur Verfügung zu stellen sind und zum anderen in Bezug auf den Zeitpunkt der Zurverfügungstellung der Daten offen. Es ist zwar der Ort der Veröffentlichung der Daten in der Bekanntmachung zu nennen. § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG lässt allerdings offen, wem die Daten bekannt zu geben sind und ob dies bereits vor der Durchführung des eigentlichen Verfahrens erfolgen muss. Auf diese Fragen werden verschiedene Antworten gegeben. Zum einen wird vertreten, dass es nicht zwingend erforderlich sei, dass bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe nach § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG die Daten von der Gemeinde so veröffentlicht werden, dass jeder potentielle Bewerber Zugriff darauf hat.93 Es sei vielmehr völlig ausreichend, wenn die Netzdaten den von der Gemeinde aus dem Interessentenkreis ausgewählten Bewerbern mit der Aufforderung der Angebotsabgabe zur Verfügung gestellt würden.94 92 So beschrieben in Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (171); so auch Pippke/ Gaßner, RdE 2006, 33 (38); zur alten Rechtslage: a. A. Kermel, RdE 2005, 153 (159), wonach zunächst allgemeine Informationen und in einem zweiten Schritt der engeren Auswahl erst konkrete Daten und Information übermittelt werden könnten; ähnlicher Vorstoß mit weiterer Aufgliederung: BDEW; Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 46 ff. 93 Hofmann, NZBau 2012, 11 (14–15); Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 23. 94 Hofmann, NZBau 2012, 11 (14–15).
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Hiernach wird die Bekanntgabe also dahingehend ausgelegt, dass lediglich eine Bekanntgabe des Vorhandenseins von Netzdaten und deren Zurverfügungstellung zu einem späteren Zeitpunkt nur an einen von der Gemeinde ausgewählten Kreis erfolgen müsse. Andere wollen zwar mit der Bekanntgabe des Veröffentlichungsortes zeitgleich auch eine Einsichtnahme in die Daten ermöglichen, indes auch den Einsichtnehmerkreis begrenzen.95 Ein Einsichtnahmerecht hätten demnach nur die „berechtigten Interessenten“, welche wiederum nur diejenigen seien, die innerhalb der von der Gemeinde benannten Frist ihr Interesse an dem Wegenutzungsvertrag kundgetan haben.96 Da es sich bei den Netzdaten u. a. auch um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handele, scheide insbesondere die Veröffentlichung dieser Daten auf eine allgemein zugängliche Weise aus.97 Würde man diesen Ansichten folgen, so müssten sich Interessenten mehr oder minder ins Blaue hinein über ihre Bewerbung im Verfahren um die Konzession entscheiden. Denn erst durch ihren Status als Bewerber oder „berechtigter Interessent“ würden sie – nach den zuvor dargestellten Ansichten – das Recht zur Einsichtnahme in die Netzinformationen erhalten. Damit würde Interessenten aber ein hohes Risiko aufgebürdet. Sie müssten einen nicht unerheblichen Aufwand im Vorfeld der offiziellen Bewerbung treiben, ohne zu wissen, ob der Netzbetrieb beispielsweise technisch oder wirtschaftlich für sie machbar ist. Ihr Angebot könnte ohne die relevanten Netzdaten auch nur rudimentär sein. Im direkten Vergleich hätte der alte Netzbetreiber dagegen die Möglichkeit, ein voll informiertes und ausdifferenziertes Angebot abzugeben. Dieses Verständnis des § 46 Abs. 3 EnWG würde ein Missverhältnis zu Lasten der Interessenten und einen klaren Wettbewerbsvorteil für den etablierten Netzbetreiber hervorbringen. Dies widerspricht bereits dem verfassungsrechtlich ausgestalteten Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG, wonach die gleichberechtigte Teilhabe an für die Ausübung der Berufsfreiheit notwendigen Verfahren zu gewährleisten ist.98 Ein diskriminierungsfreier, transparenter und allen potentiellen Bewerbern in gleicher Weise offenstehender Wettbewerb um die Konzession für den Netzbetrieb würde durch diese Art der Zurverfügungstellung der Daten unterlaufen. 95 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 24. 96 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 24. 97 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 24; a. A.: LG Hannover, Urt. v. 28.02.2013, 21 O 10/11, ZNER 2013, 186 (186), Leitsatz 4. 98 Hierzu grundlegend: Jarass/Pieroth-Jarass, GG,13. (2014), Vorb. vor Art. 1 Rn. 11 f.; Burgi, NZBau 2005, 610 (615).
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Gegen eine solch’ einschränkende Interpretation der Zurverfügungstellung der Daten an die Interessenten lassen sich neben diesen auch aus den Gesetzesmaterialien ableitbare Argumente vorbringen. Zum einen lässt sich der Begründung des Gesetzesentwurfs entnehmen, dass es bei der Neuregelung des § 46 EnWG gerade darum ging, allen potentiellen Bewerbern (also allen Interessenten) schon vor Absendung ihrer Bewerbung um den Konzessionsvertrag Zugang zu den netzrelevanten Daten zu geben. In der Begründung des Gesetzesentwurf zu § 46 EnWG heißt es: „Nur auf dieser Grundlage können Unternehmen entscheiden, ob sie sich auf die nach § 46 Abs. 3 durchzuführende Ausschreibung bewerben.“ [Hervorhebung durch Ver fasserin]99 Die Daten sollen somit Grundlage der Entscheidung sein, ob sich ein Interessent um die Konzession bemühen möchte. Dazu müssen ihm die Daten aber auch schon mit Bekanntgabe (also im Bewerbungsstadium) und nicht erst im Laufe oder gar am Ende des Verfahrens zugänglich gemacht werden. Weiter heißt es in der Begründung des Gesetzesentwurfes: „Durch Änderung des Absatzes 3 S. 1 wird klargestellt, dass die Gemeinde die vom bisherigen Netzbetreiber zur Verfügung gestellten Daten im Rahmen der Ausschreibung allen potentiellen Bewerbern zur Verfügung stellen muss.“ [Hervorhebung durch Verfasserin]100 Die Gemeinde soll gerade nicht einen Kreis der „berechtigten Interessenten“ ermitteln, dem sie dann die Netzdaten zur Verfügung stellt, sondern allen potentiellen Bewerbern, damit also allen Interessenten Zugang verschaffen. Zutreffend formuliert auch die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg, dass die Gemeinde „allen Interessenten“ die Daten offenzulegen hat.101 Für dieses Zurverfügungstellen nennt die Begründung des Gesetzesentwurfs ein Beispiel, welches ebenfalls deutlich macht, dass eine öffentliche Zurverfügungstellung für alle Interessenten von Gesetzes wegen beabsichtigt war. So heißt es in der Gesetzesbegründung, dass „die Veröffentlichung der Daten […] auch auf der offiziellen Homepage der Gemeinde erfolgen“ könne.102 In diesem Fall genüge es dann auch, wenn in der Bekanntmachung lediglich der entsprechende Link zur Homepage enthalten sei.103 Deutlicher kann der Gesetzgeber gar nicht zum Ausdruck bringen, dass eine Zugangsmöglichkeit zu den relevanten Netzdaten mit Bekanntgabe durch die Gemeinde zu schaffen ist und zwar für jeden Interessenten. Dies hat im Bewerbungsstadium für alle Interessenten zu erfolgen und nicht etwa für einen ausgewählten Personenkreis.
99 BT-Drs.
17/6072, S. 88. 17/6072, S. 88. 101 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzes sionsvergabe (5.12.2011), S. 5. 102 BT-Drs. 17/6072, S. 88. 103 BT-Drs. 17/6072, S. 88. 100 BT-Drs.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung267
dd) Vertraulichkeitserklärung Diesem öffentlichen Zugang zu den Netzdaten begegnen allerdings Bedenken im Hinblick auf die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse104 des aktuellen Netzbetreibers, die dieser hierdurch möglicherweise preisgibt.105 Durch die Offenlegung der vorgenannten Netzdaten sei jedem der Zugriff auf zahlreiche Informationen des Netzbetreibers und dessen Unternehmensführung möglich.106 Daher seien die meisten Altkonzessionäre, wenn überhaupt, nur zur Herausgabe der Daten gegen vorherige Abgabe einer Vertraulichkeitserklärung bereit.107 Dies sei zwar nicht in § 46 EnWG vorgesehen, im allgemeinen Geschäftsverkehr aber ein üblicher Vorgang.108 Hierzu ist jedoch einschränkend aufgrund der Regelungen in § 46 EnWG und der dem Konzessionsvertrag zugrundeliegenden Vertragsbeziehungen zu sagen, dass der Altkonzessionär nach den gesetzlichen Vorgaben die Daten an die Gemeinde herauszugeben hat und grundsätzlich nur von der Gemeinde als Vertragspartner und Stelle, an die die Netzdaten gem. § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG herauszugeben sind, versuchen kann, eine solche Vertraulichkeitserklärung zu erhalten. Hierzu bedarf es einer Einigung zwischen Altkonzessionär und Gemeinde über die abzugebende Vertraulichkeitserklärung (ihren konkreten Inhalt, Umfang und Reichweite),109 wenn die Abgabe einer solchen nicht im Konzessionsvertrag vereinbart wurde. Denn diese Vertraulichkeitserklärung geht über die Vertraulichkeitspflicht, die im Rahmen des Konzessionsvertrages i. V. m. § 242 BGB und der Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen des Konzessionsnehmers anzunehmen ist,110 hinaus. Weigert sich die Gemeinde jedoch, eine Vertraulichkeitserklärung zu unterzeichnen, so hat der Altkonzessionär keinen gesetzlichen Anspruch auf die Unterzeichnung. Ein solcher ist auch nicht durch die Novelle des § 46 EnWG im 104 Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat, so wörtlich LG Hannover, Urt. v. 28.2.2013, 21 O 10/11 in ZNER 2013, 186 (188). 105 Hofmann, NZBau 2012, 11 (15); Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 24 sowie Rn. 121 ff. 106 Hofmann, NZBau 2012, 11 (15); Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 24 u. 121 ff. 107 Hofmann, NZBau 2012, 11 (15); Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 24 u. 121 ff. 108 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 121. 109 So rät es Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 123. 110 So etwa Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (172).
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Sommer 2011 geregelt worden. Der Gesetzgeber hat damit die Ermöglichung von diskriminierungsfreiem, fairem und transparentem Wettbewerb über die Geschäftsinteressen des Netzbetreibers gestellt.111 Auch wenn man den Sinn und Zweck des § 46 EnWG betrachtet und dies in eine Abwägung mit den Interessen des Altkonzessionärs an seinen Netzdaten einstellt, unterliegen die Interessen des Altkonzessionärs in der Abwägung. Es ist eindeutiges gesetzgeberisches Ziel, den Wettbewerb um die Netze zu ermöglichen und zu gewährleisten. Dadurch soll die Monopolstellung, die zahlreiche Missbrauchsgefahren mit sich bringt (wie das Zurückhalten von markt- und wettbewerbsrelevanter Daten),112 zum Wohle der Netzeinspeiser und Verbraucher, die im Wesentlichen die Netzkosten tragen, sowie im Interesse der Wettbewerbsbeteiligung anderer potentieller Netzbetreiber aufgebrochen werden. Die Ermöglichung von Wettbewerb dient damit dem Schutz der Allgemeinheit vor einem Monopolmissbrauch im Stromnetzbereich. In der Abwägung steht diesen Erwägungen das Interesse des Altkonzessionärs am Schutz seiner etwaigen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gegenüber, die gegen eine Preisgabe der Netzdaten sprechen könnten. Die Herausgabe der Daten betrifft aber nur in Ausnahmefällen überhaupt empfindliche Bereiche des Geschäftsbetriebs. Denn die Herausgabepflicht bezieht sich gerade nicht auf Firmen-, sondern Netzdaten.113 Der Datenumfang, wie er vor allem durch den Gemeinsamen Leitfaden des BKartA und BNetzA konkretisiert ist,114 bezieht viele Felder eines potentiellen Geheimnisschutzes gar nicht ein. So sind bspw. von der Herausgabepflicht nicht umfasst: Daten im Hinblick auf Kundenbeziehungen, Angebote an Kunden und deren Inhalte, geschäftliche Vorhaben oder geschäftspolitische Ziele der Netzgesellschaft, Angaben zum Guthaben der Netzgesellschaft, Kreditunterlagen, Gehaltslisten, Preisberechnungen oder gar Marktstrategien, die typischerweise Geschäftsgeheimnisse darstellen.115 Insofern wird der Altkonzessionär auch mit dem Nachweis eines überwiegenden Interesses an der Geheimhaltung scheitern.116 Außerdem ist aufgrund der Monopolstellung und der gesetzgeberischen Ziele des § 46 EnWG ein Vorrang der Interessen der Allgemeinheit, Netz auch Bahr/Sassenberger, RdE 2011, 170 (172 f.). zur Verhinderung von Informationsasymmetrien: Schau, RdE 2011, 1 (3). 113 So auch LG Hannover, Urt. v. 28.2.2013, 21 O 10/11, ZNER 2013, 186 (186, Leitsatz 3). 114 Hierzu vorstehend in § 7 II.3.c)aa). 115 MüKo-Wißmann, GmbHG, Bd. 3,1. (2011), § 85 Rn. 23. 116 So auch LG Hannover, Urt. v. 28.2.2013, 21 O 10/11, ZNER 2013, 186 (186, Leitsatz 3); LG Dortmund, Urt. v. 10.07.2008, 13 O 126/06 Kart, ZNER 2008, 252 (252 f.); zur Notwendigkeit dieses Nachweises: Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), Rn. 218. 111 So
112 So
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einspeiser und potentiellen Wettbewerber an den relevanten Netzdaten vor den Interessen des Altkonzessionärs an der Nichtherausgabe seiner Daten anzunehmen.117 Es wäre daher fehlgeleitet, eine etwaige Pflicht der Gemeinden oder gar Interessenten zur Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung aus dem EnWG oder unter Heranziehung anderer Rechtsmaterien zu konstruieren. Denn durch § 46 Abs. 2 und 3 EnWG ist der Geheimnisschutz (etwa § 404 AktG) per Gesetz eingeschränkt.118 Diese gesetzgeberische Entscheidung ist zu beachten. Den Gemeinden ist es indes unbenommen, auf freiwilliger Basis der Abgabe einer Vertraulichkeitserklärung zuzustimmen, sei es bereits im Konzessionsvertrag oder zu einem späteren Zeitpunkt. Es besteht aber keine gesetzliche Pflicht hierzu. Sollte die Gemeinde eine entsprechende Erklärung abgeben, stellt sich des Weiteren die Frage danach, ob und wenn ja, wie, diese an die Interessenten sozusagen „weitergereicht“ werden kann. Denn letztlich wird es dem Altkonzessionär vor allem um einen Geheimnisschutz gegenüber den potentiellen Mitbewerbern gehen. Zum einen wird es für zulässig erachtet, die Gemeinde seitens des Altkonzessionärs dazu zu verpflichten, ihrerseits von jedem Interessenten die Abgabe einer Vertraulichkeitserklärung zu verlangen.119 Dies wird sogar so weitgehend vertreten, dass die Gemeinde dem Altkonzessionär für die Einhaltung der Vertraulichkeitserklärung durch die Interessenten haften solle.120 Etwas Derartiges ist jedoch nicht von Gesetzes wegen anzunehmen, sondern bedarf einer dahingehenden Einigung zwischen Gemeinde und Altkonzessionär. Sollte die Gemeinde keine dahingehende Erklärung abgeben bzw. keiner solchen Verpflichtung zustimmen und / oder eine solch weitreichende Haftung nicht übernehmen wollen, besteht für den Altkonzessionär kein Anspruch hierauf. Auch die Weiterreichung der Vertraulichkeitserklärung an die Interessenten bedarf daher der freiwilligen Mitwirkung und ist nicht gesetzlich geboten. Aber auch die durch die Gemeinde freiwillig übernommene Pflicht zur Weitergabe der Verschwiegenheitserklärung hat ihre Grenzen. Wenn von der Vereinbarung der Vertraulichkeit zwischen Gemeinde und Interessenten im Konzessionsverfahren Gebrauch gemacht wird, ist entscheidend, dass dies 117 So auch Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (172 f.); Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 10. 118 Zur generellen Einschränkbarkeit des Geheimsnisschutzes per Gesetze vgl. MüKo-Wißmann, GmbHG, Bd. 3,1.,(2011), § 85 Rn. 22; zu § 404 AktG vgl. MüKoSchaal, AktG, Bd. 6,3. (2011), § 404 Rn. 35. 119 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 123. 120 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 123.
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nicht mittelbar zu einem Ausschluss von Interessenten im Verfahren um die Konzessionsvergabe führt. Dies würde dem § 46 EnWG sowie den Wertungen des EnWG zuwiderlaufen. Konkret bedeutet dies, dass die von den Interessenten und Bewerbern abzugebende Vertraulichkeitserklärung nicht so ausgestaltet sein darf, dass sie abschreckenden Charakter entfaltet und dadurch zu einer Markteintrittshürde für neue Konzessionsnehmer führt. Insbesondere Vertragsstrafen sind daher – wenn überhaupt – nur in angemessener Höhe in den Vertraulichkeitsvereinbarungen zulässig.121 Allerdings kann auch diese Abgabe der Vertraulichkeitserklärungen durch Interessenten im Verfahren nur auf freiwilliger Basis erfolgen und nicht erzwungen werden. Daraus muss auch folgen, dass kein Ausschluss von Interessenten auf Grundlage einer nicht erklärten Vertraulichkeitsvereinbarung erfolgen darf.122 Denn die vorstehend genannten Daten sind in ihrem Umfang für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Interessenten um die Konzession von entscheidender Bedeutung.123 Um den Missbrauch der Monopolstellung des alten Netzbetreibers zu verhindern, bedarf es einer unbedingten Informationsherausgabepflicht im Bezug auf alle netzrelevanten Daten. Dies überwiegt gegenüber etwaigen Geheimhaltungsinteressen des Altkonzessionärs im Hinblick auf Netzdaten.124 Auf freiwilliger Basis können zwischen den Beteiligten Vertraulichkeitsvereinbarungen getroffen werden. Ein mittelbar oder unmittelbar wirkender Zwang eine solche Erklärung abzugeben, darf jedoch unter keinen Umständen entstehen. Die Teilnahme am Wettbewerb um die Konzessionen darf daher nicht von der Abgabe einer Vertraulichkeitserklärung abhängig gemacht werden. Ein gesetzlicher Anspruch auf Abgabe einer Vertraulichkeitserklärung durch die Gemeinde oder Mitbewerber um die Konzession vor Herausgabe der Netzdaten durch den Altkonzessionär besteht daher nicht. ee) Ansprüche der Interessenten auf Datenherausgabe Auch die gesetzliche Neugestaltung der Herausgabe der Netzdaten ist nicht so erfolgt, dass aus ihr abschließende Klarheit gewonnen werden 121 Ob die von Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 122 genannten € 50.000 angemessen sind, muss jeweils im Einzelfall beurteilt werden. 122 Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 10. 123 Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 10. 124 Ähnlich auch: Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 10.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung271
kann. Nach § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG ist der Altkonzessionär verpflichtet, der Gemeinde die Netzdaten herauszugeben. Aus dieser Herausgabepflicht des Netzbetreibers ergibt sich für die Gemeinde ein spiegelbildlicher Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen den Altkonzessionär.125 Was gilt jedoch, wenn weder der Altkonzessionär die Daten herausgibt noch die Gemeinde diese von ihm einfordert? Diese Frage zeigt sehr deutlich, dass die gesetzliche Konstruktion, nämlich die Pflicht zur Herausgabe der Daten an die Gemeinde im Hinblick auf die Rechte der Interessenten erhebliche Nachteile aufweist. Die Interessenten sind für ihre Bewerbung um die Konzession, wie vorstehend bereits dargelegt, auf die Netzinformationen zwingend angewiesen. Es ist daher von großer praktischer Relevanz, welche Rechte den Interessenten zustehen, wenn Netzbetreiber und / oder Gemeinde untätig bleiben. Eine denkbare Lösung wäre ein direkter Informationsanspruch der Inte ressenten und Bewerbern gegen den Altkonzessionär. Als andere mögliche Lösung wäre aber auch denkbar, dass die Interessenten und Bewerber einen Anspruch gegen die Gemeinde oder auf Einschreiten der Regulierungs- oder Kartellbehörde haben. Der Anspruch gegen die Gemeinde könnte bspw. auf Durchsetzung des gemeindlichen Anspruchs gegen den Altkonzessionär gerichtet sein. Ein Anspruch gegen die Regulierungs- oder Kartellbehörde könnte auf Verpflichtung des Altkonzessionärs zur Herausgabe der Daten bestehen. § 46 EnWG schweigt dazu. (1) A nspruch gegen die Gemeinde oder auf Einschreiten der Regulierungs- oder Kartellbehörde gegen die Gemeinde Nachstehend soll zunächst untersucht werden, ob den Interessenten ein Anspruch gegen die Gemeinde oder die Regulierungs- oder Kartellbehörde auf Einschreiten gegen die Gemeinde auf Herausgabe der Daten zusteht. Ein solcher könnte sich aus dem Energierecht, dem allgemeinen Verwaltungsrecht und dem Kartellrecht ergeben. (a) Energierechtliche Ansprüche aus §§ 30, 65 EnWG Die Eingriffsbefugnis der Regulierungsbehörde aus §§ 30 und 65 EnWG könnte zu einer Verpflichtung der Gemeinde auf Herausgabe der relevanten Netzdaten an die Interessenten führen. Auf ein Einschreiten könnten die 125 So auch Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 104 ff., die sogar ausführt, dass „§ 46 Abs. 2 S. 4 EnWG einen ausdrücklichen Anspruch der Gemeinde vor“-sehe (Rn. 105).
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Interessenten auch einen Anspruch haben,126 da die Verweigerung der Datenherausgabe einen Missbrauch und eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung darstellen. Der weite Unternehmensbegriff, wie ihn das GWB verwendet, gilt im Zusammenhang mit den Regelungen des EnWG indes nicht,127 so dass die Regelungen der §§ 30, 65 EnWG nicht auf die Gemeinde als Konzessionsgeberin ausgeweitet werden können, die zwar unternehmerisch tätig wird, aber kein Unternehmen i. S. d. § 65 EnWG oder in vorbezeichneter Rolle Netzbetreiber i. S. d. § 39 EnWG ist. Im Hinblick auf einen möglichen Anspruch der Interessenten oder Bewerber sind auch im Übrigen dem EnWG keine Ansprüche zu entnehmen, so dass die Interessenten hieraus nicht gegen die Gemeinde direkt oder mittels der Regulierungsbehörde vorgehen können. (b) Verfahrensrechtlicher Anspruch aus § 29 VwVfG Das VwVfG sieht in § 29 einen Anspruch auf Akteneinsicht vor, der im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens zu einem Anspruch der Interessenten gegen die das Verfahren leitende Gemeinde führen und auf Einsichtnahme in die Unterlagen über die Netzdaten gerichtet sein könnte. Der Anspruch aus § 29 VwVfG setzt jedoch zwingend eine Beteiligtenstellung i. S. d. formellen Beteiligtenbegriffs nach § 13 VwVfG voraus.128 Der hier diskutierte Anspruch auf Datenherausgabe bzw. -einsicht bezieht sich jedoch auf das zeitliche Stadium vor dem eigentlichen Eintritt in das Verfahren, so dass es an dieser Beteiligtenstellung gerade fehlt. Im Übrigen wäre dieser Anspruch auch nur dann sinnvoll und erfolgreich, wenn die Gemeinde ihrerseits die Netzdaten vom Altkonzessionär erhalten hat. In dem hier u. a. diskutierten Fall, dass der Altkonzessionär die Netzdaten nicht herausgibt und die Gemeinde sich nicht um die Herausgabe dieser bemüht (sie also nicht über die Netzdaten verfügt), würde die Anwendung des § 29 VwVfG ins Leere laufen, da in den Akten der Gemeinde keine relevanten Daten vorhanden wären. § 29 VwVfG ist daher für Ansprüche der Interessenten gegen die Gemeinde nicht weiterführend.
126 Zu den Antragsvoraussetzungen des § 30 EnWG: Britz/Hellermann/HermesRobert, EnWG,3. (2015), § 30 Rn. 51 ff.; zu den Voraussetzungen nach § 65 EnWG: Britz/Hellermann/Hermes-Hanebeck, EnWG,3. (2015), § 65 Rn. 5 ff. sowie Britz/ Hellermann/Hermes-Hanebeck, EnWG,3. (2015), § 66 Rn. 2 ff. 127 So auch Schau, RdE 2011, 1 (8). 128 Stelkens/Bonk/Sachs-Bonk/Kallerhoff, Verwaltungsverfahrensgesetz,8. (2014), § 29 Rn. 37.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung273
(c) Kartellrechtlicher Anspruch aus § 19 GWB n. F. Dem Kartellrecht könnte jedoch aufgrund der Monopolstellung der Gemeinden als alleinige Konzessionsgeber im Konzessionsgebiet Ansprüche der Interessenten zu entnehmen sein. Von besonderer Bedeutung ist dabei § 19 GWB n. F., der das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung normiert. (aa) Anwendbarkeit GWB-Bestimmungen Da das Regulierungsrecht und das Kartellrecht in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, ist zunächst zu klären, ob kartellrechtliche Vorgaben überhaupt in energierechtlichen Kontexten anwendbar sind. Das Verhältnis von kartellrechtlicher Aufsicht und energiewirtschaftlicher Regulierung wird maßgeblich durch § 111 EnWG und spiegelbildlich § 130 Abs. 3 GWB näher ausgestaltet. Nach § 111 Abs. 1 S. 1 EnWG sind die §§ 19, 20 und 29 GWB anwendbar, soweit das EnWG oder auf dieser Grundlage erlassene Rechtsvorschriften keine abschließende Regelung treffen. Für den Teil 3 des EnWG (die Normen §§ 11–35 EnWG) bestimmt § 111 Abs. 2 EnWG ausdrücklich, dass diese abschließende, die GWB-Bestimmungen verdrängende Regelungen bilden und insoweit der Kontrolle durch die Kartellbehörden entzogen sind.129 So enthält § 30 EnWG, insbesondere der im Zusammenhang mit der Verweigerung der Herausgabe der Daten relevante § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, eine dem § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F. (§ 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB a. F. und § 20 Abs. 1 GWB a. F.) speziell für den Energiebereich entsprechende Regelung, die die Grundlage der Nichtanwendung des § 19 GWB n. F. bildet.130 Im Übrigen ist aber ein Nebeneinander von Kartell- und Regulierungsbehörde vorgesehen, was für die Konzessionsvergabe u. a. § 46 Abs. 5 EnWG sehr deutlich macht.131 Dass das Recht der Konzessionsvergabe nicht der Bestimmung des § 111 Abs. 2 EnWG unterliegt, ergibt sich auch schon daraus, dass die §§ 46 ff. EnWG im Teil 5 des EnWG und nicht im für abschließend erklärten Teil 3 des EnWG normiert ist.132 Daher enthält das EnWG auch für die Konzessionsvergabe keine das allgemeine Wettbewerbsrecht ausschließenden Bestim129 Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Stappert/Groß, Grundriss zum Energierecht1., 2011, Kap. 15 Rn. 53. 130 Zu §§ 19, 20 GWB a. F.: so Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/3917, S. 63. 131 BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, Rn. 55, über BeckRS 2013, 09751; Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sions abgaben (2012), Kap. 12 Rn. 36; Schau, RdE 2011, 1 (6). 132 So auch BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, S. 21 f. (Rn. 55).
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mungen.133 Für die europäischen kartellrechtlichen Vorgaben findet § 111 EnWG außerdem, aufgrund der Höherrangigkeit des Europarechts, keine Anwendung, so dass die europäischen Wettbewerbsbestimmungen ohnehin anwendbar134 sind.135 Da aber § 30 EnWG (aus Teil 3 des EnWG) im Hinblick auf einen möglichen Missbrauch der Marktmacht der Gemeinde als Konzessionsgeberin nicht einschlägig ist [vgl. § 7 II.3.c)ee)(1)(a)], entfaltet § 111 EnWG keine Sperrwirkung für die Anwendung des § 19 GWB n. F. im Hinblick auf ein missbräuchliches Verhalten der Gemeinden. Daher ist grundsätzlich auch die Anwendbarkeit des § 19 GWB n. F. bzw. Art. 102 AEUV bei Binnenmarktrelevanz gegeben.136 (bb) Exkurs: 8. GWB-Novelle Durch das Achte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26.06.2013137 wurden mit Wirkung vom 30.06.2013 zahlreiche Änderungen im GWB vorgenommen.138 In besonderem Maße sind die Einführung des § 18 GWB (der seit dem Jahre 2005 unbesetzt war), die systematische Neuordnung der §§ 19, 20 GWB sowie Ergänzungen des § 21 GWB, die Einführung des europäischen SIEC-Tests139 zur Bestimmung der 133 BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, S. 21 f. (Rn. 55); BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 4 ff., Rn. 16 ff.; Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 12, Rn. 36, Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 62; Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 87. 134 Allerdings bedarf es einer grenzüberschreitenden Relevanz im Hinblick auf den Konzessionsvertrag und dessen Vergabeverfahren. Der Konzessionsvertrag muss danach mit ausreichender Wahrscheinlichkeit geeignet sein eine spürbare Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels zu bewirken, vgl. Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 136 f. 135 Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Stappert/Groß, Grundriss zum Energierecht,1. (2011), Kap. 15 Rn. 54; Wiedemann-Scholz, Handbuch des Kartellrechts,2. (2008), § 34 Rn. 53. 136 So auch BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, Rn. 55, über BeckRS 2013, 09751. 137 BGBl. I S. 1738; Gesetzesentwurf: BT-Drs. 17/9852. 138 Zur Novelle und dem Gesetzgebungsverfahren: Bischke/Brack, NZG 2013, 736 (736 ff.); Bechtold, NZKart 2013, 263 (263 ff.); Bosch, NJW 2013, 1857 (1857 ff.); Emmerich, AG 2013, 23 (23 ff.); Gussone, EnWZ 2012, 13 (13 ff.); Jungbluth, NZKart 2013, 261 (261 ff.); Kahlenberg/Neuhaus, BB 2013, 131 (131 ff.). 139 = Significant Impediment to Effective Competition, auch Wettbewerbsbehinderungstest genannt, der im Jahr 2004 in Art. 2 Abs. 2 und 3 FKVO in das europäi
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung275
Marktbeherrschung sowie die Änderungen innerhalb der Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle nach §§ 35 ff. GWB140 von Bedeutung.141 Durch die Neueinführung des § 18 GWB wird eine Zentralnorm für die Marktbeherrschung geschaffen.142 Diese enthält sowohl die Definition der Marktbeherrschung,143 die Marktbeherrschungsvermutungen des § 19 Abs. 2 GWB a.F sowie die gesetzlichen Vermutungstatbestände des § 19 Abs. 3 GWB a. F.144 Die §§ 19, 20 GWB a. F. wurden inhaltlich getrennt, so dass nunmehr § 19 GWB n. F. Bestimmungen zum Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung enthält und § 20 GWB n. F. entsprechende Regelungen für Unter- nehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht.145 Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die bisher in § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB a. F. und § 20 Abs. 1 GWB a. F. enthaltenen Bestimmungen für den Behinderungsmissbrauch bei marktbeherrschender Stellung aus dem § 20 GWB entnommen und in § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F. überführt wurden.146 Der weitergehende Wortlaut des § 20 Abs. 1 GWB a. F. wurde dabei in § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB integriert und die Beschränkung des § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB a. F., wonach eine „erhebliche Beeinträchtigung“ nötig war, gestrichen.147 Ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf sollen hiermit die Vorschriften der §§ 19, 20 GWB „einfacher, anwendungsfreundlicher und verständlicher“ gemacht werden.148 Eine Änderungen des materiellen Gehaltes solle damit aber nicht einhergehen, insbesondere solle die Zusammenführung in § 19 GWB n. F. keine Änderungen zur Folge haben und die umfangreiche Rechtsprechung zu § 19 Abs. 1 i. V. m. § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB a. F. ebenso wie die zu § 20 Abs. 1 GWB a. F. weiterhin maßgeblich sein.149 Ob sich diese vom Gesetzgeber beabsichtigten Änderungen auch in der Rechtsprechung durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. sche Fusionskontrollrecht eingeführt wurde, hierzu ausführlich: Immenga/Mestmäcker-Körber, Wettbewerbsrecht, Bd. 1,5. (2012), FKVO Art. 2, Rn. 183 ff.; Gussone, EnWZ 2012, 13 (15 f.); Kahlenberg/Neuhaus, BB 2013, 131 (132). 140 Hierzu ausführlich: § 8 II.4.b). 141 Zu den Änderungen: Bischke/Brack, NZG 2013, 736 ff.; Bechtold, NZKart 2013, S. 263 ff.; Gussone, EnWZ 2012, 13 (13 ff.); Kahlenberg/Neuhaus, BB 2013, 131 ff. 142 Hierzu ausführlich: Lettl, Kartellrecht,3. (2013), § 9 Rn. 2 ff. 143 Hierzu: Lettl, Kartellrecht,3. (2013), § 9 Rn. 2 ff. 144 Siehe hierzu: Gesetzesentwurf: BT-Drs. 17/9852, S. 20; Lettl, Kartellrecht,3. (2013), § 9 Rn. 19 ff. 145 Siehe hierzu: Gesetzesentwurf: BT-Drs. 17/9852, S. 20 und 22; Lettl, Kartellrecht,3. (2013), § 9 Rn. 28 ff. und Rn. 105 ff. 146 Gesetzesentwurf, BT-Drs. 17/9852, S. 23. 147 Hierzu: Gesetzesentwurf, BT-Drs. 17/9852, S. 23. 148 Gesetzesentwurf, BT-Drs. 17/9852, S. 20. 149 Gesetzesentwurf, BT-Drs. 17/9852, S. 20 und 23.
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(cc) § 19 GWB n. F. Da § 19 GWB n. F. auch im Rahmen der Konzessionsvergabe anwendbar ist, besteht die Möglichkeit, dass den Interessenten aus der Verletzung des § 19 GWB n. F. ein Anspruch auf Einschreiten der Kartellbehörden gegen die Gemeinde auf Herausgabe der Netzdaten zusteht. Die Gemeinde als Anbieterin der Konzession für den Netzbetrieb nimmt bei der Vergabe dieses konzessionierten Wegenutzungsrechts für das Gemeindegebiet eine konkurrenzlose und marktbeherrschende Stellung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F. ein.150 Da dem GWB ein funktionaler Unternehmensbegriff zugrunde liegt, ist die Qualifizierung der Gemeinde als Unternehmerin i. S. d. GWB nur davon abhängig, dass die Konzessionsvergabe als „jedwede Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr“ qualifiziert werden kann.151 Im Rahmen der Konzessionsvergabe ist dies schon deswegen anzunehmen, weil die Gemeinde mit der Vergabe der Konzession eine wirtschaftliche Verwertung des Gemeindeeigentums und die Erzielung von Konzessionsabgaben anstrebt.152 Auch bezogen auf das Wegenutzungsrecht liegt eine (produktspezifische) Monopolstellung vor, da nur durch die Vergabe dieser Wegekonzession durch die Gemeinde im Gemeindegebiet der Netzbetrieb möglich wird.153 Diese marktbeherrschende Stellung der Gemeinden liegt darin begründet, dass das Produkt „Konzession zum Netzbetrieb“ in der jeweiligen Gemeinde nicht durch eine gleichartige Konzession andernorts substituierbar ist, sondern jede Konzession einen eigenen abgegrenzten sachlichen Markt bildet.154 Der BKartA sowie das OLG München 150 BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, S. 22 f. (Rn. 56 ff.), BeckRS 2013, 09751; Schau, RdE 2011, 1 (6); Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 25. 151 BGH, Beschl. v. 11.12.1997, KVR 7/96, NJW 1998, 756 (757); OLG Frankfurt, Urt. v. 4.5.2010, 11 U 70/09 (Kart), BeckRS 2013, 22802; Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 1 GWB Rn. 31. 152 So auch OLG Schleswig, Urt. v. 22.11.2012 ‒ 16 U (Kart) 22/12, BeckRS 2012, 25122. 153 BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, S. 22 (Rn. 58), BeckRS 2013, 09751. 154 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 4 f., Rn. 18; BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, S. 22 (=Rn. 58), BeckRS 2013, 09751; Kritisch: Monopolkommission, die diese Marktabgrenzung nicht unmittelbar ersichtlich findet, insbesondere, warum für die Nachfrageseite keine Substituierbarkeit zwischen Konzessionen verschiedener Gemeinden bestehen soll, wo doch Unternehmen Konzessionen länderübergreifend nachfragen. Allerdings teilt die Monopolkommission im Ergebnis die Position, dass die Gemeinden bei der Vergabe der Konzessionen über Marktmacht „bei der Preissetzung verfügt, die es ihr erlaubt, die Renten auf den nachgelagerten Märkten abzuschöpfen.“, vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 30 Rn. 43.
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und Stimmen in der Literatur sehen dabei jedes durch ein Niederspannungsnetz definierte Gebiet als eigenen räumlich relevanten Markt an.155 Zum anderen ist ein typisches Charakteristikum der jeweiligen Stromkonzessionen, dass sie „strikt auf den lokalen Angebotsmarkt“ abstellt.156 Verweigert der alte Netzbetreiber die Herausgabe der nur ihm zugänglichen und bekannten Netzdaten und sieht die Gemeinde untätig dabei zu oder gibt die Gemeinde selbst, obwohl sie die Daten erhalten hat, diese nicht an die Interessenten heraus, ist hierin ein Missbrauch und damit ein Verstoß gegen § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F. zu sehen.157 Durch dieses Vorgehen beeinträchtigt die Gemeinde direkt die Wettbewerbsmöglichkeiten der Betroffenen auf dem Markt in erheblicher Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund und verstößt damit gegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F.158 Denn ebenso, wie die Verletzung des Anspruchs der Interessenten auf Bekanntgabe der Informationen durch die Gemeinde einen Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung darstellt, ist dies auch in der fehlenden Herausgabe der Netzdaten zu sehen.159 Denn die Verweigerung der Herausgabe der Netzdaten durch die Gemeinde führt zu Informationsasymmetrien, die erhebliche Wettbewerbsverzerrungen im Wettbewerb um die Konzessionen verursachen.160 Die Gemeinde ist dabei auch Adressatin des § 19 GWB n. F., weil eben gerade die Gemeinde und nicht etwa den alten Netzbetreiber die Pflicht trifft, gem. § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG die Daten den Interessenten zugänglich zu machen. Um den Vorwurf des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung durch die Gemeinden im Hinblick auf die Vergabe der Konzession gem. § 19 GWB n. F. und ggf. auch aus Art. 102 AEUV zu vermeiden,161 muss diese daher alles ihr Mögliche tun, um den Interessenten oder Bewerbern die Netzdaten zugänglich zu machen. 155 BKartA, Beschl. v. 30.08.1999, B8-40100-T-99/99, RdE 2000, 31 (32); OLG München, Urt. v. 4.12.2003, U(K) 2018/03, GRUR-RR 2004, 156 (156); Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Stappet/Groß, Grundriss zum Energierecht,1. (2011), Kap. 15 Rn. 19 f.; Wiedemann-Scholz, Kartellrecht,2. (2008), § 36 Rn. 161; indes für deutschlandweite Abgrenzung im Strombereich: BGH, Beschl. v. 11.11.2008, KVR 60/07, NJW-RR 2009, 264 (266, Rn. 24 der Entscheidung). 156 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 4 f., Rn. 18. 157 Zu § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB a. F.: Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (175). 158 Allgemein dazu: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Götting, Kartellrecht,2. (2009), § 19 Rn. 63. 159 Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), Rn. 218. 160 Schau, RdE 2011, 1 (6). 161 Zu § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB a. F.: Hofmann, NZBau 2012, 11 (14); BKartA/ BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 9 f. Rn. 27 ff.
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Der Verbotstatbestand in § 19 GWB n. F. wird von einem Unterlassungsund Schadenersatzanspruch in § 33 GWB flankiert. Außerdem kann die Kartellbehörde eine Abstellungsverfügung nach §§ 32 GWB erlassen. Auf das Einschreiten der Kartellbehörde nach § 32 GWB besteht nach dem Gesetzeswortlaut jedoch kein Anspruch; vielmehr liegt das Tätigwerden der Kartellbehörde in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Ein Anspruch des Betroffenen oder Antragsrecht auf Einleitung eines Verfahrens wird daher von der h. M. abgelehnt.162 Ausnahmsweise angenommen wird dies jedoch, wenn eine Ermessensreduktion auf Null aufgrund erheblicher Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung vorliegt.163 Ein allgemeines Antragsrecht auf Einschreiten der Kartellbehörde wäre indes zu begrüßen. So fordert auch die Monopolkommission schon in ihrem ersten Sondergutachten, den betroffenen Personen und Personenvereinigungen ein Antragsrecht zur Einleitung eines Verfahrens einzuräumen.164 Verfügt die Gemeinde selbst (noch) nicht über die Netzdaten, weil der alte Netzbetreiber die Herausgabe teilweise oder vollständig verweigert, ist die Gemeinde verpflichtet, diesen Informationsanspruch auch gegenüber dem Altkonzessionär geltend zu machen, da sie ihrerseits wegen § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG zur Offenlegung dieser Informationen verpflichtet ist, um ein diskriminierungsfreies und transparentes Verfahren durchzuführen.165 Dies ergibt sich schon aus § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG, „der – wie selbstverständlich – die vom Netzbetreiber zur Verfügung gestellten Daten auch zum Inhalt der Bekanntgabe der Gemeinde erklärt“.166 (d) Anspruch aus Art. 12 GG Im Zusammenhang mit dem Anspruch der Interessenten gegen die Gemeinde ist ein Urteil des BVerwG aus dem Jahre 2003 hervorzuheben, welches zur Vergabe von ÖPNV-Leistungen ergangen ist. In diesem Urteil ent162 BGH, Beschl. v. 25.10.1983, KVR 8/82, NVwZ 1984, 265 (265 f.); BGH, Beschl. v. 6.3.2001, KVZ 20/00, ZIP 2001, 807 (807); Loewenheim/Meesen/Rie senkampff-Rehbinder, Kartellrecht,2. (2009), § 32 Rn. 8; Möschel, NJW 1975, 753 (757). 163 Immenga/Mestmäcker-Fuchs, Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 19 GWB Rn. 67. 164 Zu § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB a. F.: Monopolkommission, Sondergutachten, Bd. 1, Rn. 64 S. 55; so auch Monopolkommission, Sondergutachten, Bd. 7, Rn. 209, S. 108; hierauf hinweisend: Immenga/Mestmäcker-Fuchs, Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 19 GWB Rn. 67. 165 Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 707. 166 Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 708.
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schied das BVerwG, dass sich aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG die Pflicht der die Leistung vergebenden Behörde ergebe, „im Vorfeld eines Verwaltungsverfahrens und damit unabhängig von der verwaltungsverfahrensrechtlichen Beteiligtenstellung einem potentiellen Verfahrensbeteiligten Informationen zur Verfügung zu stellen, welche dieser bedarf, um sachgerecht die Frage zu prüfen und entscheiden zu können, ob und in welchem Umfang er sich um eine behördliche Genehmigung (Konzession) bewirbt.“167 Auch in dieser Entscheidung ging es um die dem eigentlichen Verfahren vorgelagerte Situation, in der es sich noch um potentielle Bewerber bzw. Interessenten, noch nicht jedoch um Verfahrensbeteiligte handelt. Aus dem zugrundeliegenden Personenbeförderungsgesetz ergab sich ebenfalls kein Informationsanspruch der Interessenten gegen die die Konzession vergebende Gemeinde. Zentral stützt das BVerwG die Entscheidung zugunsten eines Informationsanspruchs der Interessenten aus Art. 12 Abs. 1 GG auf folgende Erwägungen: Der Altkonzessionär sei anders als alle Interessenten im Besitz der Informationen, die für die ausgeschriebene Konzession inhaltsfüllend und damit entscheidend sind.168 Während der Geltungsdauer der Genehmigung finde weder ein Wettbewerb noch die Veröffentlichung der relevanten Netzinformationen statt.169 Dadurch entstehe die „ernsthaft drohende Gefahr“ für die Interessenten zugunsten des Altkonzessionärs im Verfahren zurückgewiesen zu werden und die Konzession nicht zu erhalten.170 Diese Situation entstehe, weil die begehrten Informationen den Interessenten vorenthalten werden, wodurch diese in ihrem Berufsgrundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt würden.171 Diese Verletzung des Art. 12 GG sei jedenfalls nach BVerwG dann anzunehmen, „wenn eine begehrte und einer Behörde mögliche Auskunfts- bzw. Informationsleistung zum Schutz des grundrechtlich gesicherten Freiheitsraumes des jeweiligen Grundrechtsträgers unerlässlich ist“.172 Aufgrund des der Behörde gegen den Altkonzessionär aus § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG zustehenden Anspruchs auf Herausgabe der netzbezogenen Daten besteht für die Behörde die Möglichkeit, diese Daten einzufordern und den Interessenten zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen sind für die Interessenten auch unerlässlich, um sich im Verfahren um die Konzession für den Stromnetzbetrieb ebenso gut wie der Altkonzessionär positionieren zu können. Für die Ausübung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG müssen sich die potentiellen neuen Netzbetreiber auch gerade diesem Vergabe167 Leitsatz
BVerwG, Urt. v. 02.07.2003, 3 C 46/02, ZfBR 2003, 814 (814). Urt. v. 02.07.2003, 3 C 46/02, ZfBR 2003, 814 (815). 169 BVerwG, Urt. v. 02.07.2003, 3 C 46/02, ZfBR 2003, 814 (815). 170 BVerwG, Urt. v. 02.07.2003, 3 C 46/02, ZfBR 2003, 814 (815). 171 BVerwG, Urt. v. 02.07.2003, 3 C 46/02, ZfBR 2003, 814 (815). 172 BVerwG, Urt. v. 02.07.2003, 3 C 46/02, ZfBR 2003, 814 (815); so auch schon BVerwG, Urteil v. 16.9.1980, BVerwG 1 C 52.75, BVerwGE 61, 15 (19 ff.). 168 BVerwG,
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
verfahren stellen. Es gibt für Netzbetreiber keine andere Möglichkeit an das Wegenutzungsrecht für den Netzbetrieb zu gelangen. Insofern ist auch im Falle der Stromkonzessionen erfüllt, was das BVerwG für die Vergabe von ÖPNV-Leistungen entschieden hat. Auch und insbesondere der Verweis in diesem Zusammenhang vorgenommene Verweis des BVerwG auf die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1986 ist für den Fall der Stromkonzessionsvergabe übertragbar:173 1986174 hatte das BVerfG entscheiden, dass das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auch dann relevant sei, wenn durch die Gestaltung des Auswahlverfahrens unmittelbarer Einfluss auf die Konkurrenzsituationen und damit auch das Ergebnis der Auswahlentscheidung genommen wird. In diesem Falle müsse bereits das Verfahren den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG der Gestalt genügen, dass gewährleistet sei, dass von allen potentiellen Bewerbern derjenige gefunden werde, der den gesetzlichen Anforderungen am ehesten entspreche.175 Eine solche – an den Grundsätzen der Berufsfreiheit gemessene – Verfahrensgestaltung und Auswahlentscheidung ist aber nur möglich, wenn in einem monopolistisch geprägten Wettbewerbsfeld allen Interessenten (und nicht nur dem Inhaber der Konzession) auch die gleichen Informationsgrundlagen zur Verfügung stehen. Die Entscheidung des BVerwG zu der Vergabe von ÖPNV-Leistungen ist daher auf die Vergabe der Stromkonzessionen übertragbar. Aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt daher ein Anspruch der Interessenten gegen die Gemeinde auf Informationsherausgabe, notfalls auch auf Verpflichtung der Gemeinde zur Einholung der Daten vom Altkonzessionär und anschließender Veröffentlichung. (2) A nspruch gegen den Altkonzessionär oder auf Einschreiten der Regulierungs- oder Kartellbehörde Der direkteste Weg der Interessenten, um die relevanten Netzdaten zu erhalten, führt indes über einen eigenen Anspruch gegen den Altkonzessionär. Aber auch ein Anspruch auf Einschreiten der Regulierungs- oder Kartellbehörde direkt gegen den Altkonzessionär könnte für die Interessenten nützlich sein, um die Herausgabe der relevanten Netzdaten zu bewirken. (a) Vertragliche und vorvertragliche Ansprüche Vertragliche Ansprüche der Interessenten gegen den Altkonzessionär auf Datenherausgabe scheiden aus, da in dem den Konzessionsvergabeverfahren 173 BVerwG,
Urt. v. 02.07.2003, 3 C 46/02, ZfBR 2003, 814 (816). Beschl. v. 18.06.1986, 1 BvR 787/80, BVerfGE 73, 280 (280 ff.). 175 BVerfG, Beschl. v. 18.06.1986, 1 BvR 787/80, BVerfGE 73, 280 (294 ff.). 174 BVerfG,
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung281
vorgelagerten Stadium (noch) kein Vertrag zwischen Interessenten und Altkonzessionär besteht. Allerdings könnten vorvertragliche Ansprüche der Interessenten gegen den Altkonzessionär bestehen. Aber auch hierfür fehlt es an der hinreichend konkreten Vertragsanbahnung.176 Die Datenherausgabe im Vorfeld der Durchführung des Vergabeverfahrens soll schließlich die Entscheidung der Interessenten darüber ermöglichen, ob diese in das Vergabeverfahren eintreten wollen. Damit fehlt es in diesem Stadium an einer hinreichenden Verbindung zwischen Altkonzessionär und Interessenten, die aber für einen vorvertraglichen Anspruch als Grundlage nötig wäre.177 (b) Energierechtlicher Anspruch aus § 30 EnWG § 30 Abs. 1 S. 1 EnWG betrifft den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch den Netzbetreiber und normiert für den Fall des Vorliegens eines Missbrauchs in § 30 Abs. 2 i. V. m. § 54 Abs. 2 Nr. 8 EnWG, dass die zuständige Landesregulierungsbehörde den Netzbetreiber, „der seine Stellung missbräuchlich ausnutzt, verpflichten [kann], eine Zuwiderhandlung gegen [§ 30 EnWG] Absatz 1 abzustellen. Sie kann den Unternehmen alle Maßnahmen aufgeben, die erforderlich sind, um die Zuwiderhandlung wirksam abzustellen“. Dieser § 30 EnWG findet auch im Hinblick auf die Netzübernahme nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG Anwendung.178 Im Hinblick auf die Verweigerung der Herausgabe der Daten kommt insbesondere § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EnWG in Betracht. Dieser entspricht inhaltlich dem Behinderungsmissbrauchsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F.179 Eine unbillige Behinderung liegt dabei üblicherweise in jeder Beeinträchtigung der Betätigungsmöglichkeiten im Wettbewerb vor, seien dies wettbewerbsfremde oder sonstige Mittel.180 Ob eine solche unbillige Behinderung durch den Altkonzessionär vorliegt, ist im Rahmen einer Interessenabwägung festzustellen.181 Wie in § 7 II.3.c) dargestellt, ist einem potentiellen Bewerber 176 Zu den Anforderungen: MüKo-Emmerich, BGB, Bd. 2,6. (2012), § 311 Rn. 43 ff.; zu Rechten und Pflichten im Rahmen vorvertraglicher Verhandlungen beim Unternehmenskauf: Beisel/Klumpp-D.Beisel, Der Unternehmenskauf,6. (2009), 1. Kap. Rn. 46 ff. 177 MüKo-Emmerich, BGB, Bd. 2,6. (2012), § 311 Rn. 43 ff. 178 So auch Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (174); Becker/Templin, ZNER 2013, 10 (15). 179 Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/3917, S. 63 zur Vorgängernorm § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB a. F., die nunmehr in § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F. für den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung geregelt ist. 180 Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (174); Britz/Hellermann/Hermes-Robert, EnWG,3. (2015), § 30 Rn. 21. 181 Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (174); Becker/Templin, ZNER 2013, 10 (15 f.); Britz/Hellermann/Hermes-Robert, EnWG,3. (2015), § 30 Rn. 21.
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eine ordnungsgemäße Angebotsabgabe nahezu unmöglich, wenn ihm die für seine Kalkulation notwendigen Netzdaten nicht überlassen werden.182 Jedenfalls ist ihm keine ebenso fundierte und detaillierte Bewerbung möglich wie dem alten Netzbetreiber. Dass die Verletzung von Auskunfts- und Veröffentlichungspflichten eine unzulässige Behinderung i. S. d. § 30 EnWG darstellen kann, wird von einigen Stimmen in der Literatur bereits grundsätzlich anerkannt.183 Dieser Ansicht ist hinsichtlich der Datenherausgabe im Vorfeld der Konzessionsvergabe insbesondere wegen der Bedeutung der relevanten Netzdaten und den Auswirkungen einer fehlenden Herausgabe zuzustimmen.184 Auf die missbräuchliche Verweigerung der Herausgabe der Netzdaten kann die jeweilige Landesregulierungsbehörde reagieren, indem sie den alten Netzbetreiber gem. § 30 Abs. 2 S. 1 EnWG, § 54 Abs. 2 Nr. 8 EnWG verpflichtet, die Zuwiderhandlungen abzustellen. Im konkreten Fall der mangelnden Informationsherausgabe würde dies bedeuten, dass die Landesregulierungsbehörde den alten Netzbetreiber zur Herausgabe der Daten auffordert.185 Dabei müsste die Herausgabe der Daten an die Gemeinde erfolgen, so wie es in § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG gesetzlich vorgesehen ist, die sie wiederum an die Interessenten herauszugeben hat. Allerdings ist § 30 EnWG gesetzlich so ausgestaltet, dass ein Einschreiten durch die zuständige Landesregulierungsbehörde in ihrem pflichtgemäßen Ermessen steht und die betroffenen Interessenten oder Bewerber kein diesbezügliches Antragsrecht haben.186 Dabei ist der Gesetzesbegründung jedoch zu entnehmen, dass es auch i. R.d. § 30 EnWG möglich sein soll einen Antrag zu stellen, so wie dies in § 31 Abs. 1 EnWG geregelt ist. Hierzu heißt es wörtlich in der Gesetzesbegründung: „Die Regulierungsbehörde kann von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden.“ [Hervorhebung durch Verfasserin]187 Auch wird vertreten, dass bei einer erheblichen Interessenberührung nach § 31 Abs. 1 EnWG ein Antrag auf Überprüfung durch die Interessenten und Bewerber gestellt werden könne.188 Jedenfalls spricht vieles zumindest für eine analoge Anwendung des Antragsrechts aus § 31 182 Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessions-vergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 8. 183 Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (174); Britz/Hellermann/Hermes-Robert, EnWG,3. (2015), § 30 Rn. 24; a. A.: Schau RdE 2011, 1 (8) sowie Säcker-Weyer, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), § 30 Rn. 17, wonach § 30 EnWG nicht anwendbar sei, weil sich § 30 EnWG nur auf die im Teil 3 des EnWG (§§ 11–35) geregelten Bereiche beziehe. 184 So auch Becker/Templin, ZNER 2013, 10 (15 f.). 185 So auch Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (174). 186 Britz/Hellermann/Hermes-Robert, EnWG,3. (2015), § 30 Rn. 43 ff. und 51. 187 BT-Drs. 15/3917, S. 63. 188 Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (174).
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Abs. 1 EnWG. Auch im Rahmen der verwandten kartellrechtlichen Regelung in § 19 GWB n. F. wird ein solches Antragsrecht der Betroffenen gefordert [vgl. § 7 II.3.c)ee)(1)(c)(cc)]. Für den Fall, dass keine Daten oder aber nur solche von nachrangigem Interesse für die Interessenten vom Netzbetreiber oder der Gemeinde herausgegeben werden, ist im Übrigen eine Ermessensreduktion auf Null im Hinblick auf ein Einschreiten der Landesregulierungsbehörde nach § 30 EnWG denkbar mit der Folge, dass den Interessenten ein Anspruch auf Einschreiten zustünde.189 Entweder über Anwendung von § 31 Abs. 1 EnWG (analog) oder aufgrund eines Anspruchs wegen Ermessensreduktion auf Null können Interessenten darauf hinwirken, dass Daten an die jeweilige Gemeinde herausgegeben werden. Dies stellt jedoch keinen direkten Anspruch der Interessenten gegen den Altkonzessionär dar. Vielmehr ist dies ein lediglich mittelbarer Weg, um über die Verpflichtung des alten Netzbetreibers die Datenherausgabe an die Gemeinde zu verlangen und dann von der Gemeinde die Netzdaten zu erhalten. (c) Energierechtlicher Anspruch aus §§ 65, 54 EnWG Gem. § 65 Abs. 1, 54 Abs. 3 EnWG kann die BNetzA „Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen verpflichten, ein Verhalten abzustellen, das den Bestimmungen dieses Gesetzes sowie den auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsvorschriften entgegensteht.“ Die mit § 65 EnWG eingeräumten umfassenden Eingriffsbefugnisse stellen nach einer Ansicht lediglich eine (entbehrliche) Generalermächtigung dar, die als allgemeine Befugnis hinter § 30 EnWG als lex specialis zurücktritt.190 Nach vorzugswürdiger anderer Ansicht können Verfügungen nach § 30 Abs. 2 EnWG unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 65 EnWG ergehen und beschränken umgekehrt die Behörde nicht lediglich auf ein Vorgehen nach § 30 Abs. 2 EnWG. Denn § 65 EnWG ahndet weitergehende Rechtsverstöße (insbesondere für den Fall, dass ein missbräuchliches Verhalten nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann).191 Literatur und Rechtsprechung nehmen für den Zeitraum nach der Konzessionsvergabe 189 So auch i. R.d. vergleichbaren § 19 GWB vertreten, Immenga/MestmäckerFuchs, Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 19 GWB Rn. 67. 190 Britz/Hellermann/Hermes-Hanebeck, EnWG,3. (2015), § 65 Rn. 1; Schneider/ Theobald-Franke, Energiewirtschaft,4. (2013), § 19 Rn. 76. 191 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.11.2007, VI-3-Kart 441/06 – juris Rn. 20, 21; Angenendt/Gramlich/Pawlik, LKV 2006, 49 (52); Säcker-Wende, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 2,3. (2014), § 65 Rn. 34; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 65 Rn. 4.
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einen Verstoß gegen § 46 Abs. 2 EnWG192 sowie §§ 19, 20 GWB, Art. 102 AEUV193 an, wenn der Altkonzessionär die Herausgabe der Netzdaten verweigert. Offen lässt diese Betrachtung die hier relevante Frage danach, ob auch bereits im Vorfeld der Vergabeentscheidung, also im Konzessionsvergabeverfahren und insbesondere dem Bewerbungsstadium, der § 65 EnWG zur Anwendung kommt. Diese Frage ist nach der Novelle des EnWG im Sommer 2011 durch die Aufnahme des § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG und der darin enthaltenen Pflicht zur frühzeitigen Datenherausgabe eindeutig dahingehend zu beantworten, dass auch die Verweigerung der Herausgabe der Netzdaten bereits im gem. § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG geregelten Zeitraum von „spätestens ein[em] Jahr vor Bekanntmachung der Gemeinde“ zu einem Verstoß gem. § 65 EnWG führt. Denn mit der Neuregelung des § 46 Abs. 2 EnWG hat der Gesetzgeber die Pflicht zur Datenherausgabe auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegt. Es ist daher nicht mehr zutreffend, dass die Anwendung des § 65 EnWG davon abhänge, ob die zuständige Behörde in einer behördlichen Auslegung dazu komme, dass der § 46 EnWG (bspw. aufgrund europarechtlicher Wertungen) auch schon zu einem früheren Zeitpunkt als der Vergabe der Konzession eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht bestimme.194 Es liegt nicht im Rahmen der Auslegung durch die Behörden, sondern ist vielmehr durch die Novelle des § 46 EnWG und Aufnahme des § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG gesetzlich so geregelt worden. Daher folgt aus der Verweigerung der Herausgabe der Netzdaten durch den alten Netzbetreiber ein Verstoß gegen § 65 Abs. 1 EnWG, der zu einem Einschreiten der BNetzA führen kann. Ob die BNetzA ein Verfahren i. S. d. §§ 65 f. EnWG einleitet,195 liegt nach dem Wortlaut des § 65 EnWG in ihrem pflichtgemäßen Ermessen.196 Ein Antragsrecht der Betroffenen auf Einschreiten durch die BNetzA sehen § 65 und § 66 EnWG indes nicht vor. Allerdings ist auch – wie schon unter § 30 EnWG dargestellt – von einem Anspruch des von der Verweigerung der Datenherausgabe betroffenen Interessenten auszugehen, wenn die Verweigerung der Datenherausgabe zu einer massiven Beeinträchtigung und Verhinderung der adäquaten Teilnahme am Konzessionsverfahren führt. In diesem Fall und ggf. auch noch in anderen 192 Sowie einen Verstoß gegen § 19 Abs. 1, 4 S. 1 GWB: LG Dortmund, Urt. v. 10.7.2008, 13 O 126/06, BeckRS 2008, 20088; detailliert zur Datenherausgabe: LG Hannover, Urt. v. 28.2.2013, 21 O 10/11, ZNER 2013, 186 (188); OLG Celle, Urt. v. 9.1.2014, 13 U 52/13, EnWZ 2014, 135 (135, Leitsatz); Danner/Theobald-Theobald, Energierecht,78. EGL (September 2013), § 46 Rn. 110; Schau, RdE 2011, 1 (8). 193 BKartA, Beschl. v. 22.6.2012, B 10-16/11, BeckRS 2013, 09750; Lecheler, NVwZ 2014, 917 (919). 194 Schau, RdE 2011, 1 (8). 195 Näheres zum Verfahren regelt § 66 EnWG. 196 So auch Britz/Hellermann/Hermes-Hanebeck, EnWG,3. (2015), § 65 Rn. 7.
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im Einzelfall zu prüfenden Fällen ist das Vorliegen einer Ermessensreduk tion auf Null anzunehmen, die einen Anspruch der Betroffenen auf Einschreiten auslöst.197 Die BNetzA müsste um Abhilfe zu schaffen, basierend auf § 65 Abs. 1 EnWG den alten Netzbetreiber verpflichten, die Daten an die Gemeinde (so wie es in § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG geregelt ist) herauszugeben, die diese wiederum den Interessenten schnellstmöglich zugänglich machen müsste. (d) Kartellrechtlicher Anspruch aus § 21 Abs. 2 GWB Neben den § 19 GWB n. F. enthält auch der § 21 GWB eine vor Missbrauch einer Monopolstellung im weiten Sinne schützende Regelung. Dieser ist auch nicht gem. § 111 EnWG ausgeschlossen, da ein solcher Ausschluss lediglich im Verhältnis zu §§ 19, 20 und 29 GWB vorgesehen ist. Unter Bezug auf § 21 Abs. 2 GWB wird in der Literatur zumindest die Möglichkeit des Vorliegens einer verbotenen einseitigen Einflussnahme und damit eines wettbewerbswidrigen Verhaltens angenommen, wenn der alte Netzbetreiber die Herausgabe der Daten verweigert.198 Stellt der Altkonzessionär entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung die netzrelevanten Daten nicht rechtzeitig oder gar nicht zur Verfügung, fügt er damit den Interessenten einen erheblichen Nachteil im sich anschließenden Vergabeverfahren dadurch zu, dass er eine (informierte) Angebotsabgabe verhindert. Damit verwirklicht der Altkonzessionär § 21 Abs. 2 GWB in der Alternative des Zufügens eines Nachteils, welcher ein Übel darstellt, das bei objektiver Beurteilung geeignet ist, den Willen des Adressaten zu beeinflussen und ihn zu einem wettbewerbsbeschränkenden Verhalten im Sinne des § 21 Abs. 2 GWB zu veranlassen.199 Hieran knüpft aber bspw. Berzel (soweit ersichtlich) nur die Rechtsfolge des § 81 Abs. 3 Nr. 2 GWB, nämlich das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit und die mögliche Verhängung eines Bußgeldes an.200 Dies greift jedoch zu kurz und hilft im Übrigen auch im Hinblick auf die Herausgabe der Daten an die Interessenten nicht weiter. Bei einem Ver197 So auch Britz/Hellermann/Hermes-Hanebeck, EnWG,3. (2015), § 65 Rn. 9; a. A.: Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 65 Rn. 28 f., der ausführt, dass ein Anspruch auf Tätigwerden grundsätzlich nicht bestehe (Rn. 28), sich aber ausnahmsweise dann ergeben könne, „wenn ein Betroffener den ihm drohenden Schaden aus eigener Kraft nicht abzuwenden vermag“ (Rn. 29). 198 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 125. 199 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Loewenheim, Kartellrecht,2. (2009), § 21 Rn. 32. 200 Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 125.
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stoß gegen § 21 Abs. 2 GWB kann zusätzlich gem. § 32 GWB die Kartellbehörde tätig werden, indem sie das wettbewerbswidrig handelnde Unternehmen verpflichtet, den Verbotsverstoß abzustellen.201 Aus § 33 GWB ergibt sich darüber hinaus ein Anspruch der Unternehmen, die von dem wettbewerbswidrig handelnden Unternehmen beeinträchtigt werden, auf Beseitigung, Unterlassung oder Schadenersatz.202 Dabei kann der Anspruch auf Beseitigung nicht nur auf die Abstandnahme von einem Tun gerichtet sein, sondern ebenso auf die Ausführung einer Handlung.203 Hieraus ergibt sich daher ein Anspruch der Interessenten auf Herausgabe der Netzdaten direkt gegen den alten Netzbetreiber. ff) Zusammenfassung Die Interessenten und Bewerber um die Vergabe der Netzkonzession haben im Rahmen des § 46 EnWG keinen gesetzlich vorgesehenen eigenständigen Anspruch gegen die Gemeinde oder den alten Netzbetreiber auf He rausgabe der relevanten Netzdaten. Insbesondere im Hinblick auf die mögliche Fallgestaltung, dass der Netzbetreiber die Daten nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig der Gemeinde überlässt und / oder die Gemeinde ihrerseits die Daten nicht einfordert oder weitergibt, kann es jedoch nicht bei einer Nichtherausgabe der Daten verbleiben. Gegen die Gemeinde steht den Interessenten aus Art. 12 GG ein Anspruch auf Herausgabe der Daten zu. Aus dem Verstoß gegen § 19 GWB n. F. können die Interessenten außerdem ein Einschreiten der Kartellbehörde ersuchen, mit dem Ziel der Herausgabe der Netzdaten. Gegen den Altkonzes sionär steht den Interessenten ein Anspruch aus § 21 Abs. 2 GWB i. V. m. § 33 GWB zu. Aus §§ 30, 65 EnWG kann ein Anspruch auf Einschreiten der zuständigen Regulierungsbehörde gegen den Altkonzessionär folgen. Die Regelungen sind jedoch nicht eindeutig und im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe unübersichtlich. Dringend sollte eine Korrektur des EnWG vorgenommen werden. Hierzu könnte in § 46 EnWG oder einem nachfolgenden Paragraphen ein entsprechender Informationsanspruch der Interessenten direkt gegen den Altkonzessionär und die Gemeinde geregelt werden. So könnte etwa in einem § 46a EnWG bestimmt werden, dass den Interessenten ein Anspruch gegen die Gemeinde und den Altkonzessionär 201 Immenga/Mestmäcker-Markert, Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 21 GWB Rn. 76. 202 Immenga/Mestmäcker-Markert, Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 21 GWB Rn. 78. 203 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Rehbinder, Kartellrecht,2. (2009), § 33 Rn. 44.
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auf Herausgabe der relevanten Netzdaten zusteht. Damit wäre für die nötige Rechtsklarheit gesorgt und etwaigen Missbräuchen vorgebeugt. d) Durchführung eines Interessenbekundungsverfahrens In der Praxis ist die Durchführung eines Interessenbekundungsverfahrens im Vorfeld der eigentlichen Konzessionsvergabe weit verbreitet. Auch in der Rechtsprechung und Literatur taucht dieses Verfahren im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe auf.204 Es ist allerdings an keiner Stelle im EnWG ausdrücklich vorgesehen. Es verwundert daher nicht, dass dem Interessenbekundungsverfahren unterschiedliche Bedeutungen und Rechtsfolgen zugeschrieben werden. Zum einen wird dies lediglich als erste Sondierung der Wettbewerbslage durch die Gemeinden, ohne eine sich hieran anschließende Rechtsfolge (bspw. Bindung der Interessenten an das abgegebene Angebot i. R.d. Interessenbekundungsverfahrens oder gar Ausschluss von Interessenten, die nicht am Verfahren teilgenommen haben) gesehen.205 Zum anderen wird aber auch vertreten, dass mit der Durchführung eines Interessenbekundungsverfahrens bereits eine erste Vorauswahl durch die Gemeinde getroffen werden könne206 und Interessenten, die an dem Interessenbekundungsverfahren nicht teilgenommen haben, sogar vom eigentlichen Konzessionsvergabeverfahren ausgeschlossen werden könnten.207 Nach dieser Ansicht schließt sich an die gemeindliche Prüfung der Interessenbekundungen die Eröffnung des eigentlichen Vergabeverfahrens um die Konzessionen an, indem dann aber nur die Teilnehmer des Interessenbekundungsverfahrens zur Angebotsabgabe inner204 Bspw.: BGH, BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 65/12, NVwZ 2014, 817 (823, Rn. 73 d. Entscheidung); VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (546); LG Leipzig, Urt. v. 12.11.2013; 05 O 2530/13, NZBau 2014, 250 (251); LG Leipzig, Urt. v. 16.11.2012, 5 O 2822/12, BeckRS 2013, 14894; OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.11.2013 ‒ 201 Kart 1/13, BeckRS 2014, 05814; Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 78. 205 So wohl Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 3, die anführen, dass ein befristetes Interessenbekundungsverfahren nicht zu einer Ausschlussfrist i. S. d. § 31 Abs. 7 VwVfG führen dürfe. 206 Geßner/Jansen, LKV 2011, 450 (452); Hofmann, NZBau 2012, 11 (13); Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 688, die die Versendung der eigentlichen Angebotsaufforderung nur noch an die von der Gemeinde ausgewählten Interessenten für notwendig erachten. 207 Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 688, der von von der Möglichkeit des Ausschluss von Bewerbern, die sich nicht im Interessenbekundungsverfahren eingebracht haben, auszugehen scheint.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
halb der von der Gemeinden gesetzten Angebotsfrist aufgefordert werden.208 Für die Interessenbekundung wird dabei üblicherweise eine Interessenbekundungsfrist von drei Monaten für geeignet gehalten, die aus dem in § 46 Abs. 3 S. 3 und S. 4 EnWG geregelten Fall der vorzeitigen Verlängerung übertragen wird.209 Gegen die Anknüpfung von Rechtsfolgen an die Durchführung eines Interessenbekundungsverfahrens spricht, dass ein solches Verfahren im EnWG (auch vor der Novelle im Jahr 2011) nicht einmal angedeutet ist,210 obwohl der Gesetzgeber bspw. in § 7 BHO ein solches Verfahren ausdrücklich normiert. Es wäre dem Gesetzgeber daher durchaus möglich gewesen, eine entsprechende Regelung in das EnWG aufzunehmen. An ein gesetzlich nicht normiertes Verfahren die zuvor genannten Rechtsfolgen zu knüpfen, ist mehr als bedenklich. Auch die Novelle im Jahr 2011 und die hierdurch eingeführten Änderungen sprechen gegen Rechtsfolgen aus der (fehlenden) Teilnahme am Inte ressenbekundungsverfahren. Mit der Novelle des EnWG hat sich der Gesetzgeber für umfassende Informationspflichten der Gemeinden mit Blick auf die relevanten Netzdaten gegenüber allen Interessenten und nicht etwa nur gegenüber einem durch die Gemeinde in einem Interessenbekundungsverfahren ausgewählten Interessentenkreis entschieden.211 Durch die Einführung dieser umfassenden Informationspflichten sowie Auskunftsansprüche zugunsten aller Interessenten enthält das EnWG eine explizite Regelung, die gegen eine Vorauswahl oder den (direkten oder durch mangelnde Informationsweitergabe mittelbaren) Ausschluss bestimmter Interessenten von der Teilnahme am Verfahren spricht. Dass pragmatische Gründe seitens der Gemeinden für eine Eingrenzung der Interessentenzahl sprechen, wird nicht in Frage gestellt. Allerdings sieht das EnWG keinerlei Grundlage für eine solche Eingrenzung noch vor Abgabe von Angeboten durch die Interessen208 Geßner/Jansen,
LKV 2011, 450 (452); Hofmann, NZBau 2012, 11 (13). Stadt und Gemeinde INTERAKTIV, Ausgabe 6/2010, S. 7; KermelBerzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 33; a. A. Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und GasKonzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 688 u. 690, der sich gegen eine pauschale Fristfestlegung ausspricht, allerdings von der Möglichkeit des Ausschluss von Bewerbern, die sich nicht im Interessenbekundungsverfahren eingebracht haben, auszugehen scheint. 210 A. A.: BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, S. 38 ff. (Rn. 95 ff.), BeckRS 2013, 09751, das ausführt, dass sich das Interessenbekundungsverfahren aus § 46 EnWG ergebe, wobei es dem BKartA in seinem Beschluss vor allem um die Durchführung eines eigenständigen Verfahrens für die Vergabe der Wegekonzession geht und daher nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verwendung des Begriffs Interessenbekundungsverfahrens hier genereller gemeint ist. 211 § 7 II.3.c)cc). 209 DStGB,
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung289
ten vor. Denn der Wettbewerb um die Konzessionen soll zunächst grundsätzlich jedem eröffnet sein. Daher muss auch jedem Interessenten die Möglichkeit einer Angebotsabgabe gegeben werden. Es ist nicht ersichtlich, warum ein zusätzlicher Verfahrensabschnitt in Form des Interessenbekundungsverfahrens, der zu einem zusätzlichen Personalaufwand, Verwaltungstätigkeit und Zeitverbrauch führt, notwendig seien soll.212 Will die Gemeinde dennoch eine solche Sondierung vornehmen, so dürfen jedenfalls keine Rechtsfolgen an die Durchführung des Interessenbekundungsverfahrens geknüpft werden, die den Regelungen des EnWG oder dem effektiven Wettbewerb um das Netz entgegenstehen. e) Weitere Anforderungen an Verfahrensgestaltung und -durchführung Zusätzlich zu den aus dem EnWG folgenden Verfahrensregeln sind weitere Anforderungen an die Verfahrensgestaltung und -durchführung aus anderen Rechtsmaterien zu beachten. Dabei sind oftmals Abgrenzungen vorzunehmen, die entscheidend für die relevanten und geltenden rechtlichen Bestimmungen sind. Nachfolgend werden diese weiteren Anforderungen untersucht werden. aa) Vorgaben aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip Aus dem Rechtsstaatsprinzip wird allgemein für vom Staate durchgeführte Verfahren abgeleitet, dass diese klar, berechenbar und fair ausgestaltet sein müssen.213 Darüber hinaus folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip ein Anspruch auf rechtliches Gehör im Verfahren.214 Auch muss eine Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist ergehen, sie darf also nicht über Gebühr hinausgezögert werden.215 Darüber hinaus folgt auch schon aus dem Rechtsstaatsprinzip die Begründungspflicht von Entscheidungen staatlicher Stellen, die § 46 Abs. 3 S. 6 EnWG spezialgesetzlich vorsieht.216 Auch ergibt sich aus Art. 20 GG, dass ein Verfahren grundsätzlich öffentlich zu erfolgen hat und eine Pflicht zur Mündlichkeit besteht.217 Der 212 Schliesky, DÖV 1996, 109 (116 f.), der diese Kritik allgemein mit Blick auf die Einführung des Interessenbekundungsverfahrens nach § 7 BHO äußerte. 213 Statt vieler: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht,18. (2011), § 19 Rn. 9 m. w. N. 214 Maunz/Dürig-Grzeszick, Grundgesetz,57. EGL (Januar 2010), Art. 20 Rn. 136. 215 Maunz/Dürig-Grzeszick, Grundgesetz,57. EGL (Januar 2010), Art. 20 Rn. 139. 216 Maunz/Dürig-Grzeszick, Grundgesetz,57. EGL (Januar 2010), Art. 20 Rn. 140; BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 26.3.2001, 1 BvR 383/00, NJW 2001, 2161 (2162). 217 Maunz/Dürig-Grzeszick, Grundgesetz,57. EGL (Januar 2010), Art. 20 Rn. 140.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Grundsatz der Öffentlichkeit kann im Übrigen auch aus dem Demokratieprinzip hergeleitet werden.218 Darüber hinaus folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, dass ein Verfahren, welches von staatlichen Stellen geführt wird, objektiv und unparteiisch und allein an Recht und Gesetz orientiert ausgestaltet sein muss.219 Diese grundgesetzlichen Vorgaben sind auch bei der Konzessionsvergabe zu beachten. bb) Kartellrechtliche Aspekte Das Kartellrecht dient dem umfassenden Schutz der Wettbewerber im Markt und dem Wettbewerb vor Verzerrungen und Missbrauch.220 Der Schutz vor Monopolmissbrauch stellt dabei eine wesentliche Facette dar. Neben dem Netzbetreiber steht dabei die Gemeinde als die die Konzession vergebende Stelle im Fokus der wettbewerblichen Kontrolle und Aufsicht. Als Anbieter der für die Stromverteilung unerlässlichen Wegerechte verfügen die Gemeinden nicht nur über ein Monopol und eine marktbeherrschende Stellung,221 sondern sie betätigen sich unternehmerisch und nehmen bei der Vergabe der Konzessionen eine einzelmarktbeherrschende Stellung i. S. d. Wettbewerbsrechts (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB n. F.) ein.222 Sie sind [wie bereits in § 7 II.3.c)ee)(1)(c)(cc) dargestellt] damit Adressaten der nationalen wie europäischen Wettbewerbsregeln und unterliegen bei der Vergabe 218 BVerfG,
(909).
Urt. v. 14.01.1986, 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84, NJW 1986, 907
219 Dies auf Art. 2 Abs. 2 GG stützend: BVerfG, Beschl. v. 13.11.1979, 1 BvR 1022/78, BVerfGE 52, 380 (389); BVerwG, Urt. v. 28.04.1978, 7 C 50.75, BVerwGE 55, 355 (360); BVerwG, Beschl. v. 10.05.1996, 7 B 74/96, LKV 1996, 456 (456); zu Gerechtigkeit durch Verfahren: Berkemann, JR 1989, 221 (226 f.) und Fairness als Rechtsstaatsprinzip: Berkemann, JR 1989, 221 (227 f.); Stelkens/Bonk/SachsBonk/Schmitz, Verwaltungs-verfahrensgesetz,8. (2014), § 20 Rn. 1. 220 Emmerich, Kartellrecht,13. (2014) § 1 Rn. 1; zur geschichtlichen Entwicklung des deutschen Kartellrechts, Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 2 Rn. 1 ff. 221 Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 25 und 77. 222 Noch zur alten Rechtslage: BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 2 f., Rn. 11 und S. 4, Rn. 17 ff.; Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 6; Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 29 Rn. 43; BKartA, Ausschussdrucksache 17(9)383 vom 21. Januar 2011, S. 3; LG Kiel Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart. 83/10, besprochen durch Sauer, in: EWeRK 2012, 106 (107 f.); BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, S. 22 (Rn. 56), BeckRS 2013, 09751; Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 3.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung291
der Konzessionen einer Wettbewerbs- und Missbrauchskontrolle durch die zuständigen Kartellbehörden.223 Da der Gesetzgeber sich eindeutig für den Wettbewerb um das Netz in Form eines Wettbewerbs um die Konzessionen entschieden hat,224 müssen aus den Wettbewerbsregeln auch Folgerungen für die Vergabe der Konzessionen gezogen werden.225 Unmittelbar aus § 19 Abs. 1 und 2 GWB n. F. folgen das Verbot des Behinderungsmissbrauchs und das Diskriminierungsverbot.226 Hieraus ergibt sich die Pflicht der Gemeinden, die Vergabe der Konzessionen in einem wettbewerblich ausgestalteten Auswahlverfahren vorzunehmen, in dem die unterschiedlichen Wettbewerber nicht diskriminiert oder behindert werden, sowie die Auswahlentscheidung auf Grundlage vorher feststehender und festgelegter sachlicher und objektiver Kriterien zu treffen [hierzu in § 7 II.4.].227 Um es in der üblichen wettbewerbsrechtlichen Formulierung auszudrücken: Die Gemeinde hat die Pflicht bei der Vergabe ein „level playing field“ herzustellen.228 Aus dem Wettbewerbsrecht folgt damit die Pflicht der Gemeinden, ein faires und diskriminierungsfreies Konzessionsvergabeverfahren zu gestalten.229 Hieraus folgt auch, dass [wie bereits in § 7 II.3.c) ausgeführt] den Interessenten alle netzrelevanten Daten diskriminierungsfrei von der Gemeinde zur Verfügung zu stellen sind.230 Die objektiven Auswahlkriterien sind von der Gemeinde vorab bekannt und transparent zu machen, und die Entscheidung hat einzig anhand dieser bekannt gegebenen Kriterien zu erfolgen.231 Eine Bevorzugung eines 223 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 2 f., Rn. 11 und S. 4, Rn. 17 ff.; Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 29 Rn. 43. 224 BT-Drs. 13/7274 S. 20, rechte Spalte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.03.2008, VI-2U (Kart) 8/07, ZNER 2008, 165 (165 f.) und RdE 2008, 287 (287 ff.). 225 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 6 f., Rn. 22 mit Auflistung von einzelnen Verstoßmöglichkeiten. 226 Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 26 ff. 227 Bundeskartellamt, Ausschussdrucksache 17(9)383 vom 21. Januar 2011, S. 3; Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 3; Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 88. 228 Bundeskartellamt, Ausschussdrucksache 17(9)383 vom 21. Januar 2011, S. 3. 229 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 6 f., Rn. 22; Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 6. 230 Ausdrücklich: BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 6 f., Rn. 22. 231 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 6 f., Rn. 22; Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 6.
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(re)kommunalisierten Unternehmens einzig auf Grund der Tatsache, dass es sich um ein gemeindliches Unternehmen handelt, verbietet sich.232 cc) Anwendung vergaberechtlicher Vorschriften Eine Anwendung des Vergaberechts könnte dem Dilemma der rechtlichen Unklarheiten bzgl. der Vergabeverfahrensregeln für die Konzessionen Abhilfe schaffen. Zum einen könnten die kartellvergaberechtlichen Vorschriften der §§ 97 ff. GWB Anwendung finden. Zum anderen könnten sich aus dem europäischen Vergaberecht Verfahrensregelungen ergeben. Ob dies für die Konzessionsvergabe zutrifft, wird nachfolgend geprüft werden. (1) Anwendung des deutschen Vergaberechts Das Vergaberecht nach §§ 97 ff. GWB und der Vergabeverordnung (VgV) sind anwendbar, wenn ein öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 GWB einen öffentlichen Auftrag gem. § 99 GWB vergibt, der die maßgeblichen Schwellenwerte (§§ 100 Abs. 1, 127 GWB i. V. m. § 2 VgV) erreicht bzw. übersteigt und kein Ausnahmetatbestand nach § 100 Abs. 3 ff. GWB einschlägig ist. Ausdrücklich sieht das EnWG die Geltung des formellen Vergaberechts nicht vor. Dennoch könnte die Vergabe der Stromkonzessionen die Voraussetzungen der §§ 97 ff. GWB erfüllen und hierdurch deren Anwendbarkeit folgen. (a) A usnahme von den Vergaberechtsvorschriften wegen Spezialität des § 46 EnWG Eine Anwendung der Vergaberechtsvorschriften scheidet jedoch von vornherein aus, wenn dem Vergaberecht vorrangige, speziellere Regelungen gegeben sind. Teilweise werden die Regelungen über die Konzessionsvergabe im EnWG als spezieller im Verhältnis zum Vergaberecht angesehen und hieraus ein Anwendungsvorrang abgeleitet, der einer Anwendung des Vergaberechts entgegenstehe.233 Die Annahme eines solchen Vorrangverhältnisses ist jedoch zu verneinen.234 Hilfreich ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des BGH zum Verhältnis von § 15 AEG (Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch Eisenbahnverkehrsunternehmen) 232 Ausführlich
hierzu in § 7 II.3.f). etwa Byok/Dierkes, RdE 2011, 126 (135). 234 Kermel-Herten-Koch, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 77. 233 So
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zu den §§ 97 ff. GWB. Der BGH hatte in dieser Entscheidung ein Spezialitätsverhältnis des § 15 AEG und damit den Ausschluss der vergaberechtlichen Vorschriften abgelehnt.235 Hierzu fehle es an einem Anhaltspunkt in § 15 AEG.236 Überträgt man dies auf § 46 EnWG, so könnte hieraus ein starker Anhaltspunkt für eine fehlende Spezialität folgen, da auch § 46 EnWG keinen derartigen Anhaltspunkt, wie ihn der BGH nennt, enthält. Allerdings besteht ein Unterschied zwischen § 15 AEG und § 46 EnWG, der hier von Bedeutung sein könnte. Bei § 15 Abs. 2 AEG handelt es sich lediglich um eine „Kann“-Vorschrift im Hinblick auf die Vergabe von Schienenverkehrs-dienstleistungen.237 Nach § 15 Abs. 2 AEG „können“ die zuständigen Behörden die von § 15 Abs. 2 AEG umfassten Leistungen ausschreiben. Sie sind dazu jedoch nicht verpflichtet. Insofern handelt es sich gar nicht um verpflichtende Vergabevorschriften. In § 46 Abs. 2 EnWG ist indes die Pflicht der Gemeinden zur Vergabe der Konzessionen unter Einhaltung von EnWG-Vorschriften geregelt. Insofern könnte hierin viel eher eine vorrangige, abschließende Regelung für das Energierecht gesehen werden als in § 15 AEG. Aber gerade weil es sich um eine verpflichtende Vergabe durch die Gemeinden handelt, ist umso mehr ein Anhaltspunkt (wie ihn der BGH in der Entscheidung zu § 15 AEG fordert) für die abschließende Spezialität in der Norm notwendig. Durch die Pflicht zur Vergabe muss dem Normanwender innerhalb der Norm deutlich gemacht sein, welche Regelungen er zu beachten hat und ob diese abschließend sind. Ein derart abschließender Charakter kann der Regelung in § 46 EnWG indes nicht entnommen werden. Auch hierfür fehlt es an einem Anhaltspunkt in der Norm selbst, wie sie der BGH in der vorstehenden Entscheidung gefordert hat.238 Dass § 46 EnWG nicht abschließend ist, wurde vorstehend auch bereits mit anderen Argumenten im Hinblick auf das GWB ausgeführt.239 Obschon das EnWG spezielle, verpflichtende Regelungen zum Vergabeverfahren enthält, kann dennoch nicht wegen Spezialität von einem Ausschluss der allgemeinen Vergaberegeln ausgegangen werden. (b) D irektvergabe an (re)kommunalisiertes Unternehmen wegen Grundsätzen der In-house-Vergabe Will die Gemeinde von vornherein die Stromkonzession an einen Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft zum Zwecke der (Re)Kommunalisierung 235 BGH,
Beschl. v. 08.02.2011, Beschl. v. 08.02.2011, 237 BGH, Beschl. v. 08.02.2011, 238 BGH, Beschl. v. 08.02.2011, 239 Vgl. § 7 II.3.c)ee)(1)(c)(aa). 236 BGH,
X X X X
ZB ZB ZB ZB
4/10, 4/10, 4/10, 4/10,
NZBau NZBau NZBau NZBau
2011, 2011, 2011, 2011,
175 175 175 175
(178). (178). (178). (178).
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vergeben, so könnte sich aus den Grundsätzen der sog. In-house-Vergabe die gänzliche Ausschreibungsfreiheit (nach GWB aber möglicherweise auch nach EnWG) ergeben. Nach den Grundsätzen der In-house-Vergabe kann eine Gemeinde Leistungen direkt an das eigene kommunale Unternehmen vergeben, ohne diese im Rahmen eines Vergabeverfahrens auszuschreiben oder gar ein förmliches Vergabeverfahren durchzuführen.240 Diese Erwägung könnte sogar auf die Konzessionsvergabe allgemein erweitert werden, so dass aus den Grundsätzen der In-house-Vergabe die vollständige Freistellung von Verfahrensregeln (also auch solchen des EnWG und dem Erfordernis der Durchführung eines Konzessionsvergabeverfahrens) abzuleiten sein könnte.241 Liegen die Voraussetzungen der In-house-Vergabe vor, könnte dies somit weitreichende Folgen für die Konzessionsvergabe und insbesondere zugunsten einer (Re)Kommunalisierung durch Direktvergabe an gemeindliche Unternehmen haben. Die Befreiung von den strengen Vergaberegeln nach den Grundsätzen der In-house-Vergabe ist aber an eng gefasste Kriterien geknüpft: Der Auftraggeber muss eine Kontrolle über den / die Auftragnehmer wie über eine Dienststelle ausüben und auf wichtige Entscheidungen des Auftragnehmers Einfluss haben (sog. binnenorganisatorische Abhängigkeit) und die Tätigkeit des Auftragnehmers muss im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggber erbracht werden.242 Die In-house-Vergabe soll damit die Selbstversorgung der Gemeinde durch die Nutzung gemeindeeigener Ressourcen ermöglichen.243 Dass es sich bei der hier aufgeworfenen Frage nicht um ein theoretisches Gedankenspiel handelt, zeigen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur, die im Zusammenhang mit der (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze die Ansicht vertreten, dass Stromkonzessionen, die an ein im Alleinbesitz oder unter Kontrolle der Gemeinde stehendes Unternehmen oder auch an 240 Grabitz/Hilf-Hailbronner, Das Recht der Europäischen Union,25. EGL (Januar 2005), B.5. Der Begriff des öffentlichen Auftrags – allgemein Grundsätze, Rn. 56 ff.; Köster, KommJur 2006, 94 (94 ff.); Orlowski, NZBau 2007, 80 (80 ff.). 241 VG Oldenburg, Beschl. v. 17.07.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (545); Haupt/Slawinski, IR 2012, 122 (123ff, insbesondere 125); Hellermann, EnWZ 2013, 147 (149); so etwa Ortner, Ewerk 2011, 111 (113); unklar: Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 273 f., der die In-house-Vergabe bei der (Re)Kommunalisierung bejaht, allerdings selbst später mit Argumenten verneint, vgl. S. 678; ebenso Hoch/Theobald, KSzW 2011, 300 (304 f.). 242 Statt vieler Dreher/Motzke-Schotten/Hüttinger, Beck’scher Vergaberechtskommentar, GWB 4. Teil, VgV, SektVO, VOB Teil A,2. (2013), § 99 GWB Rn. 48; Haupt/Slawinski, IR 2012, 122 (122); Heiß, VerwArch 2012, 421 (432). 243 So OLG Schleswig, Urt. v. 22.11.2012, 16 U (Kart) 22/12, EnWZ 2013, 84 (88).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung295
eine interkommunale Gesellschaft vergeben werden, „freihändig und ohne Durchführung eines Ausschreibungswettbewerbes“ nach Maßgabe der Inhouse-Vergabe erfolgen könnten.244 Damit ist auch die Befreiung von den Regelungen des EnWG gemeint. Dies ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 46 EnWG sowie § 1 EnWG und den geltenden Wettbewerbsregeln kaum nachvollziehbar. Denn eine In-house-Vergabe der Stromkonzession (ohne Vergabeverfahren) stellt einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Gemeinden i. S. v. §§ 19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 GEB n. F. (§§ 19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB a. F.) dar und beschränkt den § 46 EnWG in unzulässiger Weise.245 Denn aus § 46 EnWG (insbesondere § 46 Abs. 4 EnWG) ergibt sich der Wille des Gesetzgebers, die Netze im Wettbewerb zwischen potentiellen Bewerbern an den die Kriterien am besten erfüllenden Wettbewerber zu vergeben und diese nicht verfahrensfrei den Gemeinden zu überlassen.246 Eindeutig ist dies dem § 46 Abs. 4 EnWG zu entnehmen, wonach Eigenbetriebe gerade keine Sonderbehandlung im Verhältnis zu anderen Unternehmen erfahren dürfen.247 Damit hat der Gesetzgeber sich ganz bewusst gegen eine Sonderbehandlung etwa nach den Grundsätzen der In-house-Vergabe entschieden und dies im EnWG gesetzlich geregelt.248 Dies legt auch der Sinn und Zweck des § 46 EnWG nahe, der gerade darin besteht, einen Wettbewerb um die Konzessionsverträge durch Verfahren zu schaffen.249 Dieser Sinn und Zweck liefe leer, 244 VG Oldenburg, Beschl. v. 17.07.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (545); Haupt//Slawinski, IR 2012, 122 (123ff, insbesondere 125); Hellermann, EnWZ 2013, 147 (149); Ortner, Ewerk 2011, 111 (113); unklar: Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 273 f., der die In-house-Vergabe bei der (Re)Kommunalisierung bejaht, allerdings selbst später mit Argumenten verneint, vgl. S. 678; ebenso Hoch/Theobald, KSzW 2011, 300 (304 f.). 245 So ausdrücklich zu §§ 19, 20 GWB a. F. auch BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, S. 19 ff., BeckRS 2013, 09751; BKartA, Beschl. v. 18.10.2011, B 106/11, Rn. 24 f., BeckRS 2013, 14900; Haupt/Slawinski, IR 2012, 122 (122 f.); LG Kiel Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart. 83/10, besprochen durch Sauer, in: EWeRK 2012, 106 (108). 246 So auch LG Kiel Urt. v. 3.2.2012,14 O Kart. 83/10, besprochen durch Sauer, in: EWeRK 2012, 106 (108). 247 So auch BKartA, Beschluss v. 30.11.2012B8-101/11, S. 27, Rn. 68, BeckRS 2013, 09751. 248 So auch Jasper/Biemann, IR, 2012, 50 (51), die dabei von einer gesetzlichen Einschränkung von Art. 28 Abs. 2 GG ausgehen. Im Ergebnis so auch BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 65/12, RdE 2014, 191 (193, Rn. 38). 249 BKartA, Beschluss v. 30.11.2012, B8-101/11, S. 28 Rn. 71, BeckRS 2013, 09751; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.03.2008, VI-2 U (Kart) 8/07, RdE 2008, 287 (288); siehe auch Bundesregierung in seiner Stellungnahme zum EnWG-Gesetzesentwurf 2005, BT-Drs. 15/3917, S. 90 zu Artikel 1 Nr. 50.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
wenn die Gemeinden eine Art uneingeschränktes erstes Zugriffsrecht durch die Möglichkeit der In-house-Vergabe hätten.250 Da der Gesetzgeber eine solche Regelung für Eigenbetriebe in § 46 Abs. 4 EnWG getroffen hat, muss diese Bestimmung erst recht auch für gemeindliche Eigengesellschaften, sei es in öffentlich-rechtlicher oder gar in privatrechtlicher Form, gelten.251 Denn wenn schon für die der Gemeinde am nächsten stehende Gesellschaftsform des Eigenbetriebs die In-house-Vergabe nicht erfolgen darf, dann kann dies erst recht nicht bei gemeindlichen Gesellschaften zulässig sein, die noch stärker gesellschaftsrechtlich verselbstständigt sind und einer gemeindlichen Kontrolle i. S. d. In-house-Vergabe noch weniger unterliegen.252 Und auch selbst nach den für die In-house-Vergabe erforderlichen Voraussetzungen scheitert eine Anwendung auf die Konzessionsvergabe. Wie zuvor dargestellt, muss als Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze der In-house-Vergabe die Leistung im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber erbracht werden,253 da die In-house-Vergabe die Selbstversorgung der Gemeinde durch die Nutzung gemeindeeigener Ressourcen ermöglichen soll.254 Der Netzbetrieb stellt aber gerade keine Selbstversorgung der Gemeinde dar, sondern dient der Befriedigung der Energienachfrage von allen Privathaushalten, Unternehmen etc. im gesamten Gemeindegebiet.255 Auch wenn die Gemeinde ebenfalls die Netzdienstleistungen in Anspruch nimmt, so stellt dies doch einen untergeordneten Anteil dar, der nicht zu einer Maßgeblichkeit des Selbstversorgungscharakters und einem hauptsächlichen Tätigwerden für den Auftraggeber führt.256 Gegen diese Argumentation wird indes vorgebracht, dass „der Netzbetreiber seine Dienstleistung im öffentlichen Interesse der Gemeinde“ als für die Energieversorgung Verantwortliche erbringt.257 Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen. Zunächst ist nicht die Gemeinde für die Verteilung der Energie an die Bürger verantwortlich, sondern der von ihr konzessionierte Netzbetreiber. Des Weiteren hat die 250 So auch BKartA, Beschluss v. 30.11.2012, B8-101/11, S. 28, Rn. 71, BeckRS 2013, 09751. 251 So auch Sauer, in: EWeRK 2012, 106 (110). 252 BKartA, Beschl. v. 18.10.2011, B 10-6/11, Rn. 24 f., BeckRS 2013, 14900. 253 Statt vieler Haupt/Slawinski, IR 2012, 122 (122); Heiß, VerwARch 2012, 421 (432). 254 So OLG Schleswig, Urt. v. 22.11.2012, 16 U (Kart) 22/12, EnWZ 2013, 84 (88). 255 So auch OLG Schleswig, Urt. v. 22.11.2012, 16 U (Kart) 22/12, EnWZ 2013, 84 (88). 256 So auch OLG Schleswig, Urt. v. 22.11.2012, 16 U (Kart) 22/12, EnWZ 2013, 84 (88); a. A.: Hellermann, EnZW 2013, 88 (90). 257 So Hellermann, EnWZ 2013, 147 (149).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung297
Frage danach, ob der Gemeinde i. R. e. Gewährleistungsverantwortung eine Letztverantwortlichkeit zukommt, nichts mit dem Tatbestandserfordernis der In-house-Vergabe zu tun, wonach die Leistung im Wesentlichen an den öffentlichen Auftraggeber erbracht werden muss. Hierbei kommt es darauf an, an wen der Netzbetreiber seine Leistungen erbringt. Diese erbringt er für die Netznutzer und Stromabnehmer und damit nicht im Wesentlichen an die Gemeinde. Auch deswegen können die Grundsätze der In-house-Vergabe keine Anwendung auf die Konzessionsvergabe finden. Eine In-house-Vergabe der Stromkonzession ist daher grundsätzlich unzulässig.258 Die Gemeinde kann daher die Konzessionen nicht direkt an ein (re)kommunalisiertes Unternehmen vergeben, sondern muss zwingend ein Konzessionsverfahren durchführen. Eine Privilegierung (re)kommunalisierter Unternehmen durch eine Direktvergabe verbietet sich. (c) Konzessionsvergabe als öffentlicher Auftrag eines öffentlichen Auftraggebers i. S. d. §§ 98, 99 GWB Da die Anwendung des Vergaberechts nicht aufgrund etwaiger Ausnahmeregelungen von vornherein ausgeschlossen ist, stellt sich die Frage, ob die für die öffentliche Vergabepflicht notwendigen Voraussetzungen der §§ 98, 99 GWB vorliegen. Für die Anwendung des Vergaberechts der §§ 97 ff. GWB bedarf es zunächst eines öffentlichen Auftraggebers, der Waren, Bau- oder Dienstleistungen im Wettbewerb vergibt. Bei der Vergabe der Konzessionsverträge tritt die Gemeinde (als Gebietskörperschaft) als vergebende Stelle und damit Auftraggeber auf. Gem. § 98 Nr. 1 GWB ist sie damit öffentlicher Auftraggeber, so dass in subjektiver Hinsicht das Vergaberecht anwendbar ist. Das Vorliegen eines öffentlichen Auftrages gem. § 99 GWB bei der Vergabe der Wegekonzessionen wird nach herrschender (fast unumstrittener) Ansicht indes abgelehnt.259 Denn nach herrschender Ansicht handelt es 258 So auch OLG Schleswig, Urt. v. 22.11.2012, 16 U (Kart) 22/12, EnWZ 2013, 84 (88); LG Kiel, Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart. 83/10, RdE 2012, 260 (262); BKartA, 18.10.2011, B 10-6/11, BeckRS 2013, 14900.; a. A.: Ortner, Ewerk 2011, 111 (113); Haupt/Slawinski, IR 2012, 122 (123ff, insbesondere 125); Hoch/Theobald, KSzW 2011, 300 (304 f.); Hellermann, EnZW 2013, 88 (90); unklar: Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 273 f., der die In-house-Vergabe bei der (Re)Kommunalisierung bejaht, allerdings selbst später mit Argumenten verneint, vgl. S. 678. 259 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 3 Rn. 14; Templin, IR 2009, 101 (103); Kermel-Berzel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 22; Britz/Hellermann/Hermes-Heller-
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
sich bei der Vergabe der Wegekonzessionen gerade nicht um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 99 GWB.260 Für das Vorliegen eines Dienstleistungsauftrages i. S. d. § 99 GWB muss ein öffentlicher Auftraggeber eine Dienstleistung einkaufen und hierfür ein Entgelt entrichten.261 Bei dem Abschluss des Konzessionsvertrages kauft die Gemeinde aber weder primär eine Leistung für sich ein noch entrichtet sie an den Konzessionär ein Entgelt hierfür.262 Vielmehr ist Gegenstand des Stromkonzessionsvertrages, dass die Gemeinde das Nutzungsrecht für die öffentlichen Verkehrswege zur Verlegung und zum Betrieb des Stromnetzes gegen ein vom Konzessionsnehmer zu entrichtendes Entgelt (die Konzessionsabgaben nach § 48 EnWG i. V. m. KAV) vergibt.263. Die Gemeinde zahlt dem Konzessionsnehmer für seine Dienstleistung (Betrieb des Stromnetzes) gerade kein Entgelt im Sinne eines Auftragsentgeltes. Vielmehr erfolgt erst durch die Zahlung der Netznutzungsentgelte durch die Netzbenutzer eine Vergütung der Dienstleistung des Netzbetreibers. Es fehlt daher an einer zu vergütenden Nachfrage nach Leistungen durch die Gemeinde, die für einen Dienstmann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 66; Bahr/Sassenberg, RdE 2011, 170 (175); Hofmann, NZBau 2012, 11 (12); OVG Münster, Beschl. v. 10.2.2012, VergabeR 2012, 796 (798); Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabe-verfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 1 und S. 7; Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 86; Kermel, RdE 2005, 153 (158), die davon spricht, dass der Streit inzwischen als geklärt anzusehen sein dürfte; Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (36); Reimann/Decker, RdE 2000, 16 (21); Thomale/Kießling, N&R 2008, 166 (168); vorsichtig kritisch dazu Byok, RdE 2008, 268 (270 f.); a. A.: VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (543); Byok/Graef/Faasch, NZBau, 2012, 553 (559); Haupt/Slawinski, IR 2012, 122 (122); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 145 f., der unter Rn. 149 ausführt, dass einiges dafür spreche, dass die Sektorenrichtlinie i. V. m. den deutschen Umsetzungsakten anwendbar sei. 260 Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Hausmann, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 10, Rn. 25; Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 66; Büdenbender, DVBl. 2012, 1530 (1531); Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (36); BKartA/ BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 3 Rn. 14; Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 30; Schneider/TheobaldAlbrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 86; Kermel, RdE 2005, 153 (158); Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (36); Reimann/Decker, RdE 2000, 16 (21); Thomale/Kießling, N&R 2008, 166 (168); vorsichtig kritisch dazu Byok, RdE 2008, 268 (270 f.). 261 Niehof, RdE 2011, 15 (16); Scheiderhan, Daseinsvorsorge und Vergaberecht (2012), S. 51. 262 So in etwa auch Niehof, RdE 2011, 15 (16). 263 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 56; Kermel/Brucker/Baumann-Kermel, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 20; Niehof, RdE 2011, 15 (15 f.); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 101.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung299
leistungsauftrag spezifisch ist.264 Es liegt daher kein Dienstleistungsauftrag zwischen der Gemeinde und dem Konzessionsnehmer i. S. d. § 99 GWB vor. Die Vergabe von Stromkonzessionen unterliegt daher grundsätzlich nicht dem förmlichen GWB-Vergaberecht.265 (d) Freiwillige Anwendung des Vergaberechts Bei der hohen wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Stromkonzessionen für die Energieversorgung und aufgrund des Sinn und Zwecks des § 46 EnWG (Öffnung des Wettbewerbs um das Netz) wollen es vereinzelte Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung nicht bei der Nichtanwendung der Vergabevorschriften aus dem GWB belassen.266 Es sei empfehlenswert, das Verfahren der Konzessionsvergabe etwa an den Vorgaben der Vergabeund Vertragsordnung für Leistungen (VOL / A) zum Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zu orientieren.267 Dies hätte den Vorteil, dass ein klares Regelwerk für das Verfahren der Konzessionsvergabe zur Verfügung stünde.268 Hierzu besteht jedoch, wie zuvor dargestellt, keine rechtliche Verpflichtung, weswegen nicht mit einer einheitlichen freiwilligen Anwendung zu rechnen ist. Da eine freiwillige Anwendung der Vergabevorschriften zur Folge hätte, dass die Gemeinde dem vollen Vergaberechtsschutz und möglichen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt wäre, kann auch davon ausgegangen werden, dass Gemeinden sich diesen Risiken in der Praxis nur selten freiwillig aussetzen werden. Im Übrigen entsteht hierdurch kein einheitlicher Rechtsrahmen für die Vergabe der Stromkonzessionen, der aber zur Verwirklichung der Liberalisierung und Wettbewerbsöffnung des Strommarktes dringend nötig ist.
264 DStGB, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV, Ausgabe 6/2010, S. 7; Schulz, LKRZ 2012, 41 (43); Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 355. 265 Allerdings kann das Vergaberecht zur Anwendung kommen, wenn mit der Vergabe der Konzessionen auch ein entgeltlicher Strombezug gekoppelt wird. In diesem Fall liegt ein öffentlicher Auftrag vor. Das Vergaberecht kann durch eine solche Koppelung nicht umgangen werden, vgl. Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Hausmann, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 10, Rn. 27. 266 Hofmann, NZBau, 2012, 11 (13); so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.3.2008, VI 2 U (Kart) 8/07, RdE 2008, 287 (287 ff. insbesondere 290). 267 Hofmann, NZBau, 2012, 11 (13). 268 So auch Kermel-Herten-Koch, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 80.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
(e) Zusammenfassung Eine direkte Anwendung des deutschen Vergaberechts auf die Vergabe der Stromkonzessionen scheidet daher bedauerlicherweise aus. Auch eine Anwendung der Grundsätze der In-house-Vergabe verbietet sich. (2) Anwendung des europäischen Vergaberechts Aber auch das europäische Recht enthält vergaberechtsrelevante Vorgaben, die für die Vergabe der Stromkonzessionen relevant sein könnte. Deren Anwendung und inhaltlicher Regelungsgehalt werden nachfolgend erläutert werden. Hierbei ist die Qualifizierung des Konzessionsvertrages von besonderer Bedeutung. Das europäische Recht unterscheidet für den hier relevanten Kontext zwischen dem Dienstleistungsauftrag und der Dienstleistungskonzession. An diese Zuordnung schließen sich unterschiedliche Rechtsfolgen an, so dass die Einordnung des Stromkonzessionsvertrages von besonderer Bedeutung ist. (a) Vorliegen eines Dienstleistungsauftrags Dienstleistungsaufträge unterstehen einem strengen europäischen Vergaberecht, welches u. a. Vorgaben zum Vergabeverfahren enthält. Von zentraler Bedeutung sind die Vergabekoordinierungs- (RL 2004 / 18 / EG) sowie die Sektorenrichtlinie (RL 2004 / 17 / EG). Aber auch im Kontext des europäischen Vergaberechts wird (wie i. R.d. GWB) das Vorliegen eines Dienstleistungsauftrags verneint.269 Diesbezüglich kann auf die Gründe verwiesen werden, die vorstehend auch im Rahmen der Frage nach der Anwendung der §§ 97 ff. GWB zu einer Verneinung geführt haben.270 Insbesondere liegt auch kein Auftrag nach Sektorenrichtlinie vor. Diese gilt im Energiebereich nur für Aufträge, die von Energieversorgungsunternehmen mit Dritten geschlossen werden, nicht jedoch für die Vergabe der Stromkonzessionen durch Gemeinden.271 Sowohl das deutsche wie das europäische Vergaberecht sind nach h. M. und hier vertretener Ansicht daher nicht auf die Stromkonzessionsvergabe anwendbar.
EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 66; Pippke/ Gaßner, RdE 2006, 33 (36); Thomale/Kießling, N&R2008, 166 (168), vorsichtig kritisch dazu Byok, RdE 2008, 268 (270 f.). 270 § 7 II.3.e)cc)(1). 271 So auch Niehof, RdE 2011, 15 (16). 269 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann,
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung301
(b) V orliegen einer Dienstleistungskonzession nach bereits verbindlich geltendem Europarecht Wenn der Konzessionsvertrag keinen Dienstleistungsauftrag darstellt, so könnte dieser aber als Dienstleistungskonzession zu charakterisieren sein. (aa) G esetzliche Vorgabe für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession Das deutsche Recht enthält keine Legaldefinition der Dienstleistungskonzession, lediglich die Baukonzession ist in § 99 Abs. 7 GWB legaldefiniert. Im europäischen Recht in Art. 1 Abs. 4 der Vergabekoordinierungsrichtlinie (RL 2004 / 18 / EG) sind Dienstleistungskonzessionen indes definiert, „die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht“. Vereinfacht gesagt, liegt eine Dienstleistungskonzession hiernach vor, wenn ein Unternehmen (= Konzessionsnehmer) von einem öffentlichen Auftraggeber (= Konzessionsgeber) mit einer Dienstleistung beauftragt wird, für die er jedoch nicht vom Auftraggeber eine Vergütung erhält, sondern die Dienstleistung dadurch verwerten kann, dass er sie selbst nutzt oder gegen Vergütung Dritten zur Verfügung stellt.272 Diese Dienstleistungskonzessionen sind nach Art. 17 der Vergabekoordinierungsrichtlinie (RL 2004 / 18 / EG) bzw. nach Art. 18 der Sektorenrichtlinie (RL 2004 / 17 / EG) vergaberechtsfrei. Ebenso unterliegen sie auch nicht dem deutschen Vergaberecht nach §§ 97 ff. GWB oder der VOB / A bzw. VOL / A.273 Bereits bevor das europäische Sekundärrecht dies explizit vorsah, hatte der EuGH ausdrücklich festgestellt, dass die sekundärrechtlichen Vorgaben des EU-Vergaberechts nicht auf Dienstleistungskonzessionen anwendbar seien.274 Das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession wird allgemein anerkannt bei der Vergabe der Hausmüllentsorgung, Trink- und Abwasserkonzessio nen,275 Dienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr oder auch im 272 Ähnlich: Schneiderhan, Daseinsvorsorge und Vergaberecht (2012), S. 150; Pünder/Schellenberg-Wegener, Vergaberecht,1. (2011), § 99 GWB Rn. 54; Polster/ Kokew, KSzW 2012, 144 (144). 273 Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (36); Polster/Kokew, KSzW 2012, 144 (146). 274 EuGH, Urt. v. 13.10.2005, C 458/03, NZBau 2005, 644 (647); EuGH, Urt. v. 21.5.2005, C-231/03, NZBau 2005, 592 (593); Pünder/Schellenberg-Wegener, Vergaberecht,1. (2011), § 99 Rn. 51. 275 EuGH, Urt. v. 10.9.2009, C-206/08, NZBau 2009, 729 (729 ff.).
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Rettungsdienstwesen.276 In einer Entscheidung zur Vergabe der Konzession für die Erdgasverteilung hat der EuGH ebenfalls das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession277 angenommen.278 Allerdings wird dies in der Entscheidung nicht näher begründet, da es sich nicht um die streitgegenständliche Frage handelte.279 Dennoch darf diese Entscheidung als Richtungsvorgabe nicht – insbesondere in Bezug auf die sehr vergleichbare Stromverteilung – ignoriert werden. Für die Stromkonzessionen fehlt es jedoch bisher an einer höchstrichterlichen Klärung. Bei der Vergabe der Stromkonzessionen nach § 46 EnWG durch die Gemeinde erhält der zukünftige Netzbetreiber gegen Konzessionsabgabe an die Gemeinde das Nutzungsrecht an den Verkehrswegen für die Stromverteilung, für die der Konzessionsnehmer wiederum ein Entgelt von den Netznutzern verlangt.280 Die Gemeinde zahlt kein Entgelt an den Konzessionsnehmer für den Betrieb des Netzes, sondern der Konzessionsnehmer ist berechtigt, ein Entgelt für die Nutzung des Netzes von Dritten zu verlangen. Dies entspricht gerade den zuvor für die Dienstleistungskonzession genannten Anforderungen. Problematisch ist jedoch die Bewertung des Wegenutzungs- und Konzessionsvertrages als Dienstleistungsvertrag. Um eine Dienstleistungskonzession anzunehmen, muss Gegenstand des Vertrages gerade die Erbringung einer Dienstleistung sein. Als typengemischter Vertrag enthält der Konzessionsvertrag jedoch unterschiedliche Rechte, Pflichten und Ausgestaltungen. Dabei ergibt sich aus dem Wegenutzungsrecht unmittelbar nicht das Recht zur Erbringung der Dienstleistung „Stromverteilung“.281 Für den Netzbetrieb bedarf es vielmehr gem. § 4 EnWG einer Genehmigung, mithin eines 276 Burgi, NZBau 2005, 610 (611) m. w. N.; Danner/Theobald-Grünewald, Energierecht,75. EGL (Okt. 2012), XII, B.1. Rn. 72; Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), Rn. 47. 277 So hatte es auch die Kommission im Verfahren vorgetragen, vgl. EuGH, Urt. v. 17.7.2008, C-347/06, Rn. 50 ff., BeckRS 2008, 70793. 278 EuGH Urt. v. 17.7.2008, C-347/06, insbesondere Rn. 57, BeckRS 2008, 70793. 279 Dies nehmen Kermel-Herten-Koch, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 89 zum Anlass auszuführen, dass „[…] der Verweis auf das Urteil des EUGH in Sachen ‚ASM Brescia‘ […] fehl“ gehe und eine Dienstleistungskonzession bei der Vergabe der Wegenutzungsverträge nicht vorliege. 280 So für Qualifikation als Dienstleistungskonzession ausreichend: EuGH, Urt. 13.10.2005, C-458/03, NZBau 2005, 644 (647); Schau, RdE 2011, 1 (3); Säcker/ Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 35. 281 So auch Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 36 f.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung303
hinzutretenden öffentlichen Aktes. Der Wegenutzungsvertrag allein könnte damit gerade nicht als Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung zu qualifizieren sein. Allerdings enthalten bereits die Konzessionsverträge neben dem Recht auf Wegenutzung auch die Verpflichtung das Stromnetz zu betreiben.282 Dies ergibt sich auch schon aus § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG. Im Übrigen ergibt sich dies auch aus dem Gegenstand, für den die Konzessionsabgaben nach § 48 EnWG vom Netzbetreiber zu entrichten sind. Gem. § 48 Abs. 1 S. 1 EnWG fallen diese nämlich nicht nur für die Einräumung des Rechts zur Benutzung der öffentlichen Wege an, sondern auch für die Verlegung und den „Betrieb von Leitungen“. Daher geht auch schon § 48 Abs. 1 S. 1 EnWG von der Erbringung einer Dienstleistung (= Betrieb der Stromleitungen) aus.283 Außerdem ist ohne die Konzession eine nach § 4 EnWG erteilte Genehmigung zum Betrieb des Netzes in der Regel284 nutzlos. Das Nutzungsrecht hinsichtlich der Wege ist notwendige und zwingende Voraussetzung für die Dienstleistung „Netzbetrieb“. Denn nur dem Konzessionsnehmer als dem Inhaber des Wegenutzungsrechts ist die Nutzung der Genehmigung überhaupt möglich. Die Konzession zu erhalten, stellt im Zusammenhang mit dem Netzbetrieb im Vergleich zum Erhalt der Genehmigung nach § 4 EnWG darüber hinaus auch die wesentlich höhere Hürde dar. Mit einer zunehmenden Anzahl an Stimmen in der Rechtsprechung und Literatur ist daher bei der Stromkonzession das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession anzunehmen.285 282 Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 41; Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 150. 283 So auch Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 42. 284 Sei denn der Konzessionsnehmer beauftragt einen Dritten, der Inhaber einer Genehmigung nach § 4 EnWG ist, mit der Durchführung des Netzbetriebes. Aber auch dann bedarf es zwingend eines Konzessionsnehmers, der die Netzkonzession hat und sich dafür entscheidet den Betrieb auf diese Weise zu organisieren. 285 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 66; Büdenbender, DVBl. 2012, 1530 (1531); Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (36); Düwel/ Schorsch, Kommunalwirtschaft 2010, 740 (741); Hofmann, NZBau 2012, 11 (12); Schau, RdE 2011, 1 (3); LG Kiel Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart 83/10, besprochen durch Sauer, in: EWeRK 2012, 106 (107); Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 86; Kermel, RdE 2005, 153 (158); Thomale/ Kießling, N&R 2008, 166 (168 f.); Landeskartellbehörde Niedersachsen, Hinweise zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG (2010), S. 1; Bahr/Sassenberg, RdE 2001, 170 (175); vorsichtig kritisch dazu Byok, RdE 2008, 268 (270 f.); a. A.: Kermel-Herten-Koch, Praxishandbuch der Kon-
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(bb) Z usätzlich geforderte Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession Neben den Voraussetzungen die sich aus der Definition der Dienstleistungskonzession und dabei im Wesentlichen aus der Abgrenzung von Dienstleistungsauftrag und -konzession ergeben, werden aber in Literatur und Rechtsprechung zusätzliche Voraussetzungen für die Klassifizierung als Dienstleistungskonzession aufgestellt. Im Wesentlichen sind dies α) die Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos durch den Konzessionsnehmer, β) das Vorliegen eines Beschaffungsvorgangs und γ) das Vorliegen einer Dienstleistung, die üblicherweise durch den Staat erbracht wird oder zumindest im öffentlichen bzw. Allgemeininteresse liegt. Vom zusätzlichen Vorliegen dieser Voraussetzungen wird (teilweise) abhängig gemacht, ob eine Dienstleistungskonzession anzunehmen ist. α) Eingehung eines wirtschaftlichen Risikos Der EuGH hat die Qualifizierung als Dienstleistungskonzession zusätzlich davon abhängig gemacht, dass der Konzessionär ein wirtschaftliches Risiko, welches mit der Dienstleistung verbunden sein muss, trägt.286 Dabei hat der EuGH auch ein von vornherein erheblich reduziertes wirtschaftliches Risiko für ausreichend erklärt, wenn dies jedoch im vollen Umfang oder zu einem erheblichen Teil vom Konzessionsnehmer getragen wird.287 Im Rahmen seiner „Rettungsdienst Stadler“-Entscheidung hat der EuGH den Strauß der für die Kategorisierung als Dienstleistungskonzession ausreichenden anerkannten wirtschaftlichen Risiken konkretisiert und erweitert. Der EuGH führt hierzu in seiner Entscheidung aus: „Insoweit ist zu beachten, dass das wirtschaftliche Betriebsrisiko der Dienstleistung als das Risiko zu verstehen ist, den Unwägbarkeiten des Marktes ausgesetzt zu sein, das sich im Risiko der Konkurrenz durch andere Wirtschaftsteilnehmer, dem Risiko eines Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage, dem Risiko der Zahlungszessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 89; Niehof, Roland, RdE 2011, 15 (16); Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 2,3. (2014), § 46 Rn. 118, mangels Beschaffungsvorgangs; offen gelassen: BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 3 f., Rn. 15; zur Differenzierung zwischen Dienstleistungskonzession und Dienstleistungsauftrag: EuGH, Urt. v. 10.9.2009, C-206/08, NZBau 2009, 729 (729 ff.). 286 EuGH, Urt. 13.10.2005, C-458/03, NZBau 2005, 644 (647); EuGH, Urt. v. 10.3.2011, C-274/09, KommJur 2011, 357 (358 f.); Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), Rn. 45; Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 240. 287 EuGH, Urt. v. 10.9.2009, C-206/08, NZBau 2009, 729 (733).
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unfähigkeit derjenigen, die die Bezahlung der erbrachten Dienstleistungen schulden, dem Risiko einer nicht vollständigen Deckung der Betriebsausgaben durch die Einnahmen oder dem Risiko der Haftung für einen Schaden im Zusammenhang mit einem Fehlverhalten bei der Erbringung der Dienstleistung äußern kann.“288 Das wirtschaftliche Risiko kann sich somit durch verschiedene Faktoren ausdrücken und ist längst nicht so restriktiv zu interpretieren, wie es zunächst den Anschein haben mag. Für den Netzbetrieb ist zu berücksichtigen, dass dieser aufgrund seiner Eigenschaft als natürliches Monopol [vgl. § 5 II.6.] nicht substituierbar ist und dadurch alle Verbraucher, die elektrische Energie beziehen wollen, alle Produzenten, die Energie von der Produktionsstätte zum Verbraucher transportieren wollen, und alle Stromhändler zwingend die Dienstleistung des Verteilernetzbetreibers in Anspruch nehmen müssen. Hierdurch wird die Dienstleistung Netzbetrieb quasi mit einer Art „Abnahmegarantie“289 versehen. Dies wird zum Anlass genommen das Vorliegen eines wirtschaftlichen Risikos und damit die Dienstleistungskonzession zu verneinen.290 Allerdings wird dabei übersehen, dass der Netzbetrieb zwar aufgrund seiner monopolistischen Struktur den „normalen“ Wettbewerbsrisiken nicht ausgesetzt ist, sehr wohl aber anderen, vom EuGH anerkannten wirtschaftlichen Risiken. Durch die Netzregulierung sind dem Erlös aus dem Netzbetrieb enge Grenzen gesetzt [vgl. § 5 II.4. sowie § 8 II.3.b)]. Der Netzbetreiber kann einzig aus den gedeckelten Netzerlösen den Netzbetrieb und -erhalt finanzieren.291 Die Erwirtschaftung einer Rendite hängt dabei davon ab, wie hoch die Auslastung des Netzes ist, wie hoch die Investitionskosten in das Netz sind, aber auch wie wirtschaftlich effizient und an den Regulierungsmaßstäben orientiert der Netzbetreiber agiert. Hat er eine hohe Durchleitungsquote wegen einer guten Gebietsstruktur mit dichter Besiedlung, Industrie- und Gewerbekunden und damit hohen Netzentgelten, ist ein er288 EuGH,
Urt. v. 10.3.2011, C-274/09, KommJur 2011, 357 (359). formuliert: Jennert, NZBau 2005, 131 (134). 290 Bezirksregierung Düsseldorf (Vergabekammer), Beschl. v. 7.7.2000, VK 12/2000-L, NZBau 2001, 46 (47); Böckel, LKV 2003, 393 (395); skeptisch jedenfalls Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), Rn. 49, die wegen des Erfordernisses des wirtschaftlichen Risikos eine pauschale Annahme einer Dienstleistungskonzession verneinen und auf eine Prüfung im Einzelfall verweisen; a. A. lässt sich aus der Entscheidung des VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 22.2.2001, 1 L 1250/99, LKV 2002, 99 (101) ableiten, wonach selbst dann, wenn zunächst die Gemeinde formal die Entgelte für die Feuerbestattung vereinnahmt bei dem Betrieb einer Feuerbestattungsanlage durch Dritten die Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos angenommen wurde. 291 Schau, RdE 2011, 1 (3). 289 So
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folgreicher Netzbetrieb bei guter wirtschaftlicher Führung möglich (aber auch nicht sicher). Sinkt diese Quote jedoch oder wird die Netzgesellschaft unwirtschaftlich betrieben, entstehen sogar erhebliche wirtschaftliche Risiken. Auch Bevölkerungsabwanderung kann zu einer erheblichen Verringerung der Durchleitungsquote und damit Verringerung von Netzentgelten führen.292 Ein wirtschaftlicher „Selbstgänger“ ist der Verteilernetzbetrieb daher nicht. Auch wenn das wirtschaftliche Risiko des Netzbetriebes als natürliches Monopol daher reduziert ist, bestehen dennoch wirtschaftliche Risiken im Hinblick auf die Anzahl der Netznutzer und Verbraucher, den Anschluss von Kunden an das Netz (sowohl Produzenten als Verbraucher) und die Kostendeckung, wie der EuGH dies auch im Falle der Trinkwasserund Abwasserkonzession als wirtschaftliche Risiken anerkannt hat. Daneben ist im Hinblick auf zusätzliche Voraussetzung der Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos einschränkend auf die Herkunft und Auslegung dieses Kriteriums hinzuweisen. Die Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos als Voraussetzung für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession ist in Abgrenzung zum Dienstleistungsauftrag entstanden.293 Hiermit sollten aus der Fallgruppe der Dienstleistungskonzession die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Konzessionsnehmer vom Konzessionsgeber eine feststehende und laufende Vergütung (wie i. R. e. klassischen Dienstleistungsauftrags) erhält.294 Denn in diesen Fällen fehlt es an der Übernahme eines eigenen wirtschaftlichen Risikos.295 Der Konzessionsnehmer erhält indes i. R.d. Stromkonzession von der Gemeinde keinerlei Vergütung für den Netzbetrieb. Vielmehr muss er durch Dritte die Vergütung seiner Leistung sicherstellen. Entgegen den vorgebrachten Bedenken ist daher bei den Stromkonzes sionen von der Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos durch den Konzessionsnehmer auszugehen. β) Vorliegen eines Beschaffungsvorgangs Als weiteres zusätzliches Tatbestandsmerkmal einer Dienstleistungskonzession wird gefordert, dass ein Beschaffungsvorgang in der zu vergebenden 292 So auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 243, der von „negativen demographischen Entwicklungen“ spricht. 293 Böckel, LKV 2003, 393 (395). 294 EuGH, Urt. v. 7.12.2000, C-324/98, NZBau 2001, 148 (151); Böckel, LKV 2003, 393 (395). 295 EuGH, Urt. v. 7.12.2000, C-324/98, NZBau 2001, 148 (151); Böckel, LKV 2003, 393 (395); zur Auslegung der Entgeltlichkeit auch Hattig/Ruhland, NZBau 2005, 626 (628).
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Dienstleistung vorliegen muss.296 Dies wird im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Dienstleistungskonzession in ihrer Legaldefinition im Übrigen auf den Dienstleistungsauftrag verweise und diesem gerade ein Beschaffungsvorgang seitens des öffentlichen Auftraggebers zugrunde liege.297 Dem gemeinsamen Ursprung von Dienstleistungsauftrag und Dienstleistungskonzession werde auf diese Weise Rechnung getragen.298 Ein Beschaffungsvorgang ist in der bloßen Vergabe der Stromkonzession nicht zu sehen. Denn durch den Konzessionsvertrag wird der Konzessionsnehmer lediglich zur Nutzung der gemeindlichen Straßen und Wege für den Betrieb des Stromnetzes berechtigt. Mit Verweis auf den Charakter einer Aufgabe als Aufgabe der Daseinsvorsorge nahm das OLG München das Vorliegen einer Dienstleistungskonzes sion dennoch in einem Fall an.299 Der Verweis auf die Daseinsvorsorge mag dabei nicht als Argument überzeugen.300 Vielmehr sind die sich hinter dem Begriff der „Daseinsvorsorge“ versteckenden Erwägungen zu betrachten. Im Hinblick auf den Stromnetzbetrieb ist für das Kriterium des Vorliegens eines Beschaffungsvorgangs eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Das Wegenutzungsrecht ist wirtschaftlich in einem Zusammenhang mit der Genehmigung für den Netzbetrieb nach § 4 EnWG und der Versorgung der Bevölkerung mit Energie zu sehen. Nach altem Recht301 war diese Gesamtbetrachtung auch noch deutlicher, da der Netzbetreiber auch gleichzeitig Grundversorger war, mithin also durch die Vergabe des Wegenutzungsrechts auch der Grundversorger festgelegt wurde. Durch die Entflechtung der Wertschöpfungsstufen in der Energiewirtschaft ist dies jedoch getrennt worden.302 Aber auch nach geltendem Recht ist mit dem Erhalt der Konzession die Pflicht zum Betrieb des Verteilernetzes sowie zu etwaigen Erhaltungsmaßnahmen verbunden.303 Insofern muss schon bei der Vergabe der Stromkonzession der Betrieb des Stromnetzes mit in die Betrachtung einfließen. 296 Kermel/Brucker/Baumann-Keller, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 99 f.; Niehof, RdE 2011, 15 (17). 297 Kermel-Herten-Koch, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 87. 298 Kermel-Herten-Koch, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 87. 299 Für Breitbandkabelversorgung mit Verweis auf Abfallentsorgung und Gesundheitsfürsorge: OLG München, Beschl. v. 25.3.2011, Verg. 4/11, NZBau 2011, 380 (382). 300 Vgl. Ausführungen zur Daseinsvorsorge in § 6 II.9.c)aa). 301 EnWG bis zur Novelle 1998. 302 Hierzu ausführlich in § 8 II.3.a). 303 So auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 130 und S. 221.
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Denn bereits bei der Vergabe des Wegenutzungsrechts für das Stromnetz geht es darum, den Beschaffungsvorgang der Elektrizitätsbezieher, also aller Verbraucher und selbstverständlich auch der Gemeinde selbst, zu ermöglichen. Dies ist sicherlich als ein Beschaffungsvorgang „über’s Eck“ zu qualifizieren und genügt gerade nicht, um einen Beschaffungsvorgang i. S. e. Dienstleistungsauftrages anzunehmen. Im Rahmen der Dienstleistungskonzession ist aber zu berücksichtigen, dass sich diese gerade vom Dienstleistungsauftrag dadurch unterscheidet, dass eine Dienstleistung nicht für die Gemeinde im Austausch gegen ein Entgelt erbracht, sondern die Dienstleistung i. d. R. durch Dritte, die diese nutzen, bezahlt wird. Insofern muss auch der Beschaffungsvorgang „um diese Ecke“ gedacht werden. Daher ist richtigerweise zu fordern, dass es bei der Vergabe der Dienstleistungskonzession nicht um einen Beschaffungsvorgang der vergebenden Stelle gehen muss, sondern durch die Vergabe ein Beschaffungsvorgang beim Konzessionär oder Dritten ermöglicht werden muss.304 Daher widerspricht das Erfordernis eines „Beschaffungsvorgangs“, wie er von einigen Stimmen als zusätzliche Voraussetzung der Dienstleistungskonzession gefordert wird, keineswegs einer Qualifikation der Stromkonzession als Dienstleistungskonzession.305 γ) Dienstleistung im öffentlichen bzw. Allgemeininteresse Daneben wird vor allem von der deutschen Rechtsprechung und Literatur gefordert, dass es sich um eine Dienstleistung handeln müsse, die grundsätzlich durch die öffentliche Hand erbracht werde,306 der Staat sich also durch Vergabe der Dienstleistungskonzession einer staatlichen Aufgabe entledigt. Besondere Aufmerksamkeit in der Diskussion erfuhr dieses Kriterium durch den Schlussantrag des Generalanwaltes Albert in der Rechts 304 Über die Zuordnung der Energieverteilung zu einer öffentlichen Aufgabe des Staates und dessen Gewährleistungsverantwortung, so auch Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 37 f. 305 Dieses weite Verständnis des Beschaffungsvorgangs wurde vom EuGH auch angenommen, indem er als Beschaffung des Staates die Erbringung einer Hauptleistung nur gegenüber einem Dritten für ausreichend erachtete, vgl. EuGH, Urt. v. 18.1.2007, C-220/05, Slg. 2007, I-385, Rn. 42, NVwZ 2007, 316 (319). So hatte es auch die Kommission sowie litauische und österreichische Regierung in diesem Verfahren argumentiert, vgl. EuGH, Urt. v. 18.1.2007, C-220/05, Slg. 2007, I-385, Rn. 42, NVwZ 2007, 316 (318). 306 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2004, VII-Verg 71/03, NZBau 2004, 343 (344); BayObLG, Beschl. v. 11.12.2001, Verg. 15/01, NZBau 2002, 233 (234); ausführlich: Aumont/Kaelble, NZBau 2006, 280 (283); Burgi, NZBau 2005, 610 (610); Gröning, NZBau 2001, 123 (123); Scheiderhan, Daseinsvorsorge und Vergaberecht (2012), S. 152.
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sache „RI.SAN Srl. / Commune di Ischia“, der auch eben dieses Kriterium stark machte.307 Dies einmal zugrunde gelegt, kann bei Stromkonzessionen nicht davon gesprochen werden, dass der zugehörige Netzbetrieb grundsätzlich von der öffentlichen Hand gehalten oder erbracht wird. Folgte man diesem Kriterium in einer formal strikten Form, müsste eine Dienstleistungskonzession daher verneint werden. Etwas abmildert wird aber von einem anderen Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums gefordert, dass die gegenständliche Dienstleistung im öffentlichen Interesse308 liegen muss.309 Hierfür spreche, dass nur in diesen Fällen ein Bedürfnis für eine Beteiligung des Staates zumindest in Form des Konzessionsgebers vorhanden sei, da der Staat ansonsten wie ein „normales Wirtschaftsunternehmen“ auftrete.310 Da der Netzbetrieb zumindest auch einem öffentlichen Interesse, nämlich der zuverlässigen Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie dient, kann hiernach von der Stromkonzession nach § 46 EnWG als Dienstleistungskonzession gesprochen werden, aber nur, wenn man nicht zwingend das formale Vorliegen einer staatlichen Dienstleistungsaufgabe fordert.311 Allerdings ist dieses zusätzliche Kriterium für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession schon grundsätzlich zu kritisieren. Es schafft keinen Mehrwert, da es keine ausdifferenziertere Abgrenzung ermöglicht, als sie bereits nach der gesetzlichen Definition der Dienstleistungskonzession schon möglich ist. Bei der Vergabe einer Dienstleistung durch die öffentliche Hand kann immer grundsätzlich ein öffentliches Interessen berührt sein. Warum sonst sollte der Staat sich mit der Vergabe dieser Dienstleistung befassen? Durch das Erfordernis eines „öffentlichen Interesses“ ist damit keine bessere Abgrenzung oder inhaltliche Bestimmung möglich. Diese teilweise als zusätzliche für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession geforderte Voraussetzung ist daher abzulehnen. 307 Schlussanträge GA Albert v. 18.3.1999, in Rs. C-108/98, Slg. EuGH, 1999, Teil 1, S. 5221 (5233, Rn. 50), der von „Aufgabe im Allgemeininteresse“ spricht; hierauf hinweisend auch Böckel: LKV 2003, 393 (396). 308 Auch umschrieben als „Allgemeininteresse“ oder „öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge“, siehe vorstehend. 309 VG Neustadt a.d.Weinstraße, Beschl. v. 6.9.2001, 7 L 1422/01.NW, NZBau 2002, 237 (238) spricht von „Allgemeininteresse“; OLG Naumburg, Beschl. v. 4.12.2001, 1 Verg 10/01, NZBau 2002, 235 (236) spricht ebenfalls von „Allgemeininteresse“; Böckel, LKV 2003, 393 (396). 310 Böckel LKV 2003, 393 (396); Jennert, NZBau 2005, 131 (132 und Fn. 14). 311 Zur Differenzierung zwischen formalem und materiellem Verständnis der Dienstleistung im öffentlichen Interesse, vgl. Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 227 ff.
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Zum anderen ist schon nicht ersichtlich, wodurch das strenge Kriterium des Vorliegens einer Dienstleistung, die grundsätzlich durch die öffentliche Hand erbracht wird, gerechtfertigt sein soll. Aus dem zugrundeliegenden europäischen Sekundärrecht312 lässt sich eine derartige Voraussetzung nicht ableiten.313 Auch der EuGH hat hierauf (soweit ersichtlich) in keinem Urteil zu Dienstleistungskonzessionen abgestellt.314 Einzig die Europäische Kommission formulierte, dass Dienstleistungskonzessionen „üblicherweise“ in den Verantwortungsbereich des Staates fallen würden.315 Hieraus jedoch die zwingende Voraussetzung des Vorliegens einer öffentlichen Aufgabe für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession abzuleiten, geht zu weit.316 Zum einen ist es nicht an der Kommission, Tatbestandsvoraussetzungen zu formulieren,317 zum anderen ist dies auch gar nicht aus der Mitteilung zu entnehmen, die gerade ausdrücklich nur davon spricht, dass es „üblicherweise“ so sei, längst aber nicht immer so sein muss. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse ein möglicher Gegenstand einer Dienstleistungskonzession sein kann, dies jedoch nicht zwingende Voraussetzung für die Qualifikation als Dienstleistungskonzession ist.318 (cc) Ergebnis Die Vergabe der Stromkonzession nach § 46 EnWG ist daher als Vergabe einer Dienstleistungskonzession zu bewerten. Eine Qualifikation als Dienstleistungsauftrag scheidet indes aus. (c) V orliegen einer Dienstleistungskonzession i. S. d. neuen Konzessionsvergaberichtlinie (2014 / 23 / EU) Am 26. Februar 2014 wurde von dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat die neue Richtlinie über die Konzessionsvergabe 312 Richtlinie
2004/18 EG. auch Schneiderhan, Daseinsvorsorge und Vergaberecht (2012), S. 160. 314 So auch Schneiderhan, Daseinsvorsorge und Vergaberecht (2012), S. 160. 315 Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht, 12.4.2000, NVwZ-Beilage III 2000 zu Heft 7/2000, S. 8. 316 So auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 234. 317 So auch Jennert, NZBau 2005, 131 (132). 318 Jennert, NZBau 2005, 131 (132), so auch Schneiderhan, Daseinsvorsorge und Vergaberecht (2012), S. 160 f. 313 So
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(2014 / 23 EU) unterzeichnet und am 28. März 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.319 Am 17. April 2014 ist sie in Kraft getreten.320 Hiermit wird erstmals im Europäischen Recht nicht nur die Vergabe von Baukonzessionen,321 sondern auch die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen geregelt.322 Die neue Richtlinie über die Konzessionsvergabe enthält insbesondere Regelungen hinsichtlich der Art der umfassten Konzession, der zu beachtenden Schwellenwerte, Vorgaben über das Vergabeverfahren und die hierbei zu berücksichtigenden Kriterien sowie eine Laufzeitbegrenzung.323 Die Richtlinie wurde am 20. Dezember 2011 von der Europäischen Kommission im Entwurf324 zusammen mit der Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (bislang Richtlinie 2004 / 18 / EG325)326 sowie der Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Sektorenrichtlinie, bislang Richtlinie 2004 / 17 / EG327)328 vorgelegt.329 Das Ziel der Europäischen Kommission war es mit der neu geschaffenen Konzessionsvergaberichtlinie zukünftig alle Dienstleistungskonzessionen einem europäischen Vergaberecht zu unterstellen.330 Es folgte 319 Im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht am 28.3.2014, L 94/1, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32014L 0023, zuletzt abgerufen am 23.04.2014, 12:31 Uhr. 320 Hierzu und zur Ausgangslage: Knauff/Badenhausen, NZBau 2014, 395 (395). 321 Bislang geregelt in RL 2004/18/EG. 322 Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363). 323 Ausführlich zu den neuen Vorgaben der Richtlinie über die Konzessionsvergabe, vgl. Knauff/Badenhausen, NZBau 2014, 395 (398 ff.); Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351 (352 ff.); Wagner/Pfohl, ZfBR 2014, 745 (746 ff.). 324 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe, KOM (2011) 897 endgültig. 325 Abl. L 134/114 vom 30.4.2004. 326 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe, KOM (2011) 896 endgültig. 327 Abl. L 134/1 vom 30.4.2004. 328 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, KOM (2011) 895 endgültig. 329 Hierzu auch: Braun, EuZW 2012, 451 (451 ff.); Byok, NJW 2013, 1488 (1492); Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351 (351); Sudbrock, KommJur 2014, 41 (41 f.). 330 Hierzu führt die Europäische Kommission in ihrem Entwurf, KOM(2011) 897 endgültig, 20.12.2011, S. 6 aus: „Die meisten derzeit für die Vergabe von öffentlichen Baukonzessionen geltenden Verpflichtungen sollen nun auch auf sämtliche Dienstleistungskonzessionen angewandt werden. Zudem sieht der Vorschlag konkrete und präzisere Verpflichtungen in den einzelnen Phasen des Vergabeverfahrens vor, die auf der Auslegung der Grundsätze des AEUV durch den Gerichtshof der Europäischen Union basieren. Ferner soll die Anwendung des Sekundärrechts auf die
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
jedoch ein etwa zweijähriges Gesetzgebungsverfahren, welches durch zahlreiche Beratungs-, Ergänzungs- und Änderungsprozesse,331 insbesondere im Hinblick auf den umfassenden Anwendungsbereich der Richtlinie, geprägt war.332 Begleitet wurde dieses Gesetzgebungsverfahren von erheblichen Diskussionen und Zweifeln an der Notwendigkeit einer europäischen Konzessionsvergaberichtlinie. So meldete etwa der Europäische Wirtschaftsund Sozialausschuss Zweifel an der Notwendigkeit einer europäischen Konzessionsrichtlinie an.333 Demgegenüber äußerte sich der Ausschuss der Regionen in einer Stellungnahme positiv und führte aus, dass „klare Regeln sowie eine einheitliche Auslegung und ein einheitlicher Ansatz wünschenswert“ seien.334 Auch in Deutschland fand eine rege Diskussion über den Entwurf der Europäischen Kommission statt. In der deutschen Diskussion waren dabei hauptsächlich kritische Äußerungen zu vernehmen,335 die sich gegen die Verabschiedung einer Dienstleistungskonzessionsrichtlinie auf europäischer Ebene aussprachen. Der Deutsche Bundesrat sprach sich bereits am 11. Februar 2011 ausdrücklich gegen eine europäische Regelung der Dienstleistungskonzessionen aus336 und wiederholte dies am 2. März 2012337 und am 30. März 2012338 für den Richtlinienvorschlag der Europäi schen Kommission. Maßgeblich stützte der Deutsche Bundesrat seine Kritik dabei auf das Subsidiaritätsprinzip aus Art. 5 EUV und zweifelte mit Verweis darauf schon die Regelungsnotwendigkeit auf europäischer Ebene Konzessionsvergabe im Versorgungssektor ausgeweitet werden, die gegenwärtig von diesen Vorschriften ausgenommen ist.“ 331 Hierzu ausführlicher Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351 (351 f. sowie 363). 332 Übersicht über den Gang des Gesetzgebungsverfahrens unter: http://ec. europa.eu/prelex/detail_dossier_real.cfm?CL=de&DosId=201237, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:32 Uhr. 333 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag der Europäischen Kommission zu einer Konzessionsrichtlinie (KOM(2011) 897 endgültig), Amtsblatt EU, C 191/84, 29.6.2012, Rn. 1.17; hierauf hinweisend auch: Byok, NJW 2013, 1488 (1492). 334 Ausschuss der Regionen, Amtsblatt EU C 277/74, 13.9.2012, S. 1, 1. Spiegelstrich; hierauf hinweisend auch: Byok, NJW 2013, 1488 (1492). 335 So etwa auch ablehnend: Deutscher Städte-und Gemeindebund, Pressemitteilung Nr. 15, 16.4.2012, zuletzt abgerufen am 24.9.2013, 10:30 Uhr unter: http:// www.dstgb.de/dstgb/Home/Pressemeldungen/Keine %20Liberalisierung %20der %20 Wasserversorgung %20durch %20die %20vergaberechtliche %20Hintert %c3 %bcr/; Landtag Baden-Württemberg, Stellungnahme des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft, LT-Drs. 15/1524, 30.3.2012, S. 6; befürwortend: Braun, EuZW 2012, 451 (456). 336 BR-Dr 698/10, S. 8; hierauf hinweisend auch: Byok, NJW 2013, 1488 (1492). 337 BR-Dr. 874/11; hierauf hinweisend auch: Byok, NJW 2013, 1488 (1492). 338 BR-Dr 874/11 (2); hierauf hinweisend auch: Byok, NJW 2013, 1488 (1492).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung313
an.339 Für eine eindeutige Normierung der Konzessionsvergabe wurde hingegen vorgetragen, dass diese notwendig sei, um schwerwiegende Verzerrungen des Binnenmarktes und die mit der mangelnden Rechtssicherheit einhergehenden Effizienzverluste zu beseitigen.340 Die nun seit April 2014 in Kraft befindliche Richtlinie über die Konzessionsvergabe ist vor diesem Hintergrund zu betrachten. (aa) Kein Vorliegen eines besonderen Ausschlusstatbestandes Die Richtlinie über die Konzessionsvergabe enthält in ihrem Richtlinientext sog. Besondere Ausschlusstatbestände, die bestimmte Bereiche vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausdrücklich ausnehmen. Für die Trinkwasserversorgung wurde nach erheblichem politischen und medialen Druck eine solche Ausnahme in den Richtlinientext in Art. 12 aufgenommen.341 Auch für die elektronische Kommunikation (Art. 11) sowie unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzte Tätigkeiten (Art. 16) wurde ein Besonderer Ausschlusstatbestand geschaffen.342 Für den Elektrizitäts- und Gasbereich wurde hingegen kein solcher ausdrücklicher Ausschlusstatbestand in einen der drauf folgenden Artikel aufgenommen. Aber auch diesbezüglich waren kritische Stimmen während des europäischen Gesetzgebungsverfahrens zu hören. So sprach sich der Deutsche Bundesrat am 30. März 2012 gegen die Einbeziehung des Energiesektors in den Anwendungsbereich der Konzessionsvergaberichtlinie aus. Hierzu heißt es unter Nr. 10 der Bundesratsdrucksache 874 / 11 (B) (2): „Der Bundesrat spricht sich gegen jede Einbeziehung von Sektoren aus, die bereits durch bereichsspezifische Regelungen des Unionsrechts erfasst werden oder auf Grund von Entscheidungen des Unionsgesetzgebers bewusst nicht geregelt worden sind. Neben dem öffentlichen Personenverkehr betrifft dies vor allem den Energiesektor […].“343 Weiter heißt es unter Nr. 11 vorstehender Bundesratsdrucksache: „Dies gilt insbesondere auch bezogen auf die Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarktricht linien, aufgrund derer die Mitgliedstaaten bei der Konzessionsvergabe ein objektives, transparentes und nichtdiskriminierendes Verfahren sicherzustel339 Hierauf hinweisend auch: Byok, NJW 2013, 1488 (1492); vergleiche jedoch Ausführungen zur Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip der Europäischen Kommission, KOM(2011) 897 endgültig, 20.12.2011, S. 4. 340 So auch Braun, EuZW 2012, 451 (452); EU-Kommission, KOM(2011) 897 endgültig, 20.12.2011, S. 2. 341 Zum derzeitigen Stand: Sudbrock, KommJur 2014, 41 (41 ff.); kritisch: Laskowski, ZUR 2013, 385 ff. 342 Zu den hiervon u. a. umfassten Berreichen: Wagner/Pfohl, ZfBR 2014, 745 (748). 343 BR-Dr. 874/11 (B) (2), Nr. 10.
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len haben. Dies ist mit der jeweiligen Umsetzung im Energiewirtschaftsgesetz (vgl. § 46 EnWG) geschehen. Über diese Sektorenregelungen hinaus gehende Anforderungen für die Konzessionsvergabe sind zur Einhaltung der oben genannten Kriterien nicht erforderlich.“344 Dennoch wurde kein Besonderer Ausschlusstatbestand nach Vorbild der Art. 11, 12 und 16 der Konzessionsvergaberichtlinie für den Energiesektor aufgenommen. Die Richtlinie über die Konzessionsvergabe ist daher im Übrigen auf die Frage zu prüfen, ob sie auf die Vergabe von Wegenutzungsrechten nach § 46 Abs. 2 EnWG Anwendung findet. (bb) Fehlende Anwendbarkeit der Konzessionsvergaberichtlinie Die Richtlinie über die Konzessionsvergabe gilt gem. Art. 1 Abs. 1 „für die Verfahren von öffentlichen Auftraggebern und Auftraggebern zur Beschaffung im Wege von Konzessionen, deren geschätzter Wert mindestens dem in Artikel 8 festgelegten Schwellenwert entspricht.“ Konzessionen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 und im Sinne der Konzessionsvergaberichtlinie sind gem. Art. 5 Nr. 1 selbiger Bau- und Dienstleistungskonzessionen nach den rechtlichen Bestimmungen des Art. 5 Nr. 1 lit. a) und b). Art. 5 Nr. 1 lit. b) bestimmt für die Dienstleistungskonzessionen: „Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck ‚Dienstleistungskonzession‘ einen entgeltlichen, schriftlich geschlossenen Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen, die nicht in der Erbringung von Bauleistungen nach Buchstabe a bestehen, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht.“ Diese Definition entspricht im Wesentlichen der vorstehend in § 7 II.3.e) cc)(2)(b) zum verbindlich geltenden Europarecht vorstellten Definition der Dienstleistungskonzession, wobei sie jedoch eine eigenständige Definition ohne Bezug auf den Dienstleistungsauftrag erschafft.345 Neben den altbekannten Elementen der Definition ist die Betrauung mit der Erbringung von Dienstleistungen seitens des Auftraggebers als weiteres Definitionsmerkmal neu hinzugekommen.346 An einer Konkretisierung der Voraussetzungen dieser „Betrauung“ fehlt es jedoch innerhalb der Richtlinie sowie jenseits 344 BR-Dr.
874/11 (B) (2), Nr. 11. und zur Entstehungsgeschichte der Definition siehe: Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351 (364 f.). 346 So auch Knauff/Badenhausen, NZBau 2014, 395 (396). 345 Hierzu
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davon.347 So kann vom derzeitigen Stand aus nicht gesagt werden, ob diesem Kriterium zu einem späteren Zeitpunkt einmal abgrenzende Funktion zuwächst. Derzeit ist davon jedoch nicht auszugehen, weil hiermit kein abgrenzbares, eigenständiges Tatbestandsmerkmal mit Differenzierungswirkung geschaffen wurde. Diese, in Art. 5 Nr. 1 lit. b) formulierte Definition, wird von der Stromkonzession nach § 46 Abs. 2 EnWG wohl grundsätzlich erfüllt. Insoweit kann auf die vorstehend in § 7 II.3.e)cc)(2)(b) gemachten Ausführungen Bezug genommen werden. Hiernach erscheint es möglich, dass die Vergabe von Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG grundsätzlich auch vom Anwendungsbereich der neuen Konzessionsvergaberichtlinie erfasst ist. In diese Richtung mag man bei flüchtigem Lesen der Richtlinie auch die Regelung in Nr. 2 des Anhangs II, welche Näheres zu den umfassten Auftraggebern nach Art. 7 der Konzessionsvergaberichtlinie bestimmt, verstehen. Wie nachfolgend gezeigt werden wird, betrifft Nr. 2 des Anhangs II i. V. m. Art. 7 der Konzessionsrichtlinie jedoch gerade nicht die Vergabe der Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2. In Nr. 2 des Anhang II ist der Elektrizitätsbereich aufgenommen und hierzu folgendes geregelt: „Die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Konzessionsvergabe durch Auftraggeber gelten für die folgenden Tätigkeiten: 2. Im Bereich Strom (Elektrizität): a) Bereitstellung und Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, dem Transport oder der Verteilung von Strom […].“ Allerdings ist hiermit im Anhang II nicht die Vergabe der Stromkonzession durch die Gemeinde als Tätigkeit und Anwendungsbereich der Konzessionsvergaberichtlinie geregelt, sondern das Bereitstellen und Betreiben der Verteilernetze, welches nach der Vergabe der Stromkonzession durch den Konzessionsnehmer (und nicht die Gemeinde) erfolgt. Dies wird insbesondere deutlich, wenn man Art. 7 Abs. 1 der Konzessionsvergaberichtlinie zu der Regelung in Anhang II, welche Art. 7 der Richtlinie konkretisiert, hinzu liest. Hier heißt es: „‚Auftraggeber‘ im Sinne dieser Richtlinie sind Stellen, die einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten nachgehen und eine Konzession zum Zweck der Ausübung einer dieser Tätigkeiten vergeben […].“ (Hervorhebung durch Verfasserin) Art. 7 Abs. 1 der Konzessionsvergaberichtlinie stellt auf Tätigkeiten ab, denen ein Auftraggeber nachgeht. Die reine Konzessionsvergabe durch die Gemeinde i. S. d. § 46 Abs. 2 EnWG ist indes keine Tätigkeit, sondern eine für einen längeren Zeitraum (Dauer des Konzessionsvertrages) geltende Vergabeentscheidung mit anschließendem Vertragsschluss. Die Tätigkeit des Bereitstellens und Betreibens des Stromnetzes kommt vielmehr dem Konzessionsnehmer zu. Will dieser eine im Rahmen seiner Tätigkeiten anfallende Konzes347 So
auch Knauff/Badenhausen, NZBau 2014, 395 (396).
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sion zum Zwecke der Ausübung einer seiner Tätigkeiten vergeben (etwa Service- oder Reparaturdienstleistung für Arbeiten am Netz an einen Drittunternehmer), so liegt hierin eine von Anhang II i. V. m. Art. 7 Konzessionsvergaberichtlinie umfasste Tätigkeit eines Auftraggebers i. S. d. Konzessionsvergaberichtlinie, die eine Dienstleistungskonzession nach Art. 5 der Konzessionsvergaberichtlinie darstellt.348 Die durch die Gemeinde auf längere Zeit erfolgende Abgabe der Stromkonzession stellt keine solche Tätigkeit dar. Dass die Vergabe der Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG nicht von dem Anwendungsbereich der Konzessionsvergaberichtlinie umfasst ist, macht außerdem der Erwägungsgrund Nr. 16 der Richtlinie deutlich. Hierin heißt es: „Außerdem sollten Vereinbarungen über die Gewährung von Wegerechten hinsichtlich der Nutzung öffentlicher Liegenschaften für die Bereitstellung oder den Betrieb fester Leitungen oder Netze, über die eine Dienstleistung für die Allgemeinheit erbracht werden soll, ebenfalls nicht als Konzessionen im Sinne dieser Richtlinie gelten, sofern derartige Vereinbarungen weder eine Lieferverpflichtung auferlegen, noch den Erwerb von Dienstleistungen durch den öffentlichen Auftraggeber oder den Auftraggeber für sich selbst oder für Endnutzer vorsehen.“ Bei der Stromkonzession nach § 46 Abs. 2 EnWG handelt es sich um exakt eine solche Vereinbarung über die Gewährung eines Wegerechts für die Bereitstellung und den Betrieb von Verteilernetzen.349 Über diese Verteilernetze wird die Stromlieferung als Dienstleistung für die Allgemeinheit erbracht, wobei der Netzbetreiber lediglich die Stromdurchleitung ermöglicht und gewährleistet, nicht jedoch den Stromliefervertrag mit dem jeweiligen Kunden abschließt. Mit der Vergabe der Stromkonzession durch die Gemeinde an einen Konzessionsnehmer gem. § 46 Abs. 2 EnWG geht daher auch keine Lieferverpflichtung einher. Der Konzessionsnehmer schuldet die diskriminierungsfreie Durchleitung des Stroms und den ordnungsgemäßen Betrieb des Verteilernetzes. Eine Lieferverpflichtung über Strom mit einzelnen Kunden geht jedoch nicht der Netzbetreiber ein. Vielmehr ist der Netzbetrieb durch die Unbundling-Vorschriften von den übrigen Wertschöpfungsbereichen, insbe348 Unklar: Wagner/Pfohl, ZfBR 2014, 745 (747), die ausführen: „Problemtische Fallgestaltungen können in diesem Zusammenhang mit der Anwendung von § 46 EnWG auftreten, da dieser bisher spezielle Regelungen für die Vergabe von Wegenutzungsverträgen enthielt. Wird nun ein Netz betreiben, das unter den Anhang II der Richtlinie 2014/23/EU fällt und überträgt der öffentliche Auftraggeber gleichzeitig die Nutzungsrechte an den öffentlichen Wegen, so kann man bei einer Nutzungsverpflichtung eine Dienstleistungskonzession annehmen. Nicht unter den Konzessionsbegriff fällt damit u. a. Folgendes: ‒ Lizenzen, Genehmigungen, Zuschüsse, Subventionen, Wegerechte; […].“ 349 So auch Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351 (366).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung317
sondere dem Stromvertrieb, getrennt.350 Dieser Aspekt wird sehr treffend auch in einer Antwort des Staatssekretärs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Dr. Bernhard Heitzer, vom 10. Mai 2013, auf eine kleine Anfrage beschrieben: „Durch den Abschluss eines solchen Wegenutzungsvertrages wird nur der lokale Netzbetreiber bestimmt, nicht aber das für die Energieversorgung zuständigen Unternehmen.“351 Die eigentlichen Lieferverpflichtungen ergeben sich aus dem Vertrag des Kunden mit einem Energiekonzern oder Stadtwerk, nicht jedoch aus dem Konzessionsvertrag nach § 46 Abs. 2 EnWG. Auch erwirbt die Gemeinde durch die Vergabe der Stromkonzession nach § 46 Abs. 2 EnWG keine Dienstleistung für sich selbst oder den Endnutzer. Sie vergibt lediglich das Recht (und die Pflicht) die Wege der Gemeinde zum Zwecke der Stromverteilung zu nutzen und hierfür von den Netzeinspeisern ein Entgelt zu verlangen. Die Gemeinde erhält nach der Vergabe der Konzession eine Konzessionsabgabe vom Konzessionsnehmer, welche dieser für die exklusive Überlassung des Wegerechts zum Zwecke des Verteilernetzbetriebes zahlt. Damit handelt es sich bei der Vergabe der Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG um exakt den in Erwägungsgrund 16 genannten Fall, der gerade keine Konzession im Sinne der Konzessionsvergaberichtlinie darstellen soll. Dieser Befund wird durch die erläuternden Ausführungen von Schwab / Giesemann zum Hintergrund und Kontext der in die Richtlinie aufgenommenen Erwägungsgründe gestützt. Diese führen hierzu aus, dass das Europäische Parlament und der Europäische Rat sich zu Klarstellungszwecken darauf verständigt hätten, „in den Erwägungsgründen 12 ff. diejenigen Fallgestaltungen zu erläutern, die keine Konzessionen im Sinne dieser Richtlinie darstellen.“352 Schwab als binnenmarktpolitischter Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament und Mitglied des Europäischen Parlaments sowie Giesemann als wissenschaftliche Referentin im Europäischen Parlament führen sodann weiter aus: „Ausdrücklich fallen nunmehr beispielsweise energiewirtschaftliche Wegenutzungsverträge i. S. des § 46 Energiewirtschaftsgesetzes für den Betrieb fester Leitungen oder Netze, über die eine Dienstleistung für die Allgemeinheit erbracht werden soll, nicht unter den Konzessionsbegriff, was bislang umstritten war.“353 Es ist daher das (vielleicht paradox erscheinende) Ergebnis festzustellen, dass es sich bei den Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG zwar um 350 Hierzu
ausführlich in § 8 II.3.a). 17/13394, S. 44 f. 352 Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351 (366). 353 Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351 (366). 351 Drs.
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Dienstleistungskonzessionen nach derzeit geltendem europäischen Recht, nicht aber um eine Dienstleistungskonzession im Anwendungsbereich der Konzessionsvergaberichtlinie (2014 / 23 EU) handelt. Die Vorgaben der Konzessionsvergaberichtlinie finden somit, insbesondere aufgrund des Erwägungsgrundes Nr. 16 der Richtlinie und dem darin zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen, keine Anwendung auf die Vergabe der Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG. Nicht verschwiegen werden soll aber, dass es diesbezüglich auch eine entgegenstehende Ansicht gibt, die den Aussagegehalt der Konzessionsvergaberichtlinie im Hinblick auf die Vergabe der Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG anders interpretiert.354 Weiß sieht die Anwendbarkeit der Konzessionsvergaberichtlinie auf die Vergabe von Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG für gegeben an, da anders als für Wasser (Art. 11 der Richtlinie) kein Besonderer Ausnahmetatbestand für den Stromsektor geschaffen worden sei und der Erwägungsgrund Nr. 16 nur den Beschaffungscharakter der Konzession, wie er auch in Art. 5 Nr. 1 lit. b) der Richtlinie zum Ausdruck komme, verdeutliche.355 Der Beschaffungscharakter, so Weiß weiter, würde bei Wegenutzungsverträgen fehlen, wenn diese lediglich die Gestattung des Nutzungsrechtes regelten und kein Interesse der Gemeinde als dem Gestattenden an der Leistungserbringung bestünde.356 Komme jedoch ein Interesse an der Leistungserbringung in dem Vertrag zum Ausdruck, wie dies bei Stromkonzessionsverträgen der Fall sei, so liege ein Beschaffungscharakter vor.357 Weiß führt weiter aus, dass das Interesse der Gemeinde als Nachfrager auch vom Bundesgerichtshof bestätigt worden sei, da dieser festgestellt habe, „dass die Gemeinde als Nachfrager den ‚Bedarf nach einem sicheren und preisgünstigen Netzbetrieb im Gemeindegebiet‘ befriedige“.358 Damit liege der Beschaffungscharakter und eine Dienstleistungskonzession i. S. d. Konzessionsvergaberichtlinie vor.359 Abschließend kommt Weiß zu dem für ihn „eindeutig[en]“ Befund: „Die Richtlinie über die Konzessionsvergabe findet – bei der Erreichung des Schwellenwertes von 5.186.000 Euro (vgl. Art. 8 I KVR) – auf die Vergabe von Stromund Gaskonzessionen Anwendung.“ Weiß ist insoweit zuzugeben, dass es gesetzgeberisch unglücklich gelöst wurde, dass die neue Konzessionsvergaberichtlinie sowohl Besondere Aus354 Weiß, NVwZ 2014, 1415 (1419), der die Anwendung der Konzessionsvergaberichtlinie auf die Vergabe der Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG annimmt. 355 Weiß, NVwZ 2014, 1415 (1419). 356 Weiß, NVwZ 2014, 1415 (1419). 357 Weiß, NVwZ 2014, 1415 (1419). 358 Weiß, NVwZ 2014, 1415 (1419). 359 Weiß, NVwZ 2014, 1415 (1419).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung319
nahmetatbestände ausdrücklich in den Art. 11, 12 und 16 der Richtlinie regelt als auch in den Erwägungsgründen, hier insbesondere Nr. 16, weitere Fallgestaltungen aufgenommen wurden, die keine Konzession i. S. d. Richtlinie darstellen. Es wäre eindeutiger und systematisch sauberer gewesen, hätte sich der europäische Gesetzgeber für einen der beiden Standorte innerhalb der Richtlinie zur Regelung von allen Ausnahmetatbeständen entschieden. Nichts desto trotz ändert diese gesetzestechnische Aufsplittung nichts an dem Befund, dass die Stromkonzessionen nach § 46 EnWG nach dem gesetzgeberischen Willen gerade nicht von der neuen Konzessionsvergaberichtlinie umfasst sein sollten. Das von Weiß gewählte Abstellen auf den Beschaffungscharakter, den Weiß über das in Erwägungsgrund Nr. 16 gewählte Maß hinaus überdehnt, geht an den ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen der Konzessionsvergaberichtlinie vorbei. Wie vorstehend ausgeführt, kann bei der Stromkonzessionsvergabe nach § 46 Abs. 2 EnWG nicht vom Vorliegen eines eigentlichen Beschaffungsvorgangs, sondern höchstens von einem Beschaffungsvorgang „ums Eck“ gesprochen werden [vgl. § 7 II.3.e)cc)(2)(b)(bb)β)]. Insofern ist Weiß schon im Hinblick auf das besondere Abstellen auf einen Beschaffungsvorgang bezüglich § 46 Abs. 2 EnWG zu widersprechen. Des Weiteren ist die von Weiß eher allgemein aufgeworfenen Frage nach dem Vorliegen eines Beschaffungsvorgangs für die Frage danach, ob die Konzessionsvergaberichtlinie auf die Stromkonzessionsvergabe gem. § 46 Abs. 2 EnWG Anwendung findet, ohne Belang. Die Konzessionsvergaberichtlinie selbst bestimmt die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession in Art. 5 Nr. 1 lit. b) der Richtlinie. Hier ist von der Notwendigkeit eines „Beschafftungsvorgangs“ nichts zu lesen. Nur der Erwägungsgrund Nr. 16 enthält zwei i. S. e. Beschaffungsvorgangs lesbare Kriterien, die jedoch viel konkreter normiert sind, als der von Weiß benannten „Beschaffungsvorgang“. Denn der Erwägungsgrund Nr. 16 bestimmt, dass in der Regel nicht vom Vorliegen einer Konzession i. S. d. Konzessionsvergaberichtlinie auszugehen ist, es sei denn dass vertraglich „eine Lieferverpflichtung“ auferlegt wird oder der „Erwerb von Dienstleistungen durch den öffentlichen Auftraggeber oder den Auftraggeber für sich selbst oder für Endnutzer vorsehen“ ist. Beide Varianten liegen bei den typischen Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG nicht vor. Dies wurde bereits vorstehend i. R.d. Analyse des Erwägungsgrundes Nr. 16 dargestellt. Die Ansicht von Weiß überzeugt daher nicht. Auch, wenn es wünschenswert wäre, dass sich der europäische Gesetzgeber der Regelung der Vergabe von Stromkonzessionen annimmt, kann die im April in Kraft getretene Konzessionsvergaberichtlinie nicht entsprechend diesem Wunsch über den gesetzlich zum Ausdruck kommenden Willen und Gesetzestext der Richtlinie hinaus angewendet werden. Der Ansicht, dass die Konzessionsvergaberichtlinie auf die Vergabe von Stromkonzession keine Anwendung findet, scheint auch die deutsche Bun-
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desregierung zu sein, die für die Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der Richtlinie (ggf. auch im EnWG) nach Art. 288 Abs. 3 AEUV verpflichtet ist. Auf eine kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) mit dem Inhalt, wie die Bundesregierung die Forderung des Bundesrates beurteile, die Strom- und Gaskonzessionen nach § 46 EnWG aus dem Anwendungsbereich der Konzessionsvergaberichtlinie herauszunehmen, antwortete der Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Dr. Bernhard Heitzer, am 10. Mai 2013, dass anlässlich der konsolidierten Fassung der Konzessionsvergaberichtlinie des Europäischen Rates (geltende Fassung der Richtlinie zum Zeitpunkt der Antwort) nicht davon ausgegangen werde, dass die Wegenutzungsverträge für Strom und Gas nach § 46 EnWG als Konzessionen im Sinne der Richtlinie anzusehen seien.360 Weiter wird in der Antwort ausgeführt, dass die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel auf eine Klarstellung hinwirke, dass die Stromkonzessionsvergabe nicht von der Konzessionsrichtlinie erfasst sei.361 Ein entsprechender Passus sei in der konsolidierten Fassung des Europäischen Rates bereits enthalten.362 Die Bundesregierung, so heißt es weiter, werde darauf drängen, dass diese Formulierung auch im weiteren Legislativverfahren beibehalten werde,363 was letztlich so auch durch den Erwägungsgrund Nr. 16 erfolgt ist. Die Antwort schließt damit, dass eine Änderung von § 46 EnWG vor diesem Hintergrund derzeit nicht geplant sei.364 Diese Begrenzung der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht findet sich auch in den Ausführungen von Schwab / Giesemann mittelbar wieder, die im Hinblick auf die Umsetzung der Konzessionsvergaberichtlinie in deutsches Recht davon ausgehen, dass ihre Umsetzung (nur) in den §§ 97 ff. GWB, den Bestimmungen der Vergabe- und Sektorenverordnungen (VgV, SektVO) sowie den Vergabeverordnungen (VOB / A, VOL / A und VOF) erfolgen werden,365 mithin ohne Auswirkungen auf das EnWG ist. (cc) E rgebnis zum Vorliegen einer Dienstleistungskonzession i. S. d. Konzessionsvergaberichtlinie Damit ist festzuhalten, dass nach den Vorgaben der Konzessionsvergaberichtlinie (insbesondere dem Erwägungsgrund Nr. 16) sowie dem gesetzge360 BT-Drs.
17/13394, S. 44 f. 17/13394, S. 45. 362 BT-Drs. 17/13394, S. 45. 363 BT-Drs. 17/13394, S. 45. 364 BT-Drs. 17/13394, S. 45. 365 Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351 (367). 361 BT-Drs.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung321
berischen Willen die im April 2014 in Kraft getretene Konzessionsvergaberichtlinie (RL 2014 / 23 / EU) keine Anwendung auf die Vergabe von Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG findet. (d) E uropäische Verfahrensregeln bei Vergabe der Dienstleistungskonzession Nach geltendem Recht und auch ohne die Anwendbarkeit der neuen Konzessionsvergaberichtlinie auf die Stromkonzessionsvergabe nach § 46 Abs. 2 EnWG kann die Vergabe einer Dienstleistungskonzession jedoch nicht im rechtsfreien Raum erfolgen. Die für die Dienstleistungskonzession entwickelten und geltenden rechtlichen Vorgaben sollen daher nachfolgend dargelegt werden. (aa) Anwendbarkeit und Geltung europäischer Vergaberegeln Das Vergaberecht nach der Vergabekoordinierungsrichtlinie366 findet nur auf die Vergabe von Baukonzessionen gem. Art. 56 ff. der Richtlinie Anwendung, ausdrücklich gem. Art. 17 der Richtlinie jedoch nicht auf die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen. Auch die Sektorenrichtlinie367 kommt gem. Art. 18 der Richtlinie nicht zur Anwendung. Wie vorstehend dargestellt ist auch eine Anwendbarkeit der seit April in Kraft befindlichen Richtlinie zur Konzessionsvergabe nicht gegeben. Nach geltendem Recht wird damit den Dienstleistungskonzessionen ein Sonderstatus eingeräumt.368 Dennoch hat der EuGH die Vergabe der Dienstleistungskonzessionen nicht rechtsfrei ermöglicht. Vielmehr hat er wiederholt Verfahrensregeln aus dem europäischen Primärrecht als Vorgaben für die Vergabe der Dienstleistungskonzessionen benannt. Die primärrechtlichen Vorgaben der Niederlassungsund Dienstleistungsfreiheit aus Art. 49 ff. und 56 ff. AEUV, die Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, die aus Art. 18 AEUV abzuleiten sind, und das Transparenzgebot gebieten, dass eine öffentliche Dienstleistungskonzession nicht ohne ein wettbewerbliches und an bestimmten Kontrollmaßstäben und Grenzen ausgerichtetes Verfahren erfolgen kann.369 Damit aber überhaupt für eine nationale Konzessionsvergabe diese europäischen Vorgaben zur Anwendung kommen können, muss es sich bei 366 Richtlinie
2004/18/EG. 2004/17/EG. 368 Prix/Marx/Hölzl, NVwZ 2011, 65 (66 u. 68), die von „Sonderposition“ sprechen und nur von der Einhaltung von „Vergaberecht light“. 369 EUGH, Urt. v. 13.10.2005, C-458/03, NZBau 2005, 644 (647); Hofmann, NZBau 2012, 11 (13). 367 Richtlinie
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
der Stromkonzessionsvergabe um einen für den Binnenmarkt relevanten Vorgang handeln.370 Wann Binnenmarktrelevanz gegeben ist, ist indes nicht gesetzlich bestimmt. Vielmehr ist eine Negativabgrenzung dahingehend üblich, dass Binnenmarktrelevanz jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn es sich um eine Bagatelle handelt, die etwa wegen des geringen Auftragsvolumens nicht Binnenmarkt relevant sei.371 Die Binnenmarktrelevanz hängt daher u. a. vom Wert der Stromkonzession, davon, wen diese Konzession im Wettbewerb interessieren könnte, von ihrem gegenständlichen Umfang und ihrer Komplexität ab.372 Dabei ist im Rahmen der Stromkonzessionen auf die europaweit forcierte Liberalisierung des Strommarktes und europaweit tätige Netzbetreiber hinzuweisen. Potentiell kann jedes Netzgebiet in der EU von Interesse für jeden Netzbetreiber sein und daher Binnenmarktrelevanz aufweisen. Auch die Komplexität und Auftragsvolumina i. R.d. Vergabe von Stromkonzessionen sprechen für die Annahme der Binnenmarktrelevanz. Allenfalls bei sehr kleinen Konzessionsgebieten kann von dem Nichtbestehen einer Binnenmarktrelevanz ausgegangen werden (Negativabgrenzung über Bagatellgrenze).373 In der Regel wird eine solche indes wegen des europäischen Strommarktes und der europäischen, wettbewerblichen Öffnung des Marktes anzuerkennen sein. Dabei gelten die primärrechtlichen Vorgaben für die Vergabe der Konzessionen auch unabhängig von Schwellenwerten, wie sie etwa für die Anwendbarkeit sekundärrechtlichen und deutschen Vergaberechts vorgesehen sind.374 (bb) Einzelne Verfahrensvorgaben Der EuGH hat einzelne (eher abstrakte) Verfahrensvorgaben unmittelbar aus dem europäischen Primärrecht abgeleitet.375 Hierbei hat der EuGH zum einen auf die Geltung der Grundfreiheiten, insbesondere auf die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV und die Dienstleistungsfreiheit gem. 370 Braun, EuZW 2012, 451 (453); Braun, NZBau 2011, 400 (401); Deling, NZBau 2011, 725 (726). 371 EuGH, Urt. v. 21.5.2005, C-231/03, NZBau 2005, 592 (593); Deling, NZBau 2011, 725 (727 f.). 372 Danner/Theobald-Marx, Energierecht,80. EGL (April 2014), Kapitel Wettbewerbsrecht/Vergaberecht, 162. Vergabe-recht für Versorgungsbetriebe, Rn. 94; Deling, NZBau 2011, 725 (730) mit einer Auflistung der relevanten Aspekte. 373 EuGH, Urt. v. 21.5.2005, C-231/03, NZBau 2005, 592 (593); Deling, NZBau 2011, 725 (727); ähnlich auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und GasKonzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 677. 374 Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 18. 375 Grundlegend: EuGH, Urt. v. 7.12.2001, C-324/98, NZBau 2001, 148 (148 [2. u. 3. LS] sowie insbes. 151); EUGH, Urt. v. 13.10.2005, C-458/03, NZBau 2005, 644 (647).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung323
Art. 56 AEUV, hingewiesen376 und aus diesen abgeleitet, dass für öffentliche Stellen, die Dienstleistungskonzessionen vergeben, eine transparente, nichtdiskriminierende und die Gleichbehandlung und damit Chancengleichheit der Bewerber wahrende Verfahrensgestaltung frei von Willkür zu wählen ist, die der Verhältnismäßigkeit und Begründungspflicht bei ablehnenden Entscheidungen Rechnung trägt.377 Zum anderen hat der EuGH direkt aus dem EU-Vertrag (heute Art. 18 AEUV) das Diskriminierungsverbot sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz (heute Art. 8 AEUV) und aus beiden zusammen das Transparanzgebot abgeleitet.378 Diese drei zunächst recht abstrakten Ge- und Verbote aus dem europäischen Primärrecht formen das Konzessionsverfahren auf unterschiedliche, über § 46 EnWG hinausgehende Weise aus. α) Transparenzgebot Aus dem Transparenzgebot folgt für das Konzessionsvergabeverfahren schon vor dem eigentlichen Verfahren die Pflicht, Informationen über Inhalt und Gegenstand der Konzession bekannt zu machen (Publizität).379 Dies bestärkt europarechtlich die zuvor i. R.d. der Datenherausgabepflicht nach EnWG dargelegte Pflicht zur frühzeitigen und umfänglichen Datenherausgabe an die Interessenten.380 Durch die Informationsherausgabe muss – auch dies folgt aus dem Transparenzgebot – jeder Mitbewerber die Gelegenheit haben, vor Vertragsschluss sein Interesse am Erhalt der Konzession bekunden zu können.381 Ebenso muss das Vertragsende der Konzession bekannt 376 EuGH,
Urt. v. 21.5.2005, C-231/03, NZBau 2005, 592 (593). Urt. v. 7.12.2000, C-324/98, NZBau 2001, 148 (151); EUGH, Urt. v. 6.4.2006, C-410/04, NVwZ 2006, 555 (556); EuGH, Urt. v. 21.5.2005, C-231/03, NZBau 2005, 592 (593 f.); EuGH, Urt. v. 13.10.2005, C-458/03, NZBau 2005, 644 (647); Esch, KSzW 2012, 152 (154); Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), Rn. 46; Polster/Kokew, KSzW 02.2012, 144 (146); Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 51; Schneiderhan, Daseinsvorsorge und Vergaberecht (2012), S. 156. 378 Ohne Nennung der Normen: EuGH, Urt. v. 7.12.2000, C-324/98, NZBau 2001, 148 (151); Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), Rn. 46; Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 53. 379 EuGH, Urt. v. 7.12.2000, C-324/98, NZBau 2001, 148 (151); Braun, NZBau 2011, 400 (402); Braun, EuZW 2012, 451 (452); Burgi, NZBau 2005, 610 (615); Danner/Theobald-Theobald, Energierecht,78. EGL (Sept. 2013), Kapitel Energiewirtschaftsgesetz, § 46 Rn. 158 ff.; Gröning, NZBau 2001, 123 (124). 380 Vgl. § 7 II.3.c). 381 EuGH, Urt. v. 21.5.2005, C-231/03, NZBau 2005, 592 (593); Polster/Kokens, KSzW 2012, 144 (146), Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 53. 377 EuGH,
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gegeben werden (europaweite Bekanntmachung nötig, wenn ein grenzüberschreitender Bezug, also eine Relevanz der Konzession für den Binnenmarkt angenommen werden muss).382 Aufgrund des Transparenzgebotes sind die Gemeinden außerdem dazu verpflichtet, die für die Vergabe der Konzession von der Gemeinde gewählten Vergabekriterien [hierzu ausführlich in § 7 II.4.] im Vorwege gegenüber den Interessenten offen zu legen.383 Auch bzgl. des Bestands der einmal von der Gemeinde bestimmten Auswahl- und Entscheidungskriterien lassen sich dem europäischen Primärrecht Vorgaben entnehmen: Die von der Gemeinde zu Beginn des Konzessionsvergabeverfahrens festgelegten Krite rien384 darf diese – ebenfalls wegen des Transparenzgebots sowie des Diskriminierungsverbots – während des Vergabeverfahrens nur einheitlich auslegen, nicht mehr ändern oder austauschen.385 Vielmehr erfordert die Transparenz der Entscheidung, dass die maßgeblichen Auswahl- und Entscheidungskriterien während der gesamten Dauer des Verfahrens konstant bleiben.386 Sollte die auftragsvergebende Gemeinde dennoch – aus welchen Gründen auch immer – einzelne Auswahlkriterien während des Verfahrens ändern wollen, so muss sie das laufende Verfahren abbrechen und mit den veränderten Kriterien neu durchführen.387 Die Vorfestlegung von Auswahlkriterien und die Bindung an diese Kriterien wird von einigen Stimmen in der Literatur mit dem Argument kritisiert, dass dadurch die Gemeinde ihrer Entscheidungsfreiheit bei der Vergabe der Konzessionen beraubt würde, weil die „Auswahlentscheidung selbst im Grunde nicht mehr bei der Gemeinde“ liege.388 Dies verkennt jedoch, dass den Gemeinden bereits im Vorwege eine Einflussnahmemöglichkeit i. R.d. Gesetze im Hinblick auf die Kriterien und deren Gewichtung389 zukommt und auch bei der eigentlichen 382 EuGH, Urt. v. 21.5.2005, C-231/03, NZBau 2005, 592 (594); Danner/Theobald-Marx, Energierecht,68. EGL (Nov. 2010), Kap. XVIII. Vergaberecht, Rn. 68 f. 383 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 5; Burgi, NZBau 2005, 610 (615); so auch LG Kiel, Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart. 83/10 besprochen durch Sauer, EWeRK 2012, 106 (108). 384 Hierzu in § 7 II.4. 385 EuGH, Urt. v. 18.11.2011, C-226/09, NZBau 2011, 50 (53); VG Aachen, Beschl. v. 13.09.2011, 1 L 286/11, in: Sauer, EWerk 2011, 187 (188); Braun, NZBau 2011, 400 (402); Burgi, NZBau 2005, 610 (615). 386 VG Aachen, Beschl. v. 13.09.2011, 1 L 286/11, in: Sauer, EWerk 2011, 187 (188); Braun, NZBau 2011, 400 (402). 387 VG Aachen, Beschl. v. 13.09.2011, 1 L 286/11, in: Sauer, EWerk 2011, 187 (188). 388 So Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 719. 389 Hierzu in § 7 II.5.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung325
Entscheidung unter mehreren gleich geeigneten Bewerbern die Gemeinde durch Ausübung ihres Ermessens einen erheblichen Einfluss auf die Vergabeentscheidung hat. Die Vorfestlegung der Auswahlkriterien ist daher geboten und nicht etwa aufgrund von Erwägungen, die den Schutz der gemeindlichen Entscheidungshoheit in den Fokus rücken, abzulehnen. Aus dem Transparenzgebot und dem diesem Gebot innewohnenden Kontrollgedanken folgt außerdem, dass ein angemessener Grad an Öffentlichkeit im Rahmen des Verfahrens sicherzustellen ist.390 Auch auf diese Weise soll das Konzessionsvergabeverfahren für den Wettbewerb geöffnet werden.391 Aus eben diesem Kontrollgedanken ergibt sich auch als Folge des Transparenzgebotes, dass ein Nachprüfungsverfahren im Nachgang an die Vergabe der Konzessionen ermöglicht sein muss.392 Von besonderer Bedeutung ist auch die aus dem Transparenzgebot gefolgerte Vorgabe, dass das Verfahren unparteiisch durchzuführen ist.393 Insbesondere im Rahmen einer angestrebten (Re)Kommunalisierung gewinnt diese Vorgabe aus dem europäischen Primärrecht an Bedeutung und Brisanz. In diesem Zusammenhang sei besonders auf die Ausführungen zur verfahrensdurchführenden und -entscheidenden Stelle in § 7 II.6. hingewiesen. β) Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgrundsatz Nicht nur aus dem Transparenzgebot, sondern ebenso aus dem Diskriminierungsverbot folgt, dass die Kriterien, die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegt werden, bereits im Vorwege kommuniziert und bekanntgegeben werden müssen.394 Die Durchführung der Vergabe hat außerdem diskirminierungsfrei zu erfolgen.395 Aus dem Diskriminierungsverbot folgen das Erfordernis einer Begründung der Entscheidung und die Gewährung 390 Braun, NZBau 2011, 400 (402); Prieß/Marx/Hölzl, NVwZ 2011, 65 (68); Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 53; Schau, RdE 2011, 1 (3); Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 136. 391 Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 53. 392 EuGH, Urt. v. 7.12.2000, C-324/98, NZBau 2001, 148 (151); Polster/Kokens, KsZW 2012, 144 (147). 393 EuGH, Urt. v. 13.10.2005, C-458/03, KommJur 2005 461 (467); Braun, EuZW 2012, 451 (451); Heiß, VerwArch 2012, 421 (444); Pünder/SchellenbergPache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 53. 394 So auch LG Kiel, Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart. 83/10 besprochen durch Sauer, EWeRK 2012, 106 (108). 395 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, Energiewirtschaftsgesetz, Kommentar,3. (2015), § 46 Rn. 66a; Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 30 Rn. 45; Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 3.
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von Rechtsschutz.396 Hierdurch soll verhindert werden, dass die Gemeinde ihre marktbeherrschende Stellung bei der Auswahl des Konzessionsnehmers missbraucht und mit ihr verbundene Unternehmen einseitig bevorteilt.397 Das Diskriminierungsverbot verbietet im Vergabeverfahren eine – wie auch immer geartete – Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen (bzw. gemischt-wirtschaftlichen) Bewerbern.398 Dies ergibt sich auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, der die Pflicht zur durchgehenden Gleichbehandlung aller Unternehmen bei Fristen und formellen Vorgaben gebietet.399 Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgt auch, dass alle Bewerber im Verfahren mit gleichen Chancen auf Erhalt der Konzession, und zwar über alle Verfahrensstufen hinweg, behandelt werden müssen.400 Hieraus folgt der Grundsatz des offenen, jedermann zugänglichen Verfahrens.401 (e) Ergebnis Europäisches Vergaberecht Bei den Konzessionsverträgen handelt es sich um Dienstleistungskonzessionen i. S. d. europäischen Vergaberechts. Die rechtlichen Vorgaben bzgl. der Dienstleistungsaufträge finden daher keine Anwendung. Für die Vergabe der Dienstleistungskonzession ergeben sich allerdings aus dem europäischen Primärrecht einzuhaltende Verfahrensvorgaben. Diese folgen vor allem aus dem aus den europäischen Verträgen abzuleitenden Transparanzgebot, Diskriminierungsverbot und dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die hieraus abzuleitenden (zuvor dargestellten) Vorgaben gilt es bei der Durchführung des Konzessionsverfahrens über die Regelungen des EnWG hinaus durch die Gemeinden zu befolgen. dd) Ausschreibungspflicht nach Haushaltsrecht Haushaltsrechtliche Ausschreibungsregeln (so etwa Ausschreibung nach § 55 BHO) sind im Rahmen der Vergabe der Stromkonzessionen nicht einzuhalten, da in diesem Zusammenhang die ausschreibende Gemeinde nicht 396 Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 30 Rn. 45. 397 Monopolkommission, Sondergutachten 59, Energie 2011 (September 2011), S. 30 Rn. 45. 398 Böckel, LKV 2003, 393 (397). 399 Burgi, NZBau 2005, 610 (615), Böckel, LKV 2003, 393 (397). 400 Burgi, NZBau 2005, 610 (615); Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 52. 401 Böckel, LKV 2003, 393 (397).
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auf Haushaltsmittel zugreift402 und es sich bei der Vergabe der Stromkonzession als Dienstleistungskonzession gerade nicht um einen öffentlichen Auftrag handelt.403 f) Privilegierung von gemeindlichen (Re)Kommunalisierungsvorhaben Nachdem vorstehend der Strauß der zu berücksichtigenden Verfahrensregeln dargestellt wurde, soll mit Blick auf die von vielen Gemeinden vorangetriebenen (Re)Kommunalisierungsbestrebungen erneut der Fokus auf die Frage danach gerichtet werden, ob nicht eine Privilegierung gemeindlicher (Re)Kommunalisierungsvorhaben im Bereich der Elektrizitätsnetze (dennoch) geboten sein könnte. aa) Modifikation Verfahrensregeln wegen Art. 28 Abs. 2 GG Will sich die Gemeinde den Erhalt der Konzessionen sichern, so muss sie sich ebenso wie alle übrigen Interessenten und Bewerber im Konzessionsverfahren um die Konzession bewerben und gegen die übrigen Bewerber durchsetzen. Wie in § 6 II.9. dargestellt, kommt den Gemeinden über Art. 28 Abs. 2 GG für das eigene Gemeindegebiet das Recht zu, sich für eine (Re)Kommunalisierung zu entscheiden. Art. 28 Abs. 2 GG schützt insoweit die (Re)Kommunalisierungsbestrebungen der Gemeinden.404 Einige Stimmen in der Literatur gehen diesbezüglich weiter und fordern aus der Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 Abs. 2 GG, dass die Regeln über die öffentliche Bekanntmachung und wettbewerblichen Vergabe der Konzessionen nicht gelten sollen, wenn die Gemeinde sich durch einen Eigenbetrieb oder eine hundertprozentige Tochter selbst um die Konzessionen bewirbt.405 Denn in diesem Falle „könnte die merkwürdige Situation entstehen, dass nicht das Gemeinde eigne Stadtwerk den ‚Zuschlag‘ bekäme, sondern ein drittes Unternehmen“.406 In diesem Falle sei 402 So auch Burgi, NZBau 2005, 610 (612), zur Unanwendbarkeit des Haushaltsrechts auch noch Burgi, NZBau 2005, 610 (610 und 615). 403 Öffentlicher Auftrag als Voraussetzungen zur Anwendbarkeit des § 55 BHO, Pünder/Schellenberg-Pache, Vergaberecht,1. (2011), § 55 BHO Rn. 94. 404 Allgemein zur Zulässigkeit der Bevorzugung kommunaleigener Unternehmen auch Büttner/Templin, ZNER 2011, 121 (123). 405 Becker/Held/Riedel/Theobald-Ortlieb, Energiewirtschaft im Aufbruch (2001), IV-8, S. 390 f.; so auch Büttner/Templin, ZNER 2011, 121 (123). 406 Becker/Held/Riedel/Theobald-Ortlieb, Energiewirtschaft im Aufbruch (2001), IV-8, S. 390.
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eine verfassungskonforme Auslegung der Verfahrensregeln zugunsten der (Re)Kommunalisierung deswegen geboten, weil die Gemeinde sich im Bereich der Daseinsvorsorge bewege und hierin eine Ausprägung der über Art. 28 Abs. 2 GG gewährten Selbstverwaltungsgarantie zu sehen sei.407 Diese Ausführungen verkennen, dass § 46 EnWG die kommunale Selbstverwaltungsgarantie in zulässiger und verfassungskonformer Weise modifiziert.408 Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist nicht schrankenlos, sondern im Rahmen der Gesetze gewährleistet. Einen solchen gesetzlichen, die kommunale Selbstverwaltungsgarantie flankierenden Rahmen stellen § 46 EnWG sowie die übrigen, zuvor dargestellten Regelungen im Zusammenhang mit der Vergabe der Stromkonzessionen dar.409 Durch die vorstehend dargestellten Regelungen wird die Vergabe der Konzessionen in einem gesetzlichen Rahmen geordnet, so wie dies auch in anderen Bereichen, wie bspw. der ebenfalls für die Gemeinden geltenden Regeln über die Vergabe öffentlicher Aufträge durch das Vergaberecht etwa nach GWB geschehen ist. Aus der verfassungsrechtlich gewährten Selbstverwaltungsgarantie folgt nicht die Freiheit der Gemeinden, alles im eigenen Gemeindegebiet nach eigenen Regeln zu gestalten. Es ist daher auch keineswegs eine verfassungskonforme Auslegung der Verfahrensregeln zugunsten etwaiger (Re)Kommunalisierungsvorhaben geboten. Dies hat der Gesetzesgeber auch durch die Regelung des § 46 Abs. 4 EnWG sehr deutlich gemacht. Es ist daher nicht etwa eine „merkwürdige Situation“, dass nicht das gemeindeeigene Stadtwerk „den ‚Zuschlag‘ bekäme, sondern ein drittes Unternehmen“,410 sondern der gesetzlich gewünschte Fall, wenn gerade ein drittes Unternehmen und nicht das (re)kommunalisierte gemeindeeigene Unternehmen im Konzessionsvergabeverfahren obsiegt, weil es die Kriterien besser zu erfüllen vermag. Es bleibt daher im Ergebnis festzuhalten, dass eine Privilegierung der (Re)Kommunalisierung durch eine auf Art. 28 Abs. 2 GG gründende verfassungskonforme Auslegung der Vorgaben über das Konzessionsverfahren abzulehnen ist.411 Dies wird nachfolgend anhand von § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG, § 1 GWB sowie von Art. 3 GG weiter substantiiert werden. 407 Becker/Held/Riedel/Theobald-Ortlieb, Energiewirtschaft im Aufbruch (2001), IV-8, S. 390. 408 So auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 679. 409 § 7 II.3. 410 Becker/Held/Riedel/Theobald-Ortlieb, Energiewirtschaft im Aufbruch (2001), IV-8, S. 390. 411 So auch BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 6, Rn. 22, die dies auch als Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht qualifizieren.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung329
bb) Keine Privilegierung wegen § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG Nach § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG hat die Gemeinde die Konzessionen „diskriminierungsfrei“ zu vergeben. Diese Regelung im EnWG stellt eine spezialgesetzliche Ausprägung des kartellrechtlichen Diskriminierungsbegriffs dar.412 Hieraus folgt, dass die Vergabe der Konzession so ausgestaltet sein muss, dass die Gleichbehandlung der Bewerber gesichert ist, und zwar anhand von sachlichen und objektiven Gründen.413 (1) A nwendung Diskriminierungsverbot aus § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG auf qualifizierte Wegenutzungsverträge Nach seiner Systematik gilt § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG zunächst nur für das sog. einfache und nicht für das qualifizierte Wegenutzungsrecht gem. § 46 Abs. 2 EnWG.414 Das OVG Münster hat aber jüngst zutreffend entschieden, dass sich aus § 46 Abs. 1 EnWG allgemein für das gesamte Konzes sionsvertragsrecht die Pflicht zur diskriminierungsfreien Vergabe der Konzessionen ergibt,415 was sich maßgeblich aus dem gesetzgeberischen Willen zur Schaffung eines „wettbewerblichen Systems“, d. h. einem Wettbewerb um die Netze ableiten lasse.416 Ebenso hat es auch das BKartA in einem Beschluss vom November 2012 entschieden. Dem hat sich nun auch der BGH angeschlossen.417 § 46 Abs. 2 EnWG stellt im Verhältnis zu § 46 Abs. 1 EnWG einen Spezialfall dar, der zusätzliche gesetzliche Anforderungen nötig macht, die allgemeinen aus § 46 Abs. 1 EnWG sich ergebenden
412 Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 2,2. (2010), § 46 Rn. 29; BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, BeckRS 2013, 09751, Rn. 62; differenzierter: Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 44; indes auf vergleichbare Interessenlage und Nebeneinander von Kartellrecht und Energierecht abstellend: Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 2,3. (2014), § 46 Rn. 38. 413 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 44; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 59. 414 Vgl. hierzu § 3 III. 415 § 46 Abs. 1 EnWG stellt dabei einen Spezialfall des aus dem GWB geltenden allgemeinen Diskriminierungsverbotes (nunmehr in § 19 GWB n. F. enthalten) dar, vgl. zur alten Rechtslage (da noch in § 20 GWB a. F. geregelt): Britz/Hellermann/ Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 44; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 60 ff. 416 OVG Münster, Beschl. v. 20.2.2012, 11 B 1187/11, VergabeR 2012, 796 (798). 417 BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 65/12, RdE 2014, 191 (192, insbesondere Rn. 27).
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Regelungen aber nicht verdrängt.418 Entgegen anders lautenden Ausführungen ist auch nicht davon auszugehen, dass § 46 Abs. 2 EnWG im Verhältnis zu § 46 Abs. 1 EnWG eine abschließende und damit den Regelungsgehalt des § 46 Abs. 1 EnWG ausschließende Bestimmung enthält.419 Im Wege eines Erst-recht-Schlusses (argumentum a fortiori) ist vielmehr die Regelung des § 46 Abs. 1 EnWG auch auf die qualifizierten Wegenutzungsverträge zu übertragen.420 Insofern enthält § 46 Abs. 1 EnWG Regelungen, die allgemein für jedwede energierechtliche Konzessionsverträge gelten.421 Daher findet das Diskiminierungsverbot aus § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG422 auch auf qualifizierte Wegenutzungsverträge nach § 46 Abs. 2 EnWG Anwendung.423 (2) Diskriminierungsverbot und (Re)Kommunalisierung Das Diskriminierungsverbot aus § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG ist für das Konzessionsverfahren, vor allem aber für den speziellen Fall, dass die Gemeinde das Netz (re)kommunalisieren will, von erheblicher Bedeutung. Die Gemeinde verstößt (mit Blick auf eine geplante [Re]Kommunalisierung) gegen das Diskriminierungsverbot regelmäßig dann, wenn sie sich entschließt private Dritte zum Schutze des eigenen (re)kommunalisierten Netzunternehmens in dem Konzessionsverfahren zu benachteiligen,424 bspw. durch unzureichende Zurverfügungstellung notwendiger Informationen,425 durch fehlende Offenlegung des Verfahrensablaufs oder gar verfahrensrechtliche Privilegierung des zu (re)kommunalisierenden Unternehmens. Mit dem Diskriminierungsverbot unvereinbar wäre es, wenn sich die Gemeinde im Vorwege – etwa durch ge418 Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 676. 419 So aber wohl Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 52. 420 BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8-101/11, BeckRS 2013, 09751, Rn. 62. 421 So auch Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 46 m. w. N. 422 Selbst, wenn man dies ablehnen sollte, so gilt jedenfalls das Diskriminierungsverbot aus § 19 GWB n. F.; vgl. zur alten Rechtslage (da noch § 20 GWB a. F.): Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 62. 423 Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 676; wohl auch: Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 132; Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (2011), S. 46; a. A.: Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 37 und 42, der dies nur aus §§ 19 I, 20 I i. V. m. 33 I GWB a. F. und Art. 3 GG für möglich hält. 424 Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 58. 425 Hierzu bereits vorstehend in § 7 II.3.c).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung331
meindlichen Beschluss – drauf festlegen würde, dass Verteilernetz zu (re) kommunalisieren. Denn in diesem Falle hätte die Gemeinde eine Vorfestlegung getroffen, die einen offenen Entscheidungsprozess im Rahmen der Vergabe der Konzession und eine diskriminierungsfreie Entscheidung ausschließen würde. Dieser Entschluss der Gemeinde würde zu einem gänzlichen Ausschluss privater Wettbewerber im Wettbewerb um die Konzession führen. Ein solches Vorgehen wäre daher bereits wegen § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG ausgeschlossen und würde außerdem auch gegen die über Art. 12 GG gewährte Berufsfreiheit der privaten Netzbetreiber verstoßen.426 Eine (re)kommunalisierungsfreundliche Modifikation des Konzessionsvergabeverfahrens oder gar die vorherige Festlegung auf das (re)kommunalisierte Unternehmen als zukünftigen Netzbetreiber scheiden daher wegen Verstoßes gegen § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG aus. cc) Wettbewerbsrechtliches Verbot von Vorfeldabsprachen und Vorfestlegungen Auch aus § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV und ggf. § 21 Abs. 2 GWB lassen sich Vorgaben im Hinblick auf die Durchführung des Verfahrens zur Vergabe der Konzessionen ableiten.427 § 1 GWB regelt das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen zwischen Unternehmen. Dieses Verbot hat nicht nur Geltung für private Unternehmen, sondern ebenso für den Staat, wenn er erwerbswirtschaftlich wie ein Unternehmen auf dem Markt agiert.428 Die Gemeinde, die die Konzession für den Netzbetrieb vergibt, handelt wie ein Unternehmen, dass ein ihm zur Verfügung stehendes Gut auf dem Markt absetzt.429 Daher gilt das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen auch im Rahmen der Vergabe der Stromkonzessionen durch die Gemeinde. Dieses Verbot wirkt sich konkret insofern aus, als dass im Vorfeld der Konzessionsvergabe keine Vereinbarungen oder Abreden seitens der Ge meinde getroffen werden dürfen, die die spätere an Wettbewerbsmaßstäben orientierte Konzessionsentscheidung von vornherein verhindern oder verfälschen, so dass dadurch der Wettbewerb um das Netz faktisch ausgeschlossen 426 So nun auch der BGH, der zwar die fehlende Verweisung in § 46 Abs. 4 EnWG auf § 46 Abs. 1 EnWG zunächst hervorhebt, dann aber aus dem Zweck der Regelung des § 46 EnWG ableitet, dass die Gemeinde auch bei einer „Systementscheidung“ für den Netzbetrieb durch eigene Eigenbetriebe an das Diskriminierungsverbot aus § 46 Abs. 1 EnWG gebunden sei, vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 65/12, RdE 2014, 191 (193, Rn. 32 ff.). 427 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 3 f. 428 Zum funktionalen Unternehmensbegriff siehe § 7 II.3.c)ee)(1)(c)(aa). 429 Hierzu bereits in § 7 II.3.c)ee)(1)(c).
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
wird.430 Damit gemeint sind etwa Vorfeldabsprachen zwischen Gemeinde und gemeindlichem Unternehmen zum Zwecke der Verwirklichung eines (Re)Kommunalisierungsvorhabens oder im Vorwege erfolgte Gewinn- oder Renditezusicherungen, die dazu führen, dass das Verfahren zu einer bloßen Formalität verkommt.431 Dies folgt aus § 1 GWB, Art. 101 AEUV und ggf. § 21 Abs. 2 GWB.432 Erst recht nicht mit § 1 GWB vereinbar ist es, wenn die Gemeinde im Vorfeld der Vergabe konkrete Verhandlungen über die (Re)Kommunalisierung durch Vergabe der Konzession an ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen433 führt oder sich im Vorfeld darauf festlegt, das Netz alleine zu (re)kommunalisieren.434 Hierdurch erfolgt eine unzulässige Vorfestlegung auf einen Konzessionsnehmer, der die Entscheidung, die eigentlich in einem wettbewerblichen Verfahren zu erfolgen hat, vorwegnimmt. Dies gilt schon dann, wenn durch vertragliche Vereinbarung zwischen der Gemeinde und einem Bewerber der Gemeinde wirtschaftliche Chancen eingeräumt werden, jedoch keine Übernahme der spiegelbildlichen Risiken durch die Gemeinde erfolgt.435 In solchen Konstellationen kann seitens der Gemeinde, die als einzige im Gemeindegebiet die Konzession vergibt, ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung nach §§ 19, 20 GWB, Art. 102 AEUV vorliegen.436 Diese Grenzen gilt es daher seitens der Gemeinde sorgsam einzuhalten. Bereits der Anschein einer solchen Vorfestlegung kann problematisch sein.437 Denn nicht nur nach § 1 GWB, sondern auch nach dem europäischen Primärrecht besteht die Pflicht, den Entscheidungsprozess transparent, plausibel und diskriminierungsfrei, d. h. ohne Vorfestlegung auf einen Wettbewerber, zu gestalten.438 Der böse Schein einer solchen Vorfestlegung steht dem bereits im Wege.439 Nach diesen kartellrechtlichen Maßstä430 So auch Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 3. 431 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 4 f. 432 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 4. 433 Hierzu ausführlich in § 8 I.2. 434 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 5. 435 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 4. 436 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 4. 437 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 5. 438 Vgl. § 7 II.3.e)cc)(2)(d)(bb)α) und § 7 II.3.e)cc)(2)(d)(bb)β). 439 So auch Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz,8. (2014), § 20 Rn. 2.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung333
ben ist es daher ausgeschlossen, eine Vorbereitung einer (Re)Kommunalisierung durch Gesellschaftsverträge mit Dritten vor der Vergabe der Konzession auszuhandeln.440 Zutreffend führt die Landeskartellbehörde Baden-Württembergs aus, dass diese Schwelle der Vorfestlegung auf einen (Re)Kommunalisierungspartner oder Konzessionsnehmer bereits dann überschritten ist, wenn Verträge geschlossen werden oder aber aufgrund konkreter vorvertraglicher Verhandlungen im Falle der Nichtvergabe der Konzession zivilrechtliche Schadensersatzansprüche entstünden.441 Dies gilt ebenso für einseitige Verpflichtungen seitens der Gemeinde zur Vergabe der Stromkonzession.442 Möglich bleiben konzeptionelle Vorbereitungen seitens der Gemeinde, die jedoch nicht zu konkreten Absprachen führen dürfen.443 dd) Keine Privilegierung wegen Art. 3 GG Was einfachgesetzlich soeben dargelegt wurde, ist auch verfassungsrechtlich geboten. Bereits aus Art. 3 GG ergibt sich, dass alle Bewerber im Konzessionsverfahren durch die öffentliche, vergebende Stelle gleich zu behandeln sind.444 Es verbietet sich nach Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG, ein (re)kommunalisiertes Unternehmen gegenüber den übrigen Unternehmen im Wettbewerb um die Konzession verfahrensrechtlich zu bevorzugen. Hierfür kann auch nicht zugunsten (re)kommunalisierter Unternehmen angeführt werden, diese seien nicht mit privaten Bewerbern vergleichbar und damit würde eine i. R.v. Art. 3 GG nicht zu beanstandene Ungleichbehandlung von nicht wesentlich Gleichem vorliegen.445 Vielmehr stellt das Energiewirtschaftsgesetz in § 46 Abs. 4 EnWG öffentliche Unternehmen den privaten Akteuren gleich. Es besteht daher kein Grund anzunehmen, dass es sich bei öffentlichen (bzw. gemischt-wirtschaftlichen) Un440 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 5. 441 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 5. 442 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 5. 443 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 5. 444 So auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 682 u. S. 721. 445 Verfassungsrechtlich relevant ist nach st. Rspr. des BVerfG nur die Ungleichbehandlung von „wesentlich Gleichem“, siehe etwa: BVerfG, Beschl. v. 12.10.1951, 1 BvR 201/51, BVerfGE 1, 14 (52); BVerfG, Beschl. v. 9.8.1978, 2 BvR 831/76, BVerfGE 49, 148 (165); BeckOK-Kischel, GG,24. Edition (Stand: 01.03.2015), Art. 3 Rn. 14; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte Staatrecht II,29. (2013), § 11 Rn. 463 ff.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
ternehmen – wie es (re)kommunalisierte Unternehmen sind – und privaten Unternehmen um unterschiedliche Gruppen handelt, die deswegen auch ungleich behandelt werden können. Bei der Bevorzugung (re)kommunalisierter Unternehmen im Verfahren handelt es sich um eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, was einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstellt.446 Daher ist auch bereits aus Art. 3 GG die Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung von Wettbewerbern im Verfahren um die Konzessionen geboten. g) Zusammenfassung Ein buntes Potpourri an Verfahrensregeln wurde vorstehend aus den unterschiedlichen Rechtsquellen hergeleitet. Vorrangig sind dabei die Regelungen des EnWG zu beachten, die jedoch nur rudimentäre Bestimmungen zum Verfahrens enthalten und an einigen Stellen in ihrer gesetzlichen Fassung erhebliche Unklarheiten aufweisen, weswegen sie einer Auslegung bedürfen. Ergänzend sind Vorgaben aus dem GG (Rechtsstaats- und Demokratieprinzip sowie Gleichbehandlungsgrundsatz), dem Kartellrecht sowie insbesondere (wegen der Qualifizierung der Stromkonzession als Dienstleistungskonzession) Vorgaben aus dem europäischen Primärrecht zu beachten. Dabei sind die aus dem europäischen Transparenzgebot, Diskriminierungsverbot und dem Gleichbehandlungsgrundsatz abzuleitende Regeln sehr allgemein und abstrakt. Dies führt zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit und einem undurchschaubaren System, das weder dem Wettbewerb und den potentiellen Wettbewerbern um die Konzession einerseits noch den Gemeinden als Entscheidungsträgern andererseits dient. Klare Verfahrensvorgaben, die konkret auf die Anforderungen der Stromkonzessionsvergabe zugeschnitten sind, sollten daher (abschließend) gesetzlich durch den deutschen Gesetzgeber im EnWG geregelt werden. 4. Zulässige Entscheidungs- und Auswahlkriterien für die Vergabeentscheidung Den Gemeinden steht aus Art. 28 Abs. 2 GG das Recht zu, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln. Dies trifft, wie in § 6 II.9. dargestellt, grundsätzlich auch für die Vergabe der Stromkonzessionen zu. Aus der in Art. 28 Abs. 2 GG niedergelegten Selbstverwaltungsgarantie ist den Gemeinden daher bei der Wahl ihrer Entscheidungs- und Auswahlkriterien für die konzessionsrechtliche Vergabeentscheidung zunächst grund446 BeckOK-Kischel,
GG,24. Edition (Stand: 01.03.2015), Art. 3 Rn. 14.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung335
sätzlich ein gewisser Entscheidungsspielraum zuzuerkennen.447 Allerdings besteht dieser Entscheidungsspielraum über Art. 28 Abs. 2 GG nur im Rahmen der Gesetze und kann somit durch rechtliche Bestimmungen konkretisiert oder eingeschränkt sein.448 Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf diese rechtliche Ausgestaltung. Damit soll ein Rahmen objektiver, sachgerechter und rechtlich zulässiger Kriterien abgesteckt werden. Dies erscheint insbesondere deswegen notwendig, weil die juristische Aufarbeitung dieser Fragen bisher spärlich erfolgt ist,449 allerdings allgemein zugängliche Empfehlungen oder Leitfäden für Gemeinden zahlreich zu finden sind. a) Keine grenzenlose Wahlfreiheit der Gemeinden Vor der Reform des EnWG im Jahr 2011 wurde vielfach vertreten, dass die Auswahl- und Entscheidungskriterien der Fantasie der Gemeinden im Rahmen ihres Entscheidungsspielraums nach Art. 28 Abs. 2 GG überlassen seien.450 Juristische Abhandlungen sprachen mit Blick auf die Entscheidungs- und Auswahlkriterien von einer „Angelegenheit der Kommunal politik“451 und nicht von einer Rechtsfrage.452 Unter anderem wurde dies darauf gestützt, dass § 46 EnWG keine Kriterien für die Auswahl festlegte,453 und auch der Gesetzgeber äußerte sich im Hinblick auf das EnWG a. F. auch Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 362. Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 139; a. A.: Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 357 ff., der hierzu auch ausführt, dass die Auswahlentscheidung „Sache der politischen Instanzen“ sei, vgl. S. 358; wohl auch Büttner/Templin, ZNER 2011, 121 (123), die unter Verweis auf Art. 28 Abs. 2 GG Beschränkungen bei der Aufstellungen von Auswahl- und Entscheidungskriterien ablehnen. 449 In der Literatur soweit ersichtlich nur: Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011); BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 21 ff. 450 Dies auch feststellend: Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 6, S. 17, S. 23 ff.; Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,3. (2011), § 9 Rn. 82; Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (37); BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 18. 451 Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,3. (2011), § 9 Rn. 82. 452 Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,3. (2011), § 9 Rn. 82; Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (37), die dies als Entscheidung der „Lokalpolitik“ bezeichnen. 453 BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 18. 447 So
448 Kermel-Schwensfeier,
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
dahingehend: „Nach welchen Kriterien die Gemeinde ihre Auswahlentscheidung zu treffen hat, wird nicht bestimmt.“454 Hieran anknüpfend wurde und wird gefolgert, dass die Gemeinden selbst die Kriterien frei bestimmen könnten, die sie ihrer Entscheidung zugrunde legen wollten.455 Einige gingen dabei sogar soweit, dass die Gemeinden „grundsätzlich frei“ in ihrer Entscheidung darüber seien, wen sie als Vertragspartner auswählen würden.456 Selbst im Jahr 2011 konnte man in der Literatur noch Aussagen finden, wonach die Gemeinden „als Ausfluss von Art. 28 Abs. 2 GG über einen weiten, nahezu grenzenlosen Entscheidungsspielraum“457 verfügen würden oder „die Auswahl des örtlichen Netzbetreibers […] letztlich eine Entscheidung der Kommunalpolitik“458. Nach der EnWG-Novelle im Sommer 2011 und aufgrund der gesetzlichen Änderungen in § 46 EnWG stellt sich nun unter anderen Vorzeichen, aber auch mit Blick auf die früheren Ausführungen in der Rechtswissenschaft die Frage, ob die Gemeinden wirklich frei in der Wahl der Entscheidungs- und Auswahlkriterien sind (es also eine rein politische Entscheidung ist) oder aber rechtliche Vorgaben diese Entscheidungs- und Kriterienwahl bestimmen. Ob Art. 28 Abs. 2 GG einen Einfluss auf die Vergabe der Stromkonzessionen dergestalt ausübt, dass die Gemeinde „auf das Recht […] zur Festlegung der Leistungsparameter des künftigen Netzbetreibers“ sowie die freie politische Auswahlentscheidung verwiesen ist,459 muss dabei bezweifelt werden. Denn nunmehr enthält das EnWG Vorgaben zu den zulässigen Entscheidungs- und Auswahlkriterien [nachfolgend in § 7 II.4.b)]. Darüber hinaus sind auch aus anderen Rechtsmaterien Bestimmungen zu beachten [hierzu nachfolgend in § 7 II.4.c)].
454 BT-Drs.
13/7274, S. 21.
EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 65 ff.; Kermel/Brucker/Baumann-Brucker, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 71; Schau, RdE 2011, 1 (3); Deutscher Städtetag/ Deutsche Städte- und Gemeindebund/Verband der kommunalen Unternehmen e. V., Konzessionsverträge, Handlungsoptionen für Kommunen und Stadtwerke (2011), S. 74 f. 456 Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 135. 457 Schau RdE 2011, 1 (3). 458 So noch in Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,3. (2011), § 9 Rn. 82; enger in Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 92, wonach ein „kommunalpolitischer Spielraum“ bestünde. 459 So aber Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 679. 455 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann,
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung337
b) Vorgaben aus § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG Die gesetzlichen Bedingungen und Verpflichtungen der Gemeinde für die Vergabe der Stromkonzessionen regelt zentral § 46 EnWG. Dieser wurde im Rahmen der EnWG Novelle aus dem Jahr 2011 an einigen Stellen überarbeitet und neu gefasst. Der Gesetzgeber führte in diesem Zuge den § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG mit einem Verweis auf § 1 EnWG ein, wonach die Gemeinde bei der Auswahl des neuen Konzessionärs im Verfahren um die Stromkonzessionen „den Zielen des § 1 verpflichtet“ ist. Dadurch wird § 1 EnWG zum Maßstab für die Auswahl des zukünftigen Konzessionsnehmers in das Vergabeverfahren nach § 46 EnWG einbezogen. Hierzu ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass es sich lediglich um eine Klarstellung handele.460 Dabei ist die Neuerung in § 46 EnWG deutlich mehr als eine Klarstellung. Rechtsprechung und Literatur461 schwiegen (wie vorstehend dargelegt) vielfach zu den zulässigen Auswahl- und Entscheidungskriterien.462 Mit dem Verweis auf § 1 EnWG schafft die gesetzliche Neuregelung damit erstmals einen Orientierungsrahmen für die Auswahl- und Entscheidungskriterien im Konzessionsvergabeverfahren nach § 46 EnWG. aa) Vorüberlegungen Bevor eine Einzelanalyse der nach § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG möglichen Auswahl- und Entscheidungskriterien erfolgt, sind einige Vor überlegungen anzustellen. (1) „Zweck“ versus „Ziel“ des Gesetzes Im Umgang mit § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG und § 1 EnWG ist zunächst eine sprachliche Unklarheit des Gesetzeswortlauts zu klären, die vielfach von Abhandlungen zu dieser Neuregelung ignoriert wird.463 § 46 Abs. 3 S. 5 460 BT-Drs.
17/6072, S. 88. Ausführungen zu den zulässigen Kriterien bspw. in der Kommentierung von Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006) oder noch in Britz/Hellermann/ Hermes-Hellermann, EnWG,2. (2010), § 46 EnWG, der unter Rn. 65 nur auf die Nichtfestlegung des Gesetzgebers auf Kriterien hinweist. In der neuen Auflage Britz/ Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), nun aber unter § 46 Rn. 67 d) ff., insb. 67 f) ff. 462 Hierauf hinweisend auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 23 ff. 463 So z. B. Hofmann, NZBau 2012, 11 (15), der dieses Problem nicht thematisiert. 461 Keine
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
EnWG formuliert, dass die Gemeinde bei der Auswahl des Konzessionärs den „Zielen des § 1“ EnWG verpflichtet sei. Der § 1 EnWG enthält aber keine Ziele, sondern normiert den „Zweck des Gesetzes“. Dies ist gem. § 1 Abs. 1 EnWG eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Ener gien beruht. Sprachlich besteht zwischen Ziel und Zweck ein Unterschied. Der Zweck ist die Orientierung von Handlungen und Handlungserfolgen.464 Ein Ziel ist indes der Punkt oder Ort, bis zu dem jemand kommen bzw. den jemand erreichen will,465 also anders ausgedrückt: der gewünschte und angestrebte Sollzustand.466 Insofern besteht ein Unterschied zwischen Ziel (in § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG) und Zweck (in § 1 Abs. 1 EnWG). Im Ergebnis wird dies aber ohne rechtliche Auswirkungen bleiben müssen, da anzunehmen ist, dass es sich hierbei lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit des Gesetzgebers handelt. Aus den Gesetzesmaterialien zur Novelle des EnWG im Jahr 2011 ist jedenfalls nicht zu ersehen, dass mit der unterschiedlichen Wortwahl ein gesetzgeberisches Ziel verfolgt wurde. Dass diese sprachliche Ungenauigkeit vielmehr bereits Tradition hat, macht auch ein Blick in ältere Gesetzesmaterialien deutlich. Schon in den Gesetzesmaterialien zur Novelle im Jahr 1998, wo § 1 EnWG um den Aspekt des Umweltschutzes ergänzt wurde,467 lässt sich die Verwendung beider Begriffe Zweck und Ziel in gleicher Weise feststellen. Auch hier spricht der Gesetzgeber zwar von § 1 EnWG und dem Zweck des Gesetzes, führt jedoch ebenso aus, dass es sich bei den in § 1 EnWG niedergelegten Aspekten um „Ziele, zu dessen Verwirklichung das Gesetz im Interesse der Allgemeinheit beitragen soll“,468 handele. Daher ist diese begriffliche Ungenauigkeit für die nachfolgenden Ausführungen ohne rechtliche Konsequenz. (2) Leitende Aspekte der Auslegung und Grenzen der Kriterienwahl Die Verweisung auf § 1 EnWG führt zu einem weiteren, sich daran anschließenden Problem, dass aus der Zwecksetzung des § 1 EnWG unmittelbar keine Vergabekriterien entnommen werden können, sondern der Zweck des Gesetzes so weit ausgelegt werden muss, dass sich hieraus Kriterien für die Konzessionsvergabe ableiten lassen. Die hohe Abstraktheit der in § 1 Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, Bd. 30,21. (2006), S. 592. wörtlich so in: Duden, zu dem Begriff Ziel, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:40 Uhr unter: http://www.duden.de/rechtschreibung/Ziel. 466 Albers, Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Bd. 9 (1988), S. 181 ff. 467 Bundesregierung, BT-Drs. 13/7274, Anlage 3, S. 31 (linke Spalte). 468 Bundesregierung, BT-Drs. 13/7274, Anlage 3, S. 31 (rechte Spalte). 464 Zwahr,
465 Nahezu
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EnWG aufgelisteten Merkmale erschwert diese Auslegung. Konkrete Kriterien aus § 1 EnWG abzuleiten, stellt daher eine schwierige Aufgabe dar. Dies schon deswegen, weil der in § 1 EnWG niedergelegte Zweck des Gesetzes für alle Wertschöpfungsstufen der Energieversorgung gilt und nicht nur bzgl. des Netzbetriebes verfasst wurde. Es ist jedoch eine Auslegung des § 1 EnWG einzig im Hinblick auf den Netzbetrieb und die Energieverteilung zur Suche nach zulässigen Auswahl- und Entscheidungskriterien notwendig. Für diese Auslegung des § 1 EnWG sind dabei die aus dem EnWG für den Netzbetrieb geltenden Regelungen zu beachten. Denn es können keine Aspekte oder Vorstellungen der Gemeinde zu Kriterien gemacht werden, die gesetzlich für den Netzbetrieb ausgeschlossen sind.469 In diesem Zusammenhang ist besonders auf die Regelungen der §§ 6 ff. EnWG und deren Folgen für den Netzbetrieb einzugehen. Nach §§ 6 ff. EnWG sind die Wertschöpfungsstufen der Energieversorgung grundsätzlich getrennt von einander zu betreiben (sog. Entflechtung oder Unbundling). Diese Trennung von Erzeugung, Netzbetrieb und Stromvertrieb hat zu einem Aufbrechen der monopolistischen Strukturen und der damit einhergehenden Missbrauchsrisiken geführt.470 Sie ist grundsätzlich von jedem Energieversorgungsunternehmen einzuhalten. Eine Verbindung von Netzbetrieb und Erzeugung hat dabei grundsätzlich zu unterbleiben bzw. vorhandene Verbindungen sind zu entflechten [vgl. hierzu ausführlich in § 8 II.3.a)]. Dies hat nicht nur Folgen für die Organisation von Energieversorgungsunternehmen, sondern wirkt sich unmittelbar auf die Gestaltung der Energieversorgung als Ganze aus. Hieraus entsteht der Grundsatz, dass die verschiedenen Wertschöpfungsstufen der Energieversorgung getrennt zu betreiben sind. Das bedeutet aber auch, dass eine Verschmelzung der Wertschöpfungsstufen durch die Hintertür der Konzessionsvergabe ebenso wenig gestattet ist, wie eine Umgehung des Grundsatzes der Entflechtung durch ein Energieversorgungsunternehmen. So wie die Stromerzeugung grundsätzlich nicht durch den Netzbetreiber quasi aus einer Hand erfolgen darf, so kann eine Gemeinde auch keine Aspekte der Stromerzeugung in die Vergabe der Stromkonzession zum Netzbetrieb einfließen lassen. Diese Verbindung der unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen verbietet sich wegen der Entflechtungsregelungen der §§ 6 ff. EnWG.471 Aus den Entflechtungs-bestimmungen der §§ 6 ff. EnWG folgt daher, dass die Wirkung der Netzinhaberschaft auf Vertrieb und Erzeugung bei der Entscheidung über die Konzessionsvergabe außer Acht zu lassen ist.472 Bei der Entscheidung der auch Büdenbender, DVBl. 2012, 1530 (1533). skeptisch: Säcker/Boesche, BB 2001, 2329 (2330). 471 Bundeskartellamt, Ausschussdrucksache 17(9)383, 21. Januar 2011, S. 4. 472 Bundeskartellamt, Ausschussdrucksache 17(9)383, 21. Januar 2011, S. 4. 469 So
470 Noch
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Gemeinde über die Vergabe der Stromkonzession dürfen wegen §§ 6 ff. EnWG Aspekte der Stromerzeugung oder des Stromvertriebs (wie etwa der Ausbau erneuerbarer Energien vor Ort) keine Rolle spielen.473 Für die Auslegung des § 1 EnWG zwecks Ermittlung von Auswahl- und Entscheidungskriterien ist daher zu beachten, dass nur netzspezifische Kriterien aus § 1 EnWG ermittelt und berücksichtigt werden dürfen.474 Dieser Befund wird nicht nur von den §§ 6 ff. EnWG gestützt. Vielmehr ist er der Konzessionsvergabe und dessen Gegenstand selbst immanent. Denn sachgerechte Kriterien für die Vergabeentscheidung müssen in einem logischen Zusammenhang zum Gegenstand der Konzessionsvergabe (also dem Konzessionsvertrag) stehen und sich innerhalb der rechtlichen Vorgaben bzgl. eben dieses Konzessionsvertrages halten.475 Der normative Gehalt des Konzessionsvertrages als Gegenstand der Konzessionsvergabe bestimmt daher ebenso die aufgezeigten Grenzen. Insofern sind auch konzessionsvertragliche Aspekte i. R.d. Kriterienwahl zulässig.476 Die Auslegung des § 1 Abs. 1 EnWG und der dort niedergeschriebene Zwecke des Gesetzes muss daher immer mit Blick auf konzessionsvertrags- und netzspezifische Aspekte erfolgen. Da die Gemeinde bei der Vergabe der Stromkonzession auch an Art. 3 GG und das hieraus abzuleitende Willkürverbot gebunden ist, darf auch nach geltendem Verfassungsrecht die Gemeinde nur sachliche und objektive Kriterien, die sich an dem Netzbetrieb orientieren, ihrer Entscheidung zugrunde legen.477 Kriterien, die außerhalb des normativen, mit der Stromkon473 Gentzsch, in: Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 4 (5). 474 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 92 ff.; Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 204; für einen Anteil von 50 %, vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.9.2013, 10 ME 88/12, RdE 2014, 41 (41 ff.); für einen Anteil von 75 % als absolute Untergrenze, vgl. Höch, RdE 2013, 60/67); a. A.: Templin, Recht der Konzessionsvergabe (2009), S. 135, wonach sie „frei [seien], wen sie als Vertragspartner auswählen“; VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12 ZNER 2012, 541 (544). 475 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 33. 476 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 92 ff. 477 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 66b; Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsab-
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zession und dem Netzbetrieb verbundenen Gehalts liegen, weisen keinen solchen sachgerechten Bezug auf und stellen insofern eine unzulässige Verknüpfung zu sachfremden Aspekten her.478 Daher ist es auch nach Art. 3 GG geboten, dass nur solche Kriterien bei der Vergabeentscheidung berücksichtigt werden, die eine logische Verbindung zum Konzessionsvertrag bzw. dem Netzbetrieb aufweisen. Dies wird auch durch die geltenden europäischen Bestimmungen bestärkt. Auch aus dem europäischen Transparenzgebot folgt, dass die Gemeinden nur objektive eignungs- und angebotsbezogene Kriterien auswählen dürfen.479 Dieser Vorgabe entsprechen aber nur solche Kriterien aus § 1 EnWG, die im Rahmen einer netz- bzw. konzessionsvertragsspezifischen Auslegung ermittelt wurden. Denn anderen, außerhalb davon liegenden Kriterien fehlt es an der objektiven Eignungs- und Angebotsbezogenheit auf den Konzessionsvertrag als Vergabegegenstand. Auch aus dem Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgrundsatz folgt, dass das Verfahren einzig nach objektiven Kriterien geführt, ausgestaltet und entschieden werden darf.480 Das Stromnetz, als Gegenstand der Vergabeentscheidung muss daher die leitende Richtschnur bei der Wahl der Vergabekriterien bleiben.481 Andere Bezugspunkte, die nicht stromnetz- oder konzessionsvertragsspezifisch sind, dürfen indes nicht einbezogen werden. (3) Möglichkeit der Bildung von Unterkategorien Die Zwecke des § 1 Abs. 1 EnWG sind sehr allgemein gefasst. Hierunter lassen sich verschiedenste netz- bzw. konzessionsvertragsspezifische Aspekte fassen.482 Um die abstrakten Zwecke des Gesetzes in greifbare Kriterien zu formen, können die Gemeinden daher Unterkategorien aus den in § 1 gaben (2012), Kap. 5 Rn. 154; Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rn. 88. 478 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 44; a. A.: wohl Byok/Graef/Faasch, NZBau 2012, 556 (558); Schau, RdE 2011, 1 (3). 479 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), Rn. 22; Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 5. Schau, RdE 2011, 1 (3). 480 Prieß/Marx/Hölzl, NVwZ 2011, 65 (68); Schau, RdE 2011, 1 (3). 481 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 92. 482 Hierzu nachfolgend in § 7 II.4.b)bb).
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EnWG genannten Zwecken des Gesetzes ableiten.483 So können aus einem Zweck mehrere Aspekte zu Auswahl- und Entscheidungskriterien in der Konzessionsvergabe werden. Den Zielen des § 1 EnWG widersprechende Kriterien können indes nicht gewählt werden. Auch dürfen die in § 1 EnWG genannten Zwecke des Gesetzes im Rahmen einer Kriterienfindung nicht zu weit ausgelegt und damit überdehnt werden. bb) Mögliche aus § 1 Abs. 1 EnWG ableitbare Auswahl- und Entscheidungskriterien Wie solche Kriterien i. S. d. § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG aussehen können, wird nachfolgend (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) anhand der Zwecke des § 1 EnWG untersucht werden. (1) K riterien aus der sicheren Versorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG In § 1 Abs. 1 EnWG ist die sichere Versorgung mit Energie als erster Zweck des EnWG genannt. Diesem Zweck des Gesetzes werden viele Ausprägungen etwa von zeitlichen bis technischen Aspekten zugeschrieben.484 Herrschend werden dem Aspekt der Sicherheit der Energieversorgung vor allem aber die technische Sicherheit der Energieversorgung und die Versorgungssicherheit als mengenmäßig ausreichende Versorgung mit Energie sowohl zu Spitzenlastzeiten als auch bei geringer Last zugeschrieben.485 Insbesondere die Versorgungssicherheit eignet sich als Anknüpfungspunkt für Kriterien für die Stromkonzessionsvergabe. Entscheidend für die ausreichende Versorgung mit Energie ist aber auch ein aus wirtschaftlicher und finanzieller Sicht stabiler Netzbetrieb. In diesem Sinne sollte ein zukünftiger Netzbetreiber eine hinreichende finanzielle Ausstattung sowie ausreichende Sachkunde, speziell ausgebildetes Personal sowie ein professionelles Be483 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 3; Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 199 ff. 484 Danner/Theobald-Theobald, Energierecht,78. EGL (Sept. 2013), EnWG, § 1 Rn. 15 ff. 485 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 13/7274, S. 14 (linke Spalte); Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann/Hermes, EnWG,3. (2015), § 1 Rn. 24 ff.; Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 204; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 1 Rn. 24 ff.; Säcker-Säcker/Timmermann, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), § 1 Rn. 2.
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triebskonzept aufweisen.486 Insofern können auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie Professionalität des Netzbetreibers i. R.d. sicheren Versorgung eine Rolle spielen.487 Im Übrigen können die Gemeinden auch die Netzwartung und -pflege (Netzqualität)488 als Kriterium aus der sicheren Versorgung i. S. d. § 1 EnWG ableiten sowie die dadurch zu erreichende Netzstabilität, die Reaktions- und Beseitigungszeiten bei Störungen und die Minimierung von Störungsanfälligkeiten im Netz.489 Letztere Aspekte ergeben sich aus der technischen Sicherheit als Teil der sicheren Versorgung mit Energie. Auch Aspekte des Netzausbaus, also der nachhaltigen Sicherung einer stabilen Energieversorgung, können als Unterkriterium aus der Versorgungssicherheit nach § 1 Abs. 1 EnWG abgeleitet werden.490 Unzulässig wären indes etwaige Kriterien, die an die Stromerzeugung oder den Vertrieb anknüpfen, also bspw. die mengenmäßig ausreichende Erzeugung von Strom im Netzgebiet betreffen. Aufgrund der Entflechtung der Wertschöpfungsstufen in der Energieversorgung,491 kann das Netz nur für sich als eigenständiger Teil betrachtet werden. (2) Kriterien aus der effizienten und preisgünstigen Versorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG Neben der sicheren Versorgung mit Energie erklärt § 1 Abs. 1 EnWG auch die effiziente und preisgünstige Versorgung zum Zweck des EnWG. Der Gesetzgeber hat den Zweck der Preisgünstigkeit der Energieversorgung in der Begründung zur Reform des EnWG aus dem Jahr 1998 dann als erfüllt angesehen, wenn das Vorliegen einer Versorgung zu Wettbewerbsprei486 So auch Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 2; KermelSchwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 206. 487 So auch bzgl. der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 206. 488 Gentzsch, in: Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 4 (5); Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzes sionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 207 f. 489 So auch Hofmann, NZBau 2012, 11 (16); Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013). 490 Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 209 ff., mit Beispielen. 491 Hierzu ausführlich in § 8 II.3.a).
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sen bzw. zu möglichst geringen Kosten gegeben sei.492 Diesbezüglich ist jedoch zur Vorsicht zu mahnen. Diese Ausführungen können und dürfen sich nur auf die Kosten des Netzbetriebs, nicht aber auf die Kosten der Stromerzeugung oder des Vertriebs beziehen. Flankiert wird der Zweck der Preisgünstigkeit von der effizienten Versorgung mit Energie. Diese wurde insbesondere mit Blick auf die Netze in das EnWG aufgenommen. Hierzu heißt es in den Gesetzgebungsmaterialien, dass „die Effizienz der Energieversorgung, insbesondere auch die Kosteneffizienz der Energieversorgungsnetze, ebenfalls Zweck des Energiewirtschaftsgesetzes ist“.493 Die effiziente und preisgünstige Versorgung nach § 1 Abs. 1 EnWG wird im Hinblick auf die Möglichkeit, hieraus Kriterien für die Vergabe abzuleiten teilweise als „nur beschränkt aussagekräftig“ angesehen.494 Dieser Ansicht ist entgegenzutreten. Aus dem Ziel der effizienten und preisgünstigen Versorgung kann die Gemeinde für Ihre Vergabe als Kriterium einen effizienten495 bzw. wirtschaftlichen496 Netzbetrieb ableiten497. Für den Aspekt der Effizienz kann dabei auf Konzepte zur Steigerung der Kosteneffizienz oder die Verringerung von Verlustleistungen im Netz abgestellt werden.498 Auch die Netzentgelte und Investitionen bzw. Investitionsvorhaben können von Bedeutung sein.499 Auch wenn niedrige Netzentgelte zunächst vor allem für die Unternehmen von Vorteil sind, die Strom ins Netz einspeisen und dafür diese Entgelte entrichten müssen, so können niedrige Netzentgelte auch bei Verbrauchern zu niedrigeren Stromkosten führen, da sie auf den Strompreis umgelegt werden.500 492 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 13/7274, S. 14 (linke Spalte); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 1 Rn. 32. 493 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, BT-Drs. 15/5268, S. 116 (rechte Spalte); hierzu auch: Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 1 Rn. 44. 494 Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 3, konkret hier im Hinblick auf „regulatorische Werte“, ähnlich auch Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 228. 495 So auch Gentzsch, in: Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 4 (5). 496 Theobald, DÖV 2009, 356 (358). 497 Bzgl. Kriterien, die auf die Netzentgelte bzw. deren Höhe und die Wirtschaftlichkeit i. S. d. § 97 Abs. 5 GWB abstellen, siehe einschränkend § 7 II.4.c)bb)(4) und § 7 II.4.c)cc)(3). 498 Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 234 f. 499 Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 217. 500 § 5 II.3.
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Ebenso kann die Bewältigung der regulatorischen Anforderungen als Kriterium unter diesem Aspekt Eingang in das Vergabeverfahren finden.501 Auch Konzepte oder etwa ein Monitoring bzgl. der Entwicklung des Netzes zu einem intelligenten Netz (smart grid) können einbezogen werden.502 Für die Wirtschaftlichkeit des Netzbetriebes und auch im Interesse der Endkunden ist die Effizienz des Netzbetriebes von besonderer Bedeutung. Denn unterhalb einer gewissen Größenordnung ist mit Effizienznachteilen beim Netzbetrieb und höheren Kosten für die Netznutzer zu rechnen,503 was auch zu einer Hemmung des Wettbewerbs auf den Vertriebsmärkten sowie höheren Stromkosten führen kann.504 Insbesondere kleinteilige Netze können eine Ineffizienz des Netzbetriebes verursachen, wodurch zusätzliche Kosten für die Stromabnehmer entstehen können.505 Auch für den Netzbetreiber selbst stellt dies ein enormes Risiko dar, da seine Gewinne aufgrund der Anreizregulierung [hierzu ausführlich in § 8 II.3.b)] maßgeblich davon abhängen, dass er die Kosten seines Netzbetriebes möglichst niedrig hält.506 Dieser Aspekt spielt insbesondere für (Re)Kommunalisierungsvorhaben in kleinen Gemeinden eine Rolle. Eine (Re)Kommunalisierung um jeden Preis verbietet sich im Hinblick auf das Kriterium der Effizienz des Netzbetriebes aus § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 Abs. 1 EnWG. Ist das Gemeindegebiet so klein, dass wegen einer Netzzersplitterung mit Ineffizienz bei der Vergabe an ein (re)kommunalisiertes Unternehmen zu rechnen ist, spricht § 1 Abs. 1 EnWG gegen die Zuschlagserteilung an das (re)kommunalisierte Unternehmen. Denn diesbezüglich formuliert § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG sehr deutlich: „Die Gemeinde ist bei der Auswahl den Zielen des § 1 verpflichtet.“ [Hervorhebung durch Verfasserin] Insofern bildet das Kriterium der Effizienz aus § 1 EnWG nicht nur die Möglichkeit, für die Gemeinde hieraus Kate501 Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 47 ff.; Gentzsch, in: Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzen trum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 4 (5). 502 Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 4. 503 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 5 f. Rn. 21; Becker/ Held/Riedel/Theobald-Attig, Energiewirtschaft im Aufbruch (2001), IV-1, S. 301. 504 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 5 f. Rn. 21; Städte und Gemeindebund NRW, Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen, NRW-Mitteilung 15/2011 (4.1.2011), S. 1. 505 Landesregierung Sachsen-Anhalt, Drs. 5/3133 (3.3.2011), S. 3; BKartA/ BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 5 f., Rn. 21; Städte und Gemeinde bund NRW, Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen, NRW-Mitteilung 15/2011 (4.1.2011), S. 1. 506 Ähnlich so schon: Becker/Held/Riedel/Theobald-Attig, Energiewirtschaft im Aufbruch (2001), IV-1, S. 300.
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gorien zu bilden, sondern verpflichtet sie dazu. Damit ist auch ineffizienten Netzbetriebsmodellen eine klare Grenze gesetzt. Auch bzgl. der Effizienz und Kostengünstigkeit der Energieversorgung gilt das vorstehend zum Aspekt der Sicherheit der Versorgung ausgeführte. Aufgrund der Entflechtung der Wertschöpfungsstufen und des Konzessionsvertrags als Vergabegegenstand wäre es unzulässig, Kriterien in die Vergabeentscheidung einfließen zu lassen, die auf Erzeugungs- oder Vertriebskosten abstellen und somit keinen Bezug zum Stromnetz aufweisen. Diese Kosten machen zwar den Großteil der Stromkosten insgesamt aus507 und bieten daher prozentual gesehen das größte Einsparpotential. Sie sind aber nicht vom Betrieb des Netzes abhängig und vom Netzbetreiber, der sich um die Konzession im Verfahren bewirbt, damit nicht beeinflussbar. (3) K riterien aus der umweltverträglichen Versorgung sowie dem zunehmenden Beruhen auf erneuerbaren Energien i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 EnWG auch Augenmerk auf die umweltverträgliche Versorgung mit Energie gelegt. Hierunter zählt er den rationellen und sparsamen Umgang mit Energie (Einsparungsprinzip), die schonende und dauerhafte Nutzung von Ressourcen (Nachhaltigkeitsprinzip) und möglichst geringe Umweltbelastungen (Belastungsminimierungsprinzip).508 In Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsprinzip ist dabei auch der letzte Satz des § 1 Abs. 1 EnWG zu sehen, der das zunehmende Beruhen der Energieversorgung auf erneuerbaren Energien als Zweck des EnWG normiert. Die umweltverträgliche Versorgung mit Energie stellt dabei vor allem auf die Wertschöpfungsstufe der Energieerzeugung ab. Einige Gemeinde setzen gerade dies als Kriterien im Rahmen ihrer Konzessionsvergabe an, indem sie die Förderung erneuerbarer Energien durch den Netzbetreiber zum Maßstab ihrer Vergabeentscheidung machen.509 In der Praxis, aber auch im Schrifttum findet sich als zulässiges Kriterium der Vergabeentscheidung die Förderung und / oder Bereitschaft des Konzessionsnehmers zum Aufbau und Ausbau dezentraler Energieversorgungsstrukturen mittels erneuerbarer Energien (KWK-Anlagen, Windkraft- oder Solarstromanlagen).510 Allerdings ist 507 Siehe
hierzu § 5 II.3. Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 1 Rn. 22. 509 Siehe § 4 V. 510 Beschluss BKartA, Beschl. v. 21.11.2011, B10-17/11, BeckRS 2013, 14901 Rn. 24; Theobald, DÖV 2009, 356 (358); bzgl. der Zulässigkeit aber skeptisch: Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 105; unklar in Rn. 152. 508 Salje,
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auch dies mit Blick auf die Entflechtung der Wertschöpfungsstufen511 sowie den Netzbetrieb512 als Vergabegegenstand unzulässig. Der Netzbetreiber hat keinen Einfluss auf die Erzeugung von Energie durch regenerative Anlagen und deren Einspeisung ins Netz. Dies obliegt den Energieerzeugern. Auch der Zugang zum Netz eignet sich nicht als Kriterium. Nach § 20 EnWG haben alle Netzbetreiber Dritten Zugang zum Netz zu verschaffen. Auch ein Fördern im Sinne einer Verpflichtung zur Anbindung erneuerbarer Energieanlagen taugt nicht als Kriterium für die Auswahlentscheidung.513 Denn zum Anschluss von erneuerbaren Energien sind alle Netzbetreiber gem. §§ 17, 18 EnWG i. V. m. § 5 EEG verpflichtet, so dass sich hieraus keine Ausdifferenzierungsmöglichkeit und damit kein rechtlicher Mehrwert für die Auswahlentscheidung ergibt.514 In Bezug auf die umweltverträgliche Versorgung als Zweck des § 1 Abs. 1 EnWG kann eine Gemeinde aber das Kriterium der Innovationsfähigkeit des Netzbetreibers zugrunde legen.515 Darunter können etwaige Pläne mit Blick auf smart grids oder geringere Energieverluste in den Stromleitungen Berücksichtigung finden. Darüber hinaus ist ein weiteres denkbares Kriterium der umweltverträgliche Betrieb des Stromnetzes, bspw. durch besondere Maßnahmen zum Umweltschutz bei der Verlegung neuer Leitungen (etwa durch Minimierung des Flächenverbrauchs516) oder durch den Einsatz umweltschonender Fahrzeuge des Netzbetreiber. In diesem Sinne könnte auch die Verpflichtung zur vorrangigen Verlegung von Erdkabeln vor Freileitungen517 herange-
511 So auch explizit in diesem Zusammenhang: BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 18. 512 An den Netzbetrieb anknüpfend auch Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 366. 513 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 93; a. A.: Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzes sionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 242. 514 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 93. 515 So im Grunde auch Gentzsch, in: Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 4 (5); kritisch: Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (38). 516 Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 4. 517 Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 363; Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 4.
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zogen werden.518 Sehr allgemein wird auch die Förderung des Klimaschutzes als Kriterium vorgeschlagen.519 Inwieweit dies als Auswahlkriterium eine hilfreiche Ausdifferenzierung zwischen verschiedenen Angeboten von Bewerbern schafft, ist jedoch fraglich. (4) K riterien aus der verbraucherfreundlichen Versorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG Die Verbraucherfreundlichkeit der Energieversorgung wurde in das E nWG vor allem mit Blick auf Art. 3 Abs. 5 S. 2 der Elektrizitätsrichtlinie bzw. Art. 3 Abs. 3 S. 4 der Gasrichtlinie aufgenommen.520 Unter diesem Aspekt vereinen sich zahlreiche unterschiedliche Bedeutungen wie Transparenz von Vertragsbedingungen, Streitbeilegungsverfahren, angemessener Schutz vor Versorgungsausschluss, Schutz von Kunden in abgelegenen Gebieten, Wechselmöglichkeiten von Kunden etc. Auch bzgl. des Zwecks der Verbraucherfreundlichkeit ist festzustellen, dass dieser sich hauptsächlich auf andere als die netzspezifische Wertschöpfungsstufe (hauptsächlich auf die Vertriebsebene) bezieht. Sich hieraus ergebende Aspekte der Verbraucherfreundlichkeit können nicht als Kriterien in die Konzessionsvergabe einfließen. Allerdings können die Gemeinden netzspezifische Aspekte der Verbraucherfreundlichkeit, wie etwa den Netzservice vor Ort aufnehmen.521 Des Weiteren können Informations- und Verfahrensrechte im Umgang mit dem Netzbetreiber Kriterien im Hinblick auf die Verbraucherfreundlichkeit der Versorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 EnWG darstellen.522 cc) Zusammenfassung Die in § 1 EnWG genannten Zwecke des EnWG sind im Rahmen der Konzessionsvergabe in Form von Kriterien einzubeziehen. Vorstehend wur518 Wobei Salje darauf hinweist, dass „Investitionen in die Umweltverträglichkeit beim zukünftigen Netzbetreiber eher zurückhaltend aufgenommen werden“ würden, vgl. Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Salje, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 58 Rn. 58. 519 Theobald, DÖV 2009, 356 (358). 520 BT-Drs. 15/4068, S. 2, Ziff. 2; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 1 Rn. 40. 521 Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 3; Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 233. 522 Danner/Theobald-Theobald, Energierecht,78. EGL (Sept. 2013), EnWG, § 1, Rn. 25; Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 233.
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den diese mit beispielhaften, aus § 1 Abs. 1 EnWG abgeleiteten Kriterien erläutert. Wie vorstehend dargestellt, können verschiedene Aspekte der abstrakt gefassten Zwecke des § 1 Abs. 1 EnWG dabei Ausdruck in Form von Auswahl- und Entscheidungskriterien finden. Dabei müssen jedoch bei der Auslegung zwecks Ermittlung dieser Kriterien stets die zuvor dargestellten Auslegungsgrenzen berücksichtigt werden.523 Daher können aus § 1 Abs. 1 EnWG nur solche Auswahl- und Entscheidungskriterien in zulässiger Weise im Rahmen der Auslegung ermittelt werden, die netz- bzw. konzessionsvertragsspezifisch sind. Andere Aspekte etwa der Energieerzeugung oder des Vertriebs dürfen im Rahmen der Konzessionsvergabe keine Rolle spielen. c) Weitere Auswahl- und Entscheidungskriterien außerhalb von § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG Vor der Novelle des EnWG im Sommer 2011 bestand kein Grund dafür, nur auf Kriterien im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 EnWG abzustellen. Es war daher üblich, dass die Gemeinden andere Entscheidungsparameter, wie die Sicherung von Arbeitsplätzen oder die Sicherung der lokalen Wertschöpfung zum Kriterium der Konzessionsvergabe machten.524 aa) Zulässigkeit weiterer Kriterien Nach der Novelle des EnWG und den vorbeschriebenen Änderungen ist jedoch fraglich, ob weitere, außerhalb des § 1 Abs. 1 EnWG liegende Kriterien zulässig sind. Denn die Auslegung des § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG und dessen Verweis auf § 1 EnWG könnten zu dem Ergebnis führen, dass nunmehr nur die in § 1 Abs. 1 EnWG niedergelegten Zwecke bei der Auswahl entscheidung der Gemeinden maßgeblich sein dürfen. Einen ersten Anhaltspunkt für die Unzulässigkeit weiterer Auswahlkriterien im Rahmen der Vergabe der Stromkonzession könnte dem Wortlaut des § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG zu entnehmen sein, wonach die Gemeinde „den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet“ ist. Der Wortlaut verweist lediglich auf § 1 EnWG für die Auswahl des Konzessionsnehmers und verwendet hierfür den Begriff der Verpflichtung auf die Ziele des § 1 EnWG. Hieraus könnte man eine gewisse Ausschließlichkeit der aus § 1 EnWG abzuleitenden Auswahlkriterien folgern.525 Allerdings ist der Wortlaut für die Annahme einer 523 Vgl.
§ 7 II.4.b)aa)(2). RdE 2011, 1 (3). 525 So etwa Höch, RdE 2013, 60 (62). 524 Schau,
350
§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Ausschließlichkeit nicht eindeutig genug.526 Zwar wird die Gemeinde auf die Ziele des § 1 EnWG bei der Auswahl des Konzessionsnehmers verpflichtet; damit ist jedoch keine Aussage darüber getroffen, ob die Gemeinde zusätzlich weitere Auswahl- und Entscheidungskriterien berücksichtigen darf. Vielmehr enthält § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG damit eine Mindestanforderung für die zu berücksichtigen Auswahlkriterien.527 Wäre eine Ausschließlichkeit gesetzgeberisch gewollt gewesen, hätte sich dies im Gesetzeswortlaut oder der -systematik widerspiegeln müssen.528 Sprachlich wäre es sehr einfach durch die Hinzunahme der Worte „nur“ oder „ausschließlich“ möglich gewesen, nur Kriterien abgeleitet aus § 1 Abs. 1 EnWG zuzulassen. Eine solche Regelung wurde jedoch nicht getroffen.529 Aus der Aufnahme des Verweises in § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG muss vielmehr gefolgert werden, dass jedenfalls die Ziele des § 1 EnWG für die Entscheidung über die Vergabekriterien zu beachten sind.530 Daneben ist die Gemeinde aber nicht daran gehindert, zusätzlich weitere Kriterien ihrer Entscheidung zugrunde zulegen. Diese sind jedoch insoweit begrenzt, als dass sie nicht gegen § 1 EnWG verstoßen dürfen, dem die Gemeinden gem. § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG ausdrücklich verpflichtet ist. Daher müssen auch die weiteren Kriterien mit den in § 1 Abs. 1 EnWG formulierten Zwecken des EnWG vereinbar sein.531 Weitergehende Kriterien für die Auswahl des Unternehmens im Vergabeverfahren sind daher durch § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG nicht ausgeschlossen, sondern zulässig.532 526 A. A.: Hellermann, EnWZ 2013, 147 (151), der ausführt: „Allerdings lässt der Wortlaut (‚ist … verpflichtet‘) eine Interpretation im Sinne einer strikten Bindung an die Ziele jedenfalls zu und legt sie wohl auch nahe.“, dann aber auf S. 151 f. eine Unvereinbarkeit mit Art. 28 Abs. 2 GG annimmt und insofern unklar dann doch auf S. 152 anführt: „Eine Interpretation des § 46 III 5 EnWG, wonach die Ziele des § 1 I EnWG ausschließlich oder jedenfalls vorrangig zu berücksichtigen sind, ist keineswegs zwingend.“ 527 A. A.: Höch, RdE 2013, 60 (62), der von einem „strengen Verpflichtungstatbestand“ spricht, der den Gemeinden die Berücksichtigung anderer Auswahlkriterien verschließe. 528 VG Oldenburg, Beschl. v. 17.07.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (544). 529 So auch Fischer/Wolf/Embacher, RdE 2012, 274 (274). 530 Ähnlich auch LG Kiel, Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart 83/10, besprochen durch Sauer, EWeRK 2012, 106 (109). 531 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 80. 532 VG Oldenburg, Beschl. v. 17.07.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (544 f.); sehr weitgehende Wahlfreiheit nehmen Büttner/Templin, in: ZNER 2011, 121 (123), an; Theobald, DÖV 2009 356 (357 f.); Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 9 Rdr. 91; Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 46 Rn. 66c.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung351
Durch die Novelle im Jahr 2011 und die Einführung des § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG hat der Gesetzgeber dennoch eine Richtung vorgegeben, die die (auch aus anderen Normen) zu generierenden Kriterien einhalten müssen. Der Verweis auf § 1 EnWG, die Geltung der §§ 6 ff. EnWG [hierzu ausführlich in § 8 II.3.a)] sowie der Gegenstand der Konzessionsvergabe machen deutlich, dass der Gesetzgeber nicht irgendwelche Kriterien für zulässig erachtet, sondern nur netz- und konzessionsvertragspezifische Kriterien [hierzu bereits in § 7 II.4.b)aa)(2)].533 Ein solcher spezifischer Bezug fehlt beispielsweise – entgegen anders vertretener Ansicht – einem Kriterium, welches allgemein auf die lokale Arbeitsplatzsicherung abstellt.534 Die vorstehend dargelegten Grenzen der Zulässigkeit sind bei den nachstehenden Untersuchungen zu weiteren zulässigen Kriterien daher zu beachten. bb) Kriterien aus dem übrigen Energiewirtschaftsrecht Zunächst ist es naheliegend, das Energiewirtschaftsrecht mit Blick auf weitere Auswahl- und Entscheidungskriterien zu sichten. In besonderem Maße sind dabei § 4 EnWG und die Genehmigung für den Netzbetrieb, die Konzessionsabgaben und die auf Grundlage des § 48 Abs. 2 EnWG erlassene Konzessionsabgabenverordnung (KAV) sowie die Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) relevant. (1) § 4 Abs. 2 EnWG Die Aufnahme des Netzbetriebes durch den Betreiber bedarf gem. § 4 Abs. 1 EnWG einer Genehmigung. Auf die Erteilung der Genehmigung besteht ein Rechtsanspruch beim Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen (gebundene Entscheidung).535 Es handelt sich bei § 4 Abs. 1 EnWG um ein formelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.536 Um diese Genehmigung 533 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 92 ff.; Büdenbender, DVBl. 2012, 1530 (1534); a. A.: VG Oldenburg, Beschl. v. 17.07.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (544); Hellermann, EnWZ 2013, 147 (151). 534 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 38 f.; Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 196; a. A.: Byok/Graef/ Faasch, NZBau 2012, 556 (558); Schau, RdE 2011, 1 (3). 535 Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Böwing, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 11 Rn. 15; Britz/Hellermann/Hermes-Hermes, EnWG,3. (2015), § 4 Rn. 5. 536 Britz/Hellermann/Hermes-Hermes, EnWG,3. (2015), § 4 Rn. 5.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
zu erhalten, muss der zukünftige Netzbetreiber aus dem Umkehrschluss aus § 4 Abs. 2 EnWG personell, technisch und wirtschaftlich leistungsfähig sein und die Zuverlässigkeit besitzen, um den Netzbetrieb entsprechend den Vorschriften des EnWG537 auf Dauer zu gewährleisten. Es handelt sich hierbei um eine personen- und nicht anlagenbezogene Genehmigung, die der Netzbetreiber (nicht der Netzeigentümer) vorweisen muss.538 Nun ist der Fall denkbar, dass sich ein Unternehmer im Konzessionsvergabeverfahren bewirbt, der noch nicht über eine Genehmigung nach § 4 EnWG verfügt oder aber selbst nur die Konzession erwerben, nicht aber das Netz betreiben möchte. Insbesondere dann stellt sich die Frage, ob die in § 4 EnWG genannten Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung auch schon im Rahmen der Konzessionsvergabe Berücksichtigung finden können, oder ob die Gemeinden ihre Vergabeentscheidung sogar vom Vorliegen einer Genehmigung nach § 4 EnWG abhängig machen dürfen. Gegen eine Einbeziehung der Kriterien aus § 4 EnWG spricht, dass die Genehmigung getrennt von der Konzessionsvergabe nach § 46 EnWG geregelt wurde und zwischen der Genehmigung und der Konzessionsvergabe keine gesetzliche Verknüpfung besteht. Systematisch ist nicht ersichtlich, dass eine Verbindung zwischen § 46 EnWG und § 4 EnWG gesetzgeberisch impliziert war. Während § 46 EnWG an die Netzinfrastruktur und das Netzeigentum anknüpfen, bezieht sich § 4 EnWG ausdrücklich nicht auf den Netzeigentümer, sondern auf dessen Betreiber.539 Auch sind für diese beiden Verfahren bzw. Genehmigungen verschiedene staatliche Stellen zuständig. Während für die Vergabe der Stromkonzessionen nach § 46 EnWG ausdrücklich die Gemeinden zuständig sind, entscheidet über die Genehmigung des Netzbetriebs gem. § 4 Abs. 1 EnWG die zuständige Landesregulierungsbehörde. Hieraus lässt sich daher folgern, dass die Erwägungen des § 4 Abs. 2 EnWG im Vergabeverfahren keine Berücksichtigung finden dürfen.540 Betrachtet man jedoch den Sinn und Zweck der Vergabe der Stromkonzession, die gerade dem Netzbetreiber den Betrieb des Netzes ermöglichen soll, so ist ein Wegenutzungsrecht sinn- und wertlos ohne die Möglichkeit, das Stromnetz auch als Unternehmer (gestattet durch die Genehmigung nach § 4 EnWG) betreiben zu dürfen. Für die Gemeinde ist daher ganz zentral, dass die Bewerber um die Konzession die nach § 4 Abs. 2 EnWG notwendigen Voraussetzungen für den Netzbetrieb erfüllen. Dabei gehen einige Stimmen in der Literatur sogar so weit, dass sie der Gemeinde das Recht zusprechen, 537 Vor
allem §§ 11 ff. EnWG.
EnWG,3. (2015), § 4 Rn. 9. EnWG,3. (2015), § 4 Rn. 9. 540 Rechtliche Zulässigkeit offen gelassen, aber jedenfalls als nicht sinnvolles Kriterium bezeichnet: Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (37). 538 Britz/Hellermann/Hermes-Hermes,
539 Britz/Hellermann/Hermes-Hermes,
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung353
einen Bewerber aus dem Verfahren auszuschließen bzw. die Vergabe der Konzession an diesen abzulehnen, wenn dieser die Genehmigung nach § 4 EnWG nicht vorweisen kann.541 Es geht indes zu weit, die Vergabe der Stromkonzession vom vorherigen Vorhandensein einer Genehmigung nach § 4 EnWG abhängig zu machen, also jedem Bewerber aufzuerlegen, sich bereits im Vorwege eine Genehmigung zu sichern.542 Diese Notwendigkeit ist weder im Gesetz als Erfordernis genannt noch aus praktischen Erwägungen erforderlich. Sie würde auch zu einer unnötigen Mehrbelastung der für die Erteilung der Genehmigung nach § 4 EnWG zuständigen Landesregulierungsbehörden führen.543 Allerdings folgt hieraus nicht, dass die Gemeinden § 4 EnWG gar nicht zur Grundlage etwaiger Auswahl- und Entscheidungskriterien hinzuziehen dürfen. Gerade, wenn der Konzessionsnehmer auch gleichzeitig Netzbetreiber werden will, ist es ausgesprochen sinnvoll, frühzeitig die personelle, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie Zuverlässigkeit des Bewerbers seitens der Gemeinde im Rahmen von Auswahl- und Entscheidungskriterien zu prüfen. Ansonsten liefe die Gemeinde Gefahr, die Konzession an jemanden zu vergeben, der keine Genehmigung für den Netzbetrieb erhalten wird. Als Kriterien der Konzessionsvergabe sind die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Bewerbers daher durchaus ratsam. Auf diese Weise wird bereits zum Schutz der Gemeinde und der Netznutzer sichergestellt, dass nur ein leistungsfähiger und zuverlässiger Netzbetreiber die Konzession erhält. Die personelle, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie die Zuverlässigkeit i. S. d. § 4 Abs. 2 EnWG können daher als Auswahlkriterien berücksichtigt,544 nicht jedoch das Vorliegen einer Genehmigung zur zwingenden Bedingung gemacht werden. Allerdings hat die Frage danach, ob die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Bewerbers nach § 4 Abs. 2 EnWG ein zulässiges Kriterium in der Konzessionsvergabe darstellen kann, mit der Novelle im Jahr 2011 an 541 Templin,
Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 360. jedoch Kermel-Kermel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 2 Rn. 231. 543 Am Ende des Konzessionsvergabeverfahrens kann nur ein Bewerber die Konzession für das jeweilige Stromnetz erhalten. Nur dieser benötigt hierfür eine Genehmigung nach § 4 EnWG. Wenn es aber zehn Bewerber im Verfahren um diese eine Konzession gibt, müssten hiernach zunächst alle zehn Bewerber eine Genehmigung nach § 4 EnWG bei der zuständigen Landesregulierungsbehörde beantragen, die jedoch nur für einen Bewerber von Nutzen sein würde. 544 So auch Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Salje, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 58 Rn. 58; Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 206; Templin, IR 2009, 125 (126). 542 So
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Bedeutung verloren. Denn wie vorstehend in § 7 II.4.b)bb)(1) dargestellt, kann die Gemeinde bereits über die § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG i. V. m. § 1 Abs. 1 EnWG aus dem Zweck der sicheren Energieversorgung die finan zielle, sachliche und personelle Ausstattung und Verlässlichkeit des Netzbetreibers zum Kriterium ihrer Vergabeentscheidung machen. Insofern kann über ein aus § 1 Abs. 1 EnWG abgeleitetes Kriterium bereits in zulässiger Weise auf diejenigen Aspekte abgestellt werden, die auch im Rahmen von § 4 Abs. 2 EnWG von Bedeutung sind. Es bedarf daher keiner zusätzlichen Bemühung von § 4 Abs. 2 EnWG. (2) §§ 17 ff., 20 EnWG und § 5 EEG Nach §§ 17 ff. EnWG sind die Netzbetreiber zum Anschluss von Verbrauchern wie Erzeugern von Energie verpflichtet. Für erneuerbare Energieerzeugungsanlagen bestimmt darüber hinaus § 5 Abs. 1 EEG sogar den unverzüglichen vorrangigen Netzanschluss. Diese Pflicht wird durch § 20 EnWG dahingehend erweitert, dass der diskriminierungsfreie Zugang zum Netz durch den Netzbetreiber gewährleistet werden muss. Da diese Pflichten gesetzlich niedergeschrieben für jeden Netzbetreiber gelten, erscheint es wenig sinnvoll,545 Kriterien für die Vergabe der Stromkonzession in diese Richtung zu formulieren.546 Denn Kriterien in Bezug auf den zügigen Netzanschluss würden keine Auswahlmöglichkeit ergeben, da alle Bewerber in der Rolle des Netzbetreibers zum Anschluss von Energieerzeugungsanlagen nach §§ 17, 18 EnWG sowie § 5 EEG in gleicher Weise verpflichtet wären.547 (3) B erücksichtigung der Konzessionsabgabe und weiterer Leistungen an die Gemeinde Für die Gemeinden ist die zentrale wirtschaftliche Gegenleistung für die Vergabe der Stromkonzession der Erhalt der Konzessionsabgabe.548 Gem. 545 Vgl.
hierzu auch § 7 II.4.b)bb)(3). auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 36 f.; Kahl/Schmidtchen, RdE 2012, 1 (8 f.), schlagen indes konkrete Regelungen im Konzessionsvertrag, etwa zu Netzausbaumaßnahmen vor. 547 A. A.: wohl Lennert/Templin/Theobald, VerwArch 102 (2011), 83 (103 f.), die ausführen, dass die „Förderung Erneruerbarer Energien eine entscheidende Rolle spielen“ könne. 548 Säcker-Kermel, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 2,3. (2014), § 48 EnWG, Rn. 12. 546 So
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung355
§ 48 Abs. 1 S. 1 EnWG sind Konzessionsabgaben Entgelte, die Energieversorgungsunternehmen für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit Energie dienen – also für die Stromkonzession – entrichten. Sie stellen damit die Gegenleistung des Konzessionsnehmers für die Stromkonzession dar und richten sich im Einzelnen nach der auf Grundlage des § 48 Abs. 2 EnWG erlassenen Konzessionsabgabenverordnung (KAV).549 Auch die Konzessionsabgabe nach § 48 EnWG i. V. m. der KAV als Gegenleistung des Konzessionsnehmers kann als Kriterium von der Gemeinde i. R.d. Vergabe ihrer Konzession bemüht werden.550 Dabei ist die Gemeinde berechtigt, den Höchstsatz der nach KAV zulässigen Konzessionsabgaben zu verlangen.551 Dies ergibt sich auch bereits aus der zunächst nur für einfache Wegenutzungsverträge geltenden Bestimmung in § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG, wonach die Gemeinde den Abschluss des Wegenutzungsvertrages ablehnen kann, wenn das Energieversorgungsunternehmen die Zahlung des Höchstsatzes der Konzessionsabgabe verweigert. Wie bereits in § 7 II.3.f) bb)(1) ausgeführt, sind die Bestimmungen in § 46 Abs. 1 EnWG auch im Rahmen des Wegenutzungsvertrages nach § 46 Abs. 2 EnWG zu berücksichtigen.552 Die höchste, von den Bewerbern gebotene Konzessionsabgabe kann die Gemeinde daher zu einem Auswahl- und Entscheidungskriterium machen. Es ist allerdings zu erwarten, dass alle Bewerber um die Konzession den Höchstsatz nach KAV für die Konzessionsabgabe im Verfahren bieten werden,553 so dass hierin i. d. R. ebenfalls kein Auswahlkriterium der Gestalt zu sehen sein wir, dass hierdurch eine wirkliche Auswahlentscheidung getroffen werden könnte.554 549 Statt
vieler: Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3. (2015), § 48
Rn. 16 ff. 550 Geßner/Jansen LKV 2011, 450, 452; Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 177 f.; kritisch: obiter dictum OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 9.5.1995, 11 VA (Kart) 1/94, 11 VA (Kart) 2/94, RdE 1995, 197 (197 ff.). 551 Bartsch/Röhling/Saje/Scholz-Salje, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 58, Rn. 58; Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (37); Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 5. 552 Ähnlich auch Höch, RdE 2013, 60 (63 f.), der jedoch hieraus nur einen Hinweis des Gesetzgebers auf die Legitimität der Berücksichtigung des Konzessionsabgabenhöchstsatzes herleitet. 553 Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (37). 554 Bartsch/Röhling/Saje/Scholz-Salje, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 58, Rn. 58; Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), § 46 Rn. 114; Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (37).
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Die Gemeinde könnte deswegen im Rahmen eines Auswahl- und Entscheidungskriteriums auf die Erbringung von zusätzlichen Leistungen des zukünftigen Konzessionsnehmers für den Erhalt der Stromkonzession abstellen. Weitere sog. Nebenleistungen an die Gemeinde sind jedoch nur zulässig, wenn sie nicht gegen § 3 KAV und dessen Nebenleistungsverbot verstoßen. Gem. § 3 Abs. 1 KAV dürfen nur die in diesem Absatz genannten Nebenleistungen vereinbart werden, dessen Einhaltung ein Konkurrent auch im Wege eines wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs nach UWG einklagen kann.555 Als Nebenleistungen und damit Anknüpfungspunkte für die Konzessionsvergabekriterien gestattet § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV „Preisnachlässe für den in Niederspannung oder in Niederdruck abgerechneten Eigenverbrauch der Gemeinde bis zu 10 vom Hundert des Rechnungsbetrages für den Netzzugang, sofern diese Preisnachlässe in der Rechnung offen ausgewiesen werden“ (sog. Kommunalrabatt), gem. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAV die „Vergütung notwendiger Kosten, die bei Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen an öffentlichen Verkehrswegen der Gemeinden durch Versorgungsleitungen entstehen, die in oder über diesen Verkehrswegen verlegt sind“ und gem. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KAV „Verwaltungskostenbeiträge der Versorgungsunternehmen für Leistungen, die die Gemeinde auf Verlangen oder im Einvernehmen mit dem Versorgungsunternehmen zu seinem Vorteil erbringt“. Dabei ist § 3 KAV grundsätzlich restriktiv auszulegen.556 Weitere Finanz- oder Sachleistungen an die Gemeinde, die über dieses gesetzlich zulässige Maß hinausgehen, sind unzulässig. Der Grund für diese Regelung ist darin zusehen, dass die Leistungen an den Konzessionsgeber (die Gemeinde) grundsätzlich nur zu marktangemessenen Entgelten erfolgen sollen.557 Gerade weil die Gemeinde als Monopolist in der Konzessionsvergabe auftritt, besteht ohne diese Regelung in § 3 KAV die Gefahr, dass sie ihre Marktmacht dazu ausnutzt, marktunübliche Vorteile von den Bewerbern um die Konzession zu verlangen. § 3 Abs. 2 KAV greift damit den wettbewerblichen Grundsatz auf, dass die Gemeinde als Vergabestelle sich keine marktunüblichen Vorteile einräumen lassen darf.558 Die Erbringung solcher über § 3 KAV hinausgehender, zusätzlicher Leistungen stellt daher auch kein zulässiges Kriterium im Rahmen der Konzes sionsvergabeentscheidung dar. Für mit § 3 KAV vereinbar werden indes etwa 555 Hofmann,
NZBau 2012, 11 (16); Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (37). Energierecht, 72. EGL. (Oktober 2011), § 3
556 Danner/Theobald-Theobald/Templin,
KAV Rn. 38. 557 Wörtlich so: Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 179. 558 Im Ergebnis so auch: Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzes sionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 181; Lehnert/Templin/ Theobald, VerwArch 102 (2011), 83 (99).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung357
die Durchführung von Investitionen in den Netzbetrieb,559 das Vorliegen von Kostensynergien und Effizienzvorteilen560 als finanzielle Leistungen sowie Auskunftsansprüche bzw. regelmäßige Berichtspflichten zugunsten der Gemeinde561 (als Sachleistungen) gehalten. Auch Kriterien im Hinblick auf Haftungsregeln, die Umsetzung der Entflechtungsvorgaben, Folgepflichten und -lasten aus dem Netzbetrieb werden als rechtmäßige Ausformung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 KAV anerkannt.562 Unzulässig sind demgegenüber etwaige Einnahme- oder Kostenregelungen, die der Gemeinde einen Vorteil versprechen, der nicht einer am Markt üblichen Gegenleistung gegenüber steht.563 Denn die Leistungen an den Konzessionsgeber (die Gemeinde) müssen grundsätzlich zu marktangemessenen Entgelten erfolgen.564 Ein Auswahlkriterium, welches darauf abzielt, eine Verpflichtung nach Ablauf des Konzessionsvertrages zur Übertragung des Netzes zu möglichst geringem Entgelt zu begründen (bspw. für den Fall, dass die Gemeinde sich zur [Re]Kommunalisierung entscheidet), widerspricht § 3 Abs. 2 KAV und dem dahinter stehenden Grundsatz, dass die Gemeinde als Vergabestelle sich keine marktunüblichen Vorteile einräumen lassen darf.565 Unzulässig sind danach auch Nebenleistungen des zukünftigen Netzbetreibers, die nicht mit dem Netzbetrieb in Verbindung stehen, aber ohne zusätzliche Vergütung für den Erhalt der Konzession erbracht werden. So entschied in zutreffender Weise das B KartA, dass eine Gemeinde im Rahmen der Vergabe ihrer Konzessionen nicht die Förderung der ökologischen Stromerzeugung durch Leistungen im Zusammenhang mit dem Bau und Betrieb dieser Anlagen verlangen dürfe.566 Auch das OLG Bamberg entschied in einem Fall, in der als Nebenleistung eine 559 Geßner/Jansen, LKV 2011, 450 (452); kritisch: Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (37). 560 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 3; kritisch: Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (37). 561 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 3; Energiekartellbehörde Baden-Württemberg, Musterkriterienkatalog, S. 6. 562 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 3; mit Hinweis auf Verstoßanfälligkeit gegen § 3 KAV: Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 6. 563 Danner/Theobald-Theobald/Templin, Energierecht,72. EGL. (Oktober 2011), § 3 KAV Rn. 102; Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 6. 564 Wörtlich so: Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 179. 565 Im Ergebnis so auch: Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzes sionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 181. 566 BKartA, Beschl. v. 21.11.2011, B 10-17/11, Rn. 24, BeckRS 2013, 14901; ähnlich auch: LG München I, Entsch. v. 1.8.2012, 37 O 22218/11, besprochen von
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Kostenerstattungsvereinbarung für die Erschließung des Gemeindegebiets mit einer DSL-Verkabelung zwischen Konzessionsnehmer und Gemeinde getroffen wurde, dass dies gegen § 3 KAV verstoße.567 Diesen Entscheidungen ist zuzustimmen. Denn diese zusätzlichen Leistungen erfolgten ohne adäquate Sondervergütung und stellten daher einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV dar. Dies gilt ebenso für pauschale vom Konzessionsnehmer zusätzlich zu entrichtende Beiträge allgemein.568 Diese restriktive Auslegung des Nebenleistungsverbotes ist jedoch nicht unumstritten. Teilweise wird gefordert, dass das Nebenleistungsverbot dahingehend zu reduzieren sei, dass es nur solche Nebenleistungen verbiete, die dazu führen würden, dass der Konzessionär auch in der Zukunft wieder ausgewählt würde.569 Andere wollen das Nebenleistungsverbot dahin gehend einschränken, dass es sich nur auf über § 3 Abs. 1 KAV hinausgehende finanzielle Nebenleistungen, nicht jedoch auf andere, etwa Sachleistungen, beziehe.570 Dies wird mit Verweis auf die Verordnungsgeschichte begründet.571 Diesen Ansichten ist nicht zu folgen.572 § 3 Abs. 2 KAV macht in Nr. 1 sehr deutlich, dass alle „sonstige[n] Finanz- und Sachleistungen, die unentgeltlich oder zum Vorzugspreis gewährt werden“, nicht von der Gemeinde für den Erhalt der Konzession vereinbart werden dürfen. Damit enthält der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV keinerlei Offen- oder Unklarheit, die eine Auslegung des Nebenleistungsverbotes zugunsten zusätzlicher Leistungen an die Gemeinde rechtfertigen würde.573 Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 3 KAV seinen „grundsätzlichen Verbotswillen“ bzgl. etwaiger zusätzlicher Leistungen des Konzessionsnehmers an die Gemeinde ohne adäquate Gegenleistung klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht.574 Dies ist von der Gemeinde nicht nur im Rahmen des Abschlusses des Konzes Barth, GWR 2013, 23; a. A.: Kahl/Schmidtchen, RdE 2012, 1 (5 ff.); Lehnert/Templin/Theobald, VerwArch 102 (2011), 83 (97 ff.). 567 OLG Bamberg, Urt. v. 3.11.2010, 3 U 92/10, RdE 2011, 160 (162). 568 Hierauf hinweisend auch Kermel-Schöne, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 3 Rn. 65. 569 Kahl/Schmidtchen, RdE 2012, 1 (8); Lehnert/Templin/Theobald, VerwArch 102 (2011), S. 83 (99 f.). 570 Säcker-Kermel, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Anhang zu § 48 EnWG, § 3 KAV, Rn. 30. 571 Säcker-Kermel, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Anhang zu § 48 EnWG, § 3 KAV, Rn. 30. 572 So auch LG München I, Urt. v. 1.8.2012, 37 O 22218/11, BeckRS 2012, 21481. 573 So auch LG München I, Urt. v. 1.8.2012, 37 O 22218/11, BeckRS 2012, 21481. 574 LG München I, Urt. v. 1.8.2012, 37 O 22218/11, BeckRS 2012, 21481, die ebenfalls von „klar und deutlich[em]“ zum Ausdruckbringen sprechen.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung359
sionsvertrages, sondern bereits bei der Wahl der Entscheidungs- und Auswahlkriterien für die Konzessionsvergabeentscheidung zu berücksichtigen. Die Gemeinde kann daher den Erhalt von zusätzlichen, über § 3 KAV hi nausgehenden Leistungen vom Konzessionsnehmer nicht zu einem zulässigen Auswahl- oder Entscheidungskriterium machen. (4) Stromnetzentgelte Als weiteres Kriterium könnten die Gemeinden auf die Höhe der Netzentgelte als Vergabekriterium abstellen. Diese Netzentgelte sind von den Unternehmen zu zahlen, die Strom durch das Netz des Konzessionärs leiten wollen, werden aber als Netzkosten über den Strompreis auf die Verbraucher umgelegt [siehe § 5 II.3.]. Eine Reduzierung der Netzentgelte würde daher zu einer Reduzierung einer Kostenposition führen, die den Strompreis bildet und damit möglicherweise insgesamt zu niedrigeren Stromkosten für die Verbraucher (sowie die Gemeinde selbst) beitragen. Im Sinne der Verbraucherfreundlichkeit, wie sie § 1 Abs. 1 EnWG als Zweck des EnWG nennt sowie eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs im Netz könnte die Gemeinde daher niedrige Stromnetzentgelte zu einem Auswahl- und Entscheidungskriterium machen. Allerdings hat der Netzbetreiber keinen großen Spielraum, was die Netzentgelte angeht.575 Ihre Ermittlung ist in der StromNEV durch eine sog. Methodenregulierung, welche die Methode ihrer Errechnung vorgibt, geregelt.576 Durch die zuständige Regulierungsbehörde sind die Netzentgelte außerdem gem. § 23a EnWG zu genehmigen oder werden im Rahmen der Anreizregulierung im Voraus durch die Regulierungsbehörde festgesetzt.577 Im Rahmen der Anreizregulierung werden dabei Stromentgelte durch die Behörde genehmigt, die von den Netzbetreibern ein wirtschaftliches und effizientes Handeln verlangen, da die Netzbetreiber Zusatzgewinne nur bei einem Unterschreiten der festgelegten Preis- oder Erlösobergrenzen erwirtschaften können.578 Die Zuständigkeit für die Preisregulierung ist durch gesetzgeberische Entscheidung damit klar bei der Regulierungsbehörde angesiedelt und nicht Sache der Gemeinden.579 Diese Kompetenzzuordnung in 575 So auch Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Salje, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 58 Rn. 58. 576 Danner/Theobald-Missling, Energierecht,54. EGL (Sept. 2006), III. Energieeinspeiserecht, B.2., Einführung StromNEV, Rn. 6. 577 Hierzu ausführlich in § 8 II.3.b). 578 Rufin, ZUR 2009, 66 (68). 579 So auch Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), § 46 Rn. 115.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Bezug auf die Netzentgelte spricht damit gegen deren Berücksichtigung i. R.d. gemeindlichen Vergabeentscheidung. Eine zusätzliche Deckelung der Netzentgelte durch Verwendung eines Vergabekriteriums des niedrigsten Stromnetzentgeltes würde außerdem keine Steigerung i. S. e. Verbesserung des Netzbetriebes hervorbringen. Vielmehr würde die Gemeinde ein Risiko schaffen, wenn sie die niedrigsten Stromentgelte, die durch einen Bewerber geboten werden, besonders positiv im Rahmen ihrer Entscheidung berücksichtigen würde. Hierdurch entstünde die Gefahr, dass die Bewerber sich gegenseitig zu unterbieten versuchen, wodurch im schlimmsten Fall Strom entgelte geboten würden, die einen wirtschaftlichen Netzbetrieb, der an den Zielen des § 1 EnWG orientiert ist, gar nicht mehr möglich machen. Dies könnte die sich anschließende Gefahr mit sich bringen, dass der Netzbetreiber schon im Verfahren um die Konzession zu einem unwirtschaftlichen oder gar ruinösen Netzbetrieb getrieben würde. Die Sicherung „eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen“, wie es § 1 Abs. 2 EnWG als Zweck der Regulierung ausdrücklich formuliert und wie es auch der StromNEV zugrunde liegt, würde dadurch gefährdet. Derartige Versprechen können auch mit Blick auf die (Rest-)Vertragsfreiheit zwischen Netzbetreiber und einspeisendem Unternehmen nicht zulässig sein.580 Sie widersprechen im Übrigen den Vorgaben, die § 1 Abs. 1 EnWG für die Energieversorgung aufstellt. Nach § 1 Abs. 1 EnWG ist die Preisgünstigkeit nur ein Aspekt unter anderen gleichrangigen.581 Dieser darf nicht derart überbewertet werden, dass er bspw. zu Lasten der Sicherheit des Netzbetriebes geht. Bei einer Entgeltstruktur, die keinen wirtschaftlichen Spielraum mehr für den Netzbetrieb übrig lässt, wären ein sicherer Netzbetrieb und insbesondere Investitionen in das Netz aber wohl kaum noch möglich. Ein solches Kriterium des möglichst niedrigen Stromentgeltes ist daher abzulehnen. Vertreten wird jedoch, dass eine Verpflichtung des Netzbetreibers zulässig sei, wonach dieser von den Stromeinspeisern nicht mehr als ein bestimmtes Höchstentgelt verlange.582 Aber auch dies ist mit Verweis auf die vorstehenden Risiken und Gefahren einer zusätzlichen Begrenzung der Netzentgelte äußerst skeptisch zu sehen.583 auch Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Salje, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 58 Rn. 58, die in diesem Zusammenhang auf § 1 GWB in Anwendung auf das Vertikalverhältnis abstellen. 581 Ausführlich hierzu: Danner/Theobald-Theobald, Energierecht,78. EGL (Sept. 2013), EnWG, § 1 Rn. 28; Säcker-Sacker/Timmermann, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), § 1 Rn. 21; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 1 Rn. 58. 582 So auch Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Salje, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 58 Rn. 58. 580 So
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung361
Ein Auswahl- und Entscheidungskriterium, welches auf die Stromnetzentgelte bzw. deren Höhe abstellt, ist daher im Ergebnis ungeeignet. cc) Kriterien aus anderen Rechtsquellen Neben den Kriterien, die aus den energierechtssprezifischen Quellen zu gewinnen sind, könnten aber auch andere Rechtsmaterien Anknüpfungspunkte für zulässige und entscheidungsfördernde Auswahl- und Entscheidungskriterien geben. (1) (Re)Kommunalisierungsfreundliche Kriterien aufgrund Art. 28 Abs. 2 GG Aus der in Art. 28 Abs. 2 GG niedergelegten Selbstverwaltungsgarantie ist den Gemeinden bei der Wahl ihrer Entscheidungs- und Auswahlkriterien für die Vergabeentscheidung über die Stromkonzessionen grundsätzlich ein gewisser Entscheidungsspielraum zuzuerkennen.584 Um der (Re)Kommunalisierungsentscheidung in die Umsetzung zu verhelfen, haben einige Gemeinden bereits in der Praxis (re)kommunalisierungsfreundliche Kriterien wie die Stärkung des kommunalen Einflusses auf die örtliche Energieversorgung oder die Berücksichtigung eigener wirtschaftlicher und finanzieller Interessen der Gemeinden durch Förderung eigener kommunaler Unternehmen zum Maßstab ihrer Konzessionsvergabeentscheidung gemacht.585 Es muss jedoch kritisch hinterfragt werden, ob derartige (re)kommunalisierungsfreundliche Kriterien rechtlich überhaupt zulässig sind. Hierbei sollen für die nachstehenden Ausführungen unterschiedlich eng gefasste beispielhafte Kriterien untersucht werden. Zum einen könnten die Gemeinden erwägen, kommunale Unternehmen konkret zu bevorzugen, indem sie die kommunale Eigentümerschaft an dem 583 A. A.: Templin, IR 2009, 125 (127), der vorschlägt, dass Unternehmen mit einer günstigen Unternehmensstruktur, die gerade niedrige Netzentgelte ermöglicht, von den Gemeinden unter diesem Aspekt ausgewählt werden könnten. 584 Weitergehend: Büttner/Templin, ZNER 2011, 121 (123), die unter Verweis auf Art. 28 Abs. 2 GG Beschränkungen bei der Aufstellungen von Auswahl- und Entscheidungskriterien ablehnen; Gemeinden frei in der Entscheidung, so Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 135. 585 Vgl. etwa: OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.9.2013, 10 ME 88/12, RdE 2014, 41 (42); VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (545); Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 184.
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zukünftigen Netzbetreiber zum Auswahl- und Entscheidungskriterium machen. Dieses Kriterium (hier beispielhaft als engstes ausgewählt) könnte einzig von einem (re)kommunalisierten Unternehmen im Verfahren umfänglich erfüllt werden. Des Weiteren wäre – in abgeschwächter, weniger enger Form – denkbar, dass Gemeinden die wirtschaftliche Teilhabe am Netzbetrieb oder die Beteiligung an einem gemeinschaftlichen Netzunternehmen zum Kriterium erheben.586 Hierdurch wären nicht nur rein kommunale Unternehmen, sondern auch Kooperationen587 mit kommunaler sowie privater Beteiligung im Konzessionsverfahren begünstigt. Noch etwas weniger eng gefasst könnte beispielhaft die kommunale Einflussnahmemöglichkeit auf den Netzbetrieb als Kriterium formuliert werden.588 Dieses Kriterium wäre auch durch private Unternehmen erfüllbar, solange diese bereit wären, der Gemeinde Einflussnahmemöglichkeiten auf den Netzbetrieb zu gewähren. Weiter gefasst könnten die Gemeinden beispielsweise auf ein Kriterium wie die Verfolgung von Gemeinwohlzielen oder aber die Stärkung der Bürgernähe und -akzeptanz abstellen.589 Im Rahmen dieser letzteren Aspekte wären (re)kommunalisierte Unternehmen gegenüber privaten Unternehmen wohl im Vorteil, allerdings könnten auch private Netzbetreiber den Gesellschaftszweck am Gemeinwohl orientieren oder lokale Strukturen zur besseren Bürgernähe und -akzeptanz schaffen, so dass auch diesen eine Erfüllung des Kriteriums möglich wäre. Diese beispielhafte Abstufung von eng zu weiter gefassten (re)kommunalisierungsfreundlichen Kriterien soll eine erste Orientierung für die nachfolgende Betrachtung der Zulässigkeit der die (Re)Kommunalisierung unmittelbar oder mittelbar fördernden Kriterien geben. Nachstehend werden diese auf ihre Zulässigkeit überprüft. Gegen das engste, beispielhaft genannte Kriterium der kommunalen Eigentümerschaft spricht, dass hierdurch alle nicht in kommunaler Inhaber586 Letztere Formulierungen so genannt in: Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 5. 587 Hierzu ausführlich in § 8 I.2. 588 So als Ziel der (Re)Kommunalisierung von einer Vielzahl von Gemeinden angegeben, vgl. § 4 IV.; Hellermann, EnWZ 2013, 147 (152), der es unter dem Aspekt der „besseren Steuerung des netzbetreibenden Unternehmens“ führt und für eine zulässige Möglichkeit der Privilegierung kommunaleigener Unternehmen erachtet. 589 Letzteres Kriterium in Beschluss VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (546).
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung363
schaft befindlichen Wettbewerber in dem Wettbewerb um die Konzession benachteiligt und damit diskriminiert würden.590 Durch dieses Kriterium findet außerdem eine Vorfestlegung der Gestalt statt, dass ein ergebnisoffener Eintritt in das Konzessionsvergabeverfahren verhindert wird, da das Kriterium auf einen bestimmten Bewerbertyp abzielt. Denn das Kriterium der kommunalen Eigentümerschaft ist so gefasst, dass nur das eigene, (re)kommunalisierte Unternehmen dieses überhaupt vollumfänglich zu erfüllen vermag. Ein solches Kriterium würde evident gegen den europäischen Gleichbehandlungsgrundsatz,591 gegen das Diskriminierungsverbot aus europäischem und nationalem Recht, gegen die energierechtliche Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Unternehmen gem. § 46 Abs. 4 EnWG592 und gegen das wettbewerbs- und kartellrechtliche Missbrauchsverbot593 sprechen.594 Dass die politischen Entscheidungsträger die (Re)Kommunalisierung aus politischen Gründen wollen, schafft keinen rechtlichen Ansatzpunkt für die Zulässigkeit eines solchen Kriteriums.595 Diese Ausführungen kann man inhaltlich noch dahingehend ausweiten, dass grundsätzlich die Eigentümerschaft (sei es in Form der vollständigen oder auch nur in Form einer anteiligen Unternehmensbeteiligung) für sich genommen nicht als Kriterium von den Gemeinden herangezogen werden darf.596 Auch die Bevorzugung einer nur teilweisen Unternehmensbeteiligung würde gegen die zuvor genannten rechtlichen Aspekte verstoßen. Daher ist weder das Kriterium der kommunalen teilweisen noch vollstän590 So auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 745. 591 So auch Schau, RdE 2011, 1 (3). 592 So auch: LG Kiel, Urt. v. 3.2.2012, 14 O Kart. 83/10, besprochen durch Sauer, in: EWeRK 2012, 106 (107); kritische Anmerkung zu diesem Urteil: Probst, IR 2012, 134 (134 f.); Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 184; Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 745. 593 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 6, Rn. 22. 594 A. A.: Beschluss VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (545 f.), das dieses Kriterium als von der Selbstverwaltungsgarantie gedeckt beschreibt. 595 Ähnlich auch Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 184. 596 So auch BKartA, Ausschussdrucksache 17(9)383, 21. Januar 2011, S. 4; Gentzsch, in: Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 4 (5); Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 195; a. A.: wohl Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 5, die dies unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Teilhabe als zulässiges Kriterium anerkennt.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
digen Eigentümerschaft im Rahmen der Vergabe der Konzessionen zu lässig.597 Wie zuvor bereits in der Abstufung der beispielhaften (re)kommunalisierungsfreundichen Kriterien dargestellt, könnte die Gemeinde aber auch etwas weiter gefasst auf die „kommunale Einflussnahmemöglichkeit“ auf den Netzbetrieb als Auswahl- und Entscheidungskriterium abstellen. Dieses Kriterium erachten einige Stimmen in der Rechtsprechung und Literatur als zulässig598 und über die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG gedeckt.599 Hierbei ist jedoch zu differenzieren. Dieses Kriterium darf nicht dazu führen, dass faktisch das Kriterium der Eigentümerschaft (wie zuvor dargestellt) zum Maßstab der Entscheidung erhoben wird. Denn diesbezüglich gelten die vorstehenden kritischen Ausführungen zur Unzulässigkeit eines solchen Kriteriums. Zulässig wäre allerdings ein solches Kriterium mit der Konkretisierung, dass hiermit etwa gemeint ist, dass ein gemeinsames Netzgremium, ein Beirat oder sonstiges Gremium aus Konzessionär und Gemeinde errichtet wird, in dem der Netzbetreiber über den Netzbetrieb informiert und Anregungen eingebracht werden können.600 Auch könnten begrenzte Mitspracherechte der Gemeinde, etwa bei Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen in das örtliche Netz, hierunter erklärend gefasst werden.601 Ein so erläutertes Kriterium würde wohl keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Indes ist ein pauschal gefasstes Kriterium der (maximalen) kommunalen Einflussnahmemöglichkeit dagegen rechtlich aus vorgenannten Gründen bedenklich. Demgegenüber begegnen dem Kriterium der Stärkung der Bürgernähe und -akzeptanz oder der Gemeinwohlorientierung keine Bedenken. Denn auch ein privater Netzbetreiber kann diese Kriterien erfüllen, so dass er gegenüber kommunalen Unternehmen nicht schlechter i. S. e. Diskriminierung stünde.602 (Re)Kommunalisierungsfreundliche Kriterien sind daher grundsätzlich aus rechtlicher Sicht mit größter Skepsis und Vorsicht zu sehen. Ein Krite597 So im Ergebnis auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und GasKonzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 750 f. 598 VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (545); Hellermann, EnWZ 2013, 147 (152); Theobald, DÖV 2009, 356 (358). 599 Beschluss VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (545). 600 Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 5. 601 So etwa im zugrundeliegenden Vergabeverfahren des Beschlusses des VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012. 541 (546). 602 Zur Zulässigkeit des Kriteriums der Stärkung der Bürgernähe und -akzeptanz, siehe auch Beschluss VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (546).
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rium der kommunalen Eigentümerschaft am Netzbetrieb, sei es vollständig oder anteilig, ist unzulässig. Auch in abgeschwächter Form, etwa formuliert als kommunale Einflussnahmemöglichkeit auf den Netzbetrieb, bestehen rechtliche Bedenken an der Zulässigkeit. Diesen kann die Gemeinde einzig dadurch begegnen, dass sie das „Wie“ der Einflussnahmemöglichkeiten dahingehend konkretisiert, dass keine diskriminierende Wirkung von dem Kriterium ausgeht. Keine Bedenken bestehen indes gegenüber Auswahlund Entscheidungskriterien, die in Richtung Bürgernähe und -akzeptanz sowie Gemeinwohlnutzen für die Gemeindebewohner ausgerichtet sind. Für (re)kommunalisierungsfreundliche Kriterien bleibt somit festzuhalten, dass die Gemeinde durch die Wahl ihrer Kriterien den Wettbewerb um das Netz nicht umgehen darf. Will sie mit einem eigenen Unternehmen das Netz (re)kommunalisieren, so muss sie sich ebenso dem Wettbewerb stellen wie alle übrigen Bewerber dies tun. Eine Selbstbegünstigung durch spezielle, (re)kommunalisierungsfreundliche Kriterien verbietet sich. (2) „ Bekannt und bewährt“ nach Gewerberecht bzw. Erfahrungen als Netzbetreiber als Kriterien Problematisch ist auch das Kriterium der „Erfahrung als Netzbetreiber“.603 Dieses Kriterium könnte eine Gemeinde berücksichtigen wollen, weil die Erfahrung als Netzbetreiber Erfahrungskurveneffekte,604 eine gewisse Routine und auch Sicherheit im Umgang mit den technischen Herausforderungen des Netzbetriebes erwarten lässt. Dieses Kriterium erinnert dabei stark an die Formel „bekannt und bewährt“605, die im Rahmen des Gewerberechts (§ 70 GewO) bei der Auswahl von Marktbeschickern (bspw. bei einem Wochenmarkt mit begrenzter Anzahl an Verkaufsständen) als sachgerechtes Auswahlkriterium gilt.606 Dieses Kriterium ist wirtschaftlich betrachtet sinnvoll, rechtlich indes i. R.d. Konzessionsvergabe höchst problematisch, weil es Neueinsteiger im Vergleich zu etablierten Netzbetreiber benachteiligt.607 Das EnWG hat durch die Liberalisierung des Energiemarktes seit dem Jahr 603 Benannt in: Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. 2. 604 Vgl. § 5 II.9. 605 Auch als „alt und bewährt“ bezeichnet, so etwa Templin, IR 2009, 125 (126). 606 Zum Kriterium „bekannt und bewährt“: allgemein BeckOK-Storr, GewO,29. Edition (Stand: 01.01.2015), § 70 GewO Rn. 34; Kermel-Schwensfeier, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 205; Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 361 ff.; Windoffer, GewArch 2013, 265 (266 ff.). 607 BKartA, Beschluss v. 21.11.2011, B 10-17/11, Rn. 22; Templin, IR 2009, 125 (126 f., 128), der zwar auch zur Vorsicht mahnt, aber dieses Kriterium dennoch als zulässig erachtent (Vorschlag: zu 10 % in die Entscheidung einbeziehen).
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
2005 eine wettbewerbliche Ausgestaltung erfahren. Der Wettbewerb in der Energieversorgung und dabei auch und insbesondere mit Blick auf die Netze, hat einen hohen Stellenwert. Die von den Gemeinden für die Vergabe der Stromkonzession aus § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG abgeleiteten Kriterien müssen daher neben dem Netz- und Konzessionsvertragsspezifikum auch der Liberalisierung und der wettbewerblichen Ausprägung der Energieversorgung Rechnung tragen.608 Das Abstellen auf die „Erfahrung als Netzbetreiber“ würde mit Blick auf den Wettbewerb zu einer Privilegierung alt eingesessener Netzbetreiber führen und Neueinsteigern den Eintritt in den Wettbewerb erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen. Damit würden Neueinsteiger diskriminiert. Dies ist mit dem aus dem europäischen Primärrecht und dem EnWG (§ 46 Abs. 1 EnWG) folgenden Diskriminierungsverbot609 und dem europäischen wie energierechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbar. Dieses Kriterium würde außerdem zu einer Verfestigung der Monopolstellung des bisherigen Netzbetreibers führen, was wiederum mit der Liberalisierung des Strommarktes sowie dem in § 46 Abs. 2 EnWG etablierten Wettbewerb um das Netz unvereinbar ist. Eine Anwendung des Kriteriums der „Erfahrung als Netzbetreiber“ verbietet sich daher. (3) Wirtschaftlichkeit i. S. d. § 97 Abs. 5 GWB als Kriterium Wie bereits in § 7 II.3.e)cc) ausgeführt, findet das förmliche Vergaberecht nach GWB auf die Vergabe von Stromkonzessionen keine Anwendung. Immer wieder stellt sich in der Praxis dennoch die Frage, ob das Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebotes, wie es nach § 97 Abs. 5 GWB für das förmlichen Vergabeverfahrens maßgeblich ist, im Rahmen der Konzessionsvergabe Anwendung finden könnte.610 Diesem Ansinnen ist bei der Vergabe der Stromkonzessionen eine klare Absage zu erteilen. Das Kriterium des wirtschaftlichsten Angebots würde im Rahmen der Konzessionsvergabe schon schwerlich handhabbar sein. Während es bei der Vergabe eines Dienstleistungsauftrags nach §§ 97 ff. GWB um die Auftragsvergabe des Staates an einen Dritten gegen ein vom Staat zu zahlendes 608 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 93. 609 Wenn auch etwas zögerlicher, so auch Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 362. 610 So etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 321 (326); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120 (124), wonach Kriterien aus § 1 EnWG „zusätzlich“ zu dem wirtschaftlichsten Angebot relevant sein.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung367
Entgelt geht (hierauf findet § 97 Abs. 5 GWB Anwendung), steht der Dienstleistungskonzession611 kein solches Entgelt des Staates an einen Dritten gegenüber, sondern vielmehr das Recht des Konzessionsnehmers, von den Nutzern der Dienstleistung ein Entgelt zu verlangen.612 Während es im Rahmen der Vergabe eines Dienstleistungsauftrages für den Staat also unmittelbar darauf ankommt, dass eine möglichst gute Dienstleistung für möglichst geringes vom Staat zu zahlendes Entgelt erbracht wird (wirtschaftlichstes Angebot),613 besteht ein solches Verhältnis zwischen Entgelt und Leistung bei der Dienstleistungskonzession, wie die Stromkonzession eine ist, nicht.614 Insofern kann das Kriterium der Wirtschaftlichkeit des Angebots im Verhältnis der vergebenden Gemeinde zum potentiellen Konzessionär nicht innerhalb dieser Beziehung verortet werden. Um das Kriterium der Wirtschaftlichkeit im Rahmen der Stromkonzessionsvergabe anzuwenden, müsste daher bspw. auf die Höhe des von den Netznutzer zu entrichtenden Nutzungsentgeltes [hierzu bereits in § 7 II.4.c)bb)(4)] abgestellt werden.615 Diese sind jedoch bereits sowohl in Bezug auf die Ermittlungsmethode als auch bezüglich der Höhe reguliert.616 Bezüglich einer zusätzlichen Regulierung der Netzentgelte i. R.d. Konzessionsvergabe bestehen daher erhebliche Bedenken, die vorstehend bereits ausführlich dargelegt wurden.617 Eben so wenig eignen sich die Konzessionsabgaben als Anknüpfungspunkt für das wirtschaftlichste Angebot. Wie vorstehend bereits ausgeführt, kann davon ausgegangen werden, dass die Bieter im Verfahren den Höchstsatz an Konzessionsabgabe bieten werden, wenn dies zum Kriterium der Vergabeentscheidung gemacht wird.618 Insofern stellt dies kein taugliches Auswahlkriterium dar, welches eine Auswahl zwischen den Bewerbern ermöglicht.619 Auch können die Gemeinden i. S. d. Wirtschaftlichkeit nicht auf etwaige zusätzliche finanzielle o. ä. Leistungen der Bewerber, die diese für den Erhalt der Konzession anbieten, abstellen, auch wenn hierdurch das Angebot wirtschaftlicher erscheinen mag. Denn auch hier gilt das vorstehend bereits erläuterte Nebenleistungsverbot nach § 3 KAV.620 611 Zur Abgrenzung von Dienstleistungsauftrag und Dienstleistungskonzession siehe § 7 II.3.e)cc)(2). 612 So auch Burgi, NZBau 2005, 610 (616). 613 Ähnlich auch Burgi, NZBau 2005, 610 (616). 614 So auch Burgi, NZBau 2005, 610 (616). 615 So auch Burgi, NZBau 2005, 610 (616), der dies als Frage aufwirft. 616 Vgl. hierzu: § 7 II.4.c)bb)(4). 617 Vgl. hierzu § 7 II.4.c)bb)(4). 618 Vgl. hierzu: § 7 II.4.c)bb)(3). 619 So schon in § 7 II.4.c)bb)(3). 620 Vgl. hierzu: § 7 II.4.c)bb)(3).
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Insofern fehlt es an einem sachdienlichen Ansatzpunkt für etwaige Wirtschaftlichkeitserwägungen i. S. d. § 97 Abs. 5 GWB i. R.d. Konzessionsvergabe. Zum anderen – und das macht der Verweis auf § 1 EnWG deutlich – geht es beim Netzbetrieb nicht nur um eine preisgünstige Versorgung, sondern um eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte, die auch durch den Netzbetrieb geleistet werden sollen. Ein zu starkes Abzielen auf die Kostenebene bei der Vergabe der Konzessionen trägt den anderen wichtigen Aspekten des § 1 EnWG für eine tragfähige Vergabeentscheidung keine Rechnung und übergeht damit die eindeutige gesetzgeberische Entscheidung, wonach die Gemeinden auf die in § 1 EnWG genannten Zwecke und nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit des Netzbetriebes verpflichtet sind. Aus diesen vorstehenden Gründen ist ein Abstellen auf das wirtschaftlichste Angebot i. S. d. § 97 Abs. 5 GWB im Rahmen der Konzessionsvergabe unzulässig. (4) „ Berechtigte wirtschaftliche Interessen“ i. S. d. Gemeindeordnungen als Kriterium Einige Gemeindeordnungen enthalten spezielle Regelungen bzgl. des Abschlusses von sog. Energieverträgen, zu denen auch die Konzessionsverträge u. a. zu zählen sind.621 So bestimmt die Sächsische GemO in § 101 Abs. 1 S. 1, die KV Mecklenburg-Vorpommerns in § 74 Abs. 1622 und die Baden-Württembergische GemO in § 107 Abs. 1, dass die Gemeinden einen Konzessionsvertrag nur abschließen dürfen, „wenn die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde nicht gefährdet wird und die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Gemeinde und ihrer Einwohner gewahrt sind“. Damit normieren die Bestimmungen der genannten Gemeindeordnungen zwei Voraussetzungen für den Abschluss eines Energie- bzw. Konzessionsvertrages. Zunächst darf der Abschluss nicht zu einer Gefährdung der Erfüllung der Gemeindeaufgaben führen. Insofern enthalten die vorgenannten Gemeindeordnung eine für die Energieverträge spezifische Ausformung des Erfordernisses der Leistungsfähigkeit, wie es für die Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung in allen Gemeindeordnungen als Voraussetzung benannt ist [vgl. Ausführungen in § 6 IV.2.b)dd)]. Die Gemeinde darf einen Konzessionsvertrag dann nicht abschließen, wenn dieser bzw. die darin enthaltenen 621 Gern, Sächsisches Kommunalrecht,2. (2000), Rn. 872; Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, Bd. 3,13. Lfg. (Januar 2004), § 107 Rn. 23 ff. 622 § 74 Abs. 1 Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern erweitert den nachstehenden Gesetzestext um „Einwohnerinnen und Einwohner“.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung369
Regelungen zu Belastungen und Bindungen der Gemeinde führen, die ihre Leistungsfähigkeit bspw. finanziell oder personell übersteigen.623 Interessanter ist jedoch die zweite Voraussetzung der vorgenannten Bestimmungen, wonach die Energieverträge nur abgeschlossen werden dürfen, wenn die berechtigten Interessen der Gemeinde und ihrer Einwohner gewahrt sind. Diese Voraussetzung schafft einen Anknüpfungspunkt für mögliche Kriterien. Für die Gemeinde ist eine hohe Konzessionseinnahme von besonderem Interesse.624 Für die Gemeindebewohner stellt sich dies jedoch genau umgekehrt da. Im Sinne eines möglichst niedrigen Strompreises, der sich u. a. auch aus der Konzessionsabgabe zusammensetzt, ist es im Interesse der Gemeindebewohner, dass die Konzessionsabgaben an die Gemeinden nicht höher als nötig sind.625 Im Interesse der Bürger wird vielmehr ein stabiler Netzbetrieb oder auch qualitativer Netzservice vor Ort als Kriterium der Konzessionsvergabe liegen. Beide beispielhaften Aspekte können aber auch schon über § 1 EnWG als Kriterien in die Konzessionsvergabe einbezogen werden. Einen Mehrwert mit Blick auf die Kriterienwahl schaffen die vorgenannten Bestimmungen in den Gemeindeordnungen aber dadurch, dass sie sehr deutlich machen, dass eben nicht nur die Interessen der Gemeinde, sondern auch die der Bürger von Bedeutung und in Einklang zu bringen sind. Auch diesbezüglich können nur solche wirtschaftlichen Interessen als „berechtigt“ i. S. d. der Regelungen in den vorgenannten Gemeindeordnungen angesehen werden, die netz- bzw. konzessionsvertragsspezifisch sind. d) Zusammenfassung Die Gemeinden haben die Wahl zwischen verschiedenen Kriterien, die von Gemeinwohlaspekten über Erwägungen der technischen und fachlichen Qualifikation bis hin zu netzspezifischen sicherheitsrelevanten Aspekten reichen. Diese sind zunächst aus § 1 Abs. 1 EnWG abzuleiten. Die Gemeinden sind bei der Wahl ihrer Kriterien gem. § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG den „Zielen“ des § 1 EnWG verpflichtet, woraus abzuleiten ist, dass die Gemeinden jedenfalls die in § 1 EnWG niedergelegten Zwecke in Form von Kriterien einzubeziehen haben. Dabei sind die aus § 1 EnWG abzuleitenden Kriterien nicht abschließend, sondern es ist die Einbeziehung weiterer konzessions- und netzspezifischer Kriterien grundsätzlich zulässig. Diese Wahl623 Kunze/Bronner/Katz,
Gemeindeordnung Baden-Württemberg, Bd. 3,13. Lfg. (Ja-
nuar 2004), § 107 Rn. 32. 624 Vgl. § 7 II.4.c)bb)(3). 625 So auch Waller, „Neue Energie“ für die kommunale Selbstverwaltung (2013), S. 218.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
möglichkeiten verursachen aber auch nicht unerhebliche Rechtsunsicherheiten bei Gemeinden und Bewerbern. Diesen Rechtsunsicherheiten versuchen Leitfäden, etwa der Gemeinsame Leitfaden des BKartA und der BNetzA oder auch der Kriterienkatalog der Energiekartellbehörde Baden-Württembergs, zu begegnen. Auch wenn der Kriterienkatalog der Energiekartellbehörde Baden-Württemberg dies mit konkreten Beispielen und Kriterien versucht, so handelt es sich hierbei nur um eine beispielhafte Auflistung, die im Übrigen auch nur für das Bundesland Baden-Württemberg und die Zuständigkeitsfelder der Energiekartellbehörde Relevanz hat bzw. haben kann. Für andere Bundesländer bzw. Gemeinden aus anderen Bundesländern bietet dies grundsätzlich keine rechtlich gesicherte Entscheidungsgrundlage bei der Festlegung der Auswahl- und Entscheidungskriterien. Außerdem enthält der Kriterienkatalog einige wenige beispielhaft genannte Kriterien, die nicht den vorstehend dargestellten rechtlichen Vorgaben entsprechen. Auch insoweit ist der Kriterienkatalog mit Vorsicht zu behandeln. Rechtsverbindlich sind die Leitfäden und der Kriterienkatalog im Übrigen ebenfalls nicht.626 Sie dienen vielmehr als Auslegungs- und Anwendungshilfe und geben die Rechtsauffassung ihres Verfassers wieder.627 Mit der Einführung des § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG und dessen Verweis auf § 1 EnWG hat der Gesetzgeber einen deutlichen Schritt in Richtung gesetzliche Klärung der zulässigen Kriterien im Vergabeverfahren getan. Dabei sollten die aus § 1 Abs. 1 EnWG abgeleiteten Auswahl- und Entscheidungskriterien bei der jeweiligen Konzessionsvergabe durch die Gemeinden so aufeinander abgestimmt sein, dass sie einander nicht diametral gegenüberstehen. Denn insofern gebietet § 1 EnWG eine Zielharmonisierung, notfalls im Wege einer praktischen Konkordanz.628 Im Übrigen müssen die von der Gemeinde verwendeten Auswahl- und Entscheidungskriterien einen klaren Bezug zum Gegenstand der Konzessionsvergabe, nämlich der Stromkonzession und dem Netzbetrieb, aufweisen und den energierechtlichen Besonderheiten (etwa §§ 6 ff. EnWG) Rechnung tragen. Darüber hinaus kann die Gemeinde zusätzliche Auswahl- und Entscheidungskriterien aus dem EnWG und anderen Rechtsquellen ableiten, solange auch diese konzessionsvertrags- und netzspezifisch im dargestellten Sinne sind. Dies kann in Anlehnung an § 4 Abs. 2 EnWG die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Netzbetreibers sein oder (wenn auch als Auswahl626 So auch Kermel-Christ, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 9 Rn. 22 ff. 627 So auch BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 1, Rn. 3; Kermel-Christ, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 9 Rn. 5 und 22. 628 Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 1 Rn. 58.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung371
kriterium in der Praxis vermutlich wenig sinnvoll) die Höhe der Konzes sionsabgaben. Unzulässig sind indes Kriterien, die auf die Erzeugungs- oder Vertriebs ebene Bezug nehmen und diese in die Konzessionsvergabe einbeziehen. Untauglich ist außerdem das Kriterium des möglichst schnellen Netzanschlusses von erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen, da diesbezüglich jeden Netzbetreiber eine gesetzlich normierte Pflicht hierzu trifft. Auch die zusätzliche Regulierung der Netzentgelte durch ein Kriterium des niedrigsten Netzentgeltes verbietet sich. Gezielte (re)kommunalisierungsfreundliche Kriterien zur Förderung des kommunaleigenen Unternehmens im Wettbewerb um die Konzession verbieten sich ebenfalls, wenn hierdurch andere Bewerber diskriminiert oder ungleich behandelt werden bzw. ihnen eine gleichberechtigte Teilnahme am Wettbewerb um die Konzessionen nicht mehr möglich ist. Dies gilt ebenso für Kriterien, die an die Formel „bekannt und bewährt“ aus dem Gewerberecht erinnern. Eine Übertragung des zentralen Zuschlagskriteriums des wirtschaftlichsten Angebotes, wie es das förmliche Vergabeverfahren in § 97 Abs. 5 GWB vorsieht, ist im Rahme der Konzessionsvergabe ebenfalls nicht angezeigt. Mit Kriterien, die aus Quellen außerhalb des § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG abgeleitet werden, können Gemeinden Aspekte wie etwa die fach liche Eignung des Netzbetreibers betonen. Die aus anderen Rechtsquellen hergeleiteten Kriterien kann die Gemeinde aber in der Regel auch bereits aus § 1 Abs. 1 EnWG ableiten. Denn durch die offene Formulierung des § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG sind viele Kriterien und Spielarten von Kriterien denkbar, zu deren Konstruktion ein Rückgriff auf andere Rechtsgrundlagen in der Regel nicht nötig sein dürfte. Dennoch lassen sich hilfreiche Anregungen aus der Betrachtung anderer Regelungen gewinnen. Eine abschließende Klärung der möglichen und zulässigen Auswahl- und Entscheidungskriterien innerhalb des Konzessionsvergabeverfahrens lässt sich wegen der Offenheit der § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG nicht erreichen. Es muss daher bei der hier vorgenommenen beispielhaften Auflistung verbleiben. So offen § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG jedoch gefasst sein mag, so eng sind doch die Grenzen, die sich aus der Bindung an den Vergabegegenstand (die Stromkonzession und den Netzbetrieb) und deren Verortung im und näheren Ausgestaltung durch das Energiewirtschaftsrecht ergeben. Insofern sind zwar grundsätzlich viele Kriterien für die Netzvergabe denkbar, diese müssen jedoch immer einen konzessionsvertrags- bzw. netzspezifischen Bezug aufweisen, um eine Rückanbindung an den Vergabegegenstand und das ihn bestimmende Recht zu erreichen. Diese Grenzen sind von den Gemeinden bei der Wahl ihrer Auswahl- und Entscheidungskriterien für die Ver-
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gabe der Stromkonzession zu berücksichtigen. Dem steht auch Art. 28 Abs. 2 GG nicht entgegen, der zwar die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden sichert, diese aber unter den Vorbehalt gesetzlicher Ausgestaltung stellt. 5. Gewichtung der Auswahl- und Entscheidungskriterien Der erste Schritt hin zu einer tragfähigen Auswahlentscheidung ist durch die Festsetzung und Veröffentlichung zulässiger Auswahl- und Entscheidungskriterien durch die Gemeinde getan. Die Praxis ist aber darüber hinaus davon bestimmt, dass die Gemeinden die von ihnen ausgewählten Auswahlund Entscheidungskriterien untereinander gewichten, so dass einzelne Kriterien mit einem größeren Gewicht versehen in die Entscheidung eingehen. Eine Norm, die diesen Gewichtungsvorgang für die Konzessionsvergabe sowie dessen Folgen im EnWG positivrechtlich vorsieht, ist nicht vorhanden. Wie selbstverständlich führen dennoch Rechtsprechung und Literatur aus, dass durch die Gemeinden eine Gewichtung der Kriterien vorgenommen werden könne bzw. vorzunehmen sei.629 Daneben soll die dargestellte vorherige Bekanntmachungspflicht hinsichtlich der Auswahl- und Entscheidungskriterien [vgl. § 7 II.3.b)aa)] in gleichem Maße auch für die Gewichtung der Kriterien durch die Gemeinde aus Gründen der Transparenz und Gleichbehandlung bzw. Nichtdiskriminierung gelten.630 Auf diese Gründe wird auch gestützt, dass die Gemeinden die Gewichtung nicht im Laufe des Vergabeverfahrens ändern dürfen.631 Diesen Ausführungen ist zuzustimmen. Wählte eine Gemeinde beispielsweise fünf Kriterien aus, auf die sie ihre Auswahlentscheidung stützen möchte, von denen für sie aber einige wichtiger (bspw. die Sicherheit des Netzbetriebes) als andere sind (bspw. die Zahlung der höchst zulässigen Konzessionsabgabe an die Gemeinde), so muss schon aus rein praktischen Gründen eine Gewichtung dieser Kriterien vorgenommen werden. Mangels ausdrücklicher Regelung im EnWG bedarf es jedoch einer rechtlichen Substantiierung dieses Vorgehens. Die Gewichtung von Zuschlagskriterien ist im formellen Vergaberecht gängig und bspw. in § 29 Abs. 4 S. 2 u. S. 3 SektVO632 oder Art. 53 Abs. 2 629 So etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120 (121); LG Kiel, Beschl. v. 3.2.2012, 14 O 12/11 Kart, BeckRS 2012, 07589; Byok/Graef/Faasch, NZBau 2012, 556 (557); Hofmann, NZBau 2012, 11 (13 u. 15); Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Musterkriterienkatalog als Orientierungshilfe (9.7.2013), S. S. 2 ff., jeweils in 3. Spalte der Tabelle. 630 EuGH, Urt. v. 12.12.2002, C-470/99, NZBau 2003, 162 (167); EuGH, Urt. v. 18.11.2010, C-226/09, NZBau 2011, 50 (52); Hofmann, NZBau 2012, 11 (15). 631 Hofmann, NZBau 2012, 11 (15). 632 = Sektorenverordnung.
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VKR633 (RL 2004 / 18 / EG) geregelt. Zum Zwecke dieser Gewichtung werden in der Praxis verschiedene Methoden genutzt.634 Was jedoch rechtlich unter dem Begriff der Gewichtung zu verstehen ist, wird weder im EURecht noch im nationalen Recht definiert.635 Auch Rechtsprechung und Literatur widmen sich dieser Frage – soweit ersichtlich – nur selten bis gar nicht.636 Sehr eingängig ist die Begriffsbeschreibung von Bartsch / von Gehlen / Hirsch, die ausführen, dass die Gewichtungen der unterschiedlichen Kriterien „den Grad der Bedeutung, das heißt die Maßzahl angeben, die dem Zuschlagskriterium im Rahmen der Angebotsbewertung zu kommt.“637 Hierdurch kann ein Gewichtungsschwerpunkt eines Kriteriums und damit ein stärkeres Einwirken dieses Kriteriums auf die Vergabeentscheidung bewirkt werden.638 Es kann vermutet werden, dass die Gewichtung und ihre Methoden aus dem förmlichen Vergabeverfahren durch viele Gemeinden gedanklich auf das Konzessionsverfahren übertragen werden. Dies wird jedoch nicht den inhaltlichen Besonderheiten der Stromkonzessionen als besonderem Vergabegegenstand und ihrer Bedeutung für die Energieversorgung gerecht. Insbesondere übersieht ein solches Vorgehen auch die spezifischen Anforderungen an die Auswahl- und Entscheidungskriterien aus § 1 EnWG. Allerdings können die Gemeinden die Vornahme von Gewichtungen der von ihnen bestimmten Auswahl- und Entscheidungskriterien auf ihre Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 GG stützen.639 Denn die Vergabe der örtlichen Stromkonzessionen ist nach allgemeinem, wenn auch nicht unumstrittenen Verständnis, als örtliche Angelegenheit zu qualifizieren,640 die die Gemeinden in eigener Verantwortung zu regeln berechtigt sind. Hiernach steht es den Gemeinden grundsätzlich frei, Kriterien für die Vergabe der Stromkonzessionen nach eigenem Ermessen zu gewichten. Die Selbstverwaltungsgarantie besteht indes ausweislich Art. 28 Abs. 2 GG nur im Rahmen des Gesetzes. Zwar enthält das EnWG, wie vorstehend beschrieben, keine ausdrückliche Gewichtungsregelung; allerdings wird im Rahmen der von den Gemeinden zulässiger Weise zugrunde zulegenden Kriterien in § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG auf § 1 EnWG verwiesen. Dieser § 1 EnWG enthält in Abs. 1 nach allgemeiner Ansicht und dem Willen des Gesetzgebers verschiedene gleichwertige bzw. -rangige Zwecke 633 = Vergabe-Richtlinie
Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge. bspw. Bartsch/v. Gehlen/Hirsch, NZBau 2012, 393 (395). 635 So auch feststellend: Bartsch/v. Gehlen/Hirsch, NZBau 2012, 393 (394). 636 Einzig soweit ersichtlich: Bartsch/v. Gehlen/Hirsch, NZBau 2012, 393 (394). 637 Bartsch/v. Gehlen/Hirsch, NZBau 2012, 393 (394). 638 Bartsch/v. Gehlen/Hirsch, NZBau 2012, 393 (394). 639 Wohl a. A.: Höch, RdE 2013, 60 (63). 640 Zu den verschiedenen Argumentationslinien und der Kritik hieran, siehe Kap. § 6 II.9.c). 634 Hierzu
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des Gesetzes.641 Eine Rangfolge oder Abstufung sieht § 1 EnWG nicht vor.642 Aufgrund der Gleichrangigkeit der in § 1 Abs. 1 EnWG genannten Zwecksetzungen und der Verpflichtung der Gemeinden aus § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG auf diese Zwecke des Gesetzes muss die Frage gestellt werden, ob diese Gleichrangigkeit in § 1 Abs. 1 EnWG einer unterschiedlichen Gewichtung der aus eben diesem § 1 Abs. 1 EnWG abgeleiteten Kriterien widerspricht. § 1 EnWG regelt für das gesamte EnWG, insbesondere für alle Wertschöpfungsstufen, einen Zielekanon, der innerhalb der Energieversorgung grundsätzlich gleichwertig verfolgt werden soll. Dabei ist es aber schon aufgrund der in § 1 Abs. 1 EnWG genannten Zwecke des Gesetzes, die einander teilweise sogar widersprechen, gar nicht möglich, allen Zwecksetzungen vollumfänglich zu entsprechen. Hierzu stehen sich die Zwecke, etwa die Preisgünstigkeit und die Umweltverträglichkeit sowie die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruhende Energieversorgung, zu konfliktreich und widersprüchlich gegenüber. Insofern ist dem § 1 Abs. 1 EnWG ebenso immanent, dass nicht jeder Zweck für sich vollumfänglich umgesetzt, sondern vielmehr eine Art praktische Konkordanz643 zwischen den divergierenden Zwecken geschaffen werden muss, die ihnen im Verhältnis zueinander eine maximale Geltungsmöglichkeit verschaffen.644 Denn nur auf diese Weise wird jedem vom Gesetzgeber bestimmten Zwecke des EnWG Rechnungen getragen und einer Vernachlässigung einzelner Zwecke vorgebeugt. Dies hat auch im Rahmen der Gewichtung der aus § 1 Abs. 1 EnWG hergeleiteten Kriterien für die Vergabe der Stromkonzessionen zu gelten. Die Gemeinde kann demnach, gestützt auf ihre Selbstverwaltungsgarantie nach 641 Bundesregierung, BT-Drs. 13/7274, Anlage 3, S. 31 (rechte Spalte); Danner/ Theobald-Theobald, Energierecht,78. EGL (Sept. 2013), EnWG, § 1 Rn. 28; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 1 Rn. 58; ausführlich: Säcker-Säcker/Timmermann, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), EnWG, § 1 Rn. 11; zur Abwägung konkurrierender Belagen: Säcker-Säcker/Timmermann, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), § 1 Rn. 38 ff. 642 Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 1 Rn. 58. 643 Diesen Begriff auch verwendend: Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 1 Rn. 58. 644 OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.9.2013, 10 ME 88/12, RdE 2014, 41 (41 f., 2. Leitsatz), wonach die Ziele des § 1 EnWG zu mindestens 50 % in die Vergabeentscheidung einfließen müssten; Höch, RdE 2013, 60 (67), wonach bereits 75 % die absolute Untergrenze darstellen; Templin, NZBau 2014, 487 (489), der in die Formulierung des BGH in seiner Entscheidung, Urt. v. 17.12.2013, KZR 65/12, NZBau 2014, 303 (307, Rn. 49), hineinließt, dass wohl mehr als 50 % in die Vergabeentscheidung einfließen müsse. Der BGH hatte aber nur formuliert, dass die „Ziele des § 1 EnWG“ „vorrangig“ Berücksichtigung finden müssten, vgl. BGH in seiner Entscheidung, Urt. v. 17.12.2013, KZR 65/12, NZBau 2014, 303 (307, Rn. 49).
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Art. 28 Abs. 2 GG, die von ihr festgelegten Auswahl- und Entscheidungskriterien untereinander gewichten. Hierbei hat sie jedoch zu beachten, dass die Gewichtung der Kriterien nicht so erfolgen darf, dass eine praktische Konkordanz zur Erreichung der in § 1 Abs. 1 EnWG genannten Zwecke nicht mehr möglich erscheint. 6. Verfahrensdurchführende und -entscheidende Stelle Neben den zuvor dargestellten Fragen- und Problemkreisen im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe darf die Rolle der verfahrensdurchführenden und -entscheidenden Stelle nicht vernachlässigt werden. Ganz im Gegenteil: Ihr kommt eine, wenn nicht die zentrale Rolle im Rahmen der Vergabe der Stromkonzessionen zu. Nach derzeitiger Rechtslage ist die jeweilige Gemeinde, um deren Verteilernetz es bei der Konzessionsvergabe geht, gem. § 46 Abs. 1 und 2 EnWG verfahrensdurchführende und -entscheidende Stelle. Damit führt und gestaltet die Gemeinde selbst das Konzessionsvergabeverfahren vor Ort und trifft die Entscheidung darüber, wer zukünftig das örtliche Verteilernetz betreiben wird. Daneben sind die Gemeinden – wie zuvor in in § 6 II.9. dargestellt – durch die Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 Abs. 2 GG aber auch im Rahmen der Gesetz befugt, sich aktiv in das Vergabeverfahren um die Netzkonzessionen als Bewerber einzubringen. Dadurch entsteht der vorstehend bereits an mehreren Stellen dargestellte Konflikt, dass die Gemeinden im Falle eines eigenen (Re)Kommunalisierungsvorhabens sowohl Entscheidungsträger (vergebende Stelle) als auch Bewerber im Verfahren sind, also bildlich ausgedrückt Schiedsrichter und Spieler zugleich.645 Hierdurch entsteht die Gefahr, dass die Gemeinden als Schiedsrichter in eigener Sache entscheiden könnten.646 645 Grundlegend im Zusammenhang mit Netzwirtschaften den Begriff des „Schiedsrichters“ für die Aufgaben der Kartell-/Regulierungsbehörden einführend und damit Grenzen staatlicher Kompetenz aufzeigend: Heise, Das Verhältnis von Regulierung und Kartellrecht im Bereich der Netzwirtschaften (2008), S. 138 und insbesondere S. 267, wonach: „innerhalb des wettbewerblichen Steuerungsmodells […] dem Staat nicht die Rolle eines Akteurs, sondern die eines Schiedsrichters zu[komme]“; so für die Verteilernetze ausgeführt auch: Jacob, N&R 2012, 194 (201); ähnlich: Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 18 f. 646 Jacob, RdE 2011, 212 (215); Jacob, N&R 2012, 194 (201), zu diesem Problem auch: Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 18 f.
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Ein wie mit der Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes angestrebtes „level playing field“647 mit grundsätzlich gleicher Ausgangslage für alle Bewerber wird hierdurch verhindert.648 Gerade die monopolistische Struktur der Netzvergabe wie auch des Netzbetriebs bringen dabei zusätzliche Brisanz in die Konstellation im Konzessionsvergabeverfahren.649 Das dahinter stehende Kernproblem ist aber vor allem in der Möglichkeit der kommunalen Selbstbegünstigung zu sehen.650 Auch wenn es im Einzelfall trotz dieser Interessenkonflikte gelingen mag, einen fairen, transparenten, diskriminierungsfreien Wettbewerb um die Konzessionen zu ermöglichen, so belastet doch die Gefahr einer solchen Selbstbegünstigung die Entscheidung um die Konzessionsvergabe stark. Es erscheint nicht fernliegend, dass dies sogar so weit führt bzw. führen kann, dass potentielle andere Bewerber (bspw. private Netzbetreiber) erst gar nicht an dem für sie aufwändigen Vergabeverfahren teilnehmen werden, wenn eine Gemeinde selbst als Bewerber auftritt, weil sie ihre Chancen im Verfahren gegen das (re)kommunalisierte Unternehmen zu obsiegen für zu gering einschätzen. Rechnet sich ein privates Netzbetreiberunternehmen keine hinreichenden Erfolgschancen aus, so wird es vermutlich aus wirtschaftlichen Gründen von dem Aufwand und den Kosten einer Bewerbung sowie Teilnahme am Konzessionsvergabeverfahren absehen. Jedenfalls ist die Gemeinde im Falle einer Teilnahme ihres (re)kommunalisierten Unternehmens an der Konzessionsvergabe kein neutraler und objektiver Entscheidungsträger,651 wie sie es aber insbesondere nach den europäischen Vorgaben aus dem europäischen Primärrecht sein sollte.652 Denn immer dann, wenn sich ein (re)kommunalisiertes Unternehmen um die Konzessionen auf dem eigenen Gemeindegebiet bemüht, besteht die 647 „level playing field“ ist ein Konzept, wonach für alle Beteiligte in einem Verfahren die gleichen Voraussetzungen geschaffen werden sollen, so dass alle Beteiligten zu den gleichen Bedingungen am Verfahren teilnehmen und nicht ein Beteiligter begünstigt wird. Es geht dabei um die Ermöglichung fairen Wettbewerbs. 648 Jacob, RdE 2011, 212 (215); so argumentiert für einen etwas anderen Fall: Kommission in der Begründung zur Entscheidung in Rn. 97, abgedruckt in EuGH Urteil vom 5. Juni 2012, RS. C-124/10 P, Europäische Kommission unterstützt durch EFTA-Überwachungsbehörde vs. Électricité de France (Streithelfer: Französische Republik und Iberdrola SA). 649 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 19. 650 Jacob, N&R 2012, 194 (201). 651 So auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 19, der jedoch an diese Feststellung keine Folgen knüpft. 652 Vgl. hierzu § 7 II.3.e)cc)(2)(d).
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Gefahr, dass die Gemeinde das Verfahren sowie ihre Entscheidung zur Vergabe der Stromkonzession von langer Hand plant, Kriterien für die Vergabe bereits unter diesem Gesichtspunkt zugunsten einer (Re)Kommunalisierung auswählt und den Entscheidungsprozess zugunsten des eigenen (re)kommunalisierten Unternehmens beeinflusst. Dieses Problemen der Interessenverflechtungen ist unabhängig von der Gesellschaftsform des (re)kommunalisierten Unternehmens gegeben, allerdings umso stärker, wenn die Gemeinde das Netz in Form eines Eigen- oder Regiebetriebs (re)kommunalisiert, der in die Verwaltung integriert ist [zu den verschiedenen Modellen der (Re)Kommunalisierung in § 8].653 Insbesondere ein Verstoß gegen die aus dem europäischen Transparenzgebot resultierende Vorgabe der Durchführung des Verfahrens in unparteiischer Weise erscheint naheliegend.654 Damit behindert die bisherige Regelung des § 46 EnWG über die verfahrensdurchführende und -entscheidende Stelle den fairen Wettbewerb um die Netze. Sie eröffnet vielmehr eine „Einbahnstraße Richtung [(Re)]Kommuna lisierung“,655 in der Gemeinden eine getroffene (Re)Kommunalisierungsentscheidung im Wege der Vergabe der Konzessionen zu Lasten aller anderen Bewerber im Verfahren durchsetzen können. Damit gefährdet die bisherige Regelung auch die Liberalisierung, Wettbewerbsermöglichung sowie Markt öffnung auf dem reduzierten Wettbewerbsfeld um die Konzessionen und den Netzbetrieb. Noch so gute Verfahrensregeln im Hinblick auf Transparenz, Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz656 können bei der Verquickung von Entscheidungsträger und -begünstigtem nicht verhindern, dass zumindest die Gefahr von einseitigen Begünstigungen zu Lasten anderer Bewerber im Wettbewerb entsteht und hierdurch Bewerber von der Teilnahme im Verfahren zurückschrecken. Aus diesen Gründen muss die Gemeinde bei der Teilnahme ihres (re)kommunalisierten Unternehmens am Konzessionsverfahren von der Entscheidung über die Konzessionsvergabe als Entscheidungsträger ausgeschlossen werden.657 Jedenfalls bei eigener Teilnahme am Konzessionsverfahren sollten zwingend die Landesregulierungsbehörden oder aber die 653 So sieht es auch Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 19. 654 A. A.: Gröning, NZBau 2001, 123 (125), der ausführt, dass aus dem Transparenzgebot keine Regel zur unparteiischen Durchführung des Verfahrens folge. 655 Jacob, RdE 2011, 212 (215). 656 Vgl. § 7 II.3.e), insbesondere § 7 II.3.e)cc)(2)(d)(bb). 657 So auch Jacob, RdE 2011, 212 (215); a. A.: Templin, VerwArch 100 (2009), 529 (544), der allgemein ausführt (ohne Bezug zu (Re)Kommunalisierung), dass die „Entscheidung über eine Konzession […] sinnvoll gerade nur auf der jeweiligen Gemeindeebene getroffen werden“ könne.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Bundesnetzagentur die verfahrensdurchführende und -entscheidende Stelle sein.658 Dadurch könnten eine neutrale Vergabe der Konzessionen und ein Schutz des Wettbewerbs und der Wettbewerber auf dem liberalisierten Strom- bzw. Netzmarkt erreicht werden. Bemüht sich indes kein (re)kommunalisertes Unternehmen um die Stromkonzessionen, so kann und muss es schon wegen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gem. Art. 28 Abs. 2 GG bei der derzeitigen Regelung und der Verfahrensdurchführung sowie Entscheidung durch die Gemeinde verbleiben.659 Ist die Gemeinde jedoch auch nur an einem privaten Unternehmen, das sich um die Stromkonzession bewirbt, beteiligt, so sollte schon um den Anschein einer Selbstbegünstigung zu vermeiden selbiges gelten wie bei der Teilnahme eines vollständig im Eigentum der Gemeinde befindlichen Unternehmens. Die Entscheidung über die Vergabe der Konzession sollte auch in diesem Fall nicht bei der Gemeinde liegen. Gegen die Delegation der Entscheidung über die Konzessionsvergabe an die Landesregulierungsbehörden oder die BNetzA mag zunächst sprechen, dass damit den Gemeinden die Entscheidungshoheit über das Wegenutzungsrecht genommen wird und dies mit Art. 28 Abs. 2 GG nicht vereinbar scheint.660 Nach dem hier vorgetragenen Vorschlag sollen die Landesregulierungsbehörden oder die BNetzA allerdings nur in den Fällen tätig werden, in denen die Gemeinde sich dazu entscheidet, als „Spieler“ im Verfahren um die Konzessionen teilzunehmen. Nur in diesem Fall entstehen der zuvor geschilderte Interessenkonflikt und das Missbrauchsrisiko, welches nicht mit dem Verweis auf Art. 28 Abs. 2 GG ignoriert werden darf. Vielmehr muss an dieser Stelle berücksichtigt werden, dass die Gemeinde mit der Teilnahme des eigenen, (re)kommunalisierten Unternehmens am Konzessionsverfahren eine auf Art. 28 Abs. 2 GG fußende Entscheidung getroffen hat. Die Gemeinden entschieden sich damit dafür, sich wie alle anderen Bewerber um die Konzession in den Wettbewerb um diese zu begeben. Begibt sich die Gemeinde auf diese Weise auf die gleiche Ebene mit allen anderen (privaten) Wettbewerbern, so ist es auch nur folgerichtig, dass sie 658 So auch Jacob, RdE 2011, 212 (215); Jacob, N&R 2012, 194 (201), der sich für die BNetzA ausspricht. 659 Büdenbender, Materiellrechtliche Entscheidungskriterien der Gemeinden bei der Auswahl des Netzbetreibers in energiewirtschaftlichen Konzessionsverträgen (2011), S. 18 weist darauf hin, dass bei der Entscheidung zwischen nur „kommunalfremenden EVU“ grundsätzlich von der Gemeinde als neutraler Entscheidungsinstanz ausgegangen werden könne. 660 So führt Sauer etwa in anderem Zusammenhang aus, dass die gemeindliche Systementscheidung hinsichtlich der Selbstvornahme geradezu konstituierende für eine gemeindliche Lenkungskompetenz sei, vgl. Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 640.
II. Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung379
in gleicher Weise auch dem Wettbewerb und damit zusammenhängenden „level playing field“ unterworfen ist.661 Mit der Entscheidung für die Wettbewerbsteilnahme trifft sie damit zugleich eine Entscheidung darüber, auf welcher Seite des so bildlich aufgeworfenen Spielfelds, nämlich auf Seiten der Spieler oder des Schiedsrichters, sie stehen will. Entscheidet sie sich zu einer Teilnahme am Wettbewerb um die Konzession (also für die Seite der Spieler), so muss sie sich auch wie jeder anderer private Wettbewerber behandeln lassen. Hierzu gehört konsequenterweise aber auch, dass sie sich wie alle anderen Wettbewerber der Vergabe durch eine von ihr personenverschiedene, neutrale Stelle stellen muss. Dem kann die Einbeziehung der Landesregulierungsbehörden oder der BNetzA Rechnung tragen. Gerade weil die Gemeinden ihre Entscheidung das Netz zu (re)kommunalisieren auf Art. 28 Abs. 2 GG stützen, bestimmen sie selbst ihre Rolle in der Konzessionsvergabe. Diese wird ihnen nicht gesetzlich, möglicherweise gegen Art. 28 Abs. 2 GG verstoßend, zugewiesen. Insofern führt die eigene, von den Gemeinden auf Grundlage des Art. 28 Abs. 2 GG getroffene Entscheidung zu einem Interessenkonflikt. Diesen dadurch zu lösen, dass eine neutrale Stelle die Vergabe in diesen Fällen übernimmt, steht nicht im Widerspruch zu Art. 28 Abs. 2 GG, sondern trägt der auf Grundlage des Art. 28 Abs. 2 GG getroffenen Entscheidung der Gemeinden zu (re)kommunalisieren und den gleichzeitig bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zur Wahrung des Wettbewerbs um die Stromkonzessinoen, unter deren Vorbehalt Art. 28 Abs. 2 GG wiederum steht, Rechnung. Dass gerade die Landesregulierungsbehörden oder die BNetzA für die Vergabe der Konzessionen als vergabedurchführende und -entscheidende Stelle besonders geeignet sind, ergibt sich schon daraus, dass sie bereits nach geltendem Recht mit dem Netzbetrieb in vielfacher Hinsicht befasst sind (bspw. i. R.d. Entgeltregulierung, über die Befugnis zur Festlegung der herauszugebenden Daten bei Konzessionsende und i. R.d. Netzübergangs) und daher über Expertise in diesem Bereich verfügen. Insofern sind die BNetzA oder die Landesregulierungsbehörden sogar grundsätzlich sehr viel geeigneter als verfahrensdurchführende und -entscheidende Stelle als die Gemeinden, die nur alle zwanzig Jahre mit dem Auslaufen der Konzessionsverträge konfrontiert sind. Die Delegation der Verfahrensdurchführung und Entscheidung an diese Stellen würde auch die Möglichkeit bieten, Know-how im Hinblick auf das Konzessionsverfahren und die Konzessionskriterien zu bündeln. Dies ist ein mit Blick auf die Komplexität der Konzessionsvergabe nicht zu unterschätzender Vorteil. Für den Fall, dass die Gemeinde sich zu einer (Re)Kommunalisierung (sei es allein oder unter Einbezug von Partnern) entscheidet, ist es daher 661 Jacob,
N&R 2012, 194 (201).
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
rechtlich geboten, dass das Verfahren um die Vergabe der Konzessionen und die damit zusammenhängende Entscheidung nicht durch die Gemeinde selbst, sondern durch eine neutrale, personenverschiedene Stelle geführt und getroffen wird. 7. Zusammenfassung Neuvergabe der Konzessionen und die Vergabeentscheidung Für die Neuvergabe der Stromkonzession sind durch die EnWG-Novelle aus dem Jahr 2011 einige sinnvolle und nötige Vorgaben für das Vergabeverfahren aufgenommen worden. Zusätzlich zu den Vorgaben aus dem EnWG ergeben sich auch aus anderen Rechtsquellen Bestimmungen, die im Rahmen des Vergabeverfahrens einzuhalten sind. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf die Vorgaben aus dem europäischen Recht hinzuweisen, die sich aus der Qualifizierung der Stromkonzession als Dienstleistungskonzession ergeben. Aber auch aus dem deutschen Wettbewerbsrecht und dem GG ergeben sich zu beachtende Vorgaben. Eine Privilegierung der gemeindlichen (Re)Kommunalisierungsvorhaben durch die Befreiung von diesen Verfahrensvorschriften verbietet sich. Im Rahmen der zulässigen Entscheidungs- und Auswahlkriterien ist die Auslegung des § 1 Abs. 1 EnWG zur Ermittlung zulässiger Kriterien von besonderer Bedeutung. Diese müssen sich an dem Vergabegegenstand orientieren und daher einen netz- bzw. konzessionsvertraglichen Bezug aufweisen. Weitere Kriterien können aus dem Energierecht hinzugezogen werden, wenn sie eben diesen Bezug aufweisen und nicht gegen die für den Netzbetrieb geltenden gesetzlichen Bestimmungen verstoßen. Auch hier verbieten sich die (Re)Kommunalisierung privilegierende Kriterien. Grundsätzlich können die Gemeinden eine Gewichtung ihrer Auswahl- und Entscheidungskriterien vornehmen, die sie ebenfalls im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen vorherigen Bekanntgabe offenzulegen haben. Die Entscheidung und Durchführung des Verfahrens um die Vergabe der Stromkonzession obliegt dabei grundsätzlich derjenigen Gemeinden, in deren Gebiet die Konzession ausläuft. Allerdings sollte im Falle einer Bewerbung der Gemeinde im eigenen Konzessionsverfahren die Zuständigkeit auf die Landesregulierungsbehörden oder die BNetzA übertragen werden, um Interessenkonflikten, Diskriminierungen sowie intransparenten Verfahren und Entscheidungen vorzubeugen. Außerdem sollte diese Delegation erfolgen, um den Wettbewerb um das Netz zu schützen sowie eine rechtlich tragfähige Entscheidung hervorzubringen.
III. Verfassungsmäßigkeit Wandel vom „Überlassen“ zum „Übereignen“381
III. Verfassungsmäßigkeit des Wandels vom „Überlassen“ zum „Übereignen“ in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG Ist der alte Konzessionsvertrag ausgelaufen, das sich hieran anschließende Konzessionsverfahren um die Neuvergabe der Konzession abgeschlossen und eine Entscheidung über den zukünftigen Konzessionär getroffen, so ist eine Übertragung des Netzes und der Netzanlagen vom Alt- auf den Neukonzessionär notwendig. Wie sich dieser Übertragungsvorgang gestaltet, war lange Jahre eines der zentralen Streitpunkte im Konzessionsvertragsund Energierecht. Ausgangspunkt ist der § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG, der eine diesbezügliche Regelung enthält. Vor der Novelle des EnWG im Jahr 2011 war § 46 EnWG a. F. uneindeutig mit Blick auf diesen Übertragungsvorgang des Netzes und der Netzanlagen vom Alt- auf den Neukonzessionär. Der Streit in Rechtsprechung und Literatur knüpfte an die Formulierung in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG an, wonach das Netz dem neuen Netzbetreiber gegen angemessene wirtschaftliche Vergütung „überlassen“ werden musste. Hieran entzündete sich ein tiefgreifender Streit darüber, ob durch die Formulierung „überlassen“ in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG a. F. eine Pflicht des Altkonzessionärs zur Eigentumsübertragung662 oder lediglich zur Gebrauchsüberlassung (Besitzverschaffung) an den neuen Konzessionär geregelt war.663 Die wohl herrschende Meinung664 662 OLG Schleswig Holstein, Urt. 10.1.2006, 6 U Kart 58/05, RdE 2006, S. 199 ff.; BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 11, Fn. 21; Becker, ZNER 2002, 118 (120); Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,2. (2010), § 46 Rn. 77; Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,3. (2011), § 9 Rn. 109; Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzes sionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 855. 663 Zur Problematik: Kermel, RdE 2005, 153 (157); LG Darmstadt, Urt. v. 11.9.2006, 22 O 109/06, RdE 2007, 238 (238 ff.); OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2009, U 646/08.Kart, U 646/08 Kart, ZNER 2009, 146 (146 ff); OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.1.2008, 11 U 20/07 (Kart), ZNER 2008, 57 (57 ff.). 664 LG Hannover, Teilurt. v. 22.2.2011, 18 O 383/06, RdE 2011, 195 (197); OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.1.2008, 11 U 20/07 (Kart), ZNER 2008, 57 (57 ff.); OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2009, U 646/08.Kart, U 646/08 Kart, ZNER 2009, 146 (146 ff); LG Darmstadt, Urt. v. 11.9.2006, 22 O 109/06, RdE 2007, 238 (238 ff.); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 161; BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 11 f. Rn. 33; BDEW, Leitfaden Konzes sionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 33; Kermel/Brucker/Baumann-Kermel, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 119 ff.; Kermel, RdE 2005, 153 (157); Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), § 46 Rn. 65 ff.; Säcker/Jaecks, BB 2001, 997 (1001); wohl auch, wenn auch nicht direkt benannt: BGH, Urt. v. 29.09.2009, EnZR 14/08, 15/08, ZNER 2010, 165 (165 f.); Stuhlmacher/Stappert/ Schoon/Jansen-Reinhardt, Grundriss zum Energierecht,1.(2011), Kap. 6 Rn. 29 ff., insbesondere Rn. 35.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
ging nicht von einem Eigentumsübertragungsanspruch aus, sondern hielt es für ausreichend, wenn der alte Netzbetreiber den Besitz am Netz dem neuen Netzbetreiber, bspw. im Wege der Pacht, schuldrechtlich überließ. Mit der Novelle des EnWG im August 2011 wurde u. a. auch diese Regelung in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG geändert. Die Formulierung, dass das Netz nach Auslauf das Konzessionsvertrages dem neuen Netzbetreiber „überlassen“ werden muss, wurde gestrichen und durch eine Übereignungspflicht des alten Netzbetreibers ersetzt. Damit wurde der vorstehend beschriebene intensiv geführte Streit bzgl. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG a. F. und dessen Gehalt als Eigentumsübertragungs- oder lediglich Gebrauchsüberlassungsanspruch vom Gesetzgeber entschieden. Anders als die Gesetzesmaterialien und Stimmen in der Literatur hierzu ausführen, ist diese Neuregelung der Übereignungspflicht jedoch nicht lediglich eine gesetzgeberische „Klarstellung“ gewesen.665 Wie zuvor dargestellt, war der Gehalt des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG a. F. höchst umstritten; die h. M. ging sogar lediglich von einer schuldrechtlichen Überlassungspflicht aus.666 Der Gesetzgeber hat daher keine Klärung, sondern eine gesetzgeberische Grundsatzentscheidung zugunsten des Eigentumsübertragungsanspruchs getroffen. Trotz dieser Grundsatzentscheidung wollte der Gesetzgeber aber wohl nicht gänzlich Abschied von der Möglichkeit der lediglich schuldrechtlichen Gebrauchsüberlassung nehmen. Gem. § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG kann „das neue Energieversorgungsunternehmen […] statt der Übereignung verlangen, dass ihm der Besitz hieran eingeräumt wird.“ In der amtlichen Begründung heißt es dazu, dass „dem neuen Konzessionär […] auf Grundlage des neuen Satz 3 weiterhin die Möglichkeit eröffnet werden [soll] mit dem bisherigen Konzessionär eine Besitzüberlassung an den Netzanlagen bspw. durch Pachtvertrag zu vereinbaren.“667 Damit besteht nach dem neuen EnWG eine Übereignungspflicht des Altkonzessionärs, die jedoch durch den 665 Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/6072, S. 88; Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 855. 666 LG Hannover, Teilurt. v. 22.2.2011, 18 O 383/06, RdE 2011, 195 (197); OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.1.2008, 11 U 20/07 (Kart), ZNER 2008, 57 (57 ff.); OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2009, U 646/08.Kart, U 646/08 Kart, ZNER 2009, 146 (146 ff); LG Darmstadt, Urt. v. 11.9.2006, 22 O 109/06, RdE 2007, 238 (238 ff.); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 161; BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 11 f. Rn. 33; BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 33; Kermel/Brucker/BaumannKermel, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung1. (2008), S. 119 ff.; Kermel, RdE 2005, 153 (157); Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), § 46 Rn. 65 ff.; Säcker/Jaecks, BB 2001, 997 (1001); wohl auch, wenn auch nicht direkt benannt: BGH, Urt. v. 29.09.2009, EnZR 14/08, 15/08, ZNER 2010, 165 (165 f.); Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Reinhardt, Grundriss zum Energierecht,1.(2011), Kap. 6 Rn. 29 ff., insbesondere Rn. 35. 667 BT-Drs. 17/6072, S. 88.
III. Verfassungsmäßigkeit Wandel vom „Überlassen“ zum „Übereignen“383
neuen Konzessionär einseitig zu einer Pflicht auf Besitzüberlassung modifiziert werden kann. In der Praxis kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Mehrzahl der Neukonzessionäre die Übereignungspflicht nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG in Anspruch nehmen wird. Im Hinblick auf diese gesetzliche Entscheidung zugunsten des Übereignungsanspruches sind durch die Novelle jedoch nicht alle streitigen Aspekte bereinigt worden. Vielmehr sind hierdurch neue und schwerwiegende verfassungsrechtliche Probleme entstanden, die nachfolgend thematisiert werden. 1. Vereinbarkeit der Übereignungspflicht mit Art. 14 GG Mit der Novellierung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG und der Änderung des Überlassens- in einen Übereignungsanspruch hat der Gesetzgeber – wie nachfolgend noch erläutert wird – in verfassungswidriger Art und Weise in das Eigentum am Netz und an den dazugehörigen Anlagen eingegriffen. Für die (Re)Kommunalisierung stellt sich dies als schwerwiegendes Problem dar, haben die Gemeinden doch bei der Übertragung des Netzes i. R.d. (Re)Kommunalisierung gefordert (und fordern noch), dass ihnen das Eigentum an dem Netz übereignet wird. Gerade dieses Eigentum des Netzes ist auch einer der zentralen Ansätze und Begründungen der (Re)Kommunalisierung [vgl. § 4 IV.], soll doch das Eigentum an wichtiger Infrastruktur wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt werden. Zur Verfassungswidrigkeit der Übereignungspflicht nachfolgend im Einzelnen. a) Eingriff in eine geschützte Eigentumsposition Für die Betrachtung der Eigentumsgarantie im Hinblick auf das von § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG betroffene Stromnetz ist zunächst eine grundsätzlich Betrachtung der Eigentumsposition am Netz erforderlich. Das Stromnetz mit seinen Anlagen ist als körperlicher Gegenstand grundsätzlich eigentumsfähig. Dabei ist das Eigentum durch Privatnützigkeit und die grundsätzlich freie Verfügungsbefugnis des Eigentümers über dessen Eigentumsgegenstände charakterisiert.668 Im normalen, ungeregelten Lauf der Dinge würde der Netzbetreiber hiernach als Eigentümer der Netzanlagen aus 668 So fast wörtlich: BVerfG, Beschl. v. 22.5.2001, 1 BvR 1512, 1677/97, BVerfGE 104, 1 (8); so auch wiedergegeben in Jarass/Pieroth-Jarass, GG,13. (2014), Art. 14 GG, Rn. 18 f.; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Hofmann, GG,13. (2014), Art. 14 Rn. 12; ähnlich auch Sachs-Wendt, Art. 14 Rn. 69.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
der Bestandsgarantie des Art. 14 GG heraus das Netzeigentum so lange er wollte behalten und nutzen,669 sich aber auch dazu entschließen können, dieses zu einem sich am Markt bildenden Preis zu verkaufen, wenn er es aus wirtschaftlichen Gründen für sinnvoll hielte. Eine solch umfassende Eigentumsposition bestand und besteht am Stromnetz indes wegen der Regelungen im EnWG nicht. Der Möglichkeit, frei über das Netzeigentum zu verfügen, war der Netzeigentümer durch die gesetzliche Laufzeitbegrenzung der Konzession (dazu nachfolgend ausführlich670) auf maximal 20 Jahre und durch die Regelungen des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG a. F. schon vor der Novelle des EnWG im Jahr 2011 der Gestalt beraubt, dass er das Netz für eine „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ [hierzu in § 7 IV.] dem neuen Konzessionsnehmer „überlassen“ musste, wenn ein anderer nach Auslaufen des Konzessionsvertrages die Konzession erhielt. Damit war das Eigentum am Netz durch das EnWG a. F. mit einer Überlassenspflicht belastet, die nach h. M.671 als Pflicht zur Besitzüberlassung verstanden wurde.672 Es bestand damit also kein Eigentum auf Zeit, wie etwa beim geistigen Eigentum,673 sondern ein grundsätzlich zwar geschütztes Eigentumsrecht, welches aber durch § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG a. F. mit einer schuldrechtlichen Übertragungspflicht (Besitzverschaffung) belastet war. So stellt sich die rechtliche Situation bzgl. des Sacheigentums am Netz vor der Novelle im Jahr 2011 dar. Neben diesem Sacheigentum an dem Netz und den Netzanlagen, welches über Art. 14 GG geschützt ist, könnte als geschützte Eigentumsposition aber auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Be669 So auch Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 29, die dies mit „Haben“ und „Gebrauchmachen“ umschreiben. 670 Siehe § 7 V. 671 Siehe hierzu vorstehend § 7 III. 672 LG Hannover, Teilurt. v. 22.2.2011, 18 O 383/06, RdE 2011, 195 (197); OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.1.2008, 11 U 20/07 (Kart), ZNER 2008, 57 (57 ff.); OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2009, U 646/08.Kart, U 646/08 Kart, ZNER 2009, 146 (146 ff); LG Darmstadt, Urt. v. 11.9.2006, 22 O 109/06, RdE 2007, 238 (238 ff.); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 161; BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 11 f. Rn. 33; BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 33; Kermel/Brucker/BaumannKermel, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 119 ff.; Kermel, RdE 2005, 153 (157); Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), § 46 Rn. 65 ff.; Säcker/Jaecks, BB 2001, 997 (1001); wohl auch, wenn auch nicht direkt benannt: BGH, Urt. v. 29.09.2009, EnZR 14/08, 15/08, ZNER 2010, 165 (165 f.); Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Reinhardt, Grundriss zum Energierecht,1.(2011), Kap. 6 Rn. 29 ff., insbesondere Rn. 35. 673 Das Verwertungsmonopol ist bei geistigem Eigentum zeitlich begrenzt, so etwa beim Patentschutz auf 20 Jahre (§ 16 PatG), bei Urheberrecht auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 64 UrhG); bei Gebrauchsmustern 10 Jahre (§ 23 Abs. 1 GebrMG), bei Designs 25 Jahre (§ 27 Abs. 2 DesignG) etc.
III. Verfassungsmäßigkeit Wandel vom „Überlassen“ zum „Übereignen“385
tracht kommen.674 Des Weiteren könnte auch das Konzessionsrecht eine eigenständige Eigentumsposition und damit Anknüpfungspunkt für Art. 14 GG darstellen.675 Beide Anknüpfungspunkte für die Eigentumsposition sind aber für die hier gegenständlich Betrachtung nicht maßgeblich, da der § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. eine Übereignungspflicht hinsichtlich des Netzes und nicht etwa spezifisch hinsichtlich des (Netzbetreiber-)Unternehmens oder der Konzession regelt.676 Die Übertragungspflicht sieht gerade keinen Unternehmensverkauf oder die Abtretung von Konzessionsrechten o. ä. vor. Vielmehr muss das Sacheigentum, also Netz und Netzinfrastruktur gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F., übertragen werden. Im Übrigen stand dem Altkonzessionär (wie vorstehend beschrieben) auch vor der Novelle keine umfassende Eigentumsposition i. S. e. unbefristet möglichen Netzbetriebs zu. Vielmehr erhielt er die Konzession auch schon nach § 46 Abs. 2 EnWG a. F. nur auf Zeit und hatte insofern auch nur eine Konzession und einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auf Zeit. Die Konzession oder der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb wurden durch die Novelle des § 46 Abs. 2 EnWG daher nicht bzw. wenn überhaupt nur nachrangig betroffen. Da die Neuregelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG gerade an das Sacheigentum am Netz anknüpft, ist diese Eigentumsposition nachfolgend maßgeblich. Die von der Neuregelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG i. S. d. Art. 14 GG betroffene Rechtsposition ist damit das Sacheigentum am Netz. In diese Eigentumsposition greift der Gesetzgeber durch die Gesetzes änderung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG final ein und verkürzt die Eigentumsposition am Netz, indem er nach Ablauf des Konzessionsvertrages dem Eigentümer des Netzes die Pflicht auferlegt, das Netz an den neuen Netzbetreiber (Konzessionsinhaber) zu übereignen. Anders als noch vor der Novelle des EnWG wird dem Netzeigentümer und Altkonzessionär damit die Eigentumsposition am Netz durch die Gesetzesänderung entzogen. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG liegt daher vor. In Gänze abzulehnen sind dagegen Ansätze, die das Vorliegen eines Eingriffs bestreiten.677 Durch die Übereignungspflicht des § 46 Abs. 2 S. 2. EnWG wird nicht etwa nur eine unterhalb der Eingriffsschwelle liegende Wertminderung des Vermögens des Altkonzessionäres durch andere Rahmen674 Hierzu Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 30 ff. 675 BVerfG, Beschl. v. 10.6.2009, 1 BvR 198/08, NVwZ 2009, 1426 (1428); Ewer, NVwZ 2011, 1035 (1037); Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 30 ff. 676 So im Ergebnis auch Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 30 ff. 677 So OLG Koblenz, Beschl. v. 11.11.2010, U 646/08. Kart, ZNER 2011, 338 (339); Sauer, EWeRK 2012, 106 (110).
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bedingungen verursacht.678 Dem Eigentümer des Netzes wird nicht etwa nur ein zu vernachlässigender Teil der Netzinfrastruktur entzogen, sondern das gesamte Netzeigentum. Hierin lediglich eine unterhalb der Eingriffsschwelle liegende Wertminderung des Vermögens zu sehen, vermag daher nicht zu überzeugen. Auch steht die Möglichkeit, dass der Netzeigentümer im Vergabeverfahren um „den Behalt seines Eigentums im Wettbewerb konkurrieren“679 könne, nicht der Annahme eines Eingriffs in den Eigentumsschutz entgegen. Den Eigentümer hierauf zu verweisen und einen Eingriff in Art. 14 GG abzulehnen, geht fehl. Das Eigentum ist als absolutes Recht in Art. 14 GG garantiert und geschützt. Daraus folgt, dass dem Eigentümer eine umfängliche Abwehr- und Nutzungsbefugnis zukommt.680 Es obliegt daher grundsätzlich dem Eigentümer, ob, wann und wie er sein Eigentum veräußern möchte. Mit diesem Charakter des Eigentums ist es unvereinbar, eine Reduktion des Eigentums für Art. 14 GG als ausreichend zu erklären, nach der der Schutz des Eigentums nur noch darin besteht, dass der Eigentümer im Wettbewerb um den Erhalt seines Eigentums mit anderen konkurrieren könne. Die Neuregelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG stellt daher einen Eingriff in eine geschützte Eigentumsposition dar. b) § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG als Inhalts- und Schrankenbestimmung Im Rahmen von Art. 14 GG ist in besonderer Weise relevant und klärungsbedürftig, um welche Form des Eingriffs es sich handelt. Im Wesentlichen werden die Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmungen unterschieden.681 Auch wenn die Annahme einer Enteignung durch die Novellierung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG (Legalenteignung), insbesondere verstärkt im Falle einer erfolgreichen (Re)Kommunalisierung, in der die Gemeinde die Übereignung des Netzes verlangt (Administrativenteignung),682 naheliegt,683 kann eine solche bei genauerer Betrachtung nicht angenommen werden. Eine Enteignung „ist auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG 678 So aber OLG Koblenz, Beschl. v. 11.11.2010, U 646/08. Kart, ZNER 2011, 338 (339). 679 Sauer, EWeRK 2012, 106 (110). 680 Sachs-Wendt, GG,6. (2011), Art. 14 Rn. 5 und 9 f. 681 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke-Hofmann, GG,13. (2014), Art. 14 GG Rn. 40 ff (zu Inhalts- und Schrankenbestimmungen) und Rn. 66 ff. (zur Enteignung). 682 Hierauf hinweisend auch: Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzes sionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 23. 683 Jacob, RdE 2011, 212 (213) nimmt dies jedenfalls im Falle der (Re)Kommunalisierung des Netzes an, wenn die Gemeinde an dem Neukonzessionär vollständig oder mehrheitlich beteiligt ist.
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zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet“.684 Schon das Vorliegen einer „Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen“ kann in Frage gestellt werden. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG regelt, dass bei Auslaufen des Konzessionsvertrages und Vergabe des Wegenutzungsrechts an einen Dritten, das Netz übereignet werden muss. Damit ist die „Entziehung“ des Netzeigentums schon gar nicht per se gegeben. Vielmehr hängt dies davon ab, ob die Gemeinde den Konzessionsvertrag auslaufen lässt und eine Vergabe an einen anderen Netzbetreiber erfolgt. Darüber hinaus entfällt die Übereignungspflicht auch dann, wenn der Neukonzessionär lediglich eine Besitzüberlassung nach § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG wünscht. Damit fehlt der Regelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG schon der finale Entziehungscharakter. Auch geht es bei der Regelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG nicht darum, die „Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ zu ermöglichen685 oder einen der Allgemeinheit dienenden Zweck zu realisieren.686 Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben wird in Rechtsprechung und Literatur dahingehend konkretisiert, dass ein Güterbeschaffungsvorgang des Staates687 vorliegen muss.688 Fehlt diese konkrete Zielsetzung, so stellt sogar ein vollständiger Entzug der Eigentumsposition keine Enteignung dar.689 Um einen solchen Beschaffungsvorgang geht es bei der Regelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG schon nicht. Mit § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. soll sichergestellt werden, dass das Eigentum an dem Netz mit der Neuvergabe des Wegenutzungsrechtes an den neuen Netzbetreiber „in einer Hand“ ist.690 Außerdem bezweckte der 684 BVerfG, Beschl. v. 19.6.1985, 1 BvL 57/79, BVerfGE 70, 191 (199f); BVerfG, Beschl. v. 12.3.1986, 1 BvL 81/79, BVerfGE 72, 66 (76); BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000, 1 BvR 242/91, 315/99, BVerfGE 102, 1 (15 f.). 685 So auch Jarass/Pieroth-Jarass, GG,13. (2014), Art. 14 Rn. 76; Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 33; ähnlich Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 24. 686 Ausführlich: Maunz/Dürig-Papier, GG,59. EGL (Juli 2010), Art. 14 Rn. 573 ff.; Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 24. 687 Wobei nach Rechtsprechung des BVerfG auch anerkannt ist, dass ein solches auch zugunsten Privater erfolgen kann, siehe BVerfG, Beschl. v. 24.3.1987, 1 BvR 1046/85, BVerfG 74, 264 (285). 688 BVerfG, Beschl. v. 22.5.2001, 1 BvR 1512, 1677/97, BVerfGE 104, 1 (10); BVerfG, Beschl. v. 31.7.2010, 1 BvL 8/07, BVerfGE 126, 331 (359); Jarass/PierothJarass, GG,13 (2014), Art. 14 Rn. 77; Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 33. 689 BVerfG, Beschl. v. 31.7.2010, 1 BvL 8/07, BVerfGE 126, 331 (363); Jarass/ Pieroth-Jarass, GG,13. (2014), Art. 14 Rn. 77. 690 BT-Drs. 17/6072, S. 88 (linke Spalte); darauf hinweisend auch KermelDenzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 24.
388
§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung mit der Änderung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG die Vermeidung zeitaufwändiger Auseinandersetzung und Schaffung von Rechtssicherheit.691 Hierin kann keine öffentliche Aufgabenerfüllung oder die Realisierung eines der Allgemeinheit dienenden Zwecks gesehen werden. Vielmehr handelt es sich um pragmatische Erwägungen.692 Eine Enteignung ist in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG daher nicht zu sehen.693 Vielmehr liegt mit § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums am Netz vor. Eine solche besteht in der „generelle[n] und abstrakte[n] Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind. Sie ist auf die Normierung objektivrechtlicher Vorschriften gerichtet, die den Inhalt des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form be stimmen.“694 Abstrakt-generell wird jedem Netzeigentümer mit Auslaufen des Konzessionsvertrages und Vergabe des Wegenutzungsrechts an einen Dritten die Pflicht auferlegt, das Eigentum am Netz zu übertragen. Damit wollte der Gesetzgeber für die Zukunft eine „Klarstellung“695 der zuvor sehr umstrittenen Frage herbeiführen, ob das Netz lediglich schuldrechtlich zu überlassen ist oder aber dinglich übertragen werden muss. Indes hat der Gesetzgeber eine inhaltliche Entscheidung und nicht etwa eine Klarstellung erreicht, da nach h. M. die Regelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG a. F. gerade keine Übereignungspflicht, sondern lediglich eine schuldrechtliche Überlassungspflicht begründete.696 § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. führt daher zu einer über die alte Rechtslage hinausgehenden objektiv-rechtlichen Beschränkung des Inhalts des Eigentums am Netz. Hierin ist eine inhaltliche Beschränkung der Eigentumsposition zu sehen, die eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG darstellt.
691 BT-Drs.
17/6072, S. 88 (linke Spalte). den Begriff „pragmatisch“ verwendend: Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 5 Rn. 24. 693 So auch mit weiteren Begründungsansätzen Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 33 f. 694 BVerfG, Beschl. v. 12.3.1986, 1 BvL 81/79, BVerfGE 72, 66 (76); BVerfG, Beschl. v. 14.7.1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, 137 (144f); so auch wiedergegeben in Jarass/Pieroth-Jarass, GG,13. (2014), Art. 14 Rn. 34. 695 Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/6072, S. 88 (linke Spalte). 696 A. A.: Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 855. 692 Ebenso
III. Verfassungsmäßigkeit Wandel vom „Überlassen“ zum „Übereignen“389
c) Verfassungswidrigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG Inhalts- und Schrankenbestimmungen müssen ihrerseits verfassungsmäßig sein; führen sie zu schwerwiegenden Eingriffen in den Eigentumsschutz, sind sie nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interessen und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind.697 Dabei muss die Verhältnismäßigkeit bereits ohne eine etwaige für die Inhalts- und Schrankenbestimmung geregelte finanzielle Entschädigung gewährleistet sein, da Inhalts- und Schrankenbestimmungen grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen sind (anders als eine Enteignung).698 Daher muss die Übereignungspflicht nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. ihrerseits verhältnismäßig sein, um als verfassungsmäßige Regelung Bestand zu haben. Für die Verhältnismäßigkeit bedarf es eines öffentlichen Zwecks, der durch die Neuregelung in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. in geeigneter und erforderlicher Form verfolgt wird und insgesamt angemessen ist.699 Der in § 46 Abs. 2 EnWG normierte Wettbewerb um das Netz durch Neuvergabe der Konzession spätestens alle 20 Jahre ist auch im Zuge der Einführung des Wettbewerbes im Netz (durch Verpflichtung des Netzbetreibers zur Ermöglichung eines diskriminierungsfreien Zugangs zum Netz gem. § 20 Abs. 1 EnWG) beibehalten worden.700 Mit der Novelle des § 46 Abs. 2 EnWG bezweckte der Gesetzgeber Rechtsstreitigkeiten um das Netz zu vermeiden, das Netz in eine Hand zu geben und Rechtssicherheit im Wettbewerb um das Netz zu schaffen.701 Für diese Entscheidung und Zielsetzung steht dem Gesetzgeber (i. R.d. Verhältnismäßigkeitsprinzips) ein Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zu.702 Vom Vorliegen eines legitimen Zwecks ist daher auszugehen. auch Ewer, NVwZ 2011, 1035 (1037), zum Ausstieg aus der Kernenergie. GG,13 (2014), Art. 14 Rn. 36; Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 45; Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 29. 699 Maunz/Dürig-Grzeszick, GG,48. EGL (Nov. 2006), VII. Art. 20 Rn. 111 ff.; BeckOK-Huster/Rux, GG,24. Edition (Stand: 1.3.2015), Art. 20 GG Rn. 192 ff. 700 Hierzu ausführlich in § 7 V. 701 Hierzu vorstehend in § 7 III.1.b). 702 Sachs-Sachs, GG,6. (2011), Art. 20 Rn. 151; Maunz/Dürig-Grzeszick, GG,48. EGL (Nov. 2006), VII. Art. 20 Rn. 111 ff.; BeckOK-Huster/Rux, GG,24. Edition (Stand: 1.3.2015), Art. 20 GG Rn. 193.1; Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 30, die von „Prognosespielraum“ sprechen. 697 So
698 Jarass/Pieroth-Jarass,
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Selbst wenn man zusätzlich dazu auch annimmt, dass der gesetzliche Übereignungsanspruch des Neukonzessionärs zur Erreichung dieses Zwecks ein geeignetes Mittel darstellt,703 muss jedoch ernsthaft bezweifelt werden, dass die gesetzlich neu geregelte Übereignungspflicht gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung erforderlich und angemessen ist.704 Die Prüfung der Erforderlichkeit rückt die Frage in den Vordergrund, ob ein milderes Mittel in gleicher Weise geeignet ist, den gesetzgeberisch gewollten Zweck zu erfüllen.705 Für die Angemessenheit kommt es zusätzlich auf eine Abwägung zwischen der Bestandsgarantie des Eigentums an den Netzanlagen im Interesse des Netzeigentümers, der das Netz bis zum Jahr 2011 nach h. M.706 nur schuldrechtlich überlassen musste, und dem gesetzgeberisch mit der Novellierung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG verfolgten Zweck an.707 Die Regelung des § 46 EnWG entspricht diesen Aspekten nicht. Das Eigentum am Netz wird durch die Übereignungspflicht derart stark beschränkt, dass die geschützte Eigentumsposition dem Eigentümer ohne bzw. gegen dessen Willen verloren geht. Als Ausgleich hierfür wird lediglich eine „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG gewährt. Der Einschränkung des Eigentumsschutzes steht daher unmittelbar nur ein Vergütungsanspruch gegenüber. Dies genügt den rechtlichen Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht. 703 Auch dieses Kriterium ist weit zu verstehen als jede Maßnahme die den angestrebten Zweck fördert, vgl. Maunz/Dürig-Grzeszick, GG,48. EGL (Nov. 2006), VII. Art. 20 Rn. 112. Insofern ist auch dieses Kriterium wenig aussagekräftig mit Blick auf die Verfassungsmäßigkeit. 704 Offengelassen: LG München I, Urt. v. 1.8.2012, 37 O 22218/11, BeckRS 2012, 21481. 705 Maunz/Dürig-Grzeszick, GG,48. EGL (Nov. 2006), VII. Art. 20 Rn. 113. 706 LG Hannover, Teilurt. v. 22.2.2011, 18 O 383/06, RdE 2011, 195 (197); OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.1.2008, 11 U 20/07 (Kart), ZNER 2008, 57 (57 ff.); OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2009, U 646/08.Kart, U 646/08 Kart, ZNER 2009, 146 (146 ff); LG Darmstadt, Urt. v. 11.9.2006, 22 O 109/06, RdE 2007, 238 (238 ff.); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 161; BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 11 f. Rn. 33; BDEW, Leitfaden Konzes sionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 33; Kermel/Brucker/Baumann-Kermel, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 119 ff.; Kermel, RdE 2005, 153 (157); Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), § 46 Rn. 65 ff.; Säcker/Jaecks, BB 2001, 997 (1001); wohl auch, wenn auch nicht direkt benannt: BGH, Urt. v. 29.09.2009, EnZR 14/08, 15/08, ZNER 2010, 165 (165 f.); Stuhlmacher/Stappert/ Schoon/Jansen-Reinhardt, Grundriss zum Energierecht,1.(2011), Kap. 6 Rn. 29 ff., insbesondere Rn. 35. 707 Sachs-Wendt, GG,6. (2011), Art. 14, Rn. 73.
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Denn es gilt der Grundsatz: Inhalts- und Schrankenbestimmungen müssen auch ohne Entschädigung verhältnismäßig sein.708 Der Substanz- bzw. Bestandsschutz des Eigentums an den Netzanlagen709 ist damit grundsätzlich vorrangig vor etwaigen Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen i. R.d. Inhalts- und Schrankenbestimmungen.710 Im Hinblick auf andere rechtliche Ausgestaltungsmöglichkeiten (hierzu nachfolgend) ist dies im Übrigen nicht erforderlich und trägt dem Bestandsinteresse des Eigentümers nicht in hinreichendem Maße Rechnung.711 Es fehlt gerade eine gesetzliche Möglichkeit, das Eigentum unter Einhaltung der mit § 46 EnWG verfolgten Ziele nicht zu verlieren, indem bspw. ein Wahlrecht oder eine Alternative zum Eigentumsverlust eröffnet wird (hierzu nachfolgend).712 Die derzeitige Regelung hat eine Inhalts- und Schrankenbestimmung geschaffen, der lediglich eine Entschädigung als Ausgleich gegenüber steht. Dies ist nicht ausreichend. Dieser Feststellung kann auch nicht etwa damit entgegengetreten werden, dass ausgeführt wird, dass dem Eigentumsschutz über Art. 14 GG schon dadurch Rechnung getragen würde, dass sich der Eigentümer im diskriminierungsfreien Wettbewerb um die Konzession bewerben und sich dadurch diese erhalten könne.713 Dem Eigentumsschutz nach Art. 14 GG wohnt nicht nur der Gehalt inne, dass der Eigentümer das Recht hat, seine geschützten Interessen im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren effektiv zu vertreten und durchsetzen zu können.714 Vielmehr ist das nur eine Facette des grundsätzlich umfassend gewährten Schutzes des Eigentums. Die Annahme, dass die (zuvor bereits kritisierte) Möglichkeit des bisherigen Eigentümers, sein Eigentum im Wettbewerb um das Netz zu verteidigen, ausreiGG,13. (2014), Art. 14, Rn. 35. ist der Ansicht, wonach das Netzeigentum in den Händen des Netzeigentümers nicht vorrangig eine eigene Leistung darstellt, weil es sich auf der Stellung des Netzbetreibers als Monopolist gründet und auf der Auswahl durch die Gemeinden fußt und daher weniger schutzwürdig ist, so aber Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG1. (2012), S. 624 f. Diese Ansicht übersieht, dass die Aufrechterhaltung und der Betrieb sehr wohl eine eigene unternehmerische Leistung, gerade im Hinblick auf die hohen regulatorischen Anforderungen sowie die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen darstellt. Allein die Tatsache, dass der Netzeigentümer durch ein Konzessionsvergabeverfahren in die Stellung einrückt, begründet keine geringere Schutzwürdigkeit. 710 Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 46. 711 So zur Diskussion nach alter Rechtslage: Säcker/Jaecks, BB 2001, 997 (1002). 712 So auch Jacob, RdE 2011, 212 (212). 713 So Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 680. 714 So aber Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 680. 708 Jarass/Pieroth-Jarass, 709 Entgegenzutreten
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
che, um einen Schutz nach Art. 14 GG zu gewährleisten,715 würde das Eigentum und den Bestandsschutz des Eigentums aushöhlen. Übrig bliebe lediglich ein Eigentumsrecht im Sinne einer Chance auf Eigentumserhalt. Art. 14 GG und seine einfachgesetzlichen Ausgestaltungen sind indes als absolutes Recht so gestaltet, dass es grundsätzlich dem Eigentümer obliegt, die Entscheidung zu treffen, ob er sein Eigentum überhaupt hergeben möchte (vgl. etwa § 903 BGB). Diese Entscheidung wird ihm jedoch durch die Neuregelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG genommen. Der Verweis darauf, dass er in einem Verfahren um sein Eigentum kämpfen könne, greift daher zu kurz, insbesondere auch deswegen, weil der bisherige Netzeigentümer im Verfahren nur wenig Einfluss auf die kommunale Entscheidung nehmen kann. Dies gilt umso mehr, als das Verfahren im EnWG selbst nur sehr unzureichend geregelt ist und viele Fragen zu lasten des Netzeigentümers und erheblicher Rechtsunsicherheit offen lässt.716 Die Identifizierung eines milderen Mittels, welches für die Ablehnung der Erforderlichkeit i. S. d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes notwendig ist, könnte zunächst in einer lediglich schuldrechtlichen Besitzüberlassungspflicht gesehen werden, wie dies vor der Novelle im Jahr 2011 nach wohl h. M. galt.717 Diesem rechtlichen Modell hat der Gesetzgeber mit der Novelle jedoch eine deutliche Absage erteilt, indem er sich ausdrücklich gegen einen Besitzüberlassungsanspruch ausgesprochen hat.718 Aber auch andere rechtliche Konstruktionen wären als gleich geeignete mildere Mittel im Gegensatz zu einem strikten Eigentumsübertragungsanspruch des neuen Konzessionsnehmers, wie es § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. vorsieht, denkbar. So könnte dem Altkonzessionär ein Eintrittsrecht in die von dem obsiegenden Bewerber gebotenen Konditionen bzw. den Konzessionsvertrag eingeräumt werden.719 Hierdurch wäre es dem Altkonzessionär möglich, zu den aus Sicht der Gemeinde besten Konditionen, die im Konzessionsvergabeverfahren durch einen anderen Interessenten eingebracht wurden, das Netz weiter zu betreiben.720 Dem Zweck der Novellierung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG von mehr Rechtssicherheit, weniger Rechtsstreitigkeiten bei 715 So Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 680. 716 Vgl. § 7 II. 717 Vgl. hierzu § 7 III. Dies i. R.d. Verhältnismäßigkeit und verfassungskonformen Auslegung zur alten Rechtslage vortragend: Säcker/Jaecks, BB 2001, 997 (1002). 718 BT-Drs. 17/6072, S. 88. 719 So vorgeschlagen von: Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 47. 720 Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 47.
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Beendigung und Neuvergabe des Konzessionsvertrages und der Vereinigung von Betrieb und Eigentum des Netzes in einer Hand wäre hiermit ebenso Rechnung getragen wie der Vorrangigkeit des Substanzschutzes des Eigentums i. S. d. Art. 14 GG. Hierdurch stünde auch nicht zu befürchten, dass die positiven Effekte des Wettbewerbes um das Netz verloren gingen.721 Denn die im Wettbewerb entstandenen Konditionen für den Erhalt der Konzession blieben bestehen und würden in jedem Fall Grundlage des neuen Konzes sionsvertrages. Dieses mildere gleich geeignete Mittel ist auch mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung in § 46 EnWG insgesamt vereinbar. Denn die Ermöglichung von Wettbewerb um das Netz verfolgt nicht etwa den Zweck, einen Anbieter aus seiner Position zu verdrängen, sondern eine Kontrolle über den Anbieter, dessen Preise sowie Angebote zu schaffen und damit einen Monopolmissbrauch notfalls dadurch zu verhindern, dass ein Konkurrent in die Marktposition einrückt [vgl. § 5 II.6.]. Demgegenüber ist die Frage danach, wer das Netz betreibt (insbesondere im Hinblick auf den Wettbewerb im Netz gem. § 20 Abs. 1 EnWG) nicht von zentraler Bedeutung.722 Dies steht auch im Einklang mit § 1 EnWG, der ebenfalls keinen Hinweis darauf enthält, dass es von Bedeutung wäre, wer das Netz betreibt, sondern es vielmehr nach den Zwecken des EnWG darauf ankommt, wie dieses Netz betrieben wird.723 Ein solches Eintrittsrecht würde auch dem Grundsatz Rechnung tragen, dass Substanz- bzw. Bestandsschutz vorrangig vor etwaigen Entschädigungen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu beachten sind, da nur so dem absoluten Schutzgehalt des Eigentums Rechnung getragen werden kann. Damit wäre ein mögliches milderes Mittel identifiziert, welches gleich geeignet ist, den erstrebten Zweck zu erreichen. Da der Gesetzgeber eine solche oder ähnliche abmildernde Regelung nicht aufgenommen hat, verstößt die in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. vorgeschriebene Pflicht zur Übereignung des Netzes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, weil die getroffene Regelung in ihrer derzeit gesetzlich geregelten Härte so nicht erforderlich gewesen wäre und im Übrigen auch nicht angemessen ist. Die derzeitige Regelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG ist daher verfassungswidrig. 721 Dies führt Sauer als Argument dafür an, dass das Interesse des Netzeigentümers weniger schutzwürdig sei, vgl. Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 625. 722 Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 47. 723 So Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 47; im Ergebnis wohl ähnlich, Jacob, RdE 2011, 212 (215), der den Wettbewerb gem. § 1 EnWG als Wettbewerb um Energie- und Netzkunden beschreibt.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
d) Lösungsansätze Bevor eine Norm wegen Verfassungswidrigkeit zu verwerfen ist, muss zunächst gefragt werden, ob nicht im Wege der Auslegung eine verfassungskonforme Regelung gefunden werden kann. Diese Auslegung ist zum einen durch den Wortlaut der Norm begrenzt, zum anderen muss sie sich im Rahmen des gesetzgeberischen Willens halten.724 Aufgrund der vorstehend dargelegten Verfassungswidrigkeit der Neuregelung des § 46 Abs. 2 EnWG könnte man erwägen, diesen im Sinne der Vorgängerregelung verfassungskonform hin zur alten schuldrechtlichen Überlassungspflicht auszulegen. Die Auslegung des Wortes „übereignen“ hin zu einer lediglich schuldrechtlichen Überlassungspflicht scheitert jedoch am klaren und eindeutigen Wortlaut des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG.725 Sie entspricht außerdem, wie vorstehend ausgeführt, nicht dem gesetzgeberischen Willen, der gerade die Besitzüberlassung durch die neue gesetzliche Fassung abschaffen wollte. Daneben könnte man aber auch an eine Korrektur der Übereignungspflicht nachdenken, indem diese zwar grundsätzlich beibehalten, aber inhaltlich abgemildert wird. Dazu könnte § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG um eine abmildernde Komponente im Wege der Auslegung erweitert werden. Die – bereits zuvor im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung dargestellten – Überlegungen zu einem Eintrittsrecht des Altkonzessionärs bilden hierfür eine gute Basis.726 Um diese Erwägungen i. R. e. verfassungskonformen Auslegung des § 46 Abs. 2 EnWG fruchtbar zu machen, bedarf es aber zunächst eines sprachlichen Anknüpfungspunktes für die Auslegung. Der neu eingeführte Begriff des Übereignens eignet sich hierfür nicht. Aber § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG könnte an anderer Stelle einen hilfreichen Anknüpfungspunkt enthalten. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG beginnt mit der Formulierung „Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert […]“ und knüpft hieran die Rechtsfolge der Übereignungspflicht an. Dabei wird in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG nicht geregelt, aus welchen Gründen die Verträge nach ihrem Ablauf verlängert werden könnten. Zum einen kann dies daraus folgen, dass sich 724 BVerfG, Urt. v. 14.12.1999, 1 BvR 1327/98, BVerfGE 101, 312 (329); BVerfG, Urt. v. 30.3.2004, 2 BvR 1520, 1521/01, BVerfGE 110, 226 (267); KermelDanzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 33. 725 So auch Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 34. 726 So aufgeworfen in Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 47.
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nur der Altkonzessionär um die Konzession beworben hat und deswegen der Vertrag mit ihm fortgesetzt wird. Zum anderen ist aber auch denkbar, dass sich dieser eindeutig im Verfahren gegen die anderen Bewerber durchgesetzt hat. Die Formulierung „Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert […]“ macht in jedem Falle deutlich, dass der Gesetzgeber grundsätzlich die Verlängerung des Konzessionsvertrages als Möglichkeit anerkennt. Hieran könnte eine verfassungskonforme Auslegung anknüpfen, die dem Eigentumsschutz des Altkonzessionärs dadurch Rechnung trägt, dass in die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Verlängerung des Konzessionsvertrages ein Eintrittsrecht hineingelesen wird. Damit würde die verfassungskonforme Auslegung an die Nichtverlängerung des Konzessionsvertrages anknüpfen. Die Nichtverlängerung des Konzessionsvertrages mit dem alten Netzeigentümer wegen Ablaufs des Konzessionsvertrages und fehlendem Obsiegen im Vergabeverfahren würde um die Komponente erweitert, dass der Altkonzessionär nicht von einem Eintrittsrecht Gebrauch macht. Wie ein solches Eintrittsrecht bzw. Vorrecht des Altkonzessionärs ausgestaltet sein könnte, soll nachfolgend mit Hilfe einer ähnlichen gesetzlichen Regelung dargestellt werden: Eintritts- und Vorrechte kommen verschiedentlich in Gesetzen vor. Insbesondere im Zusammenhang mit Immobilien und Grundstücken sind sie u. a. als sog. Vorkaufsrechte von Bedeutung.727 Im Vergleich mit der Vergabe des Wegerechts zum Betrieb des Verteilernetzes scheint in diesem Zusammenhang das Erbbaurecht besonders gut für eine vergleichende Betrachtung und analoge Anwendung geeignet. Im Rahmen eines Erbbaurechts räumt der Eigentümer eines Grundstücks dem Erbbauberechtigen gegen Zahlung eines Entgeltes das Recht ein, auf oder unter der Oberfläche seines Grundstücks ein Bauwerk zu errichten, § 1 Abs. 1 ErbbauRG. Sehr ähnlich verhält es sich bei der Vergabe der Stromkonzession, wo die Gemeinde gegen Entgelt (Konzessionsabgabe) dem Konzessionär das Recht einräumt, die Wege der Gemeinde für den Betrieb des Stromnetzes (meist unter der Oberfläche der Wegegrundstücke) zu nutzen. Das ErbbauRG kennt für die Beendigung des Erbbaurechts, welches insofern vergleichbar mit der Nichtverlängerung des Konzessionsvertrages ist, ein spezifisches, das Recht des Erbbauberechtigten schonendes Institut. Dies ist das Vorrecht auf Erneuerung des Erbbaurechts nach § 31 i. V. m. § 2 Nr. 6 ErbbauRG. Nach § 31 Abs. 1 ErbbauRG kann der Erbbauberechtigte das Vorrecht ausüben, sobald der Eigentümer mit einem Dritten einen Vertrag über die Bestellung eines Erbbaurechts an dem Grundstück geschlossen hat. § 31 ErbbauRG führt dabei nicht zu einem Wiederaufleben des alten Erb727 So
etwa in §§ 24 f. BauGB.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
baurechts, sondern es kommt zu einem neuen Erbbaurechtsvertrag, und zwar zu den Bedingungen, die mit dem Dritten vereinbart worden sind.728 Allerdings bedarf es hierzu einer zwischen dem bisherigen Erbbauberechtigen und dem Eigentümer gem. § 2 Nr. 6 ErbbauRG getroffenen vertraglichen Vereinbarung. Überträgt man diesen Ansatz auf das Konzessionsrecht, so könnte man Regelungen in den Konzessionsverträgen, die eine schuldrechtliche Übertragung explizit vorsehen oder aber die Formulierung der alten Rechtslage („überlassen“) wiederholen, in diesem Sinne interpretieren und die Formulierung des jetzigen § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG dahingehend (in Ansehung des Art. 14 GG und des dadurch gewährten Eigentumsschutzes des bisherigen Netzeigentümers) verfassungskonform auslegen, dass ein Vorrecht des bisherigen Netzeigentümers auf Eintritt in die am Ende des Konzessionsvergabeverfahrens feststehenden Konditionen gegeben ist. Hierfür könnte (wie vorstehend erläutert) an die Anfangsformulierung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG („Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert“) und die Endschaftsbestimmungen des Konzessionsvertrages angeknüpft werden. Hierdurch würde eine verfassungskonforme Regelung erreicht. Bei Konzessionsverträgen, die bereits vor der Novelle im Jahr 2011 eine obligatorische Übereignungspflicht vorsahen, gilt indes diese über die damalige gesetzliche Regelung bewusst hinausgehende vertraglich vereinbarte Verpflichtung fort. Insofern fehlt es hier an einem Anknüpfungspunkt innerhalb des Konzessionsvertrags, wie es aber für die Übertragung der Regelungsidee des § 31 Abs. 1 ErbbauRG, der ebenfalls an eine nach § 2 Nr. 6 ErbbauRG getroffene vertragliche Vereinbarung anknüpft, notwendig ist. Sieht der Konzessionsvertrag des Altkonzessionärs indes eine Wiederholung der Formulierung „überlassen“ aus § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG a. F. vor oder enthält er sogar ausdrücklich lediglich die Pflicht zur Besitzüberlassung, so wäre dies ein entsprechend § 2 Nr. 6 ErbbauRG i. V. m. § 31 Abs. 1 ErbbauRG auszulegender Anknüpfungspunkt für ein Eintrittsrecht des Altkonzessionärs in den neuen Konzessionsvertrag. Die Möglichkeit, dem Altkonzessionär in den vorbeschriebenen Fällen durch verfassungskonforme Auslegung ein Eintrittsrecht zu gewähren, würde diesem zum Schutze des Eigentums am Netz ein Wahlrecht geben.729 Denn durch das aus dem Erbbaurecht gewonnene Verständnis stünde es dem alten Netzbetreiber frei, zu den durch das Konzessionsverfahren ermittelten Konditionen in den neuen Konzessionsvertrag einzutreten und sich damit Oefele/Heinemann, BGB, Bd. 6,6. (2013), § 2 ErbbauRG Rn. 35. wurde es auch im Rahmen des Ownership-Unbundlings zur Abmilderung des Eigentumseingriffs geregelt, vgl. hierzu Ausführungen von Jacob, RdE 2011, 212 (212). 728 MüKo-von 729 So
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das Netz zu erhalten oder aber hiervon keinen Gebrauch zu machen und dadurch das Eigentum am Netz zu verlieren. Selbst wenn man diese verfassungskonforme Auslegung unter Heranziehung erbbaurechtlicher Erwägungen als zu weitgehend empfinden mag, so zeigen doch die Regelungen des ErbbauRG auf, dass der Gesetzgeber bei der Novelle des EnWG die Aufnahme einer das Eigentum schonenden vergleichbaren Regelung übersehen hat. Im Hinblick auf den Einschnitt in das Eigentumsrecht des Netzeigentümers wäre dies aber verfassungsrechtlich geboten gewesen. Daher ist es zumindest rechtlich dringend geboten, insbesondere, wenn man eine verfassungskonforme Auslegung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG in oben aufgezeigter Weise nicht für vertretbar erachtet, das EnWG um ein Eintrittsrecht des Altkonzessionärs in den mit einem Dritten verhandelten Konzessionsvertrag einzuführen. Dabei sei an dieser Stelle auch deutlich gemacht, dass das Eintrittsrecht die wirtschaftliche Kompensation i. S. d. „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ i. S. d. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG nicht obsolet macht. Vielmehr ist diese für die Gewährleistung der Angemessenheit innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung i. S. e. wirtschaftlichen Kompensation für den Fall, dass das Netz zu übereignen ist, geboten.730 Neben der hier präferierten Lösung eines Eintrittsrechts werden in der Literatur aber auch andere Lösungsansätze vertreten, die an dieser Stelle kurz Erwähnung finden sollen. Zum einen wird eine völlige Neukonzeption des Wegenutzungsrechts i. S. d. für das Telekommunikationsrecht bereits geltenden freien Wegenutzungsrechts nach §§ 68 ff. TKG vorgeschlagen.731 Diese Neukonzeption würde einen vollständigen Umbruch im Recht der Strom- und auch Gaskonzessionen mit sich bringen. Einen anderen Ansatz vertreten Pippe / Gaßner, die das wirtschaftliche Interesse des Eigentümers des Netzes im Auswahlverfahren besonders beachten wollen, um darüber dem Schutz seines Eigentums Rechnung zu tragen.732 Hierfür wird vorgeschlagen, entweder als gesondert zu gewichtendes Auswahlkriterium die Eigenschaft als bisheriger Netzbetreiber / Netzeigentümer in das Verfahren einfließen zu lassen oder aber darüber den Schutz nach Art. 14 GG sicherzustellen, dass im Rahmen des Konzessionsverfahrens primär mit dem Altkonzessionär verhandelt wird.733 Im Hinblick 730 BVerfG, Beschl. v. 14.7.1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, 137 ff.; so auch Jacob, RdE 2011, 212 (217). 731 Jacob, RdE 2011, 212 (216 f.). 732 Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (38). 733 Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (38).
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auf Ersteres ist unklar, wie ein solches Auswahlkriterium in der Praxis aussehen könnte. Jedenfalls ausgeschlossen, weil diskriminierend [vgl. Ausführungen in § 7 II.4.], wäre es, die bisherige Netzinhaber- und Eigentümerschaft als vorteilhaft zu bewerten und dadurch Bewerber, die bisher nicht im Eigentum des Netzes sind, zu diskriminieren. Der zweite Vorschlag, besonders mit dem Altkonzessionär Verhandlungen zu führen, zielt in eine ähnliche Richtung, wie sie mit dem Eintrittsrecht auch bezweckt wird. Hierbei erscheint es aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit jedoch vorzugswürdig, in oben aufgezeigter Weise unter Einbeziehung eines Eintrittsrechts zu agieren, als eine wie auch immer geartete, unklare und damit Rechtsunsicherheit schaffende besondere Verhandlung mit dem Altkonzes sionär zu wählen. e) Zusammenfassung Die derzeitige Regelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG mit der unbedingten Übereignungspflicht nach Ablauf des Konzessionsvertrages verstößt gegen Art. 14 GG. Im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung könnte erwogen werden, in die Formulierung „Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert […]“ aus § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG i. V. m. konzes sionsvertraglichen Regelungen zu einer Überlassenpflicht oder schuldrechtlichen Besitzverschaffungspflicht ein Eintrittsrecht entsprechend § 31 ErbbauRG hineinzulesen und auf diesem Wege dem Altkonzessionär die Möglichkeit zu verschaffen, zu den Konditionen, die zum Obsiegen eines Dritten im wettbewerblichen Konzessionsverfahren geführt haben, die Konzession erneut zu erhalten. Ohne eine solche verfassungskonforme Interpretation ist dringend eine gesetzliche Überarbeitung des § 46 EnWG geboten, wobei gesetzlich eine Regelung i. S. e. Eintrittsrechts aufgenommen werden sollte. Ohne eine solche verfassungskonforme Interpretation verbleibt es bei der Verfassungswidrigkeit der Neuregelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG im Hinblick auf die Übereignungspflicht. 2. Vereinbarkeit mit dem Rückwirkungsverbot unter besonderer Berücksichtigung der Endschaftsbestimmungen Auch im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot muss die Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neufassung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG gestellt werden. Aus Art. 20 Abs. 1 GG, dem Rechtsstaatsprinzip „zu dessen wesentlichem Element die Rechtssicherheit gehört“734 sowie aus Art. 3 GG 734 BVerfG, Beschl. v. 23.3.1971, 2 BvL 2/66, 1 BvR 168, 196, 210, 472/66, BVerfGE 30, 367 (386).
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wird das Verbot rückwirkender, belastender Gesetzgebung abgeleitet.735 Maßgeblich wird dies aus Vertrauensschutzgesichtspunkten begründet; die Bürger sollen auf die Gesetze und die damit geschaffene Rechtslage vertrauen und dementsprechende Dispositionen treffen können sowie nicht mit nachteiligen Gesetzesänderungen rechnen müssen.736 Durch die Novellierung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG von einem gesetzlichen Überlassungs- zu einem gesetzlichen Übereignungsanspruch ist das Verbot der Rückwirkung von Gesetzen insbesondere deswegen betroffen, weil viele Konzessionsverträge mit entsprechenden Endschaftsbestimmungen zum Zeitpunkt des gesetzlichen Überlassungsanspruchs geschlossen wurden, allerdings nunmehr unter der Geltung des gesetzlich neu geregelten Übereignungsanspruches nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG enden. Hierfür hat der Gesetzgeber keine besondere Übergangsvorschrift vorgesehen. Gem. § 113 EnWG gilt aber, dass laufende Wegenutzungsverträge, einschließlich der vereinbarten Konzessionsabgaben, unbeschadet ihrer Änderung durch die §§ 36, 46 und 48 im Übrigen unberührt bleiben. Durch § 113 EnWG mag zunächst der Anschein erweckt werden, dass die beschriebene Konstellation das Rückwirkungsverbot nicht betreffe.737 Allerdings hat der Gesetzgeber mit § 113 EnWG ausdrücklich geregelt, dass die Gesetzesänderungen der §§ 36, 46 und 48 EnWG den Konzessionsvertrag im Hinblick auf diese Regelung von Gesetzes Wegen abändern und der Konzessionsvertrag nur im Übrigen unberührt bleibt. Die Novellierung des § 46 EnWG wirkt sich damit unmittelbar auf alle Konzessionsverträge in der Bundesrepublik Deutschland, die noch nicht abgelaufen sind, aus.738 Nur im Übrigen bleibt der Konzessionsvertrag bestehen. Damit werden laufende Konzessionsverträge unmittelbar kraft Gesetzes geändert,739 und zwar insbesondere im Hinblick auf den durch die Novelle aus dem Jahr 2011 eingeführten Wandel vom Überlassens- zum 735 BVerfG, Beschl. v. 23.3.1971, 2 BvL 2/66, 1 BvR 168, 196, 210, 472/66, BVerfGE 30, 367 (386); BVerfG, Beschl. v. 23.3.1971, 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392 (401); Kermel-Denzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 61; allg.: Maunz/Dürig-Grzeszick, GG,48. EGL (Nov. 2006), VII. Art. 20 Rn. 71 ff. 736 BVerfG, Urt. 19.12.1961, 2 BvL 6/59, NJW 1962, 291 (291). 737 Insbesondere dann, wenn man die Stimmen in der Literatur hinzuzieht, die § 113 EnWG so verstanden wissen wollen, dass dieser nur den § 46 EnWG einbeziehe, weil die Grundversorgerpflicht bei einer vorherigen Novelle entfallen sei und zudem § 113 nach der Gesetzesbegründung nur klarstellende Bedeutung beigemessen worden sei, so Hampel, RdE 2010, 253 (258). 738 Die Möglichkeit, dass § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG nur für die nach der Novelle im Sommer 2011 abgeschlossenen Konzessionsverträge gilt, lässt sich weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung entnehmen, so aber Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 62. Insbesondere § 113 EnWG steht dem entgegen. 739 Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (33).
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Übereignungsanspruch in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG. Die Frage nach Umfang und Form der Übertragung der Netzanlagen ist wiederum in den meisten Konzessionsverträgen in Endschaftsbestimmungen vertraglich ausgestaltet worden.740 Die gesetzliche Bestimmung in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG, wonach das Netz zu „übereignen“ ist, tritt nun aber durch die Novelle und aufgrund von § 113 EnWG als sozusagen gesetzliche Endschaftsbestimmung an die Stelle abweichender Regelungen in den Konzessionsverträgen.741 Hiergegen kann auch nicht mit Bezug auf die Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2009742 vorgetragen werden, § 113 EnWG sei nicht so gemeint gewesen.743 Diese Rechtsprechung erging noch zu der EnWG-Novelle aus dem Jahr 2005, die keine Umstrukturierungen des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG bzw. der entsprechenden Endschaftsbestimmungen in den Konzessionsverträgen zum Gegenstand hatte.744 Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass § 113 EnWG zu keiner Modifikation des Konzessionsvertrages (insbesondere der Endschaftsbestimmungen) führt, wäre es ein Leichtes gewesen, die Vorschrift des § 113 EnWG entsprechend im Rahmen der EnWG-Novelle im August 2011 abzuändern. Da dies jedoch trotz wesentlicher Änderung in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG nicht geschehen ist und § 113 EnWG auch weiterhin unverändert gilt, kann über den Inhalt des § 113 EnWG nicht hinweggegangen werden. Daher modifiziert die gesetzliche Neueinführung der Übereignungspflicht 740 Hierzu vertritt Waller, dass die Endschaftsbestimmungen trotz gesetzlicher Neuregelung den Ausgangspunkt der Übertragung der Netzanlagen bilden würden, vgl. Waller, „Neue Energie“ für die kommunale Selbstverwaltung (2013), S. 250. Auf § 113 EnWG geht er nicht ein. 741 Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (34); so ähnlich auch: OLG Frankfurt, Urt. v. 29.01.2008, 11 U 20/07 (Kart), ZNER 2008, 57 (58); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 113 Rn. 5 und 8. 742 BGH, Urt. v. 29.9.2009, EnZR 14/08, NJW-RR 2010, 1070 (1070 ff., insb. 1071). 743 So aber Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), Rn. 200 ff., die bei Divergenz zwischen Endschaftsbestimmungen und der gesetzlichen Regelung von einem Wahlrecht des Übernehmers hinsichtlich der Überlassung ausgeht und sich diesbezüglich auf das BGH Urteil vom 29.9.2009 (abgedruckt in NJW-RR 2010, 1070 (1070 ff.)) beruft. Dieses Wahlrecht des neuen Konzessionsnehmers resultiert indes aus der gesetzlichen Regelung des § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG, der bestimmt, dass statt der Übereignung der neue Konzessionär auch lediglich eine Besitzeinräumung verlangen kann. Dies sagt jedoch nichts darüber aus, ob die Endschaftsbestimmungen durch die gesetzliche Einführung eines Übereignungsanspruchs modifiziert werden. Insbesondere bleibt die Frage damit offen, ob sich der Altkonzessionär auf eine Endschaftsbestimmung, die lediglich einen Anspruch auf Besitzeinräumung berufen kann, wenn der neue Konzessionär sich auf die gesetzliche Neuregelung, also den Übereignungsanspruch beruft. Dies ist die eigentlich Problemstellung, so auch: BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 34. 744 Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849 (849 ff.).
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des Altkonzessionärs in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. das geltende Recht sowie die noch nicht ausgelaufenen Konzessionsverträge, die nur im Übrigen gem. § 113 EnWG unberührt bleiben. In welchem grundsätzlichen Verhältnis die Endschaftsbestimmungen zu der gesetzlichen Regelung im EnWG stehen, hatte der BGH 2009 in seiner Entscheidung „Endschaftsbestimmung II“ noch so ausgeführt, dass eine vertragliche Netzüberlassungspflicht, geregelt in einer Endschaftsbestimmung im Konzessionsvertrag, selbstständig neben der gesetzlichen Netzüberlassungspflicht des damaligen § 46 EnWG bzw. § 13 EnWG 1998 bestehe.745 Allerdings sah das Gesetz in § 46 EnWG a. F. eine Überlassungspflicht unklaren Inhalts vor.746 Diesem „Überlassen“ in § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG a. F. konnte konzessionsvertraglich sowohl durch die Regelung einer Besitzüberlassungs- als auch durch Regelung einer Eigentumsüberlassungspflicht Rechnung getragen werden. Nunmehr regelt das Gesetz aber ausdrücklich eine Pflicht zur Eigentumsübertragung, die nicht etwa auch anderweitig vertraglich ausgelegt werden kann. Vertraglich kann dieser Eigentumsübertragungspflicht eben nicht durch eine Besitzüberlassung entsprochen werden. Insofern kann an dem noch vom BGH im Jahr 2009 ausgeführten selbstständigen Nebeneinander der Endschaftsbestimmung und der gesetzlichen Regelung nicht mehr festgehalten werden.747 Vielmehr enthält der heutige § 46 EnWG eine eindeutige Regelung, die vorrangig gegenüber vertraglichen Regelungen und bindend ist und notfalls die entgegenstehende vertragliche Regelung verdrängt.748 Dies hat ganz erhebliche Konsequenzen für die Praxis im Hinblick auf laufende Konzessionsverträge, die nach Inkrafttreten der Novelle des EnWG am 4. August 2011 enden. Der unproblematischste Fall ist, dass bereits der Konzessionsvertrag in der Endschaftsbestimmung einen Übereignungsanspruch vorsah. Die Endschaftsbestimmung gilt dann unabhängig von der gesetzlichen Regelung fort.749 In diesen Fällen bestand kein Vertrauen darauf, dass die Eigentümerstellung im Hinblick auf das Netz über das Ende des Konzessionsvertrages hinaus bestehen bleiben würde. Die vertragliche und die neue gesetzliche Regelung des § 46 Abs. 2 EnWG entsprechen ei745 BGH,
Urt. v. 29.9.2009, EnZR 14/08, RdE 2010, 253 (253 ff.). hierzu § 7 III. 747 Für eine gesetzliche Modifikation aufgrund von § 113 EnWG auch schon: LG Mainz, Urt. v. 24.04.2008, 12 HK O 133/06, IR 2008, 140 (140); Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (35); Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Böwing, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 13 Rn. 25 ff., insbesondere Rn. 28. 748 Offen gelassen Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 62. 749 Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 451. 746 Vgl.
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nander, so dass sich gar kein Konflikt zwischen vertraglicher Regelung und gesetzlicher Neuregelung ergibt. Wiederholt der Konzessionsvertrag die alte gesetzliche Formulierung des „Überlassens“, war nach altem Recht zu klären, ob hiermit ein schuldrechtlicher oder eigentumsrechtlicher Überlassungsanspruch gemeint war.750 Dieser Meinungsstreit ist nach der Novelle des EnWG im August 2011 obsolet geworden. Durch die Änderung des § 46 Abs. 2 EnWG hin zu einem Übereignungsanspruch gilt gem. § 113 EnWG nunmehr eindeutig ein eigentumsrechtlicher Übertragungsanspruch. In Ansehung der gesetzlichen Neuregelung ist die vertraglich vereinbarte Überlassungspflicht daher i. S. d. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. auszulegen. Ob hier ein schutzwürdiges Vertrauen seitens des Netzeigentümers im Hinblick auf den Erhalt des Netzeigentums nach Ende des Konzessionsvertrages entstanden ist, muss fraglich sein. Denn vertraglich hat der Altkonzessionär sich der gesetzlich unsicheren Lage, welchen Inhalt eine ihn treffende Überlassungspflicht aufweist, ausgesetzt.751 Sieht der Konzessionsvertrag hingegen ausdrücklich einen schuldrechtlichen Übertragungsanspruch (Besitzüberlassung) in seiner Endschaftsbestimmung vor, so schlägt § 113 EnWG in seiner vollen Tragweite zu. Nach § 113 EnWG treten die dem geänderten Gesetzeswortlaut entgegenstehenden Vertragsklauseln außer Kraft,752 obwohl die Vereinbarung eines schuldrechtlichen Übertragungsanspruch unter Geltung der gesetzlichen „Überlassenspflicht“ in zulässiger Weise möglich waren.753 Die Endschaftsbestim750 LG Hannover, Teilurt. v. 22.2.2011, 18 O 383/06, RdE 2011, 195 (197); OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.1.2008, 11 U 20/07 (Kart), ZNER 2008, 57 (57 ff.); OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2009, U 646/08.Kart, U 646/08 Kart, ZNER 2009, 146 (146 ff); LG Darmstadt, Urt. v. 11.9.2006, 22 O 109/06, RdE 2007, 238 (238 ff.); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 161; BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 11 f. Rn. 33; BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 33; Kermel/Brucker/BaumannKermel, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 119 ff.; Kermel, RdE 2005, 153 (157); Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), § 46 Rn. 65 ff.; Säcker/Jaecks, BB 2001, 997 (1001); wohl auch, wenn auch nicht direkt benannt: BGH, Urt. v. 29.09.2009, EnZR 14/08, 15/08, ZNER 2010, 165 (165 f.); Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Reinhardt, Grundriss zum Energierecht,1.(2011), Kap. 6 Rn. 29 ff., insbesondere Rn. 35. 751 Dass nicht mit einer Übereignungspflicht zu rechnen war führen indes aus: Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen1. (2012), S. 54 (mit weiteren Ausführungen). 752 OLG Frankfurt, Urt. v. 29.1.2008, 11 U 20/07 (Kart), ZNER 2008, 57 (58); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 113 Rn. 5 und 8. 753 LG Hannover, Teilurt. v. 22.2.2011, 18 O 383/06, RdE 2011, 195 (197); OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.1.2008, 11 U 20/07 (Kart), ZNER 2008, 57 (57 ff.); OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2009, U 646/08.Kart, U 646/08 Kart, ZNER 2009, 146 (146 ff); LG Darmstadt, Urt. v. 11.9.2006, 22 O 109/06, RdE 2007, 238
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mung wird in diesen Fällen per Gesetz und entgegen ihrem vertraglichen Wortlaut hin zu einem Eigentumsübertragungsanspruch modifiziert. In diesen Fällen bestand ein vertraglich abgesichertes schutzwürdiges Vertrauen des Netzeigentümers darauf, dass er auch nach Ende des Konzessionsvertrages nicht das Eigentum an dem Netz verlieren würde, sondern vielmehr nur eine schuldrechtliche Besitzüberlassung schulde. Dieser Problemstellung hilft auch nicht etwa der § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG ab, der ein Wahlrecht des neuen Konzessionärs begründet, wonach dieser auch lediglich die Besitzeinräumung statt der Übereignung verlangen kann. Dies stellt den neuen Konzessionär vorteilhaft, weil er ein ausdrückliches Wahlrecht eingeräumt bekommt.754 Es hilft jedoch nicht dem Altkonzessionär, der sich auf die in den Endschaftsbestimmungen lediglich geregelte Besitzüberlassung berufen möchte. Denn dem Altkonzessionär wird ein solches Wahlrecht i. S. d. § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG gerade nicht gewährt. Gerade im Hinblick auf die letztere Fallgestaltung wird deutlich, dass sich die Novelle des EnWG auf in der Vergangenheit abgeschlossene Konzessionsverträge auswirkt. Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot scheint damit offensichtlich. Aber auch dies bedarf einer genaueren Prüfung. Im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot ist zwischen zwei Arten der Rückwirkung, nämlich der echten (retroaktiven)755 und der unechten (retrospektiven)756 Rückwirkung757 zu unterscheiden.758 Eine echte Rück(238 ff.); Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 46 Rn. 161; BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 11 f. Rn. 33; BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 33; Kermel/Brucker/BaumannKermel, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 119 ff.; Kermel, RdE 2005, 153 (157); Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), § 46 Rn. 65 ff.; Säcker/Jaecks, BB 2001, 997 (1001); wohl auch, wenn auch nicht direkt benannt: BGH, Urt. v. 29.09.2009, EnZR 14/08, 15/08, ZNER 2010, 165 (165 f.); Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Reinhardt, Grundriss zum Energierecht,1.(2011), Kap. 6 Rn. 29 ff., insbesondere Rn. 35. 754 So auch Greb/Wegner, Die Vergabe von Konzessionen im Energiebereich,1. (2012), Rn. 200 ff. 755 Der 2. Senat des BVerfG bezeichnet dies als „Rückbewirkung von Rechtsfolgen“, vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1986, 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (241); so auch BVerfG, Beschl. v. 22.3.1983, 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (353). 756 Das BVerfG bezeichnet dies als „tatbestandliche Rückanknüpfung“, vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1986, 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (242). 757 Der 2. Senat und der 1. Senat des BVerfG legen unterschiedliche Begriffe zugrunde. Praktische Konsequenzen ergeben sich hierdurch indes nicht, beide Senate kommen unter Verwendung der jeweiligen Begriffe zu gleichen Ergebnissen, das Plenum des BVerfG wurde außerdem nach § 16 Ab.s 1 BVerfGG bisher nicht angerufen, vgl. Maurer, Staatsrecht I,6. (2010), § 17 Rn. 106, der eine weitere andere Terminologie, nämlich „Rückwirkung“ und „Einwirkung“ vorschlägt, vgl. Maurer, Staatsrecht I,6. (2010), § 17 Rn. 108 ff.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
wirkung liegt vor, „wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift“759. Eine solche echte Rückwirkung ist grundsätzlich unzulässig760 und führt zur Nichtigkeit des Gesetzes.761 Davon abzugrenzen ist die sog. unechte Rückwirkung, bei der „eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet“.762 Diese ist wiederum grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig.763 Welche Form der Rückwirkung vorliegt, ist anhand des Einzelfalls und des zugrundeliegenden gesetzlichen Tatbestandes zu beurteilen.764 Betrachtet man diese Unterscheidung, so hängt es maßgeblich davon ab, auf welchen Zeitpunkt man im Hinblick auf die Konzessionsverträge als den zugrundeliegenden Sachverhalt abstellt.765 Knüpft man daran an, dass der Konzessionsvertrag noch nicht ausgelaufen ist (Vorliegen laufender Konzessionsverträge), so wird man argumentieren können, dass sich die Gesetzesänderung zwar auf einen in der Vergangenheit beginnenden Sachverhalt bezieht, dieser aber noch nicht abgeschlossen ist, weil das Vertragsende noch in der Zukunft liegt. Betrachtet man also das Auslaufen des Konzessionsvertrages als entscheidenden Anknüpfungsmoment, so führt 758 Hierzu detailliert: Maunz/Dürig-Grzeszick, GG,48. EGL (Nov. 2006), VII. Art. 20 Rn. 76 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. (1984), § 20 S. 833 ff.; Maurer, Staatsrecht I,6. (2010), § 17 Rn. 101 ff. 759 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, statt vieler BVerfG, Urt. v. 14.7.1981, 1 BvL 28/77, 1 BvL 48/79, 1 BvR 154/79, 1 BvR 170/80, NJW 1981, 1771 (1711) m. w. N. 760 BVerfG, Urt. v. 19.12.1961, 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 (271); BVerfG, Urt. v. 7.5.1969, 2 BvL 15/67, BVerfGE 25, 371 (403); BVerfG, Beschl. v. 23.3.1971, 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66, BVerfGE 30, 367 ff. (385 f.); BVerfG, Beschl. v. 8.6.1977, 2 BvR 499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142 (173 f.); BVerfG, Beschl. v. 25.5.1993, 1 BvR 1509, 1648/91, BVerfGE 88, 384 (403 f.); Maunz/Dürig-Grzeszick, GG,48. EGL (Nov. 2006), VII. Art. 20 Rn. 76. 761 Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. (1984), § 20 S. 833. 762 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, statt vieler BVerfG, Urt. v. 23.11.1999, 1 BvF 1/94, NJW 2000, 413 (415). 763 BVerfG, Beschl. v. 23.3.1971, 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392 (402); BVerfG, Beschl. v. 15.10.1996, 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 95, 64 (86); BVerfG, Urt. v. 27.9.2005, 2 BvR 1387/02, BVerfGE 114, 258 (300 f.); BVerfG, Beschl. v. 18.2.2009, 1 BvR 3076/08, BVerfGE 122, 374 (394); BVerfG, Beschl. v. 10.10.2012, 1 BvL 6/07, NJW 2013, 145 (145); BeckOK-Huster/Rux, GG,24. Edition (Stand: 1.3.2015), Art. 20 Rn. 187; Maurer, Staatsrecht I,6. (2010), § 17 Rn. 122. 764 Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. (1984), § 20, S. 833. 765 Nach dem Rückwirkungsbegriff des 2. Senates des BVerfG kommt es statt dessen auf die Rechtsfolge der gesetzlichen Regelung an, vgl. Maurer, Staatsrecht I,6. (2010), § 17 Rn. 105.
III. Verfassungsmäßigkeit Wandel vom „Überlassen“ zum „Übereignen“405
dies zur Annahme einer unechten Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig ist (s. o.).766 Neben dem Auslaufen des Konzessionsvertrages kann man aber auch auf den Abschluss des Konzessionsvertrages abstellen. Die Parteien treffen die entscheidenden juristischen und wirtschaftlichen Entscheidungen bei Abschluss des Konzessionsvertrages, der die zugrundeliegenden Regelungen für die gesamte Vertragslaufzeit enthält. Auch, und das ist das Typische an der monopolistischen Struktur des Netzbetriebes, wird zu diesem Zeitpunkt der Großteil der Investitionen (sunk costs) für das Netz vom neuen Konzessionär aufgewendet.767 Dieser Vorgang ist mit Abschluss des Konzessionsvertrages und Abwicklung der Übernahmeprozedur mit dem vorherigen Konzessionär abgeschlossen, so dass sich die gesetzliche Änderung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG auf einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt bezieht und hiernach eine echte Rückwirkung vorläge.768 Diese echte Rückwirkung ist grundsätzlich unzulässig. Die Frage, auf welchen Zeitpunkt man im Hinblick auf die Rückwirkung abstellt, ist – nach hier vertretener Auffassung – maßgeblich unter Hinzuziehung des § 46 Abs. 2. S. 2 EnWG zu beantworten. Dieser enthält seit der Novelle im August 2011 eine Regelung, die an das Auslaufen des Konzessionsvertrages die Übereignungspflicht hinsichtlich des Netzeigentums anknüpft. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG stellt damit für die möglicherweise gegen das Rückwirkungsverbot verstoßende Pflicht und den daraus resultierenden Anspruch auf Übereignung des Netzes auf das Auslaufen des Konzessionsvertrages ab. Dies spricht dafür, auch im Hinblick auf die Frage nach dem Vorliegen eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot auf das Auslaufen des Vertrages abzustellen und nicht auf dessen Abschluss und die in diesem Zusammenhang getätigten Investitionen. Dies spricht daher für das Vorliegen einer unechten Rückwirkung. Für das Vorliegen einer unechten Rückwirkung spricht auch der Vergleich mit der Behandlung von Rückwirkungen bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen. Bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen wird eine echte Rückwirkung regelmäßig angenommen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen bereits zum Zeitpunkt der Verkündung der neuen Norm erfüllt sind.769 Andernfalls, 766 So etwa Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 62, dritter Spiegelstrich. 767 So etwa Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 55. 768 So Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 55. 769 Maunz/Dürig-Grzeszick, GG,48. EGL (Nov. 2006), VII. Art. 20 Rn. 80.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
wenn die Anspruchsvoraussetzungen noch nicht bei Verkündung der neuen gesetzlichen Regelung erfüllt sind, handelt es sich im Umkehrschluss um eine unechte Rückwirkung. Überträgt man die Betrachtung des Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Einführung der gesetzlichen Neuregelung auf § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F., so ist festzuhalten, dass der Anspruch des Neukonzessionärs auf Übereignung erst mit dem Ende des alten Konzessionsvertrages und dem Obsiegen eines anderen Bewerbers im Verfahren, also dem Auslaufen des Konzessionsvertrages, entsteht. Denn eine Übereignungspflicht entsteht bspw. nicht, wenn der Altkonzession erneut im Verfahren die Konzession erhält. Damit liegen bei einem laufenden Konzessionsvertrag die Anspruchsvoraussetzungen für eine Übereignung erst mit dem Vertragsende und nicht etwa schon zum Zeitpunkt der Verkündung der Neuerung des § 46 Abs. 2. S. 2 EnWG durch die Novelle aus dem Jahr 2011 vor. Die Betrachtung des Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen für die Frage danach, welche Form der Rückwirkung vorliegt, spricht daher ebenfalls für eine unechte Rückwirkung. Diese ist grundsätzlich verfassungsmäßig nicht zu beanstanden. Selbst wenn man jedoch aufgrund einer eher wirtschaftlichen Betrachtung auf die Konzessionserteilung und die getätigten Investitionen abstellt und deswegen eine echte Rückwirkung annimmt,770 sind die Ausnahmen von der Unzulässigkeit der echten Rückwirkung zu beachten. Auch für diese Ausnahmen ist der Vertrauensschutz der Betroffenen maßgeblicher Anknüpfungspunkt. So ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Vertrauensschutz, der die Unzulässigkeit der echten Rückwirkung begründet, ausnahmsweise nicht gegeben sein soll, wenn die bisherige Rechtslage unklar und verworren war und dieser Mangel durch eine rückwirkende Neuregelung bereinigt werden soll.771 In diesem Fall fehle es gerade an einem schutzwürdigen Vertrauen. Für das Vorliegen dieser Ausnahme im Zusammenhang mit § 46 Abs. 2 EnWG n. F. spricht zum einen die Unklarheit über die Bedeutung des gesetzlichen „Überlassens“ nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG a. F. und die diesbezüglich zahlreich geführten Rechtsstreite.772 Zum anderen lässt sich der Gesetzesbegründung zur Novelle aus dem Jahr 2011 folgender Grund für die Neuerung entnehmen: „Die bisherige Formulierung, wonach die Anlagen zu ‚überlassen‘ sind, hatte zu kosten- und zeitaufwändigen Auseinandersetzungen geführt, ob auch eine Besitzverschaffung ausreicht. Mit der gesetzlichen Klarstellung wird für die Unter770 So Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 55. 771 BVerfG, Urt. v. 19.12.1961, 2 BvL 6/59, BVerfG 13, 261 (272); Maunz/ Dürig-Grzeszick, GG,48. EGL (Nov. 2006), VII. Art. 20 Rn. 86; Maurer, Staatsrecht I,6. (2010), § 17 Rn. 119. 772 So auch BT-Drs. 17/3182, S. 1.
III. Verfassungsmäßigkeit Wandel vom „Überlassen“ zum „Übereignen“407
nehmen Rechtssicherheit geschaffen.“773 Die gesetzgeberische Intention ging daher gerade dahin, die verworrene unklare Rechtslage zu lösen. Dies spricht daher auch bei der Annahme einer grundsätzlich verfassungswidrigen echten Rückwirkung für das Vorliegen einer ausnahmsweise zulässigen Rückwirkung. Mit der hier vertretenen Auffassung (Vorliegen einer grundsätzlich zulässigen unechten Rückwirkung), aber auch, wenn bei Annahme einer echten Rückwirkung (die ausnahmsweise wegen unklarer und verworrener Rechtslage und ihrer gesetzlichen Klarstellung zulässig ist), handelt es sich bei der Novellierung des § 46 Abs. 2 S. 2 n. F. i. V. m. § 113 EnWG um eine zulässige Rückwirkung. Allerdings ist von der Zulässigkeit in besonders gelagerten Fällen wegen der sog. Altfälle-Besonderheiten wiederum eine Ausnahme zu machen. Altfälle sind solche Fälle, die aufgrund der früher geltenden Rechtslage entstanden sind, aber noch (über die Neuregelung hinaus) fortdauern.774 Werden solche Altfälle (so wie hier mit den in der Vergangenheit geschlossenen Konzessionsverträgen) von einer Neuregelung getroffen und entstehen durch die Neuregelung besondere Belastungen oder Härten, so hat der Gesetzgeber Übergangsregelungen zur Abmilderung der Auswirkungen der Neuregelung zu schaffen.775 Diese besonderen Belastungen oder Härten entstehen, wie oben dargestellt vor allem für diejenigen, die im Eigentum des Netzes sind und im Konzessionsvertrag ausdrücklich in der Endschaftsbestimmung einen „Besitzüberlassungsanspruch“ geregelt haben.776 Denn in diesem Fall sind die finanziellen Dispositionen des Netzeigentümers für das Netz gerade unter der Erwartung getroffen worden, dass dieses bei Auslaufen des Konzessionsvertrages lediglich schuldrechtlich gegen Erhalt bspw. eines Pachtzinses einem Dritten überlassen werden muss, das Eigentum hiervon aber nicht betroffen sein würde. Für diese Fälle stellt die Neuregelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG und dessen Geltung gem. § 113 EnWG eine besondere Belastung und Härte dar, für die der Gesetzgeber eine Abmilderung oder 773 BT-Drs.
17/6072, S. 88. Maurer, Staatsrecht I,6. (2010), § 17 Rn. 122. 775 BVerfG, Ur. v. 9.11.1976, 1 BvR 79, 278, 282/70, BVerfGE 43, 242 (288); BVerfG, Beschl. v. 6.11.1985, 1 BvL 22/83, BVerfGE 71, 137 (144f); Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 53. 776 Diejenigen die lediglich die gesetzliche Formulierung der „Überlassenspflicht“ im Konzessionsvertrag wiederholt haben, haben sich ja auf diese Ungenauigkeit der Bedeutung vertraglich eingelassen und damit auch dem Risiko ausgesetzt, dass dies als Übereignungsanspruch ausgelegt wird. Diejenigen, die einen Übereignungsanspruch in der Endschaftsbestimmung geregelt haben, sind schon gar nicht von der gesetzlichen Neuregelung in den Konzessionsvertrag abändernder Weise betroffen. 774 So
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Übergangsregelung hätte vorsehen müssen, um den Vorwurf einer verfassungswidrigen Rückwirkung abzuwenden.777 Eine solche Regelung ist im EnWG jedoch nicht vorgesehen worden. Eine solche Übergangsregelung könnte in dem § 113 EnWG aufgenommen werden und bspw. in § 113 EnWG in einem neu einzuführenden Absatz 2 lauten: „Die Konzessionsverträge, die in vertraglichen Klauseln zur Übertragung des Netzes und der Netzanlagen (Endschaftsbestimmungen) ausdrücklich einen Besitzüberlassungsanspruch vorsehen und vor der Einführung der Übereignungspflicht in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG 2011 geschlossen wurden, gelten entgegen der Bestimmung der §§ 113 Abs. 1, 46 Abs. 2 S. 2 EnWG fort.“ Damit wären die besonderen Belastungen und Härten für die derzeitigen Konzessionsinhaber abgemildert. Auch das bereits im Rahmen der Untersuchungen zur Vereinbarkeit der Novellierung mit Art. 14 GG thematisierte Eintrittsrecht (in Anlehnung an § 31 ErbbauRG) des Altkonzessionärs in den eigentlich mit dem obsiegenden Bewerber abzuschließenden Konzessionsvertrag778 könnte zu einer Abmilderung der Rückwirkung und damit ihrer Zulässigkeit führen. Eine ausnahmsweise Unzulässigkeit der unechten Rückwirkung könnte so verhindert werden. 3. Vereinbarkeit mit Art. 12 GG Die Pflicht zur Neuausschreibung nach Ablauf des Konzessionsvertrages und die an die Neuvergabe an einen anderen Konzessionsnehmer gebundene Übereignungspflicht betrifft nicht den Schutzbereich des Art. 12 GG des Altkonzessionärs.779 Dieser hat zwar keine Garantie dafür, auch bei einer erneuten Vergabe der Stromkonzession den „Zuschlag“ zu erhalten. In dem Verfahren um die Vergabe der Konzessionen kann er sich aber in gleicher Weise um den Erhalt der Konzession bemühen wie alle anderen Bewerber. Er ist daher nicht in seiner Berufsfreiheit verletzt. 4. Zusammenfassung Die Neuregelung der Übereignungspflicht in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. verstößt gegen Art. 14 GG, weil sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in GG,13. (2014), Art. 20 Rn. 76; so entschieden im steuerrechtlichen Kontext: BFH, Vorlagebeschl. v. 16.12.2003, IX R 46/02, NJW 2004, 877 (886). 778 Vgl. hierzu ausführlich § 7 III.1.d). 779 A. A.: Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (38), weil die wirtschaftliche Freiheit des Netzeigentümers durch die turnusmäßige Ausschreibung und das Risiko des Netzverlustes beeinträchtigt sei. 777 Jarass/Pieroth-Jarass,
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die Eigentumsrechte des Altkonzessionärs darstellt. Sie ist außerdem verfassungswidrig, weil die Regelung in § 113 EnWG eine ausnahmsweise unzulässige und verfassungswidrige unechte Rückwirkung regelt. Die Lösung dieser verfassungswidrigen Gesetzeslage kann jedoch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegen i. S. d. Art. 14 GG dadurch erfolgen, dass ein Eintrittsrechts des Altkonzessionärs in den mit einem Dritten geschlossenen Konzessionsvertrag in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG („Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, […]“) i. V. m. dem jeweiligen Konzessionsvertrag und den entsprechenden Endschaftsbestimmungen hineingelesen wird. Dies könnte auch eine Abmilderung und damit ein probates Mittel für das Abwenden einer ausnahmsweise verfassungswidrigen unechten Rückwirkung sein. Des Weiteren wäre die Aufnahme einer gesetzlichen Übergangsvorschrift in § 113 EnWG in einem hierfür zu schaffenden Abs. 2 denkbar, der die unzulässige Rückwirkung des § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG aufheben würde.
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz i. S. d. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG Wird die Konzession an einen neuen Konzessionsnehmer durch die Gemeinde vergeben, so folgt – wie vorstehend dargestellt – aus § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG (2011) ein Übereignungsanspruch des neuen Konzessionärs gegen den Altkonzessionär. Hieran schließt sich zwangsläufig die Frage an, wie der Vermögenswert des Altkonzessionärs in Form des Netzes zu bewerten ist. Denn § 46 Abs. 2 EnWG sieht für das Netz spiegelbildlich zu dem Übereignungsanspruch des neuen Konzessionsnehmers seine Pflicht zur Leistung einer „wirtschaftlich angemessene[n] Vergütung“ an den Altkonzessionär vor. Diese Pflicht zur „wirtschaftlich angemessene[n] Vergütung“ enthielten auch bereits die alten Fassungen des EnWG in § 46 Abs. 2 EnWG (2005) sowie § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG (1998), so dass es sich hierbei nicht um eine eigentliche Neureglung handelt. Diese Vergütungspflicht, also die Leistung eines Entgeltes als Ausgleich für die Übereignung des Netzes, gilt selbstverständlich sowohl für private Netzerwerber wie auch für Gemeinden, die das Netz (re)kommunalisieren wollen. Aufgrund der schwierigen Haushaltslage wegen der z. T. exorbitant hohen Verschuldung der Gemeinden ist die Vergütung für das Netz gerade im Hinblick auf die (Re)Kommunalisierung von besonderer Brisanz. Bei einer hohen Verschuldung des kommunalen Haushalts einer Gemeinde, die sich die (Re)Kommunalisierung zum Ziel gesetzt hat, wird man spätestens an dieser Stelle (im Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit als Voraus-
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
setzung für die Zulässigkeit einer gemeindlichen Betätigung)780 fragen müssen, ob eine (Re)Kommunalisierung überhaupt möglich ist. Den Gemeinden muss dabei bewusst sein, dass eine (Re)Kommunalisierung schon aus Zulässigkeitserwägungen finanziell realisierbar sein muss und es weder wirtschaftlich, politisch noch rechtlich eine (Re)Kommunalisierung „um jeden Preis“ geben darf. Von zentraler Bedeutung für die Praxis ist daher die Frage, was sich hinter der Formulierung der „wirtschaftlich angemessene[n] Vergütung“ für Netzanlagen in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG für Kosten verbergen. Wie bedeutend diese Frage ist, zeigt auch bspw. die mögliche Folge eines überhöhten Kaufpreises für das Netz. In diesem Fall verstößt die konzessionsvertragliche Vereinbarung gegen § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV mit der Folge, dass der Verstoß gegen dieses Verbotsgesetz zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führen kann.781 Eine genaue Betrachtung des Kaufpreises und der Bewertung des Netzes ist daher geboten. 1. „Wirtschaftlich angemessene Vergütung“ als unbestimmter Rechtsbegriff Eine erste Annäherung kann über den Gesetzeswortlaut des § 46 Abs. 2 EnWG erfolgen. Ausgehend vom Wortlaut ist zunächst festzuhalten, dass der Begriff der „wirtschaftlich angemessene[n] Vergütung“ in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt, der einen eindeutigen Bezug zu ökonomischen Zusammenhängen aufweist. Dabei ergibt sich aus dem Wortlaut jedoch nur das Ziel, dass die Netzübereignung gegen wirtschaftlich angemessene Vergütung erfolgen soll. Der Wortlaut lässt jedoch offen, wie eine solche Vergütung zu bestimmen ist. Vielmehr bedarf es hierzu einer weiterführenden (ökonomischen) Betrachtung und Auslegung. Eine historische782 und systematische783 Betrachtung der „wirtschaftlich angemessene[n] Vergütung“ führt indes nicht weiter, so dass auf diese nachstehend nicht eingegangen werden wird. Weder im EnWG noch in der einschlägigen Rechtsprechung sind klare und abschließende Vorgaben zur Berechnung der „wirtschaftlich angemessene[n] 780 Hierzu
in § 6 IV.2.b)dd).
Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 1 GWB Rn. 184. 782 Ausführlich hierzu: Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und GasKonzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 855. 783 So auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 869. 781 Immenga/Mestmäcker-Zimmer,
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz411
Vergütung“ der Netze nach § 46 Abs. 2 EnWG zu finden.784 Es handelt sich hierbei daher nicht überraschend um eine derzeit stark diskutierte Frage. Um dem Inhalt der „wirtschaftlich angemessene[n] Vergütung“ der Netze auf den Grund zu gehen, ist daher zunächst der ökonomische Gehalt des Begriffs der „wirtschaftlich angemessene[n] Vergütung“ in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG zu klären.785 Denn zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe mit ökonomischer Bedeutung sind grundsätzlich die anerkannten Prinzipien der Betriebswirtschaftslehre heranzuziehen.786 Dabei ist der Kontext der Vergütung zu berücksichtigen. Durch die Vergabe der Konzession an einen neuen Konzessionsnehmer erfolgt aufgrund von § 46 Abs. 2 EnWG der Verlust einer werthaltigen Rechtsposition auf Seiten des Altkonzessionärs. Dieser Verlust ist schon wegen Art. 14 GG in angemessener Höhe zu ersetzen. Gerade im Hinblick auf die Angemessenheit der Höhe dieses Ersatzes besteht jedoch große Unsicherheit. Insbesondere stellt sich die Frage, woran für die Wertermittlung angeknüpft werden kann, welche Werte die Vermögenswerte eines Netzes bilden und wie diese in einen Geldwert umgerechnet werden können. Diese Problematik existiert jedoch nicht nur bei der Bewertung des Netzes. Sie findet sich auch im Gesellschaftsrecht bei der Unternehmensbewertung im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Gesellschaftern wieder, etwa bei der Frage nach der Höhe der regelmäßigen Ausgleichszahlung (§ 304 AktG) und Abfindung (§ 305 AktG) für den „außenstehenden Aktionär“ einer AG.787 Ausgehend davon werden zunächst die werthaltigen Positionen des Netzes anhand der in der Betriebswirtschaftslehre anerkannten Ermittlungsmethoden, die im Kontext mit dem Netzerwerb verwendet werden, erläutert und in einen ersten juristischen Kontext gestellt. Im Anschluss daran wird § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG im Hinblick auf beide Verfahrensarten untersucht. Die Kaufering-Entscheidung des BGH, die im Hinblick auf die Wertermittlung für das Netz im Jahre 1999 eine entscheidende Wendung begründete, wird nachfolgend ebenfalls betrachtet und im Hinblick auf ihre Gültigkeit nach der EnWG-Novelle im Jahr 2011 untersucht. Der daran anschließende Abschnitt bietet Lösungsvorschläge für die unklare Rechtslage unter Berücksichtigung der zuvor gefundenen Ergebnisse und unter Heranziehung vergleichbarer Gestaltungen aus dem Gesellschafts- und Erbbaurecht. auch Straßer/Fimpel/Strop, BewertungsPraktiker Nr. 2/2014, 50 (50). auch im Kontext der Unternehmensbewertung: Bürgers/Körber-Ruiz de Vargas, Aktiengesetz,3.(2014), Anh. § 305 Rn. 4. 786 Büdenbender/Rosin/Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energiewirtschaftsreform 2005 (2005), S. 61. 787 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), § 8 Rn. 8.80. 784 So 785 So
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
2. Bewertungsmethoden für die Ermittlung des Verteilernetzwertes Orientiert man sich für die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG an betriebswirtschaftlichen Grundlagen, so wird man im Hinblick auf die Ermittlung und Bewertung von Gütern besonders im Rahmen von Unternehmensbewertungen fündig.788 Auch in diesem Zusammenhang stellt sich – wie bei dem Netzerwerb – die Frage, an welche Güter, Werte oder Gegenstände die Vergütungsrechnung anknüpft. Denn letztlich soll mit dem Kaufpreis ein Wert in Geld umgerechnet und ausgedrückt werden, der dem Wert des Unternehmens bzw. Netzes entspricht. Im Rahmen von Unternehmensbewertungen werden zur Ermittlung dieses Wertes Gesamtbewertungsverfahren (darunter etwa Ertragswertverfahren und Discounted Cash FlowVerfahren), Einzelbewertungsverfahren (darunter etwa das Substanzwertverfahren) und Mischverfahren unterschieden.789 Bei der Bewertung der Netze als spezielles Gut wird dabei in der Praxis vor allem auf den Sachzeit- und Substanzwert sowie den Ertragswert abgestellt.790 a) Sachzeit- und Substanzwert In der energiewirtschaftlichen Praxis finden sich üblicherweise in den Konzessionsverträgen Vereinbarungen zur Berechnung des Netzwertes über den Sachzeitwert.791 Aber auch vom Substanzwert ist die Rede.792 Der Substanzwert und der Sachzeitwert sind begrifflich unterschiedlich, wobei sich die Bezeichnung Sachzeitwert in der Betriebswirtschaftslehre so nicht finden lässt. In der Betriebswirtschaftslehre wird der Begriff Substanzwert für Unternehmen oder Unternehmenseinheiten verwendet, der definiert ist als der „Gebrauchswert der betrieblichen Substanz“.793 Das 788 Hierzu nachfolgend noch im Zusammenhang mit §§ 304, 305 AktG und dem sog. „Squeeze-out“-Verfahren, vgl. § 7 IV.5.a) und § 7 IV.5.b). 789 Zu den verschiedenen Bewertungsmethoden überblicksartig mit Beispielen: Wiehle/Diegelmann/Deter/Schömig/Rolf, Unternehmensbewertung: Methoden, Rechenbeispiele, Vor- und Nachteile,4. (2010). 790 Ausführlich zur Bewertung von Strom- und Gasnetzen: Straßer/Fimpel/Storp, BewertungsPraktiker 2/2014, 50 (50 ff.). 791 BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 24 f.; Becker ZNER 2002, 118 (118); Straßer/Fimpel/Storp, Bewertungspraktiker 2/2014, 50 (50); Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. (2012), S. 454; hierzu auch: Sachse, Vom Monopolpreis zur wirtschaftlich angemessenen Vergütung (2013), S. 46 ff. 792 Boos, ZNER 2004, 291 (304). 793 Salcher/Keller/Beckmann/Maier, N & R Beilage 1/2012, 1 (2).
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz413
Substanzwertverfahren stellt dabei auf den Rekonstruktionswert des Unternehmens ab794 und setzt sich aus der Summe derjenigen Ausgaben zusammen, die ein Investor für den Aufbau eines vollkommen identischen Unternehmens hätte aufwenden müssen.795 Im Rahmen von Unternehmensbewertungen hat das Substanzwertverfahren in der Praxis aber keine796 Bedeutung.797 Der BGH hat in seiner Kaufering-Entscheidung [hierzu nachfolgend in § 7 IV.4.] zwischen Sachzeit- und Substanzwert keinen inhaltlichen Unterschied gesehen und diese als zwei Begriffe mit gleichem Inhalt gekennzeichnet.798 Auch in der Literatur799 findet sich diese Gleichstellung, indem bspw. ausgeführt wird: „Der Sachzeitwert stellt den Substanzwert dar, […].“800 An anderer Stelle wird der Sachzeitwert als Unterform des Substanzwertes beschrieben, da der Sachzeitwert sich lediglich auf materielle Gegenstände beziehe, wohingegen der Substanzwert die betriebliche Sub stanz eines Unternehmens als Ganzes einschließlich aller seiner Assets einbeziehe.801 Dies macht aber schon deutlich, dass es sich nicht um eine unterschiedliche Bewertungsmethode handelt, sondern der Unterschied (wenn überhaupt) in der zu bewertenden Einheit zu sehen ist. Unter Annahme dieser Gleichstellung definiert der BGH in der Kaufering-Entscheidung den Sachzeitwert wie folgt: „Der Sachzeitwert ist der auf der Grundlage des Tagesneuwerts (Wiederbeschaffungswerts) unter Berücksichtigung seines Alters und Zustands ermittelte Restwert eines Wirtschaftsgutes im Handbuch des Unternehmenskauf,7. (2010), Teil II Rn. 147; Hopt/Weidemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 305 Rn. 119. 795 Hölters-Widmann, Handbuch des Unternehmenskauf,7. (2010), Teil II Rn. 147. 796 Ausgenommen hiervon sind vereinzelt die Bewertungen von nicht gewinn orientierten Organisationen (Nonprofit-Organisationen), vgl. Hölters-Widmann, Handbuch des Unternehmenskauf,7. (2010), Teil II Rn. 155. 797 Hölters-Widmann, Handbuch des Unternehmenskauf,7.(2010), Teil II Rn. 155; Hopt/Weidemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 305 Rn. 127; IDW, IDW Prüfungsstandards, Bd. II,25. EGL (Juli 2008), Rn. 6. 798 BGH, Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (579). 799 Gersemann/Trurnit, DVBl. 2000, 1101 (1107); Scholtka NJW 2000, 548 (550); Ballwieser/Lecheler-Ballwieser, Die angemessene Vergütung für Netze nach § 46 Abs. 2 EnWG,1. (2007), S. 37; Busse von Colbe, Bewertung von örtlichen Stromversorgungsanlagen bei einem Wechsel der Versorgungszuständigkeit (1994), S. 27; BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 25; a. A.: Boos, ZNER 2004, 291 (305), der von dem Substanzwert als einem dritten, davon zu unterscheidenden Verfahren, ausgeht. 800 So Ballwieser/Lecheler-Ballwieser, Die angemessene Vergütung für Netze nach § 46 Abs. 2 EnWG,1. (2007), S. 37; Sachse, Vom Monopolpreis zur wirtschaftlich angemessenen Vergütung (2013), S. 46. 801 Salcher/Keller/Beckmann/Maier, N & R Beilage 1/2012, 1 (2). 794 Hölters-Widmann,
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Sinne des Bruttorekonstruktionswertes.“802 „Er spiegelt dabei den Wert wider, den ein gebrauchtes Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung des aktuellen Neuwertes eines gleichwertigen Guts und seines Alters und Erhaltungszustands noch verkörpert, gibt also dessen Wiederbeschaffungswert an.“803 Damit stellt der Sachzeitwert vereinfacht gesagt auf die Kosten ab, die ein neuer Netzbetreiber aufwenden müsste, um ein Netz in entsprechender (gebrauchter) Form und entsprechendem Zustand nachzubauen.804 Dies ist deckungsgleich mit dem zuvor dargestellten Verständnis zum Substanzwertverfahren. Bei der Verwendung des Sachzeit- bzw. Substanzwertverfahrens ergibt sich im Zusammenhang mit der Bewertung von Stromnetzen jedoch ein spezifisches Problem: Für Stromnetze gibt es keinen Gebrauchtwarenmarkt, so dass nicht auf die üblichen am Markt für gebrauchte Stromnetzanlagen zu erzielenden Preise abgestellt werden kann. Diesem Problem begegnet der BGH805 mit der Ermittlung des Reproduktionsneuwerts806 der übergehenden Gegenstände, deren Wert um die Abschreibungen, die sich aus dem Verhältnis zur abgelaufenen Gesamtnutzungsdauer ergeben, vermindert werden muss.807 Der Reproduktionsneuwert stellt dabei den aktuellen, stichtagsbezogenen Neuwert des Netzes dar, der zum Zwecke der Wiederbeschaffung aufgewendet werden müsste.808
802 BGH, Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (579), so auch schon Busse von Colbe, Bewertung von örtlichen Stromversorgungsanlagen bei einem Wechsel der Versorgungszuständigkeit (1994), S. 26 ff. 803 BGH, Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (579). 804 Salcher/Keller/Beckmann/Maier, N & R Beilage 1/2012, 1 (2). 805 Auch andere Verfahren zur Ermittlung des Sachzeitwertes sind denkbar und werden in der Praxis verwendet. So kann auch im Rahmen des sog. Indexverfahrens oder „Bottom-up“-Ansatzes der Sachzeitwert berechnet werden, indem die Vermögenswerte mittels Indizierung der historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der alterbedingten Abnutzung berechnet werden, vgl. Salcher/Keller/ Beckmann/Maier, N & R Beilage 1/2012, 1 (3). Dabei werden die historischen, also realen, ursprünglichen Kosten als Ansatzpunkt genommen und zum heutigen Stand quasi hochgerechnet, so dass hierbei auch von einer indirekten Ermittlungsmethode gesprochen werden kann, vgl. Salcher/Keller/Beckmann/Maier, N & R Beilage 1/2012, 1 (2 und 3). 806 Auch „Top-down“-Ansatz oder Tagesneuwertverfahren genannt, vgl. ausführlich hierzu: Salcher/Keller/Beckmann/Maier, N & R Beilage 1/2012, 1 (3). 807 BGH, Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (579); Busse v. Colbe, Bewertung von örtlichen Stromversorgungsanlagen bei einem Wechsel der Versorgungszuständigkeit (1994), S. 43. 808 Salcher/Keller/Beckmann/Maier, N & R Beilage 1/2012, 1 (3).
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b) Ertragswert Die Gesamtbewertungsverfahren stellen die gebräuchlichsten Bewertungsverfahren in der Unternehmensbewertung dar und beziehen sich auf das Unternehmen als eine Bewertungseinheit, deren Wert sich aus zukünftig zu erzielenden Erträgen bestimmt.809 Im Rahmen der Gesamtbewertungsverfahren sind das Ertragswertverfahren und das Discounted Cash Flow-Verfahren von besonderer Bedeutung.810 Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 i. d. F. 2008), der feststellt, dass sich die Anwendung von Ertragswert- oder Discounted Cash Flow-Verfahren als gängige Verfahren in der Wirtschaft herausgebildet hätten.811 Diese beiden objektiven Ertragswertverfahren i. S. d. IDW S 1 werden von den Gerichten überwiegend angewendet.812 Nach IDW S 1 beruhen sowohl das Ertragswert- als auch das Discounted Cash Flow-Verfahren auf der gleichen konzeptionellen Grundlage, wonach der Barwert zukünftiger finanzieller Überschüsse maßgeblich ist.813 Dabei geht das Ertragswertverfahren von den dem Unternehmenseigner zukünftig zufließenden finanziellen Überschüssen aus, die aus den zukünftig geplanten Jahresergebnissen abgeleitet werden.814 Die zugrunde liegende Planungsrechnung kann nach handelsrechtlichen oder anderen internationalen Standards wie IFRS oder US GAAP aufgestellt sein.815 Neben diesem so ermittelten Barwert sämtlicher zukünftiger Erträge wird zusätzlich ein Kapitalisierungs- bzw. Opportunitätszinssatz herangezogen, mit dem die finanziellen Überschüsse abdiskontiert bzw. kapitalisiert werden.816 Auf diese Weise ergibt sich ein Ertragswert, der den kaufmännisch und betriebswirtschaftlich äußersten vertretbaren Betrag aus Sicht des Käufers für den ErHandbuch des Unternehmenskauf,7. (2010), Teil II, Rn. 40. Handbuch des Unternehmenskauf,7. (2010), Teil II, Rn. 40. 811 IDW Prüfungsstandards, Bd. II,25. EGL (Juli 2008), Rn. 7. 812 So etwa: OLG Koblenz, Beschl. v. 11.11.2010, U 646/08, ZNER 2011, 338 (339); hierauf hinweisend auch Straßer/Fimpel/Storp, BewertungsPraktiker 2/2014, 50 (51). 813 IDW Prüfungsstandards, Bd. II,25. EGL (Juli 2008), Rn. 101. 814 IDW Prüfungsstandards, Bd. II,25. EGL (Juli 2008), Rn. 101; Wiehle/Diegelmann/Deter/Schömig/Rolf, Unternehmensbewertung: Methoden, Rechenbeispiele, Vor- und Nachteile,4. (2010), S. 34. 815 IDW Prüfungsstandards, Bd. II,25. EGL (Juli 2008), Rn. 101. 816 Hölters-Widmann, Handbuch des Unternehmenskauf,7. (2010), Teil II, Rn. 56; Wiehle/Diegelmann/Deter/Schömig/Rolf, Unternehmensbewertung: Methoden, Rechenbeispiele, Vor- und Nachteile,4. (2010), S. 34; IDW Prüfungsstandards, Bd. II,25. EGL (Juli 2008), Rn. 113. 809 Hölters-Widmann,
810 Hölters-Widmann,
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werb des Netzes unter Berücksichtigung der Kosten der Stromverteilung auf der einen und der zu erwartenden Erlöse auf der anderen Seite darstellt.817 Im Rahmen des Discounted Cash Flow-Verfahrens wird nicht auf Aufwendungen und Erträge, sondern auf die Kapitalisierung von Zahlungsmittelüberschüssen (= Cash Flow) abgestellt.818 Diese Zahlungsüberschüsse stellen erwartete Zahlungen an die Kapitalgeber dar, die je nach Verfahren unterschiedlich definiert819 sind.820 Beim Discounted Cash Flow-Verfahren wird aus dem diskontierten erwarteten künftigen Kapitalfluss der Unternehmenswert abgeleitet.821 Hierfür wird der prognostizierte Cash Flow, dessen Bar- und Fortführungswert ermittelt und entsprechend abgezinst.822 Die Berücksichtigung von Amortisationsmöglichkeiten in Gestalt des Ertragswertverfahrens fand im Energierecht in weiten Teilen bis zur Kaufering-Entscheidung keine Beachtung.823 Dies verwundert insbesondere deswegen, weil diese Methode längst Eingang in das deutsche Recht gefunden hatte. Beispielsweise ist im Zusammenhang mit den §§ 304 und 305 AktG das Ertragswertverfahren als Bewertungsmethode seit dem Ende der sechziger Jahre nahezu unumstritten.824 Eine direkte Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmung auf die Netze ist jedoch bisher nicht angezeigt, da die Regelungen der §§ 304, 305 AktG sich auf Unternehmen im Ganzen beziehen. Bei der Übertragung des Netzes wird jedoch nicht zwingend das gesamte Netzunternehmen übertragen, sondern nur das Netz als Asset. Dennoch hätte man hierin einen ersten Grundstein für die Wertermittlung des Netzes sehen können [hierzu noch ausführlich in § 7 IV.5.a)].825
817 Büdenbender/Rosin/Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energiewirtschaftsreform 2005 (2005), S. 78. 818 Hölters-Widmann, Handbuch des Unternehmenskauf,7. (2010), Teil II, Rn. 70. 819 Siehe hierzu detailliert: Hölters-Widmann, Handbuch des Unternehmenskauf,7. (2010), Teil II Rn. 70 ff. 820 IDW Prüfungsstandards, Bd. II,25. EGL (Juli 2008), Rn. 124. 821 Schmidt/Lutter-Stephan, Aktiengesetz, Bd. 2,2. (2010), § 305 Rn. 50. 822 Wöltje, Investition und Finanzierung,1. (2013), S. 214. 823 Danner/Theobald-Theobald, Energierecht,78. EGL (Sept. 2013), EnWG, § 46 Rn. 61; Theobald, NJW 2000, 1389 (1389). 824 Hierzu Hopt/Weidemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 305 Rn. 113. 825 Büdenbender/Rosin/Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energiewirtschaftsreform 2005 (2005), S. 61, führen aus, dass diese Normen dennoch anwendbar seien, weil hierzu die Eigenschaft als Unternehmensteil ausreiche; Sachse, Vom Monopolpreis zur wirtschaftlich angemessenen Vergütung (2013), S. 53 f., die ausführt, dass das für Unternehmen „geltende Bewertungskalkül“ auf die „Netze übertragbar“ sei.
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3. EnWG-Novelle 2011 Im Energierecht wurde vielmehr ein eigenständiger Weg in Bezug auf die Bewertung des Netzes nach § 46 Abs. 2 EnWG eingeschlagen. Der BGH hatte in seiner zur alten Rechtslage ergangenen Kaufering-Entscheidung festgestellt, dass die „ganz allgemein gehaltene Bestimmung“ des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG offen lasse, nach welchen Kriterien die Angemessenheit der Vergütung zu beurteilen sei, „insbesondere, ob hierfür auf den Sachwert (Substanzwert) der zu übertragenden Versorgungsanlagen oder auf die Amortisationsmöglichkeiten des übernehmenden Versorgungsunternehmers abzustellen“ sei.826 Es ist daher wenig verwunderlich, dass sich über diese Fragen ein breiter Streit in der Rechtsprechung und Literatur,827 dessen vorläufiger Höhepunkt die Kaufering-Entscheidung des BGH bildete, entfacht hat. Dieser Streit hätte durch die EnWG-Novelle 2011 beinahe ein Ende gefunden. Der Bundesrat hatte im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen, gerade in Ansehung dieser Unklarheiten eine klare gesetzliche Regelung in den § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG aufzunehmen, wonach sich die Vergütung an dem Ertragswert zu orientieren habe. Konkret schlug der Bundesrat vor, den § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG wie folgt zu ergänzen: „Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung, die unter Berücksichtigung der mit dem Netz zu erzielenden Erlöse nach dem Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, zu übereignen.“ [Hervorhebung828 durch Verfasserin]829 In der Begründung führte der Bundesrat hierzu folgendes aus: „Die „angemessene Vergütung“, gegen die nach derzeitiger Rechtslage ein Energieversorgungsnetz überlassen werden muss, ist in der Vergangenheit häufig Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen dem bisherigen Netzbetreiber und dem Erwerber gewesen. Es bedarf daher einer klaren gesetzlichen Vorgabe, wie diese Vergütung zu bemessen ist. Der Ertragswert orientiert sich an dem Barwert aller künftigen Erträge (Einnahmen minus Ausgaben) 826 BGH,
Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (579). hierzu: Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012). 828 Der in gewöhnlicher Schrift wiedergegebene Textteil ist der Ergänzungsvorschlag des Bundesrates, der sich jedoch im Gesetzgebungsverfahren nicht durchgesetzt hat. 829 Bundesrat Stellungnahme, BT-Drucksache 17/6248, S. 17. 827 Siehe
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und berücksichtigt damit auch veränderte Rahmenbedingungen, wie sie z. B. von der Anreizregulierung vorgegeben werden. Er bildet für den Erwerber die maßgebliche Grundlage seiner Beurteilung, ob er das Netz zukünftig erfolgreich wird betreiben können.“830 Diese Ergänzung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG hätte eine eindeutige gesetzliche Klärung des Streitstandes, wie die angemessene Vergütung zu berechnen ist und worauf diese basiert, bewirkt. Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag des Bundesrates jedoch in ihrer Gegenäußerung abgelehnt und dies damit begründet, dass mit der Verpflichtung zur Übereignung durch Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung ein Wechsel des Konzessionärs nicht an prohibitiv hohen Kosten für das Netz scheitern solle.831 Daneben solle keine übermäßige Beschränkung der Vertragsfreiheit der Parteien sowie des über Art. 14 GG geschützten Rechts zur Verwertung des Netzeigentums erfolgen.832 Die Bundesregierung führt weiter aus: „Nach Auffassung der Bundesregierung gelten insoweit die vom Bundesgerichtshof in seinem Kaufering-Urteil aufgestellten Bewertungen fort. Gegen die ausschließliche Festlegung des an den Netzentgelten orientierten Ertragswertverfahrens als Grundlage für die Bemessung der Vergütung spricht, dass eine solche Vorgabe im Extremfall zu einer Zwangsschenkung des Netzes führen kann (bei vollständig abgeschriebenem Netz). Ein solch intensiver Eingriff in das Eigentumsrecht des bisherigen Netzbetreibers soll vermieden werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Wert eines Netzes aus Sicht des Erwerbers nicht ausschließlich an den möglichen Netzentgelteinnahmen bemessen muss, sondern auch andere Motive eine Rolle spielen können, wie beispielsweise strategische oder auch technische Gründe. Die individuelle Übernahmesituation könnte bei einer Festlegung der Vergütung auf den an den Netzentgelten orientierten Ertragswert nicht angemessen berücksichtigt werden.“833 Die Begründung der Bundesregierung für ihre Ablehnung weist somit darauf hin, dass die Bundesregierung die gesetzliche Regelung bewusst offen für verschiedene Berechnungsmethoden halten wollte. Dies ist vermutlich so zu verstehen, dass die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf bzgl. einer gesetzlichen Konkretisierung sah. Insofern passend ist auch die Begründung des Gesetzesentwurfes, die ausführt, dass das „sog. Ertragswertverfahren unter bestimmten Voraussetzungen, auch im System der Anreizregulierung, eine geeignete Methode zur Bestimmung des Wertes des 830 Bundesrat
Stellungnahme, BT-Drucksache 17/6248, S. 17. der Bundesregierung, BT-Drucksache 17/6248, S. 25. 832 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucksache 17/6248, S. 25. 833 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucksache 17/6248, S. 25. 831 Gegenäußerung
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Netzes“ darstelle, daneben aber auch „andere Verfahren zur Wertbestimmung denkbar“ seien.834 In jedem Fall ist durch die Begründung des Gesetzesentwurfes das Ertragswertverfahren als Wertermittlungsmethode ebenfalls anerkannt worden. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist jedoch keine Entscheidung darüber getroffen worden, ob dies die einzige Methode zur Berechnung der „wirtschaftlich angemessene[n] Vergütung“ nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG darstellt oder welche anderen Methoden noch zur Wertbestimmung herangezogen werden können. Insofern verbleibt es auch nach der Novelle des EnWG im Jahre 2011 bei einer gesetzlich nicht näher bestimmten „wirtschaftlich angemessene[n] Vergütung“ in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG, die unterschiedlichen Bewertungsverfahren zugänglich ist. 4. Kaufering-Entscheidung, fortgeltender Maßstab der Vergütung? Um der Frage auf den Grund zu gehen, wie die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ i. R.d. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG gesetzeskonform zu bestimmen ist, hat die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung zur EnWGNovelle im Jahre 2011 auf die Kaufering-Entscheidung des BGH verwiesen. Die Bundesregierung nannte als einen ihrer Begründungsansätze, dass nach ihrer Auffassung die speziell im Kontext der Netzvergütung „vom Bundesgerichtshof in seinem Kaufering-Urteil aufgestellten Bewertungen fort[gelten würden]“.835 Diese Ausführungen der Bundesregierung sind insbesondere deswegen interessant, weil die Kaufering-Entscheidung noch vor den umfassenden Novellen des EnWG in den Jahren 1998, 2005 und 2011 ergangen ist und daher rechtlich auf einer alten und inzwischen veränderten Gesetzeslage fußt (dazu nachstehend ausführlich). Daher soll zunächst die für das Energierecht und die Netzbewertung ergangene Kaufering-Entscheidung des BGH zusammengefasst dargestellt und der Frage nachgegangen werden, ob die Kaufering-Entscheidung überhaupt auf die Gesetzeslage des EnWG 2011 übertragen werden und damit einen gültigen Maßstab – wie von der Bundesregierung ausgeführt – darstellen kann. a) Kaufering-Entscheidung des BGH In der Vergangenheit, insbesondere vor der Kaufering-Entscheidung, war meist der Sachzeitwert für die Berechnung des Netzwertes in den Konzes834 BT-Drs.
17/6072, S. 88 (rechte Spalte). der Bundesregierung, BT-Drs. 17/6248, S. 25.
835 Gegenäußerung
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sionsverträgen vorgesehen.836 Mit eben solch einem Konzessionsvertrag hatte sich auch der BGH in seiner Kaufering-Entscheidung auseinanderzusetzen. Zu der streitgegenständlichen Zeit (1994) existierte weder der § 13 Abs. 2 S. 3 EnWG 1998 noch dessen Nachfolgeregelung § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG 2005 oder § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG 2011. Der Kaufering-Fall des BGH837 behandelte einen Konzessionsvertrag, der Ende des Jahres 1994 auslief. Dieser Konzessionsvertrag enthielt in § 11 eine vertragliche Vereinbarung über die Ablösung der Versorgungsanlagen zwischen dem Netzbetreiber und der Gemeinde zum Sachzeitwert.838 In diesem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es im Wesentlichen um (1) die Auslegung dieses § 11 des Konzessionsvertrages, (2) die Frage, ob diese Regelung kartellrechtswidrig nach § 103a GWB a. F. sei und (3) die Frage, ob das Sachzeitwertverfahren zur Bestimmung der „wirtschaftlich angemessene[n] Vergütung“ allein ausschlaggebend sein dürfe. Der BGH entschied, dass grundsätzlich das Zugrundelegen des Sachzeitwertes rechtlich zulässig sei.839 Dies schränkte der BGH jedoch insoweit ein, als der Sachzeitwert den Ertragswert des Netzes nicht unerheblich übersteigen dürfe.840 Mit anderen Worten stellte nach Ansicht des BGH der Ertragswert die Grenze des zulässigen Höchstpreises im Rahmen der Sachzeitwertberechnung dar. Mehr als der Ertragswert und damit der Wert, den der neue Netzbetreiber mit dem Netzbetrieb erwirtschaften könne, dürfe nicht als Vergütung verlangt werden. Mit dieser Formel erklärte der BGH den Ertragswert zur maßgeblichen Größe, an der sich eine angemessene Vergütung orientieren musste, selbst wenn der Sachzeitwert ausdrücklich vereinbart war. Deutlich machte der BGH damit auch das grundsätzliche Dilemma der Bewertung von Netzen. Alleine die Substanz macht nicht den Wert eines Netzes oder auch Unternehmens aus. Vielmehr wird dieser Wert auch durch die Betätigung und Nutzung der Substanz sowie die Positionierung am Markt gebildet. Der Ertrag, der von einem Unternehmen oder mittels eines Netzes erwirtschaftet wird, bildet ebenso dessen Wert. Dies hat der BGH auch für den Netzwert mit der Kaufering-Entscheidung festgestellt. Zusätzlich nannte der BGH in seiner Kaufering-Entscheidung zwei weitere Maßstäbe, an denen sich die Vergütung messen lassen müsse: „wenn 836 Theobald, NJW 2000, 1389 (1389); hierzu ausführlich: Büdenbender/Rosin/ Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energierechtsreform 2005 (2006), S. 37 ff. 837 BGH, Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (577 ff.). 838 BGH, Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (577). 839 BGH, Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (580). 840 Dem folgend: Städte und Gemeindebund NRW, Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen, NRW-Mitteilung 15/2011 (4.1.2011), S. 2.
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der Sachzeitwert den Ertragswert des Netzes nicht unerheblich übersteigt, so dass die Übernahme der Stromversorgung durch einen nach den Maßstäben wirtschaftlicher Vernunft handelnden anderen Versorger ausgeschlossen ist und die Kommune infolgedessen nach Beendigung des Konzessionsvertrages faktisch an den bisherigen Versorger gebunden ist“ [Hervorhebung durch Verfasserin]841. Damit erhob der BGH zu einem zusätzlichen Maßstab der zulässigen Bewertungsmethoden und Kostenhöhe, dass die Vergütungshöhe nicht verhindern dürfe, dass ein wirtschaftlich vernünftig Handelnder das Netz übernehme. Als dritten Maßstab führt der BGH an, dass der Preis für den Netzerwerb nicht dazu führen dürfe, dass die Gemeinde quasi auf dem alten Netzbetreiber „sitzen bleibt“. Insbesondere eine kartellrechtlich bedenkliche prohibitive Wirkung durch die Höhe der Vergütung sollte hierdurch verhindert werden. b) Übertragbarkeit der Kaufering-Entscheidung auf die Gesetzeslage nach der Novelle des EnWG 2011 Die Übertragung der Kaufering-Entscheidung auf die heutige Gesetzeslage ist durch zahlreiche Änderungen des EnWG seit der Entscheidung im Jahre 1999 problematisch. Zwar bestätigte der BGH im Jahre 2006 die Kaufering-Entscheidung in der Sache „Lippstadt“.842 Obwohl die Entscheidung jedoch im Jahre 2006 erging, betraf auch sie im Schwerpunkt eine Vergütungsvereinbarung der streitenden Parteien aus dem Jahre 1994843 und damit ebenfalls eine Regelung, für die keine der umfassenden Novellierungen des EnWG in den Jahren 1998, 2005 und zuletzt 2011 galt. Durch diese Novellen hat das EnWG eine umfassende Umgestaltung erfahren, die maßgeblich auf die europäische Initiative zur Wettbewerbsöffnung zurückzuführen ist.844 Mit der Novelle 1998 ging ein völliger Umbruch des Energiewirtschaftsrechts einher.845 Die Energiewirtschaft wurde dem Wettbewerb unterworfen, die Netzbetreiber hatten ihre Leitungen nun diskriminierungsfrei auf Grundlage privatrechtlicher Vereinbarungen zur 841 BGH,
Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (577, 1. Leitsatz). Urt. v. 7.2.2006, KZR 24/04, NJW-RR 2006, 1139 ff. 843 BGH, Urt. v. 7.2.2006, KZR 24/04, NJW-RR 2006, 1139 (1139). 844 Zur geschichtlichen Entwicklung des EnWG, vgl. Säcker-Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. A. EnWG Rn. 15 ff. 845 Siehe hierzu: Säcker-Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Einl. A. EnWG Rn. 8 ff.; Säcker-Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. A. EnWG Rn. 27 ff.; Bartsch/Röhling/Salje/ Scholz-Scholz, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 7, Rn. 6 ff. sowie Bartsch/Röhling/ Salje/Scholz-Sieberg, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 50 Rn. 10 ff.; Kühne/Scholka, NJW 1998, 1902 ff. 842 BGH,
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Verfügung zu stellen (sog. „verhandelter Netzzugang“, § 6 Abs. 1 EnWG 1998), ein erstes eingeschränktes Unbundling-Modell wurde eingeführt, wonach eine buchhalterische und informatorische Trennung des Netzbetriebes vom übrigen integrierten Energieversorgungsunternehmen durchgeführt werden musste (§§ 4 und 9 EnWG 1998).846 Auch in das Konzessionsrecht wurde regelnd eingegriffen. So entfiel mit der Novelle im Jahre 1998 bspw. die Möglichkeit, Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu treffen.847 Diese wettbewerbliche Öffnung des Energiemarktes setze sich in der Novelle im Jahr 2005 weiter fort.848 Das Unbundlingregime wurde weiter ausgeformt. Zu den bereits im Jahr 1998 eingeführten Entflechtungsbestimmungen zur Trennung des Netzes von Erzeugung und Vertrieb kam die Pflicht zur operationellen und rechtlichen Entflechtung hinzu.849 Seit Einführung des weitreichenden Unbundling-Regimes ist für die Ertragslage des Netzbetriebes daher nur noch der Ertrag, der mit dem Netz selbst erwirtschaftet werden kann, relevant. Zum Zeitpunkt der Kaufering-Entscheidung des BGH war dies noch anders. Der Ertrag eines Netzes setzte sich aus Erträgen aus dem Netzgeschäft, den Einnahmen aus der Grundversorgung und grundsätzlich möglichen anderen Vertriebseinnahmen zusammen, da die Versorgung der Kunden mit Energie auch zusammen mit dem Netzbetrieb erfolgte.850 Dieser Wert konnte daher je nach Versorgungsstruktur und -lage im Gebiet recht hoch sein.851 Die zuvor noch im Rahmen des verhandelten Netzzugangs möglichen privatrechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten wichen wegen europarechtlicher Unzulässigkeit einem regulierten Netzzugang und regulierten Netzentgelten.852 Mit der Novelle im Jahr 2005 wurden eine präventive Einzelentgeltregulierung sowie die Anreizregulierung eingeführt.853 Danach konnten Netzentgelte nicht mehr privatrechtlich 846 Säcker-Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Einl. A. EnWG Rn. 17; Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Scholz, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 7, Rn. 6 ff.; Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849 (850). 847 Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Salje, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 58, Rn. 1. 848 Zur Novelle: Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849 ff. 849 Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849 (850); Säcker-Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Einl. A. EnWG Rn. 16 ff.; Säcker-Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. A. EnWG, Rn. 30 ff. 850 Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Reinhardt, Grundriss zum Energierecht,1. (2011), Kap. 6 Rn. 56. 851 PWC-Sauthoff/Klussendorf/Kahl, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 584. 852 Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Meyer, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 48, Rn. 5 und 9; Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849 (850 f.). 853 Säcker-Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 1,3. (2014), Einl. A. EnWG Rn. 30.
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz423
vereinbart werden, sondern richteten sich nun nach dem EnWG und der StromNEV und unterlagen der Genehmigungspflicht durch die BNetzA.854 Im Jahr 2009 wurde dieses noch junge System durch die Anzreizregulierung ersetzt.855 Die Zusammensetzung der Netzentgelte,856 die die Grundlage für die Ertragsberechnungen des Netzbetriebes bilden, sich damit grundlegend verändert. Auch das Konzessionsrecht wurde maßgeblich verändert. So entfiel bspw. die Koppelung der Grundversorgereigenschaft an den Netzbetreiber.857 Mit der Novelle im Jahr 2011 folgten weitere Justierungen des EnWG. Die Unbundling-Vorschriften wurden nochmals verschärft, insbesondere für die Transportnetzbetreiber, aber auch für die Verteilernetzbetreiber.858 Außerdem wurde § 46 EnWG modifiziert. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einführung der Übereignungspflicht bzgl. der Netzanlagen an den neuen Netzbetreiber, der die vorherige „Überlassenspflicht“ nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG a. F. ablöste. Diese sehr verkürzte Darstellung der Veränderungen des EnWG durch die Novellen der Jahre 1998, 2005 und 2011 zeigt, wie grundlegend sich das EnWG seit der Entscheidung des BGH in Sachen Kaufering gewandelt hat. 854 Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Meyer, Stromwirtschaft2. (2008), Kap. 48, Rn. 9; Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849 (851). 855 Vgl. Ausführungen in § 8 II.3.b). 856 Zusammensetzung der Netzentgelte, vgl. Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. (2013), S. 283 ff.: Die Netzentgelte nach der StromNEV setzen sich dabei aus unterschiedlichen Posten zusammen. Zunächst können gem. § 4 Abs. 1 StromNEV nur diejenigen Kosten als Netzentgelte berechnet werden, die Kosten eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetriebes sind. Durch § 21 Abs. 2 EnWG wird dies auch noch dahin erweitert, dass nur die Kosten, die sich ihrem Umfang nach auch im Wettbewerb einstellen würden, geltend gemacht werden können. Gem. § 4 Abs. 2 StromNEV müssen die Netzkosten aus der Gewinn- und Verlustrechnung des letzten Geschäftsjahres gezogen werden, wobei nach § 4 Abs. 4 StromNEV Einzel- und Gemeinkosten umfasst sind. Außerdem können gem. § 5 Abs. 2 StromNEV auch Fremdkapitalzinsen im Rahmen der Netzkosten umgelegt werden, allerdings begrenzt auf die am Kapitalmarkt üblichen Zinsen. Die Betreiber von Verteilernetzen, die Zahlungen an Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen leisten, können diese ebenfalls entsprechend der Zahlungen des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres ansetzen gem. § 5 Abs. 3 StromNEV. Auch kalkualtorische Abschreibungen können bei der Preisbildung gem. § 6 StormNEV berücksichtigt werden. Gem. § 6 Abs. 2 StromNEV ist Eigenkapital über 40 % zu verzinsen. Des Weiteren kann Verlustenergie kostenerhöhend berücksichtigt werden (z. B. physikalisch bedingte Netzverluste) gem. § 10 StromNEV. Gem. § 11 muss eine Saldierung der Differenz zwischen Erlösen und den im Antrag zugrundegelegten Netzkosten erfolgen. 857 Dazu ausführlich Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Scholz, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 60 Rn. 8 ff. 858 Ausführlich hierzu Busch, N&R 2011, 226 (226 ff.).
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Nach diesen zahlreichen Veränderungen der geltenden Rechtslage muss daher kritisch die Frage gestellt werden, ob der erste Teil der KauferingFormel, wonach die Vereinbarung des Sachzeitwertes grundsätzlich nur dann zulässig ist, „wenn der Sachzeitwert den Ertragswert des Netzes nicht unerheblich übersteigt […]“, auf die neue Rechtslage noch übertragbar ist.859 Gegen die direkte Übertragung dieser Entscheidungsformel spricht die veränderte Struktur des Energierechts. Der BGH hatte über einen Verstoß gegen Kartellrecht unter der Geltung des § 103a GWB a. F. zu entscheiden. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG enthält aber heute eine eigenständige energiewirtschaftliche und nicht kartellrechtliche Vergütungsregelung,860 die gerade nicht Gegenstand des Urteils des BGH war. Darüber hinaus ging es bei der Kaufering-Entscheidung auch nicht um die Auslegung einer gesetzlichen Regelung, sondern um die Frage, ob die Vereinbarung des Sachzeitwertes in einem Konzessionsvertrag rechtlich zulässig ist. Die Frage danach, was die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG ist, hatte die Entscheidung des BGH daher gar nicht zum Gegenstand. Die Rechtsprechung lässt sich aus diesem Grund nicht einfach auf die Frage nach der Auslegung der „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG übertragen.861 Vielmehr muss die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ für das EnWG 2011 energierechtsspezifisch und nicht kartellrechtlich festgestellt werden.862 Vor allem auch die Neuregelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG (2011) und die dadurch gesetzlich vorgeschriebene Übereignungspflicht gegen wirtschaftlich angemessene Vergütung machen eine erneute Prüfung der Ermittlungsmethoden unter diesen neuen Vorzeichen notwendig. Aufgrund dieser tiefgreifenden Änderung kann die Kaufering-Entscheidung mit der Maßgeblichkeit des Ertragswertes nicht einfach übertragen werden. Nach wie vor ist aber zutreffend und übertragbar auf die Ermittlung des Netzwertes, dass nicht lediglich der Substanzwert des Netzes zu berücksich859 Für die Übertragbarkeit: LG Dortmund, Urt. v. 10.7.2008, 13 O 126/06, WuW 2008, 1223 (1224); Danner/Theobald-Theobald, Energierecht,78. EGL (Sept. 2013), EnWG, § 46 Rn. 65 ff.; Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 141; Kritisch: Schwintowski, EWeRK 2011, 176 ff.; LG Hannover, Beschl. v. 22.2.2011, 18 O 383/06, RdE 2011, 198 (198); Reck, KommJur 2009, 401 (406); Kermel/Bruckner/Baumann-Kermel, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 155 f. Ablehnend: Stuhlmacher/Stappert/ Schoon/Jansen-Reinhardt, Grundriss zum Energierecht,1. (2011), Kap. 6 Rn. 56 f. 860 So auch LG Hannover, Beschl. v. 22.2.2011, 18 O 383/06, RdE 2011, 198 (198f). 861 Danner/Theobald-Theobald/Templin, Energierecht,72. EGL (Okt. 2011), B.4. KonAV, § 3 Rn. 160. 862 So auch LG Hannover, Beschl. v. 22.2.2011, 18 O 383/06, RdE 2011, 198 (198f).
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tigen ist, sondern auch der Ertrag, den das Netz erwirtschaftet, auch wenn sich der Ertrag nach dem neuen geltenden Recht anders zusammensetzt, als zum Zeitpunkt der Kaufering-Entscheidung (wie vorstehend dargestellt). Aus der Kaufering-Entscheidung des BGH können nach wie vor uneingeschränkt der zweite und dritte Teil der Kaufering-Formel angewendet werden, wonach der Kaufpreis einen nach den Maßstäben wirtschaftlicher Vernunft Handelnden nicht vom Kauf des Netzes abschrecken und der Kaufpreis nicht so hoch bemessen sein darf, dass die Gemeinde an den alten Netzbetreiber faktisch gebunden bleibt (prohibitive Wirkung des Kaufpreises). Beide Maßstäbe haben auch nach den Novellen des EnWG Bedeutung und Berechtigung. Denn die Angemessenheit der Netzvergütung ist nur dann gewährleistet, wenn aus der Sicht des potentiellen Erwerbers der Kostenaufwand für den Netzerwerb zu dem zu erwartenden Erlös kaufmännisch und wirtschaftlich in einem vertretbaren Verhältnis steht und damit wirtschaftlich vernünftig ist.863 Denn ein Netzerwerber wird einen Preis für das Netz nur in der Höhe bereit sein zu zahlen, in der er überhaupt in der Lage ist, mit der Übernahme des Netzes den gezahlten Preis zurück zu verdienen. Dabei ist dies nicht nur zum Schutze der Erwerber relevant, sondern, wie auch die Kaufering-Entscheidung deutlich macht, auch zur Verhinderung prohibitiver Wirkungen des Kaufpreises, die den Wettbewerb um das Netz sowie die vergebende Gemeinde negativ betreffen. Die umfassenden Novellierungen des EnWG hatten auch gerade dies zum Gegenstand. Es ging gerade darum, den Wettbewerb um und im Netz zu intensivieren, Monopolmissbrauch zu verhindern und die Liberalisierung des Strommarktes voranzutreiben. Daher ist die Kaufering-Formel, wonach auf einen wirtschaftlich vernünftig Handelnden abzustellen ist und keine prohibitive Wirkung durch den Kaufpreis entstehen darf, auch auf die neue Rechtslage zu übertragen. 5. Lösung unklarer Gesetzeslage durch Vergleich mit anderen Rechtsinstituten Nach den umfassenden Neuregelungen des EnWG kann jedoch nicht ausschließlich die Kaufering-Entscheidung als der Weisheit letzter Schluss betrachtet werden. Eine Prüfung anderer möglicher Bewertungsansätze ist insbesondere im Hinblick auf die veränderte Einnahmestruktur geboten. Nach dem Gesetzeswortlaut und den Gesetzesmaterialien sind verschie dene Bewertungsmethoden zur Ermittlung der „wirtschaftlich angemessenen 863 Wiedemann-Scholz,
Handbuch des Kartellrechts,2. (2008), § 34 Rn. 219.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Vergütung“ des Netzes zulässig. Dabei folgt aus dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG, dass die Angemessenheit der Vergütung gewährleistet sein muss. Mit welchen Berechnungsmethoden dies geschehen kann, wollten weder Gesetzgeber noch Rechtsprechung – wie zuvor dargelegt – abschließend festlegen. Es werden im Hinblick auf die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ daher viele verschiedene Ermittlungsmethoden diskutiert. Diese reichen vom „potentiellen Ertragswert“ als Mindestvergütung,864 einem Sachzeitwert korrigiert um die verfassungsmäßige Substanzgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG,865 dem reinen Sachzeitwert,866 dem reinen Ertragswert,867 dem „subjektiven Ertragswert“,868 einem objektiven Wert, gedeckelt durch den Ertragswert,869 bis hin zum „kalkulatorischen Restbuchwert“870. Weit überwiegend wurden diese Ansätze auch schon vor der Novelle des EnWG im Jahr 2011 umfassend thematisiert. Sie sollen nachfolgend daher nicht erneut beleuchtet werden. Vielmehr soll der Diskussion um die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG eine andere Dimension dadurch verliehen werden, dass die deutsche Rechtsordnung und Rechtsprechung auf vergleichbare und möglicherweise bereits gefundene Lösungsansätze aus anderen Bereichen auf deren Übertragbarkeit auf den Netzerwerb hin untersucht werden. Denn das deutsche Recht kennt den zwangsweisen Verlust von Eigentumspositionen, der keine Enteignung darstellt (ebenso wie es bei § 46 Abs. 2 EnWG der Fall ist), bereits aus anderen Kontexten. Die hierfür gefundenen Lösungen 864 So Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 66 ff. 865 Ausführlich hierzu Ballwieser/Lecheler-Ballwieser, Die angemessene Vergütung für Netze nach § 46 Abs. 2 EnWG,1. (2007), S. 54. 866 Busse von Colbe, Bewertung von örtlichen Stromversorgungsanlagen bei einem Wechsel der Versorgungszuständigkeit (1994), S. 66 f.; Kermel-Jacob, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 7 Rn. 87 ff. u. 163 ff. 867 Wohl auch Danner/Theobald-Theobald/Templin, Energierecht,72. EGL (Okt. 2011), B.4. KonAV, § 3 Rn. 161 ff.; Libbe/Hanke/Verbücheln, Rekommunalisierung (August 2011), S. 7. 868 Papier/Schröder, RdE 2012, 125 (133), ablehnend hierzu: BGH, Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (578, 583), darauf hinweisend und ergänzend ausführend zum „subjektiven Ertragswert“ Zander/Steinbach/Hintze, et 2008, 41 (41 ff.); ablehnend ebenfalls Straßer/Fimpel/Storp, BewertungsPraktiker 2/2014, 50 (51). 869 OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.2004, U (Kart) 36/96, VI-U (Kart) 36/96, ZNER 2004, 291 (291 ff.), allerdings durch den BGH verworfen, vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2006, KZR 24/04, RdE 2006, 239 ff.; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 456 ff. 870 Schwintowski, EWeRK 2011, 174 ff.; zum kalkulatorischen Restwert allgemein: Salcher/Keller/Beckmann/Maier, N & R Beilage 1/2012, 1 (3).
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz427
könnten auch im Netzbereich i. R.d. § 46 EnWG hilfreich sein. Hierbei sind vor allem die Ausgleichs- und Abfindungsregelungen nach §§ 304, 305 AktG, das sog. „Squeeze-out“-Verfahren gem. §§ 327a ff. AktG871 und der Verlust des Erbbaurechts durch Zeitablauf gem. § 27 ErbbauRG zu nennen. Diese werden nachfolgend dargestellt und auf Ihre Übertragbarkeit hin untersucht werden. Ob der Ertragswert trotz der zahlreichen Änderungen des EnWG daher – wie vom Bundesrat gefordert – die entscheidende Größe für die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG sein und damit im Ergebnis die BGH-Rechtsprechung zu Kaufering z fortgesetzt werden kann, soll nachfolgend in Verbindung mit §§ 304, 305 AktG, §§ 327a ff. AktG und § 27 ErbbauRG geklärt werden. a) Ausgleichs- (§ 304 AktG) und Abfindungsanspruch (§ 305 AktG) nach AktG Auch das AktG kennt den Ersatz des Verlustes einer werthaltigen Rechtsposition. Im Konzernrecht sehen die §§ 304–307 AktG Regelungen zur Sicherung der wirtschaftlichen Interessen der außenstehenden Aktionäre und Verhinderung wirtschaftlicher Nachteile für diese beim Entstehen eines Vertragskonzerns vor.872 Gemeint ist der Fall, dass eine Gesellschaft und ein diese kontrollierender Aktionär einen Unternehmensvertrag schließen.873 Der Minderheitsaktionär an der (abhängigen) Gesellschaft wird nicht Vertrags partei dieses Vertrages, sondern die Gesellschaft selbst.874 Folglich fehlt es dem Minderheitsaktionär auch an Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung des Unternehmensvertrages, obwohl dieser Vertrag unmittelbare Folgen für die Werthaltigkeit seiner Aktien haben kann (etwa dadurch, dass durch einen Gewinnabführungsvertrag Dividendenausschüttungen wegfallen).875 § 304 Abs. 1 AktG sieht deswegen zur Sicherung der Interessen des Aktionärs für 871 Auch im WpÜG ist für aktiennotierte Unternehmen in den §§ 39 a ff. ein „Squeeze-out“-Verfahren normiert, vgl. hierzu bspw. Burger, Börsenkurse und angemessene Abfindung (2012), S. 55 ff. Auf dieses soll nachfolgend indes nicht eingegangen werden, weil die zwingende Notierung des Unternehmens am Aktienmarkt eine Übertragbarkeit der Wertermittlung auf die Vergütung der Netze erschwert. 872 BGH, Beschl. v. 4.3.1998, II ZB 5-97 NJW 1998, 1866 (1867); Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 304 Rn. 4. 873 Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6. 2005), § 304 Rn. 4. 874 Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6. 2005), § 304 Rn. 4. 875 Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6. 2005), § 304 Rn. 4.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
ihn einen „angemessenen Ausgleich“ für die ihm entstehenden Nachteile aus einem Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrag vor. Darüber hinaus räumt § 305 Abs. 1 AktG dem außenstehenden Aktionär das Recht ein, seine Aktien an der abhängigen Gesellschaft gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung an das herrschende Unternehmen zu übertragen (und damit der Sache nach ein Austrittsrecht).876 Ihrer Konzeption nach betreffen die §§ 304, 305 AktG einen dem § 46 Abs. 2 EnWG sehr ähnlichen Fall. Eine Person (natürlich oder juristisch) hat eine werthaltige Rechtsposition, die zum einen in dem Recht an dem Unternehmen bzw. Netz besteht und zum anderen aus dem hieraus resultierenden Nutzen (etwa in Form von Einnahmen durch bspw. Dividende oder Netzentgelte). Diese Rechtsposition wird geschmälert oder entfällt sogar in Gänze durch einen rechtlichen Akt (Vertragsschluss bzw. Vergabe der Konzession an einen Dritten und Konzessionsvertragsschluss), auf den die Person, deren Rechtsposition betroffen ist, keinen bzw. nur sehr geringen Einfluss hat. Für den Fall eines solchen, nicht selbst gewählten Verlustes von Rechtspositionen hat der Gesetzgeber sowohl in den §§ 304, 305 AktG als auch in § 46 Abs. 2 EnWG einen angemessenen Ersatz (sei es in Form des angemessenen Ausgleichs nach § 304 Abs. 1 AktG, der angemessenen Abfindung nach § 305 Abs. 1 AktG oder der angemessenen Vergütung nach § 46 Abs. 2 EnWG) bestimmt. Anders als in § 46 Abs. 2 EnWG enthalten die Regelungen der §§ 304, 305 AktG gesetzliche Regelungen zu der Frage, was unter der „Angemessenheit“ der jeweiligen Ausgleichsform für den erlittenen Rechtsverlust zu verstehen ist. So bestimmt § 304 Abs. 2 AktG Mindesterfordernisse für das aufgestellte Angemessenheitserfordernis nach § 304 Abs. 1 AktG.877 Hiernach ist eine garantierte feste Quote angemessen, wenn der hierauf entfallende Betrag mindestens jenem Betrag entspricht, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihrer künftigen Ertragsaussichten unter Berücksichtigung angemessener Abschreibungen und Wertberichtigungen voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelnen Stamm- oder Vorzugsaktien verteilt werden würden. Da es sich hierbei um eine wiederkehrende Geldleistung (Ausgleichszahlung nach § 304 Abs. 1 AktG) handelt, ist jedoch ein nicht vergleichbarer Sachverhalt im Hinblick auf § 46 Abs. 2 EnWG gegeben. § 46 Abs. 2 EnWG bestimmt lediglich eine einmalige Leistung einer angemessenen Vergütung für das Netz nach Übereignung an 876 Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 305 Rn. 2. 877 So auch Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 304 Rn. 70.
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz429
den neuen Konzessionsnehmer. Daher wird nachfolgend § 305 AktG in das Zentrum der Betrachtung gerückt. Dieser betrifft, wie § 46 Abs. 2 EnWG auch einen einmaligen Ausgleich für den Verlust einer Rechtsposition. § 305 Abs. 3 AktG bestimmt, dass die angemessene Abfindung nach Abs. 1 in Form von Aktien (Aktientausch, § 305 Abs. 3 S. 1 AktG) oder einer Barabfindung (§ 305 Abs. 3 S. 2 AktG) erfolgen kann. Da § 46 Abs. 2 EnWG den Ausgleich in Form einer angemessenen „Vergütung“ und damit eines entgeltlichen Ausgleichs regelt, wird nachfolgend die Barabfindung nach § 305 Abs. 3 S, 2 AktG betrachtet. Hierfür bestimmt § 305 Abs. 3 S. 2 AktG, dass die angemessene Barabfindung die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen muss.878 Damit gibt die Reglung einen zeitlichen Anknüpfungspunkt vor. Sie lässt jedoch mit dem Bezug auf die „Verhältnisse der Gesellschaft“ offen, wie genau eine angemessene Barabfindung zu bestimmen ist. Damit stellt sich auch im Rahmen von § 305 Abs. 3 S. 2 AktG die Frage danach, wie die angemessene Barabfindung zu berechnen ist und welche Werte hierbei eine Rolle spielen. Für § 305 AktG ist aber durch Rechtsprechung und Literatur deutlich mehr Klarheit über den Begriff der „Angemessenheit“ gewonnen, als dies im Rahmen des § 46 Abs. 2 EnWG der Fall ist. So entschied das BVerfG, dem sich die Literatur anschloss, dass die Entschädigung den wirklichen, richtigen oder wahren Wert der aktienrecht lichen Beteiligung in Geld darstellen muss, um so dem ausscheidenden Aktionär eine vollwertige wirtschaftliche Entschädigung seiner verlorenen Rechtsposition zu gewähren.879 Der abzufindende Aktionär hat hiernach einen Anspruch auf eine volle Entschädigung seines Vermögens- und Mitverwaltungsrechtsverlusts.880 878 Bis zum 1.1.1995 sah die Regelung vor, dass auf die „Vermögens- und Ertragslage“ der abhängigen Gesellschaft abzustellen war. Durch die Änderung wurde eine Vereinheitlichung mit § 30 Abs. 1 UmwG, der die umwandlungsrechtliche Parallelvorschrift darstellt, herbeigeführt, vgl. hierzu: Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 305 Rn. 58. 879 Grundlegend: BVerfG, Urt. v. 7.8.1962, 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 (284); BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999, 1 BvR 1613/94, NJW 1999, 3769 (3771); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.4.1988, 19 W 32/86, NJW-RR 1988, 1499 (1499); Bürgers/ Körber-Ruiz de Vargas, Aktiengesetz,3. (2014), Anh. § 305 Rn. 3; Hopt/WiedemannHirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 304 Rn. 64 und § 305 Rn. 66 ff. 880 BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999, 1 BvR 1613/94, NJW 1999, 3769 (3771); Bürgers/Körber-Ruiz de Vargas, Aktiengesetz,3. (2014), Anh. § 305 Rn. 1; Hopt/ Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 305 Rn. 67 f.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Im Hinblick auf die Bewertungsmethode ist seit Ende der sechziger Jahre für den Regelfall des erfolgreichen Unternehmens die Ertragswertmethode als die angemessene Methode fast unbestritten.881 Die reine Substanzwertmethode wird dagegen für ungeeignet erachtet, da der Rekonstruktionswert den Erfolg des Unternehmens in die Zukunft nicht erfasst.882 Dem Unternehmensinhaber geht es aber nicht nur um den Besitz der unternehmensbezogenen Rechtsposition, sondern um deren Nutzen in der Zukunft.883 Auch dieses zweite Element der Rechtsposition muss angemessen vergütet werden. So verhält es sich auch im Hinblick auf das Stromnetz. Der Konzessionsnehmer hat nicht lediglich ein Interesse an der Rechtsposition, die er durch den Erhalt der Konzession inne hat. Ihm geht es vielmehr um den Nutzen dieser Rechtsposition. Legt man die Rechtsprechung und Literatur zum vollwertigen Eingriffsausgleich i. R.d. § 305 AktG zugrunde, so muss sich die angemessene Barabfindung auch an den „Nutzenerwartungen“ des Abzufindenden orientieren.884 Dies wird nur durch die Ertragswertmethode gewährleistet. Eine Übertragung dieser vorstehenden Grundsätze und Erwägungen ist jedoch insoweit problematisch, als der Aktionär, der einen Ausgleich oder eine Abfindung nach §§ 304, 305 AktG erhält, seine Rechtsposition unbefristet erworben hat. Die §§ 304, 305 AktG ersetzen ihm den Verlust einer Rechtsposition, über die er eigentlich frei verfügen kann, d. h. seine Rechtsposition auf Dauer behalten oder diese auch veräußern kann. In den in §§ 304, 305 AktG vorgesehenen Konstellationen wird dem Aktionär also nicht nur die Rechtsposition selbst, sondern auch seine grundsätzlich freie Verfügungsbefugnis über diese genommen. Eine solche grundsätzlich freie Verfügungsbefugnis bzw. eine unbefristete Rechtsposition hat der Konzessionsnehmer nach § 46 EnWG jedoch nicht. Vielmehr erwirbt dieser das Eigentum am Netz von Anfang an nur für die Laufzeit des Konzessionsvertrages (§ 46 Abs. 2 S. 1 EnWG). Dieser Aspekt der Netzübereignung gegen angemessene Vergütung findet sich in den §§ 304, 305 AktG nicht wieder.
881 Hierzu Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 305 Rn. 113. Zu den weiteren Methoden ebenfalls: Hopt/WiedemannHirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6.2005), § 305 Rn. 119 ff. 882 Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6. 2005), § 305 Rn. 127. 883 Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6. 2005), § 305 Rn. 128. 884 Hopt/Wiedemann-Hirte/Hasselbach, Aktiengesetz Großkommentar,4. (1.6. 2005), § 305 Rn. 128.
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz431
b) Aktienrechtliches „Squeeze-out“-Verfahren Über die Regelungen von §§ 304, 305 AktG hinaus könnten auch das im Aktienrecht zum Ausschluss von Minderheitsaktionären eingeführte „Squeezeout“-Verfahren nach §§ 327 a bis f AktG und dessen Regelungen im Hinblick auf eine angemessene finanzielle Abfindung des auszuschließenden Minderheitsaktionärs interessante Anregungen geben.885 Das „Squeeze-out“Verfahren ist ein Minderheitsausschlussverfahren, das einem Mehrheitsaktionär mit einer Kapitalbeteiligung von mindestens 95 % an einer Aktiengesellschaft gegen Zahlung einer angemessenen Barabfindung die Möglichkeit gibt, einen Minderheitsaktionär aus der AG auszuschließen. Die Höhe der Barabfindung wird dabei vom Hauptaktionär, der die Anteile übernehmen will, festgesetzt und die Angemessenheit dieser Abfindung gem. § 327 c Abs. 2 S. 2 AktG von einem oder mehreren Sachverständigen886 geprüft.887 Im Jahr 2007 hatte sich das BVerfG mit diesem Verfahren zu beschäftigen und stellte dessen Verfassungsmäßigkeit fest.888 Dabei entschied das BVerfG auch, dass insbesondere deswegen die Verfassungsmäßigkeit gegeben sei, weil ein vollständiger Wertausgleich erfolge.889 Die Orientierung der angemessenen Abfindung am Ertragswertverfahren (nach IDW-Standard S1)890 wurde dabei bestätigt. Dabei stellte das BVerfG auch fest, dass nach einem „Squeeze-out“ eine reine ertragswertorientierte Entschädigung dann unzureichend sei, wenn der Ertragswert unterhalb des Börsenkurses liege.891 Der Börsenwert sei bei einem aktienrechtlichen „Squeeze-out“-Verfahren als Teil des Ertragswertes und im Rahmen des vollständigen Wertausgleiches zu berücksichtigen.892 Auch in dieser Rechtsprechung findet sich damit bestätigt, was vorstehend schon im Rahmen des Ausgleichs- und Abfindungsanspruchs nach §§ 304, 305 AktG dargestellt wurde. Das BVerfG er885 So auch Jacob, N& R 2012, 194 (198), mit einem Verweis im Hinblick auf die Vergleichbarkeit auch Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 34. 886 Diese sind i. d. R. vom Gericht bestellte Wirtschaftsprüfer, vgl. Hölters-Müller-Michaels, AktG,2. (2014), § 327b AktG Rn. 5. 887 Heidel-Heidel/Lochner, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht,4. (2014), Vor §§ 327a ff. AktG, Rn. 3. 888 BVerfG, Beschl. v. 30.5.2007, 1 BvR 390/04, NZG 2007, 587 (587 ff.). 889 BVerfG, Beschl. v. 30.5.2007, 1 BvR 390/04, NZG 2007, 587 (587 ff.). 890 Hölters-Müller-Michaels, AktG,2. (2014), § 327b AktG, Rn. 7. 891 BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 (307 ff.); so auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.8.3012, 21 W 14/11, BeckRS 2012, 20546, A. II.; Hölters-Müller-Michaels, AktG,2. (2014), § 327b AktG Rn. 8. 892 BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 (307 ff.); so auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.8.3012, 21 W 14/11, BeckRS 2012, 20546, A. II.; Hölters-Müller-Michaels, AktG,2. (2014), § 327b AktG Rn. 8.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
weitert seine bis dato geltende Rechtsprechung insoweit nur um den Aspekt, dass der Börsenwert ebenfalls als ein den Ertragswert des Unternehmens abbildender Faktor zu berücksichtigen ist. Letztlich ergibt sich damit auch aus der Rechtsprechung zum „Squeeze-out“ die Notwendigkeit eines vollständigen Wertausgleichs unter Berücksichtigung des Ertragswertes, wobei nach der Rechtsprechung für börsennotierte Aktiengesellschaften noch erweiternd der Börsenwert als Teil der zugrunde zu legenden Ertragswertberechnung zu berücksichtigen ist. Sehr wesentlich hat das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit des „Squeezeout“-Verfahrens in der zuvor bereits erwähnten Entscheidung auch darauf gestützt, dass gem. § 327 c Abs. 2 S. 2 AktG gesetzlich vorgeschrieben die Barabfindung von einem bzw. mehren Sachverständigen geprüft werden muss.893 Damit sei gewährleistet, dass bereits frühzeitig eine objektive Feststellung des Wertes für die Abfindung erfolge.894 Insbesondere wird dadurch eine einseitige Begünstigung zulasten des ausscheidenden Gesellschafters vermieden. Zusammenfassend lässt sich damit aus der Untersuchung des aktienrechtlichen „Squeeze-out“-Verfahrens ableiten, dass auch hiernach der Ertragswert für die Angemessenheit der Abfindung für den ausscheidenden Gesellschafter maßgeblich ist, deren Höhe aber noch durch einen Sachverständigen geprüft wird, was maßgeblich zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen nach der Rechtsprechung des BVerfG beiträgt. Eine Übertragung dieser aktienrechtlichen „Squeeze-out“-Regelungen auf die Ermittlung der „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ für Netzanlagen gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG hätte eine Orientierung am Ertragswertverfahren zur Folge, wobei die Angemessenheit der Vergütung durch eine neutrale Stelle zu prüfen wäre. In diesem Zusammenhang erscheint auch der Vorschlag des Bundesrates i. R.d. Novelle des EnWG im Jahr 2011 in einem neuen Licht. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, dass das Ertragswertverfahren in § 46 Abs. 2 EnWG als maßgeblich aufgenommen werden895 und die BNetzA ermächtigt werden sollte, den Preis für die zu zahlende Vergütung zu bestimmen.896 Dieser Vorschlag konnte sich jedoch u. a. wegen ausdrücklichem Widerstand der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen.897 Allerdings weicht der Vorschlag des Bundesrates auch von den Regelungen des „Squeeze-out“-Verfahrens ab, indem er weitergehend eine Festlegungsbefugnis der BNetzA in Bezug auf die Höhe der zu zahlenden Vergütung für die Netzanlagen vorsah, was wiederum in die Rechte der Beteiligten 893 BVerfG,
Beschl. v. 30.5.2007, 1 BvR 390/04, NZG 2007, 587 (589). Beschl. v. 30.5.2007, 1 BvR 390/04, NZG 2007, 587 (589). 895 BT-Drs. 17/6248, S. 17. 896 BR-Drs. 343/11, S. 49. 897 BT-Drs. 17/6248, S. 25 linke Spalte. 894 BVerfG,
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz433
eingreift. Demgegenüber sieht § 327c Abs. 2 S. 2 AktG nur eine Überprüfung der Abfindungshöhe durch einen sachverständigen Dritten vor. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Festlegung des Ertragswertverfahrens unter Kontrolle der Angemessenheit der vom Neukonzessionär vorgeschlagenen Vergütung durch die BNetzA nicht doch eine Mehrheit im Gesetzgebungsprozess finden könnte. Den „Squeeze-out“-Regelungen zur Abfindung können somit hilfreiche Anregungen für die Vergütung des Netzes nach § 46 Abs. 2 EnWG entnommen werden. Eine Übertragung dieser Regelungen könnte dergestalt erfolgen, dass in § 46 Abs. 2 EnWG entsprechend dem Vorschlag des Bundesrates im Rahmen der EnWG-Novelle aus dem Jahr 2011 das Ertragswertverfahren als maßgebliches Bewertungsverfahren für den Netzwert aufgenommen wird. Zusätzlich könnte in einem weiteren Satz in § 46 Abs. 2 EnWG entsprechend der Regelung des § 327c Abs. 2 S. 2 AktG aufgenommen werden: „Die Angemessenheit der Vergütung ist durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer zu prüfen.“ Hierbei kommt sowohl die BNetzA als auch die Landesregulierungsbehörden als sachverständiger Prüfer aber auch etwa ein Wirtschaftsprüfer, wie im Rahmen von § 327c Abs. 2 S. 2 AktG üblich, in Betracht. c) Übergang des Erbbaurechts durch Zeitablauf Anders verhält es sich jedoch bei dem Erbbaurecht. Das Erbbaurecht stellt eine in dem Zeitpunkt des Erwerbs dieses Rechts befristete Rechtsposition an einem Grundstück dar. Der Erbbauberrechtigte erwirbt das Recht auf dem Erbbaugrundstück gem. § 1 Abs. 1 ErbbauRG ein Bauwerk zu errichten. Hierfür hat er dem Grundstückseigentümer in der Regel den vereinbarten Erbbauzins zu entrichten. Erreicht das Erbbaurechtsverhältnis das Ende der vereinbarten Laufzeit, so stellt sich im Hinblick auf das vom Erbbauberechtigten errichtete Bauwerk eine sehr ähnliche Frage, wie sie sich im Zusammenhang mit der Übereignung des Netzes nach § 46 Abs. 2 EnWG stellt. Für den Fall, dass das Erbbaurecht durch Zeitablauf erlischt, enthält das Erbbaurechtsgesetz in § 27 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG eine Regelung.898 In diesem Fall muss der Grundstückseigentümer eine Entschädigung für das im Rahmen des Erbbaurechts durch den Erbbauberechtigten errichtete Bauwerk 898 Abzugrenzen ist dieser Fall von der in § 2 Nr. 4 ErbbauRG geregelten Möglichkeit, in der Vereinbarung über das Erbbaurecht eine Verpflichtung des Erbbauberechtigten aufzunehmen, wonach dieser das Erbbaurecht beim Eintreten bestimmter Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer zu übertragen hat (sog. Heimfall). Ist eine solche Regelung getroffen worden, so muss der Grundstückseigentümer nach § 32 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG im Gegenzug zur Geltendmachung des Heimfallanspruchs dem Erbbauberechtigten eine „angemessene Vergütung“ für das Erbbaurecht gewähren.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
leisten. Über die Höhe der Entschädigung kann gem. § 27 Abs. 1 S. 2 ErbbauRG eine Vereinbarung getroffen werden. Ist eine solche Vereinbarung unterblieben, so richtet sich die Höhe des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach dem „gemeinen Wert“ des Bauwerks zum Zeitpunkt des Erlöschens des Erbbaurechts.899 Der „gemeine Wert“ entspricht dabei dem Verkehrswert nach § 194 BauGB.900 Danach ist der Wert des Gebäudes unter Berücksichtigung seiner Abnutzung maßgeblich.901 Nach der Immobilienwertermittlungsverordnung kann hierfür grundsätzlich sowohl das Vergleichswertverfahren nach § 15 WertV, das Ertragswertverfahren nach §§ 17 ff. WertV als auch das Sachwertverfahren nach §§ 21 ff. WertV verwendet werden.902 Für Rendite- bzw. Kapitalimmobilien, also bspw. vermietete Geschäfts häuser,903 ist in der Praxis das Ertragswertverfahren die gebräuchlichste Wertermittlungsmethode.904 Hiermit trägt die Praxis einer Erwägung Rechnung, die bereits im Zusammenhang von § 305 AktG dargestellt wurde. Die auf einem Erbbaugrundstück errichtete Rendite- bzw. Kapitalimmobilie hat für den Eigentümer des Bauwerks einen über den eigentlichen Sachwert hinausgehenden Wert. Dieser besteht in der Nutzung der Immobilie und dementsprechenden „Nutzenerwartungen“.905 Die Immobilie als Rechtsposition hat auch hier nicht nur einen Wert an sich, sondern generiert durch ihre gewerbliche Vermietung zusätzliche Einnahmen. Ganz anders ist der Fall bei einem selbstgenutzten Ein- oder Zweifami lienhaus, dass üblicherweise nicht als Kapitalobjekt vermietet wird. Hier besteht der Wert der Rechtsposition vor allem in dem Wert des Objektes selbst. Es ist daher konsequent und folgerichtig, dass dessen Verkehrswert i. d. R. anhand des Sachwertverfahrens ermittelt wird.906 Oefele/Heinemann, BGB, Bd. 6,6. (2013), § 27 ErbbauRG Rn. 6. Urt. v. 3.10.1980, V ZR 125/79, NJW 1981, 1045 (1047). 901 BGH, Urt. v. 3.10.1980, V ZR 125/79, NJW 1981, 1045 (1047); Brückner/ Noack, NJW 1971, 736 (736 f.); Staudinger-Rapp, Buch 3 (2009), § 27 ErbbauRG Rn. 10. 902 BGH, Urt. v. 3.10.1980, V ZR 125/79, NJW 1981, 1045 (1047); Battis/ Krautzberger/Löhr-Reidt, BauGB,12. (2014), § 194 Rn. 12 ff.; MüKo-von Oefele/Heinemann, BGB, Bd. 6,6. (2013), § 27 ErbbauRG Rn. 6. 903 BGH, Urt. v. 13.7.1970, VII ZR 189/68, NJW 1970, 2018 (2019); hierauf hinweisend auch Oertzen/Wieser, EWeRK 2013, 119 (121). 904 BGH, Urt. v. 13.7.1970, VII ZR 189/68, NJW 1970, 2018 (2019); Bohl/ Riese/Schlüter-Jung/Hänel, Beck’sches IFRS-Handbuch, Kommentierung der IFRS/ IAS,4. (2013) § 6 Rn. 81; Staudinger-Rapp, Buch 3 (2009), § 27 ErbbauRG Rn. 10. 905 Vgl. hierzu § 7 IV.5.a). 906 BGH, Urt. v. 3.10.1980, V ZR 125/79, NJW 1981, 1045 (1047); StaudingerRapp, Buch 3 (2009), § 27 ErbbauRG Rn. 10. 899 MüKo-von 900 BGH,
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz435
Legt man diese Differenzierung aus dem Erbbaurecht zugrunde, so ist das Netz eher mit einem vermieteten Geschäftshaus als mit einem selbst genutzten Einfamilienhaus gleichzustellen, da mit dem Geschäftshaus ebenso wie mit dem Netz Erträge erwirtschaftet werden sollen und diese „Nutzenerwartungen“ zu berücksichtigen sind.907 Für diesen vergleichbaren Fall sieht das Erbbaurecht das Ertragswertverfahren als maßgebliche Wertermittlungsmethode vor. Dieser Ansatz ist übertragbar, weil ‒ wie auch bei den Stromkonzessionen ‒ im Erbbaurecht über das Grundstück eines Dritten ein Vertrag abgeschlossen wird, der dieses Grundstück und die Nutzung dieses Grundstücks durch Errichtung und Betrieb eines Bauwerks durch einen vom Eigentümer verschiedenen Dritten betrifft.908 Außerdem gehen dieses zeitlich begrenzte Nutzungsrecht und das Eigentum des Dritten an dem Bauwerk bzw. dem Netz auf dem Grundstück des Grundstückseigentümers nach Vertragsende sowohl für den Erbbauberechtigten wie den Konzessionsnehmer verloren.909 Die Rechtsposition in beiden Fällen ist daher vergleichbar. Insbesondere die Dimension der zeitlich befristeten Rechtsposition ist im Erbbaurecht ebenso wie im Recht der Stromkonzessionsvergabe gegeben. Auch steht in beiden Konstellationen ein finanzieller Ausgleich für den erlittenen Eigentumsverlust im Fokus der rechtlichen Lösung. Damit sind beide Konstellationen in einem hohen Maße tatsächlich wie rechtlich vergleichbar.910 6. Kritische Würdigung der Sachzeit- und Ertragswertmethode unter Berücksichtigung der vorherigen Untersuchungen Alle vorstehend dargestellten Regelungen zum Ausgleich des Verlustes einer Rechtsposition (Ausgleichs- und Abfindungsanspruch nach §§ 304, 305 AktG, aktienrechtliche „Squeeze-out“-Verfahren nach §§ 327 a ff. AktG und erbbaurechtliche Entschädigungsregelung für das Erlöschen des Erbbaurechts wegen Zeitablaufs gem. § 27 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG) legen den Schluss nahe, dass das Ertragswertverfahren auch bei der Übereignung des Netzes das Verfahren der ersten Wahl sein sollte.911 907 Diese Erwägung auch aufgreifend: Brück von Oertzen/Wieser, EWeRK 2013, 119 (121) f. 908 Hierauf hinweisend nun auch: Brück von Oertzen/Wieser, EWeRK 2013, 119 (122). 909 Hierauf hinweisend nun auch: Brück von Oertzen/Wieser, EWeRK 2013, 119 (122). 910 Zu kleinen Abweichungen zwischen Erbbaurecht und Konzessionsrecht: Brück von Oertzen/Wieser, EWeRK 2013, 119 (122), die im Ergebnis jedoch zu vernachlässigen sind. 911 LG Hannover, Urt. v. 28.2.2013, 21 O 10/11, ZNER 2013, 186 (186, Leitsatz 2 und 187); so auch Schneider/Theobald-Albrecht, Recht der Energiewirtschaft,4.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Hiergegen kann jedoch eingewendet werden, dass die Transaktion des Netzes eher mit einer Veräußerung von Assets eines Unternehmens vergleichbar ist als mit der Veräußerung eines Unternehmensanteils, wie dies bspw. bei §§ 304, 305 AktG oder dem „Squeeze-out“-Verfahren der Fall ist. Hieran anknüpfend könnte man folgern, dass Assets für den Erwerber einen Nutzwert, nicht jedoch einen Ertragswert haben, so dass die Anwendung des Ertragswertverfahrens zu verneinen und das Sachzeitwertverfahren zu präferieren wäre.912 Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass auch ein Geschäfts- oder Mietshaus zunächst kein Unternehmen darstellt, sondern vielmehr ein „Asset“ ist, wenn man es so bezeichnen möchte. Dennoch gehen Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass bei dem Verlust des Erbbaurechts durch Zeitablauf gem. § 27 ErbbauRG die Vergütung hierfür nach dem Ertragswertverfahren zu berechnen ist.913 Auch hier wird man sagen können, dass das Haus selbst einen Nutzwert hat und der Ertrag sich erst bei entsprechender Nutzung einstellt. Dennoch ist dieser maßgeblich für die Bestimmung des Wertes. Gegen die Zugrundelegung des Sachzeitwertes spricht außerdem, dass der Erwerber bei seiner Verwendung des erworbenen Netzes nicht frei am Markt Netznutzungspreise bilden kann, die es ihm ermöglichen, den in welcher Höhe auch immer gezahlten Kaufpreis für das Netz zu refinanzieren. Vielmehr ist er durch die Entgeltregulierung hierin massiv eingeschränkt. Denn der gezahlte Netzkaufpreis ist nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 4 und 7 StromNEV und der derzeitigen Praxis der BNetzA für die Berechnung des Entgeltes für den Netzbetrieb und damit die Höhe der genehmigten Netzentgelte irrelevant.914 Weil der gezahlte Kaufpreis ohne Einfluss auf die kalkulatorischen Kosten gem. § 5 StromNEV bleibt, kann dieser nicht vom neuen Netzbetreiber im Hinblick auf die Entgeltregulierung geltend gemacht werden.915 Um den Preis für das Netz wieder refinanzieren zu können, muss der Erwerber daher den Ertrag des Netzes in den eigenen Fokus stellen. (2013), § 9 Rn. 140 ff.; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3.(2013), S. 454 ff.; BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 13 ff., Rn. 41 ff. 912 So Kermel-Jacob, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 7 Rn. 153 f. 913 Bohl/Riese/Schlüter-Jung/Hänel, Beck’sches IFRS-Handbuch, Kommentierung der IFRS/IAS,4.(2013), § 6 Rn. 81; Staudinger-Rapp, Buch 3 (2009), § 27 ErbbauRG Rn. 10. 914 BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 40. 915 BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 40.
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz437
Zahlt er einen überhöhten Kaufpreis, kann dieser nicht im Rahmen einer Erhöhung der für die Entgeltregulierung maßgeblichen Kosten berücksichtigt werden.916 Der neue Netzbetreiber bliebe vielmehr auf diesen Kosten „sitzen“. Ein nach dem weiterhin geltenden zweiten Teil der KauferingFormel917 unter Aspekten wirtschaftlicher Vernunft handelnder Netzerwerber würde aber keinen nicht refinanzierbaren Preis für das Stromnetz zahlen. Die Refinanzierbarkeit des zu zahlenden Preises für das Netz muss außerdem auch im Allgemeininteresse von Bedeutung sein, da nur so ein sicherer, preisgünstiger, verbraucherfreundlicher und effizienter Netzbetrieb möglich ist. Dieser Aspekt ist schon wegen § 1 Abs. 1 EnWG, der dies als Zweck des EnWG nennt, zu beachten. Außerdem ist § 1 Abs. 1 EnWG bei der Vergabe der Konzessionen nach § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG zu berücksichtigen, wodurch dessen Bedeutung zusätzlich aufgewertet wurde. Die Refinanzierbarkeit des Kaufpreises muss daher eine wichtige Rolle spielen und spricht gegen die Anwendung des Sachzeitwerts zur Berechnung der wirtschaftlich angemessenen Vergütung gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG. Das Ertragswertverfahren ermöglicht eine solche Einbeziehung der Refinanzierungsmöglichkeiten des Netzerwerbers. Damit schließt es gerade das Defizit, welches sich unter Anwendung des Sachzeitwertverfahrens auftun würde. Eben dies hat auch der BGH in seiner Kaufering-Entscheidung dadurch festgestellt, dass er den Ertragswert zur maßgeblichen Obergrenze erklärt hat.918 Insofern könnte man meinen, dass die Kaufering-Formel doch nach wie vor uneingeschränkte Geltung entfaltet. Allerdings müssen die Aufnahme der Übereignungspflicht in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG und deren Auswirkungen auf den Netzkaufpreis berücksichtigt werden. Gegen die Ermittlung des Netzpreises einzig auf Grundlage des Ertragswertverfahrens spricht, dass diese Methode den Fokus recht einseitig auf die Erwerberseite legt.919 Dadurch besteht insbesondere die Gefahr, dass die Eigentumsrechte des Altkonzessionärs missachtet werden.920 Unterschreitet der wegen § 6 Abs. 7 StromNEV gesenkte Ertragswert und auf diese Weise berechnete Kaufpreis für das Netz massiv dessen Sachzeitwert, so wird das Netzeigentum welches der Altkonzessionär nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG zu übereignen ver916 So auch BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 14 f., Rn. 45. 917 BGH, Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (577, 1. Leitsatz). 918 BGH, Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (577 ff.). 919 Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 66. 920 Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 66.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
pflichtet ist, massiv entwertet und ausgehöhlt.921 Die alleinige Anwendung des Ertragswertverfahrens kann bei einem vollständig abgeschriebenen Netz wegen des Verbots der Abschreibung unter Null922 sogar so weit führen, dass der alte Netzeigentümer sein Netz quasi zwangsverschenken muss.923 Wendet man § 6 Abs. 7 StromNEV, wie die Vorschrift es explizit vorsieht, auch bei der Veränderung von Eigentumsverhältnissen an, stößt man bei einer vollständigen Abschreibung des Netzes an die Grenzen der Anwendbarkeit der Ertragswertmethode auf die Netzbewertung. Eine solche Übertragung der Netze zum Preis von € 0,00 verstößt gegen Art. 14 GG. Dass der Gesetzgeber dies ebenso einschätzt, macht § 46 EnWG dadurch deutlich, dass § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG ja gerade regelt, dass das Netz nur gegen eine „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ übereignet werden muss, und zwar immer, unabhängig vom Stand der Abschreibung des Netzes.924 In dieser besonderen Situation des vollständig abgeschriebenen Netzes muss wegen des Schutzes des Eigentumsrechts des alten Netzbetreibers eine Korrektur der Netzbewertung erfolgen. Dabei dürfen aber die fortgeltenden Maßstäbe der Kaufering-Entscheidung nicht unbeachtet bleiben, wonach der Preis für 921 Büdenbender/Rosin/Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energiewirtschaftsreform 2005 (2005), S. 93. 922 Bei der Kalkulation der Nutzungsentgelte dürfen die Anschaffungskosten des Netzes wegen der Geltung des Verbotes der Abschreibung unter Null nicht berücksichtigt werden, wenn das Netz bereits vollständig abgeschrieben ist, vgl Büdenbender/Rosin/Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energiewirtschaftsreform 2005 (2005), S. 22 u. S. 70. Hintergrund ist, dass über die Netzentgelte die Verbraucher das Netz bereits „abbezahlt“ haben und bei einem Wechsel des Netzbetreibers nicht die gleichen Kosten erneut „abbezahlen“ sollen. Würde nämlich der alte Netzbetreiber bleiben, so könnte dieser auch nicht die Kosten für das Netz erneut in Anrechnung bringen, vgl. Büdenbender/Rosin/Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energiewirtschaftsreform 2005 (2005), S. 23. Würde man aber dem neuen Netzbetreiber dies ermöglichen, würde man die Situation der Verbraucher deutlich verschlechtern, vgl. Büdenbender/Rosin/Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energiewirtschaftsreform 2005 (2005), S. 23. Anders verhält es sich bei einem teilweise abgeschriebenen Netz. Hier kann der restliche noch nicht abgeschriebene Teil als Restbuchwert abgeschrieben werden, bspw.: von 25 Mio. sind 50 % also 12,5 Mio. abgeschrieben. Die übrigen 12,5 Mio. können durch den neuen Netzbetreiber abgeschrieben werden; aber selbst wenn der von ihm bezahlte Kaufpreis bei 20 Mio. liegt, kann er nur 12,5 Mio. und nicht den gesamten Kaufpreis unter Null abschreiben, vgl. Büdenbender/Rosin/Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energiewirtschaftsreform 2005 (2005), S. 23. 923 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucksache 17/6248, S. 25; Büdenbender/Rosin/Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energiewirtschaftsreform 2005 (2005), S. 93. 924 So auch Büdenbender/Rosin/Bachert, Kaufpreis und Ertragswert von Stromverteilernetzen nach der Energiewirtschaftsreform 2005 (2005), S. 94.
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz439
das Netz einen nach „Maßstäben wirtschaftlicher Vernunft“925 handelnden Netzbetreiber nicht von der Übernahme des Netzes abhalten und der Preis für das Netz keine prohibitive Wirkung entfalten darf,926 so dass faktisch nur der alte Netzbetreiber als neuer Netzbetreiber zur Verfügung steht. Die Möglichkeit einer Refinanzierbarkeit des Netzpreises muss daher auch in diesem Fall weiterhin beachtet werden. Dennoch wirkt sich insofern die Wandelung von der Überlassens- zur Übereignungspflicht in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG auf die Vergütung für das Netz aus. Denn der Eigentümer wird vom Gesetz zur Übereignung seines Netzes gezwungen. Das Eigentumsrecht des Altkonzessionärs muss daher in die Betrachtung der wirtschaftlich angemessenen Vergütung einfließen.927 Dies ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Ertragswertverfahrens. Dies kann auch nicht damit von der Hand gewiesen werden, dass eine Diskrepanz zwischen Sachzeit- und Ertragswert z. T. in der Praxis sehr deutlich ausfallen kann. Liegt der Ertragswert eines Netzes unterhalb seines Sachzeitwerts, so ist dies maßgeblich durch die gesetzliche Einführung der Entgeltregulierung verursacht.928 Diese stellt eine gesetzgeberische Entscheidung dar, die sich mittelbar auf die Werthaltigkeit des Eigentums am Netz auswirkt. Art. 14 GG gewährt dem Eigentümer zwar den Schutz seiner Eigentumsrechte, allerdings gewährt Art. 14 GG keinen Schutz vor Wertminderung.929 Eine solche Wertminderung ist aber gerade durch die Entgeltregulierung in Kombination mit der Übereignungspflicht nach Ablauf des Konzessionsvertrages in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG gesetzlich geregelt worden. Sehr richtig stellt daher das OLG Koblenz in einem Hinweisbeschluss fest, dass ein Recht des Eigentümers darauf, „bei Veräußerung seines Vermögens ein Entgelt in Höhe eines nicht als Ertragswert definierten ‚Verkehrswertes‘ zu erhalten“, nicht gegeben sei.930 Vielmehr muss hier die gesetzgeberische Entscheidung im Hinblick auf die Übereignungspflicht, das Verbot der Abschreibung unter Null und der Regelungen zur Entgeltre925 BGH,
Urt. v. 16.11.1999, KZR 12/97, NJW 2000, 577 (577, 1. Leitsatz). auch Danner/Theobald-Theobald, Energierecht,78. EGL (Sept. 2013), EnWG, § 46 Rn. 65. 927 So auch Kermel-Jacob, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 7 Rn. 82 ff. 928 So auch OLG Koblenz, Hinweisbeschl. v. 11.11.2010, U 646/08.Kart, BeckRS 2011, 16626. 929 OLG Koblenz, Hinweisbeschl. v. 11.11.2010, U 646/08.Kart, BeckRS 2011, 16626; Maunz/Dürig-Papier, GG,59. EGL (Juli 2010), Art. 14 Rn. 81. 930 OLG Koblenz: Hinweisbeschl. v. 11.11.2010, U 646/08.Kart, BeckRS 2011, 16626. 926 So
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gulierung beachtet werden. Durch das Zusammenspiel dieser gesetzgeberischen Entscheidungen entsteht erst das Problem der möglicherweise niedrigen Vergütung des Netzes. Für den vorbeschriebenen Sonderfall bedarf es einer verfassungskonformen Auslegung und Handhabung. Die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG muss seit Einführung des Übereignungsanspruchs eine wirtschaftliche Entschädigung des Eigentums am Netz leisten. Nur wenn das Ertragswertverfahren diesen Maßstäben Rechnung trägt, kann es als Bewertungsverfahren herangezogen werden. Ist das Netz noch nicht auf Null abgeschrieben, bestehen aus den zuvor beschriebenen Gründen keine Bedenken gegen die Berechnung anhand des Ertragswertverfahrens.931 Vielmehr ist dies rechtlich sogar geboten. Ist jedoch nach dem Ertragswertverfahren das Netz zum „Nulltarif“ zu übereignen,932 muss wegen des Eigentumsschutzes aus Art. 14 GG eine verfassungsmäßige Korrektur erfolgen. Darauf deuten auch die Gesetzesmaterialien hin.933 Denn § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG mit seiner Übereignungspflicht greift als Inhalts- und Schrankenbestimmung in das Eigentum am Netz ein [vgl. Ausführungen in § 7 III.1.b) und § 7 III.1.c)]. Wegen der gebotenen Verfassungskonformität der Inhaltsund Schrankenbestimmung ist im Falle der zuvor geschilderten Unergiebigkeit des Ertragswertverfahrens ein alternativer Weg einzuschlagen. Es wäre in jedem Fall empfehlenswert, eine gesetzliche Regelung aufzunehmen, die diesen Fall genauer regelt. Mit dem Vorschlag des Bundesrates sollte in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG aufgenommen werden, dass die Ermittlung der wirtschaftlich angemessenen Vergütung grundsätzlich anhand des Ertragswertverfahrens zu erfolgen hat. Zusätzlich sollte ein Ausnahmetatbestand aufgenommen werden, der in Fällen des vollständig abgeschriebenen Netzes dem Eigentumsschutz gerecht wird. So könnte bspw. vorgesehen werden, dass in diesem Fall ein Entschädigungsaufschlag auf den anhand des Ertragswertes ermittelten Preis zu gewähren ist.934 Dieser dürfte dann jedoch nicht dazu führen, dass letztlich der volle Sachzeitwert des Netzes zu lasten des Erwerbers von diesem zu zahlen auch Scholtka/Baumbach, NJW 2012, 2704 (2708). NJW 2012, 2704 (2708) führen hierzu aus, dass dies „kaum je der Fall sein“ wird. 933 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucksache 17/6248, S. 25, die ausführt, dass eine Zwangsschenkung wegen des intensiven Eingriffs in Art. 14 GG vermieden werden soll. Daraus folgert die Bundesregierung dann jedoch eine grundsätzliche Ablehnung des Vorschlags des Bundesrates, dass Ertragswertverfahren in § 46 EnWG aufzunehmen. 934 So auch Kermel-Jacob, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 7 Rn. 89, der sich jedoch für eine grundsätzliche Abkehr von der BGH Rechtsprechung ausspricht und die Orientierung am Sachzeit931 Wohl
932 Scholtka/Baumbach,
IV. Wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Verteilernetz441
ist. Dies würde – wie bereits dargestellt – der Refinanzierbarkeit und der Vermeidung einer prohibitiven Wirkung des Kaufpreises widersprechen. Auch könnte daran gedacht werden, in diesem Fall das Verbot der Abschreibung unter Null dahingehend zu lockern, dass eine Mehrfachabschreibung des Netzes zugelassen wird. So wird etwa diskutiert, dass das Verbot der Abschreibung unter Null nur bei konzerninternen Veräußerungsvorgängen Berücksichtigung finden sollte.935 Möglich wäre auch, dass man den Erwerber bei einem abgeschriebenen Netz zum Schutze des Eigentümers des Netzes darauf verweist, von der in § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG geregelten besitzrechtlichen Überlassung des Netzes Gebrauch zu machen. Ist das Netz vollständig abgeschrieben und müsste der Eigentümer dieses quasi verschenken, könnte in der vorübergehenden lediglich schuldrechtlichen Überlassung des Netzes eine das Eigentum schützende Lösung zu sehen sein. Eine solche Möglichkeit bestand auch nach alter Rechtslage, die lediglich eine Überlassenspflicht vorsah und dadurch eine schuldrechtliche (bspw. pachtweise) Überlassung ermöglichte.936 Hierzu bedürfte es jedoch ebenfalls einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Die derzeitige Regelung in § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG kann in ihrer jetzigen Fassung nicht dahingehend ausgelegt werden. Denn die derzeitige Regelung gibt alleinig dem Neukonzessionär die Wahl zwischen Besitzüberlassung und Eigentumsübertragung beim Erhalt der Konzession. Zugunsten des Altkonzessionärs ist dies indes nicht vorgesehen. Mit dem eindeutigen Wortlaut des § 46 Abs. 2 S. 3 EnWG wäre eine solche Auslegung nicht vereinbar. 7. Zusammenfassung Grundsätzlich ist der Ertragswert der Maßstab für die „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG. Nur im Falle der vollständigen Aushöhlung des Eigentums am Netz – wie zuvor dargestellt – muss aus verfassungsrechtlichen Gründen zum Schutze des Eigentums (aufgrund der seit der Novelle 2011 geltenden Übereignungspflicht) eine über den Ertragswert hinausgehende Regelung getroffen werden, die jedoch ihrerseits im Sinne der weiterhin geltenden Teile zwei (nach den Maßstäben wert, auch zur „Unzeit“, ausspricht, vgl. Kermel-Jacob, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 7 Rn. 87. 935 BDEW, Leitfaden Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (9.11.2010), S. 30; a. A.: BGH, Beschl. v. 14.8.2008, KvR 35/07, RdE 2008, 341, der ausführt, dass eine Korrektur des Verbots der Abschreibung unter Null „weder mit Blick auf § 21 EnWG oder Art. 14 GG noch aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Rückwirkungsverbot in Betracht“ komme. 936 So auch Kermel-Jacob, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 7 Rn. 85.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
wirtschaftlicher Vernunft handelnder Erwerber) und drei (keine prohibitive Wirkung) der Kaufering-Formel für den Erwerber refinanzierbar sein muss. Eine gesetzliche Neufassung des § 46 EnWG im Hinblick auf diese Fragestellung scheint trotz der Novelle im Jahr 2011 dringend geboten. Hierbei sollte dem Vorschlag des Bundesrates gefolgt und das Ertragswertverfahren in § 46 EnWG niedergeschrieben werden. Ein Ausnahmeregelung für den Fall der vollständigen Aushöhlung des Eigentums am Netz durch Anwendung der Ertragswertmethode sollte ebenfalls aufgenommen werden. Hierzu könnte entweder eine Entschädigungsnorm, die Möglichkeit der Mehrfachabschreibung des Netzes oder aber eine schuldrechtliche Überlassungspflicht nach der zuvor beschriebenen Art in § 46 EnWG aufgenommen werden. Zusätzlich dazu sollte eine Überprüfung der Angemessenheit der Vergütung zwecks Gewährleistung der Verfassungsmäßigkeit durch ihre sachverständige Kontrolle nach Vorbild des § 327c Abs. 2 S. 1 AktG eingeführt werden.
V. Laufzeitbegrenzung des Konzessionsvertrags Anders als im allgemeinen Vertragsrecht kann ein Konzessionsvertrag nach derzeit geltendem Recht nicht einfach von der Gemeinde gekündigt und mit einem eigenen Unternehmen zum Zwecke der (Re)Kommunalisierung neu abgeschlossen werden. Auch kann ein Vertrag nicht etwa auf 40 Jahre geschlossen werden, weder mit einem kommunalen noch mit einem privaten Netzbetreiber. Gem. § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG sind Konzessionsverträge in ihrer Laufzeit auf maximal 20 Jahre begrenzt. Die Begründung für diese zeitliche Begrenzung sah der Gesetzgeber darin, dass hierdurch „ein Erstarren des Systems der Gebietsmonopole zum Nachteil der Abnehmer“ verhindert werden sollte.937 In regelmäßigen Abständen sollte deswegen für andere Netzbetreiber die Möglichkeit bestehen, sich im Wettbewerb um den Netzbetrieb zu bewerben.938 Einer Verfestigung der monopolistischen Netzbetreiberstellung sollte hierdurch entgegengewirkt und der Wettbewerb um das Monopol „Netz“ eröffnet werden. Auf diesem Wege sollte auch eine Preiskontrolle erfolgen. Zusammenfassend ging es also um das Aufbrechen der Monopolstellung und die Schaffung von Wettbewerb in der Energieversorgung. Um diese Ziele zu erreichen, sind zwei Grundmodelle zu unterscheiden.939 Als ein Modell sind die zeitliche Begrenzung der Nutzung des Monopols 937 BT-Drs.
8/3690, S. 32. Raumplanung 2011, 249 (250). 939 Kermel/Brucker/Baumann-Keller, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 55. 938 Hische/Rohmann,
V. Laufzeitbegrenzung des Konzessionsvertrags443
durch einen Betreiber und ein sich daran anschließender Wettbewerb um das Netz zu nennen.940 Damit wird das ordnungspolitische Ziel des Wettbewerbs dadurch verfolgt, dass in regelmäßig wiederkehrenden zeitlichen Abständen eine Neuvergabe stattfindet.941 Dieses Modell ist mit der Begrenzung der Laufzeit des Konzessionsvertrages auf maximal 20 Jahre im EnWG zunächst in § 46 EnWG gewählt worden.942 Das zweite Modell etabliert demgegenüber ein allgemeines Mitbenutzungsrecht und Durchleitungsanspruch an der monopolistischen Infrastruktur. Dieses Modell zielt nicht auf einen Wettbewerb um das Netz ab, sondern vielmehr auf einen Wettbewerb im Netz. Es basiert maßgeblich auf der sog. „Essential-Facility“-Doktrin,943 wonach der Inhaber einer für den Markt essentiellen Anlage (essential fa cility) diese nicht wettbewerbshemmend zum Ausschluss anderer potentieller Mitbenutzer soll nutzen dürfen.944 Durch Abbau dieser exklusiven Nutzungsmöglichkeit der essentiellen Anlage soll verhindert werden, dass neben dem sowieso schon monopolistischen Bereich der für den Markt essentiellen Anlage (bspw. das Stromnetz) auch noch die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen (also etwa Erzeugung und Vertrieb in der Energieversorgung) faktisch ebenfalls monopolisiert werden.945 Mit der Novelle im Jahr 1998 wurde auch dieses zweite Modell des Wettbewerbs im Netz in das EnWG aufgenommen.946 Der Netzbetreiber hat gem. § 20 EnWG das Netz 940 Zum sog. franchise-bidding, siehe statt vieler: Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 79 ff. 941 So auch Keller-Herder, Der Konzessionsvertrag unter dem neuen Energiewirtschaftsrecht,1. (2009), S. 279. 942 Hierzu führt Keller-Herder, Der Konzessionsvertrag unter dem neuen Energiewirtschaftsrecht,1. (2009), S. 279 aus, dass im Jahr 1980 diesem Modell folgend auch in das GWB nicht das nachfolgend dargestellte andere Modell aufgenommen wurde, um die deutsche Steinkohleverstromung keinem unmittelbaren Preiswettbewerb auszusetzen. 943 Die „essential-facility“-Doktrin geht zurück auf das US-amerikanische anti trust law und die vom US-Supreme Court im Jahre 1912 gefasste „terminal railroad“Entscheidung, vgl. Immenga/Mestmäcker-Fuchs/Möschel, Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 19 GWB Rn. 296. 944 Bartel, Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 108; Immenga/Mestmäcker-Fuchs/Möschel, Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 19 GWB Rn. 296 ff.; Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 10 Rn. 35 f. und § 27 Rn. 126 ff.; grundlegend: Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere S. 42 ff. 945 Bartel, Wettbewerbsprobleme auf dem deutschen Energiemarkt durch Unternehmenszusammenschlüsse (2011), S. 108; Immenga/Mestmäcker-Fuchs/Möschel, Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 19 GWB Rn. 296 ff.; Hohmann, Die essential facility doctrine im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen (2001), S. 72 ff. 946 Keller-Herder, Der Konzessionsvertrag unter dem neuen Energiewirtschaftsrecht,1. (2009), S. 279.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
für alle, die Energie hindurchleiten wollen, (diskriminierungsfrei) zu öffnen und einen freien Zugang zum Netz zu ermöglichen. Zusätzlich zu dieser weiteren wettbewerbsfördernden gesetzgeberischen Maßnahme wurde mit der EnWG-Novelle aus dem Jahr 2005 die Grundversorgereigenschaft von der Netzträgerschaft entkoppelt (§ 36 Abs. 2 EnWG).947 Nunmehr werden der Konzessionsvertrag und die Konzessions-abgaben nur noch für das Wegenutzungsrecht, nicht mehr jedoch für das Recht zur Grundversorgung geschlossen und entrichtet.948 Hierdurch wurden das Netz und der Strombetrieb getrennt. Durch Etablierung der Entfelchtungsregelungen (Unbundling-Regime) ist außerdem eine strikte Trennung der verschiedenen Wertschöpfungsstufe der Elektrizitätsversorgung (Trennung des Netzes von Erzeugung und Vertrieb) im EnWG etabliert worden.949 Inzwischen stellen also verschiedenste Mechanismen im EnWG den Wettbewerb in der Stromversorgung sicher. Aufgrund dieser zahlreichen Regelungen zugunsten des Wettbewerbs in der Energieversorgung halten unterschiedliche Stimmen in der Literatur den Wettbewerb um das Netz durch die gesetzliche Laufzeitbegrenzung des Konzessionsvertrages für nicht mehr erforderlich.950 Dem ist zuzustimmen. Die ursprüngliche Entscheidung für dieses Modell der Ermöglichung von Wettbewerb im Netz trotz Monopols hat sich durch die zahlreichen weiteren (zusätzlichen) Wettbewerbsmechanismen im EnWG überlebt. Für den Schutz der Energiedienstleister (also der nachgelagerten Wertschöpfungsstufe zum Monopol Netz) bedarf es nicht mehr eines Wettbewerbes um das Netz, da dieser hinreichend durch das Unbundling, die regulierungsrechtliche Kontrolle und den Wettbewerb im Netz, geschützt ist. Der alle 20 Jahre zwingend stattfindende Wettbewerb um die Netze macht aus ökonomischer Sicht zum Schutz der Netzeinspeiser keinen Sinn mehr, wenn allen Nutzer des Netzes ein diskriminierungsfreier Zugang zur monopolistischen Infrastruktur unabhängig von dessen Betreiber sowieso gewährt wird.951 Ein Wechsel des Netzbetreibers hat für die Netz947 So auch Kermel-Kermel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 2 Rn. 146. 948 So auch Schotka/Baumann, N&R 2010, Beilage 3, 1 (2). 949 Hierzu noch ausführlich in § 8 II.3.a). 950 Kermel/Brucker/Baumann-Keller, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 54; Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1, Teil 2,3. (2014), § 46 Rn. 6; auch schon Pippke/Gaßner, RdE 2006, 22 (38); Erman, et 2005, 272 (274 ff.); a. A.: Sachse, Vom Monopolpreis zur wirtschaftlich angemessenen Vergütung (2013), S. 89 f., der dies für nötig erachtet um Ewigkeitsrechte zu verhindern; Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 338. 951 Kermel-Kermel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzes sionsabgaben (2012), Kap. 2 Rn. 148.
V. Laufzeitbegrenzung des Konzessionsvertrags445
nutzer aufgrund des Wettbewerbs im Netz deswegen kaum noch Bedeutung. Auch ist allein ein regelmäßiger Wechsel des Netzbetreibers nicht ausreichend um die Zwecke des EnWG in § 1 EnWG zu erreichen.952 Auch für die Verbraucher, um deren Schutz es bei der Ermöglichung von Wettbewerb in erster Linie geht, ist durch die Trennung der Elektrizitätsverteilung von dem Energievertrieb durch das Entflechtungsregime (Unbundling) gesorgt.953 Die Verbraucher können heute frei und völlig unabhängig vom Netzbetreiber den Stromanbieter wechseln.954 Dass dies rein faktisch noch (zu) wenig stattfindet, mag andere Gründe haben. Es muss somit festgestellt werden, dass die gesetzliche Laufzeitbegrenzung im EnWG einen Eingriff in die aus der allgemeinen Handlungsfreiheit ableitbare Vertragsfreiheit der Netzbetreiber darstellt.955 Ebenso verletzt sie in Verbindung mit der durch die Novelle aus dem Jahr 2011 überarbeiteten Fassung des Übereignungsanspruchs nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG die Eigentumsfreiheit des Netzbetreibers nach Art. 14 Abs. 1 GG.956 Ein solcher Eingriff kann zwar aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein, muss darüber hinaus aber auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. An dieser Verhältnismäßigkeit des Eingriffs fehlt es aufgrund der mangelnden Erforderlichkeit der Laufzeitbegrenzung.957 Es kann sogar schon in Frage gestellt werden, ob die Kombination beider in die Eigentums- und Vertragsfreiheit eingreifender Modelle überhaupt einen legitimen Zweck verfolgt.958 Die Aufrechterhaltung der Regelungsidee des § 103a GWB a. F. und die Angst vor der Manifestation von langen 952 Keller-Herder, Der Konzessionsvertrag unter dem neuen Energiewirtschaftsrecht,1. (2009), S. 279. 953 So auch: Kermel/Brucker/Baumann-Keller, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 54; Säcker-Wegner, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1 Teil 1,3. (2014), § 46 Rn. 6. 954 So auch Kermel/Brucker/Baumann-Keller, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 54; Kermel-Kermel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 2 Rn. 145. 955 So auch Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 336; a. A.: KellerHerder, Der Konzessionsvertrag unter dem neuen Energiewirtschaftsrecht,1. (2009), S. 279. 956 Vgl. hierzu Ausführungen in § 7 III.1.c). 957 Ohne konkreten Bezug zur Vertragsfreiheit, aber dennoch die Erforderlichkeit ablehnend: Kermel/Brucker/Baumann-Keller, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 54; a. A.: Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 336. 958 Kermel/Brucker/Baumann-Keller, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 55.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Vertragslaufzeiten des Konzessionsvertrages stellen jedenfalls keinen solchen dar.959 Unterstellt man dennoch ein legitimes Ziel, so ist im Rahmen der Erforderlichkeit die Frage nach einem milderen, gleich geeigneten Mittel zu stellen. Als milderes Mittel kommt eine gänzliche Abschaffung der Laufzeitbegrenzung in Frage, wodurch den Konzessionsvertragsparteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen eine Regelung der Laufzeitfrage überlassen würde. Im Rahmen dieser Vertragsverhandlungen könnten die Gemeinden Zeitbegrenzungen vorsehen und ihrer Gewährleistungsverantwortung gerecht werden.960 Würde man befürchten, dass die Parteien Gefahr liefen, keine Einigung über die Laufzeit des Konzessionsvertrages zu erzielen und dieser damit als auf unbestimmte Zeit geschlossen anzusehen wäre,961 könnte als milderes Mittel auch an eine Abschaffung der Laufzeitbegrenzung und Einführung einer anderen, milderen Neuregelung gedacht werden. Diese Neuregelung im EnWG könnte den Vertragsparteien per Gesetz auferlegen, im Konzessionsvertrag eine Vereinbarung über die Laufzeit aufzunehmen. Darüber hinaus könnten auch Kündigungsrechte der Gemeinden in das EnWG aufgenommen werden, etwa bei schweren Verstößen gegen den Konzessionsvertrag, bei Ausnutzung der Monopolstellung, bei Nichtgewährleistung eines ordnungsgemäßen Netzbetriebes962 o. ä. Auch könnte eine Art Heimfallregelung, ähnlich der § 2 und § 32 ErbbauRG, aufgenommen werden. Es bestünden damit mehrere mildere Mittel als eine gesetzlich festgeschriebene Laufzeitbegrenzung. Die Abschaffung der Laufzeitbegrenzung (möglicherweise unter Hinzuziehung einer – wie beschriebenen – neuen gesetzlichen Regelung) ist auch nicht nur ein milderes Mittel, sondern auch in gleicher Weise geeignet, um den Wettbewerb im Energiemarkt zu gewährleisten. Durch die gesetzliche Regelung einer Pflicht zur Vereinbarung einer Vertragslaufzeit in Kombination mit Kündigungsregelungen kann Befürchtungen begegnet werden, wonach durch die Abschaffung der Laufzeitbegrenzung den Gemeinden als Inhabern des Wegerechts die Möglichkeit genommen würde, die Entscheidung über die Vergabe der Konzession in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und ggf. neu zu vergeben.963 aber Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 336. auch Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (38). 961 So Scholtka/Baumann, N & R 2010 Beilage 3, 1 (2), die von der Entstehung von „Ewigkeitsrechten“ sprechen. 962 So auch Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (38), die als Grund hierfür bspw. die nicht mehr vorhandene Leistungsfähigkeit des alten Netzbetreibers anführen und in diesen Fällen eine zwangsweise Neuvergabe der Konzession fordern. 963 Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 26; Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 339 f. 959 So
960 Ähnlich
V. Laufzeitbegrenzung des Konzessionsvertrags447
Diese Befürchtungen sollen darauf hindeuten, dass ein milderes gleich geeignetes Mittel als die Laufzeitbegrenzung nicht gegeben sei. Dabei entsteht jedoch der Eindruck, dass das eigentliche Ziel des Wettbewerbs um das Netz nicht in der Verhinderung von Monopolmissbrauch und Wettbewerbsverzerrungen, sondern in dem Schutz der Gemeinden vor Verhandlungen über die Laufzeit mit dem Konzessionsnehmer liegt. Hierzu besteht jedoch kein Anlass. Die Gemeinde als Verfahrensherrin kann sogar im Vorwege bekannt geben, welche Vertragslaufzeit für die Konzession gelten soll. In die Verhandlungen kann sie ihre Vorstellungen hierzu einbringen. Für eine angemessene Begrenzung der Laufzeit zu sorgen, ist ihr ureigenes Interesse, um nicht die Einflussnahmemöglichkeit auf das Netz durch die Macht der Neuvergabe zu verlieren. Auch ist dies für sie bereits aus Art. 28 Abs. 2 GG geboten.964 Würde Sie das Netz für unbefristete Zeit vergeben, so würde sie sich selbst in ihren Rechten aus Art. 28 Abs. 2 GG beschränken. Als Folge der Abschaffung der zwanzigjährigen Laufzeitbegrenzung steht auch nicht zu befürchten, dass es danach zu Konzessionsvergabe auf unbestimmte oder überlange Zeit kommt.965 Die Gemeinde ist selbst ohne gesetzliche Regelung im EnWG aufgrund des Demokratieprinzips schon daran gehindert, die Stromkonzession auf alle Ewigkeit zu vergeben. Eine unbefristete Abgabe der Elektrizitätsverteilung bspw. an ein privates Unternehmen widerspräche dem Wesen der Demokratie als Herrschaft auf Zeit, die gerade gebietet, dass Entscheidungen staatlicher Stellen, und damit auch der Gemeinden, periodisch zumindest überprüft ggf. revidiert werden können.966 Auch aus zivilrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere § 138 BGB, verbietet sich eine Abgabe der Konzession für einen Zeitraum von länger als 20 Jahren.967 Insofern besteht an der Geeignetheit der dargestellten milderen Mittel kein Zweifel. Die Regelung über die Laufzeitbegrenzung ist damit nicht nur überflüssig, sondern auch verfassungswidrig, weil es an der Erforderlichkeit dieses Eingriffs in die über Art. 2 GG geschützte Vertragsfreiheit und über Art. 14 964 Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 26. 965 Scholtka/Baumann, N&R 2010, Beilage 3, 1 (2); so auch angedeutet in Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 339 f. 966 Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 26. 967 So etwa zu unbegrenzten oder auf über 20 Jahre angelegte Bierlieferverträge, BGH, Urt. v. 9.4.1970, KZR 7/69, NJW 1970, 2157 (2159 f.); BGH, Urt. v. 14.6.1972, VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 (1459 ff.); BGH, Urt. v. 18.5.1979, V ZR 70/78, NJW 1979, 2150 (2152); ausführlich zu Bierlieferverträgen: Graf von Westphalen/Thüsing-Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke,24. EGL (Oktober 2008), Teil „Klauselwerke“, Bierlieferungsvertrag, Rn. 1 ff.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Abs. 1 GG geschützte Eigentumsfreiheit der Netzbetreiber fehlt.968 Dadurch, dass der Wettbewerb im Netz gewährleistet ist (Modell 2) und zahlreiche andere Regelungen im EnWG zum Schutze der Marktakteure und Verbraucher vorhanden sind, bedarf es nicht mehr des Wettbewerbs um das Netz (Modell 1).969 Ein anderes legt auch nicht die Betrachtung des EnWG insgesamt nahe. Die Frage danach, wer das Netz betreibt, ist (insbesondere im Hinblick auf den Wettbewerb im Netz gem. § 20 Abs. 1 EnWG) nicht von zentraler Bedeutung.970 Dies steht auch im Einklang mit § 1 EnWG, der ebenfalls keinen Hinweis darauf enthält, dass es von Bedeutung sein könnte, wer das Netz betreibt, sondern vielmehr nach den Zwecken des EnWG darauf abzustellen ist, wie dieses Netz betrieben wird.971 Ein anderes ergibt sich auch nicht etwa aus dem europäischen Recht, insbesondere aus dem Dritten Energiebinnenmarktpaket, insbesondere der Richtlinie 2009 / 72 / EG. Zwar enthält die Richtlinie 2009 / 72 / EG, die für den Elektrizitätsmarkt gilt, Regelungen im Hinblick auf ein durchzuführendes Ausschreibungsverfahren.972 Dabei wird die Ausschreibung jedoch in Art. 1 nur genannt, nicht jedoch mit einer gesetzlichen Regelung über eine zeitlich wiederkehrende Ausschreibungspflicht verbunden. In Art. 2 Nr. 24 und Art. 8 der Richtlinie 2009 / 72 / EG wird die Ausschreibungspflicht lediglich bezüglich neuer Erzeugungskapazitäten, mithin in einem gänzlich anderen Kontext, geregelt. Auch die Regelung in Art. 24 der Richtlinie 2009 / 72 / EG führt nicht etwa zu einem anderen Ergebnis. Nach vorgenanntem Artikel besteht die Pflicht der Mitgliedstaaten, „für einen Zeitraum, den die Mitgliedstaaten […] festlegen“, einen oder mehrere Verteilernetzbetreiber zu „benennen“. Auch aus dieser Formulierung lässt sich keine gesetzliche Pflicht zu einer in bestimmten zeitlichen Abständen wiederkehrenden Ausschreibung der Stromkonzession erkennen.973 Aus Art. 24 der Richtlinie 2009 / 72 / EG lässt sich lediglich ablesen, dass eine Benennung der Vertei968 Ohne konkreten Bezug zur Vertragsfreiheit, aber dennoch die Erforderlichkeit ablehnend: Kermel/Brucker/Baumann-Keller, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung,1. (2008), S. 54 u. 56; a. A.: Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 336. 969 A. A.: Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 338 ff. 970 Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 47. 971 So Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen,1. (2012), S. 47; im Ergebnis wohl ähnlich, Jacob, RdE 2011, 212 (215), der den Wettbewerb gem. § 1 EnWG als Wettbewerb um Energie- und Netzkunden beschreibt. 972 Siehe Art. 1, Art. 2 Nr. 24, Art. 8 sowie Art. 24 der Richtlinie 2009/72/EG. 973 So aber Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 335, der aus der wortgleichen Vorgängerregelung (Art. 13 S. 1 EltRL 2003) die zeitliche Begrenzung der Laufzeit der Konzessionen für den Verteilernetzbetrieb ableitet.
VI. Zusammenfassung449
lernetzbetreiber in zeitlich vorgegebenen Abständen durch die Mitgliedstaaten zu erfolgen hat. Weder der Wortlaut noch die Systematik oder der Sinn und Zweck der Regelung legen dagegen nahe, dass mit der Benennungspflicht eigentlich die Pflicht zur zeitlichen Begrenzung der Konzession per Gesetz und einer damit gesetzlich geregelten, wiederkehrenden Ausschreibung verbunden sind.974 Das europäische Recht widerspricht daher nicht der Abschaffung der gesetzlichen Laufzeitbegrenzung in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG. Daher ist die Abschaffung der Laufzeitbegrenzung in § 46 Abs. 2 EnWG von Verfassungs wegen geboten. Als milderes Mittel könnten im EnWG das Erfordernis einer vertraglichen Einigung über die Vertragslaufzeit vorgesehen werden sowie Kündigungsrechte der Gemeinden oder eine Heimfallregelung i. S. d. ErbbauRG. Insbesondere die Kombination aus einer vertraglichen Einigung über die Laufzeit des Konzessionsvertrages, gepaart mit gesetzlich geregelten Kündigungsrechten, erscheint als geeignete Alternative.
VI. Zusammenfassung Die Rückführung der Netze in kommunale Hand muss zwingend (auch bei geplanter (Re)Kommunalisierung) im Rahmen der Durchführung eines Konzessionsvergabeverfahrens erfolgen. Hierbei sind die vorstehend ausführlich dargelegten Regelungen zur Konzessionsvergabe, die sich nicht nur aus dem EnWG ergeben, zu beachten. Für die (re)kommunalisierende Gemeinde gelten dabei keine Sonderregelungen. Auch mit Blick auf die Auswahl- und Entscheidungskriterien sind die Vorgaben des EnWG aus § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 EnWG zu beachten. (Re)kommunalisierungsfreundliche Kriterien verbieten sich. Nach derzeit geltendem Recht ist die Gemeinde unter jeden Umständen Herrin des Konzessionsvergabeverfahrens. Wie vorstehend dargelegt wurde, ist dies jedoch äußerst bedenklich, wenn sich eine Gemeinde zur (Re)Kommunalisierung der Netze entscheidet und damit Teilnehmerin im Verfahren, dessen Herrin sie gleichzeitig ist, wird. In diesen Fällen sollten die zuständigen Landesregulierungsbehörden oder aber die BNetzA das Konzessionsvergabeverfahren durchführen. Ist das Verfahren durchgeführt und ein (neuer) Konzessionsnehmer gefunden, so bestimmt § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG seit der Novelle aus dem Jahr 2011, dass das Netz an den neuen Konzessionär vom Altkonzessionär zu übereignen ist. Diese Regelung stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums am 974 So auch Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG,1. (2012), S. 105 ff. mit weiteren Ausführungen zum Europarecht; Lecheler, RdE 2007, 181 (181 Fn. 6); a. A.: Templin, Recht der Konzessionsverträge (2009), S. 335.
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§ 7 Rückführung der Netze in kommunale Hand
Netz dar und ist in der derzeit geltenden Form verfassungswidrig. Sie beschränkt das Eigentum des Netzinhabers in unzulässiger Weise und stellt einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot dar. Im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung unter Hinzuziehung der jeweiligen Konzes sionsverträge könnte die Bestimmung dahingehend ausgelegt werden, dass dem Altkonzessionär ein Eintrittsrecht nach Vorbild von § 32 ErbbauRG gegeben ist. Auch an eine gesetzliche Neufassung des § 46 Abs. 2 EnWG in dieser Form ist zu denken. Ebenso könnte, um dem Vorwurf der verfassungswidrigen Rückwirkung zu begegnen, § 113 EnWG i. S. e. Übergangsvorschrift für vor dem Jahr 2011 geschlossene Konzessionsverträge mit Besitzüberlassungsregelung modifiziert werden. Muss das Netz bei Obsiegen eines anderen Bewerbers an einen neuen Konzessionsnehmer übereignet werden, stellt sich die Frage danach, was unter der in § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG bestimmten „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ zu verstehen ist. Diese Vergütung ist zur Erreichung wirtschaftlicher Angemessenheit grundsätzlich anhand der Ertragswertmethode zu berechnen, wobei der zweite und dritte Teil der Kaufering-Formel des BGH weiterhin Bestand hat, nach denen der Kaufpreis einen wirtschaftlich vernünftig Handelnden nicht vom Kauf abhalten und der Kaufpreis keine prohibitive Wirkung dergestalt entfalten darf, dass die Gemeinde an den alten Netzbetreiber gebunden ist. Allerdings ist für den Fall der vollständigen Abschreibung des Netzes eine Modifikation der Ertragswertmethode zum Schutze der Eigentumsrechte des Netzeigentümers geboten. In diesen Fällen könnten die Möglichkeit der Mehrfachabschreibung des Netztes, eine Entschädigungsnorm oder aber die lediglich schuldrechtliche Besitzüberlassungspflicht erwogen werden. Bei Neuabschluss des Konzessionsvertrages ist nach geltendem Recht außerdem die gesetzliche Maximalvertragslaufzeit von 20 Jahren gem. § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG zu beachten. Auch dies stellt eine verfassungswidrige Regelung dar, da sie sich im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung als nicht erforderlich erweist. Als milderes gleich geeignetes Mittel könnte vielmehr die vertragliche Einigung der Parteien über die Vertragslaufzeit und die Aufnahme gesetzlicher Kündigungsrechte der Gemeinden oder einer Heimfallregelung entsprechend der §§ 2, 32 ErbbauRG in das EnWG aufgenommen werden. Mithin enthält das EnWG zahlreiche höchst problematische Regelungen, die dringend einer gesetzlichen Überarbeitung bedürfen.
§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung Entschließt sich die Gemeinde zur (Re)Kommunalisierung der Energieverteilernetze, so stehen ihr bei der Umsetzung verschiedene Modelle zur Verfügung.1 In einem ersten Schritt muss die Gemeinde entscheiden, ob Sie sich alleine oder unter Einbeziehung eines oder mehrerer Partner um den Netzbetrieb bewerben will. Hieran anknüpfend ergeben sich unterschiedliche Frage- und Problemstellungen. Zum einen müssen die Gemeinden entscheiden, in welchem Modell und welcher konkreten Ausformung sie die (Re)Kommunalisierung betreiben wollen. Zum anderen muss das von der Gemeinde in diesem Entscheidungsprozess ausgewählte (Re)Kommunalisierungsmodell so ausgestaltet sein, dass es auch rechtlich zulässig ist. Die Frage nach rechtlich zulässigen Betreibermodellen in der Energieversorgung ist bisher – soweit ersichtlich – vor allem im Zusammenhang mit den Entflechtungsvorgaben nach §§ 6 ff. EnWG (Unbundlingvorschriften) thematisiert worden.2 Die Ausführungen hierzu können für die nachfolgenden Betrachtungen zu Rate gezogen werden, müssen aber vor dem (Re)Kommunalisierungskontext und Hintergrund sowie den damit einhergehenden anderen Zielen beleuchtet werden. In diesem Zusammenhang spielen mehrere Aspekte eine Rolle. Zum einen sind gesellschafts- und kommunalrechtliche Regelungen zu beachten, so etwa, dass eine freie Wahl der Unternehmensformen bei der (Re)Kommunalisierung anders als bei privaten Unternehmen und ihren Organisationsentscheidungen nicht gegeben ist. Dies stellt aber nur einen von mehreren rechtlichen Aspekten dar, die im Rahmen der zu beachtenden Grenzen der Gestaltung der (Re)Kommunalisierungsmodelle zu beachten sind. Zum anderen 1 Grundlegend: Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Un ternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 1 ff. sowie Hoppe/Uechtritz/Reck-Uechtritz/Recke, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 16 Rn. 1 ff.; Beispielhafte Darstellungen zu einzelnen erfolgten (Re)Kommunalisierungen, am Beispiel Bergkamen: Schäfer, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand? (2013), S. 68 (68 ff.); am Beispiel der Stadtwerke Springe: Aden/Märtin, in: Matecki/Schulten (Hrsg.), Zurück zur öffentlichen Hand? (2013), S. 84 (84 ff.). 2 Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 64 ff., Rn. 300 ff.; PricewaterhouseCoopersBritsch/Rausch, Entflechtung und Regulierung (2007), Kap. 3 S. 35 ff.; Roth, Unbundlingkomforme Netzorganisation (2006); Säcker, RdE 2005, 85 (85 ff.).
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
sind auch Vorgaben aus dem Energiewirtschafts-, Wettbewerbs-, Kartellsowie Vergaberecht relevant, die aus dem Tätigwerden der Gemeinde zum Zwecke der (Re)Kommunalisierung resultieren, ebenso wie Vorgaben aus dem Grundgesetz. Diese Aspekte spielen eine Rolle, wenn eine Gemeinde sich zur (Re)Kommunalisierung entschlossen hat und ein für sie passendes (Re)Kommunalisierungsmodell sucht. Die Wahl dieses (Re)Kommunalisierungsmodells hat auch Auswirkungen auf die Verfahrensgestaltung(en) bei der Vergabe der Konzessionen. Entscheidet sich eine Gemeinde dazu, mit einem strategischen Partner die (Re)Kommunalisierung des Netzes anzustreben, so stellt sich die Frage, ob in diesem Falle zwei getrennte Verfahren notwendig sind oder ob die Wahl des strategischen Partners in einem einheitlichen Verfahren mit der Konzes sionsvergabe erfolgen kann [hierzu in § 8 IV.2.]. Diese zahlreichen Fragen führen derzeit zu erheblichen Rechtsunsicherheiten in der Praxis.3 Mit Blick auf die (Re)Kommunalisierung sind viele von ihnen bisher unbeantwortet. Zu einer Klärung sollen die nachfolgenden Ausführungen beitragen. Dazu sollen zunächst Typen von (Re)Kommunalisierungsmodellen dargestellt und beleuchtet werden. Aufgrund der Vielfältigkeit möglicher Modelle und Formen und der damit zusammenhängenden Details kann diese Darstellung nicht als abschließend betrachtet werden. Vielmehr verfolgen die nachfolgenden Ausführungen das Ziel, einen beispielhaften Überblick zu geben. Dabei werden die bereits im Rahmen der Entflechtung diskutierten Modelle für die (Re)Kommunalisierung mit der vorgenannten modifizierten Betrachtungsweise nutzbar gemacht.4
I. Ausgewählte Modelllösungen Für welches (Re)Kommunalisierungsmodell sich die Gemeinde entscheidet, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen wird dies maßgeblich durch den politischen Willen und die politischen Absichten, die mit der (Re)Kommunalisierung verfolgt werden, bestimmt. Aber auch wirtschaftliche Aspekte spielen hierbei eine Rolle. Neben dem allgemeinen Kostendruck unter dem die Gemeinden leiden, geht es bei der Wahl des (Re)Kom3 So auch Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 1. 4 Zu den Modellen im Rahmen der Umsetzung des Unbundlings: KermelDanzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 64 ff., Rn. 300 ff.; PricewaterhouseCoopers-Britsch/Rausch, Entflechtung und Regulierung (2007), Kap. 3, S. 35 ff.; Roth, Unbundlingkomforme Netzorganisation (2006); Säcker, RdE 2005, 85 (85 ff.).
I. Ausgewählte Modelllösungen453
munalisierungsmodells auch um die Wahl guter Managementstrukturen, die es den Gemeinden ermöglichen, ähnlich wie ihre privaten Konkurrenten zu agieren, indem etwa eine ähnliche Haushaltsgestaltung und transparente Bilanzierung erfolgt, andere Unternehmen in die geschaffene Struktur eingebunden werden oder das öffentliche Dienstrecht nicht gilt.5 All’ diesen Fragen im Detail nachzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vielmehr sollen nachfolgend einige ausgewählte Modelllösungen als Antwort auf diese Fragen dargestellt werden. Die nachfolgende Darstellung erfolgt somit lediglich exemplarisch, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll einen Eindruck von der Vielfalt der möglichen Modelllösungen zur Umsetzung der (Re)Kommunalisierung geben. Die nachfolgenden Darstellungen werden dabei zwischen Modelllösungen unterscheiden, in denen die Gemeinden alleine (ohne Beteiligung eines Partners) die (Re)Kommunalisierung betreibt (nachfolgend Stand-AloneLösungen genannt) und solchen, bei denen die Gemeinde mit einem Partner das Netz zu übernehmen sucht (nachfolgend Partnerlösungen genannt). 1. Stand-Alone-Lösungen Eine Gemeinde kann sich dazu entscheiden das Netz alleine,6 ohne fremdes Mitwirken, zu (re)kommunalisieren.7 Hierzu muss die Gemeinde eine gewisse Größe und Finanzkraft aufweisen, da der Erwerb und Betrieb des Netzes mit hohen Kosten sowie großem Aufwand verbunden ist [hierzu bereits in § 5 II.4.] und eine komplexe wirtschaftliche Aufgabe darstellt, deren zuverlässiges Funktionieren entscheidend für jeden einzelnen Verbraucher und die gesamte Volkswirtschaft ist [vgl. § 5 II.1.]. Nur in wenigen Fällen werden die nachfolgend als Stand-Alone-Lösungen bezeichneten Modelle daher für eine Gemeinde im Rahmen der (Re)Kommunalisierung wirtschaftlich sinnvoll und realisierbar sein. 5 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (12). 6 Hierzu überblicksartig auch: Theobald, DÖV 2009, 356 (358 f.). 7 So wurde etwa in Hamburg zeitgleich mit den Bundestagswahlen im September 2013 ein Volksentscheid abgehalten über die Frage, ob das Stromnetz in Hamburg zu 100 % von der öffentlichen Hand rekommunalisiert werden soll, vgl. Pressemeldung des Hamburger Senats vom 18.6.2013, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:43 Uhr unter http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/4016346/2013-06-18-bispm-volksentscheid-termin.html. Dieser ging zugunsten der vollständigen (Re)Kommunalisierung der Hamburger Netze aus, vgl. http://www.hamburg.de/wahlen/41259 72/ergebnis-volksentscheid-energienetze.html, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:43 Uhr.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
a) Neugründung Um eine Stand-Alone-Lösung in die Tat umzusetzen, kann eine Gemeinde sich für die gänzliche Neugründung einer Netzgesellschaft oder Stadtwerksgesellschaft entscheiden (Kommunalisierung). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gemeinde keine Strukturen hat, die ihr eine An- oder Eingliederung des Netzbetriebs ermöglichen. Eine Neugründung ist dabei immer mit einer gewissen Planungs- und Anlaufzeit und einem erhöhten Entscheidungs- und Durchführungsaufwand verbunden. Denn neben der grundsätzlichen Entscheidungsfindung im Gemeinderat müssen der Haushalt und die Finanzierung des Vorhabens geklärt, die Gesellschaft konzipiert und realisiert sowie zahlreiche andere mit der Neugründung verbundene Entscheidungen getroffen werden. Die Sicherstellung einer adäquaten personellen Ausstattung sowie die Durchführung und Organisation des Netzbetriebes sind dabei nur beispielhafte Voraussetzungen, die es zu meistern gilt. Schon im Hinblick auf die personelle Ausstattung ist zu beachten, dass nicht etwaige Verwaltungsmitarbeiter in die Netzgesellschaft aus- bzw. eingegliedert werden können, sondern für den Netzbetrieb ein umfassendes und spezifisches Know-how erforderlich ist,8 welches oftmals in der eigenen Gemeindeverwaltung gar nicht vorhanden sein wird. Im Rahmen einer solchen Neugründung kann sich die Gemeinde dafür entscheiden, nur die Netzgesellschaft zu gründen. In diesem Fall müssen keine Fragen und Probleme im Zusammenhang mit verbundenen anderen Unternehmen bedacht werden. Die Gemeinde kann sich aber auch anlässlich der (Re)Kommunalisierung des Netzes dazu entscheiden, eine Gesellschaft zu gründen, in der der Netzbetrieb nur eins von zwei oder mehreren Geschäftsfeldern bildet (bspw. Gründung eines klassischen Stadtwerks).9 Diese Variante führt möglicherweise zu einer Bündelung von Aufgaben und schafft Synergien, ist jedoch auch mit einem deutlich höheren Gründungsaufwand verbunden und durch rechtliche Vorgaben begrenzt. b) Erweiterung Verfügt die Gemeinde bereits über eine Stadtwerksgesellschaft oder eine andere kommunale Gesellschaft, so ist zum Zwecke der (Re)Kommunalisierung des Netzes auch eine Erweiterung dieser bestehenden Gesellschaft um das Aufgabenspektrum Elektrizitätsverteilung denkbar. Besonders geeignet 8 Vgl.
Ausführungen in § 5 I.5. auch Kermel-Arnold, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 24 f., der dies als „Stadtwerk-Modell“ bezeichnet. 9 So
I. Ausgewählte Modelllösungen455
in diesem Zusammenhang ist die Erweiterung einer bereits bestehenden kommunalen Netzgesellschaft, bspw. für Wasser, Abwasser oder Gas. Grundsätzlich weniger geeignet ist dagegen die Erweiterung einer kommunalen Stromerzeugungs- oder -vertriebsgesellschaft [zu den Gründen in § 8 II.3.a)].10 Durch diese Erweiterung ist die Entstehung eines verbundenen Unternehmens oder auch Konzerns i. S. d. § 15 AktG in unterschiedlichen Formen denkbar.11 Für die Realisierung der (Re)Kommunalisierung in einem verbundenen Unternehmen oder Konzern können organisatorische, finanzielle und rechtliche Gründe sprechen.12 So kann hierdurch organisatorisch die Schaffung von Betriebsabteilungen bei gleichzeitiger Beibehaltung der rechtlichen Selbstständigkeit erfolgen.13 Ebenso kann durch die Erweiterung vorhandener Strukturen ein Synergiegewinn entstehen. Aus finanzieller Sicht spricht vordergründig das Interesse an einer Haftungsbeschränkung auf das jeweilige Gesellschaftsvermögen für einen Unternehmensverbund.14 Auch das Steuerrecht knüpft grundsätzlich an die einzelnen selbstständigen juristischen Personen an.15 Rechtlich ermöglicht eine Erweiterung in einen Unternehmensverbund die selbstständige Fortführung bestehender Gesellschaften, ohne dass diese (mit der neuen Netzgesellschaft) im Wege einer Verschmelzung nach Umwandlungsgesetz zusammenzuführen wären.16 Damit bietet die Erweiterung bestehender Strukturen für die Gemeinden den Vorteil, dass weder eine komplette Neugründung noch komplizierte Verschmelzung erforderlich ist, sondern die Modifikationen bestehender Strukturen ausreicht. Dies mindert den organisatorischen Aufwand in der Umsetzung des (Re)Kommunalisierungsvorhabens erheblich. Damit einher geht auch ein geringerer Kostenaufwand für die (re)kommunalisierende Gemeinde. Um dieses Modell der Erweiterung bestehender Strukturen mit Leben zu füllen, sollen nachstehend beispielhaft Modelle der Erweiterung in einer Stand-Alone-Lösung dargestellt werden. Diese knüpfen an die im Rahmen der Umsetzung der Entflechtungsvorgaben (Unbundling-Vorschriften) bereits in der Diskussion befindlichen Modelle an.17 10 So angedacht in Hamburg: Erweiterung des städtischen Erzeugungs- und Vertriebsunternehmens Hamburg Energie, um eine Stromnetzsparte. 11 Ausführlich zum Konzernrecht: Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), § 8 Rn. 8.1 ff. 12 Hierzu Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), § 8 Rn. 8.5 ff. 13 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), § 8 Rn. 8.5. 14 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), § 8 Rn. 8.6. 15 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), § 8 Rn. 8.6. 16 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), § 8 Rn. 8.7. 17 Kermel-Danzeisen, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben (2012), Kap. 6 Rn. 64 ff., Rn. 300 ff.; PricewaterhouseCoopers-
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
aa) Holdingmodell Die Erweiterung einer bestehenden Struktur kann durch Realisierung eines Holdingmodells erfolgen.18 Unter einer den Konzern leitenden gemeindlichen Holdinggesellschaft werden bei der Holdingstruktur die Netzgesellschaft und weitere (bereits als Einzelgesellschaften existierende und dann) Tochtergesellschaften angesiedelt.19 Sind bspw. bereits das Gas- und Wassernetz als gemeindliche Unternehmen in der Gemeinde organisiert, so können diese zusammen mit der Stromnetzgesellschaft unter dem Dach einer Holding zusammengefasst werden. Dabei bestünden die bereits existierenden kommunalen Gesellschaften als Tochtergesellschaften fort. Die Netzgesellschaft würde unter dem Dach der Holding als weitere Gesellschaft lediglich hinzukommen. Die Holding könnte dann bspw. lediglich die Verwaltung ihrer Beteiligungen und damit verbundene Finanzierungs- und Verwaltungsaufgaben übernehmen.20 Grundsätzlich wäre ebenfalls eine energiespezifische Holding denkbar.21 Verfügt die Gemeinde beispielsweise bereits über ein kommunale Energieerzeugungs- und ein Energievertriebsunternehmen, so könnte auch eine Holding i. S. e. klassischen Energieversorgungsunternehmens erwogen werden [zu den entfelchtungsrechtlichen Probleme dieser Modellform, siehe § 8 II.3.c)bb)], indem eine Energieversorgungsholding mit allgemeinen Verwaltungsaufgaben als Dach über den Tochtergesellschaften Netz, Erzeugung und Vertrieb stünde.22 Innerhalb des Holdingmodells könnte das Netzeigentum dabei sowohl bei der Holding als auch bei der Netzgesellschaft (also dem Tochterunternehmen) verbleiben.23 Britsch/Rausch, Entflechtung und Regulierung (2007), Kap. 3, S. 35 ff.; Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006); Säcker, RdE 2005, 85 (85 ff.). 18 Der Begriff „Holding“ ist gesetzlich nicht definiert und wird auch nicht einheitlich verwendet, so auch Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 135. Nachfolgend wird hierunter eine Organisationsstruktur verstanden, deren Hauptzweck in dem Halten von Unternehmensbeteiligungen an anderen Unternehmen besteht; Kessler/Kröner/Köhler-Birkenfeld, Konzernsteuerrecht,2. (2008), § 5 Rn. 183; Lutter, Holding-Handbuch,4. (2004), § 1 Rn. 1; ähnliches Verständnis auch Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 138. 19 So auch zur Frage der unbundlingkonformen Netzorganisation: Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 85. 20 So auch Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 137, die dies als „Finanzholding“ beschreibt. 21 Hierzu etwa: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 147 ff., der dies als „Holdingmodell“ bezeichnet. 22 Rasbach, Unbundling-Regulierung in der Energiewirtschaft (2009), S. 135; PricewaterhouseCoopers-Britsch/Rausch, Entflechtung und Regulierung (2007), Kap. 3, S. 37; Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 85 ff.
I. Ausgewählte Modelllösungen457
Zur Realisierung dieses Holdingmodells muss die Gemeinde einen neuen gesellschaftsrechtlichen Rahmen für ihre bestehenden Gesellschaften, aber auch für die neue kommunale Netzgesellschaft schaffen. Dies ist eine nicht zu unterschätzender Gestaltungsarbeit, die in der Regel recht komplex und kostenintensiv sein wird und daher meist nur von größeren Gemeinden leistbar wäre.24 bb) Netzgesellschaft als Tochtergesellschaft (Tochtermodell) Eine andere mögliche Modellkonstruktion wäre die Erweiterung eines bestehenden kommunalen Unternehmens um eine Tochternetzgesellschaft.25 Anders als im Holdingmodell verblieben die Geschäftsfelder des zu erweiternden Unternehmens bei diesem und die Gesellschaft würde als Mutter unternehmen fungieren, dem eine Netztochter untergliedert wird.26 Die Anteile an der Tochtergesellschaft könnten bei dem ursprünglichen, erweiterten Unternehmen verbleiben.27 Dieses Tochtermodell ist zunächst grundsätzlich denkbar, wenn bereits ein kommunales Energieversorgungsunternehmen existiert (bspw. eine kommunale Vertriebs- und / oder Erzeugungsgesell schaft).28 Auch hier könnte das Netzeigentum grundsätzlich sowohl bei der Muttergesellschaft verbleiben als auch auf die Netzgesellschaft übertragen 23 So auch zur Frage der unbundlingkonformen Netzorganisation: Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 85 ff. 24 So auch Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 85; ähnlich auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 148. 25 So auch zur Frage der unbundlingkonformen Netzorganisation: Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 89; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 263. 26 So auch zur Frage der unbundlingkonformen Netzorganisation: Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 89. 27 PricewaterhouseCoopers-Britsch/Rausch, Entflechtung und Regulierung (2007), Kap. 3, S. 37. 28 So auch zur Umsetzung der Entflechtungsvorgaben bei bestehenden vertikal integrierten Energieversorgern: PricewaterhouseCoopers-Britsch/Rausch, Entflechtung und Regulierung (2007), Kap. 3, S. 37; Rasbach, Unbundling-Regulierung in der Energiewirtschaft (2009), S. 134, der dies „Netz-Tochter-Modell“ nennt; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 263 f., der dies als „Netztochter-Modell“ bezeichnet; Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 121 f., die dies „Tochter-Modell“ nennen; Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 89; Kreibich, Kommunale Stromund Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 145 f., der dies „Netztochtermodell“ nennt.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
werden.29 Allerdings könnte es auch in einem nicht energiespezifischen Rahmen interessant sein, etwa wenn bereits eine andere kommunale Netzgesellschaft (Kabel, Wasser, Gas, etc.) vorhanden ist, der die Stromnetzgesellschaft untergliedert wird. Dieses Erweiterungsmodell stellt eine vergleichsweise schlanke Möglichkeit in Bezug auf Kosten und Aufwand ihrer Umsetzung dar. cc) Netzgesellschaft als Muttergesellschaft (Muttermodell) Denkbar ist jedoch auch, dass nicht die bestehende kommunale Gesellschaft zur Muttergesellschaft wird, sondern die Stromnetzgesellschaft, der die bestehende Gesellschaft als Tochter untergeordnet wird.30 Auch hierbei ist grundsätzlich eine energiespezifische Gesellschaftserweiterung möglich, also beispielsweise, wenn kommunale Energieversorgungsunternehmen der Erzeugung und des Vertriebs als Töchter der neuen Netzgesellschaft als Mutter nachgeordnet werden.31 Allerdings könnte die Stromnetzgesellschaft auch die Muttergesellschaft zu anderen, bereits in kommunaler Hand befindlichen Netzgesellschaften (Kabel, Wasser, Gas, etc.) bilden. 2. Partnerlösungen Die (Re)Kommunalisierung des Elektrizitätsnetzes ist jedoch auch unter Einbezug von Partnern möglich, d. h. die Gemeinde wird nicht alleine, sondern unter Mitwirkung Dritter im Netzbetrieb tätig. In der jüngeren Vergangenheit sind vermehrt Netzgesellschaften als Gemeinschaftsunternehmen gegründet worden, um dadurch Synergien zu erzieauch Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 89. auch Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 89; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 264, die dies jedoch im Rahmen einer vorzunehmenden Entflechtung darstellt und deswegen von der Ausgliederung der übrigen Tätigkeitsbereiche (etwa Erzeugung und Vertrieb) spricht, während das Netz in der Muttergesellschaft verbliebe; Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 46. 31 So im Rahmen der Entflechtung vertikal integrierter Unternehmen: Rasbach, Unbundling-Regulierung in der Energiewirtschaft (2009), S. 1354, der dies „NetzMutter-Modell“ nennt; PricewaterhouseCoopers-Britsch/Rausch, Entflechtung und Regulierung (2007), Kap. 3, S. 35, die dies „Muttergesellschaft“ nennen; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 264 ff., der dies „Netzmutter-Modell“ nennt; Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskon trolle (2013), S. 146 f., der dies „Netzmuttermodell“ nennt. 29 So 30 So
I. Ausgewählte Modelllösungen459
len und den stetig steigenden Anforderungen des Regulierungsrechts, insbesondere den Entflechtungsregelungen, gerecht zu werden.32 Nach 20 Jahren ohne eigene Erfahrungen im Netzbetrieb hat die Gemeinde ein Know-howDefizit, welches ihr den ordnungsgemäßen Betrieb eines Elektrizitätsnetzes ohne fremde Hilfe auch nahezu unmöglich macht. Durch die mangelnde Erfahrung entstehen außerdem höhere Kosten, die durch Hinzunahme eines erfahrenen Netzbetreibers u. a. aufgrund des Erfahrungskurveneffektes33 reduziert werden könnten. Auch andere Schwächen (organisatorisch, personell, technisch) können durch einen gut ausgewählten Partner ausgeglichen werden. Gegebenenfalls können sogar Verbund- und Größenvorteile34 erreicht werden. Zudem wird die Kostenlast des Netzkaufs und -betriebs auf zwei oder mehrere Schultern verteilt, so dass die (Re)Kommunalisierung insgesamt für die Gemeinde wirtschaftlicher machbar wird. Für kleine und mittlere Gemeinden wird daher oftmals eine Partnerschaft die einzige wirtschaftlich sinnvolle Lösung sein.35 Denn die mit dem Erwerb des Netzes entstehenden hohen Fixkosten bzw. versunkenen Kosten36 können oftmals schon für Gemeinden ohne Haushaltsdefizit eine erhebliche, teilweise nicht leistbare Herausforderung darstellen.37 Es verwundert daher nicht, dass sich Partnerschaftsmodelle im Zuge der (Re)Kommunalisierung großer Beliebtheit erfreuen und eine Alternative zur Stand-Alone-Lösung oder der Vergabe der Konzession an einen privaten Dritten darstellen.38 Partnerschaften zwischen der Gemeinde und Dritten sind im Rahmen der (Re)Kommunalisierung des Stromnetzes in verschiedenen Aufgabenbereichen denkbar:39 bspw. Eigentümerstellung und Asset Management, Netzbetrieb (operationelle Partnerschaft), Aufgaben der Instandhaltung und War32 Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Stappert/Groß, Grundriss zum Energierecht,1. (2011), Kap. 15 Rn. 122; So auch im Hinblick auf die Synergien bei gleichzeitig weiterhin bestehender Einflussnahmemöglichkeit: Hische/Rohmann, RaumPlanung 2011, 249 (250). 33 Hierzu in § 5 II.9. 34 Hierzu in § 5 II.7. 35 Optimistisch: Reck, Rekommunalisierung, RaumPlanung 2011, 243 (244 f.), der zu Kooperationen ausführt. 36 Hierzu in § 5 II.6. 37 Hische/Rohmann, RaumPlanung 2011, 249 (250), die ausführen, dass eine (Re)Kommunalisierung erst dann für wirtschaftlich effizient gestaltet erachten, wenn zur Durchführung der operativen Tätigkeiten ein erfahrener Partner und Betriebsführer eingesetzt würde. 38 Ähnlich Hofmann, NZBau 2012, 11 (12); Reck, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts,1. (2009), S. 61 (69). 39 Schulte-Beckhausen, in: Ehricke (Hrsg.), Energierecht im Wandel,1. (2010), S. 95 (107–108), die dies unter dem Begriff der Kooperationen fasst.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
tung, Partnerschaften im Hinblick auf Zuständigkeit für Investitionen und den Netzausbau, Partnerschaften bzgl. Dienstleistungen im Netzgeschäft sowie Partnerschaften hinsichtlich des Regulierungsmanagements. Um eine Partnerschaft zu realisieren, ist dabei zum einen denkbar, dass die Gemeinde die (Re)Kommunalisierung von Beginn an in partnerschaftlicher Form betreibt. Zum anderen kann ein partnerschaftliches Agieren im Netzbetrieb aber auch dadurch realisiert werden, dass die Gemeinde zunächst im Rahmen eines Stand-Alone-Modells eine Netzgesellschaft gründet und dann zu einem späteren Zeitpunkt einen Partner einbezieht. Nachfolgend werden die hierfür potentiell möglichen Kooperationsformen und -modelle (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) mit Blick auf die einzubeziehenden Partner näher beleuchtet. a) Potentielle Partner Zunächst stellt sich die Frage danach, wer die einzubeziehenden Partner für eine der möglichen Partnerlösungen einer Gemeinde mit einem Dritten sein können. Dabei ist zum einen an horizontale Partnerschaften zu denken.40 Horizontal bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Gemeinde auf gleicher Ebene mit einer anderen oder mehreren anderen Gemeinden als Partner agiert. Bei einer solchen Partnerlösung liegt auch weiterhin ein rein gemeindlicher Netzbetrieb vor, der jedoch über die gemeindlichen Grenzen der einzelnen Gemeinden aufgrund der Partnerschaft / en hinausgeht. Hierdurch wird der Netzbetrieb insgesamt vergrößert. Größenvorteile können entstehen.41 Eine solche Partnerschaft zwischen Gemeinden kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn angrenzende bzw. benachbarte Gemeinden in einem Gebiet jeweils (Re)Kommunalisierungsbestrebungen verfolgen und hierdurch eine Art lokale Vernetzung der angrenzenden Gemeinden erfolgen kann.42 Zum anderen ist es aber auch möglich, dass sich die Gemeinde bzw. die (re)kommunalisierte Netzgesellschaft mit einem privaten Partner (auch strategischer Partner genannt) zusammentut.43 In diesem Fall entsteht ein gemischt-wirtschaftlicher Netzbetrieb zwischen öffentlicher und privater 40 So auch Theobald, DÖV 2009, 356 (359), der dies „Horizontale Koopera tionen“ nennt. 41 Hierzu § 5 II.7. 42 Bsp.: Schleswig-Holstein Netz AG, die die Stadt Neumünster sowie 36 weitere umliegende und angrenzende Gemeinden betrifft, vgl. http://sh-netz.com/netz/ stromnetz-swn/, zuletzt abgerufen am 13.6.2013, 11:35 Uhr. 43 Brüning, Verwaltungs-Archiv 100 (2009), 453 (457); Theobald, DÖV 2009, 356 (359), der dies „Vertikale Kooperationen“ nennt; zu den sog. Public Private Partnerships allgemein auch: Tettinger, NWVBl. 2005, 1 (1 ff.).
I. Ausgewählte Modelllösungen461
Hand. In der Praxis sind solche Kooperationsformen zwischen Privatwirtschaft und Staat recht häufig anzutreffen.44 In der Regel bietet sich für diese Partnerschaft der Altkonzessionär im Gemeindegebiet als Partner an, da dieser bereits über Erfahrungen und Kenntnisse im Netzbetrieb und insbesondere mit Bezug zum gemeindlichen Netzgebiet verfügt. Allerdings sind grundsätzlich auch andere private Netzbetreiber als Partner denkbar. Aber auch die Bürger, insbesondere die eigenen Gemeindebewohner, kommen als potentielle Partner für die Umsetzung der (Re)Kommunalisierungsbestrebungen in einer Gemeinde in Betracht. Diese Möglichkeit findet in Abhandlungen zur (Re)Kommunalisierung und dem Auslaufen der Konzessionsverträge – soweit ersichtlich – bisher keine Beachtung.45 Bürger sind jedoch schon jetzt im Rahmen von energiewirtschaftlichen Projekten zur Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien, oftmals in Form von Genossenschaften, aktiv.46 In Bezug auf die Erzeugung von Strom durch Photovoltaikanlagen existieren auch bereits vereinzelt Partnerschaften zwischen Bürgern und Gemeinde.47 Im Vergleich zur (Re)Kommunalisierung des gesamten Verteilernetzes in der Gemeinde handelt es sich hierbei sowohl finanziell wie wirtschaftlich um i. d. R. vergleichsweise kleinere Projekte. Dennoch könnten diese Ansätze auch auf die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze übertragen werden. Denkbar wäre auch, die Bürger zwecks Finanzierung zu beteiligen. Derartige Vorstöße sind ebenfalls vereinzelt zu finden, so etwa durch Netzkaufgenossenschaften48 sowie durch Bürgeranleihen für den Netzausbau.49 Die Bürger stellen damit ebenfalls potentielle Partner einer (Re)Kommunalisierung dar. 44 Brüning,
Verwaltungs-Archiv 100 (2009), 453 (460). wird diese Möglichkeit im „Positionspapier Konzessionsvergabe“ der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg (5.12.2011), nicht bei den möglichen Optionen benannt, vgl. S. 2; ebensowenig bei Kermel-Arnold, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4; auch nicht bei Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006). 46 So etwa für den Ausbau regenerativer Energien: bspw.: Photovoltaik-Anlagen in Rastede getragen von Rasteder Bürgergenossenschaft eG, unter http://www. rasteder-buergergenossenschaft.de/, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:44 Uhr. 47 So etwa die Gemeinde Eichingen, die der Bürger Energie Genossenschaft Freisinger Land i.G. 2013 beigetreten ist, die derzeit ebenfalls Photovoltaik-Anlagen unterhält, hierzu unter: http://beg-fs.de/gemeinde-eching-tritt-energiegenossenschaftbei/, zuletzt abgerufen am 23.4.2015, 12.44 Uhr. 48 Hierzu nachfolgend in § 8 I.2.b)ff). 49 So ist als Pilotprojekt im Sommer 2013 durch die Firma Tennet die Finanzierung des Baus einer 380-Kilovolt-Übertragungsleitung von Niebüll nach Brunsbüttel durch Bürgeranleihen in Form von sog. Hybritanleihen gestartet worden. Bis August 2013 können die Bewohner und Grundstückseigentümer aus Nordfriesland und Dithmarschen, durch die die Höchstspannungsleitung verlaufen soll, Anleihen von mindestens € 1000 gegen eine Verzinsung von 3 % in der Planungsphase und 45 Z. B.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Zu guter Letzt ist selbstverständlich auch eine Mischform an Partnern denkbar.50 b) Mögliche Modelle Für die (Re)Kommunalisierung im Rahmen einer Partnerlösung sind zahlreiche Modelle denkbar. Nachfolgend sollen einige (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) erläutert und dargestellt werden. Dabei werden sowohl enge Partnerlösungen, d. h. solche die eine eigentumsrechtliche Verbindung vorsehen, als auch weite Partnerlösungen, d. h. solche, bei denen die wirtschaftliche und eigentumsrechtliche Eigenständigkeit der Partner erhalten bleibt, dargestellt. Auch die Umsetzung in Form eines Holdingmodells, Tochtermodells oder Muttermodells, wie es vorstehend im Rahmen der Stand-Alone-Lösungen unter dem Stichwort der Erweiterung bestehender Strukturen aufgeführt wurde,51 kann im Rahmen der Partnerlösungen selbstverständlich erwogen werden. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hierauf nicht erneut i. R.d. Partnerlösungen eingegangen. Die Ausführungen im Rahmen der StandAlone-Lösungen können vielmehr mit dem gedanklichen Schritt der Hinzunahme eines Partners übertragen werden. aa) Neugründung einer gemeinsamen Gesellschaft Will die Gemeinde von vornherein nur mit einem Partner zusammen das Netz betreiben, so bietet sich von vornherein die gemeinsame Neugründung einer Netzgesellschaft an. Je nachdem welchen der potentiellen Partner die Gemeinde für ihre (Re)Kommunalisierungsabsichten gewinnen kann, kommt es zur Gründung einer Public Public Partnership (Partnerschaft der öffentlichen Hand), Public Private Partnership (Partnerschaft von öffentlicher und privater Hand),52 Public Citizen Partnership (Partnerschaft von öffentlicher Hand und Bürgern) oder einer Gesellschaft mit bspw. gemeindlichen Partnern sowie Bürgerbeteiligung (Mischform). Die Neugründung einer gemeinsamen Gesellschaft eignet sich daher als Modell mit jedem der potentiellen Partner 5 % in der Bauphase erwerben, vgl. hierzu NDR, „Stromtrasse soll Anwohnern Geld bringen“, Stand: 14.06.2013 16:24 Uhr, zuletzt abgerufen am 18.6.2013, 10:18 Uhr unter: http://www.ndr.de/regional/schleswig-holstein/buergeranleihe101.html. 50 So könnten etwa zwei Gemeinden und die Bürger der Gemeinden eine Partnerschaft zur (Re)Kommunalisierung des Netzes eingehen. 51 = Holdingmodell, Tochtermodell, Muttermodell. 52 Hierzu etwa: Michaels/Kohler, NZBau 2013, 282 (282 ff.).
I. Ausgewählte Modelllösungen463
einer Gemeinde. Diese Neugründung kann sich [wie auch in § 8 I.1.a) für die Neugründung im Stand-Alone-Modell dargestellt] nur auf die Netzgesellschaft beziehen (dies wird wohl in der Regel der Fall sein) oder aber von Beginn an zusätzliche Aufgabenbereiche einbeziehen (bspw. Wasserund Abwasserleistungen, Energieerzeugung etc.). Die Neugründung einer gemeinsamen Gesellschaft bestehend aus mindestens zwei Partnern bietet die Chance zu einer sachgerechten Neugestaltung der Gesellschaft zwecks (Re)Kommunalisierung des Netzes, erfordert jedoch auf der anderen Seite zahlreiche Abstimmungen unter den Partnern und einen gewissen zeitlichen wie organisatorischen Vorlauf, damit die neu zu gründende Gesellschaft rechtzeitig vor Konzessionsvergabe zum Entstehen kommt. bb) Eigentumsrechtlicher Zusammenschluss Zwecks (Re)Kommunalisierung kann jedoch auch ein eigentumsrecht licher Zusammenschluss der Gemeinde mit einem Partner innerhalb einer Netzgesellschaft erfolgen. In besonderer Weise ist hierfür ein Zusammenschluss mit dem Altkonzessionär im Gemeindegebiet geeignet. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass der bisherige (private) Netzbetreiber und Konzessionär für die gemeindliche Gesellschaft gewonnen wird und dieser im Gegenzug zur Einräumung einer Gesellschafterstellung in der dann gemeinsam betriebenen Netzgesellschaft das Stromnetz in dieses Netzunternehmen einbringt.53 Hierdurch besteht die zunächst kommunale Netzgesellschaft fort, wird jedoch um einen Gesellschafter erweitert. Es stellt sich jedoch die berechtigte Frage, warum ein Dritter sich in dieser Form in eine kommunale Gesellschaft einbeziehen lassen sollte. Besonders wahrscheinlich erscheint dieser Fall in der Praxis dann, wenn die Gemeinde mit ihrem (re)kommunalisierten Netzunternehmen bereits im Rahmen der Konzes sionsvergabe die Stromkonzession erhalten hat und deswegen die Übereignung des Netzes gegen angemessene wirtschaftliche Vergütung vom alten Netzbetreiber nach § 46 Abs. 2 EnWG verlangen kann bzw. eben dieses Szenario schon vor Eintritt in das Konzessionsverfahren vom Altkonzessionär für wahrscheinlich gehalten wird. Obsiegt die Gemeinde im Verfahren oder erscheint dies wahrscheinlich, so wird der Altkonzessionär für die Zukunft aus seiner Stellung als Netzbetreiber verdrängt haben. Der alte Netzbetreiber könnte sich durch den vorstehend beschriebenen eigentumsrechtlichen Zusammenschluss aber zumindest teilweise die Stromkonzession und den Netzbetrieb erhalten, allerdings zu dem Preis, dass er dann nicht auch Schneider/Theobald-Theobald, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 1 Rn. 157. 53 So
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mehr alleinig Einfluss auf das Netzgeschäft ausüben kann und auch keine angemessene wirtschaftliche Vergütung für das Netz erhält. Der Reiz dieser Beteiligungsform besteht für die Gemeinde nämlich gerade darin, dass regelmäßig ein echter Erwerbsvorgang des Netzes für die Gemeinde bzw. das (re)kommunalisierte Netzunternehmen und damit auch die Frage nach der Finanzierung des Netzrückkaufes entfällt.54 Im Gegenzug zu dem eigentlich zu entrichtenden Netzkaufpreis wird dem Partner die Stellung als Gesellschafter in der kommunalen Netzgesellschaft eingeräumt und dieser so an der (re)kommunalisierten Netzgesellschaft beteiligt. Dadurch verliert aber auch die Gemeinde den ausschließlichen Einfluss auf die Geschicke der Netzgesellschaft. In der Praxis ist eine solche Beteiligung eines Partners sicherlich nur dann zu erwarten, wenn die Gemeinde bereit ist, dem Partner mindestens eine gleichwertige Gesellschafterstellung einzuräumen, da ansonsten trotz Konzession bei der kommunalen Netzgesellschaft das Einbringen des Netzes in diese Gesellschaft (ohne zusätzliche Vergütung) wenig wirtschaftlich reizvoll für den Altkonzessionär wäre. cc) Gesellschaftsrechtliche Beteiligung Die Gemeinde kann sich aber auch zu einer Partnerlösung dergestalt entscheiden, dass sie sich lediglich anteilig an der Netzgesellschaft des (Alt)Konzessionärs beteiligt.55 Auf diese Weise kann die Gemeinde ggf. auch schon vor der eigentlichen Konzessionsvergabe in das Netzgeschäft einsteigen. Ein Dritter, bspw. der bisherige (private) Netzbetreiber, wird in der Regel zunächst ein Interesse daran haben, das Netz erneut, ohne gemeindlichen Einfluss, (alleine) zu betreiben. Erkennt er jedoch am Horizont den Willen der Gemeinde, das Netz zu (re)kommunalisieren, so könnte es aus strategischen (bzw. rein praktischen) Gründen sinnvoll sein, die Gemeinde im Rahmen einer Beteiligung an der eigenen Netzgesellschaft zu einem kooperativen Vorgehen zu bewegen. Aber auch für eine Gemeinde, die (re)kommunalisieren möchte, bietet die Beteiligung an einem Dritten die Möglichkeit, ohne Schaffung eigener organisatorischer und gesellschaftsrechtlicher Strukturen am Netzbetrieb beteiligt zu werden. Dies gilt möglicherweise auch bereits, bevor die Stromkonzessionen auslaufen, also im Laufe des 54 Schneider/Theobald-Theobald, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 1 Rn. 157. 55 So auch Kermel-Arnold, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 21 ff., die zur „Gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an den Marktrollen des Netzeigentümers und des Netzbetreibers (‚Netzbetreiber-Modell‘)“ ausführen.
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Netzbetriebs und der Laufzeit des Konzessionsvertrages. Auf diese Weise kann die Gemeinde unabhängig von der Dauer des Konzessionsvertrages im Netzbetrieb aktiv werden. Eine solche gesellschaftsrechtliche Beteiligung der Gemeinde ist im Rahmen eines Anteilskaufs am Unternehmen des Dritten denkbar. Durch die anteilige Beteiligung ist die Gemeinde finanziell in einem kleineren Rahmen involviert als etwa bei einer vollständigen Übernahme des Netzes, bei dem sie an den vorherigen Netzbetreiber eine wirtschaftlich angemessene Vergütung für das Stromnetz im Gegenzug zu dessen Übereignung gem. § 46 Abs. 2 EnWG zu entrichten hätte. Bei der Beteiligung an einem Partner, der die Konzession für den Netzbetrieb hält, ist von Seiten der Gemeinde genau darauf zu achten, an welcher Gesellschaft des Partners sie sich beteiligt und welche Konditionen sie hierfür aushandelt. Oftmals haben die Gemeinden als Gegenleistung für ihre Beteiligung eine Garantiedividende im Sinn, die sie an den Erträgen des Netzbetriebes beteiligt.56 Allerdings muss die Gesellschaft, die das Netz bewirtschaftet und die hiermit möglicherweise verbundenen Gewinne erwirtschaftet, nicht zwingend auch der Eigentümer des Netzes sein. Beteiligt sich die Gemeinde an der Netzeigentümergesellschaft, laufen etwaige Dividendenerwartungen in Bezug auf die Netzbewirtschaftung ins Leere, wenn das Netz von einer anderen Gesellschaft, beauftragt durch den Netzeigentümer, betrieben wird. Insofern bedarf es in jedem Einzelfall einer genauen Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen, ehe eine Beteiligung, bspw. durch Anteilskauf, seitens der Gemeinde an einem Partner begründet wird. Aber auch die Beteiligung eines strategischen Partners oder einer anderen Gemeinde an einem gemeindlichen Unternehmen (also der umgekehrte Fall) ist eine Partnerschaftsform, die zum Zwecke der (Re)Kommunalisierung denkbar ist. Eine solche Beteiligung ist in der Praxis auch keine unbekannte. So sind etwa E.ON, RWE und EnBW bzw. deren Töchter mit z. T. Unter 50 % aber auch mit annähernd 100 % an gemeindlichen Unternehmen beteiligt.57 Insofern kann die Gemeinde nach Neugründung einer kommunalen Netzgesellschaft auch aktiv andere private Gesellschaften oder Gemeinden zwecks gesellschaftsrechtlicher Beteiligung am (re)kommunalisierten Unternehmen ansprechen und versuchen zu gewinnen. Eine solche gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einer kommunalen Gesellschaft etwa durch Anteilskauf stellt damit ebenfalls eine mögliche Partnerlösung dar.
56 Hierzu
in § 8 III.
Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 1 Rn. 153; Säcker/Boesche, BB 2001, 2329 (2329). 57 Schneider/Theobald-Theobald,
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dd) Schuldrechtliche Kooperationsmöglichkeiten Die Gemeinde kann sich jedoch auch dazu entscheiden, lediglich schuldrechtlich mit einem Partner zu kooperieren, d. h. ohne dabei die rechtliche und wirtschaftliche Eigenständigkeit ihrer (re)kommunalisierten Netzgesellschaft58 aufzugeben.59 Insofern steht vor der Umsetzung der nachfolgend dargestellten schuldrechtlichen Kooperationsmöglichkeiten zwingend die Gründung einer eigenen (re)kommunalisierten Netzgesellschaft nach einem der vorstehend dargestellten Modelle. Nur wenn das (re)kommunalisierte Netzunternehmen Inhaber der Stromkonzession wird, ist eine Kooperation durch schuldrechtliche Einbeziehung eines Partners sinnvoll. Nachdem eine Gemeinde erfolgreich eine eigene Netzgesellschaft gegründet hat, stellt sich jedoch die Frage, warum sie einen Dritten schuldrechtlich in den Netzbetrieb einbeziehen sollte. Hierfür sind verschiedene Gründe denkbar. Zum einen kann dies aus finanziellen Erwägungen zwecks Querfinanzierung von Kosten (hierzu nachstehend ausführlicher) sinnvoll sein, zum anderen ist eine Gemeinde, die das Netz jahre- oder gar jahrzehntelang nicht betrieben hat, mutmaßlich auf das Know-how eines erfahrenen Partners angewiesen. Dabei sind möglicherweise vor allem kleinere Gemeinden mit der Erfüllung der komplexen Anforderungen und Aufgaben des Netzbetriebes überfordert.60 Auch deswegen bietet sich möglicherweise eine schuldrechtliche Kooperation an. Um diese Kooperationsmöglichkeiten beispielhaft zu erläutern, wird nachfolgend eine schuldrechtliche Kooperation durch Abschluss eines Pachtvertrages (nachfolgend Pachtmodell) und eine schuldrechtliche Kooperation durch Abschluss eines Dienstleistungsvertrages (nachfolgend Dienstleistungsmodell) unter der Annahme dargestellt, dass auf diese Weise ein privater Partner, etwa der alte Netzbetreiber, als strategischer Partner einbezogen wird. (1) Pachtmodell Das Pachtmodell entstammt der Praxis zur Umsetzung der Entflechtungsvorgaben aus §§ 6 ff. EnWG und damit der unbundlingkonformen Netzorganisation.61 Es wurde von vielen vertikal integrierten Energieversorgungsun58 In
welchen Modellen dies möglich ist, siehe vorstehend § 8 I. auch Kermel-Arnold, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 8 ff., die dies als „Kooperationsmodell“ bezeichnen und hierunter aber nur das nachfolgend dargestellt Pachtmodell fassen. 60 Hierauf hinweisend auch: Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (437). 61 Hierzu m. w. N.: Staudinger-Schaub, BGB, Buch 2 (Sept. 2012), § 581 Rn. 101. 59 So
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ternehmen genutzt, um das Netz an eine Tochtergesellschaft zu verpachten, allerdings im Eigentum des Netzes sowie der Erzeugung und des Vertriebs zu bleiben und dabei dennoch die Entflechtungsvorgaben zu erfüllen.62 Dieses Modell könnte aber auch im Rahmen von (Re)Kommunalisierungsbestrebungen der Gemeinden nutzbar gemacht werden. Erhält das (re)kommunalisierte Netzunternehmen die Stromkonzession, so kann dieses das Netz zunächst selbst übernehmen, aber dann im Wege der Pacht das Netz und die dazugehörigen Anlagen63 an einen Netzbetreiber, ggf. sogar den Altkonzessionär als Partner gem. §§ 581 ff. BGB verpachten.64 Auf diese Weise wird zwar zunächst der volle Vergütungspreis für das Netz von der Gemeinde an den Altkonzessionär i. R.d. § 46 Abs. 2 EnWG im Gegenzug zur Eigentumsübertragung fällig. Durch den Pachtvertrag mit einem Dritten als Netzbetreiber können aber Einnahmen aus dem Pachtzins erzielt werden,65 die der Gemeinde Refinanzierungsmöglichkeiten bieten. Das Netz verbleibt im Rahmen des Pachtmodells im Eigentum des (re)kommunalisierten Netzunternehmens (also im Eigentum der Gemeinde); lediglich die Nutzung und Fruchtziehung in Bezug auf das Netz und die Netzanlagen werden gegen Entgelt auf den Pächter übertragen, § 581 Abs. 1 BGB.66 In der Regel wird ein solcher Pachtvertrag67 für eine bestimmte Laufzeit von nicht unter drei Jahren geschlossen.68 Einen kritischen Punkt im Rahmen des Pachtvertrages stellen die Regelungen im Hinblick auf die Unterhaltungspflichten und Investitionen in das Netz dar (§ 582 BGB).69 Denkbar ist der 62 Kritisch Mückl, RdE 2013, 68 (68 u. 69); ausführlich zum Pachtmodell zur Umsetzung der Unbundlingvorschriften: Lieder/Ziermann, RdE 2006, 217 (217 ff.); hierzu auch Rasbach, Unbundling-Regulierung in der Energiewirtschaft (2009), S. 156 f. 63 Nicht zu verwechseln mit einem Betriebspachtvertrag, nach § 292 Abs. 1 Nr. 3, III AktG, hierzu Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 144. 64 Hierzu im Rahmen des Unbundlings: Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 18. 65 So auch Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 18. 66 So auch PricewaterhouseCoopers-Gräf/Funke, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), Kap. 3, S. 39; Kermel-Arnold, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 10; auch dargestellt und veranschaulicht: DStGB, Auslaufende Konzessionsverträge, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV (06/2010), S. 11. 67 Zur Rechtsnatur des Netzpachtvertrages: Lieder/Ziermann, RdE 2006, 217 (218). 68 BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze (1.3.2006), S. 13, Fn. 14; Baur/ Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 19; kritisch Lieder/Ziermann, RdE 2006, 217 (219). 69 Hierzu auch Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 19.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Abschluss von Investitionsregelungen hinsichtlich der Netzinstandhaltungskosten, in denen entsprechend der wirtschaftliche Fähigkeiten und Bedürfnisse der Beteiligten festgelegt wird, welche Kosten vom Eigentümer und welche vom Pächter zu tragen sind.70 Regulierungsobjekt insbesondere der Anreizregulierung bleibt dann nicht die Gemeinde, sondern wird durch das Pachtmodell der Pächter. Dieses Modell kann für die Gemeinde die Möglichkeit eines Zwischenschritts hin zur vollständigen (Re)Kommunalisierung bieten; denn nach Ablauf des Pachtvertrages kann sie selbst als Eigentümerin des Netzes den Netzbetrieb übernehmen.71 Auch für den Fall, dass sich die politischen Rahmenbedingungen ändern sollten, ermöglicht das Pachtmodell eine einfachere Auflösung der Partnerschaft.72 Zunächst kann die Gemeinde sich aber mit dem Pachtmodell Pachteinnahme zur Querfinanzierung des Netzkaufpreises sichern, den Netzbetrieb über- und dann weitergeben, ohne die Risiken des Netzbetriebes tragen zu müssen.73 (2) Dienstleistungsmodell Ergänzend zum Pachtmodell (so in der Praxis üblich)74, aber auch unabhängig davon, könnte die Gemeinde einen Partner auch über das sog. Dienstleistungsmodell in den Netzbetrieb einbeziehen. Grundsätzlich geht es bei diesem Modell darum, dass die Gemeinde Dienstleistungen, die im Rahmen des Netzbetriebes üblicherweise anfallen, an einen Dritten überträgt. Üblicherweise sind dies die technischen und kaufmännischen Dienstleistungen für die Betriebsführung der (ggf. verpachteten) Leitungen und Anlagen des Netzes.75 Im Rahmen dieser sog. Betriebsführungsverträge erbringt der Vertragspartner die geschuldeten Dienstleistungen und erhält von der (re)kommunalisierten Netzgesellschaft ein entsprechendes Dienstleistungsentgelt.76 Damit verbleibt das Netz im Eigentum und Besitz der 70 DStGB, Auslaufende Konzessionsverträge, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV (06/2010), S. 11; Lieder/Ziermann, RdE 2006, 217 (219) mit Darstellung einer beispielhaften Klausel für den Netzpachtvertrag. 71 DStGB, Auslaufende Konzessionsverträge, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV (06/2010), S. 11. 72 PricewaterhouseCoopers-Gräf/Funke, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), Kap. 3 S. 52. 73 DStGB, Auslaufende Konzessionsverträge, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV (06/2010), S. 11. 74 Vgl. Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 115 ff. 75 Mückl, RdE 2013, 69 (69); allg.: Byok/Graef/Faasch, NZBau 2012, 556 (556). 76 DStGB, Auslaufende Konzessionsverträge, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV (06/2010), S. 11; Byok/Graef/Faasch, NZBau 2012, 556 (556).
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Gemeinde und ein Dritter agiert als Dienstleister im Netzbetrieb. Die Netzgesellschaft hält sich hierdurch in Bezug auf ihre Mitarbeiter „schmal“. Sie wird in der Regel nur über sehr wenig eigenes Personal verfügen.77 Durch Umsetzung eines reinen Dienstleistungsmodells verbleibt aber auch die (re)kommunalisierte Netzgesellschaft als Objekt der Regulierung, insbesondere der Anreizregulierung, bei der Gemeinde bzw. dem (re)kommunalisierten Unternehmen.78 Auch verbleibt das unternehmerische Risiko bei der (re)kommunalisierten Netzgesellschaft, wenn dies auch durch eine qualifizierte Betriebsführung minimiert werden kann.79 ee) Gründung einer gemeinsamen Netzholding (Netzgemeinschaftsunternehmen) Ein anderes, etwas spezielleres Modell, kann der Zusammenschluss zweier oder mehrerer Netzgesellschaften durch Gründung einer gemeinsamen Netzholding als Dachgesellschaft sein. Für eine solche Partnerlösung bedarf es des Zwischenschritts, dass die Gemeinde zunächst mit einer eigenen kommunalen Netzgesellschaft im Konzessionsverfahren obsiegt und so Konzessionärin im Gemeindegebiet wird. In einem zweiten Schritt kann sich die Gemeinde mit anderen Netzgesellschaften in der Form zusammenschließen, dass sie gemeinsam eine Dachgesellschaft bzw. gemeinsame Holding gründet. Hierfür eignen sich als Partner insbesondere andere kommunale Netzgesellschaften, so dass insgesamt eine gemeinsame Netzgesellschaft kommunaler Netzgesellschaften entsteht.80 Ein Zusammenschluss ist aber auch mit privaten Netzgesellschaften möglich. Unter dem Dach dieser gemeinsamen Gesellschaft existieren die einzelnen Gesellschaften weiter und sind an der Dachgesellschaft als Gesellschafter beteiligt. Welche Aufgaben die Dachgesellschaft übernimmt, kann verschieden geregelt werden. Denkbar wäre etwa, dass die einzelnen Gesellschaften unter dem Dach der Holding, die im Besitz der Konzessionen für ihr jeweiliges Gemeindegebiet sind, diese Netze im Wege eines Pachtund / oder Dienstleistungsvertrages an die Dachgesellschaft sozusagen ab77 Mückl,
RdE 2013, 68 (69). Auslaufende Konzessionsverträge, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV (06/2010), S. 11. 79 DStGB, Auslaufende Konzessionsverträge, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV (06/2010), S. 11. 80 So etwa geplant gewesen im Münsterland, vgl. Entscheidung der VK Münster vom 8.6.2012 über die gemeinsame Netzgesellschaft MNG-GmbH & Co. KG, die von acht Münsterländer Gemeinden gegründet wurde, vgl. auch Byok/Graef/ Faasch, NZBau 2012, 556 (557). 78 DStGB,
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geben.81 Die vorstehenden Ausführungen zum Pacht- und Dienstleistungsmodell gelten in diesem Falle in gleicher Weise.82 Den einzelnen Netzgesellschaften verbliebe das Eigentum am Stromnetz, das operative Geschäft des Netzbetriebes würde indes von der Dachgesellschaft ausgeführt.83 Gemeinsame Querschnittsaufgaben, wie IT, Personal oder Buchhaltung können entweder unter den jeweiligen Netzgesellschaften verteilt werden (bspw. übernimmt eine Gesellschaft die Buchhaltung für die gemeinsame Netzgesellschaft, eine andere wickelt Personalangelegenheiten ab, eine weitere übernimmt die IT-Aufgaben) oder eine Netzgesellschaft oder die Dachgesellschaft kann mit diesen Querschnittsaufgaben beauftragt werden.84 Denkbar wäre indes auch, dass die einzelnen Netzgesellschaften ihre Netze in die Dachgesellschaft einbringen bzw. übertragen.85 Auch kann zusätzlich an der Dachgesellschaft ein strategischer Partner beteiligt werden.86 Denkbar wäre aber auch, dass die Dachgesellschaft nur mit übergreifenden Aufgaben betraut wird, die Netze aber innerhalb der jeweiligen kommunalen Gesellschaften verbleiben. ff) Netzkauf- und Netzgenossenschaft Eine andere Partnerlösung könnte indes aus Finanzierungsgründen für Gemeinden interessant sein. So könnten etwa die Bürger der Gemeinde selbst an der (Re)Kommunalisierung des Netzes beteiligt werden.87 Hierzu Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 348 ff.; so auch als 1. Alternative angedacht im Rahmen der vorstehend bereits erwähnten MNG-GmbH & Co. KG; Byok/Graef/Faasch, NZBau, 2012, 556 (557). 82 Vgl. § 8 II.3.c)gg). 83 Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 348 f. 84 Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 348 f. 85 So als 2. Alternative angedacht im Rahmen der vorstehend bereits erwähnten MNG-GmbH & Co. KG, vgl. Byok/Graef/Faasch, NZBau 2012, 556 (557). 86 So geplant von acht Münsterländer Gemeinden und dargelegt im Rahmen einer Entscheidung der VK Münster vom 8.6.2012 über die gemeinsame Netzgesellschaft MNG-GmbH & Co. KG, vgl. Byok/Graef/Faasch, NZBau 2012, 556 (557). 87 Erfolgreich ist dies durch die Netzkauf EWS eG gelungen, die 1997 das Stromnetz in Schönau übernommen haben und mittlerweile neun Strom- und zwei Gasnetze im ländlichen Südschwarzwald mit eigenen opertativen Unternehmen betreiben, hierzu unter: http://www.genossenschaften.de/netzkauf-ews-eg-sch-nau-imschwarzwald, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:45 Uhr sowie Geschäftsbericht für das Jahr 2011 der Netzkauf EWS eG, S. 8, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:47 Uhr, unter: http://www.ews-schoenau.de/fileadmin/content/documents/EWS/ Genossenschaft/Netzkauf_Geschaeftsbericht_2011_screen.pdf. 81 Theobald/Nill-Theobald,
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wäre etwa denkbar, dass sich Bürger im Rahmen einer Netzkaufgenossenschaft zusammen schließen.88 Mit der neu gegründeten Netzkaufgenossenschaft könnte dann durch die Beteiligung der Bürger an der Genossenschaft das Ziel verfolgt werden, das lokale Verteilernetz zurückzukaufen. In diesem Falle würden die Bürger durch den Erwerb von Genossenschaftsanteilen einen eigenen finanziellen Beitrag zum Rückerwerb des Netzes leisten. Zum einen ist dabei denkbar, dass diese Netzkaufgenossenschaft selbst nicht nur die Finanzierung des Netzkaufes verfolgt, sondern sich auch um den Erhalt der Konzession bemüht.89 In aller Regel wird man aber davon ausgehen müssen, dass die Bürger einer Gemeinde im Rahmen einer Netzkaufgenossenschaft nicht den gesamten Netzkaufpreis werden stellen können. In diesem Falle könnte sie für die Gemeinde aber ein hilfreicher Partner für die eigene (Re)Kommunalisierung und in diesem Zusammenhang für die Finanzierung des Netzkaufpreises sein. Im Gegenzug zur Unterstützung der Gemeinde bei der Finanzierung des Netzkaufs kann die Netzkaufgenossenschaft durch Einräumung einer Gesellschafterstellung an der Netzgesellschaft beteiligt und so der Einfluss der Bürger über die Beteiligung ihrer Genossenschaft am Netzbetrieb gesichert werden. Auch könnte von vornherein eine Netzgenossenschaft gegründet werden, an der sich die Gemeinde und die Gemeindebürger beteiligen können, die dann an dem Verfahren um die Konzessionsvergabe teilnimmt. 3. Zusammenfassung und Vereinbarkeit mit Zielen der (Re)Kommunalisierung Der Gemeinde stehen für ihr (Re)Kommunalisierungsvorhaben zahlreiche (Re)Kommunalisierungsmodelle zur Verfügung. Welches Modell sich für die jeweilige Gemeinde am besten zur Realisierung ihrer (Re)Kommunalisierungsvorhaben eignet, hängt vom jeweiligen Einzelfall, den finanziellen Gegebenheiten vor Ort und dem politischen Willen sowie den mit der (Re)Kommunalisierung verfolgten Zielen ab. Nachfolgend sollen insbesondere die mit der (Re)Kommunalisierung verfolgten Ziele deswegen erneut betrachtet werden, da hieraus Schlussfolgerungen für hierfür geeignete Mo delle gezogen werden können. Wie bereits in § 4 dargestellt, verfolgen die Gemeinden mit der (Re)Kommunalisierung finanzielle [§ 4 I.], wirtschaftspolitische [§ 4 II.], sicherheitsspezifische [§ 4 III.], ökologische [§ 4 V.] 88 So etwa geplant in Essen und Umgebung durch die Initative ENeRRgisch – EnergieNetzRheinRuhr Genossenschaft, hierzu unter: http://www.enerrgisch.net/ index.php, zuletzt abgerufen am 18.6.2013, 11:44 Uhr. 89 So etwa angestrebt von der Bürger Energie Berlin, hierzu unter: http://www. buerger-energie-berlin.de/der-weg, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:49 Uhr.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
sowie sozialpolitische [§ 4 IX.] Ziele. Darüber hinaus geht es vielen Gemeinden um politische Einflussnahme und Kontrolle [§ 4 IV.], das Vorantreiben einer demokratischen Dezentralisierung [§ 4 VI.], der Wiederent deckung der örtlichen Belange und lokaler Identität [§ 4 VII.], einen gemeinwohlorientierten Netzbetrieb [§ 4 VIII.] sowie die Verbesserung des Verbraucherschutzes und der Transparenz [§ 4 X.]. Will eine Gemeinde all’ diese Ziele mit einer (Re)Kommunalisierung verwirklichen (zumindest jedenfalls in unterschiedlicher Gewichtung), so ist zunächst eine (Re)Kommunalisierung in einem Stand-Alone-Modell vorzugswürdig. Würde eine Gemeinde einen Partner hinzunehmen, so würde sie in jedem Falle in Bezug auf die politische Einflussnahme und Kontrolle [vgl. § 4 IV.]. Einbußen hinnehmen müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich lediglich untergeordnet an einer bereits bestehenden Netzgesellschaft beteiligt ist [Partnerlösung in Form gesellschaftsrechtlicher Beteiligung, vgl. § 8 I.2.b)cc)] oder aber dieser Gesellschaft das operative Geschäft überlässt [Partnerlösung in Form schuldrechtlicher Kooperationsmöglichkeiten, vgl. § 8 I.2.b)dd)]. Auch die Gemeinwohlorientierung des Netzbetriebes [§ 4 VIII.] und die wirtschaftspolitischen Ziele [§ 4 II.], die für die (Re)Kommunalisierung angeführt werden, ließen sich nicht in der geforderten Form mit einer Partnerlösung unter Hinzunahme eines strategischen Partners umsetzen. Denn gerade gegen diese privaten Unternehmen richten sich vielfach die Ziele der (Re)Kommunalisierung, die, verkürzt gesagt, von einigen als Befreiungsschlag gegen die Vormachtstellung der großen privaten Netzbetreiber gesehen werden. Wollen die Gemeinden ihren so formulierten Zielen Rechnung tragen, ist es ein Widerspruch in sich, mit einem strategischen Partner eine Partnerlösung einzugehen. Sicherlich ist dies aber mit – vor allem – wirtschaftlichen und finanziellen Gründen, aber auch dem fehlenden Know-how auf Seiten vieler Gemeinden zu erklären. Dennoch: will eine Gemeinde wirklich die in § 4 dargestellten Ziele mit der (Re)Kommunalisierung der Netze verwirklichen, so sind eine Stand-Alone-Lösung oder aber eine Partnerlösung unter Beteiligung einer oder mehrerer anderer Gemeinden oder aber der Bürger der Gemeinde vorzugswürdig. Ein anderes Ergebnis würde die von den Gemeinden als Ziele der (Re)Kommunalisierung genannten Aspekte außer acht lassen. Die Gemeinden an den für die (Re)Kommunalisierung genannten Ziele in Reinform festzuhalten, bedeutet daher den Ausschluss von Privaten als potentiellen Partnern. Ist eine (Re)Kommunalisierung für die jeweilige Gemeinde unter diesen Vorzeichen nicht realisierbar, so müssen entweder die Ziele der (Re)Kommunalisierung in der politischen Diskus sion angepasst oder aber die (Re)Kommunalisierungsvorhaben aufgegeben werden. In jedem Falle sollte eine saubere Entscheidung auf sauberer Grundlage getroffen werden.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen473
Für die nachfolgenden Betrachtungen wird mit Blick auf die für eine (Re)Kommunalisierung geeigneten Modelle davon ausgegangen, dass im Sinne der Ziele zunächst eine Stand-Alone-Lösung oder Partnerlösung mit anderen Gemeinden oder den Bürgern der Gemeinde vorzugswürdig ist. Da jedoch aus finanziellen und praktischen Gründen bereits jetzt zahlreiche (Re)Kommunalisierungsvorhaben durch Einbezug privater Partner realisiert werden, wird auch dies in den nachfolgenden Betrachtungen berücksichtigt, obwohl diese Partnerschaften mit den vorstehend dargestellten Zielen der (Re)Kommunalisierung eigentlich größtenteils unvereinbar sind.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen Bei der Umsetzung der vorgenannten Modelllösungen ist der rechtliche Rahmen, innerhalb derer sich die Modelle bewegen müssen, von besonderer Bedeutung. Die rechtlich zulässigen Organisationsformen und die Frage danach, ob die Gemeinden bei der Realisierung ihrer (Re)Kommunalisierungsvorhaben überhaupt die Wahl haben zwischen verschiedenen Organisationsformen, gilt es daher nachstehend zu beleuchten. Die gemeindliche Organisationsentscheidung ist dabei maßgeblich durch das GG, insbesondere die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gem. Art. 28 Abs. 2 GG, das Demokratie- sowie Rechtsstaatsprinzip, Vorgaben in den Gemeindeordnungen, gesellschaftsrechtliche und nicht zuletzt regulierungsrechtliche Vorgaben geprägt und eingeschränkt. 1. Grundgesetzliche Anforderungen an die Ausgestaltung der (re)kommunalisierten Netzgesellschaft Die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze durch die Gemeinden stellt eine spezifische Form des staatlichen Handelns dar. Daher ist die Realisierung der (Re)Kommunalisierungsmodelle an grundgesetzliche Vorgaben gebunden, die sich vor allem aus Art. 28 Abs. 2 GG sowie dem Demokratieund Rechtsstaatsprinzip ergeben. a) Vorgaben aus Art. 28 Abs. 2 GG Art. 28 Abs. 2 GG sichert den Gemeinden die kommunale Selbstverwaltungsgarantie. Hieraus sind die Gemeinden befugt, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie bildet damit für jede Realisierung von (Re)Kommunalisierungs bestrebungen zunächst den Ausgangspunkt. Bezüglich der Umsetzung der (Re)Kommunalisierungsmodelle durch Organisationsformen sowie deren
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
-wahl liefert Art. 28 Abs. 2 GG hierfür zwei wesentliche Aspekte: die Organisa tionshoheit und Wahlfreiheit sowie die Kooperationshoheit der Gemeinden. aa) Organisationshoheit und Wahlfreiheit der Gemeinden Die Gemeinden haben aus Art. 28 Abs. 2 GG die sog. Organisationshoheit und damit die Befugnis, ihre Angelegenheiten in eigener Verwaltungsorganisation und nach eigenem Ermessen zu organisieren.90 Die Organisationshoheit der Gemeinden umfasst dabei auch die sog. Wahlfreiheit der Gemeinden, d. h. das Recht der Gemeinden zu entscheiden, ob sie durch öffentlich-rechtliche oder durch privatrechtliche Organisationsform91 tätig werden wollen.92 Dabei steht es den Gemeinden auch grundsätzlich frei, sich an anderen Unternehmen i. R.d. gesetzlichen Vorgaben der GemO zu beteiligen. Die Ausübung dieser Organisationsentscheidung obliegt der Gemeindevertretung als unmittelbar demokratisch legitimierter Instanz.93 Allerdings wird gegen eine völlig freie Wahl der Rechtsform auch Widerspruch erhoben. Grundsätzlich bestünde zwar die Möglichkeit auch privatrechtliche Organisationsformen zu wählen, allerdings sei die Verwaltung bei der Ausübung ihres Organisationsermessens daran gebunden, dass sie nur nachrangig oder in begrenztem Umfang den speziell für ihre Betätigung errichteten öffentlich-rechtlichen Organisationsformen entfliehen dürfe.94 Eine derartig generelle Einschränkung widerspricht jedoch praktischen Notwendigkeiten. Ein grundsätzlicher Vorrang ist wenig sinnvoll und nicht begründbar, wenn eine private Organisationsform messbare Vorteile gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform bietet.95 Möchte sich eine Gemeinde beispielsweise die Beteiligung eines privaten Partners 90 Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (457 u 463); Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem, Verwaltungsorganisations-recht als Steuerungsressource,1. (1997), S. 103, 111 f. 91 Vgl. § 8 II.2. 92 Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2561); Brüning, Verwaltungs-Archiv 100 (2009), 453 (457); Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischtwirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 76 und 82; Erichsen, S. 13; Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 11 f.; Stober NJW 1984, 449 (450). 93 Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (463). 94 Grundlegend: Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform (1984), S. 374 ff.; Ehlers, DÖV 1986, 897 (903). 95 Im Ergebnis ebenso: Hoppe/Uechritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 11, mit dem Hinweis darauf, dass sich die restriktive Beurteilung nicht habe durchsetzen können.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen475
grundsätzlich offen halten oder ihn aber von Anfang an beteiligen, so ist einzig eine privatrechtliche Organisationsform sinnvoll und möglich. Insofern ist den Gemeinden grundsätzlich eine freie Wahl zwischen öffentlichrechtlichen wie privaten Organisationsformen zuzugestehen, was heute auch allgemein anerkannt ist.96 Die Wahlfreiheit der Gemeinden bzgl. ihrer Organisationsentscheidung ist jedoch ebenfalls nur „im Rahmen der Gesetze“ gem. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gegeben. Daher können sich aus dem einfachen Recht und den Fachgesetzen Einschränkungen und Grenzen der Organisationshoheit der Gemeinden ergeben.97 Diese gilt es insbesondere mit Blick auf das Gesellschafts- und Kommunalrecht sowie regulierungsrechtliche Anforderungen nachstehend noch näher zu beleuchten. bb) Kooperationshoheit zwischen den Gemeinden Die Freiheit, Kooperationen abzuschließen, ist Bestandteil der sog. Eigenverantwortlichkeitsgarantie und wird teilweise als Unterpunkt der Organisationshoheit angesehen.98 Hieraus folgt, dass die Gemeinden frei entscheiden können, ob und wenn ja mit welchen anderen Gemeinden sie kooperieren wollen.99 Hierdurch kann in zulässiger Weise die örtliche Begrenzung100 des kommunalen wirtschaftlichen Handelns gem. Art. 28 Abs. 2 GG erweitert werden. Dabei sind Formen der kommunalen Zusammenarbeit zum Zwecke der gemeinsamen Aufgabenerledigung möglich und zulässig.101 Die Kooperationshoheit wird jedoch nur im Kontext von Kooperation zwischen Gemeinden, also für die sog. interkommunale Zusammenarbeit, verwendet.102
96 Statt vieler: Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2561); Raiser, ZGR 1996, 458 (470). 97 Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (465). 98 Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen, 2010, S. 81; Maunz/Dürig-Mehde, GG,67. EGL (Nov. 2012), Art. 28 Abs. 2 GG Rn. 72. 99 Burgi, Neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen, 2010, S. 81. 100 Vgl. § 6 IV.2.b)cc). 101 Scharpf, NVwZ 2005, 148 (149). 102 BVerwG, Urt. v. 27.11.1986, 2 BvR 1241/82, NVwZ 1987, 123 (123); Gern, Deutsches Kommunalrecht,3. (2003), Rn. 174; Maunz/Dürig-Mehde,67. EGL (Nov. 2012), Art. 28 Abs. 2 GG Rn. 72.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
cc) Zusammenarbeit mit Privaten aufgrund finanzieller Eigenverantwortung der Gemeinden Aus Art. 28 Abs. 2 S. 3 HS 1 GG folgt die finanzielle Eigenverantwortung der Gemeinden und damit die grundsätzliche Anerkennung der kommunalen Finanzhoheit, aus der wiederum das Recht der Gemeinden zur eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft gefolgert wird.103 Hierauf gestützt104 ist allgemein anerkannt, dass den Gemeinden auch die Entscheidungsfreiheit darüber zusteht, ob und, wenn ja, wie sie mit einem privaten Akteur in wirtschaftlicher und damit finanzieller Weise kooperieren.105 Auch die Kooperation mit Privaten ist daher i. R.d. Art. 28 GG geschützt. b) Vorgaben aus dem Demokratieprinzip Neben Art. 28 Abs. 2 GG ist aber auch das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip bei der Organisationsform und -wahl zu beachten. Aus dem Gebot der demokratischen Legitimation, welches sich aus Art. 20 Abs. 2 GG ableiten lässt106 und der „Funktion der Selbstverwaltung als Modus bürgerschaftlicher Teilnahme an der Staatsgewalt“,107 ergeben sich Konsequenzen für die Organisationsgestaltung.108 Denn auch in Form eines öffentlichen oder gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens stellt die (re)kommunalisierte Netzgesellschaft nach wie vor eine „lediglich rechtstechnisch abgesonderte Erscheinungsformen der Verwaltung“ dar.109 Hieraus folgt, dass die (hinter 103 Fast wörtlich so auch Battis/Kersten, LKV 2006, 442 (445); fast wörtlich ebenfalls: NWVerfGH, Beschl. v. 13.1.2004, 16/02, DÖV 2004, 662 (662); Gern, Deutsches Kommunalrecht,3. (2003), Rn. 658 ff. 104 Teilweise wird dies auch bereits aus der Organisationshoheit der Gemeinden gefolgert, vgl. Tettinger, NWVBl. 2005, 1 (5); hierauf hinweisend auch: Battis/Kersten, LKV 2006, 442 (445). 105 Battis/Kersten, LKV 2006, 442 (445); Terwiesch-Nonnig/Gralla, Handbuch des Fachanwalts Verwaltungsrecht,2. (2012), Kap. 36, Rn. 31 ff.; Gern, Deutsches Kommunalrecht,3. (2003), Rn. 727. 106 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1995, 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574 (575); BVerfG, Beschl. v. 5.12.2002, 2 BvL 5/98 u. a., NVwZ 2003, 974 (974 f.); Brüning, Verw Arch 100 (2009), 453 (464); Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 182; Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 61. 107 Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (464). 108 Nach anderer Ansicht ergibt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG das Gebot demokratischen Einflusses, vgl. Wieland/Hellermann, DVBl. 1996, 401 (407). 109 Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 61.
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diesem Unternehmen stehende) Gemeinde wegen des Demokratieprinzips nach wie vor in der Lage sein muss, das Unternehmen in der gewählten Organisationsform zu steuern und zu kontrollieren.110 Damit ist nicht gesagt, dass eigenverantwortliche Entscheidungsspielräume der Unternehmensleitung des (re)kommunalisierten Unternehmens ausgeschlossen sind; allerdings dürfen die Gemeinden in grundlegenden Angelegenheiten nicht außen vor gelassen und jedenfalls darf ihr Letztentscheidungsrecht in diesen Fällen nicht durch die Form der Organisation des (re)kommunalisierten Netzunternehmens ausgeschlossen werden.111 Näheres bestimmen die Gemeindeordnungen [siehe nachfolgend § 8 II.2.]. Diese Anforderungen an die Organisationsform können im Einzelfall zu schwierigen Konflikten führen, insbesondere, wenn die Gemeinde eine privatrechtliche Organisationsform wählt, so etwa, wenn die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben (etwa bei der Aktiengesellschaft) ein derartiges Einwirken auf die Unternehmensleitung ausschließen112 oder aber die Einflussnahme nicht mit den Entflechtungsvorgaben des EnWG vereinbar sind.113 Dieser Zwiespalt geht für Gersdorf sogar so weit, dass er formuliert: „Die öffentliche Hand ist kein guter Unternehmer, weil sie den Klotz des Demokratieprinzips mit seinem zur Unwirtschaftlichkeit der Gesellschaft führenden ‚Gängelungsanspruch‘ am Bein hat; der Staat als guter Unternehmer steht mit dem Demokratieprinzip auf Kriegsfuß, weil der Gewinn an Wirtschaftlichkeit nur zum Preis des Verlustes demokratischer Legitimation der Gesellschaft erkauft werden kann.“114 Hieraus folgert er sodann: „[…] so bedeutet dieses strukturelle Dilemma, dass es prinzipiell keine mit der Verfassung in Einklang zu bringende unternehmerische Betätigung des Staates und der Kommunen gibt.“115 Diese Schlussfolgerung ist jedoch zu Recht auf Widerspruch gestoßen.116 Die aus dem Demokratieprinzip folgenden Anforderungen und Bedingungen müssen vielmehr in adäquater Form bedacht 110 Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 61. 111 Püttner DVBl. 1975, 353 (353 ff., insbesondere 356); Wurzel/Schraml/Becker-Ehlers, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), B. Rn. 61. 112 Hierzu nachfolgend in § 8 II.3.a). 113 Hierzu nachfolgend in § 8 II.3.a). 114 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratieund Wirtschaftlichkeitsprinzip (2000), S. 489; ählich auch: Hoppe/Uechritz/ReckHellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 5. 115 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratieund Wirtschaftlichkeitsprinzip (2000), S. 489. 116 Hellermann, in: Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung (2001), S. 19 (28 f.); Hoppe/Uechritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 5; Löwer, VVDStRL 60 (2001), 416 (433 ff.).
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und berücksichtigt werden, und zwar insbesondere bei der Wahl der Organisationsform.117 Dass insofern auch eine Modifikation der Anforderungen an die demokratische Legitimation bei kommunaler Betätigung notwendig ist, macht auch schon das BVerfG in einer Entscheidung deutlich,118 in der es gerade mit Blick auf die kommunale Selbstverwaltung eine lückenlose personelle Legitimationskette vom Volke zu den Entscheidungsträgern nicht für zwingend erachtet.119 Dabei stehen sich die wirtschaftliche Effizienz und unternehmerische Selbstständigkeit der notwendigen politischen Kontrolle durch die Gemeindegremien einerseits und die demokratische Steuerung des Unternehmens durch Vertreter der Gemeinde andererseits gegenüber.120 Daneben ist auch der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Grundsatz der funktionsgerechten Organisationsstruktur zu beachten.121 Danach soll die Exekutive in einer Organisationsform operieren, die im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung effektiv und erfolgversprechend ist.122 Dies gilt es im Rahmen der Umsetzung des gewählten (Re)Kommunalisierungsmodells miteinander in Einklang zu bringen. 2. Gesellschafts- und kommunalrechtliche Würdigung möglicher Organisationsformen Grundsätzlich bieten sich für die Umsetzung der zuvor dargestellten (Re)Kommunalisierungsmodelle verschiedene Organisationsformen an. Wie zuvor dargestellt, obliegt den Gemeinden dabei grundsätzlich die freie Wahl zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Organisationsformen.123 Auch dem Europarecht und EnWG sind diesbezüglich für die Verteilernetzbetreiber keine Einschränkungen zu entnehmen.124 Die öffentlich117 So auch Hoppe/Uechritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 5; Löwer, VVDStRL 60 (2001), 416 (443 ff.). 118 BVerfG, Beschl. v. 5.12.2002, 2 BvL 5/98 u. a., NVwZ 2003, 974 (976 f. und Leitsatz 1). 119 Hierauf auch hinweisend: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 185. 120 So auch auch Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 5. 121 Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (464). 122 Brüning, VerwArch 100 (2009), 453 (464). 123 Vgl. § 8 II.1.a)aa). 124 Anders indes bei den Übertragungsnetzbetreibern, für die Art. 17 Abs. 3 RL 2009/72/EG i. V. m. Art. 1 1. Spiegelstrich RL 68/151/EWG vorsieht, dass nur die AG, KGaA und GmbH als Rechtsformen in Betracht kommen, hierzu auch:
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rechtlichen Organisationsformen sind in den Gemeindeordnungen der Länder näher bestimmt. In Bezug auf die Organisationsformen in Privatrechtsform ist das Gesellschaftsrecht mit seinen teilweise zwingenden Vorgaben zu beachten. Daher sind im Rahmen der Organisationsformen sowohl das Kommunal- als auch das Gesellschaftsrecht von Bedeutung. Nachfolgend werden diese Aspekte kurz dargestellt und es werden die Organisationsformen auf ihre Kompatibilität mit den vorgestellten Modellen hin analysiert. a) Öffentlich-rechtliche Organisationsformen Die öffentlich-rechtlichen Organisationsformen, die den Gemeinden zur Verfügung stehen, sind in den Gemeindeordnungen der Länder näher bestimmt und gehen noch auf deren gesetzliche Verankerung in der DGO zurück.125 Für die Umsetzung der (Re)Kommunalisierungsmodelle kommen dabei der Regiebetrieb, der Eigenbetrieb und die Anstalt des öffentlichen Rechts in Betracht.126 Ungeeignet sind demgegenüber die Stiftung des öffentlichen Rechts und die öffentlich-rechtliche Körperschaft. aa) Regie- und Eigenbetrieb Der Regiebetrieb als Urform der kommunalen Aufgabenwahrnehmung ist Teil der Kommunalverwaltung ohne rechtliche oder leitungs- und haushaltsmäßige Verselbstständigung.127 Er verfügt über keine eigenen Organe und unterliegt keinem speziellen Regelungsregime.128 Vielmehr unterliegt er als Teil der Kommunalverwaltung den allgemeinen Regelungen, die für die Kommunalverwaltung (insbesondere Haushalts- und Rechnungswesen) gelten.129 Diese Organisationsform eignet sich daher im Grunde nicht für die Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 153. 125 Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 141; ausführliche Darstellung hierzu in Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 22 ff. 126 Kurzer allgemeiner Überblick auch in Waller, „Neue Energie“ für die kommunale Selbstverwaltung (2013), S. 241. 127 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 77 f.; Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 30; Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 24. 128 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 24. 129 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 24.
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(Re)Kommunalisierung der Netze und wird auch nicht der Komplexität des Netzgeschäfts gerecht. Wenn überhaupt, so wäre sie nur im Rahmen einer Stand-Alone-Lösung (also nur dann, wenn die Gemeinde alleine (re)kommunalisieren will) denkbar und auch nur, wenn die Gemeinde lediglich im Netzbereich tätig werden will,130 da ansonsten ein Verstoß gegen die nachfolgend [vgl. § 8 II.3.a)] noch dargestellten Entflechtungsbestimmungen aus §§ 6 ff. EnWG vorläge. Anders als der Regiebetrieb ist der Eigenbetrieb eine Rechtsform, die gegenüber der Gemeinde als seinem Träger partiell verselbstständigt ist.131 Der Eigenbetrieb stellt ein kaufmännisch geführtes Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit dar.132 Hierdurch liegt jedoch zumindest eine teilweise Verselbstständigung vor, die unternehmerischer Gestaltung bedarf, mangels Rechtspersönlichkeit aber einem starken Einfluss der Gemeinde unterliegt.133 Auch der Eigenbetrieb ist rechtlich weiterhin Teil der Gemeinde.134 Dem Wesen nach handelt es sich um eine nichtrechtsfähige öffentlich-rechtliche Anstalt.135 Die Rechtsgrundlage zur Errichtung eines Eigenbetriebs findet sich in den jeweiligen Gemeindeordnungen136 oder in speziellen landesrechtlichen Eigenbetriebsgesetzen.137 Auch wenn der Eigenbetrieb teilweise verselbstständigt ist, kann mit Blick auf die Umsetzung der zuvor dargestellten (Re)Kommunalisierungsmodelle auf die vorstehend zum Regiebetrieb gemachten Ausführungen verwiesen werden. Auch ein Eigenbetrieb bietet sich – wenn überhaupt – nur für eine Stand-Alone-Lösung dergestalt an, dass einzig der Netzbetrieb in dieser Form betrieben wird. Die Beteiligung eines privaten Partners (also eine Partnerlösung) ist weder im Rahmen des Regie- noch des Eigenbetriebs möglich. 130 Hierzu auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 150 f. 131 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung1. (2012), S. 78 f.; Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 142. 132 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (12). 133 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 32–33, 50. 134 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 47. 135 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 34. 136 So etwa in § 127 GemO Hessen; § 76 KO Thüringen; § 140 Kommunalverfassung Niedersachsen. 137 Ausführlich hierzu: Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 34 ff.
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bb) Anstalt des öffentlichen Rechts Auch die Anstalt des öffentlichen Rechts kommt als Unternehmensform für eine (Re)Kommunalisierung in Betracht. Aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es einer gesetzlichen Regelung, die es gestattet, die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts als Rechtsform zur wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden zu wählen.138 Diese Regelung obliegt den Landesgesetzgebern, die dies im gemeindewirtschaftlichen Abschnitt der Gemeindeordnungen vorsehen können.139 Aufgrund dieser landesrechtlichen Regelungen finden sich hinsichtlich der Anstalt als Organisationsform einige Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern.140 Diese beginnen schon bei der Benennung dieser Rechtsform. So sehen etwa Bayern,141 Schleswig-Holstein142 und Mecklenburg-Vorpommern143 die Anstalt des öffentlichen Rechts in ihren Gemeindeordnungen unter dem Begriff des „Kommunalunternehmens“ vor.144 Unabhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Landesrechts verfügt die Anstalt des öffentlichen Rechts grundsätzlich über eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist rechtlich wie organisatorisch von der allgemeinen Verwaltung getrennt.145 Diese Rechtsform soll die Vorteile der Selbstständigkeit, größerer Unabhängigkeit und Flexibilität, die eigentlich für die privatrechtlichen Organisationsformen charakteristisch sind, mit öffentlichrechtlichen Vorzügen146 kombinieren.147 Sie bildet den Gegenpunkt zur 138 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 65. 139 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 65. 140 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 64 f. mit Beispielen zu den unterschiedlichen Regelungen. 141 Art. 89 Bayrische Gemeindeordnung. 142 § 106a GemO Schleswig-Holstein. 143 § 70 KV Mecklenburg-Vorpommern. 144 Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 178; Hoppe/ Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 64; Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (12). 145 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 81; Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 178. 146 Wie etwa Einstandspflicht der Gemeinde, zur Insolvenzfähigkeit von Anstalten des öffentlichen Rechts siehe bspw.: Nerlich/Römermann-Mönning, Insolvenzordnung,23. EGL (2012), § 12 Rn. 1 ff. 147 So fast wörtlich: Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Ma-
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mitgliedschaftlich organisierten Körperschaft des öffentlichen Rechts, stellt ebenso eine juristische Person dar, deren Anstaltsbenutzer jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf die Willensbildung der Anstalt haben.148 Dieser ist vielmehr dem Träger der Anstalt vorbehalten.149 Ihre Struktur bestimmt sich nach dem ihr zugrunde liegenden Gesetz.150 Soll eine Anstalt errichtet werden, bedarf es nach allen Gemeindeordnungen einer Anstaltssatzung.151 Diese Unternehmenssatzung muss Regelungen hinsichtlich des Namens und der Aufgaben des Unternehmens, der Anzahl der Vorstandsmitglieder und des Verwaltungsrates sowie der Höhe des Stammkapitals enthalten.152 Teilweise bedarf es zusätzlicher Bestimmungen hinsichtlich der Wirtschaftsführung, der Vermögensverwaltung und der Rechnungslegung.153 Die Anstalt des öffentlichen Rechts kann sich an anderen Unternehmen beteiligen, wenn die Unternehmenssatzung dies vorsieht und soweit dies dem Unternehmenszweck dient.154 Auch Über- und Unterordnungsstrukturen sind in engen Grenzen möglich. So kann eine Holding gegründet werden, wenn die Gemeinde selbst zunächst eine Anstalt des öffentlichen Rechts gründet und diese dann durch Unternehmenssatzung einer Holding unterstellt.155 Insofern bietet die Anstalt des öffentlichen Rechts die Möglichkeit die im Rahmen der Stand-Alone-Lösungen dargestellten Modelle zu realisieren und könnte bspw. auch in engen Grenzen für die Umsetzung des Holdingmodells verwendet werden. Damit ist sie von den öffentlichrechtlichen Organisationsformen die flexibelste. An der Anstalt des öffentlinagement, Frühjahr 2011, S. 6 (14); Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 179. 148 Statt vieler: Pencereci/Brandt, LKV 2008, 293 (294). 149 Pencereci/Brandt, LKV 2008, 293 (294). 150 Lübke, EuR Bei 2011, 99 (119). 151 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 70; Pencereci/Brandt, LKV 2008, 293 (295); Art. 89 Abs. 3 Satz 1 GO Bayern; § 86 a Abs. 2 S. 1 GO Rheinland-Pfalz; § 114a Abs. 2 S. 1 GO Nordrhein-Westfalen; § 2 AnstG LSA; § 106a Abs. 2 S. 1 GO Schleswig-Holstein; § 141 Abs. 3 KV Niedersachsen; § 70 Abs. 5 KV Mecklenburg-Vorpommern; § 76a Abs. 4 S. 1 KO Thüringen; § 126a Abs. 2 S. 1 GemO Hessen; § 94 Abs. 2 S. 1 KV Brandenburg. 152 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 70. 153 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 70. 154 Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 182; Hoppe/ Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 70 und Rn. 87; Pencereci/Brandt, LKV 2008, 293 (297); etwa; Art. 89 Abs. 1 S. 2 GemO Bayern; § 114 a Abs. 4 Satz 1 GemO Nordrhein-Westfalen; § 1 Abs. 1 S. 3 AnstG LSA; § 106a Abs. 1 S. 2 GO Schleswig-Holstein. 155 So Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 182.
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chen Rechts können sich allerdings keine privaten Partner beteiligen.156 Insofern scheidet sie für eine gemischt-wirtschaftliche Partnerlösung aus. Eine Anstalt bestehend aus mehreren Gemeinden ist zwar grundsätzlich denkbar und wird von einigen auch als wünschenswert bezeichnet,157 ist bislang indes nicht in die Gemeindeordnungen der Länder aufgenommen worden. b) Privatrechtliche Organisationsformen Grundsätzlich kann die Gemeinde (wie vorstehend beschrieben) auch privatrechtliche Organisationsformen zur Realisierung ihrer (Re)Kommunalisierungsmodelle wählen. Dabei ist zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften zu unterscheiden. Ehe auf die einzelnen Gesellschaftsformen näher eingegangen werden wird, werden zuvor die allgemeinen kommunalrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf privatrechtliche Organisationsformen dargestellt. Im Anschluss werden die privatrechtlichen Organisationsformen in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht kurz dargestellt und die jeweils spezifischen kommunalrechtlichen Rahmenbedingungen erläutert. aa) Allgemeine kommunalrechtliche Vorgaben Aus den grundgesetzlichen Vorgaben ist kein allgemeiner Vorrang öffentlicher-rechtlicher Organisationsformen vor privatrechtlichen herzuleiten [vgl. § 8 II.1.a)aa)]. Dennoch stellen viele Gemeindeordnungen an privatrechtliche Organisationsformen zusätzliche Anforderungen. So gebietet das Gemeindewirtschaftsrecht der Gemeindeordnungen158 i. d. R. eine Ausrichtung der Satzung, des Gesellschaftsvertrages oder des sonstigen Organisationsstatuts an dem verfolgten öffentlichen Zweck.159 Jedenfalls bestimmt das Gemeindewirtschaftsrecht, dass die Unternehmen so zu führen sind, dass der öffentliche Zweck erfüllt wird.160 Außerdem bestimmen einige Gemeindeordnungen 156 Pencereci/Brandt,
LKV 2008, 293 (295). LKV 2008, 293 (294 f.). 158 Vgl. etwa § 108 Abs. 1 Nr. 7 GemO Nordrhein-Westfalen; § 102 Abs. 3 GemO Schleswig-Holstein, der dies bei einer Beteiligung der Gemeinde (bzw. der Gemeinde mit anderen öffentlichen Stellen) von mehr als 75 % vorsieht; § 137 Abs. 1 Nr. 5 KV Niedersachsen; Art. 92 Abs. 1 Nr. 1 GemO Bayern; § 129 Abs. 1 Nr. 2 KVG Sachsen-Anhalt. 159 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 178; PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 30. 160 Vgl. etwa. § 75 Abs. 1 KV Mecklenburg-Vorpommern. 157 Pencereci/Brandt,
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darüber hinausgehende Anforderungen.161 So regeln bspw. § 108 Abs. 4 GemO Nordrhein-Westfalen und § 87 Abs. 3 Nr. 1 GemO Rheinland-Pfalz, dass die Gesellschafterversammlung auch für die in den Normen näher genannten Beschlussgegenstände (etwa Erwerb und Veräußerung von Unternehmen und Beteiligungen oder Abberufung des Geschäftsführers) zuständig sein muss.162 Des Weiteren bestimmen einige Gemeindeordnungen,163 dass ein Wirtschaftsplan aufgestellt werden muss und sich die Wirtschaftsführung des Unternehmens an einem i. d. R. fünfjährigen Finanzplan zu orientieren hat.164 Darüber hinaus enthalten die Gemeindeordnungen für die Wahl privatrechtlicher Organisationsformen die Vorgabe, dass diese nur gewählt werden dürfen, wenn die Haftung der Gemeinde auf einen ihre Leistungsfähigkeit berücksichtigenden Betrag begrenzt wird165 und die Gemeinde einen angemessenen Einfluss (gemessen an ihrem Beteiligungsverhältnis)166 auf die Gesellschaft erhält.167 Bei dieser angemessenen Einflussnahme der Gemeinde auf das Unternehmen stehen ihre Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten insbesondere auf einen etwaigen Aufsichtsrat, im Vordergrund. Dabei wird die Angemessenheit insbesondere dann gewahrt, wenn die Besetzung des Aufsichtsrats oder entsprechenden Überwachungsorgans die Anteilsverhältnisse der Beteiligung widerspiegelt.168 Unternehmen in Privatrechtsform dürfen von der Gemeinde nur gegründet werden, wenn die Haftung der Gemeinde auf einen bestimmten Betrag 161 Hierzu: Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 204 ff. 162 So auch PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 29. 163 So etwa § 122 Abs. 4 GemO Hessen bei 50 % unmittelbarer Beteiligung; § 73 Abs. 1 Nr. 1 KV Mecklenburg-Vorpommern; § 96 Abs. 1 Nr. 7 KV Brandenburg. 164 Mit weiteren Ausführungen hierzu: Wurzel/Schraml/Becker-Neutz, Rechts praxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 203. 165 Art. 92 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GemO Bayern; § 129 Abs. 1 Nr. 4 KVG SachsenAnhalt; § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 u. Nr. 5 KO Thüringen; § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GemO Nordrhein-Westfalen, § 87 Abs. 1 Nr. 4 GemO Rheinland-Pfalz; § 96 Abs. 1 Nr. 3 GemO Sachsen. 166 Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 197. 167 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung1. (2012), S. 279; Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 195 ff. 168 Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 197.
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begrenzt wird.169 Dies gilt ebenso für Beteiligungen an Unternehmen in Privatrechtsform.170 Dabei sind von den Gebot der Haftungsbegrenzung auch Einzahlungs- und Nachschusspflichten erfasst, die deshalb ebenfalls in ihrem Umfang begrenzt sein müssen.171 Auf formaler Seite ist darüber hinaus noch die Anzeigepflicht gegenüber der Kommunalaufsichtsbehörde und in Brandenburg gem. § 100 KV die Genehmigungspflicht bei Unternehmensgründung zu beachten.172 bb) Zu den einzelnen Gesellschaftsformen Diese vorstehenden allgemeinen kommunalrechtlichen Vorgaben müssen i. R.d. einzelnen Gesellschaftsformen berücksichtigt werden. Wie einfach dies möglich ist, hängt von der jeweiligen Gesellschaftsform ab. Das Gesellschaftsrecht sieht Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften zur Realisierung von wirtschaftlichen Vorhaben als juristische Personen vor. In der Praxis ist dabei die GmbH als Kapitalgesellschaft oft anzutreffen. Ergänzend dazu wurden die AG sowie die Genossenschaft dargestellt. Auch auf die Personengesellschaften, insbesondere die GmbH & Co. KG, wird eingegangen werden. (1) GmbH In der Praxis ist die GmbH die häufigste Organisationsform energiewirtschaftlicher Unternehmen in öffentlicher Hand.173 Rund 57 % der öffentlichen Unternehmen in Deutschland werden in der Rechtsform der GmbH geführt.174 169 PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 28, vgl. etwa: § 108 Abs. 1 Nr. 3 GemO Nordrhein-Westfalen. 170 PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 28. 171 Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 196. 172 Vgl. Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 223 ff.; dies gilt mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz, wo in der GemO die Verpflichtung zur Erstellung und Vorlage einer Vorteilsanalyse normiert ist, vgl. § 92 Abs. 1 GemO Rheinland-Pfalz, hierzu Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 190. 173 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 123. 174 Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (13).
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(a) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben Die GmbH verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit (§ 13 Abs. 1 GmbHG). Zentrale Vorteile der GmbH im Geschäftsverkehr sind die begrenzte Haftung, verhältnismäßig niedrige laufende Kosten und der verhältnismäßig geringe Gründungsaufwand.175 Die Haftung der Gesellschafter ist auf ihre Einlage begrenzt, wohingegen die Gesellschaft selbst gem. § 13 Abs. 2 GmbHG unbeschränkt mit dem gesamten Gesellschaftsvermögen haftet. Sie bietet darüber hinaus gegenüber den öffentlich-rechtlichen Organisationsformen beachtliche Freiheiten: Die Kreditbeschaffung erfolgt ohne Bindung an das kommunale Haushaltsrechts und an die Genehmigung der Aufsichtsbehörden, es besteht keine Bindung an die starren Regeln des öffentlichen Dienstrechts (insbesondere des Beamtenrechts) und dadurch können insbesondere mit Blick auf die Bezahlung des Führungs- und Leitungspersonals finanzielle Anreize geschaffen werden, die zu einer mit der Privatwirtschaft vergleichbaren Vergütung führen können.176 Zur Gründung einer GmbH bedarf es eines Stammkapitals von € 25.000 gem. § 5 Abs. 1 GmbHG. Kann oder will die Gemeinde dieses Kapital nicht aufbringen, so sieht § 5a GmbHG die Möglichkeit der Gründung einer Unternehmergesellschaft als Spezialform der GmbH vor, die der Gemeinde die Möglichkeit verschafft, die Vorteile der Haftungsbeschränkung und juristischen Person zu nutzen, wobei jedoch nur ein Stammkapital von mindestens einem Euro aufgebracht werden muss.177 Allerdings hat dies u. a. den Preis, dass nach der Gründung der Unternehmergesellschaft gem. § 5a Abs. 3 GmbHG finanzielle Vorgaben zu beachten sind, wonach „eine gesetzliche Rücklage zu bilden [ist], in die ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen“ ist. Erreicht die auf diese Weise angesammelte Rücklage den Wert von € 25.000, so können die Gesellschafter gem. § 57c GmbHG im Wege eines Kapitalerhöhungsbeschlusses diese Rücklage zum Stammkapital umwandeln und eine Wandlung zur GmbH vollziehen. Das GmbH-Recht enthält einige (vergleichsweise wenige) zwingende Normen178 und ermöglicht hierdurch eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten durch Regelung im Gesellschaftsvertrag.179 So enthält das 175 Zu den beiden letzteren Aspekten, vgl. Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 273. 176 So auch Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2562). 177 Ausführlich hierzu: Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 5.45a ff. 178 Etwa § 3 GmbHG. 179 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 1.89 und 2.51.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen487
GmbHG beispielsweise keine zwingenden Vorgaben über die Binnenorganisation der Geschäftsleitung.180 Dies kann im Gesellschaftsvertrag entsprechend den Bedürfnissen der Gemeinde geregelt werden. Dabei weist die GmbH grundsätzlich nur zwei Organe als zwingend aus: den Geschäftsführer (§§ 35 ff. GmbHG) und die Gesellschafterversammlung (§§ 48 f. GmbHG).181 Die Gesellschafterversammlung stellt das oberste Entscheidungsorgan der Gesellschaft dar, was sich u. a. in umfassenden Weisungsrechten gegenüber dem Geschäftsführer gem. § 37 Abs. 1 Alt. 2 GmbHG manifestiert.182 Grundsätzlich steht nach §§ 45, 46 GmbHG den Gesellschaftern in der Gesellschafterversammlung eine umfassende Zuständigkeit zu, da sie grundsätzlich jede Gesellschaftsangelegenheit an sich ziehen können.183 Dies wirkt sich auch dahingehend aus, dass der Geschäftsführer als Handlungsorgan der GmbH keinen Anspruch auf eigenverantwortliche Wahrnehmung der Geschäftsleitung hat, sondern vielmehr gem. § 37 GmbHG durch den Gesellschaftsvertrag oder Entscheidungen der Gesellschafterversammlung beschränkt ist.184 Ein Aufsichtsrat ist für die GmbH nach GmbHG grundsätzlich nicht zwingend.185 Dieser kann jedoch aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelung errichtet werden (fakultativer Aufsichtsrat) oder ausnahmsweise nach Vorschriften der Mitbestimmungsgesetze186 verpflichtend sein.187 In diesen Fällen schreibt § 52 GmbHG die Geltung aktienrechtlicher Bestimmungen vor. Die Mitbestimmungsgesetze kommen insbesondere bei größeren Netzgesellschaften oder Konzernstrukturen (Holdingmodell, Tochtermodell, Muttermodell) zum Tragen188 und führen jedenfalls beim Muttermodell zu einer größeren Anzahl an zu berücksichtigenden Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 3.9. 181 Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2562); Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 228; Oppenländer/Trölitzsch-Oppenländer, GmbH-Geschäftsführung,2. (2011), § 3 Rn. 12. 182 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 3.228. 183 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaft licher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 187 f.; Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 228. 184 Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 228. 185 Baumbach/Heuck-Zöllner/Noack, GmbHG,2. (2013), § 52 Rn. 1; MichalskiHeyder, GmbHG Kommentar, Bd. II (2002), § 52 Rn. 1; PricewaterhouseCoopersBritsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 30. 186 Bspw. muss nach § 1 DrittelbG ein Aufsichtsrat zwingend gebildet werden, wenn eine GmbH regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. 187 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 3.154. 188 Am Beispiel des § 1 DrittelbG hierzu: PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 30. 180 Hirte,
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Arbeitnehmern.189 Allerdings kann es auch ohne die Pflicht zur Errichtung eines Aufsichtsrates in größeren Netzgesellschaften sinnvoll sein, bspw. zur besseren Überwachung des Netzgeschäfts und der Geschäftsführung, einen solchen zu errichten190 Denn der Aufsichtsrat stellt ein unabhängiges Kon trollorgan dar, welches keinen Weisungen unterliegt (vorbehaltlich Konzernabhängigkeit). Gleichwohl unterliegt der Aufsichtsrat Bindungen in Form der gem. § 116 i. V. m. § 93 AktG geregelten Sorgfaltspflichten.191 Dieses Organ ermöglicht daher eine Kontrolle über das Netzgeschäft. Auch eine nachträgliche Hinzunahme von Partnern (privaten wie öffentlich-rechtlichen) ist im Rahmen der GmbH möglich, vgl. §§ 15 ff. GmbHG. Die GmbH eignet sich daher sowohl für eine Stand-Alone-Lösung als auch für eine Partnerlösung, und zwar auch dann, wenn die Gemeinde zunächst alleine das (Re)Kommunalisierungsvorhaben angeht. Auch bietet eine Netzgesellschaft in Form der GmbH die Möglichkeit, diese in einen Konzern einzugliedern oder in einem solchen umzuwandeln. Damit ist die GmbH grundsätzlich für alle vorstehend dargestellten Modelle und potentiellen Partner nutzbar. Einzig dann, wenn die Bürger in größerer Zahl an der Netzgesellschaft beteiligt werden sollen, eignet sich die GmbH als Organisationsform nicht. (b) Kommunalrechtliche Rahmenbedingungen Zunächst ist festzuhalten, dass die vorstehend u. a. dargestellte allgemeine Vorgabe der Gemeindeordnungen, wonach die Haftung der Gemeinde bei Wahl einer Privatrechtsform beschränkt sein muss,192 durch die Wahl der GmbH als Gesellschaftsform quasi automatisch erfüllt wird.193 189 Für die Berechnung der 500 Arbeitnehmer gem. § 1 DrittelbG kommt es zunächst zwar grundsätzlich auf die bei der Netzgesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer an, hinzugerechtnet werden aber solche Arbeitnehmer, die in Tochtergesellschaften der Netzgesellschaft oder einem anderen abhängigen Unternehmen i. S. d. § 18 AktG beschäftigt sind, vgl. PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 31; Michalski-Heyder, GmbHG Kommentar, Bd. II (2002), § 52 Rn. 28. Nicht mitgerechnet werden indes die Arbeitnehmer der Muttergesellschaft zur Netzgesellschaft, vgl. PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 31. 190 PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 32. 191 So auch Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2564). 192 Vgl. hierzu § 8 II.2.b)aa). 193 So auch Blum/Häusler/Meyer-Freese, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (2011), § 137 Rn. 7.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen489
Neben den vorstehend dargestellten gesellschaftsrechtlichen Vorgaben für die GmbH werden durch das Kommunalrecht weitere Vorgaben getroffen. Insbesondere ist dabei der Einfluss des Kommunalrechts auf die Wahrnehmung der Stimmrechte der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung von Bedeutung. Die Gemeinde als Gesellschafterin einer GmbH wird durch ihre organschaftlichen Vertreter bei einer Abstimmung nach § 47 GmbHG vertreten.194 Bezüglich der Ausübung dieses Stimmrechts bestimmen die Gemeindeordnungen,195 dass die Vertreter an den Willen der Gemeinde, welcher Ausdruck in den Beschlüssen des Gemeinderates findet, gebunden ist.196 Zum anderen enthält das Kommunalrecht Vorgaben bzgl. der Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern.197 Diese Regelungen der Gemeindeordnungen gelten selbstverständlich nur, wenn ein Aufsichtsrat überhaupt vorhanden und errichtet ist, da eine GmbH grundsätzlich keines Aufsichtsrates bedarf.198 Zu einer Errichtung eines Aufsichtsrates verpflichten die kommunalrechtlichen Vorschriften nämlich nicht.199 Insoweit geht das Gesellschaftsrecht als höherrangiges Bundesrecht nach Art. 31 GG vor.200 Allerdings wird vertreten, dass sich die Einflussnahmemöglichkeit – wenn kein Aufsichtsrat vorhanden ist – in eine entsprechende Einflussnahmemöglichkeit in der Gesellschafterversammlung wandelt.201 Für die Realisierung ei194 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 188; Roth/Altmeppen-Roth, GmbHG,7. (2012), § 47 Rn. 20. 195 Vgl. § 113 Abs. 1 S. 2 GemO Nordrhein-Westfalen; § 71 Abs. 1 S. 4 KV Mecklenburg-Vorpommern; § 98 Abs. 1 S. 5 f. GemO Sachsen; § 104 Abs. 1 S. 3 GemO Schleswig-Holstein; § 138 Abs. 1 S. 2 f. KVG Niedersachsen; Art. 93 Abs. 2 S. 2 f. GemO Bayern; § 119 Abs. 1 S. 5 GemO Sachen-Anhalt; § 104 Abs. 1 S. 3 GemO Baden-Württemberg; § 125 Abs. 1 S. 4 ff. GemO Hessen; § 114 Abs. 4 KSVG Saarland; § 88 Abs. 1 S. 6 GemO Rheinland-Pfalz; nur in einem eingegrenzten Bereich: § 74 Abs. 1 KO Thüringen. 196 Hierauf hinweisend auch Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 188. 197 PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 30. 198 PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 31. 199 PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 31; Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 198. 200 So auch: Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 198; kritisch zum Verweis auf Art. 31 GG: Püttner, DVBl. 1986, 748 (751). 201 PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 31.
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nes (Re)Kommunalisierungsmodells im Bereich der Verteilernetze ist es für die Gemeinden empfehlenswert, einen Aufsichtsrat trotz fehlender gesetzlicher Verpflichtung zu gründen, um so als Gemeinde über ein Kontrollorgan für die Gesellschaft zu verfügen und um in diesem Kontrollorgan als Gemeinde vertreten zu sein. Zusätzlich zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat sehen einige Gemeindeordnungen vor, dass der Rat der Gemeinde den von der Gemeinde entsandten Mitgliedern des Aufsichtsrates Weisungen erteilen kann.202 Obschon einige Gemeindeordnung dies explizit regeln, sind solche Weisungen gesellschaftsrechtlich unbeachtlich, da die Bestimmungen der Gemeindeordnung insoweit gegen höherrangiges Recht, nämlich das Gesellschaftsrecht als Bundesrecht, verstoßen und damit nach Art. 31 GG durch Bundesrecht gebrochen werden.203 Nach anderer Ansicht bedarf es der Berufung auf Art. 31 GG schon nicht, da Normadressat der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben die Gesellschaft selbst ist, unabhängig von ihren Eignern und etwaigen öffentlich-rechtlichen Pflichten, die diese treffen.204 Hiernach würden sich die Rechte und Pflichten der Organe der Gesellschaft ausschließlich nach dem für diese geltenden Gesellschaftsrecht bestimmen und dem das Kommunalrecht erlassenden Landesgesetzgeber hierfür keine Kompetenz zustehen.205 Diese Lösung des Konflikts zwischen der in einigen Gemeindeordnungen geregelten kommunalen Einflussnahme und der gesellschaftsrechtlich vorgesehenen Wahrung der unternehmerischen Eigenständigkeit,206 ist jedoch nicht unumstritten.207 So wird etwa vertreten, dass kommunal entsandte Aufsichtsratsmitglieder dann Weisungen erhalten und befolgen dürften, wenn diese nicht nachteilig für die Aktiengesellschaft bzw. GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat seien.208 Auch entschied das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 31. Au202 So auch PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 29. 203 Ausführlich hierzu: Atmeppen, NJW 2003, 2561 (2564). 204 Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 225. 205 So Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 225; Püttner, DVBl. 1986, 748 (751). 206 Hierzu auch Schuster/Lange/Blaschke, Public Governance 2013, 6 (6). 207 Vlg. hierzu etwa: BGH, Urt. v. 29.1.1962, II ZR 1/61, NJW 1962, 864 (866); BVerwG, Urt. v. 31.8.2011, 8 C 16/10, NJW 2011, 3735 (3735 ff.); Heidel, NZG 2012, 48 (50); Weckerling-Wilhelm/Mirtsching, NZG 2011, 327 (327 ff.). 208 Hopt/Wiedemann-Hopt/Roth, Aktiengesetz Großkommentar,4. (2006), § 101 Rn. 147 ff.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen491
gust 2011, dass bei einem fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH (§ 52 GmbHG), in deren Gesellschaftsvertrag die Anwendung aktienrechtlicher Bestimmungen ausgeschlossen ist, der Gesellschaftsvertrag selbst entsprechende Regelungen vorsehen müsse.209 Fehlten entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen, so würden sich Weisungsrechte zugunsten der Gemeinde bzgl. der von ihr entsandten Aufsichtsratsmitglieder aus ergänzender Vertragsauslegung des Gesellschaftsvertrages in Zusammenschau mit den gemeindlichen Regelungen ergeben, auch wenn hierzu (explizit) nichts im Gesellschaftsvertag geregelt sei.210 Dies folgt nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts daraus, dass die Gemeinde die relevanten gesetzlichen Vorschriften für ihre Beteiligung an einer Gesellschaft einhalten wolle und daher die gemeinderechtlichen Regelungen zu Weisungsrechten als („normatives Umfeld“ und insoweit) Auslegungshilfe für das Verständnis des Gesellschaftsvertrages zu berücksichtigen seien.211 Diese nicht unumstrittenen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts212 gelten jedoch nur für den fakultativen Aufsichtsrat der GmbH. Anders als bei der AG (§ 23 Abs. 5 AktG) gilt für die GmbH keine Satzungsstrenge, sondern größere Satzungsflexibilität.213 Damit besteht die grundsätzliche Möglichkeit weitergehende Rechte der Gesellschafter (hier Gemeinde) im Gesellschaftsvertrag zu regeln, als dies von Gesetzes wegen vorgesehen ist. Aus eben dieser Regel ist aber auch eine grundsätzliche Kritik an der Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung zu üben. Denn das Bundesverwaltungsgericht überdehnt in seinem Urteil vom 31. August 2011 die Auslegungsmöglichkeiten des Gesellschaftsvertrages.214 Bei fehlender anderer gesellschaftsvertraglicher Regelung ist die Unabhängigkeit des Aufsichtsrates von Weisungen durch die Gesellschafter als gesellschaftsrechtlicher Regelfall zu beachten. Denn als Grundsatz – auch bei einem nur fakultativen Aufsichtsrat innerhalb einer GmbH – gilt gerade die Weisungsungebundenheit der Aufsichtsratsmitglieder.215 Damit folgt aus einer im Gesell209 BVerwG,
Urt. v. 31.8.2011, 8 C 16/10, NJW 2011, 3735 (3735 ff.). Urt. v. 31.8.2011, 8 C 16/10, NJW 2011, 3735 (3735 ff.); so auch schon VG Würzburg, Urt. v. 29.09.2010, W 2 K 10.424, BeckRS 2010, 36656. 211 BVerwG, Urt. v. 31.8.2011, 8 C 16/10, NJW 2011, 3735 (3736 f.). 212 Kritisch hierzu: Heidel, NZG 2012, 48 (50); Lutter, ZIP 2007, 1991 (1992); Weckerling-Wilhelm/Mirtsching, NZG 2011, 327 (327 ff.). 213 So auch, mit weiteren Ausführungen zur Entscheidung des BVerwG: Weckerling-Wilhelm/Mirtsching, NZG 2011, 327 (329). 214 Diese Kritik auch übend: Heidel, NZG 2012, 48 (50). 215 So auch: Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG,20. (2013), § 52 Rn. 130; Münchener Kommentar-Spindler, GmbHG,1. (2012), § 52 Rn. 198 ff.; WeckerlingWilhelm/Mirtsching, NZG 2011, 327 (329). 210 BVerwG,
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schaftsvertrag fehlenden Regelung von Weisungsrechten einer Gemeinde gegenüber den von ihr entsandten Aufsichtsratsmitgliedern die Weisungsungebundenheit der Aufsichtsratsmitglieder. Denn fehlt eine Sonderregelung verbleibt es beim Grundsatz. Dies verkehrt das Bundesverwaltungsgericht durch seine ergänzende Vertragsauslegung zum Gegenteil. Insbesondere vor den insoweit eindeutigen gesellschaftsrechtlichen Regel- und Ausnahmeverhältnissen erscheint dies kaum haltbar. Dies zusätzlich deswegen, weil die Gemeinde einen fakultativen Aufsichtsrat bei Gründung einer GmbH nicht errichten muss. Entscheidet sie sich dennoch (freiwillig) dazu, ist nicht ersichtlich, warum sie an die Regelungen des GmbHG nicht gebunden sein sollte.216 Auch steht die zuvor ausgeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im klaren Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in seiner Leitentscheidung vom 29. Januar 1962 zu den Rechten einer Gemeinde als Aktionärin gegenüber ihren Aufsichtsratsmitgliedern entschied, dass Aufsichtsratsmitglieder „als Angehörige eines Gesellschaftsorgans […] den Belangen der Gesellschaft den Vorzug vor denen des Entsendungsberechtigten zu geben und die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen [hätten], ohne an Weisungen des Entsendungsbereichtigten gebunden zu sein.“217 Letzterer Ansicht ist der Vorzug zu geben. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist daher von der grundsätzlichen Geltung und dem Vorrang der gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen und den hier geregelten Regel- und Ausnahmeverhältnissen auszugehen. Dennoch eignet sich die GmbH für die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze und bietet hierfür einen großen Gestaltungsspielraum (insbesondere auch durch Gestaltung des Gesellschaftsvertrages) innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens. (2) AG In der Praxis sind Netzgesellschaften in der Form einer AG bislang selten.218 Dennoch ist diese Gesellschaftsform insbesondere für größere Gemeinden und die Realisierung komplexer (Re)Kommunalisierungsmodelle (bspw. Holdingmodell) geeignet. auch Lutter, ZIP 2007, 1991 (1992). Urt. v. 29.1.1962, II ZR 1/61, NJW 1962, 864 (866); hierauf hinweisend auch: Heidel, NZG 2012, 48 (49). 218 PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 26; etwa MVV Energie AG Mannheim, vgl. https://www.mvv-energie.de/de/mvv_energie_gruppe/gesellschaftsstruktur/aktionaers struktur_1.jsp, zuletzt abgerufen am 17.9.2013, 12:20 Uhr. 216 So
217 BGH,
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen493
(a) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben Auch die AG als Kapitalgesellschaft ist – ähnlich wie die GmbH – als juristische Person des Privatrechts mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit versehen, organisatorisch und rechtlich von der Gemeinde verselbstständigt und in der Haftung auf das gezeichnete Kapital der Gesellschaft begrenzt.219 Anders als bei der GmbH unterliegt die AG aber stärkeren zwingenden gesetzlichen Vorgaben, von denen nicht durch Gesellschaftsvertrag abgewichen werden kann (vgl. § 23 Abs. 5 AktG),220 um beispielsweise die Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeiten der Gemeinden zu regeln.221 Denn wegen der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG sind kaum Abweichungen von der gesetzlichen Organisationsverfassung222 möglich.223 Für die AG sieht § 76 Abs. 2 S. 1 AktG einen Vorstand aus einer oder mehreren Personen, abhängig vom Grundkapital der Gesellschaft, vor.224 Dieser bildet das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der AG. Gem. § 76 Abs. 1 AktG leitet der Vorstand die Gesellschaft „unter eigener Verantwortung“. Ihm obliegt bei der Wahrnehmung seiner Geschäfte insofern ein gewisser Handlungsspielraum, der dazu führt, dass dem Vorstand insgesamt eine im Rahmen des Wohles der Gesellschaft verhältnismäßig eigenständige Stellung zukommt.225 Daneben ist gem. § 95 AktG der Aufsichtsrat für die AG zwingend vorgeschrieben.226 Der Aufsichtsrat übt eine kontrollierende und überwachende Funktion aus,227 die durch zwei Hauptaufgaben charakterisiert ist:228 Zum einen obliegt gem. § 84 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat die Bestellung und Abberufung des Vorstandes. Zum anderen überwacht und kontrolliert der Aufsichtsrat laufend die Geschäftsführung der AG gem. § 111 Abs. 1 AktG. 219 Blum/Häusler/Meyer-Freese, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, (2011), § 137 Rn. 8; Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 204 ff. 220 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 2.48 f. 221 Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 205. 222 Hierzu ausführlich in Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 3.5 ff. 223 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 3.1. 224 Siehe hierzu Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 3.5. 225 So auch Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 206, die dies als „starke Stellung“ des Vorstandes beschreiben. 226 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 1.89 und Rn. 3.154 ff. 227 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung1. (2012), S. 192. 228 So auch Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 208.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Die Aktionäre üben ihre Rechte in der Hauptversammlung gem. § 118 Abs. 1 AktG aus.229 Anders als man vielleicht im Vergleich mit dem Verein als Urform der Gesellschaft vermuten könnte, stellt die Hauptversammlung indes nur formal das oberste Organ dar.230 Die Führung der AG obliegt – wie vorstehend bereits dargestellt – dem Vorstand, der dabei eigenverantwortlich agiert (§ 76 AktG).231 Auch auf dessen Bestellung und Abberufung haben die Aktionäre nur mittelbar durch die Besetzung des Aufsichtsrates Einfluss.232 Insofern sind auch die Einflussnahmemöglichkeiten einer Gemeinde als Aktionär auf den Vorstand begrenzt. Zur Errichtung der AG bedarf es gem. § 7 AktG eines Grundkapitals von € 50.000,00. Aufgrund der zahlreichen zwingenden rechtlichen Vorgaben des AktG und des damit verbundenen hohen Aufwands ihrer Umsetzung bietet sich die AG – wenn überhaupt – nur für große (Re)Kommunalisierungsvorhaben an.233 Denn gerade der Gründungsaufwand, aber auch der laufende Organisationsaufwand, sind relativ hoch.234 Auch bei den Kosten der Errichtung spiegelt sich dies u. a. in dem notwendigen Nennkapital wieder. Insofern wird die AG nur für wenige Gemeinden als Organisationsform zu Realisierung eines (Re)Kommunalisierungsmodells in Betracht kommen. (b) Kommunalrechtliche Rahmenbedingungen Aufgrund der Haftungsbegrenzung der AG ist auch sie im Rahmen der kommunalrechtlichen Vorgaben grundsätzlich zunächst eine zulässige Organisationsform.235 Die Wahl der AG ist aber in einigen Ländern durch Regelungen in den Gemeindeordnungen eingeschränkt. Einige Gemeindeordnungen236 sehen 229 So etwa die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrates, die Verwendung des Bilanzgewinns, Bestellung von Abschlussprüfern, Satzungsänderungen, etc. 230 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 3.218. 231 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 3.218. 232 Hierauf hinweisend auch Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 193 f. 233 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 122. 234 So auch Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 122. 235 So auch Blum/Häusler/Meyer-Freese, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (2011), § 137 Rn. 8. 236 § 108 Abs. 4 GemO NRW; § 87 Abs. 2 GemO Rheinland-Pfalz; § 103 Abs. 2 GemO Baden-Württemberg; § 96 Abs. 4 KV Brandenburg; § 122 Abs. 3 GemO Hessen.
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eine Nachrangigkeit der Wahl der AG oder einer Beteiligung an einer AG vor, nämlich dahingehend, dass eine AG nur dann als Rechtsform von den Gemeinden gewählt werden dürfe, wenn der öffentliche Zweck nicht ebenso gut in einer anderen Rechtsform erfüllt wird oder erfüllt werden kann.237 Dies liegt vor allem in den vergleichsweise geringen Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeiten auf die Willensbildung der AG begründet.238 Bereits im Rahmen der kommunalrechtlichen Überlagerungen in Bezug auf die GmbH wurde auf die Weisungsrechte gegenüber dem Aufsichtsrat, die Ausrichtung der Satzung am öffentlichen Zweck der Gesellschaft sowie Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeiten der Gemeinde eingegangen [vgl. § 8 II.2.b)bb)(1)]. Selbiges gilt auch für die AG. Insbesondere auf den Aufsichtsrat und etwaige Weisungsrechte zugunsten der Gemeinde sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich hingewiesen. Anders als bei der GmbH ist der Aufsichtsrat zwingend als Organ bei jeder AG vorgeschrieben (§§ 95 ff. AktG). Insofern entsteht das Spannungsverhältnis zwischen Gesellschafts- und Kommunalrecht bei der AG immer.239 Aber auch und gerade hier ist eine Bindung an Weisungen der Gemeinde wegen der konträr laufenden gesellschaftsrechtlichen Vorgaben ausgeschlossen.240 Für den Aufsichtsrat einer AG gilt, dass Aufsichtsratsmitglieder ihre Aufgaben höchstpersönlich gem. § 111 Abs. 5 AktG ausüben müssen. Hieraus wird allgemein auch hergeleitet, dass die Aufsichtsratsmitglieder keinem Weisungsrecht unterliegen dürfen und vorrangig der Gesellschaft verpflichtet sind.241 Doch selbst bei der AG ist dies nicht unumstritten. Auch in Bezug auf Weisungsrechte an Aufsichtsratsmitglieder einer AG wird die Ansicht vertre237 PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 29; Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 199; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 83. 238 So auch Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischtwirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 83; Wurzel/Schraml/Becker-Gaß, Rechtspraxis kommunaler Unternehmen,3. (2015), C. Rn. 200. 239 Hierzu auch: Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 221. 240 Hierzu bereits in § 8 II.2.b)bb)(1)(a); Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 221. 241 BGH, Urt. v. 29.1.1962, II ZR 1/61, BGHZ 36, 296 (306); BGH, Urt. v. 18.9.2006, II ZR 137/05, NJW-RR 2007, 1179 (1179 ff.); Henssler/Strohn-Henssler, AktG,2. (2014), § 111 Rn. 24; Hüffer-Koch, AktG,11. (2014), § 111 Rn. 57; Münchener Kommentar-Habersack, AktG,4. (2014), § 111 Rn. 136; Gundlach/Frenzel/Schmidt, LKV 2001, 246 (249); eine von dieser Bestimmung abweichende Regelung kann auch nicht wg. § 23 Abs. 5 AktG durch Satzung geschaffen werden.
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ten, dass dies ausnahmsweise bei kommunal entsandten Aufsichtsratsmitgliedern entgegen der allgemein geltenden aktienrechtlichen Bestimmungen zulässig sei. Dies wird bspw. von Heidel aus der Regelung des § 394 AktG gefolgert.242 Zwar ergebe sich aus §§ 394 f. AktG zunächst nur die aktienrechtliche Zulässigkeit der Berichterstattung der kommunal entsandten Aufsichtsratsmitglieder an ihre Gemeinde und insoweit Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht.243 Hierin sei aber das Weisungsrecht der Gemeinde schon angelegt.244 Denn ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien solle die Einflussnahme der Gemeinde auf die AG ermöglicht werden.245 Hierzu bedürfe es aber neben der Berichtspflicht „rechtlich verbindlicher Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Organmitglieder.“246 Andernfalls, so Heidel weiter: „würde die Berichtspflicht ihres bezweckten Sinnes entleert.“247 Diese Ausführungen übersehen jedoch, dass der Gesetzgeber durch die Regelungen in §§ 394 f. AktG und die Zulässigkeit von Berichterstattung der Aufsichtsratsmitglieder an die Gemeinde lediglich informatorischen Charakter beigemessen haben könnte. Dies wird auch durch die Gesetzgebungsmaterialien gestützt, in denen es zu der Berichtspflicht in § 394 AktG heißt, dass die Gemeinde „das Recht eingehender Unterrichtung habe.“248 Auch spricht schon nach dem Wortlaut der §§ 394 f. AktG, der nur von Berichterstattung und diesbezüglicher Aufhebung der Verschwiegenheit spricht für eine Sonderregelung ohne weitergehenden allgemeinen Ausnahmecharakter. So betont auch bereits Fischer, dass das AktG mit den § 394 f. AktG eine „abschließende“ Sonderregelung für Aktiengesellschaften unter kommunaler Beteiligung vorsehe.249 Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber offensichtlich schon bei der Einführung der Regelungen der §§ 394 f. AktG im Jahr 1965250 die Sonderkonstellation gemeindlicher Beteiligung an AG vor Augen hatte und sich mit der Frage möglicher Abweichungen von den aktienrechtlichen Bestimmungen befasste. In diesem Zusammenhang hätte der Gesetzgeber auch eine etwaige Abweichung von der Wei242 Heidel,
NZG 2012, 48 (53). NZG 2012, 48 (53). 244 Heidel, NZG 2012, 48 (53). 245 Heidel, NZG 2012, 48 (53). 246 Heidel, NZG 2012, 48 (55). 247 Heidel, NZG 2012, 48 (54). 248 Kurzprotokoll der 121. Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 25.2.1965, Protokoll-Nr. 121, Bundestag 4. Wahlperiode, S. 14. 249 Fischer, AG 1982, 85 (90): Der Gesetzgeber habe „vielmehr insoweit von einer eigenen Regelung bewußt Abstand genommen und in dieser Hinsicht von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht.“ 250 Zur Entstehungsgeschichte: Münchener Kommentar-Schürnbrand, AktG,3. (2011), § 394 Rn. 3. 243 Heidel,
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen497
sungsungebundenheit kommunal entsandter Aufsichtsratsmitglieder aufnehmen können. Dies ist jedoch trotz Bewusstseins des Gesetzgebers für diese Sonderkonstellation und den Konflikt zwischen dem kommunalen und dem Gesellschaftsrecht unterblieben. Jedenfalls in der neuerlichen Aktienrechtsnovelle 2014 hätte dies erfolgen können.251 Denn die Novelle, die seit Januar 2015 in Form eines Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vorliegt, sieht auch eine Änderung des § 394 AktG vor. Nach dem Gesetzesentwurf soll eine Ergänzung des § 394 AktG um einen Satz 2 vorgenommen werden, wonach die Berichtspflicht nach § 394 S. 1 AktG auf Gesetz, Satzung oder auf Rechtsgeschäft beruhen könne.252 Eine weitergehende Regelung für das in Literatur und Rechtsprechung umkämpfte Gebiet der Weisungsgebundheit kommunal entsandter Aufsichtsratsmitglieder hätte ohne weiteres mit der Novelle ebenfalls umgesetzt werden können, hätte der Gesetzgeber eine derartige, von den aktienrechtlichen Bestimmungen abweichende Regelung treffen wollen. So ist es aber weder im Jahr 1965 mit Einführung der §§ 394 f. AktG noch die Jahre danach oder mit der Aktienrechtsnovelle 2014 geschehen. Die in §§ 394 f. AktG vorhandene Sonderregelung zu einem allgemeinen Grundsatz auch in Bezug auf Weisungsrechte auszudehnen, erscheint daher weder vom Wortlaut des Gesetzes, dessen Systematik oder Sinn und Zweck noch nach dem gesetzgeberischen Willen zwingend oder geboten. Vielmehr ist von einer abschließenden Sonderregelung auszugehen. Allgemein spricht für die Bindung der Gemeinden an die gesellschaftsrechtlich zwingenden Regelungen auch, dass es den Gemeinde frei steht, welche Gesellschaftsform sie wählen und nutzen wollen.253 Legt die Gemeinde besonderen Wert auf Weisungsrechte und die Ausübung von Einfluss und Kontrolle auf ihr „Unternehmen“, so stehen ihr nicht nur die öffentlichrechtlichen Gesellschaftsformen zur Verfügung, sondern – wie dargestellt – auch die GmbH mit größerer Satzungsfreiheit. Entscheidet sich die Gemeinde dennoch für die AG als Gesellschaftsform, so sind keine Gründe ersichtlich, warum sie die für diese Gesellschaftsform geltenden gesetzlichen Vorgaben durch die Gemeinde nicht einzuhalten sein sollten.254 251 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 1.7.2015, abrufbar auf der Seite des BMJV unter: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Gesetze/GE_ Aktienrechtsnovelle %202014.pdf?__blob=publi cationFile, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:51 Uhr. 252 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 1.7.2015, abrufbar auf der Seite des BMJV unter: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Gesetze/GE_ Aktienrechtsnovelle %202014.pdf?__blob=publi cationFile, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:50 Uhr. 253 So auch Weckerling-Wilhelm/Mirtsching, NZG 2011, 327 (328). 254 So auch Weckerling-Wilhelm/Mirtsching, NZG 2011, 327 (328).
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Es verbliebt daher bei dem – schon im Rahmen der GmbH – dargestellten Grundsatz, dass gegen gesellschaftsrechtliche Vorgaben verstoßende Weisungsrechte der Gemeinde an die von ihr entsandten Aufsichtsratsmitglieder ausgeschlossen sind. (3) P ersonengesellschaften und das kommunalrechtliche Gebot der Haftungsbegrenzung Die Personengesellschaften, namentlich die GbR gem. §§ 705 ff. BGB, die OHG gem. §§ 105 ff. HGB sowie die KG gem. §§ 161 ff. HGB, weisen als besonderes Charakteristikum eine enge Verbindung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter dergestalt auf, dass die Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft unbeschränkt (vgl. §§ 714, 427, 431 BGB; § 105 Abs. 1 HGB), also mit ihrem gesamten Privatvermögen haften.255 Diese unbeschränkte Haftung widerspricht den Vorgaben in den Gemeindeordnungen,256 wonach die Haftung der Gemeinde auf einen bestimmten Betrag begrenzt sein muss [vgl. § 8 II.2.b)aa)].257 Die bei den Personengesellschaften gesetzlich vorgeschriebene umfassende persönliche Haftung kann auch nicht etwa durch einseitigen Ausschluss oder einseitige Beschränkung (bspw. im Gesellschaftsvertrag) für ein (Re)Kommunalisierungsmodell ausgeschlossen werden.258 Schon deswegen kommen die Personengesellschaften grundsätzlich nicht zur Realisierung der (Re)Kommunalisierungsvorhaben in Betracht. Eine Ausnahme hiervon bildet die allgemein anerkannte GmbH & Co. KG, die zwar eine Personengesellschaft, nämlich eine spezifische KG, darstellt, an der jedoch als Komplementär eine in ihrer Haftung beschränkte GmbH beteiligt ist.259 Auf die zur GmbH dargestellten Ausführungen kann daher verwiesen werden. Beteiligt sich die Gemeinde als Komplementärin Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 114. etwa Art. 91 Abs. 1 Nr. 3 GemO Bayern; § 91 Abs. 1 Nr. 3 KV Brandenburg; § 122 Abs. 1 Nr. 2 GemO Hessen, § 137 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 KV Niedersachsen; § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GemO NRW; § 103 Abs. 1 Nr. 4 GemO BadenWürttemberg. 257 Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 114; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 83; Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 154; Blum/Häusler/Meyer-Freese, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (2011), § 137 Rn. 11. 258 BGH, Beschluss v. 20.6.2007, IV ZR 288/06, MittBayNot 2008, 67 (68), m.w.N; Blum/Häusler/Meyer-Freese, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (2011), § 137 Rn. 11. 259 Ausführlich hierzu Baumbach/Hopt-Roth, Handelsgesetzbuch,36. (2014), Anhang nach § 177a Rn. 1 ff. 255 Cronauge/Westermann, 256 Vgl.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen499
an der GmbH & Co. KG, kann diese spezifische Personengesellschaft zur Umsetzung eines (Re)Kommunalisierungsmodells gewählt werden. Insofern erfüllt die GmbH & Co. KG die Anforderungen an die Haftungsbegrenzung seitens der Gemeinden.260 Die GmbH & Co. KG bietet dabei die Möglichkeit, Dritte als Kommanditisten an der Gesellschaft zu beteiligen. So können finanzstarke Partner an der Gesellschaft beteiligt werden, ohne dass ihnen ein Einfluss auf das operative Geschäft der Gesellschaft oder gar eine gleichrangige Partnerstellung eingeräumt werden muss.261 Auf diese Weise können Partnerlösungen realisiert werden.262 (4) Genossenschaft Am Anfang der großräumigen Versorgung in der Fläche standen Genossenschaften, die weitverzweigte Leitungsnetze auf dem Land betrieben.263 Dies waren zunächst private oder landwirtschaftliche, örtliche Genossenschaftsunternehmen, denen die Gemeinden aufgrund der hohen Kosten eines weitverzweigten Leitungsnetzes bald zur Seite traten.264 In der aktuellen Diskussion um die (Re)Kommunalisierung sind die Genossenschaften soweit ersichtlich aus dem Bewusstsein vieler verschwunden.265 Dies ist umso verwunderlicher, betrachtet man die Historie und Zielsetzung der Genossenschaften.
260 So auch: Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 117; Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 170 ff.; Institut für den öffentlichen Sektor/Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Leipzig, Zeitschrift für öffentliches Management, Frühjahr 2011, S. 6 (13). 261 Vgl. § 164 S. 1 sowie § 170 HGB, wobei durch Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung getroffen werden kann, hierzu: Breithaupt/Ottersbach-Schulze zur Wiesche/Breithaupt, Kompendium Gesellschaftsrecht,1. (2010), § 5 Rn. 563 ff. 262 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 124, die ausführen, dass diese gerade bei Netzkooperationen häufig anzutreffen sei. 263 Vgl. § 5 II.2.; Götzl, Bayrischer Gemeindetag 8/2011, 301 (301 f.); Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 576. 264 Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Verwaltung (2001), S. 576. 265 Etwa auch nicht bei Waller, „Neue Energie“ für die kommunale Selbstverwaltung (2013), S. 240 ff.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
(a) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben Die Genossenschaft ist ein Sonderwirtschaftsverein,266 der gem. § 4 GenG aus mindestens drei Mitgliedern bestehen muss. Der zentrale Unterschied zwischen der Genossenschaft und den übrigen Kapitalgesellschaften liegt in der Einheit von Mitgliedern und Kunden (sog. Identitätsprinzip).267 Die Genossenschaft verfolgt einen Förderzweck. Sie zielt auf die unmittelbare oder wechselseitige Förderung der eigenen wirtschaftlichen oder ideellen Bestrebungen ihrer Mitglieder ab (§ 1 Abs. 1 GenG).268 Unter dem Förderzweck wird die Unterstützung der Mitglieder in ihrer privaten Hauswirtschaft und ihrer gesamten privaten Lebenswirtschaft verstanden.269 Typischerweise geschieht dies durch die Senkung der Ausgaben.270 Eine Förderung i. S. d. § 1 GenG liegt auch dann vor, wenn die Genossenschaft über die Hauswirtschaft hinaus ideelle Bedürfnisse der Genossen befriedigt.271 Ein solcher Förderzweck muss mit der Übernahme des Stromnetzes verfolgt werden, damit die Genossenschaft als Organisationsform in Betracht gezogen werden kann. Durch den kostengünstigen, effizienten Betrieb eines Stromnetzes können Kosten für das Stromnetz und dessen Nutzer reduziert werden. Damit können auch die Kosten für die Endverbraucher, die mit ihrem Strompreis auch die Netzkosten bezahlen,272 minimiert werden. Durch die Ermöglichung von diskriminierungsfreiem Zugang zum Netz kann da rüber hinaus ein Wettbewerb auf dem Netz hergestellt werden, der den Mitgliedern der Genossenschaft ebenfalls Kostenersparnisse bringen kann. Darüber hinaus kann der Einfluss auf den Netzbetrieb und Netzausbau auch den ideellen Bedürfnissen der Genossen entsprechen und damit einem Förderzweck dienen. Insofern bestehen keine Bedenken dagegen, dass eine Genossenschaft zwecks Übernahme und Betriebs des Stromnetzes im Rahmen der Anforderungen an den Genossenschaftszweck zulässig ist. Neben den Genossenschaftsmitgliedern, die die Förderung als Kunden in Anspruch nehmen, kann die Genossenschaft aber auch Mitglieder haben, die diese nicht in Anspruch nehmen (§ 8 Abs. 2 GenG);273 auch kann der 266 Helios/Strieder-Helios, Beck’sches Handbuch der Genossenschaft (2009), Einleitung, Rn. 13. 267 Helios/Strieder-Helios, Beck’sches Handbuch der Genossenschaft (2009), Einleitung, Rn. 13. 268 Binz/Freudenberg, DB 1991, 2473 (2473); Helios/Strieder-Helios, Beck’sches Handbuch der Genossenschaft (2009), Einleitung, Rn. 12. 269 Beuthien, Genossenschaftsgesetz,15. (2011), § 1 Rn. 13–14. 270 Beuthien, Genossenschaftsgesetz,15. (2011), § 1 Rn. 13. 271 Beuthien, Genossenschaftsgesetz,15. (2011), § 1 Rn. 14. 272 Hierzu § 5 II.3. 273 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014), § 14 Rn. 1.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen501
Geschäftsbetrieb der Genossenschaft über die Mitglieder der Genossenschaft hinaus auf Nichtmitglieder ausgedehnt werden, gem. § 8 Abs. 1 Nr. 5 GenG.274 Anders als bei anderen Gesellschaftsformen ist die Gewinnerzielungsabsicht keine Voraussetzung für den genossenschaftlichen Betrieb.275 Insofern steht die Förderung des Zwecks der Genossenschaft und seiner Mitglieder im Vordergrund. Gerade deswegen erscheint die Genossenschaft besonders kompatibel mit den Zielen, die im Rahmen der (Re)Kommunalisierung vorgetragen werden, insbesondere, wenn man die Abkehr von der Gewinnmaximierung und Zuwendung zum gemeinwohlorientierten Betrieb der Netze als Ziel betrachtet [vgl. § 4 VIII.]. Dafür bietet die Genossenschaft eine ideale und demokratische Organisationsform, die auch die Beteiligung der Bürger ermöglicht.276 Die Genossenschaft bedarf zu ihrer Gründung keines Mindestkapitals, anders als bei der GmbH oder AG.277 Per Satzung kann jedoch ein bestimmtes Mindestkapital bestimmt werden, welches dann jedoch lediglich die Funktion einer Ausschüttungssperre hat, § 8a Abs. 1 GenG.278 Grundsätzlich ist die Genossenschaft gem. § 2 GenG in ihrer Haftung für Verbindlichkeiten auf das Vermögen der Genossenschaft beschränkt. Damit erfüllt auch sie die allgemeinen kommunalrechtlichen Anforderungen der Haftungsbegrenzung [vgl. § 8 II.2.b)aa)]. Die Genossenschaft bedarf zu ihrer ordnungsgemäßen Gründung einer Satzung in Schriftform gem. § 5 GenG, deren Mindestinhalt sich aus den §§ 6, 7 GenG ergibt. Insbesondere muss in der Satzung festgelegt werden, ob Nachschusspflichten der Mitglieder bestehen (§ 6 Nr. 3 GenG).279 Gem. § 9 Abs. 1 S. 1 GenG muss die Genossenschaft einen Vorstand und einen Aufsichtsrat haben. Des Weiteren bedarf es einer Generalversammlung gem. § 9 Abs. 1 S. 2 GenG, die bei unter 20 Mitgliedern die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrates auch an dessen Stelle wahrnehmen kann. Für diese Kleingenossenschaften kann auch für die Vertretung der Genossenschaft gegenüber dem Vorstand ein Bevollmächtigter, der nicht zwingend Mitglied der Genossenschaft sein muss, gem. § 39 Abs. 1 S. 2 GenG gewählt werden.280 Bei einer großen Genossenschaft (mit über 1500 Mitgliedern) kann die Generalversammlung durch eine Vertreterversammlung gem. § 43 a Abs. 1 GenG vertre274 Hirte, 275 Hirte,
276 Götzl, 277 Hirte, 278 Hirte, 279 Hirte, 280 Hirte,
Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.14. Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.2. Bayrischer Gemeindetag 8/2011, 301 (301 f.). Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.57. Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.57. Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.14. Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.29.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
ten werden.281 Der Vorstand sowie der Aufsichtsrat müssen gem. § 9 Abs. 2 GenG aus natürlichen Personen, die dem Kreise der Genossenschaftsmitglieder entstammen, bestehen. Die Genossenschaft wird durch ihren Vorstand vertreten, §§ 24, Abs. 1, 26 Abs. 1 GenG.282 Der Vorstand setzt sich ausschließlich aus Mitgliedern der Genossenschaft zusammen.283 Er leitet die Genossenschaft gem. § 27 Abs. 1 S. 1 GenG in eigener Verantwortung. Aus dem Statut können sich jedoch Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis ergeben, die der Vorstand gem. § 27 Abs. 1 S. 2 GenG zu achten hat.284 Der Aufsichtsrat kann dem Vorstand jedoch grundsätzlich keine Weisungen erteilen.285 Es ist jedoch nicht abschließend geklärt, wie weitreichend die Einmischung in die Vorstandsaktivitäten gehen kann, ob bspw. die Generalversammlung dem Vorstand Weisungen geben kann.286 Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung des Vorstandes mit den Mitteln des § 38 Abs. 1 GenG.287 Sofern das Statut nichts anderes bestimmt, setzt er sich aus drei Mitgliedern der Genossenschaft zusammen.288 Die Generalversammlung ist das oberste Willensbildungs- und Entscheidungsorgan der Genossenschaft.289 In ihr üben die Genossenschaftsmitglieder ihre Rechte, wie die Wahl oder Abberufung des Vorstandes und des Aufsichtsrates (§§ 24 Abs. 2, § 36 Abs. 1, 3 GenG), die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 48 Abs. 1 GenG), Änderungen des Statuts (§ 16 GenG) oder gar die Auflösung der Genossenschaft (§ 78 GenG), aus.290 Die Abstimmungen erfolgen nach Köpfen gem. § 43 Abs. 3 S. 1 GenG, wobei Mehrstimmrechte im Statut vorgesehen werden können.291 Die Satzung muss gem. §§ 16 Abs. 3, 18 GenG den Anspruch auf Nutzung der genossenschaftlichen Einrichtungen und die Pflicht zur Zahlung eines 281 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014), § 14 Rn. 14; Hirte DstR 2007, 2166 (2170). 282 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014), § 14 Rn. 8. 283 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014), § 14 Rn. 9. 284 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 9. (2014), § 14 Rn. 8. 285 So auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 174. 286 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014),§ 14 Rn. 8; ablehnend: Henssler/ Strohn-Geibel, Gesellschaftsrecht,2. (2014), § 27 GenG Rn. 1; Pöhlmann/Fandrich/ Bloehs-Fandrich, Genossenschaftsgesetz,4. (2012), § 27 Rn. 7. 287 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014), § 14 Rn. 11. 288 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014), § 14 Rn. 10. 289 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014),§ 14 Rn. 12. 290 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014), § 14 Rn. 12; Binz/Freudenberg, DB 1991, 2473 (2474). 291 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014), § 14 Rn. 13; Binz/Freudenberg, DB 1991, 2473 (2473).
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen503
Entgeltes hierfür enthalten. Dies kann aber durch Vertrag ausgestaltet werden.292 Neben dem Nutzungsanspruch ist es möglich, eine Beteiligung am Gewinn (§§ 19 ff. GenG) zu regeln, die im Allgemeinen nicht in fester Verzinsung des Geschäftsguthabens bestehen darf (§ 21 GenG).293 Die Satzung kann neben den nutzenden Mitgliedern auch sog. investierende Mitglieder (§§ 8 Abs. 2 S. 1, 18 Abs. 2 GenG) vorsehen, die jedoch gem. § 8 Abs. 2 S. 2 GenG keinen maßgeblichen Einfluss auf die Genossenschaft ausüben dürfen. Investierende Mitglieder im Sinne des GenG sind Mitglieder, die an den Einrichtungen der Genossenschaft selbst nicht primär interessiert sind, sondern Finanzkraft einbringen.294 Die Geschäftsanteile und der maximale Beteiligungsumfang können in der Satzung frei bestimmt werden.295 Die Genossenschaft als verbundenes Unternehmen (also als Mitglied eines Unternehmensverbundes) ist gesetzlich nicht geregelt.296 Allerdings besteht insoweit Einigkeit darüber, dass Verbundbildungen nichts dem Wesen der Genossenschaft Fremdes sind, sondern vielmehr ihrem Wesen innewohnen.297 Daher können auch Partnerlösungen mit der Genossenschaft verwirklicht werden. In Bezug auf Beteiligungen an einer anderen Körperschaft oder Personengesellschaft bestimmt § 1 Abs. 2 GenG, dass diese nur im Rahmen des Förderzwecks zulässig sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 GenG), oder aber wenn diese einem gemeinnützigen Nebenzweck (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 GenG) dienen.298 (b) Kommunalrechtliche Rahmenbedingungen Im Rahmen der allgemeinen kommunalrechtlichen Vorgaben bzgl. der Haftungsbegrenzungen ist die Genossenschaft aufgrund der Regelung in § 2 GenG grundsätzlich für die Umsetzung eines (Re)Kommunalisierungsmodells kommunalrechtlich zulässig.299 Problematisch ist indes die Nachschusspflicht. Diese steht im Widerspruch zu den kommunalrechtlichen Bestimmungen, die eine begrenzte Haftung für Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.40. Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.41. 294 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.44. 295 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.54. 296 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.65. 297 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.65; Beuthien, Genossenschaftsgesetz,15. (2011), § 1 GenG Rn. 80. 298 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht,7. (2012), Rn. 10.66; Helios/Strieder-Helios, Beck’sches Handbuch der Genossenschaft (2009), § 1 Rn. 13. 299 So auch Blum/Häusler/Meyer-Freese, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (2011), § 137 Rn. 8. 292 Hirte, 293 Hirte,
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
kommunale Unternehmen verlangen. Die Vereinbarung einer Nachschusspflicht ist in genossenschaftsrechtlichem Kontext jedoch nicht zwingend und kann im Übrigen in dem Statut gem. § 6 Nr. 3 GenG ihrer Höhe nach beschränkt werden.300 Eine solche Beschränkung sollte daher ggf. vorgenommen werden. Die Genossenschaft hat als Organisationsform für die Gemeinden praktisch keinen Anklang gefunden.301 Im Hinblick auf die Haftung für Verbindlichkeiten, die auf das Genossenschaftsvermögen begrenzt ist (§§ 2, 23 Abs. 1 GenG), kommt sie aber sehr wohl als Organisationsform in Betracht. Für die Gemeinden kann die Genossenschaft dann interessant sein, wenn keine unbeschränkte Nachschusspflicht der einzelnen Genossenschaftsmitglieder besteht bzw. diese per Satzung begrenzt wird.302 Im Rahmen der (Re)Kommunalisierung besonders zu beachten ist die Mindestanzahl von drei Genossenschaftsmitgliedern gem. § 4 GenG.303 Dies wird als Argument verwandt, um die Ungeeignetheit der Genossenschaft als Organisationsform für die Gemeinden zu belegen.304 Dies greift jedoch etwas kurz, bedenkt man, dass außer der Gemeinde ja auch Bürger oder Unternehmen als Netznutzer an der Genossenschaft beteiligt sein können und durch deren Beteiligung die Mindestanzahl von drei Genossenschaftsmitgliedern erfüllt werden kann. Als weiterer Grund für die mangelnde Eignung der Genossenschaft für die kommunale Betätigung wird der Zweck der Genossenschaft genannt, der gerade in der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs liegt.305 Eben dies stehe „ihrem kommunalwirtschaftlichen Einsatz entgegen“306. Dass jedoch eine Netzgesellschaft sehr wohl den Förderzweck nach § 1 GenG erfüllen kann, wurde vorstehend bereits dargelegt. Für eine Partnerlösung erscheint die Genossenschaft daher als geeignete und insbesondere mit den Zielen der (Re)Kommunalisierung besonders kompatible Gesellschaftsform. 300 Grunewald, Gesellschaftsrecht,9. (2014), § 14 Rn. 17; allgemein zu Nachschusspflichten: Blum/Häusler/Meyer-Freese, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (2011), § 137 Rn. 14. 301 Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen,5. (2006), Rn. 123. 302 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 130. 303 Beuthien, Genossenschaftsgesetz,15. (2011), § 4 Rn. 1. 304 Ehlers, DÖV 1986, 897 (900); Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 131. 305 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 132. 306 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 132.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen505
(5) A usländische Gesellschaftsformen am Beispiel der englischen Limited Neben den deutschen Gesellschaftsformen könnten auch ausländische Gesellschaftsformen von den Gemeinden zur Realisierung ihrer (Re)Kommunalisierungsvorhaben gewählt werden.307 Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass sich zur Frage der Wahl einer ausländischen Rechtsform durch Gemeinden in der Rechtsprechung und in der Literatur so gut wie keine Ausführungen finden.308 In der gebotenen Kürze soll nachfolgend gleichwohl beispielhaft auf die in Deutschland populär gewordene englische Private Limited Company bzw. Private Company Limited by Shares (nachfolgend „Limited“) eingegangen werden. Daneben könnte eine Gemeinde aber auch bspw. anstelle einer deutschen GmbH eine luxemburgische société à responsabilité limitée („s.à.r.l.“) oder anstelle einer deutschen AG eine niederländische naamloze vennootschap („N.V.“) wählen. Aufgrund der großen Popularität der englischen Limited in den vergangenen Jahren werden sich die nachfolgenden Darstellungen aber beispielhaft nur auf diese ausländische Rechtsform beziehen. Die Limited ist die in England am weitesten verbreitete Gesellschaftsform, die ihre rechtliche Grundlage im Companies Act 2006 sowie weiteren konkretisierenden Rechtsakten (etwa dem Insolvency Act 1986 und Enterprise Act 2002) und dem Fallrecht („case law“) hat.309 Die Limited kann im Hinblick auf die deutschen Gesellschaftsformen am ehesten mit der GmbH verglichen werden. Sie ist eine Kapitalgesellschaft nach englischem 307 Grundlegend zur Annerkennung ausländischer Gesellschaftsformen, deren Rechte und Pflichten: EuGH, Urt. v. 9.3.1999, C-212/97, Slg. 1999, I-1459, NJW, 1999, 2027 (2027 ff.) (Centros Entscheidung); EuGH, Urt. v. 5.11.2002, C-208/00, Slg., 2002, I-9919, NJW 2002, 3614 (3614 ff.) (Überseering-Entscheidung); EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-167/01, Slg. 2003, I-10.155, NJW 2003, 3331 (3331 ff.), sowie ausführlich zur Rechtsprechung des EuGH und Entwicklung der ausländischen Gesellschaftsformen in Deutschland: Hirte/Bücker-Hirte, Grenzüberschreitende Gesellschaften,2. (2006), § 1 Rn. 3 ff.; zur Rechtsformwahl mit Gegenüberstellung verschiedener nationaler und ausländischer Gesellschaftsformen: Münchener KommentarFleischer, GmbHG, Bd. 1,2. (2015), Einleitung, H. Rechtsformwahl, Rn. 299 ff.; Römermann, NJW 2006, 2065 (2065 ff.). 308 Soweit ersichtlich in der einschlägigen Literatur zu gemeindlichen Unternehmen nur Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann, Handbuch kommunaler Unternehmen,3. (2012), § 7 Rn. 104, der diesbezüglich aber nur auf das fehlende Vorkommen in der Praxis verweist. 309 Eidenmüller-Rehm, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht (2004), § 10 Rn. 5 ff.; Hirte/Bücker-Kasolowsky/Schall, Grenzüberschreitende Gesellschaften,2. (2006), § 4 Rn. 3 ff.; Kadel, MittBayNot 2006, 102 (102 ff.); Ladiges/ Pegel, DStR 2007, 2069 (2069 ff.); grundlegend und weiterführend: Schall, Companies Act (2014), Part 1 ff.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Recht, die die Haftung der Gesellschafter auf die vereinbarte Einlage begrenzt.310 Die Limited hat gegenüber der deutschen GmbH einige Vorteile, weswegen sie Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre zunehmend von der deutschen Privatwirtschaft als Unternehmensform genutzt wurde. Anders als bei der (herkömmlichen) GmbH ist für die Limited kein Mindeststammkapital notwendig.311 Auch besteht keine anfängliche Einlagepflicht.312 Die Gründer haben außerdem weitgehende Freiheit bei der Gestaltung der Gesellschaftsstruktur.313 Daneben bietet die Limited flexiblere Möglichkeiten des Gesellschafterwechsels, da das englische Recht für einen Gesellschafterwechsel bei der Limited kein Beurkundungserfordernis der Anteilsübertra gung,314 wie nach § 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG erforderlich, vorschreibt.315 Außerdem ermöglicht sie auch die Umgehung des deutschen Mitbestimmungsrechts.316 Im Vergleich zur deutschen GmbH kann die Limited auch mit geringerem Gründungsaufwand, schnell (etwa über Erwerb einer Vorratsgesellschaft), kostengünstig und unbürokratischer gegründet werden.317 310 Hirte/Bücker-Kasolowsky/Schall, Grenzüberschreitende Gesellschaften,2. (2006), § 4 Rn. 1 ff.; Münchener Kommentar-Fleischer, GmbHG,2. (2015), Bd. 1, GmbHG, Einleitung, E. Rechtsvergleichung, Rn. 249 f.; Ladagies/Pegel, DstR 2007, 2069 (2069 ff.). 311 Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften,1. (2004), 3. Teil, Rn. 3; Münchener Kommentar-Fleischer, GmbHG, Bd. 1,2. (2015), Einleitung, H. Rechtsformwahl, Rn. 310; Krebs, GWR 2014, 144 (145); Beck’sches Handbuch der GmbH-Berberich/Haaf,5. (2014), § 1 Rn. 110, die zu Recht darauf hinweisen, dass sich dieser Vorteil mit Einführung der Unternehmergesellschaft und § 5a GmbHG relativiert hat. 312 Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften,1. (2004), 3. Teil, Rn. 3; Heinz/Hartung, Die englische Limited,3. (2011), 9. Kap., Rn. 28. 313 Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften,1. (2004), 3. Teil, Rn. 3. 314 Nach englischem Recht ist vielmehr ausreichend, dass die Übertragung schriftlich festgehalten wird und eine Umschreibung im Gesellschaftsregister erfolgt, hierzu und zur Nichtgeltung der deutschen Regelungen, auch bei Übertragung in Deutschland: Kallmeyer, DB 2004, 636 (638); Breithaupt/Ottersbach-Schneider, Kompendium Gesellschaftsrecht,1. (2010), § 1 Rn. 6; ausführlich hierzu: Schall, Companies Act (2015), Part 2, S. 26 ff. 315 Breithaupt/Ottersbach-Schneider, Kompendium Gesellschaftsrecht,1. (2010), § 1 Rn. 6; Münchener Kommentar-Fleischer, GmbHG, Bd. 1,2. (2015), Einleitung, H. Rechtsformwahl, Rn. 310; sich bzgl. der Vorzüge des Beurkundungserfordernisses aussprechend aber: Heckschen, GmbHR 2004, R 25 (R 26); kritisch und zur Anwendung des Beurkungserfordernisses auf ausländische Gesellschaften in Deutschland: Olk NJW 2010, 1639 (1639). 316 Ausführlich hierzu: Just, Die englische Limited in der Praxis,4. (2012), V. Direktoren, Rn. 196 ff.; hierzu auch bereits: Ebert/Leverdag, GmbHR 2003, 1337 (1346). 317 Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften,1. (2004), 3. Teil, Rn. 3; Just, Die englische Limited in der Praxis,4. (2012), I. Einleitung, Rn. 2; Münchener
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen507
Betrachtet man die Limited in ihrer Form als Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung, so können grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen der Gemeindeordnungen, wie etwa Haftungsbegrenzung, Einflussmöglichkeiten der Gemeinde318 etc. ebenso wie bei der Wahl der deutschen GmbH mit der Limited erfüllt werden. Es könnten sich jedoch aus der Notwendigkeit der Gründung der Limited in England und dem ausländischen Rechtsbezug Probleme im Hinblick auf die Zulässigkeit dieser Organisationsform für gemeindliche Unternehmen ergeben. So könnte bereits eine unzulässige grenzüberschreitende Betätigung der Gemeinden durch die Rechtsformwahl und Gründung einer gemeindlichen Limited in England gegeben sein, wenn bereits die Gründung und Registrierung im englischen Gesellschaftsregister als grenzüberschreitende wirtschaftliche Betätigung anzusehen ist. Denn hierfür ist zwingend erforderlich, dass sich die Gemeinde im Ausland in Form der Gründung und Anmeldung der Gesellschaft zum Gesellschaftsregister betätigt.319 Wie vorstehend i. R.d. § 6 IV.2.b)cc) ausgeführt, ist die gemeindliche wirtschaftliche Betätigung wegen Art. 28 Abs. 2 GG und des dort normierten Örtlichkeitsprinzips jedoch nur auf dem eigenen Gemeindegebiet zulässig. Grenzüberschreitende wirtschaftliche Betätigung ist demgegenüber grundsätzlich unzulässig.320 Diese formalen Gründungsakte stellen jedoch nicht die von der Gemeinde im Rahmen der (Re)Kommunalisierung beabsichtigte wirtschaftliche Betätigung dar. Denn die wirtschaftliche Bestätigung liegt vielmehr im Betrieb des Netzes, der i. d. R. (und zulässiger Weise) nur auf dem eigenen Gemeindegebiet erfolgen soll. Will die Gemeinde ihr Netzunternehmen also lediglich in ausländischer Rechtsform gründen, im Übrigen aber im Gemeindegebiet einsetzen und betreiben, so wird der ausländische Gründungsakt nicht für die Annahme einer unzulässigen (ausländischen) wirtschaftlichen Betätigung ausreichen. Eine Unzulässigkeit der „Flucht“ in ausländische Gesellschaftsformen könnte sich aber aus weiteren verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Erwägungen ergeben. Kommentar-Fleischer, GmbHG, Bd. 1,2. (2015), Einleitung, H. Rechtsformwahl, Rn. 310; Maul/Schmidt, BB 2003, 2297 (2298), die jedoch auch warnend auf die Nachteile eingehen; kritisch: Wachter, GmbHR 2004, 88 (94). 318 Vgl. hierzu die Ausführungen zu den kommunalrechtlichen Vorgaben für die Wahl einer GmbH in § 8 II.2.b)bb)(1)(b). 319 Hierzu detailliert: Hirte/Bücker-Kasolowsky/Schall, Grenzüberschreitende Gesellschaften,2. (2006), § 4 Rn. 1 ff.; ausführlich hierzu: Schall, Companies Act (2015), Part 2, S. 35 ff. 320 Hierzu unter § 6 IV.2.b)cc).
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Dies gilt etwa dann, wenn die Gemeinde durch die Gründung und den Betrieb einer Gesellschaft ausländischer Rechtsform gegen den in Art. 20 Abs. 3 GG bestimmten Vorrang des Gesetzes verstieße.321 Denn der Vorrang des Gesetzes könnte als Vorrang deutschen Rechts gegenüber dem ausländischen Recht verstanden werden.322 Aus Art. 20 Abs. 3 GG könnte hiernach die Pflicht zur Anwendung deutschen Rechts und ein Verbot der „Flucht in das ausländische Recht“ folgen.323 Denn aus Art. 20 Abs. 3 GG folgt, dass die Verwaltung, soweit gesetzliche Regelungen bestehen, den „normativen Anordnungen“ des Gesetzes Folge leisten und dessen „Gebote und Verbote“ beachten muss.324 Ein Verstoß hiergegen könnte darin bestehen, dass das Recht eines anderen Mitgliedstaates vor dem deutschen Recht zur Anwendung kommt. Denn wählt die Gemeinde die Unternehmensform einer englischen Limited für ihre Netzgesellschaft, so unterstellt sie diese gemeindliche Netzgesellschaft englischem Gesellschaftsrecht. Doch auch wenn die Gemeinde in Form einer (dann ausländischen) Netzgesellschaft wirtschaftlich handelt, bleibt sie als Verwaltung an die grundgesetzlichen Bestimmungen gebunden.325 Allerdings hat der EuGH bereits mehrfach entschieden, dass die Wahl ausländischer Gesellschaftsformen (durch Privatpersonen) für eine wirtschaftliche Betätigung im Inland zulässig ist, da die Annahme der Unzulässigkeit gegen die europäischen Grundfreiheiten, insbesondere die Niederlassungsfreiheit, verstieße.326 321 Dies im Rahmen der Zulässigkeit von sog. „Cross-Border-Leasing-Transaktionen“ im Zusammenhang mit dem Vorbehalt des Gesetzes prüfend, einen Verstoß aber verneinend, Rietdorf, Kommunale Cross-Border-Leasing-Transaktionen (2014), S. 210 ff.; zum Vorrang des Gesetzes: Maunz/Düring-Herzog, GG,51. EGL (Dez. 2007), Art. 20 Rn. 72 ff.; zum Vorbehalt des Gesetzes: Maunz/Düring-Herzog, GG,51. EGL (Dez. 2007), Art. 20 Rn. 75 ff. 322 So Rietdorf, Kommunale Cross-Border-Leasing-Transaktionen (2014), S. 210. 323 So Rietdorf, Kommunale Cross-Border-Leasing-Transaktionen (2014), S. 210, der jedoch an den Vorbehalt des Gesetzes anknüpft. 324 Stelkens/Bonk/Sachs-Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz,8. (2014), § 44 Rn. 84. 325 Hierzu ausführlich § 6 II.4. 326 Schon zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft: EuGH, Urt. v. 5.2.1963, RS 26/62, NJW 1963, 974 (974 ff.); EuGH, Urt. v. 9.3.1999, C-212/97, Slg. 1999, I-1459, NJW, 1999, 2027 (2027 ff.) (Centros Entscheidung); EuGH, Urt. v. 5.11.2002, C-208/00, Slg., 2002, I-9919, NJW 2002, 3614 (3614 ff.) (Überseering-Entscheidung); EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-167/01, Slg. 2003, I-10.155, NJW 2003, 3331 (3331 ff.); BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, NJW 1987, 577 (577 ff.); OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 28.5.2003, 23 U 35/02, IPRax 2004, 56 (58); mit weiterführenden Ausführungen zur Entwicklung und Rechtsprechung: Grabitz/Hilf/ Nettesheim-Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union,41. EGL. (Juli 2010), Art. 1 AEUV Rn. 71 ff.; Kronawitter, NVwZ 2009, 936 (936); sowie ausführlich zur Rechtsprechung des EuGH und Entwicklung der ausländischen Gesellschaftsformen in
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen509
Dies wirkt sich im Internationalen Privatrecht (genauer im Internationalen Gesellschaftsrecht) aus, das regelt, welches Recht auf die jeweiligen Gesellschaften anzuwenden ist. Kodifiziert ist (der Anknüpfungspunkt für) das Internationale Gesellschaftsrecht in Deutschland jedoch bislang nicht.327 Das anzuwendende Recht ergibt sich nach der Sitztheorie aus dem tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft oder aber nach der Gründungs theorie aus dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft gegründet wurde.328 Dabei haben der EuGH und nunmehr auch der BGH die Streitfrage zwischen der Geltung der Sitz- und Gründungstheorie dahingehend entschieden, dass für eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat der Europäi schen Union die Gründungstheorie maßgeblich sein soll.329 Diese Anknüpfung an die Gründungstheorie sieht auch das englische Recht vor.330 Bei Gründung einer Limited in England ist mithin englisches Gesellschaftsrecht zu beachten. Nach diesem Befund stellt sich die Frage, wie der mögliche Widerspruch zwischen der Gesetzesbindung der Verwaltung an deutsches Recht und der Geltung der europäischen Grundfreiheiten sowie den Rechtsfolgen der Gründungstheorie zu lösen ist. Für die Antwort auf diese Frage ist zwischen den relevanten Rechtsmaterien zu unterscheiden. Denn das Gesellschaftsrecht, um dessen Anwendung es bei der Gründung einer Limited in England geht, ist nicht Teil des Verwaltungs- oder Verfassungsrechts. Auch bei der Gründung einer Limited in England bleibt die Verwaltung selbstverständlich an das deutsche Verwaltungs- und Verfassungsrecht gebunden. Insofern ist Deutschland: Hirte/Bücker-Hirte, Grenzüberschreitende Gesellschaften,2. (2006), § 1 Rn. 3 ff.; Freitag, EuZW 1999, 267 (269); Leible, NZG 1999, 300 (301); kritisch Michalski-Leible, GmbHG, Bd. 1,2. (2010), Systematische Darstellung 2 Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 42. 327 BGH, Urt. v. 12.7.2011, II ZR 28/10, NZG 2011, 1114 (1115). Der Entwurf des Art. 10 EGBGB ist (bislang) nicht in Kraft getreten, sieht aber vor: „Gesellschaften, Vereine und juristische Personen des Privatrechts unterliegen dem Recht des Staates, in dem sie in ein öffentliches Register eingetragen sind.“ 328 BGH, Urt. v. 12.7.2011, II ZR 28/10, NZG 2011, 1114 (1115). Zur grundsätzlichen Problematik und dem Streit zwischen der Gründungs- und Sitztheorie, dem Verhältnis zur Niederlassungsfreiheit und der Rechtsprechung und gesetzgeberischen Plänen: Münchener Kommentar-Hein, BGB,6. (2015), EGBGB, Bd. 10, Art. 3 Rn. 90 ff. m. w. N. 329 BGH, Urt. v. 12.7.2011, II ZR 28/10, NZG 2011, 1114 (1115); grundlegend: BGH, Urteil vom 14.3.2005, II ZR 5/03, NJW 2005, 1648 (1648), wonach: „Die Haftung des Geschäftsführers für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einer gemäß Companies Act 1985 in England gegründeten private limited company mit tatsächlichem Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich nach dem am Ort ihrer Gründung geltenden Recht.“; zur Anwendung der Gründungstheorie auch Römermann, NJW 2006, 2065 (2068). 330 Kronawitter, NVwZ 2009, 936 (937).
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
es unbeachtlich, welche Form die Verwaltung für ihr Handeln wählt. Diese Geltung und Anwendung des deutschen Verwaltungs- und Verfassungsrechts ist jedoch getrennt von der Frage zu beurteilen, ob und welches Gesellschaftsrecht gilt. Dass sich die Gemeinde generell der Geltung des zivilen Gesellschaftsrechts unterstellen kann, ist allgemein anerkannt und wird in die Organisationswahlfreiheit der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 GG hineingelesen.331 Hiernach steht es der Gemeinde anerkanntermaßen frei, auch (etwa) eine GmbH zu gründen, für die selbstverständlich das deutsche Gesellschaftsrecht in Form des GmbHG gilt. Es gibt auch keinen geschriebenen oder allgemein anerkannten Grund, weshalb sich eine Gemeinde nicht auch einer ausländischen Gesellschaftsform und damit des ausländischen Gesellschaftsrechts bedienen dürfte. Im Gegenteil: Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung gerade festgestellt, dass Gesellschaftsformen aus den EU-Mitgliedstaaten den inländischen (deutschen) Gesellschaftsformen gleichzustellen sind.332 Als Grenzen verbleiben aber, wie auch bei der Wahl einer deutschen GmbH, die Bindung an die verfassungsrechtlichen und kommunalrechtlichen Regelungen. Denn die Gemeinde selbst ist und bleibt selbstverständlich an deutsches Recht gebunden. Dem kann sie sich auch nicht durch die Wahl einer englischen Limited und der Anwendung englischen Gesellschaftsrechts entziehen. So können sich aus dem Verfassungsrecht, insbesondere aus Art. 28 Abs. 2 GG und dem Demokratieprinzip, vorrangige Vorgaben für die Gemeinde ergeben, die sie auch im englischen Gesellschaftsvertrag und laufenden Betrieb der Limited zu berücksichtigen hat, obwohl dies im englischen Recht möglicherweise so nicht vorgesehen ist. Eine Flucht aus der Geltung gesetzlicher Regelungen und Grenzen ist daher nicht möglich. Daneben darf nicht übersehen werden, dass lediglich die Anwendung englischen Rechts für die von der Gemeinde gegründete englische Limited, und damit eines von der Gemeinde isolierten, in eine Gesellschaftsform eingebrachten Vermögens im Raum steht. Es stellt sich somit nicht die Frage, ob sich die Gemeinde als Ganze der Geltung englischen Rechts unterstellen darf. Aus diesen Gründen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Nutzung ausländischer Gesellschaftsformen für den Betrieb von Energienetzen. 331 Langrehr, in: Götz/Langrehr, Die Gemeinde, Festschrift zum 70. Geburtstag von Heiko Faber (2007), S. 89 (90). 332 EuGH, Urt. v. 9.3.1999, C-212/97, Slg. 1999, I-1459, NJW, 1999, 2027 (2027 ff.) (Centros Entscheidung); EuGH, Urt. v. 5.11.2002, C-208/00, Slg., 2002, I-9919, NJW 2002, 3614 (3614 ff.) (Überseering-Entscheidung); EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-167/01, Slg. 2003, I-10.155, NJW 2003, 3331 (3331 ff.); so auch BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, NJW 1987, 577 (577 ff.).
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen511
Die Gründung einer kommunalen Gesellschaft nach ausländischem Recht könnte aber gegen § 23 Abs. 1 VwVfG und damit einfachgesetzliche Vorgaben verstoßen. § 23 Abs. 1 VwVfG sieht in Anlehnung an § 184 GVG als Amtssprache der Verwaltung die deutsche Sprache vor.333 Für die Gründung einer Limited in England ist jedoch ein Gesellschaftsvertrag in englischer Sprache erforderlich. Betrachtet man die in § 23 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck kommende Regelung als allgemeinen Grundsatz verwaltungsrechtlichen Handelns, so ist die deutsche Amtssprache auch für Gründungsakte im Zusammenhang mit der Errichtung öffentlicher Unternehmen einzuhalten.334 Wie aber die § 23 Abs. 3 und 4 VwVfG deutlich machen, sollen fremdsprachliche Erklärungen im Verwaltungsalltag nicht grundsätzlich unbeachtlich sein.335 Vielmehr und insoweit den zivilrechtlichen Grundsätzen aus § 130 BGB folgend, muss der Erklärungsinhalt erkennbar sein.336 Damit schließt § 23 VwVfG nicht grundsätzlich Dokumente von Bedeutung für die Verwaltung in anderer als der deutschen Sprache aus. Vielmehr soll durch § 23 VwVfG (so wohl auch als allgemeiner Grundsatz verwaltungsrecht lichen Handelns zu verstehen) die Verständlichkeit und der Umgang mit Schriftstücken ermöglicht werden. Diesem Sinn und Zweck von § 23 VwVfG kann aber im Hinblick auf einen englischen Gesellschaftsvertrag dadurch entsprochen werden, dass bspw. zusätzlich der Gesellschaftsvertrag in deutscher Übersetzung angefertigt wird.337 Eine Regelung i. S. e. grundsätzlichen Verbotes ausländischer Schriftstücke im Verwaltungshandeln ist § 23 VwVfG damit nicht zu entnehmen. Auch § 23 VwVfG ist daher keine Hürde für die Gründung einer ausländischen Rechtsform. Aus rechtlicher Sicht ist daher die Wahl einer ausländischen Rechtsform, wie etwa der englischen Limited, grundsätzlich möglich. Dennoch ist hiervon im Hinblick auf deren Verwaltung und die politische Vermittelbarkeit einer solchen Rechtsformwahl dringend abzuraten. Durch das Auseinanderfallen von statutarischem Sitz (bei der Limited bspw. England) und faktischem Sitz (jeweilige Gemeinde in Deutschland) entstehen Probleme, die von der Gemeinde bei der Wahl einer ausländischen 333 Dies im Rahmen der Zulässigkeit von sog. „Cross-Border-Leasing-Transaktio nen“ prüfend, aber verneinend: Rietdorf, Kommunale Cross-Border-Leasing-Transaktionen (2014), S. 174 ff.; hierzu auch Prahl, KStZ 2004, 146 (147 f.). 334 So etwa Prahl, KStZ 2004, 146 (147 f.). 335 Hierzu auch ausführend im Verwaltungsverfahren und in Abgrenzung zu § 184 GVG: Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, Verwaltungsverfahrensgesetz,8. (2014), § 23 Rn. 29 ff. 336 Zum allgemeinen Verwaltungsverfahren: Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, Verwaltungsverfahrensgesetz,8. (2014), § 23 Rn. 30. 337 Vgl. hierzu für das allgemeine Verwaltungsverfahren auch: Stelkens/Bonk/ Sachs-Schmitz, Verwaltungsverfahrensgesetz,8. (2014), § 23 Rn. 30.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Rechtsform zu beachten sind. So richten sich etwa bei der Wahl einer Limited alle den Gesellschaftsstatut betreffenden Rechtsfragen, bspw. wie die Gesellschaft vertreten werden kann, wann welche Beschlüsse zu fassen sind, unter welchen Voraussetzungen die Directors gegen Wettbewerbsvorschriften verstoßen oder wann für Pflichtverletzungen (persönlich) gehaftet wird, nach englischem Recht.338 Die gesamte Tätigkeit der gemeindlichen Limited muss dem englischen Gesellschaftsrecht entsprechen.339 Diese rechtliche Komplexität führt zu einem deutlich höheren Aufwand für die die Gesellschaft führende Gemeinde.340 Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Gemeinden in der Regel nicht über vertiefte Kenntnisse im ausländischen Gesellschaftsrecht verfügen werden. Diese vermutlich fehlenden Erfahrungen und Kenntnisse der jeweiligen Gemeinde im Umgang mit einem Unternehmen in ausländischer Rechtsform werden sie sodann durch den Einkauf von externen Beratern (etwa Rechtsanwälten und Steuerberatern, möglicherweise Übersetzern) auszugleichen haben.341 Hierdurch würden zusätzliche Kosten für die Gemeinde entstehen. Im laufenden Betrieb eines kommunalen Netzunternehmens in ausländischer Rechtsform würde sich die Verwaltung und Behandlung rechtlicher (auch Alltags-)Fragen daher als deutlich aufwändiger und kostenintensiver erweisen.342 Auch dürften der Wahl einer ausländischen Rechtsform politische Erwägungen entgegenstehen. Es ist schwerlich vorstellbar, wie eine Gemeinde nach außen politisch vertreten können soll, für die (Re)Kommunalisierung ihres Verteilernetzes eine englische Limited oder andere ausländische Rechtsform wählen zu wollen. Denn eines der tragenden Argumente der Gemeinden für die (Re)Kommunalisierung ist schließlich die Wiederherstellung der kommunalen Nähe und Verbundenheit des Netzbetriebes zur Ge-
338 BGH, Urt. v. 14.3.2005, II ZR 5/03, NZG 2005, 508 (508 ff.); BGH, Urt. v. 13.04.2010 ‒ 5 StR 428/09, BeckRS 2010, 12190, hierzu Urteilsanmerkung von Knierim, FD-StrafR 2010, 304011; Rn. 18; BGH, Urt. v. 12.07.2011, II ZR 28/10, NJW 2011, 3372 (3372 ff.), hierzu Urteilsanmerkung von Esser, FD-InsR 2011, 323277; Maul/Schmidt, BB 2003, 2297 (2298); zur Anwendung des englischen Rechts nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts, Ebert/Lavedag, GmbHR 2003, 1337 (1340); Römermann, NJW 2006, 2065 (2069). 339 Wachter, GmbHR 2004, 88 (92 f.). 340 Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften,1. (2004), 3. Teil, Rn. 3; Wachter, GmbHR 2004, 88 (92 f.). Hierzu allgemein auch: Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337 (1346). 341 Zu dem zusätzlichen Aufwand, u. a. auch zu den „Kosten“ von Sprachbar rieren im Umgang mit ausländischen Gesellschaftsformen: Wachter, GmbHR 2004, 88 (94). 342 Wachter, GmbHR 2004, 88 (94); hierzu allgemein auch: Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337 (1346).
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meinde und ihren Einwohnern.343 Dies scheint politisch nur schwer vermittelbar zu sein, wenn man eine ausländische Rechtsform wählt und sich damit jedenfalls teilweise ausländischem Recht unterstellt. Letztlich ist es wohl vor allem diesen politischen Erwägungen geschuldet, wenn, wie Hellermann zutreffend ausführt, „anders als im privatwirtschaftlichen Bereich, wo in zurückliegenden Jahren auch die Wahl ausländischer Rechtsformen, namentlich der englischen Limited als Alternative zur GmbH, vielfach diskutiert worden ist, […] im kommunalen Bereich […]“ ausländische Rechtsformen keine Rolle spielen.344 cc) Zusammenfassung und Bewertung Von den dargestellten Organisationsformen bieten sich zur Umsetzung der in § 8 I. genannten (Re)Kommunalisierungsmodelle die GmbH und AG an. Diese Organisationsformen bieten ein großes Maß an Flexibilität und Gestaltungsfreiheit und ermöglichen sowohl die Realisierung einer Stand-AloneLösung wie auch die Hinzunahme eines Partners und damit die Umsetzung einer Partnerlösung. Allerdings ist die AG strengeren gesellschafts- und kommunalrechtlichen Regelungen unterworfen [vgl. Ausführungen § 8 II.2.b)bb) (2)]. Auch erfordert sie eine umfassendere und damit kostenintensivere Gründung und Betriebsführung sowie -unterhaltung [vgl. § 8 II.2.b)bb)(2)(a)]. Sie eignet sich damit im Verhältnis zur GmbH im Allgemeinen weniger gut. Diese vielseitigen Gestaltungsmöglichkeiten der privatrechtlichen Organisationsformen bieten die öffentlich-rechtlichen Organisationsformen nicht. Sie eignen sich im Grunde nur für die Realisierung einer Stand-Alone-Lösung durch die Gemeinde. Hierbei ist die Anstalt des öffentlichen Rechts (bzw. das Kommunalunternehmen) vorzugswürdig. Für die Realisierung einer Partnerlösung eignet sich neben der GmbH und AG die GmbH & Co. KG. Sie bietet die Möglichkeit, Partner im Rahmen einer Kommanditistenstellung an der Gesellschaft zu beteiligen, ohne dass Ihnen zwingend Einfluss auf die Geschäfte der Gesellschaft zugestanden werden muss. In besonderer Weise eignet sich wegen ihrer hohen Zielkompatibilität die Genossenschaft zur Realisierung von Partnerlösungen. Ihre demokratische und mitgliederorientierte Struktur sowie die nicht zwingend notwendige Gewinnorientierung deckt sich im hohen Maße mit den Zielen, die von vielen Gemeinden mit der (Re)Kommunalisierung verbunden werden. 343 § 4
VII.
344 Hoppe/Uechtritz/Reck-Hellermann,
(2012), § 7 Rn. 104.
Handbuch kommunaler Unternehmen,3.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Zusammenfassend kann für die Umsetzung der (Re)Kommunalisierungsmodelle daher festgehalten werden, dass die GmbH die flexibelste und gestaltungsreichste Organisationsform sowohl für die Stand-Alone- wie auch Partnerlösungen ist. Will die Gemeinde Partner einbeziehen, so eignet sich außerdem die GmbH & Co. KG. In besonderer Weise ist außerdem für die Realisierung einer Partnerlösung auf die Genossenschaft hinzuweisen, die gerade im Hinblick auf die Ziele der (Re)Kommunalisierung Vorzüge bietet. 3. Energierechtliche Vorgaben für die Realisierung der (Re)Kommunalisierungsmodelle In Bezug auf die Organisationsform des Netzbetriebes lassen sich dem EnWG grundsätzlich keine Einschränkungen oder Bestimmungen gesellschaftsrechtlicher Natur entnehmen.345 Dennoch enthält das EnWG Vorgaben in Bezug auf die Organisation der Energieversorgung, die es auch bei der Organisation des Netzbetriebes zu beachten gilt. Diese sind namentlich die Entflechtungsvorgaben sowie die Regelungen über die Anreizregulierung und die Erlösobergrenzen. a) Entflechtungsvorgaben aus dem EnWG Für die Organisation eines (Re)Kommunalisierungsmodells sind aus energierechtlicher Sicht vor allem die Regelungen über die Entflechtung des monopolistischen Netzbereichs von den übrigen Wettbewerbsbereichen (Erzeugung und Vertrieb) in der Energieversorgung zu beachten. Diese wurden durch den europäischen Gesetzgeber initiiert und im Jahr 2005 erstmals in deutsches Recht umgesetzt.346 Eine weitergehende Vertiefung dieser europäischen Stoßrichtung wurde durch das Dritte Energiebinnenmarktpaket347 vorgenommen, welches durch Novelle des EnWG vom 26. Juli 2011 m.W.v. 4. August 2011 in Kraft getreten ist.348 Dabei verfolgen die auf dem europäischen Liberalisierungsprozess beruhenden Entflechtungsbestimmungen das Ziel, den Energiemarkt in einen voll funk 345 BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze (1.3.2006), S. 12; BR-Drs. 613/04, S. 92; PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 26. 346 Baur/Pritzsche/Simon-Baur, Unbundling in der Energiewirtschaft (2006), Kap. 1 Rn. 37. 347 Veröffentlicht am 14. August 2009 im Amtsblatt der Europäischen Union und am 3. September 2009 (zwanzigster Tag nach der Veröffentlichung) in Kraft getreten. 348 BGBl. I S. 1554.
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tionsfähigen und wettbewerbsorientierten Markt durch die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien und transparenten Netzzugangs zu angemessenen Preisen umzugestalten.349 So ist auch in § 6 Abs. 1 EnWG als Zielsetzung in das deutsche Recht aufgenommen worden, wonach die Entflechtungsbestimmungen die Gewährleistung von Transparenz sowie Unabhängigkeit des Netzbetreibers schaffen sollen, um so eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung und Abwicklung des Netzbetriebes zu ermöglichen.350 Dazu ist der Netzbereich als Monopolbereich getrennt von der Erzeugung und dem Vertrieb als dem Wettbewerb unterliegenden Bereichen zu organisieren.351 aa) Adressaten der Entflechtungsbestimmungen Adressaten der Entflechtungsbestimmungen sind grundsätzlich alle vertikal integrierten Unternehmen i. S. d. § 3 Nr. 38 EnWG oder aber solche Unternehmen im Elektrizitätsbereich, die die Übertragung oder Verteilung sowie mindestens eine weitere Tätigkeit aus den Wettbewerbsbereichen Erzeugung und Vertrieb wahrnehmen und zwar in Form eines verbundenen Unternehmens i. S. d. Fusionskontrollverordnung (Verordnung (EG) Nr. 139 / 2004352 des Rates).353 Nicht umfasst sind daher solche Unternehmen, die sog. „Multi-utility-Aktivitäten“ wahrnehmen, bspw. indem sie gleichzeitig den Betrieb des Stromnetzes sowie der Wasserversorgung und Abfallentsorgung gewährleisten.354 Ebenso wenig umfasst sind Unternehmen, die (nur) das Strom- und das Gasnetz betreiben. Vielmehr muss das Unternehmen das Netz und mindestens eine weitere Energieversorgungstätigkeit betreiben.355 Denn nur bei solchen Unternehmensgruppen besteht das potentielle Risiko von Quersubventionierungen zwischen den Wertschöpfungsstufen in der Energieversorgung und die Gefahr des diskriminierenden Netzbetriebs gegenüber anderen Wettbewerbern.356 349 BKartA/BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze (1.3.2006), S. 6; RL 2003/54/EG, Erwägungsgrund 2. 350 So auch (fast wortgleich): BT-Drs. 15/3917, S. 51. 351 Statt vieler: Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 29; Baur/ Pritzsche/Simon-Baur, Unbundling in der Energiewirtschaft (2006), Kap. 3 Rn. 31. 352 Vom 20. Januar 2004, in ABl. L 24/1 vom 29.01.2004. 353 Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 83 ff und 91 ff.; BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze (1.3.2006), S. 7 f.; hierzu ausführlich noch im Zusammenhang mit der Ausnahme von der Geltung der De-minimis-Regelung in § 8 II.3.a)dd). 354 Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 30. 355 Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 31. 356 Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 84.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Für die vorstehend dargestellten Modelle haben die Entflechtungsbestimmungen daher nur dann Auswirkungen, wenn es sich um energiespezifische Ausgestaltungen der Modelle [so auch vorstehend benannt in § 8 I.] handelt (etwa eine Gesellschaft bestehend aus der Sparte Netz, Erzeugung und Vertrieb). So sind die Entflechtungsvorgaben bspw. unbeachtlich, wenn sich die Gemeinde zum Zwecke der (Re)Kommunalisierung dazu entscheidet, be stehende kommunale Gesellschaften, wie etwa eine kommunale Wasserund / oder Abwassergesellschaft um eine Stromnetztochter zu erweitern. Die nachstehenden Darstellungen beschreiben daher die Anforderungen aus den energierechtlichen Vorgaben für die (Re)Kommunalisierungsmodelle, die energiespezifisch in dem zuvor erwähnten Sinne realisiert werden. bb) Inhalt und Umfang der Entflechtung Unter Entflechtung, auch „Unbundling“ genannt, ist die gesetzlich angeordnete Trennung von Energieübertragung und -verteilung von der Stromversorgung i. S. d. Erzeugung und dem Vertrieb durch Herauslösung dieser Unternehmensteile aus einem vertikal integrierten Unternehmen i. S. d. § 3 Nr. 38 EnWG zu verstehen.357 Das Ziel dieser Entflechtung besteht darin, die Möglichkeit der Ausnutzung der monopolistischen Netzstruktur zu verhindern und die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen von Behinderungen durch den Netzeigentümer (bspw. durch Behinderung des Netzzugangs, höhere Durchleitungsentgelte, Quersubventionierung etc.) zu befreien.358 Bei der Entflechtung ist zwischen verschiedenen Arten der Entflechtung zu unterscheiden, wobei für die überregionalen Übertragungsnetzbetreiber strengere Entflechtungsbestimmungen als für die lediglich regional tätigen Verteilernetzbetreiber gelten.359 Fünf Formen der Entflechtung (hier aufsteigend dargestellt, nach der Intensität ihres Eingriffs) sind im EnWG vorgesehen: buchhalterische, informatorische, organisatorische, rechtliche und eigentumsrechtliche Entflechtung.
357 Baur/Pritzsche/Simon-Baur, Unbundling in der Energiewirtschaft (2006), Kap. 1 Rn. 1; Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Bettzüge/Kersting, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), 1. Teil, Kap. 4 Rn. 15. 358 Baur/Pritzsche/Simon-Baur, Unbundling in der Energiewirtschaft (2006), Kap. 3 Rn. 32; Mestmäcker/Schweizer, Europäisches Wettbewerbsrecht,3. (2014), § 18 Rn. 21 ff. 359 Nachfolgend werden die für die Verteilernetzbetreiber relevanten Entflechtungsbestimmungen in den Fokus genommen.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen517
(1) Eigentumsrechtliche Entflechtung Die eigentumsrechtliche Entflechtung stellt den stärksten Eingriff in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit dar, indem sie die gänzliche eigentumsrechtliche Aufspaltung eines vertikal integrierten Unternehmens fordert (Zwangsverkauf sämtlicher bzw. der beherrschenden Anteile) und damit zu einem Eigentumsentzug i. S. e. Enteignung am Netzbereich des Unternehmens führt.360 Die eigentumsrechtliche Entflechtung ist in § 8 EnWG 2011 für die Übertragungsnetzbetreiber mit der Novelle 2011 als wesentliche Verschärfung neu aufgenommen worden und stellt neben dem sog. Unabhängigen Systembetreiber gem. § 9 EnWG 2011 sowie dem sog. Unabhängigen Transportnetzbetreiber gem. § 10 EnWG eine von drei durch die Netzbetreiber wählbaren Entflechtungsformen dar.361 Für die Verteilernetzbetreiber ist die eigentumsrechtliche Entflechtung indes nicht vorgesehen, was sich auch ausdrücklich aus der zugrundeliegenden Elektrizitätsrichtlinie in Art. 26 Abs. 1 S. 2 ergibt.362 Vielmehr blieb das seit dem Jahr 2005 geltende Entflechtungsregime für die Verteilernetzbetreiber auch nach der EnWG-Novelle aus dem Jahr 2011 im Wesentlichen (allerdings mit einigen Verschärfungen, hierzu nachfolgend) erhalten.363 (2) Rechtliche Entflechtung Die zweitintensivste Form des Unbundlings wurde bereits mit der Umsetzung des Zweiten Energiebinnenmarktpaketes in § 7 EnWG 2005 auf genommen und gilt nach wie vor fort. Die rechtliche Entflechtung – auch gesellschaftsrechtliche Entflechtung genannt – bestimmt, dass der Netzbereich rechtlich (im Hinblick auf die Rechtsform) verselbstständigt von den übrigen Energieversorgungsbereichen sein muss, ohne dabei aber eine eigentumsrechtliche Abspaltung des Netzbereiches zu verlangen.364 Vielmehr soll eine formelle Unabhängigkeit dadurch geschaffen werden, dass der Netzbereich in eine separate, eigene Gesellschaft über360 Baur/Pritzsche/Simon-Schmidt-Preuß, Unbundling in der Energiewirtschaft (2006), Kap. 1 Rn. 77. 361 Danner/Theobald-Gundel, Energierecht,79. EGL (Dez. 2013), Europäische Energierecht, Rn. 49 ff.; Theobald/Gey-Kern, EuZW 2011, 896 (899). 362 Vgl. Art. 26 Abs. 1 S. 2 RL 2009/72/EG: „Diese Bestimmungen begründen keine Verpflichtung, eine Trennung in Bezug auf das Eigentum des vertikal integrierten Unternehmens an Vermögenswerten des Verteilernetzes vorzunehmen.“ 363 Theobald/Gey-Kern, EuZW 2011, 896 (899). 364 Baur/Pritzsche/Simon-Baur, Unbundling in der Energiewirtschaft (2006), Kap. 1 Rn. 23 ff.; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 7 Rn. 6; BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze (1.3.2006), S. 12 ff.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
führt wird.365 Es genügt hierfür aber bspw., den Netzbereich des Unternehmens in eine Tochtergesellschaft konzernrechtlich auszugliedern.366 Aufgrund der Vorgaben der rechtlichen Entflechtung für eine Gemeinde ist es aber nicht mehr möglich, i. R. e. Eigen- oder Regiebetriebs das Netz mit bspw. der Erzeugung unter einem Dach zu betreiben.367 Die rechtliche Entflechtung ist auch nach der Novelle aus dem Jahr 2011 im EnWG enthalten, nunmehr jedoch grundsätzlich nur noch für Verteilernetzbetreiber in § 7 EnWG 2011 geregelt.368 (3) Operationelle Entflechtung Nach § 7 a EnWG gilt für die Verteilernetzbetreiber außerdem die sog. operationelle Entflechtung, die die gleiche Stoßrichtung wie die rechtliche Entflechtung verfolgt und diese inhaltlich weiter mit Leben ausfüllt. Die operationelle Entflechtung zielt auf die Trennung und Unabhängigkeit von Organisation, Entscheidungsgewalt und Netzgeschäft nach den in § 7a Abs. 2 bis 7 EnWG bestimmten Vorgaben ab.369 Sie ergänzt damit die Rechtsformtrennung um inhaltliche Anforderungen der internen Organisa tion. So muss bspw. gewährleistet sein, dass das Leitungspersonal der Netzgesellschaft strikt getrennt von der Organisation und Entscheidungsgewalt in den Wettbewerbsbereichen (Erzeugung und Vertrieb) ist.370 365 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 262; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 7 Rn. 6; Theobald/NillTheobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013), S. 347. 366 Baur/Pritzsche/Simon-Baur, Unbundling in der Energiewirtschaft (2006), Kap. 1 Rn. 25. 367 So auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 132. 368 Aber gem. § 7b EnWG gelten die § 7 Abs. 1 und § 7a Abs. 1 bis 5 entsprechend für Transportnetzeigentümer, soweit ein Unabhängiger Systembetreiber im Sinne des § 9 benannt wurde und auf Betreiber von Speicheranlagen. 369 So direkt in § 7a Abs. 1; ausführlich, allerdings noch zur alten Rechtslage: Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 21 ff.; BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze, (1.3.2006), S. 16 ff.; Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 85 ff. und 138 ff.; zur neuen Rechtslage: Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 266 ff. 370 Sog. Verbot der Doppelfunktion, vgl. Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 48; BNetzA, Konkretisierung der gemeinsamen Auslegungsgrundsätze (21.10.2008), S. 5 f.; hierzu auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskon trolle (2013), S. 135.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen519
Wählt die Gemeinde zur Realisierung ihres (Re)Kommunalisierungsmodells eine privatrechtliche Organisationsform, so können insbesondere mit Blick auf etwaige gesellschafts- und kommunalrechtlich bzw. aus dem Demokratieprinzip gebotene Weisungsrechte und Einflussnahmemöglichkeiten Probleme in der Vereinbarkeit mit der operationellen Entflechtung gem. § 7a EnWG entstehen.371 Dies gilt insbesondere mit Blick auf Einflussnahmemöglichkeiten der Gemeinde auf den Netzbetrieb, welche durch das Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG [vgl. Ausführungen in § 8 II.1.b)] und das Kommunalrecht [vgl. Ausführungen § 8 II.2.b)aa)] gefordert sind. Aber auch in Bezug auf gesellschaftsrechtlich verankerte Weisungsrechte, etwa nach § 37 Abs. 1 GmbHG, ergibt sich ein Spannungsverhältnis.372 Derartige Einflussnahme auf den laufenden Netzbetrieb ist nach § 7a Abs. 4 S. 5 EnWG wegen der operationellen Entflechtung nicht gestattet, da § 7a Abs. 4 S. 5 EnWG explizit bestimmt: „Weisungen zum laufenden Netzbetrieb sind nicht erlaubt“. Die naheliegendste Klärung dieses Spannungsverhältnisses liegt darin, von einer Modifikation der Einflussnahme- und Weisungsrechte durch die Vorgaben des § 7a EnWG auszugehen. Allerdings ist eine solche Modifikation im Hinblick auf die nach § 7a Abs. 4 EnWG ausgeschlossenen und weisungsfrei ausgestalteten Bereich notwendig, nicht jedoch grundsätzlich. Dass Weisungsrechte nicht gänzlich unvereinbar mit den Entflechtungsvorgaben sind, zeigt bereits § 7a Abs. 4 EnWG, der diese in begrenztem Maße zulässt. Ausgeschlossen sind nach § 7a Abs. 4 S. 5 EnWG lediglich Weisungen zum „laufenden Netzbetrieb“ sowie „Weisungen im Hinblick auf einzelne Entscheidungen zu baulichen Maßnahmen an Energieanlagen, solange sich diese Entscheidungen im Rahmen eines vom vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen genehmigten Finanzplans oder gleichwertigen Instruments halten“. Eine hiergegen verstoßende Weisung ist wegen des gesetzlichen Verbots in § 7a EnWG unwirksam gem. § 134 BGB.373 Allerdings verbleiben insoweit andere Bereiche, in denen das EnWG keine Weisungen verbietet. Um die sich etwa aus § 37 Abs. 1 GmbHG ergebenden umfassenden Weisungsrechte entflechtungskonform auszugestalten, ist es daher naheliegend, eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung aufzunehmen, die die Weisungsmöglichkeiten entflechtungskonform ausge371 Ausführlich hierzu: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 180 ff. 372 So auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 158 ff.; Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 176. 373 Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle, 2013, S. 159; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 8 Rn. 52.
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staltet.374 Insofern sind die entflechtungsbedingten Probleme diesbezüglich lösbar.375 Eine so verstandene Modifikation der Weisungsrechte ist jedoch nicht mit Blick auf das Gebot der Einflussnahme aus dem Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG möglich. Denn dies ist als Verfassungsrecht, welches sogar der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG unterliegt, höherrangig und insofern grundsätzlich nicht durch § 7a EnWG modifizierbar.376 Allerdings ist mit Blick auf das Demokratieprinzip auch nicht zwingend von einem Spannungsverhältnis zu den Entflechtungsbestimmungen auszugehen, da das Gebot demokratischer Legitimation lediglich einen Einfluss auf den Netzbetrieb vorschreibt; um einen Einfluss auf den Netzbetrieb muss es sich hierbei gerade nicht zwingend handeln. Solange der Gemeinde ein insgesamt hinreichender Einfluss auf den Netzbetrieb im Übrigen verbleibt, ist daher nicht von einem Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG auszugehen.377 Da die Gemeinde im Einklang mit den Entflechtungsbestimmungen bspw. ihren Einfluss auf Entscheidungen im Zusammenhang mit der Organisation der Netzgesellschaft oder finanziellen Grundentscheidungen weiterhin ausüben kann, ist nicht von einer unzureichenden demokratischen Legitimation auszugehen.378 Außerdem ist auch eine Reduktion des Einflusses auf den laufenden Netzbetrieb durch die Gemeinde insoweit mit Art. 20 Abs. 2 GG vereinbar, als eine demokratische Legitimation dennoch gewährleistet ist. Denn Art. 20 Abs. 2 GG schreibt nicht vor, über welche Stelle des Staates eine Legitimation erreicht werden muss. Insoweit kann eine Reduktion des gemeindlichen Einflusses durch den Einfluss anderer, legitimierter Stellen ausgeglichen werden. In Bezug auf den Netzbetrieb sind dies die BNetzA sowie die zuständigen Landesregulierungsbehörden, die u. a. im Rahmen der nachfolgend noch dargestellten Anreizregulierung erheblichen Einfluss auf den Netzbetrieb ausüben.379 Daher ist im Rahmen des Netzbetriebes kein 374 So auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle, 2013, S. 159, Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 107 f. 375 So auch Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 176 ff. 376 Siehe hierzu auch: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 194. 377 Nach Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 212 ff., solle zur Absicherung dessen ein Teilbeherrschungsvertrag erforderlich sein. 378 So auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 197. 379 Hierauf auch hinweisend: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 198.
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Mangel an Einflusses seitens staatlicher Stellen bei Einhaltung der Vorgaben über die operationelle Entflechtung festzustellen, der einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 GG nach sich zöge. Die operationelle Entflechtung wurde durch die EnWG-Novelle im Jahr 2011 für die Verteilernetzbetreiber dahingehend verschärft, dass in § 7a Abs. 6 EnWG eine zusätzliche Pflicht der Verteilernetzbetreiber aufgenommen wurde. Hiernach müssen Verteilernetzbetreiber gewährleisten, dass im Hinblick auf ihr „Kommunikationsverhalten und ihre Markenpolitik“ (wörtlich § 7a Abs. 6 EnWG) eine Verwechslung mit der Vertriebssparte, bspw. eines Tochterunternehmens, ausgeschlossen ist.380 Verteilernetzbetreiber, die Teil eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens sind, haben in ihrem Kommunikationsverhalten und ihrer Markenpolitik zu gewährleisten, dass eine Verwechslung zwischen dem Verteilernetzbetreiber und den Vertriebsaktivitäten des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens ausgeschlossen ist. Die Netzbetriebssparte ist daher zu einem sog. „Rebranding“381 verpflichtet, d. h., dass der Auftritt nach außen in neuem und nicht mit dem vormals verbundenen Energie-versorger verwechselbaren Design erfolgen muss. Dies soll bspw. im Hinblick auf das Firmenlogo, das entsprechende Briefpapier oder die Kennzeichnung von Firmenfahrzeugen gelten.382 (4) Informatorische und buchhalterliche Entflechtung Darüber hinaus gelten für Verteiler- wie Übertragungsnetzbetreiber auch weiterhin die Vorgaben über die informatorische und buchhalterische Entflechtung383 gem. §§ 6a und 6b EnWG 2011. Die informatorische Entflechtung zielt darauf ab, Wettbewerbsvorteile bzw. Diskriminierung anderer 380 Hierzu
2012).
ausführlich: BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze III (16.7.
381 Marthol, Energieversorgungsunternehmen vor immer neuen Herausforderungen, Handelsblatt online, 9.8.2011, zuletzt abgerufen am 4.4.2013, 9:08 Uhr, unter: http://blog.handelsblatt.com/rechtsboard/2011/08/09/enwg-2011- %E2 %80 %93-ener gieversorgungsunternehmen-vor-immer-neuen-herausforderungen/. 382 BT-Dr 17/6072, S. 57 (rechte Spalte); Theobald/Gey-Kern, EuZW 2011, 896 (899); BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze III (16.7.2012), S. 5 f. 383 Ausführlich, allerdings noch zur alten Rechtslage: Baur/Salje/Schmidt-PreußStorr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 42 ff. (informatorische Entflechtung) und Rn. 50 ff. (buchhalterische Entflechtung); Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 173 ff (informatorische Entflechtung) und S. 181 ff. (buchhalterische Entflechtung); BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze, (10.3.2006), S. 23 ff. und 28 ff.; zu neuen Rechtslage: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle, 2013, S. 136 ff.; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungs-
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Wettbewerber durch Informationsvorsprünge zu verhindern, indem sie Vertraulichkeitsanforderungen stellt. Die Verteilernetzbetreiber haben daher gem. § 6a Abs. 1 EnWG 2011 sicherzustellen, dass die „Vertraulichkeit wirtschaftlich sensibler Informationen, von denen sie in Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit […] Kenntnis erlangen, gewahrt wird“ (so wörtlich in § 6a Abs. 1 EnWG 2011).384 Daneben sieht § 6a Abs. 2 EnWG die Pflicht zur diskriminierungs-freien Zurverfügungstellung von Informationen für den Fall vor, dass der Netzbetreiber über die „eigenen Tätigkeiten Informationen offen [legt], die wirtschaftliche Vorteile bringen können“. Diese informatorische Entflechtung kann insbesondere bei Auskunfts- und Einsichtsnahmerechten (etwa nach § 51a Abs. 1 GmbHG oder § 38 Abs. 1 S. 2 ff. GenG) wegen der Vertraulichkeitsvorgaben problematisch sein.385 Dies gilt zum einen allgemein, kann aber bspw. im Rahmen eines Tochtermodells in Form einer GmbH, an der die Vertriebs- und / oder Erzeugungsgesellschaft als Mutter beteiligt ist, besondere Brisanz erlangen, wenn die Muttergesellschaft über § 51 a Abs. 1 GmbHG sensible Kundendaten des Netzbetreibers (also der Tochtergesellschaft) erlangt.386 Ein Ausschluss solcher Auskunfts- und Einsichtsnahmerechte ist durch Gesellschaftsvertrag gem. § 51a Abs. 3 GmbHG ausgeschlossen. Allerdings sind diese Auskunftsund Einsichtsnahmerechte durch § 6a EnWG unmittelbar ausgeschlossen, wenn dadurch der informatorischen Entflechtung widersprechende Informationen erlangt werden.387 Insofern sind insbesondere bei der GmbH die Anforderungen der informatorischen Entflechtung zu beachten. Die buchhalterische Entflechtung gem. § 6b EnWG 2011 soll zur Transparenz der Geschäftstätigkeit des Netzbetreibers führen.388 Sie zielt sowohl auf die interne als auch auf die externe Rechnungslegung ab.389 § 6b EnWG 2011 enthält daher u. a. Bestimmungen im Hinblick auf die Aufstellung eines Jahvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 257 ff. 384 Ausführlich, allerdings noch zur alten Rechtslage: Baur/Salje/Schmidt-PreußStorr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 42 ff.; Büdenbender/ Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 87 f. 385 So auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 160 ff.; Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 49 ff. 386 So auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 160 f. 387 Vgl. zu den hierzu vertretenen Herleitungen: Kreibich, Kommunale Stromund Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 160 ff. 388 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 50. 389 Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 88.
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resabschlusses gem. §§ 264 ff. HGB sowie dessen Prüfung und Offenlegung.390 Durch die Novelle im Jahr 2011 wurden auch hier Verschärfungen vorgenommen, und zwar in Form von erhöhten Veröffentlichungspflichten gem. § 6b Abs. 4 EnWG 2011 und einem verstärkten Einfluss der Regulierungsbehörden auf die Prüfung des Jahresabschlusses gem. § 6b Abs. 6 EnWG.391 Diese Entflechtungsbestimmungen sind für eine (Re)Kommunalisierung in Form der Stand-Alone-Lösung ebenso relevant wie für die Umsetzung einer Partnerlösung. Einzig dann, wenn eine alleinstehende Netzgesellschaft gegründet werden soll oder aber besteht und sich die Gemeinde an dieser beteiligt, können die Entflechtungsbestimmungen außer acht gelassen werden. cc) Ausnahme von umfänglicher Entflechtung für „kleine“ Verteilernetzbetreiber (sog. De-minimis-Regelung) Grundsätzlich gelten die Entflechtungsbestimmungen für alle vorgenannten Adressaten. Hiervon macht jedoch der Gesetzgeber bei Energieversorgungsunternehmen eine Ausnahme, die im Verteilernetzbereich weniger als 100.000 Kunden haben. Diese Ausnahme (sog. De-minimis-Regelung) gilt für die rechtliche Entflechtung, gem. § 7 Abs. 2 EnWG 2011 sowie für die operationelle Entflechtung gem. § 7a Abs. 7 EnWG 2011. Alle Anforderungen, so bspw. auch die im Sommer 2011 i. R.d. operationellen Entflechtung neu eingeführte Pflicht zum eigenständigen Kommunikationsverhalten und zu eigenständiger Markenpolitik, entfallen für die der De-minimis-Regelung unterliegenden Energieversorgungsunternehmen. Die De-minimis-Regelung befreit indes nicht von der Geltung der buchhalterischen und informatorischen Entflechtung gem. § 6a und § 6b EnWG 2011. Der Grund für die Regelung ist die Annahme, dass kleinere Energieversorgungsunternehmen (eben solche mit weniger als 100.000 Kunden) mit der Durchführung eines umfassenden Entflechtungsregimes überlastet wären.392 Auch werden die umfassende Entflechtung und der damit einhergehende Entflechtungsaufwand als unverhältnismäßig bewertet.393 Die hohen Transaktionskosten bei vollständiger Entflechtung würden einem so gerin390 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 52. 391 Danner/Theobald-Theobald, Energierecht,73. EGL (Jan. 2012), Energiewirtschaftsgesetz, § 6b Anmerkungen; Theobald/Gey-Kern, EuZW 2011, 896 (899). 392 Danner/Theobald-Eder, Energierecht,53. EGL (April 2006), Energiewirtschaftsrecht, § 7 Rn. 39; Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 132 f. 393 BT-Drucks. 15/3917, S. 52 f.; Danner/Theobald-Eder, Energierecht,53. EGL (April 2006), Energiewirtschaftsrecht, § 7 Rn. 39; Roth, Unbundlingkonforme Netz-
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gen Diskriminierungspotential kleiner Energieversorgungsunternehmen gegenüberstehen, dass auch aus diesem Grund die Befreiung von der recht lichen und operationellen Entflechtung geboten sei.394 Insofern soll die De-minimis-Regelung der Abmilderung des Regulierungsdrucks auf die kleinen Energieversorgungsunternehmen dienen.395 Diese De-minimis-Regelung ist in dem zugrundeliegenden europäischen Richtlinientext lediglich optional vorgesehen.396 Deutschland hat von dieser Option jedoch bereits mit der Novellierung des EnWG im Jahr 2005 Gebrauch gemacht397 und diese auch bei der Überarbeitung des EnWG im Jahr 2011 beibehalten.398 Dabei ist die De-minimis-Regelung längst nicht so unumstritten, wie es die Kommentarliteratur vermuten ließe. So spricht sich bspw. die Europäische Kommission für die Absenkung oder gänzliche Abschaffung der De-minimis-Regelung aus.399 Mit besonderem Nachdruck und besonderer Deutlichkeit fordert auch der Bundesverband neuer Energieanbieter (bne) die Abschaffung der De-minimis-Regelung. In einer Presseinformation äußerte sich Busch, Geschäftsführer des bne, dahingehend: „Statt dem Beispiel der Übertragungsebene zu folgen und die Netze separat und damit so neutral wie möglich zu betreiben, leistet sich Deutschland jene europaweit einzigartigen Ausnahmeregelungen, die über 90 Prozent der Verteilnetze von den gesetzlichen Regelungen zur rechtlichen und operationellen Trennung von Netz und Vertrieb ausnehmen.“400 Diese Zahl der Verteilernetzbetreiber, die nicht zur Entflechtung verpflichtet sind, kann organisation (2006), S. 59; Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 133. 394 Britz/Hellermann/Hermes-Höschler, EnWG,3. (2015), § 7 Rn. 40; Koenig/ Haratsch/Rasbach, ZNER 2004, 10 (12). 395 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 132. 396 Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 8 Rn. 70. 397 Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 8 Rn. 70. 398 Vgl. Regierungsentwurf 17/6072, S. 106. 399 Europäische Kommission, Interpretative Note on Directive 2009/72/EC S. 29: „Member States may consider national circumstances as well and, as a consequence, lower the threshold where this is appropriate.“; „A more gradual approach is possible.“; „The relatively bigger sized DSOs ‒ with still less than 100000 connected customers ‒ would only obtain an exemption from legal unbundling, while maintaining the requirement of functional unbundling, or at least certain elements of functional unbundling.“; Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 12. 400 Bne, bne zur ersten Lesung des EnWGÄndG: Trennung von Netz und Vertrieb endlich auch für Verteilnetze festschreiben!, Pressemitteilung vom 9.6.2011, S. 6, zuletzt abgerufen am 23.4.2015, 12:52 Uhr unter http://www.neue-energieanbie ter.de/de/content/bne-zur-ersten-lesung-des-enwg %C3 %A4ndg-trennung-von-netzund-vertrieb-endlic h-auch-f %C3 %BCr; so auch in bne, bne kompass 01/11.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen525
dem Monitoringbericht der BNetzA aus dem Jahre 2010 entnommen werden, wonach von 866 Verteilernetzbetreibern zum 22. Juli 2010 insgesamt 790 Verteilernetzbetreiber weniger als 100.000 angeschlossene Kunden aufwiesen.401 Hieraus ergibt sich die vom bne zitierte Zahl von über 90 %402 der Verteilernetzbetreiber, die in den Genuss der De-minimis-Regelung kommen. Ebenso wie der bne fordert auch der Bundesverband der Verbraucherzentrale die Abschaffung der De-minimis-Regelung403 mit dem Argument, dass durch die umfassende Geltung der Entflechtungsbestimmungen höhere Effizienz und damit Kostensenkungen einhergingen. Dieser Kritik ist zuzustimmen. Die Einführung der De-minimis-Regelung wurde damit begründet, dass man kleinere Unternehmen vor dem großen und unverhältnismäßigen Aufwand der Entflechtung schützen wolle, da von Ihnen kaum eine Diskriminierung ausgehen könne.404 Es muss sehr deutlich in Frage gestellt werden, ob man einen Verteilernetzbetreiber mit bspw. 90.000 angeschlossenen Kunden als „kleineres Unternehmen“ bezeichnen kann und diesem wirklich im Vergleich zu einem Netzbetreiber mit 101.000 angeschlossenen Kunden ein deutlich geringeres Diskriminierungspotential zuschreiben will. Bei einem Energieversorgungsunternehmen mit unter 100.000 angeschlossenen Kunden handelt es sich nicht per se um ein „kleineres Unternehmen“. Auch können von einem solchen Unternehmen ebensolche einschneidenden Diskriminierungen ausgehen wie von einem Unternehmen mit mehr als 100.000 angeschlossenen Kunden. Es stellt sich daher die Frage, warum eingangs die Grenze gerade bei 100.000 angeschlossenen Kunden gezogen wurde und ob diese Grenzziehung rechtlich haltbar ist. Betrachtet man die Marke von 100.000, so fällt auf, dass diese im Zusammenhang mit der Klassifizierung von Städten eine entscheidende Rolle spielt. Eine Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern gilt als Großstadt.405 In Deutschland beläuft sich die Zahl dieser Großstädte auf lediglich 80.406 Die De-minimis-Regelung stellt auf eine 401 BNetzA,
Monitoringbericht (2010), S. 85. 91,2 %. 403 Verbraucherzentrale Bundesverband, Ohne Vertrauen keine Energiewende, Pressemitteilung vom 18.2.2013, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:53 Uhr, unter: http://www.vzbv.de/pressemeldung/ohne-vertrauen-keine-energiewende. 404 Britz/Hellermann/Hermes-Höschler, EnWG,3. (2015), § 7 Rn. 40; Koenig/ Haratsch/Rasbach, ZNER 2004, 10 (12). 405 Nach der Begriffsbestimmung des Internationalen Instituts für Statistik im Jahre 1887, so auch genannt VG Münster, Urt. v. 26.05.2008, 2 K 378/07, BeckRS 2008, 35954. 406 Statistisches Bundesamt, Bundestagswahlkreise 2013 mit ihren zugeordneten Gemeinden mit PLZ im Excel-Format zum 31.03.2013 (1. Quartal) mit fortgeschrie402 Nämlich
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Anzahl von angeschlossenen Kunden (i. S. v. Netzanschlusspunkten) von unter 100.000 als maßgebliches Kriterium für die Befreiung von den Entflechtungsbestimmungen ab.407 Im Zusammenhang mit der geringen Anzahl von nur 80 Städten, die überhaupt über mehr als 100.000 Einwohner verfügen, kann daher überhaupt nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Netzbereichen über die für die volle Entflechtung notwendigen Größe von 100.000 Kunden verfügen. Die typischen kleinen und mittelgroßen Städte in Deutschland, von denen es eine große Anzahl gibt, werden mit ihrem Netz i. d. R. unterhalb der Schwelle für die vollständige Entflechtung liegen. Denn die Einwohnerzahl einer Stadt in einem Verteilernetzgebiet liegt deutlich über der Anzahl der für die De-minimis-Regelung relevanten angeschlossenen Kunden, da es hierbei lediglich auf die Netzanschlüsse (Netzanschlusspunkte) i. S. d. §§ 17, 18 EnWG ankommt, nicht jedoch auf jede einzelne Person, die von diesem Netzanschluss Energie bezieht.408 Hinzuzurechnen sind zwar neben den unmittelbar (physisch) angeschlossenen Kunden noch die mittelbar angeschlossenen Kunden, die der Netzbetreiber gesondert erheben muss.409 Hierunter fallen bspw. Mieter eines Hochhauses; aber auch hierbei ist nur der jeweilige Haushalt, nicht jedoch die einzelne Privatperson erfasst.410 Daher wird die Anzahl der in der Elektrizitätsverteilung betroffenen Energieversorgungsunternehmen, für die die volle Entflechtung (also auch operationelle und rechtliche Entflechtung) gilt, sehr gering sein. Dies macht auch der zuvor genannte Anteil von knapp 10 % der Verteilernetzbetreiber, die vollständig entflochten sind, deutlich.411 bener Fläche und Bevölkerung (aufgrund der Gebietsänderungen) auf der Basis des 31.12.2011, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:53 Uhr unter: https://www.destatis. de/DE/ZahlenFakten/LaenderRegionen/Regionales/Gemeindeverzeichnis/Administra tiv/AdministrativeUebersicht.html. 407 Siehe hierzu auch Ausführungen in: BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze (10.3.2006), S. 8. 408 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 136 ff.; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 7 Rn. 10; Britz/Hellermann/ Hermes-Hölscher, EnWG,3. (2015), § 7 Rn. 45; Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 102; so auch ganz deutlich: Europäische Kommission, Interpretative Note on Directive 2009/72/EC, S. 28: „According to such an interpretation a household is considered to constitute one connection within the meaning of the Directives, irrespective of the number of people forming part of the household.“ 409 Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 7 Rn. 13. 410 Britz/Hellermann/Hermes-Hölscher, EnWG,3. (2015), § 7 Rn. 49; Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006, § 7 Rn. 13; Europäische Kommission, Interpretative Note on Directive 2009/72/EC, S. 28: „In contrast, a building composed of, for example, eight apartments, is considered to have eight connections within the meaning of the Directives.“ 411 BNetzA Monitoringbericht (2010), S. 85.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen527
Nach geltendem deutschen Recht ist damit die nur teilweise, nämlich lediglich buchhalterische und informatorische Entflechtung der Verteilernetze (dank De-minimis-Regelung) die Regel; ihre vollständige Entflechtung nur die Ausnahme.412 Die als Ausnahmeregelung konzipierte De-minimisRegelung verkehrt sich daher im Bereich der Verteilernetze in die Regel, so dass das eigentliche Regel-Ausnahme-Verhältnis durch die deutsche Deminimis-Regelung auf den Kopf gestellt ist. Der europäischen Richtliniengrundlage, die lediglich die Möglichkeit einer angemessenen Ausnahme regelung vorsieht, wird dies nicht gerecht. Auch im Vergleich dieser Deminimis-Regelung mit den De-minimis-Regeln im Rahmen des Wettbewerbsrechts passt eine solche Ausuferung nicht, da auch hier die Regelung nur zur „Ausscheidung von Bagatellfällen“ Anwendung findet.413 Die Europäische Kommission weist daher zu Recht darauf hin, dass die De-minimisSchwelle in Deutschland zumindest abgesenkt werden müsse.414 Die Grenze bei 100.000 angeschlossenen Kunden zu ziehen, erscheint in Deutschland aufgrund der vorstehenden Ausführungen nicht sachdienlich. Wenn man denn – entgegen hier vertretener Ansicht – die De-minimis-Regelung aufrecht erhalten will, so könnte die Zahl auf 30.000 angeschlossene Kunden abgesenkt werden. Diese Größenordnung ist bereits im Rahmen der Anreizregulierung gem. § 24 Abs. 1 ARegV eine bestimmende Größe.415 Aber auch mit einer Absenkung der De-minimis-Regelung ist ein entscheidendes Problem nicht gelöst. Dieses lässt sich in Form einer kritischen Frage gut beleuchten: Kann in Deutschland überhaupt hinreichend gewährleistet werden, dass die Energieversorgung liberalisiert, dem Wettbewerb geöffnet und Monopolmissbrauch (mit Diskriminierung und Intransparenz) verhindert wird,416 wenn mehr als 90 % der Verteilernetzbetreiber von den umfassenden Entflechtungsbestimmungen ausgenommen sind? Die Entflechtung soll gerade eine möglichst weitreichende Neutralität des Netzes 412 So
auch bne, bne kompass 01/11, S. 6. Handbuch des Europarechts, Bd. 1,2. (2012), § 2 Rn. 463. 414 Europäische Kommission, Interpretative Note on Directive 2009/72/EC, S. 29: „Member States may consider national circumstances as well and, as a consequence, lower the threshold where this is appropriate.“; „A more gradual approach is possible.“; Schneider/Thobald-de Wyl/Finke, § 4 Rn. 88. 415 Zur Anreizregulierung vgl. § 8 II.3.b). 416 Zu diesen Zielen der Entflechtungsvorschriften, vgl. Baur/Salje/SchmidtPreuß-Eekhoff/Jänisch, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 2 Rn. 4 ff.; Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 1 ff.; Rasbach, Unbundling-Regulierung in der Energiewirtschaft (2009), S. 29 ff.; Britz/Hellermann/Hermes-Hölscher, EnWG,3. (2015), § 6 Rn. 8 ff.; Salje, Energiewirtschaftsgesetz (2006), § 6 Rn. 1 ff.; PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), Kap. 2, S. 5 ff. 413 Frenz,
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schaffen,417 ohne die die vorstehenden Zielen der Liberalisierung gar nicht erreicht werden können. Wird nicht ganzheitlich entflochten, so steht diese angestrebte Neutralität stark in Frage. Denn die Neutralität der Netze ist ein ganzheitliches Ziel und nicht etwa punktuell ausreichend und nur auf Übertragungsnetze und große Verteilernetze beschränkt. Vielmehr muss es darum gehen, das gesamte Stromnetz zu erfassen, um das Ziel der Liberalisierung der Energiewirtschaft zu erreichen. Denn die Liberalisierung und Eröffnung von Wettbewerb kann nur erfolgen, wenn für den gesamten Netzbereich einheitliche Regelungen gelten. Insofern kommt es auch darauf an, dass sich die Netznutzer (Energieproduzenten und Unternehmen des Energievertriebs) und die Verbraucher darauf verlassen können, dass von dem monopolistischen Netzbereich kein Missbrauch und keine Wettbewerbsverzerrungen (und zwar auf keiner der Netzebenen) ausgehen. Nur so kann die Liberalisierung der Energieversorgung glücken. Nur so wird effektiv und ganzheitlich das Entstehen von Wettbewerbshemmnissen durch das Stromnetz als natürliches Monopol verhindert. Daher stellt die auch nach der EnWGNovelle im Jahr 2011 geltende De-minimis-Regelung einen Widerspruch zu den Zielen der Liberalisierung und Wettbewerbsermöglichung im Energiemarkt dar. Sie widerspricht im Übrigen dem in der Richtlinie angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis, welches die vollständige Entflechtung als Regel und die Geltung von Befreiungen i. S. d. De-minimis-Regelung als Ausnahme vorsieht. Ihre gänzliche Abschaffung wäre daher konsequent und wünschenswert. Einen unverhältnismäßigen Aufwand stellt eine einheitliche Geltung der Entflechtungsbestimmungen im Übrigen auch nicht da. Sie ist vielmehr dadurch gerechtfertigt, dass für die Verbraucher und Netznutzer nur auf diesem Wege eine Liberalisierung der Energieversorgung und das Aufbrechen der Monopolstrukturen erreicht und mögliche Diskriminierungen, Preismissbräuche, Wettbewerbsverzerrungen und Intransparenzen verhindert werden. Dies gilt auch in Ansehung eines möglicherweise unverhältnismäßigen Aufwands und fehlender Rentabilität von möglicherweise sehr kleinen Netzbetreibern. Handelt es sich um so kleine Einheiten, dass diese nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können, so ist hierin nicht etwa die Bestätigung der De-minimis-Regelung zu sehen. Dies ist vielmehr Ausdruck dessen, dass zur Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens eine kritische Masse benötigt wird. Ist dies bei einem kleinen Netzbetrieb (bspw. lediglich 15.000 angeschlossene Kunden) für einen einzelnen (nur diesen Netzbereich bewirtschaftenden Netzbetreiber) nicht möglich, so spricht dies dafür, dass 417 So
auch bne, bne kompass 01/11, S. 6.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen529
ein (privater) Netzbetreiber, der bereits andere Netzbereiche betreibt und hierdurch Synergien und Kostenersparnisse im Netzbetrieb schafft, besser zum Netzbetrieb geeignet ist.418 Die Aufsplitterung in immer kleinere Netzbereiche ist unwirtschaftlich.419 Hierfür sprechen auch keine übergeordneten Erwägungen. Auch sind dem EnWG keine solchen zu entnehmen. Das EnWG spricht sich nicht für kleine oder kommunale oder regionale Netzbetreiber oder gar Kleinstnetzbetreiber aus, sondern verlangt in § 1 Abs. 1 EnWG eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Energieversorgung. Insbesondere im Hinblick auf die Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit und Effizienz wird das EnWG aber selbst durch die De-minimis-Regelung diesem eigenen Zweck nicht gerecht.420 Daher ist die De-minimis-Regelung im EnWG zu streichen. dd) Ausnahmen von der Geltung der De-minimis-Regelung Derzeit gilt die De-minimis-Regelung jedoch. Aber auch nach derzeitigem Recht gibt es von der starren Geltung der De-minimis-Regelung gerade im Hinblick auf eine angestrebte (Re)Kommunalisierung wichtige, zu beachtende Ausnahmen, die dazu führen können, dass die De-minimis-Regelung nicht zur Anwendung kommt, obwohl eigentlich im Netzbereich weniger als 100.000 Kunden angeschlossen sind, Schließt sich die Gemeinde zum Zwecke der (Re)Kommunalisierung beispielsweise mit einem Unternehmen (sei es kommunal oder privat) im Rahmen einer Partnerlösung zusammen, welches bereits ein Netz oder mehrere Netze betreibt, ist derzeit offen,421 ob die De-minimis-Regelungsgrenze von 100.000 angeschlossenen Kunden je Netzgebiet getrennt anzuwenden oder ob sie für alle Kunden der Netzgesellschaft (also gesellschaftsbezogen) zu ermitteln ist. Letzteres könnte dazu führen, dass die De-minimis-Regelung keine Anwendung findet, obwohl die einzelnen Netzgebiete über eine Netzkundenanzahl von unter 100.000 angeschlossenen Kunden verfügen. Zur Klärung dieser Frage bietet sich der Blick in die De-minimis-Regelungen selbst an, um zu ermitteln, welcher Anknüpfungspunkt in den beiden Normen (§§ 7 Abs. 2 sowie 7a Abs. 7 EnWG) für die Geltung der Befreiung von den Entflechtungsvorgaben gewählt wurde. 418 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Größenvorteilen, Dichtevorteilen und Erfahrungskurveneffekten in § 5 II. 419 Vgl. § 4 XI. und § 5 II.7.; so auch bne, bne kompass 01/11, S. 5. 420 Vgl. zu den Zwecken des EnWG § 1 EnWG sowie § 7 II.4.b). 421 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 135.
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Die De-minimis-Regelung in § 7 Abs. 2 und § 7a Abs. 7 EnWG knüpft als Ausgangspunkt der Befreiung an das „vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen“ an, an dessen Elektrizitätsverteilernetz weniger als 100.000 Kunden angeschlossen sein müssen. Die Definition des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens ist in § 3 Nr. 38 EnWG niedergelegt. Dieser Begriff ist daher auch maßgeblich für die Frage, wessen Kunden für die Betrachtung der Kundenzahl der Netzsparte eines solchen Unternehmens maßgeblich sind.422 Nach § 3 Nr. 38 EnWG sind nicht nur das einzelne Unternehmen und dessen Kunden, sondern auch die Unter nehmensgruppe und mit dem Unternehmen verbundene Unternehmen und dessen Kunden maßgeblich.423 Ob und wann ein Unternehmen ein verbundenes Unternehmen darstellt, regeln Art. 3 Abs. 2 der Europäischen Fusionskontrollverordnung (nachfolgend FKVO) und § 37 GWB.424 Zentral für die Frage, ob ein solcher Unternehmensverbund im Hinblick auf die Netz kundenanzahl zusammengerechnet werden muss, ist somit die Frage danach, ob eine Kontrolle nach Art. 3 Abs. 2 FKVO i. S. e. bestimmenden oder beherrschenden Einflusses auf das zu (re)kommunalisierende Unternehmen ausgeübt wird.425 Denn bei dem Vorliegen eines beherrschenden Einflusses des einen auf ein anderes Energieversorgungsunternehmens müssen alle Kunden aller Netzunternehmen hinzugerechnet werden,426 so dass die Anwendung der De-minimis-Regelung i. d. R. ausgeschlossen sein wird. Ein solcher beherrschender Einfluss ist bei rechtlicher oder tatsächlich möglicher Kontrolle des Unternehmens gegeben, wobei es nach der Begründung des Regierungsentwurfes427 genügt, dass Einflussnahmemöglichkeiten potentiell bestehen; die Kontrolle muss nicht tatsächlich ausgeübt werden oder worden 422 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 136. 423 Danner/Theobald-Eder, Energierecht,53. EGL (April 2006), Energiewirtschaftsrecht, § 7 Rn. 54; Just/Lober, ET 2005, 98 (98 ff.); PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), Kap. 2 S. 11. 424 So auch Britz/Hellermann/Hermes-Hölscher, EnWG,3. (2015), § 7 Rn. 53; PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), Kap. 2 S. 7. 425 Britz/Hellermann/Hermes-Hölscher, EnWG,3. (2015), § 7 Rn. 52; Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849 (854); BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze (10.3.2006), S. 9. 426 Vermerk der Generaldirektion Energie und Verkehr zu den Richtlinien 2003/54/EG und 2003/55/EG über den Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkt vom 16.1.2004, S. 17, zuletzt abgerufen am 23.04.2015, 12:54 Uhr, unter: http://www. mariewagener.de/files/active/0/Die_Entflechtungsregelung.pdf; Baur/Salje/SchmidtPreuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 86 Rn. 11; SchulteBeckhausen, in: Ehricke, Energierecht im Wandel,1. (2010), S. 95 (108). 427 BT-Drs. 15/3917, S. 50 (linke Spalte).
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sein.428 Dies ist auch schon bei Minderheitsgesellschaftern, wenn diese auf das strategische Verhalten des Unternehmens Einfluss haben,429 der Fall.430 Selbiges gilt, wenn durch konzernvertragliche Organisationsverträge (wie etwa Beherrschungs- oder Betriebsführungsverträge) oder durch personelle Verflechtungen Kontrolle ausgeübt wird.431 Durch all diese Konstruktionen kann im jeweiligen Einzelfall die Zahl der angeschlossenen Kunden über 100.000 Kunden liegen, obwohl das konkret für die (Re)Kommunalisierung anvisierte Netz selbst weniger als 100.000 Kunden aufweist.432 Diese Bestimmung der relevanten Kundenzahl für die De-minimis-Regelung wird kritisiert. de Wyl / Finke führen zu der FKVO als Maßstab aus, dass diese viel zu niedrige Voraussetzungen hätte, um einen Zusammenschluss zu bejahen.433 In anderen Bereichen sei dies sinnvoll, im Energiebereich, insbesondere für das Unbundling, sei dies aber nicht angemessen.434 de Wyl / Finke schlagen daher vor, jedenfalls in Fällen „galvanisch“435 nicht verbundener Netze von einer getrennten Betrachtung auszugehen.436 428 Britz/Hellermann/Hermes-Hölscher, EnWG,3. (2015), § 7 Rn. 53; BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze (10.3.2006), S. 9. 429 Bspw. durch faktische Kontrolle wegen regelmäßiger Mehrheit in der Hauptversammlung, gesellschaftsvertraglich vereinbarte Vetorechte bei wesentlichen Entscheidungen oder bei von den Kapitalanteilen abweichende Stimmrechte, vgl. hierzu: BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze (10.3.2006), S. 9. 430 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 144; Danner/Theobald-Eder, Energierecht,53. EGL (April 2006), Energiewirtschaftsrecht § 7 Rn. 55; PricewaterhouseCoopers-Britsch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), Kap. 2 S. 7 mit weiteren Erläuterungen. 431 Britz/Hellermann/Hermes-Hölscher, EnWG,3. (2015), § 7 Rn. 54; BNetzA, Gemeinsame Auslegungsgrundsätze (10.3.2006), S. 9. 432 Etwas anderes gilt jedoch, wenn das verbundene Unternehmen im Ausland sitzt. Denn die Regelungen des EnWG und damit die De-minimis-Regelung gelten nur für deutsche Unternehmen, vgl. Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 147. Daher müssen z. B. die deutschen Tochterunternehmen von ausländischen Energieversorgungsunternehmen die Kunden der Muttergesellschaft im Ausland selbst dann nicht einrechnen, wenn das Mutterunternehmen sogar einen beherrschenden Einfluss auf die Tochter ausübt, Schneider/ Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 147. 433 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4 (2013), § 4 Rn. 145. 434 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 145. 435 Von galvanischer Trennung wird vereinfacht gesprochen, wenn es bei zwei Stromkreise keinen Weg gibt, über den Strom aus dem einen Stromkreis in den anderen einfach so fließen kann, vgl. Hering/Gutekunst/Martin, Elektrotechnik für Maschinenbauer (1999), S. 332 f. 436 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 135; wohl auch Britz/Hellermann/Hermes-Hölscher, EnWG,3. (2015), § 7 Rn. 42.
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In diesen Fällen sei eine Ausnahme zu machen und jedes einzelne Netz getrennt zu betrachten.437 Eine solche Ausnahme verstieße indes gegen das unmittelbar geltende europäische Recht in Form der Fusionskontrollverordnung.438 Es folgt auch keinen praktischen Notwendigkeiten oder Gründen, sondern lediglich dem Ansinnen, Netzbetreiber möglichst lange von der Geltung des umfassenden Entflechtungsregimes frei zu halten. Hiergegen spricht jedoch das Ziel der Liberalisierung des Strommarktes und der Verhinderung von Machtkonzentrationen im monopolistischen Netzbereich. Eine Ausnahme, wie sie von de Wyl / Finke gefordert wird, ist daher abzulehnen. ee) Zusammenfassung Enflechtungsvorgaben aus dem EnWG Für die Umsetzung der (Re)Kommunalisierungsmodelle sind die Entflechtungsbestimmungen der §§ 6 ff. EnWG zur rechtlichen, operationellen, informatorischen und buchhalterischen Entflechtung zu beachten. Nach derzeit geltendem Recht sind Netzbetreiber mit unter 100.000 angeschlossenen Kunden jedoch von der rechtlichen und operationellen Entflechtung durch die De-minimis-Regelung befreit. Allerdings gilt dies im Rahmen von Partnerlösungen möglicherweise dann nicht, wenn die angeschlossenen Kunden des Partners auf den zu (re)kommunalisierenden Netzbetrieb anzurechnen sind. Dies ist in jedem Einzelfall genau zu prüfen. Die De-minimis-Regelung betrifft derzeit in Deutschland etwa 91 % aller Verteilernetzbetreiber. Dieser – eigentlich als Ausnahmeregelung konzipierte – Befreiungstatbestand ist aus den vorstehend dargelegten Gründen zu kritisieren und sollte im EnWG in Gänze gestrichen, jedenfalls aber auf ein geringeres Maß (unter 30.000 angeschlossene Kunden) abgesenkt werden, um die Ziele der Liberalisierung des Energiemarktes nicht weiterhin zu gefährden. b) Anreizregulierung und die Erlösobergrenzen Sinn und Zweck der Entgeltregulierung im Allgemeinen ist die Ausübung einer Kontrolle auf die Preisbildung des Netzbetreibers als Monopolist. Diese Aufgabe, die üblicherweise im Wettbewerb durch andere Konkurrenten und Angebot und Nachfrage entsteht [vgl. § 5 II.5.], wird stellvertretend 437 Britz/Hellermann/Hermes-Hölscher, EnWG,3. (2015), § 7 Rn. 42; Schneider/ Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 135. 438 So auch Danner/Theobald-Eder, Energierecht,53. EGL (April 2006), Energiewirtschaftsgesetz § 7 Rn. 54.
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durch die Regulierungsbehörden wahrgenommen, um so zu verhindern, dass der Monopolist seine Marktmacht durch monopolistische Preissetzung missbraucht.439 Die Anreizregulierung, als spezielle Form der Entgeltregulierung, soll dabei durch die Setzung von Anreizen für das regulierte Unternehmen zu einer effizienten Leistungserbringung führen.440 Hierzu wird den Netzbetreibern für die Regulierungsperiode441 gem. § 21 a Abs. 2 EnWG eine Erlösobergrenze442 zugewiesen, die in der Regel an die Höhe der Netzzugangsentgelte oder die Gesamterlöse aus Netzzugangsentgelten anknüpft. Bleibt der Netzbetreiber mit seinen Kosten und Ausgaben unterhalb der festgesetzten Grenze, so erwirtschaftet er Gewinne (sog. Effizienzgewinne). Die innerhalb der Obergrenzen erwirtschafteten Effizienzgewinne innerhalb der Regulierungsperiode verbleiben dem Netzbetreiber, wodurch ein Anreiz für eine effiziente Leistungserbringung geschaffen wird.443 Dies bedeutet anders gewendet aber auch, dass der Netzbetreiber nur durch ein wirtschaftliches und effizientes Handeln Gewinne durch Unterschreiten der festgelegten Preis- oder Erlösobergrenzen erwirtschaften kann.444 Die festgelegten Erlösobergrenzen sollen es dem Netzbetreiber grundsätzlich ermöglichen, die Netzkosten zu decken sowie eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zu erreichen.445 Ziel ist es dabei auch, einen effizienten Netzbetrieb zu stimulieren und die Effizienzsteigerungen in der nächsten Regulierungsperiode zu berücksichtigen und sie auf diese Weise an alle Netz439 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 74 Rn. 1. 440 Danner/Theobald-Müller-Krichenbauer, Energierecht,55. EGL (Jan. 2007), EnWG § 21a Rn. 37; Mückl, RdE 2013, 68 (68); grundlegend: Baur/Salje/SchmidtPreuß-Pedell, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), S. 1197 ff. 441 Die erste Regulierungsperiode hat zum 1.1.2009 begonnen und dauert 5 Jahre (Regelzeit gem. § 3 ARegV). Die nächste Regulierungsperiode beginnt am 1.1.2014, vgl. hierzu: Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Weyer, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 75 Rn. 8. Ausnahmsweise wird aber auch noch die kostenorientierte Entgeltregulierung für diejenigen Netzbetreiber vorgenommen, für die noch keine Erlösobergrenzen i. R. d. Anreizregulierung festgelegt worden waren, gem. §§ 21, 23a EnWG, hierzu: Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Weyer, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 75 Rn. 8a. 442 Die Erlösobergrenze ist gem. § 4 Abs. 1 ARegV die „Obergrenzen der zulässigen Gesamterlöse eines Netzbetreibers aus den Netzentgelten“. 443 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 74 Rn. 9; Danner/Theobald-Müller-Krichenbauer, Energierecht,55. EGL (Jan. 2007), EnWG § 21a Rn. 42. 444 Rufin, ZUR 2009, 66 (68). 445 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Weyer, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 75 Rn. 6.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
nutzer weiterzugeben.446 Denn die vom Netzbetreiber erzielten Effizienzgewinne geben der Regulierungsbehörde auf der anderen Seite auch einen Hinweis darauf, welches Kostenniveau der Netzbetreiber zu erreichen vermag.447 Die Erlösobergrenzen werden gem. § 4 Abs. 1 ARegV nach Maßgabe der §§ 5–16, 19, 22, 24, 25 ARegV bestimmt.448 Dabei werden für den jeweiligen Netzbetreiber die Kosten des Netzbetriebs, getrennt nach beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Kosten gem. § 11 ARegV berechnet.449 Zur Ermittlung der Erlösobergrenzen wird eine Formel gem. § 7 ARegV i. V. m. Anlage 1 zur ARegV angewandt und u. a. ein Effizienzvergleich nach den Maßgaben des § 12 ARegV durch die BNetzA durchgeführt.450 Die so ermittelten Erlösobergrenzen gelten jedoch nicht starr innerhalb der Regulierungsperiode, sondern können ggf. durch den Netzbetreiber selbst, bspw. auf Antrag bei der Regulierungsbehörde, angepasst werden.451 Investitionen in das Netz werden dabei gesondert (durch Investitionsbudgets, die einzeln genehmigt werden müssen)452 behandelt, um keine negativen Anreize dahingehend zu schaffen, dass Investitionen eingespart werden, um höhere Gewinne im Rahmen der Erlösobergrenzen zu erwirtschaften.453 Diesem Verfahren haben sich grundsätzlich alle Netzbetreiber zu unterziehen. Allerdings gilt für Stromnetzbetreiber mit weniger als 30.000 angeschlossenen Kunden, dass diese gem. § 24 ARegV auf Antrag an einem vereinfachten Verfahren teilnehmen können.454 Erfolgt eine (Re)Kommunalisierung innerhalb einer laufenden Regulierungsperiode, so ist § 26 Abs. 1 ARegV zu beachten. Im Falle der Netzübertragung oder des Netzzusammenschlusses, bspw. durch die Realisierung 446 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BT-Drucks. 15/5268, S. 2, 106, 111. 447 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 74 Rn. 9. 448 Hierzu ausführlich: Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Weyer, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 75; Weyer, RdE 2008, 261 (261 ff.). 449 Mückl, RdE 2013, S. 68 (68). 450 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Weyer, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 75 Rn. 7. 451 Danner/Theobald-Hummel, Energierecht,69. EGL (März 2011), § 4 ARegV Rn. 1. 452 Hierzu Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Weyer, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 81. 453 Baur/Salje/Schmidt-Preuß-Storr, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 74 Rn. 44. 454 Herrmann, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts,1. (2009), S. 113 (113); ausführlich hierzu: Danner/Theobald-Hummel, Energierecht,64. EGL (August 2009), § 24 ARegV Rn. 1 ff.; Baur/Salje/Schmidt-PreußWeyer, Regulierung in der Energiewirtschaft (2011), Kap. 83.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen535
einer Partnerlösung, bleiben die Erlösobergrenzen erhalten und gehen auf die neue Netzgesellschaft über.455 Ausweislich des Leitfadens der Regulierungsbehörden sei es die Angelegenheit der an dem Netzübergang Beteiligten die Aufteilung der Erlöse untereinander vorzunehmen.456 Dies kann in der Praxis aufgrund der komplexen Kostenstrukturen und deren Berechnung zu erheblichen Schwierigkeiten zwischen den Partnern führen.457 Eine vertragliche Regelung in Bezug auf die Aufteilung (Quotelung) der möglichen Erlöse sollte daher i. R.d. Partnerlösung frühzeitig getroffen werden. c) Zusammenfassung und Folgen aus den energierechtlichen Vorgaben für die einzelnen (Re)Kommunalisierungsmodelle Die Folgen der zuvor dargestellten energierechtlichen Vorgaben sind unterschiedlich, je nach dem, welches Modell zwecks (Re)Kommunalisierung von den Gemeinden ausgewählten wurde. Die Darstellung wird daher nachfolgend anhand der Modelle erfolgen. aa) Neugründung Entscheidet sich die Gemeinde dazu alleine (Stand-Alone-Lösung) oder unter Einbezug von Partnern (Neugründung einer gemeinsamen Gesellschaft i. R.d. Partnerlösung) eine reine Netzgesellschaft neu zu gründen, sind die Entflechtungsbestimmungen unbeachtlich. Denn eine alleinstehende Netzgesellschaft fällt schon nicht unter den Anwendungsbereich der Entflechtungsbestimmungen oder anders gesagt, sie ist schon von Natur aus entflochten. Anders verhält es sich, wenn die Gemeinde mit oder ohne Partner eine Stadtwerksgesellschaft neu gründet, d. h. wenn sie neben einer Netzgesellschaft auch noch eine Erzeugungs- und / oder Vertriebssparte in die Gesellschaft einbezieht. In diesem Falle errichtet die Gemeinde ein vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen und muss dieses entsprechend den zuvor dargestellten Entflechtungsbestimmungen organisieren. Für den Umfang der geltenden Entflechtungsbestim-mungen ist die De-minimis-Regelung zu beachten. Je nach Kundenanzahl im Netzgebiet muss außerdem die Anreizregulierung im normalen oder vereinfachten Verfahren durchlaufen werden. 455 Schulte-Beckhausen, in: Ehricke (Hrsg.), Energierecht im Wandel,1. (2010), S. 95 (108). 456 Leitfaden der Regulierungsbehörden zu Inhalt und Struktur von Anträgen auf Neufestlegung der kalenderjährlichen Erlösobergrenzen nach § 26 Abs. 2 AregV vom Juni 2013, S. 13; Schulte-Beckhausen, in: Ehricke (Hrsg.), Energierecht im Wandel,1. (2010), S. 95 (108). 457 Schulte-Beckhausen, in: Ehricke (Hrsg.), Energierecht im Wandel,1. (2010), S. 95 (108).
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
bb) Holdingmodell Die Realisierung eines Holdingmodells ist mit Blick auf die Entflechtungsregelungen einigen Vorgaben unterworfen, im Übrigen aber zulässig.458 Grundsätzlich muss die Holding sich an die vorstehend genannten Entflechtungsvorgaben halten und darf insofern nur einen Einfluss auf die Netzgesellschaft als Tochterunternehmen ausüben, der sich im Rahmen der Vorgaben hält. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Holding selbst Aktivitäten des operativen Geschäfts an sich zieht.459 Problematisch kann dies auch dann sein, wenn die Holding weiterhin Eigentümerin des Netzes ist und nicht gewährleistet ist, dass der Netzbetreiber unabhängig i. S. d. § 7a Abs. 1 EnWG entscheiden kann.460 Um die Entflechtungsvorgaben (insbesondere das organisatorische und informatorische Unbundling) zu erfüllen, ist es zwingend, dass die Holding nicht in das operative Geschäft der Netzgesellschaft involviert ist, sondern sich lediglich auf die Verwaltung ihrer Beteiligungen und damit zusammenhängender Finanzierungs- und Verwaltungsaufgaben beschränkt und dies ihrer Art nach lediglich auf die Kontrollausübung reduziert.461 Ein zur Absicherung von umsatz- oder gewerbesteuerlicher Organschaft oder aus anderen Gründen abgeschlossener Beherrschungsvertrag muss daher auch einen „weisungsfreien Kern“ vorsehen.462 In diesem Fall ist das Holdingmodell mit den Entflechtungsvorgaben vereinbar. Verflechtungen organisatorischer oder informatorischer Art zwischen Holding und Netztochter verbieten sich indes. Bei der Realisierung des Holdingmodells ist daher mit Blick auf die Entflechtungsbestimmungen Vorsicht geboten, da nicht jedes Holdingmodell auch mit den Entflechtungsvorgaben vereinbar sein wird.463 Die Teilnahme an der Anreizregulierung ist auch im Rahmen des Holdingmodells für den Netzbereich erforderlich.
458 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 126. 459 So auch Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 136 f., die dies unter den Begriff des „Stammhauskonzern“ und der „Führungsholding“ fasst. 460 Allgemein zu Unabhängigkeit Netzbetreiber: Rasbach, Unbundling-Regulierung in der Energiewirtschaft (2009), S. 135 u. S. 154. 461 So auch Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 137. 462 So fast wörtlich auch: Säcker, RdE 2005, 85 (86) mit Formulierungsvorschlägen für den Beherrschungsvertrag. 463 Vgl. hierzu auch Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 136 f.; wohl a. A.: PricewaterhouseCoopers-Britsch/Rausch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 37, die ausführen: „Bei diesem Modell ist nicht zu bezweifeln, dass die Entflechtungsvorgaben des EnWG erfüllt werden.“
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen537
cc) Muttermodell Obschon das Muttermodell die Vorgaben der rechtlichen Entflechtung erfüllt,464 ist es dennoch unvereinbar mit den Anforderungen an die operationelle Entflechtung nach § 7a EnWG,465 da der Vorstand der Netzmuttergesellschaft gesellschaftsrechtlichen Einfluss auf die Tochtergesellschaften und deren Tätigkeitsbereiche ausüben kann.466 Hierdurch ist keine Unabhängigkeit der verschiedenen Wertschöpfungsstufen in der Energieversorgung, wie sie das Unbundling-Regime jedoch zwingend vorsieht, gewährleistet.467 Dies stellt einen Verstoß gegen § 7a Abs. 2 Nr. 1 EnWG dar, wonach Personen mit Leitungsbefugnissen in dem Verteilernetzunternehmen weder direkt noch indirekt zuständig für andere betriebliche Bereiche eines vertikal integrierten Unternehmens (also bspw. Erzeugung und Vertrieb) sein dürfen. Dies könnte indes durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen bspw. im 464 Danner/Theobald-Eder,
Energierecht,53. EGL (April 2006), Energiewirtschafts-
gesetz § 7 Rn. 28. 465 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 265; Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 147; Rasbach, Unbundling-Regulierung in der Energiewirtschaft (2009), S. 224 f.; Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 123; BNetzA, Konkretisierung der gemeinsamen Auslegungsgrundsätze (21.10.2008), S. 11; Generaldirektion Energie und Verkehr der Europäischen Kommission: Vermerk der Generaldirektion Energie und Verkehr zu den Richtlinien 2003/54/EG und 2003/55/EG über den Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkt, 16.1.2004, abgerufen unter: http://ec.europa.eu/energy/electricity/ legislation/doc/notes_for_implementation_2004/unbundling _de.pdf, zuletzt am 18.9. 2013, 16:10 Uhr, S 9; BNetzA Beschlusskammer 7, Beschluss vom 3.2.2012, BK 7 09-014, S. 6 und S. 10; a. A.: Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 34, die sich dafür ausspricht, keine Unternehmensstruktur vorzuschreiben, da sich dies nicht aus den zugrundeliegenden Richtlinien ableiten lasse; Danner/TheobaldEder, Energierecht,53. EGL (April 2006), Energiewirtschaftsgesetz § 7 Rn. 32; Pathe/ Massaeus, N&R 2004, 147 (150 f.); Säcker, RdE 2005, 85 (90), der dies bei Vornahme einer „adäquaten Geschäftsordnung im Rahmen der Koordinierungsmechanismen des Gesamtvorstandes“ für möglich und zulässig erachten und diesbezüg liche Bestimmungen in der Geschäftsordnung für den Vorstand oder die Geschäftsführung vorschlägt; differenzierend: Säcker, DB 2004, 691 (694). 466 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaft licher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 264; a. A.: Rasbach, Unbundling-Regulierung in der Energiewirtschaft (2009), S. 160 und 255, wonach die gesellschaftsrechtlich-organisatorischen Unbundlingvorschriften einer Umsetzung in Form eines Muttermodells nicht entgegenstünden, solange nur die Vorgaben der Elektrizitätsrichtlinie (Art. 10 Abs. 2 lit. c), 15 Abs. 2 lit. c), 17 lit. c))beachtet würden. 467 So auch Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischtwirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 264 f.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Rahmen eines GmbH-Gesellschaftsvertrages ausgeschlossen werden. Darüber hinaus kommt aber auch eine Verletzung von § 7a Abs. 3 EnWG durch das Muttermodell in Betracht, wonach leitende Personen der Verteilernetzgesellschaft nicht durch wirtschaftliche Anreize außerhalb des Netzbetriebes beeinflusst werden dürfen.468 Da die Muttergesellschaft auch finanzielle Interessen und Vorteile an und von Leistungen der Tochtergesellschaften hat (Rentabilitätsvermutung), sind derartige Anreize auf Seiten der Muttergesellschaft regelmäßig anzunehmen.469 Damit ist keine Unabhängigkeit mehr gewährleistet.470 Die Muttergesellschaft kann und wird außerdem zur Erfüllung der Pflicht der ordnungsgemäßen Beteiligungsverwaltung eine übergreifende, abgestimmte Gesamtplanung vornehmen und die finanziellen Ergebnisse des Gesamtunternehmens gestalten.471 Denn als Muttergesellschaft hat sie nicht nur die Verantwortung für den Netzbetrieb, sondern eben auch für das Gesamtunternehmen.472 Dazu kann die Muttergesellschaft gesellschaftsrechtlichen Einfluss auf die Tochtergesellschaften ausüben.473 Dies widerspricht jedoch § 7a Abs. 2 Nr. 1 EnWG474 sowie § 7a Abs. 3 EnWG.475 468 So auch Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischtwirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 265. 469 So auch Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischtwirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 265; Will, DVBl. 2006, 1278 (1286); Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 123; BNetzA, Konkretisierung der gemeinsamen Auslegungsgrundsätze (21.10.2008,) S. 11; Generaldirektion Energie und Verkehr der Europäischen Kommision: Vermerk der Generaldirektion Energie und Verkehr zu den Richtlinien 2003/54/EG und 2003/55/EG über den Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkt, 16.1.2004, abgerufen unter: http://ec.europa.eu/energy/electricity/ legislation/doc/notes_for_implementation_2004/unbundling_de.pdf, zuletzt am 18.9. 2013, 16:10 Uhr. S. 9; kritisch: Schneider/Theoabald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013) § 4 Rn. 127. 470 So auch Generaldirektion Energie und Verkehr der Europäischen Kommis sion: Vermerk der Generaldirektion Energie und Verkehr zu den Richtlinien 2003/54/ EG und 2003/55/EG über den Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkt, 16.1.2004, abgerufen unter: http://ec.europa.eu/energy/electricity/legislation/doc/notes_for_imple mentation_2004/unbundling_de.pdf, zuletzt am 18.9.2013, 16:10 Uhr, S. 9. 471 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 264; Will, DVBl. 2006, 1278 (1286). 472 So auch Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 123. 473 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 264. 474 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 264.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen539
Diese Einschätzung wird auch von den Regulierungsbehörden des Bundes und der Länder geteilt.476 In ihrer Konkretisierung der gemeinsamen Auslegungsgrundsätze vom 21.10.2008477 gehen sie sogar soweit, dass sie ausführen, dass „sämtliche Konstellationen, die eine Beteiligung der Netzgesellschaft an anderen Gesellschaften vorsehen, die direkt oder indirekt in den Bereichen der Gewinnung, Erzeugung oder des Vertriebs von Energie an Kunden“ liegen, „grundsätzlich nicht den gesetzgeberischen Vorgaben“ entsprächen.478 Gestützt wird dies auch von einem Beschluss in einem aktuellen Fall, über den die Beschlusskammer 7 der BNetzA zu entscheiden hatte.479 In dem zugrundeliegenden Sachverhalt ging es ebenfalls um die Organisation des Netzes in Form eines Muttermodells480, wobei (in regulierungsrechtlicher Hinsicht erschwerend) zwischen der Mutternetzgesellschaft und der Vertriebstochter ein Gewinnabführungsvertrag zugunsten der Muttergesellschaft bestand.481 Hierzu führte die Beschlusskammer 7 der BNetzA u. a. aus, dass das Netzmuttermodell, „insbesondere in Verbindung mit einem Gewinnabführungsvertrag, zur Folge [habe], dass sie ein unmittelbar fi nanzielles Interesse an der Leistung ihrer Vertriebstochter hat. Hierdurch entstehende Interessenkonflikte gefährde[te]n die Unabhängigkeit des Netzbetriebs“ und stünden damit „im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben zur Trennung und Unabhängigkeit des Netzbetriebs von den Wettbewerbs bereichen“.482 Das Muttermodell ist somit wegen des Verstoßes gegen die Entflechtungsbestimmungen des EnWG nicht zur Realisierung einer (Re)Kommunalisierung zulässig.
475 Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 265. 476 BNetzA, Konkretisierung der gemeinsamen Auslegungsgrundsätze (21.10. 2008), S. 11 f.; so auch: PricewaterhouseCoopers-Britsch/Rausch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 34. 477 Vgl. BNetzA, Konkretisierung der gemeinsamen Auslegungsgrundsätze (21.10.2008), S. 11 ff. 478 Vgl. BNetzA, Konkretisierung der gemeinsamen Auslegungsgrundsätze (21.10.2008), S. 11. 479 BNetzA, BK 7, Beschl. v. 3.2.2012, BK 7 09-014 in Sachen E.on „regi.on“Modell. 480 Allerdings ging es hierbei nicht um ein reines Muttermodell, sondern vielmehr um ein Muttermodell innerhalb eines Tochtermodells. Daher hierzu nachfolgend auch im Rahmen des Tochtermodells, vgl. § 8 II.3.c)dd). 481 BNetzA, Beschlusskammer 7, Beschl. v. 3.2.2012, Bk 7 09-014, S. 2 f. 482 BNetzA, Beschlusskammer 7, Beschl. v. 3.2.2012, Bk 7 09-014, S. 10 f.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
dd) Tochtermodell Das Tochtermodell erfüllt zunächst die Anforderungen an die rechtliche Entflechtung.483 Unbestritten muss die Netztochter aber eigenständig sein,484 um nicht gegen die Entflechtungsbestimmungen (insbesondere die organisatorische und rechtliche Entflechtung) zu verstoßen. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn die Tochter als GmbH organisiert ist und insofern Weisungs- und Informationsrechte der Muttergesellschaft bestehen können,485 die die Unabhängigkeit in der Organisation und Entscheidungsgewalt der Netzgesellschaft beeinträchtigen (können). Im Rahmen des Gesellschaftsvertrages ist eine unabhängige Organisation und Entscheidungsgewalt daher ggf. energierechtskonform vorzusehen und zu gewährleisten. Insofern erfordert ein Tochtermodell in Form der GmbH einen gewissen gestalterischen und organisatorischen Aufwand, um mit den Entflechtungsbestimmungen konform zu sein.486 Dies aber vorausgesetzt, ist von der Unabhängigkeit des Netzbetriebes in der von den Entflechtungsbestimmungen geforderten Art und Weise auszugehen, da die Tochtergesellschaft grundsätzlich keinen Einfluss auf die Willensbildung der Muttergesellschaft hat.487 Hiervon zu unterscheiden ist indes der Fall, dass innerhalb des Tochtermodells der Netztochter noch eine weitere Tochter untergliedert wird, etwa die Vertriebssparte. Dies stellt zwar in Bezug auf die Muttergesellschaft und Netzgesellschaft ein Tochtermodell dar (Netzgesellschaft als Tochterunternehmen), aber auch ein unzulässiges Muttermodell, da die Tochternetzgesellschaft gleichzeitig sozusagen Muttergesellschaft der ihr wiederum untergliederten Tochtergesellschaft (Vertriebsgesellschaft) ist. In diesem Falle müssen konsequenterweise die Ausführungen zum Muttermodell gelten,488 da die Netztochter auf die ihr untergliederte Vertriebstochter Einfluss neh483 Danner/Theobald-Eder, Energierecht,53. EGL (April 2006), Energiewirtschaftsgesetz § 7 Rn. 28; Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 145; Schneider/ Theobald-de Wyk/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 125 f. 484 Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 126. 485 Danner/Theobald-Eder, Energierecht,53. EGL (April 2006), Energiewirtschaftsgesetz § 7 Rn. 28. 486 So auch Büdenbender/Rosin, Energierechtsreform 2005, Bd. 1 (2005), S. 122. 487 PricewaterhouseCoopers-Britsch/Rausch, Entflechtung und Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft (2007), S. 34; Roth, Unbundlingkonforme Netzorganisation (2006), S. 89; Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 126; wohl auch als zulässig anerkennend: Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 263 f. 488 Vgl. § 8 II.3.c)cc).
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men kann und die Aktivitäten der Vertriebstochter mittelbar Einfluss auf die Netztochter haben.489 Denn auch insofern muss gelten, dass die Netzgesellschaft unabhängig und ohne Einfluss auf die wettbewerblich organisierten Bereiche der Energieversorgung stehen muss.490 Eine solche Konstruktion ist daher mit den Entflechtungsbestimmungen unvereinbar. ee) Eigentumsrechtlicher Zusammenschluss Der eigentumsrechtliche Zusammenschluss von kommunaler Netzgesellschaft und Altkonzessionär ist mit Blick auf die Entflechtungsbestimmungen unproblematisch. Besteht eine reine Netzgesellschaft, an der sich ein Partner durch Einbringung des Netzes als Gesellschafter beteiligt, verbleibt es bei einer eigenständigen Netzgesellschaft, die nicht unter den Anwendungsbereich der Entflechtungsbestimmungen fällt. Allerdings sind die Erlösobergrenzen, die dem Altkonzessionär für den Netzbetrieb gewährt worden, zu beachten. ff) Gesellschaftsrechtliche Beteiligung Im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung (als Modell der Partnerlösung) hängt die Relevanz und Geltung der Entflechtungsvorgaben von der Gesellschaftsorganisation ab, an der sich die Gemeinde oder aber der Partner beteiligen will. Handelt es sich lediglich um eine reine Netzgesellschaft, an der die Gemeinde sich oder einen anderen beteiligt, so finden die Entflechtungsvorgaben keine Anwendung [vgl. hierzu § 8 II.3.a)aa)]. Beteiligt sich die Gemeinde an einem integrierten Energieversorgungsunternehmen, so muss die Beteiligung an dem entflochtenen Netzunternehmen erfolgen, ebenso wie eine Prüfung der vollständigen Entflechtung dieses Un ternehmens. Wenn sich die Gemeinde an einer privaten Netzgesellschaft gesellschaftsrechtlich beteiligt, sollte sie umfassend prüfen, wie die Netzgesellschaft gesamtunternehmensbezogen organisiert ist (also bspw. in einem Holdingmodell, Tochtermodell oder Muttermodell) und ob die Netzgesellschaft mit ihren konkreten Ausgestaltungen den Entflechtungsbestimmungen entspricht. Auch muss dabei geprüft werden, ob die Netzgesellschaft Eigentümerin und Betreiberin des Netzes ist, oder ob eine Trennung von Eigen489 Diese Konstruktion liegt der Entscheidung der Beschlusskammer 7 vom 3.2.2012, Bk7 09-014 zugrunde, in der die E.ON Energie AG, unter die Tochter, E.ON Bayern AG und Betroffene zu 1) die 100 % Tochter E.ON Bayern Vertrieb GmbH gliederte, vgl. S. 4 der Entscheidung. 490 So auch allgemein zum Verbot des Einflusses der Netzgesellschaft: BNetzA, Konkretisierung der gemeinsamen Auslegungsgrundsätze (21.10.2008), S. 11.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
tum und Betrieb gegeben ist, etwa weil das Netz durch ein Drittunternehmen betrieben wird. Insbesondere dann, wenn die Gemeinde an Gewinnen des Netzbetriebes partizipieren will,491 ist eine eingehende Prüfung der Gesellschaftsstruktur(en) des Partners dringend erforderlich. Beteiligt sich die Gemeinde lediglich an der Gesellschaft, die Netzeigentümerin ist, nicht jedoch das Netz betreibt, so kann die Gemeinde nur bspw. an den Pacht einnahmen der Netzeigentumsgesellschaft partizipieren, nicht aber an möglichen Gewinnen aus dem Netzbetrieb, da diese gerade in einer anderen Gesellschaft erzielt werden. gg) Pacht- und Dienstleistungsmodell Mit Blick auf das Dienstleistungsmodell ist insbesondere die dadurch entstehende reduzierte personelle Besetzung der eigentlichen Netzgesellschaft problematisch.492 Denn die Eigenständigkeit und Handlungsfreiheit der Netzgesellschaft ist bei einer geringen eigenen personellen Ausstattung aufgrund der dadurch eingeschränkten eigenen Handlungsfähigkeit reduziert, und die Unabhängigkeit des Netzbetreibers dadurch gefährdet. Mit Blick auf das Pachtmodell, aber auch die Kombination aus Pacht- und Dienstleistungsmodell hat die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten 2009 ebenfalls Kritik geäußert und erhebliche Umsetzungsdefizite hinsichtlich der Entflechtungsvorgaben moniert.493 Darüber hinaus kritisierte die Monopolkommission im Rahmen des Pachtmodells die Abhängigkeiten, die dadurch entstünden, dass die Pachtverträge nur auf kurze Zeit geschlossen würden sowie die i.d.R „geringe Personaldecke“ und die oftmals vorzufindenden vertraglichen Regelungen im Pachtvertrag, die die Selbstbestimmungsrechte der Netzbetreiberin im Pachtmodell bedenklich „beschneiden“ würden.494 Von besonderer Bedeutung für die zukünftige Nutzung des Pacht- und Dienstleistungsmodells wird aber vor allem die Anreizregulierung und deren Wirkung auf diese Modelle sein. Die Anreizregulierung und die dabei zu berücksichtigenden Kosten stellen in der zweiten Regulierungsperiode (seit 1.1.2014) einen erheblichen 491 Hierzu
in § 8 III. ausführlich. auch Schneider/Theobald-de Wyl/Finke, Recht der Energiewirtschaft,4. (2013), § 4 Rn. 158 f. 493 Monopolkommission, Sondergutachten 54, „Strom und Gas 2009: Energiemärkte im Spannungsfeld von Politik und Wettbewerb“, S. 119; darauf in ähnlicher Weise auch schon hinweisend: Säcker, RdE 2005, 85 (88). 494 Monopolkommission, Sondergutachten 54, „Strom und Gas 2009: Energiemärkte im Spannungsfeld von Politik und Wettbewerb“, S. 119. 492 So
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen543
Nachteil für die Organisation im Rahmen eines Pacht- mit Dienstleistungsmodells und eines reinen Dienstleistungsmodell dar. Denn im Rahmen der für die Festsetzung zu beachtenden Kosten zählen nach § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV nur die Lohnzusatzkosten von direkt bei dem Netzbetreiber angestellten Mitarbeitern zu den sog. nicht beeinflussbaren Kosten, die in die Berechnung der Obergrenzen einfließen.495 Dahinter steht die Erwägung, dass Unternehmen effizienter wirtschaften, die den Netzbetrieb durch eigene statt fremde Mitarbeiter gewährleisten.496 Für die erste Regulierungsperiode bis zum Jahr 2013 galt insofern noch eine Übergangsregelung, wonach auch solche Mitarbeiter kostentechnisch berücksichtigt werden konnten, die noch nicht unmittelbar beim Netzbetreiber beschäftigt waren, dies allerdings angestrebt wird.497 Diese wird jedoch in der zweiten Regulierungsperiode nicht mehr gelten.498 Daraus folgt für eine (re)kommunalisierte Netzgesellschaft, die im Wege des Pacht- mit Dienstleistungsmodells und des reinen Dienstleistungsmodells den Netzbetrieb organisiert, dass die anrechnungsfähigen Kosten für Mitarbeiter sehr viel geringer ausfallen als im Falle der Eigenerbringung.499 Damit ist auch die Möglichkeit dieses Modells, i. R.d. Anreizregulierung Gewinne zu erwirtschaften erschwert bzw. reduziert. Denn die nicht bei der Netzgesellschaft direkt Beschäftigten können kostentechnisch nicht in Anrechnung gebracht werden. Die so organisierte Netzgesellschaft verzeichnet damit höhere Kosten und wird daher ineffizienter sein als eine Netzgesellschaft mit Eigenerbringung.500 Insofern ist Mückl zuzustimmen wenn er ausführt: „Die BNetzA drängt durch ihr Verständnis also mittelbar zur Aufgabe des Pachtmodells.“501 Im Rahmen der (Re)Kommunalisierung ist daher aus energierechtlichen Gründen von einer Nutzung des Pacht- und Dienstleistungsmodells eher abzuraten. hh) Gemeinsame Netzholding (Netzgemeinschaftsunternehmen) und Netzkauf- sowie Netzgenossenschaft In der gemeinsamen Netzholding, verstanden als Netzgemeinschaftsunternehmen, sind nur Netzgesellschaften als Unternehmen unter dem Dach einer Holding zusammengefasst. Ein Übergreifen der monopolistischen Netz495 Mückl, 496 Mückl, 497 Mückl, 498 Mückl, 499 Mückl, 500 Mückl, 501 Mückl,
RdE RdE RdE RdE RdE RdE RdE
2013, 2013, 2013, 2013, 2013, 2013, 2013,
68 68 68 68 68 68 68
(68). (68). (69). (69). (69). (69). (69).
544
§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
struktur auf die anderen Wertschöpfungsstufen sowie die umgekehrte Einflussnahme der Erzeugung oder des Vertriebs auf das Netz sind bei diesem Modell schon der Konzeption nach ausgeschlossen. Es handelt sich schon nicht um ein vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen, so dass i. d. R. keine Verstöße gegen die Entflechtungsbestimmungen zu erwarten sind. Auch bei der Netzgenossenschaft handelt es sich nur um eine reine Netzgesellschaft, so dass die Entflechtungsbestimmungen keine Anwendung finden. Dies gilt ebenso für die Netzkaufgenossenschaft, die in ihrer Reinform eine Finanzierungsmöglichkeit der (Re)Kommunalisierung darstellt. Die Bestimmungen zur Anreizregulierung sind dabei sowohl im Rahmen der gemeinsamen Netzholding für die Netzgesellschaften als auch im Rahmen der Netzgenossenschaft zu beachten. 4. Kartellrechtliche Vorgaben für die Realisierung einer Partnerlösung Durch die zunehmende Präsenz und Marktmacht kommunaler Energieversorger rücken auch diese in den Fokus wettbewerbs- und kartellrechtlicher Kontrolle.502 Dies kann nach § 111 EnWG in zulässiger Weise neben den regulierungsrechtlichen Kontrollen – wie bereits in § 7 II.3.c)ee)(1)(c) (aa) erläutert – erfolgen. Im Rahmen der Realisierung von (Re)Kommunalisierungsmodellen sind daher die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle nach §§ 35 ff. GWB sowie des § 1 GWB ggf. zu beachten. Die europäischen Fusionsvorschriften können daneben ebenfalls Anwendung finden. a) Europäische Fusionskontrolle nach FKVO Gem. Art. 21 Abs. 3 FKVO sowie § 35 Abs. 3 GWB gehen die europäischen Fusionskontrollvorschriften den deutschen Kartellrechtsvorschriften vor, wenn es sich um einen Zusammenschluss i. S. d. Art. 3 FKVO handelt, der gemeinschaftsweite Bedeutung gem. Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO hat.503 Ein solcher Zusammenschluss kann insbesondere im Rahmen der Umsetzung der Partnerlösung in Form der Gründung einer gemeinsamen Netzholding etwa durch mehrere Gemeinden oder unter Einbezug von privaten hierzu etwa: Meyer, NVwZ 2002, 1075, (1075 ff.). „one-stop-shop“, vgl. Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 14 Rn. 9; Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 269. 502 Vgl.
503 Sog.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen545
Unternehmen relevant werden.504 Im Rahmen der (Re)Kommunalisierung stellt sich dabei vor allem die Frage danach, ob und wann (Re)Kommunalisierungsvorhaben eine gemeinschaftsweite Bedeutung haben können. Wann eine solche Bedeutung vorliegt, bestimmt Art. 1 Abs. 2 FKVO, wonach die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen mehr als € 5,0 Milliarden weltweiten Gesamtumsatz und mindestens zwei der beteiligten Unternehmen mehr als € 250 Millionen gemeinschaftsweiten Umsatz erzielen müssen.505 Indes liegt eine gemeinschaftsweite Bedeutung nicht vor, wenn mehr als zwei Drittel des gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielt werden. Darüber hinaus ist eine gemeinschaftsweite Bedeutung nach Art. 1 Abs. 3 FKVO dann gegeben, wenn der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen € 2,5 Milliarden und der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten mindestens € 100 Millionen beträgt, sowie von mindestens zwei Unternehmen der Gesamtumsatz in denselben drei Mitgliedstaaten € 25 Millionen beträgt und der gemeinschaftsweite Umsatz zweier der beteiligten Unternehmen jeweils € 100 Millionen übersteigt. Mit Blick auf die typischen (Re)Kommunalisierungsvorhaben ist insbesondere wegen der Zwei-Drittel-Ausnahme des Art. 1 Abs. 2 FKVO und der hohen Schwellenwerte mit Blick auf den geforderten weltweiten Gesamtumsatz i. d. R. nicht von der Anwendbarkeit der europäischen Fusionskontrollvorschriften auszugehen.506 Auch Art. 1 Abs. 3 FKVO wird wegen der Anforderungen an die Gesamtumsätze in drei Mitgliedstaaten i. d. R. nicht erfüllt sein. Die (Re)Kommunalisierungsvorhaben, insbesondere bei der Gründung einer gemeinsamen Netzholding durch mehrere Gemeinden, beziehen sich auf die Bundesrepublik Deutschland, so dass der Gesamtumsatz in ein und demselben Mitgliedstaat erzielt wird und gerade kein europaweit agierendes Unternehmen mit Umsätzen in anderen Mitgliedstaaten gegeben sein wird. Für die Umsetzung der (Re)Kommunalisierungsmodelle ist die europäische Fusionskontrolle daher i. d. R. zu vernachlässigen.507
504 Auch Zusammenschlüsse mit öffentlichen Unternehmen sind hiervon umfasst, da der weite Unternehmensbegriff der Art. 101, 102 AEUV auch i. R.d. FKVO gilt, vgl. Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 15 Rn. 1. 505 Hierzu und zur Berechnung dessen: Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 15 Rn. 11 ff. und 14 ff. 506 So auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 272. 507 Ausführlich zur europäischen Fusionskontrolle im Energiebereich: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 269 ff.
546
§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
b) Zusammenschlusskontrolle nach §§ 35 ff. GWB bei gemeinsamer Netzholding Sollte sich die Gemeinde bei der (Re)Kommunalisierung im Rahmen einer Partnerlösung zu einem Zusammenschluss mit einem oder mehreren Partnern bspw. im Rahmen der Gründung einer gemeinsamen Netzholding in Deutschland entscheiden, könnte dies aber die in den §§ 35 ff. GWB geregelte Zusammenschlusskontrolle (auch Fusionskontrolle genannt) auslösen. Dies gilt ebenso, wenn sich die Gemeinde an einem bereits im Rahmen einer Partnerschaft organisierten Verteilernetzunternehmen oder aber sich ein großer Privater gezielt an dem gemeindlichen Unternehmen beteiligen will und dies als Teil einer Gesamtstrategie verstanden werden kann.508 Denn auch die durch eine Beteiligung möglicherweise entstehende wesentliche Verstärkung eines bereits bestehenden Unternehmenszusammenschlusses ist von § 37 Abs. 2 GWB erfasst.509 Das Pachtmodell kann ebenfalls im Rahmen der Fusionskontrolle relevant sein.510 Gem. § 37 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 lit. a) GWB kann auch in der vertraglichen Begründung von Nutzungsrechten die Erfüllung des Zusammenschlusstatbestands zu sehen sein.511 Durch die Verpachtung des Netzes und seiner Anlagen wird ein solches Nutzungsrecht vertraglich eingeräumt.512 Damit dies aber in für die Fusionskontrolle relevanter Weise erfolgt, ist eine bestimmte Dauer513 des Pachtverhältnisses erforderlich, da ansonsten keine für die Fusionskontrolle als Strukturkontrolle erhebliche Veränderung von Marktverhältnissen eintritt.514 Ist dies jedoch der Fall, so kann auch das Pachtmodell der Zusammenschlusskontrolle unterliegen bspw. dann, wenn ein marktmächtiges Privatunternehmen seinen Tätigkeitsbereich zusätzlich erweitern und dafür Kontrollmöglichkeiten erwerben will.
508 Mombaur,
RdE 2003, 29 (29 ff.). Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts,3. (2013),
509 Theobald/Nill-Theobald,
S. 203 f. 510 Auf europäischer Eben hat die Kommission einen relevanten Zusammenschluss nach den insoweit gleichlautenden europäischen Vorschriften angenommen durch eine Betriebspacht und Beherrschungsvertrag, vgl. Europäische Kommission, Entscheidung vom 12.1.2001, COMP/M.2060 – Bosch/Rexroth. 511 So auch Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (438). 512 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Riesenkampff/Lehr, Kartellrecht,2. (2009), § 37 Rn. 13; Immenga/Mestmäcker-Thomas, Wettbewerbsrecht, Bd. 2,5. (2014), § 37 GWB Rn. 28; Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (438). 513 Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (439) weisen darauf hin, dass dieser Zeitraum nicht fest bestimmbar ist, aber vermutlich zwischen einem und zehn Jahren beginnen wird. 514 Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (438).
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen547
Die Regelungen der Zusammenschlusskontrolle gelten grundsätzlich auch für Gemeinden, die ebenfalls Unternehmenscharakter i. S. d. §§ 35 ff. GWB haben können515 und selbstverständlich auch für gemeindliche Unternehmen, was schon § 130 Abs. 1 S. 1 GWB deutlich macht.516 Die Fusionskontrolle setzt bereits zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses an und nicht etwa erst nach dessen Realisierung.517 Die Zusammenschlusskontrolle nach GWB wird ausgelöst, wenn ein Zusammenschluss im Sinne des § 37 GWB vorliegt und dieser gem. § 35 Abs. 1 GWB einen Zusammenschluss von Unternehmen betrifft, von denen ein an dem Zusammenschluss beteiligtes Unternehmen im letzten Geschäftsjahr weltweit insgesamt Umsatzerlöse von mehr als € 500 Millionen realisiert und mindestens ein beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als € 25 Millionen sowie ein anderes beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als € 5,0 Millionen erzielt hat.518 Diese Umsatzschwellen sind auch nach der 8. GWB Novelle unverändert geblieben. Ein solcher Zusammenschluss kann durch Vermögens- (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB), Kontroll- (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB) oder Anteilserwerb (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB) sowie aufgrund eines wettbewerblich erheblichen Einflusses (§ 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB) ausgelöst werden.519 Auch diese Zusammenschlusstatbestände sind nach der Novelle unverändert geblieben.520 § 35 Abs. 2 GWB n. F. sieht hiervon zwei Ausnahmen vor. Nach neuem Recht liegt eine Ausnahme gem. § 35 Abs. 2 S. 1 GWB für den Fall vor, dass „sich ein Unternehmen, das nicht im Sinne des § 36 Absatz 2 abhängig ist und im letzten Geschäftsjahr weltweit Umsatzerlöse von weniger als 10 Millionen Euro erzielt hat, mit einem anderen Unternehmen zusammenschließt“ und gem. § 35 Abs. 2 S. 2 GWB für den Fall, dass „Zusammenschlüsse durch die Zusammenlegung Kartellrecht,13. (2014), § 20 Rn. 13 ff., insbesondere Rn. 15; Wiedemann-Scholz, Handbuch des Kartellrechts,2. (2008), § 34 Energiewirtschaft Rn. 148; Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 306 f. 516 So auch BKartA Beschluss vom 30.11.2012, B8 101/11 Rn. 51, über BeckRS 2013, 09751. 517 Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Röhling, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 24 Rn. 1. 518 Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Stappert/Groß, Grundriss zum Energierecht1., 2011, Kap. 15 Rn. 124; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 224. 519 Hierzu ausführlich Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 33 Rn. 3 ff.; Chen, Rechtliche Zulässigkeit und Handlungsvorgaben gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Beteiligung im Bereich der Energieversorgung,1. (2012), S. 225 ff.; Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 331 ff. 520 So auch Kahlenberg/Neuhaus, BB 2013, 131 (133). 515 Emmerich,
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öffentlicher Einrichtungen und Betriebe, die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergehen“, vorliegen. Die zuvor in § 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB a. F. geregelte sog. Bagatellmarktklausel wurde neu in § 36 Abs. 1 Nr. 2 GWB n. F. geregelt. Diese nimmt Zusammenschlüsse von der Fusionskontrolle aus, soweit ein Markt betroffen ist, auf dem seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten und auf dem im letzten Kalenderjahr weniger als € 15,0 Millionen umgesetzt wurden (Bagatellmarkt). Dadurch sind die Bagatellmärkte nicht mehr dem Anwendungsbereich der Zusammenschlusskontrolle entzogen, sondern nun ausschließlich der materiellen Fusionskontrolle zugeordnet.521 Als neue Folge dieser Regelung sind Zusammenschlüsse auf Bagatellmärkten zukünftig immer anzumelden, können vom BKartA jedoch nicht untersagt werden.522 Liegt keine der vorgenannten Ausnahmen vor, so regelt § 36 Abs. 1 S. 1 GWB n. F., dass das BKartA einen Zusammenschluss „durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt“, zu untersagen hat. Damit wird der sog. europäische SIEC-Test523 in deutsches Recht übernommen und die zuvor im GWB in § 36 Abs. 1 S. 1 GWB a. F. geregelte Prüfung der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zum Regelbeispiel der erheblichen Wettbewerbsbehinderung gemacht.524 Hierdurch soll ein stärkerer Gleichlauf zwischen euro päischer und deutscher Fusionskontrolle geschaffen werden.525 Da sich das alte Recht der Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung als Regelbeispiel im neuen § 36 Abs. 1 S. 1 GWB wieder findet, könnte man zunächst vermuten, dass sich die Neufassung in der Praxis kaum auswirken wird. Allerdings wird hiergegen eingewendet, dass durch die Aufnahme des SIEC-Test und des dadurch gewünschten Gleichlaufs mit dem europäischen Recht insbesondere im Rahmen der Frage, wann eine Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, die deutsche Rechtspraxis der europäischen anpassen und geändert werden müsste.526 Wie nachfolgend noch erläutert werden wird, ist auch im Rahmen der hier gegenständlichen Zu521 Bischke/Brack,
(133).
NZG 2013, 736 (736 f.); Kahlenberg/Neuhaus, BB 2013, 131
522 Bischke/Brack, NZG 2013, 736 (736 f.); Kahlenberg/Neuhaus, BB 2013, 131 (133); Bechtold, NZKart 2013, 263 (266). 523 Significant Impediment to Effective Competition, auch Wettbewerbsbehinderungstest genannt. 524 Kahlenberg/Neuhaus, BB 2013, 131 (132); Bechtold, NZKart 2013, 263 (265 f.). 525 Bundesregierung, BT-Drs. 17/9852, S. 19, 28 f. 526 So Bechtold, NZKart 2013, 263 (265 f.); Heibel/Wingerter, NZKart 2013, 288 (289), die auf einen Vortrag von Bechtold diesbezüglich verweisen.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen549
sammenschlusskontrolle vor allem die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung in Rede. Nach deutscher Rechtspraxis ist für die Feststellung einer Verstärkung kein bestimmtes Ausmaß (jede geringfügige Verbesserung) und nicht einmal die Spürbarkeit notwendig.527 Ganz anders im europäischen Recht. Die Europäische Kommission fordert eine „erhebliche“ Verstärkung.528 Für diese Erheblichkeitsprüfung genügt es nicht, dass sich der Marktanteil um 4 bis 5 % verändert. Insofern ist sehr wohl mit einer Veränderung durch Einführung des SIEC-Tests zu rechnen. Zur Beurteilung des Vorliegens dieser marktbeherrschenden Stellung wurde mit der 8. GWB Novelle auch § 18 GWB neu eingeführt. Nach § 18 Abs. 1 GWB n. F. liegt eine marktbeherrschende Stellung vor, wenn eine sachliche und räumliche Marktabgrenzung ergibt, dass das Unternehmen auf dem relevanten Markt (1) ohne Wettbewerber ist, (2) keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder (3) eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Dabei sieht § 18 Abs. 4 GWB n. F. vor, dass bei einem Marktanteil von 40 % eine Marktbeherrschung zu vermuten ist. Zuvor wurde dies bereits bei einem Anteil von einem Drittel gem. § 19 GWB Abs. 3 S. 1 GWB a. F. angenommen.529 Durch die Anhebung will der Gesetzgeber der Fortentwicklung der Praxis des BKartA sowie dem Stand der ökonomischen Erkenntnisse entsprechen, wonach nur noch in Ausnahmefällen eine Marktbeherrschung bei einem Anteil von einem Drittel anzunehmen sei.530 Da das BKartA und das deutsche Recht für kleinere Zusammenschlüsse zuständig ist, würde bei einer Beibehaltung der alten Rechts praxis bei gleichzeitiger Einführung des SIEC-Tests das deutsche Recht schärfere Anforderungen stellen und deutlich früher eine Verschärfung einer marktbeherrschenden Stellung annehmen als das europäische Recht.531 Dass jedoch kleinere Zusammenschlussvorhaben strengeren Regeln als größere Zusammenschlussvorhaben unterliegen sollen, ist weder zweckmäßig, noch entspricht dies der Intention der GWB-Novelle, wonach eine Anpassung an die europäische Bestimmung der Marktbeherrschung erzielt werden 527 BGH, Beschl. v. 7.2 2006, KVR 5/05, NJW-RR 2006, 836 (841, Rn. 49); BGH, Beschl. v. 11.11.2008, KVR 60/07, WuW/E DE-R 2451 (2460 f.); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.6.2005, VI Kart 25/04 (V), WuW/E (2005), DE-R 1501, 791 (791); Bechtold, NZKart 2013, 263 (266); Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 34 Rn. 26. 528 Bechtold, NZKart 2013, 263 (266); Heibel/Wingerter, NZKart 2013, 288 (289), die auf Vortrag von Bechtold verweisen; Kühnen, WuW 2012, 458 (461, 464). 529 Bischke/Brack, NZG 2013, 736 (736); Bechtold, NZKart 2013, 263 (263). 530 Bundesregierung, BT-Drs. 17/9852, S. 23; so auch wiedergegeben in Kahlenberg/Neuhaus, BB 2013, 131 (131). 531 Hierauf hinweisend: Bechtold, NZKart 2013, 263 (266); Heibel/Wingerter, NZKart 2013, 288 (289), die auf Vortrag von Bechtold verweisen.
550
§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
sollte. Insofern ist nach der 8. GWB-Novelle auch im deutschen Recht eine erhebliche Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung zu fordern. Ehe jedoch für die (Re)Kommunalisierungsvorhaben geprüft werden kann, ob eine solche bei einem der zuvor dargestellten Zusammenschlüsse zwecks Realisierung einer Partnerlösung vorliegt, muss zunächst der für die (Re)Kommunalisierung relevante Markt bestimmt werden. Der Markt ist dabei als der Ort zu verstehen, in dem Angebot und Nachfrage zusammentreffen, sich also Anbieter und Nachfrager treffen.532 § 18 Abs. 1 GWB unterscheidet diesbezüglich zwischen dem sachlichen und dem räumlichen Markt. Zur Bestimmung des sachlichen Marktes ist die Art der Leistung, die ein Netzbetreiber erbringt, maßgeblich. Unter Anwendung des Bedarfsmarktkonzeptes werden so die Leistungen ermittelt, die zu einem Markt gehören, indem die Angebotsseite unter der Fragestellung betrachtet wird, welche Leistungen nach dem durchschnittlichen, vernünftigen Verbraucher (sog. Bedarfsdisponent) denselben Verwendungszweck haben (also austauschbar sind).533 Bei dem Zusammenschluss von Netzbetreibern kommt es daher auf die Leistung an, die durch den Netzbetrieb angeboten wird. Hierbei ist es zweckdienlich, die Elektrizitätsverteilung als eigenständigen sachlichen Markt zu definieren.534 Die Leistung des Netzbetreibers ist in der Bereitstellung der Netznutzungsdienstleistungen535 und der sich daran anschließenden Elektrizitätsverteilung zu sehen.536 Diese Leistung ist auch nicht substituierbar, so dass hierin ein abgrenzbarer sachlicher Markt zu sehen ist. Im Rahmen der räumlichen Marktabgrenzung wird auf den Erkenntnissen der sachlichen Marktabgrenzung aufbauend gefragt, welche Leistungen räumlich, also in einem einheitlichen Gebiet, austauschbar sind.537 Nach dem Bedarfsmarktkonzept wird auch hier geschaut, welche realen räumli532 Hierzu etwa: BKartA, Beschl. v. 21.6.2000, B10-21210-U-25/100, WuW/E DE-V, 275 (275); Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 27 Rn. 11. 533 BGH, Beschl. v. 5.10.2004, KVR 14/03, NJW 2004, 3711 (3712); ausführlich hierzu: Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 27 Rn. 13 ff. 534 So wohl auch Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 16 Rn. 10. 535 Danner/Theobald-Judith, Energierecht,79. EGL (Dez. 2013), 160. Missbrauchsaufsicht in der Energiewirtschaft, Rn. 35. 536 Demgegenüber differenziert Kreibich nach dem Wettbewerb „im“ Netz, der sich sachlich auf die Netztransportdienstleistungen und den Netzzugang beziehe, vgl. Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 437; und dem Wettbewerb „um“ das Netz, der sich sachlich auf die Stellung als Konzessionsinhaber bzw. Betreiber des Netzes beziehe, vgl. Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 438. 537 Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 27 Rn. 24.
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chen Ausweichmöglichkeiten auf Abnehmerseite bestehen.538 Mit Blick auf die Verteilernetze wird der räumliche Markt durch die geographische Lage der in Anspruch genommenen Netze bestimmt.539 Er ist damit auf die Stromleitungen bzw. das Netzgebiet des jeweiligen Stromnetzbetreibers begrenzt.540 Eine Ausweichmöglichkeit besteht wegen der Eigenschaft des Stromnetzes als natürlichem Monopol vor Ort nicht.541 Änderungen bzgl. der vorstehenden Marktabgrenzungen sind durch die 8. GWB-Novelle nicht zu erwarten, da der neu eingeführte § 18 GWB ausweislich des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung kein Änderungen des materiellen Gehalts der alten Vorschriften herbeiführen soll und „die bisherige umfangreiche Rechtsprechung weiterhin maßgeblich bleibt“.542 Es stellt sich somit die Frage, ob durch den Zusammenschluss im Rahmen der (Re)Kommunalisierung zu einer gemeinsamen Netzgesellschaft der wirksame Wettbewerb erheblich i. S. d. § 36 Abs. 1 S. 1 GWB n. F. behindert würde, insbesondere durch die Begründung oder den Ausbau einer marktbeherrschenden Stellung. Dies ist im Ergebnis zu verneinen.543 Eine Marktmacht hat der Betreiber des Verteilernetze im sachlich und räumlich relevanten Markt unzweifelhaft schon inne, bevor er sich mit einem anderen Partner zusammenschließt, da nur er die Konzession und damit das Recht besitzt, die Stromnetze zu betreiben. Einen Konkurrenten gibt es während der Dauer des Konzessionsvertrages daher nicht.544 Durch den Zusammenschluss wird somit kein neues Monopol begründet. Vielmehr wird hierdurch (wenn der Partner bereits Netze betreibt) möglicherweise eine Mehrzahl von Monopolen in kleineren Gebieten in ein Monopol auf einem größeren Gebiet umgewandelt.545 Hierdurch könnte aber der Ausbau einer marktbeherrschenden Stellung i. S. e. Verstärkung der vorhandenen Monopole durch räumliche Ausdehnung gem. § 36 Abs. 1 GWB stattfinKartellrecht,13. (2014), § 27 Rn. 25. Energierecht,79. EGL (Dez. 2013), 160. Missbrauchsaufsicht in der Energiewirtschaft, Rn. 35; Wiedemann-Scholz, Handbuch des Kartellrechts,2. (2008), § 34 Energiewirtschaft Rn. 161; BKartA, Beschl. v. 30.8.1999, B840100-T-99/99, RdE 2000, 31 (32); ebenso OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.3.2004, VI-Kart 18/02 (v), N&R 2004, 117 (119). 540 So beinahe wörtlich: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 385. 541 Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (421). 542 Bundesregierung, BT-Drs. 17/9852, S. 20, rechte Spalte. 543 So auch zur alten Rechtslage: Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (421 f.). 544 Hierauf auch hinweisend: Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Stappert/ Groß, Grundriss zum Energierecht,1. (2011), Kap. 15 Rn. 35; Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (437). 545 So fast wörtlich: Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (435). 538 Emmerich,
539 Danner/Theobald-Judith,
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den.546 Eine Verstärkung ist dann anzunehmen, wenn die Marktmacht durch den Zusammenschluss sich derart verändert, dass die „machtneutralisierende Wirkung des Wettbewerbs“ in noch höherem Maße als vor dem Zusammenschluss eingeschränkt wird.547 Aufgrund der energierechtlichen Regelungen ist dies jedoch nicht anzunehmen. Die Konzessionsverträge werden gem. § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG auf bestimmte Zeit (max. 20 Jahre) geschlossen. Während dieser Zeit findet kein Wettbewerb innerhalb des betreffenden Marktes statt. Läuft der Konzessionsvertrag aus, so erfolgt eine wettbewerbliche Vergabe, in der der ehemalige Netzbetreiber, grundsätzlich wie alle anderen Wettbewerber auch um die Konzession konkurrieren muss.548 Dass für diesen Wettbewerb genügend andere Netzbetreiber als Konkurrenten bereit stehen, ist aufgrund der Vielzahl von Netzbetreibern bundesweit zu erwarten.549 Daneben bestimmen die Entflechtungsbestimmungen, dass der Netzbetrieb von den übrigen Wettbewerbsbereichen der Erzeugung und des Vertriebs zu trennen ist, so dass auch insofern das größerflächige Monopol keine Auswirkungen auf vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen hat.550 Auch ist wegen der in § 20 Abs. 1 EnWG gesetzlich normierten Pflicht des Netzbetreibers zur Verschaffung von diskriminierungsfreiem Zugang zum Netz nicht von einer Ausnutzung der Netzbetreiberstellung zum Nachteil von Netzeinspeisern auszugehen. Außerdem sehen das EnWG, die ARegV und die StromNZV strenge regulierungsrechtliche Vorgaben vor, die den Netzbetrieb und die vom Netzbetreiber berechenbaren Kosten betreffen, so dass auch deswegen nicht mit einer Verstärkung der Marktmacht etwa durch Preismissbrauch durch einen Zusammenschluss zu rechnen ist.551 Mit einer Verstärkung der Marktmacht etwa durch Erschwerung des Zugangs anderer Wettbewerber zum Netz oder der Erhöhung von Netzentgelten ist daher nicht zu rechnen. Daher ist grundsätzlich nicht von fusionskontrollrechtlichen Einschränkungen der Gründung einer gemeinsamen Netzholding, einer Beteiligung an einer Netzgesellschaft, sei es durch die Gemeinde oder einen Privaten oder i. R.d. Pachtmodells, auszugehen. 546 So auch aufgeworfen in Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (435); hierzu auch Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 406, 415 und 438. 547 Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 34 Rn. 26. 548 Vgl. § 7 II.3., insbesondere auch § 7 II.3.e)cc)(1)(b). 549 Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 418 und S. 438. 550 So auch Stuhlmacher/Stappert/Schoon/Jansen-Stappert/Groß, Grundriss zum Energierecht,1. (2011), Kap. 15 Rn. 35, 129; Säcker, RdE 2005, 85 (93); Säcker, ZNER 2005, 270 (279 u. 228); Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (435 f.). 551 Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 437.
II. Rechtliche Vorgaben zur Umsetzung der Modelllösungen553
c) Kartellrechtliche Bedenken aus § 1 GWB Ob neben den Bestimmungen zur Zusammenschlusskontrolle nach §§ 35 ff. GWB zusätzlich auch § 1 GWB anwendbar ist, ist umstritten.552 Selbst wenn man von einer gleichzeitigen Anwendbarkeit der §§ 35 ff. GWB und § 1 GWB ausginge, bestünden im Allgemeinen keine Bedenken wegen möglicher Wettbewerbsbeschränkungen gem. § 1 GWB gegen eine Partnerlösung bspw. in Form einer gemeinsamen Netzholding.553 Denn auch insofern gilt, dass die Netzbetreiber in ihrem Gebiet jeweils eine Monopolstellung einnehmen. Während der Laufzeit des Konzessionsvertrages verdrängen sie daher keinen Wettbewerber, sondern für diese Zeit findet gesetzlich vorgesehen kein Wettbewerb statt. Des Weiteren wäre auch schon nicht vom Vorliegen einer spürbaren Wettbewerbsbeeinträchtigung i. S. d. § 1 GWB auszugehen, da insofern nicht vom Erreichen eines dafür relevanten Ausmaßes auszugehen ist.554 Auch ist keine Auswirkung eines Zusammenschlusses auf Netzebene in Bezug auf mögliche Wettbewerbsbeschränkungen für die Wettbewerbsbereiche Erzeugung und Vertrieb anzunehmen. Insoweit ist auf die Geltung der Entflechtungsbestimmungen hinzuweisen, die etwaige Wettbewerbsbeschränkungen unterbinden.555 Kartellrechtliche Bedenken aus § 1 GWB können daher auch nicht gegen die Realisierung einer Partnerlösung in zuvor dargestelltem Sinne geltend gemacht werden. 5. Zusammenfassung der zulässigen (Re)Kommunalisierungsmodelle und Abgleich mit den Zielen der (Re)Kommunalisierung In § 4 wurden die häufigsten mit der (Re)Kommunalisierung von den Gemeinden verfolgten Ziele dargestellt. Um Aussagen über die Eignung der zuvor beispielhaft erläuterten (Re)Kommunalisierungsmodelle zu treffen, bedarf es daher eines Abgleichs mit den Zielen der (Re)Kommunalisierung. Dass finanzielle Erwägungen [§ 4 I.] im Rahmen der (Re)Kommunalisierung nicht weit tragen, wurde vorstehend bereits an mehreren Stellen ausgeführt und ist daher nachfolgend zu vernachlässigen. Betrachtet man jedoch das Ziel der politischen Einflussnahme und Kon trolle über den Netzbetrieb [§ 4 IV.] und gleicht man dieses mit den vorge552 Hierzu ausführlich: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S. 442 ff. 553 Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (437). 554 Hierzu ausführlich: Kreibich, Kommunale Strom- und Gasverteilernetzbetreiber zwischen Entflechtungsgebot und Zusammenschlusskontrolle (2013), S 450 ff. 555 So auch Becker/Zapfe, ZWeR 2007, 419 (437).
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
nannten (Re)Kommunalisierungsmodellen ab, so muss konstatiert werden, dass im Rahmen einer Stand-Alone-Lösung in öffentlich-rechtlicher Organisationsform dieses Ziel zu seiner maximalen Verwirklichung gebracht wird. Denn schon mit einer privatrechtlichen Organisationsform geht eine gewisse Eigenständigkeit der Netzgesellschaft einher, die zu Einfluss- und Kontrollverlusten der Gemeinde führt. Auch das Ziel der Gemeinwohlorientierung [§ 4 VIII.] kann auf diese Weise am besten realisiert werden, ebenso wie die sozialpolitischen Erwägungen [§ 4 IX.]. Des Weiteren ist auch die Verwirklichung der demokratischen Dezentralisierung [§ 4 VI.] sowie die Wiederentdeckung der örtlichen Belange und örtlichen Identität [§ 4 VII.] am besten durch eine Stand-Alone-Lösung möglich, da so eine Netzgesellschaft zugeschnitten auf die jeweilige Gemeinden (und nur auf diese) entsteht. Gegen eine Partnerlösung mit einem privaten Partner spricht (fast spiegelbildlich) das Ziel der Gemeinwohlorientierung [§ 4 VIII.] und die Abkehr von den großen Privaten Akteuren im Markt, was im Rahmen der demokratischen Dezentralisierung [§ 4 VI.] von Bedeutung ist, sowie die Wiederentdeckung der örtlichen Belange und Identität [§ 4 VII.]. Eine Partnerlösung erscheint mit den Zielen der (Re)Kommunalisierung vielmehr nur dann vereinbar, wenn es sich um mehrere Gemeinden handelt, die zusammen ihre Netze betreiben (etwa im Rahmen eines Holdingmodells) oder wenn eine andere Gemeinde am gemeindlichen Unternehmen der Stammgemeinde beteiligt wird (im Rahmen einer gemeinsamen Neugründung oder einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung). Ferner ist eine Partnerlösung mit den Zielen der (Re)Kommunalisierung kompatibel, wenn die Bürger an der Netzgesellschaft (etwa im Rahmen einer Netzkauf- oder Netzgenossenschaft) beteiligt werden. Konsequenterweise muss hieraus folgen, dass zur Umsetzung der (Re)Kommunalisierung in Abgleich mit den Zielen der (Re)Kommunalisierung nur folgende Modelle geeignet sind: Zum einen ist eine Stand-Alone-Lösung in öffentlich-rechtlicher Organisationsform ein geeignetes Modell zur Realisierung einer zielkonformen (Re)Kommunalisierung. Hierbei ist je nach den Gegebenheiten vor Ort sowohl eine Neugründung als auch eine Erweiterung durch Holding- oder Tochtermodell denkbar. Des Weiteren stellt eine Partnerlösung durch Einbezug einer oder mehrerer anderer Gemeinden (etwa im Rahmen einer gemeinsamen Neugründung oder gesellschaftsrechtlichen Beteiligung) eine zielkonforme (Re)Kommunalisierung dar. Dies gilt ebenso für die Realisierung einer Partnerlösung durch Einbezug der Bürger der Gemeinde im Rahmen einer Netzkaufund / oder Netzgenossenschaft. Dabei ist auch eine Mischung aus Einbezug anderer Gemeinden und der Bürger der Stammgemeinde denkbar.
III. Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen555
Obwohl dies in der Praxis sehr häufig anzutreffen ist, widerspricht die Realisierung der (Re)Kommunalisierungsbestrebungen durch eine Partner lösung mit einem privaten Partner den Zielen der Gemeinden, die mit der (Re)Kommunalisierung verfolgt werden. Eine politisch tragfähige und rechtlich zulässige (Re)Kommunalisierung sollte daher in den vorgenannten drei zielkonformen (Re)Kommunalisierungsmodellen erfolgen.
III. Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen i. R.d. Realisierung einer Partnerlösung Insbesondere im Falle der Beteiligung an einem strategischen Partner oder der Vereinbarung eines Pacht- und / oder Dienstleistungsmodells ist die Vereinbarung von Garantierenditen zugunsten der Gemeinde eine von diesen gerne genutzte Möglichkeit, um die Kosten des Netzerwerbs zu refinanzieren und zusätzliche Einnahmen zu generieren. Bei der Vereinbarung einer Garantierendite erhält die Gemeinde vom Partner einen bestimmten Betrag oder Prozentsatz des von der Gemeinde in der Partnerlösung eingesetzten Kapitals.556 Diese Rendite erhält die Gemeinde für den vereinbarten Zeitraum, völlig unabhängig davon, ob die in der Partnerlösung betriebene Netzgesellschaft Gewinne erwirtschaftet oder nicht.557 Es geht dabei also nicht um einen Anteil an der Gewinnerzielung, sondern um einen fixen Betrag, den die Gemeinde erhält. Selbstverständlich ist auch eine Gewinnund Verlustbeteiligung möglich. Demgegenüber hat die Garantierendite jedoch den Vorteil, dass keine Verluste mitgetragen werden müssen, allerdings auch nicht an den über dem vereinbarten Anteil liegenden Gewinnen partizipiert wird.558 Eine andere Möglichkeit ist die sog. Mindestrendite. In diesem Fall erhält die Gemeinde wiederum einen Anteil an dem von ihr eingesetzten Kapital als Rendite vom Partner wie bei der Garantierendite. Allerdings stellt dieser Betrag nur das Mindestmaß an Rendite für die Gemeinde dar. Sollte die Partnerschaft erfolgreicher sein und Gewinne erwirtschaften, so erhält die Gemeinde über diesen Mindestbetrag hinaus einen quotenmäßig zu bestimmenden Anteil am Gewinn.559 556 Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 35. 557 Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 35. 558 So auch Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 35. 559 Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 35.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
Wie weitreichend diese Renditevereinbarungen gehen, machen Scholtka / Baumann deutlich, die auf Fälle aus der Praxis verweisen, in denen die Gemeinden Garantierenditen von über 10 % in einer Partnerlösung i. R. e. (Re)Kommunalisierung gefordert hätten.560 Es handelt sich daher nicht nur um ein unerhebliches oder theoretisches Problem, sondern eines von großer praktischer Bedeutung. 1. Energierechtliche Bedenken Problemtisch sind diese beiden Renditevereinbarungen zunächst mit Blick auf das Nebenleistungsverbot des § 3 Abs. 2 KAV. Macht die Gemeinde die Eingehung einer der zuvor genannten Partnerlösungen zum Zwecke der (Re)Kommunalisierung davon abhängig, dass der Partner eine Garantie- oder Mindestrendite zusichert, so entsteht zugunsten der Gemeinde ein erheblicher Vorteil, der keinem adäquaten wirtschaftlichen Risiko gegenübersteht. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV sind unzulässige Nebenleistungen gerade „sonstige Finanz- und Sachleistungen, die unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis gewährt werden“. Dabei werden von den Finanz- und Sachleistungen jegliche Leistungen geldwerter oder vermögensrechtlicher Art erfasst.561 Eine Garantie- oder Mindestrendite stellt gerade eine solche geldwerte und vermögensrechtliche Leistung an die Gemeinde dar. Ob sie als unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis gewährt anzusehen ist, hängt davon ab, welche Üblichkeiten im Markt für derartige Leistungen bestehen.562 In den in der Praxis zu findenden Fällen wollen die Gemeinden für eine Beteiligung oder die Vereinbarung des Pacht- und / oder Dienstleistungsmodells eine Garantie- oder Mindestrendite vom Partner erhalten und zwar, weil sie ihn an der (Re)Kommunalisierung des Netzes beteiligen. Die Garantierendite, die vom Partner an die Gemeinde zu zahlen ist, stellt damit eine Gegenleistung für die Beteiligung an dem Netzbetreiber bzw. der Übertragung des Netzbetriebes im Rahmen eines Pacht- und / oder Dienstleistungsmodelles dar.563 Dabei ist jedoch in Bezug auf die Beteiligung eine zusätzliche Gegenleistung in Form einer Garantierendite im Allgemeinen eher außergewöhnlich. Üblicherweise erfolgt eine Beteiligung durch Einlage von Eigenkapital in die Gesellschaft und im Gegenzug dafür erhält die Gemeinde die satzungsgemäßen Einflussnah560 Scholtka/Baumann,
N&R 2010, Beilage 3, 1 (4). ZNER 2012, 570 (574). 562 Schäfer, EWeRK 2011, 114 (114); ausführlich hierzu: Templin, ZNER 2012, 570 (575); allgemein: Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 61; in Bezug auf die Garantie- und Mindestrendite zur Vorsicht mahnend: Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 68. 563 So auch Schäfer, EWeRK 2011, 114 (114). 561 Templin,
III. Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen557
memöglichkeiten auf die Gesellschaft sowie eine erfolgsabhängige Gewinnbzw. Verlustbeteiligung.564 Diese Leistung und Gegenleistung stehen sich üblicherweise gegenüber. Einer Unternehmensbeteiligung – als wirtschaftliches Handeln – ist dabei die Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos, insbesondere das Risiko, dass kein Ertrag erwirtschaftet wird, immanent.565 Eine Befreiung von diesem Risiko durch Vereinbarung einer Garantierendite ist als unüblich zu bezeichnen. Durch die Vereinbarung einer solchen Rendite erhält die Gemeinde daher eine zusätzliche Nebenleistung, die als unzulässige Nebenleistung i. S. d. § 3 Abs. 2 KAV zu qualifizieren ist. Dies gilt auch im Rahmen des Pacht- und / oder Dienstleistungsmodells, wo bereits als Gegenleistung seitens des Partners der Pachtzins geleistet wird und es dem Pachtvertrag gerade immanent ist, dass die Früchteziehung dem Pächter und nicht dem Verpächter obliegt. Durch die Garantierendite erbringt der Partner gegenüber der Gemeinde daher eine zusätzliche (unentgeltliche) Leistung und verschafft ihr einen finanziellen Vorteil, der, vergleicht man dies mit üblichen Wettbewerbsmechanismen, keinen marktüblichen Gegenkonditionen gegenübersteht.566 Als Zwischenergebnis ist daher zunächst festzuhalten, dass es sich bei der Vereinbarung einer Garantie- oder Mindestrendite um eine unzulässige Nebenleistung i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV handelt.567 Allerdings ist der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 KAV begrenzt. Der BGH hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass „nur solche Finanz- oder Sachleistungen dem Nebenleistungsverbot [unterfielen], die als Gegenleistung für die Einräumung von Wegerechten vereinbart oder gewährt werden“.568 Diesem Ansatz folgend, müsste die Vereinbarung der Garantie- oder Mindestrendite daher bereits im Vorfeld und während der Konzessionsvergabe sowie quasi als Bedingung für den Erhalt der Konzession im Raume stehen, damit § 3 Abs. 2 KAV einschlägig wäre. Hiernach könnte die Gemeinde daher den Vorwurf der unzulässigen Nebenleistung dadurch umgehen, dass sie die Verhandlungen über die Garantie- oder Minauch Schäfer, EWeRK 2011, 114 (115). EWeRK 2011, 114 (115), der dies so ausdrückt: „Eigenkapital ist Risikokapital“. 566 So auch Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S 6. 567 Scholtka/Baumann, N&R 2010, Beilage 3, 1 (4) weisen in diesem Zusammenhang noch darauf hin, dass § 3 KAV keinen abschließenden Katalog enthalte, sondern sich aus § 3 Abs. 1 KAV ergebe, dass „nahezu alle Leistungen, die der Gemeinde unmittelbar im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Konzessionsvertrages gewährt werden, verboten“ seien. 568 BGH, Urt. v. 29.9.2009, EnZR 15/08 (Rn. 30), BeckRS 2010, 05636; so auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 321 (326). 564 So
565 Schäfer,
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
destrendite nicht innerhalb der Konzessionsvergabe, sondern im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Verhandlungen bzw. der Verhandlungen über eine Partnerlösung getrennt führt.569 Diesem Ansatz ist jedoch unter Bezug auf die energierechtlichen Vorschriften und den dahinter stehenden Sinn und Zweck zu widersprechen. § 3 Abs. 2 KAV drückt im Speziellen ein Ziel aus, welches das EnWG in § 1 EnWG allgemein ebenfalls postuliert. Allgemein anerkannt verfolgt das Verbot unzulässiger Nebenleistungen nach § 3 Abs. 2 KAV das Ziel der Preisgünstigkeit der Energieversorgung.570 Dieses Ziel verfolgt § 3 KAV, indem er die Abwälzung überhöhter Kosten des Konzessionsnehmers durch unangemes sene Leistungen an die konzessionsvergebende Gemeinde zu verhindern sucht.571 Diese Erwägungen spiegeln sich auch ohne konkrete Anknüpfung an den Konzessionsvertrag schon im Rahmen des höherrangigen Rechts, nämlich des § 1 Abs. 1 EnWG wider, der als Zweck des Gesetzes die preisgünstige Versorgung mit Energie nennt. Anknüpfend hieran und unter Bezug auf § 3 Abs. 2 KAV sowie der Verhinderung der Umgehung vorstehender Norm ist es daher erforderlich, die Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen auch außerhalb der Konzessionsvergabe unter dem Aspekt der preisgünstigen Energieversorgung und der Verhinderung von nicht marktund risikoadäquaten Nebenleistungen an die Gemeinde an diesen Vorschriften zu messen.572 Hierfür spricht, dass der § 3 Abs. 2 KAV und dessen inhaltliche Verbotsaussage, wie vorstehend dargestellt, ansonsten durch zeitliche Verlagerung der Verhandlungen über eine Renditevereinbarung auf einen Zeitpunkt nach Abschluss des Konzessionsverfahrens leer liefe. Zwar kann die Gemeinde im Rahmen der Konzessionsvergabeverhandlungen von den potentiellen Partnern keine rechtsverbindlich Erklärung über etwaige Garantie- oder Mindestrenditen verlangen, um nicht gegen § 3 Abs. 2 KAV zu verstoßen. Faktisch ist es aber kaum nachvollziehbar, ob dieser Druck nicht dennoch ausgeübt und rechtsverbindlich nur an späterer Stelle umgesetzt wird. Dass die Preisgünstigkeit der Energieversorgung jedoch nicht lediglich beim Abschluss des Konzessionsvertrages und dem diesbezüglichen Verfahren re569 So wohl auch zu verstehen: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 120 (126). 570 Danner/Theobald-Theobald/Templin, Energierecht, 72. EGL (Oktober 2011), KonAV § 3 Rn. 15; Säcker-Kermel, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1,2. (2010), Anhang § 48 EnWG, § 3 KAV Rn. 1; Templin, ZNER 2012, 570 (571). 571 Danner/Theobald-Theobald/Templin, Energierecht,72. EGL (Oktober 2011), KonAV § 3 Rn. 16. 572 So wohl auch Vortrag des Antragstellers in Verfahren, entschieden durch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 120 (126); für eine Anwendung des § 3 Abs. 2 KAV auf Beteiligungsmodelle auch Schäfer, EWeRK 2011, 114 (114).
III. Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen559
levant, sondern für die gesamte Energieversorgung von zentraler Bedeutung ist, macht gerade § 1 Abs. 1 EnWG deutlich.573 Des Weiteren ist zu beachten, dass sich die Vereinbarung einer Garantierendite nicht nur bzgl. der Preisgünstigkeit, sondern auch entgegen des Zwecks der sicheren Energieversorgung auswirken könnte, der ebenfalls in § 1 Abs. 1 EnWG niedergelegt ist. Verlangt die Gemeinde eine Garantierendite, so verpflichtet diese den Netzbetreiber zur Abführung der vereinbarten Rendite, unabhängig davon, wie sich der Geschäftsbetrieb des Netzes darstellt und entwickelt. Schlimmstenfalls kommt die Auszahlung der Rendite zur Unzeit und gefährdet den wirtschaftlichen und nachhaltigen Betrieb des Netzes und damit auch die Netzsicherheit. Auch insofern bietet die Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen Anlass zur Sorge. Sie ist mit § 3 Abs. 2 KAV sowie § 1 Abs. 1 EnWG unvereinbar und sollte von den Gemeinden im Rahmen einer Partnerlösung zum Zwecke der (Re)Kommunalisierung nicht verlangt werden. 2. Kartellrechtliche Bedenken Dieselbe Zielrichtung wie das Nebenleistungsverbot nach § 3 Abs. 2 KAV sowie die Vorgabe in § 1 Abs. 1 EnWG zur preisgünstigen und sicheren Energieversorgung verfolgen auch § 19 GWB n. F. sowie ggf. Art. 102 AEUV, die die Monopolstellung der Gemeinde und deren Ausnutzung zum Schutze der Verbraucher und der Partner im Netzbetrieb begrenzen.574 Daher ist die Vereinbarung von Garantierenditen, die bereits vorstehend kritisch im Rahmen der energierechtlichen Vorgaben betrachtet wurde, auch im Rahmen der kartellrechtlichen Vorgaben zu überprüfen. Für die Umsetzung einer Partnerlösung unter Vereinbarung einer Garantierendite ist dabei vor allem § 19 GWB n. F. von Bedeutung. Die Gemeinde verfügt mit Blick auf die Vergabe der Konzession über eine Monopolstellung i. S. e. Einzelmarktbeherrschung nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB n. F.575 Fraglich ist aber, 573 A. A. wohl Templin, ZNER 2012, 570 (572 f.), der über die Höherrangigkeit des § 1 EnWG und dem so verstandenen Verhältnis zu § 3 KAV zu einer Reduzierung des Nebenleistungsverbotes und über Art. 28 Abs. 2 GG zu einer sehr restriktiven Handhabung des Nebenleistungsverbotes kommt. 574 So auch Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 4. 575 BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden (15.12.2010), S. 4, Rn. 16 ff.; so auch, wenn auch ohne weitere Prüfung eines Verstoßes gegen § 19 GWB: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 120 (128); OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.03.2008, 2 U (Kart) 8/07, RdE 2008, 287 (290); Becker/ Templin, ZNER 2013, 10 (13), BKartA, Beschl. v. 30.11.2012, B8 101/11, Rn. 51 ff.; a. A.: Templin, ZNER 2012, 570 (574).
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ob dies auch auf die Vereinbarung von Garantierenditen zutrifft. Denn die Garantierendite vereinbart die Gemeinde im Zuge der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens, der gesellschafts- oder schuldrechtlichen Beteiligung des Partners oder aber der Beteiligung am Partner. Hierbei ist nach dem von der Gemeinde gewählten (Re)Kommunalisierungsmodell zu differenzieren. Ist die Gemeinde (bzw. ein gemeindliches Unternehmen) im Besitz der Konzession und strebt eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung oder schuldrechtliche Kooperation an, so ist sie für die Dauer des Konzessionsvertrages marktbeherrschend. Im Rahmen der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens ist dies ebenso der Fall, wenn bereits die Gemeinde im Rahmen des Konzessionsverfahrens eine Beteiligung eines Partners verhandelt und / oder vereinbart hat. Erfolgt dies bereits im Vorfeld des Konzes sionsverfahrens, so ist noch keine Monopolstellung vorhanden, so dass § 19 GWB n. F. keine Anwendung findet. Beteiligt sich die Gemeinde indes an einem Partner, der die Konzession im Vergabeverfahren erhalten hat, so ist zunächst nicht von einer Monopolstellung der Gemeinde auszugehen, da ja gerade der Partner Inhaber der Konzession und damit einer zeitlich begrenzten Monopolstellung ist. Allerdings ist auch im Zusammenhang mit §§ 18, 19 GWB auf die vorstehend in § 8 III.1. gemachten Ausführungen zu verweisen. Die Monopolstellung der Gemeinden kann über das Konzessionsverfahren hinaus wirken, wenn etwa im Rahmen des Konzessionsverfahrens erste Verhandlungen aufgenommen wurden, die rechtsverbindliche Vereinbarung der Gesellschafterstellung und Garantie- oder Mindestrendite jedoch erst nach Abschluss des Konzessionsverfahrens erfolgt. In jedem Einzelfall ist daher zu prüfen, ob eine Monopolstellung der Gemeinden vorliegt und diese ggf. im Rahmen oder nach der Konzessionsvergabe fortwirkt. Damit ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Monopolstellung der Gemeinde bzw. des gemeindlichen Unternehmens bei Vereinbarung einer Garantie- oder Mindestrendite gegeben ist. Liegt eine der vorbeschriebenen Monopolstellungen vor und fasst die Gemeinde den Entschluss, nur bei Zusage einer Garantie- oder Mindestrendite einen Partner an der Konzession für die Stromverteilung zu beteiligen, so ist das Vorliegen eines Konditionenmissbrauchs nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB n. F. naheliegend.576 Dies muss aber auch dann berücksichtigt werden, wenn die Gemeinde die Konzession im Vergabeverfahren an einen Dritten bereits vergeben, hierbei jedoch die Beteiligung am zukünftigen Netzbetreiber für sich ausgehandelt hat und die Renditevereinbarung ebenfalls Verhandlungsgegenstand ist bzw. sein wird. Auch in dieser Konstellation kann die Marktmacht der Gemeinde noch auf den Abschluss der GaPreis- und Konditionenmissbrauch, vgl. Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 27 Rn. 84 ff., insb. Rn. 107 und 120 f. 576 Zum
III. Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen561
rantierenditevereinbarung wirken. Ob ein Konditionenmissbrauch bei der Vereinbarung einer Garantierendite vorliegt, ist nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB n. F. daran zu messen, ob es sich hierbei um Entgelte oder Geschäftsbedingungen handelt, „die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden“. Allerdings handelt es sich bei der Vereinbarung einer Garantierendite streng genommen nicht um eine Entgeltvereinbarung oder eine Geschäftsbedingung, wie es § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB n. F. vorsieht, so dass eine Anwendung von § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB n. F. eigentlich tatbestandlich ausscheidet. Insoweit geht jedoch die Praxis des BKartA – soweit ersichtlich – von einem weiten Begriffsverständnis der Geschäftsbedingungen aus. So entschied das BKartA (so auch nach BGH und KG Berlin) etwa zum wortgleichen alten Tatbestand des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB a. F., dass auch die Forderung nach der Abgabe einer sog. „Tariftreueerklärung“ bei der Vergabe von Bauaufträgen umfasst sei.577 Auch hierbei handelt es sich weder um eine Entgeltvereinbarung noch um eine Geschäftsbedingung im eigentlichen Sinne. Aus dieser Spruchpraxis wird man die weite Auslegung des Tatbestands des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB n. F. folgern und die Vereinbarung einer Garantie- oder Mindestrendite ebenfalls darunter subsumieren können. Geht man von im Rahmen des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB n. F. relevanten Konditionen aus, so ist anhand des Vergleichsmarktkonzeptes578 zu ermitteln, ob diese „von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden“. Denn die Gemeinden dürfen sich durch die Renditevereinbarung gerade keine, ihre Monopolstellung ausnutzenden Vorteile dergestalt verschaffen, dass sie zwar an den Vorzügen teilhaben, die Risiken aber nicht zu tragen brauchen. Es muss vielmehr eine normale Verteilung der Chancen und Risiken gegeben sein,579 d. h. dass die Beteiligung durch die Gemeinde zu marktüblichen Konditionen, insbesondere mit Blick auf das unternehmerische Risiko und die ergebnisabhängige Rendite, erfolgen muss.580 Insofern muss sie einem Fremdvergleich genügen, was die Landeskartellbehörde für Energie Baden-Württembergs treffend damit formuliert, dass die Garantierendite einem Vergleich „at arm’s length“ genügen muss, „d. h. auf einem Angebot, wie es das Energieversorgungsunternehmen bzw. der Netzbetreiber grundsätzlich auch sonst einem Dritten 577 BKartA, Tätigkeitsbericht1995/96, BT-Drs. 13/7900, S. 28; bestätigt durch KG Berlin, Beschl. v. 20.5.1998, Kart 24/97, WuW/E Verg 111 (111 ff.); auch BGH, Beschl. v. 18.1.2000, KVR 29/98, WuW/E Verg 297 (297 ff.). 578 Hierzu ausführlich: Emmerich, Kartellrecht,13. (2014), § 27 Rn. 117 ff. 579 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 6. 580 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 6.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
machen würde.“581 Eine Marktüblichkeit der Vereinbarung einer Garantieoder Mindestrendite ist zunächst nicht festzustellen, da zahlreiche Gemeinden ihre Konzessionen auch ohne diese Vereinbarung vergeben.582 Marktüblich ist vielmehr der „Grundsatz vom Gleichlauf von Herrschaft und Haftung (Risikoverteilung)“.583 Insofern handelt es sich bei einer Garantie- oder Mindestrendite um eine atypische Risikoverteilung. Eine solche wäre ein privater Dritter auch im normalen Wettbewerbsgeschehen (ohne Monopoldruck) nicht bereit zu zahlen. Es erstaunt daher, dass u. a. die Landeskartellbehörde für Energie Baden-Württembergs insofern eine Garantie- bzw. Mindestrendite für unbedenklich hält, die „unterhalb oder im Bereich der langfristigen Renditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer Emittenten liegt“.584 Denn dies vermag nicht die grundsätzlicheren Bedenken gegen die Vereinbarung derartiger Renditen zu entkräften. Ohne die Marktmacht der Gemeinde würde ein wirtschaftlich handelndes Unternehmen als Netzbetreiber sich im Gegenzug zu einer Beteiligung keine zusätzliche Renditevereinbarung abringen lassen, da die Beteiligung selbst der Gemeinde schon eine Beteiligung am Netzbetrieb wie auch eine ergebnisabhängige Rendite sichert. Insofern besteht schon gar kein wirtschaftlicher Grund für eine zusätzliche Renditevereinbarung, die den wirtschaftlichen und finanziellen Stand des Netzbetreibers belastet. Insofern ist die Marktmacht der Gemeinde, darüber zu entscheiden, wer das Netz betreiben wird, entscheidend für die Eingehung einer solchen finanziellen Mehrbelastung. Hierin keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu sehen, fällt daher schwer. Selbst wenn man den Konditionenmissbrauch als speziellen Ausbeutungsmissbrauch nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 n. F. nicht für einschlägig erachtet, so ist jedoch die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB n. F. zu beachten, die die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung grundsätzlich verbietet. Dies ist bei der Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen i. R.d. (Re)Kommunalisierung in Form einer Partnerlösung regelmäßig anzunehmen.
581 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 6. 582 A. A.: wohl Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 73 ff., der auf § 304 AktG und die diesbezüglichen Üblichkeiten sowie daraus folgernd eine Drittvergleichsfähigkeit und Marktüblichkeit schließt. 583 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 7. 584 Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011), S. 8; so auch Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 68 ff., insbesondere: Rn. 71.
III. Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen563
3. Kommunalrechtliche Bedenken Im Übrigen stellt sich auch schon die Frage, ob das mit der Vereinbarung von Garantierenditen verfolgte Ziel kommunalrechtlich überhaupt zulässig ist. Die Gemeindeordnungen (einige sogar ausdrücklich) bestimmen, dass die reine Gewinnerzielungsabsicht kein das Tätigwerden der Gemeinden rechtfertigender öffentlicher Zweck ist [vgl. hierzu § 6 IV.2.b)aa)]. Ist die Vereinbarung einer solchen Rendite Antrieb einer unternehmerischen Beteiligung bzw. gemeindlichen Handelns, so verfolgt die Gemeinde gerade kein anderes Ziel als das der Erwirtschaftung von Gewinnen, und zwar sogar (erschwerend) dann, wenn der Netzbetreiber keinen solchen erwirtschaftet. Die Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen ist damit Ausdruck eines reinen Gewinnstrebens und erfolgt nicht aus einem öffentlichen Zweck heraus, sondern ggf. sogar entgegen dem öffentlichen Zweck der sicheren, nachhaltigen und preisgünstigen Energieversorgung gem. § 1 Abs. 1 EnWG. Insofern bestehen auch aus kommunalrechtlicher Sicht erhebliche Bedenken gegen die Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen. Hierüber können auch keine Ausführungen dergestalt hinwegtäuschen, dass die Gemeinden etwa nach § 109 Abs. 2 GemO NRW gehalten sind, einen Jahresgewinn durch wirtschaftliche Unternehmen zu erwirtschaften, der mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erreichen solle.585 Hierzu wird weiter ausgeführt, dass eine Garantierendite, die sich in diesem Rahmen halte, daher nach kommunalrechtlichen Vorgaben nicht zu beanstanden sei.586 Diese Ansicht übersieht, dass die Gemeinde durch ihre wirtschaftliche Betätigung selbst mindestens eine marktübliche Verzinsung erreichen soll, und nicht etwa durch zusätzliche, dem reinen Gewinnstreben geschuldete Renditevereinbarungen. Die Regelung bspw. in § 109 Abs. 2 GemO Nordrhein-Westfalen trägt damit dem Grundsatz Rechnung, dass die Gemeinde keine wirtschaftliche Betätigung ergreifen soll, mit der sie ein Risiko eingeht, dass möglicherweise ihre Leistungsfähigkeit überschreitet. Ist es für die Gemeinde absehbar, dass die wirtschaftliche Betätigung selbst nicht genügt, um eine marktübliche Verzinsung des eingebrachten Eigenkapitals zu erwirtschaften, so muss der hieraus folgende Schluss sein, die wirtschaftliche Betätigung nicht aufzunehmen und dies vielmehr anderen Marktakteuren zu überlassen. Den Schluss zu ziehen, dass wegen eben dieser Regelung eine Garantierendite zulässig sei, geht fehl und erscheint vielmehr geprägt von dem Gedanken der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung um jeden Preis. 585 So aber Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 111. 586 Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 112.
564
§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
4. Zusammenfassung Die Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen im Rahmen einer Partnerlösung zugunsten der Gemeinde ist daher aus den zuvor dargestellten Erwägungen unzulässig.587 Insbesondere die energierechtlichen Erwägungen aus § 3 Abs. 2 KAV sowie § 1 Abs. 1 EnWG stehen der Vereinbarung von Garantie- oder Mindestrenditen zugunsten der Gemeinde entgegen. Auch das Handeln auf Grundlage eines öffentlichen Zwecks und der Ausschluss der reinen Gewinnerzielungsabsicht führen aus kommunalrechtlicher Sicht zu Bedenken gegen die Vereinbarung derartiger Renditen. Nicht zuletzt legt auch § 19 GWB n. F. den Schluss nahe, dass eine solche Vereinbarung missbräuchlich ist, weil ein Unternehmer (höchst wahrscheinlich) der Gemeinde nur wegen ihrer Monopolstellung und der Sorge um den Nichterhalt der Konzession eine solche Rendite zusichern wird. Dies legt die Vermutung nahe, dass es sich um den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung handelt.
IV. Besondere Verfahrensregeln für die Realisierung einer Partnerlösung Entscheidet sich die Gemeinde zur (Re)Kommunalisierung in einer Partnerlösung, so muss sie zwei getrennte Entscheidungen treffen. Zum einen muss sie darüber entscheiden, mit welchem Partner sie wirtschaftlich zusammenarbeiten möchte, zum anderen muss sie im Rahmen des Konzes sionsvergabeverfahrens den nach den zuvor dargestellten und von der Gemeinde festgelegten Kriterien am besten geeigneten Netzbetreiber ermitteln. 1. Relevante Verfahrensgegenstände und -regelungen Wie vorstehend bereits dargestellt, gilt für die Vergabe der Stromkonzession grundsätzlich nicht das förmliche Vergaberecht nach §§ 97 ff. GWB, sondern das Konzessionsvergaberecht, wie es im EnWG angelegt und unter Zuhilfenahme der zuvor dargestellten Regelungen verfeinert wird.588 587 So auch Schäfer, EWeRK 2011, 114 (114 f.); Landeskartellbehörde Energie Baden-Württemberg, Positionspapier Konzessionsvergabe (5.12.2011); Scholtka/ Baumann, N&R 2010, Beilage 3, 1 (4); a. A.: BGH, Urt. v. 29.9.2009, EnZR 15/08 (Rn. 30), BeckRS 2010, 05636; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120 (126); offen gelassen: Byok/Graef/Faasch, NZBau 2012, 556 (558). 588 Britz/Hellermann/Hermes-Hellermann, EnWG,3.(2015), § 46 Rn. 66; Kermel, RdE 2005, 153 (158); Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33 (36); Thomale/Kießling, N&R2008, 166 (168); vorsichtig kritisch dazu Byok, RdE 2008, 268 (270 f.).
IV. Besondere Verfahrensregeln für die Realisierung einer Partnerlösung565
Das Vergaberecht findet auch grundsätzlich auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages (bspw. bei Einbezug eines strategischen Partners in die (Re)Kommunalisierung) keine Anwendung, weil es sich hierbei nicht um einen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 GWB handelt.589 Dies gilt ebenso für den bloßen Kauf oder Verkauf von Anteilen an einem Unternehmen.590 Denn das Vergaberecht findet ausschließlich Anwendung auf die entgeltliche Beschaffung von Gütern und Leistungen durch öffentliche Auftraggeber.591 Allerdings kann im Einzelfall eine Gesamtbetrachtung zu einem abweichenden Ergebnis führen, insbesondere dann, wenn eine Veräußerung von Gesellschaftsanteilen oder gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen als Bestandteil eines vergabepflichtigen Beschaffungsvorgangs zu werten sind.592 Entscheidet sich die Gemeinde dazu, die (Re)Kommunalisierung im Rahmen einer Partnerlösung zu realisieren, so kommt hierfür u. a. eine schuldrechtliche Kooperation durch Pacht- und / oder Dienstleistungsvertrag in Betracht [vgl. hierzu § 8 I.2.b)dd)]. Für diese Kooperationen kommt das Vergaberecht grundsätzlich zum Tragen, wenn ein (privates) Unternehmen Dienstleistungen für den Auftraggeber im Rahmen der Partnerlösung erbringen soll.593 Dies ist im Rahmen der schuldrechtlichen Kooperationen regelmäßig anzunehmen, da der private Partner für die Gemeinde bzw. das gemeindliche Unternehmen Netzdienstleistungen (technischer und / oder kaufmännischer Art) erbringen soll, wobei sowohl Gemeinde als auch gemeindliches Unternehmen öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB bzw. § 98 Nr. 4 GWB sind.594 Bei der Einbeziehung eines Partners im Rahmen 589 In Bezug auf die Teilprivatisierung eines Kasinounternehmens EuGH, Urt. v. 6.5.2010, Rs. C-145/08, NVwZ 2010, 825 (827); Bartsch/Röhling/Salje/ScholzHausmann, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 10 Rn. 29; Fabry/Meiniger/Kayser, Unternehmen der öffentlichen Hand,2. (2011), S. 13. 590 Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Hausmann, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 10 Rn. 29; Faber, DVBl. 2001, 248 (257), der jedoch darauf hinweist, dass das Vergaberecht anzuwenden sei, wenn hierbei bereits ein beschaffungsrechtlicher Bezug gegeben ist; Frenz, ZHR 166 (2002), 307 (331); von Hoff, VergabeR 2013, 395 (396); Pünder/Schellenberg-Wegener, Vergaberecht,1. (2011), § 99 Rn. 40. 591 Fabry/Meiniger/Kayser, Vergaberecht in der Unternehmenspraxis,2. (2013), S. 13; Greb/Müller, Kommentar zur SektVO (2010), § 1 Rn. 85. 592 So Fabry/Meiniger/Kayser, Vergaberecht in der Unternehmenspraxis,2. (2013), S. 13; Faber, DVBl. 2001, 248 (257). 593 Bartsch/Röhling/Salje/Scholz-Hausmann, Stromwirtschaft,2. (2008), Kap. 10 Rn. 29; DStGB, Stadt und Gemeinde INTERAKTIV, 6/2010, S. 11; Byok/Graef/ Faasch, NZBau 2012, 556 (556). 594 So auch VK Münster, Beschl. v. 8.6.2012, VK 6/12, NZBau 2012, 521 (523); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 321 (322); vgl. ausführlich: Greb/Müller, Kommentar zur SektVO (2010), § 1 Rn. 15 ff. sowie 50 ff.; Fabry/Meiniger/Kayser, Vergaberecht in der Unternehmenspraxis,2. (2013), S. 16 ff.
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eines Pacht- und Dienstleistungsmodells handelt es es sich auch um einen öffentlichen Auftrag595 i. S. d. §§ 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB, da Dienstleistungen, nämlich die Durchführung des Netzbetriebs oder damit zusammenhängende Dienstleistungen erbracht werden sollen. Vergaberechtsfrei i. S. d. In-house-Vergabe sind solche Aufträge nur dann, wenn der Auftraggeber über das zu beauftragende Unternehmen Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausüben kann.596 Handelt es sich jedoch um ein rein privatwirtschaftliches Unternehmen,597 ist eine solche Kontrolle und damit auch die In-house-Vergabe ausgeschlossen. Zum Zwecke einer schuldrechtlichen Kooperation hat die Gemeinde daher für die Wahl des Kooperationspartners ein förmliches Vergabeverfahren nach den Vorschriften des GWB durchzuführen. Will die Gemeinde die (Re)Kommunalisierung durch Neugründung einer Gesellschaft oder durch gesellschaftsrechtliche Beteiligung eines Partners realisieren und soll der Partner anschließend Leistungen erbringen, so ist auch diese Einbeziehung eines Partners möglicherweise vergaberechtspflichtig.598 Denn obwohl die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils durch die Gemeinde zwecks Beteiligung des Partners nach h. M. mangels Einkaufs einer Leistung kein vergaberechtsrelevanter Vorgang ist, kann durch das Vorliegen einer Dienstleistung sozusagen im Gesamtpaket eine Vergabepflichtigkeit entstehen.599 Soll der Partner gerade einbezogen werden, damit dieser Dienstleistungen im Rahmen der kaufmännischen und technischen Betriebsführung erbringt, in der es der Gemeinde bspw. an Know-how fehlt, so spricht dies für ein Vorliegen einer Dienstleistung i. S. d. Vergaberechts.600 Die Rechtsprechung ordnet diese als vergaberechtsrelevante sog. vorrangige Dienstleistung (§ 4 SektVO) nach Anhang 1 Teil A Kategorie 11 SektVO (Unternehmensberatung und verbundene Tätigkeiten) ein.601 Somit entsteht 595 Zu den Voraussetzungen für einen öffentlichen Auftrag ausführlich in § 7 II.3.e)cc)(1)(c); siehe außerdem: Greb/Müller, Kommentar zur SektVO (2010), § 1 Rn. 82 ff. 596 Ausführlich zur In-house-Vergabe, vgl. § 7 II.3.e)cc)(1)(b). 597 So jedenfalls im Rahmen der Darstellung des schuldrechtlichen Kooperationen in § 8 I.2.b)dd) angenommen. 598 Fabry/Meiniger/Kayser, Vergaberecht in der Unternehmenspraxis,2. (2013), S. 13; Faber, DVBl. 2001, 248 (257). 599 Faber, DVBl. 2001, 248 (257). 600 Vgl. hierzu auch VK Münster, Beschl. v. 8.6.2012, VK 6/12, NZBau 2012, 521 (522 ff.); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 120 (121). 601 So auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 120 (121); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 321 (322).
IV. Besondere Verfahrensregeln für die Realisierung einer Partnerlösung567
auch hier eine Mischung aus vergabepflichtigem und vergaberechtsfreiem Verfahrensgegenstand. Mit Blick auf die Vermischung eines vergaberechtsfreien und vergaberechtspflichtigen Teils wird vertreten, dass bei einer solchen Zusammensetzung das Gesamtpaket insgesamt ausschreibungspflichtig wird, wenn der Hauptgegenstand ausschreibungspflichtig ist602 bzw. bei wirtschaftlicher Betrachtung die Gesellschaftsgründung und Beauftragung mit Leistungen einen einheitlichen Vorgang darstellt.603 Nach anderer Ansicht soll dies schon gelten, wenn nur ein Teil des Gesamtgebildes ausschreibungspflichtig ist und eine Ausnahme nur dann gegeben sein, wenn die Dienstleistung derart untergeordneten Charakter aufweist,604 dass ihretwegen der gegenständliche Vertrag nicht eingegangen würde.605 Worauf abzustellen ist, muss vorliegend nicht entschieden werden, da nach allen Ansichten der Gesamtkomplex ausschreibungspflichtig ist, weil die Wahrnehmung der ausschreibungspflichtigen Dienstleistung im Bereich des Netzbetriebes durch den Partner i. d. R. von zentraler Bedeutung für die Gemeinde sein wird. Zusätzlich ist im jeweiligen Einzelfall für die Ausschreibungspflichtigkeit außerdem noch das Erreichen der Schwellenwerte nach § 100 Abs. 1 Nr. 2 GWB i. V. m. § 1 SektVO maßgeblich, der wiederum auf Art. 16 der RL 2004 / 17 / EG verweist und für Dienstleistungen einen Schwellenwert von € 400.000,00 vorsieht.606 Gegen die pauschale Einordnung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung eines Partners und insbesondere die Erbringung von kaufmännischen und technischen Leistungen im Rahmen des Gemeinschaftsunternehmens als entgeltliche Dienstleistung i. S. d. Vergaberechts sind jedoch Einwände zu erheben.607 Es ist in jedem Einzelfall ganz genau zu prüfen, ob tatsächlich eine Dienstleistungserbringung im Sinne des Vergaberechts durch den Partner erfolgt. Beteiligt sich dieser an einer von der Gemeinde gegründeten Gesellschaft, so stellt zunächst die Einbringung des privaten Partners als neuem Gesell602 VK Münster, Beschl. v. 8.6.2012, VK 6/12, NZBau 2012, 521 (524); EUGH, Urt. v. 6.5.2010, C-145/08 und 149/08, NZBau 2010, 506 (508). 603 Fabry/Meiniger/Kayser, Vergaberecht in der Unternehmenspraxis,2. (2013), S. 13; OLG Brandenburg, Beschl. v. 03.08.2001, Verg 3/01, MMR 2001, 818 (819); Vergabekammer Düsseldorf, Beschl. v. 07.07.2000, VK 12/2000-L, NZBau 2001, 46 (46 ff.). 604 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001, Verg 3/01, NZBau 2001, 696 (700). 605 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 120 (122). 606 Fabry/Meiniger/Kayser, Vergaberecht in der Unternehmenspraxis,2. (2013), S. 32; Greb/Müller, Kommentar zur SektVO (2010), § 1 Rn. 3 und Rn. 115 ff. 607 So auch Michaels/Kohler, NZBau 2013, 282 (285).
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
schafter in das operative Geschäft der Gesellschaft eine typische Wahrnehmung seiner neuen Gesellschafterstellung dar.608 Es müssen insofern besondere Umstände vorliegen, um von der Beauftragung mit einer entgeltlichen Leistung seitens des gemeindlichen Unternehmens bzw. der Gemeinde als Gesellschafter gegenüber dem Partner als Gesellschafter auszugehen. Denn wie vorstehend ausgeführt, stellt die bloße Gründung eines gemeinsamen Unternehmens keinen vergabepflichtigen Tatbestand dar.609 Liegen aber derartige Umstände vor, wovon i. R.d. Pacht- und Dienstleistungsmodells sowie der Beteiligung eines Partners bei gleichzeitiger ausschließlicher Übertragung der kaufmännischen und / oder technischen Betriebsführung an diesen regelmäßig auszugehen ist, müssen die vergaberechtlichen Vorschriften beachtet werden. 2. Verfahrensgestaltung Bei der Realisierung von Partnerlösungen sind daher in besonderer Weise die Verfahrensgestaltungen zu betrachten. Gerade dann, wenn die Gemeinde nicht nur die Konzession für den Stromnetzbetrieb, sondern vorgeschaltet gleichzeitig oder nach der Konzessionsvergabe die strategische Partnerschaft ausschreibt, können verfahrensrechtliche aber auch materielle Probleme auftreten. Aufgrund der bisher nur punktuell vorliegenden Rechtsprechung und Befassung in der Literatur mit diesem Thema befinden sich viele Gemeinden in einem Dilemma.610 Findet mit der Konzessionsvergabe auch die Suche nach einem strategischen Partner für eine (Re)Kommunalisierung statt, so verbinden sich zwei inhaltlich getrennte und unterschiedliche Ausschreibungskomplexe, die je für sich genommen komplexe juristische Materien darstellen. Wie und ob eine solche Verbindung zulässig ist, wird nachfolgend untersucht werden. Dabei wird zwischen zwei Verfahrensgestaltungen unterschieden werden: dem einheitlichen Verfahren und den getrennten Verfahren. a) Einheitliches Verfahren Um die Partnerlösung zu realisieren, ist in der Praxis vielfach durch die Gemeinden die Vergabe der Stromkonzession mit der Wahl des Partners zusammen in einem einheitlichen Verfahren erfolgt. Die grundsätzlich inauch Michaels/Kohler, NZBau 2013, 282 (285). hinweisend auch in diesem Zusammenhang: Michaels/Kohler, NZBau 2013, 282 (286), die ausführen: „Die schlichte Gründung eines Unternehmens bleibt zutreffenderweise weiterhin ein vergabefreier Tatbestand.“ 610 So auch von Hoff, VergabeR 2013, 395 (401). 608 So
609 Hierauf
IV. Besondere Verfahrensregeln für die Realisierung einer Partnerlösung569
haltlich getrennten Verfahrensgegenstände sind dabei in einem Verfahren zusammen gefasst worden. Dies ist auf zweierlei Weise denkbar und in der Praxis teilweise realisiert worden: aa) im Rahmen des förmlichen Vergabeverfahrens zur Suche eines strategischen Partners wird auch die Stromkonzession gleichzeitig vergeben (Förmliches Vergabeverfahren mit integrierter Konzessionsvergabe) oder bb) im Rahmen der Konzessionsvergabe wird gleichzeitig auch die Auswahl des Partners getroffen (Konzessionsvergabe mit integrierter Partnerwahl). aa) Förmliches Vergabeverfahren mit integrierter Konzessionsvergabe Die Gemeinde könnte ein einheitliches Verfahren der Gestalt durchführen, dass sie ein förmliches Vergabeverfahren zur Suche eines strategischen Partners durchführt und in dieses Verfahren die Vergabe der Stromkonzession ohne weiteres Verfahren einfließen lässt.611 Dies etwa in der Form, dass die Gemeinde die Stromkonzession im Anschluss an die Wahl des strategischen Partners an das mit ihm gegründete Gemeinschaftsunternehmen direkt vergibt.612 Dieses Vorgehen stellt jedoch sowohl einen Verstoß gegen § 46 EnWG als auch gegen § 19 GWB n. F. dar.613 (1) Verstoß gegen § 46 EnWG Wie vorstehend ausführlich dargestellt, unterliegt die Konzessionsvergabe den Bestimmungen des § 46 EnWG sowie weiterer rechtlicher Vorgaben.614 Diese kann eine Gemeinde nicht dadurch umgehen, dass sie ein förmliches Vergabeverfahren zur Suche eines strategischen Partners durchführt.615 Denn dieses Verfahren ist nicht geeignet, das Konzessionsverfahren mit seinen spezifischen Anforderungen zu ersetzen, insbesondere auch deswegen nicht, weil im Rahmen der Konzessionsvergabe andere Kriterien maßgeblich sind als innerhalb des förmlichen Vergabeverfahrens.616 Daher ver611 So im Falle Stadtwerke Mettmann GmbH & Co. KG, vgl. BKartA, Beschl. v. 31.11.2012, B8 101/11, Rn. 1 ff., BeckRS 2013, 09751. 612 So im Falle Stadtwerke Mettmann GmbH & Co. KG, vgl. BKartA, Beschl. v. 31.11.2012, B8 101/11, Rn. 1 ff., BeckRS 2013, 09751. 613 Zu §§ 19, 20 GWB a. F.: BKartA, Beschl v. 31.11.2012, B8 101/11, Rn. 60 ff., BeckRS 2013, 09751. 614 Vgl. § 7 II.3. 615 So auch BKartA, Beschl. v. 31.11.2012, B8 101/11, Rn. 60 ff., BeckRS 2013, 09751. 616 Hierzu vorstehend: § 7 II.3.; so auch BKartA, Beschl. v. 31.11.2012, B8 101/11, Rn. 60 und 108 ff., BeckRS 2013, 09751.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
stößt die integrierte Konzessionsvergabe innerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens gegen § 46 EnWG sowie die im Rahmen dieser Arbeit ermittelten Bestimmungen zur ordnungsgemäßen Konzessionsvergabe. (2) Verstoß gegen § 19 GWB n. F. Auch verstößt dieses Vorgehen gegen § 19 GWB n. F. Die Vorschrift des § 19 GWB n. F. ist neben den energierechtlichen Regelungen trotz § 111 Abs. 1 EnWG anwendbar, da § 111 Abs. 2 EnWG nur die Vorschriften des 3. Abschnitts und die sich hieraus ergebenden Rechtsverordnungen für abschließend erklärt, zu denen § 46 EnWG und die Vorgaben über die Konzessionsvergabe gerade nicht zählen.617 Dass die Gemeinde überdies eine marktbeherrschende Stellung i. S. d. § 18 GWB n. F. bei der Vergabe der Konzessionen einnimmt, wurde bereits vorstehend erläutert.618 Das missbräuchliche Verhalten der Gemeinde bei Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens zur Ermittlung eines Partners für ein Gemeinschaftsunternehmen zum Netzbetrieb mit integrierter Konzessionsvergabe nach § 19 GWB n. F. ist darin zu sehen, dass – wie das BKartA auch im Verfahren Stadtwerke Mettmann GmbH & Co. KG festgestellt hat – ohne sachlichen Grund eine Bevorzugung des Gemeinschaftsunternehmens bei der Vergabe der Stromkonzes sion stattfindet.619 Denn wie vorstehend bereits dargestellt, kann die Gemeinde nicht im Rahmen der sog. In-house-Vergabe die Konzession direkt an ein eigenes Unternehmen vergeben.620 Eine Vergabe der Konzession nach den Vorgaben des § 46 EnWG und den vorstehend dargelegten zusätzlichen Anforderungen ist für die Gemeinde unumgänglich.621 Führt sie ein solches Verfahren für die Konzessionsvergabe nicht durch, sondern schließt sie an die Wahl eines Partners im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens die Direktvergabe der Stromkonzession an, liegt hierin ein Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F. (3) Zusammenfassung Die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens mit integrierter Konzessionsvergabe verstößt somit gegen die Vorgaben des § 46 EnWG 617 So auch BKartA, Beschl. v. 31.11.2012, B8 101/11, Rn. 55, BeckRS 2013, 09751. 618 Vgl. § 7 II.3.c)ee)(1)(c)(cc). 619 BKartA, Beschl. v. 31.11.2012, B8 101/11, Rn. 60 und 61 ff., BeckRS 2013, 09751. 620 Vgl. § 7 II.3.e)cc)(1)(b). 621 Vgl. § 7 II.3.
IV. Besondere Verfahrensregeln für die Realisierung einer Partnerlösung571
sowie die im Rahmen dieser Arbeit zusätzlich aufgezeigten Vorgaben für die Konzessionsvergabe. Daneben liegt auch ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F. vor. Ein derartiges verfahrensrechtliches Vorgehen ist daher unzulässig. bb) Konzessionsvergabe mit integrierter „Partnerwahl“ Denkbar wäre aber auch die Wahl des Partners in das Konzessionsvergabeverfahren zu integrieren und so mittels eines Verfahrens sowohl die Konzessionsvergabe als auch die Partnerwahl abzuschließen.622 Obschon der Gemeinsame Leitfaden des BKartA und der BNetzA hierzu schweigt, könnte man es für zulässig erachten, dass die Gemeinde im Rahmen der Konzes sionsvergabe im Vorfeld offenlegt, dass sie einen Kooperationspartner für eine gemeinsame Netzgesellschaft im Konzessionsvergabeverfahren sucht und die Bewerber auffordern, passende Partnermodelle vorzuschlagen.623 Dabei ist jedoch problematisch, dass die Gemeinde schon im Vorwege der Konzessionsvergabe vorgibt, dass eine Konzessionierung nur durch Beteiligung bzw. Kooperation mit der Gemeinde oder einem gemeindlichen Unternehmen erfolgen kann. Insofern schneidet die Gemeinde schon im Vorwege des Konzessionsvergabeverfahrens den Bewerbern die Möglichkeit ab, sich ohne kommunale Beteiligung um die Konzession zu bewerben. Dies stellt eine nicht mit den Vorgaben über die Konzessionsvergabe zu vereinbarende Vorfestlegung und Diskriminierung dar.624 Will die Gemeinde eine (Re)Kommunalisierung verwirklichen, so kann das Mittel der Wahl nicht sein, im Vorfeld der Konzessionsvergabe die Vorgaben so eng zu gestalten, dass letztlich nur das (re)kommunalisierte Unternehmen obsiegen kann. Dies widerspricht den vorstehend im Rahmen der Verfahrensanforderungen für die Konzessionsvergabe erläuterten Grundsätzen.625 Gibt die Gemeinde im Konzessionsverfahren vor, dass eine Partnerlösung als Ergebnis gewünscht ist und entsprechende Angebote in den Unterlagen zu unterbreiten 622 Dies erachtet Templin, ZNER 2011, 121 (122) für zulässig; für ein Verbindung in einem Verfahren auch: Michaels/Kohler, NZBau 2013, 282 (284); auch für zulässig erachtet OLG Düsseldorf eine einheitliche Auftragsvergabe; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120 (123); VG Oldenburg, Beschl. v. 17.07.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (547). 623 Dieses Vorgehen beschreibt Templin, ZNER 2011, 121 (122); VG Oldenburg, Beschl. v. 17.07.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (547). 624 A. A.: VG Oldenburg, Beschl. v. 17.07.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012, 541 (547), das ausführt: „So hat denn auch die Mehrzahl der Bewerber eine Beteiligungslösung offeriert. Dass sich einzelne Bewerber einer solchen Lösung verschlossen haben, bewirkt keine Diskriminierung dieses Bewerbers.“ 625 Vgl. § 7 II.3.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
sind, verstößt sie eklatant dagegen. Es ist daher entgegen anderslautenden Ansichten mit den Vorgaben zur Konzessionsvergabe nicht vereinbar, dass die Gemeinde in das Konzessionsvergabeverfahren selbst eine Partnerwahl zur Realisierung einer Partnerlösung integriert. cc) Zusammenfassung Die einheitliche Vergabe der Konzession und Wahl des Partners ist damit sowohl in Form eines förmlichen Vergabeverfahrens mit integrierter Konzessionsvergabe als auch in Form der Konzessionsvergabe mit integrierter Partnerwahl damit unzulässig. b) Getrennte Verfahren Da es sich bei der Vergabe des Wegenutzungsrechts für das Stromnetz und der Vergabeentscheidung über die Kooperation bzw. Beteiligung eines Dritten an einem (re)kommunalisierten Unternehmen (förmliches Vergabeverfahren nach GWB) um zwei unterschiedliche Sachverhalte und Fragestellungen handelt, die auch noch unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen unterliegen, empfiehlt es sich, dass die Gemeinden zwei getrennte Verfahren durchführen. Dabei sind verschiedene Gestaltungen denkbar. Zum einen könnte zunächst im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens nach GWB die Kooperation mit einem privaten Partner ausgeschrieben werden.626 Ist auf diesem Wege ein privater Partner gewonnen, kann dieser entweder an einer bereits vorhandenen kommunalen Gesellschaft beteiligt oder aber eine neue Gesellschaft geschaffen werden. Dieses so entstandene partnerschaftliche Unternehmen muss sich dann – um schlussendlich Netzbetreiber zu werden – in dem Konzessionsvergabeverfahren um die Stromkonzession bemühen. Hierzu ist ein zweites, von dem ersten Verfahren in Gänze getrenntes, Konzessionsvergabeverfahren von der Gemeinde (nach den vorstehend ausführlich dargelegten Regeln) durchzu führen. Um dies zu realisieren, ist die Konzessionsvergabe nicht nur formell, sondern auch materiell von der vergaberechtlichen Partnerwahl zu trennen.627 626 So etwa Jasper/Biemann, IR 2012, 50 (52); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120 (123); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.2.2013, VII-Verg 31/12, NZBau 2013, 321 (325), welches ausführt: „Gegen das Konzept einer getrennten Ausschreibung von Dienstleistungen und strategischer Partnerschaft einerseits sowie andererseits Wegekonzessionen ist rechtlich genauso wenig etwas einzuwenden, wie gegen eine Zusammenvergabe.“ 627 So auch Byok, NJW 2013, 1488 (1493).
IV. Besondere Verfahrensregeln für die Realisierung einer Partnerlösung573
Denkbar wäre aber auch, das förmliche Vergabeverfahren parallel (aber formal getrennt) bzw. in zeitlicher Nähe zum Konzessionsverfahren628 oder aber im Anschluss an das Konzessionsverfahren durchzuführen. In letzterem Fall würde die Gemeinde bzw. das gemeindliche Unternehmen zunächst alleine in das Konzessionsvergabeverfahren eintreten und erst nach Erhalt der Stromkonzession den Partner in das Netzbetreiberunternehmen einbeziehen können.629 Wichtig mit Blick auf die Rechtmäßigkeit der zwei getrennten Verfahren ist dabei unabhängig davon, für welche zeitliche Abfolge sich die Gemeinde entscheidet: Eine Bevorzugung des von der Gemeinde und dem im Rahmen des förmlichen Vergabeverfahrens ermittelten Partners verbietet sich.630 Beide Verfahren sind mit Blick auf ihren Ausgang ergebnisoffen zu führen. Eine Vorfestlegung auf das (re)kommunalisierte Unternehmen als den zukünftigen Netzbetreiber ist auch bei dem Wunsch nach der Realisierung einer Partnerlösung seitens der Gemeinde unzulässig. Es verbleibt bei den vorstehend zu den Anforderungen an das Konzessionsverfahren gemachten Ausführungen.631 Allerdings erscheint es durchaus sachdienlich, im Rahmen des förmlichen Vergabeverfahrens (also dem Auswahlverfahren für den strategischen Partner) auch Aspekte und Kriterien, welche im Rahmen des späteren Betriebs der Netze von Bedeutung sind, zu berücksichtigen. So kann es durchaus sinnvoll sein, im Rahmen des förmlichen Vergabeverfahrens die aus § 1 EnWG ableitbaren Kriterien einzubeziehen.632 Die Umsetzung der (Re)Kommunalisierung unter Einbezug eines strategischen Partners durch zwei getrennte Verfahren bietet ein größeres Maß an Rechtsklarheit, als dies im Rahmen einer einheitlichen Verfahrensdurchfüh628 So Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 57. 629 Kritisch: OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.9.2013, 10 ME 88/12, RdE 2014, 41 (45), für den Fall, dass die Organisation des Bewerbers „noch zu offen und unbestimmt“ ist, weil dann die Kriterien nach § 1 EnWG und Auswahlentscheidung nicht konkret auf den Bewerber bezogen getroffen werden können. Daher habe bei zwei getrennten Verfahren „die Ausschreibung des strategischen Partners vorauszugehen“ und dürfe nicht nachfolgen, OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.9.2013, 10 ME 88/12, RdE 2014, 41 (46). 630 Ausführlich hierzu: § 7 II.3.f) und § 7 II.4.c)cc)(1). 631 Vgl. § 7 II.3. 632 Hierfür spricht sich auch aus: Kermel-Arnold, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben (2012), Kap. 4 Rn. 58 f., der insoweit von einer „im Ergebnis untrennbaren Verbindung zwischen dem Beteiligigungsmodell und der Konzessionsvergabe“ (Rn. 58) spricht.
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
rung möglich ist.633 Damit bieten zwei getrennte Verfahren grundsätzlich auch weniger rechtliche Risiken und bei Einhaltung der formalen und materiellen Vorgaben weniger Fehlerpotential. Die hiergegen vorgebrachte Kritik,634 wonach insbesondere bei einem vorgeschalteten förmlichen Vergabeverfahren zur Wahl des Partners von einer Vorfestlegung auf den Konzessionsnehmer auszugehen ist, stellen nicht ein spezifisches Problem der Durchführung zweier getrennter Verfahren zur Realisierung einer Partnerlösung dar, sondern liegen vielmehr in der Zuständigkeit der Gemeinden für die Konzessionsvergabeentscheidung bei gleichzeitiger (Re)Kommunalisierung und Teilnahme am Konzessionsverfahren begründet. Dass es diesbezüglich einen grundsätzlichen Handlungsbedarf gibt, wurde ausführlich in § 7 II.6. dargelegt. Durch eine Verlagerung der Zuständigkeit für die Konzessionsvergabeentscheidung auf die Landesregulierungsbehörde oder die BNetzA im Falle einer (Re)Kommunalisierung können etwaige unrechtmäßige Einflüsse der (Re)Kommunalisierungsentscheidung auf die Konzes sionsvergabe abgewendet werden. Den Vorteilen einer Verfahrenstrennung stehen allerdings auch Nachteile gegenüber. Ein zweistufiges Vorgehen ist zeitintensiver als die einheitliche Vergabe der Konzession mit integrierter Wahl des Partners.635 Insbesondere dann, wenn der Partner vor der Konzessionsvergabe durch ein formelles Vergabeverfahren ausgewählt wird, besteht außerdem das Risiko, dass das neu entstandene partnerschaftliche Unternehmen in dem Konzessionsverfahren unterliegt, in dem es sich mit anderen Bewerbern um die Konzession bewerben muss.636 Die Partnerschaft würde in einem solchen Fall vermutlich enden, ehe sie ihre Tätigkeit je richtig aufgenommen hat. Dieses Risiko, im Konzessionsverfahren trotz Teilnahme nicht die Konzession zu erhalten, ist aber gerade das typische mit dem Wettbewerb um die Stromkonzession verbundene Risiko und dem Konzessionsvergabeverfahren wesensgemäß und immanent. Durch die Teilnahme am förmlichen Vergabeverfahren gewinnen die Unternehmen, die sich für eine Partnerlösung anbieten, „lediglich die Aussicht, in einem noch durchzuführenden und aus Rechtsgründen 633 A. A.: Michaels/Kohler, NZBau 2013, 282 (284): „Allein der finanzielle Aufwand, der für die Eingehung der strategischen Partnerschaft betrieben wird, kann mitunter dafür sprechen, dass eine Vorfestlegung für die Konzessionsvergabe erfolgt ist. Insoweit kann eine Verbindung der Verfahren eine transparente und diskriminierungsfreie Vergabe besser gewährleisten als ein getrenntes zweistufiges Verfahren.“ 634 Etwa: Michaels/Kohler, NZBau 2013, 282 (284); a. A.: VG Oldenburg, Beschl. v. 17.7.2012, 1 B 3594/12, ZNER 2012 541 (547). 635 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120 (123). 636 Angedeutet in OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120 (123).
V. Zusammenfassung (Re)Kommunalisierungsmodelle575
im Ausgang völlig ungewissen Verfahren zu obsiegen“.637 Das Risiko, dabei „leer auszugehen“, ist im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens und der Suche nach dem aus energiewirtschaftlicher Sicht geeignetsten Netzbetreiber geradezu gesetzgeberisch gewünscht. Denn in dem Verfahren soll der Bewerber obsiegen, der die energiewirtschaftlichen Auswahl- und Entscheidungskriterien, die durch die Gemeinde im Rahmen der Gesetze ausgewählt und gewichtet werden können, am besten zu erfüllen vermag. Eine Garantie, die Stromkonzession nach Teilnahme am Konzessionsvergabe-verfahren zu erhalten, gibt es nicht (und darf es nicht geben); auch nicht (und gerade nicht) für (re)kommunalisierte Unternehmen. Dies gilt erst recht für die Teilnahme am förmlichen Vergabeverfahren. Die bloße Wahl eines Partners für ein partnerschaftliches Unternehmen im Vorfeld des Konzessionsvergabeverfahrens darf nicht zu einer Beeinflussung des Ergebnisses des Konzessionsvergabeverfahrens führen. Einem solchen Vorgehen der Gemeinde stehen schon die Anforderungen an das Konzessionsverfahren aus § 46 EnWG sowie den ergänzend geltenden rechtlichen Vorgaben, wie sie vorstehend dargestellt wurden, entgegen. 3. Zusammenfassung besondere Verfahrensregeln Will die Gemeinde eine Partnerlösung realisieren, so hat sie dies getrennt von der Konzessionsvergabe zu tun. Eine Vermischung von „Partnerwahl“ und Konzessionsvergabe verbietet sich. Mit Blick auf die Frage, ob zur Wahl eines Partners ein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt werden muss, ist auf den Vergabegegenstand abzustellen. Will die Gemeinde einen Partner im Rahmen einer schuldrechtlichen Kooperation oder gesellschaftsrechtlichen Beteiligung gezielt mit Dienstleistungen beauftragen, so handelt es sich hierbei um einen vergabepflichtigen Vorgang. Diese Partnerlösung muss in einem getrennten förmlichen Vergabeverfahren ausgeschrieben und vergeben werden.
V. Zusammenfassung (Re)Kommunalisierungsmodelle Zur Realisierung einer (Re)Kommunalisierung stehen den Gemeinden verschiedene Modelle zur Verfügung, je nach dem, ob die Gemeinde alleine (Stand-Alone-Lösung) oder mit einem bzw. mehreren Partnern (Partner lösung) (re)kommunalisieren will. Dabei sind einige Modelle jedoch rechtlich unzulässig, andere wiederum sind wenig geeignet, um die mit der (Re)Kommunalisierung verbundenen Ziele umzusetzen. Bei der Wahl des 637 Michaels/Kohler,
NZBau 2013, 282 (283).
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§ 8 (Re)Kommunalisierungsmodelle und ihre rechtliche Umsetzung
(Re)Kommunalisierungsmodells ist dies von den Gemeinden zu beachten und sind vorschnelle Entscheidungen zu vermeiden. Im Rahmen der Umsetzung der Modelle sind insbesondere mit Blick auf die Organisation des Modells rechtliche Vorgaben aus dem Gesellschafts-, Kommunal- und Energierecht zu beachten. Entscheidet sich die Gemeinde zur Realisierung einer Partnerlösung, so sind zusätzlich ggf. kartellrechtliche Vorgaben der Fusionskontrolle zu berücksichtigen. Auch im Rahmen der Verfahrensgestaltung von Partnerwahl und Konzessionsvergabe sind Besonderheiten zu beachten. Eine Vermengung beider Verfahren verbietet sich. Dies gilt auch für die in der Praxis gelegentlich vorzufindenden Vereinbarungen über Garantie- oder Mindestrenditen. Somit stellt die Umsetzung der (Re)Kommunalisierung und die Wahl des hierfür geeigneten Modells eine nicht zu unterschätzende rechtliche Herausforderung dar.
§ 9 Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse Durch den Umstand, dass bis zum Jahr 2016 nahezu alle Konzessionsverträge in Deutschland auslaufen werden, bietet sich vielen Gemeinden die Möglichkeit, die Netze zu (re)kommunalisieren und hierdurch politischen Einfluss auf die Elektrizitätsverteilung (wieder)zugewinnen. Diese Möglichkeit führt derzeit zu einer breiten (Re)Kommunalisierungseuphorie, die oftmals jedoch die Risiken und Hürden eines solchen Vorhabens ausblendet. Die Zulässigkeit und die Befugnis der Gemeinden zur (Re)Kommunalisierung sowie ihre rechtliche Umsetzung wurden vorstehend dargestellt. Nachfolgend werden die wichtigsten Untersuchungsergebnisse in Schlussthesen zusammengefasst: (1) Die vorstehenden Untersuchungen haben gezeigt, dass die Gemeinden keine geborenen Energieverteiler oder Verteilernetzbetreiber sind [§ 6]. Die Energieversorgung ist durch den europäischen Liberalisierungsprozess dem Wettbewerb geöffnet worden [§ 6 I.2.]. In der Energieverteilung sind dabei (historisch gewachsen) sowohl Gemeinden, als auch private und gemischt-wirtschaftliche Unternehmen tätig [§ 5 II.2. und § 6 II.9.c)dd)]. Etwaige Versuche aus dem Europarecht, Grundgesetz oder einfachen Recht eine Vormachtstellung der Gemeinden für die Energieverteilung abzuleiten, schlagen fehl [§ 6]. (2) Die (Re)Kommunalisierung ist nur im Rahmen des Art. 28 Abs. 2 GG i. V. m. dem konkretisierenden gesetzlichen Rahmen zulässig [§ 6 II.9.]. Die Zuständigkeit der Gemeinden für die Energieverteilernetze als örtliche Angelegenheit folgt aus der Belegenheit der Netze im kommunalen Gebiet und ihrem Zuschnitt auf dieses Gebiet [§ 6 II.9.c)gg)(3)]. Andere Argumenta tionslinien für die Befugnis der Gemeinden zur Elektrizitätsverteilung tragen nicht [§ 6 II.9.c)]. Allerdings ist auch die Zuordnung der Energieverteilung zur gemeindlichen Befugnis aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht mehr unumstößlich, da der europäische Liberalisierungsprozess auch die lokale Energieverteilung zu einer Angelegenheit gemacht hat, die weit über die kommunalen Grenzen hinaus geht und europäische Bedeutung hat [§ 6 II.9.c)gg)(3)]. (3) Die (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze stellt eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden als spezielle Form des Verwaltungshandelns dar [§ 6 II.9.b)]. Insbesondere die Vorgaben aus dem Gemeindewirtschaftsrecht der Gemeindeordnungen der Länder sind zu beachten [§ 6 IV.]. Aus
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§ 9 Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse
den kommunalrechtlichen Vorgaben sind z. T. erhebliche Bedenken in Bezug auf die Zulässigkeit der (Re)Kommunalisierung, jedenfalls aber gesetzliche Grenzen dieser zu entnehmen [§ 6 IV.2.]. (4) Nur wenn die Gemeinde mit der (Re)Kommunalisierung einen öffentlichen Zweck verfolgt, der in jedem Fall (auch bei entgegenstehender gemeinderechtlicher Regelung) dargelegt und durch diese geprüft werden muss, ist die (Re)Kommunalisierung zulässig [§ 6 IV.2.b)aa)]. Die von vielen Gemeinden mit der (Re)Kommunalisierung verfolgten Gewinnerzielungsabsichten bzw. das Ziel der Sanierung des kommunalen Haushaltes durch die Einnahmen aus dem Netzbetrieb, stellen keinen solchen öffentlichen Zweck dar [§ 6 IV.2.b)aa)(2)]. Ein hierauf gestütztes (Re)Kommunalisierungsvorhaben ist wegen der grundgesetzlichen sowie kommunalrechtlichen Vorgaben unzulässig [§ 6 IV.2.b)aa)(2)]. (5) Des Weiteren hat die Gemeinde (je nach Regelung in den Ländern) darzulegen, dass sie die Energieverteilung ebenso gut oder besser als ein privater Energieverteiler durchführen kann [Subsidiaritätsprinzip, § 6 IV.2.b) bb)]. Hierzu enthalten die Gemeindeordnungen unterschiedlich strenge Anforderungen, die in jedem Einzelfall von den Gemeinden und ggf. den kommunalen Aufsichtsbehörden genau zu prüfen sind [§ 6 IV.2.b)bb)]. Auch diese Subsidiaritätsanforderungen stellen (in den Ländern, in denen eine solche Regelung vorgesehen ist) eine Hürde für die (Re)Kommunalisierung dar. (6) Das Örtlichkeitsprinzip begrenzt außerdem die Betätigung der Gemeinden in der Energieverteilung grundsätzlich auf ihr eigenes, territoriales Gemeindegebiet [§ 6 IV.2.b)cc)]. Etwaige (Re)Kommunalisierungsbestrebungen haben sich daher auf das Gemeindegebiet der jeweiligen Gemeinde zu beschränken [§ 6 IV.2.b)cc)(2)]. Ausnahmen hiervon stellen lediglich gemeindliche Kooperationen dar. Anders lautende Öffnungsklauseln in den Gemeindeordnungen, die die Erweiterung des Aktionsradius gemeindlicher wirtschaftlicher Aktivität grundsätzlich vorsehen, sind wegen Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 2 GG sowie Verstoßes gegen das Demokratieprinzip verfassungswidrig und entsprechend der vorstehenden Ausführungen verfassungskonform auszulegen [§ 6 IV.2.b)cc)(2)]. (7) Insbesondere die in den Gemeindeordnungen für die Zulässigkeit gemeindlicher wirtschaftlicher Aktivität geregelte Voraussetzung der Leistungsfähigkeit der Gemeinde wird bei korrekter Anwendung vielen (Re)Kommunalisierungsvorhaben entgegenstehen [§ 6 IV.2.b)dd)]. Dieses Kriterium, dass in der Praxis vielfach ignoriert wird, gibt der Gemeinde eine Prüfung ihrer finanziellen und personellen Leistungsfähigkeit auf [§ 6 IV.2.b)dd)]. Nur wenn die Gemeinde die Leistungsfähigkeit aufweist, um ihre Pflichtaufgaben und die von ihr bereits freiwillig übernommenen Auf-
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gaben sowie die Energieverteilung vor Ort ordnungsgemäß zu erfüllen, ist eine (Re)Kommunalisierung zulässig [§ 6 IV.2.b)dd)]. Bei den derzeit hohen kommunalen Haushaltsverschuldungen sind bzgl. der Leistungsfähigkeit der Gemeinden für die sehr kostenintensive Übernahme der Netze, in deren Erhaltung und Verbesserung in den nächsten Jahren umfassend investiert werden muss, erhebliche Zweifel anzumelden [§ 6 IV.2.b)dd)]. (8) An rechtlichen Maßstäben gemessen, scheitert die (Re)Kommunalisierung der Elektrizitätsverteilung daher oftmals schon an der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens [§ 6 V.]. (9) Ist das (Re)Kommunalisierungsvorhaben einer Gemeinde indes nach Prüfung der vorstehenden Voraussetzungen zulässig, so steht der Prozess der Rückführung der Netze in kommunale Hand erst am Anfang [§ 7]. Um die Elektrizitätsverteilung zu übernehmen, muss die Gemeinde bzw. das (re)kommunalisierte Unternehmen im Verfahren um die Konzessionsvergabe nach § 46 EnWG obsiegen [§ 7 II.]. (10) Im Rahmen der Konzessionsvergabe sind die Gemeinden dabei zunächst zu einer umfänglichen Netzdatenherausgabe an alle Interessenten im Vorfeld des Vergabeverfahrens verpflichtet [§ 7 II.3.c)]. Die hierfür notwendigen Netzdaten hat der alte Netzbetreiber den Gemeinden nach § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG zur Verfügung zu stellen [§ 7 II.3.c)]. Unterlässt er dies und fordert die Gemeinde die Daten nicht ein, so steht den Interessenten gegen die Gemeinde ein Anspruch auf Datenherausgabe aus Art. 12 GG zu [§ 7 II.3.c)ee)(1)(d)]. Beim Vorliegen eines Verstoßes gegen § 19 GWB n. F. (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) können die Interessenten außerdem ein Einschreiten der Kartellbehörde und Herausgabe der Netzdaten bewirken [§ 7 II.3.c)ee)(1)(c)]. Gegen den Altkonzessionär steht den Interessenten ein entsprechender Anspruch aus § 21 Abs. 2 GWB i. V. m. § 33 GWB zu [§ 7 II.3.c)ee)(2)(d)]. Aus §§ 30, 65 EnWG kann ein Anspruch auf Einschreiten der zuständigen Regulierungsbehörde gegen den Altkonzessionär folgen [§ 7 II.3.c)ee)(2)(b) und § 7 II.3.c)ee)(2)(c)]. Um Rechtsklarheit in dieser Frage zu schaffen, sollte im EnWG ein Anspruch der Interessenten auf Datenherausgabe normiert werden. (11) Das Konzessionsvergabeverfahren ist in § 46 EnWG rudimentär und nicht abschließend geregelt [§ 7 II.3.a)]. Zusätzlich zu den in § 46 EnWG angelegten Verfahrensregelungen sind aus den übrigen Regelungen des EnWG, dem GWB, dem GG und den europäischen Bestimmungen zur Dienstleistungskonzession Vorgaben für die Durchführung des Verfahrens zu entnehmen [§ 7 II.3.e)]. Die im April 2014 in Kraft getretene Richtlinie über die Konzessionsvergabe findet auf die Vergabe der Stromkonzessionen nach § 46 Abs. 2 EnWG dabei keine Anwendung, so dass auch im Rahmen der Umsetzung dieser Richtlinie durch die Bundesrepublik Deutschland
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§ 9 Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse
nicht mit einer Veränderung des derzeit geltenden gesetzlichen Rahmens zu rechnen ist. (12) Das Konzessionsvergabeverfahren darf dabei von den Gemeinden nicht zur Förderung ihres eigenen (Re)Kommunalisierungsvorhabens modifiziert werden [§ 7 II.3.e)cc)(1)(b) und § 7 II.3.f)]. Insbesondere kann keine Direktvergabe im Sinne einer In-house-Vergabe an das (re)kommunalisierte Unternehmen erfolgen [§ 7 II.3.e)cc)(1)(b)]. Eine Sonderbehandlung der Gemeinde oder des gemeindlichen Unternehmens in der Konzessionsvergabe durch modifizierte Verfahrensregeln verbietet sich [§ 7 II.3.f)]. (13) Die im Rahmen der Konzessionsvergabeentscheidung zulässigen Entscheidungs- und Auswahlkriterien sind aus § 46 Abs. 3 S. 5 i. V. m. § 1 Abs. 1 EnWG zu ermitteln [§ 7 II.4.b)]. Aus den in § 1 Abs. 1 EnWG geregelten Zwecken des EnWG können die Gemeinden Unterkriterien bilden. Dabei müssen die aus § 1 Abs. 1 EnWG ermittelten Kriterien netz- bzw. konzessionsvertragsspezifisch sein [§ 7 II.4.b)aa)]. Auch außerhalb des § 1 Abs. 1 EnWG liegende Kriterien können berücksichtigt werden, wenn sie eben diesen Bezug zum Netz und / oder dem Konzessionsvertrag aufweisen und nicht gegen gesetzliche Bestimmungen (insbesondere die Entflechtungsvorgaben aus §§ 6 ff. EnWG) zum Netzbetrieb verstoßen [§ 7 II.4.c) aa)]. In der Regel ist dies jedoch nicht notwendig, da § 1 Abs. 1 EnWG insoweit hinreichenden Spielraum für Auswahl- und Entscheidungskriterien bietet. (14) Die Gemeinde kann eine Gewichtung der Kriterien vornehmen [§ 7 II.5.]. Diese und die Kriterien selbst sind vor der Durchführung des Konzessionsverfahrens öffentlich bekannt zu machen [§ 7 II.5.]. (15) Für die Durchführung der und Entscheidung über die Konzessionsvergabe bestimmt § 46 EnWG die Gemeinden als verfahrensdurchführende und -entscheidende Stelle [§ 7 II.6.]. Ist die Gemeinde durch ein eigenes (Re)Kommunalisierungsvorhaben selbst als Teilnehmer am Konzessionsvergabeverfahren beteiligt, darf sie – entgegen der derzeitigen Regelung in § 46 EnWG – nicht auch die das Verfahren leitende und entscheidende Stelle sein. Hiergegen spricht die von ihr selbst getroffene Entscheidung, sich einem diskriminierungsfreien, gleichbehandelnden und transparenten Verfahren als Verfahrensteilnehmer zu unterstellen [§ 7 II.6.]. Wegen der Sorge der Befangenheit und der vorstehend dargelegten Verfahrensgrundsätze sollte statt der Gemeinde im vorbeschriebenen Falle (und nur dann) die BNetzA oder zuständige Landesregulierungsbehörde Herrin des Verfahrens werden [§ 7 II.6.]. Will die Gemeinde sich nicht als Teilnehmer im Konzessionsverfahren betätigen, so gebietet Art. 28 Abs. 2 GG, dass ihr die Entscheidung über die Vergabe der Konzession im Gemeindegebiet erhalten bleibt [§ 7 II.6.].
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(16) Ist das Konzessionsvergabeverfahren durchgeführt und anhand der vorab bekanntgemachten Kriterien eine Entscheidung über den neuen Konzessionsnehmer getroffen, so bestimmt § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. eine Pflicht des Altkonzessionärs zur Übereignung des Netzes und der Netzanlagen an den Neukonzessionär. Dieser Übereignungsanspruch nach § 46 Abs. 2 EnWG ist wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG und das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig [§ 7 III.1. und § 7 III.2.]. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 46 Abs. 2 EnWG kann jedoch einen vorübergehenden Ausweg bieten [§ 7 III.1.d)]. Hierzu kann auf die Regelung des § 46 Abs. 2 EnWG abgestellt werden, wonach die Nichtverlängerung des Konzessionsvertrages erst zu einer Übereignungspflicht des Altkonzessionärs führt. Eine Übereignungspflicht besteht daher dann nicht, wenn der Vertrag verlängert wird. Eine solche Verlängerungsoption könnte in konzessionsvertragliche Endschaftsbestimmungen zur Frage des Übergangs der Netzanlagen i. V. m. einem Eintrittsrechts des Altkonzessionärs in den mit einem Dritten geschlossenen Konzessionsvertrag (in Anlehnung an § 31 i. V. m. § 2 Nr. 6 ErbbauRG) hineingelesen werden [§ 7 III.1.d)]. Hierzu bedarf es einer konzessionsvertraglichen Regelung, die keine Übereignung der Netzanlagen, sondern den Erhalt des Netzeigentums beim Altkonzessionär vorsieht [§ 7 III.1.d)]. Optimal wäre indes die gesetzliche Regelung eines solchen Eintrittsrechts für den Altkonzessionär unter den mit einem Dritten getroffenen Bedingungen oder aber die Aufnahme einer Übergangsregelung. (17) Kommt es zu einer Übertragung des Netzes an den Neukonzessionär, so hat dieser dem Altkonzessionär eine wirtschaftlich angemessene Vergütung gem. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG zu zahlen. Die Berechnung dieser Vergütung hat grundsätzlich anhand des Ertragswertverfahrens zu erfolgen [§ 7 IV.2.]. Nur wenn diese Vergütung zu einer vollständigen Aushöhlung des Eigentums am Netz führt, muss aus verfassungsrechtlichen Gründen eine über den Ertragswert hinausgehende Vergütung ermittelt werden [§ 7 IV.3.]. Der zweite und dritte Teil der Kaufering-Formel, wonach ein nach Maßstäben wirtschaftlicher Vernunft Handelnder das Netz erwerben würde und keine prohibitive Wirkung von der Vergütung der Netzanlagen ausgehen darf, haben trotz der Novellierung des EnWG im Jahre 2011 und der Änderung des § 46 EnWG nach wie vor Geltung [§ 7 IV.4.]. Die Regelung des § 46 EnWG sollte trotz der Novelle im Jahre 2011 neu gefasst werden. Das Ertragswertverfahren sollte dabei als Regelberechnungsverfahren festgeschrieben werden. Zusätzlich sollte eine Ausnahmeregelung für die Fälle geschaffen werden, in denen das Ertragswertverfahren zu einer vollständigen Aushöhlung des Eigentumsschutzes am Netz führt. Hierzu könnte eine Entschädigungsnorm, die Möglichkeit der Mehrfachabschreibung des Netzes oder aber eine schuldrechtliche Überlassungspflicht geregelt werden [§ 7 IV.5.]. Zusätzlich dazu sollte eine Überprüfung der Angemessenheit der Vergütung durch eine
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sachverständige Stelle (etwa die BNetzA) nach dem Vorbild des § 327c Abs. 2 S. 1 AktG gesetzlich vorgesehen werden [§ 7 IV.5.b)]. (18) Hinsichtlich der Dauer des Konzessionsvertrages sieht § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG eine Maximallaufzeit von 20 Jahren vor. Auch dies stellt eine verfassungswidrige Regelung dar, da sie unverhältnismäßig, weil nicht erforderlich ist [§ 7 V.]. Es sind andere mildere, gleich geeignete Mittel zur Erreichung des Wettbewerbs vorhanden. Zum einen wäre eine eine vertragliche Einigung der Parteien über die Vertragslaufzeit und die Aufnahme gesetzlicher Kündigungsrechte denkbar [§ 7 V.]. Auch eine Heimfallregelung entsprechend der §§ 2, 32 ErbbauRG könnte stattdessen in das EnWG aufgenommen werden [§ 7 V.]. Es besteht daher keine Erforderlichkeit für eine gesetzliche Festlegung der Laufzeit des Konzessionsvertrages. (19) Für die Umsetzung der (Re)Kommunalisierung bieten sich verschiedene Modelle an [§ 8 I.]. Dabei ist zwischen solchen Modellen zu unterscheiden, in denen die Gemeinde alleine das Netz (re)kommunalisiert [Stand-Alone-Lösung, § 8 I.1.] und solchen, bei denen die Gemeinde mit einem oder mehreren Partnern die (Re)Kommunalisierung umsetzen will [Partnerlösung, § 8 I.2.]. Diese Modelle unterliegen bei ihrer Umsetzung in eine Organisationsform, wie etwa die GmbH, neben gesellschaftsrechtlichen auch kommunalrechtlichen Vorgaben, die insbesondere die Struktur der Gesellschaft sowie die Einflussrechte der Gemeinde betreffen [§ 8 II.]. Als Organisationsform eignen sich für die (Re)Kommunalisierung dabei die Anstalt des öffentlichen Rechts, die GmbH, die GmbH & Co. KG sowie die Genossenschaft [§ 8 II.2.a)]. (20) Zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben aus dem Gesellschafts- und Kommunalrecht [§ 8 II.2.] ist vor allem das Energierecht im Rahmen der (Re)Kommunalisierungsmodelle zu beachten [§ 8 II.3.], und hierbei insbesondere die Entflechtungsbestimmungen nach §§ 6 ff. EnWG [§ 8 II.3.a)] sowie die Regelungen zur Anreizregulierung und den Erlösobergrenzen [§ 8 II.3.b)]. Die im Rahmen der Entflechtungsbestimmungen im deutschen Recht vorgesehene De-minimis-Regelung sollte zur Ermöglichung von effektivem Wettbewerb in der Energieversorgung abgeschafft oder zumindest deutlich abgesenkt (von derzeit 100.000 etwa auf 30.000 angeschlossene Kunden) werden [§ 8 II.3.a)cc)]). Denn derzeit führt die Geltung der Deminimis-Regelung dazu, dass nur etwa 10 % der Verteilernetzbetreiber vollständig entflechten müssen [§ 8 II.3.a)cc)]. Die als Ausnahme vorgesehene Regelung verkehrt sich in Deutschland daher im Moment zur Regel [§ 8 II.3.a)cc)]. Hier ist gesetzliche Abhilfe zu schaffen. (21) In einer Gesamtbetrachtung der gesetzlichen Bestimmungen, die es bei der Umsetzung der (Re)Kommunalisierung zu beachten gilt, erweisen sich einige Modelle als nicht tragfähig [§ 8 II.3.c)]. So ist etwa die Koope-
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ration durch Pacht- und Dienstleistungsvertrag zukünftig wirtschaftlich ungeeignet für den Netzbetrieb, da die Kosten für Mitarbeiter außerhalb der Netzgesellschaft nicht mehr bei der Anreizregulierung berücksichtigt werden können [§ 8 II.3.c)gg)]. Auch kann ein Muttermodell nicht zwecks Realisierung der (Re)Kommunalisierung gewählt werden, weil dies gegen die Entflechtungsbestimmungen der §§ 6 ff. EnWG verstößt [§ 8 II.3.c)cc)]. (22) Betrachtet man zusätzlich die Ziele, die von den Gemeinden mit der (Re)Kommunalisierung verfolgt werden (etwa Dezentralisierung, Erhöhung des Gemeinwohlertrags, politische Einflussnahme, sozialpolitische Ziele), so ist bei konsequenter Anwendung dieser Ziele von den untersuchten Modellen für die (Re)Kommunalisierung nur eine Stand-Alone-Lösung durch Neugründung oder Erweiterung in Form eines Holding- oder Tochtermodells denkbar [§ 8 II.5.]. Hierbei stellen insbesondere die Anstalt des öffentlichen Rechts und die GmbH eine geeignete Organisationsform dar [§ 8 II.5.]. Des Weiteren bildet eine Partnerlösung durch Einbezug einer oder mehrerer anderer Gemeinden (etwa im Rahmen einer gemeinsamen Neugründung oder gesellschaftsrechtlichen Beteiligung) eine zielkonforme (Re)Kommunalisierungsumsetzung [§ 8 II.5.]. Hierfür eignen sich besonders die GmbH, die GmbH & Co. KG und die Genossenschaft [§ 8 II.5.]. Außerdem kann in Anbetracht der Ziele der (Re)Kommunalisierung eine Partnerlösung durch Einbezug der Bürger der Gemeinde im Rahmen einer Netzkauf- und / oder Netzgenossenschaft gewählt werden [§ 8 II.5.]. Dabei ist auch eine Mischung aus Einbezug anderer Gemeinden und der Bürger der Stammgemeinde denkbar [§ 8 II.5.]. Hingegen sind Partnerlösungen mit privaten Partnern gemessen an den Zielen der (Re)Kommunalisierung, wie sie von den Gemeinden vorgetragen werden, nicht tragfähig [§ 8 II.5.]. Eine politisch tragfähige und rechtlich zulässige (Re)Kommunalisierung sollte daher in einem der vorgenannten drei zielkonformen (Re)Kommunalisierungsmodellen erfolgen [§ 8 II.5.]. (23) Wird von den Gemeinden eine Partnerlösung zur Realisierung der (Re)Kommunalisierung gewählt, so ist zu beachten, dass ggf. eine kartellrechtliche Kontrolle erfolgen könnte [§ 8 II.4.]. Außerdem muss beachtet werden, dass ggf. das förmliche GWB-Vergaberecht Anwendung auf die Suche nach einem geeigneten Partner sowie der Gestaltung der Verfahren finden kann [§ 8 IV.]. Die Wahl des Partners hat dabei verfahrensrechtlich getrennt von dem Konzessionsvergabeverfahren zu erfolgen, um etwaige Verfahrensfehler zu vermeiden [§ 8 IV.]. Die in der Praxis vorzufindenden Garantie- oder Mindestrenditen sind unzulässig [§ 8 III.] und sollten von den Gemeinde nicht im Rahmen einer Partnerlösung eingefordert werden. Abschließend ist zur (Re)Kommunalisierung der Verteilernetze festzuhalten, dass diese zahlreichen rechtlichen, zu beachtenden Hürden und Grenzen
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§ 9 Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse
unterliegt und oftmals unzulässig sein wird. Die derzeit feststellbare (Re)Kommunalisierungseuphorie kann in Anbetracht der finanziellen Lage der Gemeinden nicht nachvollzogen werden. Argumente, die als Gründe oder Ziele der (Re)Kommunalisierung vorgebracht werden, erweisen sich teilweise als nicht tragfähig. Es ist mit großem Bedenken zu beobachten, wie die Konzessionsvergabe derzeit in Deutschland erfolgt und welche Möglichkeiten Gemeinden sich im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens nehmen. Dass das EnWG in einem wirtschaftlich so wichtigen Bereich derart viele rechtliche Fragen offen lässt, ist in Anbetracht der hohen Bedeutung der Energieversorgung mit Sorge zu betrachten. Diesbezüglich hat auch die EnWG-Novelle im Jahre 2011 nur punktuell Abhilfe geschaffen. Wenn man die Ziele der (Re)Kommunalisierung effektiv umsetzen und daneben insbesondere die Idee verfolgen will, den Wettbewerb auf den dem Netz vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen (Erzeugung und Vertrieb) zu intensivieren, so ist anstelle der punktuellen (Re)Kommunalisierung in der ein oder anderen Gemeinde eine komplette Verstaatlichung der Energienetze denkbar (wenn auch nur schwerlich realisierbar). Eine damit verfolgte „Neutralisierung“ der Netze zum Wohle eines effektiveren Wettbewerbs in der Erzeugung und dem Vertrieb wäre ein sinnvolles Anliegen. Dies würde aber konsequenterweise auch bedeuten, dass sich der Staat und die Gemeinden auf die Netze konzentrieren und die Erzeugung und den Vertrieb den privaten Akteuren überlassen müssten. Dies ist derzeit aber nicht erkennbar. Vielmehr erscheint es so, als wollten die Gemeinden in den Energiemarkt insgesamt involviert sein und auch an der Energieversorgung insgesamt verdienen. In der derzeit diskutierten Form, in der die Gemeinden sowohl das Netz in die öffentliche Hand überführen als auch die Erzeugung und den Vertrieb von Elektrizität betreiben, entsteht gerade nicht mehr Wettbewerb, sondern ein gemeindliches integriertes (monopolistisches) Energieversorgungsunternehmen. Gerade die Monopolisierung sollte aber durch den europäischen Liberalisierungsprozess aufgebrochen werden. Diese Monopolisierung wird nicht dadurch positiv oder gar aufgewertet, dass sie statt in privater dank (Re)Kommunalisierung nunmehr in öffentlicher Hand erfolgt. Dieses Vorgehen widerspricht vielmehr den europäischen und nationalen Bemühungen um die Liberalisierung der Energieversorgung und Schaffung von mehr Wettbewerb. In der derzeitigen Situation und der feststellbaren (Re)Kommunalisierungseuphorie wird diese Machtkonzentration in den Händen der Gemeinden als Gefahr oftmals nicht gesehen. Es ist daher eindringlich davor zu warnen, die Errungenschaften der Liberalisierung der Energieversorgung und Schaffung von Wettbewerb im Energiesektor leichtfertig durch übereifrige (Re)Kommunalisierungsbestrebungen aufzugeben.
Anlagen
Anlage 1 Übersicht zu den relevanten Regelungen der Gemeindeordnungen zum öffentlichen Zweck Gemeindeordnung
Norm
Text
GemO SchleswigHolstein
§ 101 Abs. 1 Nr. 1
Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn 1. ein öffentlicher Zweck, dessen Erfüllung im Vordergrund der Unternehmung stehen muss, das Unternehmen rechtfertigt
§ 101 Abs. 2 S. 1
Die wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen Gebietskörperschaften gewahrt sind.
§ 101 Abs. 3 S 1
Die wirtschaftliche Betätigung außerhalb Schleswig-Holsteins ist unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zulässig, wenn berechtigte Interessen des Bundes oder des Landes SchleswigHolstein nicht entgegenstehen.
§ 107 S. 1
Wirtschaftliche Unternehmen sind so zu führen, dass der öffentliche Zweck erfüllt wird.
§ 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Sie dürfen Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn und soweit 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt
§ 149 Abs. 1
Unternehmen sollen einen Ertrag für den Haushalt der Kommunen erwirtschaften, soweit dies mit ihrer Aufgabe der Erfüllung des öffentlichen Zwecks in Einklang zu bringen ist.
KV Niedersachsen
(Fortsetzung nächste Seite)
588 Anlagen (Fortsetzung Anlage 1)
Gemeindeordnung
Norm
Text
KV Mecklenburg-Vorpommern
§ 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Unternehmen sind nur zulässig wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt
§ 68 Abs. 2 S. 2
Tätigkeiten, mit denen die Gemeinde an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben ganz überwiegend mit dem Ziel der Gewinnerzielung teilnimmt, entsprechen keinem öffentlichen Zweck.
§ 68 Abs. 2 S. 3
§ 75 Abs. 1 S. 1 und 2
KVG SachsenAnhalt
§ 128 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
§ 128 Abs. 1 S. 2
Die wirtschaftliche Betätigung in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung dient auch bei Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets einem öffentlichen Zweck. Die Unternehmen und Einrichtungen sind so zu führen, dass der öffentliche Zweck erfüllt wird. Unternehmen sollen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dadurch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks nicht beeinträchtigt wird. Die Gemeinde darf sich in Angele genheiten der örtlichen Gemeinschaft auch außerhalb ihrer öffentlichen Verwaltung in den Rechtsformen des Eigenbetriebes, der Anstalt des öffentlichen Rechts oder in einer Rechtsform des Privatrechts wirtschaftlich betätigen, wenn 1. ein öffentlicher Zweck die Betätigung rechtfertigt Alle Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnimmt, um ausschließlich Gewinn zu erzielen, entsprechen keinem öffentlichen Zweck.
Anlagen589 Gemeindeordnung
KV Brandenburg
Norm
Text
§ 128 Abs. 2
Betätigungen in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung, der Wasserversorgung, Abfallentsorgung, Ab wasserbeseitigung, Wohnungswirtschaft und des öffentlichen Verkehrs dienen einem öffentlichen Zweck und sind unter der Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 zulässig. Dienstleistungen, die mit den in Satz 1 genannten Bereichen verbunden sind, sind zulässig, wenn ihnen im Vergleich zum Hauptzweck eine untergeordnete Bedeutung zukommt und wenn der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann.
§ 128 Abs. 3
Die wirtschaftliche Betätigung in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung außerhalb des Gemeindegebietes dient einem öffentlichen Zweck und ist zulässig, wenn sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht, die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 vorliegt und die berechtigten Interessen der betroffenen Gemeinde gewahrt sind. Absatz 2 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. Bei Aufgaben, die im Wettbewerb wahrgenommen werden, gelten Interessen nur soweit als berechtigt, als der jeweilige Ordnungsrahmen eine Einschränkung des Wettbewerbs zulässt. Die betroffene Gemeinde ist so rechtzeitig vor der Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit in ihrem Gemeindegebiet zu informieren, dass sie ihre berechtigten Interessen geltend machen kann.
§ 91 Abs. 2 Nr. 1
Die Gemeinde darf sich zur Erledigung von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft wirtschaftlich betätigen, wenn 1. der öffentliche Zweck dies recht fertigt, wobei die Gewinnerzielung allein keinen ausreichenden öffentlichen Zweck darstellt (Fortsetzung nächste Seite)
590 Anlagen (Fortsetzung Anlage 1)
Gemeindeordnung
GemO Sachsen
KomO Thüringen
GemO Hessen
Norm
Text
§ 92 Abs. 4
Soweit die Erfüllung des öffentlichen Zwecks nicht beeinträchtigt wird und andere gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen, soll ein Jahresgewinn erwirtschaftet werden, der mindestens einer marktüblichen Verzinsung des Eigenkapitals entspricht.
§ 94a Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Die Gemeinde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben ein wirtschaftliches Unternehmen ungeachtet der Rechtsform nur errichten, übernehmen, unterhalten, wesentlich verändern oder sich daran unmittelbar oder mittelbar beteiligen, wenn 1. der öffentliche Zweck dies rechtfertigt,
§ 94a Abs. 4
Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde sind so zu führen, dass der öffentliche Zweck erfüllt wird; sie sollen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dadurch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks nicht beeinträchtigt wird.
§ 71 Abs. 2 Nr. 1
Ungeachtet des mit ihnen verfolgten öffentlichen Zwecks darf die Gemeinde Unternehmen nur gründen, übernehmen oder erweitern, wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt
§ 71 Abs. 5 S. 1
Die Gemeinde darf mit ihren Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets nur tätig werden, wenn dafür die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind.
§ 121 Abs. 1 Nr. 1
Die Gemeinde darf sich wirtschaftlich betätigen, wenn 1. der öffentliche Zweck die Betätigung rechtfertigt
Anlagen591 Gemeindeordnung
GemO NordrheinWestfalen
GemO RheinlandPfalz
Norm
Text
§ 121 Abs. 5 Nr. 1
Die Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes ist zulässig, wenn 1. bei wirtschaftlicher Betätigung die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen und
§ 121 Abs. 8 S. 1
Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde sind so zu führen, dass sie einen Überschuss für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dies mit der Erfüllung des öffentlichen Zwecks in Einklang zu bringen ist.
§ 107 Abs. 1 Nr. 1
Die Gemeinde darf sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben wirtschaftlich betätigen, wenn 1. ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert,
§ 107a Abs. 1
Die wirtschaftliche Betätigung in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung dient einem öffentlichen Zweck und ist zulässig, wenn sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht.
§ 109 Abs. 1
Die Unternehmen und Einrichtungen sind so zu führen, zu steuern und zu kontrollieren, daß der öffentliche Zweck nachhaltig erfüllt wird. Unternehmen sollen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dadurch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks nicht beeinträchtigt wird.
§ 85 Abs. 1 Nr. 1
Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt (Fortsetzung nächste Seite)
592 Anlagen (Fortsetzung Anlage 1)
Gemeindeordnung
KVG Saarland
Norm
Text
§ 85 Abs. 2
Die Betätigung eines wirtschaftlichen Unternehmens der Gemeinde außerhalb des Gemeindegebiets ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen aller hiervon unmittelbar betroffenen Gemeinden gewahrt sind.
§ 85 Abs. 3
Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde sind so zu führen, daß der öffentliche Zweck erfüllt wird; sie sollen einen Überschuß für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dies mit der Erfüllung des öffentlichen Zwecks in Einklang zu bringen ist. Die Erträge jedes Unternehmens sollen mindestens so hoch sein, daß 1. alle Aufwendungen und kalkulatorischen Kosten gedeckt werden, 2. die Zuführungen zum Eigenkapital (Rücklagen) ermöglicht werden, die zur Erhaltung des Vermögens des Unternehmens sowie zu seiner technischen und wirtschaftlichen Fortentwicklung notwendig sind, und 3. eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erzielt wird. Zu den Aufwendungen im Sinne des Satzes 2 Nr. 1 gehören auch die Steuern, die Konzessionsabgaben und die Zinsen für Fremdkapital. Lieferungen und Leistungen von anderen Unternehmen und Verwaltungszweigen der Gemeinde an das Unternehmen sowie Lieferungen und Leistungen des Unternehmens an andere Unternehmen und Verwaltungszweige der Gemeinde sind angemessen zu vergüten.
§ 108 Abs. 1 Nr. 1
Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform nur errichten, übernehmen, erweitern oder sich an solchen beteiligen, wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt
Anlagen593 Gemeindeordnung
GemO BadenWürttemberg
GemO Bayern
Norm
Text
§ 108 Abs. 3 S. 3
Alle Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnimmt, um ausschließlich Gewinn zu erzielen, entsprechen keinem öffentlichen Zweck.
§ 108 Abs. 4 Nr. 1
Die Gemeinde darf mit ihren Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets tätig werden, wenn 1. die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen
§ 102 Abs. 1 Nr. 1
Die Gemeinde darf ungeachtet der Rechtsform wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,
§ 102 Abs. 3
Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde sind so zu führen, dass der öffentliche Zweck erfüllt wird; sie sollen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen.
§ 102 Abs. 7 S. 1
Die Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets ist zulässig, wenn bei wirtschaftlicher Betätigung die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen Gemeinden gewahrt sind.
Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Die Gemeinde darf ein Unternehmen im Sinn von Art. 86 nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn 1. ein öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert, insbesondere wenn die Gemeinde mit ihm gesetzliche Verpflichtungen oder ihre Aufgaben gemäß Art. 83 Abs. 1 der Verfassung und Art. 57 dieses Gesetzes erfüllen will, (Fortsetzung nächste Seite)
594 Anlagen (Fortsetzung Anlage 1)
Gemeindeordnung
Norm
Text
Art. 87 Abs. 1 S. 2
Alle Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen, entsprechen keinem öffentlichen Zweck.
Art. 87 Abs. 2 S. 1
Die Gemeinde darf mit ihren Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets nur tätig werden, wenn dafür die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind.
Anlage 2 Übersicht zu den relevanten Regelungen der Gemeindeordnungen zur Subsidiarität Gemeindeordnung
Norm
Text
GemO SchleswigHolstein
§ 101 Abs.1 Nr. 3
Die Gemeinde darf wirtschaft- Einfache liche Unternehmen errichten, Subsidiaritätsübernehmen oder wesentlich klausel erweitern, wenn 3. der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erfüllt werden kann
KV Niedersachsen
§ 136 Abs. 1 Sie dürfen Unternehmen nur S. 2 Nr. 3 errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn und soweit 3. bei einem Tätigwerden außerhalb der Energieversorgung, der Wasserversorgung, des öffentlichen Personennahverkehrs sowie des Betriebes von Telekommunikationsleitungsnetzen einschließlich der Telefon-dienstleistungen der öffentliche Zweck nicht eben-
Art der Klausel
Qualifizierte Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen
Anlagen595 Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
so gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann. § 68 Abs. 1 KV Mecklenburg- Nr. 3 Vorpommern
KVG SachsenAnhalt
Unternehmen sind nur zulässig Einfache Subsidiaritäts wenn 3. die Gemeinde die Aufgabe klausel ebenso gut und wirtschaftlich wie Dritte erfüllen kann
§ 128 Abs. 1 Die Gemeinde darf sich in S. 1 Nr. 3 Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft auch außerhalb ihrer öffentlichen Verwaltung in den Rechtsformen des Eigenbetriebes, der Anstalt des öffentlichen Rechts oder in einer Rechtsform des Privatrechts wirtschaftlich betätigen, wenn 3. der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann
Einfache Subsidiaritäts klausel mit Ausnahme bereichen
§ 128 Abs. 2 Betätigungen in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung, der Wasserversorgung, Abfallentsorgung, Abwasserbeseitigung, Wohnungswirtschaft und des öffentlichen Verkehrs dienen einem öffentlichen Zweck und sind unter der Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 zulässig. Dienstleistungen, die mit den in Satz 1 genannten Bereichen verbunden sind, sind zulässig, wenn ihnen im Vergleich zum Hauptzweck eine untergeordnete Bedeutung zukommt und wenn der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann. (Fortsetzung nächste Seite)
596 Anlagen (Fortsetzung Anlage 2)
Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
KV Brandenburg
§ 91 Abs. 3
Die Gemeinde hat im Interesse einer sparsamen Haushaltsführung dafür zu sorgen, dass Leistungen, die von privaten Anbietern wirtschaftlicher erbracht werden können, diesen Anbietern übertragen werden. Dazu sind Angebote einzuholen oder Vergleichsberechnungen vorzunehmen, die der Gemeindevertretung oder in den Fällen des § 50 Absatz 2 dem Hauptausschuss vorzulegen sind. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Gemeindevertretung oder in den Fällen des § 50 Absatz 2 der Hauptausschuss eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde im öffentlichen Interesse für erforderlich hält; die Entscheidung ist zu begründen.
Subsidiaritätsklausel besonderer Art (reduzierte einfache Subsidiaritätsklausel mit Ausnahme bereichen)
GemO Sachsen
§ 94a Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Die Gemeinde darf zur Erfül- Einfache Subsidialung ihrer Aufgaben ein wirt- ritätsklausel schaftliches Unternehmen ungeachtet der Rechtsform nur errichten, übernehmen, unterhalten, wesentlich verändern oder sich daran unmittelbar oder mittelbar beteiligen, wenn 3. der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.
KomO Thüringen
§ 71 Abs. 2 Nr. 3
Ungeachtet des mit ihnen verfolgten öffentlichen Zwecks darf die Gemeinde Unternehmen nur gründen, übernehmen oder erweitern, wenn 3. die dem Unternehmen zu übertragenden Aufgaben für die Wahrnehmung außerhalb der allgemeinen Verwaltung geeignet sind,
Qualifizierte Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen
Anlagen597 Gemeindeordnung
GemO Hessen
Norm
Text
§ 71 Abs. 2 Nr. 4
4. der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Dies gilt nicht bei einem Tätigwerden im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge, insbesondere im Bereich der Strom-, Gasund Wärmeversorgung einschließlich einer Betätigung auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung erneuerbarer Energien sowie der Verteilung von hieraus gewonnener thermischer Energie; hiermit verbundene Dienstleistungen sind zulässig, wenn ihnen im Vergleich zum Hauptzweck eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Gegebenenfalls ist ein Markterkundungsverfahren unter Einbindung der betroffenen örtlichen Betriebe in Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie durchzuführen.
§ 71 Abs. 3
Unternehmen der Gemeinde dürfen keine wesentliche Schädigung und keine Aufsaugung selbständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie bewirken.
§ 121 Abs. 1 Die Gemeinde darf sich wirtNr. 3 schaftlich betätigen, wenn 3. der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann. § 121 Abs. 1a S. 1
Art der Klausel
Qualifizierte Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen
Abweichend von Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 und § 122 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 dürfen Gemeinden sich ausschließlich (Fortsetzung nächste Seite)
598 Anlagen (Fortsetzung Anlage 2)
Gemeindeordnung
Norm
Text auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung und des Vertriebs von Strom, Wärme und Gas aus erneuerbaren Energien sowie der Verteilung von elektrischer und thermischer Energie bis zum Hausanschluss wirtschaftlich betätigen, wenn die Betätigung innerhalb des Gemeindegebietes oder im regionalen Umfeld in den Formen interkommunaler Zusammenarbeit erfolgt. Die wirtschaft liche Beteiligung der Einwohner soll ermöglicht werden. Die wirtschaftliche Betätigung nach dieser Vorschrift ist in besonderer Weise dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu unterwerfen. Die wirtschaftlichen Ergebnisse dieser Betätigung sind einmal jährlich der Gemeindevertretung vorzulegen.
§ 121 Abs. 4 Ist eine Betätigung zulässig, sind verbundene Tätigkeiten, die üblicherweise im Wett bewerb zusammen mit der Haupttätigkeit erbracht werden, ebenfalls zulässig; mit der Ausführung dieser Tätigkeiten sollen private Dritte beauftragt werden, soweit das nicht unwirtschaftlich ist. § 121 Abs. 6 Vor der Entscheidung über die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung von wirtschaftlichen Unternehmen sowie über eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung ist die Gemeindevertretung auf der Grundlage einer Markter-
Art der Klausel
Anlagen599 Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
kundung umfassend über die Chancen und Risiken der beabsichtigten unternehmerischen Betätigung sowie über deren zu erwartende Auswirkungen auf das Handwerk und die mittelständische Wirtschaft zu unterrichten. Vor der Befassung in der Gemeindevertretung ist den örtlichen Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern sowie Verbänden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, soweit ihr Geschäftsbereich betroffen ist. Die Stellungnahmen sind der Gemeindevertretung zur Kenntnis zu geben. § 121 Abs. 7 Die Gemeinden haben mindestens einmal in jeder Wahlzeit zu prüfen, inwieweit ihre wirtschaftliche Betätigung noch die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt und inwieweit die Tätigkeiten privaten Dritten übertragen werden können. GemO NordrheinWestfalen
§ 107 Abs. 1 Die Gemeinde darf sich zur Nr. 3 Erfüllung ihrer Aufgaben wirtschaftlich betätigen, wenn 3. bei einem Tätigwerden außerhalb der Wasserversorgung, des öffentlichen Verkehrs sowie des Betriebes von Telekommunikationsleitungsnetzen einschließlich der Telekommunikationsdienstleistungen der öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann.
Einfache Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen
(Fortsetzung nächste Seite)
600 Anlagen (Fortsetzung Anlage 2)
Gemeindeordnung
Norm
Text
§ 107 Abs. 5 Vor der Entscheidung über die Gründung von bzw. die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 ist der Rat auf der Grundlage einer Marktanalyse über die Chancen und Risiken des beabsichtigten wirtschaftlichen Engagements und über die Auswirkungen auf das Handwerk und die mittelständische Wirtschaft zu unterrichten. Den örtlichen Selbstverwaltungsorganisationen von Handwerk, Industrie und Handel und der für die Beschäftigten der jeweiligen Branche handelnden Gewerkschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Marktanalysen zu geben. § 107 a Abs. 2
Mit den Bereichen Strom-, Gas- und Wärmeversorgung unmittelbar verbundene Dienstleistungen sind zulässig, wenn sie den Hauptzweck fördern. Die Gemeinde stellt sicher, dass bei der Erbringung dieser Dienstleistungen die Belange kleinerer Unternehmen, insbesondere des Handwerks, berücksichtigt werden.
§ 107 a Abs. 4
Vor der Entscheidung über die Gründung von bzw. die unmittelbare Beteiligung an Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 ist der Rat über die Chancen und Risiken des beabsichtigten wirtschaftlichen Engagements zu unterrichten. Den örtlichen Selbstverwaltungsorganisationen von Handwerk, Industrie und Handel und der für die
Art der Klausel
Anlagen601 Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
Beschäftigten der jeweiligen Branche handelnden Gewerkschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, sofern die Entscheidung die Erbringung verbundener Dienstleistungen betrifft. GemO RheinlandPfalz
§ 85 Abs. 1 Nr. 3
Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn 3. bei einem Tätigwerden außerhalb der Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wärme (Energieversorgung), der Versorgung mit Wasser, der Versorgung mit Breitbandtelekommunikation und des öffentlichen Personennahverkehrs der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.
KVG Saarland
§ 108 Abs. 1 Die Gemeinde darf wirtschaft- Qualifizierte liche Unternehmen ungeachtet SubsidiaritätsNr. 3 ihrer Rechtsform nur errichten, klausel übernehmen, erweitern oder sich an solchen beteiligen, wenn 3. der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.
Qualifizierte Subsidiaritäts klausel mit Ausnahmebereichen
§ 108 Abs. 3 Durch den öffentlichen Zweck auch gerechtfertigt sind mit der Haupttätigkeit des Unternehmens verbundene Tätigkeiten, die üblicherweise im Wettbewerb zusammen mit der Haupttätigkeit erbracht werden; mit der Ausführung dieser Tätigkeiten sollen die Unternehmen private Dritte beauf(Fortsetzung nächste Seite)
602 Anlagen (Fortsetzung Anlage 2)
Gemeindeordnung
Norm
Text tragen. Sind an einem Unternehmen Private beteiligt, reicht es aus, wenn ein Anteil von Leistungen an der Gesamtleistung des Unternehmens, der der Höhe der kommunalen Beteiligung entspricht, durch den öffentlichen Zweck gerechtfertigt ist. Alle Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnimmt, um ausschließlich Gewinn zu erzielen, entsprechen keinem öffentlichen Zweck.
§ 108 Abs. 5 Vor der Entscheidung über die Errichtung, Übernahme und wesentliche Erweiterung von wirtschaftlichen Unternehmen sowie der unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an ihnen ist der Gemeinderat auf der Grundlage einer Marktanalyse umfassend über die Chancen und Risiken der beabsichtigten unternehmerischen Betätigung sowie über deren Auswirkungen auf das Handwerk und die mittelständische Wirtschaft zu unterrichten. Vor der Befassung im Gemeinderat ist den Kammern der gewerblichen Wirtschaft und der freien Berufe sowie der Arbeitskammer Gelegenheit zur Stellungnahme zur Marktanalyse zu geben, soweit ihr Geschäftsbereich betroffen ist. Die Stellungnahmen sind dem Gemeinderat zur Kenntnis zu geben.
Art der Klausel
Anlagen603 Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
§ 108 Abs. 6 Die Gemeinden sollen in regelmäßigen Zeitabständen prüfen, inwieweit wirtschaftliche Unternehmen materiell privatisiert werden können. Hierbei ist privaten Dritten die Möglichkeit zu geben darzulegen, ob und wie sie die dem öffentlichen Zweck dienende wirtschaftliche Betätigung ebenso gut und wirtschaftlich erfüllen können. Über das Ergebnis ist der Kommunalaufsicht zu berichten. GemO BadenWürttemberg
§ 102 Abs. 1 Die Gemeinde darf ungeachtet Nr. 3 der Rechtsform wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn 3. bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann
Qualifizierte Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen
§ 102 Abs. 2 Über ein Tätigwerden der Gemeinde nach Absatz 1 Nr. 3 entscheidet der Gemeinderat nach Anhörung der örtlichen Selbstverwaltungsorganisationen von Handwerk, Industrie und Handel. GemO Bayern
Art. 87 Abs. 1 Nr. 4
Die Gemeinde darf ein Unternehmen im Sinn von Art. 86 nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn 4. bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann.
Qualifizierte Subsidiaritätsklausel mit Ausnahmebereichen
(Fortsetzung nächste Seite)
604 Anlagen Anlage 3 Übersicht zu den relevanten Regelungen der Gemeindeordnungen zum Örtlichkeitsprinzip Gemeindeordnung
Norm
GemO SchleswigHolstein
§ 101 Abs. 2 Die wirtschaftliche Betätigung Generelle außerhalb des Gemeindegebie- Öffnungsklausel tes ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Bei im Wettbewerb wahrgenommenen Aufgaben gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach bundesgesetz lichen Vorgaben eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen. Die betroffene Gemeinde ist so rechtzeitig vor der Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit in ihrem Gemeindegebiet zu informieren, dass sie die berechtigten Interessen geltend machen kann. Haben die beteiligten Gemeinden kein Einvernehmen über die Wahrung der berechtigten Interessen erzielt, ist die Kommunalaufsichtsbehörde über den Beschluss, außerhalb des Gemeindegebiets tätig zu werden, zu unterrichten.
Text
§ 101 Abs. 3 Die wirtschaftliche Betätigung außerhalb Schleswig-Holsteins ist unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zulässig, wenn berechtigte Interessen des Bundes oder des Landes Schleswig-Holstein nicht entgegenstehen. Die Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung außerhalb Schleswig-Holsteins ist der obersten Kommunalaufsichtsbehörde anzuzeigen; diese kann der wirtschaftlichen Betätigung widersprechen.
Art der Klausel
Anlagen605 Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
KV Niedersachsen
–
–
Keine Öffnungsklausel
KV MecklenburgVorpommern
§ 68 Abs. 2 S. 2
Die wirtschaftliche Betätigung Bereichsin den Bereichen der Strom-, spezifische Gas- und Wärmeversorgung Öffnungsklausel dient auch bei Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets einem öffentlichen Zweck.
KVG SachsenAnhalt
§ 128 Abs. 3 Die wirtschaftliche Betätigung in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung außerhalb des Gemeindegebietes dient einem öffentlichen Zweck und ist zulässig, wenn sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht, die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 vorliegt und die berechtigten Interessen der betroffenen Gemeinde gewahrt sind. Absatz 2 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. Bei Aufgaben, die im Wettbewerb wahrgenommen werden, gelten Interessen nur soweit als berechtigt, als der jeweilige Ordnungsrahmen eine Einschränkung des Wettbewerbs zulässt. Die betroffene Gemeinde ist so rechtzeitig vor der Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit in ihrem Gemeindegebiet zu informieren, dass sie ihre berechtigten Interessen geltend machen kann.
Generelle und bereichsspezifische Öffnungsklausel
§ 128 Abs. 4 Wirtschaftliche Betätigungen in allen anderen als den in Absatz 3 genannten Wirtschaftsbereichen außerhalb des Gemeindegebietes sind nur in (Fortsetzung nächste Seite)
606 Anlagen (Fortsetzung Anlage 3)
Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
begründeten Ausnahmefällen zulässig, wenn ein öffentlicher Zweck die Betätigung rechtfertigt, die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht und die berechtigten Interessen der betroffenen Gemeinde gewahrt sind. Absatz 2 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. Bei Aufgaben, die im Wettbewerb wahrgenommen werden, gelten Interessen nur soweit als berechtigt, als der jeweilige Ordnungsrahmen eine Einschränkung des Wettbewerbs zulässt. Die betroffene Gemeinde ist so rechtzeitig vor der Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit in ihrem Gemeindegebiet zu informieren, dass sie ihre berechtigten Interessen geltend machen kann. § 128 Abs. 5 Die Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung im Ausland bedarf der Genehmigung. KV Brandenburg
§ 91 Abs. 4
Eine wirtschaftliche Betäti- Bereichsgung außerhalb der Versor- spezifische gung der örtlichen Gemein- Öffnungsklausel schaft sowie der Nutzung von Einrichtungen beziehungsweise Angeboten in der Gemeinde ist zulässig 1. für die Versorgung mit Elektrizität, Gas und Fernwärme, 2. im Rahmen von Vereinbarungen oder Konzessionen der betroffenen Gemeinden, Gemeindeverbände oder kommunalen Unternehmen.
Anlagen607 Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
Die wirtschaftliche Betätigung im Ausland ist unter den Vo raussetzungen der Absätze 2 und 3 zulässig, wenn Interessen des Bundes oder des Landes Brandenburg nicht entgegenstehen; die Kommunalaufsichtsbehörde ist rechtzeitig vor Aufnahme der Betätigung zu unterrichten. GemO Sachsen
–
–
Keine Öffnungsklausel
KomO Thüringen
§ 71 Abs. 5
Die Gemeinde darf mit ihren Generelle Unternehmen außerhalb des Öffnungsklausel Gemeindegebiets nur tätig werden, wenn dafür die Vo raussetzungen der Absätze 2 und 3 vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Bei gesetzlich liberalisierten Tätigkeiten gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach den maßgeblichen Vorschriften eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen. Tätigkeiten außerhalb des Gemeindegebiets sind von der Rechtsaufsichtsbehörde zu genehmigen, soweit es die Versorgung mit Strom und Gas betrifft, sind sie der Rechtsaufsichtsbehörde anzuzeigen.
GemO Hessen
§ 121 Abs. 1a
Abweichend von Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 und § 122 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 dürfen Gemeinden sich ausschließlich auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung und des Vertriebs von Strom, Wärme und Gas aus erneuerbaren Energien sowie der Verteilung von elektri-
Generelle und bereichsspezifische Öffnungsklausel
(Fortsetzung nächste Seite)
608 Anlagen (Fortsetzung Anlage 3)
Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
scher und thermischer Energie bis zum Hausanschluss wirtschaftlich betätigen, wenn die Betätigung innerhalb des Gemeindegebietes oder im regionalen Umfeld in den Formen interkommunaler Zusammenarbeit erfolgt. Die wirtschaft liche Beteiligung der Einwohner soll ermöglicht werden. Die wirtschaftliche Betätigung nach dieser Vorschrift ist in besonderer Weise dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu unterwerfen. Die wirtschaftlichen Ergebnisse dieser Betätigung sind einmal jährlich der Gemeindevertretung vorzulegen. § 121 Abs. 5 Die Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes ist zulässig, wenn 1. bei wirtschaftlicher Betätigung die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen und 2. die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Bei gesetzlich liberalisierten Tätigkeiten gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach den maßgeblichen Vorschriften eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen. GemO NordrheinWestfalen
§ 107 Abs. 3 Die wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Die Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung auf ausländi-
Generelle und bereichsspezifische Öffnungsklausel
Anlagen609 Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
schen Märkten ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 vorliegen. Die Aufnahme einer solchen Betätigung bedarf der Genehmigung.
GemO RheinlandPfalz
§ 107a Abs. 3
Die Aufnahme einer überörtlichen energiewirtschaftlichen Betätigung ist zulässig, wenn die Voraussetzung des Absatzes 1 vorliegt und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Bei der Versorgung mit Strom und Gas gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen. Die Aufnahme einer energiewirtschaftlichen Betätigung auf ausländischen Märkten ist zulässig, wenn die Vo raussetzung des Absatzes 1 vorliegt. Die Aufnahme einer solchen Betätigung bedarf der Genehmigung.
§ 85 Abs. 2
Die Betätigung eines wirt- Generelle schaftlichen Unternehmens der Öffnungsklausel Gemeinde außerhalb des Gemeindegebiets ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen aller hiervon unmittelbar betroffenen Gemeinden gewahrt sind. Bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas gelten ausschließlich die Interessen als berechtigt, die nach den Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen. (Fortsetzung nächste Seite)
610 Anlagen (Fortsetzung Anlage 3)
Gemeindeordnung
Norm
KVG Saarland
§ 108 Abs. 4 Die Gemeinde darf mit ihren Generelle Unternehmen außerhalb des Öffnungsklausel Gemeindegebiets tätig werden, wenn 1. die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und 2. keine betroffene kommunale Gebietskörperschaft aus berechtigten Interessen widerspricht. Bei gesetzlich liberalisierten Tätigkeiten gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach den hierfür maßgeblichen Vorschriften eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen.
GemO BadenWürttemberg
§ 102 Abs. 7 Die Betätigung außerhalb des Generelle Gemeindegebiets ist zulässig, Öffnungsklausel wenn bei wirtschaftlicher Betätigung die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen Gemeinden gewahrt sind. Bei der Versorgung mit Strom und Gas gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach den maßgeblichen Vorschriften eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen.
GemO Bayern
Art. 87 Abs. 2
Text
Art der Klausel
Die Gemeinde darf mit ihren Generelle Unternehmen außerhalb des Öffnungsklausel Gemeindegebiets nur tätig werden, wenn dafür die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Inte ressen der betroffenen kom munalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. 2 Bei der Versorgung mit Strom und Gas gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen.
Anlagen611 Gemeindeordnung
Norm
Text
Art der Klausel
Art. 87 Abs. 3
Für die Beteiligung der Gemeinde an einem Unternehmen gilt Absatz 1 entsprechend. Absatz 2 gilt entsprechend, wenn sich die Gemeinde an einem auch außerhalb ihres Gebiets tätigen Unternehmen in einem Ausmaß beteiligt, das den auf das Gemeindegebiet entfallenden Anteil an den Leistungen des Unternehmens erheblich übersteigt.
Anlage 4 Übersicht zu den relevanten Regelungen der Gemeindeordnungen zur Leistungsfähigkeit Gemeindeordnung
Norm
Text
GemO SchleswigHolstein
§ 101 Abs. 1 Nr. 2
Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht
§ 107 S. 2
Sie sollen für die technische und wirtschaftliche Entwicklung notwendige Rücklagen aus dem Jahresgewinn bilden und mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaften.
§ 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Sie dürfen Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn und soweit 2. die Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Kommunen und zum voraussichtlichen Bedarf stehen
KV Niedersachsen
(Fortsetzung nächste Seite)
612 Anlagen (Fortsetzung Anlage 4)
Gemeindeordnung
Norm
§ 68 Abs. 2 Nr. 2 KV MecklenburgVorpommern
Text Unternehmen der Gemeinde sind nur zulässig, wenn 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht
§ 75 Abs. 2
Der Jahresgewinn der wirtschaftlichen Unternehmen soll so hoch sein, dass außer den für die technische und wirtschaftliche Fortentwicklung des Unternehmens notwendigen Rücklagen mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird.
KVG SachsenAnhalt
§ 128 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Die Gemeinde darf sich in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft auch außerhalb ihrer öffentlichen Verwaltung in den Rechtsformen des Eigenbetriebes, der Anstalt des öffentlichen Rechts oder in einer Rechtsform des Privatrechts wirtschaftlich betätigen, wenn 2. wirtschaftliche Betätigungen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf stehen und
KV Brandenburg
§ 91 Abs. 1 S. 2
Die nachfolgenden Regelungen dienen ausschließlich dem Schutz der Leistungsfähigkeit der Gemeinden.
§ 91 Abs. 2 Nr. 2
Die Gemeinde darf sich zur Erledigung von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft wirtschaftlich betätigen, wenn 2. die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht
§ 94a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Die Gemeinde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben ein wirtschaftliches Unternehmen ungeachtet der Rechtsform nur errichten, übernehmen, unterhalten, wesentlich verändern oder sich daran unmittelbar oder mittelbar beteiligen, wenn
GemO Sachsen
Anlagen613 Gemeindeordnung
Norm
Text 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht
§ 94a Abs. 4
Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde sind so zu führen, dass der öffentliche Zweck erfüllt wird; sie sollen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dadurch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks nicht beeinträchtigt wird.
KomO Thüringen
§ 71 Abs. 2 Nr. 2
Ungeachtet des mit ihnen verfolgten öffentlichen Zwecks darf die Gemeinde Unternehmen nur gründen, übernehmen oder erweitern, wenn 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht
GemO Hessen
§ 121 Abs. 1 Nr. 2
Die Gemeinde darf sich wirtschaftlich betätigen, wenn 2. die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht
§ 121 Abs. 8
Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde sind so zu führen, dass sie einen Überschuss für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dies mit der Erfüllung des öffentlichen Zwecks in Einklang zu bringen ist. Die Erträge jedes Unternehmens sollen mindestens so hoch sein, dass 1. alle Aufwendungen und kalkulatorischen Kosten gedeckt werden, 2. die Zuführungen zum Eigenkapital (Rücklagen) ermöglicht werden, die zur Erhaltung des Vermögens des Unternehmens sowie zu seiner technischen und wirtschaftlichen Fortentwicklung notwendig sind und 3. eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erzielt wird. (Fortsetzung nächste Seite)
614 Anlagen (Fortsetzung Anlage 4)
Gemeindeordnung
Norm
Text
GemO NordrheinWestfalen
§ 107 Abs. 1 Nr. 2
Die Gemeinde darf sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben wirtschaftlich betätigen, wenn 2. die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht
§ 107 Abs. 5
Vor der Entscheidung über die Gründung von bzw. die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 ist der Rat auf der Grundlage einer Marktanalyse über die Chancen und Risiken des beabsichtigten wirtschaftlichen Engagements und über die Auswirkungen auf das Handwerk und die mittelständische Wirtschaft zu unterrichten. Den örtlichen Selbstverwaltung-sorganisationen von Handwerk, Industrie und Handel und der für die Beschäftigten der jeweiligen Branche handelnden Gewerkschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Marktanalysen zu geben. Vor der Entscheidung über die Gründung von bzw. die unmittelbare Beteiligung an Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 ist der Rat über die Chancen und Risiken des beabsichtigten wirtschaftlichen Engagements zu unterrichten. Den örtlichen Selbstverwaltungsorganisationen von Handwerk, Industrie und Handel und der für die Beschäftigten der jeweiligen Branche handelnden Gewerkschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, sofern die Entscheidung die Erbringung verbundener Dienstleistungen betrifft.
§ 10 a Abs. 4
§ 109 Abs. 1
Die Unternehmen und Einrichtungen sind so zu führen, zu steuern und zu kontrollieren, daß der öffentliche Zweck nachhaltig erfüllt wird. Unternehmen sollen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dadurch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks nicht beeinträchtigt wird.
Anlagen615 Gemeindeordnung
GemO RheinlandPfalz
KVG Saarland
Norm
Text
§ 109 Abs. 2
Der Jahresgewinn der wirtschaftlichen Unternehmen als Unterschied der Erträge und Aufwendungen soll so hoch sein, daß außer den für die technische und wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens notwendigen Rücklagen mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird.
§ 85 Abs.1 Nr. 2
Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und dem voraussichtlichen Bedarf steht
§ 85 Abs. 3
Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde sind so zu führen, daß der öffentliche Zweck erfüllt wird; sie sollen einen Überschuß für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dies mit der Erfüllung des öffentlichen Zwecks in Einklang zu bringen ist. Die Erträge jedes Unternehmens sollen mindestens so hoch sein, daß 1. alle Aufwendungen und kalkulatorischen Kosten gedeckt werden, 2. die Zuführungen zum Eigenkapital (Rücklagen) ermöglicht werden, die zur Erhaltung des Vermögens des Unternehmens sowie zu seiner technischen und wirtschaftlichen Fortentwicklung notwendig sind, und 3. eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erzielt wird.
§ 108 Abs. 1 Nr. 2
Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform nur errichten, übernehmen, erweitern oder sich an solchen beteiligen, wenn 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht (Fortsetzung nächste Seite)
616 Anlagen (Fortsetzung Anlage 4)
Gemeindeordnung
Norm
Text
§ 108 Abs. 5
Vor der Entscheidung über die Errichtung, Übernahme und wesentliche Erweiterung von wirtschaftlichen Unternehmen sowie der unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an ihnen ist der Gemeinderat auf der Grundlage einer Marktanalyse umfassend über die Chancen und Risiken der beabsichtigten unternehmerischen Betätigung sowie über deren Auswirkungen auf das Handwerk und die mittelständische Wirtschaft zu unterrichten. Vor der Befassung im Gemeinderat ist den Kammern der gewerblichen Wirtschaft und der freien Berufe sowie der Arbeitskammer Gelegenheit zur Stellungnahme zur Marktanalyse zu geben, soweit ihr Geschäftsbereich betroffen ist. Die Stellungnahmen sind dem Gemeinderat zur Kenntnis zu geben.
§ 116
Wirtschaftliche Unternehmen sind nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen so zu führen, dass der öffentliche Zweck nachhaltig erfüllt wird. Sie sollen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dadurch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks nicht beeinträchtigt wird.
GemO BadenWürttemberg
§ 102 Abs. 1 Nr. 2
Die Gemeinde darf ungeachtet der Rechtsform wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht
GemO Bayern
Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Die Gemeinde darf ein Unternehmen im Sinn von Art. 86 nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht
Anlagen617 Gemeindeordnung
Norm
Text
Art. 95
(1) Eigenbetriebe und Kommunalunternehmen sind unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Grundsätze und des Grundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit so zu führen, daß der öffentliche Zweck erfüllt wird. Entsprechendes gilt für die Steuerung und Überwachung von Unternehmen in Privatrechtsform, an denen die Gemeinde mit mehr als 50 v.H. beteiligt ist; bei einer geringeren Beteiligung soll die Gemeinde darauf hinwirken. (2) Gemeindliche Unternehmen dürfen keine wesentliche Schädigung und keine Aufsaugung selbständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel, Gewerbe und Industrie bewirken.
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Sachverzeichnis Abfindungsanspruch 427 ff. Abschreibung 414, 427, 438 f., 441 f., 450, 581 Adam Smith 31 f. AG 43, 209, 431, 485, 491, 492 ff., 505, 513, Allgemeinwohl siehe Gemeinwohl Allokationsfunktion des Wettbewerbs 87 f. Altfälle 407 Angemessene wirtschaftlich Vergütung siehe Vergütung Anpassungsfunktion des Wettbewerbs 89 Anreizregulierung 138, 345, 359, 422, 468 f., 514, 520, 527, 532 ff., 542 ff., 552, 582 f. Anstalt des öffentlichen Rechts 125, 479, 480, 481 ff., 513, 582 f. Ausgleichsanspruch 427 ff. Ausgleichszahlung 411 Auskunftsanspruch 35, 255 ff., 262, 288, 357, 427 ff., 522 Auskunftspflicht 255 ff., 282, 284 Ausschreibung 253, 261, 266, 294 f., 326 f., 408, 448 f., 567 Ausschreibungspflicht nach Haushaltsrecht 326 f. Auswahlkriterien 35, 246, 291, 324 f., 334 ff., 349 f., 353, 359, 361, 380, 580 Bekannt und bewährt 365 f., 371 Bekanntmachungspflichten 250 ff., 372 Belastungsminimierungsprinzip 346 ff. Benennungspflicht 449 Berechtigte wirtschaftliche Interessen 368 f.
Berufsfreiheit 33, 122, 125, 131 f., 197, 265, 279 f., 331, 408, 579 Beschaffungsvorgang 304, 306 ff., 319, 387, 565 Besitzverschaffung 381 ff., 398, 406 Besonderheitenlehre 90 Bewertungsmethoden 204, 412 ff., 421, 425, 430 Binnenmarkt (europäischer) 27, 96 ff., 104, 108, 238, 252, 274, 313, 322, 324 Bruttorekonstruktionswert 414 Bürgerakzeptanz 362, 364 f. Bürgerinitiative 52, 58 f., 61 Bürgernähe 64, 362, 364 f. Chancengleichheit 256, 263, 323 Cream Skimming siehe Rosinenpicken Daseinsvorsorge 48, 52, 102, 104 ff., 143, 150 ff., 213 f., 307 f., 328 Datenherausgabe siehe Herausgabe von Netzdaten Datenumfang 257, 258 ff., 268 De-minimis-Regelung 523 ff., 535, 582 Demokratieprinzip 139 f., 182, 228 ff., 234, 239, 249, 289 f., 334, 447, 473, 476 ff., 510, 519 f., 578 Dezentralisierung 47, 61, 63, 64, 76, 94, 142, 472, 554, 583 Dichtevorteile 92 f. Dienste von allgemeinem wirtschaft lichen Interesse 102 ff., 106 ff. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse siehe Dienste von allgemeinem wirtschaft lichen Interesse
654 Sachverzeichnis Dienstleistungsauftrag 298 f., 300 ff., 310, 314, 326, 366 ff. Dienstleistungsfreiheit 97, 321 f. Dienstleistungskonzession 300 ff., 308 ff., 310 ff., 321 ff., 334, 366 ff., 380, 579 Dienstleistungsmodell 466, 468 ff., 542 ff., 555 ff., 566, 568, 583 Direktvergabe 293 ff., 297, 570 Discounted Cash Flow 412, 415 f. Diskriminierung 27, 236 f., 291, 323, 329, 363 f., 366, 371, 380, 398, 525, 571 Diskriminierungsfreier Zugang 57, 60, 63, 138, 316, 389 Diskriminierungsverbot 291, 323 f., 325 f., 329 ff., 334, 341, 363 Dividenden 427, 465 Doppelrolle – der Gemeinden 100 f. – des Staates 26 Economies of scale siehe Größenvorteil Effizienz 68, 87, 115 f., 186 f., 190, 292, 313, 343 ff., 357, 478, 525, 529, 533 f. Eigentumsfreiheit 33, 125 ff., 130 ff., 445, 448 Eigentumsrechtliche Neutralität 110 Einflussnahme 58 ff., 285, 324, 362, 364, 494 ff., 519 f., 544, 553, 583 Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb 384 f. Eingriff 27, 29, 89, 97, 385, 110, 114, 161, 184, 208, 238, 271, 283, 383, 445, 517 Eingriffsverwaltung 153 Einnahmenerzielung 33, 52 ff., 66, 80, 92, 201, 242 Einnahmequellen 23, 52 ff., 162 Einsparungsprinzip 346 ff. Eintritts- und Vorrechte 392, 395 ff., 408 f., 450, 581 Einzelbewertungsverfahren 412 ff.
Elektrizitätsrichtlinie (RL 2009 / 72 / EG) 97, 114 ff., 236 f., 348, 448, 517 Endschaftsbestimmung II 401 Endschaftsbestimmungen 40, 396, 398 ff., 581 Energiebinnenmarktpaket 97 f., 113 ff., 118, 448, 514, 517 – Drittes 113 ff., 118, 448, 514 – Erstes 97 – Zweites 517 Energieversorgungsunternehmen 81, 157 f., 184 ff., 189, 236, 300, 339, 355, 382, 417, 422, 456 ff., 519 ff., 523 ff., 530, 535, 541, 544, 561, 584 Enteignung 43, 134 ff., 188 f., 386 ff., 426, 517 Entflechtung 63, 138, 339, 347, 422 ff., 444 ff., 451, 455, 459, 514 ff., 526 ff., 532, 535 ff., 582 – Eigentumsrechtliche 517 – Informatorische und buchhalterische 521 ff., 536 – Operationelle 518 ff., 523 – Rechtliche 517, 523 Entflechtungsbestimmungen siehe Entfelchtungsvorgaben und Unbundling Entgelte siehe Stromnetzentgelte Entgeltregulierung 86, 379, 532 Entprivatisierung 24, 41, 43 ff. Entschädigung 42, 134, 194, 389, 391, 393, 429, 431, 434 f., 440, 442, 450 Entscheidungskriterien 324, 335 ff., 342, 349, 351, 353, 361, 365, 370 f., 372 ff., 380, 449, 575, 580 EnWG-Novelle 25, 336, 353, 380, 400, 411, 417 ff., 433, 444, 517, 521, 528, 584 Erbbaurecht 395 ff., 408, 427, 433 ff., 435 f., 446, 449 f., 581 f. Erdkabel 43, 72, 165, 347 Erfahrungskurveneffekt 93, 94, 365, 459 Erlösobergrenzen 258, 359, 532 ff., 541, 582
Sachverzeichnis655 Erneuerbare Energien 60, 62, 76 f., 81, 354 Ertragswert 258, 412, 415 ff., 420 f., 424, 426 f., 430 ff., 433 ff., 435 ff., 450, 581 Erwerbswirtschaftliche Betätigung der Gemeinden siehe wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden Essential-Facility-Doktrin 443 Europäisch Charta der kommunalen Selbstverwaltung 111 ff. Fernleitungen 72, 117 f. Finanzhoheit 143, 150, 163 ff., 476 Finanzierung staatlicher / öffentlicher Aktivitäten 32 ff., 198 f., 470, 544 Finanzkrise 57 f. Fixkosten 83, 92 f., 187, 459 Formelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 351 Freiwillige Anwendung Vergaberecht 299 Fusionskontrollverordnung (FKVO) 515 f., 530 f., 544 ff. Garantierendite 36, 53, 555 ff., 559 ff. Gebietshoheit 143, 150, 165 ff., 177 Gebietskörperschaft 31, 46, 99, 130, 151, 175 ff., 222, 226, 238, 297 Gemeinsamer Leitfaden BkartA / BnetzA 259, 268, 370, 571 Gemeinwirtschaftliche Theorie 66 f. Gemeinwirtschaftslehre 66 f. Gemeinwohl 65 ff., 95, 103, 107 f., 138, 157, 188, 197, 198 ff., 232 f., 239, 362 ff., 369, 445, 472, 501, 554, 583 Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen 79, 81, 127 ff., 134, 326, 333 f., 460, 483, 578 Genossenschaft 80, 461, 470 f., 485, 499 ff., 544, 554, 582 f. Gesamtbewertungsverfahren 412, 415 Gesellschaftspolitische Funktion des Wettbewerbs 89
Gesellschaftsrechtliche Beteiligung 464 ff., 498, 541 f., 560, 566 Gewährleistungsverantwortung 125, 133 f., 136 ff., 182, 297, 446 Gewichtung der Auswahl- und Entscheidungskriterien 35, 372 ff., 380, 580 Gewinnerzielung 67, 125, 145 ff., 187, 198 ff., 206, 233, 501, 555, 563 f., 578 Gleichbehandlung 98 ff., 109, 118, 237 f., 321 ff., 325 f., 329, 333 f., 341, 363, 366, 372, 377 Gleichstrom 73 GmbH 126, 485 ff., 522 , 538, 540, 582 f. GmbH & Co. KG 499, 570, 582 f. Grenzüberschreitende kommunale Betätigung 229, 238, 507 Größenvorteile 91 f., 232 f., 459 f. Grundfreiheiten 97, 104, 110, 236 ff., 321 f., 508 f. Grundrechtsähnliches Recht 160 ff. Grundrechtsfähigkeit 126 ff. Grundrechtstypische Gefährdungslage 131 Gründungstheorie 509 GWB-Novelle 274 f., 549 ff. Haftungsbegrenzung 202, 485, 494, 498 f., 501, 503, 507 Herausgabe von Netzdaten 256 ff., 260 ff., 267 ff., 270 ff., 280 ff., 285 ff., 323, 579 Höchstsatz 355, 367 Holdingmodell 456 ff., 462, 482, 487, 492, 536, 541, 554 In-house-Vergabe 293 ff., 566, 570, 580 Informationsherausgabe 250, 256 f., 258, 263, 270, 280, 282, 323 Infrastrukturaufgabe 119 ff. Inhalts- und Schrankenbestimmung 386, 388, 389 ff., 393, 440, 449 Innovationsfunktion des Wettbewerbs 88 f.
656 Sachverzeichnis Intelligente Netze siehe smart grid Interessenbekundungsverfahren 35, 247, 287 ff. Interkommunale Zusammenarbeit 48 Irreversibilität 83 ff., 92, 405 ff.
Level playing field 263, 291, 376, 379 Liberalisierung 32, 95, 97, 113 f., 149, 177, 180, 184, 299, 322, 365, 377, 528, 577, 584 Limited 505 ff., 511
Junktim-Klausel 134
Marktbeherrschung 274 ff., 290 ff., 295, 332, 549 f., 559, 562, 579 Marktwirtschaft 97 f., 122 f., 125, 138 Maximalrendite 54 ff. Mindestrendite 555 ff., 583 Missbrauchskontrolle 290 ff. Monopol 25, 31, 59, 69, 89 ff., 137 , 193 f., 209 f., 242, 245, 276, 306 , 366, 442 ff., 551, 560 – Missbrauch 59, 138, 210, 268, 290 ff., 393, 425, 447, 527 – natürliches 31, 89 ff., 94, 119, 210, 305 f., 528 – Rente 69, 88 Monopolistisches Bottleneck 90 Monopolkommission 48, 50, 69 f., 278, 542 Muttermodell 458, 487, 537 ff., 541, 583
Kaufering-Entscheidung 411, 417 f., 419 ff., 437, 442, 450, 581 Klimaschutz 59, 64, 348 Konkordanz, praktische 370, 374, 375 Kontrollfunktion des Wettbewerbs 89 Konzessionsabgabe 40, 54, 82, 167, 276, 298, 302 f., 317, 351, 354 ff., 367, 369, 371 Konzessionsabgabenverordnung (KAV) 351, 355 ff., 557 ff., 559 Konzessionsvergabekriterien siehe Vergabe- und Auswahlkriterien Konzessionsvergaberichtlinie 310 ff. Konzessionsvergabeverfahren 35, 189 f., 247 ff., 251, 255, 260, 262, 263, 272, 280, 284, 287, 291, 294, 323 ff., 328, 331, 337, 352, 363, 371, 375 f., 392, 396, 449, 564, 571 ff., 579 ff. Kooperationsfreiheit 234, Kooperationshoheit 474, 475 Kooperationsmöglichkeiten 234, 466 ff., 472 Kostenvorteile 92 Kriterienwahl 336, 338, 340, 369 Laufzeit 242, 246, 430, 433, 443, 442 ff., 450, 465, 467, 553, 582 Laufzeitbegrenzung 311, 384, 442 ff. Legalsozialisierung siehe Sozialisierung Leistungsfähigkeit 196 f., 202, 204, 219, 226, 239 ff., 244, 343, 353, 368 ff., 409, 484, 563, 578 f. Leistungsverwaltung 153, 157 Leitungsgebundenheit 71, 73 f., 78 f., 90, 94, 119, 166 f.
Nachhaltigkeitsprinzip 346 ff. Nebenleistungsverbot 356, 358, 367, 556 f., 559 netz- und konzessionsvertragsspezi fische Kriterien 351, 366, 370 f. Netzdaten siehe Herausgabe von Netzdaten Netzeffekt siehe Größenvorteil Netzentgelte siehe Stromnetzentgelte Netzgemeinschaftsunternehmen 469 f., 543 ff. Netzgenossenschaft 470 f., 543 ff., 554, 583 Netzholding 469 f., 543 ff., 552, 553 Netzinfrastruktur 59 ff., 81, 116, 120, 164, 167, 177, 190, 192, 209, 258, 352, 385 f. Netzkaufpreis 463 f., 468, 471
Sachverzeichnis657 Netzkosten 83 ff., 268, 500 Neutralität 103 f., 107, 110, 123 Niederlassungsfreiheit 321, 508 Offenlegung von Informationen 330 Öffentlicher Auftrag 297 ff. Öffentlicher Zweck 198, 200, 201, 206 f., 563 Öffnungsklauseln (in GemO) 223 ff., 234, 578 Ökologie 25, 60 ff., 357, 471 Organisationshoheit der Gemeinden 474 Organisationswahlfreiheit 510 Örtlichkeitsprinzip 165 ff., 171 ff., 196 f., 221 ff., 230, 236 ff., 507, 578 Pachtmodell 466 ff., 542 ff., 546, 552, 554, 566, 583 Partnerlösung(en) 36, 453, 458 ff., 472 f., 480, 483, 488, 499, 503 f., 513 f., 523, 529, 532, 535, 541, 544 f., 550, 553 ff., 564 ff., 575 f., 582 Personengesellschaften 485, 498 f., 503 Pflichtaufgaben der Gemeinde 164, 203 ff., 209, 216 f., 241, 578 Planungshoheit 143, 150, 164 f. Popitz-Formel 145 ff. Preisgünstigkeit 185 f., 190, 318, 338, 343 ff., 368, 374, 437, 529, 558 f. Privatautonomie 27 f., 89, 95, 231 Prohibitive Wirkung 418, 421, 425, 439, 441 f., 450, 581 Protokoll Nr. 26 103, 106 ff. Public Citizen Partnerschip 462 Public Private Partnership 462 Public Public Partnership 462 Rechtssicherheit 249, 313, 388 f., 392 f., 398, 407 Rechtsstaatsprinzip 29, 33, 149, 197, 289 f., 398, 473, 478 Regie- und Eigenbetrieb 45, 479 ff. Regulierungsperiode 53, 86, 533, 542 f.
(Re)Kommunalisierung (Begriff) 45 ff. – als Rückübertragung von privatem in kommunales Eigentum 47 ff. – als verwaltungsinterner Organisationsvorgang 46 – im Zuge der Wiedervereinigung 47 – in Abgrenzung zu Kommunalisierung 49 f. Rekonstruktionswert 413 f., 430 Rendite 53 ff., 305, 332, 434, 557 ff., 560 ff. siehe auch Garantierendite und Mindestrendite Reproduktionsneuwert 414 Richtlinie 2004 / 17 / EG siehe Sektorenrichtlinie Richtlinie 2004 / 18 / EG siehe Vergabe koordinierungsrichtlinie Richtlinie 2009 / 72 / EG siehe Elektrizitätsrichtlinie Richtlinie zur Konzessionsvergabe siehe Konzessionsvergaberichtlinie Rosinenpicken 186 f. Rückwirkung 398 ff., 450 Rückwirkungsverbot 398 ff., 450, 581 Sachzeitwert 412 ff., 419 ff., 424, 426, 435 ff. Schrankentrias 196 ff., 226 Schwellenwerte 292, 311, 314, 318, 322, 545, 567 Sektorenrichtlinie (RL 2004 / 17 / EG) 300 ff., 311, 321 Sektorenverordnung (SektVO) 320, 566 Selbstfindungsrecht der Gemeinden 140 f. Selbstregulierung 91, 94 Selbstregulierungsmechanismen, kompetativ 31 f. Selbstverwaltung – kommunale 112, 141 ff., 159, 161 ff., 229, 328, 473, 478 – regionale und lokale 100 f., 111 Selbstverwaltungsgarantie 141 ff., 150, 158 ff., 163, 171, 199 f., 228 f., 327 f., 334, 361, 364, 372, 373 ff., 473
658 Sachverzeichnis sichere Versorgung siehe Sicherheit Sicherheit 57 f., 94, 318, 342 f. SIEC-Test 548 f. Sitztheorie 509 Skaleneffekte 92 Smart grids 345, 347 Soziale Marktwirtschaft 97, 122 ff. Sozialisierung 42, 134 ff., 193 f. Sozialpolitische Erwägungen für (Re)Kommunalisierung 67 f., 472, 554, 583 Sozialstaatsprinzip 28, 123, 125, 136 ff., 182 Speicherbarkeit von Energie 75 f., 94 Squeeze-out-Verfahren 427, 431 ff., 435 ff. Staatsaufgabe Energieversorgung 132 ff., 146, 157 f., 182, 188 f. Staatseigentum 42 ff. Staatsfreiheit der Wirtschaft 27 Stand-Alone-Lösung 453 ff., 459 f., 462 f., 472 f., 480, 482, 488, 513 f., 523, 535, 554, 575, 582 f. Steuer- und Abgabenstaatssystem 32 ff. Steuern 32 ff., 55, 82 f. Stromausfälle 76, 78 f. Stromkosten 69, 82, 85 f., 344 ff., 359 Stromnetzentgelte 82, 344, 359 ff., 371 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) 351, 359 f., 423, 436 ff., 552 Strompreis siehe Stromkosten Stromtransport 71 ff. Subadditivität 89 f. Subsidiarität 29 f., 97, 196, 212, 218, 220 Subsidiaritätsklauseln 155 ff., 211 ff. – besonderer Art 219 f. – einfache 215 ff., 218 ff. – qualifizierte 212 f., 213 ff. Subsidiaritätsprinzip 29 f., 97, 110 f., 123 f., 155 ff., 211 ff., 312, 578 Substanzwert 412 ff., 417, 424, 430 Sunk Costs 83 ff., 405 ff. Surrogatsfunktion des Staates 28, 30
Tagesneuwert 413 Teilhaberecht 262, 265 Tochtermodell 457 f., 462, 487, 522, 540 f., 554, 583 Trägerneutral 107, 118 Transparenz 69, 98, 253 f., 321, 325, 334, 341, 348, 372, 377, 472, 515, 522 Transparenzgebot 323 ff., 334, 341 Transparenzrichtlinie 98 ff. Treuhänderische Aufgabenwahrnehmung des Staates 28, 30 Übereignungsanspruch 246, 390, 400, 402, 409 ff., 440, 445, 581 Übereignungspflicht 35, 134, 381 ff., 383 ff., 389 f., 394, 396, 398 f., 405 f., 408, 424, 437, 439, 441, 581 Überlassungspflicht 423, 581 Überörtliche Betätigung der Gemeinden 177, 225 ff., 232, 234, 236, 238 f. Übertragungsnetz 38, 43, 72, 209, 516 f., 521, 528 Übertragungsnetzbetreiber 516 f., 521 Umweltverträglichkeit 185, 338, 346 ff., 374, 529 Unbundling 62 f., 138, 316, 339, 347, 422 ff., 444 ff., 451, 455, 459, 466, 516 ff., 531, 536, 537, 582 Unterkategorien 341 f. Verbraucherfreundlichkeit 70, 185, 338, 348, 359, 437, 529 Verfahren – einheitliches 568 ff. – getrenntes 572 ff. Verfahrensdurchführende- und -entscheidende Stelle 35, 325, 375 ff., 580 Verfahrensregeln 36, 106, 248 ff., 250 ff., 292, 294, 321, 327 ff., 334, 377, 564 ff., 575, 580 Verfassungswidrigkeit 231, 233 ff., 239, 383, 389, 393, 394, 398, 407, 408 f., 447, 450, 581, 582
Sachverzeichnis659 Vergabeentscheidung 186, 246, 250, 284, 315, 325, 334 ff., 340 f., 346, 354, 356, 359 ff., 367, 373, 380 ff., 572, 574, 580 Vergabekoordinierungsrichtlinie (RL 2004 / 18) 300, 301 ff., 321 Vergabekriterien 338, 341, 350, 356 Vergaberecht 292 ff., 300 ff., 321 ff., 326, 328, 366, 372, 453, 564 ff., 572, 583 Vergütung, wirtschaftlich angemessene 381, 384, 390, 397, 409 ff., 425 ff., 447, 450, 463 ff., 581 Verhältnismäßigkeitsprinzip 389, 392 Veröffentlichung 251 f., 264 ff., 279 f., 372 Veröffentlichungspflichten 257, 282, 523 Verordnung 713 / 2009 117 ff. Verordnung 714 / 2009 117 ff. Verschwiegenheitserklärung 269 ff. Verstaatlichung 41 f., 44, 584 Versunkene Kosten siehe Irreversibilität Verteilernetze 25, 32, 34, 36, 37, 38 ff., 43, 71 ff., 85, 95, 114, 117 f., 152, 171, 176 ff., 185, 209, 315 f., 551, 577 – europäische Definition 38 f. – örtliche 39 Verteilernetzbetreiber 39, 71 ff., 85, 116, 117 f., 305, 315 f., 423, 478, 516 ff., 521, 523 ff., 577, 582 Vertragliche Nebenpflicht 255 ff. Vertragsfreiheit 360, 418, 445, 447 Vertraulichkeitserklärung 257, 267 ff. VOL / A 299
Volkswirtschaftliche Bedeutung elektrischer Energie 59, 78 f. Wahlfreiheit der Gemeinden 335 ff., 474 Wechselstrom 73 Wegenutzungsverträge 37, 39 ff., 189 f., 245, 246, 248 ff., 317, 320, 329 f., 355 – einfache 39 f., 355 – qualifizierte 39 f., 51, 246 f., 329 f. Weimarer Verfassung 121 f. Weisungsrechte 487, 491 f., 495 ff., 519 f. Wertschöpfung 56 ff., 81 ff. Wertschöpfungsstufen 26, 37 f., 56 ff., 62, 81 ff., 87 ff., 90, 138, 209 f., 307, 339, 346, 348, 444, 544 Wettbewerb 26 ff., 56 ff., 87 ff., 96 ff., 99 f., 107 ff., 137 ff., 149 f., 177 f., 189 f., 209 f., 228, 246, 255, 262, 268, 290 ff., 295, 329, 378, 528 Wettbewerbsverzerrung 31, 91, 137, 209, 245, 256, 272, 277, 447, 528 Willkürverbot 340 Wirtschaftlich angemessene Vergütung siehe Vergütung Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden 23, 27, 31 f., 104, 123, 126, 131, 135, 140, 144 ff., 147 ff., 174, 195 ff., 223 ff., 231, 239 ff., 507, 563, 577 Wirtschaftliches Risiko 304 ff. Wirtschaftspolitische Grundordnung 121 ff. Zusammenschlusskontrolle 275, 544, 546 ff., 553