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German Pages 185 [186] Year 2016
Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 126 herausgegeben von Rolf Stürner
Gabriel Ludwig Schmidt
Der Vergleich in FamFG-Verfahren Zugleich eine Untersuchung der Grenzen der Dispositionsfreiheit über Verfahrensgegenstand und Verfahrensende in Familiensachen und der Freiwilligen Gerichtsbarkeit
Mohr Siebeck
Gabriel Ludwig Schmidt, geboren 1984; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Tübingen; 2011 Erste juristische Prüfung; akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Freiwillige Gerichtsbarkeit und Insolvenzrecht an der Universität Tübingen; seit Herbst 2013 zudem Rechtsreferendar im Juristischen Vorbereitungsdienst beim OLG-Bezirk Stuttgart; 2015 Promotion.
D 21 e-ISBN PDF 978-3-16-154800-0 ISBN 978-3-16-154101-8 ISSN 0722-7574 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Kirchheim/Teck gesetzt und von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2014/2015 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten für die Drucklegung bis Januar 2015 berücksichtigt werden. Mein ganz besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Marotzke, für die hervorragende Betreuung des Promotionsvorhabens und den großen Freiraum, den er mir bei Erstellung der Arbeit eingeräumt hat. Herzlich danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Christoph Thole für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Dres. h. c. Rolf Stürner für die Aufnahme der Arbeit in die „Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht“. Großen Dank schulde ich weiterhin meinen Lehrstuhlkollegen Frau Frie derike Schaal und Herrn Daniel Höfer. Durch die Diskussion mit Ihnen habe ich viele weiterführende Anregungen für diese Arbeit gewonnen. Schließlich möchte ich meiner Frau Valeria Schmidt danken, die mit ihrer Liebe und Geduld entscheidend zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. Tübingen, im August 2015
Gabriel Schmidt
Inhaltsverzeichnis Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII
§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Wachsende Bedeutung konsensualer Verfahrensbeendigung im FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Die Problemstellung: Schwierigkeit der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Verfahrensbeendigungstatbestände des FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 C. Die Verfahrensbeendigungstatbestände des FamFG im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Verfahrensbeendigung durch Verfahrenshandlungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG . . . . . . . . . . 2. Antragsrücknahme, Beendigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahrensbeendigung durch Gerichtsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durch Endentscheidung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG . . . . . . . . 2. Verfahrensabschluss durch gerichtlich gebilligten Vergleich . . . . .
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D. Die Verfahrenstypen des FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 I. Unterscheidung nach Art der Verfahrenseinleitung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Amtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reine Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren die sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag hin eingeleitet werden können – „unechte Antragsverfahren“ . . . . . . . II. Fürsorge- und Streitverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fürsorgeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Streitverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Identität mit der Unterscheidung zwischen Amts- und Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Familien- und Familienstreitsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG . . . . . . 19 A. Begriff, Rechtsnatur und Wirkungen des Verfahrensvergleichs . . . . . . 19 I. Begriffsbestimmung und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsnatur des Verfahrensvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische und praktische Bedeutung des Theorienstreits . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wirkungen und Eigenschaften des Verfahrensvergleichs . . . . . . . . . . 1. Verfahrensbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eignung als Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beurkundungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere materiell-rechtliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Dem Verfahrensvergleich nicht zugängliche Verfahren . . . . . . . . . . . . 34 I. Verfahren mit nur einem Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausdrückliche Ausnahme von Ehe- und Familienstreitsachen . . . . . . III. Ausschluss in Gewaltschutzsachen gemäß § 210 FamFG? . . . . . . . . . IV. Vereinbarungen gemäß §§ 6–8 Versorgungsausgleichsgesetz . . . . . . . V. Verfahren über den Umgang und die Herausgabe eines Kindes . . . . .
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C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Analyse des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Verfahrensgegenstand im FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reine Amtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reine Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unechte Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfügungsbegriff in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verständnis der Verfügungsbefugnis gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG als Beendigungsbefugnis . . . . . . III. Übersicht über den Meinungstand zum Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss in Amtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschluss in Fürsorgeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Bestehen der Beendigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt: Fehlende Beendigungsbefugnis als begründungsbedürftiger Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beendigungsbefugnis in allen reinen Antragsverfahren . . . . . . . . . 3. Keine Beendigungsbefugnis in allen Amtsverfahren und unechten Antragsverfahren erster Instanz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mangelnde Beendigungsbefugnis als zwangsläufige Folge der Offizialmaxime? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Verfahrensbeendigung in Amtsverfahren ausgeschlossen durch § 22 Abs. 4 FamFG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Direkte Anwendung des § 22 Abs. 4 FamFG . . . . . . . . . . . . bb) Analoge Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gründe für die Zuordnung einzelner Verfahren zu den Amtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine allgemeine Regelung im FamFG . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausdrücklich durch das materielle Recht geregelte Fälle . . cc) Schweigen des Gesetzes zur Verfahrenseinleitung . . . . . . . (1) Annahme von „verkappten Antragsverfahren“ . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Übertragbarkeit der Differenzierung auf ausdrückliche Amtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Möglichkeit der Mediation gemäß § 36a FamFG auch in Amtsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Praktische Gesichtspunkte gegen die Zulässigkeit . . . . . . . . . . . aa) Erhöhter Prüfungsaufwand des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gefahr einer dauerhaften Nichtbeendigung des Verfahrens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bestehen hinreichender Abänderbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . (1) Analoge Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 FamFG . . . . . (2) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f ) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kriterien die im Einzelfall gegen eine Beendigungsbefugnis in Amtsverfahren sprechen können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterscheidung zwischen Fürsorge- und Streitverfahren . . . . . . b) Anordnungsvorbehalte im Sinne des § 36a Abs. 3 FamFG als Indizien für fehlende Beendigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beendigungsbefugnis in Amtsverfahren und unechten Antragsverfahren in zweiter und dritter Instanz . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestehen einer Beendigungsbefugnis in erster Instanz . . . . . . . b) Keine Beendigungsbefugnis in erster Instanz . . . . . . . . . . . . . . V. Fehlerfolgen und Rechtschutz bei unrichtiger Beurteilung der Beendigungsbefugnis durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Annahme einer tatsächlich nicht bestehenden Beendigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorgehen des Gerichtes bei nachträglichen Zweifeln an der Wirksamkeit des Verfahrensvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geltendmachung der Unwirksamkeit durch die Beteiligten . . . .
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2. Unberechtigte Ablehnung einer bestehenden Beendigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsverletzung durch Weigerung des Gerichts zur Protokollierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herleitung aus dem Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . bb) Abwehranspruch gegen Verfahrensfortführung . . . . . . . . . . b) Rechtschutz durch Beschwerde gegen Endentscheidung . . . . . .
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D. Die Parteien des Verfahrensvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I. „Kann“-Parteien des Verfahrensvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendige Parteien des Verfahrensvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt: Anspruch auf gerichtliche Endentscheidung für sämtliche Beteiligte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligte nach § 7 Abs. 1 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Muss“-Beteiligte kraft Hinzuziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Kann“-Beteiligte gemäß § 7 Abs. 3 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anregende und sonstige Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Allgemeine Grenzen der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Orientierung an der Unterscheidung zwischen Streit- und Fürsorgeverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generelle Problematik dieser Abgrenzung unter Geltung des FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsdichte des FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tauglichkeit der Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Materiell rechtskräftige Entscheidung über subjektive Rechte als Kennzeichen der Streitverfahren . . . . . . . . . . . . bb) Tätigwerden des Gerichts in Fürsorgeverfahren in „eigener Sache“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gegensätzliche Interessen als Abgrenzungskriterium . . . . . dd) Kennzeichen der Führsorgesachen auch in Streitverfahren ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Einwände gegen die Heranziehung der Kategorien als Analogierechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eignung der Differenzierung zur Bestimmung materieller Regelungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Orientierung an § 36a Abs. 3 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtliche Anordnungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dem Gericht vorbehaltene Gestaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Dem Gericht vorbehaltene Feststellungsentscheidungen, insbesondere zur Erteilung eines Erbscheins und sonstiger Zeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtliche Genehmigungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestehen eines Genehmigungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeit eines gerichtlich gebilligten/genehmigten Vergleichs in analoger Anwendung der §§ 156 Abs. 2 FamFG, 19 LwVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit einer Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Form der Genehmigung/Billigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorgehen bei Verweigerung der Genehmigung/Billigung . .
XI
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F. Vollstreckungsfähigkeit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG . . . . . . . . . . . 127 I. Bedeutung des Tatbestandsmerkmals der Verfügungsbefugnis . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wortlaut und Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Telelogische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überprüfung der Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überprüfung im Verfahren bei Vergleichsschluss . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Überprüfung im Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Überprüfung mit der Klauselerinnerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Prüfung durch die Vollstreckungsorgane? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Möglichkeit eines Vollstreckungsabwehrantrags? . . . . . . . . . . . . . III. Beschränkung auf den Verfahrensgegenstand? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Antragsrücknahme und Beendigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . 143 A. Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 1 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I. Anwendungsbereich in reinen Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich in reinen Amtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendungsbereich in unechten Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gericht leitet das Verfahren ein, ohne dass ein Antrag gestellt wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren wird auf Antrag hin eingeleitet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antragsstellung möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rücknahme möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen einer Rücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Beendigungserklärung nach § 22 Abs. 3 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
XII
Inhaltsverzeichnis
§ 4 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . 151 A. Rechtsnatur des Verfahrensvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 B. Dem Verfahrensvergleich nicht zugängliche Verfahren . . . . . . . . . . . . 151 C. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG . . . . . 152 D. Beendigungsbefugnis in allen reinen Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . 152 E. Vergleichsschluss in Amts- und unechten Antragsverfahren . . . . . . . . . 152 F. Fehlerfolgen und Rechtschutz bei unrichtiger Beurteilung der Beendigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 G. Die Parteien des Verfahrensvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 H. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I.
Vollstreckungsfähigkeit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG . . . . . . . . . . . 155
J.
Antragsrücknahme und Beendigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Abkürzungen Hinsichtlich der im Text und im Literaturverzeichnis verwendeten juristischen Abkürzungen wird, soweit diese nicht erläutert werden, auf das Verzeichnis bei von Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage, Berlin 2013 verwiesen.
§ 1 Einleitung A. Einführung „Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung.“1.
I. Wachsende Bedeutung konsensualer Verfahrensbeendigung im FamFG Die Erkenntnis, dass sich rechtliche Konflikte durch einen Konsens der Betroffenen anstelle einer autoritativen Gerichtsentscheidung vielfach interessengerechter und dauerhafter lösen lassen, ist heutzutage Allgemeingut. Sie hat den Gesetzgeber im Bereich des Verfahrensrechts in jüngerer Zeit verstärkt veranlasst, nach Wegen zu suchen, einvernehmliche Konfliktlösungen zu fördern. Von diesem Bemühen ist auch das am 1. September 2009 in Kraft getretene Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)2 geprägt. Nach jahrelanger Diskussion wurden durch das FamFG die zuvor im FGG3 geregelten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die zuvor im 6. Buch der ZPO enthaltenen Familiensachen in einer neuen Verfahrensordnung zusammengeführt. Eine Leitlinie dieser Reform war es, die einvernehmliche Konfliktbeilegung zu stärken4. Dies betrifft vor allem die jetzt im zweiten Buch des FamFG geregelten Familiensachen5. Dort wurden mit den §§ 135, 156 Abs. 1 und 165 FamFG mehrere Vorschriften geschaffen, die das Gericht ermächtigen und verpflichten, auf eine Einigung der Beteiligten hinzuwirken. Aber auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat das Gericht nunmehr gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Pflicht, auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hinzuwirken. 1
BVerfG, Beschl. v. 14. 02. 2007 – 1 BvR 1351/01 = NJW-RR 2007, S. 1073 (1074). durch Art. 1 des Gesetzes zur Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. 12 2008 (FGG-RG), BGBl. I, S. 2586. 3 Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. 05. 1898, RGBl., S. 189; aufgehoben durch Art. 112 Abs. 1 FGG-RG mit Wirkung zum 01. 09. 2009. 4 Prütting/Helms/Prütting, Einl., Rdnr. 86. 5 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 164. 2 Eingeführt
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§ 1 Einleitung
Eine weitere Zunahme einvernehmlicher Konfliktbeilegung strebte der Gesetzgeber mit dem Erlass des am 26. Juli 2012 in Kraft getretenen Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung6 an7. Durch Art. 1 dieses Gesetzes wurde ein Mediationsgesetz (MediationsG) eingeführt. Die Mediation wird in § 1 Abs. 1 MediationsG als vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Beteiligten freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts mit Hilfe eines oder mehrere Mediatoren anstreben, legal definiert. Gelingt durch die Mediation eine Einigung, treffen die Parteien eine dementsprechende Vereinbarung unter Mitwirkung des Mediators, § 2 Abs. 6 MediationsG. Mediation und andere außergerichtliche Konfliktbewältigungsverfahren sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch dann zum Einsatz gelangen, wenn die Betroffenen bereits ein Gerichtsverfahren angestrengt haben8. Um dies zu ermöglichen, sind durch das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung in die Verfahrensordnungen Bestimmungen eingeführt worden, die es dem Gericht ermöglichen, den Parteien oder Beteiligten die Durchführung einer Mediation vorzuschlagen9. Im FamFG ist diese Befugnis des Gerichts in § 36a Abs. 1 FamFG geregelt, welcher durch Art. 3 des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung in das FamFG aufgenommen wurde. Entscheiden sich die Beteiligten für ein außergerichtliches Konfliktbeilegungsverfahren, setzt das Gericht das anhängige Verfahren aus, § 36a Abs. 2 FamFG. Der Gesetzgeber hat mit § 36a FamFG bewusst eine Regelung im Allgemeinen Teil des FamFG getroffen, da er davon ausging, dass sowohl Familiensachen als auch die übrigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit einer einvernehmlichen Konfliktbeilegung grundsätzlich zugänglich sind10. Neben der gerichtlichen Vermittlung und der Möglichkeit, ein außergerichtliches Konfliktbeilegungsverfahren anzustrengen, kennt das FamFG noch einen dritten Weg, um eine Einigung der Beteiligten herbeizuführen. Gemäß § 36 Abs. 5 FamFG darf das Gericht das Verfahren für den Versuch einer gütlichen Einigung an einen hierfür bestimmten, nicht entscheidungsbefugten „Güterrichter“ verweisen. § 36 Abs. 5 FamFG wurde ebenfalls durch das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung eingeführt11. Der Güterichter darf die Mediation und andere 6
BGBl. I 2012, S. 1577. Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz, BT-Drs. 17/5335, S. 11. 8 Vgl. BT-Drs. 17/5335, S. 11. 9 Vgl. § 278a Abs. 1 ZPO und § 54a Abs. 1 ArbGG. In die §§ 153 Satz 1 VwGO, § 155 Satz 1 FGO und § 202 Satz 1 SGG wurde ein ausdrücklicher Verweis auf § 278a ZPO eingefügt. 10 BT-Drs. 17/5335, S. 22. 11 Das „Güterichtermodell“ wurde als Kompromiss im Streit um die „gerichtsinterne Mediation“ eingeführt. Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Förderung der Mediation und an7
A. Einführung
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Methoden der Konfliktbeilegung anwenden, um den Beteiligten zu helfen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Im Unterschied zum Mediator kann er hierzu auch Einsicht in Verfahrensakten nehmen, darf rechtliche Bewertungen vornehmen und konkrete Lösungsvorschläge unterbreiten12. Das skizzierte Nebeneinander von gerichtlichem Hinwirken auf eine Einigung, außergerichtlichen Konfliktbeilegungsverfahren und güterichterlicher Vermittlung im FamFG zeigt, welche Bedeutung der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung von Seiten des Gesetzgebers zugemessen wird. Ob sich die Hoffnungen, die insbesondere in die Mediation gesetzt werden, in der Praxis erfüllen, bleibt abzuwarten. Der Erfolg dieser Konfliktbewältigungsverfahren hängt nicht zuletzt davon ab, dass das Verfahrensrecht geeignete Instrumente zur einvernehmlichen Beendigung des anhängigen Gerichtsverfahrens zur Verfügung stellt. Gerade in dieser Hinsicht wirft das noch junge FamFG aber ein besonderes Problem auf, wie sogleich aufgezeigt werden wird.
II. Die Problemstellung: Schwierigkeit der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Verfahrensbeendigungstatbestände des FamFG Kann auf einem der oben angedeuteten Wege eine Einigung zwischen den Beteiligten erzielt werden, ist das Gerichtsverfahren damit noch nicht abgeschlossen. Es stellt sich die Frage, wie das anhängige Verfahren dem gefundenem Konsens entsprechend beendet werden kann. Ideal geeignet ist hierfür der Abschluss eines verfahrensbeendenden Vergleichs. In einem Vergleich lassen sich die Rechtsbeziehungen der Beteiligten entsprechend der gefundenen Einigung umfassend gestalten. Dabei sind die Vergleichsparteien nicht auf den Verfahrensgegenstand beschränkt, sie können auch über außerhalb des Verfahrens liegende Angelegenheiten Regelungen treffen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, am Verfahren nicht beteiligte Dritte in den Vergleich einzubeziehen. Daher eignet sich der Vergleich hervorragend als rechtliche Form einer erfolgreichen Konderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung sah ursprünglich die Ermöglichung einer „gerichtsinternen Mediation“ vor, um die Praxis einiger Gerichte auf eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage zu stellen. Es sollte ermöglicht werden, dass ein nicht entscheidungsbefugter Richter als Mediator fungiert, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ReGEMediatonsG, BTDrs. 17/5335, S. 5. Hiergegen regte sich heftiger Widerstand, vgl. z. B. die Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Referentenentwurf, abrufbar unter http://www.brak.de/w/ files/stellungnahmen/Stn27–2010.pdf (zuletzt abgerufen am: 16. 12. 2014) und die Kritik von Prütting, ZZP 124 (2011), S. 166 ff. Als Reaktion hierauf wurde die „gerichtsinterne Mediation“ nach einer entsprechenden Stellungnahme des Rechtsauschusses des Bundestages aus dem Entwurf komplett gestrichen, vgl. BT-Drs. 17/8058, S. 1. Dagegen wandte sich nun aber der Bundesrat und rief auf Empfehlung seines Rechtsausschusses den Vermittlungsausschuss an (BR-Drs. 10/12). Dieser unterbreitete als Kompromissvorschlag das nun Gesetz gewordene Modell des Güterrichters. Vgl. zum Ganzen Zorn, FamRZ 2012, S. 1265 (1265 f.). 12 Zorn, FamRZ 2012, S. 1265 (1266).
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§ 1 Einleitung
fliktbewältigung. Dem tragen die meisten Prozessordnungen Rechnung, indem sie die Verfahrensbeendigung durch Vergleich grundsätzlich anerkennen13. Auch im FamFG hat der verfahrensbeendende Vergleich in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Regelung erfahren. Zudem ist der verfahrensbeendende Vergleich ein Vollstreckungstitel14. In der Regel gelingt es ohne den Aufwand eines erneuten Gerichtsverfahrens, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich zu betreiben, falls übernommene Verpflichtungen nicht freiwillig erfüllt werden15. Schließlich kann eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich für die Beteiligten Kostenvorteile mit sich bringen16, für die Anwälte erhöhen sich oftmals die Gebühren17 und das Gericht hat meist einen geringeren Arbeitsaufwand. Eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung durch Vergleich ist aber nur möglich, wenn und soweit das Verfahrensrecht und das einschlägige materielle Recht dies zulassen. Den Beteiligten muss die Befugnis zukommen, dass an13 Ausdrücklich normiert ist die Möglichkeit einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich im Verwaltungsprozess gemäß § 106 Satz 1 VwGO, in der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 101 Abs. 1 SGG und für das Beschlussverfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz gemäß § 83a Abs. 1 ArbGG. In der streitigen Gerichtsbarkeit fehlt zwar eine explizite Regelung der prozessbeendenden Wirkung eines Vergleichs. Sie ist aber indirekt durch die §§ 81, 83 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anerkannt (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 130, II 2, Rdnr. 24). Für das Urteilsverfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz fehlt ebenfalls eine ausdrückliche Regelung. Aus dem Verweis des § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG auf § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO lässt sich aber entnehmen, dass auch hier das Gesetz eine Prozessbeendigung durch Vergleich zulässt. Grundsätzlich nicht möglich ist eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich im Strafprozess (statt aller: Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 12, B I, Rdnr. 7), wobei eine Ausnahme für das Privatklageverfahren zu machen ist (Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 63, F IV, Rdnr. 23) und gemäß § 405 StPO im Adhäsionsverfahren gilt. Auch der Finanzgerichtsordnung ist eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich fremd, (Gräber/ Stapperfend, § 76 FGO, Rdnr. 4). 14 Vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für die streitige Zivilgerichtsbarkeit, § 62 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG i. V. m. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für das Urteilsverfahren und § 85 Abs. 1 Satz 1 ArbGG für das Beschlussverfahren vor den Arbeitsgerichten; § 168 Abs. Nr. 3 VwGO für den Verwaltungsprozess und § 199 Abs. 1 Nr. 3 für den Sozialgerichtsprozess. Für Vergleiche gemäß § 36 FamFG ergibt sie dies aus § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG i. V. m. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (ausführlich hierzu unten unter § 2. A. III. 2, S. 31 ff.). 15 Wobei nicht geklärt ist, ob sich die Bereitschaft der Beteiligten eine Einigung zu finden durch die Aussicht, deren Inhalt zwangsweise durchsetzen zu können, erhöht oder verringert (vgl. Ortloff in Schoch/Schneider/Bier [26. EL 2014], § 106 VwGO, Rdnrn. 18 u. 24 [zum Prozessvergleich im Verwaltungsprozess]). 16 Beispielsweise ermäßigt sich die Gerichtsgebühr bei einem Vergleichsschluss im ersten Rechtszug um zwei Gebühren auf eine Gebühr, § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. dem Kostenverzeichnis Nr. 1211 Nr. 3 gemäß Anlage 1 zum GKG. In Familiensachen erfolgt eine Ermäßigung von zwei Gebühren auf eine halbe Gerichtsgebühr, § 3 Abs. 2 FamGKG i. V. m. dem Kostenverzeichnis Nr. 1111 Nr. 3 gemäß Anlage 1 zum FamGKG. 17 Gelingt eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung durch Vergleich, können die mitwirkenden Anwälte in der Regel nach § 2 Abs. 2 RVG i. V. m. dem Vergütungsverzeichnis Nr. 1000, 1003 gemäß Anlage 1 zum RVG eine zusätzliche Einigungsgebühr in Höhe von einer Gebühr abrechnen (Kless in Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Anlage 1 Nr. 1000 VV, Rdnrn. 43, 52).
A. Einführung
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hängige Verfahren autonom zu beenden. In der streitigen Zivilgerichtsbarkeit, der Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit bestehen in dieser Hinsicht regelmäßig keine Probleme. Den Parteien kommt in den dort anhängigen Prozessen eine umfassende, sich aus zahlreichen einzelnen Bestimmungen ergebende Herrschaft über den Streitgegenstand zu18. Diese, heute meist mit dem Begriff der Dispositionsmaxime umschriebene19, Herrschaft beinhaltet auch das Recht, dem Gericht die Befugnis zur Entscheidung des Rechtstreits zu nehmen und sich dabei der Form des Vergleichs zu bedienen20. Daneben gestattet es das entscheidungserhebliche materielle Recht in Verfahren der streitigen Zivilgerichtsbarkeit und der Arbeitsgerichtsbarkeit den Parteien meist, innerhalb der allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit die gewünschten Regelungen ihrer Rechtsverhältnisse in dem Vergleich zu treffen21. Es verwundert daher nicht, dass sich die Verfahrensbeendigung durch Prozessvergleich in der Praxis der streitigen Zivilgerichtsbarkeit und der Arbeitsgerichtsbarkeit großer Beliebtheit erfreut, wie aktuelle Zahlen statistischen Bundesamtes belegen22. Die Par18 Vgl. z. B. §§ 253 Abs. 1, 2 ZPO, §§ 81 Abs. 1, 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach denen der Kläger bestimmt, ob ein Verfahren beginnt und dessen Gegenstand festlegt oder die §§ 308 Abs. 1, 528, 539 Abs. 1 ZPO, §§ 88, 129, 141 Satz 1 VwGO gemäß derer das Gericht nicht über die Parteianträge hinausgehen darf. Ähnliche Regelungen finden sich im SGG und im ArbGG. 19 Siehe statt vieler Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 76, I 1, Rdnrn. 1 ff. für den Zivilprozess und Lüke, JuS 1961, S. 41 (41 f.) für den Verwaltungsprozess. Davon zu unterscheiden ist die Herrschaft der Parteien über den Tatsachenstoff, die überwiegend mit den Begriffen Verhandlungsmaxime oder Beibringungsgrundsatz umschrieben wird. Zwingend ist diese Abgrenzung nicht, denn auch die Bestimmung über den Tatsachenstoff ist Disposition (Brüggemann, Judex statutor und judex investigator, S. 100 f.). Sie ist aber ganz üblich, daher soll ihr im Rahmen der dieser Untersuchung gefolgt werden. 20 Statt aller: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 76, II, Rdnr. 3 für den Zivilprozess und Lüke, JuS 1961, S. 41 (42) für den Verwaltungsprozess. 21 Etwas anderes ist es in der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit. Hier setzt das öffentliche Recht der materiell-rechtlichen Verfügungsfreiheit der Parteien oft Grenzen (vgl. für den Verwaltungsprozess z. B. Franke, Vergleich im Verwaltungsprozeß, S. 94 ff.). 22 Im Jahre 2013 wurden 15, 2 % der von den Amtsgericht erledigten Zivilprozesssachen durch Vergleich erledigt, bei den vor dem Landgericht in erster Instanz erledigten Zivilprozesssachen waren es sogar 25,3 % (Publikationen des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 10, Reihe 2.1 – 2013, S. 22 [Amtsgerichte] und S. 48 [Landgerichte], abrufbar im Internet unter: https:// www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/GerichtePersonal/Zivilgerichte. html [zuletzt abgerufen am: 16. 12. 2014]). In den Urteilsverfahren der Arbeitsgerichte wurden 2013 sogar 76,8 % der Verfahren durch Vergleich erledigt, in Beschlussverfahren immerhin 22,6 % (Publikationen des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 10, Reihe 2.8 – 2013, S. 22 [Urteilsverfahren] und S. 50 [Beschlussverfahren], abrufbar im Internet unter: https://www. destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/GerichtePersonal/Arbeitsgerichte. html [zuletzt abgerufen am: 16. 12. 2014]). In der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit werden weniger Verfahren durch Prozessvergleich beendet, was möglicherweise mit den materiell-rechtlichen Grenzen zusammenhängt, die einem Vergleichsschluss hier gesetzt sind (siehe vorherige Fn. 21). 2011 wurden vor den Sozialgerichten 10,0 % aller Verfahren durch Vergleich beendet (Publikationen des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 10, Reihe 2.7 – 2013, S. 20, abrufbar im Internet unter: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/
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§ 1 Einleitung
teien des Zivil-, Arbeits-, Verwaltungs- oder Sozialgerichtsprozesses besitzen aufgrund ihrer Dispositionsmacht neben dem Vergleichsschluss auch andere Möglichkeiten, das anhängige Verfahren einvernehmlich zu beenden. Diese können im Einzelfall ebenfalls geeignet sein, ihren Bedürfnissen Rechnung zu tragen. In Betracht kommen etwa eine einverständliche Klagerücknahme, eine beidseitige Erledigungserklärung und die Abgabe eines prozessualen Anerkenntnisses oder Verzichts23. Im Unterschied zum Zivil-, Arbeits-, Verwaltungs- oder Sozialgerichtsprozess besteht in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine generelle Herrschaft der Beteiligten über das Verfahren. Das FamFG bündelt eine Vielzahl sehr verschiedener Verfahren mit unterschiedlichsten Zielsetzungen. Deswegen lässt sich das Verhältnis von Dispositionsfreiheit der Beteiligten einerseits und den Befugnissen des Gerichts andererseits nicht einheitlich für alle Verfahren bestimmen. Es gibt Verfahren nach dem FamFG, in denen die Durchsetzung privater Rechte im Vordergrund steht, etwa die Ehewohnungs- und der Haushaltssachen gemäß §§ 1361a, 1361b, 1568a, 1568b BGB, 200 ff. FamFG. In diesen Angelegenheiten haben die Beteiligten eine starke Stellung und können über das Verfahren im weiten Umfang disponieren. Andere Verfahren dienen hingegen vor allem der Wahrung öffentlicher Interessen oder privater Drittbelange. So wird beispielsweise das Gericht in Verfahren, die die elterliche Sorge betreffen, häufig als Kontrollorgan zum Schutz der Kindesinteressen tätig24. In solchen Angelegenheiten sind entsprechend des Verfahrenszwecks die Befugnisse des Gerichts stärker und die Dispositionsmacht der Beteiligten über das Verfahren ist schwächer ausgestaltet oder besteht gar nicht. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Dispositionsfreiheit der Beteiligten ist die Frage, ob die Beteiligten das Verfahren durch Vergleich oder durch andere Dispositionsakte ohne gerichtliche Entscheidung beenden können, in Verfahren nach dem FamFG ungleich schwieriger zu beantworten als in den anderen Prozessordnungen. Dennoch hat der Anwendungsbereich dieser Beendigungstatbestände unter der Geltung des FamFG bislang keine zusammenhängende und umfassende Untersuchung erfahren. Zur Abhilfe dieses Missstandes möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten.
Rechtspflege/GerichtePersonal/Sozialgerichte.html [zuletzt abgerufen am: 16. 12. 2014]). Vor den Verwaltungsgerichten waren es 2012 nur 4,8 % (Publikationen des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 10, Reihe 2.4 – 2012, S. 20, abrufbar im Internet unter: https://www.destatis. de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/GerichtePersonal/Verwaltungsgerichte.html [zuletzt angerufen am: 16. 12. 2014]). 23 v. Bargen, Gerichtsinterne Mediation, S. 335 (für eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung infolge einer gelungenen Mediation). 24 Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 57, IX 2, Rdnr. 101 mit Fn. 220.
C. Die Verfahrensbeendigungstatbestände des FamFG im Überblick
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Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf einer Analyse des für eine einvernehmliche Konfliktbeilegung besonders geeigneten verfahrensbeendenden Vergleichs gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Ergänzend wird auf alternative Formen der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung ohne Endentscheidung eingegangen werden. Außer Betracht bleiben müssen die Möglichkeiten der Beteiligten, auf eine konsensuale Verfahrensbeendigung durch Endentscheidung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG hinzuwirken25.
B. Gang der Untersuchung Im Folgenden soll zum besseren Verständnis zunächst eine kurze Übersicht über die einzelnen Tatbestände der Verfahrensbeendigung (§ 1. B.) und die 1. C.) des FamFG gegeben werden. unterschiedlichen Verfahrenstypen (§ Sodann wird sich der Hauptteil dieser Arbeit der Verfahrensbeendigung durch Vergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG widmen. Dabei sind zunächst dessen Rechtsnatur und Wirkungen in den Blick zu nehmen, soweit dies für die nachfolgende Untersuchung notwendig ist (§ 2. A.). Diesbezüglich wird aufgezeigt werden, dass der Schlüssel zum richtigen Verständnis des verfahrensbeendenden Vergleichs in einer Trennung von Verfahrensbeendigungsvertrag und materiellen Vergleichsregelungen liegt26. Auf dieser Basis kann dann eine nähere Bestimmung des Anwendungsbereichs in sachlicher (§ 2. B. und C.) und in persönlicher Hinsicht (§ 2. D.) stattfinden. Daran anschließend ist auf die Grenzen der materiellen Regelungsfreiheit der Beteiligten in FamFGVerfahren (§ 2. E.) und auf die Vollstreckungsfähigkeit des Vergleichs (§ 2. F.) einzugehen. Zur Vervollständigung wird sodann der Anwendungsbereich von Antragsrücknahme und Beendigungserklärung als Alternativen zum Abschluss eines verfahrensbeendenden Vergleichs beleuchtet (§ 3). Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung (§ 4).
C. Die Verfahrensbeendigungstatbestände des FamFG im Überblick Das FamFG definiert nicht allgemein, wann ein gerichtliches Verfahren beendet ist27. Im Gegensatz zur für die freiwillige Gerichtsbarkeit vor dem 1. September 25 Dies
betrifft etwa die Frage, inwieweit in FamFG-Angelegenheiten eine Verfahrensbeendigung durch Verzicht oder Anerkenntnis entsprechend §§ 306, 307 ZPO möglich ist. Auch auf die Möglichkeiten zur Disposition über die Tatsachengrundlage gerichtlicher Endentscheidungen kann im Rahmen dieser Darstellung nicht eigegangen werden. 26 Näheres und Nachweise unten unter § 2. A. II., S. 20 ff. 27 Zwar spricht § 20 Abs. 3 FamFG davon, dass die Beteiligten ein Verfahren für be-
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§ 1 Einleitung
2009 geltenden Rechtslage haben die meisten Beendigungstatbestände nun aber eine ausdrückliche Regelung im Zuge der FG-Reform erfahren28.
I. Verfahrensbeendigung durch Verfahrenshandlungen 1. Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG Zu den bemerkenswerten Neuerungen des FamFG gehört der bereits erwähnte § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG, mit dem erstmals eine allgemeine Regelung der Verfahrensbeendigung durch Vergleich für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit getroffen wurde29. Unter Geltung des FGG war in der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Abschluss eines Verfahrensvergleichs30 nur in einigen Spezialregelungen ausdrücklich normiert31. Aber bereits vor der FG-Reform war die Verfahrensbeendigung durch wirksamen Abschluss eines Verfahrensvergleichs von der überwiegenden Meinung auch außerhalb dieser ausdrücklich geregelten Fälle grundsätzlich anerkannt32. In Familiensachen fehlte vor der FG-Reform ebenfalls eine ausdrückliche Regelung des Verfahrensvergleichs. Die grundsätzliche Anerkennung der Verfahrensbeendigung durch Prozessver-
endet erklären können. Damit wird jedoch nur eine mit der zivilprozessualen beidseitigen Erledigungserklärung vergleichbare besondere Form, ein Verfahren nach dem FamFG zum Abschluss zu bringen, gesetzlich geregelt. 28 Bislang fehlt eine Regelung zu Verzicht und Anerkenntnis entsprechend der §§ 306, 307 ZPO. 29 Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 1. 30 Die Bezeichnung „Verfahrensvergleich“ für den Vergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG wird von Gomille (in: Haußleiter, § 36, Rdnr. 2) vorgeschlagen (ebenso MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 13). Da es nach der Terminologie des FamFG in Familiensachen und in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Prozesse, sondern nur Verfahren gibt, passt dieser Begriff besser als der in anderen Verfahrensordnungen gebrauchte Begriff des Prozessvergleichs, wobei freilich fraglich ist, ob sich zwischen Prozess und Verfahren in der Wortbedeutung ein Unterschied festmachen lässt (ablehnend Munding, Vergleiche, S. 17, Fn. 24). Immerhin dient der Begriff Verfahrensvergleich der Abgrenzung zu eben den Prozessvergleichen und soll daher im Folgenden für den Vergleich nach § 36 FamFG gebraucht werden. Zu beachten ist hierbei, dass in der Literatur der Begriff Verfahrensvergleich oftmals für alle Arten eines verfahrensbeendenden Vergleichs verwendet wird. 31 Etwa in § 13 Abs. 2, 3 HausratsVO a. F., § 14 Vertragshilfegesetz a. F. und § 20 Abs. 2 LwVG. 32 Josef, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Jg. 48 (1904), S. 557 (563 ff.); Munding, Vergleiche, S. 87 ff.; Bassenge, Rpfleger 1972, S. 237 (240); Lindacher, JuS 1978, S. 577 (579). Einige Stimmen in der Literatur hielten hingegen einen Vergleichsschluss außerhalb der ausdrücklich geregelten Fälle nicht für unmittelbar verfahrensbeendend. Vielmehr müsse in diesen Fällen die Verfahrensbeendigung durch eine Antragsrücknahme bewirkt werden, die aber mit dem Vergleichsschluss einhergehen könne (so z. B. Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 21 III 3; Keidel/Meyer-Holz [15. Aufl.], Vorb. §§ 8–18 FGG, Rdnr. 24).
C. Die Verfahrensbeendigungstatbestände des FamFG im Überblick
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gleich ergab sich für Familiensachen aber aus deren damaligem Regelungsort im 6. Buch der ZPO33.
2. Antragsrücknahme, Beendigungserklärung Ausdrücklich geregelt ist nunmehr auch die Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 1 FamFG. Diese führt in Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden können34, gemäß § 22 Abs. 2 FamFG zur Beendigung des Verfahrens ipso iure35. Gleiches gilt für die in § 22 Abs. 3 FamFG normierte beidseitige Beendigungserklärung.
II. Verfahrensbeendigung durch Gerichtsakt 1. Durch Endentscheidung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG Regelmäßig wird ein Verfahren nach dem FamFG durch eine verfahrensabschließende Entscheidung des Gerichts beendet36. Für diese Entscheidungen hat das FamFG in § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Bezeichnung „Endentscheidung“ eingeführt. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG handelt sich dabei um eine durch Beschluss37 ergehende Entscheidung38, durch die der Verfahrensgegenstand ganz oder zum Teil erledigt wird39. Davon zu unterscheiden sind Nebenund Zwischenentscheidungen, die nicht zu einer unmittelbaren Verfahrensbeendigung führen40.
33 In der ZPO fehlt zwar auch eine ausdrückliche Regelung des Prozessvergleichs, er wird jedoch indirekt durch das Gesetz anerkannt (siehe oben Fn. 13 mit Nachweisen). 34 Dazu sogleich unten unter § 1. D. I. 2., S. 11. 35 Ob eine Antragsrücknahme auch in anderen Verfahren möglich ist und welche Folgen sie dann hat, wird an späterer Stelle erörtert (siehe unten unter § 3. A. II. und III., S. 143 ff.). 36 Wobei dies freilich nicht stets bedeutet, dass die gerichtliche Auseinandersetzung endgültig abgeschlossen ist. Das Verfahren kann unter Umständen mittels der Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG und der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 1 FamFG in den nächsten Instanzen eine Fortsetzung finden. 37 Das FamFG hat den Beschluss als regelmäßige Entscheidungsform festgesetzt. Davor wurde in der ZPO geregelten Familiensachen durch Urteil entschieden, während es in der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine einheitliche Regelung der Entscheidungsform gab (BT-Drs. 16/6308, S. 195; Keidel/Meyer-Holz, § 38, Rdnr. 2). 38 Ausführlich hierzu Lettau, Beschwerde, S. 15 ff. 39 Ausführlich hierzu Lettau, Beschwerde, S. 20 ff. Ob diese Formulierung vom Gesetzgeber glücklich gewählt wurde, darf bezweifelt werden. Mit Erledigung wird meist eine besondere Form der Verfahrensbeendigung gemeint, vgl. z. B. § 91a ZPO. 40 Keidel/Meyer-Holz, § 38, Rdnr. 4.
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§ 1 Einleitung
2. Verfahrensabschluss durch gerichtlich gebilligten Vergleich Schließlich ist mit § 156 Abs. 2 Satz 2 im FamFG für den Bereich des Umgangs und der Herausgabe eines Kindes als besondere Form der Verfahrensbeendigung der gerichtlich gebilligte Vergleich normiert worden, wobei sich das FamFG hier inhaltlich an den bis zum 1. September 2009 geltenden § 52a Abs. 4 Satz 3 FGG a. F. anlehnt41. Die Besonderheit des gerichtlich gebilligten Vergleichs liegt darin, dass er wie der Verfahrensvergleich einen Konsens der Beteiligten erfordert, im Gegensatz zu diesem aber ohne einen bestätigenden Akt des Gerichts42 nicht wirksam wird.
D. Die Verfahrenstypen des FamFG Das FamFG ist in einen im ersten Buch enthaltenen allgemeinen Teil und einen in den Büchern zwei bis acht enthaltenen besonderen Teil gegliedert. Der besondere Teil enthält Spezialregelungen für einzelne Verfahrensarten, welche den jeweiligen Verfahrensgegenständen entsprechend geordnet sind. Neben dieser durch die Systematik vorgegebenen Differenzierung verschiedener Verfahrensarten werden von Literatur und Rechtsprechung die Verfahrensarten noch in anderer Hinsicht unterschieden. Da die Diskussion um den Anwendungsbereich der einzelnen Tatbestände der Verfahrensbeendigung häufig anhand dieser Unterscheidungen geführt wird, ist es für die weitere Untersuchung erforderlich, diese zunächst zu verdeutlichen.
I. Unterscheidung nach Art der Verfahrenseinleitung Die Verfahren in Familiensachen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden nach der Art der Verfahrenseinleitung unterschieden43. Die Kompetenz zur Verfahrenseinleitung kann ausschließlich dem Gericht oder ausschließlich den Beteiligten zukommen. Manche Verfahren können aber auch sowohl vom Gericht als auch von den Beteiligten eingeleitet werden. 41
§ 52a FGG a. F. wurde durch Art. 8 Nr. 11 des Gesetzes zur Kindschaftsrefom (KindRG) v. 16. 12. 1997 (BGBl. I, S. 2942) mit Wirkung zum 01. 07. 1998 in das FGG eingeführt, betraf allerdings nur Verfahren über den Kindesumgang. 42 In welcher Form diese Billigung zu erfolgen hat, ist bislang noch nicht abschließend geklärt und soll an späterer Stelle untersucht werden, siehe unten § 2. E. III. 2. bb), S. 125 f. 43 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des FGG-RG (BT-Drs. 16/6308, S. 185 r. Sp.); MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 1; Schulte-Bunert/Weinreich/ Brinkmann, Vor §§ 22–37 FamFG, Rdnrn. 3 ff.; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 60 f. Diese Abgrenzung war bereits vor der FG-Reform üblich, vgl. z. B. OLG Hamm, Beschl. v. 02. 06. 1981 – 1 WF 115/81 = FamRZ 1982, S. 94 (94); Keidel/Meyer-Holz (15. Aufl.), Vor §§ 8–18 FGG, Rdnr. 6.
D. Die Verfahrenstypen des FamFG
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1. Amtsverfahren Unter anderem anhand von §§ 24 Abs. 1, 22 Abs. 4, 87 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann man ersehen, dass das FamFG im Gegensatz zu allen anderen Verfahrensordnungen44 eine Verfahrenseinleitung von Amts wegen kennt. In diesen Amtsverfahren45 entscheidet das Gericht über die Einleitung des Verfahrens46. Es ist zur Verfahrenseinleitung verpflichtet, wenn es aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte davon ausgehen muss, dass ein gerichtliches Eingreifen zur Wahrnehmung der ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben erforderlich sein könnte47. Woher das Gericht die Kenntnis der entsprechenden Anhaltspunkte erlangt, ob von Behörden, von Privaten, infolge einer Mitteilung durch ein anderes Gericht gemäß § 22a FamFG oder auch durch Zufall, spielt keine Rolle48. Sofern zur Entscheidung über die Verfahrenseinleitung weitere Vorermittlungen notwendig sind, kann das Gericht diese gemäß § 26 FamFG von Amts wegen vornehmen49.
2. Reine Antragsverfahren In den reinen Antragsverfahren erfolgt die Verfahrenseinleitung nur auf Antrag, das Gericht ist nicht befugt, das Verfahren von sich aus einzuleiten. Die Stellung eines Verfahrensantrags ist mithin notwendige Verfahrensvoraussetzung50. Antragsverfahren sind solche Verfahren, in denen das materielle Recht oder das FamFG das Tätigwerden des Gerichtes ausdrücklich und ausschließlich von einer Antragsstellung abhängig macht51. 44 Keidel/Schmidt
(15. Aufl.), § 12 FGG, Rdnr. 2. Der Begriff Amtsverfahren ist weitgehend üblich, wenngleich er vom FamFG nicht verwendet wird (MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 1; BeckOKFamFG/Burschel, § 23, Rdnr. 2 [Stand: 01. 09. 2014]). Teilweise wird er allerdings unabhängig von der Art der Verfahrenseinleitung verwendet, um die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 26 FamFG in bestimmten Familiensachen herauszustellen (näher: MünchKommFamFG/Ulrici, a. a. O., Rdnr. 2 m. N.). Insofern sollte aber besser an die durch das FamFG eingeführte Unterscheidung zwischen Familienstreitsachen, für die § 26 FamFG gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht gilt, und Familiensachen anknüpft werden (überzeugend MünchKommFamFG/ Ulrici, a. a. O.). 46 Zur umstrittenen Frage, ob in Amtsverfahren auch verfahrenseinleitende Anträge gestellt werden können siehe unten unter § 3. A. II., S. 144 ff. m. N. 47 MünchKommFamFG/Ulrici, § 24, Rdnr. 7; Jansen/v. König/v. Schuckmann, Vor §§ 8–18 FGG, Rdnr. 5; Bassenge in Bassenge/Roth (11. Aufl.), Einleitung FGG, Rdnr. 1. 48 Statt aller: Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 24, Rdnr. 2. 49 Statt aller: Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 22–37 FamFG, Rdnr. 4. 50 Statt aller: Keidel/Sternal, § 23, Rdnr. 7. 51 Ganz h. M., siehe z. B. Keidel/Sternal, § 23, Rdnr. 5; Bahrenfuss/Rüntz, § 23, Rdnr. 3; BeckOKFamFG/Burschel, § 23, Rdnr. 4 (Stand: 01. 09. 2014); Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 61. Bereits vor der FG-Reform z. B. BGH, Beschl. v. 11. 03. 1987 – IVb ZB 47/84 = NJW 1987, S. 1770 (zur Genehmigung einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich gemäß § 1587o BGB a. F.); Keidel/Schmidt, (15. Aufl.) § 12, Rdnr. 7; Bassenge in Bassenge/ Roth (11. Aufl.), Einleitung FGG, Rdnr. 4; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 13, I 3. Auf 45
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§ 1 Einleitung
3. Verfahren die sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag hin eingeleitet werden können – „unechte Antragsverfahren“ Schließlich gibt es noch Verfahren, die nach dem Gesetz sowohl von Amtswegen als auch auf Antrag eingeleitet werden können. Diese werden als „unechte Antragsverfahren“ bezeichnet52. Hierzu zählen etwa die Bestellung eines Betreuers gemäß § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB53 oder die Entlassung eines Amtsoder Vereinsvormunds nach § 1887 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB54.
II. Fürsorge- und Streitverfahren Eine weitere gängige Differenzierung der Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit knüpft an die Aufgabe des Gerichts an. Es werden Fürsorgeverfahren und Streitverfahren unterschieden55. Gesetzlichen Ausdruck hat diese Einteilung weder im FGG noch im FamFG erfahren56.
1. Fürsorgeverfahren Das FamFG kennt zahlreiche Verfahren, die nicht oder zumindest nicht in der Hauptsache die Entscheidung eines Rechtsstreits zum Ziel haben. Um diese Verfahren von den Streitsachen abzugrenzen, wurden sie bereits unter Geltung des FGG von Rechtsprechung57 und Literatur58 als Fürsorgeverfahren oder nichtstreitigen Verfahren59 bezeichnet. Teilweise wird auch von „klassischen die a. A., die das Bestehen von „verkappte Antragsverfahren“ für möglich hält, ist an spätere Stelle einzugehen, siehe unten unter § 2. C. IV. 3. d) cc) (1 und 2), S. 66 ff. mit Nachweisen in Fn. 410 ff. 52 Dieser Begriff stammt wohl von Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 18 II 2 S. 125 und wird etwa auch von Prütting/Helms/Ahn-Roth, Vor §§ 23, 24, Rdnr. 3 verwendet. 53 Beachte aber auch § 1896 Abs. 1 Satz 3 BGB. 54 Prütting/Helms/Ahn-Roth, Vor §§ 23, 24, Rdnr. 3 mit weiteren Beispielen. 55 Näheres und Nachweise sogleich. 56 Bumiller in Bumiller/Harders, § 1, Rdnr. 13. Möglicherweise hatte der Gesetzgeber aber eine entsprechende Regelungsabsicht. Näheres hierzu unten unter § 2. E. II. 1. a), S. 100 f. 57 Vgl. z. B. BGH, Beschl. v, 25. 06. 1975 – IV ZB 35/74 = BGHZ 65, S. 41 (44); BayObLG, Beschl. v. 28. 07. 1978 – BReg. 1 Z 45/78 = BayObLGZ 1978, S. 243 (246); OLG Köln Beschl. v. 03. 06. 1991 – 2 Wx 16/91 = OLGZ 1991, S. 403 (405); OLG Hamm, Beschl. v. 21. 07. 1970 – 15 W 122/70 = OLGZ 1971, S. 87 (88). 58 Statt vieler z. B. H. Zimmermann, Rpfleger 1962, S. 42 (42); ders., 1980, S. 209 (210); Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 6, I, S. 32. Laut Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 1, III 1, Fn. 10 geht der Begriff „Rechtsfürsorge“ auf Kern zurück (zuerst wohl in: Gerichtsverfassungsrecht [1949], S. 10). 59 Die Begriffe „Fürsorgeverfahren“ und „nichtstreitige Verfahren“ werden synonym verwendet, siehe z. B. MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnrn. 3 f. Im Rahmen dieser Untersuchung wird der besseren Unterscheidbarkeit halber im Folgenden stets die Bezeichnung Fürsorgeverfahren verwendet.
D. Die Verfahrenstypen des FamFG
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Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit“60 oder „Kernverfahren“61 gesprochen. Auch nach dem Erlass des FamFG halten Rechtsprechung62 und Lehre63 überwiegend an der Einteilung der Verfahren in Fürsorge- und Streitverfahren fest. Vereinzelt wird aber auch aufgrund der Regelungsdichte des FamFG kein Bedarf mehr für diese Differenzierung gesehen64. Es werden in Struktur und Zielsetzung sehr unterschiedliche Angelegenheiten zu den Fürsorgeverfahren gezählt, etwa Kindschafts-, Betreuungs-, Nachlass-, Register-, Urkunds- und Aufgebotssachen65. Angesichts der Heterogenität dieser Verfahren verwundert es nicht, dass Rechtsprechung und Literatur bislang keine Definition des Begriffs Fürsorgeverfahren gelungen ist. Zumeist wird sich darauf beschränkt, die Rolle des Gerichts zu umschreiben. Statt neutraler Streitentscheidung soll die richterliche Tätigkeit in Fürsorgeverfahren im Wesentlichen zwei Aufgaben erfüllen. Zum einen gewähre das Gericht dem Bürger eine „Hilfestellung“ bei der Regelung seiner Angelegenheiten66. Hierfür lassen sich in der Tat zahlreiche Beispiele finden. Vermag beispielsweise ein Erbe wegen komplizierter Verhältnisse die Abwicklung des Nachlasses selbst nicht zu leisten, kann er zum Zweck der Befriedigung der Nachlassgläubiger gemäß § 1981 Abs. 1 BGB die Anordnung einer Nachlassverwaltung beantragen67. Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer Behinderung 60 So z. B MünchKommFamFG/Pabst, § 1, Rdnr. 16; Pawlowski in Pawlowski/Smid, Freiwillige Gerichtsbarkeit; § 2, I 1, Rdnr. 21 f.; Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 1, III 1 a. E. 61 So Holzer in Holzer, § 1, Rdnr. 2; auch die Regierungsbegründung zum FGG-RG spricht von „rechtsführsorgenden Kernverfahren“ (vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 177 r. Sp. und speziell für das Aufgebotsverfahren S. 171 l. Sp., 319 l. Sp.) 62 So hat das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 10. 01. 2013 – I-3 Wx 155/12 = NJW-RR 2013, S. 843 [843]) das Verfahren zur Setzung einer Inventarfrist als „Nicht-Streitverfahren“ qualifiziert; ähnlich das OLG Brandenburg (Beschl. v. 16. 04. 2012 – 6 Wx 3/11 –, Rdnr. 37, zitiert nach juris) bzgl. der Aufgebotssachen nach §§ 433 ff. FamFG und das OLG Zweibrücken (Beschl. v. 06. 03. 2012 – 3 W 26/12 = FGPrax 2012, S. 230 [230]) bzgl. eines von Amts wegen betriebenem Löschungsverfahrens gemäß § 394 Abs. 1 FamFG. Siehe auch Fn. 73 zur Einordnung einzelner Verfahren als Streitverfahren durch die Rechtsprechung. 63 Keidel/Sternal, § 1, Rdnrn. 30 f.; MünchKommFamFG/Pabst, § 1, Rdnr. 16; MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnrn. 3 f.; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 55 ff., 59 f.; Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnrn. 10 ff.; Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab, § 1, Rdnrn. 7 f.; Holzer in Holzer, § 1, Rdnr. 2; Zöller/Feskorn, Vor § 23 ff. FamFG, Rdnr. 4. Zumindest für den Verfahrensvergleich auch Kemper/Schreiber/Schreiber, § 36, Rdnr. 5. 64 So Bumiller in Bumiller/Harders, § 1, Rdnr. 13; § 112, Rdnrn. 4 f.; ähnlich Knöringer, Freiwillige Gerichtsbarkeit; S. 3. Eine ausführlichere Diskussion dieser Auffassung erfolgt aus Gründen des Sachzusammenhanges unten unter § 2. E. II. a), S. 96 ff. 65 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 55. 66 Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 6 I 2, S. 33; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 38. 67 Wobei es keine Voraussetzung für die Anordnung einer Nachlassverwaltung ist, dass der Erbe tatsächlich Hilfe bei der Abwicklung des Nachlasses benötigt, er kann etwa auch aus reiner Bequemlichkeit die Nachlassverwaltung beantragen (Staudinger/Marotzke, [2010] § 1981 BGB, Rdnr. 13; a. A. Notariat-NachlG Mannheim, Beschl. v. 22. 03. 74 – 8 H 309/74 =
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§ 1 Einleitung
seine Angelegenheiten nicht oder nicht vollständig selbst besorgen, bestellt das Betreuungsgericht zu seinem Wohl einen Betreuer (§§ 1896 Abs. 1, 1901 Abs. 1, Abs. 2 BGB). Daneben wird betont, dass das Gericht in den nicht auf Streit entscheidung gerichteten FamFG-Verfahren oft eine im öffentlichen Interesse gebotene staatliche Kontrolle privaten Handelns ausübe68. Auch diese Funktion richterlicher Tätigkeit zeigt sich in zahlreichen Fürsorgeverfahren. So hat das Gericht in den Verfahren, die die elterliche Sorge betreffen (§ 151 Nr. 1 FamFG), oftmals elterliches Handeln auf seine Vereinbarkeit mit dem Kindesinteresse zu überprüfen69. Hilfestellung und Kontrolle sind auch häufig miteinander verknüpft. So hat beispielsweise in Vormundschaftssachen das Familiengericht einerseits den Vormund bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu beraten (§ 1837 Abs. 1 Satz 1 BGB) und andererseits dessen Tätigkeit zu beaufsichtigen (§ 1837 Abs. 2 BGB).
2. Streitverfahren Nach dem FamFG werden aber auch zahlreiche Verfahren abgehandelt, in denen das Gericht nicht zur Unterstützung oder Kontrolle der Beteiligten tätig wird, sondern vergleichbar mit dem Zivil- oder Verwaltungsprozess als neutrale Streitentscheidungsinstanz fungiert. Diese Verfahren wurden vor der FGReform ganz überwiegend unter dem Begriff der (echten70) Streitverfahren71 zusammengefasst72. Dies hat sich nach dem Inkrafttreten des FamFG fortgesetzt73. BWNotZ 1975, S. 27 [28]; LG Tübingen, Beschl. v. 18. 03. 1983 – 5 T 23/83 = BWNotZ 1984, S. 167 [168]). 68 Thubauville, Wirkungen, S. 18; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 6 I 2, S. 33; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 38. 69 Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 57, IX 2, Rdnr. 101 mit Fn. 220. 70 Dieses teilweise verwendete Attribut ist überflüssig, da „unechte“ Streitsachen nicht existieren (Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 57, Fn. 7). 71 Der Begriff findet sich bereits früh in der Literatur, vgl. z. B; Schneider, ZZP 29 (1901), S. 96 (110); Josef, CblFG 4 (1904), S. 600 (603); ders., Seuff. Bl. 75 (1910), S. 667 (698); ähnlich Schultzenstein, ZZP 43 (1913), S. 301 (332) („echte Rechtstreitigkeiten“) und Weißler, FGG, Einl. IV 1c, S. 13 f. („echter Streit“). Laut Thubauville, Wirkungen, S. 19 wurde hierbei an eine Bemerkung aus der Denkschrift zum Entwurf des FGG angeknüpft, wonach in bestimmten Fällen „aus Zweckmäßigkeitsgründen über streitige Rechtsverhältnisse im Wege des Verfahrens der freiw. Gerichtsbarkeit entschieden“ werde (vgl. die Begründung zu § 15 FGG in der Denkschrift zum Entwurf des FGG, S. 36 [in: Hahn/Mugdan, Band VII, S. 37]). 72 Eine Aufzählung einzelner Streitverfahren findet sich bei Keidel/Sternal, § 1 Rdnrn. 34 f. (privatrechtliche) und Rdnr. 42 (öffentlich-rechtliche). 73 So hat beispielsweise das KG das Verfahren in Gewaltschutzsachen als Streitverfahren bezeichnet (Beschl. v. 09. 02. 2012 – 19 UF 125/11 = FamRZ 2012, S. 1323 [1324]); ebenso das OLG Stuttgart bzgl. des Verfahrens zur Auskunftserzwingung nach §§ 131, 132 AktG (Beschl. v. 29. 02. 2012 − 20 W 5/11 = ZIP 2012, S. 970 [976 {bb (1) der Entscheidungsgründe}, 978 {(1.2) der Entscheidungsgründe}] „Porsche“) und das OLG Frankfurt bzgl. des Verfahrens zur Ersetzung der Zustimmung des Grundstückeigentümers zum Erwerb eines Erb-
D. Die Verfahrenstypen des FamFG
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Das wesentliche Merkmal der Streitsachen soll nach herrschender Ansicht darin bestehen, dass das Gericht in diesen Verfahren materiell rechtskräftig über subjektive Rechte zwischen den Verfahrensbeteiligten entscheide74. Der Begriff „Streit“ wird nicht wörtlich verstanden. Es genüge, dass sich Beteiligte mit gegensätzlichen Interessen gegenüberstünden75. Ein Streitverfahren liege mithin auch dann vor, wenn die Beteiligten das Gericht einvernehmlich anriefen76. Auch sei es nicht erforderlich, dass das Gericht eine streitige Verhandlung durchführe77. Je nachdem, ob der Gegenstand des Verfahrens privater oder öffentlich-rechtlicher Natur ist, wird zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitverfahren unterschieden78.
3. Keine Identität mit der Unterscheidung zwischen Amts- und Antragsverfahren Die Kategorien Streit- und Fürsorgeverfahren decken sich nicht mit der Unterscheidung zwischen Amts- und Antragsverfahren79. Innerhalb der zu den Fürsorgesachen gezählten Verfahren finden sich Amtsverfahren, unechte Antragsverfahren und reine Antragsverfahren. Eine verbreitete Ansicht geht zwar davon aus, dass alle Streitverfahren Antragsverfahren sind80. Dies ist aber unbaurechts gemäß § 7 Abs. 3 ErbbauRG (Beschl. v. 27. 12. 2011 – 20 W 81/11 = FGPrax 2012, S. 89 [90]). Aus Literatur siehe die in Fn. 63 Genannten und zur a. A. die Nachweise in Fn. 64. 74 BGH, Beschl. v. 05. 04. 2001 – III ZB 48/00 = NJW 2001, S. 2181 (2181); BayObLG, Beschl. v. 20. 03. 1989 – BReg. 1 a Z 59/88 = FamRZ 1989, S. 886 (886); Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnr. 12; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 23–37, Rdnr. 5; Bärmann; Freiwilliger Gerichtsbarkeit, § 4 II 2; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 7 I 2, S. 38; ähnlich Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 57. 75 BGH, Beschl. v. 27. 10. 1982 – IV b ZB 719/81 = FamRZ 1983, S. 44 (46); Beschl. v. 5. 4. 2001 – III ZB 48/00 = NJW 2001, S. 2181 (2181); BayObLG, Beschl. v. 20. 3. 1989 – BReg. 1 a Z 59/88 = FamRZ 1989, S. 886 (886); Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 33; Bärmann; Freiwilliger Gerichtsbarkeit, § 4 II 2; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 7 I 2, S. 38. Die Gegenansicht von Peters (MDR 1952, S. 137 [138 f.]), der den Begriff „Streit“ wörtlich nehmen möchte, hat keine Zustimmung gefunden. 76 BGH, Beschl. v. 27. 10. 1982 – IV b ZB 719/81 = BGHZ 85, S. 180 (188); Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 33; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 7 I 2, S. 38. 77 Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 33. 78 Vgl. z. B. Keidel/Sternal, § 1, Rdnrn. 30, 33 ff., 41 ff.; Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnrn. 10, 12, 15; MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 5; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 23–37, Rdnr. 5; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 55; siehe auch die Nachweise zum FGG in Fn. 594. 79 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 60; Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnr. 16; Lettau, Beschwerde, S. 21. 80 So Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 23–37, Rdnr. 5 und § 23, Rdnr. 8; Prütting/Helms/Ahn-Roth, Vor §§ 23, 24, Rdnr. 3. Möglicherweise auch Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 30, der innerhalb der Fürsorgeverfahren zwischen Amts- und Antragsverfahren unterscheidet, dies aber bei den Streitsachen unterlässt. Bereits vor der FG-Reform: Jansen/v. König/v. Schuckmann, Vor §§ 8–18 FGG, Rdnr. 58; Bärmann, AcP 154 (1955), S. 373 (393).
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§ 1 Einleitung
zutreffend81. Streitverfahren sind zwar zumeist Antragsverfahren, es finden sich aber auch hier Amtsverfahren. So kann das Versorgungsausgleichsverfahren, das allgemein zu den Streitsachen gezählt wird82, in den Fällen der §§ 6 bis 19 und 28 VersAusglG83 gemäß § 137 Abs. 2 Satz 2 FamFG von Amts wegen eingeleitet werden84.
III. Familien- und Familienstreitsachen Das FamFG unterscheidet des Weiteren innerhalb der Familiensachen gemäß § 111 FamFG zwischen Familienstreitsachen und den übrigen (nichtstreitigen) Familienverfahren. Auf die in § 112 FamFG aufgeführten Familienstreitsachen sind aufgrund der Verweisung in § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG in weiten Teilen nicht die Bestimmungen des allgemeinen Teils des FamFG, sondern die Vorschriften des zweitem Buchs der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden85. Da in Familienstreitsachen gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG anstelle der §§ 23, 24 FamFG der § 253 ZPO86 zur Anwendung kommt, sind alle Familienstreitsachen Antragsverfahren87. Die Einteilung in Familien- und Familienstreitsachen beruht nicht auf der oben dargestellten Unterscheidung zwischen Streit- und Fürsorgeverfahren88. Dem Gesetzgeber ging es bei der Einführung der Kategorie „Familienstreitsachen“ darum, diejenigen Familiensachen zusammenzufassen, in der weitgehend die Vorschriften der ZPO zur Anwendung kommen sollen89. Dabei handelte es sich zum größten Teil, wenn auch nicht vollständig, um die Verfahren, die vor der FG-Reform üblicherweise als „ZPO-Familiensachen“ bezeichnet wurden90. Den Gesetzesmaterialien kann nicht entnommen werden, dass man 81
So zu Recht die in Fn. 79 Genannten. BGH, Beschl. v. 25. 06. 1980 – IV b ZB 625/80 = NJW 1980, S. 2418 (2419); Beschl. v. 27. 10. 1982 – IVb ZB 719/81 = BGHZ 85, S. 180 (188); Beschl. v. 31. 07. 2002 – XII ZB 102/00 = NJW 2002, S. 3463 (3463); Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 34; Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnr. 13; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 60. 83 Gesetz über den Versorgungsausgleich – Versorgungsausgleichsgesetz – (VersAusglG), eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03. 04. 2009, BGBl. I, S. 700. 84 Hierauf weist zutreffend Brehm (Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 60) hin; ebenso Lettau, Beschwerde, S. 21; Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnr. 16. 85 Gleiches ordnet § 113 Abs. 1 FamFG für die in § 121 FamFG definierten Ehesachen an. 86 Wobei gemäß § 113 Abs. 5 Nr. 2 FamFG der Begriff der Klage durch die Bezeichnung „Antrag“ zu ersetzen ist. 87 MünchKommFamFG/Ulrici, § 24, Rdnr. 2. Gleiches gilt für Ehesachen. 88 Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnr. 13; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 57; generell für obsolet hält Bumiller (a. a. O, Fn. 64) die Unterscheidung zwischen Streit- und Fürsorgesachen. A. A. offenbar MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 4 (dazu sogleich). 89 Vgl. die Regierungsbegründung zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 163 r. Sp. 90 BT-Drs. 16/6308, S. 223 l. Sp.; vgl. auch Prütting/Helms/Helms, § 112, Rdnr. 1; Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnr. 13; MünchKommZPO/Rauscher, 3. Aufl. (Band 1), Einl., Rdnr. 186. 82
D. Die Verfahrenstypen des FamFG
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damit gleichzeitig auch an die für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entwickelte Kategorie der Streitsachen anknüpfen wollte91. Es liegt näher, dass der Reformgesetzgeber, sofern er die terminologische Ähnlichkeit des neuen Begriffs Familienstreitsachen mit der alten Bezeichnung Streitsachen nicht schlicht übersehen hat, entweder die Einteilung in Fürsorge- und Streitverfahren durch die Schaffung des FamFG stillschweigend für obsolet hielt oder aber sich zumindest nicht an ihr orientierte. Nur so lässt sich erklären, dass bestimmte Verfahren, die unter Geltung des FGG allgemein und unbestritten zu den Streitsachen gezählt wurden, nach der Reform nicht zu den Familienstreitsachen zählen, ohne dass sich eine Begründung hierfür findet92. Zu nennen ist hier das Versorgungsausgleichsverfahren gemäß § 217 ff. FamFG93. Auch das Verfahren gemäß § 1357 Abs. 2 Satz 1 BGB, das nunmehr allgemein als Streitsache angesehen wird94, wurde als einzige sonstige Familiensache im Sinne des § 266 FamFG nicht den Familienstreitsachen zugeordnet, da § 112 Nr. 3 FamFG nur auf § 266 Abs. 1 FamFG verweist, nicht aber auf § 266 Abs. 2 FamFG.
91
So aber MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 4. diese Diskrepanz zwischen Familienstreitsachen und den früheren FGG-Streitsachen weist zu Recht Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnr. 13 hin. 93 Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnr. 13. Siehe auch oben § 1. D. II. 3., S. 16. 94 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 57 f.; Keidel/Sternal, § 1 Rdnr. 34. 92 Auf
§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG A. Begriff, Rechtsnatur und Wirkungen des Verfahrensvergleichs I. Begriffsbestimmung und Abgrenzung Das FamFG definiert den im § 36 Abs. Satz 1 FamFG verwendeten Begriff „Vergleich“ nicht. Auch die Gesetzesbegründung zu § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG schweigt in dieser Hinsicht. Im materiellen Recht finden sich Legaldefinitionen des Vergleichs in § 779 Abs. 1 BGB und § 55 VwVfG95. Diese Definitionen betreffen aber nur den Vergleich als materielles Rechtsgeschäft und passen deshalb nicht auf den Verfahrensvergleich, der (ausschließlich oder zumindest auch96) ein Vertrag zur Beendigung eines laufenden Verfahrens ist. In der Literatur wird größtenteils auf Definitionsversuche verzichtet. Eine Ausnahme bildet insofern die Begriffsbestimmung von Ulrici97. Dieser bezeichnet den Verfahrensvergleich anknüpfend an bereits vor der FG-Reform gebräuchliche Definitionsversuche als eine im Rahmen des laufenden Verfahrens von den Beteiligten erzielte Einigung über den gesamten oder einen Teil des Verfahrensgegenstandes98. Diese Definition stellt zutreffend die Wesensmerkmale des Vergleichs nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG heraus. Der Vergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG kommt, wie § 36 Abs. 2 Satz 2 FamFG belegt, durch Einigung zustande. Die Verfahrensbeendigung tritt ein, weil die Beteiligten dies übereinstimmend wünschen99. Ein Vergleichsschluss setzt deshalb stets einen äußerlich zutage getretenen Konsens der Beteiligten, das heißt einen Vertragsschluss, voraus100. Unabhängig von der Frage, ob man die zum Vergleichsschluss erforderlichen Akte der Beteiligten als materiell-rechtliche Willenserklärungen oder Verfahrenshandlungen qualifiziert oder ihnen eine Doppelnatur zuspricht, bedarf es stets des Zusammenwirkens von mindestens zwei Beteiligten. Insofern unterscheidet sich der Verfahrensvergleich von ein95
Ebenso in § 55 der wortlautgleichen Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. Dazu sogleich unter § 2. A. II., S. 20 ff. 97 MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 13. 98 Ulrici (MünchKommFamFG, § 36, Rdnr. 13, Fn. 40) verweist auf Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 21, III 1 und Jansen/v. König/v. Schuckmann, Vor §§ 8–18 FGG, Rdnr. 80, die sich ihrerseits an der Definition des Prozessvergleichs gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anlehnen. 99 So bereits Hellwig, Festgabe Gierke II, S. 41 (81). 100 Allgemeine Ansicht, statt aller z. B. Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 8. 96
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
seitigen Akten der Verfahrensbeendigung wie etwa der Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 1 FamFG, die bis zum Erlass einer Endentscheidung auch einseitig und unabhängig von einer Zustimmung der anderen Beteiligten erfolgen kann. Des Weiteren zeichnet einen Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG aus, dass die Einigung der Beteiligten zumindest teilweise auch den Verfahrensgegenstand betrifft101. Fehlt es daran, handelt es sich um einen rein materiell-rechtlichen Vertrag, mithin nicht um einen Verfahrensvergleich102, dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen sich ausschließlich nach materiellem Recht richten103. Dieser entfaltet keine verfahrensbeendende Wirkung104 und ist kein Vollstreckungstitel105. Allerdings kann ein Verfahrensvergleich auch nicht vom Verfahren umfasste Gegenstände mitregeln (Mehrvergleich)106 und zwar auch dann, wenn es sich um rechtswegfremde Materien handelt107.
II. Rechtsnatur des Verfahrensvergleichs 1. Ausgangspunkt Um den Konflikt zwischen den Beteiligten dauerhaft zu befrieden, reicht die Beendigung des Verfahrens allein oft nicht aus. Meist ist es erforderlich, dass die Beteiligten bei dem Abschluss eines verfahrensbeenden Vergleichs auch bindende Regelungen auf dem Gebiet des materiellen Rechts treffen108. Es muss sich dabei nicht stets um Vergleiche im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB oder § 55 VwVfG handeln109. Denkbar ist auch, dass die Beteiligten die Verfahrensbeendigung mit anderen materiell-rechtlichen Vereinbarungen, etwa einem 101 Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 9; MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 13. Bereits vor der FG-Reform: Müller, JZ 1954, S. 17 (17). Eine andere Frage ist, ob die Beteiligten den Verfahrensgegenstand einer materiell-rechtlichen Regelung unterziehen müssen, oder ob sie sich auch schlicht darüber einigen können, das Verfahren über den betreffenden Verfahrensgegenstand ganz oder zum Teil zu beenden, hierzu ausführlich unten unter § 2. A. II. 2., S. 24 ff. und unter § 2. C. II. 3., S. 50. 102 MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 14. 103 MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 14. 104 MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 14. 105 Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 50. 106 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 314 r. Sp. Ebenso Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 6 und Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 8, letzterer m. w. N. auch zu der bereits vor dem Erlass des FamFG in diesem Sinn entscheidenden Rechtsprechung. Umstritten ist, ob für verfahrensfremde Gegenstände auch ein Vollstreckungstitel geschaffen werden kann (dazu unten unter § 2. F. III., S. 140 f.). 107 Siehe nur Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 8 m. w. N. 108 Wenn es auch vorkommen kann, dass die schlichte Verfahrensbeendigung genügt, um den Konflikt zu beenden, ohne dass materiell-rechtliche Regelungen getroffen werden müssen (Stein/Jonas/Münzberg, § 794 ZPO, Rdnr. 6). Gerade in den Amtsverfahren des FamFG kann hierfür ein besonderes Bedürfnis bestehen (siehe sogleich unter § 2. A .II. 2., S. 27 f.). 109 Wagner, Prozeßverträge, S. 523 unter Bezugnahme auf Lehman (Prozeßvergleich, S. 96 ff.), der aufgrund seines Verständnisses des Prozessvergleichs als Tatbestand mit mate-
A. Begriff, Rechtsnatur und Wirkungen des Verfahrensvergleichs
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Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB, kombinieren wollen110. Jedenfalls sollen im Zuge eines Vergleichsschlusses regelmäßig sowohl verfahrensrechtliche als auch materiell rechtliche Wirkungen erzielt werden. Dies wirft die Frage auf, welche Rechtsnatur einem verfahrensbeendenden Vergleich zukommt. Hierüber bestehen seit langem unterschiedliche Auffassungen111. Dabei wird die Diskussion vor allem anhand des in einem Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit geschlossenen Prozessvergleichs (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) geführt. Sie betrifft aber alle verfahrensbeendenden Vergleiche und lässt sich auch auf den in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG geregelten Verfahrensvergleich übertragen. Im Wesentlichen sind vier Grundpositionen in diesem Streit erkennbar. Ältere Stimmen wollten den verfahrensbeenden Vergleich als rein materiell-rechtliches Rechtsgeschäft112 oder als ausschließlich verfahrensrechtlichen Tatbestand113 qualifizieren. Ein rein materiell-rechtliches Verständnis vermag jedoch nicht zu erklären, warum ein wirksamer Vergleich das anhängige Verfahren unmittelbar beenden kann, also verfahrensrechtliche Wirkungen entfaltet114. Ein rein prozessuales Verständnis wiederum überzeugt jedenfalls dann nicht, wenn durch den Vergleichsschluss auch materiell-rechtliche Regelungen getroffen werden sollen, die über die bloße Verfahrensbeendigung hinausgehen. Denn es kann nicht erklären, warum durch die Vornahme von Prozesshandlungen ohne weiteres unmittelbar verbindliche materielle Regelungen zwischen den Vergleichsparteien getroffen werden können115. Beide Extrempositionen werden daher in jüngerer Zeit kaum noch befürwortet. riell-rechtlicher und prozessrechtlicher Doppelnatur (dazu sogleich auf. S. 22 f.) in diesen Fällen eine analoge Anwendung der §§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO befürwortet (a. a. O., S. 103 f.). 110 Bereits Lehmann (Prozeßvergleich, S. 96 ff., 110 ff.) hat erkannt, dass die Vergleichsparteien hierfür ein Bedürfnis haben können. 111 Einen Überblick zum Streitstand mit umfangreichen Nachweisen liefert Bonin, Prozeßvergleich, S. 1 ff.; vgl. aus jüngerer Zeit auch die Darstellung von Lindacher, Festgabe BGH (Band III), S. 253 (254 ff.). 112 Jünger, Prozeß-Vollmacht, S. 19 ff.; Kluth, Prozeß-Vergleich, S. 9; Falckenthal, Die Wirkung des Prozeßvergleichs, S. 31 f.; Dienstmann, Anfechtbarkeit, S. 27; zuletzt noch Rosenberg, Zivilprozessrecht (9. Aufl.), § 128, I 1, S. 623. Nicht ganz eindeutig war die Rechtsprechung des Reichsgerichts. Einerseits wurde betont, dass die Rechtsnatur des Prozessvergleichs die eines „bloßen Privatvertrages“ sei (so z. B im Urt. v. 05. 01. 1912 – VII 266/11 = RGZ 78, S. 286 [287] und im Urt. v. 10. 11. 1936 – VII 97/36 = RGZ 153, S. 65 [67]). Andererseits sollte er bzgl. seiner prozessbeendigenden Wirkung eine Prozesshandlung darstellen (vgl. z. B. Urt. v. 27. 04. 1937 – VII 333/36 = RGZ 154, S. 319 [320]) und in dieser Hinsicht am Prozessrecht zu messen sein (vgl. Urt. v. 05. 01. 1912, a. a. O.). 113 Paul, Vergleich im Civilprozeß, S. 3, 9, 19 ff.; Reichel, AcP 104 (1909), S. 1 (107); Liermann, Anfechtung, S. 38; in diese Richtung gehend auch Bülow, Geständnissrecht, S. 25, Fn. 2; zuletzt wohl Hartmann in Baumbach/Lauterbach (59. Aufl.), Anh. § 307, Rdnr. 3, aber aufgegeben ab der 60. Aufl. (vgl. dort Anh. § 307, Rdnrn. 4 f.). 114 Schiedermair, Vereinbarungen, S. 39; Tempel, FS Schiedermair, S. 517 (520); Lüke, JuS 1965, S. 482 (482). 115 Lehmann, Prozeßvergleich, S. 50; Arens, Willensmängel, S. 103; Schröder, Prozeßvergleich, S. 39; Lüke, JuS 1965, S. 482 (482 f.). Materielle Wirkungen könnte ein verfahrens-
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Vorherrschend sind heute zwei vermittelnde Lösungen, die den prozessualen und den materiellen Wirkungen des Vergleichs gerecht zu werden versuchen. Nach ganz überwiegendem Verständnis in der streitigen116 wie auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit117 wird dem Vergleich heute eine Doppelnatur zugesprochen. Einerseits handele es sich um eine Verfahrenshandlung118, die zur Beendigung des Verfahrens führe. Gleichzeitig stelle der Vergleich andererseits ein materielles Rechtsgeschäft dar, mit dem die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen regelten119. Dementsprechend soll der Verfahrensvergleich sowohl den Anforderungen des Verfahrensrechts an die wirksame Vornahme von Verfahrenshandlungen als auch den Anforderungen des materiellen Rechts genügen müssen120. Indes findet sich in der Literatur zur streitigen Zivilgerichtsbarkeit auch ein abweichendes Verständnis, das meist als die Lehre vom Doppeltatbestand oder als Trennungstheorie bezeichnet wird. Diese geht davon aus, dass beim Zustandekommen eines Prozessvergleichs die Parteien regelmäßig gleichzeitig zwei Verträge abschließen, einen auf die Prozessbeendigung gerichteten Prozessvertrag und zusätzlich einen materiell-rechtlichen Vergleich121. Die beendender Vergleich bei einem rein prozessualen Verständnis nur erzielen, wenn man ihm materielle Rechtskraft zuspricht (MünchKommZPO/Wolfsteiner [Band 2], § 794 ZPO, Rdnr. 12), wozu sich die Vertreter eines rein materiell-rechtlichen Verständnisses aber nicht äußern (MünchKommZPO/Wolfsteiner, a .a. O.). 116 Ständige Rechtsprechung des BGH (siehe z. B.: Urt. v. 10. 03. 1955 – II ZR 201/53 = BGHZ 16, S. 388 [390]; Urt. v. 29. 09. 1958 – VII ZR 198/57 = BGHZ 28, S. 171 [172]; Urt. v. 15. 04. 1964 – I b ZR 201/62 = BGHZ 41, S. 310 [311]); des Bundesverwaltungsgerichts (siehe z. B.: Urt. v. 15. 01. 1960 – VII C 91.58 = BVerwGE 10, S. 110 [110]; Urt. v. 28. 03. 1962 – V C 100.61 = BVerwGE 14, S. 103 [104]; Urt. v. 27. 09. 1961 – I C 93.58 = DÖV 1962, 423 [424]); des BAG (siehe z. B: Urt. v. 30. 05. 1956 – 2 AZR 178/54 = BAGE 3, S. 43 [44]; Urt. v. 09. 05. 1957 – 2 AZR 67/55 = BAGE 4, S. 84 [85]; Urt. v. 22. 04. 1960 – 5 AZR 494/59 = BAGE 9, S. 172 [174]) und des Bundessozialgerichts (siehe z. B.: Urt. v. 26. 04. 1963 – 2 RU 228/59 = BSGE 19, S. 112 [115]; Urt. v. 17. 05. 1989 – 10 RKg 16/88 = DVBl 1990, 214 [214]). Aus der Literatur vgl. statt vieler. z. B. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 130, III 1; Rdnr. 32; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 48, I, Rdnr. 4; Zöller/Stöber, § 794 ZPO, Rdnr. 3; Bork, Vergleich, S. 3, Fn. 10; Lüke, JuS 1965, S. 482 (482 f.); Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 101 SGG, Rdnr. 3; Ortloff in Schoch/Schneider/Bier (26. EL 2014), § 106 VwGO, Rdnr. 27. 117 Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 4; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnrn. 10, 25; Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 7; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnrn. 6 ff.; Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnr. 4; Kemper/Schreiber/Schreiber, § 36, Rdnr. 3; BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnr. 4 (Stand: 01. 09. 2014); Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 8; Zöller/Feskorn, § 36 FamFG, Rdnr. 10. Bereits vor der FG-Reform: Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 18, III 1; Munding, Vergleiche, S. 13 ff. 118 Siehe hierzu die in Fn. 117 Genannten. Diese vielfach verwendete Formulierung ist etwas ungenau. Um einen Vergleich abzuschließen, bedarf es stets mehrerer Verfahrenshandlungen, die in ihrer Wirksamkeit gesondert zu beurteilen sind. 119 Siehe hierzu die in Fn. 117 Genannten. 120 Siehe hierzu die in Fn. 117 Genannten. 121 Hellwig, Festgabe Gierke, S. 41, (S. 80 ff.); bereits Marquardt, JW 1920, S. 1019 (1019 f.) ging offenbar von einer Trennung zwischen prozessualem Tatbestand und materiellem Rechtsgeschäft aus. Aus jüngerer Zeit siehe z. B. Holzhammer, FS Schima, S. 217 (222 f.,
A. Begriff, Rechtsnatur und Wirkungen des Verfahrensvergleichs
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Annahme von zwei getrennten Verträgen bedeutet indes nicht, dass die Wirksamkeitsmängel des einen Vertrags sich nicht auch auf den anderen Vertrag auswirken können. Neuere Spielarten dieser Theorie gehen nämlich davon aus, dass auf diesen Doppeltatbestand § 139 BGB direkt122 oder analog123 angewendet werden könne124. Daher führe die Unwirksamkeit des einen Vertrags im Zweifel, das heißt sofern sich kein abweichender (hypothetischer) Wille der Vergleichsparteien feststellen lasse, gemäß oder analog § 139 BGB zur Unwirksamkeit des anderen Vertrages125.
2. Dogmatische und praktische Bedeutung des Theorienstreits Mittels der (analogen) Anwendung des § 139 BGB gelangen die Vertreter der Lehre vom Doppeltatbestand bei der Behandlung von Wirksamkeitsmängeln zwar oft zu den gleichen Ergebnissen wie die Vertreter der Doppelnaturlehre. Die Bestimmung der Rechtsnatur des Verfahrensvergleichs ist dennoch kein bloßes „Kathederproblem“126, das für die vorliegende Untersuchung vernachlässigt werden könnte. Ob man eine grundsätzliche Trennung zwischen verfahrensbeendendem Vertrag und materiellem Rechtsgeschäft für richtig hält oder von einem Vertrag mit Doppelnatur ausgeht, hat Konsequenzen für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Verfahrensvergleichs. Geht man von der Trennungstheorie aus, muss man die Befugnis der Beteiligten, einen verfahrensbeendenden Vertrag zu schließen, von den materiell-rechtlichen Regelungsbefugnissen sondern und getrennt ermitteln. Erst in einem zweiten auch zum österreichischen Recht); Tempel, FS Schiedermair, S. 517 (521 ff.); Wagner, Prozeßverträge, S. 43 ff., 515; MünchKommZPO/Wolfsteiner (Band 2), § 794 ZPO, Rdnrn. 13 ff. 122 So Wagner, Prozeßverträge, S. 45, 517. Eine direkte Anwendung des § 139 BGB ist möglich, wenn man den auf die Vertragsbeendigung gerichteten Teil des Prozessvergleichs als materiellen Vertragsbestandteil im Sinne der Rechtsgeschäftslehre des BGB ansieht (vgl. Wagner, a. a. O., S. 526 f. [allgemein zur Anwendbarkeit des § 139 BGB auf Prozessverträge]). 123 So Tempel, FS Schiedermair, S. 517 (523), allerdings ohne nähere Begründung; ähnlich Hellwig, Festgabe Gierke, S. 41, (S. 86 f.). Eine analoge Anwendung des § 139 BGB liegt nahe, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dem auf die Verfahrensbeendigung gerichteten Vertragsteil zugleich um Prozesshandlungen handelt, auf die die Vorschriften des BGB keine direkte Anwendung finden. Zudem müsste man annehmen, dass der Doppeltatbestand in Ansehung des § 139 BGB „wie“ ein einheitliches Rechtsgeschäft zu behandeln ist. 124 Beide Varianten der Trennungstheorie führen zu gleichen Ergebnissen, weshalb im Folgenden offen bleiben kann, ob eine direkte oder eine analoge Anwendung des § 139 BGB vorzugswürdig ist. Auch Wolfsteiner (MünchKommZPO [Band 2], § 794 ZPO, Rdnrn. 16 f.) geht von einer Verknüpfung beider Verträge hinsichtlich ihrer Wirksamkeit aus. Er möchte dies aber offenbar nicht über § 139 BGB, sondern über die Annahme einer Bedingung erreichen. Diese Lösung macht insofern einen Unterschied, als Wolfsteiner für die Wirksamkeit der Bedingung wohl die Zustimmung des Gerichts für erforderlich hält (siehe a. a. O., Rdnrn. 16 f.). 125 Wagner, Prozeßverträge, S. 45, 517 f. Etwas einschränkend Tempel (FS Schiedermair, S. 517 [523], der den Parteiwillen gegebenenfalls durch den Schutzweck der jeweils verletzten Norm sowie übergeordnete Gesichtspunkte des Verfahrensrechts begrenzt sieht. 126 Zutreffend Frische, Vergleiche, S. 10 (für den Prozessvergleich).
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Schritt ist zu klären, wie sich ein etwaiges Fehlen der Befugnis zum Abschluss des einen Vertrags auf die Möglichkeit, den anderen Vertrag zu schließen, auswirkt. Diese „analytische Trennung“127 ist der Doppelnaturlehre hingegen nicht oder nur mit erheblichem argumentativem Aufwand möglich. Sollte die Doppelnaturlehre sich als vorzugswürdig erweisen, muss bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Verfahrensvergleichs von vornherein die Befugnis, das Verfahren zu beenden und die Befugnis, materiell-rechtliche Regelungen zu treffen, als Voraussetzungen für den Abschluss ein und desselben Vertrages geprüft werden. Der Theorienstreit hat aber nicht nur Konsequenzen für die Frage, welchen dogmatischen Ausgangspunkt man zur Klärung des Anwendungsbereiches des Verfahrensvergleichs wählt. Auch in den praktischen Ergebnissen kann er sich auswirken. Dies betrifft vor allem die Beurteilung der Möglichkeit der Beteiligten einen „abstrakten Prozessvergleich“ zu schließen128. Damit ist ein Vertrag gemeint, mit dem die Beteiligten ausschließlich das Verfahren beenden wollen, ohne dass zugleich materiell-rechtliche Regelungen erfolgen sollen. Hieran können die Beteiligten durchaus ein Interesse haben. Vorstellbar ist etwa der Fall, dass die Beteiligten nach erfolgreicher Mediation gemäß § 36a Abs. 1 Satz 1 FamFG bereits außergerichtlich hinreichende materiell-rechtliche Regelungen getroffen haben und eines Vollstreckungstitels nicht bedürfen. Weiterhin ist denkbar, dass die Beteiligten im Laufe des Verfahrens den Wunsch entwickeln, schlicht das Verfahren durch Vertrag129 zu beenden, ohne dass in der Sache eine Regelung erfolgt130. Die grundsätzliche Möglichkeit, einen solchen reinen Verfahrensbeendigungsvertrag zu schließen, ist nach der Trennungstheorie einfach begründbar131. Bei der grundsätzlichen Trennung in zwei Verträge ist es ohne Schwierigkeit annehmbar, dass nur der Prozessbeendigungsvertrag geschlossen wird132. Die Doppelnaturlehre hat hingegen Probleme, die Zulässigkeit solcher Verträge zu begründen, denen der materiell-rechtliche Teil einer sonst angenommenen Einheit fehlt133. Während manche ihrer Vertreter das Problem dadurch umgehen, indem sie einem solchen Vertrag schlicht den Doppelnaturcharakter absprechen134, halten andere den Abschluss reiner Prozessbeendigungsverträge 127
Wagner, Prozeßverträge, S. 45. Siehe statt vieler: Frische, Vergleiche, S. 12 f. 129 Antragsrücknahme oder Beendigungserklärung sind nicht stets möglich und auch nicht immer interessengerecht (dazu sogleich S. 25 ff.). 130 Zutreffend Stein/Jonas/Münzberg, § 794 ZPO, Rdnr. 6 für die streitige Zivilgerichtsbarkeit. Solche Fälle sind auch in FamFG-Sachen denkbar. 131 Frische, Vergleiche, S. 12; ausführlich zu dem diesbezüglichen Unterschied zwischen beiden Theorien, Wagner, Prozeßverträge, S. 520 ff. 132 Frische, Vergleiche, S. 12 mit Verweis auf Wagner, Prozeßverträge, S. 520 ff. 133 Zutreffend Wagner, Prozeßverträge, S. 521; Frische, Vergleiche, S. 12. 134 So etwa MünchKommBGB/Habersack (Band 5), § 779, Rdnr. 76 und Staudinger/ 128
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konsequent für nicht möglich135. Verbreitet sind auch verschiedene Versuche, einem an sich lediglich auf Prozessbeendigung gerichteten Vertrag zugleich den Charakter eines materiellen Vergleichs zuzusprechen136. So wird das einvernehmliche Absehen der Parteien von der Prozessbeendigung durch Urteil als gegenseitiges Nachgeben und damit als materieller Vergleichsschluss angesehen137. Zudem wird die Vereinbarung der Kostenteilung als hinreichender materieller Inhalt eines Verfahrensbeendigungsvertrages angesehen138. Manche Vertreter der Doppelnatur lehnen den reinen Prozessbeendigungsvertrag schließlich mangels praktischen Bedürfnisses ab139. Es stünden mit einverständlicher Klagerücknahme und beidseitiger Erledigungserklärung den Parteien andere, hinreichende Möglichkeiten zur Verfügung, um eine einvernehmliche Prozessbeendigung ohne materiell-rechtliche Einigung zu erreichen140. Dies ist schon in der streitigen Gerichtsbarkeit sehr zweifelhaft und erst recht in Verfahren nach dem FamFG. Der Vergleich ist ein zwischen den Beteiligten geschlossener Vertrag. Die Einigung der Beteiligten entzieht dem Gericht den Verfahrensgegenstand und bindet diese141. Hingegen handelt es sich bei der Antragsrücknahme eines Beteiligten und den Einverständniserklärungen der anderen Beteiligten hierzu ebenso wie bei den Beendigungserklärungen um reine Verfahrenshandlungen, die die Beteiligten nicht untereinander austauschen, sonMarburger (2009), § 779 BGB, Rdnr. 99, beide mit Verweis auf Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 39. 135 Schiedermair, Vereinbarungen, S. 188; Bork, Vergleich, S. 223. 136 Siehe die sogleich in den Fn. 137 u. 138 Genannten. 137 So z. B. Hellwig, Festgabe Gierke II, S. 41 (83); Goldschmidt, Prozess als Rechtslage, S. 473, Anm. 2514; Mende, Klagerücknahme, S. 28, Fn. 87 u. S. 41; auch der BGH hat den Verzicht auf ein Urteil als gegenseitiges Nachgeben angesehen (Urt. v. 31. 01. 1963 – III ZR 117/62 = BGHZ 39, S. 60 [63]), der Fall betraf aber keinen reinen Prozessbeendigungsvertrag. Gegen diese Auffassung zutreffend Keßler, DRiZ 1978, S. 79 (79 f.) und Wagner, Prozeßverträge, S. 521. 138 So z. B. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 130, I 5, Rdnr. 16, Fn. 16, die allerdings nicht beachten, dass es sich dann gerade nicht um die von Ihnen geforderte Regelung des Streitgegenstandes handelt (zutreffend Wagner, Prozeßverträge, S. 522). 139 Bork, Vergleich, S. 223 f.; Bonin, Prozeßvergleich, S. 12, mit weiteren Nachweisen in Fn. 15. 140 Bork, Vergleich, S. 223 f.; Bonin, Prozeßvergleich, S. 12. 141 Diese Bindung führt nach allg. Ansicht in Verfahren des FamFG dazu, dass das Gericht für den Fall, dass ein Beteiligter dass Verfahren weiter betreiben möchte, durch Endscheidung in der Sache festzustellen hat, dass das Verfahren aufgrund des wirksamen Verfahrensvergleichs erledigt ist (So z. B: Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 24; Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 46; MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 24; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnrn. 32; in diese Richtung gehend bereits vor der FG-Reform auch: OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 11. 1983 – 8 W 328/83 = OLGZ 1984, S. 131 [136]. Zur Frage ob es sich dabei um eine Zwischenentscheidung oder eine Endentscheidung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG handelt, siehe unten unter § 2. C. V. 1. b), S. 81 f. Für einen neuen, inhaltsgleichen verfahrenseinleitenden Antrag fehlt den Beteiligten das Rechtschutzbedürfnis (Schilken, Zivilprozessrecht, § 15 III, Rdnr. 653 [zum Prozessvergleich]), so dass dieser als unzulässig abzuweisen ist.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
dern parallel in einem „Gesamtakt“142 gegenüber dem Gericht abgegeben143. Eine wechselseitige Bindung der Beteiligten besteht hier nicht, mithin kann ein Antrag eventuell erneut gestellt werden144. Um zu einer sicheren Bindung zu kommen, müsste sich der Antragsteller im Rahmen einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zusätzlich eindeutig zur Rücknahme des Antrags und dem Unterlassen145 einer erneuten Antragsstellung verpflichten. Eine Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung von Verfahrenshandlungen in Form eines Vertrages ist ebenso wie die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung von Prozesshandlungen möglich146. Eine solche Lösung wirkt indes gegenüber der Annahme eines schlicht verfahrensbeendenden Vergleiches reichlich konstruiert. Zudem wird sie regelmäßig bei einer einvernehmlichen Verfahrens142 Dieser Begriff stammt aus der streitigen Gerichtsbarkeit (vgl. z. B. Baumgärtel (Prozesshandlung, S. 186, Fn. 9; Wagner, Prozeßverträge, S. 337). 143 So die überzeugende h. M. für die übereinstimmende Erledigungserklärung im Zivilprozess, die insofern mit der Beendigungserklärung und der einvernehmlichen Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 1, Abs. 3 FamFG vergleichbar ist. Siehe z. B. Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 131, II 1, Rdnr. 9 und MünchKommZPO/Lindacher (Band 1), § 91a ZPO, Rdnr. 26, jeweils m w. N. Vgl. zur Abgrenzung von einverständlichen Prozesshandlungen und Prozessverträgen auch Wagner, Prozeßverträge, S. 337 ff. m. w. N. und Schiedermair, Vereinbarungen, S. 27 ff. Die von Habscheid (vgl. FS Lent, S. 153 [157 ff.]) entwickelte Gegenposition, nach der etwa auch bei einer beidseitigen Erledigungserklärung eine Vereinbarung der Parteien vorliegt, berücksichtigt nicht hinreichend, dass in diesen Fällen den Parteien regelmäßig der Wille fehlt, einen verpflichtenden, gegenseitig bindenden Vertrag abzuschließen (allgemein für ein Abstellen auf den Rechtsbindungswillen zur Abgrenzung von Gesamtakten und Prozessverträgen, Baumgärtel, Prozesshandlung, S. 186, Fn. 9 [m. w. N.], dagegen aber Wagner, Prozeßverträge, S. 338). 144 Dies ist im FamFG wohl unumstritten, vgl. etwa MünchKommFamFG/Pabst, § 22, Rdnrn. 13, 22; Keidel/Sternal, § 22, Rdnrn. 17, 23; Haußleiter/Gomille, § 22, Rdnrn. 13, 15; BeckOKFamFG/Burschel, § 22, Rdnrn. 11, 18 (Stand: 01. 09. 2014); Elzer in Bork/Jacoby/ Schwab, § 22, Rdnrn. 10, 24. Denkbar ist jedoch, dass das Antragsrecht aufgrund Fristablaufs, Verzichts oder Verwirkung erloschen ist (MünchKommFamFG/Pabst a. a. O.). 145 Eine bloße Verpflichtung zur Rücknahme des Antrags oder Angabe einer Beendigungserklärung könnte hingegen zu Zweifeln führen, ob auch die Unterlassung einer erneuten Antragsstellung geschuldet ist. In der Literatur wird sogar zum Teil angenommen, dass bei der Vereinbarung einer „Klagerücknahme im Prozessvergleich“ eine Vermutung dafür spreche, dass sich die Parteien auf die Möglichkeit einer erneuten Klageerhebung bewusst eingelassen haben (so Mende, Klagerücknahme, S. 37; kritisch zu dem Sinn solcher Konstruktionen: Wagner, Prozessverträge, S. 522). 146 In der streitigen Gerichtsbarkeit ist in ständiger Rechtsprechung seit RG, Urt. v. 01. 06. 1921 – V 82/21 = RGZ 102, S. 217 (221) anerkannt, dass die Übernahme einer Verpflichtung zur Abgabe von Prozesshandlungen möglich ist (siehe auch RG, Urt. v. 06. 02. 1939 – IV 220/38 = RGZ 159, S. 186 (189); BGH, Beschl. v. 18. 12. 1963 – IV ZR 263/63 = NJW 1964, S. 549 (550); Urt. v. 14. 11. 1983 – IVb ZR 1/82 = NJW 1984, S. 805 (805) und die w. N. bei Wagner, Prozeßverträge, S. 505, Fn. 3). Dies lässt sich auf Verfahren nach dem FamFG übertragen (siehe zum Erbscheinsverfahren etwa OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 11. 1983 – 8 W 328/83 = OLGZ 1984, S. 131 [132]; KG, Beschl. v. 16. 09. 2003 – 1 W 48/02 = FGPrax 2004, S. 31 [31]) und muss auch für die Unterlassung von Verfahrenshandlungen gelten. Die Rechtsnatur solcher Verträge ist umstritten (siehe nur: Wagner, a. a. O., S. 505 ff.), aber für die hier interessierende Problematik ohne Bedeutung und kann daher offen bleiben.
A. Begriff, Rechtsnatur und Wirkungen des Verfahrensvergleichs
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beendigung während eines laufenden Verfahrens für die Beteiligten keinen praktischen Mehrwehrt haben147. Vielmehr ist sie vor allem mit dem Nachteil verbunden, dass im Falle der Unwirksamkeit der Verpflichtung bei erfolgter Antragsrücknahme das Verfahren trotzdem erneut durch Antragsstellung begonnen werden muss. Hingegen kann zumindest bei einer anfänglichen Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs das ursprüngliche Verfahren fortgesetzt werden148, weshalb eine Verwertung des bisherigen Verfahrensstoffes möglich ist149. Daher ist der Abschluss eines Verfahrensvergleichs meist interessengerechter150. In Verfahren nach dem FamFG kommt hinzu, dass die genannten alternativen Formen der Verfahrensbeendigung den Beteiligten nicht so umfassend eröffnet sind, wie dies in der streitigen Gerichtsbarkeit der Fall ist. So können die Beteiligten Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet worden sind, nicht durch eine Antragsrücknahme oder eine Beendigungserklärung unmittelbar beenden151. In diesen Verfahren bleibt dann als Mittel zur einvernehmlichen Verfahrensbeendigung ohne Gerichtsakt von vornherein nur der Verfahrensvergleich, wo bei es freilich noch einer näheren Untersuchung bedarf, ob in Amtsverfahren 147 Anders ist es unter Umständen beim Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs, der selbst nicht unmittelbar verfahrensbeendend wirkt (siehe bereits oben unter § 2. A. I., S. 20 m. N. in Fn. 104). Eine Verpflichtung zur Vornahme verfahrensbeendender Akte kann hingegen auch außergerichtlich geschlossen werden. Vgl. zum Ganzen: Wagner, Prozeßverträge, S. 510 m. w. N. auch zur älteren a. A., nach der ein außergerichtlicher unmittelbar verfahrensbeendend wirken soll. 148 Inzwischen wohl allgemeine Ansicht, siehe z. B: Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 19; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 32; Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 46; MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 24; Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 24; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 43; BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnr. 35 (Stand: 01. 09. 2014); Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnr. 23; Borth/Grandel in Musielak/Borth, § 36 FamFG, Rdnr. 4. Aus der Rechtsprechung vor der FG-Reform siehe nur: BGH, Beschl. v. 05. 10. 1954 – V BLw 25/54 = BGHZ 14, S. 381 (386); OLG Stuttgart, Beschl. v. 22 11.1983 – 8 W 328/83 = OLGZ 1984, S. 131 (133 ff.); OLG Frankfurt, Beschl. v. 01. 07. 1991 – 20 Ww 3/89 = AgrarR 1992, S. 111 (111). Vgl. zur Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs wegen fehlender Verfahrensbeendigungsbefugnis auch die Ausführungen unten unter § 2. C. V. 1., S. 80 ff. m. w. N. Die früher vereinzelt in der Rechtsprechung (siehe z. B. OLG Hamm, Beschl. v. 13. 01. 1949 – 7 W 530/48 = HEZ 2 [1949], Nr. 78) und von Müller (JZ 1954, S 17 [20]) vertretene abweichende Ansicht, nach der die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs in einem streitigen Gerichtsverfahren zu klären sei, ist nunmehr unter anderem mit dem gemäß § 13 GVG auch in Verfahren des FamFG geltenden § 17 Abs. 2 GVG unvereinbar. Sehr umstritten ist, ob das soeben Gesagte auch bei einer nur ex nunc eintretenden Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs gilt (siehe hierzu nur MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 24; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 48). 149 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 130, IV 1 b, Rdnr. 49 (zum Prozessvergleich). 150 Es sind darüber hinaus auch noch weitere Fälle denkbar, in denen die Beteiligten ein anzuerkennendes praktisches Bedürfnis an einer konsensualen Verfahrensbeendigung gerade durch einen reinen Prozessbeendigungsvertrag haben (vgl. hierzu Mende, Klagerücknahme, S. 31 f. und Wagner, Prozeßverträge, S. 524). 151 Dazu ausführlich unten unter § 3. A. II. und III., B., S. 143 ff.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
überhaupt Verfahrensvergleiche gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG geschlossen werden können152. Festzuhalten ist aber bereits hier, dass in diesen Verfahren sehr wohl ein erhebliches praktisches Bedürfnis der Beteiligten am Abschluss eines ausschließlich verfahrensbeendenden Vergleichs bestehen kann.
3. Stellungnahme Gesetzliche Regelungen, die zur Entscheidung für eine der beiden Theorien zwingen, fehlen. Der Gesetzgeber der ZPO-Reform von 2001 ging zwar davon aus, dass dem Prozessvergleich eine Doppelnatur zukomme153. Diese Auffassung hat jedoch keinen Niederschlag im Gesetz erfahren. Zumeist wird daher auf die (behauptete) Interessenlage der Vergleichsparteien abgestellt. So nehmen die Vertreter der Doppelnaturlehre an, dass die Aufteilung des Vergleichs in zwei Tatbestände dem Willen der Vergleichsparteien widerspräche. Diese gingen von einer untrennbaren Verknüpfung der Prozessbeendigungsvereinbarung mit den gleichzeitig getroffenen materiell-rechtlichen Regelungen aus154. Gegen dieses Argumentation ergeben sich aber bei näherer Betrachtung mehrere Bedenken: Bereits aus methodischer Sicht erscheint es zumindest zweifelhaft, von der Interessenlage der Parteien, die in Einzelfällen durchaus verschieden sein kann, auf die Rechtsnatur des Verfahrensvergleichs zu schließen155. Zudem bleibt unklar, warum die Aufteilung des Vergleichs in zwei Tatbestände dem Willen der Vergleichsparteien widersprechen soll. Zutreffend ist zwar, dass die Parteien bei Vergleichsschluss regelmäßig nicht mit der Vorstellung handeln werden, einen Prozessbeendigungsvertrag zu schließen und zusätzlich ein oder mehrere materielle Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Allein diese Vorstellung hindert indes nicht, von zwei getrennten Rechtsgeschäften auszugehen, wie ein Blick auf das materielle Zivilrecht zeigt. So handeln die Vertragsparteien bei einem Handkauf156 regelmäßig in der Vorstellung, einen Vertrag zu schließen und zu erfüllen157. Die juristische Wertung dieses Lebensvorganges ergibt aber, dass sie ein Verpflichtungsgeschäft und mehrere, davon zu trennende, Verfügungsgeschäfte abgeschlossen haben, obwohl ihnen dies oft 152
Dazu ausführlich unten unter § 2. C. IV. 3., S. 58 ff. die Begründung zum Regierungsentwurf des ZPO-RG, BT-Drs. 14/4722, S. 82; auf die unter anderem MünchKommBGB/Habersack (Band 5), § 779, Rdnr. 71 und Frische, Vergleiche, S. 10, Fn. 47 hinweisen. 154 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 130, III 1 b, Rdnr. 31; Musielak/ Lackmann, ZPO, § 794, Rdnr. 3; Staudinger/Marburger (2009), § 779 BGB, Rdnr. 91. 155 Zutreffend Tempel, FS Schiedermair, S. 517 (522 f.). 156 Zum Begriff statt vieler z. B. MünchKommBGB/H. P. Westermann (Band 3), Vor § 433, Rdnr. 8. 157 Vgl. bereits v. Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuch, S. 336; ähnlich auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II/1, § 39 II a, S. 11 f. 153 Vgl.
A. Begriff, Rechtsnatur und Wirkungen des Verfahrensvergleichs
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gar nicht bewusst ist158. Dass die juristische Wertung von der Laienvorstellung abweicht, ist auch unschädlich, so lange diese den Interessen der Parteien gerecht wird159. Überträgt man diesen Gedanken auf den verfahrensbeendenden Vergleich, lautet die entscheidende Frage, ob es zur Wahrung der Interessen der Vergleichsschließenden erforderlich und zielführend ist, eine Doppelnatur des Vergleichs anzunehmen. Zutreffend ist, dass die Vergleichsparteien in aller Regel bei einem Scheitern der materiell-rechtlichen Vereinbarungen das Verfahren fortsetzen möchten, eine Unwirksamkeit auch der Prozessbeendigungsvereinbarung mithin dann ihren Interessen entspricht. Dies erfordert allerdings nicht die Annahme eines Vertrages, sondern zwingt lediglich dazu, den in diesen Fällen gegebenen Verknüpfungswillen zu berücksichtigen160. Dem wird aber mittels der vorgeschlagenen (analogen) Anwendung des § 139 BGB hinreichend Rechnung getragen161. Im Gegensatz zur Doppelnaturtheorie ermöglicht eine Anwendung des § 139 BGB jedoch auch die Bewältigung von Fällen, in denen ein Verknüpfungswille fehlt162. Dies kann etwa bei der Umkehrung des oben beschriebenen Falles von Bedeutung sein, wenn also der Prozessbeendigungsvertrag unwirksam ist, materiell-rechtlichen Regelungen zur Beilegung des Konflikts aber wirksam vereinbart worden sind163. In einem solchen Fall ist es durchaus denkbar, dass die Beteiligten trotz Scheiterns der Verfahrensbeendigung die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarungen wünschen164, was ihnen die Trennungstheorie spannungsfrei ermöglicht165. Zwar möchten auch einige 158
Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II/1, § 39 II a, S. 11 f. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II/1, § 39 II a, S. 12. Im Ergebnis heute ganz h. M., siehe z. B. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 69 II 2, Rdnr. 802; MünchKommBGB/H. P. Westermann (Band 3), Vor § 433, Rdnr. 8; Staudinger/Beckmann (2014), Vor §§ 433 ff. BGB, Rdnr. 201 m. w. N. auch zur heute kaum noch vertretenen Gegenauffassung. 160 Zutreffend Wagner, Prozeßverträge, S. 45, der überzeugend auch eine u. a. von Baumgärtel (in: Prozesshandlung, S. 202, mit Anknüpfung an ältere Literaturstimmen) vertretene Auffassung wiederlegt, nach der bzgl. der Rechtsfolgen nicht allein auf den Parteiwillen abzustellen sei (a. a. O., S. 517 ff.). 161 Wagner, Prozeßverträge, S. 45 f., 517 f.; Frische, Vergleiche, S. 11. 162 Wagner, Prozeßverträge, S. 45 f., 516; Frische, Vergleiche, S. 11. 163 Auf diesen „Problemfall“ weisen zu Recht unter anderem Wagner (Prozeßverträge, S. 45 f., 516) und Frische (Vergleiche, S. 11) hin. 164 Vgl. z. B. die Fallkonstellationen in BGH, Urt. v. 24. 10. 1984 – IVb ZR 35/83 = NJW 1985, S. 1962 (1962) und BVerwG, Beschl. vom 27. 10. 1993 – 4 B 175/93 = NJW 1994, S. 2306 (2306); siehe auch MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 23; Stein/Jonas/Münzberg, § 794 ZPO, Rdnr. 66; Frische, Vergleiche, S. 11. 165 Wagner, Prozeßverträge, S. 45 f.; Frische, Vergleiche, S. 11. Soweit Lindacher (Festgabe BGH [Band III], S. 253 [259 f.]) hiergegen vorbringt, dass in einem solchen Fall meist eine „non-liquid-Situation“ vorliege, da sich ein eindeutiger Parteiwille nicht feststellen lasse, kann dies nicht überzeugen. Selbst wenn man dem aber folgen würde, spricht dies nicht für die Doppelnaturlehre (so aber Lindacher, a. a. O. S. 259 f., 263). Denn über eine direkte oder analoge Anwendung des § 139 BGB lassen sich sowohl „non-liquid“ Fälle als auch solche, in denen ein Parteiwille festgestellt werden kann, sachgerecht lösen (zu den Problemen der Doppelnaturlehre im letzteren Fall hingegen sogleich). 159
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Vertreter der herrschenden Ansicht in diesen Fällen das gewünschte Ergebnis, die Erhaltung der materiell-rechtlichen Vereinbarungen, durch eine (analoge) Anwendung des § 139 BGB erreichen166. Für eine Anwendung des § 139 BGB, der gerade voraussetzt, dass ein Rechtsgeschäft sich in selbständige Teile trennen lässt, bleibt bei Annahme eines einheitlichen Vertrages mit verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Komponente an sich aber kein Raum167. Die Doppelnaturtheorie steht somit vor dem Problem, dass sie entweder, bei konsequenter Anwendung, der Interessenlage nicht hinreichend Rechnung tragen kann oder zu dogmatischen Brüchen führt168. Beides vermeidet die Trennungstheorie. Mit ihrer Hilfe kann dogmatisch stimmig und hinreichend flexibel den Interessen der Vergleichsparteien Rechnung getragen werden. Sie ist somit auch für den Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG vorzugswürdig. Die weitere Untersuchung wird deshalb auf Grundlage der Trennungstheorie erfolgen169. Entsprechend der oben beschriebenen Zielsetzung konzentriert sich die Darstellung auf den verfahrensbeendenden Vertrag. Dieser ist gemeint, wenn im Folgenden vom Verfahrensvergleich gesprochen wird.
III. Wirkungen und Eigenschaften des Verfahrensvergleichs Der Verfahrensvergleich entfaltet als Verfahrensbeendigungsvertrag verfahrensrechtliche Wirkungen. Daneben können die Beteiligten zur Konfliktbeilegung zusätzlich materiell-rechtliche Wirkungen durch entsprechende Rechtsgeschäfte hervorrufen.
1. Verfahrensbeendigung Unter Geltung des FamFG ist nunmehr allgemein anerkannt, dass der wirksam geschlossene Verfahrensvergleich das anhängige Verfahren unmittelbar 166 So z. B. MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 23; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 48, I, Rdnr. 23; für eine analoge Anwendung des § 139 BGB spricht sich unter anderem Goldschmidt (Prozess als Rechtslage, S. 473, Anm. 2512) aus. Teilweise wollen Vertreter der Doppelnaturlehre die Wirksamkeit des materiell-rechtlichen Vergleichs auch über eine Anwendung des § 140 BGB erreichen (vgl. z. B. BGH, Urt. v. 24. 10. 1984 [siehe Fn. 164, a. a. O., S. 1963]; Bork, Vergleich, S. 3, Fn. 10). Dazu müsste man allerdings annehmen, dass die materiell-rechtlichen Regelungen, die beim Abschluss eines Vergleichs getroffen werden, beim Scheitern der Verfahrensbeendigung ein „anderes“ Rechtsgeschäft darstellen als bei deren gelingen. Die ist möglich, wirkt aber etwas konstruiert. 167 Zutreffend zuerst wohl von Schiedermair, Vereinbarungen, S. 191 f. erkannt. Daran anschließend z. B. Lüke, JuS 1965, S. 482 (483); Wagner, Prozeßverträge, S. 46, 516; Frische, Vergleiche, S. 11. 168 Wagner, Prozeßverträge, S. 45 f.; Tempel, FS Schiedermair, S. 517 (522 f.). 169 Auf etwaige Abweichungen, die sich bei Zugrundelegung der herrschenden Doppelnaturlehre ergeben, wird an entsprechender Stelle hingewiesen.
A. Begriff, Rechtsnatur und Wirkungen des Verfahrensvergleichs
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beendet soweit der Gegenstand des Vergleichs reicht170. Insofern entfaltet der Abschluss eines Verfahrensvergleichs die gleiche Wirkung wie der Abschluss eines Prozessvergleichs im Verwaltungs- Sozial-, Arbeits- oder Zivilprozess. Der Gesetzgeber hat es zwar aus nicht ersichtlichen Gründen unterlassen, dies in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG durch eine entsprechende Formulierung, wie sie sich in anderen Verfahrensordnungen findet171, klarzustellen. Es finden sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber dem Verfahrensvergleich in dieser Hinsicht eine andere Wirkung als dem Prozessvergleich zukommen lassen wollte. Der Verweis des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG auf § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, in dem es heißt, dass die Zwangsvollstreckung aus Vergleichen stattfindet, die „…zur Beilegung eines Rechtstreits…“ abgeschlossen bzw. zu Protokoll genommen wurden, belegt vielmehr die verfahrensbeendende Wirkung des formwirksamen Verfahrensvergleichs. Abzugrenzen ist der Verfahrensvergleich von sonstigen Vereinbarungen der Beteiligten im Rahmen des Verfahrens, die die Verfahrensbeendigung nur mittelbar bewirken oder diese beschleunigen. So können etwa in Teilungssachen die Beteiligten gemäß § 366 FamFG Vereinbarungen zur Vorbereitung und Durchführung eines Auseinandersetzungsverfahren treffen172, die dann eine zügige Verfahrensdurchführung erleichtern können.
2. Eignung als Vollstreckungstitel Durch den Verweis in § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG auf § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat der Gesetzgeber klargestellt, dass in FamFG-Verfahren geschlossene Vergleiche Vollstreckungstitel sein können173. Insofern unterscheidet sich das FamFG von der früheren Rechtslage. Unter Geltung des FGG verwiesen nur einzelne Sondervorschriften auf die Vollstreckung aus Vergleichen auf die ZPO174, eine 170 Statt aller Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 5. Zur abweichenden Auffassung vor der FG-Reform vgl. Fn. 32. 171 So heißt es in § 106 Satz 1 VwGO, das die Beteiligten einen Vergleich schließen können, „um den Rechtsstreit ganz oder zum Teil zu erledigen“. Ähnlich sind § 83a Abs. 1 ArbGG („um das Verfahren ganz oder zum Teil zu erledigen“) und § 101 Abs. 1 SGG („um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen“) formuliert. 172 Keidel/Meyer-Holz, § 36 Rdnr. 3. Siehe zu den Regelungsmöglichkeiten im Rahmen des § 366 FamFG siehe z. B. MünchKommFamFG/J. Mayer, § 366, Rdnr. 3. Die Beteiligten sind aber durch § 366 FamFG nicht gehindert das Verfahren durch Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu beenden (Holzer in Holzer, § 366, Rdnr. 1 und in ZEV 2013, S. 656 [659]); auch in materieller Hinsicht ist ihre Regelungsfreiheit nicht beschränkt (Firsching, DNotZ 1952, S. 117 [117, zu § 91 FGG]). 173 Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 1 (statt aller). Ausdrücklich auch in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 36 FamFG (siehe BT-Drs. 16/6308, S. 194 l. Sp.). 174 So z. B. §§ 53a Abs. 4, 53g Abs. 3, 83a FGG a. F., 16 Abs. 3 HausratsVO (Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats vom 20. 10. 1944, RGBl I, S. 256) der durch Art. 62 Nr. 3 des FGG-RG aufgehoben wurde und § 31 a. F. LwVG (Gesetz über das
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
generelle Verweisung fehlte. Dementsprechend wurde einem im FGG-Verfahren abgeschlossenem Vergleich von der überwiegenden Auffassung auch nur bei ausdrücklichem Verweis auf die ZPO die Qualität eines Vollstreckungstitels zugesprochen175. Durch die Aufnahme des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG in den allgemeinen Teil ist dieser Missstand behoben worden. Allerdings verweist § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nur insoweit auf § 794 ZPO, als „die Beteiligten über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können“. Wie diese Einschränkung zu verstehen ist, soll nach der Untersuchung des wortlautgleichen § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG näher beleuchtet werden176. Aus der hier für richtig befundenen Trennung zwischen Verfahrensbeendigungsvertrag und materieller Einigung177 folgt konsequenterweise, dass als Vollstreckungstitel nicht der Verfahrensvergleich selbst angesehen werden kann178. Vollstreckungstitel ist vielmehr die gemäß der Form der §§ 36 Abs. 2 FamFG, 159 ff. ZPO protokollierte oder gemäß §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO in einen feststellenden Beschluss aufgenommene materiell-rechtliche Vereinbarung179, sofern sie einen Leistungsbefehl zum Gegenstand hat. Es ist auch möglich, eine materielle Vereinbarung zu schließen, die mangels Leistungsbefehls keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat180. Dies kommt in Betracht, gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen v. 21. 07. 1953, BGBl. I, S. 66), welcher durch Art. 43 Nr. 6 des FGG-RG aufgehoben wurde. 175 OLG München, Beschl. v. 13. 11. 1952 – W XV 31/51 = ZZP 66 (1953), 233 f. (mit zust. Anm. von Rosenberg) = JZ 1953, S 341 (mit abl. Anm. von Schönke); BayObLG, Beschl. v. 14. 07. 1997 – 1Z BR 39/97 = BayObLGZ 1997, S. 217 (221 f.); Keidel/Meyer-Holz (15. Aufl.), Vorb. §§ 8–18 FGG, Rdnr. 27; Bassenge in Bassenge/Roth (11. Aufl.), Einleitung FGG, Rdnr. 4; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 22, II 3, S. 167; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit (3. Aufl.), S. 153; a. A Munding, Vergleiche, S. 69 ff.; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 18, III 2 b, Lindacher, JuS 1978, S. 577 (579). Ausführlich hierzu auch die Darstellung von Lotz, Vollstreckung, S. 69 ff. Um eine Vollstreckbarkeit zu erreichen musste das Gericht nach h. M. die Einigung der Beteiligten in eine vollstreckbare Verfügung gemäß § 33 FGG a. F. aufnehmen (vgl. statt vieler Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit [3. Aufl.], S. 153). 176 Siehe Ausführungen unten unter § 2. F. I. und II., S. 127 ff. 177 Dazu oben unter § 2. A. II., S. 20 ff. 178 Anders Wagner (Prozeßverträge, S. 526), der dem Prozessbeendigungsvertrag die Vollstreckungsfunktion zuspricht. Da sich praktische Unterschiede zwischen beiden Ansätzen nicht ergeben, braucht hierauf nicht näher eingegangen werden. 179 Regelmäßig wird es sich dabei um einen materiell-rechtlichen Vergleich handeln. Für den Fall, dass die materiell-rechtliche Vereinbarung nicht den Charakter eines materiellen Vergleichs haben sollte (dies ist möglich, siehe bereits oben unter § 2. A. II., 1 S. 20 f.), wird man § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO über seinen insofern zu engen Wortlaut hinaus analog anwenden müssen. Zutreffend weist Wagner (Prozeßverträge, S. 526) darauf hin, dass § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO deutlich macht, dass die Beteiligten die Befugnis haben, einvernehmlich einen Vollstreckungstitel zu schaffen. Diese Befugnis ist zwar in FamFG-Verfahren in Einzelfällen beschränkt (z. B. in Kindesherausgabe- und Umgangsverfahren, siehe unten unter § 2. B. V., S. 39), sie kann aber nicht davon abhängen, ob die Beteiligten materiell-rechtlich den Vertragstyp Vergleich wählen. 180 Zutreffend Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnr. 7, der (auf Grundlage der herrschenden Doppelnaturlehre) darauf hinweist, dass die Eigenschaft des Verfahrensvergleichs als Voll-
A. Begriff, Rechtsnatur und Wirkungen des Verfahrensvergleichs
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wenn die Beteiligten eine materielle Regelung getroffen haben, die keiner Vollstreckung bedarf181. Denkbar ist auch, dass sie lediglich das Verfahren beenden wollen, ohne materielle Regelungen zu treffen182.
3. Beurkundungsfunktion Von wichtiger Bedeutung für das Gelingen einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung ist weiterhin, dass mittels der Aufnahme der materiellen Regelungen in das gerichtliche Protokoll gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 FamFG, §§ 159 ff. ZPO nach § 127a BGB deren notarielle Beurkundung ersetzt werden kann183.
4. Weitere materiell-rechtliche Wirkungen Die materiell-rechtlichen Wirkungen, die die Beteiligten durch den Abschluss entsprechender Rechtsgeschäfte im Rahmen der Konfliktbeilegung erzielen können, sind entsprechend der diversen Gestaltungsmöglichkeiten vielfältig. Insofern ergeben sich keine Besonderheiten daraus, dass die betreffenden Rechtsgeschäfte in einem FamFG-Verfahren abgeschlossen werden184. Daher brauchen diese hier nicht im Einzelnen dargestellt werden185. Denkbar sind
streckungstitel nicht zwingend mit seinem materiell-rechtlichen Regelungsgehalt übereinstimmen muss. Siehe hierzu auch den Beschluss des BayObLG v. 14. 07. 1997 (1Z BR 39/97 = BayObLGZ 1997, S. 217 [220 f.]), das die Möglichkeit einer Verfahrensbeendigung durch Verfahrensvergleich von dessen Eigenschaft als Vollstreckungstitel trennt. Dies ist zutreffend und ein weiteres Indiz dafür, dass die Trennungslehre dogmatisch stimmiger ist. 181 Etwa wenn Beteiligten sich im Rahmen des Vergleichsschluss auf eine Abtretung gemäß § 398 BGB verständigen und diese sogleich vollziehen. 182 Zu den Vorteilen eines „abstrakten“ Verfahrensvergleichs siehe bereits oben unter § 2. A. II. 2., S. 25 ff. 183 Näheres zur Beurkundungswirkung z. B. bei Keidel/Meyer-Holz, § 36 Rdnr. 12 ff. Sehr umstritten ist, ob die Beurkundungswirkung in analoger Anwendung des § 127a BGB auch dann eingreift, wenn die materiellen Vereinbarungen gemäß §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO in einen Feststellungsbeschluss aufgenommen werden: Dies wird befürwortet (vgl. z. B. MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 21; BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnr. 41 [Stand: 01. 09. 2014]) und abgelehnt (so z. B. Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 30, Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 19). Eine differenzierende Ansicht plädiert für eine analoge Anwendung des § 127a BGB, wenn der Vergleichsvorschlag vom Gericht stammt (siehe z. B.: Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 13; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 25). Da bei dieser, auch in der streitigen Gerichtsbarkeit diskutierten (siehe nur: Wieczorek/Schütze/ Assmann, § 278, Rdnr. 9.), Problematik aber spezifische Gesichtspunkte des FamFG keine Rolle spielen und sie zudem für die Klärung des Anwendungsbereichs des Verfahrensvergleichs allenfalls mittelbare Auswirkungen hat, braucht ihr im Rahmen dieser Darstellung nicht näher nachgegangen werden. 184 Munding, Vergleiche, S. 54 f. 185 Vgl. zu den möglichen Wirkungen materiell-rechtlicher Vergleiche ausführlich Bork, Vergleich, S. 110 ff.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Verpflichtungs- wie Verfügungsgeschäfte186. Zumeist werden die materiellen Wirkungen auf dem Gebiet des Zivilrechts liegen. In Betracht kommen aber auch öffentlich-rechtliche Folgen, wenn die getroffenen Regelungen öffentlichrechtlicher Natur sind187.
B. Dem Verfahrensvergleich nicht zugängliche Verfahren Unabhängig von der in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG aufgeworfenen Frage, ob den Beteiligten im konkreten Verfahren die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand zukommt, ist in einigen Verfahren eine Beendigung durch Verfahrensvergleich188 von vornherein nicht möglich. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe.
I. Verfahren mit nur einem Beteiligten Das FamFG kennt, im Gegensatz zur streitigen Gerichtsbarkeit, Verfahren, in denen nur eine Person Beteiligter ist189. Dies kann etwa in Registersachen vorkommen190. Eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich scheidet dann aus191.
II. Ausdrückliche Ausnahme von Ehe- und Familienstreitsachen Durch § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG wird die Anwendbarkeit des § 36 FamFG in Familienstreitsachen und Ehesachen ausgeschlossen192. Dies bedeutet freilich nicht, dass diese Verfahren nicht durch Vergleich beendet werden können. Aus dem Verweis des § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf § 278 ZPO ergibt sich, dass es den Beteiligten offen steht, einen verfahrensbeenden Prozessvergleich zu schließen193. Ob der Ausschluss des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG sinnvoll ist, er186 Streitig ist, ob der materiell-rechtliche Vergleich ein reines Verpflichtungsgeschäft ist, das gegebenenfalls noch durch eine Verfügung erfüllt werden muss, oder ob er (auch) den Charakter eines Verfügungsgeschäftes haben kann, vgl. die Darstellungen von Bork, Vergleich, S. 97 ff. und Staudinger/Marburger (2009), § 779 BGB, Rdnrn. 40 ff., jeweils m. w. N. 187 Dies ist vor allem in den so genannten öffentlich-rechtlichen Streitsachen denkbar (siehe Auflistung derselben bei Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 42). 188 Der Verfahrensvergleich wird im Rahmen dieser Darstellung als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag angesehen, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 189 Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 3. 190 Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 3. 191 MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 4. Ebenso Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 3; zu weit gehend allerdings ist seine Auffassung, dass in Registerverfahren ein Vergleichsschluss deshalb nicht möglich sei, weil es an einem materiell-rechtlichen Gegenstand fehle, über den Regelungen getroffen werden könnten. Siehe hierzu unten unter § 2. C. II. 3., S. 50. 192 Statt aller: Borth/Grandel in Musielak/Borth, § 36, Rdnr. 2. 193 Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 2.
B. Dem Verfahrensvergleich nicht zugängliche Verfahren
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scheint angesichts der Tatsache, dass es in der ZPO an einer allgemeinen Regelung des Prozessvergleichs fehlt, zweifelhaft. Für eine Anwendung des Prozessvergleichs anstelle des Verfahrensvergleichs lässt sich immerhin anführen, dass die Verfahren in Familienstreitsachen und Ehesachen insofern den streitigen Zivilverfahren gleichen, als das Gericht das Verfahren nicht gegen den Willen der Beteiligten fortführen kann. Es gibt in Ehe- und Familienstreitsachen keine Amtsverfahren194. Die Beteiligten können diese Verfahren, sofern die Verfahrenshandlungsvoraussetzungen gegeben sind, stets vertraglich beenden. Beschränkungen sind allein hinsichtlich der materiellen Regelungsbefugnisse zu beachten195. Unklarheiten über den Anwendungsbereich des Prozessvergleichs bestehen mithin in Ehe- und Familienstreitsachen nicht.
III. Ausschluss in Gewaltschutzsachen gemäß § 210 FamFG? § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG verbietet dem Gericht ein Hinwirken auf eine gütliche Einigung in den Verfahren der Gewaltschutzsachen gemäß §§ 1, 2 GewSchG196, 210 FamFG. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird hierzu ausgeführt, dass das Gericht den Abschluss eines Vergleichs in Gewaltschutzsachen nicht fördern solle, da der Verstoß gegen eine im Vergleich übernommene Verpflichtung nicht nach § 4 Satz 1 GewSchG strafbewehrt und damit deren effektive Durchsetzung gefährdet sei197. Nicht geregelt ist, welche Folgen der in § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG normierte Ausschluss für den Abschluss eines Verfahrensvergleichs198 in Gewaltschutzsachen hat199. Zu bedenken ist, dass es sich bei dem Ausschluss um ein an das Gericht gerichtetes Verbot handelt. Eine Beschränkung der den Beteiligten zukommenden Befugnis, einen Verfahrensvergleich zu schließen, lässt sich hieraus nur herleiten, wenn dieses Verbot gleichzeitig das Gericht ermächtigen würde, Verfahren in Gewaltschutzsachen auch gegen den Willen der Beteiligten fortzuführen. Dagegen spricht, dass es sich bei den Verfahren nach §§ 1, 2 GewSchG um die Durchsetzung materiell-rechtlicher Abwehr- und Nutzungsüberlassungsansprüche handelt200. 194
Siehe bereits oben unter § 1. D. III., S. 16 und Fn. 87. dieser Hinsicht bestehen vor allem in Ehesachen Grenzen: Die Ehegatten können nicht über den Bestand der Ehe verfügen. Daher ist es nicht möglich, in einem Scheidungsverfahren die Scheidung zu „vereinbaren“ (MünchKommBGB/Ey [Band 7], § 1564, Rdnr. 35). Wohl aber können die Ehegatten sich darüber einigen, das Verfahren zu beenden und die Ehe fortzusetzen. 196 Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz – GewSchG) vom 11. 12. 2001, BGBl. I, S. 3513). 197 BT-Drs. 16/6308, S. 193. Kritisch hierzu: Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 5. 198 Verstanden als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 199 Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 6. 200 Heinke, Gewaltschutzgesetz, Vorbemerkungen, Rdnr. 29. 195 In
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Diese steht im Belieben der von Gewalt betroffenen Person, mithin kann sie auch von der Geltendmachung absehen. Die Beteiligten können daher in Gewaltschutzsachen stets einen Verfahrensvergleich schließen201. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser ohne richterliche Anregung oder Vermittlung zustande gekommen ist oder das Gericht entgegen § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung hingewirkt hat. Nicht hinreichend geklärt ist hingegen, welche Bindungswirkung ein Verfahrensvergleich entfaltet, der unter Verstoß gegen das in § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG normierte Hinwirkungsverbot zustande gekommen ist. Abramenko hält die von Gewalt betroffene Person dann für berechtigt, ihren ursprünglichen Antrag erneut zu stellen202. Da der Vergleichsschluss auch auf einem Verstoß des Gerichtes gegen ein gesetzliches Verbot beruhe, dürften dem Antragsteller durch den Vergleich keine verfahrensrechtlichen Nachteile erwachsen203. Zutreffend ist, dass die von Gewalt betroffene Person, die im Vertrauen auf eine Verhaltensänderung des Antragsgegners einen Verfahrensvergleich und eine materielle Vereinbarung abgeschlossen hat, im Ergebnis eine Möglichkeit haben muss, die gerichtlichen Schutzmaßnahmen gemäß §§ 1, 2 GewSchG zu erlangen. Das gilt aber auch für den Fall, in denen die Beteiligten ohne Hinwirken des Gerichtes, also nicht unter Verstoß gegen § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG, von sich aus einen Verfahrensvergleich abgeschlossen haben. Zudem beseitigt eine bloße Wiederholung des ursprünglichen Antrags weder den Verfahrensvergleich noch die materiellen Vereinbarungen der Beteiligten. Eine einheitliche Lösung dieser Problemfälle kann erzielt werden, wenn die von Gewalt betroffene Person, gegebenenfalls nach richterlichem Hinweis gemäß § 28 Abs. 1 FamFG, die Wiederholung des Antrags mit der Geltendmachung materieller Gestaltungsrechte verknüpft204. Dadurch wird sowohl die Bindung an die materiellen Vereinbarungen als auch an den Verfahrensvergleich205 zerstört und das ursprüngliche Verfahren kann fortgesetzt206 oder ein neues angestrengt werden207. 201 Im Ergebnis wohl allgemein anerkannt, siehe z. B. OLG Brandenburg, Beschl. v. 20. 08. 2013 – 3 WF 61/13 –, Rdnr. 8 (zitiert nach juris); Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 12; Borth/Grandel in Musielak/Borth, § 36, Rdnr. 6; BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnr. 13 (Stand: 01. 09. 2014); Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 6. 202 Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 6. 203 In: Prütting/Helms, § 36, Rdnr. 6. 204 In Betracht kommt in diesen Fällen gegebenenfalls eine Anfechtung der getroffenen materiell-rechtlichen Vereinbarung nach § 123 Abs. 1 Fall 1 BGB oder eine außerordentliche Kündigung gemäß § 314 BGB. Denkbar ist auch ein Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB. 205 Ggf. mittels einer direkten oder analogen Anwendung des § 139 BGB (siehe bereits oben unter § 2. A. II. 2., S. 23). 206 Bei einer ex tunc eintretenden Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs. 207 Bei einer ex nunc eintretenden Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs (siehe hierzu bereits oben in Fn. 148 a. E.).
B. Dem Verfahrensvergleich nicht zugängliche Verfahren
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IV. Vereinbarungen gemäß §§ 6–8 Versorgungsausgleichsgesetz208 Das Verfahren in Versorgungsausgleichsachen gemäß §§ 217 bis 229 FamFG ist nach § 111 Nr. 7 FamFG zwar eine Familiensache, aber keine Familienstreitsache im Sinne des § 112 FamFG. Daher wird die Anwendbarkeit des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht durch § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG ausgeschlossen. Allerdings ist der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 S 1 FamFG in Versorgungsausgleichsachen in anderer Hinsicht beschränkt. § 6 VersAusglG ermächtigt die Ehegatten, Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich zu treffen, wobei die Formanforderungen des § 7 VersAusglG zu beachten sind. Dies ist auch während des Verfahrens möglich, wie sich aus § 7 Abs. 2 VersAusglG, § 127a BGB ergibt209. Die getroffenen Vereinbarungen binden das Gericht gemäß § 6 Abs. 2 VersAusglG. An sich wäre es denkbar, diese mit einer Verfahrensbeendigung durch Verfahrensvergleich210 gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu verknüpfen. Das Gericht hat aber die Vereinbarungen stets einer Inhalts- und Ausübungskontrolle gemäß § 8 Abs. 1 VersAusglG zu unterziehen211. Zwar ist auch im Falle des Vergleichsschlusses gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Wirksamkeit der getroffenen materiellen Vereinbarung anhand von § 8 Abs. 1 VersAusglG zu überprüfen. Denn sollten die getroffenen Vereinbarungen unwirksam sein, ist das Verfahren regelmäßig nicht beendet. Dies folgt nach der herrschenden Ansicht aus der Doppelnatur des Verfahrensvergleichs, nach der hier vertretenen Auffassung aus einer direkten oder analogen Anwendung § 139 BGB212. Jedoch wollte der Gesetzgeber in bewusster Abkehr von der vor dem 1. September 2009 geltenden Rechtslage erreichen213, dass über die 208 Gesetz über den Versorgungsausgleich -Versorgungsausgleichsgesetz- (Vers AusglG), eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03. 04. 2009 (BGBl. I, S. 700). 209 Umstritten ist, ob eine materielle Vereinbarung über den Versorgungsausgleich auch dann formwirksam zustande kommen kann, wenn das Gericht sie gemäß §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO in einen feststellenden Beschluss aufnimmt (befürwortend: OLG Frankfurt, Beschl. v. 14. 12. 2010 – 5 UF 105/10 –, Rdnr. 4 [zitiert nach juris] und OLG Brandenburg, Beschl. v. 22. 8. 2013 – 3 UF 115/12 –, Rdnrn. 12 ff. [zitiert nach juris], jeweils m. w. N. auch zur Gegenauffassung). Siehe zum grundsätzlichen Problem der Anwendbarkeit des § 127a BGB auf einen Beschlussvergleich bereits oben in Fn. 183. 210 Der Verfahrensvergleich wird im Rahmen dieser Darstellung als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag verstanden, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 211 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurfs des VAStrRefG (siehe Fn. 208), BTDrs. 16/10144, S. 52 f.; Schulte-Bunert/Weinreich/Rehme, § 224, Rdnr. 6; Prütting/Helms/ Wagner, § 224, Rdnr. 22; Keidel/Weber, § 224, Rdnrn. 8, 9. 212 Siehe dazu ausführlich oben unter § 2. A. II., S. 20 ff. 213 Unter Geltung des § 53d FGG konnte das Gericht den Ausschluss des Versorgungsausgleichs deklaratorisch feststellen. Ob dieser Feststellung, zu deren Vornahme das Gericht nicht verpflichtet war, materielle Rechtskraft zukommen konnte, war strittig. Ablehnend z. B. OLG Bremen, Beschl. v. 09. 02. 2007 – 4 WF 137/06 = FamRZ 2007, S. 1180 (1181); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22. 09. 2005 – 1 UF 22/05 = NJW 2006, S. 234 (235); befürwortend hingegen Philippi, FamRZ 1982, S. 1057 (1057). Der BGH differenzierte zuletzt: Wenn
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Wirksamkeit von Vereinbarungen, die den Versorgungsausgleich ausschließen oder beschränken, vom Familiengericht immer in einer der materiellen Rechtskraft zugänglichen Weise entschieden wird214. Um dies zu gewährleisten, hat er in § 224 Abs. 3 FamFG festgelegt, dass das Verfahren für den Fall, das aufgrund wirksamer Beteiligtenvereinbarungen kein Wertausgleich vom Gericht vorzunehmen ist, mit einem feststellenden Beschluss enden soll215. Ließe man hingegen eine Verfahrensbeendigung durch Verfahrensvergleich zu, könnten Unklarheiten darüber entstehen, ob das Gericht die vorgeschriebene Wirksamkeitskontrolle durchgeführt hat. Sinn und Zweck des § 224 Abs. 3 FamFG stehen daher dem Abschluss eines Verfahrensvergleichs nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Versorgungausgleichssachen regelmäßig entgegen216. Eine Ausnahme ist nur dann anzuerkennen, wenn das Versorgungsausgleichsverfahren ausschließlich auf Antrag eingeleitet werden kann. Dies ist etwa bei kurzer Ehedauer gemäß § 3 Abs. 3 VersAusglG der Fall217. Ebenso ist nach § 223 FamFG für die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gemäß den §§ 20 bis 22 VersAusglG eine entsprechende Antragstellung erforderlich218. In einer solchen Situation können die Beteiligten gemäß § 22 Abs. 1 bis 4 FamFG das Verfahren durch Antragsrücknahme oder beidseitige Beendigungserklärung beenden, ohne dass das Gericht einen Feststellungsbeschluss erlässt. In diesen Fällen sollte man es den Ehegatten gestatten, einen Verfahrensvergleich gemäß § 36
ein Versorgungsausgleich aufgrund einer nach § 1587o a. F. BGB genehmigten Vereinbarung der Ehegatten ausgeschlossen worden war und das Familiengericht dies im Tenor des Verbundurteils aussprach, wurde dies als bloßer Hinweis angesehen, der keine Rechtskraft entfalte (Beschl. v. 20. 02. 1991 – XII ZB 125/88 = NJW 1991, S. 1743 [1744]; Beschl. v. 06. 03. 1991 – XII ZB 88/90 = NJW-RR 1991, S. 1026 [1026]). Der Ausspruch des Gerichts, dass ein Versorgungsausgleich aufgrund einer Vereinbarung im Ehevertrag gemäß § 1408 Abs. 2 Satz 1 a. F. BGB ausgeschlossen ist, wurde hingegen als feststellende Entscheidung qualifiziert, die in materielle Rechtskraft erwachsen könne (Beschl. v. 22. 10. 2008 – XII ZB 110/06 = NJW 2009, S. 677 [678] mit zust. Anm. von Rehme). Entscheidend sollte sein, ob das Gericht die Wirksamkeit des Ausschlusses materiell geprüft habe (Beschl. v. 22. 10. 2008, a. a. O.). 214 Vgl. die Regierungsbegründung zu § 224 RegE-VAStrRefG (BT-Drs. 16/10144, S. 97 l. Sp.). 215 Siehe Begründung RegE VAStrRefG (siehe Fn. 208), BT-Drs. 16/10144, S. 96 l. Sp. Entgegen Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 3 führt aber der Beschluss gemäß § 224 Abs. 3 FamFG nicht erst die Wirksamkeit der Vereinbarungen herbei, sondern stellt diese lediglich fest. Dafür spricht sowohl der Wortlaut des § 224 Abs. 1 FamFG als auch die Tatsache, dass das Genehmigungserfordernis für Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich gemäß § 1587o BGB a. F. entfallen ist. 216 Von einer Verdrängung des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Versorgungsausgleichsverfahren gehen auch Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 3 und, ohne nähere Begründung, SchulteBunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 7 aus. 217 NK-BGB/Götsche, Vor § 1587 BGB, Rdnr. 34; vgl. auch die weiteren Fälle in Rdnr. 35. 218 NK-BGB/Götsche, Vor § 1587 BGB, Rdnr. 35 und Vor §§ 20 bis 26 VersAusglG, Rdnr. 14.
B. Dem Verfahrensvergleich nicht zugängliche Verfahren
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Abs. 1 Satz 1 FamFG abzuschließen219. Insbesondere in Fällen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gemäß §§ 20 bis 22 VersAusglG kann es sinnvoll sein, das Verfahren durch Abschluss eines Verfahrensvergleichs zu beenden. Gegenüber einem Abschluss des Verfahrens durch Endentscheidung hat diese Lösung den Vorteil, dass die Ehegatten auch außerhalb des Versorgungsausgleichsverfahrens liegende Streitpunkte in vollstreckungsfähiger Weise in einen materiellen Vergleichsschluss einbeziehen und regeln können.
V. Verfahren über den Umgang und die Herausgabe eines Kindes In Verfahren über den Umgang und die Herausgabe eines Kindes stellt sich die Frage, inwieweit § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG durch die Regelungen über den gerichtlich gebilligten Vergleich gemäß §§ 156 Abs. 2 Satz 1, 165 Abs. 4 FamFG verdrängt wird. Überwiegend wird § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG dann für unanwendbar gehalten, wenn materielle Vereinbarungen über den Umgang und die Herausgabe zwischen den Beteiligten getroffen werden220. Der Reformgesetzgeber hat den gerichtlich gebilligten Vergleich gemäß § 156 Abs. 2 Satz 1 FamFG als Ergänzung und Wiederholung des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG angesehen221, der dessen Anwendungsbereich auf das Umgangsrecht, welches nicht zur Disposition der Beteiligten stehe, erweitern solle222. Richtig ist, dass jedenfalls den Beteiligten nicht die Befugnis zukommen kann, verbindliche und vollstreckbare materielle Regelungen über Umgang oder die Herausgabe eines Kindes ohne gerichtliche Billigung zu treffen223. Dies wäre potenziell unvereinbar mit dem Kindeswohl, dessen Schutz stattliche Aufgabe ist224. Überdies muss beachtet werden, dass das Umgangsrecht gemäß § 1684 BGB zuallererst ein Recht des Kindes ist, über welches die Eltern nicht beliebig verfügen können225. Insofern nimmt der BGH zu Recht an, dass Vereinbarungen über das 219 Im Ergebnis hält auch Saenger/Kemper, § 36 FamFG, Rdnr. 3, den Abschluss eines Verfahrensvergleichs in den Fällen der §§ 20 ff. VersAusglG für möglich. 220 Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 7; BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnr. 2 (Stand: 01. 09. 2014); Zöller/Feskorn, § 36 FamFG, Rdnr. 1; wohl auch Haußleiter/ Gomille, § 36, Rdnr. 1. 221 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 166 r. Sp., 193 r. Sp. Ebenso MünchKommFamFG/Ulrici § 36, Rdnr. 4 und wohl auch Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 7. Zur abweichenden Ansicht sogleich auf S. 41 m. N. in Fn. 234 und unten unter § 2. E. III. 2. b) aa), S. 121 f. 222 BT-Drs. 16/6308, S. 166, 237 jeweils l. Sp. 223 Zutreffend weist Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 3 darauf hin, dass erst das Gericht durch seine Billigung einer solchen Vereinbarung den Charakter eines Vollstreckungstitels verleiht, nach dem es diese einer am Kindeswohl orientierten Inhaltkontrolle unterzogen hat. 224 Der Staat hat zum Schutz des Kindeswohls gemäß Art 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG ein „Wächteramt“ (vgl. nur Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 5, IV, 9, Rdnr. 50 ff. m. w. N) 225 Hornikel in Holzer, § 156, Rdnr. 10.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Umgangsrecht erst durch familiengerichtliche Bestätigung eine das Umgangsrecht konkretisierende, konstitutive Wirkung erlangen226. Wenn in Verfahren über den Umgang und die Herausgabe eines Kindes mit der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung die Schaffung eines Vollstreckungstitels einhergehen soll, wird § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG daher in der Tat durch § 156 Abs. 2 Satz 1 FamFG verdrängt. Zur Anwendung kommen kann § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG indes, wenn die Beteiligten einen reinen Verfahrensbeendigungsvertrag schließen möchten, ohne vollstreckbare materielle Regelungen über den Kindesumgang oder Kindesherausgabe zu treffen227. Dies ist etwa denkbar, wenn Eltern sich versöhnen und eine gemeinsame Lebensführung (wieder-) aufnehmen, die eine förmliche Regelung des Kindesumgangs entbehrlich macht. Insofern sind die Sorgerechtsberechtigten im Verfahren nicht weniger berechtigt als im „Normalfall“, in dem Umgangsregelungen einvernehmlich außerhalb gerichtlicher Verfahren und ohne gerichtliche Mitwirkung getroffen werden. Eine vertragliche Form der Verfahrensbeendigung kann gerade auch in den oft hochemotionalen Kindschaftssachen zu einer dauerhaften Konfliktbewältigung der Beteiligten psychologisch geeigneter sein als eine einvernehmliche Antragsrücknahme oder Beendigungserklärung228. In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob die Beteiligten im konkreten Verfahren die für den Abschluss eines Verfahrensvergleichs benötigte Befugnis haben, das Verfahren ohne gerichtliche Entscheidung zu beenden229. Insofern ist zu beachten, dass manche der Umgangsverfahren als unechte Antragsverfahren ausgestaltet sind230. In diesen kann das Gericht das Verfahren von Amts wegen einleiten und fortführen, um das Kindesrecht auf Umgang durchzusetzen231. In solch einem Fall kann auch ein schlicht verfahrensbeendender Vergleich nicht ohne gerichtliche Billigung abgeschlossen werden232. Im Ergebnis zu Recht wird daher in der Rechtsprechung eine Ver226 Vgl. z. B: Beschl. v. 11. 05. 2005 – XII ZB 120/04 = NJW-RR 2005, S. 1524 (1526); ebenso Keidel/Engelhardt, § 156, Rdnr. 11 (auch für die Kindesherausgabe). 227 Dies ist nach der hier vertretenen Trennungslehre ohne dogmatische Schwierigkeiten möglich (siehe bereit oben unter § 2. A. II. 2., S. 24). 228 Zu Recht weist Wagner (Prozeßverträge, S. 524) unter Bezugnahme auf Keßler (DRiZ 1978, S. 79 [79]), darauf hin, dass für die Parteien eines Zivilprozesses eine Beendigung des Rechtsstreits durch Prozessbeendigungsvertrag eher akzeptabel sein kann als eine Klagerücknahme. 229 Dazu ausführlich unten unter § 2. C. IV., S. 54 ff. 230 Vgl. §§ 1684 Abs. 3 und 4, 1685 Abs. 3 BGB und Prütting/Helms/Hammer, § 151, Rdnr. 41. Geht es um das Umgangsrecht des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters gemäß § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB soll es sich hingegen wegen des Wortlauts des § 167a Abs. 1 FamFG um ein reines Antragsverfahren handeln (MünchKommFamFG/Schlünder, § 167a FamFG, Rdnr. 8 und Prütting/Helms/Hammer, § 151, Rdnrn. 37, 43). Das Herausgabeverfahren § 1632 Abs. 3, Abs. 1 BGB ist ein reines Antragsverfahren (Prütting/Helms/Hammer, § 151, Rdnr. 36). 231 Ausführlich hierzu z. B. Staudinger/Rauscher (2014), § 1684 BGB, Rdnrn. 158 ff. 232 Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzung eine Befugnis der Beteiligten zur
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 41
fahrensbeendigung in Umgangsverfahren gemäß §§ 1684, 1685 BGB durch Vergleich ohne gerichtliche Billigung gemäß § 156 Abs. 2 FamFG abgelehnt233. An dem soeben Ausgeführten ändert sich auch nichts, wenn man mit einem Teil der Literatur den gerichtlich gebilligten Vergleich gemäß § 156 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht als Ergänzung zu § 36 FamFG, sondern als ein vom Vergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu unterscheidendes „Rechtsinstitut sui generis“ ansieht, welches Elemente eines Vergleichs und einer Endentscheidung beinhaltet234. Selbst wenn diese Ansicht zutreffen sollte235, zwingt sie nicht dazu, eine Verfahrensbeendigung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG auszuschließen, wenn keine vollstreckbaren materiellen Regelungen über den Kindesumgang oder die Kindesherausgabe getroffen werden.
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG I. Vorbemerkung Außerhalb der soeben dargestellten Sonderfälle ist der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG grundsätzlich eröffnet. Dies gilt für Verfahren im ersten Rechtszug und in den Rechtsmittelverfahren, in welchen § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG über die Verweisungen in § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG und in § 74 Abs. 4 FamFG entsprechende Anwendung findet236. Da nach dem hier vertretenen Verständnis der Verfahrensvergleich als verfahrensbeendender Vertrag von den gleichzeitig im Zuge der Konfliktbewältigung abgeschlossenen materiell-rechtlichen Vereinbarungen der Beteiligten zu trennen ist237, hat eine Untersuchung des Anwendungsbereichs auch zwischen der Befugnis, einen verfahrensbeendenden Vergleich zu schließen, und den materiell-rechtlichen Regelungsmöglichkeiten der Beteiligten zu differenzieren. Zunächst soll der Verfahrensvergleich in den Blick genommen werden. An späterer Stelle ist Verfahrensbeendigung auch in Amtsverfahren bestehen kann, wird an späterer Stelle näher eingegangen werden (siehe unten unter § 2. C. IV. 3., S. 58 ff.). 233 OLG Frankfurt, Beschl. v. 03. 12. 2012 – 1 WF 327/12 –, Rdnrn. 9 ff., 14; Beschl. vom 21. 01. 2014 – 5 WF 310/13 –, Rdnr. 5, OLG Brandenburg, Beschl. v. 21.03 2014 – 9 WF 27/14 –, Rdnr. 3 (jeweils zitiert nach juris). Vgl. auch OLG Schleswig (Beschl. v. 30. 12. 2011 − 10 UF 230/11 = NJOZ 2012, S. 1245 [1246]), nach dem ein Umgangsverfahren nicht durch Erklärungen der Beteiligten erledigt werden kann. Zweifelhaft sind dieses Entscheidungen aber in ihren Begründungen insoweit, als dort allein aus der Befugnis des Gerichts zur Verfahrenseinleitung von Amts wegen auf eine fehlende Dispositionsbefugnis der Beteiligten über das Verfahrensende geschlossen wird. Ausführlich hierzu unten unter § 2. C. IV. 3., S. 58 ff. 234 So Prütting/Helms/Hammer, § 156, Rdnr. 49. 235 Dies ist sehr zweifelhaft, näheres hierzu unten unter § 2. E. III. 2. b) aa), S. 121 f. 236 Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 8. 237 Siehe Ausführungen unter § 2. A. II. 3., S. 28 ff.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
dann auf mögliche Schranken der materiell-rechtlichen Regelungsbefugnis der Beteiligten einzugehen238.
II. Analyse des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG Eine Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des Verfahrensvergleichs muss mit einer Analyse des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG beginnen. Dieser gestattet es den Beteiligten einen Vergleich zu schließen, „soweit sie über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können“. Zu klären ist damit zunächst der Begriff des Verfahrensgegenstandes und in welcher Weise die Beteiligten durch den Vergleichsschluss eine Verfügung hierüber vornehmen. Sodann kann untersucht werden, in welchen Fällen ihnen die Befugnis zur Verfügung zukommt oder fehlt.
1. Der Verfahrensgegenstand im FamFG Mit dem Begriff Verfahrensgegenstand bezeichnet man das Thema des gerichtlichen Verfahrens. Aus ihm geht hervor, worüber verhandelt und entschieden wird239. Die Bezeichnung ist an den in den Verfahrensordnungen der streitigen Gerichtsbarkeit gebräuchlichen Begriff des Streitgegenstands angelehnt240. Gesetzlich definiert ist der Verfahrensgegenstand nicht241, so dass es Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen ist, zu klären wie man seinen Inhalt bestimmen kann. In der streitigen Gerichtsbarkeit hat sich, obwohl die Diskussion hierüber nie vollständig abgeschlossen wurde242, die Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand durchsetzen können243. Nach dieser bestimmt sich der Streitgegenstand aus dem Klageantrag und dem ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt244. Er wird daher im Wesentlichen vom Kläger festgelegt, wobei er gegebenenfalls durch Parteiakte wie die Klageänderung gemäß § 269 ZPO verändert werden kann245. Ob dieser Streitgegenstandsbegriff auf FamFG-Ver-
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Siehe hierzu unten unter § 2. E., S. 95 ff. Vgl. nur Böhm, FS Kralik, S. 83 (84, zum Streitgenstand). 240 Baur/Wolf, Grundbegriffe, 4 IV 5, S. 103. 241 Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 23–37, Rdnr. 28; Gleiches gilt für den Streitgegenstand (Stein/Jonas/Roth, vor § 253 ZPO, Rdnr. 7). 242 Prütting, GS Lüderitz, S. 623 (623 f.). 243 Stein/Jonas/Roth, vor § 253 ZPO, Rdnr. 18. 244 Statt vieler siehe z. B. BGH, Urt. v. 19. 12. 1991 – IX ZR 96/91 = BGHZ 117, S. 1 (5); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92, III u. IV, Rdnrn. 10 ff., jeweils m. w. N. 245 Nur in Ausnahmefällen darf das Gericht von Parteianträgen abweichen, vgl. etwa §§ 308 II, 308a ZPO, § 9 Nr. 3 und 4 UklaG, § 106 I SachenRBerG sowie den bis zum 31. 09. 2009 gültigen § 651h ZPO (siehe z. B. Zöller/Vollkommer [28. Aufl.], § 308, Rdnr. 2). 239
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 43
fahren übertragbar ist, lässt sich nicht allgemein entscheiden, sondern hängt von der Art der Verfahrenseinleitung ab246. a) Reine Amtsverfahren
In Amtsverfahren legt das Gericht gemäß der ihm durch Gesetz übertragene Aufgabe selbst fest, worum es in dem konkreten Verfahren gehen soll, also ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen vorzunehmen sind247. Die zur Entscheidungsfindung notwendige Sachverhaltsaufklärung nimmt es gemäß § 26 FamFG selbst vor. In diesen Verfahren passt daher der vom Parteiwillen abhängige, prozessuale Streitgegenstandsbegriff nicht248. Der Inhalt des Verfahrensgegenstands ergibt sich in den Amtsverfahren vielmehr aus dem vom Gericht gesetzten Verfahrensziel249. Dabei kann das Gericht das Verfahrensziel ausdrücklich benennen oder auch konkludent festlegen, in dem es, nach außen erkennbar, Maßnahmen trifft oder Prüfungen vornimmt250. Etwas strittig ist die Bedeutung des Sachverhalts für die Bestimmung des Verfahrensgegenstandes in Amtsverfahren. Während manche den Sachverhalt als notwendig zur Individualisierung des Verfahrensgegenstandes ansehen251, misst ihm Brinkmann eine geringe Bedeutung bei252. Der Umfang gerichtlicher Prüfung sei in Amtsverfahren regelmäßig nicht auf einen begrenzten Sachverhalt festzulegen253. Vielmehr werde der Umfang der Ermittlung durch das Verfahrensziel bestimmt, 246 Lettau, Beschwerde, S. 21; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 23–37, Rdnrn. 35 ff.; Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab, § 23 Rdnr. 8 und § 24, Rdnr. 4. Bereits vor der FG-Reform Baur/Wolf, Grundbegriffe, 4 IV 5, S. 103; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 13, II. Zu keinen großen Unterschieden gelangt die a. A von Ulrici (MünchKommFamFG, Vor §§ 23 ff., Rdnrn. 32, 35), der den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff stets für übertragbar hält, aber auch einräumt, dass die Zuständigkeit zur Bestimmung des Verfahrensgegenstandes nach Art der Verfahrenseinleitung variiert (MünchKommFamFG, a. a. O., Rdnrn. 32, 34 f.). 247 Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 23–37, Rdnr. 39. 248 Lettau, Beschwerde, S. 20 ff; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 23–37, Rdnr. 35; a. A. Ulrici (siehe Fn. 246 a. a. O.). 249 Lettau, Beschwerde, S. 22; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 23–37, Rdnr. 39; Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab, § 24, Rdnr. 4; Knöringer, Freiwillige Gerichtsbarkeit; S. 5; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 135; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 13, II, 1; Baur/Wolf, Grundbegriffe, 4 IV 5, S. 103; Bassenge in Bassenge/Roth (11. Aufl.), Einleitung FGG, Rdnr. 3. Differenzierender Ulrici (MünchKommFamFG, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 34) der unterscheidet, ob ein Antrag gestellt wird, den er auch in Amtsverfahren für erheblich hält (näheres hierzu unten unter § 3. A. II., S. 144 ff.). 250 Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 23–37, Rdnr. 39. 251 MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnrn. 32, 34; Lettau, Beschwerde, S. 22; Baur/Wolf, Grundbegriffe, 4 IV 5, S. 103. 252 In: Schulte-Bunert/Weinreich, Vor §§ 23–37, Rdnr. 40. Einige ältere Stimmen halten den Sachverhalt unter Verweis auf den Amtsermittlungsgrundsatz bei der Bestimmung des Verfahrensgegenstandes sogar für gänzlich verzichtbar (so z. B. Jansen/Briesemeister, § 23, Rdnr. 11, dagegen sogleich auf S. 44 f. m. N. in Fn. 263). 253 In: Schulte-Bunert/Weinreich, Vor §§ 23–37, Rdnr. 40.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
welches letztlich durch die materielle Rechtsgrundlage vorgegeben werde254. Richtig ist, dass es in Amtsverfahren schwierig sein kann, zu bestimmen, welcher Sachverhalt dem Verfahren zugrunde liegt. Dennoch kann dem Sachverhalt wesentliche Bedeutung für Bestimmung und Abgrenzung des Verfahrensgegenstandes zukommen, etwa wenn in Frage steht, inwieweit eine Endentscheidung materielle Rechtskraft entfaltet255. b) Reine Antragsverfahren
Im FamFG fehlt eine dem § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vergleichbare Regelung256. Daher muss ein Verfahrensantrag nach dem FamFG nicht stets auch einen auf eine konkrete Rechtsfolge abzielenden Sachantrag enthalten257. Jedoch kann sich aus dem materiellen Recht ergeben, dass die Stellung eines Sachantrags erforderlich ist258. So ergibt sich etwa für den Antrag auf Erlass eines Erbscheins aus § 2353 BGB, dass ein konkreter Sachantrag gestellt werden muss259. Verlangt das materielle Recht einen Sachantrag, ist das Gericht bei seiner Sachentscheidung analog § 308 Abs. 1 ZPO, § 88 VwGO an diesen Antrag gebunden260. Es lassen sich daher Antragsverfahren mit und ohne Bindung an einen Sachantrag voneinander unterscheiden261. Ist das Gericht an einen Sachantrag gebunden, entspricht die Verfahrenssituation im Wesentlichen der eines streitigen Prozesses, so dass es möglich ist, den Verfahrensgegenstand wie den Streitgegenstand anhand von Antrag und Lebenssachverhalt zu bestimmen262. Zwar wird in FamFG-Verfahren der Tatsachenstoff von Amts wegen ermittelt. Dies ist aber nur für die Frage, wie 254
In: Schulte-Bunert/Weinreich, Vor §§ 23–37, Rdnr. 40. Vor §§ 23 ff., Rdnr. 42; Baur/Wolf, Grundbegriffe, 4 IV 5, S. 103. 256 Bahrenfuss/Rüntz, § 23, Rdnr. 6; MünchKommFamFG/Ulrici, § 23, Rdnr. 11; Kemper, FamRB, 2008, S. 345 (348); Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 136. 257 BT-Drs. 16/6308, S. 185; Bahrenfuss/Rüntz, a. a. O.; MünchKommFamFG/Ulrici, a. a. O; Kemper a. a. O; Brehm, a. a. O. 258 Prütting/Helms/Ahn-Roth, § 23 Rdnr. 2a; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 23, Rdnr. 60; Bahrenfuss/Rüntz, § 23, Rdnr. 7. 259 Prütting/Helms/Ahn-Roth, § 23, Rdnr. 2a; Keidel/Sternal, § 23, Rdnr. 14; SchulteBunert/Weinreich/Brinkmann, § 23, Rdnr. 60. 260 BGH, Beschl. v. 11. 10. 1961 – V BLw 13/60 = NJW 1962, S. 42 (43, allerdings ohne Analogie); MünchKommFamFG/Ulrici, § 23, Rdnr. 14; Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab, § 23, Rdnr. 4 ; Bahrenfuss/Rüntz, § 23, Rdnr. 7 (ohne Analogie); Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 18, II 2, S. 126. 261 BGH, Beschl. v. 11. 10. 1961 (a. a. O., siehe Fn. 260); Lettau, Beschwerde, S. 21; Baur/ Wolf, Grundbegriffe, 3 I 2 b, S. 58 f. 262 Lettau, Beschwerde, S. 22; Baur/Wolf, Grundbegriffe, 4 IV 5, S. 103; MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnrn. 34 f; Bassenge in Bassenge/Roth (11. Aufl.), Einleitung FGG, Rdnr. 14; ähnlich Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, Vor §§ 23–37, Rdnr. 37 f., der jedoch den Sachverhalt nur bei Unklarheiten ergänzend heranziehen will. 255 MünchKommFamFG/Ulrici,
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 45
der Inhalt des Verfahrensgegenstands ermittelt wird, nicht welchen Inhalt er hat, relevant und rechtfertigt keine abweichende Bestimmung seines Inhalts263. In Antragsverfahren ohne Bindung an einen Sachantrag kann das Gericht zwar erst aufgrund eines Verfahrensantrags hin tätig werden264. Dieser gibt dem Gericht aber nur Zweck und Rahmen des Verfahrens vor. Innerhalb dieser Grenzen bestimmt das Gericht, welche Schritte es vornimmt, um das mit dem Verfahrensantrag erstrebte Ziel zu erreichen265. So ist es etwa in Gewaltschutzsachen nach § 1 Abs. 1 GewSchG Aufgabe des Gerichts zu entscheiden, welche Maßnahmen zum Schutz des Antragstellers zu treffen sind. Antragsverfahren ohne Bindung an einen Sachantrag ähneln daher eher den Amtsverfahren des FamFG als einem streitigen Prozess. Auch hier wird der konkrete Inhalt des Verfahrensgegenstandes vom Gericht festgelegt266. c) Unechte Antragsverfahren
In diesen Verfahren muss differenziert werden: Wird das Verfahren von Amts wegen eingeleitet, legt das Gericht den Verfahrensgegenstand fest, insofern besteht kein Unterschied zu reinen Amtsverfahren. Wird das Verfahren auf Antrag hin eingeleitet, kommt es für die Bestimmung des Verfahrensgegenstandes gemäß dem soeben Ausgeführten darauf an, ob eine Bindung an einen Sachantrag besteht267. d) Zusammenfassung
Festzuhalten ist somit, dass in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden, das Gericht den Inhalt des Verfahrensgegenstandes festlegt. Gleiches gilt in Verfahren, in denen keine Bindung an einen Sachantrag besteht. Bei Bindung an einen Sachantrag ist hingegen der prozessuale Streitgegenstandsbegriff übertragbar, der Verfahrensgegenstand bestimmt sich nach dem Antrag und dem ihm zugrunde liegendem Lebenssachverhalt.
263 Habscheid, FamRZ 1971, S. 297 (298 f.); Baumgärtel, JuS 1974, S. 69 (72 f.); MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 32; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 92, IV 1, Rdnr. 30 (m. w. N.). A. A. Jauernig, Streitgegenstand, S. 6 ff., 43 ff.; 55 ff., 73 (hiergegen überzeugend Habscheid, a. a. O.). 264 Sofern das materielle Recht oder das FamFG nicht zusätzlich die Einleitung des Verfahrens von Amts wegen zulässt, ist der Verfahrensantrag stets, also auch wenn kein Sachantrag gestellt werden muss, eine Verfahrensvoraussetzung, die das Gericht in jeder Lage des Verfahrens prüfen muss (siehe nur Prütting/Helms/Ahn-Roth, § 23 Rdnrn. 3 f.). 265 Bahrenfuss/Rüntz, § 23, Rdnr. 6. 266 Lettau, Beschwerde, S. 22; Baur/Wolf, Grundbegriffe, 4 IV 5, S. 103. 267 A. A. offenbar Prütting/Helms/Ahn-Roth, Vor §§ 23, 24, Rdnr. 3 a. E., nach welcher die Beteiligten in unechten Antragsverfahren keine Dispositionsbefugnis über den Verfahrensgegenstand haben.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
2. Verfügungsbegriff in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG Nach Bestimmung des Begriffs des Verfahrensgegenstands ist nun zu klären, inwiefern die Beteiligten durch einen Vergleichsschluss eine Verfügung über den Streitgegenstand vornehmen. Der Entwurfsbegründung zu § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG können in dieser Hinsicht keine Anhaltspunkte entnommen werden. Sie beschränkt sich auf den Hinweis, dass sich das Bestehen der Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand nach materiellem Recht richte268, erläutert aber nicht, was damit gemeint ist. Diese vorgelagerte Frage muss aber zuerst beantwortet werden, bevor das Bestehen der Verfügungsbefugnis näher untersucht werden kann. Der Begriff „Verfügung“ ist schillernd und wird in verschiedenen Rechtsgebieten mit unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht269. Im Verfahrensrecht taucht er unter anderem270 im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Dispositionsmaxime auf, welche auch als „Verfügungsgrundsatz“ bezeichnet wird271 und die Herrschaft der Beteiligten über den Verfahrensgegenstand zusammenfasst272. Verfügungen in diesem Sinne nehmen die Beteiligten vor, wenn sie durch Verfahrenshandlungen bestimmen, ob und worüber das Gericht verhandelt und entscheidet. An diese Bedeutung des Verfügungsbegriffs knüpft der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG an. Verfügenkönnen gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG meint mithin, dass den Beteiligten die Herrschaft über den Verfahrensgegenstand zukommt.
3. Verständnis der Verfügungsbefugnis gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG als Beendigungsbefugnis Es stellt sich weiterhin die Frage, wie die geforderte Verfügungsbefugnis beschaffen sein muss, damit ein Vergleichsschluss möglich ist. Mehrere Möglichkeiten kommen in Betracht: Durch einen wirksamen Vergleichsschluss wird das Verfahren beendet und der Verfahrensgegenstand dem Gericht ganz oder zum Teil entzogen. Es kann insoweit das Verfahren nicht weiter betreiben. Den Beteiligten muss daher die Befugnis zukommen, das Verfahren zu beenden, sie müssen in dieser Hinsicht verfügen können. Denkbar ist, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG allein eine derartige, verfahrensrechtliche Herrschaft der Beteiligten über den Verfahrens268
Vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 193 r. Sp. zu den unterschiedlichen Verfügungsbegriffen z. B. die Beiträge von Köbler, Grüneberg und Werner in Tilch/Arloth, Rechtslexikon, S. 4456 f. 270 Daneben meint „Verfügung“ auch eine gerichtliche Entscheidungsform neben Beschluss und Urteil (Grüneberg in Tilch/Arloth, Rechtslexikon, S. 4456 f.). 271 So z. B. von Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 3, II 1, S. 19. 272 Siehe bereits Ausführungen und Nachweise in Fn. 19. 269 Vgl.
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 47
gegenstand meint, die im Folgenden der Verständlichkeit halber als Beendigungsbefugnis bezeichnet werden soll273. Die Beteiligten treffen aber oftmals anstelle der gerichtlichen Entscheidung auch eigene, materielle Regelungen im Rahmen eines materiellen Vergleichsschlusses im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB oder § 55 (L)VwVfG über den Verfahrensgegenstand274. Insoweit muss ihnen die entsprechende materielle Regelungsbefugnis bezüglich des Verfahrensstoffs zukommen. Daher könnte man § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG auch so verstehen, dass er sich allein auf die materielle Regelungsbefugnis der Beteiligten bezieht275. Schließlich ist vorstellbar, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG beides fordert, die verfahrensrechtliche Beendigungsbefugnis und die materielle Regelungsbefugnis der Beteiligten276. Während sich die zwei zuletzt genannten Ansätze beide in der Literatur finden277, wird die erstgenannte Verständnismöglichkeit, also das Verfügenkönnen gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG nur bedeutet, dass den Beteiligten eine Beendigungsbefugnis zukommt, bislang offenbar nirgends erwogen. Zum Teil bleibt in der Literatur auch unklar, worauf sich die Verfügungsbefugnis gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG bezieht278. Dabei ist es für das dogmatische Verständnis des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG und die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Verfahrensvergleichs notwendig, sich Gewissheit in diesem Punkt zu verschaffen. Der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG lässt jede der genannten Verständnismöglichkeiten zu279. Zwar spricht § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG davon, dass die Beteiligten über den Verfahrensgegenstand verfügen können müssen,
273 In Literatur wird meist von prozessrechtlicher und materiell-rechtlicher Dispositionsbefugnis gesprochen (z. B. BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnr. 7 [Stand: 01. 09. 2014]). Dies erscheint aber nicht ganz präzise: Einerseits wird die Befugnis das Verfahren zu beenden auch durch das materielle Recht bestimmt, andererseits kann auch das Verfahrensrecht materielle Regelungsbefugnisse normieren (dazu sogleich auf S. 48). 274 Sie müssen dies aber nicht, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 2., S. 44 ff. 275 So z. B. Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 9; auch Horndasch/Viefhues/Reinken, § 36, Rdnrn. 1, 4; Zöller/Feskorn, § 36 FamFG; Rdnr. 2; gehen offenbar davon aus, das allein die materielle Verfügungsbefugnis zum Vergleichsschluss ausreicht. 276 So die h. M., siehe z. B. AG Brandenburg, Beschl. v. 31. 08. 2011 – 50 VI 164/10 = FamRZ 2012, S. 142 (142); Bumiller in Bumiller/Harders, § 36, Rdnrn. 1, 5; Haußleiter/ Gomille, § 36, Rdnrn. 1, 9; Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 5; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 12 ff.; wohl auch Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnrn. 15 ff. Manche Stimmen betonen, dass zwar der Wortlaut des § 36 Abs. 1 sich nur auf die materielle Regelungsbefugnis beziehe, für einen Vergleichsschluss aber auch die prozessrechtliche Dispositionsbefugnis der Beteiligten erforderlich sei, vgl. z. B. BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnr. 7 (Stand: 01. 09. 2014); Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 2; ähnlich auch MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnrn.15 ff. 277 Vgl. Fn. 275 und Fn. 276. 278 Vgl. etwa Gottwald in Bassenge/Roth, § 36, Rdnr. 2; Kemper/Schreiber/Schreiber, § 36, Rdnr. 4 ff.; Saenger/Kemper, § 36 FamFG, Rdnr. 3. 279 A. A. offenbar Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 9.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
nicht über das Verfahren280. Dies zwingt jedoch nicht zur Annahme, dass hiermit die materielle Regelungsbefugnis gemeint ist281. Auch wenn die Beteiligten dem Gericht den Verfahrensgegenstand schlicht entziehen, treffen sie, wie erwähnt, eine Verfügung über diesen282. Aufschlussreich ist zudem ein Blick auf die Regelung des Prozessvergleichs im Verwaltungsprozess und im Arbeitsgerichtsprozess gemäß § 106 Satz 1 VwGO, § 83a Abs. 1 ArbGG. Hier spricht das Gesetz davon, dass die Beteiligten zur Erledigung des Rechtstreits einen Vergleich schließen können, soweit sie über den Gegenstand des Vergleichs verfügen können. Damit wird explizit auf die materielle Regelungsbefugnis als Vergleichsvoraussetzung abgestellt283. Der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG trifft eine entsprechende Festlegung nicht, wobei freilich unklar bleibt, warum der Gesetzgeber keine an § 106 Satz 1 VwGO oder § 83a Abs. 1 ArbGG angelehnte Formulierung gewählt hat. Die Entwurfsbegründung zu § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG, die sich auf den bereits erwähnten Hinweis beschränkt, dass sich die Verfügungsbefugnis nach materiellem Recht richte284, ist ebenfalls nicht eindeutig. Der Verweis auf das materielle Recht scheint zwar auf den ersten Blick dafür zu sprechen, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG die materielle Regelungsbefugnis der Beteiligten meint285. Aus dem materiellen Recht ergibt sich aber nicht nur, welche Vereinbarungen die Beteiligten treffen können. Es entscheidet auch drüber, ob den Beteiligten die Beendigungsbefugnis im konkreten Verfahren zukommt286. Im Übrigen verschweigt die Entwurfsbegründung, dass auch das Verfahrensrecht Einfluss darauf nehmen kann, ob den Beteiligten eine Beendigungsbefugnis287 zukommt oder ihnen materielle Regelungsbefugnisse288 zustehen. Die Vorstellung, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG sowohl das Bestehen einer Beendigungsbefugnis als auch einer materielle Regelungsbefugnis fordert, ist 280 Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann,
§ 36, Rdnr. 9. A. A. Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 9; Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 2. 282 Siehe soeben auf S. 46. 283 Bis zum 31. 12. 1990 stellte § 106 VwGO a. F. nicht auf den Gegenstand des Vergleichs, sondern auf den der Klage ab. Die Änderung des Wortlauts durch Art. 1 des 4. VwGOÄndG (BGBl. I 1990, S. 2809) wurde u. a. damit begründet, dass so klargestellt werde, dass es für die erforderliche Dispositionsbefugnis entscheidend auf den Inhalt des Vergleichs, nicht den der Klage ankomme (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des 4. VwGOÄndG, BT-Drs. 11/7030, S. 29 l. Sp.). 284 Vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 193. 285 So versteht denn auch Ulrici (MünchKommFamFG, § 36, Rdnr. 15) die Begründung zum Regierungsentwurf. 286 Näheres zur Beendigungsbefugnis unten unter § 2. C. IV. 1., S. 54 ff. 287 Nämlich dann, wenn sich aus dem FamFG eine Ermächtigungsgrundlage ergibt, nach der das Gericht das Verfahren auch gegen den Willen der Beteiligten fortführen kann (näheres zur Beendigungsbefugnis unter § 2. C. IV. 1., S. 54 ff.). 288 Für die Verfahrenskosten ergibt sich etwa im Umkehrschluss aus § 83 Abs. 1 Satz 1 FamFG, dass diese einer Regelung durch die Beteiligten zugänglich sind. 281
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 49
zu einem großen Teil der fast allgemein vertretenen Doppelnaturlehre289 geschuldet290. Geht man, wie hier vertreten, davon aus, dass der Vertrag zur Beendigung des Verfahrens von den eventuell zusätzlich getroffenen, materiellen Regelungen zu trennen ist291, liegt es hingegen von vornherein näher, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG als Vorschrift des Verfahrensrechts nur die Erfordernisse für den Abschluss des verfahrensbeendenden Vertrags normiert292. Für diesen ist aber, neben den allgemeinen Verfahrenshandlungsvoraussetzungen und den Anforderungen an die Form, nur das Bestehen einer Beendigungsbefugnis Tatbestandsvoraussetzung. Aber auch wenn man der herrschenden Doppelnaturlehre folgt, ergibt sich nichts anderes. Anerkannt ist weitgehend, dass die Befugnis, das Verfahren zu beenden, nicht mit der materiellen Regelungsbefugnis übereinstimmen muss293. Die Beteiligten können unter Umständen trotz materieller Regelungsfreiheit das Verfahren nicht beenden, weil ihnen die Beendigungsbefugnis fehlt294. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar295. Es handelt sich mithin um zwei unterschiedliche Wirksamkeitsvoraussetzungen, die getrennt geprüft werden müssen. Dies gilt auch dann, wenn man von einer Doppelnatur des Vergleichs ausgeht. Regelungsbedürftig durch § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist aber nur die Beendigungsbefugnis. Sie kann, im Gegensatz zur streitigen Gerichtsbarkeit, in FamFG-Verfahren fehlen. Daher war es notwendig, sie in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu regeln. Hingegen bedurfte die Selbstverständlichkeit, dass die Beteiligten materiell-rechtlich befugt sein müssen, ihre gewünschten Regelungen zu treffen, keiner (deklaratorischen) Normierung durch das Verfahrensrecht. Das Gericht muss ohnehin prüfen, ob die getroffenen materiellen Regelungen wirksam sind296. Überzeugender ist daher die erstgenannte Auslegung des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Dieser verlangt, dass die Beteiligten 289
Näher hierzu bereits oben unter § 2. A. II. 1., S. 22 m. N. Vgl. etwa Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 2. 291 Siehe Ausführungen oben unter § 2. A. II. 3., S. 28 ff. 292 Auch Gomille (in: Haußleiter, § 36, Rdnr. 2) geht auf Grundlage der Doppelnaturlehre davon aus, dass § 36 FamFG nur den Vergleich im verfahrensrechtlichen Sinn betrifft. 293 MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 15; Bereits vor der FG-Reform: Jansen/v. König/v. Schuckmann, Vor §§ 8–18 FGG, Rdnr. 80; Lindacher, JuS 1978, S. 577 (579). 294 MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 15; BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnrn. 7 (Stand: 01. 09. 2014). 295 BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnrn. 7, 9 (Stand: 01. 09. 2014). A. A. wohl Lindacher (JuS 1978, S. 577 [579]), der annimmt, dass die prozessuale Dispositionsbefugnis vom Bestehen einer materiellen Regelungsbefugnis abhängig sei. Streitig ist auch, ob Verfahrensvergleiche ohne jede materielle Regelung möglich sind (hierzu bereits oben unter § 2. A. II. 2., S. 24 ff. und sogleich im nächsten Absatz). 296 Nach der herrschenden Auffassung folgt dies aus der Doppelnatur des Verfahrensvergleichs, gemäß derer die Unwirksamkeit der materiellen Regelungen zur Unwirksamkeit des verfahrensbeendenden Vertrages führt. Nach der hier vertretenen Ansicht folgt die Prüfungspflicht des Gerichtes hingegen aus der Verknüpfung des verfahrensbeenden Vertrages mit den materiellen Regelungen gemäß oder analog § 139 BGB. Näher hierzu Ausführungen unter § 2. A. II. 2., S. 22 f. 290
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
nach dem jeweiligen Verfahrensgegenstand berechtigt sind, das Verfahren zu beenden. Selbst wenn man aber die materielle Regelungsbefugnis als Teil der von § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG verlangten Verfügungsbefugnis ansieht, rechtfertigt dies nicht die Konsequenzen, die hieraus zum Teil gezogen werden. So folgert Holzer aus der Annahme, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG auch die materielle Verfügungsbefugnis verlange, dass die Beteiligten im Rahmen eines Vergleichsschlusses gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG stets auch eine materielle Regelung des Verfahrensgegenstandes treffen müssten297. Dementsprechend hält er den Abschluss eines Verfahrensvergleichs in Registerverfahren nicht für möglich, da es hier an einem materiell-rechtlichen Gegenstand fehle, über den disponiert werden könne298. Gleichermaßen wären unter dieser Prämisse Verfahrensvergleiche in anderen Fällen, in denen die Beteiligten keine materiellen Regelungen treffen299, ausgeschlossen300. Die Schlussfolgerung Holzers ist indes nicht überzeugend. Selbst wenn § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG den Vergleichsschluss tatsächlich von einer materielle Regelungsbefugnis der Beteiligten über den Verfahrensgegenstand abhängig machen sollte, kann dies doch nur so weit gelten, wie materielle Regelungen auch wirklich getroffen werden. Eine Pflicht der Beteiligten, in jedem Fall der Verfahrensbeendigung durch Vergleich materielle Regelungen über den Verfahrensgegenstand zu treffen, lässt sich hieraus nicht ableiten.
III. Übersicht über den Meinungstand zum Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs Geklärt wurde bereits, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG den Abschluss des Verfahrensvergleichs davon abhängig macht, dass den Beteiligten die Beendigungsbefugnis im konkreten Verfahren zukommt. Näher untersucht werden muss nun, wann dies der Fall ist und welche Gesichtspunkte für das Bestehen oder Nichtbestehen der Beendigungsbefugnis eine Rolle spielen können. Dazu ist hilfreich, sich zunächst einen Überblick über den Meinungsstand zum Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs zu verschaffen.
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In: Holzer, § 36, Rdnr. 2. In: Holzer, § 36, Rdnr. 3. 299 Dass es ein berechtigtes Interesse der Beteiligten am Abschluss eines reinen Verfahrensvergleichs geben kann wurde bereits oben unter § 2. A. II. 2., S. 25 ff. ausgeführt. 300 Dies nimmt auch, ohne nähere Begründung, Elzer (in: Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 4) an. 298
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 51
1. Ausschluss in Amtsverfahren Seit Inkrafttreten des FamFG hat sich die Rechtsprechung, abgesehen von einem Beschluss des AG Brandenburg301, noch nicht grundsätzlich dazu äußern müssen, in welchen Verfahren die Beteiligten einen Vergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG schließen können302. Jedoch haben in Verfahren, die den Umgang oder die Herausgabe eines Kindes betreffen, bereits mehrere Oberlandesgerichte eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich ohne gerichtliche Billigung (vgl. § 156 Abs. 2 FamFG) abgelehnt303. Zur Begründung wird angeführt, dass es sich um Amtsverfahren handele, die nicht der Dispositionsbefugnis der Beteiligten unterlägen304. Demgegenüber ist in der Literatur umstritten, ob ein verfahrensbeendender Vergleich im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Amtsverfahren möglich ist. Die unterschiedlichen Auffassungen resultieren zum Teil aus dem divergierenden Verständnis des Tatbestandsmerkmals der Verfügungsbefugnis. Diejenigen, die davon ausgehen, dass die von § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG geforderte Verfügungsbefugnis sowohl die Beendigungsbefugnis als auch die materielle Regelungsbefugnis umfasse305, folgern daraus, dass in erster Instanz nur Antragsverfahren einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich überhaupt zugänglich seien. In Amtsverfahren306 soll diese hingegen in der Hauptsache von vornherein nicht möglich sein307. Zulässig sei nur ein Vergleichsschluss bezüglich der Verfahrenskosten und anderer, der materiellen oder prozessualen Dispositionsbefugnis unterliegender, Nebenfragen308. Auseinander gehen die Auffassungen innerhalb der soeben angesprochenen Meinungsströmung bei der Frage, ob der Abschluss eines Verfahrensvergleichs 301
Siehe Fn. 276. OLG Brandenburg hat in einem Beschl. v. 20. 08. 2013 (– 3 WF 61/13 –, Rdnr. 8, zitiert nach juris) die Zulässigkeit des Vergleichs in Gewaltschutzsachen bejaht, ist dabei aber nicht näher auf § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingegangen. Andere Entscheidungen befassen sich im Wesentlichen mit Fragen der erforderlichen Form der Protokollierung, so etwa OLG Hamm, Beschl. v. 11. 04. 2011 – 4 WF 185/10 = FGPrax 2011, S. 209 (209). 303 Siehe Nachweise in Fn. 233. 304 Siehe Fn. 233, jeweils a. a. O. 305 Siehe Nachweise oben in Fn. 276. 306 Zum Begriff siehe bereits oben unter § 1. D. I. 1., S. 11. 307 Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 16; Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 5; Haußleiter/ Gomille, § 36, Rdnr. 9; MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 16; Elzer in Bork/Jacoby/ Schwab, § 36, Rdnr. 16; etwas offener Kemper/Schreiber/Schreiber, § 36, Rdnr. 5 und Bumiller in Bumiller/Harders, § 36, Rdnr. 5 (Vergleich regelmäßig nicht möglich). Vor der FG-Reform war dies ganz überwiegende Ansicht, vgl. z. B Bassenge, Rpfleger 1972, S. 237 (239 f.) und in Bassenge/Roth (11. Aufl.), Einleitung FGG, Rdnr. 135; Keidel/Meyer-Holz (15. Aufl.), Vorb. §§ 8–18 FGG, Rdnr. 24; Jansen/v. König/v. Schuckmann, Vor §§ 8–18 FGG, Rdnr. 80; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 22, II 3, S. 167, Munding, Vergleiche, S. 19; Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 21, III 3 a; Bork, Vergleich, S. 455; Müller, JZ 1954, S 17 (19). 308 Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 16; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 16; Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 5. 302 Das
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
auch im Rechtsmittelverfahren ausgeschlossen ist. Überwiegend wird angenommen, dass die Beteiligten im Rechtsmittelverfahren einen Verfahrensvergleich schließen können309, zumindest soweit sich dieser auf die Verfahrensbeendigung beschränke310. Denn auch wenn es sich in erster Instanz um ein Amtsverfahren handele, entschieden die Beteiligten über die Einlegung und den Fortfall des Rechtsmittels311. Meyer-Holz312 hingegen hält zwar eine Vereinbarung der Beteiligten für möglich, die einen Rechtsmittelverzicht nach § 67 Abs. 1 FamFG oder eine Rechtsmittelrücknahme gemäß § 67 Abs. 4 FamFG enthalte. Diese habe aber nicht den Charakter eines Verfahrensvergleichs gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG, da sie sich nicht auf den Verfahrensgegenstand beziehe313. Bezüglich der Beendigung des Rechtsmittelverfahrens führen beide Ansätze zu keinen praktischen Unterschieden. Konsequenzen kann der Meinungsstreit jedoch in Fällen haben, in denen die Beteiligten im Rahmen der Verfahrensbeendigung über den Verfahrensgegenstand hinausgehende314, materielle Regelungen treffen wollen. Die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Rechtsmittelverfahren böte ihnen die Möglichkeit, auf einfache Weise einen Vollstreckungstitel für diese Regelungen zu erlangen315. Bereits Mitte der fünfziger Jahre wurde von Bonin316 und Esser317 vertreten, dass eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich auch in Amtsverfahren möglich sei, wenn die Beteiligten durch Vereinbarung die materiellen Voraussetzungen für eine von Amts wegen zu treffende Maßnahme beseitigen könnten. Beide Autoren haben als Beispiel den Fall angeführt, dass in einem Erbscheineinziehungsverfahren der Sohn zugunsten des fälschlich durch den Erbschein 309 MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 16; Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnr. 9. Bereits vor der FG-Reform: Bassenge in Bassenge/Roth (11. Aufl.), Einleitung FGG, Rdnr. 135. Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 5 und Bumiller in Bumiller/Harders, § 36, Rdnr. 8 halten einen Vergleich für möglich, der eine Beschwerderücknahme oder einen Rechtsmittelverzicht enthalte. Unklar bleibt, ob es sich dann um einen Vergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG oder eben um Verzicht oder Rücknahme handeln soll. 310 Materielle Regelungen im Vergleich sollen die Beteiligten dann treffen können, wenn ihnen eine entsprechende materielle Regelungsbefugnis zukommt (siehe z. B. Haußleiter/ Gomille, § 36, Rdnr. 9). 311 MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 16; Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnr. 9. 312 In: Keidel, § 36, Rdnr. 17. 313 In Keidel, § 36, Rdnr. 17. 314 Sofern man davon ausgeht, dass die Beteiligten überhaupt Vollstreckungstitel auch für Regelungen schaffen können, die über den Verfahrensgegenstand hinausgehen (näheres hierzu unten unter § 2. F. III., S. 140 f.). 315 Nach der hier vertretenen Trennungslehre könnte (dazu oben unter § 2. A. II. 1., S. 22 m. N.) man einen Vollstreckungstitel analog § 36 FamFG freilich auch dann schaffen, wenn man keinen Verfahrensvergleich schließt. Nach der herrschenden Doppelnaturlehre, der auch Meyer-Holz (In: Keidel, § 36, Rdnrn. 4, 22) folgt, erscheint dies jedoch schwer begründbar. 316 In: Prozeßvergleich, S. 174. 317 In: FS Lehmann, S. 713 (726).
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 53
legitimierten Enkels das Erbe ausschlägt318. Diese Auffassung hat aber, soweit ersichtlich, bereits unter Geltung des FGG keine Zustimmung erfahren. Gegen sie wurde angeführt, dass die Beteiligten in solchen Fällen dem Gericht nicht die Befugnis zur Prüfung nehmen könnten, ob gleichwohl Maßnahmen von Amts wegen zu treffen seien319. Schließlich wird von einem Teil derjenigen, die die von § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG geforderte Verfügungsbefugnis ausschließlich im Sinne einer materiellen Regelungsbefugnis verstehen, eine Verfahrensbeendigung durch Verfahrensvergleich nunmehr auch in Amtsverfahren grundsätzlich für möglich gehalten320. Betont wird aber, dass die in Amtsverfahren zu wahrenden objektiven Interessen meist gegen eine Dispositionsbefugnis der Beteiligten sprächen321.
2. Ausschluss in Fürsorgeverfahren Umstritten ist weiterhin, ob neben der Unterscheidung zwischen Amts- und Antragsverfahren zusätzlich die Unterscheidung zwischen Fürsorge- und Streitverfahren322 zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Verfahrensvergleichs fruchtbar gemacht werden kann. Ein Teil der Literatur ist der Auffassung, dass nur in Streitverfahren eine materielle Verfügungsbefugnis der Beteiligten über den Verfahrensgegenstand gegeben sei und daher eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich in Betracht komme323. Hingegen scheide in Fürsorgesachen eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich aus324. In der Konsequenz ist nach dieser Auffassung ein Vergleichsschluss nur in solchen Verfahren denkbar, die Antragsverfahren und zugleich Streitverfahren sind325. Demgegenüber gehen andere Stimmen davon aus, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht an die Unterscheidung zwischen Streit- und Fürsorgeverfahren anknüpfe, weshalb eine 318
Siehe Fn. 316 und 317, jeweils a. a. O. Bassenge, Rpfleger 1972, S. 237 (240). 320 So etwa Zöller/Feskorn, § 36 FamFG, Rdnr. 2; grundsätzlich einen Vergleich zulassen auch Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 8 und Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 9. 321 So Zöller/Feskorn, § 36 FamFG, Rdnr. 2; stark einschränkend auch Schulte-Bunert/ Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 9. 322 Zu den Begriffen Fürsorge- und Streitverfahren siehe oben unter § 1. D. II., S. 12 ff. 323 Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 18; Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnr. 9; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 139 u. 174. Vor der FG-Reform z. B. Smid, Rechtsprechung, S. 439; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 18, III 3; Klüsener, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 54; schon Josef, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Jg. 48 (1904), S. 557 (558 ff.) ging von einer Beschränkung des Verfahrensvergleichs auf Streitverfahren aus. 324 Kemper/Schreiber/Schreiber, § 36, Rdnr. 5; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 18, III 3; Klüsener, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rdnr. 54; bei den anderen in Fn. 323 Genannten ergibt sich dies aus einem Umkehrschluss. 325 Die Kategorien Amts-/Antragsverfahren und Fürsorge-/Streitverfahren sind nicht identisch (siehe oben unter § 1. D. II. 3., S. 15 f.). 319
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Verfahrensbeendigung durch Vergleich grundsätzlich auch außerhalb der Streitverfahren möglich sei326.
IV. Das Bestehen der Beendigungsbefugnis Geklärt wurde bereits, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG den Abschluss eines Verfahrensvergleichs327 davon abhängig macht, dass die Beteiligten das Verfahren beenden können328. Davon ausgehend stellt sich die Frage, ob der soeben skizzierte Ansatz der Literatur, den Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs in Amtsverfahren auszuschließen, haltbar ist. Gleiches gilt für die vorgeschlagene Differenzierung zwischen Streit- und Fürsorgeverfahren.
1. Ausgangspunkt: Fehlende Beendigungsbefugnis als begründungsbedürftiger Ausnahmefall Bevor auf das Bestehen der Beendigungsbefugnis anhand der in der Literatur gebildeten Verfahrensgruppen näher eingegangen werden kann, muss man sich Klarheit über den Ausgangspunkt der Untersuchung verschaffen. Sind die einzelnen Verfahrensarten daraufhin zu analysieren, ob die Beteiligten das Verfahren beenden können oder ist umgekehrt das Fehlen einer Beendigungsbefugnis anhand des Gesetzes zu ermitteln? Je nachdem wie man diese Frage beantwortet, verschiebt sich die Begründungslast der Untersuchung. Auch für die Lösung etwaiger Zweifelsfälle muss man sich in dieser Hinsicht Klarheit verschaffen. Die Literatur zu § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG und zum Verfahrensvergleich unter Geltung des FGG schweigt indes zu dem angesprochenen Punkt. Beachtenswert ist jedoch die Herangehensweise der Literatur bei Bestimmung des Anwendungsbereichs des Verfahrensvergleichs. Zumeist werden positiv Verfahren oder Verfahrensgruppen benannt, in denen die Beteiligten die Verfügungsbefugnis zukommen soll329. Demnach unterliegt die Literatur anschei326 Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 8. Ohne dies ausdrücklich zu betonen offenbar auch: Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 13 Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 5; BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnrn. 7 ff.; Zöller/Feskorn, § 36 FamFG, Rdnrn. 2 f.; SchulteBunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 9. Bereits unter Geltung des FGG hat Munding (Vergleiche, S. 32 ff.) ausführlich eine Anknüpfung an Streitsachen abgelehnt. Generell für überflüssig hält Bumiller (Bumiller/Harders, § 1, Rdnr. 13 und § 113, Rdnrn. 4 f.) die Unterscheidung zwischen Streit- und Fürsorgeverfahren. 327 Der Verfahrensvergleich wird im Rahmen dieser Darstellung als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag verstanden, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 328 Siehe oben unter § 2. C. II. 3., S. 46 ff. 329 Dies gilt zumindest für die Literaturstimmen, die sich ausführlicher mit § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG beschäftigen (vgl. hierzu die Übersicht über Meinungstand m. N. oben unter § 2. C. III., S. 50 ff.).
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 55
nend, wenn auch möglicherweise unbewusst, der Vorstellung, dass es begründungsbedürftig sei, dass die Beteiligten das Verfahren durch Vergleich beenden können. Diese Prämisse bedarf einer näheren Betrachtung. Die Verfügungsbefugnis über das Verfahren wird allgemein als Gegenstück der Privatautonomie begriffen. Weil Private ihre Rechtsverhältnisse frei und eigenverantwortlich regeln können330, ist es auch ihnen überlassen, ob sie vor Gericht die Durchsetzung ihrer Rechte anstreben331. Der Verfügungsgrundsatz ist mithin Teil der Handlungsfreiheit Privater und im Kern grundrechtlich geschützt332. Zu Recht hat Schlosser333 deshalb bezüglich der einvernehmlichen Parteidisposition im Zivilprozess betont, dass die Argumentationslast für Beschränkungen beim Staat liegt. Dies gilt auch in FamFG-Verfahren. Zwar kann der Verfügungsgrundsatz zum Schutz privater und öffentlicher Interessen rechtmäßig eingeschränkt werden und ist nur in manchen Elementen verfassungsrechtlich geboten334. Jedoch gibt die grundsätzlich bestehende Handlungsfreiheit der Beteiligten ein Regel-Ausnahmeverhältnis hinsichtlich der Verfügungsfreiheit und mithin auch bezüglich der Befugnis zur Verfahrensbeendigung vor335. Wenn es um die Durchsetzung subjektiver Rechte geht, also in den sogenannten Streitsachen336, haben die Beteiligten im Ausgangspunkt die Freiheit, das Verfahren zu beenden337. Einschränkungen dieser Freiheit zur Wahrung privater oder öffentlicher Interessen sind grundsätzlich zulässig, aber begründungsbedürftig338. Gilt das soeben dargestellte Regel-Ausnahmeverhältnis aber auch dann, wenn das Gericht als neutrale Instanz zur Entscheidung berufen ist, mithin in den unter der Bezeichnung Fürsorgesachen339 zusammengefassten Verfahren? Die von der Literatur herausgearbeiteten Strukturunterschiede zwischen Streitsachen und Fürsorgeverfahren zwingen nicht dazu, Fürsorgeverfahren in 330 Die Privatautonomie wird durch Art. 2 Abs. 1 GG und ggf. durch speziellere Grundrechte garantiert (statt vieler z. B. Di Fabio in Maunz/Dürig [71. EL 2014], Art. 2, Rdnr. 101 ff. m. w. N.). 331 Siehe statt vieler bereits früh Rümelin, Rechtspolitik und Doktrin, S. 27. 332 Stürner, FS Baur, S. 647 (650 ff.); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1, VIII 2 a, Rdnr. 28. 333 Einverständliches Parteihandeln, S. 9 f. 334 Näher hierzu etwa Stürner, FS Baur, S. 647 (651 ff.). 335 Allgemein für die einverständliche Parteidisposition im Zivilprozess: Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, S. 9 f. 336 Zum Begriff siehe oben unter § 1. D. II. 2., S. 14 f. 337 Zu Recht weist Wagner (Prozeßverträge, S. 525) im Zusammenhang mit dem Problem der Zulässigkeit von abstrakten Prozessbeendigungsverträgen in der streitigen Gerichtsbarkeit daraufhin, dass gegen den übereinstimmenden Willen der Beteiligten das Verfahren nicht fortgesetzt werden darf. 338 Schlosser (Fn. 333, a. a. O.). Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Wagner (siehe Fn. 337, a. a. O.) im Zusammenhang mit dem Problem der Zulässigkeit von abstrakten Prozessbeendigungsverträgen in der streitigen Gerichtsbarkeit. 339 Zum Begriff siehe oben unter § 1. D. II. 1., S. 12 ff.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
dieser Hinsicht anders als Streitverfahren zu behandeln. Zwar entspricht die helfende und kontrollierende Tätigkeit des Gerichtes in Fürsorgeverfahren340 materiell eher der Verwaltung als der Rechtsprechung341. Diese Ausübung von „Rechtspolizei“342 durch das Gericht berechtigt aber nicht dazu, den Beteiligten grundsätzlich die Beendigungsbefugnis abzusprechen343. Es ist in heutzutage im Gegensatz zur überkommenen Vorstellung bei Schaffung des FGG344 allgemein anerkannt, dass der Einzelne auch in den klassischen Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht bloßes Objekt stattlich gewährter Fürsorge ist, sondern Beteiligter mit garantierten Rechten345. Daraus folgt zwar nicht zwingend, dass die Beteiligten, vergleichbar mit Prozessparteien, stets die Herrschaft über das Verfahren haben346. Wohl aber führt die Anerkennung der Beteiligten als Rechtssubjekte zu einer, im Einzelfall zu widerlegenden, Vermutung für das Bestehen einer solchen Herrschaft. Dies deckt sich mit dem Grundsatz, dass Private vorrangig ihre Angelegenheiten selbst regeln dürfen und sollen347. Gerichtlich gewährte Fürsorge ist die begründungsbedürftige Ausnahme. Sie kann jedenfalls den Beteiligten nur aufgedrängt werden, wenn das Gesetz das Gericht ausdrücklich oder konkludent dazu ermächtigt348. Fehlt eine solche Ermächtigung, wird man es den Beteiligten gestatten müssen, dass Verfahren einvernehmlich zu beenden. Für jedes Fürsorgeverfahren ist daher anhand des einschlägigen materiellen Rechts und der maßgeblichen Bestimmungen des FamFG gesondert zu ermitteln, ob die Befugnis der Beteiligten zur Verfahrensbeendigung aufgrund privater oder öffentlicher Interessen beschränkt oder ausgeschlossen ist. 340
Siehe bereits oben unter § 1. D. II. 1., S. 13 f. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 38; MünchKommFamFG/Pabst, § 1, Rdnr. 17; MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 3; ausführlich Smid, Rechtsprechung, S. 397 ff. 342 Smid, Rechtsprechung, S. 436. 343 In diese Richtung geht aber Smid, Rechtsprechung, S. 436 ff., wobei nicht ganz deutlich wird, ob er die materielle Regelungsbefugnis oder die Beendigungsbefugnis meint. Einerseits geht er davon aus, dass die Beteiligten über das Verfahren disponieren können, andererseits hält er es aber nicht für möglich, dass sie das Verfahren „unstreitig“ beenden. 344 Vgl. hierzu Darstellungen von Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 14 ff. und Smid, Rechtsprechung, S. 214 f., jeweils m. w. N. 345 Zu dieser Entwicklung Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 19 ff.; vgl. auch Smid, Rechtsprechung, S. 220 f., 441, 448, 641. 346 Smid, Rechtsprechung, 449 ff. 347 Hierzu im Zusammenhang der Mitwirkungsverantwortung der Beteiligten bei der Sachverhaltsaufklärung: Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 139 f. 348 Zumindest dann, wenn die gerichtliche Tätigkeit geeignet ist, Rechte und Interessen Privater zu berühren. Dass das materielle Recht zum Teil ausdrücklich anordnet, dass Fürsorge nicht gegen den Willen des Betroffenen aufgedrängt werden soll (etwa in § 1896 Abs. 1a BGB, vgl. auch Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 135), spricht nicht gegen diesen Grundsatz. Es handelt sich insofern um eine Einschränkung bereits bestehender Ermächtigungsgrundlagen (etwa von § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). 341 Vgl.
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 57
Jede gerichtliche Tätigkeit in FamFG-Sachen gegen den Willen der Beteiligten ist also rechtfertigungsbedürftig349. Das beschriebene Regel-AusnahmeVerhältnis gilt folglich unabhängig von der Rolle des Gerichts im konkreten Verfahren. Für die vorliegende Untersuchung folgt aus dem soeben dargestellten Grundsatz, dass sich Beschränkungen der Beendigungsbefugnis aus dem Gesetz ergeben müssen. Finden sich solche für das konkrete Verfahren nicht, haben die Beteiligten das Recht, das Verfahren durch Vertrag zu beenden.
2. Beendigungsbefugnis in allen reinen Antragsverfahren In reinen Antragsverfahren350 bestimmt der Antragsteller über den Beginn und den Gegenstand351 oder zumindest den Rahmen des Verfahrens352. Das Gericht hat keine Möglichkeit, ohne den Willen der Beteiligten ein Verfahren zu beginnen. Zwar folgt aus dieser Entscheidungsfreiheit über den Beginn und Gegenstand des Verfahrens nicht zwangsläufig das Recht, das Verfahren auch zu beenden353. Einschränkungen der Beendigungsbefugnis zum Schutz der anderen Beteiligten354 oder öffentlicher Interessen355 sind denkbar. Insofern lässt sich dem FamFG aber lediglich entnehmen, dass die Möglichkeit des antragstellenden Beteiligten, das Verfahren ohne Zustimmung der anderen Beteiligten zu beenden, beschränkt ist. Ein Beteiligter kann das Verfahren nach dem Erlass einer Endentscheidung durch Antragsrücknahme nur beenden, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen, § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Für eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung der Beteiligten356 setzt das FamFG in Antragsverfahren indes keine Grenzen. Wie dargestellt, möchte zwar ein Teil der Literatur die 349 Zutreffend
weist Lettau, Beschwerde, S. 41, darauf hin, dass ein Richter in FamFGSachen immer ein staatliches Eingriffsrecht in Anspruch nimmt. 350 Zum Begriff siehe oben unter § 1. D. I. 2., S. 11. 351 In Antragsverfahren mit Bindung an einen Sachantrag, siehe oben § 2. C. II. 1. b), S. 44 f. 352 In Antragsverfahren ohne Bindung an einen Sachantrag, siehe oben § 2. C. II. 1. b), S. 45. 353 Zu Recht weist Rüntz (in: Bahrenfuss, § 23, Rdnr. 4) darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen Amts- und Antragsverfahren nur die Befugnis zur Einleitung des Verfahrens betrifft. 354 Vgl. aus der streitigen Gerichtsbarkeit etwa § 269 Abs. 1 ZPO, § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO und § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO und den am 01. 01. 2014 in Kraft getretenen § 565 Satz 2 ZPO. 355 Dies zeigt etwa ein Blick auf das Verfassungsprozessrecht. Bei der Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG kann die Befugnis zur Rücknahme der Verfassungsbeschwerde durch die objektive Funktion der Verfassungsbeschwerde, das objektive Verfassungsrecht zu wahren und fortzubilden, eingeschränkt werden (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. nur Urt. v. 14. 07. 1998 – 1 BvR 1640–97 = NJW 1998, S. 2515 [2518] m. w. N.). 356 Wobei noch zu klären sein wird, ob alle Beteiligten Vergleichsparteien sein müssen (hierzu unten unter § 2. D. II., S. 87 ff.).
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Möglichkeit, einen Verfahrensvergleich zu schließen, nur in Antragsverfahren, die zugleich Streitverfahren sind, zulassen357. Soweit diese Ansicht jedoch mit der fehlenden materiellen Regelungsbefugnis begründet wird358, kann sie aus mehreren Gründen nicht überzeugen. Sehr zweifelhaft ist bereits, ob sich das Bestehen oder Nichtbestehen materieller Regelungsbefugnisse bezüglich des Verfahrensgegenstandes anhand der Kategorien Streit- und Fürsorgeverfahren bestimmen lässt359. Selbst wenn dies aber zutreffen sollte, schränkt die fehlende materielle Regelungsfreiheit die Möglichkeit, einen Verfahrensvergleich zu schließen, nicht ein360. Es kommt nach der hier vertretenen Auffassung für den Abschluss eines Verfahrensvergleichs als rein verfahrensbeenden Vertrag allein darauf an, ob die Beteiligten im konkreten Verfahren die Befugnis zur Beendigung des Verfahrens haben361. Geklärt wurde bereits, dass in Streitverfahren und in Fürsorgeverfahren die Fortführung des Verfahrens gegen den Willen der Beteiligten einer gesetzlichen Rechtfertigung bedarf362. Eine solche kann aber für reine Antragsverfahren weder dem FamFG noch dem materiellen Recht entnommen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verfahren Fürsorgecharakter haben oder die Entscheidung eines Rechtsstreits im Mittelpunkt steht. In allen reinen Antragssachen haben die Beteiligten daher die Befugnis, das Verfahren einvernehmlich zu beenden. Dies gilt in erster Instanz wie im Rechtsmittelverfahren. Sie können mithin, sofern die übrigen Verfahrenshandlungsvoraussetzungen gegeben sind, stets einen Verfahrensvergleich schließen.
3. Keine Beendigungsbefugnis in allen Amtsverfahren und unechten Antragsverfahren erster Instanz? Auf den ersten Blick ist man geneigt, der herrschenden Ansicht zuzustimmen und in Amtsverfahren363 sowie unechten Antragsverfahren364 den Abschluss eines Verfahrensvergleichs wegen mangelnder Beendigungsbefugnis in erster Instanz generell auszuschließen. Die Stimmen, die einen Verfahrensvergleich nach der FG-Reform auch in Amtsverfahren zulassen möchten, folgern dies aus der Annahme, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG nunmehr lediglich eine materielle Regelungsbefugnis verlange365. Es wurde jedoch bereits geklärt, dass dies nicht zutrifft. Verfügenkönnen im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG bedeutet, dass 357
Siehe dazu oben unter § 2. C. III. 2., S. 53 f. m. N. in den Fn. 323 und 324. So Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 18; Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnr. 9. 359 Ausführlich hierzu unten unter § 2. E. II., S. 95 ff. 360 Freilich kann eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich unter Umständen nicht sinnvoll sein, wenn den Beteiligten die Möglichkeit fehlt, materielle Regelungen zu treffen. 361 Siehe hierzu oben § 2. C. II. 3., S. 46 ff. 362 Siehe hierzu oben § 2. C. IV. 1., S. 54 ff. 363 Zum Begriff siehe oben unter § 1. D. I. 1., S. 11. 364 Zum Begriff siehe oben unter § 1. D. I. 3., S. 12. 365 Vgl. Zöller/Feskorn, § 36 FamFG, Rdnr. 2; Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 358
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die Beteiligten in der Lage sein müssen, das Verfahren zu beenden366. Daher kann die Mindermeinung mit dieser Argumentation nicht überzeugen. Auch der Ansatz von Bonin und Esser, die den Abschluss eines Verfahrensvergleichs zulassen wollen, wenn die Beteiligten die materiellen Voraussetzungen für die gerichtliche Entscheidung beseitigen können367, greift zu kurz. Er setzt, zumindest wenn man ihn konsequent durchhalten möchte, eine generelle Kongruenz zwischen materielle Regelungsfreiheit und die Beendigungsbefugnis voraus, die nicht gegeben ist. Gerade in dem von ihnen angeführten Beispiel einer sich aus dem (allerdings befristeten) Recht zur Erbschaftsausschlagung ergebenden Möglichkeit, während eines schwebenden Verfahrens zur Einziehung eines unrichtigen Erbscheins (§ 2361 BGB) über die Erbenstellung zu disponieren368, trifft der Einwand zu, dass dem Gericht nicht die Befugnis genommen werden kann, die Sachlage zu überprüfen369. Denn das Gericht muss zum Schutz des wahren Erben vor nachteiligen Verfügungen über Nachlassgegenstände sicherstellen, dass kein unrichtiger Erbschein im Umlauf ist370, und darf deshalb das Verfahren auch nach der entsprechenden Disposition weiterführen371. Die genannten Ansichten geben aber Anlass zu fragen, warum trotz bestehender materieller Regelungsfreiheit das Gericht das Verfahren im Einzelfall fortführen darf. Überhaupt erscheint es auf einen zweiten Blick lohnenswert, die herrschende Meinung einer näheren Prüfung zu unterziehen. Dass ein Verfahren Amtsverfahren ist, führt zunächst nur dazu, dass das Gericht das Verfahren unabhängig von einem Antrag der Beteiligten einleiten darf. Meist unausgesprochen schließt eine ganz herrschende Ansicht aus dieser Befugnis des Gerichts, dass den Beteiligten das Recht fehle, das Verfahren zu einvernehmlich zu beenden372. Nur wenn sich dieser Schluss stets als richtig erweisen sollte, kann man annehmen, dass die Beteiligten in Amtsverfahren generell keinen 8; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 9 und bereits oben unter § 2. C. III. 1., S. 53. 366 Siehe bereits oben unter § 2. C. II. 3., S. 46 ff. 367 Siehe hierzu bereits Ausführungen oben unter § 2. C. III. 1., S. 52 mit Nachweisen in Fn. 316 und 317. 368 Bonin, Prozeßvergleich, S. 174; Esser, FS Lehmann, S. 713 (726) und oben unter § 2. C. III. 1., S. 52 f. 369 Bassenge, Rpfleger 1972, S. 237 (240). 370 Vgl. Beschl. v. 04. 01. 1991 – BReg 1 a Z 18/90 = BayObLGZ 1991, S. 1 (5 f.) und unten unter § 2. E. III. 1. b), S. 116. 371 Zu den materiellen Regelungsmöglichkeiten im Erbscheinsverfahren ausführlich unten unter § 2. E. III. 1. b), S. 116 ff. 372 Ausdrücklich hingegen MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 11 unter Verweis auf Lindacher, JuS 1978, S. 577 (579); Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 18, vor I; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 134, vgl. auch Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 21, III 3 a, nachdem es keiner näheren Darlegung bedürfe, dass ein Prozessvergleich in Amtsverfahren nicht möglich sei, da den Beteiligten die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand fehle.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Verfahrensvergleich schließen können. Angesichts dessen, dass, wie bereits dargelegt wurde373, nicht das Bestehen der Beendigungsbefugnis begründungsbedürftig ist, sondern deren Einschränkungen, ist eine Überprüfung dieser These notwendig. a) Mangelnde Beendigungsbefugnis als zwangsläufige Folge der Offizialmaxime?
Soweit überhaupt, begründet die Literatur die fehlende Befugnis der Beteiligten, ein Amtsverfahren zu beenden, mit der Geltung der Offizialmaxime374. In Amtsverfahren bestimmt das Gericht über den Beginn des Verfahrens375. Es legt den Verfahrensgegenstand fest376. Daher erscheint es in der Tat auf den ersten Blick sachgerecht, aus diesen Befugnissen des Gerichts zu folgern, dass es den Beteiligten grundsätzlich verwehrt ist, dem Gericht den Verfahrensgegenstand wieder zu entziehen. Es wurde aber bereits bei der Behandlung der reinen Antragsverfahren festgestellt, dass aus der Freiheit, den Beginn des Verfahrens zu bestimmen, nicht automatisch das Recht folgt, dieses auch zu beenden377. Zwar wird etwa von Munding angeführt, dass die Offizialmaxime im Gegensatz zur Dispositionsmaxime nicht in dieser Weise teilbar sei, das Gericht also stets die Herrschaft über den Beginn und das Ende des Verfahrens habe378. Diese Annahme verwundert jedoch, wenn man sich die Offizialmaxime näher betrachtet. Die Offizialmaxime stellt nicht in jeder Hinsicht das Gegenteil der Dispositionsmaxime dar379. Der Dispositionsgrundsatz ist der einfachgesetzliche Ausdruck der grundsätzlich bestehenden Handlungsfreiheit der Beteiligten380. Die Offizialmaxime hingegen ist eine Befugnis, die dem Gericht als staatlichem Organ zur Erfüllung bestimmter, ihm durch Gesetz zugewiesener, Aufgaben eingeräumt wird. Dabei kann, wie etwa bei Maßnahmen zur Abwendung von Gefährdungen des Kindeswohls nach § 1666 Abs. 1 BGB, der Schutz subjektiver Rechte im Vordergrund stehen381. Auch die Durchset373
Siehe oben unter § 2. C. IV. 1., S. 54 ff. etwa MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 11; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 18, vor I; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 134. 375 Siehe oben unter § 1. D. I. 1., S. 11. 376 Siehe oben unter § 2. C. II. 1. a), S. 43. 377 Siehe oben unter § 2. C. IV. 2., S. 57. 378 Vergleiche, S. 19. 379 Zumeist wird die Offizialmaxime aber lediglich als Gegensatz zur Dispositionsmaxime dargestellt, vgl. etwa Jansen/v. König/v. Schuckmann, Vor §§ 8–18 FGG, Rdnr. 4; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 134; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 19, I 1, S. 128; Lindacher, JuS 1978, S. 577 (578); Fenn, FS Schiedermair, S. 117 (120); Wieczorek/Schütze/ Prütting (3. Aufl.), Einl., Rdnr. 72. 380 Dazu bereits oben unter § 2. C. IV. 1, S. 55. m. N. in den Fn. 330, 331 und 332. 381 Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 4, III, S. 24. Vgl. hierzu auch unten unter § 2. E. II. b) aa), S. 102 und 105. 374 So
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 61
zung des objektiven Rechts kann Grund für die Anordnung der Offizialmaxime sein382, so beispielsweise bei der Löschung einer Firma von Amts wegen aus dem Handelsregister gemäß § 393 Abs. 1 FamFG383. Als staatliche Befugnis gilt die Offizialmaxime im Gegensatz zur Handlungsfreiheit Privater aber in keinem Fall aus sich selbst heraus, da sie anders als diese nicht der Selbstverwirklichung dient. Sowohl ihr Bestehen als auch ihr konkreter Umfang sind mithin im Einzelfall begründungsbedürftig384. Es ist durchaus vorstellbar, dass dem Gericht im Einzelfall zwar eine Verfahrenseinleitung von Amts wegen, nicht aber eine Verfahrensfortführung gegen den Willen der Beteiligten gestattet ist. Der bloße Verweis auf die Geltung der Offizialmaxime liefert jedenfalls noch keine hinreichende Begründung dafür, dem Gericht mit der Ermächtigung zu einer von Verfahrenshandlungen unabhängigen Verfahrenseinleitung stets auch die darüber hinaus gehende Befugnis einzuräumen, das Verfahren gegen den Willen der Beteiligten fortzuführen385. Zu untersuchen ist somit, ob ein solcher Schluss gesetzlich oder durch praktische Erfordernisse vorgegeben ist. b) Verfahrensbeendigung in Amtsverfahren ausgeschlossen durch § 22 Abs. 4 FamFG? aa) Direkte Anwendung des § 22 Abs. 4 FamFG
Normativ stützen könnte sich ein Ausschluss der Beendigungsbefugnis in Amtsverfahren möglicherweise auf § 22 Abs. 4 FamFG. Demnach gelten in Verfahren, die auch von Amts wegen eingeleitet werden können, § 22 Abs. 2 und Abs. 3 FamFG nicht. Eine bereits ergangene Endentscheidung wird durch Antragsrücknahme nicht wirkungslos, das Gericht kann trotz Beendigungserklärung über einen gestellten Antrag entscheiden386. Der Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG wird indes vom Wortlaut des § 22 Abs. 4 FamFG nicht erfasst. Zu einer direkten Anwendung des § 22 Abs. 4 FamFG käme man daher nur, wenn in jedem Vergleichsschluss gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG zugleich eine einvernehmliche Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 1 FamFG oder eine Beendigungserklärung gemäß § 22 Abs. 3 FamFG liegen sollte. Dagegen spricht, dass der Verfahrensvergleich, wie bereits dargelegt, selbst unmittelbar zur Verfahrensbeendigung führt387. Einer zusätzlichen Antrags382 Das Gericht erfüllt dann (ggf. zugleich mit dem Schutz subjektiver Rechte) eine öffentliche Ordnungsaufgabe (Jansen/v. König/v. Schuckmann, Vor §§ 8–18 FGG, Rdnr. 4). 383 OLG Hamm, Beschl. v. 13. 11. 1970 – 15 W 280/70 = OLGZ 1971, S. 226 (228, zu §§ 142, 143 FGG). 384 Dies geht freilich nicht soweit, dass es für ihre Geltung stets einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Näheres hierzu unten unter § 2. C. IV. 3. c) cc), S. 64 ff.). 385 So aber die in Fn. 374 Genannten. 386 Näheres zur Antragsrücknahme in reinen Amts- und unechten Antragsverfahren unten unter § 3. A. II. und III., S. 143 ff. Zur Beendigungserklärung siehe unten unter § 3. B., S. 149 f. 387 Hierzu oben unter § 2. A. III. 1., S. 30 f.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
rücknahme oder Beendigungserklärung bedarf es zur Verfahrensbeendigung nicht388. Auch die Gesetzessystematik legt eine Differenzierung zwischen dem Verfahrensvergleich und den Beendigungstatbeständen nach § 22 Abs. 1, Abs. 3 FamFG nahe. Der Verfahrensvergleich hat eine eigenständige Regelung in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG erfahren und ist nicht in den § 22 FamFG integriert worden. Das Verfahren wird mithin entweder durch einen Verfahrensvergleich oder einen der in § 22 FamFG aufgeführten Tatbestände beendet389. Weiterhin unterscheidet § 83 FamFG in seinen Absätzen 1 und 2 zwischen der Verfahrensbeendigung durch Verfahrensvergleich und der durch Antragsrücknahme. Schließlich dürfen die Unterschiede zwischen diesen Beendigungstatbeständen nicht übersehen werden390. Im Gegensatz zu einem Verfahrensvergleich binden Beendigungserklärung und Antragrücknahme die Beteiligten, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich nicht391. Erklären die Beteiligten im Rahmen eines Vergleichsschlusses das Verfahren zusätzlich für beendet oder nimmt der Antragsteller den Antrag mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurück, wird das Gericht daher gemäß seiner Fürsorgepflicht entsprechend § 28 Abs. 1, Abs. 2 FamFG darauf hinzuwirken haben, dass die Beteiligten klarstellen, welche Art der Verfahrensbeendigung sie wünschen392. Insofern ist es mehr verwirrend als hilfreich, wenn in Rechtsprechung und Literatur zum Teil angenommen wird, man könne im Rahmen eines „Vergleichs“ die Verpflichtung einer Antragsrücknahme vereinbaren393. Nach alldem kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Verfahrensvergleich stets eine Antragsrücknahme oder Beendigungserklärung beinhaltet. Eine direkte Anwendung des § 22 Abs. 4 FamFG auf den Verfahrensvergleich scheidet somit aus. bb) Analoge Anwendung
In Betracht kommt weiterhin, eine Verfahrensbeendigung durch Verfahrensvergleich in unechten Antragsverfahren und in reinen Amtsverfahren durch eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 4 FamFG auszuschließen. Der Gesetzgeber hat den Zweck des § 22 Abs. 4 FamFG darin gesehen, klarzustellen, dass in 388 Siehe OLG Nürnberg, Beschl. v. 10. 06. 1966 – 2 W 27/66 = NJW 1966, S. 1666, (1666); Wieczorek/Schütze/Assmann, § 269, Rdnr. 69 (jeweils zu Klagrücknahme und Prozessvergleich). 389 Vgl. Wagner, Prozeßverträge, S. 522 und Wieczorek/Schütze/Assmann, § 269, Rdnr. 69 (jeweils zu Klagerücknahme und Prozessvergleich). 390 Zu Recht hält Keidel/Sternal, § 22, Rdnr. 5 eine Abgrenzung zwischen der Antragsrücknahme und andere Verfahrensbeendigungstatbeständen für notwendig. 391 Siehe hierzu bereits oben unter § 2. A. II. 2., S. 25 ff. 392 Wieczorek/Schütze/Assmann, § 269, Rdnr. 69 (zu Klagerücknahme und Prozessvergleich). 393 So z. B. OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 11. 1983 – 8 W 328/83 = OLGZ 1984, S. 131 (133). Siehe auch bereits Fn. 145 zur „Klagerücknahme im Prozessvergleich“.
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 63
Verfahren, die auch von Amts wegen eingeleitet werden können, die Wirkungen gemäß § 22 Abs. 2 und Abs. 3 FamFG nicht eintreten, da den Beteiligten in diesen Verfahren die Dispositionsbefugnis über den Verfahrensgegenstand fehle394. In § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist im Gegensatz zu § 22 FamFG die Dispositionsbefugnis über den Verfahrensgegenstand aber bereits als Tatbestandsvoraussetzung enthalten, mithin vom Gericht beim Abschluss des Vergleichs zu prüfen. Damit bestand für den Gesetzgeber gar keine Veranlassung, einen entsprechenden Ausschluss in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu normieren. Es fehlt somit bereits an einer unbewussten Regelungslücke im FamFG, die eine Analogie rechtfertigen könnte. cc) Ergebnis
§ 22 Abs. 4 FamFG zeigt, dass auch der Gesetzgeber der allgemeinen Vorstellung erlegen ist, dass aus der Befugnis des Gerichts, das Verfahren von Amts wegen zu beginnen, die mangelnde Beendigungsbefugnis der Beteiligten folge. Diese Vorstellung hat jedoch nur hinsichtlich der Beendigungserklärung zu einem verbindlichen Ausschluss in Amts- und unechten Antragsverfahren geführt395. Für den Verfahrensvergleich hingegen fehlt es an einer vergleichbaren Norm. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG gestattet die Prüfung des Bestehens einer Beendigungsbefugnis im Einzelfall, auch wenn es sich um ein Amts- oder unechtes Antragsverfahren handeln sollte. c) Gründe für die Zuordnung einzelner Verfahren zu den Amtsverfahren
Überzeugen könnte die dargestellte These der herrschenden Meinung, wenn es sich bei den Amtsverfahren stets um solche Verfahren handeln würde, bei denen es das zugrunde liegende materielle Recht erfordert, dass das Gericht das Verfahren nicht nur unabhängig vom Willen der Beteiligten beginnen, sondern auch fortführen muss. Um dies zu überprüfen, muss man sich verdeutlichen, welche Verfahren überhaupt zu den Amtsverfahren zählen. aa) Keine allgemeine Regelung im FamFG
Das FamFG hat, wie auch das FGG vor ihm, nicht allgemein geregelt, welche Verfahren zu den Amtsverfahren zählen. Der Reformgesetzgeber ging davon 394 BT-Drs. 16/6308, S. 185 l. Sp. Dies zeigt auch, dass der Gesetzgeber unter Dispositionsbefugnis über den Verfahrensgegenstand gerade nicht die materiell-rechtliche Regelungsfreiheit, sondern das Recht zur eigenständigen Verfahrensbeendigung gemeint hat. Denn mit der Antragsrücknahme und Beendigungserklärung beenden die Beteiligten das Verfahren ohne unmittelbar materiell-rechtliche Wirkungen hervorzurufen. Siehe hierzu bereits oben § 1. C. I. 2., S. 9. 395 Die Antragrücknahme gemäß § 22 Abs. 1 FamFG wird demgegenüber nach dem Wortlaut § 22 Abs. 4 FamFG nur dann ausgeschlossen, wenn bereits eine Endentscheidung ergangen ist. Näheres hierzu unten unter § 3. III. 2 b) und c), S. 148.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
aus, dass sich die Frage, wie ein Verfahren eingeleitet wird, ausschließlich nach materiellem Recht entscheide396. Indes finden sich auch im FamFG vereinzelt Regelungen, die das Gericht zu einem Tätigwerden von Amts wegen ermächtigen, etwa in §§ 137 Abs. 2 Satz 2, 393 Abs. 1 Satz 1, 394 Abs. 1 Satz 1, 395 Abs. 1 Satz 1, 399 Abs. 1 Satz 1 und 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG397. Meist muss aber in der Tat auf das materielle Recht zurückgegriffen werden. bb) Ausdrücklich durch das materielle Recht geregelte Fälle
In zahlreichen Fällen hat das materielle Recht ausdrücklich geregelt, ob das Gericht nur von Amts wegen, nur auf Antrag oder entweder auf Antrag oder von Amts wegen tätig wird. Angesichts der sogleich zu schildernden Schwierigkeiten, die sich aus dem Schweigen des Gesetzes zur Art der Verfahrenseinleitung ergeben können, ist solche Gesetzesklarheit zu begrüßen. cc) Schweigen des Gesetzes zur Verfahrenseinleitung
Es finden sich aber auch viele Verfahren, für deren Einleitung das materielle Recht keine besonderen Regelungen getroffen hat. Solche Verfahren sollen nach ganz überwiegender Auffassung Amtsverfahren sein398. Damit wird an die bereits vor der FG-Reform ganz herrschende Meinung399 und an eine Vorstellung, die bereits den Gesetzgeber des FGG leitete, angeknüpft400. Aus der Zuweisung von Aufgaben an das Gericht unter gleichzeitigem Schweigen des Gesetzes über etwaige Antragserfordernisse wird die Berechtigung des Gerichtes, von Amts wegen tätig zu werden, hergeleitet401. Näher begründet wird dieser Schluss kaum. Der Gesetzgeber des FGG ging davon aus, die Befugnis des Gerichts, von Amts wegen tätig zu werden, bedürfe keiner besonderen Regelung. Dieser Grundsatz ergebe sich „aus dem Wesen der freiw. Gerichtsbarkeit von selbst“402. Es ist jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht unbedenklich, 396
BT-Drs. 16/6308, S. 185 l. Sp. § 23, Rdnr. 2. 398 Vgl. z. B. Keidel/Sternal, § 23 Rdnr. 5; § 24, Rdnr. 3; Prütting/Helms/Ahn-Roth, § 22, Rdnr. 4 (die allerdings unzutreffend von „Amtsermittlung“ spricht); Bumiller in Bumiller/ Harders, § 23, Rdnr.1; Bahrenfuss/Rüntz, § 23, Rdnr. 3; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 61; e contrario ergibt sich dies auch aus Burschels Auffassung (BeckOKFamFG § 23, Rdnr. 4 [Stand: 01. 09. 2014]). 399 Siehe nur OLG Hamm Beschl. v. 02. 06. 1981 – 1 WF 115/81 = FamRZ 1982, S. 94 (94); Jansen/v. König/v. Schuckmann, Vor §§ 8–18 FGG, Rdnr. 4; Keidel/Schmidt (15. Aufl.), § 12 FGG, Rdnr. 7; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit (3. Aufl.), S. 125 a. E. Zur a. A. sogleich unten unter (1) und (2) auf S. 100 ff. 400 Hierauf weist Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 298 mit Verweis auf die Begründung zu § 12 FGG in der Denkschrift zum Entwurf des FGG, S. 36 (in: Hahn/Mugdan, Band VII, S. 37) hin. 401 Prütting/Helms/Ahn-Roth, § 22, Rdnr. 4, die allerdings unzutreffend von „Amtsermittlung“ spricht. 402 Vgl. die Begründung zu § 12 FGG in der Denkschrift zum Entwurf des FGG (a .a. O., siehe Fn. 400). 397 MünchKommFamFG/Ulrici,
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aus dem bloßen Schweigen des Gesetzes eine Berechtigung des Gerichtes zur selbstständigen Einleitung des Verfahrens zu schließen. Im Verwaltungsrecht ist anerkannt, dass Aufgaben und Befugnisse zu trennen sind und aus einer Aufgabenzuweisung allein regelmäßig keine Befugnis hergeleitet werden kann, in subjektive Rechte Privater einzugreifen403. Dies muss auch dann gelten, wenn der Staat nicht durch Verwaltungsbehörden, sondern durch Gerichte eingreifend tätig wird, denn der aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Grundsatz des Gesetzesvorbehalts gilt auch für die rechtsprechende Gewalt404. Indes entfaltet die bloße Einleitung eines Verfahrens durch ein Gericht in der Regel405 noch keine Außenwirkung und beeinträchtigt damit subjektive Rechte der Betroffenen noch nicht406. Daher bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, aus der bloßen Aufgabenzuweisung die Befugnis zur Verfahrenseinleitung von Amts wegen herzuleiten. Zur Beeinträchtigung von subjektiven Rechten kann es allerdings kommen, wenn das Gericht das Verfahren gegen den Willen des Beteiligten fortführt. Eine solche Fortführung, ist, wie bereits aufgezeigt wurde407, begründungsbedürftig. Allein dass dem Gericht eine Aufgabe zugewiesen wurde, kann für sich genommen diese Begründung nicht liefern. Notwendig ist vielmehr, dass dem Gericht durch das einschlägige Recht zugleich mit der Aufgabenzuweisung auch die Befugnis zur Verfahrensfortführung gegen den Willen der Beteiligten eingeräumt wird. Ob dies stets der Fall ist, erscheint bei näherer Betrachtung zweifelhaft. Zu bemerken ist, dass in manchen Verfahren, für die das materielle Recht keine ausdrücklichen Regelungen zu Verfahrenseinleitung getroffen hat, jedenfalls kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Fortführung des Verfahrens unabhängig von dem Willen der Beteiligten besteht408. Dies gilt etwa für die Verfahren zur Erteilung familienrechtlicher Genehmigungen gemäß §§ 1810 Satz 1 Fall 2, Satz 2, 1803 Abs. 2, 1819 ff., 1643 BGB, § 151 Nr. 4 FamFG. Ebenso verhält es 403 Entwickelt
wurde dieser Grundsatz für das Polizeirecht und wird heute ganz überwiegend als allgemein geltender rechtsstaatlicher Grundsatz angesehen, vgl. z. B. Schenke, PolR, § 3 I Rdnr. 36; ausführlich m. w. N. auch Reimer, FS Würtenberger, S. 1047 (1047 ff. [zur historischen Entwicklung] und 1056 ff. [zum Status quo]). 404 Siehe nur Herzog/Grzeszick in Maunz/Dürig (71. EL 2014), Art. 20 VI. C. c), Rdnr. 90. Zumal die Tätigkeit des Gerichtes in der freiwilligen Gerichtsbarkeit zumindest in Fürsorgesachen der von Verwaltungsbehörden sehr ähnlich ist, vgl. hierzu bereits oben § 2. C. IV. 1., S. 56 m. N. in Fn. 341. 405 Vgl. aber auch die Ansicht des OLG Hamm, Beschl. v. 13. 11. 1970 – 15 W 280/7 = OLGZ 1971, S. 226 (228), das im Verfahren zur Amtslöschung davon ausgeht, dass bereits die Verfahrenseinleitung einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Beteiligten darstellt. Zutreffend ist jedenfalls, dass in diesem Fall bereits die Einleitung des Verfahrens eine erhebliche Gefährdung der Rechte der Beteiligten mit sich bringen kann. 406 Beginnt das Gericht hingegen Informationen einzuholen, bedarf es bei Maßnahmen, die Grundrechte beeinträchtigen können, hinreichend bestimmter Ermächtigungsgrundlagen, die sich aus dem materiellen Recht oder dem Verfahrensrecht ergeben können. 407 Siehe bereits oben unter § 2. C. IV. 1., S. 54 ff. 408 Dies hat zuerst Kollhosser (Erkenntnisverfahren, S. 298) erkannt.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
sich in Verfahren zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Vormündern gemäß §§ 1797 Abs. 1, 1798 BGB, 151 Nr. 4 FamFG, zwischen mehreren Betreuern nach §§ 1908i, 1798 BGB, 271 Nr. 3 FamFG, zwischen mehreren Pflegern gemäß §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1797 Abs. 1 Satz 1, 1798 BGB oder zwischen mehreren Testamentsvollstreckern gemäß §§ 2224 Abs. 1 Satz 1 BGB, 342 Abs. 1 Nr. 7 FamFG409. Der Schwierigkeit, in den genannten Verfahren von der bloßen Aufgabenzuweisung auf eine Befugnis zur Verfahrenseinleitung zu schließen, lässt sich auf verschiedene Weise begegnen: (1) Annahme von „verkappten Antragsverfahren“
Vereinzelt wurde bereits vor der FG-Reform vertreten, dass es sich bei den beschriebenen Verfahren um „verkappte Antragsverfahren“410 handele, bei denen die Einleitung eines Verfahrens von der Stellung eines Antrags abhängig sei411. In eine ähnliche Richtung gehen einige Stimmen nach der Reform, die das Erfordernis eines Antrags gegebenenfalls durch Auslegung des materiellen Rechtes herleiten wollen412. Dies sei nötig, da den Beteiligten die gerichtliche Hilfe nicht aufgedrängt werden dürfe413. Soweit durch ein Verfahren überwiegend individuelle Rechte einer Person betroffen seien, sei ein Antrag schon aufgrund des Rechtsstaatsprinzips erforderlich414. Überwiegend will man indes nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Regelung von einem Antragserfordernis ausgehen, mithin sollen auch die oben genannten Fälle ausschließlich Amtsverfahren sein415. 409
Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 299. Begriff von Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 298. 411 So Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 298. Ähnlich Lindacher, JuS 1978, S. 577, (578). 412 Vgl. z. B. Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab, § 23, Rdnr. 2; MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 13, § 23 FamFG, Rdnr. 6. Grundsätzlich auch Schulte-Bunert/Weinreich/ Brinkmann, § 23 FamFG, Rdnr. 5 f und § 24, Rdnr. 2, nachdem allerdings die Herleitung von Antragserfordernissen im Wege der Analogie ausscheiden soll, da hierfür kaum ein Bedürfnis bestünde. Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG, § 23, Rdnr. 2 hält einen „materiell-rechtlichen Antrag“ für erforderlich. 413 So für die gemäß § 1828 BGB zu erteilende Genehmigung MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 13. 414 Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab, § 23, Rdnr. 2. Ähnlich Borth/Grandel (in Musielak/ Borth, § 23, Rdnr. 2), die das Antragserfordernis aus der Rechtsschutzgarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG herleiten möchten, wobei unklar bleibt, warum die Rechtschutzgarantie Auswirkungen auf die Art der Verfahrenseinleitung haben soll. 415 So z. B. Keidel/Sternal, § 23, Rdnr. 5; Bahrenfuss/Rüntz, § 23 Rdnr. 3; BeckOKFamFG/ Burschel, § 23, Rdnr. 4 (Stand: 01. 09. 2014); Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 61. Bereits vor der FG-Reform ganz h. M., vgl. z. B. BGH, Beschl. v. 11. 03. 1987 – IVb ZB 47/84 = NJW 1987, S. 1770 (zur Genehmigung einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich); OLG Hamm, Beschl. v. 02. 06. 1981 – 1 WF 115/81 = FamRZ 1982, S. 94 (94); Keidel/Schmidt (15. Aufl.), § 12, Rdnr. 7; Bassenge in Bassenge/Roth (11. Aufl.), Einleitung FGG, Rdnr. 4; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 13, I 3. 410
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(2) Stellungnahme
Sachgerecht ist es, die Frage, ob das Gericht ein Verfahren unabhängig vom Willen der Beteiligten einleiten kann, von der Frage, ob es ein solches Verfahren gegen den Willen der Beteiligten fortführen und entscheiden darf, zu trennen416. Ein Gericht kann dem gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen eine Genehmigung nicht aufdrängen, wenn dieser gar kein entsprechendes Rechtsgeschäft tätigen möchte417. Ebenso wenig kann es Meinungsverschiedenheiten zwischen Vormündern entscheiden, wo solche gar nicht (mehr) bestehen. Die bloße Einleitung eines solchen Verfahrens von Amts wegen ist aber in dieser Hinsicht noch nicht problematisch418. Sie beinhaltet, wie bereits gesagt, noch keine Beeinträchtigung subjektiver Rechte und ist daher aus Sicht des Rechtstaatsprinzips, präziser aufgrund des hieraus folgenden Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes419, unbedenklich420. Dies gilt entgegen Jacoby421 auch dann, wenn das Verfahren vorrangig dem Schutz privater Rechte dient. Im Einzelfall kann es zudem gerade interessengerecht sein, dass das Gericht ein Verfahren zunächst mal unabhängig von einem Antrag der Beteiligten einleitet422. So etwa in dringendem Genehmigungsverfahren, in denen sich eventuell Zeit sparen lässt, wenn das Gericht unabhängig von einem Antrag, dessen Formanfor416 Zutreffend
Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit (3. Aufl.), S. 126.
417 Zutreffend BGH, Urt. v. 04. 10. 1966 – VI ZR 13/65 = DNotZ 1967, S. 320 (321 f.); KG,
Beschl. v. 22. 12. 1919 – 1a X 719/19 = KGJ 52, S. 43 (45); BayObLG, Beschl. v. 17. 05. 1976 – BReg 1 Z 37/76 = FamRZ 1977, S. 141 (144); Beschl. v. 19. 05. 1962 – BReg. 1 Z 58/61 = BayObLGZ 1962, S. 151 (158, mit Einschränkungen in Fällen des Ermessenmissbrauchs); MünchKommBGB/Wagenitz (Band 8), § 1828, Rdnr. 33; Staudinger/Veit (2014), § 1828 BGB, Rdnr. 55; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 60, IV 7, Rdnr. 58; Lafontaine in jurisPK-BGB, § 1828 BGB, Rdnr. 8. 418 Vgl. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit (3. Aufl.), S. 126; im Ergebnis auch die in Fn. 415 Genannten. Speziell zum familienrechtlichen Genehmigungsverfahren auch die in Fn. 417 genannten Entscheidungen sowie Staudinger/Veit (2014), § 1828 BGB, Rdnr. 54; Kölmel, RNotZ 2010, S. 1 (25); MünchKommBGB/Wagenitz (Band 8), § 1828, Rdnr. 33 (allerdings soll die Genehmigung regelmäßig nur auf Ersuchen des Vormunds erfolgen). A. A. Lafontaine in jurisPK-BGB, § 1828 BGB, Rdnr. 8. Spanl, Vermögensverwaltung, S. 52, hält eine Willensäußerung für erforderlich, die weder Antrag i. S. d. § 23 Abs. 1 FamFG noch Anregung i. S. d. § 24 FamFG sein soll. Soweit es um die Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen besonderen Vertretern geht, ist die Literatur im materiellen Recht gespalten: Handelt es sich um Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Testamentsvollstreckern, soll das Gericht nur auf Antrag tätig werden dürfen (Staudinger/Reimann [2012], § 2224 BGB, Rdnr. 25; MünchKommBGB/Zimmermann (Band 9), § 2224, Rdnr. 13; Molitoris, Testamentsvollstrecker, S. 99). Geht es hingegen um Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Vormündern oder mehreren Betreuern, soll es sich um ein Amtsverfahren handeln (Jürgens/v. Crailsheim, § 1797, Rdnr. 6; Staudinger/Bienwald [2013], § 1908i BGB, Rdnr. 112 f.). Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Pflegern schließlich fehlt es, wohl wegen der geringen praktischen Bedeutung, an klaren Stellungnahmen. 419 Siehe soeben auf S. 65 m. N. in den Fn. 403, 404. 420 Siehe soeben auf S. 65. 421 Vgl. diesen in Bork/Jacoby/Schwab, § 23, Rdnr. 2. 422 A. A. Lafontaine in jurisPK-BGB, § 1828 BGB, Rdnr. 9.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
derungen zudem umstritten sind423, bereits mit der Sachprüfung beginnt424. Bei der Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Vormündern etc. würde das Erfordernis eines verfahrenseinleitenden Antrags unter Umständen sogar dazu führen, das bestehende Meinungsverschiedenheiten ungeklärt bleiben, weil ein entsprechender Antrag nicht gestellt wird425. Dies könnte auch nur tun, wer antragsbefugt ist. Mangels gesetzlicher Regelungen kann es aber schwierig sein, zu bestimmen, wem diese Befugnis zukommt426. Gewährt man hingegen dem Gericht die Befugnis, von Amts wegen tätig zu werden, kann es, sei es durch Vermittlung, sei es durch Entscheidung, für eine zügige Beendigung der Meinungsverschiedenheiten sorgen, was auch im Sinne des jeweiligen Mündels bzw. Betreuten etc. ist. Ein Amtsverfahren kann dann auch jedermann anregen427. Im Ergebnis sollte daher auch in den genannten Verfahren eine Verfahrenseinleitung von Amts wegen mit der überwiegenden Auffassung428 zugelassen werden. Wollen die Beteiligten diese Verfahren aber nicht weiterführen, kann die bloße Aufgabenzuweisung keine hinreichende Rechtfertigung dafür liefern, dass das Gericht das Verfahren gegen den Willen der Beteiligten fortführt. dd) Übertragbarkeit der Differenzierung auf ausdrückliche Amtsverfahren
Auch wenn das Gericht kraft ausdrücklicher Anordnung von Amts wegen tätig werden darf, lassen sich Fälle finden, in denen das Gericht das Verfahren nicht gegen den Willen der Beteiligten fortführen darf. In diesem Zusammenhang ist etwa die bereits erwähnte Betreuerbestellung gemäß § 1896 Abs. 1 BGB zu nennen429, die gemäß § 1896 Abs. 1a BGB nicht gegen den freien Willen des zu 423 Während Spanl, (Vermögensverwaltung, S. 52) davon ausgeht, dass die „Willensäußerung“ der Form des § 25 Abs. 1 FamFG genügen müsse, lässt Lafontaine (jurisPK-BGB, § 1828 BGB, Rdnr. 9) ein schlüssiges Verhalten genügen. 424 Die Möglichkeit, das Genehmigungsverfahren von Amts wegen zu einleiten führt, anders als Lafontaine (Fn. 422, a. a. O.) befürchtet, nicht dazu dass das Familiengericht sämtliche Rechtsgeschäfte des Vormunds für den Mündel permanent auf ihre Genehmigungsbedürftigkeit und Genehmigungsfähigkeit hin überprüfen muss. Denn es ist nur dann zur Verfahrenseinleitung verpflichtet, wenn es, sei es durch Anregung, sei es in sonstiger Weise, konkrete Hinweisen darauf hat, dass der Vormund ein genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft abschließen möchte. Vgl. auch die allgemeinen Ausführungen zur Einleitung von Amtsverfahren m. N. oben unter § 1. D. I. 1., S. 11. 425 Zu Recht weist Erman/S. C. Saar, § 1797, Rdnr. 7 darauf hin, dass bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitvormündern die Gefahr besteht, dass eine im Mündelinteresse erstrebenswerte Maßnahme unterbleibt. 426 So ist z. B bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Testamentsvollstreckern umstritten, ob die von der Testamtsvollstreckung materiell betroffenen Personen (z. B. Erben, Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte) ein Antragrecht haben (hierzu ausf. m. N. Molitoris, Testamentsvollstrecker, S. 100 ff.). 427 Allgemeine Ansicht, vgl. nur MünchKommFamFG/Ulrici, § 24, Rdnr. 1. 428 Vgl. Nachweise oben in Fn. 415. 429 Siehe bereits oben unter § 1. D. II. 1., S. 13 f.
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 69
Betreuenden vorgenommen werden darf. Man wird daher die oben vorgeschlagene Differenzierung nicht davon abhängig machen können, ob die Befugnis zur Verfahrenseinleitung von Amts wegen ausdrücklich normiert wurde oder sich daraus ergibt, dass das Gesetz kein Antragserfordernis vorsieht. ee) Zusammenfassung
Es hat sich gezeigt, dass es auch in Amtsverfahren nach materiellem Recht nicht stets erforderlich und gerechtfertigt ist, dass das Gericht das Verfahren gegen den Willen der Beteiligten fortführt. Richtig ist es vielmehr, zu differenzieren: Dem Gericht kann mit der Befugnis zur unabhängigen Verfahrenseinleitung auch eine Berechtigung zukommen, das Verfahren gegen den Willen der Beteiligten fortzuführen. Zwingend ist dies aber nicht. Entscheidend ist, welche Ermächtigungsgrundlage das einschlägige materiellen Recht oder das FamFG für konkrete Verfahren bietet, das heißt ob es dem Gericht nur eine vom Beteiligtenwillen unabhängige Verfahrenseinleitung gestattet oder es auch zur Verfahrensfortführung gegen den Willen der Beteiligten ermächtigt. Dass eine solche Differenzierung nicht nur durch das materielle Recht vorgegeben, sondern auch im FamFG angelegt ist, zeigt ein Blick auf den neu eingeführten § 36a FamFG. d) Möglichkeit der Mediation gemäß § 36a FamFG auch in Amtsverfahren?
Wie bereits erwähnt430, ermächtigt § 36a Abs. 1 Satz 1 FamFG das Gericht, in allen FamFG-Verfahren eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung vorzuschlagen431. Entscheiden sich die Beteiligten für dessen Durchführung, hat das Gericht nach § 36a Abs. 2 FamFG sein Verfahren auszusetzen432. Eine Mediation endet idealerweise mit einer Mediationsvereinbarung, die zwischen den Beteiligten abgeschlossen wird. Eine gerichtliche Endentscheidung ist dann in der Hauptsache nicht mehr notwendig433. Da die Mediationsvereinbarung kein Vollstreckungstitel ist434, müssen die Beteiligten gegebenenfalls deren Inhalt gemäß §§ 36 Abs. 2 FamFG, 159 ff. ZPO protokollieren lassen oder das Gericht zum Erlass eines entsprechenden 430
Siehe hierzu bereits oben unter § 1. A. I., S. 2 m. N. in Fn. 10. § 36a, Rdnr. 6. 432 Prütting/Helms/Prütting, § 36a, Rdnr. 14. 433 Eine Entscheidung des Gerichts entgegen der Mediationsvereinbarung wird in der Regel auch rechtlich nicht möglich sein: Die Mediationsvereinbarung als zwischen den Beteiligten wirkender Vertrag muss vom Gericht beachtet werden. Zudem darf das Gericht nicht dem Auftrag aus § 36a FamFG zuwider handeln. Allenfalls in Fällen, in denen ein Anordnungsvorbehalt gemäß § 36a Abs. 3 FamFG besteht, ist eine gerichtliche Entscheidung trotz Mediationsvereinbarung denkbar. Näheres hierzu sogleich unten unter § 2. C. IV. 5. b), S. 76 f. und unten unter § 2. E. III. 1., S. 114 ff. 434 BeckOKFamFG/Burschel, § 36a, Rdnr. 10 (Stand: 01. 09. 2014). 431 Prütting/Helms/Prütting,
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Beschlusses nach §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO auffordern435. Hinsichtlich der Möglichkeit, eine Mediation durchzuführen, differenziert § 36a FamFG nicht ausdrücklich zwischen Amts- und Antragsverfahren436. Grenzen setzt § 36a Abs. 3 FamFG allerdings insoweit, als gerichtliche Anordnungs- und Genehmigungsvorbehalte von der Durchführung einer Mediation unberührt bleiben sollen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift klarstellen, dass die Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Streitbeilegung keinen Einfluss auf die Dispositionsbefugnis der Beteiligten habe437. Ob er damit die Disposition über das Verfahren oder die materiell-rechtliche Regelungsbefugnis gemeint hat, wird nicht deutlich. Als Beispiele für den Anwendungsbereich des § 36a Abs. 3 FamFG nennt er das Verfahren zur Übertragung der Alleinsorge nach § 1671 BGB, die gerichtlichen Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls gemäß § 1666 BGB und den Vorbehalt gerichtlicher Billigung gemäß § 156 Abs. 2 Satz 2 FamFG bei Verfahren über den Kindesumgang438. Während es sich bei den Verfahren zur Sorgerechtsübertragung gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB und dem Verfahren über den Kindesumgang nach § 1632 Abs. 3 BGB um Antragsverfahren handelt, werden Maßnahmen gemäß § 1666 BGB von Amts wegen getroffen439. Allen Verfahren ist gemein, dass die materiell-rechtliche Regelungsfreiheit der Beteiligten an die Grenze des Kindeswohls stößt. Es wird deutlich, dass der Gesetzgeber hier offenbar an besonders sensible Bereiche gedacht hat: Im Falle des § 1666 BGB soll das Gericht nicht durch die Durchführung einer Mediation gehindert sein, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls zu treffen. Die Übertragung der Alleinsorge gemäß § 1671 BGB erfolgt durch hoheitlichen Gestaltungsakt, diesen können die Eltern nicht privatautonom bewirken440. In den Fällen des § 156 Abs. 2 FamFG ist es den Beteiligten schließlich verwehrt, ohne gerichtliche Billigung einen Vollstreckungstitel zu schaffen441. Nach dem 435 In Betracht kommt auch, dass die Beteiligten die in der Mediationsvereinbarung übernommenen Verpflichtungen in eine vollstreckbare Urkunde gemäß §§ 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aufnehmen (BeckOKFamFG/Burschel, Fn 434, a. a. O.). Das ursprüngliche Vorhaben, den Beteiligten gemäß eines neu einzuführenden § 796d ZPO die Möglichkeit zu geben, Mediationsvereinbarung für vollstreckbar erklären zu lassen, wurde nicht umgesetzt, da hierfür kein Bedarf gesehen wurde (vgl. zum ursprünglichen Vorhaben Art. 2 Nr. 7 RegEMediationsgesetz [BT-Drs. 17/5335, S. 7 mit der Begründung auf S. 31 f] und zur Streichung des § 796d ZPO die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags [BT-Drs. 17/8058, S. 21]). 436 Prütting/Helms/Prütting, § 36a, Rdnr. 6. 437 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 17/5335), S. 23. 438 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 17/5335), S. 23 l. Sp. 439 Statt aller: MünchKommBGB/Olzen (Band 8), § 1666, Rdnr. 213. 440 BayObLG, Beschl. v. 06. 12. 1965 – BReg. 1 b Z 116/65 = BayObLGZ 1965, S. 446 (448), m. w. N. Die Eltern können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen durch Vereinbarungen das Gericht in seiner Entscheidung binden, vgl. § 1671 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 1 BGB. 441 Siehe bereits oben unter § 2. B. V., S. 39 f.
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 71
Willen des Gesetzgebers schließt § 36a Abs. 3 FamFG eine Mediation beim Bestehen von Anordnungs- oder Genehmigungsvorbehalten auch nicht grundsätzlich aus. Vielmehr soll der Mediator dann mit Zustimmung der Beteiligten dem Gericht die Gründe für die Mediationsvereinbarung mitteilen, um eine gerichtliche Anordnung oder Genehmigung im Sinne des § 36a Abs. 3 FamFG zu erleichtern442. Dies zeigt, dass es dem Gesetzgeber selbst bei Anordnungs- und Genehmigungsvorbehalten darum ging, dass die Beteiligten zu einer einvernehmlichen Regelung kommen, die dann vom Gericht überprüft werden muss. Hätte der Gesetzgeber hingegen alle Amtsverfahren aus dem Anwendungsbereich der Mediation herausnehmen wollen, hätte es nahgelegen, statt von Anordnungs- und Genehmigungsvorbehalten zu sprechen einen Ausschluss vergleichbar mit § 22 Abs. 4 FamFG zu normieren. Eine generelle Versagung der Mediation in Amtsverfahren würde überdies dem Ziel zuwider laufen, der außergerichtlichen Konfliktbeilegung einen möglichst breiten Anwendungsbereich einzuräumen. Auch Sinn und Zweck des § 36a FamFG sprechen dafür, eine Mediation in Amtsverfahren zuzulassen. Erfolgsvoraussetzung für eine Mediation ist, neben der Fähigkeit und Bereitschaft der Beteiligten, sich auf ein außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren einzulassen443, dass sich das Verfahren zur einvernehmlichen Konfliktbeilegung eignet444. Diesbezüglich kommt es vor allem darauf an, inwieweit den Beteiligten materiell-rechtliche Grenzen für Regelungen gesetzt sind445. Die materielle Regelungsbefugnis ist aber, wie bereits dargelegt wurde, gerade unabhängig davon, ob das Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag eingeleitet wird446. Festzuhalten ist nach all dem, dass § 36a Abs. 3 FamFG davon ausgeht, dass nicht in jedem Amtsverfahren, sondern nur bei Bestehen eines Anordnungsoder Genehmigungsvorbehalts eine gerichtliche Entscheidung notwendig ist. Diese Bestimmung legt mithin nahe, hinsichtlich der richterlichen Befugnis zwischen Verfahrenseinleitung und Verfahrensfortführung zu differenzieren.
442 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 17/5335), S. 23. Fraglich ist freilich, in welcher Form dies zu erfolgen hat. Denkbar ist sowohl, dass das Gericht die Entscheidung ähnlich wie § 156 Abs. 2 FamFG vorgesehen billigt, als auch, dass das Gericht eine Endentscheidung im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG erlässt die der Beteiligtenvereinbarung entspricht. Vgl. hierzu auch die Ausführungen unten in Fn. 792 und unter § 2. E. III. 2 b), S. 120 ff. 443 MünchKommFamFG/Ulrici, § 36a, Rdnrn. 6, 10. 444 Ausführlich MünchKommFamFG/Ulrici, § 36a, Rdnrn. 6 ff. m. w. N. 445 Vgl. zu diesen Grenzen im öffentlichen Recht: Beaucamp, DÖV 2011, S. 886 (888 f.) und Hess, Gutachten F zum 67. Deutschen Juristentag, F 65 m. w. N. 446 Ausführlich zur Unterscheidung zwischen materieller Regelungsbefugnis und Beendigungsbefugnis bereits oben unter § 2 C. II. 3., S. 46 ff.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
e) Praktische Gesichtspunkte gegen die Zulässigkeit
Gegen die Zulässigkeit einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich in Amtsund unechten Antragsverfahren könnten schließlich praktische Gesichtspunkte sprechen. aa) Erhöhter Prüfungsaufwand des Gerichts
Der von der herrschenden Ansicht favorisierte generelle Ausschluss der Beendigungsbefugnis in Amts- und unechten Antragsverfahren erleichtert die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Verfahrensvergleichs. Hingegen bringt die hier erwogene Differenzierung es mit sich, dass das Gericht im Einzelfall ermitteln muss, ob ihm eine Ermächtigungsgrundlage im konkreten Verfahren zur Verfahrensfortführung gegen den Willen der Beteiligten zusteht. Dieser erhöhte Prüfungsaufwand allein kann aber keinen generellen Ausschluss zur Lasten der der Handlungsfreiheit der Beteiligten rechtfertigen. Zudem erspart eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich dem Gericht regelmäßig auch Aufwand, indem es von der weiteren Verfahrensfortführung und dem Fällen einer Endentscheidung befreit ist. Insofern spricht die Verfahrensökonomie eher für die Zulässigkeit des Verfahrensvergleichs. bb) Gefahr einer dauerhaften Nichtbeendigung des Verfahrens?
Zudem stellt sich die Frage, ob die Zulassung des Verfahrensvergleichs die Gefahr eröffnet, dass das Verfahren auf Dauer nicht beendet wird. Theoretisch ist denkbar, das Beteiligte und Gericht durch abwechselnde Beendigung und Einleitung das Verfahren in die Länge ziehen und daher Rechtsfrieden nicht einkehren kann. Es ist indes bereits zweifelhaft, ob angesichts der Arbeitsbelastung der Gerichtsbarkeit sich ein Gericht auf ein solches Hin und Her mit den Beteiligten einlassen würde. Zudem bestünde die dargestellte Gefahr nur dann, wenn das Gericht trotz der Beendigung des Verfahrens durch Vergleich das Verfahren stets von Amts wegen erneut beginnen könnte, ihm also eine entsprechende Kompetenz zukäme. Es wurde aber bereits dargelegt, dass das Gericht nicht in jedem Amtsverfahren durch das materielle Recht ermächtigt ist, das Verfahren von Amts wegen gegen den Willen der Beteiligten fortzuführen447. Diese Grundsätze gelten erst recht dann, wenn das Verfahren von den Beteiligten mittels Vergleichs beendet wurde. Nicht in jedem Amtsverfahren, sondern nur bei Bestehen entsprechender Ermächtigungsgrundlagen darf sich das Gericht über die Vereinbarung der Beteiligten hinwegsetzen und das Verfahren neu beginnen448. Dann aber werden wiederum die Beteiligten nicht die Befugnis haben, dass Verfahren (erneut) zu beenden. 447 448
Siehe oben unter § 2. C. IV. 3. c) cc) (2), S. 67 ff. Dazu sogleich unter cc).
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 73
cc) Bestehen hinreichender Abänderbarkeit?
In FamFG-Verfahren besteht häufig das Bedürfnis, Endentscheidungen, die eine Dauerwirkung entfalten, abzuändern. Dem trägt § 48 Abs. 1 FamFG Rechnung. Danach ist es dem Gericht möglich, eine Endentscheidung, die in einem Amtsverfahren getroffen wurde, von Amts wegen abzuändern, wenn diese durch eine Änderung der zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Gleiches gilt, wenn eine erneute gerichtliche Prüfung ergibt, dass eine in einem Amtsverfahren getroffene Endentscheidung von Anfang an zu Unrecht ergangen ist und auch jetzt nicht aufrechterhalten werden kann449. Ein Bedürfnis nach Abänderung von Amts wegen kann aber auch dann bestehen, wenn das Verfahren durch Verfahrensvergleich, dessen Zulässigkeit unterstellt, beendet wurde. Grundsätzlich ist das Gericht, wie soeben ausgeführt450, an die Verfahrensbeendigung der Beteiligten durch Verfahrensvergleich gebunden. Es ist daher für die Frage, ob die Zulassung des Verfahrensvergleichs in Amtsverfahren möglich ist, relevant, ob hinreichende Gewähr dafür besteht, dass eine erneute Entscheidung des Gerichts möglich ist. Dies hängt, wie dargestellt, vom Bestehen entsprechender Ermächtigungsgrundlagen ab. (1) Analoge Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 FamFG
Zu denken ist an eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 1 FamFG dergestalt, dass das Gericht bei Vorliegen von dessen Voraussetzungen den Vergleich als verfahrensbeendende Vereinbarung aufheben und den Verfahrensgegenstand wieder an sich ziehen darf. Indes ist streitig, ob § 48 Abs. 1 FamFG auf den Verfahrensvergleich analog angewendet werden kann451. Vom Standpunkt der überwiegenden Ansicht, die Verfahrensvergleiche in Amtsverfahren generell ausschließen möchte, ist dies konsequent. In Antragsverfahren wird kaum ein 449 Der
zweite Fall wird zwar nicht vom Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 1 FamFG erfasst. Um einen auf einer sachlich nicht gerechtfertigten Endentscheidung beruhenden Dauerzustand beenden zu können, wird man in diesen Fällen § 48 Abs. 1 Satz 1 FamFG aber analog anzuwenden haben (zutreffend: Keidel/Engelhardt, § 48, Rdnr. 14 [ohne Analogie]). Zur a. A. siehe hingegen z. B. Prütting/Helms/Abramenko, § 48, Rdnr. 6. 450 Siehe soeben unter bb), S. 72. 451 Im Einzelfall befürwortend: Maurer, FamRZ 2009, S. 1792 (1795 f.); Bumiller in Bumiller/Harders, § 36, Rdnr. 15; Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 49; Keidel/Engelhardt, § 48, Rdnr. 5; Bahrenfuss/Rüntz, § 48, Rdnr. 6; Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim, § 48 Rdnr. 9; BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnr. 42 (Stand: 01. 09. 2014); BeckOKFamFG/Gutjahr, § 48, Rdnr. 3 (Stand: 01. 09. 2014); Kemper/Schreiber/Simon, § 48, Rdnr. 6; Ablehnend hingegen Prütting/Helms/Abramenko, § 48, Rdnr. 2; MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 6; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 37 und § 48, Rdnr. 3; Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 11; wohl auch Haußleiter/Gomille, § 48, Rdnr. 2. Bereits vor der FG-Reform hatten Munding (Vergleiche, S. 83 f.) und Bassenge (Rpfleger 1972, S. 237 [241]) die Anwendbarkeit der Vorläufervorschrift des § 18 FGG auf den Verfahrensvergleich abgelehnt.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Bedürfnis für eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 1 FamFG bestehen452. Sofern die Beteiligten sich einig sind, können sie ihre Vereinbarung jederzeit einvernehmlich abändern453. Besteht keine Einigkeit, kann der abänderungswilligte Beteiligte seine Bindung an den Verfahrensvergleich und die materiellen Vereinbarungen nur durch die Ausübung von materiellen Gestaltungsrechten beseitigen454. Gegebenenfalls kann auch Vollstreckungsabwehrantrag gemäß §§ 95 Abs. 1 FamFG, 767 Abs. 1 ZPO gestellt werden455. Anders ist die Lage aber, wenn man den Abschluss eines Verfahrensvergleichs in Amtsverfahren zulässt. Wird ein Amtsverfahren durch Verfahrensvergleich beendet, kann es notwendig sein, dass das Gericht in der Sache eine erneute Entscheidung trifft, auch wenn sich ein Beteiligter weigert, notwendigen Anpassungen zuzustimmen, oder die Beteiligten übereinstimmend keine Änderung ihrer Vereinbarung wünschen. Dann bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage, die es dem Gericht ermöglicht, trotz des Verfahrensvergleichs in der Sache erneut zu prüfen und gegebenenfalls eine Entscheidung zu treffen. Insofern entspricht die Interessenlage bei Beendigung eines Amtsverfahrens durch Verfahrensvergleich derjenigen, die bei einer Verfahrensbeendigung durch Endentscheidung herrscht. Weiterhin müsste eine planwidrige Regelungslücke bestehen. Dagegen könnte sprechen, dass der Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes mit der Einführung des § 239 Abs. 1 FamFG und der Änderung des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB Abänderungsmöglichkeiten für Vergleiche vorgesehen hat456. Indes betrifft § 239 Abs. 1 FamFG nur Vergleiche, die in Unterhaltsverfahren geschlossen werden. Dabei handelt es sich gemäß § 112 Nr. 1 FamFG um Familienstreitsachen, auf die § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG ohnehin keine Anwendung findet457. Der Gesetzgeber wollte mittels § 239 Abs. 1 FamFG die bereits vor der FG-Reform bestehende Abänderungsmöglichkeit des § 323 Abs. 4 a. F. ZPO in das FamFG übertragen458. § 1696 BGB wiederum betrifft die gerichtlich gebilligten Ver452 MünchKommFamFG/Ulrici,
§ 48, Rdnr. 6. weist MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 6 darauf hin, dass der Verfahrensvergleich keine materielle Rechtskraft entfaltet. 454 Zu denken ist etwa an Rücktritt, Anfechtung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage. Soweit nur die materiellen Vereinbarungen von der Ausübung der Gestaltungsrechte betroffen sind, folgt eine Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs aus einer direkten oder analogen Anwendung des § 139 BGB, sofern kein abweichender Parteiwille feststellbar ist (siehe hierzu bereits oben unter § 2. A. II. 1., S. 22 f.). 455 Näheres hierzu unten unter § 2. F. II. 6., S. 138 f. 456 So Prütting/Helms/Abramenko, § 48, Rdnr 2; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 37. Bereits zum alten Recht hatte das OLG Rostock, Beschl. v. 06. 11. 2008 – 10 UF 122/08 = NJW-RR 2009, S. 877 (878) angenommen, dass es für eine analoge Anwendung der §§ 323, 620b a. F. ZPO auf einen im Gewaltschutzverfahren geschlossenen Vergleich an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. 457 Vgl. bereits oben unter § 2. B. II., S. 34 f. 458 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 258 l. Sp. 453 Zutreffend
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 75
gleiche gemäß § 156 Abs. 2 FamFG. Für diese sollte mit § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB eine materiell-rechtliche Eingriffsermächtigung geschaffen werden459. Beide Normen regeln somit letztlich die Spezialfälle, die der Gesetzgeber bei der FG-Reform vor Augen hatte. Es ist nicht erkennbar, dass ihm bewusst war, dass auch ein Bedürfnis für eine verfahrensrechtliche Ermächtigungsgrundlage zur Abänderung von Verfahrensvergleiche gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG bestehen kann. Eine planwidrige Regelungslücke ist mithin gegeben. (2) Ergebnis
Einem eventuellen Bedürfnis nach erneuter Sachprüfung und Entscheidung bei Beendigung eines Amtsverfahrens durch Verfahrensvergleich kann mittels einer analogen Anwendung des § 48 Abs. 1 FamFG Rechnung getragen werden. Zu betonen ist, dass mithilfe dieser Analogie lediglich die Ermächtigung des Gerichts begründet werden kann, trotz des Verfahrensvergleichs als verfahrensbeenden Vertrag460 erneut in eine Sachprüfung einzusteigen. Welche Entscheidung das Gericht inhaltlich treffen darf und ob es hierbei von eventuell getroffenen Beteiligtenvereinbarungen abweichen kann, hängt von den einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen des materiellen Rechts ab461. Ist das Gericht an die materielle Beteiligtenvereinbarung gebunden, ermöglicht § 48 Abs. 1 FamFG bei Vorliegen von dessen Voraussetzungen dem Gericht zwar eine erneute Sachprüfung, es hat dann aber das Verfahren wieder einzustellen. f ) Zusammenfassung
Es hat sich gezeigt, dass aus der Befugnis des Gerichts, das Verfahren von sich aus zu beginnen, nicht automatisch folgt, dass den Beteiligten das Recht fehlt, es zu beenden. Weder zwingt das FamFG zu einer solchen Annahme, noch ist sie durch praktische Erfordernisse oder das materielle Recht vorgegeben. Sinnvoll und möglich ist es vielmehr, zwischen der Befugnis zur Verfahrenseinleitung und der zur Verfahrensfortführung zu differenzieren. Daher ist auch in Amtsverfahren die Beendigung des Verfahrens durch Vergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG grundsätzlich möglich.
459
Vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 346 l. Sp. Verfahrensvergleich wird im Rahmen dieser Darstellung als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag verstanden, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 461 Maurer, FamRZ 2009, S. 1792 (1796). 460 Der
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
4. Kriterien die im Einzelfall gegen eine Beendigungsbefugnis in Amtsverfahren sprechen können Da entgegen der herrschenden Ansicht der Abschluss eines Verfahrensvergleichs462 gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Amtsverfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, muss das Gericht im Einzelfall ermitteln, ob ihm über die Befugnis zur Verfahrenseinleitung von Amts wegen hinaus auch eine Ermächtigung zur Verfahrensfortführung gegen den Willen der Beteiligten zukommt. Diesbezüglich ist zu erwägen, ob sich Kriterien finden lassen, an denen sich das Gericht bei seiner Prüfung orientieren kann. a) Unterscheidung zwischen Fürsorge- und Streitverfahren
Denkbar ist eine Orientierung an der von einer überwiegenden Ansicht befürworteten Differenzierung der FamFG-Angelegenheiten in Streit- und Fürsorgesachen463. Demnach ist zu erwägen, ob in den als Fürsorgeangelegenheiten zusammengefassten Amtsverfahren eine Verfahrensbeendigung durch Verfahrensvergleich464 wegen mangelnder Beendigungsbefugnis ausscheidet. Indes würde eine solche Vorgehensweise den Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs in Amtsverfahren von vornherein auf die relative kleine Zahl der Verfahren, die zugleich Streit- und Amtsverfahren sind, beschränken. Zudem ist zweifelhaft, ob die Einteilung der FamFG-Verfahren in Fürsorgeund Streitsachen unter Geltung des FamFG noch zulässig und sachgerecht ist465. Jedenfalls ist zu beachten, dass, wie bereits ausgeführt wurde, auch in Fürsorgeverfahren das Gericht nicht stets gegen den Willen der Beteiligten tätig werden und gerichtliche Fürsorge aufdrängen darf466. Es ist daher auch in Amtsverfahren, die Fürsorgeverfahren sind, zu ermitteln, ob das materielle Recht oder das FamFG das Gericht für das konkrete Verfahren zur Verfahrensfortführung gegen den Willen der Betroffenen ermächtigen. Fehlt eine solche Ermächtigungsgrundlage, besteht eine Beendigungsbefugnis der Beteiligten, mithin kann ein Verfahrensvergleich abgeschlossen werden. b) Anordnungsvorbehalte im Sinne des § 36a Abs. 3 FamFG als Indizien für fehlende Beendigungsbefugnis
Eine Ermächtigung zur Verfahrensfortführung gegen den Willen der Beteiligten liegt dann besonders nahe, wenn das Gericht gegen den Willen der Beteiligten 462 Verstanden als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 463 Siehe hierzu bereits oben unter § 1. D. II., S. 12 ff. 464 Der Verfahrensvergleich wird im Rahmen dieser Darstellung als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag verstanden, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 465 Ausführlich hierzu unten unter § 2. E. II., S. 95 ff. 466 Siehe hierzu bereits oben unter § 2. C. IV. 1., S. 55 ff.
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 77
materielle Maßnahmen zum Schutz privater oder öffentlicher Interessen treffen darf. Stehen dem Gericht entsprechende materiell-rechtliche Ermächtigungsgrundlagen zur Verfügung, wird man aus ihnen die Befugnis herleiten können, das Verfahren nicht nur unabhängig vom Willen der Beteiligten einzuleiten, sondern es auch gegen den Willen der Beteiligten fortzuführen. Ist das Gericht etwa nach § 1896 Abs. 1, Abs. 1a BGB ermächtigt, einen Betreuer gegen den Willen des zu Betreuenden zu bestellen, oder darf es eine Maßnahme gemäß § 1666 BGB gegen den Willen der Eltern treffen, so hat es auch die Befugnis, das Verfahren gegen den Willen der Beteiligten fortzuführen. Die Besonderheit solcher Verfahren besteht darin, dass sie Maßnahmen zum Gegenstand haben, die nicht privatautonom „vereinbart“ werden können, sondern vom Gericht angeordnet werden müssen, mithin ein Anordnungsvorbehalt im Sinne des § 36a Abs. 3 FamFG gegeben ist467. Das Bestehen eines gerichtlichen Anordnungsvorbehaltes kann demgemäß als Indiz für das Fehlen einer Beendigungsbefugnis der Beteiligten herangezogen werden. Kein Indiz für das Fehlen der Beendigungsbefugnis lässt sich hingegen aus dem Vorliegen eines der § 36a Abs. 3 FamFG ebenfalls angesprochenen Genehmigungsvorbehalte ableiten. Denn Genehmigungen können vom Gericht gerade nicht gegen den Willen der Beteiligten erteilt werden468. c) Zusammenfassung
Ob das Gericht im erstinstanzlichen Verfahren neben der Verfahrenseinleitung auch zur Verfahrensfortführung gegen den Willen der Beteiligten ermächtigt ist, ist eine Frage des Einzelfalls und hängt nicht davon ab, ob sich bei dem Verfahren um eine Fürsorge- oder um eine Streitsache handelt. Besteht ein Anordnungsvorbehalt des Gerichts, liegt eine Ermächtigung zur Verfahrensfortführung gegen den Willen der Beteiligten nahe.
5. Beendigungsbefugnis in Amtsverfahren und unechten Antragsverfahren in zweiter und dritter Instanz Die Verfahren der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde werden gemäß §§ 64 Abs. 1 Satz 1, 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG nur auf Antrag eingeleitet. Eine Beschwerde, die das Gericht von Amts wegen einleitet, gibt es im FamFG nicht469. Ermächtigungsgrundlagen, die es dem Gericht ermöglichen, diese Verfahren gegen den Willen der Beteiligten fortzuführen, finden sich weder im FamFG noch im materiellen Recht. Daher kommt den Beteiligten in zweiter und dritter 467 Ausführlich
hierzu unten § 2. E. III. 1., S. 114 ff. Siehe bereits oben unter § 2. C. IV. 3. c) cc) (2), S. 67 m. N. in Fn. 417. 469 Davon zu trennen ist die Frage, inwieweit am Verfahren beteiligte Behörden Beschwerde gemäß § 58 FamFG einlegen können. 468
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Instanz die volle Beendigungsbefugnis hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens zu. Soweit Meyer-Holz anführt, dass eine in zweiter und dritter Instanz geschlossene Vereinbarung zur Verfahrensbeendigung kein Verfahrensvergleich sein könne, da er keine Verfügung über den Verfahrensgegenstand enthalte470, kann dies nicht überzeugen. Es wurde bereits aufgezeigt, dass auch die bloße Entziehung des Verfahrensgegenstandes eine Verfügung über diesen darstellt471. Entsprechendes muss bei einer Entziehung des Rechtsmittelgegenstandes, also des Verfahrensgegenstandes im Rechtsmittelverfahren, gelten. Geht man nicht von einer Doppelnatur des Verfahrensvergleichs aus, ist es nicht notwendig, dass die Beteiligten materielle Regelungen über den Verfahrensgegenstand treffen472. Überdies bietet, wie bereits erwähnt473, die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 36 FamFG im Rechtsmittelverfahren den Beteiligten eine Möglichkeit, auf einfache Weise einen Vollstreckungstitel für über den Verfahrensgegenstand hinausgehende, materielle Regelungen zu schaffen474. Dies dient der vom Gesetz angestrebten475, umfassenden Konfliktbewältigung der Beteiligten. Nach all dem wird man es daher den Beteiligten in zweiter und dritter Instanz stets gestatten müssen, einen Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG abzuschließen, um das Rechtsmittelverfahren zu beenden. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich in erster Instanz um ein Antragsverfahren oder um ein Amtsverfahren gehandelt hat. Eine andere Frage ist, welche Auswirkungen ein im Rechtsmittelverfahren geschlossener Verfahrensvergleich auf eine erstinstanzliche Endentscheidung hat. Diesbezüglich ist zu unterscheiden: a) Bestehen einer Beendigungsbefugnis in erster Instanz
Stand den Beteiligten bereits im erstinstanzlichen Verfahren eine Beendigungsbefugnis zu, können sie das ganze Verfahren auch noch in der Rechtsmittelinstanz durch Verfahrensvergleich beenden476. Dann verliert die erstinstanzliche Endentscheidung in analoger Anwendung des § 22 Abs. 2 FamFG ihre Wir-
470
In: Keidel, § 36, Rdnr. 17. Siehe auch bereits oben unter § 2. III. 1., S. 52. Siehe bereits oben unter § 2. C. II. 3., S. 46. 472 Hierzu bereits ausführlich oben unter § 2. A. II. 2., S. 24 ff. und unter § 2. C. II. 3., S. 50. 473 Siehe oben unter § 2. C. III. 1., S. 52. 474 Sofern man davon ausgeht, dass die Beteiligten überhaupt Vollstreckungstitel auch für Regelungen schaffen können, die über den Verfahrensgegenstand hinausgehen (näheres hierzu unten unter § 2. F. III., S. 140 f. 475 Vgl. bereits oben unter § 1. A. I., S. 1 ff. 476 Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Vergleichsschlusses in der Rechtsmittelinstanz ist allgemein anerkannt, siehe nur: Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 5; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 8. 471
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 79
kung477. Dies kann auf Antrag vom Gericht durch deklaratorischen Beschluss in entsprechender Anwendung des § 22 Abs. 2 FamFG festgestellt werden478. Treffen die Beteiligten, wie zumeist479, zugleich eine von der Endentscheidung abweichende Regelung in der Sache, brauchen sie eine diesbezügliche materiell-rechtliche Regelungsbefugnis. Denkbar ist auch, dass die Beteiligten nur hinsichtlich eines Teils der durch die Endentscheidung getroffenen Regelungen das Verfahren beenden und eigene Regelungen treffen wollen. Dies ist nach den soeben dargestellten Prämissen grundsätzlich möglich. Allerdings muss die Endentscheidung in einer Weise teilbar sein, die eine Abtrennung zulässt. Dies setzt voraus, dass die verbleibende Endentscheidung rechtmäßig bleibt und nicht ihren Sinn verliert480. Überdies darf bei einem Rechtsfolgenermessen des Ausgangsgerichts481 keine Endentscheidung erhalten bleiben, die von diesem ohne die abgetrennten Teile nicht getroffen worden wäre. Möglich ist aber auch, dass die Beteiligten ausschließlich das Rechtsmittelverfahren beenden wollen. Insofern kann die Wahl eines Verfahrensvergleichs gegenüber einer einvernehmlich vorgenommenen Rechtsmittelrücknahme sinnvoll sein, wenn über den Verfahrensgegenstand hinausgehende Streitpunkte in vollstreckungsfähiger Weise mitgeregelt werden sollen. Gegebenenfalls muss durch Auslegung der Vereinbarung der Beteiligten ermittelt werden, worauf sich diese bezieht. Bei Zweifelsfällen hat das Gericht gemäß § 28 Abs. 1 FamFG für eine Klarstellung zu sorgen. b) Keine Beendigungsbefugnis in erster Instanz
War jedoch das Gericht im Ausgansverfahren befugt, dass Verfahren gegen den Willen der Beteiligten fortzuführen und eine Entscheidung zu treffen, können die Beteiligten dieser Entscheidung auch im Rechtsmittelverfahren die Wirksamkeit nicht nehmen. In einem solchen Fall kann der Verfahrensvergleich nur das Rechtsmittelverfahren beenden. Der Verfahrensvergleich bindet die
477 Elzer in: Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr 32; Zum gleichen Ergebnis ohne Analogie kommen auch: Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 26; Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnr. 7; Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 5. 478 OLG Köln, Beschl. v. 18. 10. 2002 – 9 U 143/97 = NJOZ 2002, S. 2765 (2766 f., zur analogen Anwendbarkeit des § 269 Abs. 4 ZPO bei Abschluss eines Prozessvergleichs). 479 Zwingend ist dies aber nicht, siehe bereits oben unter § 2. C. II. 3., S. 50. 480 Zu dieser Problematik finden sich, soweit ersichtlich, bislang keine Äußerungen zum FamFG. Sie ist vergleichbar mit der seit langem diskutierten Frage, ob und wieweit ein Verwaltungsakt bei einer Teilanfechtung teilbar ist (siehe hierzu nur: Pietzcker in Schoch/ Schneider/Bier (26. EL 2014), § 42 Abs. 1 VwGO, Rdnr. 13). 481 Siehe für den Fall des Ermessens einer Behörde beim Erlass eines Verwaltungsaktes Pietzcker (siehe Fn. 480, a. a. O.)
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Beteiligten insofern in gleicher Weise wie ein Verfahrensvergleich in erster Instanz482.
V. Fehlerfolgen und Rechtschutz bei unrichtiger Beurteilung der Beendigungsbefugnis durch das Gericht Die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, einen Verfahrensvergleich483 auch in Amtsverfahren und in unechten Antragsverfahren in erster Instanz zu schließen, führt dazu, dass es in einem konkreten Verfahren zweifelhaft sein kann, ob eine Beendigungsbefugnis der Beteiligten gegeben ist484. In der Konsequenz kann im Gegensatz zu Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit die Wirksamkeit des Vergleichs nicht nur zwischen den Beteiligten, sondern auch zwischen Gericht und Beteiligten streitig sein. Daher stellen sich die Fragen, welche Folgen eine fehlerhafte Beurteilung der Beendigungsbefugnis durch das Gericht nach sich zieht und welche Rechtsschutzmöglichkeiten die Beteiligten in diesem Fall haben. Bei der Beantwortung sind mehrere Konstellationen zu unterscheiden: Denkbar ist, dass das Gericht und die Beteiligten von einer Beendigungsbefugnis ausgehen, die tatsächlich nicht besteht oder später in Zweifel gezogen wird. Möglich erscheint auch, dass das Gericht den Beteiligten die Beendigungsbefugnis abspricht, obwohl diese in Wirklichkeit besteht.
1. Annahme einer tatsächlich nicht bestehenden Beendigungsbefugnis a) Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs
Nehmen das Gericht und die Beteiligten zu Unrecht an, dass den Beteiligten eine Beendigungsbefugnis zukommt, und wird dementsprechend ein Verfahrensvergleich abgeschlossen, so ist dieser von Anfang an unwirksam485. Diese Situation ist vergleichbar mit derjenigen, in der der Verfahrensvergleich aus materiellen Gründen gemäß bzw. analog § 139 BGB486 oder aufgrund anderer verfahrensrechtlicher Mängel von Anfang an unwirksam ist487. Das Verfahren ist in 482
Siehe hierzu bereits oben in Fn. 141. Verfahrensvergleich wird im Rahmen dieser Darstellung als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag verstanden, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 484 Vgl. auch zum erhöhten Prüfungsaufwand des Gerichts bereits oben unter § 2. IV. 3. e) aa), S. 72. 485 Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 24. 486 Nach der h. M. führen materiell-rechtliche Mängel aufgrund der Doppelnaturlehre (siehe bereits oben unter § 2. A. II. 1., S. 22 m. N. in den Fn. 119, 117) zur Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs. 487 Vgl. hierzu z. B. MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnrn. 22 ff.; Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 25; Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 22; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnrn. 42, 45; Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnrn. 17 ff.; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnrn 29 f. 483 Der
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 81
Wirklichkeit nicht beendet488 und deshalb fortzusetzen489. Besonderheiten im Vergleich zur streitigen Gerichtsbarkeit bestehen insofern, als es in Amts- und unechten Antragsverfahren (und nur hier kann es an der Beendigungsbefugnis fehlen490) nicht nur in der Hand der Beteiligten liegt, die Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs geltend zu machen, wie sogleich aufzuzeigen sein wird. b) Vorgehen des Gerichtes bei nachträglichen Zweifeln an der Wirksamkeit des Verfahrensvergleichs
Beschränkt man, wie die herrschende Meinung, die Möglichkeit des Abschluss eines Verfahrensvergleichs auf reine Antragsverfahren, ist es allein an den Beteiligten, die Unwirksamkeit des Vergleichs geltend zu machen491. Nach der hier vertretenen Ansicht hingegen kann und muss das Gericht ein nur vermeintlich durch Verfahrensvergleich beendetes Amtsverfahren von Amts wegen weiterführen, wenn es von einer möglichen Unwirksamkeit des Vergleichs Kenntnis erlangt. Unerheblich ist dabei der Grund der Unwirksamkeit. Erhält das Gericht entsprechende Anhaltspunkte, hat es zunächst zu prüfen, ob der Verfahrensvergleich tatsächlich unwirksam ist. Stellt sich der Vergleich als wirksam heraus, bleibt das Verfahren beendet. Das Gericht kann dies durch deklaratorischen Beschluss feststellen492. Nicht ganz geklärt ist, ob es sich hierbei um eine Endentscheidung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG handelt. Die überwiegende Ansicht befürwortet dies493. Damit wird an eine in der streitigen Zivilgerichtsbarkeit mittlerweile überwiegend vertretene Auffassung angeknüpft, nach der die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs durch Endurteil gemäß § 300 Abs. 1 ZPO festzustellen ist494. Dagegen 488 So allgemein die ganz überwiegende Ansicht bei anfänglicher Unwirksamkeit eines verfahrensbeenden Vergleichs, siehe z. B. BGH, Urt. v. 29. 9. 1958 – VII ZR 198/57 = BGHZ 28, S. 171 (172 ff., offenlassend hingegen noch im Beschl. v. 05. 10. 1954 – V BLw 25/54 = BGHZ 14, S. 388 [390 f.]); Versäumnisurt. v. 06. 04. 2011 – XII ZR 79/09 = NJW 2011, S. 2141 (2141 f. [ Rdnr. 11]); BAG, Urt. v. 14. 07. 1960 – 2 AZR 152/60 (339/57), 2 AZR 152/60, 2 AZR 339/57 = BAGE 9, S. 319 (321 f.); BVerwG, Beschl. v. 27. 10. 1993 – 4 B 175/93 = NJW 1994, S. 2306 (2307) und aus der Literatur statt vieler nur Pecher, ZZP 97 (1984), S. 129 (145 f., 150 f. m. w. N). 489 Siehe bereits oben unter § 2. A. II. 2., S. 27 mit Nachweisen (auch zur früher vertretenen a. A.) in Fn. 148. 490 Siehe oben unter § 2. C. IV. 2., S. 57 ff. 491 So findet sich denn auch in der Literatur konsequent nichts darüber, wie bei einem gescheiterten Verfahrensvergleich in Amtsverfahren oder unechten Antragsverfahren vorzugehen ist. 492 Siehe bereits in Fn. 141 mit Nachweisen. 493 Dafür Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 46; Bahrenfuss/Rüntz, § 36, Rdnr. 24; Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 19; BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnr. 35 (Stand: 01. 09. 2014); Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnr. 23; unklar: Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 49 und Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 32. 494 BGH, Beschl. v. 18. 09. 1996 – VIII ZB 28/96 = NJW 1996, S. 3345 (3346), m. w. N. auch zur abweichenden Ansicht. Dem BGH haben sich das BVerwG (Beschl. v. 11. 12. 2007 –
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
könnte indes sprechen, dass mit dieser Entscheidung keine Erledigung des Verfahrensgegenstandes im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG herbeigeführt wird, denn der Verfahrensgegenstand war dem Gericht durch den Verfahrensvergleich bereits entzogen495. Jedenfalls erledigt der Beschluss aber den Streit über den die Wirksamkeit des Verfahrensvergleichs, so dass er insofern eine Endentscheidung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG darstellt. Gegen den Beschluss kann gemäß § 58 Abs. 1 FamFG Beschwerde eingelegt werden496. Ist der Verfahrensvergleich hingegen unwirksam, ist danach zu differenzieren, ob die von den Beteiligten in der Sache eventuell getroffenen materiellen Regelungen auch unwirksam sind, wobei dies nach der Vermutung des § 139 BGB regelmäßig anzunehmen sein wird497. Ist dies der Fall, kann das Gericht innerhalb des gesetzlichen Rahmens in der Sache frei entscheiden. Sind die materiellen Regelungen hingegen wirksam, ist das Gericht bei seiner Sachentscheidung an sie gebunden498. Gegebenenfalls kommt auch eine Einstellung des Verfahrens in Betracht, wenn aufgrund der getroffen Regelungen tatsächlich kein Bedürfnis nach gerichtlichen Maßnahmen mehr gegeben ist. c) Geltendmachung der Unwirksamkeit durch die Beteiligten
Die Beteiligten können die Fortführung eines in Wahrheit nicht beendeten Amtsverfahrens gemäß § 24 Abs. 1 FamFG stets anregen. Wurde in unechten Antragsverfahren das Verfahren auf Antrag eingeleitet, ist dieser nach wie vor rechtshängig. Da der Antragsteller bei Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs hinsichtlich seines Antrags nach wie vor ein Bescheidungsrecht499 hat, kann er einen Antrag auf Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens stellen, der dann vom Gericht zu bescheiden ist.
2. Unberechtigte Ablehnung einer bestehenden Beendigungsbefugnis Ungeklärt ist, wie zu verfahren ist, wenn das Gericht zu Unrecht das Bestehen einer Beendigungsbefugnis der Beteiligten verneint. Eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich wird in diesem Fall meist daran scheitern, dass sich das 2 B 86/07 –, Rdnr. 14, zitiert nach juris) und das BSG, (Urt. v. 28. 11. 2002 – B 7 AL 26/02 R –, Rdnr. 20, zitiert nach juris) angeschlossen. 495 Der Verfahrensvergleich ist eine Verfügung, die dem Gericht den Verfahrensgegenstand entzieht, siehe bereits oben unter § 2. C. II. 2. und 3., S. 46 ff. 496 Lehnt man es ab, dem feststellenden Beschluss den Charakter einer Endentscheidung zuzusprechen, ist an eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 1 FamFG zu denken. In diese Richtung geht Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 36, Rdnr. 32, der aber nicht ausdrücklich von einer Analogie spricht. 497 Vgl. bereits oben unter § 2. A. II. 1. 23. 498 MünchKommFamFG/Ulrici, Vor § 36, Rdnr. 14. 499 Hierauf wird bei der Klärung des persönlichen Anwendungsbereichs des Verfahrensvergleichs näher eingegangen werden (siehe unten unter § 2. D. II. 2., S. 90 mit Nachweisen).
C. Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG 83
Gericht weigert, den Verfahrensvergleich entsprechend der Vorschriften des §§ 36 Abs. 2 FamFG, 159 ff. ZPO zu protokollieren oder einen feststellenden Beschluss gemäß §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO zu erlassen. In dieser Situation stellt sich zum einen die Frage, ob das Gericht durch seine Weigerung, beim formgerechten Abschluss eines Verfahrensvergleichs mitzuwirken, Rechte der Beteiligten verletzt. Zum anderen ist zu erörtern, wie sich die Beteiligten dagegen wehren können. a) Rechtsverletzung durch Weigerung des Gerichts zur Protokollierung
Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG soll das Gericht außer in Gewaltschutzsachen in jedem Verfahren auf eine gütliche Einigung hinwirken. Dabei handelt es sich um eine echte Rechtspflicht des Gerichts500. Bei einer Weigerung des Gerichts, einen Verfahrensvergleich501 trotz bestehender Beendigungsbefugnis zu protokollieren oder einen Beschluss gemäß §§ 36 Abs. 2 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO zu erlassen, verstößt es gegen diese Pflicht und handelt mithin rechtsfehlerhaft. Ob dadurch auch Rechte der Beteiligten verletzt werden, hängt davon ab, ob die Pflicht des Gerichts zur Mitwirkung an einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung über eine bloße Amtspflicht hinausgeht und mit ihr ein subjektives Recht der Beteiligten korrespondiert. aa) Herleitung aus dem Justizgewährungsanspruch
In einem Beschluss vom 3. August 2011 hat der BGH bezüglich der Protokollierung eines Scheidungsfolgenvergleichs ausgeführt, dass die Prozessparteien einen Anspruch auf Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs hätten, soweit sie mit dem Vergleich den Streitgegenstand teilweise oder abschließend regeln502. Dies folge aus dem Justizgewährungsanspruch, denn der Vergleich ersetze die sonst gebotene gerichtliche Entscheidung503. Diese Argumentation überzeugt und ist, da der Justizgewährungsanspruch auch über die Familienstreitsachen hinaus in FamFG-Verfahren Geltung beansprucht504, auf den Verfahrensvergleich übertragbar. Nicht weiter hilft der Justizgewährungsanspruch 500 Prütting/Helms/Abramenko,
§ 36, Rdnr. 4. Verstanden als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 502 XII ZB 153/10 = BGHZ 191, S. 1 (5 [Rdnr. 15]) = JZ 2011, S. 1121 (1122) m. krit. Anm. v. Eichel = NJW 2011, S. 3451 (3452) m. Anm. v. Zimmer = FamRZ 2011, S. 1572 (1573). Der BGH verwendet in dieser Entscheidung den Begriff „Rechtsgewährungsanspruch“. 503 So der BGH (Fn. 502, a. a. O); zustimmend Eichel (Fn. 502, a. a. O.). Ebenso für Familienstreitsachen: Borth/Grandel in Musielak/Borth, § 113, Rdnr. 15 504 Vgl. z. B. BVerfG, Beschl. v. 09. 12. 2009 – 1 BvR 1542/06 = NJW-RR 2010, S. 1474 (1475 f. [Rdnrn. 18 ff.]); OLG Schleswig, Beschl. v. 04. 10. 2013 – 13 WF 119/13 –, Rdnr. 13 (zitiert nach juris); MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 47; Kemper/Schreiber/ Völker/Clausius, § 90, Rdnr. 8; Völker, FPR 2012, S. 485 (489); Nedden-Boeger, FGPrax 2010, S. 1 (3 f.); Vogel, FPR 2009, S. 165 (166). 501
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
allerdings in dem Fall, dass es den Beteiligten im Ergebnis darum geht, ein Verfahren zu beenden, welches das Gericht beabsichtigt fortzuführen. Denn bei gerichtlicher Verfahrensfortführung und Entscheidung erhalten die Beteiligten das, was sie nach dem Justizgewährungsanspruch verlangen können. bb) Abwehranspruch gegen Verfahrensfortführung
Wie bereits dargestellt wurde, ist jede gerichtliche Tätigkeit in FamFG Sachen, die gegen den Willen der Beteiligten vorgenommen wird, rechtfertigungsbedürftig505. Fehlt dem Gericht eine Ermächtigungsgrundlage für eine Verfahrensfortführung gegen den Willen der Beteiligten, müssen die Beteiligten in der Lage sein, das gerichtliche Verfahren zu beenden. Denn es liegt dann in ihrer Freiheit, dem Gericht die Entscheidungskompetenz bezüglich des Verfahrensgegenstandes zu nehmen506. Da es aber zur Verfahrensbeendigung der Mitwirkung des Gerichts bedarf, haben die Beteiligten bei Bestehen der Beendigungsbefugnis einen Anspruch darauf, dass das Gericht eine Protokollierung des Verfahrensvergleichs gemäß §§ 36 Abs. 2 FamFG, 159 ff. ZPO vornimmt oder einen Beschluss nach §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO erlässt. Insofern korrespondiert mit der Pflicht des Gerichts, gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung hinzuwirken, ein subjektives Recht der Beteiligten darauf, dass das Gericht an der Verfahrensbeendigung mitwirkt. b) Rechtschutz durch Beschwerde gegen Endentscheidung
Weigert sich das Gericht trotz bestehender Beendigungsbefugnis an der Verfahrensbeendigung mitzuwirken und erlässt eine Endentscheidung, können die Beteiligten gegen diese Endentscheidung mit der Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG vorgehen. Das erstinstanzliche Gericht hätte in der Sache keine Endentscheidung treffen dürfen und verletzt das subjektive Recht der Beteiligten auf Mitwirkung des Gerichts an einer Verfahrensbeendigung. Schon aus diesem Grund muss die Endentscheidung aufgehoben werden. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht in seiner Endentscheidung den getroffenen oder beabsichtigten materiellen Regelungen der Beteiligten Rechnung getragen hat, denn es liegt auch in diesem Fall in der Freiheit der Beteiligten, auf die Endentscheidung zu verzichten. Für den Fall, dass das Gericht vor Erlass einer Endentscheidung eine Protokollierung des Verfahrensvergleichs durch Beschluss ablehnt, stellt sich weiterhin die Frage, ob auch gegen diesen Beschluss mit einer selbständigen Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG vorgegangen werden kann. Dies hängt davon ab, ob es sich um eine Zwischenentscheidung des Gerichts handelt. Zwi505 506
Vgl. oben unter § 2. C. IV. 1., S. 54 ff. Vgl. oben unter § 2. C. IV. 1., S. 54 ff.
D. Die Parteien des Verfahrensvergleichs
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schenentscheidungen sind, wie sich aus § 58 Abs. 1 und 2 FamFG ergibt, regelmäßig507 nur dann selbstständig anfechtbar, wenn dies ausdrücklich gesetzlich angeordnet wird508. Bereits oben wurde dargelegt, dass es sich bei einem die Wirksamkeit eines Verfahrensvergleichs bejahenden, feststellenden Beschluss um eine Endentscheidung im Sinne der §§ 38 Abs. 1, 58 Abs. 1 FamFG handelt, da durch diesen der Streit um die Wirksamkeit des Verfahrensvergleichs erledigt wird. Im Fall der Ablehnung der Beendigungsbefugnis durch Beschluss kann jedoch im Ergebnis diesem Feststellungsbeschluss nicht die Qualität einer beschwerdefähigen Endentscheidung zugesprochen werden509. Denn anders als im Fall der Bejahung der Wirksamkeit eines Verfahrensvergleichs wird das Gericht nach Ablehnung der Beendigungsbefugnis in der Sache über den Streitgegenstand entscheiden. Gegen diese Endentscheidung können die Beteiligten mit der Beschwerde vorgehen. Einer selbstständigen Anfechtbarkeit des Feststellungsbeschluss bedarf es aus Rechtsschutzgesichtspunkten daher nicht. Sie wäre im Übrigen geeignet, das Verfahren in die Länge zu ziehen510 und die Ressourcen der Justiz unnötig zu belasten.
D. Die Parteien des Verfahrensvergleichs Neben dem sachlichen Anwendungsbereich bedarf auch der persönliche Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs511 einer näheren Untersuchung. Konkret ist zu klären, wer zur wirksamen Verfahrensbeendigung an einem Vergleichsschluss als Partei beteiligt werden kann und wer beteiligt werden muss.
507 Ausnahmsweise müssen im Zuge einer verfassungskonformen Auslegung des § 58 FamFG Zwischenentscheidungen als Endentscheidungen behandelt werden und auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung selbstständig anfechtbar sein, wenn sie selbständig vollstreckbar sind (ausführlich Lettau, Beschwerde, S. 43 ff.). 508 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 203 l. Sp.; MünchKommFamFG/Fischer, § 58, Rdnr. 49; auch BGH, Beschl. v. 01. 12. 2010 – XII ZB 227/10 = FGPrax 2011, S. 101 (102 [Rdnr. 13]); Beschl. v. 23. 5. 2012 – XII ZB 417/1 = NJW-RR 2012, S. 1156 (1156 [Rdnr. 6]); Keidel/Meyer-Holz, § 58, Rdnr. 24; Prütting/Helms/ Abramenko, § 58, Rdnr. 17; Borth/Grandel in Musielak/Borth, § 58 Rdnr. 2; Lettau, Beschwerde, S. 27 und speziell zu Zwischenverfügungen: S. 54 ff. 509 Auch eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 1 FamFG wie sie oben für den Fall eines die Wirksamkeit eines Verfahrensvergleichs feststellenden Beschlusses erwogen wurde (siehe oben in Fn. 496) scheidet aus. Es fehlt an einem Analogiebedürfnis, da jedenfalls gegen die abschließende Endentscheidung Beschwerde eingelegt werden kann und so hinreichender Rechtsschutz besteht. 510 Allgemein für Zwischenentscheidungen statt vieler z. B. Lettau, Beschwerde, S. 27; MünchKommFamFG/Fischer, § 58, Rdnr. 49. 511 Der Verfahrensvergleich wird im Rahmen dieser Darstellung als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag verstanden, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
I. „Kann“-Parteien des Verfahrensvergleichs 1. Beteiligte Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG können Beteiligten einen Verfahrensvergleich abschließen. Den Begriff des Beteiligten hat das FamFG im Gegensatz zum FGG in der Generalklausel § 7 FamFG ausdrücklich geregelt512. Unterschieden werden kann zwischen Beteiligten kraft Gesetzes gemäß § 7 Abs. 1 FamFG und Beteiligten kraft Hinzuziehung nach § 7 Abs. 2 und Abs. 3 FamFG. Innerhalb der letzteren Gruppe kann wiederum differenziert werden zwischen Beteiligten, die nach § 7 Abs. 2 FamFG vom Gericht hinzugezogen werden müssen und solchen, die gemäß § 7 Abs. 3 FamFG vom Gericht hinzugezogen werden können.
2. Dritte Da § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG nur davon spricht, dass die Beteiligten einen Vergleich schließen können, stellt sich die Frage, ob auch Dritte, die nicht Beteiligte des Verfahrens sind, Vergleichspartei sein können. In der Literatur wird zum Teil angenommen, dass der Gesetzeswortlaut in diesem Punkt zu eng sei und auch Dritte in den Verfahrensvergleich miteinbezogen können werden müssten513. Zutreffend ist, dass im Zuge einer einvernehmlichen Konfliktbewältigung ein Bedürfnis dafür bestehen kann, Dritte in die materiellen Vergleichsregelungen zwischen den Beteiligten einzubeziehen. Geht man mit der Doppelnaturlehre von einer Einheit von Verfahrensbeendigungsvertrag und materiellem Vergleich aus514, muss der Dritte in einem solchen Fall Partei des Verfahrensvergleichs werden. Nach der hier vertretenen Trennungslehre515 muss hingegen zwischen Verfahrensbeendigungsvertrag und materiellem Vergleich unterschieden werden. Da § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG lediglich den Verfahrensbeendigungsvertrag betrifft516, bedurfte es der Erwähnung Dritter im Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht. Denn am Abschluss eines Verfahrensbeendigungsvertrages kann und braucht ein Dritter nicht mitzuwirken517. Inwieweit ein Dritter an den 512
Vgl. hierzu die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 165 f. Ergänzt wird § 7 FamFG durch zahlreiche Spezialvorschriften, eine Aufzählung derselben findet sich etwa bei Bahrenfuss/Bahrenfuss § 7 Rdnr. 1. 513 Siehe z. B. Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 10; BeckOKFamFG/Burschel, § 36, Rdnr. 6 (Stand: 01. 09. 2014). Andere nehmen die Möglichkeit Dritte in den Vergleich einzubeziehen an, ohne auf den Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG einzugehen, vgl. etwa Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnr. 28; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 1; Haußleiter/ Gomille, § 36, Rdnrn. 2, 9, 13 und 16. 514 Hierzu ausführlich m. N. in Fn. 116, 117 oben unter § 2. A. II. 1., S. 22. 515 Hierzu ausführlich m. N. in Fn. 121 oben unter § 2. A. II. 1., S. 22 f. 516 Siehe unter § 2. C. II. 3., S. 49 m. N. in Fn. 292. 517 So der BGH zum Prozessvergleich bereits in seinem Urt. v. 16. 12. 1982 (VII ZR 55/82 = BGHZ 86, S. 160 [164]).
D. Die Parteien des Verfahrensvergleichs
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materiellen Regelungen der Beteiligten mitwirken kann, bestimmt sich ausschließlich nach materiellem Recht. Eine von dem soeben Ausgeführten zu trennende Frage ist, ob ein Vergleich518 für und gegen einen Dritten vollstreckbar sein kann. In § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, der gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG auch in der Zwangsvollstreckung nach dem FamFG Geltung beansprucht, wird ausdrücklich erwähnt, dass die Zwangsvollstreckung auch aus Vergleichen stattfindet, die zwischen einer Partei und einem Dritten geschlossen worden sind. Demnach kann der Vergleich für und gegen einen Dritten, der bei der beim Abschluss des Vergleichs im Verfahren mitgewirkt hat519, vollstreckt werden.
II. Notwendige Parteien des Verfahrensvergleichs § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG trifft keine Aussage darüber, wer am Vergleichsschluss mitwirken muss. Auch die Gesetzesbegründung, Rechtsprechung und Literatur schweigen hierzu. Ausdrücklich bestimmt § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG für die Antragsrückname, dass die Rücknahme nach Erlass einer Endentscheidung der Zustimmung der übrigen Beteiligten bedarf. Eine Beendigungserklärung soll hingegen nach § 22 Abs. 3 FamFG stets von sämtlichen Beteiligten erfolgen, ohne dass darauf abgestellt wird, ob bereits eine Endentscheidung ergangen ist. Damit stellt sich die Frage, ob aus einer analogen Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FamFG eine notwendige Mitwirkung aller Beteiligter am Vergleichsschluss dergestalt hergeleitet werden kann, dass sie entweder selbst Vergleichspartei werden oder zumindest ihre Zustimmung zum Vergleichsschluss geben müssen. Zudem ist zu klären, ab welchem Zeitpunkt eine mögliche Zustimmungsbedürftigkeit eingreift.
518 Vergleich in diesem Sinne ist nach der hier vertretenen Ansicht nicht der Verfahrensvergleich als Verfahrensbeendigungsvertrag, sondern der materielle Vergleich, der im Rahmen der Verfahrensbeendigung vereinbart wird und bei Einhaltung der vorgeschrieben Verfahrensund Formvoraussetzungen die Qualität eines Vollstreckungstitels erlangt (siehe bereits oben unter § 2. A. III. 2., S. 32). 519 Umstritten ist, ob ein Vergleich auch Vollstreckungstitel für einen Dritten sein kann, der dem Vergleich nicht formell beigetreten ist. Die ablehnende h. M. (siehe z. B. KG, Beschl. v. 18. 06. 1973 – 22 W 623/73-, NJW 1973, S. 2032 [2033]; OLG Köln, Beschl. v. 17. 04. 1985, – 2 W 37/85 = ZIP 1985, S 896 [896 f.]; Segmüller, NJW 1975. S. 1685 [1686]; Wieczorek/ Schütze/Paulus [3. Aufl.], § 794, Rdnr. 51, Fn. 171) führt an, dass die Zuerkennung einer Vollstreckungsbefugnis für einen nicht beigetretenen Dritten eine neue Art des Vollstreckungstitels unter Umgehung der §§ 727 ff. ZPO schaffen würde (vgl. z. B. Segmüller u. Paulus, a. a. O). Dies leuchtet nicht ein. Es ist nicht ersichtlich, warum es den Beteiligten bei Abschluss eines Vergleichs verwehrt sein soll, einem Dritten gemeinsam die Vollstreckungsbefugnis zu verschaffen, während es dem Schuldner im Falle des § 794 Nr. 5 ZPO möglich ist (überzeugend Stein/Jonas/Münzberg, § 794 ZPO, Rdnr. 45).
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
1. Ausgangspunkt: Anspruch auf gerichtliche Endentscheidung für sämtliche Beteiligte? Es wurde bereits dargelegt, dass für einen Vergleichsschluss stets das Zusammenwirken von mindestens zwei Beteiligten erforderlich ist520. Das FamFG ist aber, im Gegensatz zur streitigen Gerichtsbarkeit, nicht auf einen Zwei-Parteienstreit ausgerichtet521. Vielmehr sind Verfahren mit mehreren Beteiligten, die unterschiedliche Interessen haben, häufig. So sind etwa in Abstammungssachen gemäß §§ 72 Abs. 1, Abs. 2, 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG die Mutter, der Vater, das Kind und ggf. auch das Jugendamt zu beteiligen. Daher folgt nicht allein daraus, dass es sich bei dem Verfahrensvergleich um einen Vertrag handelt, dass alle Beteiligten notwendige Parteien eines Verfahrensvergleichs sein müssen. Eine Mitwirkung aller Beteiligten am Vergleichsschluss könnte aber deswegen erforderlich sein, weil jeder Beteiligte ein Recht auf eine gerichtliche Entscheidung hat. Wäre dem so, kann ein Vergleich nur bei Zustimmung aller Beteiligten das Verfahren beenden. Ein nur von einem Teil der Beteiligten geschlossener Vergleich wäre hingegen als verfügender522 Vertrag zulasten der nicht mitwirkenden Beteiligten zu qualifizieren523 und ohne deren Zustimmung unwirksam. Entscheidend für die Beantwortung der oben aufgeworfenen Fragen ist somit, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Beteiligter ein Recht auf eine gerichtliche Entscheidung hat. In der streitigen Gerichtsbarkeit hat zunächst der Kläger524 und nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung gemäß § 269 Abs. 1 ZPO auch der Beklagte525 ein Recht auf eine gerichtliche Entscheidung. Eine Verfahrensbeendigung ohne Urteil bedarf nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung daher des Einverständnisses von Kläger und Beklagten. Mithin sind Kläger und Beklagter als Parteien des Prozesses stets auch notwendige Parteien eines abzuschließenden Prozessvergleichs. Der Begriff des Beteiligten gemäß § 7 FamFG ist aber deut-
520
Siehe oben unter § 2. A. I., S. 19 m. N. in Fn. 100. W. Zimmermann, FPR 2009, S. 5 (5). 522 Der Verfahrensvergleich ist eine Verfügung über den Verfahrensgegenstand (siehe bereits oben unter § 2. C. II. 2. und 3., S. 46 ff.). 523 Im materiellen Recht sind Verfügungen über Gegenstände zulasten eines Dritten nur bei dessen Zustimmung oder bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (dann als Verfügungen von Nichtberechtigten) wirksam (statt vieler: MünchKommBGB/Gottwald [Band 2], § 328, Rdnr. 271). Diese Grundsätze sind auf Verfügungen über den Verfahrensgegenstand übertragbar. 524 Dies folgt aus dem Justizgewährungsanspruch (Siehe nur BGH, Urt. v. 07. 05. 1962 – III ZR 3/60 = BGHZ 37, S. 113 [121]; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 3, I, Rdnr. 2). 525 BGH, Urt. v. 08. 02. 1989 – IVa ZR 98/87 = BGHZ 106, S. 359 (367); Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 129, II 2, Rdnr. 19 521
D. Die Parteien des Verfahrensvergleichs
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lich vielschichtiger als der formelle Parteibegriff526 der streitigen Gerichtsbarkeit527. Zwar hat der Reformgesetzgeber den Beteiligtenbegriff dem formellen Parteibegriff angenähert528. Unter Geltung des FamFG ist die Beteiligtenstellung stets an einen formellen Akt geknüpft, bei den Beteiligten kraft Gesetzes an die Antragsstellung, sonst an die gerichtliche Hinzuziehung529. Doch sind Gründe dafür, dass das Gesetz bestimmte Personen oder Institutionen zu Beteiligten erklärt, unterschiedlich. Neben Antragstellern in Antragsverfahren530 sind im Fall des § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG diejenigen zu beteiligen, die durch das Verfahren unmittelbar betroffen werden. Gemeint ist damit eine Betroffenheit in eigenen Rechten531. Auch bei Beteiligten gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG, also solchen, die aufgrund gesetzlicher Anordnung von Amts wegen oder auf Antrag zu beteiligen sind, kann der Grund für die gesetzliche Anordnung der Hinzuziehung darin bestehen, dass das Verfahren ihre Rechte betreffen kann532. Dies ist dann aber nicht mehr zu prüfen533. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG wird als lex generalis durch die spezielleren Vorschriften verdrängt534. Bei Beteiligten gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 oder § 7 Abs. 3 FamFG kann die Einräumung der Beteiligtenstellung aber auch darauf beruhen, dass Personen oder Institutionen, die ein soziales oder ideelles aber kein rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens haben, die Verfahrensteilnahme ermöglicht werden soll535. Hierzu 526 Ausführlich zum formellen Parteibegriff der streitigen Zivilgerichtsbarkeit, Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 15 ff. 527 W. Zimmermann, FPR 2009, S. 5 (5); siehe auch zum FGG bereits Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 8, I. 528 W. Zimmermann, FPR 2009, S. 5 (5). 529 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zu FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 178 l. Sp; Holzer in Holzer, § 7, Rdnr. 21; Bahrenfuss/Bahrenfuss, § 7, Rdnr. 2; Schulte-Bunert/ Weinreich/Schöpflin, § 7, Rdnr. 4. 530 Da § 7 Abs. 1 FamFG nur von Antragsverfahren spricht und nicht zwischen reinen und unechten Antragsverfahren differenziert, gilt er auch in letzteren. 531 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zu FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 179 r. Sp;. MünchKommFamFG/Pabst, § 7, Rdnr. 7; Keidel/Zimmermann, § 7, Rdnrn. 11 ff.; ders., FPR 2009, S. 5 (7); Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 112 f. Ausreichend ist, dass der Verfahrensgegenstand geeignet ist, die Rechte des Betroffenen zu beeinflussen (MünchKommFamFG/Pabst, a. a. O.). 532 Wohl auch Prütting/Helms/Prütting, § 7, Rdnr. 30, der aber einerseits ausführt, eine unmittelbare Rechtsbetroffenheit liege „auf jeden Fall“ vor und andererseits meint, sie werde durch die Spezialvorschriften indiziert. Auch Antragsteller können durch das Verfahren in ihren Rechten betroffen werden, was aber für ihre Beteiligtenstellung nicht von Bedeutung ist (Bahrenfuss/Bahrenfuss, § 7, Rdnr. 4). 533 Bahrenfuss/Bahrenfuss, § 7, Rdnr. 8. 534 MünchKommFamFG/Pabst, § 7, Rdnr. 14. 535 So die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 179 r. Sp. für Beteiligte nach § 7 Abs. 2 FamFG. Schulte-Bunert/Weinreich/Schöpflin, § 7, Rdnr. 19 hält hingegen bei „Muss“-Beteiligten gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 FamFG offenbar stets eine unmittelbare Rechtsbetroffenheit für gegeben, da diese nach der jeweils einschlägigen Vorschrift immer vorliege (unklar: Prütting/Helms/Prütting, Fn. 532, a. a. O.). Dies überzeugt nicht. Nicht jede Behörde, die zu einem Verfahren hinzugezogen wird, wird in eignen, materiellen Rechten
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
zählen etwa gemäß § 161 Abs. 1 FamFG Pflegepersonen in Kindschaftssachen, sofern das Kind längere Zeit in Familienpflege gelebt hat536. Insbesondere bei diesen Beteiligten erscheint es auf den ersten Blick nicht sachgerecht, ihnen allein aufgrund der Beteiligtenstellung ein Recht auf eine Entscheidung einzuräumen, was sie zu notwendigen Parteien des Verfahrensvergleichs machen würde. Eine eingehendere Untersuchung des Verhältnisses von Beteiligtenstellung und notwendiger Mitwirkung am Abschluss eines Verfahrensvergleichs für die einzelnen Beteiligungsformen des § 7 FamFG ist daher angezeigt.
2. Beteiligte nach § 7 Abs. 1 FamFG Nach der Vorstellung des Reformgesetzgebers soll der Antragsteller in Antragsverfahren stets ein Bescheidungsrecht haben537. Dem ist zuzustimmen. Räumt das Gesetz bestimmten Personen oder Institutionen ein Antragsrecht ein, dürfen diese nicht nur ein gerichtliches Tätigwerden, sondern auch eine gerichtliche Entscheidung verlangen. Damit wird auf einfachgesetzlicher Ebene dem Justizgewährungsanspruch538 Rechnung getragen. Ein Bescheidungsrecht besteht in reinen und unechten Antragsverfahren539 selbst dann, wenn der Antragsteller nicht antragsbefugt ist540. In einem solchen Fall kann dieser jedoch keine Sachentscheidung verlangen; sein Antrag ist vielmehr als unzulässig abzuweisen541. Unerheblich für das Bestehen eines Bescheidungsrechts ist weiterhin, ob im konkreten Verfahren die Stellung eines Sachantrags erforderlich ist542. Daher ist der Antragsteller stets notwendige Partei des Verfahrensvergleichs. Ob er auch notwendige Partei der materiellen Vergleichsregelungen sein muss, ist eine Frage des materiellen Rechts. Regelmäßig wird dies der Fall sein. Da die betroffen sein. Sehr viel häufiger nimmt die Behörde öffentliche Interessen war, übt mithin öffentlich-rechtliche Kompetenzen aus. Für diese Sichtweise spricht auch § 59 Abs. 3 FamFG, der in Verbindung mit Spezialvorschriften den Behörden ein von einer Rechtsbeeinträchtigung unabhängiges Beschwerderecht einräumt (vgl. hierzu der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 59 RegE-FamFG, BT-Drs. 16/6308, S. 204 l. Sp.) 536 Bahrenfuss/Bahrenfuss, § 7, Rdnr. 12. 537 Siehe in der Begründung des Regierungsentwurfs zu FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 178 l. Sp. 538 Der Justizgewährungsanspruch folgt nach h. M. aus dem Rechtstaatsprinzip (siehe nur: BVerfG, Beschl. v. 30. 04. 2003 – 1 PBvU 1/02 – = NJW 2003, S. 1924 ([1924 f.]) und gilt auch in FamFG-Verfahren (vgl. z. B. für das Registerverfahren BVerfG, Beschl. v. 09. 12. 2009 – 1 BvR 1542/06 – = NJW-RR 2010, S. 1474 [1475, Rdnrn. 17 ff.]). 539 Zur umstrittenen Frage, ob auch in reinen Amtsverfahren verfahrenseinleitende Anträge gestellt werden können, welche beschieden werden müssen, siehe unten unter § 3. A. II., S. 144 ff. 540 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zu FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 178 l. Sp. 541 MünchKommFamFG/Ulrici, § 23, Rdnr. 16 m. w. N. 542 Nicht in jedem Antragsverfahren muss ein Sachantrag gestellt werden, siehe bereits oben unter § 2. C. II. 1. b), S. 44 m. N. in Fn. 257.
D. Die Parteien des Verfahrensvergleichs
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Beteiligtenstellung des Antragstellers aber nicht an eine materielle Rechtsbetroffenheit anknüpft, ist es auch möglich, dass er nicht notwendige Partei des materiellen Vergleichs sein muss543.
3. „Muss“-Beteiligte kraft Hinzuziehung Das Institut des „Muss“-Beteiligten kraft Hinzuziehung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG ist der streitigen Zivilgerichtsbarkeit fremd. Am nächsten kommt dem „Muss“-Beteiligten kraft Hinzuziehung der notwendig Beizuladende der Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß § 65 Abs. 2 VwGO. Der notwendige Beigeladene ist Beteiligter des Verwaltungsprozesses gemäß § 63 Nr. 3 VwGO544. Die notwendige Beiladung des Verwaltungsprozesses hat den Zweck, die Rechte und Interessen des Beizuladenden zu schützen sowie das Ergehen einer einheitlichen Entscheidung abzusichern545. Ergeht keine gerichtliche Entscheidung, wird die Rechtssphäre des notwendig Beigeladenen nicht betroffen546. Er kann daher eine Verfahrensbeendigung ohne Entscheidung durch Kläger und Beklagten nicht verhindern547, hat mithin keinen Anspruch auf gerichtliche Entscheidung. Für einen solchen muss er selbst Klage erheben oder einen Parteibeitritt vornehmen. Daher muss der notwendig Beizuladende nach zutreffender herrschender Ansicht weder Partei des Prozessvergleichs sein noch dem Vergleichsschluss zustimmen548. Diese Argumentation greift 543 Dies ergibt sich nach der hier vertretenen Ansicht zwanglos daraus, dass zwischen Verfahrensbeendigungsvertrag und materiellem Vergleich getrennt werden muss. Die Vertreter der Doppelnaturlehre müssten konsequenterweise annehmen, dass notwendige Parteien des Verfahrensvergleichs auch materielle Vergleichsparteien sein müssen. Dazu finden sich aber in der Literatur zum FamFG bislang, soweit ersichtlich, keine Äußerungen. Dies beruht wohl darauf, dass sich die Frage, wer notwendige Prozessvergleichspartei sein muss, in der streitigen Zivilgerichtsbarkeit nicht stellt (anders aber in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, dazu sogleich unter § 2. D. II. 3., S. 91 f.). Zur umgekehrten Frage, also ob aus materieller Rechtsbetroffenheit eine notwendige Parteistellung hinsichtlich des Verfahrensvergleichs folgt, siehe sogleich unter § 2. D. II. 3., S. 92. 544 Der Begriff des Beteiligten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist ein anderer als der des FamFG (bereits für das FGG: Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Vor § 14, S. 92). 545 Ausführlich hierzu Bier in Schoch/Schneider/Bier (26. EL 2014), § 65 VwGO, Rdnrn. 3 ff., 14 ff. 546 Insofern unterscheidet sich die schlichte Beendigung des Verfahrens von der materiellen Rechtskraft eines Urteils (Ortloff in Schoch/Schneider/Bier [26. EL 2014], § 106 VwGO, Rdnr. 39, Fn. 83). 547 Schröder, Prozeßvergleich, S. 180; Ortloff (Fn. 546, a. a. O, Rdnr. 39). 548 Siehe z. B. BVerwG, Beschl. v. 08. 12. 1971 – III B 111.70 = Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 6; Beschl. v. 04. 11. 1987 – 1 B 112/87 = NJW 1988, S. 662 (663 – Dritter war als notwendig Beizuladender war nicht beigeladen); Ortloff in Schoch/Schneider/Bier (26. EL 2014), § 106 VwGO, Rdnr 39; W.-R. Schenke und R. Schenke in Kopp/Schenke, § 106 VwGO, Rdnr. 10; Schröder, Prozeßvergleich, S. 180 f. Eine a. A hält hingegen die Zustimmung des notwendig Beizuladenden für erforderlich, siehe z. B. OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 09. 1985 – 6 A 10/84 = NVwZ 1987, S. 234 (234); M. Redeker in Redeker/v. Oertzen, § 66 VwGO, Rdnr. 10.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
für einen „Muss“-Beteiligten kraft Hinzuziehung nach § 7 Abs. 2 FamFG aber nicht. Anders als dem notwendig Beizuladenden fehlt den Beteiligten kraft Hinzuziehung die Möglichkeit, sich durch Parteibeitritt auf Kläger oder Beklagtenseite zu stellen. Nur der Antragsteller in Antragsverfahren begründet seine Stellung als Beteiligter durch eine eigene Verfahrenshandlung. Andere Personen oder Institutionen werden erst und ausschließlich durch gerichtliche Hinzuziehung zu Verfahrenssubjekten549. Insbesondere der Antragsgegner in Antragsverfahren ist nicht automatisch Beteiligter, sondern wird es durch den Hinzuziehungsakt gemäß § 7 Abs. 2 FamFG550. Auch in FamFG-Verfahren besteht aber ein anzuerkennendes Bedürfnis nach Rechtsfrieden551. Zumindest Beteiligte, die durch das Verfahren oder die potentielle Endentscheidung in eigenen Rechten unmittelbar beeinträchtigt werden, haben ein im Grundsatz schützenswertes Interesse, nicht erneut mit einem Verfahren belastet zu werden. Daher wird man auch ihnen grundsätzlich552 ein Recht auf eine gerichtliche Entscheidung einräumen müssen, mithin ist eine Verfahrensbeendigung ohne gerichtliche Entscheidung in analoger Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 2 FamFG von ihrer Zustimmung abhängig zu machen. Demnach sind Beteiligte gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 FamFG stets notwendige Parteien eines Verfahrensvergleichs. Bei Beteiligten nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ist zu differenzieren: Soweit bei ihnen eine materielle Rechtsbetroffenheit im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG gegeben ist, ist ihre Zustimmung zum Verfahrensvergleichsschluss erforderlich. Fraglich ist hingegen, ob Beteiligte gemäß § 7 Abs. Nr. 2 FamFG, die durch das Verfahren nicht unmittelbar in eigenen Rechten betroffen werden553, ein schützenswertes Interesse daran haben können, dass das Verfahren durch gerichtliche Entscheidung beendet wird. Ein solches ist jedenfalls zu bejahen, wenn sie selbst das entsprechende Verfahren durch eigenen Antrag hätten anstrengen Eine Übersicht über den Meinungstand mit w. N. findet sich bei Franke, Vergleich im Verwaltungsprozeß, S. 107 ff. 549 Wobei diese aufgrund eines Antrags erfolgen kann. 550 Bahrenfuss/Bahrenfuss, § 7, Rdnr. 4; Keidel/Zimmermann, § 7, Rdnr. 9; Prütting/ Helms/Prütting, § 7, Rdnr. 21a; Bumiller in Bumiller/Harders, § 7, Rdnr. 4. Eine a. A. hält den Antragsgegner für einen Beteiligten kraft Gesetzes (MünchKommFamFG/Pabst, § 7, Rdnr. 4; Schulte-Bunert/Weinreich/Schöpflin, § 7, Rdnr. 7; Haußleiter/Gomille, § 7, Rdnr. 7). Insofern fehlt es aber an einer tragfähigen Begründung, warum über den eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 1 FamFG hinausgegangen werden muss. Soweit Antragsgegner durch das Verfahren unmittelbar in ihren Rechten betroffen werden können, wird ihrem Schutz bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie gemäß § 7 Abs. 2 FamFG zwingend zu beteiligen sind. Eine Erweiterung des § 7 Abs. 1 FamFG würde zudem dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, nachdem die Beteiligtenstellung an einen formellen Akt anknüpfen soll (vgl. soeben unter § 2. D. II. 1., S. 89 m. N. in Fn. 529). 551 Siehe zum Wunsch des Reformgesetzgebers zur Erhöhung der Rechtssicherheit auch unten unter § 2. E. II. 1 b) aa), S. 109 m. N. 552 Fraglich ist, nur ab welchem Zeitpunkt ein solches Recht gegeben ist, mithin eine Zustimmungsbedürftigkeit eintritt. Dazu sogleich im nächsten Absatz. 553 Siehe hierzu bereits oben unter § 2. D. II. 1., S. 89 f. und Fn. 535.
D. Die Parteien des Verfahrensvergleichs
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können. Fehlt es hingegen an einer eigenen Antragsbefugnis, steht den Beteiligten kein Recht auf eine gerichtliche Entscheidung zu. Dann kann ein Verfahrensvergleich auch ohne ihre Zustimmung geschlossen werden. Zu diesen Beteiligten können etwa Behörden gehören, wenn sie zwar zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen zum Verfahren hinzugezogen werden müssen554, aber weder Antragsgegner sind noch ein eigenes Antragsrecht haben. Zu klären ist noch, ab welchem Zeitpunkt die Zustimmungsbedürftigkeit eintritt. Drei Möglichkeiten kommen in Betracht: Man könnte entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG darauf abstellen, ob bereits eine Endentscheidung ergangen ist. Denkbar ist auch eine entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 3 FamFG dergestalt, dass die Zustimmungsbedürftigkeit ab dem Zeitpunkt der Begründung der Beteiligtenstellung, also ab Antragstellung oder gerichtliche Hinzuziehung, eintritt. Schließlich kommt in Betracht, auf Normen aus der streitigen Gerichtsbarkeit zurückgreifen und entsprechend § 269 Abs. 1 ZPO von einer Zustimmungsbedürftigkeit ab dem Beginn der mündlichen Verhandlung oder analog § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO ab Stellung der Anträge auszugehen. Die letztgenannte Lösung erweist sich bei näherer Betrachtung nicht als zielführend: Auf den Beginn der mündlichen Verhandlung kann schon deswegen nicht abgestellt werden, weil diese in FamFG-Verfahren gemäß §§ 32 Abs. 1, 34 FamFG die Ausnahme ist. Auch der Zeitpunkt der Antragstellung kann nicht herangezogen werden, da die Beteiligten nicht in jedem FamFG-Verfahren Anträge stellen oder stellen müssen. Eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG würde dazu führen, dass die Zustimmungspflicht derjenigen, die aus den oben genannten Gründen ein Recht auf eine Entscheidung haben, häufig ins Leere läuft. Schon die direkte Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei einer Antragsrücknahme wird den Beteiligteninteressen oftmals nicht hinreichend Rechnung tragen. Der Reformgesetzgeber hat auch nicht erläutert, warum er es für gerechtfertigt hielt, den Beginn der Zustimmungspflicht im Vergleich zur streitigen Gerichtsbarkeit zeitlich so weit nach hinten zu verlagern. Letztlich muss dies aber als eindeutige gesetzgeberische Entscheidung akzeptiert werden. Da für den Abschluss des Verfahrensvergleichs jedoch ein eindeutiger Regelungswille fehlt, kann im Rahmen einer analogen Anwendung555 auf den interessengerechteren § 22 Abs. 3 FamFG abgestellt werden. Überdies entspricht die Situation des Verfahrensvergleichsschluss eher der einer mehrseitigen Beendigungserklärung als der einer Antragsrücknahme. Daher ist in analoger Anwendung des § 22 Abs. 3 FamFG von einem Beginn der Zustimmungspflicht ab Begründung der Beteiligtenstellung auszugehen. 554
Siehe hierzu Fn. 535. Eine direkte Anwendung des § 22 Abs. 1 FamFG kann auch nicht etwa damit begründet werden, dass der Verfahrensvergleich stets eine Antragsrücknahme enthält; hiergegen ausführlich bereits oben unter § 2. C. IV. 3. b) aa), S. 61 f. 555
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
4. „Kann“-Beteiligte gemäß § 7 Abs. 3 FamFG Gemäß § 7 Abs. 3 FamFG kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag Personen als Beteiligte zum Verfahren hinzuziehen, wenn dies in anderen Vorschriften vorgesehen ist. Die Hinzuziehung steht also im Ermessen des Gerichts, welches es pflichtgemäß auszuüben hat556. Innerhalb dieser „Kann“Beteiligten lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: Zum Teil zählen zu den „Kann“-Beteiligten Personen, die zwar nicht von Amts wegen, aber auf ihren Antrag hin als „Muss“-Beteiligte hinzugezogen werden müssten, jedoch von einer entsprechenden Antragstellung abgesehen haben557. Als Beispiel hierfür können etwa die Beteiligten im Erbscheinsverfahren gemäß § 345 Abs. 1 Satz 2 FamFG genannt werden558. Bei diesen Beteiligten wird nach dem oben Gesagten eine Zustimmungsbedürftigkeit anzunehmen sein, wenn sie durch das Verfahren unmittelbar in eigenen Rechten betroffen werden oder selbst das entsprechende Verfahren durch eigenen Antrag hätten anstrengen können559. Ebenfalls zu den „Kann“-Beteiligten zählen, wie bereits erwähnt, Personen oder Institutionen, die ein soziales oder ideelles Interesse am Ausgang des Verfahrens haben560. Diese Beteiligten werden durch das Verfahren oder die potentielle Endentscheidung nicht in eigenen Rechten unmittelbar beeinträchtigt und haben daher, sofern sie nicht ausnahmsweise das Verfahren durch eigenen Antrag selbst hätten anstrengen können, kein Recht darauf, dass das Verfahren durch gerichtliche Entscheidung beendet wird561. Ihre Zustimmung zum Vergleichsschluss ist somit keine Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Verfahrensvergleichs. Unabhängig davon wird es regelmäßig zweckmäßig sein, diese Personen oder Institutionen in die Suche nach einer gütlichen Einigung miteinzubeziehen und am Vergleichsschluss zu beteiligen562.
5. Anregende und sonstige Dritte Nichtbeteiligte haben keinen Anspruch auf eine gerichtliche Entscheidung und müssen daher nicht an einem Vergleichsschluss mitwirken. Dies gilt ins556 BGH, Beschl. v. 15. 02. 2012 −XII ZB 133/11 = FamRZ 2012, S. 960, (960, Rdnr. 9); Bahrenfuss/Bahrenfuss, § 7, Rdnr. 12; MünchKommFamFG/Pabst, § 7, Rdnrn. 19, 22. 557 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 179 l. Sp. 558 So auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 179 l. Sp. 559 Siehe soeben unter § 2. D. II. 3., S. 92 f. 560 Siehe Nachweise in Fn. 535. 561 Siehe soeben unter § 2. D. II. 3., S. 92 f. 562 Anders kann es sein, wenn diese Personen versuchen, eine gütliche Einigung zu obstruieren.
E. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis
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besondere für Personen, die ein Verfahren gemäß § 24 Abs. 1 FamFG anregen und nicht als Beteiligter gemäß § 7 Abs. 2, Abs. 3 FamFG hinzugezogen werden und für solche, die anzuhören sind, ohne Beteiligte zu sein563.
E. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis Nachdem der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des Verfahrensvergleichs564 geklärt wurde, kann nun die materielle Regelungsbefugnis der Beteiligten in den Blick genommen werden.
I. Allgemeine Grenzen der Privatautonomie Generell müssen sich die materiellen Vergleichsregelungen der Beteiligten in den zwingenden Grenzen der Privatautonomie halten565, wobei nicht die Regelungsfreiheit der Beteiligten, sondern deren Beschränkungen begründungsbedürftig sind566. Insbesondere die §§ 134, 138 BGB sind diesbezüglich zu beachten. Sofern eine Behörde beteiligt ist, also vor allem in den öffentlichrechtlichen Streitsachen, ist zudem zu berücksichtigen, dass Regelungen unter Umständen den entsprechenden Vorgaben des öffentlichen Rechts, insbesondere den §§ 54–62 (L)VwVfG, genügen müssen. Wegen der Details kann auf entsprechende Darstellungen zum bürgerlichen Recht567 und zum Verwaltungsrecht568 verwiesen werden.
II. Orientierung an der Unterscheidung zwischen Streit- und Fürsorgeverfahren? Wie bereits erwähnt, hält ein Teil der Literatur den Abschluss eines Verfahrensvergleichs in Fürsorgeverfahren für ausgeschlossen569. Die vorliegende Untersuchung hat jedoch ergeben, dass auch in Fürsorgeverfahren eine Be563 Aus der Anhörungspflicht allein folgt gemäß § 7 Abs. 6 FamFG keine Beteiligtenstellung. 564 Der Verfahrensvergleich wird im Rahmen dieser Darstellung als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag verstanden, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 565 Vgl. statt aller nur Munding, Vergleiche, S. 14. 566 Dies folgt daraus, dass die Privatautonomie ein Teil der allgemeinen und speziellen Handlungsfreiheit ist (siehe bereits Fn. 330 m. N.). 567 Vgl. z. B. die Kommentierung zu § 134 BGB von Sack und Seibl im Staudinger (2011) und ebenda die zu § 138 BGB von Sack und Fischinger, jeweils mit umfangreichen weiteren Nachweisen 568 Vgl. speziell zu den Anforderungen des § 55 VwVfG: Bonk/Neumann in Stelkens/ Bonk/Sachs, § 55, Rdnrn. 28 ff., m. w. N. vor Rdnr. 1 569 Siehe bereits oben unter § 2. C. III. 2., S. 53 m. N. in Fn. 323, 324.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
endigungsbefugnis der Beteiligten gegeben sein kann, mithin der Abschluss eines Verfahrensvergleichs grundsätzlich möglich ist570. Eventuell ist der Schrifttumsmeinung aber insofern Recht zu geben, als sie (stillschweigend) annimmt, dass den Beteiligten in Fürsorgeverfahren die materielle Regelungsbefugnis bezüglich des Verfahrensgegenstandes fehlt571. Um dies zu klären, muss zunächst einigen grundsätzlichen Bedenken gegen die Einteilung der FamFG-Verfahren in Fürsorge- und Streitsachen nachgegangen werden, die im Rahmen dieser Darstellung bislang noch nicht näher in den Blick genommen werden mussten. Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob eine Orientierung an diesen Kategorien überhaupt geeignet und sachgerecht ist. Außer Acht bleiben muss dabei die ähnliche, aber im Ergebnis hiervon zu trennende Frage, wie eine Differenzierung der gerichtlichen Tätigkeit in Verfahren des FamFG in Streitentscheidung und Rechtsfürsorge vor dem Hintergrund der Art. 92, 19 Abs. 4 GG vorzunehmen ist. Bei dieser Problematik sind verfassungsrechtliche Wertungen maßgeblich572, denen im Rahmen dieser Darstellung im Einzelnen nicht näher nachgegangen werden kann.
1. Generelle Problematik dieser Abgrenzung unter Geltung des FamFG a) Regelungsdichte des FamFG
Maßgeblicher Grund für die Entwicklung und Beibehaltung der Abgrenzung zwischen Fürsorge- und Streitverfahren über die gesamte Geltungsdauer des FGG war dessen Lückenhaftigkeit573. Das FGG wurde gleichzeitig mit dem BGB am 1. Januar 1900 in Kraft gesetzt. Die neu geschaffenen Verfahrensvorschriften sollten die einheitliche Anwendung des gleichzeitig kodifizierten Bürgerlichen Rechts und des kurz zuvor überarbeiteten Handelsrechts574 sowie einiger anderer Reichsgesetze gewährleisten575. Als abschließende Kodifikation des Verfahrensrechts für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit war das 570
Siehe oben unter § 2. C. IV. 4. a), S. 76. wird die Unterscheidung zwischen Fürsorge- und Streitsachen zur Bestimmung materieller Dispositionsbefugnis etwa von Thubauville, Wirkungen, S. 17 ff. herangezogen. 572 Vgl. hierzu z. B. Lettau, Beschwerde, S. 29 ff. und aktuell Smid, Zivilgerichtliche Verfahren, S. 61 ff. für Freiheitsentziehungssachen gemäß §§ 415 ff. FamFG. 573 Näheres und Nachweise sogleich. 574 Das ADHGB wurde als HGB an das BGB angepasst. Näheres hierzu m. N. z. B. bei K. Schmidt, Unternehmensrecht Band I, § 2 II 3, Rdnr. 7. 575 Vgl. die Einleitung der Denkschrift zum Entwurf des FGG, S. 31 (in: Hahn/Mugdan, Band VII, S. 37). Ausführlich zur Entwicklungsgeschichte auch bereits Weißler, FGG, Einl. II, S. 6 ff. und aktuell die Untersuchung von Schmitt (Die Herausbildung der freiwilligen Gerichtsbarkeit, S. 187 ff. m. w .N.). 571 Ausdrücklich
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FGG von Anfang an nicht angelegt576, vor allem um den Landesgesetzgebern nicht die Möglichkeit zu nehmen, eigene Vorschriften im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu erlassen577. Aus heutiger Sicht zentrale Fragen des Verfahrensrechts blieben durch dieses Rahmengesetz ungeregelt578. Während es nach dem Erlass des FGG zunächst ausdrücklich begrüßt wurde, dass das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit „unbeschränkt von schablonenhaften Vorschriften“ verfahren könne579, wurde die Lückenhaftigkeit des FGG im Laufe seiner Geltungsdauer immer stärker als Problem wahrgenommen. Dafür gab es im Wesentlichen zwei Ursachen. Zum einen wurden im Laufe des vergangen Jahrhunderts stetig neue Verfahren dem FGG zugewiesen580. Meist handelte es sich um Verfahren, die eher Gemeinsamkeiten mit dem Zivil- oder dem Verwaltungsprozess als mit den klassischen FG-Verfahren aufwiesen und daher als Streitsachen charakterisiert wurden581. Obgleich manche Streitsachen von Anfang an zu den Materien des FGG gehörten582, war das FGG nicht auf diese Verfahren ausgerichtet583. Deshalb machten sich vor allem in diesen Angelegenheiten dessen Defizite bemerkbar584. Es veränderten sich zum anderen aber auch die rechtstaatlichen Anforderungen an Gerichtsverfahren unter der 576 Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 5; Jansen/v. Schuckmann, Einl. FGG, Rdnr. 5. Vgl. auch den Bericht der Kommission zur Reform der freiwilligen Gerichtbarkeit aus dem Jahr 1977, S. 89. 577 Vgl. etwa die Äußerung des Referenten Struckmann (in: Bemerkungen zu dem Entwurfe eines Gesetzes für das Deutsche Reich, betreffend Angelegenheiten der nichtstreitigen Rechtspflege, S. 1, abgedruckt in: Schubert, Familienrecht III, S. 799), auf die auch Schmitt (Die Herausbildung der freiwilligen Gerichtsbarkeit, S. 228 ff.) hinweist, und den Kommissionsbericht 1977 (Fn. 576, a. a. O.), S. 89. 578 Dies betraf z. B. den Beteiligtenbegriff und die Beteiligtenfähigkeit (jetzt §§ 7 f. FamFG), die materielle Verfahrensleitung (jetzt § 28 FamFG) und die Ausschließung oder Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit (jetzt § 6 FamFG). Auch die Entscheidungsform wurde nicht allgemein normiert (dazu bereits oben Fn. 37 m. N.). Bereits kurz nach in Kraft treten des FGG hat Schneider (ZZP 29 [1901], S. 96 [117 ff., 140 ff.]) einige von dessen Regelungslücken aufgezeigt. 579 Josef, CblFG 4 (1904), S. 600 (601); vgl. aber auch die frühe Kritik an der Lückenhaftigkeit des FGG von Schneider, ZZP 29 (1901), S. 96 (105, 117 ff., 140, 147 ff., 157). 580 Ausführlich hierzu Bärmann, AcP 154 (1955), S. 373 (385 ff.). Für diese Zuweisung gab es unterschiedliche Ursachen (vgl. zu den Gründen für die Verweisung einzelner Streitsachen in das FGG auch die Untersuchung von Thubauville, Wirkungen, S. 190 ff.) Meist ging es dem Gesetzgeber darum, dem Gericht die im Vergleich zum Zivilprozess freiere Verfahrensgestaltung nach dem FGG zu ermöglichen (Bärmann, a. a. O., S. 386), Zudem traf der autoritärere Charakter des Verfahrens vor allem vor 1945 auf den Zuspruch des Zeitgeists (Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 56 f. m. w. N.). 581 Bärmann, AcP 154 (1955), S. 373 (388). 582 So z. B. das Verfahren zur abweichenden Regelung eines Pfandverkaufs gemäß § 1246 Abs. 2 BGB, § 166 FGG (vgl. hierzu und zu weiteren Beispielen von Streitsachen bereits Schneider in ZZP 29 [1901], S. 96 [110 f.]). 583 Statt vieler nur Bärmann (Fn. 581, a. a. O.). 584 Statt vieler nur Josef, Seuff. Bl. 75 (1910), S. 667 (668).
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Geltung des Grundgesetzes585. Demgegenüber war das FGG von Anfang an auf die Ausübung hoheitlicher Verwaltungstätigkeit ausgelegt; zugleich waren seine (ausdrücklichen) rechtsstaatlichen Garantien gering ausgestaltet586. Trotz der bestehenden Regelungslücken blieb der Allgemeine Teil des FGG weitgehend unverändert587, obwohl über Jahrzehnte Reformdiskussionen geführt wurden588. Dies hatte zur Folge, dass die Problematik, ob und inwieweit eine Lückenschließung durch die analoge Anwendung von Vorschriften anderer Verfahrensordnung vorgenommen werden konnte, eine zentrale Bedeutung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erlangte. Das Reichsgericht und eine überwiegende Auffassung in der Literatur ließen solche Analogien zunächst nur in sehr geringem Maße zu589. In der Nachkriegszeit hat sich der BGH dem im Grundsatz angeschlossen und betont, dass ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung eine analoge Anwendung der Zivilprozessordnung nur in besonderen Fällen gestattet sei, namentlich wenn es sich bei der betreffenden Vorschrift um einen allgemeinen Rechtsgedanken handele, der in der ZPO seinen Niederschlag gefunden habe, oder wenn ein Streitverfahren vorliege590. Die für Streitsachen angenommene Ausnahme dürfte nicht zuletzt der Tatsache geschuldet sein, dass sich, wie soeben ausgeführt, gerade in diesen Verfahren die Unvollständigkeit des FGG zeigte591. Jedenfalls wurde die Differenzierung der FGGSachen in die Kategorien Fürsorge- und Streitverfahren in der Folge zu einem maßgeblichen Rechtfertigungsgrund für die Befürwortung oder Ablehnung einer analogen Anwendung von Vorschriften und Grundsätzen anderer Verfahrensordnungen592. Während in privaten Streitsachen Analogien zur 585
Vgl. nur die Beispiele bei Keidel/Schmidt (15. Aufl.), Einl. FGG, Rdnr. 9. Kommissionsbericht 1977 (Fn. 576, a. a. O.), S. 90 f. 587 Keidel/Schmidt (15. Aufl.), Einl. FGG, Rdnr. 8 f.; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 1 IV. 588 Vgl. hierzu z. B. die Übersicht bei Jansen/v. Schuckmann, Einl. FGG, Rdnrn. 38 ff. 589 Siehe vor allem Beschl. v. 18. 02. 1928 – V B 1/28 = RGZ 120, S. 274 (276); zuvor bereits Urt. v. 29. 10. 1903 = Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Jg. 48 (1904), S. 108 (110, zu § 295 ZPO a. F.); ebenso KG, Beschl. v. 06. 06. 1900 = KGJ 21 (1901), A 6; sehr restriktiv auch der BGH im Beschl. vom 29. 04. 1952 – V BLw 65/51 = NJW 1952, S. 1055 (1055), nach dem Vorschriften der ZPO nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung gelten sollen; etwas offener dann aber die sogleich in Fn. 590 genannten Entscheidungen. Aus der Literatur vgl. z. B. Busch, Festgabe Koch, S. 179 (189); Unger, ZZP 34 (1905), S. 233 (272 ff.). 590 Vgl. BGH, Beschl. v. 17. 06. 1952 – V BLw 5/52 = BGHZ 6, S. 248 (257); Beschl. v. 07. 07. 1954 – V BLw 5/54 = BGHZ 14, S. 179 (183 f.); Beschl. v. 11. 07. 1958 – V ZB 13/58 = BGHZ 28, S. 117 (119). 591 Vgl. aber auch Habscheid (JZ 1954,S. 689 [691]; ders., Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 7, III 1, S. 40), der betont, dass die Rechtfertigung einer analogen Anwendung der Zivilprozessordnung in Streitverfahren letztlich im gleichen Wesensgehalt beider Verfahrensarten liege und damit für jene eine Begründung liefert, die sich so ausdrücklich in den in Fn. 590 genannten Entscheidungen nicht findet. 592 Nachweise sogleich in Fn. 593, 594 und 595. Ausdrücklich von Rechtfertigung spricht bereits Habscheid (JZ 1954, a. a. O., vgl. soeben in Fn. 591). 586
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ZPO593 und in öffentlich-rechtlichen Streitverfahren solche zur VwGO594 eher bejaht worden sind, wurden sie in Fürsorgeverfahren regelmäßig abgelehnt595. Darüber hinaus ist die Differenzierung in Streit- und Fürsorgeverfahren auch für die Auslegung einzelner Bestimmungen des FGG fruchtbar gemacht worden596. So sollte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nach § 12 FGG a. F. (jetzt § 26 FamFG) in Streitverfahren enger zu interpretieren sein als in Fürsorgeverfahren, da sie im erstgenannten Fall durch eine Darlegungslast der Beteiligten begrenzt sei597. Das FamFG hat zahlreiche der früheren Regelungslücken geschlossen und eigenständige, differenzierende Regelungen getroffen598. Deshalb hat die analoge Anwendung von Normen anderer Verfahrensordnungen an Bedeutung verloren. Dennoch sind einige Fragen ungeregelt geblieben. So fehlen etwa Bestimmungen zur materiellen Rechtskraft599. Daher ist, wenn man denn die Unterscheidung zwischen Streit- und Fürsorgeverfahren als sinnvolles Kriterium für die Begründung einer analogen Anwendung von Vorschriften aus den anderen Prozessordnungen erachtet, das praktische Bedürfnis für dieselbe entgegen der Auffassung von Bumiller600 und Knöringer601 nicht gänzlich ent593 Vgl. z. B. BGH, Beschl. v. 17. 06. 1952 – V BLw 5/52 = BGHZ 6, S. 248 (257, entsprechende Anwendbarkeit der §§ 1025 ff. ZPO); OLG Frankfurt, Beschl. v. 10. 09. 1979 – 20 W 381/79 = OLGZ 1980, S. 76 (76 f., Eintritt von materieller Rechtskraft und entsprechende Anwendbarkeit des § 139 ZPO); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22. 08. 1979 – 3 W 202/79 = NJW 1980, S. 349 (349, analoge Anwendbarkeit des § 269 ZPO). Aus der Literatur statt vieler z. B. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit (3. Aufl.), S. 52 f., 56; Keidel/Meyer-Holz (15. Aufl.), Vorb. §§ 8–18 FGG, Rdnrn. 3 f. und Keidel/Schmidt (15. Aufl.), § 12, Rdnrn. 230 ff.; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 7 III 1, S. 39 f., jeweils m. w. Beispielen aus der Rechtsprechung. 594 Die Möglichkeit einer analogen Anwendung von Vorschriften der VwGO wurde zuerst wohl von H. Zimmermann (in: Rpfleger 1962, S. 42 [46 f.]) diskutiert. Beispiele finden sich auch bei Keidel/Schmidt (15. Aufl.), § 8, Rdnrn. 234 ff. und Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 8 III, S. 49. Aus der Rechtsprechung siehe z. B. BayObLG, Beschl. v. 07. 06. 1967 – BReg. 2 Z 81/65 = BayObLGZ 1967, S. 218 (228 f., zum Eintritt von materieller Rechtskraft). Siehe zur Anwendung verwaltungsprozessualer Grundsätze in landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren auch BGH, Beschl. v. 13. 05. 1982 – V BLw 22/80 = BGHZ 84, S. 70 (75). 595 Vgl. z. B. BGH, Beschl. v. 11. 07. 1958 – V ZB 13/58 = BGHZ 28, S. 117 (119, keine analoge Anwendung der §§ 91a, 515, 566 ZPO im Erbscheinsverfahren); BayObLG, Beschl. v. 19. 10. 2000 – 1Z BR 116/99 = FamRZ 2001, S. 873 (874, keine analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO); OLG Hamm, Beschl. v. 21. 07. 1970 – 15 W 122/70 = OLGZ 1971, S. 87 (88, kein Verbot der reformatio in peius im Todeserklärungsverfahren). 596 Siehe z. B.: Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit (3. Aufl.), S. 52. 597 OLG Köln, Beschl. v. 19. 06. 1979 – 21 UF 227/78 = FamRZ 1979 S. 935 (937 f., m. w. N.); Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit (3. Aufl.), S. 52. 598 Siehe statt aller nur MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 4 mit Beispielen und weiteren Nachweisen. 599 Vgl. nur Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 59. 600 In: Bumiller/Harders, § 1, Rdnr. 13 und § 112, Rdnr. 5. 601 In: Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 3.
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fallen602. Rechtsprechung603 und Literatur604 stützen sich zur Begründung oder Ablehnung einer analogen Anwendung zivilprozessualer Vorschriften denn auch weiterhin auf die Unterscheidung zwischen Streit- und Fürsorgeverfahren. Auch wird sie nach wie vor zur Auslegung einzelner FamFG-Vorschriften herangezogen605. Festzuhalten ist aber, dass die Differenzierung der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Streit- und Fürsorgeverfahren ihre zentrale Bedeutung verloren hat. Die Regelungsdichte des FamFG könnte nur dann als Argument gegen die Differenzierung der FamFG-Verfahren in Fürsorge- und Streitsachen durchgreifen, wenn sich im FamFG ein abschließender Regelungswille des Reformgesetzgebers niedergeschlagen haben sollte. Dann wären die verbliebenen Regelungslücken nicht mehr planwidrig, mithin wäre künftigen Analogien der Boden entzogen und daher die Differenzierung der FamFG-Verfahren in Streit- und Fürsorgeverfahren überflüssig. Ein solcher Regelungswille lässt sich aber den Gesetzesmaterialien zum FGG-Reformgesetz nicht entnehmen. Anscheinend hat der Reformgesetzgeber nicht bei allen vor der FG-Reform durch Analogien geschlossenen Regelungslücken eine ausdrückliche Regelung für erforderlich gehalten. Möglicherweise hat er manche der von Rechtsprechung und Literatur nur in geringem Maße thematisierten Regelungslücken auch gar nicht gesehen. Dass der Gesetzgeber die Unterscheidung in Streit- und Fürsorgesachen nach wie vor für sinnvoll hielt, lässt sich daran ersehen, dass er einen offenbar ursprünglich bestehenden Plan, nach dem die Streitsachen soweit wie möglich aus dem Anwendungsbereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit herausgenommen und der ZPO oder der VwGO zugewiesen werden sollten606, trotz publizistischer Befürwortung durch Bork607 im Jahre 2004 nicht weiter verfolgt hat608. Lediglich für das WEG-Verfahren609 und einen Teil der öffentlich-recht602 Insofern konsequent: Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 59 f.; MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 4; Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 30. 603 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 06. 03. 2012 – 3 W 26/12 = FGPrax 2012, S. 230 (230, keine analoge Anwendung des § 251 ZPO im Fürsorgeverfahren); KG, Beschl. v. 09. 02. 2012 – 19 UF 125/11 = FamRZ 2012, S. 1323 (1324, Orientierung der Kostenentscheidung an zivilprozessualen Grundsätzen). 604 Vgl. z. B. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 59 f.; Keidel/Sternal, § 1, Rdnrn. 36 ff.; MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 4 f.; Haußleiter/Gomille, § 1, Rdnrn. 14 f. 605 Vgl. z. B: OLG Frankfurt, Beschl. v. 27. 12. 2011 – 20 W 81/11 = FGPrax 2012, S. 89 (90); Keidel/Sternal, § 26, Rdnr. 17 (beide zur Einschränkung der Amtsermittlungspflicht in Streitsachen). 606 Auf dieses Reformziel hat Bork (ZZP 117 [2004], S. 400) hingewiesen, wobei diese Aussage nicht verifiziert werden kann, da Materialien aus diesem frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens nicht zugänglich sind. 607 In: ZZP 117 (2004), S. 404 f. 608 Jacoby, FamRZ 2007, S. 1703 (1703 f.); derselbe in Bork/Jacoby/Schwab, § 1, Rdnr. 8. 609 Jacoby, FamRZ 2007 S. 1703 (1704) und in Bork/Jacoby/Schwab (Fn. 608, a. a. O). Die §§ 43 ff. WEG wurden durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentums-
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lichen Streitsachen610 ist dieses Vorhaben umgesetzt worden. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber eine Verfahrensordnung schaffen, „[…] die in nichtstreitig verlaufenden Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine einfache und rasche Erledigung erlaubt, für streitig verlaufende Angelegenheiten aber die Beachtung rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien sicherstellt“611. b) Tauglichkeit der Abgrenzungskriterien
Auch wenn unter Geltung des FamFG nach wie vor eine Differenzierung zwischen Streit- und Fürsorgesachen möglich ist, erscheint zweifelhaft, ob sie noch als Analogierechtfertigung oder Auslegungshilfe tauglich ist. Eine Heranziehung dieser Unterscheidung setzt zunächst voraus, dass sich die einzelnen FamFG-Verfahren sicher einer der beiden Kategorien zuordnen lassen612. Andernfalls besteht die Gefahr, dass eine fehlerhafte Zuordnung zu einem falschen Ergebnis führt. Da es, anders als bei den in § 112 FamFG enumerativ aufgeführten Familienstreitsachen, an einer gesetzlichen Regelung fehlt, kommt die Zuordnung Rechtsprechung und Wissenschaft zu. Diesen ist es aber, soweit ersichtlich, bisher nicht gelungen, die Begriffe Streit- und Fürsorgeverfahren in einer Weise zu bestimmen, die eine zweifelsfreie Subsumtion ermöglichen würde613. Die Abgrenzung beruht denn auch, wie bereits erwähnt, auf einer Umschreibung der Rolle des Gerichts und des Verfahrenscharakters614. Daher ist zu klären, ob die diesbezüglich entwickelten Kriterien eine eindeutige Differenzierung ermöglichen. aa) Materiell rechtskräftige Entscheidung über subjektive Rechte als Kennzeichen der Streitverfahren
Streitverfahren sollen nach überwiegender Auffassung vor allem dadurch gekennzeichnet sein, dass das Gericht, anders als in Fürsorgesachen, materiell rechtskräftig über eine begehrte Durchsetzung von subjektiven Rechten gesetzes und anderer Gesetze v. 26. 03. 2007 (BGBl. I, S. 370) mit Wirkung zum 01. 07. 2007 entsprechend abgeändert. 610 Im Zuge der FG-Reform wurden die Streitigkeiten nach der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Patentanwaltsordnung durch Gesetz v. 30. 07. 2009 (BGBl. I, S. 2449) der VwGO unterstellt (vgl. hierzu die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BTDrs. 16/6308, S. 163 r. Sp u. Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 42, Fn. 134). Es sind jedoch öffentlich-rechtliche Streitsachen im Anwendungsbereich des FamFG verblieben (a. A. offenbar Holzer in Holzer, § 1, Rdnr. 3), z. B. die Verfahren gemäß § 1 Nr. 1 und Nr. 2 des LwVG (vgl. z. B. Keidel/Sternal, a. a. O. Rdnr. 42). 611 Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 163 r. Sp. Dazu auch unten unter § 2. E. II. 1. c), S. 113. 612 Ähnlich bereits zum FGG Schäfer, Abänderbarkeit, S. 51 ff. 613 Vgl. z. B. Schäfer, Abänderbarkeit, S. 51 ff. mit Darstellung der Diskussion unter Geltung des FGG. 614 Siehe bereits oben unter § 1. D. II., S. 12 ff.
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zwischen den Verfahrensbeteiligten entscheide615. Dieses vor allem von Habscheid 616 geprägte Abgrenzungskriterium erscheint auf den ersten Blick eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen. Eine nähere Betrachtung weckt aber Zweifel. Zu beachten ist, dass auch Fürsorgeverfahren der Durchsetzung subjektiv öffentlicher Rechte der Beteiligten dienen können617. Soweit zum FGG vertreten wurde, dass ein Antragsteller in Fürsorgeverfahren nur die Erfüllung einer staatlichen Handlungspflicht anrege618, widerspricht dies dem modernen Verständnis der Beziehungen zwischen Staat und Bürger619. Es ist im Verwaltungsrecht mittlerweile allgemein anerkannt, dass staatliche Pflichten mit subjektiven Rechten des Betroffen korrespondieren können620. Die Tatsache, dass in Fürsorgeverfahren ein Gericht statt einer Verwaltungsbehörde zur Wahrnehmung solcher Pflichten berufen ist, rechtfertigt es nicht, die Rechtstellung des Bürgers diesbezüglich anders zu beurteilen621. Vielmehr verdient die Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht auch in FamFG-Verfahren Beachtung622. So hat etwa im Fall des § 1666 BGB das der Fürsorge bedürftige Kind ein subjektives Recht darauf, dass das Gericht bei Kindeswohlgefährdung Maßnahmen zu seinem Schutz ergreift oder zumindest sein Ermessen fehlerfrei ausübt623. 615
Vgl. bereits oben die in Fn. 74 Genannten. in ZZP 66 (1953), S. 188 (192 ff.); ebenso in JZ 1954, S. 689 (689 ff.) und Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 7 I 2, S. 37 f. Vgl. auch Schäfer, Abänderbarkeit, S. 52. 617 Schäfer, Abänderbarkeit, S. 53 f.; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 44 f.; Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 303; MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 38 (in Antragsverfahren). Für das Verfahren gemäß § 1666 a. F. BGB auch Hinz, Kindesschutz, S. 42 f. 618 So bereits Hellwig, System 1, S. 58 f. Aus der Nachkriegszeit siehe z. B. Lent, ZZP 66 (1953), S. 267 (271); Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 28 II 3, S. 205 f.; ähnlich Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 4 I 2 c und II 2 b; weitere N. finden sich bei Schäfer, Abänderbarkeit, S. 53, Fn. 50. 619 Ausführlich Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 300 ff.; Schäfer, Abänderbarkeit, S. 53 f. 620 Hierauf wurde für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuerst wohl von Kissel (in: Rechtschutz, S. 22 f.) hingewiesen. Vgl. auch Hinz, Kindesschutz, S. 42; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 44 f.; Schäfer, Abänderbarkeit, S. 53; Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 302 f. 621 Schäfer, Abänderbarkeit, S. 54. Im Ergebnis auch Brehm, Kollhosser (Fn. 620, jeweils a. a. O.) und Hinz, Kindesschutz, S. 43 (für das Verfahren gemäß § 1666 a. F. BGB). 622 Siehe die in Fn. 620 Genannten. Voraussetzung für eine subjektives Recht ist allerdings, dass die staatliche Pflicht auch den Interessen des Begünstigten Rechnung tragen soll (Kissel, Rechtsschutz, S. 23; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 44 f.), was in den als Fürsorgesachen bezeichneten Verfahren aber regelmäßig der Fall ist (Kissel, a. a. O. u. auf S. 11 ff.; Schäfer, Abänderbarkeit, S. 53 f.; wohl auch Kollhosser, Erkenntnisverfahren, S. 302 f.). 623 Hinz, Kindesschutz, S. 42 ff.; wohl auch Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 44 f. Die a. A. (vgl. z. B. Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 4 III 1, S. 23 f.) verkennt, dass die Versagung eines subjektiven Rechts des Kindes aus § 1666 BGB in der Konsequenz dem Zweck des § 1666 BGB zuwiderliefe. Mit § 1666 BGB wird auf einfachgesetzlicher Ebene dem aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden staatlichem Wächteramt Rechnung getragen, nach welchem bei Gefährdung der Grundrechte eines Kindes nicht nur ein Eingriffsrecht, sondern 616 Erstmals
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Unter anderem aus dem status negativus624 der Freiheitsgrundrechte ergibt sich zudem, dass ein von gerichtlicher Fürsorge Betroffener gegen rechtswidrig in seine Grundrechte eingreifende Maßnahmen einen Abwehranspruch hat625. Ein Gericht, das eine Unterbringung anordnet oder genehmigt, entscheidet daher zugleich, wenn auch regelmäßig nur konkludent, dass ein Abwehranspruch gegen diese Unterbringung nicht besteht. Überdies erfüllt das Gericht in Fürsorgeverfahren, zumindest sofern es auf Antrag hin tätig wird626, den auch in FamFGVerfahren bestehenden627 Anspruch der Beteiligten auf Justizgewährung628. Den soeben ausgeführten Überlegungen könnte möglicherweise entgegengehalten werden, dass es sich bei den angesprochenen Rechten nicht um Ansprüche zwischen den Beteiligten, sondern um solche zwischen dem Staat und dem in seinen Rechten betroffenen Beteiligten handelt629. Indes erscheint die These, dass es in den als Fürsorgeverfahren klassifizierten Angelegenheiten im auch eine Eingriffspflicht des Staates besteht (vgl. nur Staudinger/Coester [2009], § 1666 BGB, Rdnr. 3 m. w. N. und BVerfG, Beschl. v. 29. 07. 1968 – 1 BvL 20/63, 31/66 und 5/67 = NJW 1968, S. 2233 [2235]). Diese Eingriffspflicht muss bei Untätigkeit des Gerichts durch das Kind im Ergebnis auch durchgesetzt werden können (zum Problem der Untätigkeit der Gerichte in reinen Amtsverfahren näher unten unter § 3. A. II., S. 145 f.). Das ist aber nur möglich ist, wenn man anerkennt, dass es ein subjektives Recht auf Eingriff oder zumindest fehlerfreie Ermessensausübung hat (ausführlich zum Ganzen: Hinz, Kindesschutz, S. 42 ff.). Die Anerkennung eines subjektiven Rechts führt auch nicht dazu, dass ein Eingreifen des Gerichts davon abhängt, dass das Kind seine Rechte geltend macht (so aber Habscheid, a. a. O.). Insofern ist zu beachten, dass die Wahrnehmung von Rechten und dessen Inhaberschaft nicht kongruent sein müssen. § 1666 BGB ermächtigt das Gericht, die Rechte des Kindes wahrzunehmen und von Amts wegen das Verfahren einzuleiten und fortzuführen. Ein entgegenstehender Wille des Kindes hindert das Gericht nicht an der Wahrnehmung der Rechte des Kindes, zumal das Kind nicht auf sein subjektives Recht aus § 1666 BGB verzichten kann. 624 Grundlegend hierzu Jellinek, System, S. 81 ff., 95 ff., 105. 625 Anerkannt sind Abwehransprüche gegen rechtswidriges, belastendes Verwaltungshandeln, vgl. etwa Laubinger, VerwArch 80 (1989), S. 261 ff. (insb. S. 289 ff. zur dogmatischen Herleitung). In Fürsorgeverfahren handelt zwar ein Gericht. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass ein Anspruch auf Abwehr rechtswidrig ausgeübter staatlicher Gewalt nicht besteht, andernfalls könnte der Grundrechtsschutz durch die Übertragung staatlicher Eingriffsbefugnisse auf die fürsorgende Gerichtsbarkeit eingeschränkt werden. Davon zu trennen ist die Frage, inwieweit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG dazu zwingt, Rechtsschutz gegen gerichtliche Akte in Fürsorgeverfahren zu gewähren, vgl. hierzu Lettau, Beschwerde, S. 29 ff. 626 Ob es in reinen Amtsverfahren einen Justizgewährungsanspruch geben kann und ob dieser eine über ein gegebenenfalls bestehendes, subjektiv öffentliche Recht auf gerichtliches Tätigwerden (dazu soeben) hinausgehende Bedeutung hat, erscheint nicht vollständig geklärt. Ulrici (MünchKommFamFG, § 48, Rdnr. 38) geht offenbar von einer Beschränkung des Justizgewährungsanspruchs auf Antragsverfahren aus. Kollhosser (Erkenntnisverfahren, S. 303 f.) nimmt an, dass der Justizgewährungsanspruch zum subjektiv öffentlichen Recht hinzutritt. Dieser Frage braucht für diese Untersuchung letztlich nicht näher nachgegangen werden. 627 Siehe bereits die Nachweise in Fn. 504. 628 MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 38; Kollhosser (Fn. 626, a. a. O.). 629 So z. B. Schäfer, Abänderbarkeit, S. 55; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 44; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 28 II 3, S. 205 f.
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Gegensatz zu den Streitverfahren nicht um die Durchsetzung subjektiver Rechte zwischen den Beteiligten gehe, bei näherer Betrachtung sehr zweifelhaft630. Zutreffend ist, dass reine Leistungsanträge, also solche bei denen der Erlass einer reinen Leistungsentscheidung, das heißt eines vollstreckbaren Leistungsbefehls631, begehrt wird, innerhalb der zu den Führsorgesachen gezählten Angelegenheiten, soweit ersichtlich, kaum zu finden sind632. Stellt man hierauf ab, wäre daher eine (weitgehend633) eindeutige Differenzierung zwischen Streitund Fürsorgeverfahren möglich. An das Vorliegen eines reinen Leistungsantrags knüpft die Abgrenzung aber nicht an, wohl auch, weil eine Beschränkung der Streitverfahren auf reine Leistungsanträge ein Großteil der FamFG-Verfahren zu Fürsorgesachen qualifizieren würde, da reine Leistungsanträge außerhalb der Familienstreitsachen eher selten vorkommen. Beide Verfahrenskategorien beinhalten hingegen zahlreiche auf richterliche Gestaltung privater Rechtsverhältnisse gerichtete Angelegenheiten634. Die Abgrenzung zwischen Streit- und Fürsorgesachen müsste in diesen Angelegenheiten nach dem oben beschriebenen Ansatz davon abhängen, welcher Art das geltend gemachte Gestaltungsrecht ist635. Ein Streitverfahren würde dement630 Ausführlich
hierzu Schäfer, Abänderbarkeit, S. 55 ff. nur Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 181. Davon zu trennen ist die Frage, ob gestaltenden Entscheidungen die Geltendmachung eines „Leistungsanspruchs“, das heißt eines Anspruch auf Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung, zugrunde liegt (vgl. Schäfer, Abänderbarkeit, S. 55 und sogleich auf S. 104 ff.). 632 Eine Ausnahme könnte insofern im Verfahren zur Herausgabe eines Kindes gemäß §§ 1632 Abs. 1, Abs. 3 BGB, 151 Nr. 3 FamFG erblickt werden: Dieses ist auf den Erlass einer Leistungsentscheidung gerichtet (Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 181). Angesichts dessen, dass hierbei, vergleichbar mit anderen Kindschaftssachen, der Schutz des Kindeswohls im Vordergrund steht und auch die §§ 1666 f. BGB zu beachten sind (MünchKommBGB/ Huber [Band 8], § 1632, Rdnrn. 13 und 28 ff.) kann das Verfahren als Fürsorgeangelegenheit angesehen werden. Diesbezüglich lassen sich aber, soweit ersichtlich, Rechtsprechung und Literatur keine klaren Aussagen entnehmen. Soweit der BGH das Verfahren früher vereinzelt als Streitsache angesehen hat (siehe etwa Urt. v. 30. 11. 1955 – IV ZR 296/55 = NJW 1956, S. 260 [261]; Urt. v. 22. 05. 1963 – IV ZR 224/62 = NJW 1963, S. 2219 [2219]) muss berücksichtigt werden, dass diese Entscheidungen Fragen der Verfahrenszuständigkeit betrafen, die sich nach der aktuellen Fassung des § 1632 BGB nicht mehr stellen, und zudem nicht erkennen lassen, warum eine Zuordnung des Verfahrens zur Kategorie der Streitverfahren erfolgte. Wahrscheinlich beruhte diese auf der damaligen Fassung des § 1632 BGB vor dessen Änderung durch das Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge v. 19. 06. 1979 (BGBl I, S. 1061). Entsprechend der früheren Rechtslage war bei der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs gegen Dritte das Prozessgericht zuständig, weshalb eine damals h. M. es dem Dritte verwehrte, Belange des Kindeswohls gegen den Herausgabeanspruch einzuwenden (siehe nur Kropholler, NJW 1971, S. 1721 [1722, Fn. 12, m. w. N.] und vgl. auch MünchKommBGB/Huber a. a. O., Rdnr. 13). Dies ist überholt. 633 Siehe Fn. 632. 634 Vgl. z. B. die Übersicht bei Habscheid, § 7 I 1, S. 37 (zu privatrechtlichen Streitsachen) und allgemein zur Abgrenzung von Streit- und Fürsorgesachen bei auf Rechtsgestaltung gerichteten Verfahren: Schäfer, Abänderbarkeit, S. 58 ff. 635 So die Erwägung von Schäfer (Abänderbarkeit, S. 58). 631 Vgl.
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sprechend vorliegen, wenn ein Beteiligter ein privatrechtliches Gestaltungsrecht gegen andere Beteiligte geltend macht636. Geht es hingegen um ein gegen den Staat gerichtetes Gestaltungsrecht, hat also das Gericht den infrage stehenden Gestaltungsakt aufgrund eines subjektiven, öffentlichen Rechts637 des Betroffenen vorzunehmen, wäre eine Fürsorgesache gegeben638. Indes wird von einem Teil der Literatur zur streitigen Gerichtsbarkeit mit guten Gründen vertreten, dass allen Gestaltungsklagen die Geltendmachung eines öffentlichrechtlichen Anspruchs auf Vornahme einer Gestaltung zugrunde liegt639. Überträgt man dies auf die auf Rechtsgestaltung gerichteten Verfahren des FamFG, bleibt für die soeben genannte Abgrenzung kein Raum640. Aber auch wenn man der für den Bereich der streitigen Gerichtsbarkeit wohl herrschenden Ansicht folgt und annimmt, dass es in solchen Verfahren nur um die Durchsetzung eines privaten Gestaltungsrechts geht641, trägt die oben vorgeschlagene Differenzierung der Wirklichkeit nicht hinreichend Rechnung. Ein Fürsorgeverfahren könnte bei konsequenter Verfolgung dieses Ansatzes nämlich nur dann gegeben sein, wenn ausschließlich ein Anspruch gegen das Gericht auf Vornahme eines Gestaltungsakts verfolgt wird. Dieses Merkmal erfüllen aber nur manche der als Fürsorgesachen klassifizierten Verfahren642. In vielen der „klassischen“ Fürsorgeverfahren kann hingegen nicht geleugnet werden, dass der betroffene Beteiligte neben einem subjektiven öffentlichen Recht ebenso ein Recht gegen andere Beteiligte geltend macht643. So dient das Verfahren des § 1666 BGB auch der Durchsetzung des subjektiven Anspruchs des Kindes gegen seine Eltern auf kindeswohlgerechte, pflichtgemäße Ausübung der elterlichen Sorge644. 636
Schäfer, Abänderbarkeit, S. 58. Siehe hierzu bereits soeben auf S. 102. 638 Schäfer, Abänderbarkeit, S. 58. 639 Siehe vor allem Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 366 ff.; für „echte Gestaltungsklagen“ (dazu sogleich unten auf S. 107) auch Lüke, Jus 1969, S. 301 (305 f.). 640 Hierauf weist zu Recht Schäfer (Abänderbarkeit, S. 59) hin. 641 So z. B.: Bötticher, FS Dölle, S. 41 (54 ff.); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91, I 2, Rdnrn. 2 f.; MünchKommZPO/Becker-Eberhard (Band 1), Vor. §§ 253 ff. ZPO, Rdnr. 30; Schilken, Zivilprozessrecht, § 6 III 3 a), Rdnr. 192, m. w. N. 642 Denkbar ist dies in Verfahren mit einem Beteiligten oder in Registersachen, in denen es an materiellen Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten fehlen kann (vgl. Holzer in Holzer, § 36, Rdnr. 3 und bereits oben Fn. 191). 643 Vgl. Schäfer, Abänderbarkeit, S. 60. 644 Vgl. bereits Gernhuber, FamRZ 1962, S. 89 (90); Hinz, Kindesschutz, S. 23 und aktuell z. B.: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 57, IX 1 u. 2, Rdnr. 100 f.; Staudinger/ Coester [2009], § 1666 BGB, Rdnr. 11. Die früher vertretene ablehnende Ansicht (siehe z. B. Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 28 II, S. 205) trägt der Tatsache, dass das Kind seinen Eltern als Rechtssubjekt gegenübersteht, nicht hinreichend Rechnung (Gernhuber und Hinz, jeweils a. a. O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Anspruch des Kindes nach zutreffender h. M. nicht mit den Instrumenten des allgemeinen Zivilrechtsschutzes geltend gemacht werden kann (Staudinger/Coester, a. a. O., m. w. N.). Insofern besagt die Form der Durchsetzung nichts über das Innehaben des subjektiven Rechts (ausführlich Hinz, a. a. O., S. 24 ff.). 637
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Es ist freilich erwogen worden, den Fürsorgecharakter dieser Verfahren dadurch zu begründen, dass das private Rechtsverhältnis durch ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, aufgrund dessen das Gericht zum Schutz des Minderjährigen verpflichtet sei, überlagert werde645. Worin aber diese Überlagerung bestehen soll, bleibt unbestimmt. Staatliche Schutzpflichten werden jedenfalls auch in nicht den Fürsorgeverfahren zugerechneten Angelegenheiten ausgeübt, etwa in den Gewaltschutzverfahren gemäß §§ 210 FamFG, 1, 2 GewSchG, die allgemein zu den Streitsachen gezählt werden646. Eine eindeutige Differenzierung zwischen Streit- und Fürsorgesachen ermöglicht daher auch dieser Ansatz nicht647. Andererseits ist nicht für jedes FamFG-Streitverfahren eindeutig feststellbar, dass es um einen Anspruch zwischen den Beteiligten oder die Ausübung eines privaten Gestaltungsrechts geht648. So ist etwa bei dem zu den Streitsachen gezählten649 Verfahren zur Entscheidung von Meinungsstreitigkeiten zwischen mehreren Testamentsvollstreckern gemäß § 2224 Abs. 1 BGB nicht erkennbar, dass hier subjektive Ansprüche zwischen den Beteiligten durchgesetzt werden sollen. Ebenfalls problematisch sind in dieser Hinsicht die von einer überwiegenden Ansicht zu den Streitverfahren gezählten650 „Regelungsstreitigkeiten“651. Damit sind Verfahren gemeint, in denen dem Richter zur Gestaltung eines privaten Rechtsverhältnisses ein weitgehendes Ermessen eingeräumt ist652. Wichtigstes Beispiel ist das Verfahren zur Verteilung der Haushaltsgegenstände bei Getrenntleben der Ehegatten gemäß §§ 1361a Abs. 2, Abs. 3 BGB, 200 Abs. 2 Nr. 1 FamFG653. In diesem Verfahren macht der Antragsteller, anders als etwa im Fall des § 2047 Abs. 1 BGB, keinen auf eine konkrete Verteilung gerichteten Anspruch gegen seinen Ehegatten geltend654. Allenfalls 645
Schäfer, Abänderbarkeit, S 60 f. Vgl. nur Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 30 a. E. 647 Zu Recht kritisch: Schäfer, Abänderbarkeit, S 61. 648 Baur/Wolf, Grundbegriffe, 1 I 3 b, S. 24; Schäfer, Abänderbarkeit, S. 56 ff. 649 Vgl. nur Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 34. 650 Vgl. z. B. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 56; MünchKommFamFG/Ulrici, § 23, Rdnr. 13; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 4 II 2 a. 651 Grundlegend hierzu Bötticher, FS Lent, S. 89 (89 ff.). Der Begriff „Regelungsstreitigkeiten“ ist dem Arbeitsverfahrensrecht entnommen (vgl. Bötticher, a. a. O., S. 90). Zum Teil wir auch von „unechten Streitsachen“ gesprochen (so z. B. Kissel, Rechtsschutz, S. 17). 652 Bötticher, FS Lent, S. 89 (89 ff.); Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 70 f. 653 MünchKommFamFG/Ulrici, § 23, Rdnr. 13. Ein weiteres Beispiele ist das Verfahren zur Stundung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 1382 BGB (Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 69 f.). 654 So für die Verfahren nach der HausratsVO (siehe Fn. 174) bereits: H. Westermann (wiedergegeben von Schwarz in: AcP 152 [1952/53], S. 445 [446]); Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 70 f.; Baur/Wolf, Grundbegriffe, 1 I 3 b, S. 24; Schäfer, Abänderbarkeit, S. 56 ff.; Bärmann, AcP 154 (1955), S. 373 (416); abweichend aber ders. Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 4 II 2 a und Peters, MDR 1952, S. 137 (139). Dies ist auf das Verfahren gemäß §§ 1361a Abs. 2, Abs. 3 BGB, 200 Abs. 2 Nr. 1 FamFG übertragbar. Anders ist es bei Verfahren zur 646
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lässt sich sagen, dass in Regelungsstreitigkeiten zugleich konkludent auch die Feststellung getroffen wird, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein Recht auf die dann von dem Gericht vollzogene Gestaltung hat655. Dies passt dann aber nicht mehr richtig dazu, dass es nach dem Abgrenzungsmerkmal der herrschenden Ansicht gerade auf eine beabsichtigte Durchsetzung subjektiver Rechte abgestellt wird656. Insofern werden einige Verfahren nicht ganz passend als Streitsachen kategorisiert, die lediglich die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zum Gegenstand haben657. Freilich lässt sich auch für Feststellungsverfahren begründen, dass es um die Geltendmachung subjektiver Rechtspositionen geht658. Es ist aber jedenfalls nicht ersichtlich, warum nicht auch bei der Gestaltung privater Rechtsverhältnisse in Fürsorgeangelegenheiten eine derartige Feststellung gegeben sein soll659. Legt etwa das Gericht den Eltern durch Beschluss eine Maßnahme im Rahmen der Vermögenssorge gemäß § 1667 BGB auf, wird man, schon um gegenseitige Schadensersatzansprüche auszuschließen, annehmen müssen, dass damit zugleich die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme im Eltern-Kind-Verhältnis festgestellt wird660. Zu Recht hat Schäfer zudem darauf hingewiesen, dass es Kriterien bedarf, um die Zuordnung eines auf Gestaltung gerichteten Verfahrensgegenstandes zum privaten oder zum subjektiv-öffentlichem Recht zu begründen661. Zu denken ist diesbezüglich an die im Zivilprozessrecht entwickelte Unterscheidung zwischen Gestaltungsklagen, bei denen die begehrte Gestaltung ausschließlich vom Gericht vorgenommen wird („echte Gestaltungsklagen“), und solchen, bei denen die Gestaltung auch von den Beteiligten durch einverständliches
Übertragung von Haushaltsgegenständen anlässlich der Scheidung gemäß §§ 1568b BGB, 200 Abs. 2 Nr. 2 FamFG, da § 1568b Abs. 1 BGB nunmehr als Anspruchsgrundlage ausgestaltet ist (siehe nur MünchKommBGB/Wellenhofer [Band 7], § 1568b, Rdnr. 3). 655 So z. B. Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 7 I 2, S. 38; Schäfer, Abänderbarkeit, S. 60. Vgl. zu diesem Gedanken auch bereits Lent (Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 18 III, S. 65 f.), der das Vorhandensein eines festzustellenden Rechts in diesem Fall aber ablehnt (dagegen Habscheid, ZZP 66 [1953], S. 188 [192]). 656 Baur/Wolf, Grundbegriffe, 1 I 3 b, S. 24. 657 Hierauf weisen zu Recht Baur und Wolf (Grundbegriffe, 1 I 3 b, S. 24) hin, wobei das angeführte Beispiel des § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG seit der Herausnahme der WEG-Verfahren aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht mehr greift. Ein aktuelles Beispiel ist etwa das Verfahren nach § 11 der Verfahrensordnung für Höfesachen (HöfeVfO), das auf Feststellung gerichtet ist und als Streitsache angesehen wird (Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 35). 658 Vgl. zu diesem Problem statt vieler nur die aktuelle Darstellung von Smid, Zivilgerichtliche Verfahren, S. 15 ff. m. w. N. zu den unterschiedlichen Lösungsansätzen. 659 Zu Recht merkt Schäfer (Abänderbarkeit, S. 60 f.) an, dass sich die oben beschriebene „inter partes“ Feststellung auch bei der Gestaltung von Rechtsverhältnissen zwischen Beteiligten in Fürsorgeverfahren annehmen lässt. 660 Ähnlich ist es z. B. beim Verfahren zur Entlassung eines Vormunds gemäß § 1886 BGB (Schäfer, Abänderbarkeit, S. 60). 661 Abänderbarkeit, S 59.
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Handeln herbeigeführt werden kann („unechte Gestaltungsklagen“)662. Entsprechend dieser Unterscheidung könnte man annehmen, dass bei Vorliegen der erstgenannten Alternative nur ein subjektiv-öffentliches Recht gegen das Gericht geltend gemacht wird und damit ein Fürsorgeverfahren gegeben ist663. Demgegenüber wäre bei Vorliegen der zweitgenannten Alternative davon auszugehen, dass über ein privates Recht entschieden wird und es sich daher um ein Streitverfahren handelt664. Insofern muss aber erneut der Gedanke Beachtung finden, dass die gerichtliche Form der Durchsetzung nichts über das Innehaben eines subjektiven Rechts oder dessen Zuordnung zum privaten oder öffentlichen Recht aussagt665. All das Genannte zeigt, dass das auf die Durchsetzung subjektiver Rechte abstellende Unterscheidungskriterium der herrschenden Ansicht nur scheinbar eine eindeutige Differenzierung gewährleistet. Bei konkreter Betrachtung wird hingegen deutlich, dass sie der Komplexität und Differenziertheit der FamFGVerfahren nicht gerecht wird666. Die Anknüpfung an die Fähigkeit zu materieller Rechtskraft erscheint ebenfalls nicht überzeugend. Zum einen, weil damit die Gefahr eines Zirkelschlusses nahe liegt. Denn große Teile der Literatur wollen den Eintritt materieller Rechtskraft gerade davon abhängig machen, dass es sich bei dem betreffenden Verfahren um ein Streitverfahren handelt667. Dann kann aber die Fähigkeit zu materieller Rechtskraft nicht als Begründung für die Zuordnung eines Verfahrens zu den Streitsachen herangezogen werden. In der Sache ist zum anderen zu beachten, dass die durch Beschluss ergehenden Endentscheidungen gemäß § 63 Abs. 1, Abs. 2 FamFG nunmehr einer generell befristeten Beschwerde unterliegen668. Hierbei differenziert das Gesetz nicht zwischen Streit- und Fürsorgeverfahren. Durch die Neuregelung sollte ein möglichst rascher, formell rechtskräftiger Verfahrensabschluss erreicht werden669. Zwar sind formelle und materielle Rechtskraft voneinander zu trennen und es ist der Eintritt von formeller Rechtskraft ohne damit einhergehende materielle Rechtskraft denk662
Statt vieler: Lüke, Jus 1969, S. 301 (305 f.). So die Erwägung von Schäfer (Abänderbarkeit, S. 59). 664 Schäfer, Abänderbarkeit, S. 59. 665 Vgl. bereits Fn. 644 und statt vieler z. B. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91, I 2, Rdnr. 3; Stein/Jonas/Roth, vor § 253 ZPO, Rdnr. 103. 666 Zutreffend Schäfer, Abänderbarkeit, S. 61. 667 So z. B: Prütting/Helms/Abramenko, § 45, Rdnr. 11; Haußleiter/Gomille, § 45, Rdnr. 9; Zöller/Feskorn, § 45 FamFG, Rdnr. 11; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 205 ff. 668 Eine Ausnahme bilden lediglich die Beschwerde gegen Entscheidungen des Grundbuchamtes gemäß § 71 Abs. 1 GBO und diejenige gegen Entscheidungen des Registergerichts gemäß § 75 Abs. 1 Schiffsregisterordnung. Diesbezüglich hat es der Gesetzgeber bei der unbefristeten Beschwerde belassen (vgl. hierzu Begründung des Regierungsentwurfs zum FGGRG, BT-Drs. 16/6308, S. 205, l. Sp.). 669 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 166 l. Sp. 663
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bar670. Zu bedenken ist aber, dass das maßgebliche gesetzgeberische Ziel der Befristung die Erhöhung der Rechtssicherheit für die Beteiligten war671. Dem würde ein grundsätzlicher Ausschluss672 der materiellen Rechtskraft in Fürsorgeverfahren zuwiderlaufen. Nicht überzeugen kann das Argument, dass materielle Rechtskraft nur dann eintreten könne, wenn ein verfahrensrechtlicher Anspruch zwischen den Beteiligten den Verfahrensgegenstand bilde, was bei den Fürsorgeverfahren nicht der Fall sei, da nur Eingriffsbefugnisse des Staates infrage stünden673. Es wurde bereits festgestellt, dass auch in Fürsorgeverfahren subjektive Rechte vom Verfahrensgegenstand umfasst sein können. Zudem sind Eingriffsbefugnisse des Staates auch Gegenstand in anderen Gerichtsverfahren, ohne dass deshalb die Fähigkeit von Entscheidungen, in materielle Rechtskraft zu erwachsen, bezweifelt wird674. So zielt etwa die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO auf Aufhebung eine belastenden Verwaltungsaktes, mithin geht es um die Rechtmäßigkeit eines staatlichen Eingriffs. Dennoch ergibt sich aus § 121 VwGO, dass Endurteile über Anfechtungsklagen materielle Rechtskraft entfalten675. Freilich entscheidet das Gericht im Verwaltungsprozess einen Streit zwischen Bürger und Verwaltung, während in Fürsorgeverfahren häufig das Gericht selbst rechtsgestaltend tätig wird und damit an die Stelle der Eingriffsverwaltung tritt676. Ob dieser Unterschied es aber rechtfertigt, Endentscheidungen in Fürsorgeverfahren materielle Rechtskraft generell zu versagen, erscheint zweifelhaft. Dagegen spricht ein Vergleich mit dem Strafprozess677. In diesem übt das Gericht ebenfalls selbst staatliche Eingriffsbefugnisse aus, wenn es den Angeklagten verurteilt. Dennoch ist allgemein anerkannt, dass nach der Strafprozessordnung ergehende Sachurteile in materielle Rechtskraft 670
Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 149, III, Rdnr. 3. BT-Drs. 16/6308, S. 166 l. Sp. 672 Nicht näher nachgegangen werden muss dem seit dem Erlass des FamFG herrschenden Streit, ob Endentscheidungen in Fürsorgeverfahren regelmäßig in materielle Rechtskraft erwachsen (so MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 37 ff.; zustimmend Maurer, FamRZ 2009, S. 1792 [1797 f.]) oder ob dies nur dann der Fall ist, wenn bei einer Abwägung zwischen dem individuellen Interesse an Rechtsfrieden und Rechtssicherheit einerseits und dem öffentlichen Interesse an materieller Gerechtigkeit und ständiger Korrekturmöglichkeit andererseits ersteres überwiegt (so die ganz h. M., vgl. z. B. Keidel/Engelhardt, § 45, Rdnrn. 24, 26; Bumiller in Bumiller/Harders, § 45, Rdnrn. 7 ff.; Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim, § 45, Rdnrn. 39, 41; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab. § 45, Rdnr. 13). Nach beiden Ansichten ist die materielle Rechtskraft jedenfalls kein Alleinstellungsmerkmal von Streitverfahren. 673 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 207; Holzer in Holzer, § 45, Rdnr. 7. In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Feskorn (in: Zöller, § 45 FamFG, Rdnr. 11), der anführt, dass Entscheidungen in Rechtsfürsorgesachen nicht zur verbindlichen Klärung subjektiver Rechte der Beteiligten, sondern im Interesse der Allgemeinheit oder Dritter ergingen. 674 MünchKommFamFG/Ulrici, § 48 FamFG, Rdnr. 38. 675 W.-R. Schenke und R. Schenke in Kopp/Schenke, § 121 VwGO, Rdnr. 21; Eyermann/ Rennert, § 121 VwGO, Rdnr. 5. 676 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 44. 677 Hierauf hat zuerst Fenge (Rechtskraft, S. 71) hingewiesen. 671
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erwachsen678. Schließlich ist auffällig, dass das FamFG mehrere Vorschriften zur Abänderung formell rechtskräftiger Entscheidungen kennt, die in Fürsorgesachen ergangenen sind679. Wenn Endentscheidungen in Fürsorgeverfahren generell nicht in materielle Rechtskraft erwachsen würden, wären die gesetzlichen Regelungen zur Abänderbarkeit überflüssig680. Das Gericht könnte im Ergebnis mangels Bindungswirkung einer formell rechtskräftigen Endentscheidung durch den Erlass einer inhaltlich abweichenden Zweitentscheidung die Wirksamkeit nehmen681. Überdies wird durch diese Vorschriften dem erhöhten Bedürfnis nach materiell richtigen Entscheidungen in den als Fürsorgesachen klassifizierten Verfahren des FamFG hinreichend Rechnung getragen682. Nach all dem kann die Möglichkeit einer materiellen Rechtskraft nicht als exklusives Merkmal von Streitverfahren gelten683. bb) Tätigwerden des Gerichts in Fürsorgeverfahren in „eigener Sache“?
Weiterhin wird geltend gemacht, dass das Gericht in Fürsorgesachen nicht als neutrale Instanz, sondern in „eigener Sache“ tätig werde684. Warum ein Gericht in Fürsorgeverfahren nicht als neutrale Instanz entscheiden soll, erschließt sich indes nicht685. Soweit angeführt wird, dass es an der Neutralität fehle, weil ein Gericht, das eine Fürsorgepflicht erfülle, für den Staat innerhalb eines Rechtsverhältnisses tätig werde, an dem er selbst beteiligt sei686, kann dies mit Blick darauf, dass die Fürsorgeangelegenheiten gerade nicht der Verwaltung, sondern sachlich und persönlich unabhängigen Richtern zugewiesen sind, nicht überzeugen687. Auch der Vergleich mit anderen Verfahrensordnungen spricht gegen diese These. Zwar mag das Gericht in den als Fürsorgeverfahren bezeichneten 678
Vgl. statt aller Kühne in Löwe-Rosenberg, Einl. Abschn. K, Rdnrn. 74 ff.; 83 ff. erlaubt etwa § 166 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 1696 BGB die Abänderung formell rechtskräftiger Entscheidungen über die elterlicher Sorge und das Umgangsrecht. Eine ähnliche Regelungen treffen § 294 FamFG, der die Aufhebung einer Betreuung oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts ermöglicht, und § 330 Satz 1 FamFG im Falle der Anordnung oder Genehmigung einer Unterbringungsmaßnahme sowie § 426 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FamFG bei einer Entscheidung, die eine Freiheitsentziehung anordnet. 680 Zutreffend weist Maurer (FamRZ 2009, S. 1792 [1798]) darauf hin, dass § 48 FamFG der Durchbrechung der Rechtskraft dient. 681 Vgl. auch MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 39 a. E., der zu Recht darauf hinweist, dass die speziellen Anforderungen des Wiederaufnahmeverfahrens gemäß der § 48 Abs. 2 FamFG, §§ 578 ff. ZPO dafür sprechen, grundsätzlich vom Eintritt materieller Rechtskraft auszugehen. 682 MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 40. 683 So zu Recht bereits Bärmann, AcP 154 (1955), S. 373 (416). 684 So z. B. Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 42 ff.; Schäfer, Abänderbarkeit, S. 55. 685 Zu Recht ablehnend MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 38. 686 So Brehm und Schäfer (Fn. 684, a. a. O.). 687 Zu Recht wird von Habscheid (NJW 1966, S. 1787 [1791]) betont, dass der Richter in Fürsorgeangelegenheiten nicht in „eigener Sache“, sondern ebenso wie in Streitsachen als unabhängiger „Dritter“ entscheide und sich dadurch von der Verwaltung unterscheide. 679 So
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FamFG-Verfahren aufgrund des materiellen Rechts häufiger als in der streitigen Gerichtsbarkeit zur Wahrung der Interessen von einzelnen Beteiligten, etwa der des Kindes in Kindschaftssachen, oder der Allgemeinheit besonders verpflichtet sein. Dies kommt aber auch in der streitigen Gerichtsbarkeit, vor allem im Verwaltungsprozess688, vor, ohne dass dort angenommen wird, dass Gericht handle in „eigener Sache“. Zwar wird, wie erwähnt, das Gericht in Fürsorgeverfahren häufig selbst rechtsgestaltend tätig und tritt damit an die Stelle der Eingriffsverwaltung689. Der Vergleich mit Strafprozess zeigt aber auch hier, dass dies nicht zu einer anderen Bewertung führen muss690. In diesem handelt das Gericht, obwohl es selbst Eingriffsorgan ist, trotzdem als neutrale Instanz691. cc) Gegensätzliche Interessen als Abgrenzungskriterium
Auch der Gesichtspunkt, dass sich die Beteiligten mit gegensätzlichen Interessen gegenüberstehen692, ist kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Gegensätzliche Interessen können die Beteiligten nämlich auch in den als Fürsorgesachen klassifizierten Verfahren haben. Man denke etwa an das allgemein zu den Fürsorgesachen gezählte693 Erbscheinsverfahren694. Andererseits kann es, wie bereits erwähnt, auch in Streitsachen vorkommen, dass die Beteiligten das Gericht einvernehmlich anrufen695, etwa beim Verfahren in Versorgungsausgleichsachen gemäß §§ 217 bis 229 FamFG696. Allenfalls ließe sich daher sagen, dass sich in den Streitverfahren die Beteiligten „typischerweise“ mit gegensätzlichen Interessen gegenüberstehen697. Eine eindeutige Zuordnung eines Verfahrens zu den Streit- oder Fürsorgeverfahren erlaubt dieses Abgrenzungsmerkmal dann aber nicht mehr698. 688 Man denke etwa an ordnungsrechtliche Streitigkeiten oder solche das Schulverhältnis betreffend. 689 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 44. 690 MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 38. 691 MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 38. 692 Siehe hierzu bereits die Nachweise in Fn. 75. 693 Vgl. z. B. BayObLG, Beschl. v. 19. 10. 2000 – 1Z BR 116/99 = BayObLGZ 2000, S. 279 (284); Keidel/Sternal, § 2, Rdnr. 30d; MünchKommBGB/J. Mayer (Band 9), § 2359, Rdnr. 41. 694 Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 4 I c. Ein anschauliches Beispiel diesbezüglich ist das Erbscheinsverfahren, das die Erbfolge in den Nachlass des ehemaligen Kronprinzen Wilhelm von Preußen betraf und das mehrmals durch die Instanzen ging sowie das Bundesverfassungsgericht beschäftigte (eine Darstellung des Verfahrensgangs m. N. findet sich z. B bei Otte, Jura 2014, S. 549 [549 f.]). 695 Siehe hierzu bereits Nachweise in Fn. 76. 696 BGH, Beschl. v. 27. 10. 1982 – IV b ZB 719/81 = BGHZ 85, S. 180 (188); Schäfer, Abänderbarkeit, S. 62 f., jeweils zu §§ 1587 ff. a. F. BGB. 697 So Thubauville, Wirkungen, S. 21 f.; ähnlich Habscheid, ZZP 66, S. 188 (193); ähnlich Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 4 I c; ders., AcP 154 (1955), S. 373 (416 f.) und der BGH (Fn. 696, a. a. O.). 698 Ähnlich Schäfer, Abänderbarkeit, S. 62.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
dd) Kennzeichen der Führsorgesachen auch in Streitverfahren
Schließlich finden sich die in der Literatur angeführten Charakteristika von Fürsorgeverfahren, nämlich Kontrolle von und Hilfe zum privatrechtlichen Handeln699, auch in Streitsachen. So wird das Verfahren zur Befreiung vom Alterserfordernis bei Widerspruch des gesetzlichen Vertreters gemäß § 1303 Abs. 3 BGB als Streitverfahren angesehen700, obwohl das Gericht in der Sache eine am Kindeswohl ausgerichtete Kontrolle der geplanten Eheschließung und des Widerspruchs des gesetzlichen Vertreters vorzunehmen hat701. Auch das Merkmal der „Hilfestellung“702 findet sich in manchen Streitsachen, etwa in den Gewaltschutzverfahren gemäß §§ 210 FamFG, 1, 2 GewSchG oder in den Verfahren zur Zuweisung der Ehewohnung und Verteilung der Haushaltsgegenstände gemäß §§ 1361a, 1361b, 1568a, 1568b BGB, 200 Abs. 2 FamFG. ee) Zwischenergebnis
Es hat sich gezeigt, dass eine phänomenologische Betrachtungsweise nicht zu einer eindeutigen Abgrenzung von Streit- und Fürsorgesachen führt. Die Unterscheidung der FamFG-Verfahren in Streit- und Fürsorgesachen ist eine „historische Einteilung“703, aber keine durch Sachgründe erzwungene Differenzierung. Die Gefahr, dass aufgrund einer mehr oder weniger zufälligen Zuordnung eines Verfahrens in eine der beiden Kategorien die falschen Konsequenzen gezogen werden, liegt daher nahe. Überdies sprechen noch weitere Gründe gegen eine Beibehaltung der Unterscheidung. c) Weitere Einwände gegen die Heranziehung der Kategorien als Analogierechtfertigung
Bereits unter Geltung des FGG ist gegen die Abgrenzung der Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Streit- und in Fürsorgeverfahren eingewandt worden, dass diese der Verschiedenartigkeit der FG-Verfahren nicht hinreichend Rechnung trage704. Dieser Einwand wurde von der herrschenden Auffassung auch anerkannt. Um ihm entgegenzutreten, wurde darauf hingewiesen, dass eine analoge Anwendung der Bestimmungen anderer Verfahrensordnungen nicht unbesehen erfolgen dürfe und stets den Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens im Einzelfall Rechnung zu tragen sei705. Damit ist indes ein Groß699 Siehe
u. 68.
700
hierzu bereits Ausführungen oben unter § 1. D. II. 1., S. 13 f. mit N. in Fn. 66
Vgl. nur Keidel/Sternal, § 1, Rdnr. 34. Siehe nur Staudinger/Löhning (2012), § 1303 BGB, Rdnrn. 19 ff. 702 Siehe hierzu bereits Ausführungen oben unter § 1. D. II. 1., S. 13 f. 703 Baur/Wolf, Grundbegriffe, 1 I 3 b, S. 23. 704 So z. B. Baur/Wolf, Grundbegriffe, 1 I 3 b, S. 23 ff. 705 Vgl. etwa Habscheid, § 7, III 2, S. 40; Jansen/v. König/v. Schuckmann, Vor §§ 8–18 FGG, Rdnr. 59; Keidel/Schmidt (15. Aufl.), § 12 FGG, Rdnr. 230. 701
E. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis
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teil der praktischen Erleichterung, die durch die Bildung der Kategorisierung gewonnen werden konnte, infrage gestellt. Unter Geltung des FamFG, das in seinem besonderen Teil mit zahlreichen Spezialvorschriften der Unterschiedlichkeit der Verfahren Rechnung getragen und an deren Besonderheiten angepasste Regelung getroffen hat, ist die Ausdifferenziertheit der FamFG-Angelegenheiten noch gestiegen. Allgemein ist zu beachten, dass die Ähnlichkeit einer Situation in einem FamFG-Verfahren mit einer prozessualen Situation der streitigen Gerichtsbarkeit weder notwendige noch hinreichende Bedingung für die Begründung oder Ablehnung der analogen Anwendbarkeit einer Vorschrift aus einer anderen Verfahrensordnung ist. Sie ist nur ein Argument neben anderen. Die notwendige Einzelfallbetrachtung darf daher nicht durch eine Differenzierung der FamFG-Angelegenheiten in Streit- und Fürsorgesachen ersetzt werden. Da das FamFG eine im Wesentlichen vollständige Verfahrensordnung ist und nur wenige Regelungslücken verblieben sind, ist diese Einzelfallbetrachtung mittlerweile auch problemlos praktisch möglich706. Zu welchen Fehlvorstellungen hingegen die überkommene Zuordnung eines Verfahrens in die Kategorien Streit- oder Fürsorgesache führen kann, zeigt deutlich der bereits oben wiedergegebene Ausschnitt aus der Begründung zum FGGReformgesetz707. Der Gesetzgeber meinte offenbar, es bestünde ein Gegensatz zwischen Fürsorge- und Streitsachen dergestalt, dass in ersteren auf eine einfache und raschere Erledigung hingewirkt werden müsse, während in letzteren die Beachtung rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien sicherzustellen sei708. Einen derartigen Gegensatz zwischen beiden Verfahrensgruppen annehmen zu wollen, erscheint, zumindest in dieser Radikalität, verfehlt. Rechtsstaatlichen Anforderungen muss gerade auch in den als Fürsorgesachen charakterisierten Verfahren genügt werden. Andererseits muss auch in den Streitsachen auf eine zügige Verfahrensbeendigung hingearbeitet werden. Es drängt sich der Eindruck auf, dass hinter der Differenzierung von Fürsorge- und Streitverfahren noch immer ein Hauch jenes autoritären Geistes steckt, der einst die freiwillige Gerichtsbarkeit prägte. d) Zusammenfassung
Nach alldem ist festzustellen, dass eine saubere Differenzierung der FamFGMaterien in Fürsorge- und Streitverfahren nicht möglich und unter Geltung des FamFG auch nicht erforderlich ist.
706
Siehe oben unter § 2. E. II. 1. a), S. 99 m. N. in Fn. 598. BT-Drs. 16/6308, S. 163 r. Sp. und oben, § 2. E. II. 1. a), S. 101. 708 BT-Drs. 16/6308, S. 163 r. Sp. und oben, § 2. E. II. 1. a), S. 101. 707
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
2. Eignung der Differenzierung zur Bestimmung materieller Regelungsbefugnisse Abschließend könnte man noch erwägen, die historische Differenzierung zwischen Streit- und Fürsorgesachen zumindest als Orientierungshilfe für die Feststellung, inwiefern materielle Regelungsbefugnisse bestehen, zu akzeptieren. Selbst das erscheint jedoch zweifelhaft. Denn auch in Fürsorgesachen können materielle Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten bestehen709. Inwiefern darüber verfügt werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls, insbesondere auch des Inhalts der konkret beabsichtigten Regelung. Bestätigt wird dies im Übrigen durch § 36a FamFG, der eine Mediation gerade nicht vom Vorhandensein eines Streitverfahrens abhängig macht.
III. Orientierung an § 36a Abs. 3 FamFG Wie bereits ausgeführt, hatte der Gesetzgeber bei Schaffung des § 36a Abs. 3 FamFG Fälle im Auge, in denen die materielle Regelungsfreiheit der Beteiligten an die Schranke des Kindeswohls stößt710. Allgemein erscheint es möglich und sinnvoll, § 36a Abs. 3 FamFG als Anhaltspunkt für die Ermittlung der Grenzen privatautonomen Handelns in FamFG-Angelegenheiten heranzuziehen. Zu differenzieren ist dabei zwischen gerichtlichen Anordnungsvorbehalten und gerichtlichen Genehmigungsvorbehalten, die beide in § 36a Abs. 3 FamFG genannt werden.
1. Gerichtliche Anordnungsvorbehalte Unter gerichtliche Anordnungsvorbehalte im Sinne des § 36a Abs. 3 FamFG lassen sich bestimmte rechtsgestaltende und feststellende Entscheidungen subsumieren, die die Beteiligten nicht durch privatautonomes Handeln ersetzen können. a) Dem Gericht vorbehaltene Gestaltungsakte
Das FamFG kennt einige Materien, in denen rechtsgestaltende Akte ausschließlich durch gerichtliche Entscheidung bewirkt werden können711. Dies ist vor allem in Statussachen712, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen713 709
Siehe oben unter § 2. E. II. 1. b) aa), S. 105. Siehe oben unter § 2. C. IV. 3. d), S. 70. 711 Statt vieler nur: MünchKommZPO/Wolfsteiner (Band 2), § 794 ZPO, Rdnr. 55, siehe auch bereits oben unter § 2. C. 4. b), S. 77. 712 Statt vieler nur: MünchKommZPO/Wolfsteiner (Band 2), § 794 ZPO, Rdnr. 56. 713 In diesen Verfahren besteht ein Richtervorbehalt gemäß Art. 104 Abs. 2 GG (Siehe 710
E. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis
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sowie in bestimmten Kindschaftssachen der Fall. Insofern ist der Freiheit der Beteiligten beschränkt. Eine Scheidung kann nicht vereinbart714, ein Kind nicht durch Vertrag adoptiert715 und das Sorgerechtsverhältnis nicht gekündigt werden716. Die Beteiligten können aber, sofern ihnen die Beendigungsbefugnis zukommt717, das Verfahren beenden und den Gestaltungsakt verhindern. Eine andere Frage ist, inwieweit die Beteiligten die gerichtliche Entscheidung in diesen Fällen durch rechtsgeschäftliches oder tatsächliches Handeln determinieren können. Dies variiert718 und kann daher nicht allgemein, sondern nur für den Einzelfall anhand des einschlägigen materiellen Rechts und des Verfahrenszwecks beantwortet werden. b) Dem Gericht vorbehaltene Feststellungsentscheidungen, insbesondere zur Erteilung eines Erbscheins und sonstiger Zeugnisse
Seltener kommt in FamFG-Verfahren ein Anordnungsvorbehalt dergestalt zum Tragen, dass die Wirkungen von feststellenden Entscheidungen nur durch Gerichtsbeschluss herbeigeführt werden können. Ein Beispiel hierfür ist der seit der FG-Reform zur Erteilung eines Erbscheins und andere Zeugnisse obligatorische Feststellungsbeschluss gemäß §§ 352 Abs. 1 Satz 1, 354, 372 Abs. 2 FamFG. Demnach entscheidet das Nachlassgericht719 beispielsweise über einen Erbscheinantrag dadurch, dass es die für dessen Erteilung erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet720. Dieser Beschluss ist gemäß § 2359 BGB, § 352 Abs. 1 Satz 1 FamFG stets erforderlich. Das gilt selbst dann, wenn der Inhalt des zu erteilenden Erbscheins dem erklärten Willen aller Beteiligten entspricht721. Der Beschluss wird nach § 352 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG mit Näheres z. B. bei Schmahl in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 104 GG, Rdnrn. 10, 21 ff.). 714 Siehe bereits Fn. 195 m. N. 715 § 1752 Abs. 1 BGB. Es gilt das Dekretsystem (vgl. nur Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 68, II 1). 716 Vgl. bereits oben unter § 2. C. IV. d), S. 70 mit Fn. 440. 717 Ausführlich oben unter § 2. C. IV, S. 54 ff. 718 Siehe z. B. für das Scheidungsverfahren bereits Fn. 195 und Fn. 440 für die Sorgerechtsübertragung. 719 In Form des Amtsrichters oder des Rechtspflegers, vgl. §§ 3 Nr. 2 c, 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG. 720 Damit wurde das vor der FG-Reform übliche Vorbescheidsverfahren abgeschafft (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 280 r. Sp). 721 Der Bundesrat hatte im Gesetzgebungsverfahren eine Änderung des § 352 FamFG vorgeschlagen, nach der der Erlass eines Feststellungsbeschlusses nur für den Fall, dass der Inhalt des zu erlassenden Erbscheins dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht, vorgesehen war und überdies im Ermessen des Gerichtes stehen sollte (BT-Drs. 16/6308, S. 391). Die Bundesregierung hat dies abgelehnt. Zur Begründung wurde angeführt, dass es im Interesse der Rechtsklarheit einer einheitlichen Entscheidungsform bedürfe und derjenige, der berechtigte Einwendungen gegen den Erbschein habe, stets ein Rechtsmittelverfahren anstrengen können
116
§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
dem Erlass wirksam, es sei denn, dass er dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht. Im letzteren Fall ist gemäß § 352 Abs. 2 FamFG der Erbschein erst mit Rechtskraft des Beschlusses zu erteilen. Die bereits vor der FG-Reform diskutierte Frage, inwieweit ein Vergleich im Erbscheinsverfahren geschlossen werden kann722, erfordert vor dem Hintergrund dieser Neuregelungen und der Rechtsnatur des Verfahrensvergleichs eine differenzierende Antwort: Die Beteiligten können die Wirkungen des Beschlusses gemäß § 352 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht privatautonom herbeiführen, um das Nachlassgericht zur Erteilung eines Erbscheins mit einem bestimmten, vom wirklichen Erbrecht abweichenden Inhalt zu zwingen723. Der öffentliche Glaube des Erbscheins und die daraus resultierende Gefahr nachteiliger Verfügungen über Nachlassgegenstände zu Lasten des wahren Erben erfordern, dass das Nachlassgericht nach § 2358 Abs. 1 BGB, §§ 26, 27 Abs. 1 FamFG724 im Wege der Amtsermittlung ohne Bindung an das Vorbringen der Beteiligten feststellt, wer Erbe ist725. Entsprechendes gilt auch bei der Einziehung eines Erbscheins726. Daher darf und muss das Nachlassgericht einen unrichtigen Erbschein auch dann einziehen, wenn dieser inhaltlich eine zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung widerspiegelt727. Anregen kann dies jedermann728, einschließlich des ursprünglichen Antragstellers729. Auch den Erbschein selbst als ein gemäß § 2353 BGB müsse, ohne der Gefahr von zwischenzeitlichen Weiterveräußerungen durch den Erbscheininhabers ausgesetzt zu sein (BT-Drs. 16/6308, S. 421, r. Sp.). 722 Vgl. z. B. BayObLG, Beschl. v. 13. 04. 1929 – Reg. III Rr. 25/29 = JFG 6, S. 165 (167 f.); Beschl. v. 22.06 1966 – BReg 1b Z 12/66 = BayObLGZ, 1966, S. 233 (236 f.); Beschl. v. 04. 01. 1991 – BReg 1 a Z 18/90 = BayObLGZ 1991, S. 1 (5 f.); Beschl. v. 14. 7. 1997 – 1Z BR 39/97 = BayObLGZ 1997, S. 217 (219 ff.); OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 11. 1983 – 8 W 328/83 = OLGZ 1984, S. 131 (132 f.); KG, Beschl. v. 16. 09. 2003 – 1 W 48/02 = FGPrax 2004, S. 31 (31); Munding, Vergleiche, S. 96 f.; Keidel/Meyer-Holz (15. Aufl.), Vorb. §§ 8–18 FGG, Rdnr. 24 a. E; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 18, III, 3 a. 723 Im Ergebnis ganz h. M., siehe z. B: MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 16 f.; Keidel/Zimmermann, § 352, Rdnr. 97; Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rdnr. 3.33; Staudinger/ Herzog (2010), § 2359 BGB, Rdnrn. 12, 79 (m. w. N); MünchKommBGB/J. Mayer (Band 9), § 2359, Rdnr. 8; Lange, Erbrecht, § 78, III 5 a, Rdnr. 35; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 139. Ebenso vor der FG-Reform, siehe bereits Nachweise in Fn. 722. 724 § 2358 BGB und §§ 26, 27 Abs. 1 FamFG entsprechen sich inhaltlich (MünchKommBGB/J. Mayer [Band 9], § 2358, Rdnr. 2). 725 Ganz h. M, vgl. z. B: BGH, Beschl. v. 05. 06. 1963 = BGHZ 40, S. 54 (57 f.); KG, Beschl. v. 16. 09. 2003 (Fn. 722, a. a. O.); Staudinger/Herzog (2010), § 2359 BGB, Rdnrn. 11 f.; MünchKommBGB/J. Mayer (Band 9), § 2359, Rdnrn. 7 f.; Lange, Erbrecht, § 78, III 5 a, Rdnr. 35; Erman/Simon, § 2359, Rdnr. 3. 726 BGH, Beschl. v. 05. 06. 1963 (Fn. 725, a. a. O, S. 58); BayObLG, Beschl. v. 04. 01. 1991 (Fn. 722, a. a. O.). 727 BayObLG, Beschl. v. 04. 01. 1991 (Fn. 722, a. a. O.); OLG München, Beschl. v. 08. 06. 2010 – 31 Wx 48/10 = NJW-RR 2011, S. 12 (13). 728 Siehe statt aller nur: MünchKommBGB/J. Mayer (Band 9), § 2361, Rdnr. 34. 729 Diesem fehlt dann auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis (BayObLG, Beschl. v. 04. 01. 1991 [Fn. 722, a. a. O.]).
E. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis
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vom Gericht zu erteilendes Zeugnis können die Beteiligten nicht durch Vereinbarung erstellen oder ersetzen730. Denkbar ist allenfalls, dass die Beteiligten das Ergebnis der gerichtlichen Ermittlung durch Disposition über eine bereits erworbene Erbenstellung mittels der Ausübung von Gestaltungsrechten beeinflussen731. Diesbezüglich ist die Dispositionsfreiheit aber stark eingeschränkt732. Möglich ist etwa, dass ein Erbe die Erbschaft gemäß §§ 1942 ff., 2142, 2306 BGB gegenüber dem Nachlassgericht ausschlägt733. Vorstellbar ist auch, dass im Fall der Vorerbschaft das Ereignis, an das die den Nacherbfall auslösende Bedingung anknüpft, von dem Willen des Vorerben, des Nacherben oder eines Dritten abhängt und daher von diesen herbeigeführt werden kann734. Außerhalb dieser Fallgruppen können die Beteiligten zwar vereinbaren, dass einzelne, das Erbrecht betreffende Ungewissheiten oder Streitfragen zwischen ihnen nunmehr unstreitig sein sollen735. Ebenso sind Verträge über eine bestimmte Testamentsauslegung möglich736. Solche Feststellungs- und Auslegungsverträge737 können aber an der erworbenen Erbenstellung nichts ändern738. Sie verpflichten die Beteiligten gemeinhin nur schuldrechtlich, einander so zu stellen, als sei die vereinbarte Feststellung oder Auslegung zutreffend739. Entgegen einer in Rechtsprechung740 und Li730
Munding, Vergleiche, S. 96. BayObLG, Beschl. v. 14. 7. 1997 (Fn. 722, a. a. O., S. 220); KG, Beschl. v. 16. 09. 2003 (Fn. 722, a. a. O.); Staudinger/Herzog (2010), § 2359 BGB, Rdnr. 80; Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 9; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 19; MünchKommFamFG/ Ulrici, 36, Rdnr. 17. Insofern können sich die Beteiligten auch verpflichten (statt vieler: Greger/Weber, MDR Sonderheft 2012, S. 0003, [0022]) und einen Vollstreckungstitel schaffen (a. A. BayObLG, a. a. O., S. 220 ff.; Elzer a. a. O.; Staudinger/Herzog, a. a. O., Rdnr. 81; näheres hierzu m. w. N. unten unter § 2. F. III. S. 205 ff.). 732 Statt vieler: Staudinger/Marotzke (2008), § 1922 BGB, Rdnrn. 36 ff. m. w. N. 733 Siehe Staudinger/Marotzke, a. a. O., Rdnr. 36 und die in Fn. 731 Genannten. 734 Staudinger/Marotzke a. a. O., Rdnr. 37. Zu beachten ist diesbezüglich die Grenze des § 2065 Abs. 1 BGB (Staudinger/Marotzke a. a. O.; Staudinger/Otte [2013], § 2065 BGB, Rdnr. 41 ff.). 735 Näheres z. B. bei Baumann, RNotZ 2011, S. 33 (35 f.). 736 BGH, Urt. v. 22. 01. 1986 – IVa ZR 90/84 = NJW 1986, S. 1812 (1813); Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rdnr. 3.33; ausführlich auch Weiß, GS Küchenhoff, S. 389 (389 ff.). 737 Die Rechtsnatur dieser Verträge ist bislang nicht vollständig geklärt. Es soll sich um einen materiell-rechtlichen Vergleich gemäß § 779 BGB oder um einen Vertrag sui generis handeln (BGH, Urt. v. 22. 01. 1986 [Fn. 736, a. a. O.]; aus der Literatur nur: Schiffer/Scherf, ZErb 2006, S. 335 (338); Baumann, RNotZ 2011, S. 33 [36]). In Betracht kommt gegebenenfalls auch, dass ein Beteiligter die Erbfolgen schuldrechtlich gemäß § 781 BGB anerkennt (Baumann, a. a. O.). 738 Siehe bereits Nachweise in Fn. 722 und 723 und Staudinger/Marotzke (2008), § 1922 BGB, Rdnr. 38 m. w. N. 739 Siehe z. B: BGH, Urt. v. 22. 01. 1986 (Fn. 736, a. a. O.); OLG München, Beschl. v. 08. 06. 2010 – 31 Wx 48/10 = NJW-RR 2011, S. 12 (13); Staudinger/Marotzke (2008), § 1922 BGB, Rdnr. 38; Weiß, GS Küchenhoff, S. 389 (391 ff.). 740 OLG Frankfurt, Beschl. v. 09. 10. 1989 – 20 W 306/89 = OLGZ 1990, S. 15 (15 f.). 731
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
teratur741 vertretenen Ansicht binden sie aber regelmäßig nicht das Nachlassgericht742, das von Amts wegen den wahren Erben ermitteln muss743. Eine Ausnahme kann aus Gründen der Verfahrensökonomie nur dann gelten, wenn das Gericht die materielle Rechtskraft eines der Vereinbarung entsprechenden Feststellungsurteils zwischen den Beteiligten beachten müsste744. Sofern die Beteiligten durch Disposition, etwa Anerkenntnis oder Verzicht, im Zivilprozess für eine bestimmte Feststellung des Erbrechts sorgen können, muss man ihnen auch gestatten, eine solche auf dem Vertragswege zu erreichen745, um unnötige Prozesse zu vermeiden. So darf das Nachlassgericht einem Antragsteller keinen Erbschein erteilen, wenn in einem Zivilprozess rechtskräftig festgestellt wurde, dass nicht er, sondern der Prozessgegner Erbe ist746. Andernfalls würde die Vermutung des § 2365 BGB auch gegen den Prozesssieger wirken747. Gleiches gilt bei einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Parteien. Unberührt davon kann das Nachlassgericht einem Dritten einen Erbschein erteilen, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass dieser Erbe ist748. Stets hat das Nachlassgericht zu prüfen, ob die Vereinbarung der Beteiligten wirksam ist. Eine Unwirksamkeit kann sich insbesondere aus §§ 116 Satz 2, 138 Abs. 1, 779 BGB, infolge einer Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB oder aufgrund Rücktritts wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1, Abs. 4 BGB ergeben. Einen bindenden749 Verfahrensvergleich750 gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG können die Beteiligten im Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins hingegen stets abschließen. Denn es handelt sich um ein reines Antragsverfahren, in dem 741 Dressler, ZEV 1999, S. 289 (290); Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rdnr. 1.139; MünchKommBGB/Leipold (Band 9), § 2084, Rdnrn. 145 f. 742 OLG München, Beschl. v. 08. 06. 2010 (Fn. 739, a. a. O.); Baumann, RNotZ 2011, S. 33 (33 f.); Weiß, GS Küchenhoff, S. 389 (405 f.); Staudinger/Herzog (2010), § 2359 BGB, Rdnrn. 11 f. (m. w. N). 743 Faktisch wird man solchen Verträgen aber eine gewisse Indizwirkung zusprechen können, soweit sie die übereinstimmenden Vorstellungen der Beteiligten wiedergeben (BGH, Urt. v. 22. 01. 1986 [Fn. 736, a. a. O.]); Staudinger/Herzog (2010), § 2359 BGB, Rdnrn. 12), zumal die Ermittlungsmöglichkeiten des Nachlassgerichts in tatsächlicher Hinsicht begrenzt sind. 744 Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rdnr. 1.139; a. A. Weiß, GS Küchenhoff, S. 389 (405). 745 Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rdnr. 1.139. Siehe auch BGH, Urt. v. 22. 09. 1976 – IV ZR 177/74 = JurionRS 1976, 12595, Rdnr. 20 (zitiert nach Jurion), nach dem die Vergleichsparteien die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen Feststellungsurteils auch mittels eines (materiell-rechtlichen) Vergleichs erzielen können sollen. 746 Statt vieler nur: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 11, III 3 b, Rdnr. 21; Staudinger/Herzog (2010), § 2359 BGB, Rdnrn. 24 f (m. w. N.). 747 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 11, III 3 b, Rdnr. 21; Staudinger/ Herzog (2010), § 2359 BGB, Rdnr. 25. 748 Staudinger/Herzog (2010), § 2359 BGB, Rdnrn. 24, 26 (m. w. N). 749 Dies geht über eine bloße Antragsrücknahme (zu dieser Möglichkeit siehe nur OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 11. 1983 [Fn. 722, a. a. O., S. 133]) oder Beendigungserklärung insofern hinaus, als das diese die Beteiligten grundsätzlich nicht binden (vgl. bereits oben unter § 2. A. II. 2., S. 25 f.). 750 Der Verfahrensvergleich wird im Rahmen dieser Darstellung als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag verstanden, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30.
E. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis
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den Beteiligten eine uneingeschränkte Beendigungsbefugnis zukommt751. Im Streitfall kann der Abschluss eines Verfahrensvergleichs beispielsweise dann sinnvoll sein, wenn gewährleistet werden soll, dass der Antragsteller einen Erbschein bis zur Entscheidung eines zivilprozessualen Rechtsstreits nicht erlangt752. Um den Antragsteller zu einem Vergleichsschluss zu bewegen, kann sich der Antragsgegner im Gegenzug etwa verpflichten, Sicherheit zu leisten. Möglicherweise sind auch Verfügungen über Erbschaftsanteile753, einzelne Nachlassgegenstände754 oder entsprechende Verpflichtungsgeschäfte zur Befriedigung des Beteiligtenstreits dienlich. Die gegebenenfalls nach §§ 2033 Abs. 1 Satz 2, 2385 Abs. 1, 2371 BGB erforderliche notarielle Beurkundung755 wird dann durch die Aufnahme der Vereinbarung in das gerichtliche Protokoll ersetzt756. In den Grenzen ihrer materiellen Verfügungsbefugnis können die Beteiligten dabei auch einen Vollstreckungstitel gemäß §§ 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO schaffen757. Ein weiteres Beispiel für eine dem Gericht vorbehaltene Feststellungsentscheidung ist der bereits erwähnte Feststellungsbeschluss nach § 224 Abs. 3 FamFG758. Nach der gesetzlichen Regelung hat das Gericht aus Gründen der Rechtssicherheit über die Wirksamkeit einer den Versorgungsausgleich beschränkenden oder ausschließenden Vereinbarung regelmäßig759 in einer End-
751 Anders ist es hingegen im Verfahren zur Einziehung eines Erbscheins gemäß § 2361 BGB, in dem den Beteiligten keine Beendigungsbefugnis zukommt (siehe hierzu bereits oben unter § 2. C. IV. 3., S. 59). 752 Dazu muss sich der Antragsteller, anders als zum Teil angenommen wird, nicht verpflichten, einen Erbscheinantrag zurückzunehmen und in Zukunft nicht zu stellen (so aber z. B. OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 11. 1983 [Fn. 722, a. a. O., S. 133]; Staudinger/Herzog [2010], § 2359 BGB, Rdnr. 80; Greger/Weber, MDR Sonderheft 2012, S. 0003 [0022]). Der Verfahrensvergleich selbst bewirkt vielmehr bereits eine Verfahrensbeendigung und Bindung der Beteiligten (siehe bereits oben unter § 2. A. III. 1, S. 30 f. und § 2. A. II. 2., S. 25 mit Fn. 141) wobei letztere für die Zukunft, also bis zum Abschluss des Zivilprozesses, beschränkt werden kann. 753 Solche sind innerhalb des allgemeinen zivilrechtlichen Rahmens möglich, vgl. nur BGH, Urt. v. 22. 01. 1986 (Fn. 736, a. a. O., m. w. N.) und Staudinger/Marotzke (2008), § 1922 BGB, Rdnr. 38. 754 Siehe nur OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 11. 1983 (Fn. 722, a. a. O., S. 133); Prütting/ Helms/Abramenko, § 36, Rdnr. 9. 755 Nach Ansicht des BGH fallen die soeben erwähnten Auslegungs- und Feststellungsverträge (siehe S. 117 f.) unter § 2385 BGB und bedürfen der notariellen Beurkundung gemäß §§ 2371, 2033 BGB (vgl. Urt. v. 22. 01. 1986 [Fn. 736, a. a. O.]). 756 Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rdnr. 1.139 und bereits oben unter § 2. A. III. 3., S. 33. Ob dies auch bei einem Beschlussvergleich gemäß §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO gilt, ist streitig (siehe bereits Fn. 183 m. N.). 757 Dazu mit Nachweisen auch zur ablehnenden Ansicht näher unten unter § 2. F. III., S. 140 f. 758 Siehe hierzu bereits oben unter § 2 .B. IV. S. 37 f. 759 Eine Ausnahme ist dann gegeben, wenn der Versorgungsausgleich nur auf Antrag durchzuführen ist (siehe bereits oben unter § 2. B. IV. S. 38 f.).
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
entscheidung zu entscheiden760. Eine Vereinbarung der Beteiligten kann diese nicht entbehrlich machen.
2. Gerichtliche Genehmigungsvorbehalte a) Bestehen eines Genehmigungsvorbehalts
Eine Beschränkung der materiellen Regelungsbefugnis besteht schließlich in den Fällen der in § 36a Abs. 3 FamFG ebenfalls aufgeführten Genehmigungsvorbehalte. Genehmigungen in diesem Sinne stellen einen Unterfall der gerichtlichen Gestaltungsakte dar. Ordnet das Gesetz an, dass rechtsgeschäftliches Handeln zur Wirksamkeit einer gerichtlichen Genehmigung bedarf, wird insofern das rechtliche Können der Beteiligten eingeschränkt761. Wichtige Genehmigungsvorbehalte finden sich zum Beispiel in den §§ 1643, 1644, 1812 Abs. 3, 1819 ff. BGB762. Nicht um Genehmigungsvorbehalte nach § 36a Abs. 3 FamFG handelt es sich in den Fällen, in denen durch das Erfordernis einer Genehmigung lediglich das rechtliche Dürfen im Innenverhältnis, nicht aber das rechtliche Können im Außenverhältnis beschränkt ist763. So dienen etwa die Genehmigungen gemäß §§ 1803 Abs. 2, 1811 Satz 1, 1823 BGB der Entlastung des Vormunds gegenüber dem Mündel, beschränken aber nicht dessen Handlungsmacht764. In einem solchen Fall können die Beteiligten entsprechende materielle Regelungen auch ohne gerichtliche Genehmigung wirksam treffen, wobei freilich die Einholung einer gerichtlichen Genehmigung zur Vermeidung von Haftungsrisiken sinnvoll sein kann. b) Möglichkeit eines gerichtlich gebilligten/genehmigten Vergleichs in analoger Anwendung der §§ 156 Abs. 2 FamFG, 19 LwVG? aa) Zulässigkeit einer Analogie
Besteht ein Genehmigungsvorbehalt im soeben beschriebenen Sinn, bedeutet dies freilich nicht, dass die Beteiligten das Verfahren nicht einvernehmlich be760
Siehe bereits oben unter § 2. B. IV. S. 38 f. zur Rechtsnatur der familiengerichtlichen z. B. bei Staudinger/Veit (2014), § 1828 BGB, Rdnrn. 7 ff. 762 Siehe zu weiteren Fällen z. B. Keidel/Meyer-Holz, § 30, Rdnrn. 28 ff. und Keidel/ Engelhardt, § 48, Rdnr. 31. 763 Vgl. zu diesen „Innengenehmigungen“ im Zusammenhang des § 48 Abs. 3 FamFG z. B. Keidel/Engelhardt, § 48, Rdnr. 32; MünchKommFamFG/Ulrici, § 48, Rdnr. 24). 764 RG, Urt. v. 25. 01. 1917 – 328/16 IV = JW 1917, S. 288 (290, zu § 1811 BGB); KG, Beschl. v. 06. 06. 1900 = KGJ 20 (1900), A 160, 162; MünchKommBGB/Wagenitz (Band 8), § 1803, Rdnr. 11; § 1811, Rdnr. 19, § 1823, Rdnr. 5; siehe auch Engelhardt und Ulrici (Fn. 763, a. a. O.). 761 Näheres
E. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis
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enden können. Da, wie bereits ausgeführt765, die Beteiligten auch bei einem Genehmigungsvorbehalt eine unbeschränkte Beendigungsbefugnis haben, können sie jederzeit das Verfahren durch Verfahrensvergleich beenden. Das Problem der Genehmigungsbedürftigkeit betrifft in diesen Verfahren nur die vom Verfahrensvergleich zu trennenden, materiellen Vereinbarungen. Eine Lösung hierfür wird von Rüntz766 dahingehend vorgeschlagen, dass das Gericht insofern eine Genehmigung im Anschluss an den Vergleichsschluss erteilen könne. Die Verfahrensökonomie und das Gebot der Hinwirkung auf eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung sprechen für diesen praktikablen Ansatz. Dogmatisch begründen ließe er sich durch eine analoge Anwendung des § 156 Abs. 2 FamFG, welcher die gerichtliche Billigung einer materiellen Vereinbarung über den Kindesumgang oder die Kindesherausgabe ausdrücklich zulässt767, und des § 19 LwVG, der für den Bereich der Landwirtschaftsverfahren die gerichtliche Genehmigung einer Beteiligtenvereinbarung vorsieht. Die Interessenlage in den Fällen dieser gesetzlichen Regelungen entspricht der in den sonstigen Fällen des Abschlusses einer genehmigungsbedürftigen Beteiligtenvereinbarung. Es muss gewährleistet sein, dass die mit dem Genehmigungsvorbehalt bezweckte gerichtliche Prüfung der Vereinbarung stattfindet. Ist dies sichergestellt, besteht kein Bedürfnis, die Regelungsfreiheit der Beteiligten weitergehend einzuschränken. Insofern unterscheidet sich ein Genehmigungsvorbehalt von einem Anordnungsvorbehalt, bei dem der rechtsgestaltende Akt ausschließlich durch gerichtliche Entscheidung bewirkt werden soll. Bislang wird allerdings, soweit überhaupt erwogen768, eine analoge Anwendbarkeit des § 156 Abs. 2 FamFG zumeist verneint769. Begründet wird dies mit dem Argument, dass es sich bei § 156 Abs. 2 FamFG um eine Ausnahmevorschrift handele770, wobei aber offenbleibt, worin der Ausnahmecharakter der Vorschrift liegen soll. Möglicherweise ergibt sich ein solcher aus der Rechtsnatur des gerichtlich gebilligten Vergleichs. Wie bereits erwähnt, wird in der Literatur vereinzelt davon ausgegangen, dass es sich bei dem gerichtlich gebilligten Vergleich nicht um eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 36 Abs. 1 765
Siehe oben unter § 2. C. IV. 4. b), S. 77. In Bahrenfuss, § 36, Rdnr. 6. 767 So offenbar auch Rüntz (Bahrenfuss, § 36, Rdnr. 6), ohne allerdings ausdrücklich von einer Analogie zu sprechen. 768 Rechtsprechung und Literatur äußern sich nicht allgemein zu dieser Frage. Diskutiert wird eine (analoge) Anwendbarkeit des § 156 Abs. 2 FamFG auf andere Kindschaftssachen (siehe z. B. OLG Stuttgart, Beschl. v. 04. 03. 2014 – 11 UF 42/14 = ZKJ 2014, S. 334 [334] und Hornikel in Holzer, § 156, Rdnr. 10: kein gerichtlich gebilligter Vergleich über die elterliche Sorge; Bahrenfuss/Schlemm, § 156, Rdnr. 6: keine Erstreckung auf Regelungen über das Aufenthaltsbestimmungsrecht). 769 BeckOKFamFG/Schlünder, § 156, Rdnr. 9 (Stand: 01. 09. 2014). A. A. anscheinend Rünz (siehe Fn. 766, a. a. O.). 770 BeckOKFamFG/Schlünder, § 156, Rdnr. 9 (Stand: 01. 09. 2014). 766
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Satz 1 FamFG771, sondern um ein „Rechtsinstitut sui generis“ handele, welches Elemente eines Vergleichs und einer Endentscheidung beinhalte772. Trifft dies zu, liegt es nahe, § 156 Abs. 2 FamFG als analogieunfähige Ausnahmevorschrift anzusehen. Eine solche Deutung ist aber nicht überzeugend. Nicht nur widerspricht sie der Vorstellung des Gesetzgebers773 und dem Wortlaut der §§ 156 Abs. 2 Satz 1, 165 Abs. 4 Satz 2, 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG und des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB, die ausdrücklich von einem Vergleich sprechen. Es besteht auch kein Bedürfnis für eine solche. Zwar erhält die Beteiligtenvereinbarung erst durch die gerichtliche Billigung ihre Wirksamkeit774. Dies rechtfertigt es aber nicht, dem gerichtlich gebilligten Vergleich eine „ganz eigene Rechtsqualität“775 zuzusprechen. Die Situation entspricht in dieser Hinsicht vielmehr den Fällen, in denen die Wirksamkeit eines Vergleichsschlusses von der Zustimmung eines Dritten abhängt776. Auch in diesen Fällen ändert das Zustimmungserfordernis nicht die Rechtsnatur der Vereinbarung. In der Sache handelt es sich beim gerichtlich gebilligten Vergleich nicht um eine gerichtliche Entscheidung mit vereinbartem Inhalt, sondern, ebenso wie bei dem genehmigungsbedürftigen Vergleich in Landwirtschaftssachen, um einen verfahrensbeendenden Vertrag verbunden mit materiellen Regelungen777, deren Wirksamkeit lediglich unter der Bedingung einer gerichtlichen Billigung778 steht. Die Rechtsnatur des gerichtlich gebilligten Vergleichs steht einer analogen Anwendung des § 156 Abs. 2 FamFG daher nicht entgegen. Weiterhin könnte der angesprochenen Analogie das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegenstehen. Aufschlussreich ist insofern ein Blick 771 So die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG (BT-Drs. 16/6308, S. 166 r. Sp., 193 r. Sp.) und die ganz h. A., vgl. z. B. MünchKommFamFG/Ulrici § 36, Rdnr. 4; Keidel/Engelhardt, § 156, Rdnr. 11; Zorn in Bork/Jacoby/Schwab, § 156, Rdnr. 4; Borth/ Grandel in Musielak/Borth, § 156 FamFG, Rdnr. 5; Schael, FamRZ 2011, S. 865 (866) und auch Schlünder, FamRZ 2012, S. 9 (9). 772 Prütting/Helms/Hammer, § 156, Rdnr. 49. 773 Vgl. die Nachweise in Fn. 771. 774 Prütting/Helms/Hammer, § 156, Rdnr. 49; Keidel/Engelhardt, § 156, Rdnr. 11. 775 Prütting/Helms/Hammer, § 156, Rdnr. 49. 776 An der Vergleichbarkeit in diesem Punkt ändert auch sich auch nichts, wenn man mit der h. M. davon ausgeht, dass die §§ 182 ff. BGB nicht unmittelbar auf die Genehmigungen nach dem FamFG anwendbar sind (Staudinger/Veit [2014], § 1828 BGB, Rdnr. 8 [für die familiengerichtlichen Genehmigungen m. w. N.]). 777 Daran ändern auch die Problematiken, inwieweit sich die materielle Elternvereinbarung unter § 779 BGB subsumieren lässt und ob die §§ 104 ff. BGB auf diese anwendbar sind (jeweils ablehnend: Prütting/Helms/Hammer, § 156, Rdnr. 49 m. w. N.), nichts. Selbst wenn man dies verneinen sollte, zwingt das nach der hier vertretenen Trennungslehre nicht zur Annahme eines „Rechtsinstituts sui generis“ (a. A. auf Grundlage der Doppelnaturlehre Hammer, a. a. O.). Bereits oben wurde ausgeführt, dass ein Verfahrensvergleich nicht zwingend mit dem Abschluss eines materiell rechtlichen Vergleichs im Sinne des 779 BGB verbunden sein muss, sondern auch eine Verknüpfung mit anderen materiellen Rechtsgeschäften denkbar ist (siehe oben unter § 2 A. II. 1., S. 20 f. und in Fn. 179). 778 Zur Form dieser Billigung sogleich unten unter § 2. E. III. 2. b) bb), S. 125 f.
E. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis
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in die Gesetzgebungsgeschichte. Ursprünglich sah der Regierungsentwurf zum FGG-Reformgesetz die Möglichkeit zum Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleichs nur für Umgangsverfahren vor779. Zur Begründung des § 156 Abs. 2 RegE-FamFG hat die Bundesregierung – wie bereits erwähnt – angeführt, dass mit dieser Regelung der Anwendungsbereich des § 36 FamFG auf das Umgangsrecht ausgedehnt werde, welches nicht zur Disposition der Beteiligten stehe780. Vom Bundesrat wurde dann vorgeschlagen, die Möglichkeit des gerichtlich gebilligten Vergleichs auf alle Kindschaftssachen auszudehnen781. Der Bundesrat meinte, dass das in § 156 Abs. 1 Satz 1 RegE-FamFG vorgesehene Hinwirken auf ein Einvernehmen in Verfahren, die die elterliche Sorge, das Aufenthaltsrecht, den Umgang oder die Herausgabe eines Kindes betreffen, nur dann unproblematisch sei, wenn das Gericht das Ergebnis einer Einigung einer Kontrolle in Bezug auf das Kindeswohls unterziehen könne782. Es sei nicht ersichtlich, warum die gerichtliche Kontrollmöglichkeit auf das Umgangsverfahren beschränkt werden solle783. Sie habe der Sache nach in allen Kindschaftssachen zu gelten, daher solle die Figur des gerichtlich gebilligten Vergleichs auf alle Kindschaftssachen erstreckt werden784. Die Bundesregierung stimmte diesem Vorschlag nur insoweit zu, als er eine Ausdehnung des gerichtlich gebilligten Vergleichs auf das Herausgabeverfahren vorsah785. Ihre Ablehnung im Übrigen begründete sie damit, dass in Verfahren über das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder die elterliche Sorge der Abschluss eines Vergleichs ausgeschlossen sei, weil die Beteiligten diesbezüglich nicht disponieren könnten786. Insoweit würden die Vorschriften des materiellen Rechts gelten, nach denen die Übertragung der elterlichen Sorge an eine gerichtliche Entscheidung und an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sei787. Anders verhalte es sich bei Anträgen auf Herausgabe eines Kindes. Über die Herausgabe eines Kindes könnten die Beteiligten grundsätzlich disponieren, mithin sei 779
Vgl. § 156 RegE-FamFG (BT-Drs. 16/6308, S. 40, l. Sp.). die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 156 RegE-FamFG (BT-Drs. 16/6308, S. 237 l. Sp) und oben unter § 2. B. V., S. 39. 781 Vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 376 l. Sp. 782 BT-Drs. 16/6308, S. 376 l. Sp. 783 BT-Drs. 16/6308, S. 376 l. Sp. Der Einwand des Bundesrates resultierte wohl daraus, dass die Pflicht des Gerichtes auf ein Einvernehmen hinzuwirken nach der ursprünglichen Fassung des § 156 Abs. 1 Satz 1 RegE-FamFG auch dann zum Tragen kommen sollte, wenn die Hinwirkung dem Kindeswohl widersprechen würde. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat dieses Problem dann durch die Einfügung des letzten Halbsatzes in § 156 Abs. 1 Satz 1 FamFG behoben (vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/9733, S. 293 r. Sp). 784 BT-Drs. 16/6308, S. 376 l. Sp. 785 Vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drs. 16/6308, S. 414 l. Sp). 786 BT-Drs. 16/6308, S. 414 l. Sp. 787 BT-Drs. 16/6308, S. 414 l. Sp. 780 Vgl.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
diesbezüglich Raum für einen gerichtlich gebilligten Vergleich788. Der Rechtsauschuss des Bundestags hat sich der Bundesregierung angeschlossen789. Die Äußerungen der Bundesregierung zeigen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 156 Abs. 2 FamFG offenbar von abgestuften Einschränkungen der materiellen Dispositionsbefugnis der Beteiligten ausging: Wenn das materielle Recht vorsieht, dass ein rechtsgestaltender Akt wie die Entziehung der Sorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts nur durch gerichtliche Entscheidung erfolgen kann, also ein Anordnungsvorbehalt im bereits beschriebenen Sinn790 gegeben ist, soll für eine (bindende791) Beteiligtenvereinbarung generell kein Raum sein. Eine Anwendung des § 156 Abs. 2 FamFG in diesen Fällen würde mithin dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufen. Insofern ist daher in der Tat eine Analogie ausgeschlossen792. Eine weniger starke Einschränkung der Regelungsfreiheit besteht hingegen nach der Vorstellung des Gesetzgebers in den Fällen des Kindesumgangs und der Kindesherausgabe. In diesen ist nach dem materiellen Recht eine verbindliche und vollstreckbare Beteiligtenvereinbarung über den Regelungsgegenstand zwar möglich. Ohne gerichtliche Prüfung soll die Vereinbarung aber keine Verbindlichkeit und Vollstreckungsfähigkeit erlangen. In der Sache wollte der Gesetzgeber daher mit § 156 Abs. 2 Satz 1 FamFG einen Genehmigungsvorbehalt oben beschriebenen Sinn793 einführen, wie er nach materiellem Recht im auch in anderen Fällen besteht794. Diese Regelung hätte mithin auch im materiellen Recht erfolgen können. Sie befindet sich im FamFG, weil der Gesetzgeber mit ihr an die Vorgängerregelung des § 52a Abs. 4 Satz 3 FGG anknüpfen wollte795 und sie überdies in engem Zusammenhang mit dem in § 156 Abs. 1 FamFG geregelten Auftrag an das Gericht auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken steht. In der Sache wurde der Genehmigungsvorbehalt dadurch mit einer verfahrensrechtlichen Ermächtigung und Verpflichtung des Gerichts zur Vornahme der benötigten Billigung/ 788
BT-Drs. 16/6308, S. 414 l. Sp. Vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 16/9733, S. 293 r. Sp). 790 Siehe oben unter § 2. E. III. 1., S. 114 ff. 791 Über den Aufenthalt eines Kindes können die Beteiligten sehr wohl Vereinbarungen treffen (Bahrenfuss/Schlemm, § 156, Rdnr. 6). Diese sind dann aber nicht vollstreckungsfähig (Schlemm, a. a. O.) und binden das Gericht nicht. 792 Daher ist den in Fn. 768 Genannten insoweit zuzustimmen. Es stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen eine Endentscheidung getroffen werden kann, die der Beteiligtenvereinbarung entspricht (befürwortend: Bumiller in Bumiller/Harders, § 156, Rdnr. 9 a. E.; Borth/Grandel in Musielak/Borth, § 36 FamFG, Rdnr. 3). Dies wird man grundsätzlich zu bejahen haben. Im Einzelnen ist hier noch manches ungeklärt, etwa das Verhältnis von Endentscheidung und Beteiligtenvereinbarung bei Wirksamkeitsmängeln von letzterer. Dem kann im Rahmen dieser Darstellung nicht näher nachgegangen werden. 793 Siehe unter § 2. E. III. 2. a), S. 120. 794 Vgl. etwa die oben unter § 2. E. III. 2. a), S. 120 genannten Beispiele. 795 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 156 RegE-FamFG (BT-Drs. 16/6308, S. 237 l. Sp). 789
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Genehmigung bei einer Genehmigungsfähigkeit derselben verknüpft. Ein Wille des Gesetzgebers, der ausschließen würde, dass die Regelung des § 156 Abs. 2 FamFG hinsichtlich dieses zweiten Aspekts in Fällen, in denen nach materiellem Recht nur ein Genehmigungs- aber kein Anordnungsvorbehalt besteht, entsprechend angewendet werden kann, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht. Insofern ist mithin auch eine planwidrige Regelungslücke gegeben. Im Ergebnis spricht nach all dem nichts gegen eine entsprechende Anwendung der §§ 156 Abs. 2 FamFG, 19 LwVG. Treffen die Beteiligten im Rahmen einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung materielle Regelungen, für die ein gerichtlicher Genehmigungsvorbehalt im Sinne des § 36a Abs. 3 FamFG besteht, kann – und gegebenenfalls muss796 – das Gericht des jeweiligen Verfahrens die benötigte Genehmigung analog §§ 156 Abs. 2 FamFG, 19 LwVG erteilen. Dabei braucht sich der Gegenstand der zu genehmigenden Vereinbarung nicht mit dem Verfahrensgegenstand zu überschneiden797. Da nach dem Justizgewährungsanspruch das Gericht aber nicht verpflichtet ist, eine Genehmigung außerhalb des hierfür vorgesehenen Verfahrens zu erteilen798, steht in diesem Fall die Überprüfung der Vereinbarung auf ihre Genehmigungsfähigkeit im Ermessen des Gerichts. Dieses kann etwa die Überprüfung ablehnen, wenn es die Durchführung eines gesonderten Verfahrens für zweckmäßiger erachtet. bb) Form der Genehmigung/Billigung
Lässt man die gerichtliche Genehmigung der Beteiligtenvereinbarung in der soeben beschriebenen Weise analog §§ 156 Abs. 2 FamFG, 19 LwVG zu, stellt sich in der Folge die Frage, in welcher Form diese zu erfolgen hat. Im Rahmen der direkten Anwendung des § 156 Abs. 2 FamFG ist sehr umstritten, ob es eines ausdrücklichen Billigungsbeschlusses bedarf799 oder das Gericht seinen Billigungswillen bereits durch die Aufnahme des Vergleichs in 796
Näheres hierzu sogleich unten unter cc), S. 126 f. So der BGH (Urt. v. 18. 06. 1999 – V ZR 40–98 = NJW 1999, S. 2806 [2808]) zu Recht für § 19 LwVG. Die zu § 19 LwVG ebenfalls vertretene a. A. (vgl. Barnstedt/Steffen [6. Aufl.], § 19 LwVG, Rdnrn. 7, 11, 23) verkennt, dass die materielle Vereinbarung und der Verfahrensbeendigungsvertrag von einander getrennt werden müssen (siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3., S. 28 ff.). Überdies schränkt sie den Anwendungsbereich des § 19 LwVG unnötig ein (BGH, a. a. O.). 798 Vgl. hierzu auch den bereits erwähnten Beschluss des BGH vom 03. 08. 2011 (siehe oben unter § 2. C. V. 2. a) aa), S. 83 und in Fn. 502, a. a. O.) nach dem aufgrund des Justizgewährungsanspruchs das Gericht nur dann zur Aufnahme einer materiellen Vereinbarung in das Protokoll verpflichtet ist, wenn diese den Streitgegenstand betrifft und ihm andernfalls ein Ermessen zukommt (BGHZ 191, S. 1 [5 f., Rdnrn. 15 f.]). Dieser Gedanke ist auf die Erteilung von gerichtlichen Genehmigungen übertragbar. Überdies kann es auch sinnvoll sein, dass die Überprüfung der Vereinbarung gerade von dem an sich zuständigen Gericht (z. B. einem Familiengericht) vorgenommen wird, etwa wenn dieses die Verhältnisses der Beteiligten besser kennt als das Gericht des anhängigen Verfahrens. 799 So z. B: OLG Hamm, Beschl. v. 07. 08. 2014 – 10 UF 115/14 –, Rdnr. 7, zitiert nach juris; AG Ludwigslust: Beschl. v. 19. 11. 2009 – 5 F 283/09 = FamRZ 2010, S. 488 (490); 797
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das Protokoll hinreichend zum Ausdruck bringt800. Das Gesetz schweigt hierzu801 und auch der Gesetzgeber hat sich zu diesem Punkt nicht geäußert. Die besseren Argumente sprechen für die letztgenannte Ansicht. Ein Gericht, das im Rahmen einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung einen Vergleich ohne weitere Hinweise zu Protokoll nimmt, bringt damit hinreichend zum Ausdruck, dass es den Vergleichsschluss billigt802. Ist das Gericht der Auffassung, dass die Vereinbarung dem Kindeswohl widerspricht, muss es die Beteiligten gemäß § 28 Abs. 1 FamFG darauf hinweisen, dass es eine Billigung ablehnt und das Verfahren nicht beendet ist803. Eine Protokollierung der Vereinbarung braucht804 und sollte es in diesem Fall nicht vornehmen. Auch § 86 Abs. 1 FamFG, der hinsichtlich der Vollstreckungstitel zwischen gerichtlichen Beschlüssen und gerichtlich gebilligten Vergleichen differenziert, spricht gegen die Notwendigkeit eines ausdrücklichen Billigungs- oder Genehmigungsbeschlusses805. Die soeben dargelegten Argumente gelten entsprechend im Rahmen einer analogen Anwendung der §§ 156 Abs. 2 FamFG, 19 LwVG im Falle des Bestehens eines Genehmigungsvorbehaltes im oben beschrieben Sinn806. Ein ausdrücklicher Genehmigungsbeschluss ist daher auch in dieser Situation nicht erforderlich, es genügt, dass das Gericht die Vereinbarung zu Protokoll nimmt. cc) Vorgehen bei Verweigerung der Genehmigung/Billigung
Verweigert das Gericht in einem Fall, in dem den Beteiligten die Beendigungsbefugnis zusteht, die Genehmigung einer materiellen Beteiligtenvereinbarung analog §§ 156 Abs. 2 Satz 1 FamFG, 19 LwVG, hängt es, vom Willen der Beteiligten ab, ob das Verfahren vom Gericht fortzuführen ist oder durch Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG beendet wird807. Bleiben die Keidel/Engelhardt, § 156, Rdnr. 13; Hammer, FamRZ 2011, S. 1268 (1271); Cirullies, ZKJ 2011, S. 448 (450 f.). 800 So z. B. OLG Nürnberg, Beschl. v. 28. 04. 2011 – 7 UF 487/11 = NJW 2011, S. 2816 (2817); Haußleiter, NJW-Spezial 2011, S. 68 (68); Schael, FamRZ 2011, S. 865 (866 f.); Heilmann, NJW 2012, S. 887 (889). Differenzierend: OLG Schleswig, Beschl. v. 30. 12. 2011 - 10 UF 230/11 = NJOZ 2012, S. 1245 (1246), nach dem eine Aufnahme in das Protokoll jedenfalls dann genügt, wenn das Gericht damit deutlich macht, dass es das Verfahren als beendet ansieht und eine eigene Entscheidung über die Billigung getroffen hat. Ähnlich OLG Naumburg, Beschl. v. 11. 08. 2011 – 3 UF 170/11 –, Rdnr. 3 (zitiert nach juris). 801 BeckOKFamFG/Schlünder, § 156, Rdnr. 18 (Stand: 01. 09. 2014). 802 Schael, FamRZ 2011, S. 865 (866 f.). 803 OLG Schleswig, Beschl. v. 30. 12. 2011 (siehe Fn. 800, a. a. O.). 804 Schael, FamRZ 2011, S. 865 (866 f.). Das Gericht kann die geplante Vereinbarung, die Verweigerung der entsprechenden Genehmigung und die Gründe für die Verweigerung in der dann u. U. zu treffenden Endentscheidung wiedergeben (Schael, FamRZ 2011, S. 865, S. 867); siehe auch sogleich unten unter cc). 805 Haußleiter, NJW-Spezial 2011, S. 68 (68). 806 Vgl. Ausführungen unter § 2. E. III. 2. a), S. 120. 807 Verfahrensvergleich und materielle Beteiligtenvereinbarung sind zu trennen und können unabhängig voneinander wirksam sein (ausführlich oben unter § 2. A. II. 3., S. 28 ff.).
F. Vollstreckungsfähigkeit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG
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Beteiligten nach entsprechendem richterlichem Hinweis dabei, dass sie eine Verfahrensbeendigung durch Verfahrensvergleich wünschen, hat das Gericht diesen (nicht aber die materielle Beteiligtenvereinbarung808) nach §§ 36 Abs. 2, 159 ff. ZPO zu protokollieren oder einen entsprechenden Beschluss gemäß §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO zu erlassen. Andernfalls geht das Verfahren weiter und wird durch Endentscheidung abgeschlossen. In Zweifelsfällen ergibt sich aus einer (analogen) Anwendung des § 139 BGB die Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs809. Ob die Beteiligten gegen die Endentscheidung erfolgreich Beschwerde einlegen können, hängt davon ab, ob die gerichtliche Genehmigung zu Unrecht verweigert wurde. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Beteiligten einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung haben. Diesbezüglich ist zu beachten, dass nach herrschender Auffassung die Erteilung der Genehmigung bei Bestehen eines Genehmigungsvorbehalts zumeist im Ermessen des Gerichts liegt810. Folgt man dem, kann ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null bestehen811. Des Weiteren können die Beteiligten mit der Beschwerde Ermessensfehler des Ausgangsgerichts bei der Verweigerung der Genehmigung rügen und so unter Umständen die Erteilung der Genehmigung erreichen.
F. Vollstreckungsfähigkeit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Bereits angesprochen wurde, dass § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nur insoweit auf § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verweist, als „die Beteiligten über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können“812. Insofern entspricht der Wortlaut dieser Vorschrift dem des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Der Gesetzgeber hat nicht nur den Vergleichsschluss selbst, sondern auch die Vollstreckbarkeit eines geschlossenen Vergleichs von einer Verfügungsbefugnis der Beteiligten abhängig machen 808
Vgl. soeben unter bb), S. 125 f. Siehe bereits oben unter § 2. A. II. 1., S. 22 f. mit Fn. 122, 123 und 124. 810 Siehe allgemein z. B. Schuhmann, Ermessen, S. 132 f. Für die vormundschaftlichen Genehmigungen vgl. auch z. B. BGH, Urt. v. 22. 05. 1986 – III ZR 237/84 = NJW 1986, S. 2829 (2830); Urt. v. 06. 10. 1994 = NJW-RR 1995, S. 248 (249); BayObLG, Beschl. v. 06. 07. 1995 – 1Z BR 157/94 = BayObLGZ 1995, S. 230 (236 f.); OLG Jena, Beschl. v. 22. 03. 2013 – 2 WF 26/13 = ZEV 2013, S. 521 (523), jeweils m. w. N. A. A. hingegen OLG Karlsruhe, Beschl. v. 08. 05. 1973 – 5 W 120/72 = FamRZ 1973, S. 378 (379); Staudinger/Veit (2014), § 1828 BGB, Rdnr. 17; MünchKommBGB/Wagenitz (Band 8), § 1828, Rdnr. 15, nach denen es sich bei dem zu überprüfendem Kindeswohl um einen unbestimmten Rechtsbegriff handeln soll, dessen richtige Anwendung im Rechtsmittelverfahren voll überprüfbar sei. 811 Ob diese im Verwaltungsrecht mittlerweile im Ergebnis weitgehend anerkannte Rechtsfigur (vgl. nur Gern, DVBl 1987, S. 1194 [1194 ff.] und Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 [214 ff.], jeweils m. w. N.) auch im FamFG zur Anwendung kommen kann, wird bislang kaum diskutiert, erscheint aber möglich. 812 Siehe oben unter § 2. A. III. 2., S. 32. 809
128
§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
wollen813. Welche Konsequenzen aus dieser Doppelung zu ziehen sind, wird bislang kaum diskutiert814. Um diese Frage beantworten zu können, ist vorab zu klären, welchen Inhalt das von § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG geforderte Tatbestandsmerkmal der Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand hat. Da die von § 36 Abs. 1 Satz 1 geforderte Verfügungsbefugnis nach hiesigem Verständnis die Befugnis zur Verfahrensbeendigung ist815, stellt sich die Frage, ob auch der wortlautgleiche § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG so verstanden werden kann. In einem zweiten Schritt kann dann davon ausgehend untersucht werden, in welchem Verfahren von welchem Organ das Bestehen der Verfügungsbefugnis im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu prüfen ist.
I. Bedeutung des Tatbestandsmerkmals der Verfügungsbefugnis 1. Meinungsstand Überwiegend geht die Literatur davon aus, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 und § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Verfügungsbefugnis die gleichen Anforderungen aufstellen816. Dementsprechend wird die Verfügungsbefugnis auch im Rahmen des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG als eine Kombination aus Beendigungsbefugnis und materieller Regelungsbefugnis verstanden817. Von denjenigen, die das Verfügenkönnen im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG als das Innehaben einer materiellen Regelungsbefugnis verstehen818, äußert sich lediglich Feskorn zu § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG819. Dieser hält die Schaffung eines Vollstreckungstitels nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG in Amtsverfahren für nicht möglich820. Demgegenüber soll sich die Zulässigkeit eines Vergleichs gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG unabhängig von der Art der 813
l. Sp.
814
Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG, BT-Drs. 16/6308, S. 217
Siehe zu den Ausnahmen sogleich unten unter § 2. F. II., S. 132. Siehe oben unter § 2. C. II 3., S. 46 ff. 816 So z. B. MünchKommFamFG/Zimmermann, § 86, Rdnr. 19; Borth/Grandel in Musielak/Borth, § 86 FamFG, Rdnr. 3. Ebenso in der Sache: Keidel/Giers, § 86, Rdnr. 12; Bahrenfuss/Hentschel, § 86, Rdnr. 5 mit Fn. 10; Althammer in Bork/Jacoby/Schwab, § 86, Rdnr. 5; Prütting/Helms/Hammer, § 86, Rdnr. 17 und Haußleiter/Gomille, § 86, Rdnr. 9, die zwar nicht ausdrücklich von einer Kongruenz beider Vorschriften in dieser Hinsicht sprechen, aber auf die Ausführungen zu § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG verweisen, mithin offenbar von einer solchen ausgehen. 817 So z. B. MünchKommFamFG/Zimmermann, § 86, Rdnrn. 21 f.; Keidel/Giers, § 86, Rdnr. 12; BeckOKFamFG/Sieghörtner, § 86, Rdnr. 11 (Stand: 01. 09. 2014); Althammer in Bork/Jacoby/Schwab, § 86, Rdnr. 5. 818 Vgl. die Nachweise in Fn. 275. 819 In: Zöller, § 86 FamFG, Rdnr. 4. 820 In: Zöller, § 86 FamFG, Rdnr. 4. 815
F. Vollstreckungsfähigkeit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG
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Verfahrenseinleitung allein nach dem materiellen Recht richten821. Dies deutet darauf hin, dass Feskorn möglicherweise den Begriff der Verfügungsbefugnis in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG anders versteht als den in § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG. Eindeutig lässt sich dies aber nicht feststellen.
2. Wortlaut und Entstehungsgeschichte Die Wortlautgleichheit beider Vorschriften spricht auf den ersten Blick dafür, dass beide Vorschriften inhaltlich identische Anforderungen stellen. Zudem scheint die Entstehungsgeschichte des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG in diese Richtung zu weisen. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird angemerkt, dass die in § 794 Abs. 1 ZPO genannten Titel, soweit sie auf Vereinbarungen beruhten, wie dies etwa in § 794 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4b ZPO der Fall sei, gleichwohl nur als Vollstreckungstitel in Betracht kämen, soweit die Beteiligten „über den Verfahrensgegenstand verfügen können“822. Auch in der Entwurfsbegründung zu § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG wird ausgeführt, dass ein Vergleichsschluss immer dann zulässig sei, wenn die Beteiligten über den Verfahrensgegenstand verfügen können823. Dies legt nahe, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Möglichkeit, einen Vergleich zu schließen, und dessen Vollstreckungsfähigkeit in gleicher Weise von dem Bestehen einer Verfügungsbefugnis der Beteiligten abhängen. Dafür spricht auch, dass die Entwurfsbegründung auf Meyer-Holz824 verweist825. Dieser behandelt in der entsprechenden Belegstelle nicht die Vollstreckungsfähigkeit geschlossener Vergleiche, sondern die Zulässigkeit des Vergleichsschlusses826. Zwingend ist die Entstehungsgeschichte in diesem Punkt aber nicht. Interessanterweise fehlte im dem die Vollstreckungstitel behandelnden § 97 des 2006 vorgelegten Referentenentwurfs zum FGG-RG827 der Hinweis auf das Erfordernis der Verfügungsbefugnis. In dem auf der Grundlage des Referentenentwurfs erstellten Regierungsentwurf des FGG-RG vom Mai 2007 findet sich dann in § 86 Abs. 1 Nr. 3 RegE-FamFG828 erstmals die heute geltende Formulierung. Zwischenzeitlich hatte Giers in einer Besprechung der Vollstreckungsvorschriften des Referentenentwurfs darauf hingewiesen, dass 821 Siehe Zöller/Feskorn, § 36 FamFG, Rdnr. 2, wobei in Amtsverfahren die dort zu wahrenden objektiven Interessen meist gegen eine Dispositionsfähigkeit der Beteiligten sprechen sollen. 822 BT-Drs. 16/6308, S. 217. 823 Vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 193 r. Sp. 824 In: Keidel (15. Aufl.), Vor. §§ 8–18 FGG, Rdnr. 24. 825 BT-Drs. 16/6308, S. 217. 826 In: Keidel (15. Aufl.), a. a. O. 827 Der ergänzte Referentenwurf vom 14. 02. 2006 ist abrufbar unter: http://beck-aktuell. beck.de/sites/default/files/rsw/upload/Beck_Aktuell/FamFG_Entwurf.pdf (zuletzt abgerufen am 18. 12. 2014). 828 BT-Drs. 16/6308, S. 29.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
die in § 794 Abs. 1 ZPO aufgeführten Titel, soweit sie wie Vergleiche und vollstreckbare Urkunden auf Vereinbarungen beruhen, von der Verfügungsbefugnis der Vergleichsparteien abhängig seien829. Er sprach sich dafür aus, diese „ungeschriebene Einschränkung“ in den Text des § 97 RefE-FamFG aufzunehmen, „um Auslegungsproblemen vorzubeugen“830. Es lässt sich nicht ermitteln, ob sich die Bundesregierung bei der Textänderung von der Aufforderung Giers leiten ließ, es liegt aber sehr nahe. Wenn Giers jedoch von der „Verfügungsbefugnis der Parteien“ spricht, meint er offenbar nicht die Befugnis, das Verfahren zu beenden. Diese Befugnis ist in der von Dispositionsfreiheit beherrschten streitigen Zivilgerichtsbarkeit stets gegeben und kann daher nicht als Einschränkung des § 794 ZPO angesehen werden. Zudem ist sie für die von ihm angeführten vollstreckbaren Urkunden ohne Bedeutung, da es hier an einem Verfahren fehlt, das beendet werden müsste. Hingegen müssen die Beteiligten wenn sie einen auf Vereinbarung beruhenden vollstreckbaren Titel schaffen wollen, materiell befugt sein, entsprechende Verpflichtungen zu schaffen. Diese materielle Regelungsbefugnis kann man mit Giers als „ungeschriebene Einschränkung“ der in § 794 Abs. 1 ZPO genannten, auf Vereinbarungen beruhenden Vollstreckungstitel ansehen. Sie hat einen anderen Charakter als die in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG angesprochene Beendigungsbefugnis. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat der Gesetzgeber diesen Unterschied verkannt, als er die Textänderung vornahm. Die Wortlautgleichheit beruht daher wohl auf einem Versehen des Gesetzgebers, eine eindeutige Regelungsabsicht ist jedenfalls nicht zu erkennen.
3. Telelogische Analyse Aufschlussreicher ist eine teleologische Betrachtung. § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG befasst sich als verfahrensrechtliche Vorschrift nur mit dem Verfahrensgleich831. Insofern müssen die Beteiligten, wie bereits ausgeführt, die Beendigungsbefugnis gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG haben832. Diese besteht grundsätzlich, es sei denn, dass das Gericht ausnahmsweise zum Schutz Dritter oder zur Wahrung öffentlicher Interessen auch gegen den Willen der Beteiligten weiter tätig sein und entscheiden darf 833. Die Befugnis, einen Vollstreckungstitel zu schaffen, schießt aber über die Verfahrensbeendigung hinaus. Hier geht es nicht um die Abwehr eines staatlichen Verfahrens, sondern um eine (potentielle) Inanspruch829
FGPrax 2006, S. 195 (195). FGPrax 2006, S. 195 (195). 831 Zutreffend Haußleiter/Gomille, § 36, Rdnr. 1. Der Verfahrensvergleich wird im Rahmen dieser Darstellung als reiner Verfahrensbeendigungsvertrag verstanden, siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 30. 832 Siehe bereits oben unter § 2. C. II. 3., S. 46 ff. 833 Ausführlich hierzu oben unter § 2. C. IV. 1., S. 54 ff. 830
F. Vollstreckungsfähigkeit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG
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nahme staatlicher Gewalt durch die dann gegebenenfalls vollstreckende Vergleichspartei. Diese Inanspruchnahme ist nur insoweit gerechtfertigt, als die zu vollstreckende Verpflichtung sich innerhalb dessen hält, was privatautonom vereinbart werden kann. Trotz Bestehens einer uneingeschränkten Beendigungsbefugnis im konkreten Verfahren können die Beteiligten nicht materiellrechtliche Regelungen beliebigen Inhalts treffen. Dies zeigt sich etwa in den Haushaltssachen gemäß § 200 Abs. 2 FamFG. In diesen können die Ehegatten, die im Laufe eines Verfahrens zu der Überzeugung gekommen sind, das Verfahren beenden zu wollen, einen Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG schließen. Das Gericht kann das Verfahren nicht gegen den Willen der Ehegatten weiter betreiben. Die Ehegatten haben in diesen Verfahren eine unbeschränkte Beendigungsbefugnis gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Ob sie auch vollstreckbare materiell-rechtliche Vereinbarungen über die Haushaltsgegenstände treffen können, ist eine andere Frage. In dieser Hinsicht setzen die §§ 134, 138 BGB der Regelungsfreiheit der Beteiligten Grenzen834. Schließen die Ehegatten etwa eine sittenwidrige Überlassungsregelung, ist diese unwirksam. Das Gericht darf eine solche Regelung nicht zu Protokoll nehmen oder deren Zustandekommen durch Beschluss feststellen835. Erfolgt dies dennoch, sind die materiellen Regelungen unwirksam, mithin fehlt es an einem wirksamen Vollstreckungstitel836.
4. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzustellen, dass die von § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG geforderte Verfügungsbefugnis einen anderen Inhalt hat als die in § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG normierte. Zur Schaffung eines Vollstreckungstitels benötigen die Beteiligten sowohl eine Beendigungsbefugnis für das konkrete Verfahren als auch die materiell-rechtliche Befugnis, entsprechende inhaltliche Regelungen zu treffen. Dementsprechend setzt sich die von § 86 Abs. 1 Nr. 1 FamFG geforderte Verfügungsbefugnis aus diesen beiden Elementen zusammen. Damit ist der herrschenden Ansicht837 im Ergebnis zuzustimmen.
834 Staudinger/Voppel (2012), § 1361a BGB, Rdnr. 44.
835 Das Gericht hat die materiellen Regelungen auf ihre Wirksamkeit hin, insbesondere Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit, zu überprüfen. Zur Begründung siehe bereits oben in Fn. 296. 836 Vollstreckungstitel ist nicht der Verfahrensvergleich, sondern die gemäß der Form der §§ 36 Abs. 2 FamFG, 159 ff. ZPO protokollierte oder gemäß §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO in einen feststellenden Beschluss aufgenommene materiell-rechtliche Vereinbarung (siehe oben unter § 2. A. III. 2., S. 32). Zur Behandlung eines aufgrund mangelnder Verfügungsbefugnis unwirksamen Vollstreckungstitels im Klausel- und Vollstreckungsverfahren sogleich unten unter § 2. F. II. 3., 4. und 5., S. 134 ff. 837 Vgl. oben unter § 2. F. I. 1., S. 128 m. N. in Fn. 816, 817 und 820.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
II. Überprüfung der Verfügungsbefugnis Soweit ersichtlich, äußern sich lediglich Rüntz838 und Zimmermann839 zu den Konsequenzen, die daraus folgen, dass § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG das Bestehen einer Verfügungsbefugnis verlangt. Rüntz geht aufgrund der Gesetzesfassung davon aus, dass eine doppelte Prüfung der Verfügungsbefugnis stattzufinden habe840. Von wem und in welchem Verfahren eine solche Prüfung vorzunehmen ist, führt Rüntz nicht aus. Nach Zimmermann darf bei Fehlen der Dispositionsbefugnis im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG841 aus einem Vergleich nicht vollstreckt werden842. Daher sei die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu versagen843. Sofern die Erteilung einer Vollstreckungsklausel nicht erforderlich sei, habe das Vollstreckungsorgan ein Tätigwerden abzulehnen844.
1. Überprüfung im Verfahren bei Vergleichsschluss Mit der Feststellung, dass die Verfügungsbefugnis im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sowohl die Beendigungsbefugnis als auch eine materiell-rechtliche Regelungsbefugnis erfordert, ist noch nicht geklärt, von wem und in welchem Verfahren dieses Tatbestandsmerkmal zu prüfen ist. In erster Linie ist hier das Gericht gefragt, vor dem der Vergleich abgeschlossen wird. Es hat sowohl zu prüfen, ob die Beteiligten das Verfahren wirksam beenden können, als auch, ob die materiell-rechtlichen Regelungen wirksam sind845. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vergleichsvorschlag vom Gericht oder von den Beteiligten stammt846. Fehlt den Beteiligten die materiell-rechtliche Befugnis, vollstreckbare Regelungen zu treffen, hat sie das Gericht gemäß § 28 Abs. 1 FamFG 838
In: Bahrenfuss, § 36, Rdnr. 3. In: MünchKommFamFG, § 86, Rdnr. 23. 840 Bahrenfuss, § 36, Rdnr. 3. 841 Zimmermann versteht die Verfügungsbefugnis im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG als eine Kombination aus Beendigungsbefugnis und materieller Regelungsbefugnis (vgl. MünchKommFamFG, § 86, Rdnr. 21 ff.). 842 MünchKommFamFG, § 86, Rdnr. 23. 843 MünchKommFamFG, § 86, Rdnr. 23. 844 MünchKommFamFG, § 86, Rdnr. 23. Indes wird bei einem Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 FamFG die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 86 Abs. 3 FamFG nur sehr selten entbehrlich sein. Denn eine Entbehrlichkeit der Vollstreckungsklausel wird durch § 86 Abs. 3 FamFG nur für den Fall angeordnet, dass das Gericht die Vollstreckung selbst betreibt. Eine gerichtliche Vollstreckung ist aber nur in Amtsverfahren und unechten Antragsverfahren möglich, § 87 Abs. 1 S. 1 FamFG. Selbst in diesen Verfahren dürfte es aber kaum vorkommen, dass das Gericht die Vollstreckung anstelle der Vergleichsparteien betreibt. Überdies erscheint zweifelhaft, ob es sich bei dem Vergleich um einen Vollstreckungstitel handelt, der vom Gericht gemäß § 86 Abs. 3 FamFG erlassen worden ist. 845 Siehe bereits die Ausführungen oben unter § 2. C. II. 3., S. 49 und in Fn. 296. 846 Vgl. die Gesetzesbegründung zu § 278 Abs. 6 ZPO, BT-Drs. 15/3482, S. 17 l. Sp. und Keidel/Meyer-Holz, § 36, Rdnrn. 38, 35. 839
F. Vollstreckungsfähigkeit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG
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darauf hinzuweisen und zu klären, ob die Beteiligten dennoch eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung, gegebenenfalls verbunden mit entsprechend veränderten materiellen Vereinbarungen, wünschen.
2. Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens Indes ist es denkbar, dass dem Gericht bei der Prüfung der Verfügungsbefugnis gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Fehler unterlaufen, die dazu führen, dass nur scheinbar ein wirksamer Vollstreckungstitel vorliegt. Etwa weil das Gericht verkennt, dass eine Beendigungsbefugnis der Beteiligten im konkreten Verfahren nicht besteht oder weil es die getroffenen materiell-rechtlichen Regelungen zu Unrecht als wirksam erachtet. Es stellt sich dann die Frage, wie ein solcher Scheinvergleich zu behandeln ist. Diesbezüglich ist zu differenzieren: Zumeist wird bei einem Fehlen der Verfügungsbefugnis im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG auch der Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG unwirksam sein. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Beendigungsbefugnis nicht gegeben ist. Scheitert die Schaffung eines Vollstreckungstitels am Mangel einer materiellen Regelungsbefugnis, wird zumeist aufgrund des Verknüpfungswillens der Vergleichsparteien die Unwirksamkeit der materiellen Regelungen die Unwirksamkeit des Verfahrensvergleichs nach sich ziehen847. In einem solchen Fall kann, wie bereits ausgeführt, dass ursprüngliche Verfahren fortgesetzt werden848. Um möglichen Nachteilen aufgrund einer drohenden oder fortgesetzten Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich entgegenzuwirken, sollte dem Gericht die Möglichkeit zugestanden werden, diese in analoger Anwendung der §§ 95 Abs. 1 bis 3 FamFG, 707, 719, 769 ZPO vorläufig einzustellen849. Hingegen scheidet eine Fortsetzung des alten Verfahrens aus, wenn bei Fehlen der materiellen Regelungsbefugnis der Verfahrensvergleich aufgrund eines entsprechenden Willens der Vergleichsparteien trotz Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels wirksam ist850. Dies ist möglich, weil es sich, wie bereits 847
Siehe bereits oben unter § 2. A. II. 1., S. 22 f. Siehe bereits oben unter § 2. A. II. 2., S. 27 und § 2. C. V. 1., S. 80 ff. m. w. N. 849 So zu Recht für den Prozessvergleich z. B. BGH, Urt. v. 29. 09. 1958 – VII ZR 198/57 = NJW 1958, S. 1970 (1971); Urt. v. 16 12.1970 – VIII ZR 85/69 = NJW 1971, S. 467 (468); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 130, IV 1 a, Rdnr. 49. Zu gleichen Ergebnis kommt man über eine (doppelt) analoge Anwendung des § 93 FamFG, der in seinem Abs. 1 den §§ 707, 719 ZPO entspricht (zu letzterem Aspekt siehe nur MünchKommFamFG/Zimmermann, § 93, Rdnr. 1). 850 Etwa wenn im materiellen Vergleich vollstreckbare Regelungen über Gegenstände außerhalb des Verfahrens getroffen werden und den Beteiligten nur insofern die materielle Regelungsbefugnis fehlt (vgl. MünchKommFamFG/Ulrici, § 36, Rdnr. 23 [ohne Bezug zu § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG]). Zur Möglichkeit eines Vollstreckungsabwehrantrags in einem solchen Fall siehe unten unter § 2. F. II. 6., S. 138 f. 848
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
ausgeführt, bei dem Verfahrensvergleich und den materiellen Regelungen um voneinander zu trennende Tatbestände handelt851 und § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG für den Abschluss eines Verfahrensvergleichs nur eine Beendigungsbefugnis der Vergleichsparteien fordert852.
3. Überprüfung im Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel? Weiterhin ist zu klären, wie ein aufgrund mangelnder Verfügungsbefugnis unwirksamer Vollstreckungstitel853 im Klauselerteilungsverfahren und der anschließenden Zwangsvollstreckung zu behandeln ist. Zimmermann folgert aus § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, dass bei fehlender Dispositionsbefugnis die Erteilung einer gemäß § 86 Abs. 3 FamFG erforderlichen854 Vollstreckungsklausel zu versagen sei855. Verweigert werden darf die Erteilung der Vollstreckungsklausel indes nur dann, wenn die Nichtigkeit des Vergleichs infolge fehlender Verfügungsbefugnis vom klauselerteilenden Urkundsbeamten oder Rechtspfleger856 zu beachten ist. Dies setzt voraus, dass es sich bei der Verfügungsbefugnis gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG um ein im Klauselerteilungsverfahren zu überprüfendes Tatbestandsmerkmal handelt. Sowohl der Wortlaut als auch die systematische Stellung des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu Beginn des die Vollstreckung behandelnden 8. Abschnitts des Allgemeinen Teils deuten in diese Richtung. Indes entspricht das Verfahren zur Klauselerteilung in FamFG-Sachen dem in Sachen der streitigen Gerichtsbarkeit857. Dort wird das Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel aber lediglich als ein formeller Akt zur Vorbereitung der Zwangsvollstreckung verstanden858. Um den Vollstreckungsorganen die Tätigkeit zu erleichtern, soll das die Klausel erteilende Organ anhand der Verfahrensakten überprüfen, ob ein formal ordnungsgemäßer, voll851
Siehe bereits oben unter § 2. A. II. 3, S. 28 ff. Siehe bereits oben unter § 2. C. II. 3, S. 46 ff. 853 Siehe Fn. 836. 854 Eine Vollstreckungsklausel ist nur sehr selten gemäß § 86 Abs. 3 FamFG entbehrlich (siehe soeben in Fn. 844). 855 MünchKommFamFG, § 86, Rdnr. 23. 856 In den Fällen der §§ 95 Abs. 1 FamFG, 726 ff. ZPO ist der Rechtspfleger für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zuständig, sofern diese gemäß § 86 Abs. 3 FamFG notwendig ist. In den übrigen Fällen liegt die Zuständigkeit beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Siehe auch sogleich Fn. 857. 857 Das FamFG hat darauf verzichtet, das Klauselerteilungsverfahren eigenständig zu regeln (Keidel/Giers, § 86, Rdnr. 18). Es sind daher die Vorschriften der §§ 724 bis 734, 797 Abs. 2 ZPO, 11, 20 Nr. 12 RPflG für Zuständigkeit, Verfahren und Rechtsbehelfe einschlägig. Das folgt für die in § 95 Abs. 1 FamFG genannten Verfahren aus dem Verweis in § 95 Abs. 1 FamFG a. E, für Personenherausgabe- und Umgangsverfahren aus einer analogen Anwendung des § 95 Abs. 1 FamFG (zutreffend Keidel/Giers, § 86, Rdnr. 18). 858 BGH, Urt. v. 26. 04. 1976 – VIII ZR 290/74 = JR 1976, S. 377 (377); OLG Frankfurt, Beschl. v. 25. 01. 1968 – 6 W 21/68 = OLGZ 1968, S. 170 (171). 852
F. Vollstreckungsfähigkeit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG
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streckungsfähiger und vollstreckungsreifer Titel vorliegt859. Es ist es aber in diesem formalisierten Verfahren nicht befugt, die inhaltliche Richtigkeit des Vollstreckungstitels, also etwa das Bestehen und die Durchsetzbarkeit des zu vollstreckenden Anspruchs, zu überprüfen860. Dies ist Aufgabe eines Erkenntnisverfahrens, welches mittels der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO angestrengt werden kann861. Dementsprechend ist weitgehend anerkannt, dass materiell-rechtliche Mängel eines Prozessvergleichs, selbst wenn diese dessen Unwirksamkeit begründen können, nicht im Klauselerteilungsverfahren zu überprüfen sind862. Dies muss auch dann gelten, wenn das Klauselerteilungsverfahren einen in einem FamFG-Verfahren geschlossenen Verfahrensvergleich betrifft863. Zwar lässt sich erwägen, aufgrund der besonderen Grundrechtsrelevanz mancher FamFG-Verfahren, etwa der von Kindschaftssachen, dem für die Klauselerteilung zuständigem Organ auch eine materielle Prüfungskompetenz zuzubilligen. Dafür fehlt es de lege lata jedoch an einer gesetzlichen Grundlage. Allein der Wortlaut des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, der nicht explizit festlegt, von wem die Verfügungsbefugnis zu überprüfen ist, kann eine Erweiterung der Prüfungsbefugnisse im Klauselerteilungsverfahren nicht stützen. Zudem spricht die besondere Grundrechtsrelevanz eher dafür, die Überprüfung der materiell-rechtlichen Regelungsbefugnis dem richterlichen Erkenntnisverfahren mit seinen Erkenntnismöglichkeiten und Garantien zu überlassen. Eine Erweiterung der Prüfungsbefugnisse des klauselerteilenden Organs in FamFGSachen ist daher weder gesetzlich begründbar noch sinnvoll. Folglich kann die Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht deshalb versagt werden, weil der 859 Statt vieler z. B. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 16, I 2, Rdnr. 6 und VI 2, Rdnr. 29; Schuschke in Schuschke/Walker, Vor §§ 724–734, Rdnrn. 1, 9, jeweils m. w. N. 860 Ganz h, M., siehe z. B. BGH, Urt. v. 26. 04. 1976 (siehe Fn. 858, a. a. O.); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26. 01. 1976 – 10 W 108/75 = OLGZ 1977, S. 121 (121); OLG München, Beschl. v. 17. 09. 1973 – 20 W 1473/73 = Rpfleger 1974, S. 29 (29); Schuschke in Schuschke/ Walker, § 724, Rdnr. 6; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 16, IV 2, Rdnr. 29; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 108. Eine a. A. möchte hingegen aus Gründen der Prozessökonomie den Formalisierungsgrundsatz in Fällen durchbrechen, in denen „absolut liquide“ sei, dass die Vollstreckungsbefugnis nicht mehr bestehe, vgl. MünchKommZPO/Wolfsteiner (Band 2), 3. Aufl., § 724 ZPO, Rdnr. 44 m. w. N. (einschränkend aber in der 4. Aufl., a. a. O., Rdnr. 46). Dagegen zu Recht Musielak/Lackmann, ZPO, § 724, Rdnr. 6 a. E., m. w. N. 861 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 6, IV 2, Rdnr. 29. Bei einem verfahrensbeenden Vergleich ist u. U. statt einer Vollstreckungsabwehrklage das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen, siehe sogleich unten unter § 2. II. 6., S. 138 f. 862 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12. 12. 1994 – 5 U 264/88 = NJW-RR 1995, S. 703 (703); Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rdnr. 108; Musielak/Lackmann, ZPO, § 724, Rdnr. 6; ausführlich Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 87 f.; Gaul/Schilken/BeckerEberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 13, III 3, Rdnr. 15; a. A. Sauer/Meiendresch, Rpfleger 1997, S. 289 (290 f.). 863 Zutreffend Keidel/Meyer, § 36, Rdnr. 51 unter Verweis auf den in Fn. 862 erwähnten, einen Prozessvergleich betreffenden, Beschluss des OLG Frankfurt.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
Verfahrensvergleich als Vollstreckungstitel aufgrund fehlender materiell-rechtlicher Regelungsbefugnis unwirksam ist. Wenn die materiell-rechtliche Regelungsbefugnis im Klauselerteilungsverfahren nicht zu überprüfen ist, liegt es nahe, dass auch die Beendigungsbefugnis nicht zur Prüfungskompetenz des klauselerteilenden Organs gehört. Dies ergibt sich nach den bisherigen Ausführungen bereits daraus, dass das Tatbestandmerkmal der Verfügungsbefugnis im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sowohl die Beendigungsbefugnis als auch die materiell-rechtliche Regelungsbefugnis umfasst. Eine gespaltene Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals dergestalt, dass die materiell-rechtliche Regelungsbefugnis ausschließlich in einem Erkenntnisverfahren überprüft werden kann, die Beendigungsbefugnis hingegen auch im Klauselerteilungsverfahren, ist zwar denkbar. Indes soll im Klauselerteilungsverfahren der Vollstreckungstitel nur auf seine äußere Wirksamkeit überprüft werden864. Das Fehlen der Beendigungsbefugnis ist aber anders als die üblicherweise im Klauselerteilungsverfahren zu prüfenden formellen Mängel des Vollstreckungstitels865 zumeist nicht äußerlich anhand der Verfahrensakten erkennbar. Ob eine Beendigungsbefugnis besteht, ist vielmehr anhand des einschlägigen Rechts, gegebenenfalls durch Auslegung, zu ermitteln, wobei durchaus schwierige Zweifelsfragen auftreten können866. Insofern ähnelt diese Prüfung einer materiellen Wirksamkeitsprüfung des zu vollstreckenden Anspruchs. Sie passt daher wie diese nicht in das formalisierte Klauselerteilungsverfahren und sollte ebenso einem richterlichen Erkenntnisverfahren vorbehalten bleiben. Zudem birgt eine Aufspaltung der Prüfungskompetenzen die Gefahr, dass widersprüchliche Entscheidungen ergehen. Dies rührt daher, dass in den meisten Fällen die Frage, ob eine Verfügungsbefugnis gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG besteht, auch Auswirkungen darauf hat, ob das Ausgangsverfahren beendet ist867. So könnte etwa der Fall eintreten, dass im Klauselerteilungsverfahren das Bestehen einer Beendigungsbefugnis durch das klauselerteilenden Organ verneint und die Erteilung der Klausel verweigert wird. Wollen die Beteiligten daraufhin das Verfahren fortsetzen, um einen Vollstreckungstitel zu erlagen, könnte es passieren, dass das Ausgangsgericht die Beendigungsbefugnis für gegeben hält und deshalb die Fortsetzung ablehnt, weil es davon ausgeht, dass das Verfahren durch den Vergleich beendet worden ist. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, muss die Prüfungskompetenz bezüglich der Beendigungsbefugnis bei dem Gericht, vor dem der Verfahrensvergleich
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Siehe Nachweise in Fn. 859. Siehe Nachweise in Fn. 859. 866 Vor allem wenn das materielle Recht zur Art der Verfahrenseinleitung und Verfahrensfortführung schweigt, siehe hierzu bereits oben unter § 2. C. IV. 3. c) cc), S. 64 ff. 867 Siehe bereits soeben unter § 2. F. II. 2., S. 133. 865
F. Vollstreckungsfähigkeit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG
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geschlossen wurde, verbleiben868. Gegen dessen Entscheidungen können dann gegebenenfalls Rechtsmittel eingelegt werden. Eine Aufspaltung der Prüfungskompetenzen ist nach all dem nicht sinnvoll. Sowohl die Beendigungsbefugnis als auch die materiell-rechtliche Regelungsbefugnis sind im Klauselerteilungsverfahren nicht zu überprüfen.
4. Überprüfung mit der Klauselerinnerung? Denkbar ist weiterhin, dass der Vollstreckungsschuldner die Nichtigkeit des Vergleichs aufgrund mangelnder Verfügungsbefugnis gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG mit einer Klauselerinnerung gemäß §§ 95 Abs. 1 FamFG, 795 Satz 1, 732 ZPO869 rügt. Ob er damit Erfolg haben kann, hängt davon ab, welche Mängel des Vollstreckungstitels im Verfahren der Klauselerinnerung zu berücksichtigen sind. Vereinzelt wird vertreten, dass mit der Klauselerinnerung auch geltend gemacht werden könne, dass der Vollstreckungstitel aus materiellen Gründen unwirksam sei870. Auf Grundlage dieses Ansatzes läge es nahe, das Bestehen einer Verfügungsbefugnis im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG als materielle Wirksamkeitsvoraussetzung des Vollstreckungstitels (auch) im Verfahren der Klauselerinnerung gemäß §§ 95 Abs. 1 FamFG, 795 Satz 1, 732 ZPO zu überprüfen. Nach ganz überwiegender Auffassung sollen hingegen bei der Klauselerinnerung nur solche Einwendungen Beachtung finden, die auch vom klauselerteilenden Organ zu berücksichtigen sind871. Dies überzeugt. Die Erinnerung gemäß § 732 ZPO dient nur der Kontrolle, ob die Vollstreckungsklausel zu Recht erteilt wurde. Dazu wird das Klauselerteilungsverfahren vor 868 Wenn der Verfahrensvergleich (unbestritten) wirksam ist und nur die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels wegen fehlender materieller Regelungsbefugnis geltend gemacht wird (dazu soeben unter § 2. F. II. 2., S. 133 f.), kann freilich das Ausgangsverfahren nicht fortgesetzt werden. Dann besteht aber die Möglichkeit einen Vollstreckungsabwehrantrag nach §§ 95 Abs. 1 FamFG, 767 Abs. 2 ZPO zu stellen, um eine richterliche Überprüfung dieses Einwands zu erreichen (dazu sogleich unter § 2. F. II. 6., S. 139). 869 Bei Personenherausgabe- und Umgangsverfahren wird man § 732 ZPO analog anzuwenden haben (zutreffend Keidel/Giers, § 86, Rdnr. 18), siehe auch Fn. 857. 870 So Kniffka, ZfBR 1992, S. 195 (198) unter Berufung auf einen Beschl. des BGH v. 23. 11. 1989 (III ZR 40/89 = NJW-RR 1990, S. 246 [247]), in welchem sich dieser jedoch auf förmliche Einwendungen bezog. In eine ähnliche Richtung geht ein Beschl. des LG Duisburg v. 24. 03. 1964 (– 7 T 26/64 = KTS 1964, S. 187 [188]), nach dem im Verfahren gemäß § 732 ZPO auch die Erhebung materieller Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch möglich sein soll. 871 So z. B. BGH, Beschl. v. 16. 04. 2009 – VII ZB 62/08 = NJW 2009, S. 1887 (1887); Beschl. v. 04. 10. 2005 – VII ZB 54/05 = NJW-RR 2006, S. 567 (567); Beschl. v. 05. 07. 2005 – VII ZB 27/05 = MDR 2005, S. 1232 (1232); Musielak/Lackmann, ZPO, § 731, Rdnrn. 5, 8; MünchKommZPO/Wolfsteiner (Band 2), § 732 ZPO, Rdnr. 3; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 17, III 1, Rdnr. 2; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 87.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
dem gemäß § 732 Abs. 1 Satz 1 ZPO zuständigem Gericht fortgesetzt872. Die Prüfungskompetenz des Gerichts kann somit in diesem Verfahren873 nicht diejenige des klauselerteilenden Organs übersteigen874. Daher ist eine Überprüfung der Verfügungsbefugnis im Verfahren der Klauselerinnerung gemäß §§ 95 Abs. 1 FamFG, 795 Satz 1, 732 ZPO ausgeschlossen.
5. Prüfung durch die Vollstreckungsorgane? Die Gründe, die gegen eine Prüfung der Verfügungsbefugnis im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG im Klauselerteilungsverfahren sprechen875, kommen erst recht im noch stärker formalisierten Vollstreckungsverfahren zum Tragen. Es wäre widersinnig, dem Vollstreckungsorgan, welches nicht über die Verfahrensakten verfügt876, insofern eine stärkere Prüfungskompetenz als den zur Klausel erteilung berufenen Organen zuzubilligen. Dies gilt entgegen Zimmermann877 auch und besonders dann, wenn eine Vollstreckungsklausel gemäß § 86 Abs. 3 FamFG ausnahmsweise nicht erforderlich ist, also die Vollstreckung von dem Gericht betrieben wird, vor dem der Vergleich abgeschlossen wurde878. Andernfalls könnte eine vom Gericht beabsichtigte Vollstreckung durch das Vollstreckungsorgan blockiert werden. Ein Vollstreckungsorgan ist mithin nicht befugt, die Vollstreckung von sich aus zu verweigern oder einzustellen, wenn es den Vergleich aufgrund fehlender Verfügungsbefugnis für nichtig hält.
6. Möglichkeit eines Vollstreckungsabwehrantrags? Schließlich stellt sich die Frage, ob der Vollstreckungsschuldner die auf mangelnder Verfügungsbefugnis beruhende Unwirksamkeit des Vergleichs mit einem Vollstreckungsabwehrantrag gemäß §§ 95 Abs. 1 FamFG, 795 Satz 1, 767 ZPO geltend machen kann. Dies lässt sich nach dem oben Gesagten nicht einheitlich beantworten. Sofern das ursprüngliche Verfahren durch den Vergleichsschluss nicht beendet worden ist, sei es weil den Vergleichsparteien die Beendigungsbefugnis 872 MünchKommZPO/Wolfsteiner
(Band 2), § 732 ZPO, Rdnr. 3. Häufig wird es vorkommen, dass das nach §§ 95 Abs. 1 FamFG, 732 Abs. 1 Satz 1 ZPO zuständige Gericht dasjenige ist, vor dem der Vergleichsschluss erfolgte. In einem solchen Fall kann die Erinnerung unter Umständen, gegebenenfalls nach richterlichem Hinweis gemäß § 28 Abs. 1, Abs. 2 FamFG, als Antrag oder Anregung zur Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens ausgelegt oder umgedeutet werden. 874 Zutreffend MünchKommZPO/Wolfsteiner (Band 2), § 732 ZPO, Rdnr. 3 und Musielak/ Lackmann, ZPO, § 731, Rdnr. 5. 875 Siehe soeben unter § 2 F. II. 3., S. 134 ff. 876 Statt aller nur: Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, § 17, I 1, Rdnr. 17.2. 877 Vgl. MünchKommFamFG, § 86, Rdnr. 23. 878 Siehe hierzu bereits Fn. 844. 873
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fehlt oder weil die getroffenen materiellen Regelungen unwirksam sind und dies aufgrund des Verknüpfungswillens der Beteiligten zu einer Unwirksamkeit auch der Verfahrensbeendigung führt879, stellt die Fortsetzung des Ursprungsverfahrens für den Vollstreckungsschuldner regelmäßig einen einfacheren und ökonomischeren Weg dar, um Rechtsschutz zu erlangen880. Für einen Vollstreckungsabwehrantrag fehlt ihm folglich das Rechtsschutzbedürfnis881. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Antrag oder eine Anregung auf Fortsetzung des Verfahrens bereits gestellt sind882. Anders ist es, wenn der Vollstreckungsschuldner nicht nur das Fehlen der Verfügungsbefugnis gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG rügt, sondern auch ex nunc wirkende, rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch erhebt. In diesem Fall spricht die Verfahrensökonomie für die Behandlung aller Einwendungen in ein und demselben Verfahren und damit für die Zulässigkeit eines Vollstreckungsabwehrantrages883. Sollte der Verfahrensvergleich hingegen wirksam und das Verfahren somit beendet sein884, bleibt dem Vollstreckungsschuldner nur die Möglichkeit, einen Vollstreckungsabwehrantrag gemäß §§ 95 Abs. 1 FamFG, 795 Satz 1, 767 ZPO zu stellen, um Rechtsschutz zu erlagen. Da der Vergleich nicht in materielle Rechtskraft erwächst, finden die Präklusionsvorschriften der §§ 95 Abs. 1 FamFG, 795 Satz 1, 767 Abs. 2 ZPO keine Anwendung885.
879 Siehe hierzu bereits oben unter § 2. A. II. 1., S. 22 f. und soeben unter § 2. F. II. 2., S. 133 f. 880 Näheres im Urt. des BGH v. 29. 09. 1958 – VII ZR 198/57 = BGHZ 28, S. 171 (174) und im Urt. v. 29. 07. 1999 (siehe Fn. 881, a. a. O.). 881 BGH, Urt. v. 16. 12. 1970 – VIII ZR 85/69 = NJW 1971, S. 467 (467 f.); Urt. v. 29. 07. 1999 – III ZR 272–98 = BGHZ 142, S. 253 (255 f.); Pietzner in Schoch/Schneider/ Bier (26. EL 2014), § 167 VwGO, Rdnr. 27; MünchKommZPO/K. Schmidt/Brinkmann (Band 2), § 767 ZPO, Rdnr. 13 (m. w. N.). Die hiergegen vorgebrachte a. A. (siehe z. B. Pecher, ZZP 97 [1984], S. 129 [167]) führt zu einer unnötigen Erhöhung des Risikos widersprüchlicher Entscheidungen. 882 MünchKommZPO/K. Schmidt/Brinkmann (Band 2), § 767 ZPO, Rdnr. 13. Der von der a. A. (siehe z. B. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 13, III 3, Rdnr. 16, m. w. N.) gezogene Vergleich mit der Berufung überzeugt nicht (zutreffend: K. Schmidt und Brinkmann, a. a. O.). 883 BGH, Urt. v. 05. 07. 1967 – VIII ZR 66/65 = NJW 1967, S. 2014 (2014). Ebenso K. Schmidt/Brinkmann und Pietzner (siehe Fn. 881, a. a. O.). 884 Siehe hierzu bereits oben unter § 2. F. II. 2., S. 133 f. 885 BGH, Urt. v. 27. 11. 1952 – IV ZR 57/52 = NJW 1953, S. 345 (345); Urt. v. 04. 11. 1976 – VII ZR 6/76 = NJW 1977, S. 583 (584); Beschl. v. 14. 05. 1987 – BLw 5/86 = NJW-RR 1987, S. 1022 (1023); Urt. v. 09. 12. 1992 – VIII ZR 218/91 = BGHZ 120, S. 387 (393); K. Schmidt/ Brinkmann, Rdnr. 75 und Pietzner, Rdnrn. 23, 35 (siehe Fn. 880, jeweils a. a. O.). Mit etwas anderer Begründung im Ergebnis ebenso: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 13, III 3, Rdnr. 16.
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§ 2 Der Verfahrensvergleich nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG
III. Beschränkung auf den Verfahrensgegenstand? Noch nicht vollständig geklärt ist, ob ein Vergleich im oben beschriebenen Sinn886 nach der FG-Reform auch dann Vollstreckungstitel sein kann, wenn er Regelungen trifft, die sich nicht auf den Verfahrensgegenstand beziehen. Vor der Reform hat sich diese Frage nur vereinzelt gestellt, da ja die herrschende Meinung einen Vergleich von vornherein nicht allgemein in analoger Anwendung des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO als Vollstreckungstitel anerkannt hatte887. Nunmehr tendiert ein Teil der Literatur zum FamFG offenbar dazu, dem Vergleich insgesamt die Vollstreckungsfähigkeit zuzusprechen888. Demgegenüber wird von manchen Stimmen, anknüpfend an einen Beschluss des BayObLG vom 14. Juli 1997889, zumindest für den Fall des Erbscheinsverfahrens gemäß §§ 2353 ff. BGB, 342 Abs. 1 Nr. 6, 352 ff. FamFG angenommen, dass der Vergleich keinen Vollstreckungstitel darstelle, wenn er über den Verfahrensgegenstand hinausgehe890. Diese Beschränkung erscheint zweifelhaft, da es in der streitigen Gerichtsbarkeit allgemein anerkannt ist, dass Vergleichsgegenstand und Streitgegenstand nicht kongruent sein müssen891. Zwar heißt es in § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, das ein Vergleich nur insoweit Vollstreckungstitel ist, wie die Beteiligten über den Verfahrensgegenstand verfügen können. Daraus ergibt sich aber nicht, dass sich der Vollstreckungstitel ausschließlich auf den Verfahrensgegenstand beziehen muss. Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich nichts für diesen Ansatz entnehmen. Gegen die Schaffung eines Vollstreckungstitels für verfahrensfremde Gegenstände hatte das BayObLG neben den mittlerweile überholten Bedenken gegen eine analoge Anwendung von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO892 verfahrensrechtliche Schwierigkeiten eingewandt893. Es sei nicht sachgerecht, dass das Nachlassgericht für eine Vollstreckungsabwehrklage zuständig sei894. In der Tat wäre es nicht angebracht, wenn das Nachlassgericht über einen Vollstreckungsabwehrantrag entscheiden müsste, der ausschließlich verfahrensfremde Ansprüche betrifft. Dieses Problem zwingt allerdings nicht zu einer Einschränkung der Vollstreckungsfähigkeit, sondern kann auch auf der 886
Siehe Ausführungen unter § 2. A. III. 2., S. 32. BGH hatte sich anlässlich eines Verfahrens in Landwirtschaftssachen wohl dafür ausgesprochen (vgl. Beschl. v. 05. 10. 1954 – V BLw 25/54 = BGHZ 14, S. 381 [389, 393]). 888 Vgl. Prütting/Helms/Abramenko, § 36, Rdnrn. 8 und 14, Fn. 11; Zöller/Feskorn, § 36 FamFG, Rdnrn. 2, 9. 889 = 1Z BR 39/97 = BayObLGZ 1997, S. 217 (217 ff.) = ZEV 1997, S. 461 (461 ff.) m. zust. Anm. v. Ott = MittBayNot 1998, 365 (365 ff.) m. abl. Anm. v. Geimer. 890 Kroiß, Das neue Nachlassverfahrensrecht, S. 105; Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 36, Rdnr. 19; Staudinger/Herzog (2010), § 2359 BGB, Rdnrn. 81. Bereits vor der FG-Reform: Ott, ZEV 1997, S. 463 (463 f.). 891 Siehe statt vieler nur: Stein/Jonas/Münzberg, § 794 ZPO, Rdnr. 12 f. 892 Siehe bereits oben unter § 2. A. III. 2., S. 32. 893 BayObLGZ 1997, S. 217 (222). 894 BayObLGZ 1997, S. 217 (222); zustimmend Ott, ZEV 1997, S. 463 (463). 887 Der
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Zuständigkeitsebene gelöst werden895. In der Sache ähnelt ein Vergleich, soweit er verfahrensfremde Ansprüche regelt, einer vollstreckbaren Urkunde gemäß §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 797 ZPO. Wenn der Vollstreckungsschuldner ausschließlich Einwendungen gegen verfahrensfremde Ansprüche geltend macht, bietet sich daher eine analoge Anwendung des § 797 Abs. 5 ZPO an896. Demnach ist für die Klage oder den Antrag897 nach § 767 ZPO das Gericht des allgemeinen Gerichtsstands des Vollstreckungsschuldners zuständig. Bei Fehlen eines allgemeinen Gerichtstands im Inland richtet sich die Zuständigkeit nach § 23 ZPO. Macht der Vollstreckungsschuldner hingegen auch Einwendungen gegen zum Verfahrensgegenstand gehörende Ansprüche geltend, gebietet es die Verfahrensökonomie, dass die Zuständigkeit bei dem Gericht verbleibt, bei welchem das Verfahren bei Vergleichsschluss anhängig war898. Die Konsequenz, dass dieses dann auch über verfahrensfremde Gegenstände entscheiden muss, ist angesichts der Wertung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG hinnehmbar. Zudem steht es, wie bereits erwähnt, bei verfahrensfremden Regelungen im Ermessen des Gerichts, inwieweit es diese in das Protokoll aufnimmt899. Hat es dieses Ermessen bereits zugunsten einer Protokollierung ausgeübt, muss es sich daran in einem späteren Verfahren festhalten lassen. Eine solche Lösung erleichtert den Beteiligten eine umfassende Konfliktbeilegung900 und bekommt die verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten angemessen in den Griff. Ein Vergleich ist daher auch insoweit Vollstreckungstitel, als er verfahrensfremde Ansprüche betrifft901.
895 Zutreffend
Geimer, MittBayNot 1998, S. 365 (367). Geimer, MittBayNot 1998, S. 365 (367). Generell gegen eine analoge Anwendung des § 797 Abs. 5 ZPO auf den Prozessvergleich hingegen: MünchKommZPO/K. Schmidt/Brinkmann (Band 2), § 767 ZPO, Rdnr. 51; Zöller/Zöller, § 797 ZPO, Rdnr. 1. 897 Nach der FamFG-Terminologie ist von einem Vollstreckungsabwehrantrag zu sprechen, wenn die der Vollstreckungsschuldner Einwendungen vorbringt, die ihrerseits in einem FamFG-Verfahren zu überprüfen sind. Dies ist denkbar, wenn der Vollstreckungstitel Ansprüche beinhaltet, die zwar nicht zum Gegenstand des Ausgangsverfahrens gehören, die aber in einem (anderen) FamFG-Verfahren und nicht in der streitigen Gerichtsbarkeit geltend zu machen gewesen wären. 898 Insofern wird eine analoge Anwendung des § 797 Abs. 5 ZPO von der in Fn. 896 genannten a. A. zu Recht abgelehnt. 899 Siehe oben in Fn. 798. 900 Vgl. Geimer, MittBayNot 1998, S. 365 (367). 901 Um den Beteiligten eine umfassende Regelung ihrer Angelegenheiten zu ermöglichen, sollte dies auch dann gelten, wenn es sich um Materien handelt, für die im Falle einer Klage eine anderweitige Rechtsweg- oder Verfahrenszuständigkeit gegeben wäre (so im Ergebnis wohl bereits BGH, Beschl. v. 05. 10. 1954 [siehe Fn. 887, a. a. O.]; offenbar auch Abramenko in Prütting/Helms § 36, Rdnrn. 8 und 14, Fn. 11; Zöller/Feskorn, § 36 FamFG, Rdnrn. 2, 9. 896 Zutreffend
§ 3 Antragsrücknahme und Beendigungserklärung Eine konsensuale Verfahrensbeendigung erfordert nicht in allen Fällen den Abschluss eines Verfahrensvergleichs. Wenn die Beteiligten weder einen Vollstreckungstitel benötigen noch eine gegenseitige vertragliche Bindung wünschen902, kann auch eine Verfahrensbeendigung durch einvernehmliche Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 1 FamFG oder Beendigungserklärung nach § 22 Abs. 3 FamFG interessengerecht sein. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs werfen beide Verfahrensbeendigungstatbestände deutlich weniger Schwierigkeiten als der Verfahrensvergleich auf.
A. Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 1 FamFG I. Anwendungsbereich in reinen Antragsverfahren Gemäß § 22 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 FamFG kann der Antragsteller in reinen Antragsverfahren eine unmittelbare Verfahrensbeendigung durch einvernehmliche Antragsrücknahme stets herbeiführen. Den Beteiligten kommt in diesen Verfahren eine unbeschränkte Beendigungsbefugnis zu903. Dies gilt auch im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren, auf die § 22 FamFG als Vorschrift des allgemeinen Teils Anwendung findet, wobei in diesem Fall gegebenenfalls abgegrenzt werden muss, ob eine Rechtsmittelrücknahme, ein Rechtsmittelverzicht oder eine Antragsrücknahme gewollt ist904.
II. Anwendungsbereich in reinen Amtsverfahren In der Literatur wird eine Anwendung des § 22 Abs. 1 FamFG auf Amtsverfahren zum Teil mit der Begründung abgelehnt, dass den Beteiligten die Dispositions902 Einvernehmliche Antragsrücknahme und Beendigungserklärung binden die Beteiligten im Gegensatz zum Verfahrensvergleich nicht (siehe oben unter § 2. A. II. 2. S. 25 f.). 903 Siehe auch bereits oben unter § 2. C. IV. 2. S. 57 f. 904 Die Möglichkeit eines Beschwerdeverzichts und einer Beschwerderücknahme ist in § 68 Abs. 1, Abs. 4 FamFG niedergelegt. Im Verfahren der Rechtsbeschwerde fehlt eine ausdrückliche Regelung. Da aber die Beendigungsbefugnis auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde uneingeschränkt besteht, bietet sich in diesem eine analoge Anwendung des § 67 FamFG an (Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, Vorbem. zu §§ 58–55, Rdnr. 3).
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§ 3 Antragsrücknahme und Beendigungserklärung
befugnis fehle905. Jedoch wurde bereits dargelegt, dass auch in Amtsverfahren eine Beendigungsbefugnis der Beteiligten gegeben sein kann906, mithin kann der vom Gegenteil ausgehende Ansatz nicht überzeugen. Auch aus § 22 Abs. 4 FamFG, der sich nur auf die Wirkungen der Antragrücknahme gemäß § 22 Abs. 2 FamFG und auf die Beendigungserklärung gemäß § 22 Abs. 3 FamFG bezieht, lässt sich nicht ohne weiteres ein Ausschluss des § 22 Abs. 1 FamFG herleiten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es in reinen Amtsverfahren überhaupt ein taugliches Objekt für eine Antragsrücknahme geben kann. Daran fehlt es jedenfalls, wenn das Gericht von sich aus tätig wird. Gleiches gilt aber auch dann, wenn das Gericht auf Anregung hin tätig wird. Das FamFG differenziert in den §§ 23, 24 FamFG zwischen Antrag und Anregung. Die Anregung gemäß § 24 Abs. 1 FamFG ist nur eine Informationsquelle für das Gericht und stellt keine Verfahrenshandlung dar907, welche Gegenstand einer verfahrensbeendenden Rücknahme sein könnte908. § 22 Abs. 1 FamFG greift bei einer „Anregungsrücknahme“ bereits seinem Wortlaut nach nicht ein909. Eine unmittelbare Verfahrensbeendigung durch Anregungsrücknahme ist mithin nicht möglich910. Vollkommen bedeutungslos ist eine Anregungsrücknahme aber nicht. Man wird sie gegebenenfalls als Hinweis darauf ansehen können, dass die weitere Fortführung des Verfahrens nicht mehr im Interesse des Anregenden liegt. Zumindest wenn die Anregung von einer Person oder Institution „zurückgenommen“ wird, die gemäß § 7 Abs. 2 FamFG als Beteiligter hinzugezogen werden müsste, wird das Gericht zu prüfen haben, ob das Verfahren auch gegen den Willen des zu Beteiligenden durchgeführt werden kann und muss911. Ist dies nicht der Fall, hat es das Verfahren durch Beschluss einzustellen. Umstritten ist, ob in reinen Amtsverfahren ein verfahrenseinleitender Antrag zumindest gestellt werden kann912. Nach überwiegender Auffassung soll ein „Antrag“ in reinen Amtsverfahren stets nur eine Anregung zur Verfahrensein905 So z. B. Bahrenfuss/Bahrenfuss, § 22, Rdnr. 10; Holzer in Holzer, § 22, Rdnr. 4 Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 24, Rdnr. 9; Kemper/Schreiber/Schreiber, § 22, Rdnr. 10. 906 Siehe oben unter § 2. C. IV. 3., S. 58 ff. 907 MünchKommFamFG/Ulrici, § 24, Rdnr. 3; Haußleiter/Gomille, § 24, Rdnr. 2. 908 Ähnlich Keidel/Sternal, § 24, Rdnr. 5; Haußleiter/Gomille, § 24, Rdnr. 2; Bumiller in Bumiller/Harders, § 24, Rdnr. 1; Prütting/Helms/Ahn-Roth, § 22, Rdnr. 10. 909 Holzer in Holzer, § 22, Rdnr. 2. Ähnlich Gomille (in: Haußleiter, § 24 Rdnr. 2), der von einer Rücknahme im „untechnischen Sinn“ spricht. Siehe auch Schulte-Bunert/Weinreich/ Brinkmann, § 24, Rdnr. 9. 910 Im Ergebnis wohl allg. Auffassung, siehe neben den in Fn. 908 und 909 Genannten auch Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 22, Rdnrn. 4, 21. 911 Dazu bereits ausführlich oben unter § 2. A. IV. 3., S. 58 ff. 912 Davon zu unterscheiden ist die bereits diskutierte und verneinte Frage, ob es „verkappten Antragsverfahren“ gibt, in denen ein verfahrenseinleitender Antrag auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung gestellt werden muss. Siehe hierzu bereits oben unter § 2. A. IV. 3. c) cc) (1 und 2), S. 66 ff.
A. Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 1 FamFG
145
leitung im Sinne des § 24 Abs. 1 FamFG darstellen913. Das Gericht sei nicht gezwungen, dieser nachzukommen914. Teilweise wird aber auch vertreten, dass ein in reinen Amtsverfahren gestellter Antrag als echter Antrag im technischen Sinne gemäß § 23 FamFG anzusehen sei915. Ulrici hält die Möglichkeit einer Antragsstellung auch in reinen Amtsverfahren aus Rechtsschutzgründen für notwendig, da andernfalls keine Möglichkeit bestehe, den Entschluss des Gerichts im Zuge eines Rechtsmittelverfahrens zu überprüfen916. Die einem Anregenden gemäß § 24 Abs. 2 FamFG zu erteilende Benachrichtigung sei kein tauglicher Beschwerdegegenstand und eine Untätigkeitsbeschwerde entsprechend § 75 VwGO sei für die Verfahren nach dem FamFG nicht vorgesehen917. Bedenkt man, dass in Amtsverfahren subjektiv-öffentliche Rechte der Beteiligten auf gerichtliches Tätigwerden bestehen können918, muss es im Ergebnis jedenfalls eine dem § 75 VwGO vergleichbare Möglichkeit geben, gegen eine Untätigkeit des Gerichts vorzugehen919. De lege lata ist aber zu beachten, dass das Gesetz den Kreis der Antragsberechtigten mithin der Beteiligten in unechten und reinen Antragsverfahren beschränkt und zudem die Entwurfsbegründung zwischen Antragsstellern und Anregenden unterscheidet920. Lässt man die Stellung von echten, verfahrenseinleitenden Anträgen auch in reinen Amtsverfahren zu, hätten selbst diejenigen, die nach § 24 Abs. 2 FamFG mangels berechtigtem Interesse 913 Siehe z. B. BGH, Beschl. v. 26. 06. 2013 – XII ZB 31/13 = FGPrax 2013, S. 211 (212, Rdnr. 11); OLG Köln, Beschl. v. 19. 09. 2013 – 10 UF 16/13, Rdnr. 14 (zitiert nach juris); OLG Frankfurt, Beschl. v. 08. 10. 2012 – 4 UF 209/12, Rdnr. 11 (zitiert nach juris); OLG Hamm, Beschl. v. 20. 10. 2011 – II-2 UF 140/11, 2 UF 140/11 = NJW-RR 2012, S. 388 (389); Beschl. v. 30. 01. 2012 – II-9 WF 56/11, 9 WF 56/11 = ZKJ 2012, S. 229 (230); LG Frankenthal, Beschl. v. 06. 01. 2010 – 1 T 2/10, Rdnr. 15 (zitiert nach juris); Prütting/Helms/Ahn-Roth, § 24, Rdnrn. 1, 3; Haußleiter/Gomille, § 24, Rdnr. 1; Keidel/Sternal, § 24, Rdnr. 5; Gottwald in Bassenge/Roth, § 24, Rdnrn. 1, 3; Holzer in Holzer, § 24, Rdnr. 4. 914 LG Frankenthal, Beschl. v. 06. 01. 2010; Keidel/Sternal (Fn. 913, jeweils a. a. O.). Bereits vor der FG-Reform z. B. Baur, Freiwillige Gerichtsbarkeit, § 17, I. 915 So z. B: MünchKommFamFG/Ulrici, Vor §§ 23 ff., Rdnr. 10, § 23, Rdnr. 9; Jacoby in: Bork/Jacoby/Schwab, § 23, Rdnr. 7; Bahrenfuss/Rüntz, § 23, Rdnr. 8; für den Fall, dass der Antragsteller um den Schutz eigener Rechte oder anvertrauter Interessen nachsucht auch Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 111 f, 135. 916 Vgl. MünchKommFamFG, § 23, Rdnr. 9. In eine ähnliche Richtung argumentiert Brehm (Fn. 915, a. a. O.), der die Möglichkeit einer Antragsstellung für notwendig hält, da andernfalls der Justizgewährungsanspruch verletzt werden würde. 917 MünchKommFamFG, § 23, Rdnr. 9. 918 Siehe bereits oben unter § 2. E. II. b) aa), S. 102. 919 Ausführlich zum Problem der gerichtlichen Untätigkeit vor und nach dem Inkrafttreten des FamFG: Lettau, Beschwerde, S. 86 ff. 920 Vgl. die Regierungsbegründung zu § 7 Reg-FamFG (BT-Drs. 16/6308, S. 178 l. Sp.), wonach sich die Beteiligtenstellung gemäß § 7 Abs. 1 FamFG gerade auf Antragsteller im Sinne des § 23 FamFG bezieht und die zu § 24 FamFG, in der von „Dritten“ die Rede ist (BTDrs. 16/6308, S. 186 l. Sp.). Entgegen Ulrici (vgl. MünchKommFamFG, § 23, Rdnr. 9) kann den Gesetzesmaterialien nicht entnommen, dass der „Antragsteller“ nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch in reinen Amtsverfahren Verfahrenssubjekt sein soll.
146
§ 3 Antragsrücknahme und Beendigungserklärung
über die nicht erfolgte Einleitung eines Amtsverfahrens nicht zu informieren sind, ein formelles Bescheidungsrecht, wenn sie nur einen Antrag stellen statt eine Anregung zu geben921. Dies ginge zu weit. Überdies könnte dieser Ansatz das Problem der fehlenden Untätigkeitsbeschwerde nur zum Teil lösen. Denn auch die Einräumung eines Bescheidungsrechts hilft nicht weiter, wenn das Gericht überhaupt nicht aktiv wird922. Zielführender erscheint es de lege lata, dass man demjenigen, der geltend macht, in einem subjektiv öffentlichen Recht auf gerichtliches Tätigwerden verletzt zu sein, ein Beschwerderecht analog §§ 58, 59 Abs. 1 FamFG zuspricht923. Dies gilt unabhängig davon, ob das Gericht die Einleitung eines Verfahrens durch Endentscheidung im Sinne des § 58 Abs. 1 FamFG abgelehnt hat oder schlicht untätig bleibt. Des Weiteren gilt es auch dann, wenn der Betreffende nicht als Beteiligter in das (Vor-)verfahren hinzugezogen worden ist924. Die tatsächlich nicht erfolgte Hinzuziehung darf insofern nicht zu seinen Lasten gehen. Ein solcher Ansatz ermöglicht eine einheitliche Behandlung der Untätigkeitsfälle, ohne dass es darauf ankommt, ob einer Anregung oder einem Antrag vom Gericht nicht nachgegangen wird. Damit bleibt es dabei, dass eine Antragsstellung in reinen Amtsverfahren nicht möglich ist und somit auch eine verfahrensbeendende Antragsrücknahme ausscheidet.
III. Anwendungsbereich in unechten Antragsverfahren In unechten Antragsverfahren, also in Verfahren, die sowohl auf Antrag als auch von Amts wegen eingeleitet werden können, muss zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Antragsrücknahme zunächst zwischen den verschiedenen Arten Verfahrenseinleitung differenziert werden.
1. Gericht leitet das Verfahren ein, ohne dass ein Antrag gestellt wird Wird das Verfahren von Amts wegen eingeleitet, ohne dass ein Antrag gestellt wird, entspricht die Situation der des reinen Amtsverfahrens, so dass auf die hierzu erfolgten Ausführungen verwiesen werden kann925. Eine verfahrensbeendende Antragsrücknahme scheidet aus.
921 Auch Ulrici (MünchKommFamFG, § 23, Rdnr. 9) räumt ein, dass § 24 FamFG gegen seinen Ansatz spricht. 922 Lettau, Beschwerde, S. 97. 923 Ausführlich zur Begründung einer solchen Analogie: Lettau, Beschwerde, S. 101 ff. 924 A. A. Ulrici (MünchKommFamFG, § 23, Rdnr. 9). 925 Siehe soeben unter § 3. A. II., S. 142 ff.
A. Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 1 FamFG
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2. Verfahren wird auf Antrag hin eingeleitet Wird hingegen das Verfahren auf Antrag eingeleitet, stellt sich die Frage, ob eine Antragsrücknahme möglich ist und welche Konsequenzen diese hat. a) Antragsstellung möglich?
Es wird vertreten, dass ein in unechten Antragsverfahren gestellter Antrag nur als Anregung im Sinne des § 24 Abs. 1 FamFG zu verstehen ist926. Wäre dem so, fehlte es bereits an einem tauglichen Gegenstand einer Antragsrücknahme. Nach wohl überwiegender Ansicht soll es sich hingegen in um einen Antrag im technischen Sinne handeln927. Die erstgenannte Ansicht kann nicht erklären, warum das materielle Recht in bestimmten Amtsverfahren ausdrücklich die Möglichkeit zur Stellung von „Anträgen“ normiert hat. Würde es sich bei diesen Anträgen um bloße Anregungen im Sinne des § 24 Abs. 1 FamFG handeln, hätte es solcher Regelungen nicht bedurft. Angeregt werden kann ein Amtsverfahren nämlich stets928. Der Sinn dieser Vorschriften könnte dann einzig in einer Klarstellung der Rechtslage erblickt werden. Zudem wäre es überflüssig, dass das Gesetz das Antragsrecht ausdrücklich bestimmten Personen zuweist, etwa in § 1632 Abs. 4 BGB der Pflegeperson oder in § 1682 Satz 2 BGB dem Ehegatten des mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils. Ein Verfahren anregen kann jedermann, einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedarf es nicht929. Die besondere Erwähnung bestimmter Personenkreise spricht vielmehr daher dafür, dass das Gesetz den hierunter Fallenden bei Stellung eines Antrags die formale Position eines Antragstellers gemäß § 23 Abs. 1 FamFG und die damit einhergehende Stellung als Beteiligter gemäß § 7 Abs. 1 FamFG im Verfahren einräumen möchte. Man wird folglich mit der letztgenannten Ansicht die Vorschriften des materiellen Rechts dahingehen zu verstehen haben, dass sie den betreffenden Personen das Recht einräumen, einen über eine bloße Anregung hinausgehenden, verfahrenseinleitenden Antrag im technischen Sinn gemäß § 23 Abs. 1 FamFG zu stellen930. 926 So z. B. Keidel/Sternal, § 22, Rdnr. 19, Zöller/Geimer, § 22 FamFG, Rdnr. 5; wohl auch Haußleiter/Gomille, § 22, Rdnr. 2. 927 Siehe z. B. Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 24, Rdnr. 2; Prütting/Helms/AhnRoth, Vor §§ 23, 24, Rdnr. 3; BeckOKFamFG/Burschel, § 23, Rdnrn. 3, 4 (Stand: 01. 09. 2014); Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 135. 928 Dies war auch vor der FG-Reform allgemein anerkannt, vgl. z. B. Keidel/Schmidt (15. Aufl.), § 12 FGG, Rdnr. 8. Insofern normiert § 24 Abs. 1 FamFG eine Selbstverständlichkeit (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 24 FamFG, Rdnr. 1) 929 Allg. Ansicht, vgl. statt aller: Prütting/Helms/Ahn-Roth, § 24 Rdnr. 3. 930 Unabhängig davon können diese Verfahren auch angeregt werden. Ob ein Antrag oder eine Anregung vorliegt ist durch Auslegung zu ermitteln (MünchKommFamFG/Ulrici, § 24, Rdnr. 4).
148
§ 3 Antragsrücknahme und Beendigungserklärung
b) Rücknahme möglich?
Nimmt man, wie hier vertreten, an, dass in unechten Antragsverfahren die Berechtigten über bloße Anregungen hinausgehende Anträge im technischen Sinn stellen können, wird man ihnen auch die Möglichkeit einräumen müssen, einmal gestellte Anträge in einem actus contrarius auch wieder zurückzunehmen931. Dem steht auch § 22 Abs. 4 FamFG nicht entgegen, da dieser in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können, zwar die Absätze 2 und 3, nicht aber auch den Absatz 1 des § 22 FamFG für unanwendbar erklärt932. Solange eine Endentscheidung noch nicht ergangen ist, ist nach dem Gesetzeswortlaut eine unmittelbar verfahrensbeendende Antragsrücknahme grundsätzlich möglich. c) Konsequenzen einer Rücknahme
Damit bleibt zu klären, welche Konsequenzen aus der Rücknahme eines Antrags in unechten Antragsverfahren folgen. Wie erwähnt, unterlag der Gesetzgeber bei Schaffung des § 22 Abs. 4 FamFG der unzutreffenden Vorstellung, dass den Beteiligten in Amtsverfahren und unechten Antragsverfahren generell keine Beendigungsbefugnis zukomme933. Nach dem bereits zum Verfahrensvergleich Ausgeführten muss aber richtigerweise danach differenziert werden, ob den Beteiligten eine Beendigungsbefugnis für das konkrete Verfahren zukommt934. Ist dies nicht der Fall, wirkt die Antragrücknahme nicht unmittelbar verfahrensbeendend, sondern entfaltet die gleichen Konsequenzen wie eine Anregungsrücknahme935. Besteht hingegen eine Beendigungsbefugnis, kann der Antragsteller das Verfahren bis zum Erlass einer Endentscheidung durch Antragsrücknahme unmittelbar beenden. Eine Zustimmung der anderen Beteiligten ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht erforderlich. Nach dem Erlass einer Endentscheidung kann eine Antragsrücknahme selbst bei bestehender Beendigungsbefugnis wegen des eine Anwendung des § 22 Abs. 2 FamFG in den hier interessierenden Fällen ausschließenden § 22 Abs. 4 FamFG keine unmittelbar verfahrensbeendende Wirkung entfalten936. 931 Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 22, Rdnr. 4. A. A. und insofern konsequent Haußleiter/ Gomille, § 22, Rdnr. 2, der die Möglichkeit von Anträgen in unechten Antragsverfahren ablehnt. 932 Elzer in Bork/Jacoby/Schwab, § 22, Rdnr. 21. 933 Vgl. die Regierungsbegründung zu § 22 Abs. 4 RegE-FamFG (BT-Drs. 16/6308, S. 185 r. Sp.) und bereits oben unter § 2. C. IV. 3. b) bb), S. 62 f. 934 Vgl. oben unter § 2. C. IV. 3., S. 58 ff. 935 Dazu bereits soeben unter § 3. A. II., S. 144. 936 Möglich und weder durch eine direkte noch durch eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 4 FamFG ausgeschlossen ist aber der Abschluss eines Verfahrensvergleichs in diesem Fall, siehe oben unter § 2. C. IV. 3. b), S. 61 ff.
B. Beendigungserklärung nach § 22 Abs. 3 FamFG
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B. Beendigungserklärung nach § 22 Abs. 3 FamFG Im Gegensatz zur Antragsrücknahme folgt für die Beendigungserklärung gemäß § 22 Abs. 2 FamFG aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 4 FamFG, dass diese in reinen Amtsverfahren und unechten Antragsverfahren nicht möglich ist. Für reine Amtsverfahren lässt sich dies auch daraus herleiten, dass eine Beendigungserklärung gemäß § 22 Abs. 3 FamFG einen Antrag voraussetzt, an dem es in diesen Verfahren fehlt937. Da § 22 Abs. 4 FamFG eine Anwendung des § 22 Abs. 3 FamFG jedoch auch in unechten Antragsverfahren ausschließt, verbleiben für den Anwendungsbereich der Beendigungserklärung im Ergebnis nur reine Antragsverfahren. In diesen ist das Gericht an eine Beendigungserklärung sämtlicher Beteiligter gebunden. Der noch anders lautende § 22 Abs. 3 RegEFamFG, nach dem eine Entscheidung im Fall einer Beendigungserklärung nicht ergehen sollte938, wurde begrüßenswerterweise im Gesetzgebungsverfahren auf Vorschlag des Bundesrates durch eine in dieser Hinsicht eindeutige Formulierung ersetzt939. De lege lata ist der Anwendungsbereich für eine unmittelbar verfahrensbeendende Beendigungserklärung aufgrund des § 22 Abs. 4 FamFG deutlich enger als der von Verfahrensvergleich und Antragsrücknahme. Dafür fehlt es an einer sachlichen Rechtfertigung. Denn auch in Amts- und unechten Antragsverfahren kann den Beteiligten eine Beendigungsbefugnis der Beteiligten zustehen940. De lege ferenda spricht daher viel dafür, durch eine Änderung des § 22 FamFG auch für den Fall einer Beendigungserklärung eine Prüfung der Beendigungsbefugnis im Einzelfall zu ermöglichen. Eine derartige Regelung könnte etwa lauten: „§ 22 Abs. 3: Eine Endentscheidung ergeht nicht, soweit sämtliche Beteiligte erklären, dass sie das Verfahren beenden wollen. Abs. 4: Die Absätze 2 und 3 gelten nicht, wenn das Verfahren wegen der Art seines Gegenstandes auch gegen den Willen der Beteiligten fortgesetzt werden darf.
Mittels eine solcher Formulierung lässt sich einerseits der Anwendungsbereich der Beendigungserklärung auch auf Amtsverfahren ausdehnen. Andererseits wird klargestellt, dass eine Beendigungserklärung dann nicht möglich ist, wenn
937
Siehe bereits soeben unter § 3. A. II., S. 144 ff. Vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 19 r. Sp. 939 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zu § 22 Abs. 3 RegE-FamFG (BT-Drs. 16/6308, S. 364 f.). 940 Ausführlich oben unter § 2. A. C. IV. 3., S. 58 ff. 938
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§ 3 Antragsrücknahme und Beendigungserklärung
den Beteiligten ausnahmsweise die Beendigungsbefugnis fehlt941; dies gilt auch für die in § 22 Abs. 2 FamFG bezeichneten Wirkungen einer Antragsrücknahme auf bereits ergangene, aber noch nicht rechtskräftige Endentscheidungen.
941 Auch innerhalb des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG erscheint es de lege ferenda sinnvoll, zur Klarstellung eine dem hier vorgeschlagenen § 22 Abs. 4 FamFG entsprechende Veränderung des Wortlauts vorzunehmen.
§ 4 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse A. Rechtsnatur des Verfahrensvergleichs Der Verfahrensvergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist als verfahrensbeendender Vertrag von den im Zuge einer konsensualen Verfahrensbeendigung getroffenen materiellen Regelungen zu trennen942. Beide Tatbestände sind aber als einheitliches Rechtsgeschäft gemäß oder analog § 139 BGB anzusehen943. Dies hat zur Folge, dass die Unwirksamkeit des einen Vertrags im Zweifel, also sofern sich kein abweichender Wille der Vergleichsparteien feststellen lässt, zur Unwirksamkeit des anderen Vertrages führt944.
B. Dem Verfahrensvergleich nicht zugängliche Verfahren In Ehe- und Familienstreitsachen ist eine Anwendung des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG aufgrund des § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG ausgeschlossen945. Auch in den Versorgungsausgleichsachen gemäß §§ 217 bis 229 FamFG kann ein Verfahrensvergleich wegen des nach § 224 Abs. 3 FamFG erforderlichen Feststellungsbeschlusses regelmäßig nicht abgeschlossen werden946. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Versorgungsausgleich ausschließlich auf Antrag hin durchzuführen ist947. In Gewaltschutzsachen ist demgegenüber der Abschluss eines Verfahrensvergleichs möglich, auch wenn § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG es dem Gericht untersagt, auf eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung hinzuwirken948. In Verfahren über den Umgang oder die Herausgabe eines Kindes muss differenziert werden949: Wenn mit der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung die Schaffung eines Vollstreckungstitels einhergehen soll, bedarf der Vergleich zur Wirksamkeit einer gerichtlichen Billigung. § 156 Abs. 2 FamFG 942
Siehe oben unter § 2. A. II., S. 20 ff. und 28 ff. Siehe oben unter § 2. A. II., S. 22 f. und 29. 944 Siehe oben unter § 2. A. II., S. 23. 945 Siehe oben unter § 2. B. II., S. 34 f. 946 Siehe oben unter § 2. B. IV., S. 37 ff. 947 Siehe oben unter § 2. B. IV., S. 38 f. 948 Siehe oben unter § 2. B. III., S. 35 f. 949 Siehe oben unter § 2. B. V., S. 39 ff. 943
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§ 4 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
verdrängt insofern als speziellere Vorschrift den § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG950. Zur Anwendung gelangen kann § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG aber, wenn die Beteiligten einen reinen Verfahrensbeendigungsvertrag schließen möchten, ohne vollstreckbare materielle Regelungen über den Kindesumgang oder Kindesherausgabe zu treffen und es sich um kein Verfahren handelt, dass das Gericht von Amts wegen gegen den Willen der Beteiligten fortführen darf951.
C. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG regelt die Tatbestandsvoraussetzungen des verfahrensbeendenden Vertrages952. Er verlangt, dass die Beteiligten nach dem jeweiligen Verfahrensgegenstand berechtigt sind, das Verfahren zu beenden953. Beschränkungen dieser Beendigungsbefugnis müssen sich aus dem Gesetz ergeben954. Finden sich solche für das konkrete Verfahren nicht, haben die Beteiligten das Recht, das Verfahren durch Vertrag zu beenden955.
D. Beendigungsbefugnis in allen reinen Antragsverfahren In allen reinen Antragssachen haben die Beteiligten die Befugnis, das Verfahren einvernehmlich zu beenden956. Dies gilt in erster Instanz wie im Rechtsmittelverfahren und unabhängig davon, ob es sich um eine Fürsorge- oder Streitsache handelt957. Sie können mithin, sofern die übrigen Verfahrenshandlungsvoraussetzungen gegeben sind, stets einen Verfahrensvergleich schließen958.
E. Vergleichsschluss in Amts- und unechten Antragsverfahren Entgegen der herrschenden Auffassung959 ist eine Beendigung des Verfahrens durch Vergleich gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG auch in denjenigen Verfahren grundsätzlich möglich, die von Amts wegen eingeleitet werden können960. Im 950
Siehe oben unter § 2. B. V., S. 39 f. Siehe oben unter § 2. B. V., S. 40 f. 952 Siehe oben unter § 2. C. I., S. 41 und II. 3., S. 49. 953 Siehe oben unter § 2. C. II. 3., S. 46 ff. 954 Siehe oben unter § 2. C. IV. 1., S. 54 ff. 955 Siehe oben unter § 2. C. IV. 1., S. 54 ff. und 57. 956 Siehe oben unter § 2. C. IV. 2., S. 57 f. 957 Siehe oben unter § 2. C. IV. 2., S. 58. 958 Siehe oben unter § 2. C. IV. 2., S. 58. 959 Siehe oben unter § 2. C. III. 1., S. 51 f. m. N. in Fn. 307. 960 Siehe oben unter § 2. C. IV. 3., S. 58 ff. und 75. 951
F. Fehlerfolgen und Rechtschutz bei unrichtiger Beurteilung
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Einzelfall hängt die Zulässigkeit des Verfahrensvergleichs davon ab, ob dem Gericht über die Befugnis zur Verfahrenseinleitung hinaus auch eine Ermächtigung zur Verfahrensfortführung gegen den Willen der Beteiligten zukommt961. Ist dies der Fall, fehlt es an einer Beendigungsbefugnis der Beteiligten, mithin scheidet der Abschluss eines Verfahrensvergleichs aus. Für diese Frage ist es unerheblich, ob es sich bei dem Verfahren um eine Fürsorge- oder Streitsache handelt962. Hingegen kann das Bestehen eines gerichtlichen Anordnungsvorbehaltes im Sinne des § 36a Abs. 3 FamFG als Indiz für das Fehlen einer Beendigungsbefugnis der Beteiligten herangezogen werden963. Ein Rechtsmittelverfahren als solches kann entgegen einer vereinzelt vertretenen Auffassung stets durch Verfahrensvergleich beendet werden, selbst wenn das Ausgangsverfahren von Amts wegen eingeleitet worden ist964. Ob auch das gesamte Verfahren noch in der Rechtsmittelinstanz durch Verfahrensvergleich beendet werden kann, hängt davon ab, ob bereits in der Ausgangsinstanz eine Beendigungsbefugnis bestand965.
F. Fehlerfolgen und Rechtschutz bei unrichtiger Beurteilung der Beendigungsbefugnis Nehmen das Gericht und die Beteiligten zu Unrecht an, dass den Beteiligten eine Beendigungsbefugnis zukommt und wird dementsprechend ein Verfahrensvergleich abgeschlossen, so ist dieser von Anfang an unwirksam966. Das Gericht hat ein nur vermeintlich durch Verfahrensvergleich beendetes Amtsverfahren von Amts wegen weiterzuführen, wenn es von einer möglichen Unwirksamkeit des Vergleichs Kenntnis erlangt967. Auch die Beteiligten können die Fortführung eines in Wahrheit nicht beendeten Amtsverfahrens gemäß § 24 Abs. 1 FamFG stets anregen968; in unechten Antragsverfahren kann zudem ein Antrag auf Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens gestellt werden969. Verneint das Gericht zu Unrecht das Bestehen einer Beendigungsbefugnis der Beteiligten und weigert sich dementsprechend an einer einvernehmlichen
961
Siehe oben unter § 2. C. IV. 3., S. 67 ff., 69 und 75. Siehe oben unter § 2. C. IV. 4. a), S. 76. 963 Siehe oben unter § 2. C. IV. 4. b), S. 76 f. 964 Siehe oben unter § 2. C. IV. 5., S. 77 f. 965 Siehe oben unter § 2. C. IV. 5., S. 78 ff. 966 Siehe oben unter § 2. C. V. 1. a), S. 80. 967 Siehe oben unter § 2. C. V. 1. b), S. 81 f. 968 Siehe oben unter § 2. C. V. 1. b), S. 82. 969 Siehe oben unter § 2. C. V. 1. c), S. 82. 962
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§ 4 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Verfahrensbeendigung mitzuwirken, können die Beteiligten gegen die Endentscheidung mit der Beschwerde vorgehen970.
G. Die Parteien des Verfahrensvergleichs Sämtliche Beteiligte können Partei eines Verfahrensvergleichs sein971. Demgegenüber brauchen und können Dritte an dessen Abschluss nicht mitwirken972. Beteiligte gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind stets notwendige Vergleichsparteien973. Bei den übrigen Beteiligten kraft Hinzuziehung ist zu differenzieren: Soweit bei ihnen eine materielle Rechtsbetroffenheit im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG gegeben ist, ist ihre Zustimmung zum Verfahrensvergleichsschluss erforderlich974. Gleiches gilt, wenn sie selbst das entsprechende Verfahren durch eigenen Antrag hätten anstrengen können975. Ist beides nicht der Fall, kann ein Verfahrensvergleich auch ohne ihre Zustimmung geschlossen werden976.
H. Grenzen der materiellen Regelungsbefugnis Die historische Differenzierung zwischen Streit- und Fürsorgesachen ist unter Geltung des FamFG aufzugeben977. Sie kann nicht als Orientierungshilfe für die Feststellung, inwiefern materielle Regelungsbefugnisse der Beteiligten gegeben sind, herangezogen werden978. Auch in Fürsorgesachen können materielle Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten bestehen979. Ob und in welchem Umfang darüber verfügt werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls, insbesondere auch des Inhalts der konkret beabsichtigten Regelung980. Es ist möglich, § 36a Abs. 3 FamFG als Anhaltspunkt für die Ermittlung der Grenzen privatautonomen Handelns in FamFG-Angelegenheiten heranzuziehen981. Dabei ist zwischen gerichtlichen Anordnungs- und gerichtlichen 970
Siehe oben unter § 2. C. V. 2., S. 82 ff. Siehe oben unter § 2. D. I. 1., S. 86. 972 Siehe oben unter § 2. D. I. 2., S. 86 f. 973 Siehe oben unter § 2. D. II., S. 87 ff., 90 f. und 91 f. 974 Siehe oben unter § 2. D. II., S. 92 und 94. 975 Siehe oben unter § 2. D. II., S. 92 f. und S. 94. 976 Siehe oben unter § 2. D. II., S. 92 f. und S. 94. 977 Siehe oben unter § 2. E. II. 1., S. 95 ff. und S. 113. 978 Siehe oben unter § 2. E. II. 2., S. 114. 979 Siehe oben unter § 2. E. II. 2., S. 114. 980 Siehe oben unter § 2. E. II. 2., S. 114. 981 Siehe oben unter § 2. E. III., S. 114 ff. 971
J. Antragsrücknahme und Beendigungserklärung
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Genehmigungsvorbehalten zu unterscheiden982. Ist ein Genehmigungsvorbehalt gegeben, kann das Gericht im Zuge einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung die benötigte Genehmigung im Anschluss an den Vergleichsschluss in analoger Anwendung der §§ 156 Abs. 2 FamFG, 19 LwVG erteilen983.
I. Vollstreckungsfähigkeit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Die Schaffung eines Vollstreckungstitels durch Beteiligtenvereinbarung erfordert gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG das Bestehen einer Beendigungsbefugnis und einer materiellen Regelungsbefugnis984. Ob eine Verfügungsbefugnis in diesem Sinne besteht ist im Ausgangsverfahren zu überprüfen985. Entgegen einer zum Teil in der Literatur vertretenen Ansicht folgt aus § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nicht, dass darüber hinaus auch eine Überprüfung der Verfügungsbefugnis im Klauselerteilungs986- oder Vollstreckungsverfahren987 stattfindet. Unter Umständen kann die fehlende Verfügungsbefugnis aber mit einem Vollstreckungsabwehrantrag gerügt werden988.
J. Antragsrücknahme und Beendigungserklärung In reinen Antragsverfahren können die Beteiligten das Verfahren durch eine einvernehmliche Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 1 FamFG stets beenden989. Demgegenüber ist in reinen Amtsverfahren eine unmittelbar verfahrensbeendende Antragsrücknahme ausgeschlossen990. In unechten Antragsverfahren ist eine unmittelbare verfahrensbeendende Antragsrücknahme de lege lata nur möglich, wenn noch keine Endentscheidung ergangen ist und dem Antragsteller eine Beendigungsbefugnis zukommt991. Eine Beendigungserklärung sämtlicher Verfahrensbeteiligter gemäß § 22 Abs. 3 FamFG führt de lege lata nur in reinen Antragsverfahren zur unmittelbaren Verfahrensbeendigung992. De lege ferenda bietet es sich an, den Wortlaut 982
Siehe oben unter § 2. E. III., S. 114 ff. Siehe oben unter § 2. E. III. 2. b), S. 120 ff. 984 Siehe oben unter § 2. F. I., S. 127 ff. und S. 131. 985 Siehe oben unter § 2. F. II. 1. und 2., S. 132 ff. 986 Siehe oben unter § 2. F. II. 3. und 4., S. 134 ff. 987 Siehe oben unter § 2. F. II. 5., S. 138. 988 Siehe oben unter § 2. F. II. 6., S. 138 f. 989 Siehe oben unter § 3. A. I., S. 143. 990 Siehe oben unter § 3 A. II., S. 143 ff. 991 Siehe oben unter § 3 A. III., S. 146 ff. 992 Siehe oben unter § 3. B., S. 149. 983
156
§ 4 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
des § 22 FamFG entsprechend dem hier gemachten Gesetzgebungsvorschlag zu ändern und so den Anwendungsbereich der Beendigungserklärung zu erweitern993.
993
Siehe oben unter § 3. B., S. 149 f.
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Sachverzeichnis Abwehranspruch geg. Verfahrensfortführung 84 Amtsermittlungsgrundsatz, -pflicht 11, 43 ff., 99, 100 (Fn. 605), 116, 118 Amtsverfahren –– Antrag 144 ff. –– Antragsrücknahme 143 ff. –– Begriff 11 –– Beendigungsbefugnis der Beteiligten –– allgemein 58 ff., 75 –– im Einzelfall 76 f. –– in zweiter u. dritter Instanz 77 ff. –– Beendigungserklärung 149 –– Einleitung 11 –– Gründe für d. Zuordnung einzeln. Verfahren z. d. Amtsverfahren 63 ff. –– Keine Identität m. d. Unterscheidung zw. Fürsorge- u. Streitverfahren 15 –– Mediation 69 ff. –– Verfahrensgegenstand 43 f. Analoge Anwendung –– der §§ 156 Abs. 2 FamFG, 19 LwVG 120 ff., 155 –– der §§ 95 Abs. 1 bis 3 FamFG, 707, 719, 769 ZPO 133 –– der §§ 58, 59 Abs. 1 FamFG 146 –– der §§ 308 Abs. 1 ZPO, 88 VwGO 44 –– des § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG 87 ff., 93 –– des § 22 Abs. 3 FamFG 87 ff., 93 –– des § 22 Abs. 4 FamFG 62 f., 144, 148 (m. Fn. 936) –– des § 48 Abs. 1 FamFG 73 ff. –– des § 139 BGB 23 (m. Fn. 124), 151 –– des § 797 Abs. 5 ZPO 141 Anordnungsvorbehalte 70 f., 76 f., 114 ff., 121, 124 f, 154 f. Anregende 94 f.
Anregung 36, 68, 82, 94 f,. 116, 139, 144 ff. Anregungsrücknahme 144, 148 Anspruch auf gerichtliche Entscheidung (Bescheidungsanspruch) 88 ff., vgl. auch Justizgewährungsanspruch Antrag –– Sachantrag 44 f., 90 –– Verfahrensantrag 11, 44 f. Antragsverfahren –– reine 11 –– unechte 12 –– „verkappte“ 66 ff. Antragsrücknahme –– Anwendungsbereich –– allgemein 143 ff., 155 –– in Amtsverfahren 27, 143 ff., 155 –– in Versorgungsausgleichsverfahren 38 –– in zweiter u. dritter Instanz 143 –– Begriff 9 –– Rechtsnatur 25 f. –– Verhältnis z. Verfahrensvergleich 61 f. –– Zustimmung d. übrigen Beteiligten –– Notwendigkeit 20, 87 –– Zeitpunkt 20, 87, 93 Beendigungsbefugnis –– als Voraussetzung z. Abschluss e. Verfahrensvergleichs 46 ff. –– Begriff 46 f. –– Bestehen der Beendigungsbefugnis –– allgemein 54 ff. –– Feststellung i. Einzelfall 76 f. –– in Amtsverfahren 58 ff., 75, 76 ff. –– in Fürsorgeverfahren 76 –– in reinen Antragsverfahren 57 f. –– in unechten Antragsverfahren 58 ff., 75, 76 ff.
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Sachverzeichnis
–– in zweiter u. dritter Instanz 58, 77 ff. –– unrichtige Beurteilung u. Fehlerfolgen 80 ff., vgl. auch Rechtsschutz Beendigungserklärung –– Anwendungsbereich 148 f., 155 f. –– Begriff 9 Beschwerde 9 (Fn. 36), 41, 51 f., 58, 77 ff., 82, 84 f., 108, 127, 137, 143, 145 f., 152 f., 154 Beteiligte, vgl. auch Parteien d. Verfahrensvergleichs –– Antragsteller 90 f. –– Begriff 86 –– „Kann“-Beteiligte 94 –– „Muss“-Beteiligte kraft Hinzuziehung 91 ff. –– Nichtbeteiligte 94 f. Betreuung 12, 13 f., 66, 67 (Fn. 418), 68 f., 77, 110 (Fn. 679) Beurkundungsfunktion d. Vergleichs 33, 119 Billigung, vgl. gerichtlich gebilligter Vergleich Dispositionsbefugnis, vgl. Verfügungsbefugnis Dispositionsgrundsatz, -maxime 5 f., 46, 51, 60, 63, 70, 130, 143 f. Doppelnaturlehre 22 ff., 28 ff., 37, 49, 78, 86 Doppeltatbestandslehre, vgl. Trennungslehre Endentscheidung, Begriff 9 Erbscheineinziehungsverfahren 52 f., 59, 116, 119 (Fn. 751) Erbscheinerteilungsverfahren 44, 94, 111, 115 ff., 140 Ermächtigungsgrundlage 48 (Fn. 287), 56, 61, 64 ff., 69, 72 ff., 76 f., 84, 102 (Fn. 623), 124, 147, 153 Ermessen d. Gerichts 79, 94, 102 (m. Fn. 623), 106, 125, 127, 141 Ermessensreduzierung auf Null 127 Familiensachen (nichtstreitige), Begriff 16
Familienstreitsachen –– Begriff 16 –– Keine Identität m. Streitsachen 16 f. –– Keine Anwendung d. § 36 FamFG 34 f., 151 Fürsorgeverfahren, -sachen –– Abgrenzung zu Streitverfahren 96 ff., 113, 154 –– als Analogierechtfertigung 96 ff., 112 f. –– Begriff 12 ff. –– Merkmale 13 f. Genehmigung –– Anspruch 127 –– Begriff 121 –– Form 125 f. –– „Innengenehmigung“ 121 –– Rechtschutz b. Verweigerung d. Genehmigung 126 f. Genehmigungsvorbehalte 77, 120 ff., 154 f. gerichtlich gebilligter Vergleich –– Anwendungsbereich 10, 39 f., 120 ff., 155 –– Begriff 10 –– Form d. Billigung 125 f. –– Rechtsnatur 41, 121 f. –– Rechtsschutz b. Verweigerung d. Billigung 126 f. Gewaltschutzsachen 35 f., 45, 83, 106, 112, 151 Inquisitionsmaxime, vgl. Untersuchungsgrundsatz Justizgewährungsanspruch 83 f., 90, 103, 125 Kernverfahren, vgl. Fürsorgeverfahren Kindeswohl 39, 60, 70, 102, 104 (Fn. 632), 105, 112, 114, 123, 126, 127 (Fn. 810) Kindschaftssachen 6, 10, 13 f., 39 ff., 60, 70, 88, 90, 102, 105 f., 107, 111 f., 115, 121, 123 f., 135, 151 f. –– Herausgabe 10, 39 ff., 51, 121, 123 f., 151 f.
Sachverzeichnis
–– Sorgerecht 6, 14, 60, 70, 102, 105 f., 107, 115, 123 f. –– Umgang 10, 39 ff., 51, 70, 121, 123 f., 151 f. Klassische Verfahren d. freiw. Gerichtsbarkeit, vgl. Fürsorgeverfahren Klauselerteilungsverfahren, -erinnerung, vgl. Vollstreckungsklausel Landwirtschaftssachen 121 f. Materielle Regelungsbefugnis, vgl. auch Privatautonomie –– als Voraussetzung z. Abschluss mat. Parteivereinbarungen 47 –– Begriff 47 ff. (vgl. auch Fn. 273) –– bei gerichtlichen Anordnungsvorbehalten 114 ff., 154 f. –– bei gerichtlichen Genehmigungsvorbehalten 120 ff., 154 f. –– Grenzen –– allgemein 95 –– FamFG-spezifische Grenzen 95 ff. –– keine Orientierung an d. Unterscheidung zw. Fürsorge- u. Streitverfahren 95 ff., 154 –– im Erbscheinerteilungsverfahren 116 ff. –– in Ehesachen 35 (Fn. 195), 115 –– in Fürsorgeverfahren 114 –– in Sorgerechtsverfahren 70 (m. Fn. 440), 115, 123 f. –– in Verfahren über Kindesherausgabe oder Kindesumgang 39 f., 121, 123 f. –– in Versorgungsausgleichssachen 37, 119 f. Mediation 2 f., 24, 69 ff. Offizialmaxime 60 f. Parteien d. Verfahrensvergleichs 85 ff., vgl. auch Beteiligte –– „Kann“-Parteien 86 f., 94, 154 –– Notwendige Parteien 87 ff., 154 Privatautonomie, vgl. materielle Regelungsbefugnis
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Protokollierung 31 ff., 51 (Fn. 302), 69, 83 f., 119,125 (Fn. 798), 126 f., 131, 141 Prozessvergleich 5 ff., 8 f., 21 f., 28, 48, 81, 88, 91, 135 –– Abgrenzung z. Verfahrensvergleich 8 (Fn. 30) –– „abstrakter“ Prozessvergleich 24 ff., vgl. auch Verfahrensbeendigungsvertrag –– in Ehe- u. Familienstreitsachen 34 f. Rechtsbeschwerde 9 (Fn. 36), 41, 51 f., 58, 77 ff., 137, 143, 152 f. Rechtsgewährungsanspruch, vgl. Justizgewährungsanspruch Rechtskraft –– formelle 108, 116 –– materielle 38, 44, 99, 108 ff., 118, 139 Rechtsmittel, vgl. Beschwerde u. Rechtsbeschwerde Rechtsmittelrücknahme, -verzicht 52, 143 Rechtsschutz –– Bei unrichtiger Beurteilung d. Beendigungsbefugnis 80 ff., 153 f. –– Bei unrichtiger Beurteilung d. Verfügungsbefugnis i. S. d. § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG 133 ff., 155 –– Bei Verweigerung e. gerichtlichen Genehmigung 126 f. Regelungsstreitigkeiten 106 f. Registersachen 13, 34, 50, 61, 105 (Fn. 642) Sachantrag, vgl. Antrag Scheidung 35 (Fn. 195), 115 Sorgerecht, vgl. Kindschaftssachen Streitgegenstand, vgl. Verfahrensgegenstand Streitverfahren, -sachen –– Abgrenzung zu d. Führsorgeverfahren 96 ff., 113, 154 –– als Analogierechtfertigung 96 ff., 112 f. –– Begriff 14 f. –– „echte“ 14 (Fn. 70) –– Keine Identität m. Familienstreitsachen 16 f.
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Sachverzeichnis
–– Merkmale 15 –– öffentlich-rechtliche 15 –– privatrechtliche 15 Trennungslehre, -theorie 22 ff., 29 f., 32, 41, 49, 86, 121, 134, 151 Umgang, vgl. Kindschaftssachen Untätigkeit d. Gerichts 103 (Fn. 623), 145 f. Untätigkeitsbeschwerde 145 f. Untersuchungsgrundsatz vgl. Amtsermittlungsgrundsatz Verfahrensantrag, vgl. Antrag Verfahrensarten 10 ff. Verfahrensbeendigungsvertrag (reiner) 24 ff., 33, 40, 152 Verfahrensgegenstand 42 ff. –– in Amtsverfahren 43 f. –– in reinen Antragsverfahren 44 f. –– in unechten Antragsverfahren 45 Verfahrensvergleich –– Abgrenzung z. Prozessvergleich 8 (Fn. 30) –– „abstrakter“, vgl. Verfahrensbeendigungsvertrag –– Begriff 8, 46 –– Abänderbarkeit 73 ff. –– Anwendungsbereich –– Amtsverfahren 51 f., 57 ff., 75, 76 ff., 152 f. –– Anordnungsvorbehalte 76 f. –– Antragsverfahren –– reine 57 f., 152 –– unechte 57 ff., 75, 76 ff. 152 f. –– Beschwerde 58, 77 ff., 152 f. –– Ehesachen 34 f, 151 –– Erbscheineinziehungsverfahren 119 (Fn. 751) –– Erbscheinerteilungsverfahren 118 f. –– Familienstreitsachen 34 f., 151 –– Fürsorgeverfahren 53 f., 57 f., 76, 152 f. –– Genehmigungsvorbehalte 77, 126 f. –– Gewaltschutzsachen 35 f., 151 –– Kindesumgang, -herausgabe 39 ff., 151 f.
–– Meinungsstand 50 ff. –– Parteien, vgl. Parteien d. Verfahrensvergleichs –– Rechtsbeschwerde 58, 77 ff., 152 f. –– Registersachen 34, 50 –– Streitverfahren 53, 57 f., 76, 152 f. –– Verfahren m. nur e. Beteiligten 34 –– Versorgungsausgleichssachen 37 ff., 151 –– Fehlerfolgen 80 ff. 153 f., vgl. auch Rechtsschutz –– Form, vgl. Beurkundungsfunktion u. Protokollierung –– Rechtsnatur 20 ff., 30, 151 –– Zwangsvollstreckung, vgl. Vollstreckungsfähigkeit, Vollstreckungsklausel u. Vollstreckungstitel Verfügung, Begriff 46 Verfügungsbefugnis –– Begriff 46 ff. –– i. S. d. § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG 32, 127 ff. –– vgl. auch Beendigungsbefugnis –– vgl. auch materielle Regelungsbefugnis Verfügungsgrundsatz, -maxime, vgl. Dispositonsgrundsatz Vergleich –– materieller Vergleich 7, 19, 20, 25, 32, 47, 86 f., 90 f., 95, 117 (Fn. 737), 122 (Fn. 777), 133 (Fn. 850), vgl. auch mat. Regelungsbefugnis –– vgl. gerichtlich gebilligter Vergleich –– vgl. Prozessvergleich –– vgl. Verfahrensvergleich Versorgungsausgleichssachen 16, 17, 37 ff., 111, 119 f., 151 Vollstreckungsfähigkeit –– Verfügungsbefugnis gem. § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG 127 ff., 155 –– Bedeutung d. Tatbestandsmerkmals 128 ff., 155 –– Rechtschutz 133 ff., 155 –– Überprüfung d. Verfügungsbefugnis 132 ff., 155 Vollstreckungsklausel –– Erforderlichkeit b. Verfahrensvergleich 123 (m. Fn. 844), 138
Sachverzeichnis
–– Keine Überprüfung d. Verfügungsbefugnis durch Klauselerinnerung 137 f., 155 –– Keine Überprüfung d. Verfügungsbefugnis i. Klauselerteilungsverfahren 134 ff., 155
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Vollstreckungstitel –– bei verfahrensfremden Ansprüchen 140 f. –– i. d. F. d. § 156 Abs. 2 FamFG 70, 39 f. 151 f. –– Mediationsvereinbarung 69 f. –– Vergleich 4, 20, 31 ff, 52, 78, 87, 119, 127 ff., 155