Behördliches Informationshandeln im Lebensmittelbereich: Zugleich eine Untersuchung der heutigen Informationsmodelle in der Verwaltungspraxis sowie der gesetzgeberischen Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene [1 ed.] 9783428554928, 9783428154920

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Behördliches Informationshandeln im Lebensmittelbereich: Zugleich eine Untersuchung der heutigen Informationsmodelle in der Verwaltungspraxis sowie der gesetzgeberischen Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene [1 ed.]
 9783428554928, 9783428154920

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Beiträge zum Informationsrecht Band 39

Behördliches Informationshandeln im Lebensmittelbereich Zugleich eine Untersuchung der heutigen Informationsmodelle in der Verwaltungspraxis sowie der gesetzgeberischen Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene

Von Carolin Monsees

Duncker & Humblot · Berlin

CAROLIN MONSEES

Behördliches Informationshandeln im Lebensmittelbereich

Beiträge zum Informationsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, Prof. Dr. Michael Kloepfer, Prof. Dr. Eva Inés Obergfell, Prof. Dr. Friedrich Schoch

Band 39

Behördliches Informationshandeln im Lebensmittelbereich Zugleich eine Untersuchung der heutigen Informationsmodelle in der Verwaltungspraxis sowie der gesetzgeberischen Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene

Von Carolin Monsees

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Jahr 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Textforma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1619-3547 ISBN 978-3-428-15492-0 (Print) ISBN 978-3-428-55492-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85492-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist als Dissertation bei der Juristischen Fakultät der Universität Passau im Juli 2017 eingereicht worden. Für die Drucklegung sind sowohl die aktuellen (politischen) Entwicklungen bis Mai 2018 als auch die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des § 40 Abs. 1a LFGB berücksichtigt worden. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Urs Kramer, der mich bei dem Entschluss für diese Arbeit sowie deren Anfertigung und Veröffentlichung stets hervorragend unterstützt und gefördert hat. Herrn Prof. Dr. Kai von Lewinski danke ich für die ausnehmend schnelle Erstellung des Zweitgutachtens sowie die gewinnbringenden Anregungen in seinem Gutachten sowie während der Disputation. Herrn Prof. Dr. Meinhard Schröder danke ich für die sehr angenehme Leitung der Disputation. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Prof. Dr. Fehling, der mir während meiner Mitarbeiterzeit als „externe Doktorandin“ stets unterstützend zur Seite stand. Ferner möchte ich mich bei der Studienstiftung des deutschen Volkes für die Förderung dieser Arbeit bedanken sowie bei Herrn Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger und Frau Prof. Dr. Monika Böhm, die mir die Aufnahme in die Studienstiftung als Promotionsstipendiatin ermöglicht und für die Erstellung dieser Arbeit wertvolle inhaltliche Anregungen gegeben haben. Meinen Freunden, Familie sowie ehemaligen und aktuellen Kollegen danke ich von ganzem Herzen für die große Unterstützung im Rahmen der Anfertigung und Veröffentlichung dieser Arbeit. 

Carolin Monsees

Inhaltsübersicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Problemstellung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Kategorisierung und Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Abgrenzungskriterien im juristischen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Entwicklung eines praxistauglichen Abgrenzungskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Verwaltungsrechtliche Einordnung behördlichen Informationshandelns . . . . . . 36 I. Begriffe und Funktion der verwaltungsrechtlichen Formenlehre . . . . . . . . . . . . . 38 II. Typologie der Handlungs- und Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 D. Verfassungsrechtliche Einordnung behördlichen Informationshandelns . . . . . . 52 I. Schutzrechtliche Dimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen: Unionsrechtlicher Rahmen und Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. § 40 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis und deren rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung: Veröffentlichung durch Behörden 207 II. Produktbewertungen: Veröffentlichung durch Private bei staatlicher Finanzierung 230 G. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

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Inhaltsübersicht

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Anhang: Fundstellen der zitierten Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Problemstellung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Kategorisierung und Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Abgrenzungskriterien im juristischen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Intensität der Verhaltenslenkung der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Warnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 c) Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 d) Anwendbarkeit im Lebensmittelbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Zielrichtung der Informationstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Bildung von Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Entwicklung eines praxistauglichen Abgrenzungskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Verwaltungsrechtliche Einordnung behördlichen Informationshandelns . . . . . . 36 I. Begriffe und Funktion der verwaltungsrechtlichen Formenlehre . . . . . . . . . . . . . 38 1. Begriff der „Handlungsform“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Abgrenzung der Begriffe „Handlungsform“ und „Rechtsform“ . . . . . . . . . . . . 39 3. Funktion der Formenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Typologie der Handlungs- und Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Abgrenzung des schlichten zum informellen Verwaltungshandeln . . . . . . . . . 43 2. Behördliches Informationshandeln als eigenständige Handlungsform? . . . . . . 45 a) Informationstätigkeit im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Warnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 D. Verfassungsrechtliche Einordnung behördlichen Informationshandelns . . . . . . 52 I. Schutzrechtliche Dimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

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Inhaltsverzeichnis 1. Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. „Grundrecht“ auf Markttransparenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Exkurs: Verfassungsimmanente Grundrechtsbegrenzung bei Warnungen? . . . 59 2. Grundsatzbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) „Glykol“ und „Osho“ im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Kernkritikpunkte des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 c) Zwischenergebnis für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3. Thematisch berührte Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Die „Wettbewerbsfreiheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 bb) Staatliches Informationshandeln als Funktionsbedingung des Markts?

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b) Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs . . . . . . . . . 75 bb) Schutz der rechtmäßig eingetragenen Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 cc) Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG

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aa) Differenzierung zwischen natürlichen und juristischen Personen . . . . . 81 bb) Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . 82 d) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 e) Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Grundrechtseingriff durch behördliches Informationshandeln . . . . . . . . . . . . . 86 a) Vom klassischen zum erweiterten Eingriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Funktionelles Äquivalent eines klassischen Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) (Voluntative und kognitive) Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 d) Intensität der Drittbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 e) Notwendigkeit der schutzbereichsbezogenen Eingriffsbestimmung . . . . . . 95 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Möglichkeit zur vorherigen Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Inhaltsverzeichnis

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cc) Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen: Unionsrechtlicher Rahmen und Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. § 40 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Regelungsgehalt des Normkomplexes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) § 40 Abs. 1 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, 2 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 bis 5 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 cc) Vorrang unternehmenseigener Informationen, § 40 Abs. 2 LFGB . . . . . 114 b) § 40 Abs. 1a LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Sonstige Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Unionsrechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Europäisches Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Beeinträchtigung der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit . 119 (2) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Unionsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (1) Anwendbarkeit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union 123 (a) Vollzug und Umsetzung von Unionsrecht sowie mitgliedstaatliches Handeln im darüber hinausgehenden unionsrechtlich determinierten Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (b) Beschränkung von Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Berührte Unionsgrundrechte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (a) Berufs- und unternehmerische Freiheit, Art. 15, 16 GRC . . . . . 128 (b) Eigentumsfreiheit, Art. 17 GRC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (c) Schutz personenbezogener Daten, Art. 8 Abs. 1 GRC . . . . . . . . 130 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Europäisches Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Art. 10 BasisVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Art. 7 KontrollVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) § 40 Abs. 1a LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 bb) Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (1) Lebensmittelbezug bei § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . 140

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Inhaltsverzeichnis (2) Veröffentlichungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (3) Bußgeldprognose als Veröffentlichungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . 144 (a) Unschuldsvermutung und Verdachtsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (b) Exkurs: Spannungsverhältnis zu § 475 StPO . . . . . . . . . . . . . . 148 cc) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Legitimer Zweck und Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (2) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (3) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (a) Zwingende Veröffentlichung ohne vorangehende Interessen­ abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (b) Verdachtsbasierte Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (c) Keine vorrangige unternehmenseigene Veröffentlichung . . . . . . 155 (d) Niedrige Bußgeldschwelle des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB . . . . . 156 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) § 40 Abs. 1 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 cc) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Ausblick: Gesetzesentwurf zur Novellierung des § 40 LFGB . . . . . . . . . . . . . 162 a) § 40 LFGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) § 40a LFGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Änderungsvorschläge zum Gesetzesentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Regelungsgehalt der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Rechtsnatur des § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Vergleichende Betriebsbewertungen: Veröffentlichung amtlicher Kontroll­ ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Verhältnis zu § 40 LFGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Art. 11 und Art. 8 KontrollVO n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 aa) Kontrollfrequenz, Beurteilungs- und Bewertungssystematik auf Basis der AVV RÜb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Inhaltsverzeichnis

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bb) Darstellung der Kontrollergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 cc) Zusatzkontrolle auf Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 dd) Exkurs: Rechtsnatur des Kontrollbarometers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Gesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 c) Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 d) Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (1) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (2) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (a) Intransparenz der Beurteilungsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (b) Suggestivwirkung der Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (3) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (4) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 e) Ansätze für ein überarbeitetes Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis und deren rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung: Veröffentlichung durch Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Exkurs: Smiley-System in Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Behördenstruktur und gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Kontrollfrequenz, Beurteilungs und Bewertungskriterien . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Darstellung der Kontrollergebnisse, Rechtsschutz und Zusatzkontrollen . . 213 d) Empirische Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Modelle in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) „Hygiene-Pass“ Zwickau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) „Hygienediagramm“ Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 c) Vom „Smiley“ zum „Kontrollbarometer“ in Nordrhein-Westfalen . . . . . . . 221 d) „Pankower Liste(n)“, „Pankower Smiley-System“ und „Sicher Essen in Berlin“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 aa) Pankower „Positiv-Liste“ und „Negativ-Liste“ im Jahr 2009 . . . . . . . . 224 bb) „Sicher Essen in Berlin“ und „Pankower Smiley-System“ im Jahr 2011 225 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Rechtliche Bewertung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Produktbewertungen: Veröffentlichung durch Private bei staatlicher Finanzierung 230

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Inhaltsverzeichnis 1. Das Onlineportal „Lebensmittelklarheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Aufbau des Portals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 aa) Veröffentlichungen im Produktbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (1) „Getäuscht?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (2) „Geändert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (3) „Erlaubt!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 bb) Begleitforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 cc) Exkurs: Publikations- und Nutzerzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Projektbezogene und institutionelle staatliche Förderung . . . . . . . . . . . . . . 239 c) Einflussnahme des BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Portalbetrieb: Abgrenzung zwischen öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Portalbetreiber als Beliehene? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Keine Aufsicht durch das BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Kein Auftreten als Hoheitsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Portalbetreiber als Verwaltungshelfer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 3. Finanzierung: Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Förderung . . . . . . . . . . . . 252 a) Staatliche Finanzierung als Grundrechtseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Erforderlichkeit einer Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 c) Exkurs: Keine (Finanz-)Zuständigkeit des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Verhältnis Hersteller – Portalbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Verhältnis Hersteller – BMEL / Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . 260 aa) Portalveröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Staatliche Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 5. Rechtmäßige Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 a) Anonymisierte Produktveröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) „Stiftung Lebensmittelklarheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

G. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Anhang: Fundstellen der zitierten Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Behördliches Informationshandeln: herkömmliche Abgrenzung . . . . . . 26

Abbildung 2:

Terminologie der Arbeit mit Übersicht der Informationsmodelle . . . . . 35

Abbildung 3:

LaV Saarland: Publikationen gem. § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB . . . . . . . . 139

Abbildung 4:

LaV Saarland: Publikationen gem. § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB . . . . . . . . 139

Abbildung 5:

Portal „Lebensmittelwarnung“: Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Abbildung 6:

Portal „Lebensmittelwarnung“: Publikationen gem. § 40 Abs. 1 LFGB 159

Abbildung 7:

Kontrollbarometer NRW (Ausschnitt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Abbildung 8:

Kontrollbarometer NRW alternative Darstellungsform (Ausschnitt) . . . 190

Abbildung 9:

Smiley-Modell Dänemark: Kontrollfrequenzen Einzelhandel . . . . . . . . 211

Abbildung 10: Smiley-Modell Dänemark: Kontrollfrequenzen Großhandel . . . . . . . . . 211 Abbildung 11: Smiley-Modell Dänemark: Bewertungslegende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Abbildung 12: Smiley-Modell Dänemark: Ergebnisse Einzelhandel 2010–2016 . . . . . 215 Abbildung 13: Smiley-Modell Dänemark: Anteil „Elite“-Einzelhandel 2010–2016 . . . 216 Abbildung 14: Portal „Lebensmittelklarheit“: Zuwendungen durch das BMELV / BMEL 239

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht Abs. Absatz a. D. außer Dienst a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung Archiv für Presserecht – Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht AfP ALS Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ALTS Arbeitskreis der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der vom Tier stammenden Lebensmittel tätigen Sachverständigen AMG Arzneimittelgesetz ANBest-P Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung AO Abgabenordnung AöR Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Art. Artikel AVV RÜb Allgemeine Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung BAnz Bundesanzeiger Basisverordnung – VO (EG) 178/2002 BasisVO BbgVerf Brandenburgische Verfassung Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BeckOK Beck’scher OnlineKommentar Begr. Begründer Beschl. Beschluss BfR Bundesinstitut für Risikobewertung BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BHO Bundeshaushaltsordnung BLJ Bucerius Law Journal (Online-Journal) Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. BLL BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft BMELV Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz BMJ Bundesministerium der Justiz BMJV Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BNBest Besondere Nebenbestimmung BPolG Bundespolizeigesetz BR Bundesrat Drucksache des Deutschen Bundesrats BR-Drs. bspw. beispielsweise

Abkürzungsverzeichnis BT Bundestag BT-Drs. Drucksache des Deutschen Bundestags BV Bayerische Verfassung BVL Bundesamt für Verbraucherschutz BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE bzw. beziehungsweise ca. circa Deutscher Bauernverband DBV DE nationale Marke DEG Diethylenglykol das heißt d. h. Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) DÖV Deutsches Patent und Markenamt DPMA Drs. Drucksache DVBl Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) E (Gesetz)Entwurf Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR Enterohämorrhagische Escherichia coli EHEC Einl. Einleitung EM Unionsmarke EMRK Europäische Menschenrechtskonvention et alii et al. etc. et cetera Gerichtshof der Europäischen Union EuGH EUIPO Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum EuR Zeitschrift Europarecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein e. V. f. folgende ff. fortfolgende Fn. Fußnote FS Festschrift G Gesetz GastG Gaststättengesetz gem. gemäß GewArch Gewerbearchiv (Zeitschrift) GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ggf. gegebenenfalls GK Großkommentar GRC Charta der Grundrechte der Europäischen Union GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GVBl. Gesetz- und Verordnungsblatt GV. NRW. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen

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Abkürzungsverzeichnis

Hoffmann-Riem, Wolfgang / Schmidt-Aßmann, Eberhard / Voßkuhle, Andreas (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts (siehe Literaturverzeichnis) Hazard Analysis and Critical Control Points HACCP Hdb Handbuch Hdb GR Merten, Detlef / Papier, Hans-Jürgen (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa (siehe Literaturverzeichnis) Isensee, Josef / Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der BundesHdb StaatsR republik Deutschland (siehe Literaturverzeichnis) HGB Handelsgesetzbuch h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HSOG Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Fassung i. d. F. Informationsfreiheitsgesetz des Bundes IFG i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit IVV Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) JA Jb Jahrbuch Jahrbuch des öffentlichen Rechts JÖR JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) JVL Journal für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit JZ Juristenzeitung (Zeitschrift) KäseV Käseverordnung KontrollVO Kontrollverordnung – VO (EG) 882/2004 Kommunikation & Recht (Zeitschrift) K&R KTG NRW Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz Nordrhein-Westfalen Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz LAV LaV Saarland Landesamt für Verbraucherschutz Saarland Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittelgesetzbuch LFGB LG Landgericht lit. litera Lebensmittelinformationsverordnung – VO (EU) Nr. 1169/2011 LMIV Lebensmittel & Recht (Zeitschrift) LMuR LT Landtag LZ Lebensmittelzeitung MarkenG Markengesetz MPG Medizinproduktegesetz m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NRW Nordrhein-Westfalen NuR Natur und Recht (Zeitschrift) NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) NWVBl OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht GVwR

Abkürzungsverzeichnis

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Gesetz über Ordnungswidrigkeiten OWiG PAG BAY Polizeiaufgabengesetz Bayern PAG TH Polizeiaufgabengesetz Thüringen PAngV Preisangabenverordnung Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen PolG NRW ProdSG Produktsicherheitsgesetz Robert Koch-Institut RKI RL Richtlinie Rn. Randnummer Rs. Rechtssache Rechtswissenschaft (Zeitschrift) RW s. siehe Slg. Sammlung der Rechtsprechung des EuGH / EuG siehe oben s. o. sog. sogenannt(-e/-er) StoffR Zeitschrift für Stoffrecht StPO Strafprozessordnung SZ Süddeutsche Zeitung u. a. unter anderem / und andere Uabs. Unterabsatz Urt. Urteil UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. vom VBlBW Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv – Zeitschrift für Verwaltungslehre, Verwaltungsrecht und VerwArch Verwaltungspolitik VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche v. H. von Hundert VIG Verbraucherinformationsgesetz VO Verordnung VSMK Verbraucherschutzministerkonferenz VV Verfahrensvorschrift Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VVDStRL VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz Vz Verbraucherzentrale VzBv Verbraucherzentrale Bundesverband WeinG Weingesetz WiVerw Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) WMK Wirtschaftsministerkonferenz WPHG Wertpapierhandelsgesetz z. B. zum Beispiel ZHR Zeitschrift für das gesamte Wirtschafts- und Handelsrecht ZJS Zeitschrift für das Juristische Studium ZLR Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht ZÖR Zeitschrift für Öffentliches Recht

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Abkürzungsverzeichnis

ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZSKG Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft z. T. zum Teil

A. Einführung „Denn die Deutschen wollen eben nicht, dass wir den Teller mit Gesetzen vollpacken. Im Gegenteil: Sie schätzen die hohe Qualität unserer Lebensmittel, informieren sich gezielt und genießen bewusst.“1

Mit diesen Worten leitet der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft den Ernährungsreport für das Jahr 2016 ein. Neben den Ernährungsgewohnheiten und dem Konsumverhalten bildet der Report auch das Informationsverhalten der Bevölkerung in Deutschland im Lebensmittelsegment ab. Demnach fühlen sich 63 % „gut“ über Lebensmittel informiert und nur 4 % bewerten ihre Informationslage als „schlecht“.2 Um sich über Lebensmittel zu informieren, nutzen die Deutschen verschiedene Informationsquellen, darunter Informationen am Einkaufsort (72 %), Etiketten und Siegel (60 %), eigene Internetrecherchen (44 %), Informationsbroschüren (35 %), Werbung (33 %), Internetforen (24 %) sowie Verbraucherzentralen (23 %).3 Doch wer stellt überhaupt – neben den Produktherstellern selbst – diese von den Verbrauchern begehrten (Online-)Informationen zur Verfügung? Die Antwort leitet zu dem Thema dieser Arbeit über, dem behördlichen4 Informationshandeln im Lebensmittelbereich. Während sich die staatliche Informationstätigkeit in früheren Jahren klassischerweise auf die Gefahrenabwehr beschränkt hat, rückt für die heutigen Informationsmaßnahmen der Verbraucherschutz jenseits der Gefahrenabwehr in den Vordergrund. Die gegenwärtige informatorische Verwaltungspraxis, die sich moderner Kommunikationsmedien – allen voran des Internets – bedient, lässt sich an zwei Beispielen näher illustrieren: zum einen durch das von dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanzierte und von der Verbraucherzentrale Bundesverband sowie der Verbraucherzentrale Hessen betriebene Internetportal „Lebensmittelklarheit“, auf dem die Portalbetreiber (vermeintlich) irreführende Kennzeichnungen und Aufmachungen von Lebensmitteln veröffentlichen, zum anderen durch das „Kontrollbarometer“, mit dem die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung in einem vergleichenden Bewertungssystem in Nordrhein-Westfalen publiziert werden sollen. Bei dem derzeitigen Informationshandeln tritt damit nicht nur der Staat selbst als Informationsgeber auf; er spannt für die Veröffentlichung lebensmittelbezogener Informationen vielmehr auch Rechts­subjekte 1 BMEL, Ernährungsreport 2016, Einleitung C. Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, S. 5. 2 BMEL, Ernährungsreport 2016, S. 21. 3 BMEL, Ernährungsreport 2016, S. 20. 4 Die Begriffe „behördliches“ und „staatliches Informationshandeln“ werden im Rahmen dieser Arbeit synonym gebraucht.

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A. Einführung

des Privatrechts ein. Dieser Wandel der behördlichen Informationstätigkeit führt zu einer Vielzahl neuer (öffentlich) rechtlicher Probleme, derer sich diese Arbeit annimmt.

I. Problemstellung der Arbeit Die Thematik des hoheitlichen Informationshandelns steht spätestens seit der „Osho“-Entscheidung des BVerfG immer wieder im Fokus der juristischen Diskussion. Die Bedeutung des Themas hat dabei in den letzten 15 Jahren keinesfalls abgenommen, sondern insbesondere im Lebensmittelsegment stetig an Aktualität gewonnen.5 Dies geht zum einen auf die zahlreichen Lebensmittelskandale der letzten Jahre und die damit einhergehende Sensibilisierung der Verbraucher zurück; genannt seien beispielhaft die Stichworte „EHEC“6, „Gammelfleisch“ und „Dioxin-Ei“. Zum anderen hat sich das Leitbild des Verbrauchers verändert. Während die deutsche Rechtsprechung früher noch von dem Leitbild des flüchtigen Verbrauchers ausging, hat sich unter dem Einfluss der europäischen Rechtsprechung derweil das Leitbild des durchschnittlich informierten und aufmerksamen Konsumenten etabliert, der sich, wie auch im einleitenden Zitat des Bundesministers zum Ausdruck kommt, selbstständig über die von ihm konsumierten Produkte informiert und seine Kaufentscheidung auf Grundlage seiner eigenen Überzeugungsbildung trifft. Hinzu kommt die über den Lebensmittelbereich hinausgehende Tendenz, das Behördenhandeln – in Abkehr von dem ursprünglichen Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit – so transparent wie nur möglich zu gestalten. Informationen zur Aufklärung und zum Schutz der Verbraucher erfahren damit eine höchst positive Konnotation. Dies gilt umso mehr, wenn sie von staatlicher Seite ausgesprochen sind und damit eine besonders hohe Autorität für sich in Anspruch nehmen. Vor diesem Hintergrund hat sich das behördliche Informationshandeln zu einem modernen Steuerungsinstrument gewandelt, mit dem die Verwaltung ihre (lebensmittelrechtlichen) Ziele verfolgt. Informationen lassen sich hierbei als behördliches Steuerungsmittel indirekt zur Regulierung des Markts einsetzen, indem sie auf das Verbraucherverhalten einwirken. Damit bewegen sich behördliche Informationsmaßnahmen im Spannungsfeld zwischen der Herstellung von Markttransparenz zu Gunsten der Verbraucher auf der einen Seite und den grundrechtlich geschützten Positionen der durch die Veröffentlichung mittelbar betroffenen Produkthersteller und Unternehmen auf der anderen Seite. Die mittelbaren Wirkungen behördlicher Publikationen auf die Drittbetroffenen potenzieren sich heutzutage durch die Nutzung des Internets, das sich durch einen unbegrenzten weltweiten Adressatenkreis sowie durch die Irreversibilität einmal veröffentlichter Informationen aus 5

Zu den aktuellen Tendenzen auf diesem Gebiet Möstl, LMuR 2015, 185 (185 f.). EHEC sind Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli, die beim Menschen Durchfallerkrankungen auslösen können. 6

II. Gang der Darstellung

23

zeichnet. Eine behördliche Veröffentlichung kann sich damit für die durch die Informationen nachteilig betroffenen Unternehmen sprichwörtlich als „Wolf im Schafspelz“ erweisen. Diese Entwicklungstendenzen werfen die Frage auf, wie sich das heutige behördliche Informationshandeln rechtlich einordnen lässt. Die Probleme liegen zunächst auf verfassungsrechtlicher Ebene, zum einen im Hinblick auf die berührten Grundrechtspositionen der Drittbetroffenen und zum anderen in Bezug auf die Entwicklung einer Eingriffsdefinition, die dem heutigen Informationsverhalten gerecht wird. Von Interesse sind hierbei auch die (neu hinzutretenden) Probleme der Grundrechtsbindung und des Rechtsschutzes der Drittbetroffenen, die aus der Einbindung Privater in das (behördliche)  Informationshandeln resultieren. Hervorzuheben ist, dass eine rein nationale Betrachtung aufgrund der weitgehenden europarechtlichen Harmonisierung des Lebensmittelrechts der Materie nicht mehr gerecht wird. Es bedarf daher zugleich der Einbeziehung der primär- und sekundärrechtlichen europäischen Vorgaben. Auf einfachgesetzlicher Ebene folgt aus alldem die Fragestellung, ob die derzeitigen Ermächtigungsgrundlagen zum (lebensmittelbezogenen) Informationshandeln die verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Anforderungen wahren. Ferner ist zu hinterfragen, ob und wie sich die heutigen Informationsmodelle der Verwaltungspraxis in den bestehenden rechtlichen Rahmen integrieren lassen.

II. Gang der Darstellung Das heutige behördliche Informationshandeln lässt sich rechtlich nur einordnen und bewerten, wenn diesem eine einheitliche Terminologie zu Grunde liegt. Einführend bedarf es daher der Herausarbeitung von Informationskategorien und der Wahl einer zugehörigen geeigneten Terminologie, die den verschiedenen gegenwärtigen behördlichen Informationsmodellen gerecht wird (hierzu B.). Daran schließt sich eine Systematisierung aus verwaltungsrechtlicher Sicht an, nämlich wie sich das behördliche Informationshandeln in die Handlungsformenlehre der Verwaltungsdogmatik einordnen lässt (hierzu C.). Das verfassungsrechtliche Fundament wird im sich anschließenden Kapitel dieser Arbeit gelegt, indem die behördliche Informationstätigkeit aus schutz- und abwehrrechtlicher Perspektive eine eingehende Untersuchung erfährt (hierzu D.). Mit der Entwicklung von verfassungsrechtlichen Kriterien, die das heutige Informationshandeln wahren muss, schließt sich die Betrachtung der derzeit bestehenden einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen an. Diese sind nicht nur auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen, sondern auch in ihrem unionsrechtlichen Kontext zu beleuchten. Da sich das behördliche Informationshandeln im stetigen Wandel befindet, schließt dieses Kapitel mit einem Ausblick auf die aktuellen gesetzgeberischen Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene (hierzu E.). An die verwaltungs-, verfassungs- und einfachgesetzliche Untersuchung des behördlichen Informationshandelns knüpft

24

A. Einführung

eine Einordnung der heutigen bestehenden Informationskonzepte der deutschen und vergleichend exemplarisch auch der dänischen Verwaltungspraxis an. Der Fokus liegt hierbei auf der praxisbezogenen Frage, wie – jenseits der einzuhaltenden rechtlichen Anforderungen  – behördliche Informationsmodelle ausgestaltet sein müssen, um eine gesellschaftliche Legitimation zu erfahren und damit auf lange Sicht erfolgreich bestehen zu können (dazu F.). Die Arbeit endet schließlich mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform (dazu G.).

B. Kategorisierung und Terminologie Zu Anfang der Arbeit steht die Frage, wie die unterschiedlichen Formen des behördlichen Informationshandelns voneinander abzugrenzen und sprachlich zu bezeichnen sind. Denn erst mit der Entwicklung eines geeigneten Abgrenzungskriteriums und einer darauf aufbauenden Terminologie lässt sich das staatliche Informationshandeln im Lebensmittelbereich aus verwaltungs-, verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Sicht untersuchen. Für die verschiedenen Erscheinungsformen des Informationshandelns existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe wie „Ankündigung“, „Appell“, „Aufklärung“, „Auskunft“, „Beratung“, „Empfehlung“, „Hinweis“, „Information“, „interner Bericht“, „Mahnung“, „Öffentlichkeitsarbeit“, „Stellungnahme“ und „Warnung“.1 Diese Bezeichnungen stellen keine dogmatischen Kategorien dar, sondern dienen der sprachlichen Strukturierung der verschiedenen Arten staatlicher Informationstätigkeit.2 Da es weder einen einheitlichen Sprachgebrauch noch positivrechtliche Vorgaben gibt,3 muss sich die Kategorisierung und die Wahl einer geeigneten Terminologie an deren praktischer Anwendbarkeit messen lassen. Die Abgrenzung der verschiedenen Informationskategorien sowie die Auswahl geeigneter Begriffe bleiben damit letztendlich eine Frage des persönlichen Geschmacks,4 die aber für eine sorgfältige und stringente Darstellung der rechtlichen Problematik unumgänglich sind. Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, eine praxistaugliche Abgrenzung zu entwickeln, die den Besonderheiten des staatlichen Informationshandelns im Lebensmittelbereich unter Berücksichtigung der im juristischen Schrifttum bereits bestehenden Differenzierungskriterien Rechnung trägt. Die Kategorisierung und die Begriffswahl sollen einen breiten Anwendungsbereich abdecken, um speziell die aktuellen Formen der behördlichen Informationstätigkeit zu erfassen, wie etwa die Online-Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung. Da die gesetzgeberischen Entscheidungen im Lebensmittelbereich stark anlassbezogen erfolgen und die verschiedenen Informationsmodelle als Konsequenz dessen einem stetigen Wandel unterworfen sind, müssen die festzulegenden Kategorien zugleich möglichst auch zukünftige Informationsinstrumente erfassen können. 1 Vgl. etwa Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 254 f.; Gramm, Der Staat 30 (1991), 51 (52); Heintzen, NuR 1991, 301; ders., in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 167 (174); Schlecht, Warnungen, S. 11; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 25. 2 Heintzen, NuR 1991, 301; Remmert, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 37 Rn. 1; Schlecht, Warnungen, S. 11. 3 T.  Engel, Informationstätigkeit, S.  7; Heintzen, NuR 1991, 301; Schlecht, Warnungen, S. 11; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 25. 4 Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 167 (176).

26

B. Kategorisierung und Terminologie

I. Abgrenzungskriterien im juristischen Schrifttum In der juristischen Literatur bestehen verschiedene Ansätze, um den Oberbegriff der „staatlichen Informationstätigkeit“ einer sprachlichen Differenzierung zuzuführen. Ein verbreiteter Ansatz ist die Unterteilung in die Begriffe „Warnung“, „Empfehlung“ und „Aufklärung“.5 Die Gemeinsamkeit dieser drei Bezeichnungen liegt in der intendierten Verhaltenssteuerung der Adressaten.6 Zur Abgrenzung dieser Begriffe existieren verschiedene Kriterien, die nachfolgend auf ihre Praxistauglichkeit im Lebensmittelbereich zu überprüfen sind. C. Monsees der Verbraucher 1. Intensität der Verhaltenslenkung Informationshandeln im Lebensmittelbereich. zugleich eine Untersuchung DasBehördliches wohl gebräuchlichste Kriterium zur Abgrenzung der Begriffe „Warnung“, der heutigen Informationsmodelle in der Verwaltungspraxis sowie der „Empfehlung“ und „Aufklärung“ ist die Intensität der Verhaltenslenkung der Vergesetzgeberischen Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene braucher durch die Informationstätigkeit.7 Demnach ist die Einflussnahme auf die zum und Informationsrecht) Adressaten bei der Warnung am(Beiträge intensivsten bei der Aufklärung am geringsten.8 Einen ersten Überblick zur Abgrenzung anhandOriginal dieses Kriteriums gibt die nachAbbildungen folgende Abbildung. Behördliches Informationshandeln – herkömmliche Abgrenzung niedrig mehrere generell

Intensität der Verhaltenslenkung Handlungsalternativen Art der Information

Aufklärung abstrakte und generelle Empfehlung/Bericht/ Hinweis/Mitteilung/ Auskunft/Ansprache

Empfehlung (konkrete)

hoch keine individuell

Warnung

Abbildung 1: BehördlichesInformationshandeln: Informationshandeln: herkömmliche Abbildung 1: Behördliches herkömmlicheAbgrenzung Abgrenzung 5 von Danwitz, Produktempfehlungen, S. 21; T. Engel, Informationstätigkeit, S. 7; Grösch­ ner, DVBl 1990, 619 (620); Kloepfer, Staatliche Information, S.  16; Leidinger, DÖV 1993, 925 (926); C. Schmidt, Informationsmaßnahmen, S. 27; Seemann, Produktinformation, S. 73; Tremml / Luber, NJW 2005, 1745 (1746). 6 Leidinger, DÖV 1993, 925 (926); Philipp, Verbraucherinformation, S. 2; Seemann, Produktinformation, S. 73. 7 Böhm, JA 1997, 794; von  Danwitz, Produktempfehlungen, S.  21; T.  Engel, Informa­ tionstätigkeit, S. 7; Gröschner, DVBl 1990, 619 (620); Kloepfer, Staatliche Information, S. 16; Leidinger, DÖV 1993, 925 (926); C. Schmidt, Informationsmaßnahmen, S. 27; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 25; Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 91; Seemann, Produktinformation, S. 73; Tremml / Luber, NJW 2005, 1745 (1746); Zott, Informationen, S. 82 ff. 8 von Danwitz, Produktempfehlungen, S. 20; T. Engel, Informationstätigkeit, S. 7; Gröschner, DVBl 1990, 619 (622); Kloepfer, Staatliche Information, S. 16.

I. Abgrenzungskriterien im juristischen Schrifttum

27

a) Warnung Die Warnung erfolgt nach dieser dreistufigen Differenzierung zur Abwehr einer konkreten Gefahr und beinhaltet den größten Grad der Beeinflussung der Verbraucher.9 Sie ist als Instrument der Gefahrenabwehr negativ formuliert und darauf ausgerichtet, Rechtsgüter wie das Leben, die Gesundheit, das Eigentum oder die Rechtsordnung zu schützen.10 Der Staat bewirkt mit einer Warnung, dass der Adressat eine bestimmte Handlung nicht vornimmt respektive ein bestimmtes Produkt nicht verzehrt. Die Warnung zeichnet sich dadurch aus, dass sie das Produkt, die Person oder die Handlung, vor dem bzw. der sie warnt, konkret bezeichnet (sogenannte Individualität der Warnung).11 Zwar hat die Warnung keinen Sanktionscharakter; dennoch besteht für den Adressaten aufgrund der in Aussicht gestellten drohenden Folgen keine andere Möglichkeit, als das betroffene Produkt zu meiden, da andernfalls ein nicht abschätzbares (Gesundheits-)Risiko droht.12 b) Empfehlung Nach absteigender Intensität der Verbraucherbeeinflussung geordnet, folgt der Warnung die Empfehlung. Diese beinhaltet – wie auch die Warnung – eine Tatsachenbehauptung, ein wertendes Element sowie eine Handlungsaufforderung13 und zeichnet sich ebenfalls durch ihre Individualität aus.14 Der Staat zeigt dem Adressaten mit einer Empfehlung auf, welches Verhalten er gegenüber anderen (Verhal­ tens-)Möglichkeiten für vorzugswürdig erachtet.15 Dem Adressaten der Empfehlung stehen damit mehrere Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, da lediglich eine Präferenz für ein bestimmtes Verhalten ausgesprochen wird.16 Die Empfehlung nimmt eine Zwitterstellung ein, indem sie in der Form der konkreten Produktempfehlung Elemente der Warnung enthält (sog. konkrete Empfehlung), in der Form der generellen Verhaltensempfehlung indes der Aufklärung näher steht (sog. abstrakte / generelle Empfehlung).17 Eine trennscharfe Differenzierung zwischen den Begriffen „Warnung“ und „Empfehlung“ anhand des Kriteriums der Intensität der

9 Gröschner, DVBl 1990, 619 (621); T. Engel, Informationstätigkeit, S. 11; Seemann, Produktinformation, S. 74. 10 Abbé, Verbraucherschutz, S. 147 f.; T. Engel, Informationstätigkeit, S. 11; Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S.  167 (176); R.  Schmidt, Informationshandeln, S. 25; Seemann, Produktinformation, S. 74. 11 C. Schmidt, Informationsmaßnahmen, S. 27; Seemann, Produktinformation, S. 74. 12 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 11; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 26. 13 von Danwitz, Produktempfehlungen, S. 20; Schlecht, Warnungen, S. 11. 14 C. Schmidt, Informationsmaßnahmen, S. 29. 15 Schlecht, Warnungen, S. 11; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 26. 16 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 10; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 26; Seemann, Produktinformation, S. 74. 17 Gröschner, DVBl 1990, 619 (621); T. Engel, Informationstätigkeit, S. 10.

28

B. Kategorisierung und Terminologie

Verhaltenslenkung ist damit nicht möglich.18 Diese Abgrenzungsproblematik offenbart sich des Weiteren darin, dass eine auf ein konkretes Produkt bezogene Empfehlung der Sache nach zugleich eine (positiv formulierte) Warnung enthalten soll.19 Sowohl eine Empfehlung als auch eine Warnung wären folglich zur Abwehr einer (Gesundheits-)Gefahr denkbar. Warum aber die Warnung vor einem nicht verkehrsfähigen Produkt den Adressaten stärker als die Empfehlung, ein bestimmtes nicht verkehrsfähiges Produkt zu meiden, beeinflussen soll, erschließt sich nicht.20 Der Grad der Verhaltenslenkung ist in beiden Fällen der gleiche: Der Verbraucher als Adressat wird auf das benannte Produkt verzichten. Das Kriterium der Intensität der Verhaltenslenkung ist daher nicht geeignet, eine genaue Abgrenzung zwischen den Begriffen „Warnung“ und „Empfehlung“ zu ermöglichen.21 c) Aufklärung Auf der untersten Intensitätsstufe ordnet sich nach dem dreistufigen Abgrenzungsmodell die Aufklärung ein, die über bestimmte Umstände in objektiver Weise informiert.22 Charakteristisch für die Aufklärung ist ihr genereller Charakter, d. h., sie geht nicht zu Lasten eines einzelnen Grundrechtsträgers.23 Die mittels einer Aufklärung übermittelten Informationen sind möglichst neutral und geben lediglich den Kenntnisstand der Behörde wieder.24 Der Verbraucher wird durch die Aufklärung in die Lage versetzt, selbstbestimmt eine Entscheidung zu treffen, ohne dass er dem (psychologischen) Druck ausgesetzt ist, sich in bestimmter Weise verhalten zu müssen.25 Der Entscheidungsspielraum des Adressaten bleibt deshalb in vollem Umfang erhalten.26 Als synonym verwendete Begrifflichkeiten finden sich im juristischen Schrifttum die Bezeichnungen „abstrakte / generelle Empfehlung“, „Hinweis“, „Mitteilung“, „Auskunft“, „Bericht“ und „Ansprache“.27

18

T. Engel, Informationstätigkeit, S. 12; Kloepfer, Staatliche Information, S. 17; Zott, Informationen, S. 85 ff. 19 Gröschner, DVBl 1990, 619 (621). 20 Schlecht, Warnungen, S. 23. 21 Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 176; Schlecht, Warnungen, S. 23. 22 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 7; Gröschner, DVBl 1990, 619 (622); Seemann, Produktinformation, S. 75. 23 C. Schmidt, Informationsmaßnahmen, S. 30; Seemann, Produktinformation, S. 75. 24 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 7; Tremml / Luber, NJW 2005, 1745 (1746). 25 Seemann, Produktinformation, S. 75. 26 Leidinger, DÖV 1993, 925 (926). 27 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 8; Seemann, Produktinformation, S. 75; abweichend: R. Schmidt, Informationshandeln, S. 27, der den „Hinweis“ als eigene vierte Informationskategorie neben „Warnung“, „Empfehlung“ und „Aufklärung“ anführt und diesen als eine reine Wissenserklärung in Bezug auf einen konkreten Informationsgegenstand definiert.

I. Abgrenzungskriterien im juristischen Schrifttum

29

d) Anwendbarkeit im Lebensmittelbereich Das Ineinander-Übergehen der Begriffe „Warnung“, „Empfehlung“ und „Aufklärung“ lässt sich anhand der Abbildung  1 nachvollziehen. Die Begriffspaare „Aufklärung / Empfehlung“ und „Empfehlung / Warnung“ lassen sich kaum voneinander abgrenzen, soweit allein das Kriterium der Intensität der Verhaltensbeeinflussung herangezogen wird.28 Die beiden nachfolgenden Anwendungsbeispiele verdeutlichen, dass diese Abgrenzungsschwierigkeiten in besonderem Maße im Lebensmittelbereich bestehen. Das erste Beispiel entstammt dem staatlich finanzierten und durch Verbraucherzentralen betriebenen Portal www.lebensmittelklarheit.de (im Folgenden: „Le­ bensmittelklarheit“), über das Verbraucher Lebensmittel melden können, deren Kennzeichnung oder Aufmachung sie als irreführend empfinden.29 Eine Veröffentlichung behandelt das Knäckebrot „Leicht&Cross“ der Firma Griesson-de Beuke­ laer GmbH & Co. KG.30 Das Produkt besteht aus einzelnen Brotscheiben, die foliert in einem Pappkarton eingebracht sind, auf dem eine Nettofüllmenge von 125 g ausgewiesen sowie die nachfolgende Angabe aufgedruckt ist. „Eine Packung enthält 5 Portionen. 1 Portion (4 Scheiben): ca. 26 g.“

Laut der veröffentlichten Verbrauchermeldung enthalte das Produkt nicht die auf der Verpackung angegebene Scheibenanzahl. Die Redaktion des Portals stellt in ihrer Einschätzung fest, dass in den überprüften Produkten zwischen 16 bis 18 Scheiben statt der angegebenen vier mal fünf Portionen, also 20 Brotscheiben, enthalten seien. Dadurch werde der Verbraucher, der sich neben der Nettofüllmenge für die Zahl der belegbaren Brotscheiben interessiere, „in die Irre“ geführt. Unterstellt man, dass es sich bei der Veröffentlichung um eine mittelbare staatliche Informationstätigkeit handelt,31 stellt sich die Frage nach der Einordnung der Publikation als Empfehlung oder Aufklärung. Das Kriterium der Intensität der Verbraucherbeeinflussung hilft hierbei indes nicht weiter. So spricht für das Vorliegen einer Aufklärung zunächst, dass eine objektive Tatsache wiedergegeben wird (16 bis 18 statt 20 Brotscheiben bei einer Nettofüllmenge von 125 g), anhand derer sich der Verbraucher ein eigenes Bild machen und eine selbstbestimmte Kaufentscheidung treffen kann. Davon ausgehend, dass die Information alleine dazu dient, den Verbraucher über die tatsächlich enthaltene Scheibenzahl zu informieren, ist eine Verhaltenslenkung zu verneinen. Gleichzeitig bezieht sich die Information aber auf ein konkretes Produkt, sodass das Merkmal der Generalität der Auf 28

Seemann, Produktinformation, S. 73. Die Portalredaktion veröffentlicht die Verbrauchermeldungen unter Abbildung des Produkts und einer eigenen Bewertung; vgl. ausführlich zu dem Portal „Lebensmittelklarheit“ unter F. II. 30 Vgl. zu diesem Beispiel www.lebensmittelklarheit.de/produkte/wasa-leicht-cross-gold weizen [Stand: 25.06.2017]. 31 Hierzu ausführlich unter F. II. 1. b). 29

30

B. Kategorisierung und Terminologie

klärung nicht erfüllt ist. Da die Veröffentlichung mit der negativen Bewertung der Portalbetreiber zudem ein wertendes Element enthält, lässt sie sich auch als verhaltenslenkende Maßnahme verstehen, die darauf abzielt, dass der Verbraucher das Produkt aufgrund der unrichtigen tatsächlichen Anzahl an Brotscheiben nicht kauft. Mit dieser Argumentation ließe sich die Portalveröffentlichung als Empfehlung einstufen. Als weiteres Beispiel bietet sich die Online-Veröffentlichung von amtlichen Ergebnissen der Lebensmittelüberwachung an. Diese kann etwa in Form von Smileys, einer Farbskala oder mittels der Veröffentlichung des jeweiligen Kontrollberichts erfolgen.32 Auch bei diesem Anwendungsbeispiel ist eine eindeutige Zuordnung zu den Begriffen „Aufklärung“ oder „Empfehlung“ anhand des Kriteriums der Intensität der Verhaltenslenkung nicht möglich. Einerseits vermittelt die Publikation als Tatsacheninformation das Ergebnis einer behördlichen Lebensmittelkontrolle, was sich als Aufklärung einordnen ließe. Andererseits bezieht sich die Information aber auf einen individuell bestimmbaren Betrieb, sodass das Charakteristikum der Generalität der Aufklärung nicht vorliegt. Die Veröffentlichung eines negativen Ergebnisses enthält zudem die Bewertung, dass die hygienische Situation des kontrollierten Betriebs zwar insgesamt gesundheitlich unbedenklich ist und insoweit nicht zu einer Schließung geführt hat, allerdings in einigen Punkten nicht den behördlichen Anforderungen entspricht. Das Vorliegen eines wertenden, verhaltensbeeinflussenden Elements hängt bei der Publikation amtlicher Kontrollergebnisse im Übrigen stark von der Ausgestaltungsform im Einzelfall ab. So wird die Verhaltensbeeinflussung der Adressaten umso größer sein, je auffälliger die Behörde ein schlechtes Kontrollergebnis ausweist. Eine Darstellung des Ergebnisses mittels der kontrastierenden Farben rot und grün in Gestalt eines Kontrollbarometers oder eines lachenden respektive weinenden Smileys weist eine deutlich höhere Beeinflussungsintensität auf als die schlichte Zurverfügungstellung des Kontrollprotokolls. Die Beispiele veranschaulichen, dass sich die Intensität der Verhaltenslenkung im Lebensmittelbereich schwer bestimmen lässt und diese im Übrigen je nach Adressat auch unterschiedlich ausfallen dürfte. Während der eine Konsument sein Verhalten nicht anpasst, können die Informationen bei einem anderen Verbraucher zu einem geänderten Konsumverhalten führen mit der Konsequenz, dass dieser ein Konkurrenzprodukt vorzieht oder gezielt ein anderes Restaurant auswählt. Die Verhaltensbeeinflussung ist zudem erheblich von der konkreten Ausgestaltung der Information abhängig. Aufgrund der fließenden Übergänge zwischen den Bezeichnungen „Aufklärung“ und „Empfehlung“ wird im juristischen Schrifttum vertreten, den Begriff „Aufklärung“ nicht für staatliche produktbezogene Informationen zu verwenden.33 32

Vgl. hierzu ausführlich unter E. III. 2. sowie unter F. I. 2. von Danwitz, Produktempfehlungen, S. 21, der statt der Bezeichnung „Aufklärung“ den Begriff „Hinweis“ synonym verwendet. 33

I. Abgrenzungskriterien im juristischen Schrifttum

31

Demnach enthalte jede staatliche negative Produktinformation ein wertendes Element mit einer Verhaltensaufforderung, sodass grundsätzlich von einer Empfehlung auszugehen sei.34 Dem lässt sich indes entgegenhalten, dass nicht bei jeder namentlichen Produktnennung zwangsläufig eine Verhaltenslenkung vorliegen muss bzw. sich diese jedenfalls nicht eindeutig feststellen lässt, wie etwa im ersten Beispiel (Knäckebrot „Leicht & Cross“). Die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Begriffen „Aufklärung“ und „Empfehlung“ vermag auch dieser Ansatz nicht zu lösen. Das Problem wird vielmehr auf die Frage vorverlagert, ob eine konkrete Produktinformation vorliegt (dann: Empfehlung) oder eben nicht (dann: Aufklärung). Unter welchen Voraussetzungen beispielsweise die Information über eine bestimmte Produktgruppe konkret genug für die Einordnung als Empfehlung ist, bleibt unklar. Die Abgrenzung behördlicher Informationstätigkeit anhand des Kriteriums der Intensität der Verbraucherbeeinflussung unter Verwendung der Begrifflichkeiten „Warnung“, „Empfehlung“ und „Aufklärung“ ist folglich im Lebensmittelbereich nicht praktikabel und im Ergebnis abzulehnen.35 2. Zielrichtung der Informationstätigkeit Ein weiteres Kriterium zur Abgrenzung der verschiedenen Formen des staatlichen Informationshandelns ist die Zielsetzung der Informationstätigkeit.36 Im Falle einer Warnung verfolgt der Staat die Abwehr einer Gefahr von geschützten Rechtsgütern wie dem Leben oder der Gesundheit.37 Eine Empfehlung hingegen dient nach diesem Kriterium nicht der Gefahrenabwehr, sondern soll lediglich eine Präferenz für mehrere ungefährliche, rechtlich unbedenkliche Möglichkeiten aufzeigen.38 Eine deutliche Unterscheidung zwischen dem Kriterium der Intensität der Verhaltenslenkung und dem Merkmal der Zielrichtung der Information wird im juristischen Schrifttum nicht durchgängig vorgenommen. So wird zum Teil auf die Intensität der Verhaltenslenkung abgestellt; die Abgrenzung der Begrifflichkeiten voneinander erfolgt dann aber anhand der Zielrichtung der Information.39 Im Ergebnis führt dies zu einer Kombination der beiden Kriterien.40 Das Merkmal der Zielrichtung der Informationstätigkeit hat dabei den Vorteil, dass eine präzise 34

von Danwitz, Produktempfehlungen, S. 23. So auch, allerdings ohne Bezug zum Lebensmittelbereich, Haussühl, Produktwarnung, S. 20; Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 167 (175); Schlecht, Warnungen, S. 22. 36 Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 167 (176); Schlecht, Warnungen, S. 24. 37 Haussühl, Produktwarnung, S.  21; Heintzen, NuR 1991, 301 (303); ders., in: BeckerSchwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 167 (176). 38 Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 167 (176). 39 Vgl. Leidinger, DÖV 1993, 925 (926), der das Kriterium der Intensität der intendierten Willensbeeinflussung anführt, die Begriffe „Warnung“ und „Empfehlung“ dann aber anhand der Zielrichtung der Information abgrenzt. 40 So auch Käß, WiVerw 2002, 197 (200). 35

32

B. Kategorisierung und Terminologie

Unterscheidung zwischen einer Warnung (Ziel: Gefahrenabwehr) und einer Empfehlung (Ziel: alles außer Gefahrenabwehr) möglich ist. Die bereits aufgezeigten Überschneidungen zwischen den Begriffen „Aufklärung“ und „Empfehlung“ werden aber auch mit diesem Abgrenzungskriterium nicht überwunden, da sowohl der Empfehlung als auch der Aufklärung die gleiche Zielsetzung zu Grunde liegt: Der Verbraucher soll auf Grundlage der staatlichen Information eine eigenverantwortliche Entscheidung über ein ungefährliches Produkt treffen können. Daneben können weitere mittelbare Ziele treten. Bei der produktbezogenen Veröffentlichung auf Internetportalen kann etwa neben dem primären Ziel der Verbraucherinformation der Nebenzweck stehen, öffentlich Druck auszuüben und so die „angeprangerten“ Hersteller zu einem gewünschten Verhalten zu bewegen.41 Die Hauptzielrichtung ist allerdings bei beiden Informationsarten die gleiche, weshalb eine praxistaugliche Abgrenzung zwischen den Begriffen „Empfehlung“ und „Aufklärung“ auch mit Hilfe dieses Kriteriums nicht möglich ist. 3. Bildung von Fallgruppen Ohne auf die Begrifflichkeiten „Empfehlung“ und „Aufklärung“ zurückzugreifen, nimmt Möstl, ebenfalls ausgehend von der Art des verfolgten Steuerungszwecks, eine Abgrenzung anhand dreier Fallgruppen vor. So unterscheidet er nach produktspezifischen Warnungen vor Gesundheitsgefahren, Informationen über Rechts­ verstöße gemäß  § 40  Abs.  1a  LFGB42 und Veröffentlichungen auf Online-Lebensmittelbewertungsportalen. Während Warnungen dem Zweck der präventiven Gefahrenabwehr dienten, erfolge die Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Rechtsverstößen auf der Grundlage von § 40  Abs.  1a  LFGB aus spezial- sowie generalpräventiven Zwecken und setze damit gezielt auf einen „Prangereffekt“.43 Auch die Informationen auf Bewertungsportalen wiesen einen derartigen „Prangereffekt“ auf, seien jedoch komplexer als die Informationsveröffentlichung gemäß § 40 Abs. 1a LFGB, da nicht über einzelne Rechtsverstöße informiert werde, sondern verschiedenste Informationen in einer Gesamtabwägung zusammenflössen. Diese dreistufige Fallgruppenbildung erfasst zwar die aktuellen Entwicklungen der behördlichen Informationstätigkeit im Lebensmittelrecht, macht aber nicht hin 41

Joh / Krämer / Teufer, ZLR 2012, 420 (428); Möstl, GewArch 2015, 1 (3). Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) i. d. F. v. 03.06.2013, zuletzt geändert durch Art. 10 Branntweinmonopol­ verwaltung-Auflösungsgesetz v.  10.03.2017 (BGBl.  I S.  420). Gem.  § 40  Abs.  1a  LFGB informieren die zuständigen Behörden die Öffentlichkeit unter Nennung des Lebensmittels und des jeweiligen Unternehmens, wenn der hinreichend begründete Verdacht besteht, dass festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder gegen Vorschriften verstoßen wurde, die dem Schutz vor Gesundheitsgefährdungen, vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen; vgl. hierzu ausführlich unter E. I. 43 Möstl, GewArch 2015, 1 (3), auch zum Folgenden. 42

II. Entwicklung eines praxistauglichen Abgrenzungskriteriums

33

reichend deutlich, welche unterschiedlichen Ziele die Behörde mit Informationen auf der Grundlage von § 40 Abs. 1a LFGB einerseits und mit Informationen auf Bewertungsportalen andererseits verfolgt. Die Komplexität der Informationsmitteilung ist kein greifbares Kriterium zur Festlegung verschiedener Kategorien. Letztendlich dient diese fallgruppenorientierte Differenzierung aber auch nicht der Herausarbeitung eines abstrakten Abgrenzungskriteriums; mit ihrer Hilfe soll vielmehr aufgezeigt werden, dass eine abgestufte Normierung des staatlichen Informationshandelns im Lebensmittelbereich durch den Gesetzgeber notwendig ist.44

II. Entwicklung eines praxistauglichen Abgrenzungskriteriums Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich eine dreistufige Unterscheidung mit den Begrifflichkeiten „Warnung“, „Empfehlung“ und „Aufklärung“ weder anhand der Intensität der Verhaltenslenkung noch anhand der Zielrichtung der Informationstätigkeit erreichen lässt. Letzteres Kriterium eignet sich allein dazu, zwischen einer Warnung und einer Empfehlung zu differenzieren. Eine fallgruppenorientierte Betrachtung bietet zwar den Vorteil, die derzeit aktuellen Formen des staatlichen Informationshandelns im Lebensmittelbereich zu erfassen, kann aber ebenfalls nicht mit einem abstrakten Abgrenzungskriterium aufwarten. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse soll auf die Begriffe „Empfehlung“ und „Aufklärung“ verzichtet und stattdessen eine zweistufige Unterteilung mit Hilfe des Kriteriums der Zielrichtung der Information vorgenommen werden. Die erste Kategorie bilden Informationen zur Gefahrenabwehr, für die sich der Begriff der „Warnung“ im allgemeinen Sprachgebrauch bereits durchgesetzt hat.45 Die zweite Kategorie erfasst Informationen über rechtlich und gesundheitlich unbedenkliche Produkte, mithin sämtliche Informationen, die nicht der Gefahrenabwehr dienen.46 Für diese Informationskategorie existiert keine gemeinhin gebräuchliche Bezeichnung. Da sich unter diese Kategorie die verschiedensten Informationsinstrumente fassen lassen, ist eine sprachlich weit gefasste Begrifflichkeit zu wählen. Der Begriff „Verbraucherinformation“ wird dieser Anforderung gerecht, da er jede Form (zukünftiger) Informationstätigkeit des Staates ohne Gefahrenbezug erfassen kann und gleichzeitig den Kreis der Adressaten auf die im Lebensmittelbereich relevante Gruppe der Verbraucher begrenzt.47 Letzteres ist der Vorteil im Vergleich zu der

44

So auch Möstl, GewArch 2015, 1 (3). Käß, WiVerw 2002, 197 (198); Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion, Duden, S. 1075. 46 In diese Richtung auch Philipp, Verbraucherinformation, S.  7 f.; a. A.  Abbé, die unter dem Aspekt der Lenkungswirkung die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen mit dem Begriff der „Warnung“ gleichsetzt; vgl. dies., Verbraucherschutz, S. 151. 47 Den Begriff ebenfalls verwendend Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 58 ff.; Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 ff.; ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 151 (154). 45

34

B. Kategorisierung und Terminologie

noch allgemeineren Bezeichnung „Publikumsinformation“, deren Adressatenkreis jeden umfasst, der sich für eine Information interessiert.48 Die zweistufige Kategorisierung anhand des Kriteriums der Zielrichtung der Information ermöglicht eine praxistaugliche Einteilung. Ob mit einer Information über ein Lebensmittel die Abwehr einer Gesundheitsgefahr intendiert ist oder der Staat einen hiervon abweichenden Zweck verfolgt, lässt sich trennscharf bestimmen. So sind die beiden angeführten Fallbeispiele eindeutig der zweiten Kategorie zuzuordnen, denn weder die produktbezogene Veröffentlichung des Knäckebrots auf dem Portal „Lebensmittelklarheit“ noch die betriebsbezogene Publikation von amtlichen Kontrollergebnissen haben das Ziel, eine Gefahr von Leben und Gesundheit der Verbraucher abzuwenden. Die beiden Anwendungsbeispiele verdeutlichen zugleich, dass innerhalb der Kategorie der Verbraucherinformationen eine weitere Unterteilung anhand des je­ weiligen Informationsgebers vorgenommen werden kann. Während das Portal „Lebensmittelklarheit“ nämlich durch Verbraucherzentralen, mithin Rechtssubjekte des Privatrechts, betrieben wird, derer sich der Staat zur Informations­vermittlung bedient, erfolgt die Veröffentlichung der amtlichen Kontrollergebnisse durch die jeweils zuständigen Landesbehörden. Bei Verbraucherinformationen ist folglich zwischen der Informationstätigkeit durch zwischengeschaltete Privatrechtssubjekte und derjenigen unmittelbar durch die Behörden zu differenzieren. Bei letzterer Unterkategorie lässt sich nochmals eine fallgruppenbezogene Binnendifferenzierung vornehmen, die sich an den jeweiligen Informationsmodellen orientiert. Auch bei Warnungen bietet sich eine Unterkategorisierung anhand des jeweiligen Informationsgebers an. Hier kommen zum einen die Bundesländer und zum andern die Bundesregierung in Betracht.

III. Ergebnis Das Kriterium der Zielrichtung der Information ermöglicht eine praxistaugliche zweistufige Abgrenzung des behördlichen Informationshandelns und trägt zugleich den aktuellen Entwicklungen im Lebensmittelbereich Rechnung. Für die beiden Informationskategorien werden im Rahmen dieser Arbeit die Begrifflichkeiten „Warnung“ und „Verbraucherinformation“ gewählt. Mit Hilfe der fallgruppen­ orientierten Subkategorien lassen sich zudem auch zukünftige Informationsinstrumente sinnvoll verorten. Das Ergebnis der Kategorisierung und Begriffswahl hält die nachfolgende Abbildung fest, die gleichzeitig einen Ausblick auf die im Rahmen dieser Arbeit noch zu untersuchenden verschiedenen in der Praxis genutzten behördlichen Informationsmodelle gibt.

48

Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (6); Gramm, Der Staat 30 (1991), 51 (54).

35

III. Ergebnis Behördliches Informationshandeln im Lebensmittelbereich Warnung

Verbraucherinformation

zur Gefahrenabwehr

alle sonstigen Ziele ohne Gefahrenbezug

Bundesländer

Bundesregierung

Onlineportal „Lebensmittelwarnung“ gem. § 40 I S. 1 LFGB

Landesbehörden Ergebnisse amtlicher Betriebskontrollen freiwillige Veröffentlichung

Privatrechtssubjekte

Publikationen gem. § 40 I S. 2, Ia LFGB

Onlineportal „Lebensmittelklarheit“

verpflichtende Veröffentlichung

NRW-Smiley

Kontrollbarometer NRW

Hygiene-Pass Zwickau

Pankower Listen, Pankower Smiley-System, „Sicher essen in Berlin“

Hygienediagramm Mecklenburg-Vorpommern

Abbildung 2: Terminologie der Arbeit mit Übersicht der Informationsmodelle

Abbildung 2: Terminologie der Arbeit mit Übersicht der Informationsmodelle

C. Verwaltungsrechtliche Einordnung behördlichen Informationshandelns Die rechtlichen Schwierigkeiten des behördlichen Informationshandelns liegen auf den ersten Blick im Verfassungsrecht sowie in der Ausgestaltung der einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen. Daneben darf aber auch die Verwaltungsrechtsdogmatik nicht vernachlässigt werden, da insbesondere über die Einordnung behördlicher Informationsmaßnahmen in die Formenlehre bis heute kein Konsens im rechtswissenschaftlichen Schrifttum besteht. Aus verwaltungsrechtlicher Perspektive ist zunächst festzustellen, dass sich die Informationstätigkeit des Staates nicht dem klassischen imperativen Handeln in Gestalt von Befehl, Anordnung und Zwang zuordnen lässt.1 Statt einer direkten staatlichen Steuerung, ausgestaltet als Ge- oder Verbot, setzen staatliche Informationsmaßnahmen indirekt wirkende Impulse, die den Adressaten in die Richtung des jeweils gewünschten Verhaltens lenken sollen.2 Dies gilt sowohl für Warnungen zur Gefahrenabwehr als auch für Verbraucherinformationen ohne Gefahrenbezug. Das behördliche Informationshandeln ist auf einen tatsächlichen Erfolg und nicht etwa auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet, da mittels der Informationen keine verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten der Adressaten erfolgt.3 In Abgrenzung zum Verwaltungsakt und dessen Merkmal der Regelung nach § 35 S. 1 VwVfG4 ordnen die Rechtsprechung und das juristische Schrifttum die Informationstätigkeit des Staates daher übereinstimmend dem schlichten Verwaltungshandeln5 zu. Für das schlichte Verwaltungshandeln finden synonym die Bezeichnungen „Realakt“, „schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln“ und „nichtförmliches Verwaltungshandeln“ Verwendung.6 Die noch in der älteren Literatur – 1 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 7; Gramm, Der Staat 30 (1991), 51 (52); Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 55. 2 Kloepfer, Informationsrecht, S.  179; Remmert, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 37 Rn. 1; Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 55. 3 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 35 Rn. 91; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 28. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz i. d. F. v. 23.01.2003, zuletzt geändert durch Art. 5 Gesetz zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes v. 29.03.2017 (BGBl. I S. 626). 5 Der Begriff des „schlichten Verwaltungshandelns“ geht auf Walter Jellinek zurück, der zwischen der obrigkeitlichen Verwaltung und der schlichten Hoheitsverwaltung differenzierte; vgl. ders., Verwaltungsrecht, S. 21 ff. 6 BVerwG, NVwZ-RR 2015, 425; Berg, ZLR 1990, 565 (566); Böhm, JA 1997, 794; Haussühl, Produktwarnung, S.  25; Hermes, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 39 Rn. 52; Ipsen, AllgVerwR, § 13 Rn. 820; König / Dose, in: dies., Instrumente und Formen staatlichen Handelns, S. 30; Maurer, AllgVerwR, § 15 Rn. 1; Ossenbühl, Um-

C. Verwaltungsrechtliche Einordnung

37

aus Gründen des Rechtsschutzes gegenüber staatlichen Warnungen  – gewählte Konstruktion des Duldungsverwaltungsakts beruht hingegen auf einer Fiktion,7 die heute kaum mehr Anhänger findet. Das schlichte Verwaltungshandeln8 bezeichnet solche Verhaltensweisen der Verwaltung, die nicht auf die Bewirkung bestimmter Rechtsfolgen, sondern auf die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolgs gerichtet sind.9 Negativ definiert ist das also jedes Verwaltungshandeln, das nicht Rechtsetzung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlicher Vertrag ist.10 Als „Stiefkind der Dogmatik“ stellt das schlichte Verwaltungshandeln damit lediglich eine „profillose“ Sammel- bzw. Auffangkategorie für jede Form der nicht regelnden Verwaltungstätigkeit dar.11 Die dogmatische Typisierung und Systematisierung des schlichten Verwaltungshandelns ist aufgrund der Weite des Anwendungsbereichs nur schwer möglich und von der Verwaltungsrechtswissenschaft bisher noch nicht endgültig gelöst worden.12 Aus verwaltungsprozessualer Sicht lassen sich jedenfalls mit der Zuordnung zum schlichten Verwaltungshandeln der Rechtsweg und das Haftungsregime bestimmen.13 Dies beantwortet indes nicht die Frage, wie sich die staatliche Informationstätigkeit in die verwaltungsrechtliche Formenlehre einordnen und von anderen Handlungsformen abgrenzen lässt. Nachfolgend ist daher in einem ersten Schritt die hinter der (Handlungs-)Formenlehre stehende Dogmatik herauszuarbeiten. Darauf aufbauend soll die Typologie der verschiedenen Handlungs- und Rechtsformen, insbesondere im Hinblick auf die Einordnung behördlicher Informationsmaßnahmen, eine eingehende Betrachtung erfahren.

weltpflege, S. 12; Papesch, Informationstätigkeit, S. 90; Remmert, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 37 Rn. 1; C. Schmidt, Informationsmaßnahmen, S. 31; ders., Staatliches Informationshandeln, S. 28; Siems, Der Begriff des schlichten Verwaltungshandelns, S. 104; Spaeth, Grundrechtseingriff durch Information, S. 35. 7 Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 169 (m. w. N. zu dieser überkommenen Auffassung in Fn. 6). 8 Zur Vereinheitlichung der Untersuchung findet nachfolgend allein der Begriff des „schlichten Verwaltungshandelns“ Verwendung. 9 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 27, 29. 10 Faber, VerwR, S. 262; sprachlich abgewandelt aber inhaltlich identisch in Bezug auf den synonym verwendeten Begriff des „nichtförmlichen Verwaltungshandelns“ Ipsen, ­AllgVerwR, § 13 Rn. 830. 11 Robbers, DÖV 1987, 272; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190 (232); Hermes, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR  II, § 39 Rn.  1; Ossenbühl, JuS 1979, 681 (685); Remmert, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 37 Rn. 1. 12 Hermes, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 39 Rn. 1. 13 R. Schmidt, Informationshandeln, S. 28.

38

C. Verwaltungsrechtliche Einordnung 

I. Begriffe und Funktion der verwaltungsrechtlichen Formenlehre Die Lehre von den Rechts- und Handlungsformen bildet seit jeher das Kernstück der Verwaltungsrechtsdogmatik.14 Die verwaltungsrechtlichen Rechts- und Handlungsformen lassen sich, metaphorisch, als Tore bezeichnen, durch welche die unterschiedlichsten Tätigkeiten der Verwaltung in die geordneten Bahnen des Rechts geleitet werden.15 Ein fester numerus clausus administrativer Handlungsformen ist nicht auszumachen; die Handlungsformen unterliegen vielmehr den Bedürfnissen der verwaltungsrechtlichen Praxis und damit einem stetigen Wandel, der im Laufe der Zeit immer wieder zu einer Erweiterung, einer Einschränkung oder einer völlig neuen Gestaltung der bis dato bestehenden Handlungsformen führt.16 1. Begriff der „Handlungsform“ Der Begriff „Handlungsform“ erschließt sich, wenn die dieser Bezeichnung zu Grunde liegenden Bestandteile „Handlung“ und „Formung“ zunächst eine voneinander getrennte Betrachtung erfahren. Unter eine öffentlich-rechtliche „Handlung“ fällt jedes der Exekutive zurechenbare Verhalten, das in einem Tun, Dulden oder Unterlassen besteht.17 Der Begriff „Formung“ beschreibt die isolierte Betrachtung einzelner Verwaltungshandlungen und die Analyse ihrer Bedeutung im Handlungszusammenhang.18 Die zusammengesetzte Bezeichnung „Handlungsform“ fasst demnach verschiedene tatsächliche Handlungen der Verwaltung in einer abstrakten rechtlichen Kategorie zusammen. Dabei richten sich alle Handlungen, die dieser Kategorie unterfallen, nach den gleichen Regeln.19 Aufgrund dieser Typisierung lässt sich eine dogmatische Struktur entwickeln, in der Handlungen unabhängig von ihrem konkreten Inhalt, in ihrer Funktion, ihrer Verfahrensweise und ihrer Rechtsfolge übereinstimmen.20

14

Bauer, VerwArch 78 (1987), 241 (258); Di Fabio, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S.  47; Ipsen, AllgVerwR, Rn.  285; Ossenbühl, JuS 1979, 681 (682); Schmidt-Aßman, DVBl 1989, 533; ders., Verwaltungsrecht, S. 297 Rn. 34. 15 Ossenbühl, JuS 1979, 681. 16 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241 (258); Becker, DÖV 1985, 1003 (1004); Ossenbühl, JuS 1979, 681 (682); Schmidt-Aßman, DVBl 1989, 533 (535); Lehr, Handlungsformen, S. 11. 17 Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533; ders., Verwaltungsrecht, S. 299 Rn. 35; sprachlich leicht abgewandelt Pauly, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 25 (29). 18 Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533. 19 Zum Ganzen Ernst, Verwaltungserklärung, S. 33. 20 Krause, Rechtsformen, S. 14; Ernst, Verwaltungserklärung, S. 33; Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (32).

I. Begriffe und Funktion der verwaltungsrechtlichen Formenlehre 

39

2. Abgrenzung der Begriffe „Handlungsform“ und „Rechtsform“ Die Bezeichnungen „Handlungsform“ und „Rechtsform“ finden in der rechtswissenschaftlichen Literatur keine einheitliche Verwendung. Sie werden sowohl synonym als auch mit unterschiedlichen Bedeutungen und Abgrenzungen verwendet.21 Schwierigkeiten bereitet bereits der Begriff „Rechtsform“, da er im Gegensatz zu der Handlungsform primär zur Beschreibung der rechtlich geregelten Organisationsform respektive der Verfassung einer juristischen Person gebräuchlich ist.22 So stehen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben die Rechtsformen des Privatrechts (z. B. AG, GmbH) und des Öffentlichen Rechts (z. B. Anstalt, Körperschaft) zur Verfügung.23 Neben dieser Mehrdeutigkeit der „Rechtsform“ erschwert die uneinheitliche Verwendung zusätzlich das Verständnis der beiden Begriffe und ihres Verhältnisses zueinander.24 Auch wenn hinter der juristischen Begriffsbildung zunächst einmal reine Zweckmäßigkeitserwägungen stehen und die Wahl der Terminologie grundsätzlich eine Frage der Konvention ist, die nicht darauf abzielt, „richtige“ Inhalte herauszufiltern, ist eine deutliche Begrifflichkeit für eine stringente Argumentation unumgänglich.25 Insofern bedarf es der Betrachtung der unterschiedlichen Ansätze im Schrifttum, nach denen die Begriffe „Rechtsform“ und „Handlungsform“ voneinander abgegrenzt werden. Diese haben zunächst allesamt gemein, dass sie die „Handlungsform“ als einen Oberbegriff erfassen, dem die „Rechtsform“ unterfällt.26 Nach Pestalozza bezeichnet die „Rechtform“ Institute, die nicht der Außenwelt entstammen.27 Es handle sich hierbei um Rechtsbegriffe im engeren Sinn, die ein natürliches Korrelat nicht kennen würden. Der Verwaltungsakt wäre damit als 21

Vgl. hierzu Pauly, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 25 (32 m. w. N. in Fn. 13); ders., DVBl 1991, 521; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 34. Vgl. auch Ossenbühl, der nicht zwischen „Handlungs- und Rechtsform“ differenziert, sondern von „anerkannten Handlungsformen“ spricht, was wohl als Synonym für den Begriff „Rechtsform“ zu verstehen ist; vgl. ders., JuS 1979, 681. Neben den beiden Bezeichnungen „Handlungsform“ und „Rechtsform“ führt Hermes zusätzlich den Begriff des „Handlungstyps“ als eine Art Vorform der Handlungsform an, grenzt die Begrifflichkeiten „Handlungstyp“, „Handlungsund Rechtsform“ allerdings nicht voneinander ab; vgl.  ders., in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 39 Rn. 2. 22 Ernst, Verwaltungserklärung, S.  37; Müller, Rechtsformenwahl, S.  21; Püttner, in: Chmielewicz / Eichhorn, Handwörterbuch der öffentlichen Betriebswirtschaft, Spalte 1380. 23 Albers, in: Mann / P üttner, Hdb der kommunalen Wissenschaft und Praxis II, § 48 Rn. 4; Müller, Rechtsformenwahl, S. 22; Püttner, in: Chmielewicz / Eichhorn, Handwörterbuch der öffentlichen Betriebswirtschaft, Spalten 1380, 1381; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 33. 24 Ausführlich Ernst, Verwaltungserklärung, S. 33 ff. 25 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 34; Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 31. 26 Vgl. Pauly, DVBl 1991, 521; ders., in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S.  25 (34); Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S.  36; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 142; Ernst, Verwaltungserklärung, S. 35. 27 Pestalozza, Formenmißbrauch, S. 133.

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C. Verwaltungsrechtliche Einordnung 

„Rechtsform“ zu qualifizieren, die behördliche Warnung hingegen nicht, da diese im Recht als auch im Alltag existiert.28 Bei diesem Verständnis besteht allerdings die Schwierigkeit, dass der Begriff „Rechtsform“ inhaltlich kaum zu erfassen ist. Zudem bereitet die praktische Zuordnung zu der „Rechtsform“ Probleme, da beispielsweise mit der Ehe oder dem Eigentum Institute existieren, denen eine maßgebliche Stellung in der Rechtsordnung zukommt, die daneben aber auch in der Alltagswelt eine eigenständige Bedeutung haben.29 Anknüpfend an die vorgenannte Differenzierung präzisiert Schulte die „Rechtsform“ als „Normsatzform“, zu welcher der Verwaltungsakt, der öffentlich-rechtliche Vertrag, die Rechtsverordnung, die Satzung und die Verwaltungsvorschrift zählten.30 Die „Rechtsform“ sei auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet, während der Oberbegriff der „Handlungsform“ auch formloses (nicht normsatzförmiges) Verwaltungshandeln erfasse, das primär auf einen tatsächlichen Erfolg ausgerichtet sei.31 Die Bezeichnung „Handlungsform“ beinhalte daher neben den „Rechtsformen“ auch das schlichte Verwaltungshandeln. Demgegenüber stellt Pauly zur Abgrenzung der beiden Begriffe auf den Regelungscharakter und den Rechtsquellengehalt der „Rechtsform“ als Verwaltungshandlung ab.32 Rechts­ formen seien insoweit nicht nur vom Recht zur Verfügung gestellte Formen, sondern seien selbst Recht, wobei ihre Arten gleichzeitig Rechtsquellen bezeichnen würden. Demnach seien die staatliche Warnung, die informelle Zusage oder die Subventionsauszahlung allesamt als „Handlungsform“ zu erfassen, da sie zwar der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben dienten, allerdings nichts rechtlich regeln würden.33 Zweifel bestehen jedoch an dem Nutzen einer solchen Einteilung, da beide Ansätze letztendlich auf inhaltlich-rechtlichen Kriterien beruhen, die bereits für die Typisierung der einzelnen Rechts und Handlungsformen gebräuchlich sind.34 Eine wiederum andere Abgrenzung nimmt Schuppert vor, der die „Rechtsform“ als eine Handlungsform der Verwaltung erfasst, die bereits eine volle rechtliche Ausgestaltung erfahren hat und zwar insbesondere nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz in Bezug auf die Verfahrensweise, die Funktion und den Rechtsschutz.35 Während etwa der Verwaltungsakt, der öffentlich-rechtliche Vertrag, die 28

Pauly, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 25 (32); Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 35; Ernst, Verwaltungserklärung, S. 34. 29 Vgl. zur Kritik Ernst, Verwaltungserklärung, S. 34 f. 30 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 34 f. 31 In diese Richtung bereits Krause, Rechtsformen, S. 24 f.; Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533. 32 Pauly, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S.  25 (32 f.); ders, DVBl 1991, 521, auch zum Folgenden. 33 Pauly, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 25 (34). 34 Ernst, Verwaltungserklärung, S. 37. 35 Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 142. Demgegenüber zieht Hoffmann-Riem den Begriff der „Rechtsform“ weiter und fasst hierunter jedes Verwaltungshandeln, das mit feststehenden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen verbunden ist. Dazu seien

I. Begriffe und Funktion der verwaltungsrechtlichen Formenlehre 

41

Satzung oder die Rechtsverordnung als „Rechtsform“ anzusehen seien, unterfielen das schlichte oder das informale / informelle36 Verwaltungshandel, da rechtlich nicht strukturiert, der „Handlungsform“.37 Daneben gebe es aber auch eine Zwischenebene, welche die zwar dogmatisch strukturierten, aber unterhalb der Schwelle der Rechtsform stehenden Handlungsformen erfasse. In dieser Zwischenebene befänden sich Verwaltungsvorschriften, Pläne und Subventionen.38 Kritik findet sich indes auch an diesem Systematisierungsversuch, da der fließende Übergang von der „Handlungs-“ hin zu der „Rechtsform“ zu einer Unbestimmtheit führe, die einen praktischen Gewinn bezweifeln lasse. An den Begriff der „Rechtsform“ seien insoweit keinerlei Konsequenzen gebunden.39 Dem ist allerdings zu entgegnen, dass das Verlangen nach einer trennscharfen Abgrenzung der Begriffe „Handlungs-“ und „Rechtsform“ dem praktischen Systematisierungsbedürfnis nicht gerecht wird. In Anbetracht neuartiger Formen des Verwaltungshandelns und deren sich in der Entwicklung befindlicher dogmatischer Strukturdichte erscheint ein fließender Übergang zwischen den Begriffen „Handlungsform“ und „Rechtsform“ als geradezu notwendig.40 Für den weiteren Fortgang dieser Arbeit ist jedoch zwischen der „Rechtsform“ und der „Handlungsform“ zu differenzieren. Die „Handlungsform“ erfasst als Oberbegriff nicht nur die bereits einem Rechtsregime unterstehende „Rechtsform“, sondern auch das typisierte aber noch nicht gesetzlich ausgestaltete Verwaltungshandeln. Daneben existiert eine weitere Zuordnungsebene, die als „Transitbereich“ das sich in der Entwicklung von einer „Handlungs-“ zu einer „Rechtsform“ befindliche Verwaltungshandeln erfasst.

das Gesetz, der Verwaltungsakt, die öffentlich-rechtliche Willenserklärung, der öffentlichrechtliche Vertrag, die innerdienstliche Weisung, die Rechtsverordnung, die Satzung und die Verwaltungsvorschrift zu zählen; vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 33 Rn. 11. 36 Die Bezeichnungen „informales Verwaltungshandeln“ und „informelles Hoheitshandeln“ sind als Synonyme gebräuchlich; vgl.  Maurer, AllgVerwR, § 15 Rn.  14; Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 9 Rn. 172; eine ausführliche Analyse der in der Rechtsprechung und Lehrbuchliteratur verwendeten Terminologie findet sich bei Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 18 ff. Zur Vereinheitlichung der Untersuchung findet im weiteren Fortgang dieser Arbeit allein der Begriff des „informellen Verwaltungshandelns“ Verwendung. 37 Nach dieser Abgrenzung dürfte auch die Zusicherung, so man diese nicht ohnehin als Verwaltungsakt einstuft, als „Rechtsform“ zu erfassen sein. Vgl. zum Streit, ob es sich bei der Zusicherung um einen Verwaltungsakt handelt, König / Dose, in: dies., Instrumente und Formen staatlichen Handelns, S. 28. Die dogmatische Selbstständigkeit der Zusicherung verneinend Di Fabio, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 47 (53). 38 Vgl. hierzu die Übersicht bei Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 144. 39 Zum Ganzen Ernst, der aufgrund der Schwierigkeit einer praxisnahen Abgrenzung im Ergebnis auf die Differenzierung zwischen der „Rechtsform“ und der „Handlungsform“ verzichtet und allein auf letztere Begrifflichkeit abstellt; vgl. ders., Verwaltungserklärung, S. 37. 40 In diese Richtung auch Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 33 Rn. 15, 29; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241 (258); Ossenbühl, JuS 1979, 681 (682); Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 38.

42

C. Verwaltungsrechtliche Einordnung 

3. Funktion der Formenlehre Der Ausformung von Handlungsformen kommt unter dogmatischen Gesichtspunkten zwei Hauptaufgaben zu. Zum einen hat die Festlegung bestimmter Handlungsformen eine rationalisierende Funktion.41 Die Typisierung ermöglicht, dass rechtliche Fragen zu einer Verwaltungshandlung nicht mehr für jeden Einzelfall gesondert beantwortet werden müssen.42 Der Handlungsform kommt so aus rechtspraktischer Perspektive die Funktion eines „Speichers“ zu, der das Auffinden einheitlicher Rechtsvorgaben für konkrete Handlungen der Verwaltung ermöglicht.43 Durch die Zuordnung einer konkreten Verwaltungstätigkeit zu einer abstrakten Handlungsform lassen sich etwa Fragen der Bestandskraft, der Verfahrensanforderungen oder der darauf bezogenen Klageart beantworten. Damit wird ein allgemeiner Teil „vor die Klammer gezogen“, wodurch sich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Verwaltungshandelns einheitlich festlegen lassen.44 Das praktische Handeln der Verwaltung lässt sich auf eine dogmatisch strukturierte Form zurückführen.45 Zum anderen kommt der Formenlehre eine rechtsstaatliche Funktion zu.46 Mit der Auswahl einer Handlungsform ist die Verwaltung an bestimmte Verfahrensregeln gebunden, was die Einhaltung rechtsstaatlicher Werte sicherstellt.47 Durch die Festlegung bestimmter Handlungsweisen kann der Gesetzgeber zudem die Umsetzung rechtlicher Regelungen durch die Verwaltungspraxis steuern.48 Insoweit tritt neben die rechtspraktische auch eine rechtspolitische Aufgabe der Formenlehre.

II. Typologie der Handlungs- und Rechtsformen Auch wenn es keinen festen numerus clausus an Handlungsformen gibt, sondern sich diese – den Bedürfnissen der Verwaltungspraxis folgend – entwickeln und anpassen, existieren Handlungsformen, die in der Rechtsprechung und der Lehre eine gewisse Rechtstradition vorweisen können.49 Hierzu zählen der Verwaltungsakt, 41

Ossenbühl, JuS 1979, 681; Ernst, Verwaltungserklärung, S. 38 ff. Schmidt-Aßman, DVBl 1989, 533; Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 167 (168). 43 Ernst, Verwaltungserklärung, S.  38 f.; Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533, auch zum Folgenden. 44 Krause, Rechtsformen, S. 14. 45 Ernst, Verwaltungserklärung, S. 38 ff. 46 Krause, Rechtsformen, S.  15 f.; Ossenbühl, JuS 1979, 681 (682); Ernst, Verwaltungs­ erklärung, S. 39; Lehr, Handlungsformen, S. 21. 47 Krause, Rechtsformen, S. 16; Ossenbühl, JuS 1979, 681 (682); König / Dose, in: dies., Instrumente und Formen staatlichen Handelns, S. 26. 48 Ernst, Verwaltungserklärung, S. 39; Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533 (534), auch zum Folgenden. 49 Vgl. hierzu ausführlich Ernst, Verwaltungserklärung, S. 49 f.; Lehr, Handlungsformen, S. 203. A. A. Di Fabio, der – ausgehend von einem fehlerzentrierten Formensystem – auf eine 42

II. Typologie der Handlungs- und Rechtsformen

43

der öffentlich-rechtliche Vertrag, legalisierende und generalisierende Handlungsformen in Gestalt von Satzungen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie das schlichte Verwaltungshandeln.50 Wie bereits einleitend angeführt, wird das behördliche Informationshandeln der Auffangkategorie des schlichten Verwaltungshandelns zugeordnet. Dies gilt auch für das informelle Verwaltungshandeln, sodass in einem ersten Schritt eine diesbezügliche Abgrenzung vorzu­ nehmen ist. Aufgrund der bis dato fehlenden Strukturierung des behördlichen Informationshandelns vermittelt die Eingliederung in das schlichte Verwaltungshandeln im Übrigen eher den Eindruck einer „Verlegenheitslösung“ als einer überzeugenden verwaltungsdogmatischen Systematisierung.51 Zu untersuchen ist daher des Weiteren, ob eine Weiterentwicklung des verwaltungsrechtlichen Formensystems angezeigt ist, indem die behördliche Informationstätigkeit bzw. ein Teilbereich derselben als eigenständige Handlungsform erfasst wird. 1. Abgrenzung des schlichten zum informellen Verwaltungshandeln Bisher ist das Verhältnis des schlichten zu dem informellen Verwaltungshandeln in der Literatur nicht endgültig geklärt.52 Es bestehen verschiedene Ansichten, in welchem Verhältnis die beiden Kategorien zueinander stehen. Das informelle Verwaltungshandeln wird, teilweise als Untergruppe, dem Bereich des schlichten Verwaltungshandelns zugeordnet,53 mit diesem gleichgesetzt54 oder als eine eigene Handlungsform innerhalb der Realakte angesehen.55 Einigkeit besteht bei all diesen verschiedenen Ansichten zumindest darin, dass das informelle Ver­waltungshandeln Vierertypik der Handlungsformen abstellt, bestehend aus der Norm, dem Verwaltungsakt, dem öffentlich-rechtlichen Vertrag und dem schlichten Verwaltungshandeln; vgl. ders., in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 47 (51 ff.). 50 Robbers, DÖV 1987, 272 (273); Di Fabio, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 47 (52 ff.); König / Dose, in: dies., Instrumente und Formen staatlichen Handelns, S. 25; Lehr, Handlungsformen, S. 203 ff.; Ossenbühl, JuS 1979, 681 (683 ff.); Pauly, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 25 (33). 51 Vgl. hierzu Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 199. 52 Remmert, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 37 Rn. 5. 53 Maurer, AllgVerwR, § 15 Rn. 14; Remmert, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 37 Rn. 5; Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 148; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht, S. 349 Rn. 125; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 27. 54 Brohm, DVBl 1994, 133 (134); Henneke, NuR 1991, 267 (270); sprachlich anders wiederum Ipsen, der schlichtes und nichtförmliches Verwaltungshandeln gleichsetzt; vgl. ders., AllgVerwR, § 13 Rn. 820. 55 Fehling, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR  II, § 38 Rn.  6 und 14, der informelles und schlichtes Verwaltungshandeln gemeinsam unter die Kategorie der Realakte fasst und das informelle Verwaltungshandeln innerhalb der Realakte als eigenständige Handlungsform betrachtet. In diese Richtung auch Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 233 ff.

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C. Verwaltungsrechtliche Einordnung 

nicht regelnd ist und nicht in den klassischen Handlungsformen des Verwaltungshandelns erfolgt, sondern diese vielmehr vorbereitet oder gar ersetzen soll.56 Den wichtigsten Anwendungsfall des informellen Verwaltungshandelns stellen Absprachen, d. h., nicht-regelnde Vereinbarungen, zwischen der Verwaltung und den Privaten im Wirtschafts- und Umweltrecht dar.57 Die Vorteile derartiger formloser und unverbindlicher Absprachen liegen in der Entlastung des Verwaltungsverfahrens, der Akzeptanz der freiwilligen Befolgung staatlicherseits verfolgter Zwecke und der Zeit- und Kostenersparnis im Vergleich zu dem förmlichen Verwaltungshandeln. Dem stehen als Nachteile die mangelnde Transparenz, die Schwierigkeit einer gerichtlichen Kontrolle, die Vernachlässigung von Drittbelangen sowie die Nichteinhaltung gesetzlicher Regelungen gegenüber.58 Charakteristisch für das informelle Verwaltungshandeln ist, dass dieses auf Kooperation und Konsens zwischen der Verwaltung und den Privaten ausgelegt ist, während sich andere Verwaltungshandlungen, wie grundsätzlich auch die staatliche Informationstätigkeit, durch einseitige hoheitliche Maßnahmen auszeichnen.59 Das informelle Verwaltungshandeln stellt sich damit nur als eine Erscheinungsform des schlichten Verwaltungshandelns dar.60 Daneben hat sich die Auffassung herausgebildet, einseitige staatliche Informa­ tionsmaßnahmen und informelle Absprachen unter dem Begriff „informales Staatshandeln“ zusammenzuführen.61 Diese Idee geht darauf zurück, dass sich beide Bereiche mit dem übergeordneten Begriff der „Information“ verbinden lassen.62 Dem ist zunächst zuzugestehen, dass sich staatliche Veröffentlichungen und informelle Absprachen mit Kommunikation und Informationstransfer im weiteren Sinne befassen und insoweit durchaus Gemeinsamkeiten bestehen.63 Dem stehen allerdings 56

Bauer, VerwArch 78 (1987), 241 (244); Becker, DÖV 1985, 1003 (1005); Brohm, DVBl 1994, 133 (134); Maurer, AllgVerwR, § 15 Rn. 14; Remmert, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 37 Rn. 5; Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 148. 57 Maurer, AllgVerwR, § 15 Rn. 14; Remmert, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 37 Rn. 5. 58 Zum Ganzen Maurer, AllgVerwR, § 15 Rn.  18; Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 9 Rn. 173; Brohm, DVBl 1994, 133 (138); Henneke, NuR 1991, 267 (272 ff.). 59 Remmert, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 37 Rn. 5; Heintzen, in: Becker-Schwarze /  Köck / Kupka, Handlungsformen, S.  167 (172); ausführlich zu den Abgrenzungsmerkmalen des informellen Verwaltungshandelns Henneke, NuR, 1991, 267 (270). Schmidt-Aßmann beschreibt informelles Verwaltungshandeln als „informal-konsensual“; vgl.  ders., Verwaltungsrecht, S. 351 Rn. 130; a. A. Fehling, der auch einseitiges schlichtes Hoheitshandeln (in gewissem Umfang) dem informellen Verwaltungshandeln zuordnet; vgl. ders., in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 38 Rn. 14. 60 Maurer, AllgVerwR, § 15 Rn. 14; Remmert, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 37 Rn. 5; Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 1 Rn.  148; Schulte, Schlichtes Verwaltungs­ handeln, S. 27. 61 Vgl. Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 22 ff., 27. 62 Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 27; ähnlich Schmidt-Aßmann, der in „finalen Informationsakten“ ein eigenständiges Rechtsinstitut sieht, da sich bestimmte Verfahrensregeln dieser Kategorie zuordnen ließen; vgl. ders., Verwaltungsrecht, S. 351 Rn. 128. 63 Fehling, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 38 Rn. 15.

II. Typologie der Handlungs- und Rechtsformen

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erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Begrifflichkeiten gegenüber, die gegen eine Zusammenfassung unter einen Begriff sprechen. So zeichnet sich informelles Verwaltungshandeln dadurch aus, dass es in einem vertraulichen Rahmen stattfindet, rechtsförmliche Alternativen substituiert und einen Interessenausgleich der Betroffenen voraussetzt, von dem der Steuerungserfolg abhängt.64 Demgegenüber vollzieht sich staatliches Informationshandeln öffentlich, ist nicht durch ordnungsrechtliche Ge- oder Verbote ersetzbar, und auch die Steuerungsleistung hängt nicht von den durch die Informationstätigkeit Betroffenen, sondern vielmehr von der Reaktion des Publikums ab. Auch die Rechtsprobleme dieser beiden Kategorien sind derart unterschiedlich, dass die Zusammenfassung unter einen Oberbegriff keine Erleichterung für die Systematisierung beinhaltet. Während die staatliche Informationstätigkeit primär verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, stellen sich die rechtlichen Probleme des informellen Verwaltungshandelns im Verwaltungsrecht, wie beispielsweise die Frage nach der Gestaltung des Verwaltungsverfahrens und der Vorabbindung.65 Aus diesen Gründen ist das „informale Staatshandeln“ nicht als eigenständige dogmatische Kategorie anzusehen. Im Ergebnis ist das informelle Verwaltungshandeln dem schlichten Verwaltungshandeln als eine Unterkategorie zuzuordnen. Im Vergleich zu der staatlichen Informationstätigkeit, die sich grundsätzlich durch einseitige verwaltungsrechtliche Handlungen auszeichnet, deren Steuerungswirkung von den Adressaten der Information abhängt, ist das informelle Verwaltungshandeln als eine hiervon abgrenzbare Kategorie zu erfassen, die durch das gegenseitige Einvernehmen von Verwaltung und Privaten geprägt ist. 2. Behördliches Informationshandeln als eigenständige Handlungsform? In der juristischen Literatur steht zur Diskussion, das behördliche Informationshandeln im Allgemeinen respektive den Teilbereich der staatlichen Warnung nicht nur als Unterkategorie des schlichten Verwaltungshandelns zu erfassen, sondern als eigenständige Handlungsform zu systematisieren.66 Die Typisierung zu einer eigenständigen Handlungsform kann nach der klassischen Formenlehre – unter Berücksichtigung der rationalisierenden und rechtsstaatlichen Aufgaben – dann erfolgen, wenn sich bestimmte Verwaltungshandlungen mit übereinstimmenden Merkmalen denselben Regelungen in Bezug auf gemeinsame Rechtmäßigkeitsvoraussetzun-

64

Fehling, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 38 Rn. 16, auch zum Folgenden. 65 Fehling, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 38 Rn. 17. 66 Vgl. Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 ff.; Käß, WiVerw 2002, 197 ff.; Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 167 ff.; Di Fabio, in: Becker-Schwarze /  Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 47 (61 ff.).

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C. Verwaltungsrechtliche Einordnung 

gen sowie Rechts- und Fehlerkonsequenzen unterwerfen lassen.67 Das Verfahren der Neuentwicklung einer Handlungsform erfolgt dabei nach Schmidt-Aßmann in zwei Stufen: in einem ersten Schritt werden einzelne Elemente des Verwaltungshandelns isoliert und auf ihre Bedeutung im Handlungszusammenhang untersucht. In einem zweiten Schritt werden diesen abstrahierten Handlungsausschnitten dann Rechtsanforderungen und Rechtsfolgen zugewiesen.68 Ein wesentlicher Prozess ist demnach die Verbindung eines abstrakten Handlungselements mit einer konkreten Rechtsfolge.69 Die Folgenorientierung könne im Übrigen auch zur Bildung von Binnendifferenzierungen innerhalb einer Handlungs bzw. Rechtsform führen, für die sich dann wiederum gesonderte Dogmatiken entwickeln ließen.70 Dieser Ansatz zur Ausprägung neuer Handlungsformen bedarf allerdings für das schlichte Verwaltungshandeln respektive für die aus dieser Kategorie hervorgehenden Handlungsformen einer Fortentwicklung. Das schlichte Verwaltungshandeln zeichnet sich nämlich – im Gegensatz zu der klassischen Handlungsform des Verwaltungsakts – gerade nicht durch die Bewirkung einer bestimmten Rechtsfolge, sondern vielmehr durch die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolgs aus.71 Daher ist bei der Typisierung und anschließenden dogmatischen Strukturierung der Fokus weniger auf das Rechtsfolgen- und Fehlerfolgenregime als vielmehr auf das Ziel und die Wirkung des Verwaltungshandelns zu richten.72 Auf diese Weise tritt für die Neuentwicklung einer Handlungsform aus dem schlichten Verwaltungshandeln die Steuerungsfunktion der zu typisierenden Verwaltungstätigkeit in den Vordergrund.73 Für das konkrete Vorgehen bedeutet dies, dass aus der weiten Kategorie des schlichten Verwaltungshandelns zunächst staatliche Handlungen anhand übereinstimmender abstrakter Merkmale zu isolieren sind. Hierbei sind im Besonderen das Ziel und die (Steuerungs-)Wirkung als Kriterien heranzuziehen. Im Rahmen einer weitergehenden dogmatischen Strukturierung sind auf diese typisierten 67

Di Fabio, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 47 (51); Ernst, Verwaltungserklärung, S. 51; Maurer, AllgVerwR, § 15 Rn. 11. 68 Zum Ganzen Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533 (534); ders., Verwaltungsrecht, S. 299. 69 Ernst, Verwaltungserklärung, S. 52; Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533 (534). 70 Beispielhaft lassen sich für den Verwaltungsakt die Unterkategorien Verwaltungsakt mit „Doppelwirkung“, mit „Drittwirkung“ oder mit „Dauerwirkung“ bilden; vgl. Ernst, Verwaltungserklärung, S.  53, Fn.  120; König / Dose, in: dies., Instrumente und Formen staatlichen Handelns, S. 26; Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533 (534); Pauly spricht insoweit von „unterschiedlichen Typologien für Handlungsformen“; ders., in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 25 (34). 71 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 27. 72 Dazu auch Schmidt-Aßmann, der sich für eine verstärkte Einbeziehung der Finalität in die Formenlehre ausspricht, um die Zweck- und Aufgabenorientierung des Verwaltungsrechts zu fördern; vgl. ders., DVBl 1989, 533 (538); ders., in: Hoffmann-Riem / Schmidt-­ Aßmann / Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S.  11 (62 f.); Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (8 f.); Käß, WiVerw 2002, 197 (203). 73 In diese Richtung auch Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (7 f.).

II. Typologie der Handlungs- und Rechtsformen

47

Handlungsausschnitte dann die gleichen Regelungen anzuwenden.74 In Anbetracht der rationalisierenden Aufgabe der Formenlehre und der Unschärfe des schlichten Verwaltungshandelns ist zu berücksichtigen, dass die durch diese Typisierung neu entstehende Handlungsform zu einer Vereinfachung, keinesfalls aber zu einer weiteren Verkomplizierung des Formensystems führen darf.75 Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum finden sich zwei Ansätze, das behördliche Informationshandeln in die Formenlehre einzugliedern, die nachfolgend genauer zu untersuchen sind. a) Informationstätigkeit im Allgemeinen Einen ersten Ansatz zur Weiterentwicklung der Formenlehre bietet Bumke, der jegliche dem Staat zurechenbare Informationstätigkeit außerhalb des Verwal­ tungsverfahrens als „Publikumsinformation“ definiert76 und als eigenständige Handlungsform erfasst.77 Publikumsinformationen ließen sich aufgrund ihrer Steuerungswirkung von anderen verwaltungsrechtlichen Tätigkeiten abgrenzen und böten durch ihre Zielsetzungen (Gefahrenabwehr, Leistung, Gewährleistung, Staats­leitung) und Wirkungen (aufklären, einen Rat geben, legitimieren oder integrieren) hinreichende Kriterien, um als neue Handlungsform zu bestehen.78 Unter Berücksichtigung der rationalisierenden Funktion der Formenlehre verdient allerdings die Weite einer solchen neuen Handlungsform Kritik. Da die Handlungsform „Publikumsinformation“ von der Regierungserklärung über den Verfassungsschutzbericht bis hin zu der staatlichen Warnung jegliche Informationstätigkeit des Staates erfasst,79 trägt sie kaum zu einer Vereinfachung bei. Dies zeigt sich bereits daran, dass sich die Zielsetzung dieser grundverschiedenen Arten von Informationstätigkeit nicht einheitlich fassen lässt. Eine Regierungs­ erklärung des Bundeskanzlers dient etwa der Staatsleitung, indem dem Parlament zu Beginn einer Legislaturperiode die anvisierten politischen Vorhaben der Regierung erläutert werden. Demgegenüber ist die behördliche Warnung vor einem konkreten Produkt auf die Abwehr einer Gefahr ausgerichtet. Insoweit divergiert auch die (Steuerungs-)Wirkung dieser beiden exemplarischen Informationsformen erheblich. Während der Regierungserklärung eine rein erläuternde Funktion zukommt, sollen mit einer Warnung die Adressaten in eine bestimmte Richtung gelenkt werden, nämlich auf ein Produkt zu verzichten bzw. eine Handlung nicht vor-

74

Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (32). Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 201; Bauer, Die Verwaltung 25 (1992), 301 (313, Fn. 90). 76 Vgl. zum Begriff und dessen Ablehnung für diese Arbeit unter B. II. 77 Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 ff. 78 Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (33). 79 Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (7). 75

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C. Verwaltungsrechtliche Einordnung 

zunehmen, wobei die (negativen) Folgen dieser Verhaltenssteuerung außenstehende Dritte treffen. Zu bedenken ist des Weiteren, dass die Frage nach der Zurechenbarkeit einer Informationstätigkeit zum Staat gerade für die heutigen Formen des Informationshandelns eines der Hauptprobleme darstellt. Dies gilt im Besonderen, wenn anstelle von Behörden Privatrechtssubjekte als Informationsgeber auftreten.80 Diese neue Form des Informationshandelns ist noch nicht derart typisiert, als dass sie sich – vergleichbar einer Regierungserklärung oder einer Warnung – als Unterkategorie abgrenzen ließe. Aufgrund der nicht einheitlich zu erfassenden Zielsetzungen und Wirkungsweisen der verschiedenen Informationsarten bleibt festzuhalten, dass der Publikumsinformation als eigenständige Handlungsform keine rationalisierende Funktion zukommt. Im Ergebnis ist die Ausformung der Publikumsinformation zu einer neuen Handlungsform damit abzulehnen.81 b) Warnungen Ein weiterer Ansatz zur verwaltungsdogmatischen Systematisierung des behördlichen Informationshandelns besteht darin, die staatliche Warnung als eigenständige Handlungsform zu erfassen.82 Nach Di Fabio müsse die staatliche Warnung als „finaler Realakt“ unter besondere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gestellt werden, da mit ihr eine subjektive Rechtsverletzung zumindest in Kauf genommen werde.83 Nur so sei sichergestellt, dass sich der Staat nicht seiner Eingriffsbindung entziehe. Eine weitere Konturierung des „finalen Realakts“ versucht Heintzen mittels einer differenzierten Binnenstruktur staatlicher Warnungen zu erreichen.84 So sei zunächst zwischen der „Eingriffs-“ und „Nicht-Eingriffswarnung“ zu unterscheiden. Die Gruppe der „Nicht-Eingriffswarnungen“ ließe sich in „informell-konsen­tierte“ Warnungen und „Aufgabenwarnungen“ unterteilen, wobei Letztere sich nochmals in Warnungen vor „konkreten“ und solchen vor „abstrakten“ Gefahren unterscheiden ließe. Die Gruppe der „Eingriffswarnungen“ solle sich in „isolierte“ und „verfügungsbegleitende“ Warnungen gliedern. In der letzteren Untergruppierung sei wiederum zwischen „verfügungsakzessorischen“ 80 Vgl. hierzu die Untersuchung zum Onlineportal „Lebensmittelklarheit“ unter F. II. 2. und 3. 81 Staatliches Informationshandeln ebenfalls als neue Handlungsform ablehnend, ­allerdings ohne nähere Begründung Zott, Informationen, S. 76. 82 So etwa Di Fabio, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 47 (61 ff.); Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S.  167 ff.; Käß, WiVerw 2002, 197 ff. 83 Di Fabio, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S.  47 (63), auch zum Folgenden. 84 Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 167 (181 f.).

II. Typologie der Handlungs- und Rechtsformen

49

und „verfügungs­inakzessorischen“ Warnungen zu differenzieren. Neben diesen Warnungstypen bleibe aber immer noch ein „Problemrest“ bestehen, nämlich die „Verdachtswarnung“ sowie die „an die Stelle einer zulässigen hoheitlichen Regelung tretende Warnung“. Kritikwürdig an diesen Systematisierungsansätzen ist, dass sie allein an die Finalität als verfassungsdogmatisches Kriterium anknüpfen. Durch die Fokussierung auf grundrechtliche Probleme und daraus abzuleitender Verfahrensregeln soll die Verwaltung an ein rechtsstaatliches Vorgehen gebunden werden. Insoweit findet allerdings allein die rechtsstaatliche Funktion der Formenlehre Beachtung. Die rationalisierende Funktion tritt in den Hintergrund, was sich insbesondere an der kaum mehr überschaubaren Binnendifferenzierung zeigt. Eine „Reduktion von Komplexität“ lässt sich so kaum erreichen.85 Vorzugswürdig erscheint es daher, die kennzeichnenden Merkmale staatlicher Warnungen im Vergleich zu der sonstigen behördlichen Informationstätigkeit herauszuarbeiten und damit die Rationalisierungsfunktion der Formenlehre stärker in den Blick zu nehmen. In Anknüpfung an das vorangehende Kapitel ist hierbei zunächst festzuhalten, dass sich allein für den Teilbereich der Informationsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr die sprachliche Bezeichnung „Warnung“ durchgesetzt hat. Für die sonstigen Formen des behördlichen Informationshandelns (Verbraucherinformationen) bestehen demgegenüber weder einheitliche Kriterien noch allgemeingültige sprachliche Bezeichnungen.86 Mittels einer Warnung steuert der Staat die Adressaten dahingehend, eine bestimmte Handlung nicht vorzunehmen und so eine Gefahr zu vermeiden. Demgegenüber unterscheiden sich Verbraucherinformationen in ihrer Zielsetzung (bspw. Herstellung von [Markt-]Transparenz, Einbindung der Öffentlichkeit) und divergieren auch in ihrer nur sehr schwer zu bestimmenden Wirkung auf die Adressaten.87 Im Gegensatz zu Verbraucherinformationen lässt sich daher allein für Warnungen in abstrahierter Weise sowohl das Ziel als auch die Steuerungswirkung bestimmen. Ein weiteres typisierendes Merkmal besteht darin, dass die staatliche Warnung von einem Hoheitsträger ausgesprochen wird.88 Der Steuerungserfolg der Warnung ist damit auf die Inanspruchnahme hoheitlicher Autorität als kennzeichnendes Element zurückzuführen, während demgegenüber der Staat für Verbraucherinformationen heutzutage auch Privatrechtssubjekte als Informationsgeber einsetzt. Im Vergleich zu dem sonstigen behördlichen Informationshandeln lässt sich die staatliche Warnung damit typisiert erfassen. Unter Beachtung des Rationalisierungsgedankens lässt sich zudem eine weitere Binnendifferenzierung anhand der Steuerungswirkung von Warnungen auf außenstehende Dritte vornehmen. Als Beispiel für diese unterschiedlichen Dritt 85

Ebenfalls kritisch Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 201. S. zur Terminologie unter B. I. 87 S. hierzu bereits unter B. I. 1. d). 88 Vgl. hierzu Heintzen, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 167 (170); Käß, WiVerw 2002, 197 (199). 86

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C. Verwaltungsrechtliche Einordnung 

wirkungen lässt sich zum einen die Warnung vor einem kontaminierten Lebensmittel anführen. Als weiteres Praxisbeispiel eignet sich die Warnung, in einem öffentlich zugänglichen See aufgrund einer Blaualgenentwicklung nicht zu baden.89 Beide Formen der Warnung dienen der Abwehr einer Gesundheitsgefahr. Bei dem ersten Warnungsbeispiel ist zu beachten, dass der Verbraucher grundsätzlich jedes Lebensmittel ohne großen (finanziellen) Aufwand durch ein identisches Produkt eines anderen Herstellers oder jedenfalls durch ein ähnliches Produkt ersetzen kann.90 Der Konsument als Adressat einer Lebensmittelwarnung wird auf das „inkriminierte“ Lebensmittel verzichten. Die Warnung im Lebensmittelrecht hat daher gravierende mittelbare Auswirkungen auf den Hersteller des benannten Produkts, da sie de facto zu einem Kaufboykott des Lebensmittels führt.91 Anders ist die Situation demgegenüber bei der Warnung vor Blaualgen in einem öffentlichzugänglichen See zu bewerten, da hierdurch grundsätzlich keine Beeinträchtigung Dritter stattfindet.92 Wie die eingangs diskutierten Ansätze verdeutlichen, besteht für drittbeeinträchtigende Warnungen im Übrigen bereits eine weitergehende (verfassungs-)rechtliche Strukturierung. Die Fragen zum Eingriffscharakter staatlicher Warnungen und dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage lassen sich weitgehend beantworten.93 Dies gilt jedoch nicht für die heutzutage vermehrt zu Transparenzzwecken eingesetzten Verbraucherinformationen, die als modernes Steuerungsmittel neue (verfassungs-)rechtliche Probleme aufwerfen und insoweit im Zentrum der rechtlichen Bewertung des behördlichen Informationshandelns stehen.94 Damit lässt sich die staatliche Warnung, insbesondere vor dem Hintergrund der rationalisierenden Funktion der Formenlehre, als eigenständige Handlungsform erfassen. Bedenkt man weiter, dass Warnungen in verschiedenen Rechtsgebieten bereits eine (verfassungsmäßige)  spezialgesetzliche Ausgestaltungen erfahren haben,95 lässt sich sogar an eine Einordnung in den „Transitbereich“ von der Handlungs- zur Rechtsform denken. 89 Das Beispiel entstammt der Pressemitteilung der Stadt Lingen vom 31.10.2014 bezüglich der Warnung vor Blaualgen im Dieksee; vgl. www.lingen.de/Newsmeldungen/lingen_aktuell/ stadt_warnt_vor_blaualgen_im_dieksee.html [Stand: 25.06.2017]. 90 Berg, ZLR 1990, 565 (568), auch zum Folgenden. 91 Aufgrund der möglichen Schädigung einer Vielzahl von Drittbetroffenen bei behördlichen Warnungen kann auch von „Streuschäden“ gesprochen werden; den Kaufboykott der Verbraucher bei Warnungen vor Lebensmitteln als eine „geradezu zwingende Folge“ beschreibend Berg, ZLR 1990, 565 (568). 92 Anders fällt die Bewertung hingegen aus, wenn aufgrund der Warnung und der damit ausbleibenden Badegäste auch Dritte betroffen sind, beispielsweise ansässige Kioskbetreiber oder Bootsverleiher bzw. der See privat „betrieben“ wird. 93 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 199. Vgl. hierzu D. II. 4. c) und 5. a). 94 S. hierzu ausführlich unter D II. 4. 95 Vgl. etwa zum Arzneimittel- und Medizinprodukterecht § 69 Abs. 4 AMG, § 28 Abs. 4 MPG, zum Katastrophenschutzrecht § 6 Abs.  2 ZSKG, zum Produktsicherheitsrecht § 31 Abs. 2 ProdSG sowie zum Lebensmittelrecht § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB. Zu Letzterem ausführlich unter E. I.

III. Ergebnis

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III. Ergebnis Im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Formenlehre ist zwischen den Begriffen „Handlungsform“ und „Rechtsform“ zu differenzieren. Im Verhältnis zueinander stellt die „Handlungsform“ den Oberbegriff dar, dem die „Rechtsform“ unterfällt. Staatliche Maßnahmen, die sich anhand abstrakter Merkmale typisieren und mittels einer weiteren Systematisierung den gleichen Regeln unterwerfen lassen, stellen eine „Handlungsform“ dar. Sobald die „Handlungsform“ eine gesetzliche Ausgestaltung erfährt, wird sie zur „Rechtsform“. Daneben besteht ein „Transitbereich“ für diejenigen Handlungsformen, die noch unterhalb der Stufe zur Rechtsform stehen. Das schlichte Verwaltungshandeln erfasst als Auffanghandlungsform alle staatlichen Maßnahmen, die nicht auf die Bewirkung einer Rechtsfolge gerichtet sind, sondern sich vielmehr durch einen rein tatsächlichen Erfolg auszeichnen. Hierzu zählt das informelle Verwaltungshandeln, das sich im Gegensatz zum behördlichen Informationshandeln durch eine Gleichordnung zwischen Verwaltung und Privaten auszeichnet. Bei der Neuentwicklung einer eigenständigen Handlungsform aus dem schlichten Verwaltungshandeln sind die Zielsetzung und die Steuerungswirkung staatlicher Maßnahmen die entscheidenden Faktoren zur Typisierung. Im Gegensatz zu Verbraucherinformationen lassen sich Warnungen als eine neue Handlungsform erfassen, da sie ein konkretes Ziel (Gefahrenabwehr) und eine benennbare Lenkungswirkung (Handlungs- bzw. Konsumverzicht der Adressaten) aufweisen. Aufgrund der fortschreitenden spezialgesetzlichen Normierungen können Warnungen als Handlungsform sogar bereits dem „Transitbereich“ in einer Vorstufe zur „Rechtsform“ zugeordnet werden.

D. Verfassungsrechtliche Einordnung behördlichen Informationshandelns Für den Einzelnen sind allgemein zugängliche und verlässliche Informationen die entscheidende Voraussetzung, um selbstbestimmte Entscheidungen in der heutigen Wissens- und „Informationsgesellschaft“1 treffen zu können.2 Dies gilt zuvörderst im Lebensmittelsegment, das sich durch zahlreiche Produktions- und Vertriebsstufen auszeichnet, in die der Verbraucher keinen Einblick hat.3 Die Informationstätigkeit des Staates kann insoweit ein Informationsgleichgewicht schaffen, das dem Einzelnen eine seinen Interessen entsprechende Entscheidung überhaupt erst ermöglicht.4 Aus diesem Blickwinkel stehen die Interessen der Verbraucher im Vordergrund und damit die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte in Gestalt eines (potenziellen) verfassungsunmittelbaren Schutzauftrags des Staates zum Informationshandeln. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt jedoch auf der abwehrrechtlichen Dimen­ sion der Grundrechte. Da Verbraucher die staatlichen Veröffentlichungen regelmäßig als neutraler und sachlicher als die Informationen der Lebensmittelunternehmen selbst einstufen, kommt ihnen eine besondere Autorität zu.5 Diese manifestiert sich, zu Lasten oder auch zu Gunsten der von den Informationen betroffenen Unternehmen, in der Entscheidung der Konsumenten, ein bestimmtes Produkt zu erwerben oder auf dieses zu verzichten. Die behördliche Informationstätigkeit im Lebensmittelbereich bewegt sich folglich im Spannungsfeld zwischen Verbraucherund Unternehmerinteressen, mithin zwischen Transparenz und Grundrechtsschutz.6 Im Vergleich zu dem herkömmlichen bipolaren Rechtsverhältnis Staat und Bürger wirft das staatliche Informationshandeln aufgrund seiner multidimensionalen und multipolaren Rechtsbeziehungen neue Grundrechtskonflikte auf,7 die verfas­ sungsrechtlich zu bewältigen sind. Den Grundstein hierfür hat das BVerfG in seinen Entscheidungen „Glykol“8 und „Osho“9 aus dem Jahr  2002 gelegt. Aus-

1 Abbé, Verbraucherschutz, S. 32 ff.; v. Lewinski, RW 2010, 70 (71); Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (189); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 5 I, II Rn. 222. 2 Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (8). 3 In diese Richtung auch Abbé, Verbraucherschutz, S. 37. 4 Seemann, Produktinformation, S. 146. 5 Abbé, Verbraucherschutz, S. 35; Porsch, ZLR 2003, 175 (180). 6 Seemann, Produktinformation, S. 146. 7 Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (209). 8 BVerfGE 105, 252 ff. 9 BVerfGE 105, 279 ff.

I. Schutzrechtliche Dimension der Grundrechte

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gehend von dieser vom BVerfG für das staatliche Informationshandeln entwickelten grundrechtlichen Dogmatik und der hierzu ergangenen Kritik des juristischen Schrifttums wendet sich die nachfolgende Betrachtung den verfassungsrechtlichen Problemen zu, die das heutige Informationshandeln im Lebensmittelbereich – insbesondere im Hinblick auf die in der heutigen Verwaltungspraxis höchst relevanten Verbraucherinformationen – aufwirft.

I. Schutzrechtliche Dimension der Grundrechte Für das behördliche Informationshandeln im Lebensmittelbereich ist ein Dreiecksverhältnis der beteiligten Akteure charakteristisch, in dem der Staat als Informationsgeber die Interessen der Verbraucher und der Lebensmittelhersteller zu beachten hat.10 Während im bipolaren Verhältnis zwischen Bürger und Staat klassischerweise die Abwehrfunktion der Grundrechte im Mittelpunkt steht, rücken in diesem „Rechts-Dreieck“11 auch die grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates in das Blickfeld.12 Diese benennen das rechtlich gebotene staatliche Verhalten angesichts von Verletzungen geschützter Rechtspositionen und Rechtsgüter durch Private.13 Ein Nichthandeln / Unterlassen des Staates, zurückgehend auf die klassische abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte, wäre dem Einzelnen in dieser Konstellation nicht dienlich; bei der Beeinträchtigung seiner grundrechtlich geschützten Güter durch andere Private ist der Einzelne vielmehr auf das Handeln des Staates angewiesen.14 Die verfassungsrechtlichen Schutzpflichten führen, anders ausgedrückt, dazu, dass der Staat die Grundrechte des Privaten vor den Übergriffen durch Dritte aktiv schützen muss.15 Im Lebensmittelbereich stehen sich der Unternehmer als Hersteller eines Produkts (respektive der Betreiber eines Restaurants) und der Verbraucher als Konsument gegenüber. Während der Hersteller versucht, mit einer ansprechenden Gestaltung und einer gezielten Werbung sein Produkt erfolgreich zu verkaufen, muss sich der Verbraucher zwischen einer Vielzahl von angebotenen Lebensmitteln entscheiden. Bei der Auswahl eines Lebensmittels hat nicht nur die Produktaufmachung 10 Vgl. hierzu die eingangs genannten Praxisbeispiele („Lebensmittelklarheit“, Publikation amtlicher Überwachungsergebnisse) unter B I. 1. d). 11 Stern, DÖV 2010, 241 (246). 12 Vosgerau, AöR 133 (2008), 346 (383 ff.); Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (207); zur Unterscheidung der Grundrechtsfunktionen Borowski, Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, S. 241 ff. 13 BVerfGE 39, 1 (42); Dietlein, Schutzpflichten, S. 74; Klein, NJW 1989, 1633; Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (207). 14 Calliess, in: Merten / Papier, Hdb GR II, § 44 Rn. 3; Klein, NJW 1989, 1633; Sodan / Ziekow, GK ÖffR, § 22 Rn.  21; Stern, DÖV 2010, 241 (246); Vosgerau, AöR 133 (2008), 346 (348). 15 BVerfGE 103, 89 (100); Calliess, in: Merten / Papier, Hdb GR  II, § 44 Rn.  4; ders., JZ 2006, 321 (328); Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 3.

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

und -werbung Einfluss auf das Kaufverhalten des Verbrauchers, sondern auch die oft selektive Berichterstattung in den Medien, beispielsweise über (vermeintliche)  Gesundheitsrisiken oder sogenannte „Mogelpackungen“16. Hinzu kommt, dass der Verbraucher keinen Einblick in die Produktionsprozesse der Lebensmittelindustrie hat und daher für eine seinen Bedürfnissen entsprechende Kaufentscheidung auf zusätzliche Informationen angewiesen ist. Staatliches Informationshandeln in Form von Warnungen und Verbraucherinformationen kann daher das Informationsgefälle zwischen Unternehmen und Konsumenten ausgleichen und damit zum Schutz der grundrechtlichen Rechtsgüter und Rechtspositionen der Verbraucher beitragen.17 Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt sich eingangs die Frage, ob in bestimmten Fällen eine grundrechtliche Pflicht zu einem aktiven staatlichen Informationshandeln in Form von Warnungen oder Verbraucherinformationen existiert. Als Ansatzpunkte kommen die Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG18 und das Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in Betracht.19 Daneben bedarf es aus schutzrechtlicher Perspektive für Verbraucherinformationen zusätzlich der Erörterung, ob dem Verbraucherschutz – gleichsam einem „Grundrecht auf Markttransparenz“ – eine verfassungsrechtliche Absicherung zukommt. 1. Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG Die Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG steht gleichwertig neben der Meinungs- und Pressefreiheit und beinhaltet das Recht, sich selbst zu informieren.20 Der Anlass für die selbstständige verfassungsrechtliche Gewährleistung der Informationsfreiheit liegt in den Informationsbeschränkungen und verboten während des Nationalsozialismus.21 Die Informationsfreiheit ist damit aus historischer Sicht allein als Abwehrrecht ausgestaltet.22 Aus dieser abwehrrechtlichen Konzeption folgt, dass die Informationsfreiheit nur den Zugang zu allgemein zugänglichen Quellen sichert, nicht jedoch ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle gewährt.23

16 Der Begriff „Mogelpackung“ wird für Lebensmittel verwendet, bei denen die äußere Verpackung den Anschein einer größeren als der tatsächlichen Füllmenge erweckt; vgl. ausführlich hierzu auch in F. Fn. 302. 17 Seemann, Produktinformation, S. 146. 18 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23.05.1949, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG (Art. 91b) v. 23.12.2014 (BGBl. I S. 2438). 19 Schroeder, in: Böhm / Freund / Voit, Information, S. 9 (10 f.). 20 BVerfGE 27, 71 (81); 57, 250 (270); 90, 27 (31). 21 BVerfGE 27, 71 (84); Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (188 f.). 22 Schmidt-Jortzig, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VII, § 162 Rn. 34; Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (188). 23 BVerfGE 103, 44 (59).

I. Schutzrechtliche Dimension der Grundrechte

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Aufgrund des Wandels der Informations- und Kommunikationslandschaft tritt neben diese abwehrrechtliche allerdings auch eine objektiv-rechtliche Dimension24 des Grundrechts.25 Die heutigen Medien- und Informationsprozesse zeichnen sich durch eine zunehmende Privatisierung und Kommerzialisierung aus. Informationsquellen stehen nicht mehr unter staatlicher Kontrolle, sondern liegen vielmehr in der Hand Privater.26 Daneben tritt die wachsende wirtschaftliche Bedeutung von Informationen für unsere heutige Informationsgesellschaft. Diese Entwicklungen begründen neben der abwehrrechtlichen Dimension der Informationsfreiheit auch den Schutzauftrag des Staates, der Bevölkerung den Zugang zu einer angemessenen Kommunikationsinfrastruktur und zu der Teilhabe an öffentlich zugänglichen Informationsquellen zu ermöglichen.27 Die Umsetzung dieser Schutzpflicht liegt im staatlichen Ermessen und kann etwa durch öffentliche Zugangsmöglichkeiten zum Internet oder durch Vorkehrungen gegen technische Manipulationsmöglichkeiten erfolgen.28 In aller Regel kann der Staat Schutzpflichten nicht nur durch eine einzige bestimmte Handlung erfüllen, sondern ihm stehen eine Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung.29 Insoweit lässt sich aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG nicht ableiten, wie der Staat sich konkret aktiv informatorisch zu betätigen hat.30 2. Körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Auch bei dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG handelt es sich primär um ein Abwehrrecht, das auf den Erfahrungen des Dritten Reichs beruht.31 Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist als Antwort auf den nationalsozialistischen Unrechtsstaat zu verstehen, der sich anmaßte, Menschen als „minderwertig“ oder „lebensunwert“ einzustufen und an diesen gegen ihren Willen medizinische Versuche durchzuführen oder sie zwangsweise zu sterilisieren.32 Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG weist neben diesem abwehrrechtlichen aber auch einen objektiv-rechtlichen Gehalt auf, der sich in staatlichen Schutz 24

Die objektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte wurde vom BVerfG ursprünglich aus den Begriffen „objektive Werteordnung“ im „Lüth-Urteil“ entwickelt; vgl. BVerfGE 7, 198 (205). Für eine anschauliche Einführung in die historische Rechtsprechungsentwicklung der Schutzpflichtenfunktion der Grundrechte vgl. Stern, DÖV 2010, 241 ff. 25 Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (189); Schroeder, in: Böhm / Freund / Voit, Information, S. 9 (11); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 5 I, II Rn. 218. 26 Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (189). 27 Zum Ganzen Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (190); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 5 I, II Rn. 222. 28 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 5 I, II Rn. 221. 29 Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 89; Calliess, in: Merten / Papier, Hdb GR II, § 44 Rn. 26; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 125. 30 Abbé, Verbraucherschutz, S.  44; Schroeder, in: Böhm / Freund / Voit, Information, S.  9 (11); Zott, Informationen, S. 125. 31 BVerfGE 56, 54 (75); Müller-Terpitz, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VII, § 147 Rn. 45. 32 Müller-Terpitz, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VII, § 147 Rn. 33.

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

pflichten manifestiert.33 Das BVerfG betont in diesem Zusammenhang, dass der Staat die Pflicht habe, sich schützend vor die in Art. 2 Abs. 2 GG niedergelegten Rechtsgüter zu stellen und den Privaten vor den rechtswidrigen Verletzungen Dritter zu schützen.34 Die Art und der Umfang des notwendigen staatlichen Schutzes sind wiederum einzelfallabhängig und grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers.35 In Bezug auf die jeweilige Maßnahme zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit kommt dem Staat – wie auch bei der Informationsfreiheit – ein weiter Einschätzungs-, Wertungsund Ermessensspielraum zu.36 Es stehen ihm eine Vielzahl an Optionen offen, um seine verfassungsrechtliche Schutzpflicht zu erfüllen.37 Im Lebensmittelbereich kann dazu etwa die Warnung vor einem gesundheitsgefährdenden Lebensmittel als eine mögliche Maßnahme zählen.38 Eine Verletzung der Schutzpflicht ist aufgrund der vielfältigen Handlungsoptionen und des weiten staatlichen Gestaltungsspielraums nur denkbar, wenn der Staat entweder gänzlich untätig bleibt oder die getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind.39 Eine verfassungsrechtliche Pflicht zu einer aktiven Informationstätigkeit als (Schutz-)Maßnahme besteht damit nicht, wenn der Schutz auch durch andere staatliche Handlungen möglich ist.40 Im Falle eines gesundheitsgefährdenden Lebensmittels auf dem Markt sind neben der staatlichen Warnung auch ein direktes Vorgehen gegen den Hersteller oder eine Verpflichtung zum Rückruf als alternative Handlungsoptionen denkbar. Daneben bestehen gesetzliche Regelungen für die Lebensmittelüberwachung und den Umgang mit Lebensmittelkrisen. Eine Pflicht zur staatlichen Informationstätigkeit als einzig möglicher Maßnahme lässt sich folglich auch aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht ableiten. 3. „Grundrecht“ auf Markttransparenz? Zwar statuiert Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG keine aktive behördliche Informationspflicht; allerdings ist die staatliche Schutzpflicht für Leib und Leben in die Interessenabwägung der sich gegenüberstehenden Belange bei der rechtlichen Bewertung behördlicher Informationsmaßnahmen einzustellen.41 Dem öffentlichen Interesse 33 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  2 Abs.  2 S.  1 Rn.  81; Müller-Terpitz, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VII, § 147 Rn. 71. 34 BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160 (164); 88, 203 (251). 35 Müller-Terpitz, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VII, § 147 Rn. 74. 36 BVerfGE 46, 160 (164); 76, 1 (51); 77, 170 (214); 88, 203 (251). 37 Calliess, in: Merten / Papier, Hdb GR II, § 44 Rn. 26; ders., JZ 2006, 321 (328); R. Schmidt, Informationshandeln, S. 125. 38 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  2 Abs.  2 S.  1 Rn.  89; Müller-Terpitz, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VII, § 147 Rn. 95. 39 BVerfG, NJW 1998, 2961 (2962); BVerfGE 56, 54 (81); 77, 170 (214); 92, 26 (46). 40 Schroeder, in: Böhm / Freund / Voit, Information, S. 9 (11), auch zum Folgenden. 41 Abbé, Verbraucherschutz, S. 41; Kügel, ZLR 2016, 300 (313).

I. Schutzrechtliche Dimension der Grundrechte

57

ist hierbei in dem Fall einer Warnung grundsätzlich der Vorrang vor den unternehmerischen Interessen einzuräumen, da eine Gesundheitsgefahr der Verbraucher im Raum steht. Demgegenüber zielen Verbraucherinformationen nicht auf den Schutz der Gesundheit ab, sondern dienen als Instrumente des Verbraucherschutzes insbesondere der Herstellung von Transparenz, um den Marktteilnehmern informierte Entscheidungen zu ermöglichen.42 Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum finden sich indes Stimmen, die auch dem Belang des Verbraucherschutzes als legitimes Anliegen des Gemeinwohls Verfassungsrang zusprechen. Als Grundrechtspositionen der Verbraucher werden hierbei die staatliche Schutzpflicht für Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie die Verbürgung demokratischer Teilhabe (Art. 20 Abs. 2 GG) angeführt.43 Ferner findet sich der Verweis auf eine grundgesetzlich garantierte „Vertragsfreiheit“ aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG, die zur Herstellung von Markttransparenz Voraussetzung sei,44 deren verfassungsrechtliche Herleitung allerdings unklar bleibt.45 Diese Auffassung überzeugt im Übrigen auch deshalb nicht, da die staatliche Schutzpflicht für Leib und Leben nur bei Warnungen virulent wird, denen – anders als bei Verbraucherinformationen – eine Gesundheitsgefahr zu Grunde liegt.46 Ein darüber hinausgehender grundrechtlicher Anspruch auf Schaffung von Markttransparenz ist nicht im Grundgesetz angelegt.47 Die (abzulehnende) Konsequenz einer derartigen Verbürgung wäre, dass jedermann gegenüber dem Staat die Einhaltung einfachgesetzlicher Vorgaben verlangen könnte.48 Die Beseitigung von Informationsungleichgewichten auf dem Markt mittels behördlicher Informationen mag zwar ein legitimes Ziel sein; eine verfassungsrechtliche Verankerung des Verbraucherschutzes jenseits von Gesundheitsgefahren lässt sich hiermit aber gleichwohl nicht begründen.49 42

Becker, ZLR 2011, 391 (415). Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (41); ders., DÖV 2013, 7 (13 f.); Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BT-Ausschuss Drs. 17 (10) 735-H, S. 8 f.; Leisner, GewArch 2014, 57 (62); ausführlich hierzu Abbé, Verbraucherschutz, S. 41 ff.; in diese Richtung auch Möstl, in: Leible, Verbraucherschutz, S. 149 (158). 44 Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (41); ders., DÖV 2013, 7 (13 f.); Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BT-Ausschuss Drs. 17 (10) 735-H, S. 8 f.; Schink, DVBl 2011, 253 (259). Die vorgenannten Autoren beziehen sich hierbei auf Kube, ZLR 2007, 165 (183), der allerdings nicht von einer grundgesetzlich garantierten „Vertragsfreiheit“ spricht, sondern einzig auf die „in ihrer Autonomie nach Art. 2 Abs. 1 GG zu unterstützende[n] Öffentlichkeit“ hinweist. Kritisch hierzu Abbé, Verbraucherschutz, S. 41 f. 45 So nun auch das BVerfG in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1a LFGB, BVerfG, Beschluss v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 33. 46 Abbé, Verbraucherschutz, S. 41; Kügel, ZLR 2016, 300 (313). S. auch unter D. I. 2. 47 Becker, ZLR 2011, 391 (415); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 91; Joh / Krämer / Teufer / Unland, ZLR 2012, 420 (427); Kügel, ZLR 2016, 300 (313); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 48. 48 Kügel, ZLR 2016, 300 (313). 49 Becker, ZLR 2011, 391 (415); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  E. Rn.  91; Joh / Krämer / Teufer / Unland, ZLR 2012, 420 (427); Kügel, ZLR 2016, 300 (313); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 47 f. 43

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

4. Zwischenergebnis Sowohl Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG als auch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG weisen neben einer abwehrrechtlichen eine schutzrechtliche Dimension auf. Diese führt jedoch nicht dazu, dass für den Staat eine verfassungsrechtliche Pflicht zu aktivem Informationshandeln besteht. Der Staat muss die grundrechtlichen Rechtspositionen zwar durch aktives Handeln vor Eingriffen Dritter schützen; dabei liegt es aber in seinem Ermessen, mit welchen Maßnahmen er diese verfassungsrechtlichen Schutzverpflichtungen umsetzt. Für die (im Gang dieser Untersuchung noch vorzunehmende) Bewertung der einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen zum Informationshandeln ist im Übrigen festzuhalten, dass dem Gesundheitsschutz der Verbraucher Verfassungsrang zukommt, während demgegenüber der Verbraucherschutz jenseits des Bestehens einer Gesundheitsgefahr keine grundrechtliche Verankerung erfährt.50

II. Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte Bei der für das behördliche Informationshandeln charakteristischen mehrpoligen Beziehung zwischen Staat, Verbraucher und Unternehmer geht eine Beeinträchtigung der Unternehmen nicht unmittelbar vom Staat aus, sondern manifestiert sich in der Reaktion der Verbraucher auf die Information.51 Durch die Veröffentlichungen kann der Staat als Informationsgeber den Verbraucher als Informationsadressaten zu einer Verhaltensänderung animieren, beispielsweise auf ein Produkt zu verzichten oder ein bestimmtes Restaurant nicht zu besuchen. Die Auswirkungen der Information treffen den Unternehmer mittelbar über das geänderte Verhalten der Konsumenten, das sich in einem Einbruch der Nachfrage und den dadurch bedingten Umsatzeinbußen zeigt, gegebenenfalls auch für bisher un­beanstandete Produkte.52 Die staatlichen Informationen entfalten damit eine flächendeckende Eigendynamik, die durch das Zusammenspiel von staatlicher Autorität, der eigenen Bewertung des Verbrauchers sowie der Berichterstattung in den Medien nicht zu kontrollieren ist.53 Die erhebliche Breitenwirkung staatlicher Informationen kann mithin für die betroffene Unternehmen eine schwerer wiegende Beeinträchtigung als eine ordnungsrechtliche Sanktion darstellen.54 Im Vergleich zu dem regeln 50

Wegmer, Informationstätigkeit, S. 48. Murswiek, NVwZ 2003, 1; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 2. 52 C. Engel, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IV, § 80 Rn. 7; Porsch, ZLR 2003, 175 (177). 53 Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (10), Porsch, ZLR 2003, 175 (177); Seemann, Produktinformation, S. 147; Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 92. 54 Becker / Blackstein, NJW 2011, 490 (493); Böhm, in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 92; Streinz, ZLR 2003, 11 (22). Aus ökonomischer Perspektive Bavorová / Hirschauer, JVL 2012, 45 (47). 51

II. Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte

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den Verwaltungshandeln in Form von Ge- und Verboten ist es daher verfehlt, das behördliche Informationshandeln als „weiche“55 Steuerungsform zu bezeichnen.56 Die Unkontrollierbarkeit der einmal veröffentlichten Informationen gilt gleichsam für Warnungen wie für Verbraucherinformationen. Auch bei Letzteren lässt sich die Wirkung nur schwer prognostizieren, da der selbstständigen Einschätzung des Verbrauchers ein besonderes Gewicht zukommt. Damit rückt die Abwehrfunktion der Freiheitsgrundrechte – die „Freiheit vom Staat“, der „status negativus“57 – in den Mittelpunkt der Untersuchung. Es geht um die Frage, wie die ursprünglich auf das bipolare Staat-Bürger-Verhältnis ausgerichteten Abwehrrechte in multipolaren Rechtsverhältnissen Anwendung finden.58 Das Ziel dieses Abschnitts ist die Entwicklung verfassungsrechtlicher Anforderungen, die auf die Informationstätigkeit des Staates im Lebensmittelbereich Anwendung finden. Ausgehend von der im Schrifttum mittlerweile hinreichend diskutierten verfassungsrechtlichen Dogmatik des BVerfG in den Fällen „Glykol“ und „Osho“,59 liegt der Schwerpunkt auf der Problematik, wie heutige in der Verwaltungspraxis entstandene Verbraucherinformationen verfassungsrechtlich einzuordnen sind. Als Beispiele für derartige Informationsinstrumente sind bereits das Portal „Lebensmittelklarheit“ und die Online-Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse genannt worden. Im Hinblick auf die Schutzbereichsbestimmung, das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs und dessen Rechtfertigung wirft diese Art von Informationen neue verfassungsrechtliche Probleme auf. 1. Exkurs: Verfassungsimmanente Grundrechtsbegrenzung bei Warnungen? Im Jahr 2014 konsumierte der Durchschnittsverbraucher in Deutschland 97 Kilogramm Gemüse, 86,9 Kilogramm Fleisch und Fleischerzeugnisse und 24,2 Kilogramm Käse.60 Bei all diesen Produkten ist der Verbraucher, ohne eigene Kontrollmöglichkeiten zu besitzen, darauf angewiesen, dass die in der Lebensmittelkette 55

Abbé, Verbraucherschutz, S. 30 ff.; Di Fabio, in: Becker-Schwarze / Köck / Kupka, Handlungsformen, S. 47 (50, 62); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358); Philipp, Verbraucherinformation, S. 12; Schoch, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (129); Theis / Immel, StoffR 2014, 120 (121); Zechmeister / van der Schoot, ZLR 2008, 583 (585); Bäcker, JZ 2016, 592. 56 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil D Rn. 7; Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358). 57 Jarass, in: Merten / Papier, Hdb GR II, § 38 Rn. 16. 58 Poscher, Abwehrrechte, S. 153. 59 Vgl. beispielsweise Bethge, Jura 2003, 327 ff.; Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 ff.; Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 ff.; Huber, JZ 2003, 290 ff.; Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 ff.; Murswiek, NVwZ 2003, 1 ff.; Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S.  77 ff.; Schoch, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 111 ff.; ders., NVwZ 2011, 193 ff.; ders., VBlBW 2014, 361 ff. 60 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2016, Kapitel 6, S. 177, www.destatis. de/DE/Publikationen/StatistischesJahrbuch/StatistischesJahrbuch.html [Stand: 25.06.2017].

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

Beteiligten die rechtlichen Anforderungen bei der Gewinnung, der Herstellung, dem Transport und dem Verkauf von Lebensmitteln einhalten. Fehler auf Seiten der Lebensmittelunternehmen und Inverkehrbringer, wie beispielweise die Kontamination mit Fremdkörpern, die fehlende Kennzeichnung von Allergenen oder die Unterbrechung der Kühlkette, können gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit, gar das Leben der Konsumenten haben. Staatliches Informationshandeln in Form von Lebensmittelwarnungen dient daher dem Schutz der Gesundheit der Endverbraucher. Das Inverkehrbringen eines gesundheitsschädlichen Lebensmittels als Auslöser einer Warnung stellt sich hingegen als das (womöglich sogar nach den §§ 58 ff. LFGB strafbare) Handeln eines einzelnen Lebensmittelunternehmens im Rahmen seiner beruflichen Betätigung dar. Im System der Grundrechte kommen übergeordnete Allgemeininteressen (wie etwa die Gesundheit der Verbraucher) grundsätzlich über grundrechtsbeschränkende Gesetze zur Geltung, die der Freiheit des Einzelnen (wie etwa der Berufsfreiheit des Unternehmens) Grenzen setzten. Aus ethischer Sicht stellt sich hierbei die Frage, ob die grundrechtlichen Freiheiten des Einzelnen ihre Grenzen einzig in beschränkenden Gesetzen finden oder ob es darüber hinaus unter dem Aspekt der Sozialgebundenheit nicht noch weitere Einschränkungen gibt, die bereits den Schutzbereich der jeweiligen Freiheit begrenzen.61 Die Überlegung ist, ob grundrechtliche Freiheiten allein durch den Gesetzgeber „von außen“ beschränkt werden können oder ob nicht vielmehr auch „innere“ Schranken bestehen, die sich aus der Gemeinschaftsbezogenheit der Grundrechte ergeben.62 Für die durch behördliche Warnungen betroffenen Unternehmen führt dies zu der Fragestellung, ob sich diese überhaupt auf ihre Grundrechte berufen können oder ob die Grundrechtsausübung nicht vielmehr einem verfassungsimmanenten Sozialvorbehalt unterliegt.63 Ein grundrechtlicher Schutz gegen die staatliche Informationstätigkeit könnte von vornherein ausgeschlossen sein, wenn die Tätigkeit des Unternehmens, die zu der Notwendigkeit einer staatlichen Warnung führt, als sozialschädliches Verhalten zu qualifizieren wäre.64 Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass sich das Grundgesetz nicht nur der individuellen Entfaltung des Einzelnen verpflichtet, sondern auch für die Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen steht.65 Ein Verhalten, das ein gebotenes Maß an Rücksichtnahme auf die Interes 61

Zum Ganzen Volkmann, in: Merten / Papier, Hdb GR II, § 32 Rn. 40; Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 95. 62 Volkmann, in: Merten / Papier, Hdb GR II, § 32 Rn. 40; Merten, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 60 Rn. 26. 63 Vgl. zum verfassungsimmanenten Sozialvorbehalt Volkmann, in: Merten / Papier, Hdb GR II, § 32 Rn. 40. 64 Der Ausschluss sozialschädlichen Verhaltens wird beispielsweise bei Art. 12 Abs. 1 GG im Rahmen der „Erlaubtheit“ des Berufs diskutiert; vgl. Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 96. 65 Cornils, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR  VII, § 168 Rn.  8; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 81, S. 540; Volkmann, in: Merten / Papier, Hdb GR II, § 32 Rn. 43.

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sen anderer und die Gemeinschaft als solcher vermissen lässt, könnte daher bereits aus dem jeweiligen grundrechtlichen Schutzbereich herauszunehmen sein.66 Im juristischen Schrifttum wird dies für „unter Strafe stehende[n] und offensichtlich sozialschädliche[n] Verhaltensweisen“, wie beispielsweise Mord und Totschlag, diskutiert.67 So erfasse die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG keine Sprengstoffattentate, das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG schütze keine Brandstiftung und das Töten zum Zwecke der Wissenschaft oder Kunst unterfallen von vornherein nicht Art. 5 Abs. 3 GG.68 Auch wenn diese Beispiele auf den ersten Blick schlüssig erscheinen, lässt sich nicht definieren, unter welchen Voraussetzungen eine Verhaltensweise als offensichtlich sozialschädlich einzustufen ist. Darin zeigt sich die Problematik der verfassungsimmanenten Grundrechtsbegrenzung, denn ein sozialethisches Kriterium ist aufgrund seiner inhaltlichen Weite kaum bestimmbar und unterliegt zusätzlich dem stetigen gesellschaftlichen Wandel der Moral- und Rechtsvorstellungen.69 Aus diesem Grund hat die Idee des verfassungsimmanenten Sozialvorbehalts weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung Gefolgschaft gefunden.70 Das BVerfG argumentiert insoweit überzeugend, dass eine Relativierung der Grundrechte nicht durch eine unbestimmte Klausel ohne verfassungsrechtliche Verankerung und rechtsstaatliche Absicherung erfolgen dürfe, die eine bloße Gefährdung gemeinschaftsbezogener Güter ausreichen lasse.71 Im Falle des Inverkehrbringens gesundheitsgefährdender Lebensmittel ist im Übrigen zu bedenken, dass eine potenzielle strafrechtliche Sanktion nach den §§ 58 ff. LFGB, so sich überhaupt vorsätzliches Handeln nachweisen lässt,72 denjenigen trifft, der für die Nichteinhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften die Verantwortung trägt, mithin bei juristischen Personen den Geschäftsführer bzw. die Mitglieder des Vorstands.73 Eine staatliche Warnung erfolgt jedoch zeitlich lange vor einem möglichen strafrechtlichen Verfahren. Das Ziel ist es, präventiv eine Gesundheitsgefahr von den Verbrauchern abzuwenden, unabhängig davon, ob ein Fehlverhalten zu einem späteren Zeitpunkt strafrechtlich (repressiv) zu sanktio 66

Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 96; Merten, in: Merten / Papier, Hdb GR  III, § 60 Rn.  26; Muckel, in: FS Schiedermair, S.  347 ff.; Starck, in: v.  Mangoldt /  Klein / Starck, GG I, Art. 1 Abs. 3 Rn. 324; Volkmann, in: Merten / Papier, Hdb GR II, § 32 Rn. 42. 67 Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 96; Merten, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 60 Rn. 25; Starck, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 1 Abs. 3 Rn. 324; ausführlich Koch, Grundrechtsschutz, S. 105 ff. 68 Starck, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 1 Abs. 3 Rn. 324. 69 Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 96. 70 Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 96; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 107; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 81, S. 532. 71 BVerfGE 32, 98 (108). 72 Vgl. zu den Anforderungen an den subjektiven Tatbestand speziell im Lebensmittelrecht Dannecker, in: Zipfel / Rathke, Vor §§ 58 ff. LFGB Rn. 95. 73 Dannecker, in: Zipfel / Rathke, Vor §§ 58 ff. LFGB Rn. 177.

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nieren ist. Zu bedenken ist des Weiteren, dass durch die Nennung des betroffenen Lebensmittels auch der Absatz anderer nicht inkriminierter Produkte des gleichen Herstellers betroffen sein kann.74 Selbst wenn das Inverkehrbringen eines gesundheitsgefährdenden Lebensmittels daher auf eine strafbare Handlung zurückgehen sollte, kann die Warnung nachteilige Auswirkungen auf nicht betroffene Produkte haben und ruft daher Beeinträchtigungen hervor, die nicht auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit zurückzuführen sind.75 Auch aus diesen Gründen lässt sich der Gedanke des verfassungsimmanenten Sozialvorbehalts nicht auf staatliche Lebensmittelwarnungen übertragen. Dem Lebensmittelunternehmen ist daher auch im Falle der Verwirklichung lebensmittelrechtlicher Straftatbestände nicht von vornherein der Grundrechtsschutz zu versagen. 2. Grundsatzbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts Die Entscheidungen „Glykol“ und „Osho“ des BVerfG haben die rechtliche Bewertung des behördlichen Informationshandelns maßgeblich geprägt und sind daher in der gebotenen Kürze auch im Rahmen dieser Arbeit zu betrachten. a) „Glykol“ und „Osho“ im Überblick Die grundrechtliche Dogmatik staatlichen Informationshandelns im Lebensmittelbereich geht auf die Entscheidung des BVerfG in dem Fall „Glykol“ aus dem Jahr 2002 zurück.76 Dem Beschluss lag ein Skandal um mit Diethylenglykol (im Folgenden: DEG) kontaminierten Rotwein aus dem Jahr 1985 zu Grunde, der in der Bevölkerung zu einer erheblichen Verunsicherung und zu einem massiven Rückgang des Konsums deutscher und österreichischer Weine geführt hatte. Um den weitgehend zusammengebrochenen Weinmarkt zu stabilisieren und das Vertrauen der Marktbeteiligten in andere Weine wiederherzustellen, veröffentlichte das dama­lige Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit eine Liste mit den betroffenen DEG-haltigen Weinen und deren Abfüllern. Letztere sahen hierin eine Verletzung ihrer Grundrechte, die sie mit mehreren Verfassungsbeschwerden geltend machten. Der Beschluss des BVerfG beinhaltet die Kernaussage, dass keine Beeinträch­ tigung des grundrechtlichen Gewährleistungsbereichs der von staatlichen Informationen betroffenen Wettbewerber bestehe, wenn die rechtlichen Vorgaben für das staatliche Informationshandeln, nämlich das Vorliegen einer staatlichen Aufgabe, die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung und die Richtigkeit und Sachlichkeit

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Porsch, ZLR 2003, 175 (177). Vgl. insoweit bereits zu „Streuschäden“, C. Fn. 91. 76 BVerfGE 105, 252 ff. 75

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der Informationen, gewahrt seien.77 Aus der Aufgabe der Regierung zur Staatsleitung folgerte das BVerfG die Ermächtigung zum Informationshandeln;78 die Zuständigkeit der Bundesregierung ergebe sich aus Art. 65 GG.79 Die Informationstätigkeit des Staates, die sich nicht auf marktrelevante Informationen beschränke, stelle jedoch dann eine (rechtfertigungsbedürftige)  Beeinträchtigung dar, wenn sie in der Zielsetzung und Wirkung Ersatz für eine staatliche Maßnahme sei, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre (sog. funktionales Äquivalent eines Eingriffs).80 Im Ergebnis hat das BVerfG für die DEG-Listenveröffentlichung die Einhaltung der rechtlichen Grenzen staatlichen Informationshandelns bejaht und das Vorliegen eines funktionalen Äquivalents eines Eingriffs verneint. Der taggleiche „Osho“-Beschluss hatte Äußerungen der Bundesregierung zum Gegenstand, in denen diese die Bewegung des indischen Mystikers Rajneesh Chandra Mohan (sog. „Osho-Bewegung“) als „Sekte“, „Jugendreligion“, „Jugendsekte“ und „Psychosekte“ bezeichnet sowie mit den Adjektiven „destruktiv“ und „pseudo­ religiös“ beschrieben hatte.81 Die „Osho-Bewegung“ sah darin eine Verletzung ihrer Grundrechte und erhob Verfassungsbeschwerde. Der Beschluss betrifft zwar allein die Religions- und Weltanschauungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG, präzisiert aber die „Glykol“-Entscheidung in ihren inhaltlichen Ausführungen, sodass er auch für die Grundrechtsdogmatik des staatlichen Informationshandelns im Lebensmittelbereich von Bedeutung ist.82 In Bezug auf die Äußerungen „Sekte“, „Jugendreligion“, „Jugendsekte“ und „Psychosekte“ sah das BVerfG bereits nicht den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG berührt, da sich diese „im Rahmen einer sachlich geführten Informationstätigkeit“ unter Wahrung der staatlichen Neutralitätspflicht bewegten.83 Für die Äußerungen „destruktiv“ und „pseudoreligiös“ ging das BVerfG demgegenüber von einer „Beeinträchtigung“ des Schutzbereichs aus.84 Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Beeinträchtigung führte das BVerfG aus, dass der Bundesregierung die Informationskompetenz für diese beiden Äußerungen aus der Aufgabe der Staatsleitung zugestanden habe, ohne dass es hierfür einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedurft hätte. In diesem Zusammenhang konkretisierte der Senat seine Ausführungen aus dem „Glykol“-Beschluss dahingehend, dass mittelbar-faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen – wie die in Rede stehenden Äußerungen – durch 77

BVerfGE 105, 252 (268). BVerfGE 105, 252 (268). 79 BVerfGE 105, 252 (270). 80 BVerfGE 105, 252 (273). 81 Konkret ging es um Antworten der Bundesregierung auf drei Kleine Anfragen, die im Bundestag gestellt worden waren, einen Bericht der Bundesregierung an den Petitionsausschuss des Bundestags sowie eine Rede des damaligen Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf einer Tagung der Jungen Union Bayern; vgl. BVerfGE 105, 279 (283). 82 So auch Seemann, Produktinformation, S. 151. 83 BVerfGE 105, 279 (295). 84 BVerfGE 105, 279 (301), auch zum Folgenden. 78

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die Aufgabe der Staatsleitung gedeckt seien. Allein bei Vorliegen eines funktionalen Eingriffsäquivalents verlange der Vorbehalt des Gesetzes eine besondere gesetzliche Ermächtigung für die staatliche Informationstätigkeit.85 Für die faktisch-mittelbaren Wirkungen staatlichen Handelns sei gerade kennzeichnend, dass sich diese einer Normierung entzögen.86 Die beiden Äußerungen „destruktiv“ und „pseudoreligiös“ seien, so das BVerfG im Weiteren, allerdings nicht gerechtfertigt, da sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen.87 b) Kernkritikpunkte des Schrifttums Die beiden Beschlüsse sind im juristischen Schrifttum auf erhebliche Kritik gestoßen, die sich an der grundrechtlichen Dogmatik des BVerfG entzündet. Indem der Senat argumentiere, dass bei Einhaltung besonderer rechtlicher Vorgaben (d. h., dem Vorliegen einer staatlichen Aufgabe, der Einhaltung der Zuständigkeitsordnung sowie der Richtigkeit und der Sachlichkeit der Publikation) kein Eingriff durch die staatliche Informationstätigkeit vorliege, ziehe er Elemente der Rechtfertigung als Argumente zur Verneinung eines Grundrechtseingriffs (so im Fall „Glykol“) bzw. zur (teilweisen) Verneinung des Schutzbereichs (so im Fall „Osho“ bzgl. der Äußerungen „Sekte“, „Jugendreligion“, „Jugendsekte“ und „Psychosekte) heran.88 Im Ergebnis laufe dies auf eine Vermengung des Schutzbereichs, des Eingriffs und der Eingriffsrechtfertigung hinaus,89 die mit einem subjektiven Recht auf Einhaltung der Kompetenzordnung einhergehe.90 Die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung trotz Verneinung eines Grundrechtseingriffs stehe dabei im Widerspruch zu der herkömmlichen dreistufigen Grundrechtsdogmatik, weshalb die Entscheidungen in der Literatur u. a. als „Sonderdogmatik“91 und „bereichsspezifisches Sonderrecht“92 betitelt wurden.

85

BVerfGE 105, 279 (303). BVerfGE 105, 279 (304). 87 BVerfGE 105, 279 (308 ff.); das BVerfG ging indes nicht darauf ein, dass ein Eingriff in die vorbehaltlos gewährleistete Religionsfreiheit nur dann gerechtfertigt ist, wenn er der Verwirklichung kollidierenden Verfassungsrechts dient und im Sinne der praktischen Konkordanz verhältnismäßig ist; vgl. hierzu Germann, in: BeckOK GG, Art. 4 Rn. 48. 88 Bethge, Jura 2003, 327 (333); Manssen, in: v.  Mangoldt / K lein / Starck, GG  I, Art.  12 Rn. 88; Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 112; Murswiek, NVwZ 2003, 1 (3). 89 Statt vieler Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 128; Manssen, in: v. Mangoldt / K lein /  Starck, GG I, Art. 12 Rn. 88; Martini / Kühl, JA 2014, 1221 (1226); Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 112; Seemann, Produktinformation, S. 157; die Entscheidungen nicht als Anzeichen für einen grundrechtsdogmatischen Wandel sehend Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (215). 90 Murswiek, NVwZ 2003, 1 (5). 91 Schoch, NJW 2012, 2845 (2847). 92 Dreier, Die Verwaltung 36 (2003), 105 (136). 86

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Kritik hat zudem die Aussage des BVerfG erfahren, dass die Aufgabe der Bundesregierung zur Staatsleitung auch zum Informationshandeln ermächtige, ohne dass eine besondere gesetzliche Ermächtigung erforderlich sei. Dies stelle nicht nur einen unzulässigen Schluss von der Aufgabe auf die Befugnis dar,93 sondern gebe auch den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts der Beliebigkeit preis.94 Darüber hinaus ist die These des BVerfG von der unmöglichen Normierbarkeit faktisch-mittelbarer Eingriffe im Lebensmittelbereich spätestens mit der Verabschiedung von § 40 LFGB widerlegt.95 Diese noch näher zu betrachtende Vorschrift enthält nicht nur eine Ermächtigung für staatliche Informationsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr (Warnung), sondern auch für solche ohne Gefahrenbezug (Verbraucherinformation), und zeigt damit, dass sich das behördliche Informationshandeln gesetzlich regeln lässt.96 An den beiden Entscheidungen ist des Weiteren kritikwürdig, dass das BVerfG die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern missachtet, wenn es die Organkompetenz der Bundesregierung noch vor der Prüfung der Verbandskompetenz aus Art. 65 GG ableitet.97 In diesem Zusammenhang überzeugt ebenfalls nicht, dass der Senat die Veröffentlichung der Glykol-Liste als eine Aufgabe der „Staatsleitung“98 der Bundesregierung qualifiziert. Bei der Listenveröffentlichung handelt es sich vielmehr um eine Verwaltungsaufgabe der Länder, die für Warnungen und sonstige Informationen zuständig sind.99 Das Gericht unterscheidet damit nicht hinreichend zwischen der Regierungs- und Verwaltungsfunktion.100 Vor diesem Hintergrund verneint ein Großteil des juristischen Schrifttums die Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BVerfG auf das Informationshandeln der Gubernative, mithin auf die heutigen Formen des administrativen Informationshandelns.101 93

Bethge, Jura 2003, 327 (332).; Dreier, Die Verwaltung 36 (2003), 105 (131); Knebel /  Schloss, DÖV 2016, 105 (106 f.); Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 112. 94 Huber, JZ 2003, 290 (294); Martini / Kühl, JA 2014, 1221 (1226). 95 Vgl.  Proelß, in: FS Schmidt-Jortzig, S.  693 (707); vgl. zu weiteren Befugnisnormen außerhalb des Lebensmittelrechts Huber, JZ 2003, 290 (295); Porsch, ZLR 2003, 175 (183). 96 Hierzu ausführlich unter E. I. 97 Bethge, Jura 2003, 327 (331); Dreier, Die Verwaltung 36 (2003), 105 (132); Huber, JZ 2003, 290 (296); Murswiek, NVwZ 2003, 1 (7); Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 112. 98 BVerfGE 105, 252 (268); 105, 279 (301); vgl. ausführlich zum Begriff der „Staatsleitung“ Bethge, Jura 2003, 327 (330). 99 Hierzu auch unter F. II. 3. c) in Bezug auf die Finanzierungszuständigkeit des Bundes für die Informationstätigkeit durch Private. 100 Murswiek, NVwZ 2003, 1 (7); Porsch, ZLR 2003, 175 (184); Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 112. 101 Böhm, in: Hill / Schliesky, Die Vermessung des virtuellen Raums, S. 126; Holzner, NVwZ 2010, 489 (490); ders., DVBl. 2012, 17 (18); von Danwitz, in: Streinz, Verbraucherinformation, S. 83 (85); Kramer / Monsees, Jura 2016, 985 (986, 988); Seemann, Produktinformation, S. 159; Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (39); Abbé, Verbraucherschutz, S.  161,  164. Das BVerfG hat seine Rechtsprechung unter Argumentation mit der „Aufgabe zur Staatsleitung“ allerdings in der späteren „Löw“-Entscheidung auch auf die Informationstätigkeit der Bundes­

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Herauszustellen ist, dass die Veröffentlichung der Glykol-Liste nicht der Abwehr einer nachgewiesenen Gesundheitsgefahr galt, sondern der Stabilisierung des Weinmarkts.102 Aufgrund der medialen Berichterstattung über die Beimengung von DEG in Weinen (betitelt als „Glykol-Skandal“) ab Mai 1985 herrschte eine erhebliche Verunsicherung in der Bevölkerung, die zu einem massiven Rückgang des Weinkonsums führte und damit zu einer Existenzgefährdung der in der Weinwirtschaft tätigen Unternehmen. Welche gesundheitlichen Folgen der Genuss von DEG-haltigem Wein hatte, stand jedoch nicht wissenschaftlich abgesichert fest.103 Ob die Konzentration von DEG-haltigem Wein geeignet war, eine Gesundheitsgefahr hervorzurufen, konnte folglich nicht Gegenstand der vom Bundesministerium veröffentlichten Liste sein. Das BVerfG bezeichnete die Glykol-Listen­ veröffentlichung daher in seiner Entscheidung auch nicht als „Warnung“, sondern hielt sich mit einer Kategorisierung der Information zurück. Dieser Aspekt wird im juristischen Schrifttum oftmals übersehen, wenn die Glykol-Liste (vorschnell) als „Warnung“ zur Gefahrenabwehr klassifiziert wird.104 Nach der für diese Arbeit verwendeten Terminologie105 stellt die Glykol-Liste keine Warnung, sondern vielmehr eine Verbraucherinformation dar.106 Die Ungenauigkeit in Teilen des Schrifttums lässt sich damit erklären, dass das BVerfG die Glykol-Listenveröffentlichung letztendlich in ihrer Wirkung  (!) auf die Bevölkerung mit einer Warnung gleichgesetzt hat. Im Ergebnis lief die Liste nämlich aufgrund der nicht bekannten gesundheitlichen Folgen eines Konsums von DEG auf eine Warnung vor DEG-haltigem Wein und eine Entwarnung vor allen zentrale für politische Bildung erstreckt, einer nicht-rechtsfähigen Anstalt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern; s. BVerfG, NJW 2011, 511 (512 ff.); vgl. kritisch hierzu Schoch, NVwZ 2011, 193 (197); ders., NJW 2012, 2844 (2846 f.); Abbé, Verbraucherschutz, S. 158 f. 102 BVerfGE 105, 252 (254), auch zum Folgenden. So ebenfalls Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (22); Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S.  88; Albers, in: Jantke / Lottermoser / Reinhardt / Rothe / Stöver, Nachhaltiger Konsum, S.  167 (181); a. A.  Abbé, Verbraucherschutz, S. 154. 103 Dies ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Berufungs- und Revisionsurteils. Das OVG NRW ließ die Schädlichkeitsgrenze von DEG-kontaminiertem Wein ausdrücklich offen, und das BVerwG stellte darauf ab, dass die Liste mit nicht verkehrsfähigen DEG-haltigen Weinen jedenfalls von der Öffentlichkeit als Warnung vor einer Gesundheitsgefahr verstanden werden musste; vgl. OVG NRW, AfP 1988, 284 (286 f.); BVerwGE 87, 37 (44). 104 Vgl. etwa Bethge, Jura 2003, 327; Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 128; Huber, ZLR 2004, 241 (254); Murswiek, NVwZ 2003, 1 (5); Seemann, Produktinformation, S. 150; in der Listenveröffentlichung „eine ganz normale Verwaltungsmaßnahme zur Gefahrenabwehr“ erblickend Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 112. 105 Hierzu unter B. II. 106 Anders wohl bei den Äußerungen zur „Osho“-Bewegung, mit denen u. a. das Risiko einer seelischen Abhängigkeit der Anhänger aufgezeigt werden sollte (so hielt der damalige Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit die angegriffene Rede auf einer Tagung zu dem Thema „Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus“). Die Äußerungen erfolgten zur Abwehr einer (psychischen) Gesundheitsgefahr potenzieller Mitglieder und lassen sich daher als Warnungen einstufen.

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übrigen Weinen hinaus.107 Hier setzt dann auch wiederum die berechtigte Kritik des Schrifttums an. Wenn das BVerfG die Listenveröffentlichung in ihrer Wirkweise mit einer Warnung gleichsetzte, hätte es in der Konsequenz auch das Vorliegen des Äquivalents eines Eingriffs bejahen müssen.108 Denn das Paradebeispiel einer Informationsmaßnahme, die in ihrer Zielsetzung und Wirkung Ersatz für eine staatliche Maßnahme ist, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre, mithin ein funktionales Eingriffsäquivalent, ist die zur Gefahrenabwehr (final) ausgesprochene Warnung109 respektive die Verbraucherinformation, der die Wirkweise einer Warnung zur Gefahrenabwehr zukommt. c) Zwischenergebnis für die weitere Untersuchung Trotz der beachtlichen Kritik des juristischen Schrifttums stellt die in den beiden Entscheidungen „Glykol“ und „Osho“ entwickelte Argumentation des BVerfG auch heute noch die Grundlage für das behördlichen Informationshandeln dar.110 Dabei wird deutlich, dass sich sowohl der Senat als auch die Literatur bei der grundrechtsdogmatischen Einordnung der staatlichen Informationstätigkeit an Warnungen zur Gefahrenabwehr orientieren. Informationen ohne Gefahrenbezug, wie sie die Behörden im Lebensmittelbereich auf Onlineportalen veröffentlichen, können jedoch nicht per se in ihrer Wirkweise mit Warnungen gleichgesetzt werden. Ausgehend von den beiden Grundsatzentscheidungen „Osho“ und „Glykol“ sowie der Kritik des Schrifttums daran ist daher im Weiteren zu untersuchen, wie sich die heutigen Verbraucherinformationen im Lebensmittelbereich in die bisherige Grundrechtsdogmatik einfügen. 3. Thematisch berührte Grundrechte Die Prüfung der Verletzung eines Freiheitsgrundrechts erfolgt traditionell in den drei Stufen „Eröffnung des Schutzbereichs“, „Eingriff in den Schutzbereich“ und „Rechtfertigung des Eingriffs“.111 Zu Anfang steht die exakte Bestimmung des Schutzbereichs eines jeden einzelnen Grundrechts.112 Der Schutzbereich bezeichnet diejenigen Handlungen und Lebensräume, die durch Grundrechte geschützt und damit gegen ungerechtfertigte staatliche Eingriffe gesichert sind.113 Neben 107

BVerfGE 105, 252 (274). Murswiek, NVwZ 2003, 1 (5); Porsch, ZLR 2003, 175 (180). 109 Porsch, ZLR 2003, 175 (181); Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 112. 110 BVerwG, NJW 2015, 2358 ff.; BVerwG, NVwZ-RR 2015, 425 ff.; Porsch, ZLR 2003, 175 (177); Seemann, Produktinformation, S. 157. 111 Henning, Eigentumsbegriff, S. 141; Hufen, Grundrechte, § 6 Rn. 2; Peine, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 57 Rn. 4. 112 Kahl, Der Staat (43) 2004, 167; Peine, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 57 Rn. 4. 113 Hufen, Grundrechte, § 6 Rn. 2. 108

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

der Bezeichnung „Schutzbereich“ finden sich weitere synonym gebräuchliche Begriffe wie „Grundrechtsinhalt“114, „Grundrechtstatbestand“115, „Normbereich“116 oder „Gewährleistungsgehalt“117. In der Entscheidung „Glykol“ hat das BVerfG allein Art. 12 Abs. 1 GG geprüft; die Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG hat ebenso wenig eine eingehende Betrachtung erfahren wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.118 Die Informationstätigkeit des Staates hat sich seit dem „Glykol“-Beschluss jedoch stark verändert, was sich neben dem Wandel des staatlichen Selbstverständnisses vor allem auf die Nutzung und die weltweite Verbreitung des Internets als zeit und kostensparenden Kommunikationsmediums zurückführen lässt.119 Der ursprünglich allein mit Ge- und Verboten agierende paternalistische Staat hat sich zu einem Gewährleistungsstaat entwickelt, dessen zentrales Steuerungselement Informationen sind, die Markteffekte erzielen und Wettbewerbsbedingungen verändern.120 Infolgedessen stehen bei dem heutigen Informationshandeln des Staates in Form von Warnungen und Verbraucherinformationen die Wirtschaftsgrundrechte121 nach Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG im Zentrum der Schutzbereichsbestimmung. a) Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG Die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG schützt als einheitliches Grundrecht die Freiheit der Berufswahl (freie Wahl des Ausbildungs und Arbeitsplatzes) und die Freiheit der Berufsausübung.122 Art. 12 Abs. 1 GG ist i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG grundsätzlich auch auf (inländische)  juristische Personen anwendbar.123 Da sich Warnungen und Verbraucherinformationen im Lebensmittelbereich auf die Lebens­ mittelbetriebe, -unternehmen und -unternehmer124 oder die vertriebenen Produkte 114

Ipsen, Grundrechte, § 3 Rn. 124 ff. Sachs, Grundrechte, Kapitel 7, Rn. 1 ff. 116 Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 46, 69. 117 Hoffmann-Riem, in: Bäuerle et al., Recht und Wirklichkeit, S. 53 (57); ders., Der Staat 43 (2004), 203 (226 f.). 118 Vgl. BVerfGE 105, 252 ff. 119 Becker / Blackstein, NJW 2011, 490; Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3. 120 Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3; Di Fabio, JZ 1993, 689 (696). 121 Vgl. zum Begriff Bethge, Jura 2003, 327 (331). 122 Haussühl, Produktwarnung S.  53; Mann, in: Sachs, GG, Art.  12 Rn.  14; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 1. 123 BVerfGE 21, 261 (266); 65, 196 (209 f.); 74, 129 (148 f.); 105, 252 (265); Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 124; Manssen, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art.  12 Abs.  1 Rn.  268; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  12 Rn. 106. 124 Vgl. zur lebensmittelrechtlichen Differenzierung zwischen „Lebensmittelunternehmen“ und „Lebensmittelunternehmer“ § 3  Nr.  6,  Nr.  7  LFGB  i. V. m. Art.  3  Nr.  2 und Nr.  3 VO (EG) Nr. 178/2002. 115

II. Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte

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beziehen, ist die Reichweite der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Tätigkeit am Markt von Relevanz. aa) Die „Wettbewerbsfreiheit“ Das BVerfG sieht Art.  12  Abs.  1  GG als ein durch die Wettbewerbsordnung geprägtes Grundrecht, das die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe der Funktionsbedingungen des Markts sichert.125 Der (unter anderem) in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der „Wettbewerbsfreiheit“126 ist indes missverständlich, da er einen besonderen grundrechtlichen Schutzgehalt suggeriert.127 Tatsächlich sind unter der sogenannten „Wettbewerbsfreiheit“ unterschiedliche Wirtschaftsfreiheiten mit speziellen oder allgemeinen Schutzbereichen zusammengefasst,128 weswegen eine eindeutige Zuordnung zu Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG oder Art.  2  Abs.  1  GG nicht möglich ist.129 Dem Begriff „Wettbewerbsfreiheit“ kommt damit weder ein besonderes Freiheitssubstrat zu, noch verändert er den Schutzbereich oder die Schutzintensität des Art. 12 Abs. 1 GG (oder der anderen Wirtschaftsgrundrechte).130 Bei der verfassungsrechtlichen Einordnung des staatlichen Informationshandelns verleitet die sogenannte „Wettbewerbsfreiheit“ dazu, auf eine Gesamtschau von Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG abzustellen, ohne die verschiedenen Schutzbereiche und Konkurrenzverhältnisse zu hinterfragen, weshalb der Begriff dogmatisch keinen Mehrwert bringt und insgesamt abzulehnen ist.131 125

BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); 105, 252 (265); 116, 135 (152); Schoch, in: Isensee /  Kirchhof, Hdb Staats III, § 37 Rn. 112. 126 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 116; ders., JZ 1993, 689 (694); T. Engel, Informationstätigkeit, S. 80; Haussühl, Produktwarnung, S. 59 f.; Kahl, Der Staat (43) 2004, 167 (173); Koch, Grundrechtsschutz, S.  232 f.; Philipp, Verbraucherinformation, S.  126; Uddin, Verbraucherinformationen, S. 151; Zott, Informationen, S. 141. 127 Manssen, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 12 Abs. 1 Rn. 71; Abbé, Verbraucherschutz, S. 78 f. 128 C. Koenig, Verteilungslenkung, S. 59. 129 Das BVerfG ordnet „das Verhalten der Unternehmer im Wettbewerb“ Art. 12 Abs. 1 GG zu; vgl. BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137). Demgegenüber betrachtet das BVerwG die Teilnahme am Wettbewerb als Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit gem.  Art.  2 Abs. 1 GG; vgl. BVerwGE 17, 306, (309); 30, 191 (198); 60, 154 (159); 65, 167 (174); 79, 326 (329); anders (auf Art.  12  Abs.  1  GG abstellend)  jedoch BVerwGE 28, 295 (299); 89, 281 (283); zur Diskussion im Schrifttum etwa Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 27 f.; Di Fabio, JZ 1993, 689 (694); Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 2 I Rn. 36; T. Engel, Informationstätigkeit, S. 80; C. Koenig, Verteilungslenkung, S. 58; Philipp, Verbraucherinformation, S. 132 f.; Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 147 ff. 130 Manssen, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 12 Abs. 1 Rn. 71; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 12 Rn. 53. 131 Abbé, Verbraucherschutz, S. 78 f.; C. Koenig, Verteilungslenkung, S. 59; Lindner, DÖV 2003, 185 (191); Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 12 Rn. 53. Ablehnend ebenfalls (in Bezug auf eine aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete „Unternehmensfreiheit“) Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 147 ff.

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

Festzuhalten ist vielmehr, dass Art. 12 Abs. 1 GG als Teilbereich der Berufsausübungsfreiheit das gesamte unternehmerische Verhalten im Wettbewerb erfasst.132 Der Unternehmer kann bestimmen, ob er ein Produkt anbietet und wie er dieses sowie das Unternehmen als solches gegenüber Wettbewerbern und Konsumenten präsentiert.133 Es steht ihm im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften frei, sein Produkt sowie sein Unternehmen bestmöglich zu vermarkten. Da sich der Staat im Gegensatz zu den anderen Marktbeteiligten nicht auf die Grundrechte, insbesondere nicht auf die Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen kann, beinhaltet das unternehmerische Recht auf eine selbstbestimmte Kommunikation im Wettbewerb vorrangig die Freiheit vor einer staatlichen Intervention.134 Der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ist demzufolge berührt, wenn sich die Informationsmaßnahme des Staates auf Produkte bezieht, die einem Unternehmen zugeordnet werden können, oder ein individualisiertes Unternehmen benennt.135 bb) Staatliches Informationshandeln als Funktionsbedingung des Markts? Nach Auffassung des BVerfG tragen staatliche Informationen zu der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs bei, indem sie ein Gegengewicht zu der am Markt nur selektiven und unvollständigen Informationsverbreitung setzten bzw. die überlegene Informationsmacht einzelner Marktteilnehmer ausglichen.136 Im „Glykol“Beschluss führte das BVerfG aus, dass marktbezogene Informationen des Staates den „grundrechtlichen Gewährleistungsbereich“ „nicht beeinträchtigen“, sofern der Einfluss auf wettbewerbsrechtliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für das staatliche Informationshandeln erfolge, zu denen auch die Richtigkeit und die Sachlichkeit von Informationen zählten.137 132 Lindner, DÖV 2003, 185 (190), der zwischen der Wettbewerbsteilnahmefreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Beeinträchtigung der Erfolgschancen des Wettbewerbers (Art. 3 Abs. 1 GG) differenziert; Manssen, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 12 Abs. 1 Rn. 71; Philipp, Verbraucherinformation, S. 126. 133 Auch als „unternehmerisches Selbstdarstellungsrecht“ bezeichnet; vgl. R. Schmidt, Informationshandeln, S. 30 ff.; ausführlich Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 27 ff.; demgegenüber auf Art. 2 Abs. 1 GG abstellend Philipp, Verbraucherinformation, S. 154 ff. und S. 168 ff. 134 Huber, ZLR 2004, 241 (260); Philipp, Verbraucherinformation, S. 156; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 30. 135 Vgl. hierzu ausführlich R. Schmidt, Informationshandeln, S. 29 ff. 136 BVerfGE 105, 252 (267). 137 BVerfGE 105, 252 (268). Im „Osho“-Beschluss verneinte das BVerfG ausdrücklich die Berührung des „Schutzbereichs“ des Art. 4 Abs. 1 GG in Bezug auf die Äußerungen „Sekte“, „Jugendreligion“, „Jugendsekte“ und „Psychosekte“. Diese Äußerungen seien nicht diffamierend oder verfälschend und würden sich daher im Rahmen einer sachlich geführten Informationstätigkeit bewegen; vgl. BVerfGE 105, 279 (295).

II. Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte

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Hieran anknüpfend findet sich im juristischen Schrifttum der Ansatz, dass bei staatlichen Informationen zwar der Sach- und Lebensbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt sei (nämlich die Berufsausübung der von den staatlichen Informationen Betroffenen), das Grundrecht allerdings keinen Schutz vor inhaltlich zutreffenden marktrelevanten Informationen biete.138 Diesem Modell liegt ein enges Tatbestandsverständnis zu Grunde, bei dem die Schutzrichtung des Grundrechts durch die Herausarbeitung eines normativen Gewährleistungsgehalts ermittelt wird (sogenannte Lehre vom Gewährleist ungsgehalt).139 Dabei bezieht sich der Sach­ bereich auf den gegenständlichen Einzugsbereich des Grundrechts, und der Gewährleistungsgehalt umschreibt den Umfang des grundrechtlichen Schutzes.140 Bei Anwendung dieses Modells auf die behördliche Informationstätigkeit im Lebensmittelbereich unterfielen inhaltlich zutreffende Verbraucherinformationen bereits nicht dem Schutz des Art.  12  Abs.  1  GG. Davon ausgehend, dass das Grundrecht durch die Ordnungsstrukturen des Markts geprägt werde, könne es auch nur Schutz im Rahmen von dessen Funktionsbedingungen bieten.141 Die zentrale Funktionsbedingung des Markts sei hierbei das Zusammenkommen von Angebot und Nachfrage; dies setze nicht nur einen Informationsaustausch der Marktbeteiligten voraus, sondern überhaupt erst die Verfügbarkeit von Informationen, auf deren Grundlage eine Entscheidung erfolgen könne, beispielsweise in Bezug auf die Abgabe oder die Annahme eines Angebots. Wenn der Staat in inhaltlich zutreffender Weise marktrelevante Informationen veröffentliche, fördere dies die Funktionsweise des Markts. Als Konsequenz könne Art. 12 Abs. 1 GG dann aber keinen Schutz vor solchen Informationen bieten, welche die Funktionsfähigkeit des Markts und dessen Selbststeuerungskraft überhaupt erst herbeiführten. Für eine Fokussierung auf den grundrechtlichen Gewährleistungsgehalt spricht, dass die Grundrechte damit trennschärfer voneinander abgegrenzt werden können, ohne wesentliche Fragen in eine Einzelfallabwägung auszulagern.142 Dem steht al 138 Vgl. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (178); Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (218), der dem ersten Senat des BVerfG angehörte und in dieser Funktion als Bericht­erstatter an den „Glykol“ und „Osho“-Beschlüssen maßgebend beteiligt war. Insoweit werden die Überlegungen Hoffmann-Riems zum Gewährleistungsgehalt der Grundrechte auch als „originäre Interpretation“ der beiden Beschlüsse aufgefasst; so Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 93. 139 Während Hoffmann-Riem die Begriffe „Schutzgehalt“ und „Gewährleistungsgehalt“ gleichsetzt, differenziert Böckenförde zwischen dem „Sach- und Lebensbereich“ sowie dem „Gewährleistungsinhalt“ des Grundrechts; vgl.  Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (217, 226); ders. in: Bäuerle et al., Recht und Wirklichkeit, S.  53  (57), und Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (174). Ausführlich zum Streit über ein enges oder weites Schutz­ bereichsverständnis sowie zu der Lehre vom Gewährleistungsgehalt Henning, Eigentums­ begriff, S. 176 ff., 210 ff., und Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (177 ff.); im Detail zum Gewährleistungsmodell, Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 169 ff. 140 Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 171. 141 Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (218), auch zum Folgenden. 142 Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (191); Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (229). Ausführlich zum Für und Wider der Lehre vom Gewährleistungsgehalt Henning, Eigentumsbegriff, S. 210 ff.

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lerdings die Gefahr eines abgeschwächten individuellen Freiheitsschutzes gegenüber.143 Zum einen lässt sich ein einmal restriktiv verstandener grundrechtlicher Schutz nicht mehr nachträglich durch eine extensivere Auslegung korrigieren;144 zum anderen ist nicht eindeutig, ob bei der Verneinung des Gewährleistungsgehalts eines Freiheitsgrundrechts noch subsidiär auf Art. 2 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden darf.145 Zudem könnte mit der Zugrundelegung eines engen grundrechtlichen Gewährleistungsgehalts unter europarechtlichen Gesichtspunkten ein Sonderweg beschritten werden, da der Schwerpunkt bei der Prüfung der Unionsgrundrechte nicht auf der Bestimmung des Schutzumfangs, sondern auf der Ebene der Rechtfertigung liegt.146 Dies wäre dem Zusammenspiel zwischen nationalem und europäischem Grundrechtsschutz hinderlich.147 Konkret auf das behördliche Informationshandeln im Lebensmittelbereich bezogen bestehen im Übrigen weitere Bedenken. In der Praxis sind nämlich keine Informationen denkbar, die allein die Funktionsfähigkeit des Markts sichern, ohne diesen gleichzeitig zu verzerren. Informationen über ein am Markt erhältliches Lebensmittel sind für den Verbraucher nur dann von Nutzen, wenn sie den Vergleich zu ähnlichen Produkten ermöglichen. So ist etwa der Verbraucherinformation über die tatsächliche Anzahl der in einer Verpackung enthaltenen Brotscheiben zugleich zu entnehmen, dass andere Hersteller vergleichbarer Brotprodukte die in der Verpackung enthaltene Scheibenanzahl deutlicher deklarieren. Auch die Ergebnisse von amtlichen Lebensmittelkontrollen sind für den Verbraucher erst dann von Interesse, wenn ein Restaurant besser oder schlechter als ein anderes Lokal in dem gleichen Stadtteil abschneidet.148 Dabei kommen der Bewertung und Aufmachung einer Information, wie dem abschließenden Fazit „Täuschung“ oder einem weinenden Smiley für ein schlechtes Kontrollergebnis, eine größere Bedeutung als deren inhaltlichen Richtigkeit zu. Überdies erfolgt die behördliche Veröffentlichungspraxis im Lebensmittelbereich ereignisbezogen und ist oft durch die drohende oder bereits erfolgende mediale Berichterstattung animiert,149 sei dies bei konkreten Gefährdungen kurzfristig in Form von Warnungen oder bei Fragen des Verbraucherschutzes langfristig in Form von Informationen auf Onlineportalen. Dabei ist stets zu beachten, dass dem Staat als Informationsgeber eine besondere Autorität zukommt; er tritt am Markt

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Henning, Eigentumsbegriff, S. 232; Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (185 ff.). Henning, Eigentumsbegriff, S. 232. 145 Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (186). Während Hoffman-Riem einen Rückgriff auf Art.  2  Abs.  1  GG ablehnt, wird dieser von Böckenförde bejaht; vgl. Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (214), und Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (188). 146 Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (196 ff.). 147 Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (199). 148 Zu den beiden Beispielen bereits unter B I. 1. d). 149 Haussühl, Produktwarnung, S. 58. 144

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gerade nicht als gleichberechtigter Kommunikationspartner auf.150 Anders als pri­vate Marktteilnehmer übt er keine Freiheitsrechte aus, da er sich nicht auf die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen kann.151 Die wett­bewerbsbezogene restriktive Bestimmung der Schutzrichtung des Art. 12 Abs. 1 GG birgt daher die Gefahr, das Informationshandeln des Staates als ein Korrelat für die am Markt fehlenden Informationen privater Marktbeteiligter zu betrachten, ohne dessen erhebliches Lenkungspotenzial hinreichend zu berücksichtigen.152 Zugleich liegt ihr die Wertung zugrunde, dass der Schaffung staatlicher Markttransparenz ein höherer Stellenwert als den Interessen der betroffenen Unternehmen einzuräumen sei.153 Die Beurteilung, ob verbraucherschützende Erwägungen oder unternehmerische Interessen schutzwürdiger sind, ist jedoch eine Wertungsfrage, die nicht auf der Ebene des Gewährleistungsgehalts zu suchen, sondern vielmehr im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung – bei Bejahung eines Grundrechts­ eingriffs – vorzunehmen ist. Das theoretische Modell, inhaltlich zutreffende marktrelevante Informationen aus dem Gewährleistungsgehalt des Art.  12  Abs.  1  GG auszuklammern, führt damit in der praktischen Anwendung zu Schwierigkeiten.154 Der Ansatz berücksichtigt nicht, dass sich staatliche Veröffentlichungen neben inhaltlich richtigen Informationen, als nachweisbaren Tatsachen, auch aus bewertenden Elementen zu­sammensetzen, die aufgrund der staatlichen Autorität eine Lenkungswirkung auf die Verbraucher beinhalten. Problematisch ist ferner, neben der inhaltlichen Richtigkeit auch die Frage der Sachlichkeit einer staatlichen Information auf der Gewährleistungsebene zu diskutieren. Hierzu müssten Elemente des Eingriffs und der Rechtfertigung herangezogen werden, was jedoch auf eine Vermengung von Schutzbereichs-, Eingriffs- und Rechtfertigungsfragen hinausliefe.155 Dies würde nicht nur die klassische dreigliedrige Grundrechtsprüfung auf den Kopf stellen, sondern könnte gleichzeitig zur Rechtsunsicherheit beitragen. Aber auch wenn dieses Modell in der praktischen Anwendung Defizite aufweist, ist der dahinterstehende Denkansatz, die Steuerungs- und Wirkungsmechanismen des staatlichen Informationshandelns in den Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Bewältigung der Thematik zu stellen, beachtenswert. Dies darf bei all der (berechtigten) Kritik an der Glykol-Entscheidung nicht in Vergessenheit geraten. 150 Haussühl, Produktwarnung, S. 58; Huber, JZ 2003, 290 (292); Porsch, ZLR 2003, 175 (180); Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 112. 151 Porsch, ZLR 2003, 175 (180). 152 So argumentiert das BVerfG in seinem „Glykol“-Beschluss mit der Wertung des § 1 UWG, einer Norm des Privatrechts, die das Verhalten von Mitbewerbern gegenüber Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern regelt; vgl. Huber, JZ 2003, 290 (292); Köhler, in: Köhler /  Bornkamm, UWG, § 1 Rn. 52. 153 Vgl. Koch, Grundrechtsschutz, S. 249. 154 So auch Henning, Eigentumsbegriff, S. 216; Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (192); ebenfalls in diese Richtung Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 32 f. 155 Henning, Eigentumsbegriff, S. 214; Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (190, 192).

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

Klammert man die dogmatischen Schwachpunkte der Entscheidung aus, ist dahinter ein innovatives Konzept für den Umgang mit dem behördlichen Informationshandeln zu erkennen, das sich in seiner Abwendung von der herkömmlich starren Verfassungsdogmatik hin zu einer Fokussierung auf die Steuerungswirkung von Recht und dessen (gesellschaftlicher) Wirkungsweise öffnet. Das BVerfG hat in seinem Glykol-Beschluss unter maßgeblicher Prägung Hoffmann-Riems damit keine „Sonderdogmatik“ für staatliches Informationshandeln geschaffen, sondern sich eines neuen wirkungsbezogenen – wenn aufgrund der Ergebnisorientierung und der Aufweichung der bestehenden Verfassungsstrukturen auch disputablen – Ansatzes bedient. Für das verfassungsrechtliche Fundament dieser Arbeit und damit für die Beurteilung behördlicher Informationstätigkeit im Lebensmittelbereich ist im Ergebnis daher von einem weiten Schutzbereichsverständnis des Art. 12 Abs. 1 GG auszugehen, dem auch inhaltlich zutreffende und sachliche Informationen unterfallen. Die Bedeutung staatlicher Informationen für die Funktionsfähigkeit des Markts sowie deren inhaltliche Richtigkeit und Sachlichkeit sind damit nicht zur Schutzbereichsbestimmung heranzuziehen, sondern auf Eingriffs- bzw. Rechtfertigungsebene zu berücksichtigen. In diese Richtung ließe sich im Übrigen auch der „Glykol“Beschluss des BVerfG interpretieren: Die Listenveröffentlichung der glykolhaltigen Weine berührt zwar den „Gewährleistungsbereich“ von Art. 12 Abs. 1 GG, stellt jedoch, eingebettet in die Wettbewerbsordnung, keine Beeinträchtigung des Schutzbereichs, mithin keinen Eingriff, dar.156 b) Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG Die Eröffnung des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit wird für die Informationstätigkeit des Staates zumeist verneint, da Art. 14 Abs. 1 GG nur Rechtspositionen erfasst, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht aber zukünftige Umsatz-, Erwerbs- und Gewinnchancen sowie Verdienstmöglichkeiten und -aussichten.157 Während die Erwerbstätigkeit dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG unterfällt, schützt Art. 14 Abs. 1 GG das Erworbene, d. h., den vorhandenen Bestand des Eigentums.158 Führt man sich die heutigen Formen des staatlichen Informationshandelns vor Augen, insbesondere die dauerhafte Abrufbarkeit von auf Onlineportalen veröffentlichen Verbraucherinformationen, bedürfen jedoch der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs sowie die privaten Vermögensrechte in Form der rechtmäßig eingetragenen Marke einer eingehenden Be 156

Fehling / Monsees, ZJS 2015, 613 (616); Huber, JZ 2003, 290 (293); Murswiek, NVwZ 2003, 1 (3). 157 BVerfGE 105, 252 (277); Di Fabio, JZ 1993, 689 (693); Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 1006. 158 BVerfGE 105, 252 (278); Lerche, in: FS  R.  Schmidt, S.  377 (379); Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 1006.

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trachtung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Art. 14 Abs. 1 GG um ein normgeprägtes Grundrecht handelt. Dem Gesetzgeber kommt insofern der Auftrag zu, den konkreten Inhalt des Eigentums (einfach-)gesetzlich auszugestalten.159 aa) Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs Der BGH,160 das BVerwG161 sowie der überwiegende Teil  des Schrifttums162 bejahen den grundrechtlichen Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbe­ betriebs. Dieser umfasst die Sach- und Rechtsgesamtheit eines wirtschaftlichen Unternehmens, wobei das Unternehmen als Ganzes im Mittelpunkt steht, mithin die organisatorische Zusammenfassung dessen, was sich bei einem potenziellen Verkauf niederschlägt.163 Der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs bezieht sich insoweit nicht auf ein einzelnes Grundstück, Gebäude oder Markenrecht, sondern auf das „aufgebaute Unternehmen“, also auf vorhandene Werte, die auf einer Organisation sachlicher, persönlicher und sonstiger Mittel beruhen,164 zu denen etwa der Kundenstamm und die Geschäftsbeziehungen gehören, die miterworben und veräußert werden.165 Das BVerfG hingegen hat bisher offengelassen, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt;166 es betrachtet diesen als eine rein tatsächliche, nicht aber rechtliche Zusammenfassung der zum Vermögen eines Unternehmens gehörenden Sachen und Rechte, die entweder jeweils einzeln verfassungsrechtlich geschützt sind oder bloße Gewinnchancen darstellen.167 159

Depenheuer, in: Merten / Papier, Hdb GR V, § 111 Rn. 44. BGHZ 23, 157 (161 ff.); 92, 34 (37). Vgl. zur historischen Entwicklung und zur Reichweite des Schutzes aus zivilrechtlicher Sicht Wilkat, Bewertungsportale, S. 60 ff. 161 BVerwGE 62, 224 (226). 162 Ausführlich Abbé, Verbraucherschutz, S. 92 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG I, Art. 14 Rn. 132; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 211 (215); T. Engel, Informationstätigkeit, S. 94; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, Art. 14 Rn. 16; Leisner, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VIII, § 191 Rn. 199; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, § 113, S. 2191; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 35; Vogelgesang, Informationelle Selbstbestimmung, S. 108; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 49; wohl auch Zott, Informationen, S. 147. Hingegen den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ablehnend Berkemann, in: Umbach / Clemens, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 146; Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 201 ff.; Haussühl, Produktwarnung, S. 66; Henning, Eigentumsbegriff, S. 498 f.; Wieland, in: Dreier Art. 14 Rn. 63. 163 Depenheuer, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 14 Rn. 132; Di Fabio, JZ 1993, 689 (693); Leisner, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VIII, § 191 Rn. 200. 164 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 100. 165 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 94; Leisner, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VIII, § 191 Rn. 200. 166 BVerfGE 66, 116 (145); 68, 193 (222 f.); 84, 212 (232); 96, 375 (397). 167 BVerfGE, 51, 193 (221 f.); 105, 252 (278); BVerfG, NJW 2005, 589 (590); Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rn. 61. 160

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Diese Auffassung entspricht allerdings nicht der ökonomischen Realität. Ein Unternehmen hat in seiner Gesamtheit mit all seinen auch ideellen Bestandteilen – wie dem „Ruf“ einer Marke, der Organisationsstruktur bei Produktion und Marketing sowie den Kunden- und Geschäftsbeziehungen – einen deutlich höheren Wert als die isolierte Betrachtung der einzelnen Unternehmensgegenstände.168 Ein Geschäftsbetrieb beruht auf einer unternehmerischen Leistung, nämlich der vom Inhaber geschaffenen Organisation persönlicher und sachlicher Mittel.169 Die hierauf aufbauenden Gewinnerwartungen sind durch Aufträge und Mandate bereits gefestigt, weshalb die organisatorische Zusammenfassung des Betriebs keine bloße Gewinnchance, sondern vielmehr etwas „Erworbenes“ darstellt.170 Entscheidend ist, dass der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb sämtliche Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs aufweist. Der Gewerbebetrieb ist (jedenfalls einfach-)rechtlich in § 823 Abs. 1 BGB171 anerkannt, seinem Inhaber gesetzlich zugeordnet und zugleich Ausdruck der eigenen Leistung des Inhabers, der die Verfügungsmacht über das gesamte Unternehmen innehat.172 Für die Schutzbereichsbestimmung ist nicht entscheidend, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als solcher dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt oder ob auf die jeweiligen einzelnen Elemente abgestellt wird. Der Unterschied zeigt sich jedoch auf der Schrankenebene, da einem Eingriff in ein einzelnes Betriebsmittel weniger bis gar keine Schranken-Schranken als einem Eingriff in das Unternehmen als solches begegnen dürften.173 Um den Eigentumsschutz Privater umfassend zu gewährleisten, ist daher der Schutz am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu bejahen. Für die Bewertung des staatlichen Informationshandelns im Lebensmittelbereich schließt sich daran die Frage an, ob auch der Ruf eines Unternehmens diesem Schutz nach Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt (sog. „good will“174). Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass staatliche über das Internet dauerhaft abrufbare Informationen, etwa in Bezug auf ein bestimmtes Lebens-

168 Becker, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art.  14 Rn.  81; Depenheuer, in: v.  Mangoldt /  Klein / Starck, GG I, Art.  14 Rn.  132; Di Fabio, JZ 1993, 689 (693); Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (215); Honegg, Verbraucherinformation, S. 72; Leisner, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsRVIII, § 191 Rn. 200; Lerche, Verfassung, S. 74; Ossenbühl, ZHR 155 (1991), 329 (347). 169 Badura, in: FS  Juristische Gesellschaft zu Berlin, S.  1 (14). Zu den konstituierenden Merkmalen des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein /  Starck, GG I, Art. 14 Rn. 132. 170 Badura, in: FS Juristische Gesellschaft zu Berlin, S. 1 (12); Depenheuer, in: v. Mangoldt /  Klein / Starck, GG I, Art. 14 Rn. 132; Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StaatsR VIII, § 191 Rn. 200; a. A. Haussühl, Produktwarnung, S. 66; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rn. 62 f. 171 Bürgerliches Gesetzbuch i. d. F. v. 02.01.2002, zuletzt geändert durch Art. 6 FinanzaufsichtsrechtergänzungsG v. 06.06.2017 (BGBl. I S. 1495). 172 Becker, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art.  14 Rn.  83; Depenheuer, in: v.  Mangoldt /  Klein / Starck, GG I, Art.  14 Rn.  132; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (215); Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, § 113, S. 2191. 173 Leisner, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VIII, § 191 Rn. 203. 174 Leisner, GewArch 2014, 57 (61).

II. Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte

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mittel oder einen Betrieb, das über Jahre aufgebaute Image eines Unternehmens nachhaltig beschädigen, wenn nicht gar zerstören können. Kennzeichnend für das Lebensmittelsegment ist eine Vielzahl von miteinander konkurrierenden Produkten, die alltäglich konsumiert werden. Die Kaufentscheidung der Verbraucher erfolgt dabei spontan und intuitiv, wobei neben der eigenen geschmacklichen Präferenz das Ansehen des jeweiligen Unternehmens und das Image des Produktsortiments entscheidend sind.175 Für ein positives Image veranschlagen Unternehmen jährlich Millionensummen, wie sich anhand des Rankings der Werbeausgaben in Deutschland aufzeigen lässt. So steht etwa der Süßwarenhersteller Ferrero mit 393,86 Millionen Euro für den Zeitraum von Januar bis November 2016 auf Platz zwei der Werbungtreibenden in Deutschland.176 Ferner befinden sich im weltweiten Ranking der wertvollsten Marken des Jahrs 2016 auf den vorderen Plätzen solche, die im Lebensmittelsegment genutzt werden, etwa Coca Cola (Platz 3, Markenwert 73,1 Milliarden US-Dollar) und McDonald’s (Platz 12, 39,38 Milliarden US-Dollar).177 Der Ruf bzw. das Image eines Unternehmens ist damit als einzelne Sache oder Recht zwar nicht fassbar, macht aber als ideeller Wert einen entscheidenden Bestandteil des ganzen Betriebs aus, der sich bei einem Verkauf auswirkt.178 Die Ansicht des BVerfG, dass es sich bei dem Ruf des Unternehmens um eine situative Einschätzung der Marktbeteiligten und damit allein um Chancen und günstige Gelegenheiten handele, die nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt seien,179 wird daher der heutigen Wirtschaftsrealität nicht mehr gerecht. Der Ruf eines Unternehmens, der sich sowohl aus dem Image der Produktgruppen als auch aus dem Renommee des Unternehmens selbst zusammensetzt, ist ein über Jahre hinweg kontinuierlich aufgebauter Wert, für den aufwändige Marketingstrategien und erhebliche Werbeaufwendungen nötig sind. Aus diesen Gründen ist der Ruf des Unternehmens nicht ein bloßer Kommunikationsprozess zwischen den Marktteilnehmern;180 er unterfällt als Resultat der Leistungen des Unternehmers vielmehr dem Schutz des ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetriebs und damit Art. 14 Abs. 1 GG.181 175

T. Engel, Informationstätigkeit, S. 98. Nielsen, Ranking der Top-10-Werbungtreibenden in Deutschland von Januar bis Novem­ ber 2016, Statista 2017, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167001/umfrage/werbe treibende-mit-den-hoechsten-ausgaben-fuer-werbung/ [Stand: 25.06.2017]. 177 Interbrand, Ranking der weltweit wertvollsten Marken nach Markenwert im Jahr 2016, Statista 2017, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/164637/umfrage/wertvollste-markenweltweit-2010/ [Stand: 25.06.2017]. 178 Di Fabio, JZ 1993, 689 (693). 179 BVerfGE 105, 252 (278). 180 In diese Richtung aber Philipp, Verbraucherinformation, S. 181. 181 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 103; Di Fabio, JZ 1993, 689 (693); Leisner, in: Isensee /  Kirchhof, Hdb StaatsR  VIII, § 191 Rn.  200; ders., GewArch 2014, 57 (62); Honegg, Verbraucherinformation, S. 72; Ossenbühl, ZHR 155 (1991), 329 (347); a. A. Becker, in: Stern /  Becker, Grundrechte, Art. 14 Rn. 86; Philipp, Verbraucherinformation, S. 131, 181; auf Art. 12 Abs. 1 GG abstellend Abbé, Verbraucherschutz, S. 81; Haussühl, Produktwarnung, S. 66; Wil 176

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

Der Schutzbereich des Grundrechts dürfte bei Warnungen und Verbraucherinformationen im Lebensmittelbereich indes nur in Ausnahmefällen berührt sein. Diese führen nämlich grundsätzlich nicht dazu, dass das Unternehmen in seiner Gesamtheit gefährdet bzw. dass der Imageverlust derart hoch ist, dass der Betrieb als solcher bedroht ist.182 Die drohende Beeinträchtigung des Unternehmens in seiner Substanz ist jedoch Voraussetzung für die Schutzbereichseröffnung des Art.  14  Abs.  1  GG, weil gerade der Betrieb als Sach- und Rechtsgesamtheit in seinem konkreten Bestand geschützt ist.183 bb) Schutz der rechtmäßig eingetragenen Marke Von der Eigentumsgarantie sind auch die Immaterialgüterrechte erfasst, zu denen unter anderem die rechtmäßig eingetragene Marke zählt.184 Inhalt und Schranken des Rechts an der Marke werden durch die einfachgesetzlichen Bestimmungen des Markengesetzes185 konkretisiert.186 Gegen die unberechtigte Nutzung der Marke durch Dritte stehen dem Markeninhaber Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach § 14 Abs. 2 i. V. m. Abs. 5 und Abs. 6 MarkenG zu. Die rechtmäßig eingetragene Marke begründet damit ein subjektives Recht, das dem Markeninhaber eine absolute gegenüber jedermann wirkende Rechtsposition verleiht.187 Die Ausschlussfunktion der Marke stellt ein selbstständiges Vermögensrecht dar.188 Im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 GG ist folglich zwischen dem Ruf des Unternehmens als Bestandteil des Schutzes des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs einerseits und der markenrechtlichen Ausschlussfunktion als Vermögensrecht des Markeninhabers andererseits zu differenzieren. Vor diesem Hintergrund ist zu hinterfragen, ob sich mit etwaigen Markenrechten der durch das behördliche Informa-

kat, Bewertungsportale, S. 68; so wohl auch, Zott, Informationen, S. 136; den Unternehmensruf bzw. den „good will“ sowohl von Art. 12 Abs. 1 GG als auch von Art. 14 Abs. 1 GG erfasst sehend Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 33 f., 36. 182 So bereits R. Schmidt, Informationshandeln, S. 35 ff., S. 108. 183 BGHZ 111, 349 (356); R. Schmidt, Informationshandeln, S. 38. Vgl. zur Notwendigkeit der schutzbereichsbezogenen Eingriffsbestimmung § 4 II. 4. e). 184 BVerfGE 51, 193 (217 f.); Becker, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art. 14 Rn. 93; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 199. 185 Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) v. 25.10.1994, zuletzt geändert durch Art.  15 Gesetz zur Umsetzung der BerufsanerkennungsRL und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe v. 12.05.2017 (BGBl. I S. 1121). 186 BVerfG, NJW 2005, 589 (590); BGH, GRUR 2009, 678 (681); Ingerl / Rohnke, MarkenG, § 14 Rn. 1, 10. 187 BVerfGE 51, 193 (217); Henning, Eigentumsbegriff, S. 544; Ingerl / Rohnke, MarkenG, § 14 Rn. 7; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 199; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rn. 72. 188 BVerfGE 51, 193 (217); Henning, Eigentumsbegriff, S. 544; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 199.

II. Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte

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tionshandeln betroffenen Unternehmen auch eine verfassungsrechtlich geschützte Position begründen lässt. Die Publikation von Lebensmittelinformationen kann unter Nennung des konkreten Produkts erfolgen, das unter Umständen markenrechtlichen Schutz genießt. So ist im bereits angesprochenen Praxisbeispiel auf dem Internetportal „Lebensmittelklarheit“ die Bezeichnung „Leicht & Cross“ für das genannte und abgebildete Knäckebrot als deutsche Wort-Bildmarke189 für die Griesson de Beukelaer GmbH & Co. KG geschützt.190 Die Veröffentlichung auf einem (staatlich finanzierten) Verbraucherportal stellt indes keine Benutzung der Marke im „geschäftlichen Verkehr“ im Sinne von § 14 Abs. 2 MarkenG dar. Zwar beeinflussen Warnungen und Verbraucherinformationen die geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher; sie stehen indes nicht im objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder dem Bezug von Waren und Dienstleistungen, sondern dienen allein (verbraucher-)politischen Zielen.191 Die von der Eigentumsfreiheit geschützte Ausschlussfunktion des Inhabers einer eingetragenen Marke ist damit bei behördlichen (oder staatlich finanzierten) produktbezogenen Verbraucherinformationen grundsätzlich nicht berührt. cc) Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG Mit der Erkenntnis, dass staatliche Informationen sowohl dem Schutzbereich der Berufsausübungs- als auch der Eigentumsfreiheit in Gestalt des Schutzes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unterfallen können, geht die Frage einher, in welchem Verhältnis die beiden Grundrechte zueinander stehen.192 Die „Faustformel“ des BVerfG, dass Art. 12 Abs. 1 GG die Erwerbstätigkeit und Art. 14 Abs. 1 GG das Erworbene schütze,193 hilft hierbei nicht weiter. Ohne den funktionalen Zusammenhang zwischen Eigentums- und Berufsfreiheit zu berücksichtigen, suggeriert diese Formel eine trennscharfe Abgrenzung der beiden Grundrechte zueinander.194 Tatsächlich weisen der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs und die Berufsfreiheit aber inhaltliche Überschneidungen auf.195 Ins 189

Vgl. Wort-Bildmarke DE 30063148 (auffindbar über das Markenregister des DPMA). Zu diesem Beispiel bereits unter B I. 1. d). 191 Vgl. zur „geschäftlichen Handlung“ OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2010, 47 (48); Köhler, in: Köhler / Bornkamm, UWG, § 2 Rn. 51; Hacker, in: Ströbele / Hacker, MarkenG, § 14 Rn. 46, 63 f. 192 Allgemein zur Grundrechtskonkurrenz Heß, Grundrechtskonkurrenzen, S. 133 ff.; Hufen, Grundrechte, § 6 Rn. 45 f.; v. Münch, in: v. Münch / Kunig, GG I, Vorb. Art. 1–19 Rn. 47. 193 BVerfGE 31, 8 (32); 65, 237 (248); 77, 84 (117); 81, 70 (96); 82, 209 (234); 84, 133 (157); 85, 360 (383); 88, 366 (377). 194 Lerche, in: FS  R.  Schmidt, S.  377 (379, 381); Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  12 Rn. 149. 195 Abbé, Verbraucherschutz, S. 108; Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 154; Becker, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art. 14 Rn. 302. 190

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

besondere dann, wenn Beschränkungen der wirtschaftlichen Betätigung sowohl die berufliche Tätigkeit als auch objektsbezogen die Nutzung des Eigentumsrechts berühren, ist von einem Nebeneinander beider Grundrechte auszugehen, also von Idealkonkurrenz.196 Diese Konstellation liegt dem behördlichen Informationshandeln im Lebensmittelbereich zu Grunde, denn die durch das Verhalten der Verbraucher bedingten mittelbaren Auswirkungen der Publikationen können nicht nur die unternehmerische Tätigkeit, sondern in Extremfällen auch das Unternehmen als solches betreffen. Die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und der Schutz am eingerichteten und ausgerichteten Gewerbebetrieb aus Art. 14 Abs. 1 GG finden daher nebeneinander Anwendung.197 c) Informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Das aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art.  2  Abs.  1  i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG entwickelte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung198 schützt die Befugnis des Einzelnen, selbst über die Veröffentlichung und die Verwendung seiner personenbezogenen199 Daten zu entscheiden.200 Dieser grundrechtliche Schutz ist im Hinblick auf die Nutzung moderner Informationstechnologien notwendig, da die jederzeitige Verfügbarkeit, beliebige Übertragbarkeit und un­ begrenzte Vernetzung von Daten eine erhebliche Beeinträchtigung der individuellen Selbstbestimmung zur Folge haben können,201 die sich in einer befangenen Kommunikation, in einer Verhaltensänderung oder in dem vollständigen Verzicht der Grundrechtsausübung zeigen.202 Der Einzelne muss daher selbst bestimmen können, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbaren möchte.203

196 Vgl. BVerfGE 21, 150 (154 ff.); 115, 205 (248); Becker, in: Stern / Becker, Grundrechte, Art.  14 Rn.  302; Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 154; Depenheuer, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 14 Rn. 99; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, § 113, S. 2332; Lerche, in: FS R. Schmidt, S. 377 (382); Nicolin, Berufsfreiheit, S. 55; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 222; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 146; Wendt, in: Sachs GG, Art. 14 Rn. 186. 197 Abbé, Verbraucherschutz, S. 110; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 39. 198 Zur Kritik am Ausdruck „informationelle Selbstbestimmung“ Starck, in: v. Mangoldt /  Klein / Starck, GG I, Art. 2 Abs. 1 Rn. 114. 199 Einfachrechtlich sind personenbezogene Daten definiert als Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person; vgl. § 3 Abs. 1 BDSG. § 3 Abs. 1 BDSG geht auf die gleichlautende – aber noch ausführlichere – Definition des Art. 2 lit. a) RL 95/94/EG (DatenschutzRL) zurück. 200 BVerfGE 65, 1 (41 f.); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 175; Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 2 I Rn. 79; Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 73. 201 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 2 I Rn. 79. 202 Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 73. 203 BVerfGE 65, 1 (41 f.).

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aa) Differenzierung zwischen natürlichen und juristischen Personen Für die Reichweite des grundrechtlichen Schutzes ist entscheidend, ob eine natürliche oder eine juristische Person durch die Informationstätigkeit betroffen ist. Bei Verbraucherinformationen über die amtlichen Kontrollergebnisse eines Lebensmittelbetriebs können Angaben über die persönlichen Verhältnisse einer bestimmbaren natürlichen Person vorliegen, auch wenn die Veröffentlichung allein den Gaststättenbetrieb und nicht den -betreiber nennt. Der Betreiber lässt sich nämlich aufgrund der Nennung des Betriebs leicht mit Hilfe des Handelsregisters bestimmen,204 da die Firma eines Kaufmanns eine eintragungspflichtige Tatsache gemäß § 29 HGB205 darstellt. Die Informationen über die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung eines bestimmten Betriebs, ob positiv oder negativ, geben nicht nur Auskunft über die berufliche Tätigkeit des Einzelunternehmers, sondern auch über dessen Zuverlässigkeit im Umgang mit Lebensmitteln und stellen folglich personenbezogene Daten dar.206 Im Regelfall betreffen die staatlichen lebensmittelbezogenen Informationen allerdings juristische Personen des Privatrechts, sodass sich die Frage nach der Anwendbarkeit im Hinblick auf Art. 19 Abs. 3 GG stellt. Problematisch ist hierbei, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet ist und damit eine besondere Nähe zu dem Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG aufweist.207 Das BVerfG bejaht indes auch für juristische Personen das Bestehen eines Schutzbedürfnisses, das dem natürlicher Personen im Ansatz entspreche.208 Dieses Schutzbedürfnis sei im Vergleich zu dem der betroffenen natürlichen Personen allerdings abgesenkt, da der Tätigkeitskreis juristischer Personen durch eine bestimmte Zwecksetzung begrenzt werde.209 Maßgeblich seien die Bedeutung der staatlichen Informationen für die Tätigkeit der juristischen Person sowie der Zweck und die möglichen Folgen der Maßnahme.210 Es bedarf nach dem BVerfG einer Einzelfallbetrachtung, ob die

204 Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (45); für die einfache Auffindbarkeit des Betreibernamens allein auf die Möglichkeit der Internetrecherche abstellend Grube / Immel /  Rochus, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 41; Zott, Informationen, S. 132. 205 Handelsgesetzbuch i. d. F. v. 10.05.1897, zuletzt geändert durch Art. 17a, 24 Abs. 6 Zweites FinanzmarktnovellierungsG v. 23.06.2017 (BGBl. I S. 1693). 206 Kügel / Plaßmann, LMuR 2012, 1 (6); Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (45); Abbé sieht hingegen unternehmensbezogene Daten von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 12 GG geschützt und bejaht den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG allein für personenbezogene Daten; vgl. dies., Verbraucherschutz, S. 114, 116. 207 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 224; Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 19 III Rn.  38; Möstl, in: Leible, Verbraucherschutz, S.  149 (153 ff.); Wilms / Roth, JuS 2004, 577 (578). 208 BVerfGE 118, 168 (203 f.). 209 BVerfGE 118, 168 (204); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 224. 210 BVerfGE 118, 168 (204).

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

staatliche Informationsmaßnahme eine Gefährdung der grundrechtlich geschützten Freiheit juristischer Personen herbeiführt und einschüchternd auf die Ausübung von Grundrechten wirkt.211 Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen die Anwendbarkeit auf juristische Unternehmen bejaht.212 Dies überzeugt, da die staatlichen Veröffentlichungen erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit der kontrollierten Betriebe haben können.213 Dabei geht der durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vermittelte Schutz des Unternehmens jedoch nicht über denjenigen der Berufsfreiheit hinaus.214 bb) Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG Das Verhältnis des auf juristische Personen angewandten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu der Berufsfreiheit einerseits und dem Eigentumsschutz in Form des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb andererseits ist bisher in der Literatur nur vereinzelt untersucht worden.215 Die Schutzbereiche der Grundrechte überschneiden sich, wenn die Preisgabe, Verwendung oder Weitergabe von Daten negative Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit bzw. den Bestand des Unternehmens haben.216 Die Rechtsprechung geht in den Fällen des staatlichen Informationshandelns – ohne nähere Begründung – von einer parallelen Anwendbarkeit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und der Berufsfreiheit aus.217 Demgegenüber sprechen sich Teile des Schrifttums bei gewerbetreibenden juristischen Personen für einen Vorrang der Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 (i. V. m. Art. 19 Abs. 3) GG vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus; juristische Personen besäßen als Zweckgebilde eine funktionelle Ausrichtung, die regelmäßig über die speziellen Grundrechtsgewährleistungen geschützt werde.218 Diese Auffassung überzeugt indes nicht, da sich sowohl die Eingriffsschwelle als auch die Rechtfertigungsvoraussetzungen der drei Grundrechte unterscheiden

211

BVerfGE 118, 168 (203); Becker, ZLR 2011, 391 (407). OVG NRW, ZLR 2013, 483 (485); OVG NRW, Urt.  v.  12.12.2016, 13  A  941/15, juris Rn. 37; VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (215). 213 Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (46). 214 OVG NRW, ZLR 2013, 483 (485); Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (46). 215 Diese Frage ausdrücklich offenlassend Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (46). 216 Wilms / Roth, JuS 2004, 577 (579). 217 BVerfGE 118, 168 (205); BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 62; OVG NRW, ZLR 2013, 483 (485); VGH Baden-Württemberg, NVwZ 2013, 1022 (1023). 218 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  2 Rn.  225; Honegg, Verbraucherinformation, S. 78; Scholz / Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung, S. 98; Art. 12 Abs. 1 GG als vorrangig betrachtend, wenn die Reputation des Unternehmens betroffen ist, Reimer, JÖR 58 (2010), 275 (294). 212

II. Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte

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(sog. Schrankendivergenz).219 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt vor jeder Form der Erhebung, Speicherung oder Weitergabe persönlicher Daten und zwar unabhängig von deren qualitativem Aussagegehalt; der Schutz setzt insoweit im Vorfeld der Gefährdung an und geht über das maßgeblich durch das Finalitätskriterium geprägte klassische Eingriffsverständnis hinaus.220 Daneben bleiben die Rechtmäßigkeitsanforderungen an Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit und in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 GG hinter derjenigen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zurück.221 Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn er im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit geschieht.222 Würde man für juristische Personen bereits auf der Schutzbereichsebene Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG als spezieller betrachten, drohte die Gefahr einer Verkürzung des Grundrechtsschutzes.223 Im Ergebnis ist daher auch in diesem Fall von einer parallelen Anwendbarkeit der Grundrechte auszugehen.224 d) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG Art. 2 Abs. 1 GG steht als Auffanggrundrecht nicht in Idealkonkurrenz zu den speziellen Freiheitsgrundrechten, sondern tritt hinter diese zurück.225 Wenn der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG oder von Art. 14 Abs. 1 GG berührt ist,226 besteht für die allgemeine Handlungsfreiheit damit grundsätzlich kein Anwendungsbereich mehr. Dies gilt speziell für die in dieser Arbeit vertretene Auffassung, dass wirtschaftliche Sachverhalte den jeweiligen speziellen Freiheitsgrundrechten zuzuordnen und nicht allgemein unter den Begriff der „Wettbewerbsfreiheit“ zu fassen sind.227

219

Wilms / Roth, JuS 2004, 577 (580). Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 174, 176. S. zur Eingriffsbestimmung ausführlich unter D. II. 4. 221 So kann der Gesetzgeber Art.  14  GG beispielsweise durch Inhalts- und Schranken­ bestimmungen aufgrund seiner relativ weiten Gestaltungsfreiheit einfacher einschränken; vgl. BVerfGE 42, 263 (294); Wilms / Roth, JuS 2004, 577 (580). 222 BVerfGE 65, 1 (44); 67, 100 (143); 103, 21 (33). 223 Wilms / Roth, JuS 2004, 577 (580). 224 So im Ergebnis auch Beyerbach, Unternehmensinformation, S. 173, der darauf abstellt, dass nicht jedes unternehmensbezogene Datum unmittelbar Bezug zu einer gewerblichen Tätigkeit aufweise bzw. dem Unternehmen ausschließlich zugeordnet sei; a. A.  Abbé, die der Berufsfreiheit den Vorrang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung einräumt; vgl. dies., Verbraucherschutz, S. 117. 225 Cornils, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VII, § 168 Rn. 60. 226 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 21. Nach a. A. ist hierfür ein Eingriff in den Schutzbereich eines besonderen Freiheitsgrundrechts nötig; vgl. Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 137. 227 Hierzu bereits unter D II. 3. a) aa). 220

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

Als Ausländergrundrecht228 der Berufsfreiheit ist Art. 2 Abs. 1 GG allerdings nicht subsidiär; in diesem Fall tritt das Grundrecht mit den anderen Freiheitsgrundrechten in Idealkonkurrenz.229 Für die verfassungsrechtliche Einordnung des behördlichen Informationshandelns im Lebensmittelbereich ist die allgemeine Handlungsfreiheit mithin nur dann von Relevanz, wenn sich die Veröffentlichungen auf juristische Personen beziehen, deren tatsächlicher Schwerpunkt nicht in Deutschland liegt.230 e) Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG Neben den Freiheitsgrundrechten kann bei den staatlichen Veröffentlichungen auch der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG zum Tragen kommen,231 der die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem und die Gleich­ behandlung von wesentlich Ungleichem verbietet.232 Während das BVerfG früher eine Verletzung des Gleichheitssatzes verneinte, wenn ein sachlicher Grund für die gesetzliche Ungleichbehandlung oder Gleichbehandlung vorlag (und damit keine Willkür bestand, sog. „Willkürformel“),233 stellt es mittlerweile auf das Bestehen eines sachlichen Grunds ab, der das staatliche Vorgehen auch seinem Ausmaß nach rechtfertigt (sog. „Neue Formel“).234 Insofern hat das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch in die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 3 Abs. 1 GG Eingang gefunden.235 Der allgemeine Gleichheitssatz kann vor allem für online veröffentlichte Verbraucherinformationen relevant werden, die bei mehreren vergleichbaren Produkten oder Lebensmittelbetrieben nur ein bestimmtes Produkt respektive einen einzigen Betrieb nennen und die anderen nicht berücksichtigen.236 In Ansehung des 228

Zur (umstrittenen) Frage, ob sich EU-Ausländer auf Deutschenrechte (wie Art. 12 Abs. 1 GG) berufen können oder ein gleichwertiger Grundrechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleiten ist, Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 35; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 105. 229 Cornils, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR VII, § 168 Rn. 62. 230 Vgl. zur Inlandsqualität juristischer Personen Manssen, in: v.  Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 12 Abs. 1 Rn. 272; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 107. 231 R. Schmidt, Informationshandeln, S. 59 ff. 232 BVerfGE 1, 14 (52); 13, 46 (53); 18, 38 (46); 98, 365 (385). 233 BVerfGE 1, 14 (52); P. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 265. 234 Nach der sog. „Neue(n) Formel“ des BVerfG ist Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“; BVerfGE 55, 72 (88); 65, 104 (112 f.); 70, 230 (239 f.); 126, 29 (47); 129, 49 (68 f.); P.  Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 296. 235 In diese Richtung Osterloh / Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 16 ff.; so ebenfalls noch (in früheren Auflagen) Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  3 Anhang Rn.  6; a. A. derweil P. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 296. 236 Honegg, Verbraucherinformation, S. 80; Philipp, Verbraucherinformation, S. 186; Zott, Informationen, S. 138.

II. Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte

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Gleichheitssatzes gilt für amtliche Lebensmittelkontrollen und die spätere Veröffentlichung von deren Ergebnissen, dass die einbezogenen Betriebe flächendeckend, kontinuierlich und in zeitlich enger Abfolge kontrolliert werden müssen, um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten.237 Probleme sind hier in Bezug auf den Gleichheitssatz denkbar, wenn die Veröffentlichungsdauer nicht geregelt ist und die Behörde die Ergebnisse von Nachkontrollen und damit die mögliche Beseitigung eines Verstoßes nicht mit aufnimmt.238 Die negative Verbraucherreaktion trifft dann nämlich Betriebe, welche die beanstandeten Mängel beseitigt haben, in gleicher Weise wie solche, die keine Mängelbeseitigung vornehmen. Für die Veröffentlichung von Verbraucherinformationen über bestimmte Lebensmittel gilt, dass diese gleichmäßig ausgewählt und nach denselben Maßstäben bewertet werden müssen.239 f) Zwischenergebnis Das staatliche Informationshandeln in Form von Warnungen und Verbraucherinformationen im Lebensmittelbereich weist für die durch die Veröffentlichung mittelbar betroffenen Unternehmen eine erhebliche Grundrechtsrelevanz auf. – Sowohl die Berufsausübungsfreiheit als auch die Eigentumsfreiheit können durch Veröffentlichungen des Staates berührt sein. Dabei ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG weit auszulegen, sodass auch ein Schutz vor inhaltlich zutreffenden und sachlichen Informationen besteht. Wenn staatliche Lebensmittelveröffentlichungen in erheblicher Weise der Ruf eines Unternehmens beeinträchtigen und dieses dadurch in seinem konkreten Bestand gefährden, kann zudem der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG in Form des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eröffnet sein. Die beiden Grundrechte stehen in funktionalem Zusammenhang und sind nebeneinander anwendbar. – Bei der Prüfung der durch das staatliche Informationshandeln berührten Grundrechte ist die Bezeichnung „Wettbewerbsfreiheit“ abzulehnen, da diese einen tatsächlich nicht bestehenden separaten grundrechtlichen Schutz suggeriert und dazu verleitet, die Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG nicht einzeln zu betrachten, sondern sie  – grundrechtsdogmatisch nicht überzeugend  – zu einem einheitlichen wettbewerbsbezogenen Grundrecht zu verschmelzen. – Da Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG im Verhältnis zu der allgemeinen Handlungsfreiheit spezieller sind, ist Art. 2 Abs. 1 GG nur dann berührt, wenn 237 Kügel / Plaßmann, LMuR 2012, 1 (5); Grube / Immel / Rochus, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 38 f.; Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (466 f.); Abbé, Verbraucherschutz, S. 138 ff. 238 Grube / Immel / Rochus, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 38 f. 239 Philipp, Verbraucherinformation, S. 187.

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

sich die staatlichen Veröffentlichungen auf Unternehmen beziehen, die ihren Schwerpunkt außerhalb Deutschlands haben. – Die in der Verwaltungspraxis entstandenen Verbraucherinformationen auf Internetportalen bedürfen einer genauen grundrechtlichen Betrachtung. Diese weisen ein neues Gefährdungspotenzial im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auf, das speziell bei der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen auch auf juristische Personen Anwendung findet. Das Grundrecht ist neben Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG anwendbar, um der besonderen Gefährdungslage durch staatliche Datenveröffentlichung Rechnung zu tragen. Zusätzlich kann Art.  3 Abs. 1 GG beispielsweise dann relevant werden, wenn sich die Informationen nur auf ein bestimmtes Produkt bzw. einen Betrieb beziehen und andere ähnliche Produkte und Betriebe außer Betracht lassen. 4. Grundrechtseingriff durch behördliches Informationshandeln Die Festlegung von Eingriffsvoraussetzungen ist das zentrale Problem bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Informationsmaßnahmen des Staates.240 Da behördliche Informationen keine imperativen Verhaltensgebote statuieren und sich allein über die Kaufentscheidungen der Verbraucher auf die unternehmerische Betätigung auswirken, handelt es sich um mittelbar-faktische Beeinträchtigungen, bei denen die Bejahung eines Grundrechtseingriffs241 einer besonderen Begründung bedarf.242 Die Kriterien zur Eingriffsbestimmung sind dabei höchst umstritten.243 Infolgedessen liegt der Schwerpunkt dieses Abschnitts auf der Fragestellung, ob bzw. wie sich anhand der in der Rechtsprechung und juristischen Literatur entwickelten Kriterien behördliche Informationen im Lebensmittelsegment als Grundrechtseingriff qualifizieren lassen. a) Vom klassischen zum erweiterten Eingriffsverständnis Nach dem klassischen Eingriffsverständnis stellen Maßnahmen des Staates einen Grundrechtseingriff dar, die unter Inanspruchnahme obrigkeitlicher Gewalt unmittelbar und zielgerichtet durch einen Rechtsakt erfolgen; konstituierend sind mithin die Merkmale der Imperativität, Unmittelbarkeit, Finalität und Rechtsför 240

Di Fabio, JZ 1993, 689 (694). Die Begriffe „Eingriff“ und „Beschränkung“ werden nachfolgend synonym verwendet; so auch Peine, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 57 Rn. 7. 242 Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (37). 243 Siehe zur Diskussion etwa Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7; Di Fabio, JZ 1993, 689 (694 ff.); Eckhoff, Grundrechtseingriff, S.  285 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht  III/2, § 78, S. 76 ff. 241

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migkeit.244 Diese vier kumulativen Eingriffskriterien treffen auf staatliche Veröffentlichungen (im Lebensmittelbereich) allerdings nicht zu, da diese nur mittelbar durch die Kaufentscheidung der Verbraucher wirken, nicht als Rechtsakt mit imperativen Charakter ergehen und zudem nicht notwendigerweise gezielt erfolgen.245 Das klassische Eingriffsverständnis, ausgerichtet auf den Schutz vor belastenden Verwaltungsakten im Staat-Bürger-Verhältnis,246 hilft für das tripolare Verhältnis staatlicher Informationstätigkeit folglich nicht weiter. Es ist indes anerkannt, dass der klassische enge Eingriffsbegriff das gegenwärtige staatliche Wirken nicht mehr hinreichend in all seinen Facetten erfassen kann und auch mittelbare staatliche Maßnahmen mit einer nur faktischen Wirkung Grundrechtseingriffe darstellen können.247 Um der Grundrechtsbindung der Staatsgewalt gemäß Art. 1 Abs. 3 GG vollumfänglich gerecht zu werden, bedarf es daher nach dem heutigen Eingriffsverständnis248 einer Erweiterung der vier klassischen Eingriffsmerkmale.249 Sonach ist jedes staatliche Handeln als Grundrechtseingriff zu qualifizieren, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht,250 wobei unerheblich ist, ob die Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich (faktisch, informal), mit oder ohne Befehl und Zwang eintritt.251 Die Weite der modernen Eingriffsdefinition führt allerdings dazu, dass die Grenze zwischen einer rechtfertigungsbedürftigen Beeinträchtigung und einer grundrechtlich irrelevanten Belästigung schwer zu bestimmen ist.252 Fest steht freilich, dass 244 BVerfGE 105, 279 (300); Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (38); Dreier, in: ders., GG, Bd.  I, Vorb. Rn.  124; T.  Engel, Informationstätigkeit, S.  150; Haussühl, Produktwarnung, S. 32; Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 111; Peine, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 57 Rn. 20; Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 259; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 78, S. 83 f.; Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rn. 80; Seemann, Produktinformation, S. 152; Starck, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 1 Rn. 265. 245 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 150; Seemann, Produktinformation, S. 152. 246 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 125; Peine, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 57 Rn. 21. 247 BVerfGE 110, 177 (191); 113, 63 (76); 116, 202 (222); Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (39); T. Engel, Informationstätigkeit, S. 181; Haussühl, Produktwarnung, S. 34; Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 114; Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 261 f.; Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rn. 83; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 64; Schoch, DVBl 1991, 667 (670); Seemann, Produktinformation, S. 154; Starck, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 1 Rn. 265; Uddin, Verbraucherinformationen, S. 154. 248 Sog.  erweitertes bzw. modernes Eingriffsverständnis; vgl. Peine, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 57 Rn. 31, der sich zur Vermeidung von Missverständnissen für die Verwendung der Bezeichnung „erweitertes Eingriffsverständnis“ ausspricht. 249 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 181; Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 112; Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 261. 250 Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (40); T. Engel, Informationstätigkeit, S. 151; Seemann, Produktinformation, S. 154. 251 Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 261. 252 Haussühl, Produktwarnung, S.  35; Kingreen / Poscher, Staatsrecht  II, Rn.  264 f.; Seemann, Produktinformation, S. 152.

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

nicht jede irgendwie belastende staatliche Maßnahme als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist,253 weil dies zu einem ausufernden Grundrechtsschutz mit erheblichen Rechtsunsicherheiten und zur Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit der Exekutive führen würde.254 Im juristischen Schrifttum sind daher zahlreiche begrenzende Kriterien für die moderne Eingriffsdefinition entwickelt worden,255 die indes aufgrund ihrer Fülle und Uneinheitlichkeit kaum noch zu überschauen sind.256 b) Funktionelles Äquivalent eines klassischen Eingriffs Um mit dem modernen Eingriffsverständnis nicht jede Informationsmaßnahme des Staates als Eingriff zu qualifizieren, wird im Schrifttum die Zurechenbarkeit der mittelbaren Folgen des Informationshandelns zum Staat als begrenzendes Merkmal herangezogen.257 Demgegenüber stellte das BVerfG in seinen beiden Beschlüssen „Glykol“ und „Osho“ darauf ab, ob die Informationsmaßnahme als das funktionelle Äquivalent eines Eingriffs einzustufen ist.258 In dem Fall der Bejahung eines Eingriffsäquivalents liegt nach dem BVerfG eine rechtfertigungsbedüftige staatliche Informationshandlung vor, für welche die üblichen Rechtfertigungsanforderungen gelten würden, insbesondere der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes.259 Im Falle der Verneinung eines Eingriffsäquivalents beendete das BVerfG die verfassungsrechtliche Prüfung indes nicht. Es bedürfe in diesem Fall vielmehr der Einhaltung zusätzlicher (Rechtfertigungs-)Kriterien, zu denen das Vorliegen einer staatlichen Aufgabe, die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung, die Sachlichkeit und Richtigkeit der Information sowie deren Verhältnismäßigkeit im Übrigen zählten.260 Ein solcher „Informationsvorbehalt“,261 mit dem das BVerfG trotz der Ablehnung eines Grundrechtseingriffs verfassungsrechtliche Anforderungen an eine Informationsmaßnahme aufstellt, ist aus den bereits genannten Gründen abzulehnen.262 Überzeugend ist allein ein Eingriffsverständnis, das jede Form der behördlichen Informationstätigkeit dem Gesetzesvorbehalt unterstellt. Dass im Übrigen 253

Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 125; Koch, Grundrechtsschutz, S. 234. Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (41); T. Engel, Informationstätigkeit, S. 189 f.; Haussühl, Produktwarnung, S. 35; T. Engel, Informationstätigkeit, S. 152; Peine, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 57 Rn. 33. 255 Vgl. hierzu T.  Engel, Informationstätigkeit, S.  152 ff.; Peine, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 57 Rn. 41 ff.; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 65 ff. 256 Haussühl, Produktwarnung, S. 34; Schink, DVBl 2011, 253 (258). 257 Haussühl, Produktwarnung, S. 35; Huber, JZ 2003, 290 (293); Peine, in: Merten / Papier, Hdb GR III, § 57 Rn. 56; Uddin, Verbraucherinformationen, S. 160. 258 Zur früheren Rechtsprechung des BVerfG und BVerwG hinsichtlich staatlicher Informationstätigkeit Murswiek, NVwZ 2003, 1 (2); Seemann, Produktinformation, S. 155 f. 259 BVerfGE 105, 252 (268); 105, 279 (301). 260 BVerfGE 105, 252 (268); 105, 279 (301). 261 Martini / Kühl, JA 2014, 1221 (1223). 262 Vgl. zur Kritik an den „Glykol“ und „Osho“-Beschlüssen des BVerfG bereits unter D. II. 2. b). 254

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eine Sonderkonstruktion für das staatliche Informationshandeln nicht erforderlich ist, zeigt sich in der europäischen Rechtsprechung.263 So weicht der EuGH bei der Überprüfung der Vereinbarkeit von Informationsmaßnahmen eines Mitgliedstaats mit der Warenverkehrsfreiheit nicht von der herkömmlichen Dogmatik der Grundfreiheiten ab.264 Zur Bestimmung, ob eine staatliche Informationshandlung eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV265 darstellt, zieht der EuGH vielmehr verschiedene Kriterien heran, wie die diskriminierende Wirkung der staatlichen Maßnahme, das mit der Informationstätigkeit verfolgte Ziel sowie den Umfang der Informationskampagne.266 c) (Voluntative und kognitive) Finalität Als das funktionelle Äquivalent eine Eingriffs erfasst das BVerfG Informa­ tionshandlungen, die in ihrer Zielsetzung und Wirkung Ersatz für staatliche Maßnahmen sind, die wiederum als Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren wären.267 Damit verbindet das Gericht das erweiterte Eingriffsverständnis mit den Merkmalen der klassischen Eingriffsdefinition, allerdings ohne zu konkretisieren, wann genau die Grenze zum Vorliegen eines funktionellen Eingriffsäquivalents überschritten ist.268 Erst durch die den „Osho“- und „Glykol“-Beschlüssen nachfolgende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum staatlichen Informationshandeln hat die Figur des funktionellen Eingriffsäquivalents – für die das Bundesverwaltungsgericht auch die Bezeichnung „eingriffsgleiche Maßnahme“ verwendet – deutlichere Konturen gewonnen. Kennzeichnend für das funktionelle Äquivalent eines Eingriffs ist dabei nach dem Bundesverwaltungsgericht, dass der Staat durch die Information zielgerichtet zu Lasten bestimmter Betroffener einen erwünschten Erfolg herbeiführen will, wobei der nachteilige Effekt nicht bloß zufällig oder als unvorher­sehbare Begleiterscheinung des staatlichen Handelns eintreten darf.269 Entscheidend ist damit die Finalität der Informationsmaßnahme, für die ein rein volun­tatives Element bestimmend ist, nämlich die von staatlicher Seite gewollte nachteilige Wirkung auf den Drittbetroffenen. Da die Finalität als ein Teilelement des klassischen 263

Schoch, NVwZ 2011, 193 (198). EuGH, Urt. v. 24.11.1982, Rs. C-249/81, NJW 1983, 2755 ff. (Buy Irish); Urt. v. 08.03.1988, Rs.  222/82, Slg.  1988, 1443 ff. (Apple and Pear Development Council); Urt.  v.  05.11.2002, Rs.  C-325/00, Slg.  2002, I-9977 ff. (CMA Gütezeichen); Urt.  v.  17.04.2007, Rs.  C-470/03, Slg 2007, I-2749 ff. (AGM Hebebühne); Weiß, EuZW 2008, 74. 265 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union i. d. F. v. 09.05.2008, zuletzt ge­ ändert durch Art. 2 ÄndBeschl. 2012/419/EU v. 11.07.2012 (ABl. Nr. L 204, S. 131). 266 Y. Becker, EuR 2002, 418 (428 ff.). 267 BVerfGE 105, 252 (273); 105, 279 (303); 113, 63 (76). 268 Knitsch, ZRP 2003, 113 (116); Murswiek, NVwZ 2003, 1 (6); Porsch, ZLR 175 (181); Seemann, Produktinformation, S. 156 f. 269 Zum Ganzen BVerwG, NJW 2006, 1303 (1304); NVwZ-RR 2015, 425 (426). 264

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

Eingriffsbegriffs nicht notwendig mit der Adressatenstellung des Betroffenen zusammenhängt,270 ist sie ein geeignetes Kriterium für die Bewertung der Drittbeeinträchtigungskonstellationen wie des behördlichen Informationshandelns. Das Eingriffsverständnis auf der Grundlage des voluntativen Finalitätskriteriums führt zu der Unterscheidung zwischen zwei Arten von Informationshandlungen: zum einen solche, mit denen der Staat eine Verhaltenssteuerung der Informationsadressaten bezweckt und dabei final die Freiheitsbeschränkung Dritter in Kauf nimmt; zum anderen solche, deren Ziel nicht die Verhaltensbeeinflussung der Verbraucher ist und deren nachteilige mittelbare Wirkung auf Dritte sich als bloß ungewollte Nebenfolge erweist.271 Auf den ersten Blick lassen sich Lebensmittelwarnungen anhand der rein voluntativ definierten Finalität eindeutig als funktionelles Äquivalent eines klassischen Eingriffs klassifizieren. Mit einer Warnung will der Staat die Verbraucher nämlich zu einem Verzicht auf das genannte Lebensmittel bewegen, wobei die Umsatzeinbrüche des Herstellers die intendierte Folge der Verbraucherbeeinflussung sind. Die bewusste Verhaltenslenkung der Verbraucher und die finale – mithin „gewollte“ – Beeinträchtigung der Drittbetroffenen lassen sich nicht voneinander trennen, weil aus staatlicher Sicht die abzuwehrende Gefahr von dem Hersteller ausgeht, der das gesundheitsgefährdende Produkt vertreibt; die nachteilige Wirkung bildet quasi die „Kehrseite“ der intendierten Verbraucherbeeinflussung.272 Im juristischen Schrifttum besteht daher Einigkeit, dass Warnungen vor einem bestimmten Produkt einen Grundrechtseingriff darstellen;273 der mittelbar-faktische Eingriff ersetzt in diesen Fällen ein Vertriebsverbot des inkriminierten Produkts.274 Dies gilt nicht nur für staatliche Warnungen vor einem bestimmten Lebensmittel, sondern auch für Warnungen vor einer individualisierten Produktgruppe, wenn sich die Warnung auf den Konsum dieser Produktgruppe insgesamt erstreckt.275 Ein prominentes Beispiel hierfür sind die Warnungen des Bundesinstituts für Risikobewertung vor dem Verzehr von Gurken, Tomaten und Blattsalaten aus Norddeutschland während der EHEC-Epidemie im Mai / Juni 2011.276 Der Verzicht der Verbraucher auf Tomaten, 270

Koch, Grundrechtsschutz, S. 258. Murswiek, NVwZ 2003, 1 (8); Schoch, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 74. 272 Koch, Grundrechtsschutz, S. 276 f. 273 Boddenberg, Negative Produktinformation, S.  50; Honegg, Verbraucherinformation, S.  100; Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR  IX, § 191 Rn.  131; Koch, Grundrechtsschutz, S. 275; Leidinger, DÖV 1993, 925 (930); R. Schmidt, Informationshandeln, S. 133. 274 Isensee, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 191 Rn. 131. 275 Haussühl, Produktwarnung, S. 61 f.; T. Engel, Informationstätigkeit, S. 90; auf die Individualisierbarkeit des durch die Warnung Betroffenen abstellend Gusy, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 23 Rn. 104; vgl. für die Nennung einer Unternehmergruppe Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 45 f. 276 Gemeinsame Stellungnahme Nr. 014/2011 des RKI und des BfR v. 25.05.2011 sowie gemeinsame Pressemitteilungen des RKI und des BfR v. 03.06.2011 sowie v. 10.06.2011, www. bfr.bund.de/cm/343/vorlaeufige_ergebnisse_der_ehec_hus_ studie.pdf und www.rki.de/DE/ Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2011/2011_node.html [Stand jeweils: 25.06.2017]. Später stellte sich heraus, dass nicht der Verzehr von Gurken, Tomaten und Blattsalaten für 271

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Gurken und Blattsalate war mit den Warnungen gewollt und damit auch die – vom Deutsche Bauernverband auf ca. 75 Millionen Euro geschätzten – Umsatzeinbrüche der betroffenen Gemüseanbauer.277 Insoweit zeigt sich an dieser Stelle bereits eine bestehende verfassungsrechtliche Strukturierung, die für die Einordung der Warnung als eigenständige Handlungsform spricht.278 Wenn die Verbraucher allerdings nicht nur auf das benannte Lebensmittel bzw. die Produktgruppe verzichten, sondern auch weitere nicht betroffene Produkte respektive andere Produktgruppen des Herstellers meiden (etwa neben Tomaten, Gurken und Blattsalaten auch sämtliche anderen Gemüsesorten), stellt sich die nachteilige Wirkung nicht mehr als die „Kehrseite“ der staatlichen Informationsmaßnahme dar. Die Drittbeeinträchtigung ist in dieser Konstellation gerade nicht das „gewollte“ (voluntativ finale) Ziel der staatlichen Warnung, denn dieses war allein auf das inkriminierte Produkt respektive die entsprechende Produktgruppe beschränkt.279 Diese Problematik besteht in gleicher Weise bei Verbraucherinformationen, bei denen die nachteilige Wirkung auf die Unternehmen nicht in dem Maße final – mithin von staatlicher Seite „gewollt“ – ist, als dass sie zugleich deren primäres Ziel wäre. Bereits die Bestimmung eines mit der Publikation verfolgten öffentlichen Hauptzwecks bereitet bei Verbraucherinformationen Schwierigkeiten, weil sie oftmals aus einer Vielzahl von Gründen erfolgen, deren Gewichtung im Vergleich zueinander nicht eindeutig möglich ist. Dies lässt sich an dem bereits als Praxisbeispiel angeführten Internetportal „Lebensmittelklarheit“ veranschaulichen.280 Zum einen ist hier die voluntativ finale Zielsetzung erkennbar, die Lebensmittelunternehmen generalpräventiv durch den öffentlichen Druck einer Portalveröffent­ lichung zu einer verbraucherfreundlichen Produktaufmachung und -gestaltung anzuhalten.281 Zum anderen dient das Portal aber auch der allgemeinen Aufklärung sowie der aktiven Einbindung der Verbraucher in Kennzeichnungsfragen, und es soll gleichzeitig den rechtlichen Handlungsbedarf im Lebensmittelbereich erfassen.282 Die Verbraucherbeeinflussung mit beeinträchtigender Folgewirkung für den Ausbruch verantwortlich war, sondern aus Ägypten importierte Bockshornkleesamen; vgl. gemeinsame Pressemitteilung des BfR, des BVL und des RKI v. 05.07.2011, abrufbar auf vorgenannter Homepage. 277 Erklärung des DBV v. 11.10.2011, www.bauernverband.de/index.php?redid=508073 [Stand: 25.06.2017]. 278 S. hierzu bereits ausführlich unter C. II. 2. b). 279 Vgl. zu diesem Ansatz Koch, Grundrechtsschutz, S. 277. 280 Das Portal dient als Informationskonzept vorliegend allein zur Illustrierung der Eingriffs­ problematik; im Hinblick auf die rechtliche Ausgestaltung und die Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Portalfinanzierung bestehen erhebliche rechtliche Schwierigkeiten; vgl. hierzu ausführlich unter F. II. 281 Joh / Krämer / Teufer / Unland, ZLR 2012, 420 (428 f.); diese Zielsetzung für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen im Internet herausstellend Theis / Immel, StoffR 2014, 120. 282 www.lebensmittelklarheit.de/ueber [Stand: 25.06.2017].

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Dritte lässt sich hier folglich nicht als das offensichtlich verfolgte Hauptziel der produktbezogenen Veröffentlichungen ermitteln. Aus diesen Gründen bedarf das bisher rein voluntativ bestimmte Finalitätskriterium der Erweiterung um ein kognitives Element, um auch solche drittbeeinträchtigenden Wirkungen zu erfassen, die zwar nicht beabsichtigt sind, die der Staat aber in Kauf genommen hat oder zumindest vorhersehen konnte.283 Die aktuelle Rechtsprechung zu der Online-Veröffentlichung von Ergebnissen der amtlichen Lebensmittelüberwachung stellt für die Bestimmung des Grundrechtseingriffs – zwar nicht ausdrücklich, aber jedenfalls im Ergebnis – auf ein solch kognitives Element ab. So hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in zwei Beschlüssen einen Grundrechtseingriff durch die Veröffentlichung der aufbereiteten Ergebnisse bejaht, da die nachteiligen Folgen für die Unternehmen eine vom Staat voraussehbare und in Kauf genommene Nebenfolge seien.284 Im juristischen Schrifttum findet sich die Auffassung, dass dem Staat als Informationsgeber die nachteiligen Wirkungen einer Veröffentlichung zuzurechnen seien, wenn diese voraussehbar gewesen und in Kauf genommen worden seien.285 Hierfür wird zum überwiegenden Teil auf das eigenständige Kriterium der „Unmittelbarkeit“ abgestellt,286 das den Zusammenhang zwischen Informationsmaßnahme und Drittbeeinträchtigung umschreiben soll. Die „Unmittelbarkeit“ als Eingriffskriterium neben der (voluntativ definierten) Finalität überzeugt jedoch nicht. Wird nämlich bereits die Drittwirkung von behördlichen Informationsmaßnahmen als „mittelbare faktische Beeinträchtigung“ bezeichnet, ist es höchst missverständlich, für die Eingriffsbestimmung – wenn auch mit anderer Bedeutung – den Begriff „Unmittelbarkeit“ zu wählen. Sprachlich prägnanter ist die Finalität als das maßgebliche Eingriffskriterium für die staatliche Informationstätigkeit, wobei innerhalb dieses Kriteriums zwischen kognitiven und voluntativen Elementen zu differenzieren ist. Dies hat darüber hinaus den Vorteil, dass sich die Terminologie des funktionellen Äquivalents eines Eingriffs des BVerfG beibehalten lässt und damit sowohl die Ansätze der Rechtsprechung als auch die des Schrifttums in einer Eingriffsdefinition zusammenfinden. Die Erkenntnis, dass bei der verfassungsrechtlichen Bewertung des heutigen behördlichen Informationshandelns der Fokus auf dem kognitiven Aspekt des Finalitätskriteriums liegt, führt zu der Fragestellung, unter welchen Voraussetzungen 283 Koch, Grundrechtsschutz, S.  279; zwischen objektiver und subjektiver Finalität differenzierend Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 22 f.; ansatzweise differenzierend zwischen der gewollten und in sonstigen Fällen zurechenbaren staatlichen Beeinflussung durch Informationen Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 52 ff. 284 OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2014, 843 (844); NVwZ-RR 2014, 846 (847). 285 Bumke, Die Verwaltung (37) 2003, 3 (18); Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 196; Murswiek, NVwZ 2003, 1 (6); Porsch, ZLR 2003, 175 (178). 286 Di Fabio, JZ 1993, 689 (696); Gusy, NJW 2000, 977 (983); Gusy, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 23 Rn. 104; Huber, JZ 2003, 290 (293); Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (37).

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eine drittbeeinträchtigende Wirkung für den Staat zum Zeitpunkt der Informationsveröffentlichung vorhersehbar ist. Bei Warnungen und Verbraucherinformationen im Lebensmittelbereich wird die Voraussehbarkeit nachteiliger (Informations-) Wirkungen grundsätzlich dann zu bejahen sein, wenn die Veröffentlichung eine Bewertung über ein konkretes Produkt oder ein individualisiertes Unternehmen enthält.287 Beispiele für derartige Bewertungen sind die Einschätzung eines Lebensmittels als gesundheitsgefährdend, einer Produktaufmachung als täuschend oder die Publikation der Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung innerhalb eines vergleichenden Systems in Form von Smileys, einem Kontrollbarometer, Schulnoten oder auch Punkten.288 Für den Staat als Informationsgeber ist in solchen Fällen vorhersehbar, dass die Verbraucher mit veränderten Konsumentscheidungen reagieren (können), die wiederum nachteilige Folgewirkungen mit sich bringen (können). Dieser Ansatz läuft letztendlich auf die Berücksichtigung der Sachlichkeit der staatlichen Information auf der Eingriffsebene hinaus.289 Damit bleibt festzuhalten, dass eine staatliche Informationsmaßnahme einen Grundrechtseingriff im Sinne eines funktionellen Äquivalents zum klassischen Eingriff darstellt, wenn der Staat entweder zielgerichtet zu Lasten Drittbetroffener einen im öffentlichen Interesse liegenden Erfolg herbeiführen will (voluntativ final) oder eine Drittbeeinträchtigung zwar nicht gezielt verfolgt, aber diese jedenfalls voraussehen konnte und auch in Kauf genommen hat (kognitiv final). d) Intensität der Drittbeeinträchtigung Die Finalität wird im juristischen Schrifttum als nur ein Kriterium zur Eingriffsbestimmung behördlicher Informationsmaßnahmen herangezogen, das gemeinsam mit der Unmittelbarkeit und der Schwere (Intensität) des staatlichen Handelns in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sei.290 Die Intensität einer Informationshandlung als Eingriffskriterium lässt sich allerdings – wenn überhaupt – einzig bei produkt- und betriebsbezogenen Äußerungen nutzen, bei denen die Schwere der Auswirkung anhand der Umsatzeinbußen der Drittbetroffenen messbar wird. Bei dem sonstigen Informationshandeln scheidet die Intensität der staatlichen In-

287

Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 92. Für die Eingriffsbejahung auf die Steuerungsfunktion der staatlichen Informationsmaßnahme abstellend Murswiek, NVwZ 2003, 1 (6); ebenfalls die Eingriffsqualität von staatlichen Bewertungsentscheidungen bejahend Holzner, GewArch 2016, 95 (98); Grube / Immel /  Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 99 ff.; die Eingriffsqualität unter dem Gesichtspunkt des „Nudging“ als Steuerungsmittel betrachtend Holle, ZLR 2016, 596 (614 f.). 289 Das BVerfG hatte in seinen Grundsatzbeschlüssen „Glykol“ und „Osho“ die Sachlichkeit einer staatlichen Information bereits als verfassungsrechtliche Anforderung aufgestellt, indes für Informationsmaßnahmen ohne Eingriffscharakter; s. hierzu bereits unter D. II. 2. a). 290 Honegg, Verbraucherinformation, S. 99; Huber, JZ 2003, 290 (293); ders., ZLR 2004, 241 (259); Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (37); Ossenbühl, Umweltpflege, S. 31. 288

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D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

formationstätigkeit als Merkmal hingegen von vornherein aus, da sie nicht bestimmbar ist.291 Neben diesem begrenzten Anwendungsbereich spricht gegen die Intensität als Kriterium der Eingriffsbestimmung weiter, dass die Reichweite des Grundrechtsschutzes, mithin die Überschreitung der Eingriffsschwelle, von der Höhe der Um­ satzeinbußen der mittelbar betroffenen Lebensmittelunternehmen abhängen würde.292 In letzter Konsequenz müsste man grundrechtsrelevante Umsatzeinbußen mit einem Betrag festsetzen, bei dessen Überschreitung ein Eingriff vorliegt. Damit würde die Eingriffsbestimmung jedoch in das Belieben des jeweils zuständigen Gerichts gestellt; einem „willkürlichen Dezisionismus“ wäre „Tür und Tor“ geöffnet.293 Hinzu kommt, dass die tatsächlichen Umsatzeinbrüche der mittelbar betroffenen Unternehmen für den Staat als Informationsgeber kaum prognostizierbar sind.294 Die Crux staatlicher Informationsmaßnahmen beruht auf der Mittelbarkeit der drittbeeinträchtigenden Folgen, die von der freien Entscheidung der Verbraucher als Informationsadressaten ausgehen. Der Ansatz zur Eingriffsbestimmung kann daher allein an die Voraussehbarkeit und Inkaufnahme einer abstrakten drittbeeinträchtigenden Wirkung anknüpfen, nicht jedoch an tatsächliche finanzielle Auswirkungen, die sich weder ex ante noch ex post sicher bestimmen lassen. Aus dogmatischer Sicht ist des Weiteren zu bedenken, dass die Schwere der Auswirkungen einer staatlichen Maßnahme grundsätzlich unter Abwägung aller relevanten Belange in der Verhältnismäßigkeit und damit im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs zu prüfen ist; das Intensitätskriterium setzt eine solche – eigentlich nachgelagerte – Abwägung indes bereits voraus.295 Bei der Heranziehung der Intensität zur Eingriffsbestimmung kann es sich folglich allenfalls um eine pragmatische Erwägung handeln, die den Gerichten in extremen Ausnahmefällen für nicht finale staatliche Maßnahmen mit erheblicher drittbeeinträchtigender Wirkung die Möglichkeit einräumt, eine Grundrechtsrelevanz zu bejahen.296 Als eigenständiges Eingriffskriterium ist die Intensität aus den angeführten Gründen hingegen abzulehnen.

291

Philipp, Verbraucherinformation, S. 139 f., die als Beispiel die negative Äußerung über eine Partei im Verfassungsschutzbericht anführt. Die Intensität der Beeinträchtigung lasse sich kaum an den Stimmenrückgängen bei der nächsten Wahl festmachen. 292 Philipp, Verbraucherinformation, S. 139. 293 Koch, Grundrechtsschutz, S. 249; Schulte, DVBl 1988, 512 (517). 294 T.  Engel, Informationstätigkeit, S.  191; Philipp, Verbraucherinformation, S.  140, auch zum Folgenden. 295 Koch, Grundrechtsschutz, S. 251. 296 Koch, Grundrechtsschutz, S. 252; Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 46.

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e) Notwendigkeit der schutzbereichsbezogenen Eingriffsbestimmung Die aus einem voluntativen und einem kognitiven Element bestehende Fina­ lität als das entscheidende Eingriffskriterium darf jedoch nicht darüber hinweg­ täuschen, dass die Eingriffsbestimmung letztendlich anhand des Schutzbereichs des jeweiligen Grundrechts vorzunehmen ist.297 Für Art. 12 Abs. 1 GG bedeutet die schutzbereichsbezogene Eingriffsbestimmung zunächst, dass durch die behörd­ liche Informationstätigkeit die berufliche Tätigkeit der Unternehmen beeinträchtigt sein muss. Dies kann von staatlicher Seite entweder voluntativ final oder kognitiv final erfolgen. Der Rückgriff auf die in der Rechtsprechung entwickelte Formel der „objektiv berufsregelnden Tendenz“298 einer staatlichen Maßnahme ist zur Eingriffsbestimmung nicht erforderlich. Die Formel bietet für die praktische Anwendung nämlich keinen Mehrwert, da sie sich mangels einer ausreichenden Konkretisierung und einer uneinheitlichen Judikatur nahezu nach Belieben bejahen oder verneinen lässt.299 Besonderheiten bei der schutzbereichsbezogenen Eingriffsbestimmung bestehen im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Bei der Prüfung eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß Art.  14  Abs.  1  GG ist zu beachten, dass sich die Drittbeeinträchtigung auf das Unternehmen als Ganzes beziehen muss. Auch wenn die vom Bundesver­ waltungsgericht herangezogene Formel der ernsthaften Gefährdung des „Bestands des Betriebs“300 bedenklich nah an das abzulehnende Kriterium der Intensität der Drittbeeinträchtigung heranrückt,301 hebt sie doch immerhin die Notwendigkeit der Betroffenheit des Betriebs in seiner Gesamtheit und nicht nur einzelner Bestandteile hervor. Im Falle behördlicher Informationen im Lebensmittelbereich ist ein Eingriff unter Finalitätsgesichtspunkten folglich nur dann zu bejahen, wenn für den Informationsgeber eine (Ruf-)Beeinträchtigung des gesamten Unternehmens voraussehbar ist. Dies bedarf einer einzelfallbezogenen Betrachtung, bei der die Informationsart (Warnung oder Verbraucherinformation?), die Unternehmensgröße (internationales Lebensmittelunternehmen oder einzelner Gastronomiebetrieb?), die Veröffentlichungsart (Onlineveröffentlichung oder regionale Tageszeitung?) und der zeitliche Umfang der Informationsmaßnahme ergänzend Berücksichtigung finden müssen. In Bezug auf Art.  2  Abs.  1  i. V. m.  Art.  1  Abs.  1  GG besteht die Besonderheit der Eingriffsbestimmung darin, dass nicht auf die nachteilige Wirkung der 297 Hillgruber, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR IX, § 200 Rn. 76; Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 39; Kramer / Monsees, Jura 2016, 985 (990). 298 BVerfGE 37, 1 (17); 47, 1 (21); 61, 291 (308). 299 Koch, Grundrechtsschutz, S. 269, mit ausführlicher Darstellung des Merkmals der „objektiven berufsregelnden Tendenz“ ab S. 264 ff.; Manssen, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG I, Art. 12 Rn. 75; Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 48, S. 51. 300 BVerwGE 36, 248 (251); 66, 307 (309). 301 Vgl. Koch, Grundrechtsschutz, S. 250.

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Informa­tionsmaßnahme abgestellt werden kann. Hier bietet die Finalität der Drittbeeinträchtigung kein geeignetes Kriterium, weil das Grundrecht vor der Ver­ öffentlichung personenbezogener Daten als solche schützt, unabhängig von einer nachteiligen oder gar vorteilhaften Wirkung. Bei lebensmittelrechtlichen Fragestellungen, insbesondere der Publikation von amtlichen Kontrollergebnissen der Lebensmittelüberwachung, ist entscheidend, dass überhaupt personenbezogene Daten veröffentlicht werden, unabhängig davon, ob diese eine positive oder negative Konnotation aufweisen.302 f) Zwischenergebnis Die Schwierigkeit der verfassungsrechtlichen Beurteilung behördlicher Informationsmaßnahmen besteht seit jeher in der Bestimmung abstrakter Eingriffskriterien. – Während die juristische Literatur auf die Zurechenbarkeit der nachteiligen mittelbaren Wirkungen zum Staat setzt und für deren Bestimmung als Merkmale die Finalität, die Unmittelbarkeit und die Intensität einer Informationsmaßnahme heranzieht, stellt die Rechtsprechung – mit dogmatisch nicht überzeugender Herleitung – auf das Vorliegen eines funktionellen Eingriffsäquivalents ab. – Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich beide Ansätze kombinieren lassen, indem zur Bestimmung eines funktionellen Eingriffsäquivalents auf die Finalität einer Informationsmaßnahme als das maßgebliche Kriterium abgestellt wird. Hierbei bedarf es der Differenzierung zwischen dem voluntativen und dem kognitiven Element der Finalität. Während der voluntative Finalitätsbestandteil auf die von staatlicher Seite gezielte Drittbeeinträchtigung abstellt, erfasst der kognitive Finalitätsbestandteil zwar nicht intendierte, aber voraussehbare und in Kauf genommene Drittwirkungen der Informationsmaßnahme. – Das kognitive Finalitätselement ist speziell für die Eingriffsbestimmung behördlicher Verbraucherinformationen auf Internetportalen heranzuziehen, da sich bei diesen, anders als bei Warnungen zur Gefahrenabwehr, eine gezielte – mithin voluntativ finale – Drittbeeinträchtigung als Hauptzweck nicht feststellen lässt. – Die Vorhersehbarkeit nachteiliger Wirkungen für den Staat ist im Lebensmittelbereich immer dann zu bejahen, wenn die Informationen Bewertungen zu konkreten Produkten oder Unternehmen enthalten. – In Bezug auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist zu beachten, dass das alleinige Abstellen auf das Finalitätskriterium nicht ausreichend ist, sondern der Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts einer besonderen Berücksichtigung bedarf. 302

So auch Abbé, Verbraucherschutz, S. 116.

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5. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Jede in die Grundrechte eingreifende Maßnahme des Staates bedarf der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.303 Bei behördlichen Informationsmaßnahmen kommt dabei dem Erfordernis einer gesetzlichen Eingriffsbefugnis sowie den verfassungsrechtlichen Anforderungen an diese Ermächtigungsgrundlage eine besondere Bedeutung zu. a) Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage ergibt sich aus dem Gesetzesvorbehalt als Ausprägung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG).304 Der Gesetzesvorbehalt bindet Grundrechtseingriffe des Staates an eine parlamentarische Ermächtigung („kein Grundrechtseingriff ohne Gesetz“) und grenzt damit die Kompetenzräume zwischen der Legislative und der Exekutive ab.305 Im Lebensmittelbereich besteht heutzutage mit § 40  LFGB eine gesetzliche Ermächtigung für staatliche Informationsmaßnahmen, die zum Zeitpunkt der „Glykol“-Entscheidung des BVerfG allerdings noch nicht verabschiedet war. In Ermangelung einer parlamentarischen Ermächtigung beschritt das BVerfG einen verfassungsrechtlich höchst fragwürdigen Weg und leitete die Befugnis der Bundesregierung zur Glykol-Listenveröffentlichung aus deren Aufgabe zur Staatsleitung unter Heranziehung von Art. 65 GG ab.306 Dieser Schluss von der Aufgabe auf die Befugnis ist jedoch nur bei Maßnahmen unterhalb der Eingriffsschwelle zulässig, da eine Aufgabenzuweisung allein die Ziele, aber niemals die Mittel des Staatshandelns bestimmt.307 Im Lichte des Gesetzesvorbehalts bedarf es daher für grundrechtsbeeinträchtigende staatliche Informationsmaßnahmen einer formalgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage,308 die das Mittel, den Zweck, die verfahrensrechtliche Anforderungen und die sonstigen Voraussetzungen der Informationstätigkeit bestimmt.309

303

T.  Engel, Informationstätigkeit, S.  203; Kingreen / Poscher, Staatsrecht  II, Rn.  230; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 120; Seemann, Produktinformation, S. 157. 304 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VI Rn. 75; Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 279; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 R Rn. 105. 305 Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR V, § 101 Rn. 18; Philipp, Verbraucherinformation, S. 203; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 120; Seemann, Produktinformation, S. 158. 306 BVerfGE 115, 252 (268 ff.). 307 Haussühl, Produktwarnung, S. 83; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 122. 308 Bumke, Die Verwaltung (37) 2004, 3 (20 f.); Gusy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR II, § 23 Rn. 110; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 133; Seemann, Produktinformation, S. 159. 309 Haussühl, Produktwarnung, S. 81.

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Zwar lassen sich die mittelbaren Wirkungen behördlichen Informationshandelns nicht im Voraus gesetzlich festlegen; allerdings sind die verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen an eine Veröffentlichung der Normierung zugänglich.310 Dies zeigt sich neben dem bereits angeführten § 40  LFGB auch in den Ermächtigungen zum Informationshandeln im Arzneimittel- und Medizinproduktrecht nach § 69 Abs. 4 AMG311 und § 28 Abs. 4 MPG.312 Für den Lebensmittelbereich hat der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit gemäß Art. 72 Abs. 2, Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG Gebrauch gemacht und auf diese Kompetenz das bereits angeführte Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch sowie das (noch genauer zu beleuchtenden) Verbraucherinformationsgesetz313 gestützt.314 Damit verlagert sich die langjährige verfassungsrechtliche Diskussion weg von dem Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage hin zu der Fragestellung, ob die heutigen im Lebensmittelbereich bestehenden einfachgesetzlichen Eingriffsbefugnisse – insbesondere für Verbraucherinformationen ohne Gefahrenbezug – eine europarechtskonforme und verfassungsgemäße Ausgestaltung erfahren haben.315 b) Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage Bevor sich das nachfolgende Kapitel eingehend den bestehenden Ermächtigungsgrundlagen für Warnungen und Verbraucherinformationen im Lebensmittelbereich widmet, sind zuvor die allgemeinen, sich aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art.  20  Abs.  3  GG ergebenden, Anforderungen aufzuzeigen, die formalgesetzliche Eingriffsbefugnisse zum staatlichen Informationshandeln wahren müssen. aa) Möglichkeit zur vorherigen Stellungnahme Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist erforderlich, dass die Behörde dem von einer Veröffentlichung mittelbar Betroffenen die Gelegenheit einräumt, sich zu dem In 310 Bumke, Die Verwaltung (37) 2004, 3 (20 f.); T.  Engel, Informationstätigkeit, S.  212; Haussühl, Produktwarnung, S.  80; Ossenbühl, Umweltpflege, S.  40; Philipp, Verbraucher­ information, S. 203. 311 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) i. d. F. v. 12.12.2005, zuletzt geändert durch Art. 5 GKVArzneimittelversorgungsstärkungsG v. 04.05.2017 (BGBl. I S. 1050). 312 Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktgesetz) i. d. F. v. 07.08.2002, zuletzt geändert durch Art. 18 Gesetz zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung v. 27.06.2017 (BGBl. I S. 1966). Vgl. zu den Ermächtigungsgrundlagen des AMG und des MPG Haussühl, Produktwarnung, S. 103. 313 Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz) i. d. F. v. 01.09.2012, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 34 Gesetz zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes v. 07.08.2013 (BGBl. I S. 3154). 314 BT-Drs. 15/3657, S. 56 f. Ausführlich zur Gesetzgebungskompetenz unter E. III. 2. b). 315 So auch Schoch, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (132).

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formationsinhalt zu äußern.316 Dieser aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art.  20 Abs.  3  GG folgende Anspruch auf rechtliches Gehör bietet einen vorgelagerten Rechtsschutz und dient der lückenlosen Aufklärung des Sachverhalts noch vor dessen Publikation.317 Der von einer potenziellen Information Betroffene erhält damit die Möglichkeit, auf die Behördenentscheidung einzuwirken, vor allem aber einstweiligen Rechtsschutz zur Verhinderung der Veröffentlichung in Anspruch zu nehmen.318 Dem kommt eine erhebliche Bedeutung zu, da einmal (online) veröffentlichte Informationen nicht mehr zurückgenommen werden können und sich die mittelbaren nicht mehr zu revidierenden Folgen für den Betroffenen nicht im Vorhinein abschätzen lassen.319 Ein in die Ermächtigungsgrundlage zur staatlichen Informationsveröffentlichung aufgenommener Passus zur Ermöglichung einer vorherigen Stellungnahme kann dabei inhaltlich dem in § 28 VwVfG geregelten Erfordernis zur (möglichen) Anhörung vor Erlass eines Verwaltungsakts entsprechen; dies gilt sowohl in Bezug auf die Notwendigkeit der vorherigen Möglichkeit zur Einlassung als auch im Hinblick auf deren Entbehrlichkeit im Einzelfall.320 bb) Bestimmtheitsgrundsatz Der ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundsatz der Bestimmtheit verlangt die präzise Formulierung von Gesetzen, damit die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und dieser sein Verhalten entsprechend ausrichten und anpassen kann.321 Das Bestimmtheitserfordernis ist damit die notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts.322 Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Norm sind von dem jeweiligen Regelungsgegenstand und der 316

T. Engel, Informationstätigkeit, S. 231; von Danwitz, in: Streinz, Verbraucherinformation, S.  83 (91 ff.); Ossenbühl, Umweltpflege, S.  68 ff.; R.  Schmidt, Informationshandeln, S. 147; Seemann, Produktinformation, S. 160 f. 317 Von Danwitz, in: Streinz, Verbraucherinformation, S. 83 (92); Philipp, Verbraucherinfor­ mation, S.  228; R.  Schmidt, Informationshandeln, S.  146; Seemann, Produktinformation, S. 160. 318 Ossenbühl, Umweltpflege, S. 69; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 147 f. 319 Rossi, Informationszugangsfreiheit, S. 165; Schoch, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (129); veröffentlichte Informationen gar als „ebenso irreversibel wie die Todesstrafe“ bezeichnend Krause, Rechtsformen, S. 331; überzeugende(er) ist jedoch die Metapher von v. Lewinski, wonach veröffentlichte Informationen „wie ein entflogener Vogelschwarm kaum wieder einzufangen“ seien, ders., in: Dreier et. al., Informationen der öffentlichen Hand, S. 437 (454); ebenfalls darauf hinweisend, dass sich das Internet nur unvollkommen regulieren lasse, ders., RW 2010, 70 (72). 320 Philipp, Verbraucherinformation, S. 228; Seemann, Produktinformation, S. 161; vgl. ausführlich zur analogen Anwendung des § 28 VwVfG bei fehlender gesetzlicher Regelung T. Engel, Informationstätigkeit, S. 231 ff.; Ossenbühl, Umweltpflege, S. 68 ff.; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 146. 321 BVerfGE 31, 255 (264); 110, 33 (53); 131, 88 (123); 134, 141 (184); Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 332; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 R Rn. 129. 322 BVerfGE 58, 257 (278); 80, 103 (107).

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Eingriffsintensität der staatlichen Maßnahme abhängig.323 Um den mannigfaltigen Lebenssachverhalten gerecht zu werden, ist die Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen auf Tatbestandsseite sowie die Einräumung von Ermessensspielräumen für den Rechtsanwender auf Rechtsfolgenseite zulässig;324 maßgeblich ist, dass die Norm einer Auslegung fähig ist.325 Die Ermächtigungsgrundlagen für Warnungen und Verbraucherinformationen müssen demnach festlegen, welche Behörde für die Informationsmaßnahme zuständig ist, worin der Anlass für eine Veröffentlichung besteht, auf welche Produkte sich die Informationen beziehen und wie ein möglicherweise vorgeschaltetes Verfahren ausgestaltet ist.326 Für die Ermächtigung zur Warnung stellt die von dem Lebensmittel ausgehende Gesundheitsgefahr die entscheidende Tatbestandsvoraussetzung dar, bei deren Vorliegen das Produkt bereits nicht verkehrsfähig ist.327 Die detaillierten lebensmittelrechtlichen Bestimmungen geben hierbei vor, welche Anforderungen ein Lebensmittel wahren muss, um keine Gefahr für die Konsumenten darzustellen. Der Hersteller kann daher bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben das Risiko einer behördlichen Warnung absehen bzw. minimieren. Anders stellt sich die Situation demgegenüber bei Verbraucherinformationen über Produkte dar, die nach den lebensmittelrechtlichen Regelungen verkehrsfähig sind.328 Hier muss der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage eindeutig gefasst sein, damit sich der Hersteller auf potenzielle Informationsveröffentlichungen – unter Umständen auch unabhängig von der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorgaben – einrichten kann. cc) Verhältnismäßigkeitsprinzip Die gesetzlichen Ermächtigungen zum hoheitlichen Informationshandeln müssen zudem das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Übermaßverbot) als die zentrale materielle Vorgabe im Bereich des Rechtsstaatsprinzips wahren.329 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip sichert die Begrenzung des staatlichen Handelns, indem eine 323

BVerfGE 48, 210 (221 f.); 58, 257 (274); 59, 104 (114); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 60. 324 BVerfGE 49, 168 (181); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 65; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 141. 325 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 62. 326 T. Engel, Informationstätigkeit, S. 228; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 142 f.; Philipp, Verbraucherinformation, S. 207 f., die in Bezug auf den Spielraum der Verwaltung bei der Bewertung nicht verkehrsfähiger Produkte die besondere Bedeutung einer Regelung über Organisation und Verfahren hervorhebt. 327 Vgl. § 5 LFGB i. V. m. § 14 Abs. 2 BasisVO. 328 Zur Differenzierung zwischen Äußerungen über die Verkehrsfähigkeit eines Produkts oder anderer Eigenschaften Philipp, Verbraucherinformation, S. 206 ff. 329 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 107; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 R Rn. 179.

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grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahme des Staates einen benennbaren Zweck haben muss, an dem sie sich nach Umfang und Ausmaß messen lässt.330 Der Staat muss mit der jeweiligen Maßnahme einen legitimen Zweck verfolgen, das eingesetzte Mittel muss zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich sein und zwischen dem Zweck der Maßnahme und der Beeinträchtigung für den Einzelnen muss ein ausgewogenes Verhältnis bestehen.331 Während eine staatliche Lebensmittelwarnung allein die Abwehr einer Gesundheitsgefahr bezweckt, kommen für Verbraucherinformationen eine Vielzahl von verfolgten Zielen in Betracht, wie etwa die Aufklärung und aktive Einbindung der Verbraucher oder die Ermittlung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs. Ob diese Ziele legitim sind und die Informationsmaßnahme hierfür ein geeignetes Mittel darstellt, ist im jeweiligen Einzelfall zu untersuchen. Im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit ist entscheidend, dass der verfolgte Zweck nicht durch ein gleich wirksames, für die Betroffenen weniger beschränkendes Mittel erreichbar ist.332 Für Lebensmittelwarnungen folgt hieraus der Vorrang herstellereigener Maßnahmen als milderes Mittel, denn diese besitzen aufgrund eines gezielteren Einsatzes nicht die für staatliche Informationen typische unberechenbare Breitenwirkung.333 Auf Tatbestandsebene der gesetzlichen Grundlage ist daher die staatliche Veröffentlichung davon abhängig zu machen, dass gleich wirksame, aber weniger belastende eigene Maßnahmen des Lebensmittelunternehmers keinen Erfolg versprechen.334 Ob anstelle einer Verbraucherinformation eine mildere gleich effektive Maßnahme in Betracht kommt, ist aufgrund der Vielzahl der Sachverhaltskonstellationen wiederum eine Frage des Einzelfalls, die sich nicht abstrakt beantworten lässt.335 Auf der Stufe der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (auch als Grundsatz der Angemessenheit, Zumutbarkeit oder Proportionalität bezeichnet) erfolgt eine Güterabwägung zwischen der Schwere des Grundrechtseingriffs und der Bedeutung des mit der staatlichen Informationsmaßnahme verfolgten Zwecks.336 Es ist ein Ausgleich zwischen den Individual- und Allgemeininteressen vorzunehmen.337 Bei diesem stehen auf der einen Seite das Informationsinteresse der Verbraucher und auf der anderen Seite das Interesse der durch eine Information mittelbar Betrof 330

Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 107. Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 297, 307; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 R Rn. 180. 332 Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 303; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 R Rn. 183. 333 von Danwitz, in: Streinz, Verbraucherinformation, S. 83 (93); T. Engel, Informationstätig­ keit, S. 243; Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 89; R. Schmidt, Informationshandeln, S. 144. 334 R. Schmidt, Informationshandeln, S. 144. 335 So auch R. Schmidt, Informationshandeln, S. 144. 336 Kingreen / Poscher, Staatsrecht  II, Rn.  307 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd.  II, Art. 20 R Rn. 184. 337 BVerfGE 100, 313 (376); 113, 348 (382); 133, 277 (322). 331

102

D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

fenen (z. B. Lebensmittelunternehmen, Gastronomen).338 Hierbei ist zu beach­ten, dass bei Verbraucherinformationen allein die Interessen der Unternehmen grundrechtlich über Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt sind, das Informationsinteresse der Verbraucher mit dem Ziel, Markttransparenz zu schaffen, hingegen keine verfassungsrechtliche Grundlage hat.339 c) Zwischenergebnis Informationsveröffentlichungen des Staates, die in Grundrechte eingreifen, bedürfen einer formalgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Die Konstruktion des BVerfG, dass sich aus der Aufgabe zur Staatsleitung gemäß Art. 65 GG zugleich die Ermächtigung der Bundesregierung zu Informationsmaßnahmen ergebe, ist mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts nicht zu vereinbaren, auf Informa­ tionsinstrumente der Verwaltungspraxis nicht übertragbar und folglich im Ergebnis abzulehnen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass gesetzliche Ermächtigungen für Warnungen und Verbraucherinformationen den Betroffenen verfahrensrechtlich die Möglichkeit zur Stellungnahme vor der Publikation einräumen und im Übrigen auf Tatbestands und Rechtsfolgenseite ausreichend bestimmt und verhältnismäßig ausgestaltet sein müssen. Die Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Anforderungen kann sich bei gesetzlichen Ermächtigungen für staatliche Verbraucherinformationen als schwierig erweisen, da diese, anders als Warnungen, tatbestandlich nicht an das Vorliegen einer Gefahr anknüpfen. Unter welchen Voraussetzungen eine Verbraucherinformation über verkehrsfähige Produkte erfolgen darf, ist daher in der Ermächtigung präzise zu bestimmen.

III. Ergebnis Unmittelbar aus der Verfassung ergibt sich keine staatliche Pflicht zu einem aktiven Informationshandeln. Es besteht vielmehr ein weiter Entscheidungsspielraum, wie der Staat seinen grundrechtlichen Schutzverpflichtungen gegenüber den Konsumenten nachkommen möchte und ob hoheitliche Informationen hierfür als Maßnahmen in Betracht kommen. Dabei weisen staatliche Warnungen und Verbraucherinformationen aufgrund ihrer nicht kalkulierbaren mittelbaren Auswirkungen auf die benannten Produkte und Unternehmen eine erhebliche Grundrechtsrelevanz auf. Die hierzu vom BVerfG in den Beschlüssen „Osho“ und „Glykol“ entwickelte verfassungsrechtliche Dogmatik überzeugt jedoch nicht und ist zudem auf die aktuellen Formen behördlichen (Internet-)Informationshandelns nicht übertragbar. 338

Seemann, Produktinformation, S. 162; Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (13). Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 91, vgl. hierzu bereits unter D I. 3. 339

III. Ergebnis

103

Anders als noch zu Zeiten des „Glykol“-Skandals im Jahr 1985 erfolgt die Veröffentlichung der lebensmittelbezogenen Informationen nämlich nicht mehr durch die Bundesregierung in Papierform, sondern vielmehr durch die jeweiligen (Landes-) Behörden unter Nutzung des Internets. Durch die heutigen Informationen können neben der Berufsfreiheit auch die Eigentumsfreiheit in Form des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der allgemeine Gleichheitssatz und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung berührt sein. Speziell letzteres Grundrecht gewinnt für die verfassungsrechtliche Bewertung der aktuellen in der Verwaltungspraxis entwickelten Informationsportale an Bedeutung. Die Bezeichnung „Wettbewerbsfreiheit“ für die durch staatliche Informationen berührten Grundrechte ist bei alldem zu vermeiden, da sie nicht geeignet ist, den Schutzgehalt der betroffenen Grundrechte differenziert zu erfassen. Den Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Betrachtung bildet auch dieser Tage die Frage, wann hoheitliche Informationen als Grundrechtseingriff zu qualifizieren sind. Während sich die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in Ansehung der „Glykol“- und „Osho“-Beschlüsse des BVerfG an dem Vorliegen eines funktionalen Eingriffsäquivalents orientiert, greift das juristische Schrifttum auf eine Fülle von Eingriffsmerkmalen zurück, wie beispielsweise die Intensität, die Unmittelbarkeit und die Finalität einer staatlichen Veröffentlichung. Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich beide Ansätze kombinieren lassen, indem für die Definition eines funktionellen Eingriffsäquivalents auf die Finalität als das tauglichste Kriterium zur Bestimmung eines Eingriffs in die Berufs- und Eigentumsfreiheit abgestellt wird. Um auch die heutigen Verbraucherinformationen auf Lebensmittelinformationsportalen erfassen zu können, die sich – anders als die klassische Lebensmittelwarnung – nicht in dem primären Ziel erschöpfen, den Verbraucher zu dem Verzicht des genannten Produkts anzuhalten, ist das Finalitätskriterium in ein voluntatives und in ein kognitives Element zu unterteilen. Informationsveröffentlichungen stellen hiernach einen Grundrechtseingriff dar, wenn der Staat die mittelbaren nachteiligen Auswirkungen auf Dritte entweder gezielt verfolgt (voluntativ final) oder diese jedenfalls voraussehen konnte und in Kauf genommen hat (kognitiv final). Die Voraussehbarkeit und Inkaufnahme der nachteiligen Auswirkungen auf Dritte ist dann gegeben, wenn die staatliche Information eine Wertung über ein bestimmtes Produkt bzw. ein Unternehmen enthält. Zu beachten ist, dass die Eingriffsbestimmung stets schutzbereichsbezogen vorzunehmen ist. Insbesondere bei dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darf nicht allein auf die drittbeeinträchtigende Wirkung einer Maßnahme abgestellt werden, da der Eingriff bereits in der Veröffentlichung personenbezogener Daten besteht und nicht erst in deren mittelbaren Drittwirkung. Der Fokus liegt bei diesem Grundrecht daher auf dem Vorliegen personenbezogener Daten respektive der Frage, ob auch juristische Personen des Privatrechts dem Schutzbereich unterfallen.

104

D. Verfassungsrechtliche Einordnung 

Wenn eine behördliche Informationsmaßnahme in ein Grundrecht eingreift, ist eine formalgesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Dabei muss die gesetzliche Ermächtigung dem drittbetroffenen Unternehmen verfahrensrechtlich eine vorherige Äußerungsmöglichkeit einräumen und aus inhaltlicher Sicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und die Verhältnismäßigkeit wahren. Dies birgt für die Ausgestaltung von Ermächtigungsgrundlagen für Verbraucherinformationen Schwierigkeiten, da Letztere – im Gegensatz zu Warnungen – nicht an das Vorliegen einer Gefahr anknüpfen, sodass der Tatbestand und die Rechtsfolge besonders deutlich zu formulieren sind.

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen: Unionsrechtlicher Rahmen und Verfassungsmäßigkeit Die derzeit bestehenden einfachgesetzlichen Vorgaben für lebensmittelbezogene Publikationen der Behörden finden sich im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch sowie dem Verbraucherinformationsgesetz. Während § 40  LFGB sowohl zu der Veröffentlichung von Warnungen als auch zu Verbraucherinformationen ermächtigt, besteht bei § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG Uneinigkeit darüber, ob die Vorschrift überhaupt eine Ermächtigungsgrundlage für das behördliche Informationshandeln darstellt. Ausnehmende Bedenken bestehen zudem an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen. In Anbetracht der europarechtlichen Determination des nationalen Lebensmittelrechts ist darüber hinaus deren Vereinbarkeit mit dem europäischen Primär- und Sekundärrecht fraglich. Neben diesen rechtlichen Schwierigkeiten sind ferner die aktuellen gesetzgeberischen Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene zu betrachten. Mit der europäischen Verordnung über amtliche Kontrollen (im Folgenden: KontrollVO n. F.)1 sowie dem nordrhein-westfälischen Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz (im Folgenden: KTG NRW)2 bestehen nun erstmals rechtliche Grundlagen für die Veröffentlichung von vergleichenden amtlichen Lebensmittelkontrollergebnissen.

1 Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999/2001, (EG) Nr. 396/2005, (EG) Nr. 1069/2009, (EG) Nr. 1107/2009, (EU) Nr. 1151/2012 UND (EU) Nr. 652/2014, (EU) 2016/429 und (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rats, der Verordnungen (EG) Nr. 1/2005 und (EG) Nr. 1099/2009 des Rats sowie der Richtlinien 98/58/EG, 1999/74/EG, 2007/43/EG, 2008/119/EG und 2008/120/EG des Rats und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 854/2004 und (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats, der Richtlinien 89/608/EWG, 89/662/EWG, 90/425/EWG, 91/496/ EEG, 96/23/EG, 96/93/EG und 97/78/EG des Rats und des Beschlusses 92/438/EWG des Rats (Verordnung über amtliche Kontrollen); vgl. Fassung v. 15.03.2017, PE-CONS 1/17. 2 Gesetz zur Bewertung, Darstellung und Schaffung von Transparenz von Ergebnissen amtlicher Kontrollen in der Lebensmittelüberwachung (Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz) v. 07.03.2017, Gesetz- und Verordnungsblatt NRW S. 334.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

I. § 40 LFGB Mit § 40  LFGB wurde in Ausgestaltung von Art.  10  VO  (EG)  Nr.  178/2002 (BasisVO)3 im Jahr 2005 erstmalig eine Regelung für die staatliche Information der Öffentlichkeit im Lebensmittelbereich geschaffen.4 Während Art. 10 BasisVO einzig die Information der Öffentlichkeit im Falle des hinreichenden Verdachts eines Gesundheitsrisikos durch ein Lebensmittel5 regelt, geht § 40 LFGB über diesen Regelungsumfang hinaus, indem auch weitere Fallgruppen jenseits der Gesundheitsgefährdung erfasst werden, die zu behördlichen Informationsmaßnahmen ermächtigen.6 In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber § 40 LFGB aufgrund verschie­ dener Lebensmittelskandale mehrmals geändert und deutlich verschärft. So wurde zunächst infolge der Skandale um sogenanntes Ekel- und Gammelfleisch im Jahr 2007 die ursprünglich als „Kann“-Vorschriften ausgestalteten Tatbestände des § 40 LFGB in „Soll“-Vorschriften geändert.7 Die wohl umstrittenste Verschärfung betrifft den 2012 geschaffenen Absatz 1a, den der Gesetzgeber angesichts der kennzeichenrechtlichen Problematik um Analogschinken und Käseimitate8 sowie der 3 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 28.01.2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (BasisVO), zuletzt geändert durch Art. 118 ÄndVO (EU) 2017/745 v. 05.04.2017 (ABl. Nr. L 117 S. 1). 4 Im LFGB war zunächst keine Regelung zur Ausgestaltung von Art.  10  BasisVO vorgesehen. Eine solche sollte vielmehr im Verbraucherinformationsgesetz festgelegt werden. Da ein entsprechender Entwurf jedoch im Bundesrat scheiterte, wurde die Regelung zur Information der Öffentlichkeit in das Gesetzgebungsverfahren zum LFGB eingebracht und in § 40 LFGB niedergelegt; vgl. Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 5 f.; Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 1 f. 5 „Lebensmittel“ sind legal definiert als alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden; vgl. § 2 Abs. 2 LFGB i. V. m. Art. 2 BasisVO. 6 Schnall, in: Streinz, LebensmittelR-Hdb, III Rn. 221. Ausführlich zum Gesetzgebungsverfahren und der Entstehungsgeschichte des § 40  LFGB Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 5 ff.; Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 1 ff.; Schoch, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (133 ff.), sowie Seemann, Produktinformation, S. 95 ff. 7 BR-Drs. 273/07, S. 7, S. 14 und S. 29. 8 Als Analogschinken werden zusammengefügte Fleischstücke (sog. Formfleisch) bezeichnet, die nicht aus am Stück gewachsener Muskulatur des Schweins bestehen. Käseimitat (auch Analogkäse) besteht nicht oder nur zu einem geringen Anteil aus Milch. Statt des bei Käse (vgl. § 1 Abs. 1 KäseV) verwendeten Milchfetts werden bei Käseimitaten tierische oder pflanzliche Fette verwendet. Schinken und Käseimitat werden vorwiegend in der Gastronomie für Fertiggerichte, Pizzen und Backwaren genutzt. Mit der Änderung der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) ist nunmehr seit dem 13.12.2014 festgelegt worden, dass bei Produkten mit Analogkäse ein Hinweis auf die ersetzten Bestandteile (Anhang VI Nr. 4 LMIV, etwa „aus Pflanzenfett hergestellt“) und bei Schinkenimitat der Hinweis „aus Fleischstücken zusammengefügt“ (Anhang VI Nr. 7 LMIV) angebracht sein muss.

I. § 40 LFGB

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Geschehnisse um die Dioxinkrise9 im Jahr 2011/2012 in § 40 LFGB einfügt hat.10 Demnach sind die Behörden verpflichtet, bei Grenzwertüberschreitungen, Verbrauchertäuschungen sowie Hygienemissständen mit zu erwartender Bußgeldverhängung die Öffentlichkeit zu informieren. Die jüngste Anpassung der Regelung erfolgte im Jahr 2013 und ging ebenfalls auf einen Lebensmittelskandal zurück, namentlich auf die Geschehnisse um vorverpacktes nicht deklariertes Pferdefleisch (sog. Pferdefleischskandal).11 Aufgrund dieses Skandals erfolgte, ergänzend zu dem bereits bestehenden Absatz 1a, eine Erweiterung des § 40 Abs. 1 S. 2 LFGB durch die Einfügung der Nr. 4a.12 Danach soll eine behördliche Information auch bei Verbrauchertäuschungen in erheblichem Ausmaß erfolgen. Die Entstehungsgeschichte der Norn verdeutlicht, dass die Tatbestandsänderungen und -erweiterungen der letzten Jahre infolge der verschiedenen Lebensmittelskandale rein anlassbezogen erfolgt sind. Dies hat zu einer unübersichtlichen Vielzahl von Tatbeständen geführt und wirft die Frage nach den unionsrechtlichen Vorgaben sowie der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift auf. 1. Regelungsgehalt des Normkomplexes Bereits in der Ursprungsfassung des mit „Information der Öffentlichkeit“ überschriebenen § 40 LFGB hat der Gesetzgeber nicht zwischen Warnungen zur Gefahrenabwehr und Informationen zum Täuschungsschutz der Verbraucher differenziert.13 Mit den in den Folgejahren anlassbezogenen Änderungen, zurückgehend auf die zahlreichen mit hohem Medieninteresse verfolgten Lebensmittelskandale, sind die Informationsbefugnisse ohne Gefahrenbezug immer weiter ausgebaut worden. Dies hat dazu geführt, dass der heutige § 40  Abs.  1  LFGB neben der klassischen Lebensmittelwarnung auch behördliche Informationen zum Schutz vor ekelerregenden – aber nicht gesundheitsgefährdenden – Lebensmitteln sowie Veröffentlichungsbefugnisse zum Täuschungsschutz enthält.14

9

Die Dioxinkrise bezieht sich auf erhöhte – allerdings nicht gesundheitsgefährdende – Dioxinmengen in Eiern und Fleisch zu Beginn des Jahrs 2011. Die Dioxinbelastung war darauf zurückzuführen, dass Geflügel, Schweinemast, Legehennen und Milcherzeugungsbetriebe verunreinigte Futtermittel bezogen und verfüttert hatten; vgl.  Grube, LMuR 2011, 21 ff.;­ Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 30. 10 BT-Drs. 17/7374, S. 10, 13. Ausführlich zur BasisVO und zu der Entstehungsgeschichte des Art. 10 BasisVO Seemann, Produktinformation, S. 27 ff. 11 BT-Drs. 17/12527, S. 9 f.; Schnall, in: Streinz, LebensmittelR-Hdb, III Rn. 224. 12 BT-Drs. 17/12527, S. 10. 13 Bereits in der ersten Fassung v. 01.09.2005 bestand neben der Ermächtigung zur Warnung nach § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB a. F. mit § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2b LFGB a. F. eine im Ermessen der Behörde stehende Befugnis zur Information der Öffentlichkeit bei Vorliegen des hinreichenden Verdachts einer Verbrauchertäuschung. 14 Möstl, LMuR 2015, 185 (186 f.).

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Die Informationsveröffentlichung nach § 40 Abs. 1 LFGB ist grundsätzlich verbindlich („Die zuständige Behörde soll […] informieren“/„Eine Information […] soll […] erfolgen“). Allein in atypischen Einzelfällen liegt es im insoweit bestehenden behördlichen Dispensermessen, von dieser Rechtsfolge abzuweichen.15 Eine zwingende Veröffentlichung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen sieht hingegen § 40 Abs. 1a LFGB vor („Die zuständige Behörde informiert […]“); ein Dispensermessen besteht hier nicht. Anhand dieser rechtsfolgenorientierten Untergliederung findet sich nachfolgend ein Überblick über die verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen des § 40 LFGB. a) § 40 Abs. 1 LFGB § 40  Abs.  1  LFGB enthält sieben Tatbestände, die zum Informationshandeln ermächtigen.16 Liegen die jeweiligen Voraussetzungen vor, veröffentlicht die zuständige Behörde die Bezeichnung des betroffenen Lebensmittels, den Namen oder die Firma des Lebensmittelunternehmens und gegebenenfalls auch denjenigen des Inverkehrbringers. Eine Abwägung der Belange der Betroffenen mit dem Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung ist nach § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB allein für die Tatbestände der Nr. 3, 4, 4a und 5 vorgesehen. Im Umkehrschluss bedarf es damit für die in § 40 S. 1, S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LFGB enthaltenen Ermächtigungen keiner gesonderten Interessenabwägung; hier ist das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Veröffentlichung ausreichend. Gegenüber dem noch genauer zu untersuchenden § 40 Abs. 1a LFGB ist § 40 Abs. 1 LFGB dabei für Gesundheitsgefährdungen als lex specialis zu qualifizieren.17 aa) § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, 2 LFGB Den Grundtatbestand des Regelungskomplexes bildet § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB, der die zuständige Behörde nach Maßgabe von Art. 10 BasisVO zum Informationshandeln zur „Gefahrenabwehr“ verpflichtet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen ergeben sich aufgrund dieser Bezugnahme aus Art. 10 BasisVO,18 wonach die Behörden geeignete Schritte zur Aufklärung der Öffentlichkeit unternehmen,

15

Bullinger, JZ 1984, 1001 (1007 f.); Honegg, Verbraucherinformation, S. 198; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 40 Rn.  26; Zellner, in: Böhm / Freund / Voit, Information, S. 25 (29). 16 Da nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4a LFGB das Wort „oder“ fehlt, ist der Wortlaut der Norm missverständlich. Dem Gesamtkontext ist allerdings zu entnehmen, dass es sich um verschiedene Tatbestände handelt; vgl. Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 6. 17 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 29 Fn. 40. 18 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 34; Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 13; Seemann, Produktinformation, S. 117.

I. § 40 LFGB

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wenn der hinreichende Verdacht besteht, dass ein Lebens- oder Futtermittel ein „Risiko für die Gesundheit“ darstellt. Die nationale Vorschrift stellt demnach auf das Vorliegen einer Gefahr ab, mithin nach deutschem Sicherheitsrecht auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts an geschützten Rechtsgütern.19 Demgegenüber verlangt der unionsrechtliche Tatbestand den hinreichenden Verdacht eines Gesundheitsrisikos. Die Basisverordnung legt hierbei den Begriff des „Risikos“ allein auf abstrakt-genereller Ebene fest; zur Bewertung, ob risikobegründende Tatsachen vorliegen, sind zusätzlich der Schutzzweck und der materielle Gehalt der jeweiligen Vorschrift heranzuziehen.20 Im Rahmen der Basisverordnung ist ein Risiko definiert als „eine Funktion der Wahrscheinlichkeit einer die Gesundheit beeinträchtigenden Wirkung und der Schwere dieser Wirkung als Folge der Realisierung einer Gefahr“.21 Diese Definition ist in Zusammenhang mit dem Grundsatz der Risikoanalyse nach Art. 6 Abs. 2 ­BasisVO zu sehen,22 nach der die Risikobewertung auf den verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und in unabhängiger, objektiver und transparenter Art und Weise durchzuführen ist. Dieser abstrakte Regelungsgehalt ist in einer Einzelfallprüfung auf Art. 10 BasisVO unter der Maßgabe anzuwenden, dass die Vorschrift die Handhabung von Einzelfällen durch die Verwaltung betrifft.23 Nach alldem liegt ein Gesundheitsrisiko im Sinne von Art. 10 BasisVO vor, wenn aufgrund des Verzehrs eines Lebensmittels eine Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; der Risikobegriff des Art. 10 BasisVO entspricht damit weitgehend dem Gefahrenverständnis des deutschen Sicherheitsrechts.24 Mit der Regelung des § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB besteht daher, trotz der von Art.  10  BasisVO divergierenden Wortwahl, keine inhaltliche Abweichung. Zu beachten ist schließlich, dass für Art. 10 BasisVO – und damit auch für § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB – bereits ein „hinreichender Verdacht“ eines Gesundheitsrisikos ausreicht.25 Ein solcher liegt vor, wenn der Eintritt eines

19

Gusy, Polizei- und Ordnungsrechtrecht, Rn. 108. Grube, LMuR 2011, 21 (24); Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 5. 21 Vgl. Art. 3 Nr. 9 BasisVO; der Begriff „Gefahr“ ist wiederum definiert als „ein biologisches, chemisches oder physikalisches Agens in einem Lebensmittel oder Futtermittel oder ein[en] Zustand eines Lebensmittels oder Futtermittels, der eine Gesundheitsbeeinträchtigung verursachen kann“; vgl. Art. 3 Nr. 14 BasisVO. Der Gefahrenbegriff der BasisVO stellt demnach auf den abstrakt gesundheitsgefährdenden Zustand eines Lebensmittels ab und damit, anders als im deutschen Sicherheitsrecht, nicht auf einen wahrscheinlichen Schadenseintritt an geschützten Rechtsgütern. 22 Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 14; Voit, LMuR 2012, 9 (14). 23 Grube, LMuR 2011, 21 (24); Wehlau, LFGB, § 40 Rn. 19. 24 Abbé, Verbraucherschutz, S. 166; Grube, LMuR 2011, 21 (24); Pache / Meyer, in: Meyer /  Streinz, § 40 LFGB Rn. 14; Seemann, Produktinformation, S. 39 f.; Wegmer, Informationstätigkeit, S. 128; Wehlau, LFGB, § 40 Rn. 19. 25 Honegg, Verbraucherinformation, S. 197 f.; Schnall, in: Streinz, LebensmittelR-Hdb, III Rn. 225; Seemann, Produktinformation, S. 117 f. 20

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Gesundheitsrisikos aufgrund vernünftiger, auf Tatsachen gestützter Gründe für den Menschen wahrscheinlich ist.26 Über den Anwendungsbereich von Art.  10  BasisVO hinausgehend, der allein für gesundheitsriskante Lebensmittel oder Futtermittel gilt, bezieht § 40  Abs.  1 S. 2 Nr. 1 LFGB auch kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände ein.27 Wenn der hinreichende Verdacht besteht, dass von diesen ein Gesundheitsrisiko für den Menschen ausgeht, sind die Behörden zum Informationshandeln ermächtigt. § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LFGB stellt ebenfalls eine Erweiterung der Informationsbefugnisse im Vergleich zu Art. 10 BasisVO dar. Nach dieser Regelung soll eine Veröffentlichung bei dem hinreichenden Verdacht eines Verstoßes gegen Vorschriften im Anwendungsbereich des Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuchs erfolgen, die auf den Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen abzielen. Der „hinreichende Verdacht“ eines Normverstoßes ist folglich bereits für eine behördliche Veröffentlichung ausreichend;28 die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Gesundheitsgefahr muss – anders als bei § 40 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 LFGB – indes nicht bestehen.29 Damit wird der Anknüpfungspunkt an die durch ein Lebensmittel bestehende Gefahrenlage als Voraussetzung der behördlichen Publikation gelockert, wenn nicht sogar vollständig aufgelöst.30 Besteht etwa der Verdacht oder überschreitet ein Lebensmittel tatsächlich die festgesetzten Höchstmengen für Pflanzenschutzmittel, ist die Behörde zur Informationsveröffentlichung verpflichtet, unabhängig von einer hierdurch bestehenden Gesundheitsgefahr für die Verbraucher. Eine auf § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LFGB beruhende Informationsmaßnahme ist daher nach der dieser Arbeit zugrundeliegenden Terminologie als Verbraucherinformation und – insoweit anders als § 40 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 LFGB – nicht als Warnung zur Gefahrenabwehr einzustufen.31 Vor diesem Hintergrund verdient die Regelung des § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB Kritik, die allein für § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 bis 5 LFGB eine zusätzliche Interessenabwägung 26

Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 15, Art. 10 BasisVO Rn. 19 ff.; Rathke, in: Zipfel / Rathke, Art. 10 BasisVO Rn. 10; Voit, LMuR 2012, 9 (14 f.); Wehlau, LFGB, § 40 Rn. 20, der auch auf die englische Sprachfassung „reasonable grounds to suspect“ verweist. 27 Gem. § 2 Abs. 5 LFGB sind „kosmetische Mittel“ definiert als „Stoffe oder Gemische aus Stoffen, die ausschließlich oder überwiegend dazu bestimmt sind, äußerlich am Körper des Menschen oder in seiner Mundhöhle zur Reinigung, zum Schutz, zur Erhaltung eines guten Zustandes, zur Parfümierung, zur Veränderung des Aussehens oder dazu angewendet zu werden, den Körpergeruch zu beeinflussen“. Vgl. zur Legaldefinition von Bedarfsgegenständen § 2 Abs. 6 LFGB. 28 Dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen insbesondere §§ 9, 10, 17, 26, 30 LFGB; vgl. Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 17. 29 Möstl, LMuR 2015, 185 (187, Fn.  21); Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40  LFGB Rn.  9 f.; Wehlau, LFGB, § 40 Rn. 34. 30 Möstl, LMuR 2015, 185 (187). 31 In diese Richtung auch Wegmer, der sämtliche Ermächtigungsgrundlagen nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ff. LFGB als „schlichte Verbraucherinformation“ erfasst; vgl. ders., Informationstätigkeit, S. 130.

I. § 40 LFGB

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vorsieht. Damit unterstellt der Gesetzgeber für die Tatbestände des § 40  Abs.  1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Nr. 2 LFGB das Vorliegen eines öffentlichen Interesses.32 Dies ist für Warnungen zur Gefahrenabwehr nach § 40 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 LFGB aufgrund der hohen Bedeutung des Gesundheitsschutzes schlüssig,33 überzeugt allerdings nicht für Informationsmaßnahmen, die auf der Tatbestandsebene keine (potenzielle) Gefahrenlage für die menschliche Gesundheit voraussetzen. bb) § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 bis 5 LFGB § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LFGB betrifft Fälle der vorgelagerten Risikovorsorge.34 Eine Information der Öffentlichkeit durch die Behörde soll erfolgen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für die von einem Erzeugnis35 ausgehende Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit vorliegen und sich die bestehende Unsicherheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit beseitigen lässt. Die Vorschrift nimmt das Vorsorgeprinzip des Art. 7 Abs. 1 BasisVO auf, nach dem Risikomaßnahmen zur Erhaltung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus auch dann getroffen werden können, wenn gesundheitsschädliche Auswirkungen möglich erscheinen, diesbezüglich allerdings noch Unsicherheitsfaktoren bestehen. Tatbestandlich bezieht sich die Regelung auf eine Gefährdung nicht nur der „Gesundheit“, sondern auch der „Sicher­heit“, womit die Gefährdung der Lebensmittelsicherheit aufgrund konkreter Gesundheitsgefahren im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit. a) BasisVO36 gemeint ist.37 In Abweichung zu dem Erfordernis eines hinreichenden Verdachts im Sinne von Art. 10 BasisVO (i. V. m. § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB) reichen für eine Veröffentlichung nach S. 2 Nr. 3 bereits „hinreichende Anhaltspunkte“ für eine Gefährdung aus. Darunter sind berechtigte Zweifel an der Sicherheit eines Lebensmittels zu verstehen, die unterhalb der Schwelle zum hinreichenden Verdacht angesiedelt sind;38 der 32 Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verbraucherinformation v.  12.08.2011, BT-Drs.  454/11, S.  33; Schnall, in: Streinz, LebensmittelR-Hdb, III Rn. 226. 33 Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 47. 34 Möstl, LMuR 2015, 185 (187). 35 Der Begriff „Erzeugnis“ erfasst Lebensmittel, einschließlich Lebensmittelzusatzstoffe, Futtermittel, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände gem. § 2 Abs. 1 LFGB. 36 Art. 14 Abs. 2 BasisVO lautet: „Lebensmittel gelten als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie a) gesundheitsschädlich sind, b) für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind.“ 37 Grube, LMuR 2011, 21 (30); Wehlau, LFGB, § 40 Rn. 36; a. A. Rathke, der von dem Begriff „Sicherheit“ Gefährdungen von nicht zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln i. S. v. Art. 14 Abs. 2 lit. b BasisVO erfasst sieht; vgl. ders., in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 14. Mit dem Argument, dass die Nichteignung zum Verzehr i. S. v. Art. 14 Abs. 2 lit. b BasisVO bereits von § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 LFGB erfasst sei, betrachtet Seemann § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LFGB als redaktionelles Versehen ohne eigenen Anwendungsbereich neben § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB; vgl. ders., Produktinformation, S. 126 f.; in dieselbe Richtung argumentierend Grube / Immel /  Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 39. 38 Grube, LMuR 2011, 21 (30).

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Wahrscheinlichkeitsgrad der Gefährdung ist damit geringer.39 Darüber hinaus enthält der Tatbestand eine zeitliche Komponente, denn die Unsicherheit über die Gefährdung darf sich nicht innerhalb der „gebotenen Zeit“ beseitigen lassen. Da sich jedoch weder aus dem Wortlaut noch aus dem Normzusammenhang bestimmen lässt, was unter der „gebotenen Zeit“ zu verstehen ist, kann dieses Tatbestandsmerkmal nur im Rahmen der Interessenabwägung nach § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB Berücksichtigung finden.40 Von gesundheitsrelevanten Sachverhalten vollends losgelöst, regelt § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LFGB die Information der Öffentlichkeit bei zum Verzehr ungeeigneten, aber nicht gesundheitsschädlichen Lebensmitteln (sog. Ekelfälle).41 Das Regelungsziel ist folglich nicht mehr der (partielle) Schutz vor Gesundheitsgefahren, sondern der Schutz der Verbraucher vor Täuschungen über die minderwertige Qualität von Lebensmitteln.42 Die Verzehrungeeignetheit eines Lebensmittels ergibt sich aus § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB i. V. m. Art. 14 Abs. 2 lit. b), Abs. 5 BasisVO.43 Demnach ist entscheidend, ob das betroffene Lebensmittel durch Kontamination, Fäulnis, Verderb oder Zersetzung für den menschlichen Verzehr als inakzeptabel anzusehen ist. Nach dem unmittelbar anwendbaren Art. 14 Abs. 2 lit. b) BasisVO gelten derartige für den Verzehr durch den Menschen ungeeignete Lebensmittel – ebenso wie gesundheitsschädliche Lebensmittel – als nicht sicher. Diese Erweiterung des lebensmittelrechtlichen Sicherheitsbegriffs um qualitativ minderwertige, aber gesundheitlich unbedenkliche Produkte verdeutlicht, dass auch der Unionsgesetz­geber im Lebensmittelrecht keine Differenzierung zwischen dem Integritätsinteresse der Verbraucher (bei Gesundheitsgefahren) und dem bloßen Äquivalenzinteresse (bei Qualitätsmängeln) vornimmt.44 Für die Veröffentlichungspflicht sind, im Gegensatz zu den vorangehenden Tatbestandvarianten, hinreichende Anhaltspunkte bzw. der hinreichende Verdacht nicht ausreichend; das ekelerregende Lebensmittel muss vielmehr „in den Verkehr“ gelangt sein bzw. gelangen.45 Um Bagatellfälle auszuschließen, gilt die Informationspflicht nur für ekelerregende Lebensmittel, die sich in „nicht unerheblicher Menge“ (sog. Erheblichkeitsschwelle) oder bei einer nur geringen Menge „für einen längeren Zeitraum“ im Verkehr befanden bzw. befinden.46 Wann eine solche nicht unerhebliche Menge vorliegt, lässt sich nicht quan-

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Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40  LFGB Rn.  15; a. A.  Seemann, der keine inhaltlichen Unterschiede zwischen den Formulierungen „hinreichender Verdacht“ und „hinreichende Anhaltspunkte“ sieht und daher einen eigenständigen Anwendungsbereich von § 40  Abs.  1 S. 2 Nr. 3 LFGB neben § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB verneint; vgl. ders., Produktinformation, S. 125. 40 Grube, LMuR 2011, 21 (30); Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 16. 41 Grube, LMuR 2011, 21 (28); Schnall, in: Streinz, LebensmittelR-Hdb, III Rn. 225. 42 Seemann, Produktinformation, S. 131. 43 Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 20; Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB, Rn. 17. 44 Grube, LMuR 2011, 21 (28); Voit, LMuR 2012, 9 (10). 45 Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 18. 46 Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 21.

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titativ als absoluter Wert festlegen, sondern ist einzelfallabhängig zu bestimmen.47 Bei Lebensmitteln, die wegen ihrer Eigenart diese Erheblichkeitsschwelle nicht erreichen,48 kommt es auf einen (wiederum einzelfallbezogen zu bestimmenden) Vertrieb über einen längeren Zeitraum an.49 Die im Jahr 2013 in Kraft getretene Regelung des § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4a LFGB50 weist ebenfalls keinerlei Bezug zur Gefahrenabwehr auf, sondern bezweckt einzig den Schutz der Verbraucher vor Täuschungen.51 Die Behörde soll informieren, wenn der hinreichend begründete Verdacht besteht, dass in einem nicht unerheblichen Ausmaß gegen Vorschriften im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs verstoßen wurde, die dem Täuschungsschutz der Verbraucher dienen. Anders als in den vorangehenden Tatbestandsvarianten sind nicht hinreichende Anhaltspunkte oder der hinreichende Verdacht auf einen Normverstoß erforderlich, sondern der „durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht“. Diese Formulierung ist aus dem bereits ein Jahr zuvor in Kraft getretenen § 40 Abs. 1a LFGB entnommen. Laut dessen amtlicher Begründung müssen Tatsachen vorliegen, die nach pflichtgemäßer Überzeugung der Behörde den Normverstoß hinreichend begründen. Da die Veröffentlichung weitreichend in den Gewerbebetrieb des Lebensmittelunternehmens eingreife, sei der bloße unaufgeklärte Verdacht eines Verstoßes nicht ausreichend.52 Damit soll der „durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht“ einen nochmals höheren Wahrscheinlichkeitsgrad auf einen Normverstoß als der nur „hinreichende Verdacht“ aufweisen.53 Wie schon bei Nr. 2 ist jedoch auch bei Nr. 4a ein rein formaler Gesetzesverstoß ausreichend; das Vorliegen einer tatsächlichen Irreführung, also einer konkreten Fehlvorstellung der Verbraucher, ist keine Voraussetzung.54 Im Gegensatz zu den vorangehenden Tatbeständen steht § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 LFGB weder mit dem Integritäts- noch mit dem Äquivalenzinteresse der Verbraucher im Zusammenhang, sondern dient dem Schutz der Lebensmittelbranche vor 47

Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 20; Seemann, Produktinformation, S. 130 f. Hierzu zählen etwa Gewürze, da diese – im Vergleich zu Zucker oder Mehl – in nur geringen Mengen vertrieben werden; vgl. Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 22. 49 Von einer nur klarstellenden Funktion dieser Alternative ausgehend Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 22; Seemann, Produktinformation, S. 132. 50 Die Regelung wurde durch Gesetz v. 22.05.2013 (BGBl. I S. 1319) wieder eingefügt. Sie war vormals bereits in § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2b LFGB a. F. enthalten, der jedoch durch Gesetz zum 15.03.2012 (BGBl. I S. 476) gestrichen wurde. 51 Vgl. auch BT-Drs. 17/12527, S. 9 f. 52 Zum Ganzen amtliche Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu § 40 Abs. 1a LFGB BT-Drs. 17/7374, S. 20. 53 Im Gesetzgebungsverfahren zu § 40 Abs. 1a LFGB sprach sich der Bundesrat für eine klarere Formulierung aus und schlug statt „durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht“ die Wendung „wenn sie [die Behörde] durch Tatsachen zu der Überzeugung gelangt ist“ vor; vgl. BR-Drs. 454/1/11 Empfehlung der Ausschüsse, S. 1. 54 Grube, LMuR 2011, 21 (29, noch bezüglich des vormals geltenden und dann gestrichenen Abs. 1 S. 2 Nr. 2b a. F.; vgl. Fn. 536). 48

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

einem Generalverdacht bei einem Fehlverhalten einzelner Akteure.55 Eine Information der Öffentlichkeit soll erfolgen, wenn einzelfallbezogene Umstände die Annahme begründen, dass ohne die Nennung des beanstandeten Erzeugnisses erhebliche Nachteile für die Hersteller oder Vertreiber gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse drohen. Da die Informationsveröffentlichung nur im Einzelfall zulässig ist, muss sie sich auf ein bestimmtes Erzeugnis in einem zeitlich und räumlich abgrenzbaren Geschehen beziehen.56 Dabei liegen „erhebliche“ Nachteile für die Marktbeteiligten nur dann vor, wenn der gesamte Markt in seiner Struktur oder einzelne Wettbewerbsakteure in ihrer Existenz gefährdet sind; eine Beeinträchtigung einzelner Wettbewerber ist für eine behördliche Informationsmaßnahme nicht ausreichend.57 Die Informationsermächtigungen der Nr. 3 bis 5 haben gemein, dass die Behörde bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen zusätzlich nach § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB eine Interessenabwägung vornehmen muss. Bei dieser Abwägung muss sie auf der einen Seite die potenziellen negativen wirtschaftlichen Folgen der Informationsmaßnahme für Dritte und auf der anderen Seite den Wahrscheinlichkeitsgrad sowie das Ausmaß einer Verbrauchergefährdung bzw. nach Nr. 5 die Nachteile der Wettbewerbsbeteiligten berücksichtigen.58 cc) Vorrang unternehmenseigener Informationen, § 40 Abs. 2 LFGB Für alle sieben Ermächtigungsgrundlagen des Abs.  1 gilt gemäß § 40  Abs.  2 S. 1 LFGB als einschränkende Voraussetzung in Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass eine Information der Öffentlichkeit als ultima ratio erst zulässig ist, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere die Information durch die Lebensmittelunternehmer selbst, nicht rechtzeitig möglich sind oder die Verbraucher nicht erreichen.59 Unabhängig davon kann die zuständige Behörde nach § 40 Abs. 2 S. 2 LFGB die Öffentlichkeit jederzeit auf die Informationen und Rücknahme- oder Rückrufaktionen der Unternehmer hinweisen, etwa auf Internetportalen.60 Auf dem Onlineportal www.lebensmittelwarnung.de (im Folgenden:

55 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 44; Schnall, in: Streinz, LebensmittelR-Hdb, III Rn. 225; Seemann, Produktinformation, S. 132. 56 Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 27. Kaum einen praktischen Anwendungsbereich der Vorschrift neben § 40 Abs. 1a LFGB sehend Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 44. 57 Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40  LFGB Rn.  24; Seemann, Produktinformation, S. 133. 58 Grube, LMuR 2011, 21 (31); Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 13b. 59 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 48; Seemann, Produktinformation, S. 137; Voit, LMuR 2012, 8 (11). 60 Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation v. 22.05.2007, BT-Drs. 16/5404, S. 14; Wehlau, LFGB, § 40 Rn. 29.

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„Lebensmittelwarnung“)61 finden sich daher neben behördeneigenen Informationen auch Hinweise auf die Rückrufaktionen von Lebensmittelunternehmen.62 b) § 40 Abs. 1a LFGB § 40 Abs. 1a LFGB normiert eine zwingende Informationspflicht der Behörde ohne Abwägung („Muss“-Tatbestand)63 zum einen bei einem durch Tatsachen64 hinreichend begründeten Verdacht auf eine Überschreitung von gesetzlich festgelegten Grenzwerten, Höchstgehalten oder Höchstmengen (Nr. 1),65 zum andern bei dem Verdacht auf einen Verstoß gegen Hygieneanforderungen und verbraucherschützende Vorschriften (Nr. 2). Die Tatbestandsvariante der Nr. 2 ist dabei dreistufig ausgestaltet und setzt zunächst den hinreichend begründeten Verdacht auf einen Verstoß gegen Vorschriften voraus, die dem Schutz vor Gesundheitsgefährdungen, dem Täuschungsschutz oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen.66 Die zweite Voraussetzung bezieht sich auf die Intensität des Normverstoßes; dieser muss entweder in „nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt“67 erfolgt sein (Erheblichkeits 61

Hierzu sogleich unter E. I. 3. b) aa). Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 43. 63 Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 28; Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (9). 64 Beruhen die Tatsachen auf Proben nach § 39  Abs.  1  S.  2  LFGB, bedarf es mindestens „zweier unabhängiger Untersuchungen“ amtlicher Laboratorien. Insoweit fordernd, dass die Proben von zwei unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Stellen stammen müssten, Kühne / Preuß, ZLR 2012, 284 (294 ff.); Kügel, ZLR 2016, 300 (316 f.); Pache /  Mayer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 32 ff.; Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 64; Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  B Rn.  84; Schoch, NVwZ 2012, 1497 (1502); Theis, DVBl 2013, 627 (632); Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 80; Wegmer, Informationstätigkeit, S. 132. Demgegenüber die in der Praxis gängige Validierungsuntersuchung eines einzigen Labors für ausreichend erachtend VG Gelsenkirchen, Beschl. v.  04.01.2013, 19 L 1452/12, juris Rn.  23 f.; der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des LFGB sowie anderer Vorschriften vom 01.02.2013, BR-Drs.  789/12, S.  2; Wustmann, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2012, S. 197 (S. 219); wohl auch Zott, Informationen, S. 380. 65 Vgl. zu den insoweit relevanten Vorschriften die Übersicht bei Pache / Meyer, in: Meyer /  Streinz, § 40  LFGB Rn.  36. Grube / Immel / Wallau weisen auf einen Widerspruch von § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB zu § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LFGB hin, da alle Festlegungen im Rahmen von Abs. 1a Nr. 1 LFGB bereits als „Vorschriften“ von Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LFGB erfasst seien, jedoch nur für letztere Regelung eine vorherige Abwägung gem. § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB festgelegt sei; vgl. dies., Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 89. So auch Kügel, ZLR 2016, 300 (305). 66 Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40  LFGB Rn.  68. Auf den Wertungswiderspruch zu § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LFGB hinweisend, für den eine vorherige Abwägung vorgesehen ist, Grube /  Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 94. 67 Der Bundesrat wies bereits im Gesetzgebungsverfahren auf die Unklarheit der unbestimmten Formulierungen „in nicht unerheblichem Ausmaß oder wiederholt“ hin und sprach sich für eine im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung über die Veröffentlichung aus; vgl.  BR-Drs.  454/1/11 Empfehlung der Ausschüsse, S.  15; kritisch auch Pache / Mayer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 41; hierzu sogleich ausführlich unter E. I. 3. a) cc) (3) (a). 62

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

schwelle); als Drittes muss die Erwartung einer Bußgeldverhängung von mindestens 350 Euro bestehen. Beide Tatbestandsvarianten knüpfen an bereits vergangene Handlungen – namentlich Grenzwert- und Rechtsverstöße – an, wobei von diesen keinerlei gegenwärtige (Gesundheits-)Gefahr ausgehen muss.68 Im Gegensatz zu einer Warnung steht bei der Information nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht die von einem Produkt ausgehende Gesundheitsgefahr im Mittelpunkt, sondern der (vermutliche) Normverstoß eines Unternehmens in Bezug auf ein Lebensmittel.69 Die Informationen nach § 40 Abs. 1a LFGB bilden so die Grundlage für eine zukünftige Kauf­entscheidung der Verbraucher.70 Damit bezweckt die Regelung nicht nur die Verbesserung der Markttransparenz,71 sondern dient auch der Disziplinierung der Lebensmittelunternehmen. Letztere müssen nämlich als mittelbare Folge der behördlichen Verbraucherinformationen mit einem veränderten Konsumverhalten der Verbraucher von wirtschaftlich nicht zu unterschätzender Tragweite rechnen.72 In Ergänzung zu ordnungsbehördlichen Maßnahmen stellt die Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB – ebenso wie nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LFGB – ein öffentliches Steuerungsmittel zur Marktlenkung dar, das auf den „Prangereffekt“ von Informationen setzt.73 c) Sonstige Voraussetzungen Bevor eine Veröffentlichung auf Grundlage von Abs. 1 oder Abs. 1a erfolgt, ist der Hersteller oder Inverkehrbringer74 nach § 40  Abs.  3  LFGB anzuhören. Dies gilt nicht, wenn der Zweck der jeweiligen Informationsmaßnahme durch die Anhörung gefährdet würde. Ferner ist bei Hinweisen der Behörde auf eigene Rückrufaktionen und Veröffentlichungen der Lebensmittelunternehmer sowie bei Hinweisen auf Informationen anderer Behörden nach § 40 Abs. 2 S. 2 oder S. 3 LFGB keine Anhörung erforderlich.

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Kühne / Preuß, ZLR 2012, 284 (293); Möstl, LMuR 2014, 77 (79); ders., LMuR 2015, 185 (188); Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 69; Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (9). 69 Möstl, LMuR 2014, 77 (79 f.). Zur Unklarheit bezüglich des Grads der Konkretisierung des zu bezeichnenden Lebensmittels unter E. I. 3. a) bb) (1). 70 Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (9). 71 Die amtliche Begründung benennt allein die „Verbesserung der aktiven Information der Öffentlichkeit“ als Regelungsziel; vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 12 (Nr. 4). 72 So Gundel, ZLR 2013, 662 (673), der vom „Damoklesschwert der Verbraucherinformation“ spricht; Möstl, LMuR 2014, 77 (79 f.); ders., LMuR 2015, 185 (188). 73 Gundel, ZLR 2013, 662 (673); Möstl, LMuR 2014, 77 (80); ders., LMuR 2015, 185 (188). 74 „Inverkehrbringen“ ist das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst; vgl. § 3 S. 1 LFGB i. V. m. Art. 3 Nr. 8 BasisVO.

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§ 40 Abs. 3 LFGB setzt den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör um. Da es sich bei Warnungen und Verbraucherinformationen nicht um Verwaltungsakte, sondern um Realakte handelt, für die § 28 VwVfG keine direkte Anwendung findet,75 ist eine ausdrückliche Regelung zur Anhörung erforderlich.76 In seiner Zielsetzung entspricht das Anhörungsrecht nach § 40 Abs. 3 LFGB demjenigen für Verwaltungsakte nach § 28 VwVfG, weshalb die diesbezüglichen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätze entsprechend Anwendung finden.77 Da die Vorschrift indes nicht festlegt, ob vorrangig dem Hersteller oder dem Inverkehrbringer Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen ist, führt sie in ihrer praktischen Umsetzung zu Schwierigkeiten.78 Unklar bleibt zudem, wann der Zweck einer nicht an einen gesundheitsrelevanten Sachverhalt anknüpfenden Informationsmaßnahme durch eine Anhörung gefährdet wird.79 In derartigen Fällen (also insbesondere bei Informationen auf der Grundlage von Abs. 1 S. 2 Nr. 3 bis 5 und Abs. 1a) besteht gerade keine erkennbare Gesundheitsgefahr für die Verbraucher, sodass eine zeitliche Verzögerung aufgrund der Anhörung den Zweck der Informationsmaßnahme – die Schaffung von Markttransparenz und die Disziplinierung der Lebensmittelunternehmen – wohl kaum gefährden dürfte.80 Für sämtliche Veröffentlichungen ist des Weiteren nach § 40 Abs. 4 LFGB eine Richtigstellung vorgesehen, wenn sich die Informationen im Nachhinein als falsch herausstellen oder die zugrundliegenden Umstände falsch dargestellt wurden. Die Verpflichtung zu der richtigstellenden Bekanntmachung besteht allerdings nur, wenn sie zur Wahrung erheblicher Gemeinwohlbelange erforderlich ist oder vom betroffenen Beteiligten beantragt wurde. Mit dem Antragserfordernis wird den unternehmerischen Interessen Rechnung getragen, da auch die Richtigstellung zu einer erneuten medienwirksamen öffentlichen Diskussionen und in der Konsequenz zu einem noch größeren Imageschaden führen kann.81 § 40 Abs. 4 LFGB gewährt den Drittbetroffenen damit – in Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs – einen subjektiv-öffentlichen Anspruch auf Richtigstellung und zwar in derselben Weise, in der die Information der Öffentlichkeit ursprüng-

75 S.  zur verwaltungsrechtlichen Einordung des staatlichen Informationshandelns bereits unter C. I. 76 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 54. 77 Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40  LFGB Rn.  54; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 28 Rn. 4a. 78 Kühne / Preuß, ZLR 2012, 284 (297). Auf den Vorrang der Anhörung des Herstellers abstellend, da dieser mehr Informationen über das Lebensmittel als der Inverkehrbringer habe, Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 55. 79 Kühne / Preuß, ZLR 2012, 284 (298), auch zum Folgenden. 80 Aus diesem Grunde stets von dem Erfordernis einer Anhörung im Rahmen von § 40 Abs. 1a LFGB ausgehend Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 57. 81 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 108; Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 68; Schnall, in: Streinz, LebensmittelR-Hdb, III Rn. 231.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

lich mitgeteilt wurde.82 Dieser lässt sich verwaltungsprozessual in der Hauptsache mittels einer allgemeinen Leistungsklage durchsetzen.83 2. Unionsrechtlicher Rahmen Da das Lebensmittelrecht zu den am stärksten unionsrechtlich determinierten Rechtsmaterien zählt,84 müssen neben den Vorgaben des Vertrags über die Europäische Union (EUV)85 sowie des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) auch die europäischen Verordnungen und Richtlinien Berücksichtigung finden. Der Normkomplex des § 40 LFGB ist folglich an den primär und sekundärrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts zu messen. a) Europäisches Primärrecht Aus primärrechtlicher Sicht rücken zunächst die Grundfreiheiten und die Unionsgrundrechte in den Fokus. In Bezug auf § 40 LFGB sind neben den Grundfreiheiten die Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte und deren Schutzgehalt im Vergleich zum nationalen Grundrechtssystem von besonderem Interesse. aa) Grundfreiheiten Beziehen sich die behördlichen Veröffentlichungen nach § 40 LFGB auf Lebensmittel, die aus dem europäischen Ausland stammen oder aus einem Drittstaat eingeführt wurden und sich in den Mitgliedstaaten im freien Warenverkehr befinden (vgl. Art. 28 Abs. 2 AEUV), kann eine rechtfertigungsbedüftige Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 ff., 34 ff. AEUV vorliegen.86 Die Relevanz des grenzüberschreitenden Lebensmittelhandels lässt sich einführend anhand der Im- und Exportzahlen von Lebens- und Genussmitteln nach und aus Deutschland aufzeigen. So wurden im Jahr  2014 Lebensmittel im Wert von 75,5  Milliarden 82

Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 66. Wehlau, LFGB, § 40 Rn. 63; Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn.  111, die eine Durchsetzung des Anspruchs auch im einstweiligen Rechtsschutz mittels einer einstweiligen Anordnung bejahen. Dies ist jedoch allenfalls in Ausnahmefällen denkbar, da dem Antrag auf Richtigstellung als Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO grundsätzlich das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegenstehen würde; vgl. ausführlich zu diesem Grundsatz Schoch, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 123 Rn. 141 ff. 84 Streinz, in: Meyer / Streinz, Einf. Rn. 9, 10. 85 Vertrag über die Europäische Union i. d. F. des Vertrags von Lissabon v.  13.12.2007, zuletzt geändert durch Art.  13,  14  Abs.  1  EU-Beitrittsakte  2013 v.  09.12.2011 (ABl.  2012 Nr. L 112 S. 21). 86 Honegg, Verbraucherinformation, S. 133; Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 LFGB Rn. 3b; Wegmer, Informationstätigkeit, S. 305. 83

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Euro importiert und im Wert von 66,7 Milliarden Euro exportiert.87 Der Anteil der Importe aus europäischen Ländern betrug in diesem Zeitraum ca. 75 %, wobei die wichtigsten Handelspartner Deutschlands die Niederlande, Frankreich und Italien waren. Damit ist Europa der bedeutendste Außenhandelsmarkt für deutsche Lebensmittelgüter. Bei dem Import aus außereuropäischen Ländern sind Amerika mit ca. 14 % und Asien mit ca. 3 % die wichtigsten Handelspartner. (1) Beeinträchtigung der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit Bei sämtlichen Veröffentlichungen nach § 40  LFGB ist die Nennung des betroffenen Lebensmittels vorgesehen, sodass in Abgrenzung zu den Dienstleistungen88 (Unions-)Waren89 betroffen sind. Nach Art. 34 AEUV sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen90 und Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Da behördliche Informationen über Lebensmittel offensichtlich keine Kontingente oder Einfuhrverbote und damit keine mengenmäßigen Beschränkungen darstellen,91 kommt es auf die Qualifizierung des Informationshandelns als Maßnahme gleicher Wirkung an. Unter Letztere fasst der EuGH die Maßnahme eines Mitgliedstaats, die geeignet ist, den „innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“ (sog. Dassonville-Formel).92 Dies trifft sowohl auf die Warnungen zur Gefahrenabwehr als auch auf die Veröffentlichungen zum Schutz der Verbraucher vor Täuschungen und qualitativen Abweichungen nach § 40 LFGB zu, da durch die Beeinflussung der Konsumentscheidungen der Verbraucher der innergemeinschaftliche Handel beeinträchtigt sein kann.93 Anhand der Dassonville-Formel stellen allerdings nahezu alle wirtschaftslenkenden Bestimmungen der Mitgliedstaaten Maßnahmen gleicher Wirkung dar, 87 Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung v. 15.10.2015 zum Welternährungstag, www. destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2015/10/PD15_384_51.html [Stand: 25.06.2017], auch zum Folgenden. 88 Gem. Art. 57 AEUV sind Dienstleistungen definiert als „Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.“ Hierzu zählen insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten. 89 Waren sind körperliche Gegenstände, die einen Geldwert haben und daher Gegenstand von Handelsgeschäften sein können; vgl. Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 36 AEUV Rn. 120. 90 Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sind Maßnahmen, welche die Einfuhr, Durchfuhr oder Ausfuhr einer Ware ganz oder teilweise untersagen; vgl. Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 36 AEUV Rn. 126 m. w. N. 91 Y. Becker, EuR 2002, 418 (422). 92 EuGH, Urt. v. 11.07.1974, Rs.7/68, Slg. 1974, 837, Rn 5 (Kommission / Italien). Zur Entwicklung der Dassonville-Formel in der Rechtsprechung des EuGH Schroeder, in: Streinz, Art. 34 AEUV Rn. 35 ff. 93 Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 83; Pache, ZLR 2013, 139 (154); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 305.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

weshalb der EuGH zur Konkretisierung die sogenannte Keck-Formel heranzieht.94 Danach liegt keine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit vor, wenn die in Frage stehende mitgliedstaatliche Maßnahme eine bloße Verkaufsmodalität beschränkt oder verbietet, die für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gilt und die den Absatz inländischer und ausländischer Waren rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise betrifft.95 Vertriebsbezogene, die Warenverkehrsfreiheit nicht beeinträchtigende Bestimmungen sind demzufolge von produktbezogenen Maßnahmen abzugrenzen, die an den Inhalt oder die Merkmale der Ware als solcher anknüpfen und daher stets geeignet sind, den Warenverkehr zu beschränken.96 Für die Einordung des behördlichen Informationshandelns gemäß § 40 LFGB hilft diese Abgrenzung nach der Keck-Formel allerdings nicht weiter. Auf der einen Seite haben die Veröffentlichungen durch die Nennung des betroffenen Lebensmittels zwar einen klaren Produktbezug; auf der anderen Seite beziehen sie sich aber auf bereits bestehende für in und ausländische Lebensmittel in gleicher Weise geltende gesetzliche Anforderungen.97 Der EuGH hat zu dieser Problematik bisher zwar nicht ausdrücklich Position bezogen, erfasst Informationsmaßnahmen aber – ohne Anwendung der Keck-Formel  – als Maßnahmen gleicher Wirkung, wenn sie dem Mitgliedstaat zuzurechnen sind und zu einer Veränderung der Marktbedingungen beitragen.98 Im Schrifttum wird aufgrund der Schwierigkeit der Zuordnung zu einer der beiden Kategorien die Anwendbarkeit der Keck-Formel auf informatorische Maßnahmen der Mitgliedstaaten angezweifelt,99 wenn nicht vollständig abgelehnt.100 Letztere Auffassung ist überzeugend, da andernfalls das Risiko besteht, den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten für behördliche Informationsmaßnahmen verfrüht abzulehnen.101 Hierfür spricht im Übrigen auch die Tendenz in der Rechtsprechung des EuGH, das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung eher weitgehend zu bejahen.102 Eine behördliche Veröffentlichung nach 94 EuGH, Urt. v. 24.11.1993, Rs. C-267 u. 268/91, Slg 1993, I-6097, Rn. 14 (Keck); Schroe­ der, in: Streinz, Art. 34 AEUV Rn. 14. 95 EuGH, Urt. v. 24.11.1993, Rs. C-267 u. 268/91, Slg 1993, I-6097, Rn. 16 (Keck). 96 Schroeder, in: Streinz, Art. 34 AEUV Rn. 51; Pache, ZLR 2013, 139 (154). 97 Wegmer, Informationstätigkeit, S.  306; Pache, ZLR 2013, 139 (154); dies übersehend Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 83. 98 Die nachfolgenden bisher zum Informationshandeln ergangenen Entscheidungen des EuGH beziehen sich allerdings nicht speziell auf lebensmittelbezogene Maßnahmen der Mitgliedstaaten; so EuGH, Urt. v. 24.11.1982, Rs. C-249/81, NJW 1983, 2755 (2756) (Buy Irish); Urt.  v.  08.03.1988, Rs.  222/82, Slg.  1988, 1443, Rn.  18 ff. (Apple and Pear Development Council); Urt.  v.  05.11.2002, Rs.  C-325/00, Slg.  2002, I-9977, Rn.  23 (CMA Gütezeichen); Urt. v. 17.04.2007, Rs. C-470/03, Slg 2007, I-2749, Rn. 65 f. (AGM Hebebühne). 99 Honegg, Verbraucherinformation, S. 137; Pache, ZLR 2013, 139 (155). 100 Weiß, EuZW 2008, 74 (75); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 306; in Bezug auf Informationen nach Art. 10 BasisVO Michl / Meyer, ZLR 2012, 557 (563). 101 So auch Wegmer, Informationstätigkeit, S. 307. 102 So hat der EuGH beispielsweise in seinen beiden „DocMorris“-Entscheidungen eine Maßnahme gleicher Wirkung für nationale Regelungen bejaht, die den Versandhandel apothekenpflichtiger Arzneimittel verbieten bzw. eine Preisbindung für verschreibungspflich-

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§ 40 LFGB mit grenzüberschreitendem Bezug stellt damit eine Maßnahme gleicher Wirkung dar, die als Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit regelmäßig nach Art. 34 AEUV rechtfertigungsbedürftig ist. (2) Rechtfertigung Eine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit lässt sich zunächst aufgrund der in Art. 36 S. 1 AEUV genannten Gründe rechtfertigen, zu denen der Schutz der Gesundheit zählt.103 Daneben erkennt der EuGH auch ungeschriebene „zwingende Erfordernisse“ im Allgemeininteresse an (sog. Cassis-Formel).104 Zu dem nicht abschließenden Katalog dieser zwingenden Erfordernisse rechnet der Gerichtshof unter anderem den Verbraucherschutz,105 der als legitimes Ziel für das Handeln der Unionsorgane und der Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 lit. f) i. V. m. Art. 12, Art. 169 Abs. 1 AEUV und Art. 6 Abs. 1 EUV i. V. m. Art. 38 GRC sogar primärrechtlich anerkannt ist.106 Den Verbraucherschutz zieht der Gerichtshof allerdings zur Rechtfertigung nur dann heran, wenn es um die Qualität von Waren und diesbezügliche Täuschungen und die Irreführung der Verbraucher geht; sobald Letztere zu einer Gesundheitsgefährdung führen können, stellt er allein auf Art. 36 S. 1 AEUV ab.107 Damit ist für die Rechtfertigung der beeinträchtigenden Informationen nach § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 bis 3 LFGB der Gesundheitsschutz (vgl.  Art.  36  S.  1  AEUV) heranzuziehen, während sich die Rechtfertigung der behördlichen Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 bis 5, Abs.  1a  LFGB auf den Verbraucherschutz als ungeschriebenes zwingendes Erfordernis des Allgemeinintereses stützen lässt.

tige Arzneimittel vorsehen; vgl. EuGH, Urt. v. 11.12.2003, Rs. C-322/01, Slg 2003, I-14887, Rn. 66 ff. (Deutscher Apothekerverband); Urt. v. 19.10.2016, Rs. C-148/15, NJW 2016, 3771 (3772, Rn. 23 ff.) (Deutsche Parkinson Vereinigung). 103 Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art.  36  AEUV Rn.  192, 199; Schroeder, in: Streinz, Art. 34 AEUV Rn. 72. 104 EuGH, Urt. v. 20.02.1979, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649, Rn. 8 (Cassis de Dijon); Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 36 AEUV Rn. 210; die zwingenden Erfordernisse stehen gleichberechtigt neben den Rechtfertigungsgründen des Art. 36 S. 1 AEUV und werden entweder als immanente Tatbestandsmerkmale oder als eigenständige Rechtfertigungsgründe erfasst, wobei der Zuordnung letztlich keinerlei praktische Bedeutung zukommt; ausführlich hierzu Schroeder, in: Streinz, Art. 34 AEUV Rn. 74; Art. 36 Rn. 3. 105 EuGH, Urt.  v.  20.02.1979, Rs.  120/78, Slg.  1979, 649, Rn.  13 (Cassis de Dijon); Urt. v. 26.11.1985, Rs. 182/84, Slg. 1985, 3731, Rn. 11 ff. (Miro); Urt. v. 06.07.1995, Rs. C-470/93, Slg.  1995, I-1923, Rn.  15 ff. (Mars); Schroeder, in: Streinz, Art.  34  AEUV Rn.  72; Leible /  T. Streinz, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Art. 34 AEUV Rn. 107. 106 Abbé, Verbraucherschutz, S. 49 f.; Honegg, Verbraucherinformation, S. 138; Pache, ZLR 2013, 139 (155). 107 EuGH, Urt. v. 12.03.1987, Rs. 178/84, Slg. 1987, 1262, Rn. 30 ff., 40 ff.; Schroeder, in: Streinz, Art. 36 AEUV Rn. 16, 36.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Die Ziele des Gesundheitsschutzes sowie des Verbraucherschutzes müssen die deutschen Behörden mit den Veröffentlichungen nach § 40 LFGB in verhältnismäßiger Weise verfolgen, damit sich die Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen lässt.108 Die Verhältnismäßigkeitsprüfung weicht auf europäischer Ebene von dem deutschen Prüfungsmaßstab insoweit ab, als der EuGH bereits im Rahmen der Erforderlichkeit eine Güterabwägung durchführt und daher – anders als das BVerfG im deutschen Verfassungsrecht – in der Prüfung der Angemessenheit keine über die Erforderlichkeitsprüfung hinausgehende Abwägung vornimmt.109 Auf unionsrechtlicher Ebene sind aber grundsätzlich all diejenigen Aspekte zu berücksichtigen, die auch auf nationaler Ebene gegen die Verfassungsmäßigkeit, insbesondere die Verhältnismäßigkeit, vorgebracht werden.110 Be­denken bestehen hier speziell im Hinblick auf § 40 Abs. 1a LFGB, wie die Untersuchung noch zeigen wird.111 Zu beachten ist indes, dass die Europäische Union den Mitgliedstaaten bei der Verfolgung des unionsrechtlichen Ziels des Verbraucherschutzes, das im Lebensmittelrecht sekundärrechtlich in Art.  8,  5 Abs.  1  ­ BasisVO niedergelegt ist, einen Spielraum lassen muss.112 Aufgrund dieses relativ weiten Ausgestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten ist davon auszugehen, dass der EuGH trotz der erheblichen (nationalen) Zweifel an der Erforderlichkeit und Angemessenheit des § 40 Abs. 1a LFGB den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insoweit als nicht verletzt betrachten würde.113 bb) Unionsgrundrechte Die Determination des nationalen Lebensmittelrechts durch europäische Vorgaben führt zu der grundlegenden Frage, in welchem Verhältnis die Grundrechtssysteme auf europäischer und mitgliedstaatlicher Ebene zueinander stehen.114 Damit ist zu untersuchen, ob und wenn ja welche Unionsgrundrechte bei staatlichen Informationen auf der Grundlage von § 40 LFGB anwendbar sind.

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Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 36 AEUV Rn. 87 ff.; Schroeder, in: Streinz, Art. 36 AEUV Rn. 50. 109 Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art.  36  AEUV Rn.  98; Schroeder, in: Streinz, Art.  36 AEUV Rn. 56. 110 Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 84; Pache, ZLR 2013, 139 (155). 111 Hierzu ausführlich unter E. I. 3. a). 112 Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 85; Proelß, in: FS Schmidt-Jortzig, S. 693 (708); Krebber, in: Calliess / Ruffert, Art. 169 Rn. 21. 113 Pache, ZLR 2013, 139 (156); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 141. 114 von  Danwitz, in: FS R.  Herzog, S.  19 (25); Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff,­ EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 11.

I. § 40 LFGB

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(1) Anwendbarkeit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC gilt die Bindung der Mitgliedstaaten an die Charta „ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“.115 Aus Art. 51 Abs. 1 S. 2 GRC i. V. m. Art. 6 Abs. 1 Uabs. 2 EUV folgt, dass die EUGrundrechtecharta weder zu einer Ausweitung des Geltungsbereichs des Unionsrechts führt noch die Zuständigkeiten und Aufgaben der Union erweitert.116 Das zentrale Problem der Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte liegt in der Auslegung des Begriffs „Durchführung“. Hinzu tritt die Problematik der Reichweite der mitgliedstaatlichen Grundrechtsbindung, insbesondere ob die nationalen Grundrechte parallel neben den Unionsgrundrechten anwendbar sind oder nicht vielmehr durch diese verdrängt werden. Für die Bestimmung der Anwendbarkeit und der Reichweite der Unionsgrundrechte nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC lassen sich drei Fallgruppen bilden: Zu nennen sind die grundsätzlich anerkannte Bindung bei Umsetzung und Vollzug von Unionsrecht, die Bindung in einem darüber hinausgehenden unionsrechtlich determinierten Kontext sowie die Bindungswirkung bei der Beschränkung von Grundfreiheiten.117 (a) Vollzug und Umsetzung von Unionsrecht sowie mitgliedstaatliches Handeln im darüber hinausgehenden unionsrechtlich determinierten Kontext Bei dem Vollzug von Verordnungen oder der Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union führen die Mitgliedstaaten Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC durch, sodass der Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte unstreitig eröffnet ist.118 Problematisch bleibt allerdings die Reichweite der mitgliedstaatlichen Bindungswirkung. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Mitgliedstaaten in diesen unionsrechtlich determinierten Konstellationen grundsätzlich allein an die Unionsgrundrechte gebunden und zwar unabhängig von etwaigen Ermessens- und Umsetzungsspielräumen.119 Wenn für die Mitgliedstaa 115

Zum „Recht der Union“ nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC gehört das gesamte Sekundärund Primärrecht (mit Ausnahme der Unionsgrundrechte selbst, zur Vermeidung eines Zirkelschlusses); vgl. Hatje, in: Schwarze / Becker / Hatje / Schoo, Art. 51 GRC Rn. 14; Jarass, GRC, Art.  51 Rn. 17; Ohler, NVwZ 2013, 1433. 116 EuGH, Urt.  v.  26.02.2013, Rs.  C-617/10, NJW 2013, 1415 (1416, Rn.  23) (Fransson); Urt. v. 06.03.2014, Rs. C-206/13, NVwZ 2014, 575 (576, Rn. 20) (Siragusa); von Danwitz, in: Grabenwarter, EnzEur Bd. 2, § 6 Rn. 27; Jarass, GRC, Art. 51 Rn. 8. 117 Ausführlich zu diesen drei Fallgruppen Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 17 ff. 118 Ehlers, in: ders., EuGR, § 14 Rn.  73; Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur Bd. 1, § 8 Rn. 18, auch zum Folgenden. 119 EuGH, Urt.  v.  26.02.2013, Rs.  C-617/10, NJW 2013, 1415 (1416, Rn.  21) (Fransson);­ Bäcker, EuR 2015, 389 (391); m. w. N. Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 19, Fn. 75.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

ten allerdings unionsrechtlich nicht determinierte Spielräume verbleiben, gesteht der EuGH eine parallele Anwendung der nationalen Grundrechte zu, soweit diese weder das Schutzniveau der Unionsgrundrechte noch die sonstigen europäischen Vorgaben in Frage stellen.120 Das BVerfG akzeptiert diesen Ansatz insoweit, als es nationale Regelungen, die zwingende europäische Vorgaben umsetzen, nicht am Maßstab der deutschen Grundrechte prüft, solange auf Unionsebene (im Sinne der „Solange II-Rechtsprechung“) ein dem Grundgesetz vergleichbarer Grundrechtsstandard gewährleistet ist (vgl. Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG).121 Bei Umsetzungsspielräumen der Mitgliedstaaten, die das BVerfG sehr weitgehend bejaht,122 prüft das Gericht deswegen die deutschen Grundrechte.123 Das nationale Grundrechtssystem wird damit allein bei vollständiger europäischer Determination des jeweiligen Sachbereichs verdrängt. In Anbetracht der Grundsätze des Vorrangs und der einheitlichen Anwendung der EU-Grundrechte ist eine solch strikte Trennung der Grundrechtssysteme in der Theorie auch überzeugend.124 Dies gilt speziell vor dem Hintergrund, als dass die Mitgliedstaaten bei zwingenden Vorgaben keinerlei Gestaltungsspielräume haben und folglich bloß als „verlängerter Arm“ der Union handeln.125 Praktische Schwierigkeiten bestehen allerdings bei mitgliedstaatlichen Regelungen, die neben zwingenden Unions­ vorgaben zugleich auch eigenständige nationale Entscheidungen enthalten; bei der konsequenten Anwendung der Trennungslösung würden auf solch oftmals einheitliche Vorschriften unterschiedliche Grundrechtssysteme Anwendung finden.126 Hinzu kommt, dass die Unterscheidung zwischen der unionsrechtlichen Determination eines Sachbereichs und einem autonom auszugestaltenden mitgliedstaatlichen Spielraum selten eindeutig vorzunehmen ist,127 da auch allgemeine Verordnungs- und Richtlinienziele ein bestimmtes, wenn nicht sogar zwingendes, Ergebnis vorgeben können.128 Aus prozessualer Sicht besteht daher das Problem, dass jedes 120 EuGH, Urt.  v.  26.02.2013, Rs.  C-399/11, NJW 2013, 1215 (1219, Rn.  60) (Melloni); Urt. v. 26.02.2013, Rs. C617/10, NJW 2013, 1415 (1416, Rn. 29) (Fransson). 121 BVerfGE 73, 339 (387); 125, 260 (307); m. w. N. Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 23, Fn. 107. 122 BVerfGE 125, 260 (308 f.); 129, 78 (104 f.); m. w. N.  Wollenschläger, in: Hatje / MüllerGraff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 23, Fn. 108. 123 BVerfGE 118, 79 (95 ff.); 125, 260 (306 f.); 130, 151 (177 f.). 124 EuGH, Urt. v. 06.03.2014, Rs. C-206/13, NVwZ 2014, 575 (577, Rn. 32) (Siragusa); Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 20; auch als „Trennungsthese“ des BVerfG bezeichnet von Thym, NVwZ 2013, 889 (892). 125 Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 20; für den administrativen Vollzug der unionsrechtlichen Vorgaben ist auch die Bezeichnung „agency situation“ verbreitet; vgl. Hatje, in: Schwarze / Becker / Hatje / Schoo, Art. 51 GRC Rn. 18; Honegg, Verbraucherinformation, S. 144; Proelß, in: FS Schmidt-Jörtzig, S. 693 (702). 126 von  Danwitz, in: FS R.  Herzog, S.  19 (27); Thym, NVwZ 2013, 889 (892); Wollen­ schläger, in: Hatje / MüllerGraff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 21. 127 Ohler, NVwZ 2013, 1433 (1437). 128 Thym, NVwZ 2013, 889 (892); Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 21.

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deutsche Gericht vor der Anwendung nationaler Grundrechte wieder und wieder den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten mittels eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH abklären müsste, was bereits aus Kapazitätsgründen von Letzterem nicht zu bewältigen wäre.129 Nochmals schwieriger gestaltet sich die Anwendbarkeit und Reichweite der Unionsgrundrechte im darüber hinausgehenden Kontext, mithin bei Regelungen und Handlungen der Mitgliedstaaten, die zwar keine europäischen Vorgaben vollziehen oder umsetzen, aber trotzdem eine Anknüpfung an das Unionsrecht aufweisen.130 Welchen Umfang der Bezug zum Unionsrecht haben muss, um den Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte hier zu eröffnen, ist in der Rechtsprechung und der juristischen Literatur bisher nur in Umrissen erfasst worden.131 Der EuGH hat zunächst ein sehr weites Verständnis des Art. 51 Abs. 1 GRC bezüglich der mitgliedstaatlichen Bindung an die Unionsgrundrechte zu Grunde gelegt. Der Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte laufe demnach parallel zu dem Geltungsbereich des Unionsrechts, was dazu führe, dass keine vom Unionsrecht erfassten Fälle denkbar seien, bei denen die EU-Grundrechte nicht zur Anwendung kämen.132 Das BVerfG hat die Entscheidung allerdings einer restriktiven Lesart unterzogen und ein zu weites Verständnis des Urteils des EuGH gar als „Ultra-vires-Akt“ bezeichnet. Für die Anwendung der Unionsgrundrechte ist nach dem BVerfG ein bloß sachlicher Bezug zum abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrechts nicht ausreichend; es bedarf vielmehr einer unionsrechtlich geregelten Fallgestaltung.133 Daraufhin hat der EuGH präzisiert, dass ein hinreichender Zusammenhang in der Tat der nationalen Regelung zum Unionsrecht von einem gewissen Grad erforderlich sei, um den Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte zu eröffnen; bloß benachbarte europarechtlich determinierte Sachbereiche oder mittelbare Auswirkungen seien demgegenüber nicht ausreichend für eine mitgliedstaatliche Bindung.134 Es sei insoweit zu berücksichtigen, ob eine nationale Vorschrift auf die Durchführung einer unionsrechtlichen Regelung abziele, welchen Charakter sie aufweise, ob die Mitgliedstaaten mit ihr nicht unionsrechtlich geprägte Zwecke verfolgten und schließlich ob es für den Bereich der Vorschrift bereits spezielle Regelungen des Unionsrechts gebe.135 Bereits dieser kurze Rechtsprechungsüberblick zeigt, dass die materiell-rechtliche Fragestellung der Anwendbarkeit und Reichweite der Unionsgrundrechte untrennbar mit dem höchst komplexen Problem des (Kooperations-)Verhältnisses 129

Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 24. Bäcker, EuR 2015, 389 (392). 131 Siehe etwa von Danwitz, in: FS R. Herzog, S. 19 (24 ff.); Jarass, GRC, Art. 51 Rn. 26 ff.; Ranacher, ZÖR 58 (2003), 21 (69 ff.); ausführlich Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff,­ EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 29 ff. 132 EuGH, Urt. v. 26.02.2013, Rs. C-617/10, NJW 2013, 1415 (1416, Rn. 21) (Fransson). 133 Zum Ganzen BVerfGE 133, 277 (316). 134 EuGH, Urt. v. 06.03.2014, Rs. C-206/13, NVwZ 2014, 575 (Rn. 24) (Siragusa). 135 EuGH, Urt. v. 06.03.2014, Rs. C-206/13, NVwZ 2014, 575 (Rn. 25) (Siragusa). 130

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

zwischen dem EuGH und dem BVerfG verknüpft ist. Die Problematik lässt sich bewältigen, indem man in Sachverhalten mit Bezug zum Unionsrecht in Zweifelsfällen den Anwendungsbereich der Europäischen Grundrechtecharta neben den nationalen Grundrechten bejaht,136 mithin von einer doppelten Grundrechtsbindung ausgeht. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich damit die prozessualen Schwierigkeiten und die Komplexität des Rechtsschutzsystems verstärken.137 Ein weiter Anwendungsbereich der EU-Grundrechte eröffnet den Fachgerichten nämlich die Möglichkeit, die Auslegung des Unionsrechts zunächst mittels einer Vorlage an den EuGH abzuklären und sodann eigenständig zu lösen. Dies schwächt nicht nur die Vorrangstellung des BVerfG gegenüber den nationalen Fachgerichten, sondern auch dessen Rolle gegenüber dem EuGH.138 Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass die Ermächtigung nach § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB inhaltlich Art. 10 BasisVO entspricht.139 Die auf dieser Regelung beruhenden Informationsmaßnahmen sind folglich als mitgliedstaatlicher Vollzug der Basisverordnung zu qualifizieren, was den Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte eröffnet. Für die Reichweite der Grundrechtsbindung ist von Bedeutung, dass Art.  10  BasisVO den Mitgliedstaaten bei dem hinreichenden Verdacht auf die von einem Lebensmittel ausgehende Gesundheitsgefahr „geeignete Schritte“ zur Information der Öffentlichkeit vorschreibt. Damit besteht zwar kein Entschließungsermessen; für das „Wie“ der Informationsmaßnahme haben die Mitgliedstaaten jedoch einen (gewissen) Umsetzungsspielraum. Auch wenn dieses Auswahlermessen der Mitgliedstaaten als gering einzustufen ist, spricht es im Ergebnis für eine parallele Anwendung der Grundrechtssysteme.140 Demgegenüber bestehen für die Befugnisse nach § 40 Abs. 1 S. 2 und Abs. 1a LFGB keine inhaltlich identischen Regelungen im europäischen Sekundärrecht. Bei diesen handelt es sich – so keine Gesundheitsgefahr im Raum steht – grundsätzlich um autonom geschaffenes nationales Recht.141 Die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta hängt daher davon ab, ob die auf diesen Ermächtigungen be 136

Borowsky, in: Meyer, GRC, Art. 51 Rn. 30b; Honegg, Verbraucherinformation, S. 147; zur Anwendung des sog. Günstigkeitsprinzips bei Konkurrenzen zwischen nationalem und supranationalem Recht Scholz, in: FS Schmidt-Jortzig, S. 693 (644). 137 Ausführlich Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn 24. 138 Zum Ganzen Bäcker, EuR 2015, 389 (402); Thym, NVwZ 2013, 889 (895); Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn 24. 139 BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 20. Zu Art. 10 BasisVO sogleich ausführlich unter E. I. 2. b) aa). 140 Honegg, Verbraucherinformation, S. 144; a. A. Becker, ZLR 2011, 391 (404 f.), der die nationalen Grundrechte bei Informationen zur Abwehr einer Gesundheitsgefahr als verdrängt erachtet. Letztere Ansicht würde jedoch zu einer nicht überzeugenden Aufspaltung der Norm führen, für die unterschiedliche Grundrechts und Rechtsschutzsysteme gelten würden. 141 Wegmer, Informationstätigkeit, S. 133; unklar Honegg, Verbraucherinformation, S. 142, die § 40 Abs. 1, Abs. 1a LFGB als nationales Recht und gleichzeitig als Wiedergabe europäischen Sekundärrechts auffasst, ohne zwischen den verschiedenen Ermächtigungen zu differenzieren.

I. § 40 LFGB

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ruhenden Veröffentlichungen einen derart engen unionsrechtlichen Bezug aufweisen, dass sie noch unter die „Durchführung“ des Unionsrechts im Sinne von Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC zu fassen sind. Den Anknüpfungspunkt stellt abermals der Verbraucherschutz dar, der  – wie bereits mehrfach ausgeführt  – als Zielbestimmung primärrechtlich in Art. 12 AEUV und Art. 38 GRC sowie sekundärrechtlich in Art. 5 Abs. 1, Art. 8 BasisVO verankert ist.142 Der hohe Stellenwert des Verbraucherschutzes im Lebensmittelrecht der Europäischen Union sowie die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den europäischen Lebensmittelvorgaben durch nationale Maßnahmen zur vollen Geltung zu verhelfen (vgl. Art. 17 Abs. 2 BasisVO), sprechen auch bei den Ermächtigungsgrundlagen ohne Gefahrenbezug nach § 40 Abs. 1 S. 2 und Abs. 1a LFGB für einen hinreichenden Bezug zum Unionsrecht.143 Der Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte ist damit einheitlich für die Ermächtigungsgrundlagen nach § 40  LFGB eröffnet. Aufgrund der mitgliedstaatlichen Umsetzungsspielräume finden daneben aber auch die nationalen Grundrechte Anwendung. (b) Beschränkung von Grundfreiheiten Ferner besteht nach der Rechtsprechung des EuGH eine Bindung an die Unionsgrundrechte, wenn die Mitgliedstaaten durch eine nationale Regelung die Grundfreiheiten, etwa die Warenverkehrsfreiheit, beschränken.144 Der EuGH begreift die Unionsgrundrechte folglich als „Schranken-Schranke“ der Grundfreiheiten.145 Aufgrund der hiermit verbundenen unitarisierenden Effekte ist diese Rechtsprechungslinie des EuGH jedoch im juristischen Schrifttum umstritten.146 Als Hauptargumente gegen eine mitgliedstaatliche Grundrechtsbindung bei der Beschränkung von Grundfreiheiten wird auf die Formulierung des Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC ver 142

Hierzu ausführlich Abbé, Verbraucherschutz, S. 48 ff. Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (16); in Bezug auf das Internetportal „Lebensmittelklarheit“ Proelß, in: FS Schmidt-Jortzig, S. 693 (702); die Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte allgemein beim Vollzug des EU-Lebensmittelrechts bejahend Gundel, ZLR 2013, 303 (309). A. A. Wegmer, Informationstätigkeit, S. 133, der sich der Problematik nicht vertieft annimmt und § 40 Abs. 1 S. 2 und Abs. 1a LFGB allein am Maßstab des Grundgesetzes prüft. 144 EuGH, Urt.  v.  11.07.2002, Rs.  60/00, Slg  2002, I-6279, Rn.  40 (Carpenter); Urt.  v. 30.04.2014, Rs. C-390/12, EuZW 2014, 597 (Rn. 35); zahlreiche weitere Nachweise aus der Rechtsprechung des EuGH bei Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd.  1, § 8 Rn.  25; vgl. ausführlich zur Entwicklung der Rechtsprechungslinie des EuGH, Ranacher, ZÖR 58 (2003), 21 (43 ff.). 145 Hatje, in: Schwarze / Becker / Hatje / Schoo, Art. 51 GRC Rn. 16; Kingreen, in: Calliess /  Ruffert, Art. 51 GRC Rn. 16; Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 25. 146 Ablehnend etwa Huber, EuR 2008, 190 (194 f.); ders., NJW 2011, 2385 (2386 f.); Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 51 GRC Rn. 19 f.; befürwortend etwa von Danwitz, in: FS R.  Herzog, S.  19 (27); Ehlers, in: ders., EuGR, § 14 Rn.  75; Honegg, Verbraucherinformation, S. 145; Jarass, GRC, Art. 51 Rn. 24; Ranacher, ZÖR 58 (2003), 21 (61); Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (16); ausführlich zu diesem Meinungsstreit mit weiteren Nachweisen ders., in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 25 ff. 143

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

wiesen.147 So sei die mitgliedstaatliche Beschränkung einer Grundfreiheit schon keine „Durchführung“ von Unionsrecht, sondern vielmehr eine legitime Beeinträchtigung des europäischen Primärrechts. Dem ist indes entgegenzuhalten, dass die Mitgliedstaaten zur Rechtfertigung der Beschränkung die unionsrechtlich autonom auszulegenden geschriebenen und ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe heranziehen können, weshalb sie sich im Anwendungsbereich des Unionsrechts bewegen.148 Ferner lassen sich mit der angeführten Auffassung nationale Regelungsspielräume weder wahren noch neu schaffen; denn die Unanwendbarkeit der Unionsgrundrechte (als Schranken-Schranken) würde dazu führen, dass allein die unionsrechtlichen Schranken zu prüfen wären.149 Im Ergebnis überzeugt die Rechtsprechung des EuGH, sodass auf behördliche Informationsmaßnahmen nach § 40 LFGB, die Unionswaren im Sinne von Art. 28 Abs. 2 AEUV zum Gegenstand haben und als eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit zu qualifizieren sind, die Unionsgrundrechte als Schranken-Schranke Anwendung finden. (2) Berührte Unionsgrundrechte im Überblick Die parallele Anwendung der europäischen neben den nationalen Grundrechten führt zu der Überlegung, ob das Schutzniveau der beiden Grundrechtssysteme im Hinblick auf die behördlichen Veröffentlichungen nach § 40 LFGB voneinander abweicht. Auf europäischer Ebene sind diesbezüglich die Berufs und unternehmerische Freiheit nach Art. 15 und Art. 16 GRC, die Eigentumsfreiheit nach Art. 17 GRC sowie der Schutz personenbezogener Daten nach Art. 8 GRC von Bedeutung,150 denen auf nationaler Ebene die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG entsprechen. (a) Berufs- und unternehmerische Freiheit, Art. 15, 16 GRC Die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 GRC ist ein eigenständiges Grundrecht, das im Verhältnis zu der Berufsfreiheit nach Art. 15 GRC als lex specialis einzuordnen ist.151 Während zu der unternehmerischen Freiheit jede selbstständige Tätigkeit natürlicher und juristischer Personen zählt, bezieht sich die Berufsfrei­heit nach Art. 15 GRC allein auf die berufliche Betätigung Nichtselbstständiger, mithin

147

Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 51 GRC Rn. 20, auch zum Folgenden. von Danwitz, in: FS R. Herzog, S. 19 (27); Ohler, NVwZ 2013, 1433 (1435 f.); ausführlich Ranacher, ZÖR 58 (2003), 21 (54 ff.); Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 26. 149 Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 26. 150 Gundel, ZLR 2013, 303 (309); ausführlich Honegg, Verbraucherinformation, S. 149 ff. 151 Jarass, GRC, Art. 15 Rn. 4; Art. 16 Rn. 4 f.; Streinz, in: ders., Art. 16 GRC Rn. 1. 148

I. § 40 LFGB

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auf Arbeitnehmer.152 Von Art. 16 GRC ist die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit in all ihren Facetten erfasst; darunter fällt unter anderem der Schutz des freien Wettbewerbs, der im Zusammenhang mit einer offenen Marktwirtschaft auch als ordnungspolitische Leitlinie in Art. 119 Abs. 1, Abs. 3 AEUV sowie Art. 120 S. 2 AEUV festgelegt ist.153 Der Schutzgehalt entspricht damit Art. 12 Abs. 1 GG, dem das BVerfG ebenfalls den Schutz der unternehmerischen Freiheit unterstellt.154 (b) Eigentumsfreiheit, Art. 17 GRC Die Eigentumsfreiheit gemäß Art. 17 GRC zählt gemeinsam mit Art. 15 und Art. 16 GRC zu den zentralen Wirtschaftsgrundrechten der Charta.155 Der EuGH prüft diese Grundrechte zumeist gemeinsam, ohne eine genaue Abgrenzung der Gewährleistungen vorzunehmen.156 An dieser grundsätzlichen Fokussierung auf die Verhältnismäßigkeit bei der Grundrechteprüfung ist kritikwürdig, dass dies neben der Konturenlosigkeit der Schutzbereiche der Wirtschaftsgrundrechte eine Abschwächung des europäischen Grundrechtsschutzes zur Folge hat.157 Die Unterscheidung zwischen Eigentums und Berufs bzw. unternehmerischer Freiheit erfolgt im juristischen Schrifttum unter Anlehnung an die deutsche Verfassungsdogmatik mit Hilfe der Differenzierung zwischen Bestandsschutz (Art. 17 GRC) und geschützter Erwerbstätigkeit (Art. 15, 16 GRC).158 Wie auch im deutschen Verfassungsrecht ist der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs als Bestandteil der Eigentumsfreiheit umstritten.159 Der EuGH hat hierzu noch keine 152

Jarass, GRC, Art. 15 Rn. 4; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art. 16 GRC Rn. 1. EuGH, Urt.  v.  21.05.1987, Rs.  C-133–136/85, Slg.  1987, 2334, Rn.  15 (Berlin-Butter); Urt.  v.  30.06.2005, Rs.  295/03, Slg.2005, I-5673, Rn.  90 (Allesandrini); Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art.  16  GRC Rn.  1 f.; Streinz, in: ders., Art.  16  GRC Rn.  6; Schwarze, in: Schwarze / Becker / Hatje / Schoo, Art.  16  GRC Rn.  3; Wollenschläger, in: von  der Groeben /  Schwarze / Hatje, Art. 16 GRC Rn. 8. 154 Streinz, in: ders., Art. 16 GRC Rn. 2. 155 Jarass, GRC, Art. 16 Rn. 2; Schwarze, in: Schwarze / Becker / Hatje / Schoo, Art. 16 GRC Rn. 1. 156 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 13.12.1979, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727, Rn. 32 (Hauer / Land Rheinland-Pfalz); Urt.  v.  30.07.1996, Rs.  C-84/95, Slg.  1996, I3953, Rn.  21 f. (Bosphorus); Urt.  v.  28.04.1998, Rs.  C-200/96, Slg.  1998, I1953, Rn.  21 ff. (Metronome Musik); Urt.  v. 09.09.2008, Rs. 120/06, Slg. 2008, I6513, Rn. 183 f. (Fiamm); Jarass, GRC, Art. 17 Rn. 4; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art. 15 GRC Rn. 20; Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEur Bd. 1, § 8 Rn. 94. 157 Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art.  15  GRC Rn.  20; Wollenschläger, in: Hatje / MüllerGraff, EnzEur, Bd. 1, § 8 Rn. 94. 158 Jarass, GRC, Art. 17 Rn. 4; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art. 15 GRC Rn. 20. 159 Dafür Frenz, Hdb EuropaR, Bd. 4, § 3 Rn. 2847 ff.; bejahend, wenn das Unternehmen in seinem Bestand bedroht ist, Rengeling / Szczekalla, Grundrechte der EU, § 20 Rn. 809; Rengeling, DVBl 2004, 453 (460); in der Tendenz hingegen eher ablehnend Jarass, GRC, Art. 17 Rn. 13; Wollenschläger, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Art. 17 GRC Rn. 16; offen gelassen von Calliess, in: Calliess / Ruffert, Art.  17 Rn.  10; Honegg, Verbraucherinformation, S. 155; Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 437. 153

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Aussage getroffen, obwohl sich Kläger bereits auf den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs berufen haben.160 Der Gerichtshof lehnt jedenfalls den Eigentumsschutz von unternehmerischen Marktanteilen ab, da diese eine nur augenblickliche, den Änderungen der Marktumstände unterworfene, wirtschaftliche Position seien.161 (c) Schutz personenbezogener Daten, Art. 8 Abs. 1 GRC Der sachliche Schutzbereich des Datenschutzgrundrechts gemäß Art. 8 Abs. 1 GRC bezieht sich auf personenbezogene Daten162 und erstreckt sich – wie das (nationale) Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art.  2  Abs.  1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG – grundsätzlich auf alle natürlichen Personen.163 Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich eine juristische Person auf den Schutz des Art. 8 GRC nur berufen, soweit ihr Name eine oder mehrere natürliche Personen bestimmt.164 Diese Auffassung steht indes im Widerspruch zum Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 GRC, nach dem die personenbezogenen Daten jeder „Person“ und nicht etwa jedes „Menschen“ geschützt sind.165 Bei konsequenter Anwendung der Argumentation des EuGH wären beispielsweise die Daten der Dr. Oetker GmbH geschützt, diejenigen der Nestlé Deutschland AG aber mangels Bezugs zu einer natürlichen Person nicht. Aufgrund dieses willkürlichen Ergebnisses spricht sich das juristische Schrifttum teilweise dafür aus, Art. 8 GRC nicht nur auf natürliche, sondern auch auf juristische Personen zu erstrecken.166

160 EuGH, Urt. v. 6.12.1984, Rs. 59/83, Slg 1984, 4057, Rn. 21  ff. (Biovilac); Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 437; ders., in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Art. 17 GRC Rn. 3. 161 EuGH, Urt. v. 05.10.1994, Rs. C-280/93, Slg. 1994, I-4973, Rn. 79 (Deutschland / Rat – Bananenmarkt); kritisch hierzu Frenz, Hdb EuropaR, Bd. 4, § 3 Rn. 2851; ausführlich zu der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH Abbé, Verbraucherschutz, S. 103 ff. 162 Nach Art. 2 lit. a) RL 95/46/EG (DatenschutzRL) und Art. 2 lit. a) VO (EG) 45/2001 (DatenschutzVO) sind personenbezogene Daten alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person. 163 Jarass, GRC, Art. 8 Rn. 7; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 8 GRC Rn. 11. 164 EuGH, Urt.  v.  09.10.2011, Rs.  C-92, 93/09, Slg  2010, I-11063 Rn.  53 (Schecke / Land Hessen). 165 Augsberg, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Art. 8 GRC Rn. 7; Becker, ZLR 2011, 391 (408); Jarass, GRC, Art. 8 Rn. 7; Honegg, Verbraucherinformation, S. 151 f.; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 8 GRC Rn. 11. 166 Honegg, Verbraucherinformation, S. 151 f.; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 8 GRC Rn. 11; Streinz, in: ders., Art. 8 GRC Rn. 6; in der Tendenz eine Erstreckung auf juristische Personen ablehnend Knecht, in: Schwarze / Becker / Hatje / Schoo, Art. 8 GRC Rn. 3.

I. § 40 LFGB

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(3) Zwischenergebnis Auf die behördlichen Veröffentlichungen nach § 40 LFGB finden die Unionsgrundrechte neben den nationalen Grundrechten Anwendung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Information nach § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB zur Abwehr einer Gesundheitsgefahr veröffentlicht wird oder dies ohne Gesundheitsbezug allein zum Schutz der Verbraucher vor Täuschungen und Irreführungen erfolgt, wie etwa nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, 4a oder Abs. 1a LFGB. Dabei weicht das europäische Schutzniveau der Grundrechte nicht grundsätzlich von demjenigen auf nationaler Ebene ab.167 Hervorzuheben ist allerdings, dass der europäische Grundrechtsschutz im Vergleich zum nationalen Defizite bei der Schutzbereichsbestimmung der Wirtschaftsgrundrechte aufweist. Zudem bestehen Unklarheiten bezüglich der Anerkennung des eigentumsrechtlichen Schutzes des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs und des Schutzes der Daten juristischer Personen. Die Diskussion dieser Fragestellungen ist im verfassungsrechtlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung des BVerfG bereits deutlich ausdifferenzierter.168 Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Arbeit schwerpunktmäßig mit dem nationalen Grundrechtssystem. Die sich hierbei ergebenden Problematiken – wie etwa die Eingriffsbestimmung für das behördliche Informationshandeln oder die Grundrechtskonformität der einfachgesetzlichen Grundlagen – stellt sich aber in gleicher Weise auf europäischer Ebene.169 b) Europäisches Sekundärrecht Ein Blick ist zudem auf die Vorgaben des europäischen Sekundärrechts zu werfen, speziell auf Art. 10 BasisVO und Art. 7 KontrollVO.170 Die in der deutschen Literatur ausgiebig geführte Diskussion um das Verhältnis des (nationalen) Lebensmittelund Futtermittelgesetzes zu der (europäischen) Basisverordnung hat der EuGH im Jahr  2013 dahingehend entschieden, dass Art.  10  BasisVO keine Sperrwirkung entfaltet und daher der weiter gehenden Regelung des § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LFGB nicht entgegensteht. Ob sich dies in gleicher Weise auf die neueren Befugnisse nach § 40 Abs. 1 Nr. 4a und § 40 Abs. 1a LFGB übertragen lässt, gilt es zu untersuchen. 167 Becker, ZLR 2011, 391 (405); Gundel, ZLR 2013, 303 (309); Honegg, Verbraucherinformation, S. 148; Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (450); allgemein zum Schutzstandard in den Mitgliedstaaten Rancher, ZÖR 58 (2003), 21 (77). 168 S. zum Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbetriebs unter D. II. 3. b) aa) und zum persönlichen Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung unter D. II. 3. c) aa). 169 Hierzu etwa Honegg, Verbraucherinformation, S. 149 ff. 170 Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats v. 29.04.2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (LebensmittelüberwachungsVO – KontollVO), zuletzt geändert durch Art. 146 ÄndVO (EU) 2017/625 v. 15.03.2017 (ABl. Nr. L 95 S. 1).

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Mit der Entscheidung des EuGH rückt außerdem Art. 7 KontrollVO in den Blick, dessen Vorgaben die Informationsbefugnisse nach § 40 LFGB ebenfalls wahren müssen. aa) Art. 10 BasisVO Nach dem am 21.  Februar  2002 in Kraft getretenem Art.  10  BasisVO müssen die Behörden bei dem hinreichenden Verdacht eines auf ein Lebensmittel zurückzuführenden Gesundheitsrisikos die Öffentlichkeit über die Art des Risikos und gegebenenfalls weitere zu treffende Maßnahmen aufklären.171 Das Ziel der in Art.  10 BasisVO festgelegten Information der Öffentlichkeit ist die Gewährleistung des Vertrauens der Verbraucher und Handelspartner in die Lebensmittelsicherheit.172 Da § 40 LFGB von Beginn an Informationsermächtigungen auch jenseits der Gefahrenabwehr vorsah und damit über den Regelungsumfang des Art. 10 ­BasisVO deutlich hinausging, war die Europarechtskonformität der Vorschrift im juristischen Schrifttum höchst umstritten. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, ob Art. 10 BasisVO die behördlichen Informationsbefugnisse abschließend festlegt. Mit Bejahung einer solchen Vollharmonisierung wäre die Regelung eines Mitgliedstaates europarechtswidrig, die – wie § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LFGB – nicht an den hinreichenden Verdacht eines Gesundheitsrisikos knüpft, sondern zu Veröffentlichungen auch unterhalb der Schwelle des Verdachts eines Gesundheitsrisikos ermächtigt.173 Den Streit hat der EuGH auf Vorlage des Landgerichts München I in der Rechtssache Berger Wild / Freistaat Bayern im April 2013 entschieden.174 Demnach entfalte 171

Die h. M. fasst Art. 10 BasisVO als eine unmittelbare Befugnisnorm (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV) und nicht lediglich als einen allgemeinen Programmsatz auf; vgl.  Pache / Meyer, in: Meyer / Streinz, Art.  10  BasisVO Rn.  18; Porsch, ZLR 2003, 175 (184); Rathke, in: Zipfel /  Rathke, Art. 10 BasisVO Rn. 1; Voit, LMuR 2012, 9 (12); a. A. Seemann, Produktinformation, S. 65. Der Streit über die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 10 BasisVO hat aufgrund der nationalen Ausgestaltung in § 40 LFGB aber keine praktische Relevanz. 172 Erwägungsgründe 28 und 34 (KOM/2000/0716 endg.  – COD 2000/0286); Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit (KOM/1999/719 endg.), S. 16 (Rn. 28); Pache / Meyer, in: Meyer /  Streinz, Art. 10 BasisVO Rn. 2; Seemann, Produktinformation, S. 53 ff., S. 66; Voit, LMuR 2012, 9 (12). 173 Für eine abschließende Regelung durch Art. 10 BasisVO etwa F. Becker, ZLR 2011, 391 (400 ff.); Grube / Immel, ZLR 2011, 175 (190 ff.); Grube, LMuR 2011, 21 (23); Michl / Meyer, ZLR 2012, 557 (560 ff.); Voit, LMuR 2012, 9 (15); demgegenüber ablehnend Pache, ZLR 2013, 139 (145 ff.); Schoch, ZLR 2010, 121 (135); ders., NVwZ 2012, 1497 (1503 f.); Seemann, Produktinformation, S. 171 f. 174 EuGH, Urt. v. 11.04.2013, Rs. C-636/11, NVwZ 2013, 1002 ff., auch zum Folgenden. Der Vorlage des LG München I lag ein Amtshaftungsprozess zu Grunde, in dem die Berger Wild GmbH gegen den Freistaat Bayern aufgrund von Informationen im Zusammenhang mit dem sog. Gammelfleisch-Skandal der Jahre 2005/2006 prozessierte. Der bayerische Verbraucherschutzminister hatte die Öffentlichkeit in mehreren Pressemitteilungen sowie einer Rede vor dem bayerischen Landtag Anfang 2006 über verfaulte Wildfleischproben und ekelerregende

I. § 40 LFGB

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Art. 10 BasisVO keine Sperrwirkung und stehe einer Vorschrift wie § 40 Abs. 1 S.  2 Nr.  4  LFGB nicht entgegen, die behördliche Informationsmaßnahmen für den Fall eines zwar nicht gesundheitsschädlichen, aber für den Verzehr ungeeigneten Lebensmittels vorsehe.175 Zur Begründung berief sich der Gerichtshof auf Art. 17 Abs. 2 Uabs. 2 BasisVO sowie Art. 14 Abs. 2 BasisVO.176 Aus dem Zusammenspiel dieser beiden Normen folge, dass die Mitgliedstaaten auch über eine reine Gefahrenabwehr hinausgehende Informationen veröffentlichen dürften.177 Derartige Veröffentlichungen entsprächen ferner dem allgemeinen Ziel des europäischen Lebensmittelrechts nach Art. 5 Abs. 1 BasisVO, die Interessen der Verbraucher zu schützen. Nationale Informationsermächtigungen müssten aber – dies hebt der EuGH in seiner Entscheidung ausdrücklich hervor – die Vorgaben von Art.  7  KontrollVO einhalten.178 Die Entscheidung überzeugt, da sich weder aus dem Wortlaut des Art. 10 BasisVO noch aus der Systematik der Basisverordnung eine abschließende Regelung für Informationsmaßnahmen allein zur Abwehr von Gesundheitsrisiken entnehmen lässt.179 Eine Sperrwirkung durch Art.  10  BasisVO ist nicht nur für den vom EuGH entschiedenen Fall des § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LFGB abzulehnen, sondern besteht ebenfalls nicht für § 40 Abs. 1a und Abs. 1 S. 2 Nr. 4a LFGB,180 wonach Veröffentlichungsbefugnisse nun auch für verdachtsbasierte Täuschungsfälle und (geZustände in den Betriebsstätten der Berger Wild GmbH auf Grundlage des zum damaligen Zeitpunkt noch als „Kann“-Vorschrift ausgestalteten § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LFGB a. F. informiert. Die Berger Wild GmbH war daraufhin in die Insolvenz gefallen; vgl. LG München I, LMuR 2012, 32 ff. 175 EuGH, Urt. v. 11.04.2013, Rs. C-636/11, NVwZ 2013, 1003 (Rn. 30). 176 EuGH, Urt. v. 11.04.2013, Rs. C-636/11, NVwZ 2013, 1003 (Rn. 31, 36). Gem. Art. 17 Abs. 2 Uabs. 2 BasisVO führen die Mitgliedstaaten zur Durchsetzung des Lebensmittelrechts angemessene Maßnahmen durch, zu denen die Veröffentlichung von Informationen über die Lebensmittelsicherheit zählt. Aus Art. 14 Abs. 2 lit. b) BasisVO folgt, dass nicht nur gesundheitsschädliche, sondern auch verzehrungeeignete Lebensmittel als nicht sicher gelten. 177 EuGH, Urt. v. 11.04.2013, Rs. C-636/11, NVwZ 2013, 1003 (Rn. 35 f.), auch zum Fol­ genden. 178 EuGH, Urt. v. 11.04.2013, Rs. C-636/11, NVwZ 2013, 1003 (Rn. 37). Art. 7 KontrollVO regelt die Anforderungen an die Transparenz und die Vertraulichkeit behördlicher Maßnahmen; hierzu sogleich unter E. I. 2. b) bb). 179 Ausführlich Abbé, Verbraucherschutz, S. 168 ff.; Honegg, Verbraucherinformation, S. 170 ff.; Wollenschläger, EuZW 2003, 419 (420 ff.); ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 151 (156 f.). 180 OVG NRW, ZLR 2013, 483 (485 f.), in Bezug auf § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB; Elsing / Rosenow, ZLR 2013, 240 (244); Gurlit, NVwZ 2013, 1267 (1269); Honegg, Verbraucherinformation, S. 176; Wollenschläger, EuZW 2003, 419 (421); ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 151 (158 f.); a. A. wohl VG Düsseldorf, Beschl. v. 16.04.2013 – 16 L 494/13 – juris Rn. 8, das auf das Fortbestehen der europarechtlichen Problematik auch nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Berger Wild hinweist; Leible / Schäfer, GewArch 2013, 189 (194), die Art. 10 BasisVO als abschließend für verdachtsbasierte Informationen auffassen; Leisner, GewArch 2014, 57 (60), der irrtümlich davon ausgeht, dass sich die BasisVO allein auf Gesundheitsgefährdungen durch Lebensmittel beziehe, und insoweit Art. 14 Abs. 2­ BasisVO übersieht.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

sundheitsunbedenkliche) Hygienemissstände vorgesehen sind. Zwar entfernen sich diese als politische Reaktionen auf Lebensmittelskandale eingefügten Informationsbefugnisse vollends von gesundheitsrelevanten Sachverhalten und gehen damit nochmals weiter als schon § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LFGB über den Regelungsgehalt des Art.  10  BasisVO hinaus; sie dienen aber letztendlich ebenfalls dem Schutz der Verbraucherinteressen und fördern damit das Regelungsziel der Verordnung.181 Neben dem bereits angesprochenen Art. 5 Abs. 1 BasisVO ist auch Art. 8 BasisVO zu beachten, der den Schutz der Verbraucherinteressen zum ausdrücklichen Regelungsziel der Basisverordnung erklärt.182 Nach dieser Vorschrift ist es die Aufgabe des Lebensmittelrechts, den Verbrauchern Möglichkeiten aufzuzeigen, mit Hilfe derer sie eine sachkundige Entscheidung bei dem Kauf und dem Verzehr von Lebensmitteln treffen können. Es gilt folglich, Betrugs-, Täuschungs- und sonstige Irreführungspraktiken sowie die Verfälschung von Lebensmitteln zu verhindern. Diese vor allem durch behördliche Veröffentlichungen zu erreichende Zielsetzung gebietet eine weite Auslegung der mitgliedstaatlichen Informationsbefugnisse nach Art. 17 Abs. 2 Uabs. 2 BasisVO und zwar auch auf Sachverhalte ohne Gesundheitsbezug.183 Dafür streitet ebenfalls Art. 7 Abs. 1 S. 2 lit. a) KontrollVO, der als umfassendes Transparenzgebot einen Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die gesamte Kontrolltätigkeit der Behörden vorsieht.184 Festzuhalten bleibt, dass der Verbraucherschutz im europäischen Lebensmittelrecht, insbesondere der Schutz vor Täuschungen und Irreführungen, als gleichwertiger Regelungsgegenstand neben die Abwehr von Gesundheitsgefahren tritt. Nationale Informationsermächtigungen zum Schutz der Verbraucher vor Täuschungen oder qualitativen Abweichungen von Lebensmitteln, die wie § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, 4a oder Abs. 1a LFGB keine Gesundheitsrelevanz mehr aufweisen, sind in der Basisverordnung jedenfalls nicht ausgeschlossen. Art. 10 BasisVO kommt insoweit keine Sperrwirkung zu. bb) Art. 7 KontrollVO In der Entscheidung zur Rechtssache Berger Wild / Freistaat Bayern hat der EuGH – über die Vorlagefrage hinausgehend – betont, dass die nationalen Informationsbefugnisse die Vorgaben des Art. 7 KontrollVO einhalten müssten. Die Kontrollverordnung zählt zu den grundlegenden Bestimmungen der Lebensmittelüberwachung und schafft einen einheitlichen Rahmen für die Organisation amtlicher Kontrollen zur Durchsetzung und Überwachung der lebensmittelrecht 181

Wollenschläger, EuZW 2003, 419 (421). Aus Art. 5 Abs. 1 BasisVO ergibt sich der Schutz der Verbraucherinteressen als allgemeines Ziel der BasisVO. 183 Wollenschläger, EuZW 2003, 419 (421), auch zum Folgenden. 184 Vgl. zu der Novellierung der KontrollVO unter E. III. 1. 182

I. § 40 LFGB

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lichen Anforderungen in den Mitgliedstaaten.185 Art. 7 Abs. 1 KontrollVO statuiert ein Transparenzgebot, wonach die Mitgliedstaaten die ihnen vorliegenden Informationen schnellstmöglich der Öffentlichkeit zugänglich machen müssen. Dabei muss grundsätzlich ein Zugang zu Informationen über die behördliche Kontrolltätigkeit und zu Informationen nach Art. 10 BasisVO gewährleistet sein. Das Transparenzgebot gilt, mit Ausnahme der Informationen nach Art. 10 BasisVO,186 jedoch nicht uneingeschränkt, sondern wird zum einen durch datenschutzrechtliche Vorgaben und zum anderen durch Geheimhaltungspflichten begrenzt. Der Pflicht zur Geheimhaltung unterfallen nach Art. 7 Abs. 3 KontrollVO Informationen über die „Vertraulichkeit von Voruntersuchungen oder laufenden rechtlichen Verfahren“ sowie „personenbezogene Daten“. Die Geheimhaltungspflicht nach Art. 7 Abs. 3 KontrollVO gilt allerdings wiederum nicht absolut. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 S. 1 KontrollVO, der eine Geheimhaltung von Informationen nur in „hinreichend begründeten Fällen“ vorsieht. Zudem ließe sich bei zu strenger Anwendung der Geheimhaltungspflichten das mit der Regelung bezweckte hohe Maß an Transparenz nicht erreichen.187 Für eine solche „Abwägungsfähigkeit“188 der Geheimhaltungsbestimmungen spricht im Übrigen auch der Verweis des Art. 7 Abs. 2 S. 3 KontrollVO auf die Datenschutzrichtlinie.189 Diese erlaubt die Verarbeitung personenbezogener Daten dann, wenn dies für die Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich ist. Auch in der ab dem 14. Dezember 2019 geltenden neuen europäischen Verordnung über amtliche Kontrollen (KontrollVO n. F.), welche die derzeitige Kontrollverordnung ersetzen wird,190 scheidet gemäß ihrem Art. 8 Abs. 3 eine Pflicht zur Geheimhaltung aus, wenn ein „übergeordnetes öffentliches Interesse“ an der Veröffentlichung besteht.191 Aus alldem folgt, dass die Behörden bei Vorliegen eines gewichtigen öffentlichen Informationsinteresses zur Information der Öffentlichkeit verpflichtet sind; eine Geheimhaltungspflicht nach Art. 7 Abs. 2, Abs. 3 KontrollVO besteht dann nicht.192

185 Erwägungsgründe 6 und 7 der VO (EG) Nr.  882/2004 (ABl. L  165 v.  30.04.2004, S. 1–141); Streinz, in: ders., LebensmittelR-Hdb, IV Rn. 2. 186 Vgl. Art. 7 Abs. 2 S. 2 VO (EG) Nr. 882/2004. 187 Vgl. hierzu ausführlich Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422); ders., VerwArch 102 (2011), 20 (34); ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 151 (162). 188 Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422). 189 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rats v. 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie), zuletzt geändert durch Art. 94 ÄndEU-DSGVO v. 27.04.2016 (ABl. Nr. L 119 S. 1); dazu Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422). 190 Gem.  Art.  146 Abs.  1 KontrollVO  n. F. (Fassung v.  15.03.2017, PE-CONS 1/17); LZ v. 17.03.2017, S. 28. 191 Vgl. zur Novellierung der KontrollVO unter E. III. 1. 192 Elsing / Rosenow, ZLR 2013, 240 (242); Honegg, Verbraucherinformation, S. 178; Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422); Abbé, Verbraucherschutz, S. 175 f.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Auf dieser Grundlage ist die Vereinbarkeit der verschiedenen Informationsbefugnisse des § 40 LFGB mit den Anforderungen des Art. 7 KontrollVO zu überprüfen. Die dem Regelungsinhalt von Art.  10  BasisVO entsprechende Befugnis nach § 40  Abs.  1  S.  1  LFGB dient der Abwehr von Gesundheitsgefahren, weshalb hierauf gestützte Veröffentlichungen bereits nicht der Geheimhaltung unterliegen (vgl. Art. 7 Abs. 2 S. 2 KontrollVO). Auch die Tatbestände des § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LFGB knüpfen an gesundheitsrelevante Sachverhalte an, weshalb ebenfalls die Wertung des Art. 7 Abs. 2 S. 2 KontrollVO heranzuziehen und nicht von einer Geheimhaltungspflicht auszugehen ist. Jedenfalls besteht aber in diesen Fällen ein Dispensermessen der Behörde, sodass in Ausnahmefällen eine Interessenabwägung unter Einbeziehung von Geheimhaltungsbelangen möglich ist. Die Tatbestände der § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 bis 5 LFGB weisen im Hinblick auf Art. 7 KontrollVO keine Probleme auf, da potenzielle Geheimhaltungsbelange in die nach § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB vorgeschriebene Interessenabwägung vor der Veröffentlichung einzustellen sind. In § 40 Abs. 1a LFGB, der eine zwingende Veröffentlichung ohne vorherige Interessenabwägung vorsieht, ist indes die Berücksichtigung geheimhaltungsbedürftiger Informationen nicht angelegt. Eine Geheimhaltungspflicht kommt hier zum einen für laufendende rechtliche Verfahren im Sinne von Art. 7 Abs. 3 ­KontrollVO in Betracht, nämlich Widerspruchs- und Gerichtsverfahren, mit denen die im Vorfeld einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB gewonnenen Ergebnisse amtlicher Kontrollen beanstandet werden.193 Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass eine Veröffentlichung über Rechtsverstöße und Hygienemängel (geheimhaltungsbedürftige) personenbezogene Informationen enthält.194 Aber auch in diesem Kontext dient die Veröffentlichung nach § 40  Abs.  1a  LFGB dem Verbraucherschutz nach Art. 5 Abs. 1, 8 BasisVO und damit einem der hervorgehobenen Ziele des europäischen Lebensmittelrechts. Auf deren Verwirklichung zielt der Grundsatz der Transparenz nach Art. 7 KontrollVO gerade ab. Aus diesem Grund ist im Falle von Verstößen gegen verbraucherschützende Vorschriften auf europäischer Ebene ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Informationsveröffentlichung anzunehmen, sodass die Geheimhaltungspflichten nach Art. 7 Abs. 3 KontrollVO nicht eingreifen. Damit ist im Ergebnis auch § 40 Abs. 1a LFGB mit Art. 7 Abs. 2, Abs. 3 KontrollVO vereinbar.195

193 VGH Bayern, LMRR 2009, 82 (Rn. 25); Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422); ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 151 (161). 194 Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422). 195 So auch Elsing / Rosenow, ZLR 2013, 240 (242 f.); Honegg, Verbraucherinformation, S. 178; Pache, ZLR 2013, 139 (150 f.); ausführlich Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422); Wegmer, Informationstätigkeit, S.  139; a. A.  Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 100; Theis, DVBl 2013, 627 (631).

I. § 40 LFGB

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3. Verfassungsmäßigkeit Durch die zahlreichen Novellierungen des § 40 LFGB hat der Verbraucherschutz für das Informationshandeln im Lebensmittelbereich in den letzten Jahren einen zunehmenden Bedeutungszuwachs erfahren. In den Fokus behördlicher Lebensmittelinformationen nach § 40 LFGB rückt heutzutage neben der klassischen Abwehr von Gesundheitsgefahren immer mehr der Schutz vor Täuschungen sowie die Einhaltung von Hygieneanforderungen und Qualitätsstandards ohne Gefahrenbezug. Dabei sind die Verfassungsmäßigkeit der Erweiterungen und Verschärfungen des § 40 LFGB höchst problematisch. Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit nach § 40 LFGB über das betroffene Lebensmittel und das Lebensmittelunternehmen (Abs. 1a) bzw. soll hierüber informieren (Abs. 1). Die Veröffentlichungen können für die Lebensmittelunternehmen nachteilige wirtschaftliche Konsequenzen haben, sogar existenzielle Nachteile mit sich bringen.196 Daher kommen bei den Informationsmaßnahmen nach § 40  LFGB Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit (Art.  12  Abs.  1  GG), in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) in Betracht.197 Für den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG sind die nachteiligen Wirkungen für die Unternehmen jedenfalls als kognitiv final, im Falle der Veröffentlichung zur Abwehr einer Gesundheitsgefahr nach § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB gar als voluntativ final einzustufen.198 Bei Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG bedarf es einer einzelfallbezogenen Betrachtung, ob die Anwendung auf juristische Personen aufgrund des jeweiligen Gefährdungspotenzials angezeigt ist, respektive eine erhebliche Beeinträchtigung des Rufs des gesamten Unternehmens droht. a) § 40 Abs. 1a LFGB Zahlreiche Betriebsinhaber haben im Jahr 2013 gegen die bevorstehende Publi­ kation von Informationen über die bei Betriebskontrollen vorgefundenen Hygienemängel nach § 40  Abs.  1a  Nr.  2  LFGB um vorläufigen Rechtsschutz ersucht.

196

VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (214); OVG NRW, ZLR 2013, 483 (488). Im Rahmen von § 40  Abs.  1a  Nr.  2  LFGB allein auf Art.  12  Abs.  1  GG sowie Art.  2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abstellend OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2013, 831; VGH Bayern, Beschl. v. 18.03.2013, 9 CE 12.2755, juris Rn. 19; VGH Bayern, Beschl. v. 18.03.2013, 9 CE 13.80, juris Rn.  15; auch den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nach Art.  14  Abs.  1  GG einbeziehend VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (215); VG Dresden, Beschl.  v.  22.04.2013, 6 L 47/13, juris Rn.  20, unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung des VGH Baden-Württemberg (im Hinblick auf § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB). 198 S. zur Eingriffsbestimmung bereits unter D. II. 4. c). 197

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Aufgrund erheblicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm haben die Verwaltungsgerichte – im Beschwerdeverfahren auch die Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe – mehrheitlich einen Anordnungsgrund bejaht und die Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB untersagt.199 Daraufhin hat ein Großteil der von diesen Beschlüssen betroffenen Bundesländer den Vollzug des § 40 Abs. 1a LFGB ausgesetzt und die Veröffentlichungen auf den jeweiligen Landeswebsites bis zum heutigen Tage wieder eingestellt.200 Aufgrund der Entscheidungen in den einstweiligen Rechtsschutz und Beschwerdeverfahren hat der Bundesrat die Bundesregierung in einer Stellungnahme aufgefordert, die Regelungslücken des § 40  Abs.  1a  LFGB gemeinsam mit den Ländern zu überarbeiten.201 Ferner hat die Landesregierung von Niedersachsen aufgrund der Unklarheiten sowohl in Bezug auf die Bestimmtheit als auch die Verhältnismäßigkeit des gegenwärtigen § 40 Abs. 1a LFGB einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle beim BVerfG gestellt, der mittlerweile als begründet entschieden worden ist.202 Die Verabschiedung der geplanten Novelle des § 40 LFGB ist nach dieser „Weichenstellung“ des BVerfG nunmehr zu erwarten.203 aa) Umsetzung in der Praxis Allein das Saarland hat noch bis Anfang 2017 Informationen nach § 40 Abs. 1a LFGB veröffentlicht, die auf der Website des Landesamts für Verbraucherschutz (LaV Saarland)  – wie nachfolgend auszugsweise abgedruckt  – in Tabellenform abrufbar waren.204

199 So etwa OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ 2013, 1020 ff.; OVG NRW, ZLR 2013, 483 ff.; OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2013, 831 ff.; VGH Bayern, Beschl. v. 18.03.2013, 9 CE 12.2755, juris; VGH Bayern, Beschl. v. 18.03.2013, 9 CE 13.80, juris; VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 ff. (einstweilige Anordnung nach Publikation der Information); VG Dresden, Beschl. v. 22.04.2013, 6 L 47/13, juris. 200 So die Bundesländer NRW (www.lanuv.nrw.de/verbraucherschutz/lebensmitteltransparenz/), Bayern (Pressemitteilung des Bayerischen Gesundheitsministeriums v. 25.03.2013, www.stmuv. bayern.de/aktuell/presse/pressemitteilung.htm?PMNr=72/13) Baden-Württemberg (http://ver braucherinfo.ua-bw.de/) und seit Anfang 2017 nunmehr auch das Saarland (www.saarland. de/97711.htm) [Stand: 25.06.2017]. 201 BR-Drs. 789/12, S. 1 f.; BR-Drs. 151/13, S. 2. 202 BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris. 203 So nun auch im Koalitionsvertrag für die 19.  Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD v. 14.03.2018, S. 90, abrufbar unter www.bundesregierung.de/Content/DE/Statische Seiten/Breg/koalitionsvertrag-inhaltsverzeichnis.html [Stand: 02.04.2018]. Hierzu sogleich unter E. I. 4. 204 Die Tabellen waren bis Januar 2017 abrufbar unter www.saarland.de/97711.htm [Stand: 25.01.2017]. Die Veröffentlichung der Tabellen ist allerdings nunmehr mit dem Hinweis auf das zu erwartende Grundsatzurteil des BVerfG ebenfalls ausgesetzt worden.

I. § 40 LFGB

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Abbildung 3: LaV Saarland: Publikationen gem. § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB205

Abbildung 4: LaV Saarland: Publikationen gem. § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB206

Die Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB in Abbildung 3 beziehen sich jeweils auf einzelne Lebensmittelbetriebe und -unternehmen, die anhand der angegebenen Daten leicht zu identifizieren sind. Die Beanstandungen in Bezug auf das Lebensmittel  – etwa die Zubereitung von Pizza oder Nudeln, vgl.  Abbildung 3, Zeile 2 – lassen Rückschlüsse auf die unhygienische Arbeitsweise des jeweiligen Betreibers zu, selbst wenn die Mängel zum Veröffentlichungszeitpunkt bereits beseitigt sind. Daraus folgt zum einen, dass neben der Berufsfreiheit auch ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt. Zum anderen ist aufgrund der eindeutigen Identifizierbarkeit des Einzelbetriebs auch ein Eingriff in den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zu bejahen,207 da sich die nachteilige Verbraucherreaktion in Form der Meidung des jeweiligen Einzelhandelsgeschäfts oder Restaurants auf den gesamten Betrieb in seinem Bestand erstreckt.

205

Stand: 22.06.2016. Sowohl zum Zeitpunkt des erstmaligen Abrufs (22.06.2016) als auch bei Abrufen in den Folgemonaten enthielt die Tabelle nach § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB keine Einträge [letzter Stand: 10.01.2017]. 207 So auch Pache / Mayer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 31. 206

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Fraglich ist, ob diese Eingriffsintensität auch bei Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB vorliegt. Betrachtet man nämlich Abbildung 4, steht auf den ersten Blick das jeweilige Produkt, bei dem die Überschreitung von Grenzwerten, Höchstgehalten oder Höchstmengen festgestellt wurde, im Vordergrund und nicht das einzelne Unternehmen. In der Praxis beziehen sich die Veröffentlichungen (wohl) auf Verstöße, die bei Lebensmitteln in Herstellungs- und Verarbeitungsbetrieben festgestellt wurden. Exemplarisch hierfür steht die Probenentnahme in einem regionalen Dönerimbiss, bei der die Lebensmittelaufsicht den Verstoß gegen Grenzwerte bei einem Hähnchendönerspieß festgestellt hatte.208 Selbst wenn in diesem Fall der Hersteller (Lieferant des Hähnchendönerspießes) und nicht der Inverkehrbringer (Dönerimbiss) genannt ist, erscheint die grundrechtliche Eingriffsintensität – in der Lieferkette eine Stufe vorgelagert – mit derjenigen im Rahmen von § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB vergleichbar.209 bb) Bestimmtheitsgebot Die Grundsätze der inhaltlichen Klarheit, Verständlichkeit und Bestimmtheit von Normen folgen grundsätzlich aus Art. 20 Abs. 3 GG.210 Soweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen ist, ergibt sich das Bestimmtheitsgebot aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG selbst, da der Anlass, der Zweck und vor allem auch die Grenzen des Eingriffs bereichsspezifisch und eindeutig festzulegen sind.211 Dahinter stehen die Ziele, die Rechtfolgen einer Regelung für den Bürger vorhersehbar zu gestalten, der Verwaltung eindeutige Handlungsmaßstäbe zu geben und eine hinreichende gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen.212 Die Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes ist bei § 40 Abs. 1a LFGB allerdings gleich aus mehreren Gründen problematisch. (1) Lebensmittelbezug bei § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB Eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB erfolgt „unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels“. Dem Wortlaut nach muss sich die behördliche In 208 Der Sachverhalt ist einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz des VG Dresden zu § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB entnommen; vgl. VG Dresden, Beschl. v. 22.04.2013, 6 L 47/13, juris. 209 So auch das VG Dresden, das sich in dem Dönerspießfall  – ohne zwischen § 40  Abs.  1a  Nr.  1 und Nr.  2  LFGB zu differenzieren  – der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg zu § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB angeschlossen und in Bezug auf den Dönerspießhersteller die Eröffnung der Schutzbereiche von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG bejaht hat; vgl. VG Dresden, Beschl. v. 22.04.2013, 6 L 47/13, juris Rn. 20. 210 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 53, 58, auch zum Folgenden. 211 BVerfGE 128, 1 (47). 212 Hierzu bereits unter D. II. 5. b) bb).

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formation also auf ein konkretes Produkt beziehen. Dies ist bei Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB unproblematisch der Fall, da die Überschreitung von Höchstmengen oder Grenzwerten denknotwendig mit einem bestimmten Lebensmittel verbunden ist.213 Für die Veröffentlichung allgemeiner Hygieneverstöße auf Grundlage von § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB wirft die Reichweite des Lebensmittelbezugs jedoch Schwierigkeiten auf.214 Die Hygieneanforderungen für die Lebensmittelunternehmer ergeben sich unter anderem aus den Verordnungen (EG) 852/2004215 und 853/2004216 sowie deren Durchführungsvorschriften.217 Eine Betriebsstätte muss beispielsweise sauber und instand gehalten werden;218 es müssen, soweit erforderlich, ausreichend Umkleideräume für das Personal bestehen219 und angemessene Vorrichtungen zur Haltung und Überwachung geeigneter Temperaturbedingungen für die Lebensmittel existieren.220 Während die Verbraucher jedoch eine unzureichende Anzahl an Umkleideräumen, ebenso wie bauliche Mängel in einem Lebensmittelbetrieb, als Lappalie auffassen dürften,221 kann die Information über die unzureichende Kühlung leicht verderblicher Lebensmittel konsumentscheidend sein. Die veröffentlichten Kontrollergebnisse des Saarlands scheinen nur solche Verstöße enthalten zu haben, die sich auf die Zubereitung, Behandlung und Lagerung von benennbaren Lebensmitteln bezogen. Dies entspricht der herrschenden Ansicht in der Rechtsprechung und dem juristischen Schrifttum, nach der Informationen über Hygieneverstöße nicht von § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB erfasst sind, wenn es sich um Mängel der allgemeinen Betriebshygiene handelt.222 Der Gesetzgeber hat sich in der aktuellen Novellierung 213

Zott, Informationen, S. 373. Hierauf hatte der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zum dritten Änderungsgesetz zum LFGB vom 01.02.2013 hingewiesen; vgl. BR-Drs. 789/12, S. 2. Das BVerfG hat sich in seiner Entscheidung zu § 40 Abs. 1a LFGB mit dieser Problematik nicht beschäftigt, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris. 215 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats v. 29.04.2004 über Lebensmittelhygiene (LebensmittelhygieneVO), zuletzt geändert durch Anh.  Nr.  6.7. ÄndVO (EG) 219/2009 v. 11.03.2009 (ABl. Nr. L 87 S. 109). 216 Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats v. 29.04.2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2016/355 v. 11.03.2016 (ABl. Nr. L 67 S. 22). 217 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  B Rn.  97; Rathke, in: Zipfel / Rathke, § 40 Rn. 71. 218 Anhang II Kapitel I Nr. 1 VO (EG) 852/2004. 219 Anhang II Kapitel I Nr. 9 VO (EG) 852/2004. 220 Anhang II Kapitel III Nr. 2 lit. g) VO (EG) 852/2004. 221 In diese Richtung auch Abbé, Verbraucherschutz, S. 204 f. 222 OVG NRW, ZLR 2013, 483 (488); VG Karlsruhe, ZLR 2013, 207 (210 f.); ausführlich zu dieser Problematik VG Würzburg, Beschl. v. 12.12.2012, W 6 E 12.994, juris Rn. 39 ff.; VG Saarland, Beschl.  v.  25.01.2013, 3  L  76/13, juris Rn.  10; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.02.2013, 19 L 1730/12, juris Rn. 9 ff.; Abbé, Verbraucherschutz, S. 182 ff.; Grube / Immel /  Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  B Rn.  70; Theis, DVBl 2013, 627 (633); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 131 f.; Zott, Informationen, S. 374; a. A. OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ 2013, 1020 (1022); VGH Bayern, Beschl. v. 18.03.2013, 9 CE 13.80, juris Rn. 24. 214

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

des § 40 LFGB allerdings, verfassungsrechtlich fragwürdig, für das Gegenteil entschieden und die Informationen über den Verdacht auf Verstöße gegen Hygieneanforderungen vollständig von einem Lebensmittelbezug gelöst.223 (2) Veröffentlichungsdauer Die fehlende Regelung der Dauer einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB wird teils als Problem der Bestimmtheit der Norm erfasst,224 teils aber auch in der Verhältnismäßigkeitsprüfung als Aspekt der Erforderlichkeit225 oder der Angemessenheit226 verortet. Vor dem Hintergrund, dass durch die online veröffentlichten Informationen nach § 40 Abs. 1a LFGB auch ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt,227 überzeugt die Prüfung bereits auf der Ebene der Bestimmtheit der Norm. Für die Frage nach der Notwendigkeit einer Löschungsfrist ist zwischen den fortbestehenden und den bereits beseitigten Mängeln zu differenzieren.228 Dass Mängel für den Zeitraum ihres Fortbestehens nach § 40 Abs. 1a LFGB zu veröffentlichen sind, lässt sich noch aus dem Telos der Norm – der Herstellung von Transparenz für die Verbraucher – ableiten. Welche Veröffentlichungsdauer allerdings für bereits abgestellte Mängel gilt, lässt sich weder der Vorschrift selbst entnehmen noch durch eine Auslegung der Regelung ermitteln. Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist aufgrund der weitreichenden Verbreitung der Informationen über das Internet und der damit verbundenen jederzeitigen Abrufbarkeit sowie der potenziellen wirtschaftlichen Nachteile als besonders intensiv zu bewerten.229 Eine verfassungskonforme Auslegung mittels Übertragung der Regelungen der § 3  S.  1  Nr.  1  lit.  e)  VIG oder § 20 Abs. 2 BDSG230 wird der Intensität des Grundrechtseingriffs nicht gerecht. So erscheint die Fünf-Jahresfrist nach § 3 S. 1 Nr. 1 lit. e) VIG zum einen als zu lang 223

Hierzu ausführlich unter E. I. 4. b). OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2013, 831 (832); OVG NRW, ZLR 2013, 483 (486); Honegg, Verbraucherinformation, S. 201. 225 VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (219); VGH Hessen, Beschl. v.  23.04.2013, 8 B 28/13, juris Rn. 7; VGH Bayern, Beschl. v. 18.03.2013, 9 CE 13.80, juris Rn. 18; Abbé, Verbraucherschutz, S. 216 ff. 226 So auch das BVerfG in seiner Entscheidung zu § 40 Abs. 1a LFGB, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 48 ff.; Gundel, ZLR 2013, 662 (675); Zott, Informationen, S. 343, 353 ff. 227 Das BVerfG geht in seiner Entscheidung zu § 40 Abs. 1a LFGB davon aus, dass das Recht auf informatinelle Selbstbestimmung hinter Art.  12 Abs.  1 GG zurück tritt, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 62. 228 Zott, Informationen, S. 354. 229 OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2013, 831 (832); OVG NRW, ZLR 2013, 483 (486). 230 Bundesdatenschutzgesetz i. d. F. v. 14.01.2003, zuletzt geändert durch Art. 1 Videoüberwachungsverbesserungsgesetz v. 28.04.2017 (BGBl. I S. 968). 224

I. § 40 LFGB

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für (Hygiene-)Mängel, die zumeist bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung beseitigt sind. Zum anderen spricht gegen die Anwendung der Frist, dass sie sich auf von Bürgern beantragte Informationen bezieht und damit gerade nicht auf eigenständig veranlasste Informationsmaßnahmen von Behörden.231 § 20 Abs. 2 BDSG eignet sich bereits nicht für eine entsprechende Anwendung, da die Regelung keine Frist zur Löschung enthält.232 Das Erfordernis einer bestimmbaren Frist ergibt sich bei § 40 Abs. 1a LFGB daraus, dass der betroffene Betriebsinhaber respektive Hersteller absehen können muss, wie lange die Veröffentlichung, speziell bei Beseitigung des Mangels, auf dem offiziellen behördlichen Portal einsehbar ist. Aus diesem Grund reichen auch Regelungen der Exekutive, die je nach Bundesland abweichend ausgestaltet oder als Vollzugshinweise oder Verwaltungsvorschriften gar nur verwaltungsintern bindend sind, nicht aus. Zu fordern ist vielmehr eine Regelung zur Löschung der veröffentlichten Informationen in § 40 Abs. 1a LFGB selbst.233 Dies überzeugt auch unter dem Gesichtspunkt, dass für andere öffentlich einsehbare Register Löschungsfristen normiert sind.234 Das Fehlen einer Regelung zur Veröffentlichungsdauer ist damit bereits als Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot zu qualifizieren.235 Hierbei ist indes zu berücksichtigen, dass sich dieser Aspekt nicht vollständig von der Verhältnismäßigkeit separieren lässt, sondern eben auch in diese „hineinspielt“. So hat nunmehr auch das BVerfG entschieden, dass § 40 Abs. 1a LFGB aufgrund des Fehlens einer zeitlichen Begrenzung unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig ist.236

231

OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2013, 831 (832); OVG NRW, ZLR 2013, 483 (487). OVG NRW, ZLR 2013, 483 (487). So nun auch das BVerfG in seiner Entscheidung zu § 40 Abs. 1a LFGB, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 60. 233 So nun auch das BVerfG in seiner Entscheidung zu § 40 Abs. 1a LFGB, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 56 ff. Zum Ganzen OVG Niedersachsen, NVwZRR 2013, 831 (832); OVG NRW, ZLR 2013, 483 (487), das für eine Fristenregelung, die als Materie des Datenschutzrechts grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder fiele, eine Bundeszuständigkeit kraft Sachzusammenhangs aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Lebensmittel nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG bejaht; Gundel, ZLR 2013, 662 (675); Zott, Informationen, S. 355 f. 234 BLL, Stellungnahme im Verfahren 1  BvF  1/13, S.  2. So sind etwa für Eintragungen im Gewerbezentralregister gem.  § 153  Abs.  1  GewO Tilgungsfristen vorgesehen, und auch für das GVOStandortregister existieren nach § 16a  Abs.  6  S.  2  GenTG Löschungsfristen. Eine Löschungsfrist besteht ferner für Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis gem. § 882 Abs. 1 ZPO, auch wenn hier die grundrechtlichen Wertungen – auf der einen Seite das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, auf der anderen Seite der Schutz des Geschäftsverkehrs vor unzuverlässigen Schuldnern – anders liegen; vgl. hierzu BVerfG, NJW 1988, 3009 (3009 f.). 235 A. A. Elsing / Rosenow, ZLR 2013, 240 (252, 255); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 134. 236 BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 56 ff. 232

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

(3) Bußgeldprognose als Veröffentlichungsmaßstab Zweifel an der Bestimmtheit des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB bestehen zudem aufgrund der tatbestandlichen Anknüpfung an ein zu erwartendes Bußgeld.237 Da für die Prognose der Bußgeldhöhe238 kein objektiver Maßstab, etwa in Form eines Bußgeldkatalogs existiert, bestehe – so die Kritik – die Gefahr einer divergierenden Bewertung von Verstößen und als Konsequenz dessen eine bundesweit uneinheitliche Veröffentlichungspraxis.239 Dem ist allerdings zu entgegnen, dass regionale Unterschiede beim Gesetzesvollzug im föderalen System angelegt sind und sich daraus allein nicht die Verfassungswidrigkeit einer Norm ableiten lässt.240 Die Problematik besteht vielmehr darin, dass die behördliche Bußgeldprognose das Ergebnis eines mit einer Strafsanktion bewehrten Verfahrens antizipiert. Damit wird eine Straferwartung zum Bewertungsmaßstab der Veröffentlichung und zwar unabhängig von der tatsächlichen Realisierung der Ordnungswidrigkeit.241 Die tatbestandliche Anknüpfung an eine Bußgeldprognose ist daher nicht unter dem Gesichtspunkt der Normbestimmtheit, sondern vielmehr im Hinblick auf die Unschuldsvermutung zu untersuchen. (a) Unschuldsvermutung und Verdachtsstrafe Der in Art. 6 Abs. 2 EMRK 242 und Art. 48 Abs. 1 GRC ausdrücklich normierten Unschuldsvermutung kommt im deutschen Recht als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG Verfassungsrang zu.243 Sie gilt neben dem Strafauch im Bußgeldverfahren244 und besagt, dass jeder so lange als unschuldig gilt, bis der Beweis der Schuld in einem gesetzlich geregelten Verfahren festgestellt ist.245

237 VGH Bayern, Beschl. v. 18.03.2013, 9 CE 12.2755, juris Rn. 23; VGH Hessen, Beschl. v. 23.03.2013, 8 B 28/13, juris Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (218 f.); Honegg, Verbraucherinformation, S. 200 f.; Bäcker kritisiert bereits das Bußgeld als Bewertungsmaßstab für behördliche Veröffentlichungen, da sich die Bußgeldhöhe nach § 17 Abs. 2, 3 OWiG an den wirtschaftlichen Verhältnisse, Motiven und Zielen des Täters und damit an gänzlich anderen Kriterien als die Konsumentscheidung der Verbraucher orientiere; vgl. ders., JZ 2016, 595 (601); a. A. OVG NRW, ZLR 2013, 483 (489), unter Verweis auf den Beurteilungs und Prognosespielraum des Gesetzgebers. 238 Zur Verfassungsmäßigkeit der Bußgeldhöhe unter E. I. 3. a) cc) (3) (d). 239 VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (218 f.); VGH Bayern, Beschl. v. 18.03.2013, 9 CE 13.80, juris Rn. 19; Kühne / Preuß, ZLR 2012, 284 (299); Zott, Informationen, S. 341 f. 240 Gundel, ZLR 2013, 662 (673 f.), auch zum Folgenden. 241 Gundel, ZLR 2013, 662 (676). 242 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten i. d. F. v. 22.10.2010, geändert durch 15. EMRK-Protokoll v. 24.06.2013 (BGBl. 2014 II S. 1034). 243 BVerfGE 74, 358 (370); 82, 106 (115); 133, 168 (202). 244 BVerfGE 9, 137 (144); Wache, in: Senge, KK OWiG, Vor § 53 Rn. 66. 245 Dannecker, JZ 2013, 924 (926); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 148; Kudlich, in: MüKo StPO, Einl. Rn. 203; Wache, in: Senge, KK OWiG, Vor § 53 Rn. 66.

I. § 40 LFGB

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Als Konsequenz dessen sind Maßnahmen unzulässig, die auf einen noch nicht erwiesenen Schuldvorwurf aufbauen und in ihrer Wirkung einer Strafe gleichkommen.246 Die Unschuldsvermutung bezieht sich allein auf den Schuldausspruch und nicht auf die (straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche) Primärsanktion.247 Dies erklärt sich daraus, dass die Schuldfeststellung nicht Bestandteil der Strafe ist, sondern die verfassungsrechtliche Voraussetzung für die Verhängung einer strafoder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktion. Allein die Tatsache, dass § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB an eine Bußgeldprognose anknüpft, führt daher nicht zu einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung.248 Die Erwartung der Bußgeldverhängung bezieht sich nicht auf den Schuldvorwurf als solchen, sondern auf den Verdacht eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorgaben oder Hygieneanforderungen. Der Anknüpfungspunkt für die Veröffentlichung nach § 40  Abs.  1a  Nr.  2  LFGB ist damit die mögliche ordnungsrechtliche Sanktion, nicht jedoch der Schuldspruch.249 Dies wird im juristischen Schrifttum oftmals verkannt, wenn aufgrund der tatbestandlichen Anknüpfung an die Bußgeldprogose vorschnell ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bejaht wird, ohne deren genaue Reichweite und Anwendbarkeit im Verwaltungsverfahren zu hinterfragen.250 Übersehen wird in diesem Zusammenhang, dass in anderen Rechtsgebieten die Anknüpfung an eine Prognose – speziell im Hinblick auf die Begehung zukünftiger Ordnungswidrigkeiten und Straftaten – üblich ist ohne mit der Unschuldsvermutung in Konflikt zu geraten. Als Beispiele sind die Befugnis der Bundespolizei zur Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 BPolG,251 die Gewerbeuntersagung nach

246 BVerfGE 133, 168 (202); Wache, in: Senge, KK OWiG, Vor § 53 Rn. 66. Stuckenberg, ZStW 11 (1999), 422 (431); Dannecker, JZ 2013, 924 (926); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 148. 247 Appel, Verfassung und Strafe, S. 538 f., auch zum Folgenden. 248 Dannecker, JZ 2013, 924 (926), auch zum Folgenden. 249 Dannecker, JZ 2013, 924 (926); Schoch, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (143); Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (10); Zott, Informationen, S. 363; a. A. Schoene, ZLR 2013, 65 (73). 250 So etwa BLL, Stellungnahme im Verfahren 1 BvF 1/13, S. 9 f.; Gundel, ZLR 2013, 662 (675 ff.); Kügel / Plaßmann, LMuR 2012, 1 (6); Kügel, ZLR 2016, 300 (322 f.); Schoene, ZLR 2013, 65 (67 ff.); Wustmann, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2012, S. 197 (229 f.); a. A. Schoch, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (142 f.); Zott, Informationen, S. 363 f. 251 Der Anknüpfungspunkt für die Vornahme einer erkennungsdienstlichen Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 BPolG ist die Prognose der Wiederholungsgefahr einer Straftat. Bundespolizeigesetz i. d. F. v. 19.10.1994, zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz zur Verbesserung der Fahndung bei besonderen Gefahrenlagen und zum Schutz von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei durch den Einsatz von mobiler Videotechnik v. 05.05.2017 (BGBl. I S. 1066). S. auch die landesrechtlichen Befugnisse, etwa Art. 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 PAG BAY, § 16 Abs. 1 Nr. 2 PAG TH, § 14 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW, § 19 Abs. 2 Nr. 2 HSOG. PAG Bay i. d. F. v. 14.09.1990, zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 24.07.2017 (GVBl. S. 388); PAG TH i. d. F. v. 04.06.1992, zuletzt geändert durch Art. 6 Thüringer Gesetz zur Änderung sicherheitsrechtlicher Vorschriften v.  08.08.2014 (GVBl.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

§ 35 GewO252 oder die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO253 zu nennen. All diese Maßnahmen haben – und das ist für die weitere Beurteilung entscheidend – eine präventive strafzweckunabhängige Zielrichtung, nämlich die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.254 Die tatbestandliche Anknüpfung an den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit ist demgegenüber bei solchen (Informations-)Maßnahmen problematisch, die allein repressive Zwecke verfolgen.255 Dann handelt es sich bei der behördlichen Maßnahme nämlich um eine unzulässige Verdachtsstrafe, die in Reaktion auf den Verdacht eines bestimmten Verhaltens erfolgt.256 Das Verbot der Verdachtsstrafe stellt die prozessuale Ausprägung der Unschuldsvermutung dar,257 was die bereits monierte Ungenauigkeit in Teilen des Schrifttums erklärt. Für die Beurteilung des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB kommt es also darauf an, ob der Vorschrift eine primär repressive Zielsetzung zu Grunde liegt.258 Einzig dann, wenn das originäre Ziel der Regelung darin besteht, die betroffenen Lebensmittelunternehmen durch die zu erwartenden nachteiligen Konsumentscheidungen der Verbraucher (mittelbar) zu sanktionieren, liegt eine gegen das Rechtstaatsprinzip verstoßende Verdachtsstrafe vor. Gegen eine solch repressive Zielrichtung spricht allerdings, dass die zuständige Behörde die nachteilige Wirkung der Veröffentlichung nicht steuern kann, was für eine klassische Sanktion untypisch ist. Des Weiteren benennt die Gesetzes­

S. 529); PolG NRW i. d. F. v. 25.07.2003, zuletzt geändert durch Art. 1 fünftes Änderungsgesetz v. 17.10.2017 (GV. NRW. S. 806); HSOG i. d. F. v. 14.01.2005, zuletzt geändert durch Art. 2 Gesetz zur Regelung des Rechts der Hilfen und Unterbringung bei psychischen Krankheiten v. 04.05.2017 (GVBl. S. 66). 252 Für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden nach § 35 GewO ist entscheidend, ob aufgrund festgestellter Tatsachen künftige (ggf. weitere)  Verstöße wahrscheinlich sind; vgl. Marcks, in: Landmann / Rohmer, GewO, § 35 Rn. 32. Gewerbeordnung i. d. F. v. 22.02.1999, zuletzt geändert durch Art. 16 Gesetz zur Umsetzung der Vierten EUGeldwäscheRL, zur Ausführung der EU-GeldtransferVO und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen v. 23.06.2017 (BGBl. I S. 1822). 253 Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO setzt den dringenden Tatverdacht einer Verkehrsstraftat voraus (sog. Anlasstat nach § 69 Abs. 2 StGB); vgl. Hauschild, in: MüKo StPO, § 111a Rn. 7. Strafprozessordnung i. d. F. v. 07.04.1987, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 4 Erstes Gesetz zur Änderung des SicherheitsüberprüfungsG v. 16.06.2017 (BGBl. I S. 1634). 254 Dannecker, JZ 2013, 924 (926); Zott, Informationen, S. 363. 255 Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 103, der allerdings allgemein auf die Unschuldsvermutung abstellt und insoweit keine Abgrenzung zu der unzulässigen Verdachtsstrafe vornimmt. 256 Frister, Schuldprinzip, S. 69; Dannecker, JZ 2013, 924 (926); so ebenfalls v. Lewinski, in: Dreier et. al., Informationen der öffentlichen Hand, S. 437 (454). 257 Frister, Schuldprinzip, S. 77, 84; Dannecker, JZ 2013, 924 (926); Zott, Informationen, S. 364. 258 So auch Boddenberg, Negative Produktinformation, S.  107; Dannecker, JZ 2013, 924 (927); Zott, Informationen, S. 365 f.

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begründung nur die Schaffung von Transparenz als Regelungsziel; den Verbrauchern soll mit Hilfe der Information eine eigenverantwortliche Entscheidung am Markt ermöglicht werden.259 Dem Gesetzgeber kommt insoweit ein Wahlrecht zu, welche Zwecke – ob Transparenz, Gefahrenabwehr oder Sanktionierung – er mit einer Vorschrift verfolgt.260 Das ausschließliche Abstellen auf den weiten gesetzgeberischen Spielraum bei der Festlegung des Gesetzeszwecks ist allerdings zu einseitig, da sich hinter der vordergründigen Schaffung von Markttransparenz sehr wohl die aus politischer Sicht zuvörderst gewünschte Wirkung einer Sanktion verbergen kann. Tatsächlich lässt sich § 40 Abs. 1a LFGB eine derartige Strafwirkung nicht absprechen. Die Information über (potenzielle) Verstöße, etwa gegen Hygieneanforderungen oder verbraucherschützende Vorschriften, dient offensichtlich nicht der Prävention von Gefahren, sondern knüpft vergangenheitsbezogen an einen (möglichen) Verstoß an.261 Die nachteiligen mittelbaren Wirkungen der Veröffentlichung können dabei wirtschaftliche Konsequenzen für die Lebensmittelunternehmen bedeuten, die in ihrer Härte über die tatsächliche Verhängung eines Bußgelds hinausgehen (sog. „Prangerwirkung / Prangereffekt“262). Dass die Veröffentlichungswirkung nicht steuerbar ist, sagt im Übrigen nichts über ihre Zielrichtung aus. Auch unkalkulierbare, damit umso intensivere, behördliche Maßnahmen können einen repressiven Zweck verfolgen. Festzuhalten bleibt somit, dass in der Argumentation um den repressiven Charakter des § 40 Abs. 1a LFGB die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers, Markttransparenz für die Verbraucher zu schaffen, der tatsächlichen Sanktionswirkung der Vorschrift gegenübersteht. Hiervon ausgehend lässt sich der Strafcharakter jedenfalls dann bejahen, wenn eine Veröffentlichung auf der Grundlage von § 40 Abs.  1a  LFGB offensichtlich nicht zur Herstellung von Markttransparenz beitragen kann. In diesem Fall ist die Verwendung der Vorschrift zu Transparenzzwecken vom Gesetzgeber bloß vorgeschoben, um den wahren Sanktionscharakter zu verschleiern. Konkret trifft dies auf die Veröffentlichung von Hygieneverstößen nach § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB zu, die keinerlei Lebensmittelbezug aufweisen, sondern auf die allgemeine Reinlichkeit im Betrieb oder die bauliche Beschaffenheit Bezug nehmen. Eine derartige Information, wie beispielsweise die unzureichende Anzahl von Umkleideräumen für das Personal, lässt sich nicht mehr als (lebensmittelrechtliches) Transparenzinstrument zur Förderung bewusster Kaufentscheidungen einordnen. Je weiter sich damit eine auf § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB beruhende Information von einem kon-

259

BT-Drs. 17/7374, S. 1 f. Dannecker, JZ 2013, 924 (928), auch zum Folgenden. 261 Dannecker, JZ 2013, 924 (928). 262 OVG Niedersachsen, NJW 2013, 1252 (1253); VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (217); Becker, ZLR 2011, 391 (417); Dannecker, JZ 2013, 927 f.; Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (24). 260

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kreten Produktbezug entfernt – so die These dieser Arbeit –, desto eher liegt eine rein repressive Zielrichtung und damit eine unzulässige Verdachtsstrafe vor.263 Wie bereits untersucht, ist die Anforderung des Lebensmittelbezugs im Rahmen der Vorschrift umstritten.264 Bejaht man allerdings in Übereinstimmung mit dem Großteil der Rechtsprechung und des juristischen Schrifttums den produktbezogenen Hygieneverstoß als Voraussetzung einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB, ist eine rein repressive Zielsetzung der Vorschrift abzulehnen.265 Dann dient die Veröffentlichung auch der Herstellung von Markttransparenz und stellt keine verbotene Verdachtsstrafe dar.266 (b) Exkurs: Spannungsverhältnis zu § 475 StPO Im Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung wird im rechtswissenschaftlichen Schrifttum auf die Unvereinbarkeit des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB mit § 475 StPO hingewiesen. Demnach müsse die Behörde zur Einstufung der voraussichtlichen Bußgeldhöhe im Verwaltungsverfahren nach § 40 Abs. 1a LFGB dieselben Überlegungen wie bei der Einleitung eines Bußgeldverfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten267 anstellen; als Konsequenz dessen seien die §§ 35 bis 66 OWiG anzuwenden.268 Dabei verweist § 49b OWiG für die Erteilung von Auskünften auf § 475 StPO, wonach für die Informationsherausgabe während eines laufenden (Straf-)Verfahrens das Vorliegen eines berechtigten Interesses der auskunftsfordernden Privatpersonen Voraussetzung ist. Bei § 40  Abs.  1a  LFGB ist demgegenüber kein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit für die Auskunftserteilung erforderlich. Es bedarf nicht einmal einer vorherigen Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen. Im Gegensatz dazu sieht das Verbraucherinformationsgesetz eine auf § 475 StPO zurückgehende Absicherung laufender Verfahren vor (vgl. § 3 S. 3 VIG),269 was nach Stimmen in der Literatur den Schluss nahelegt, dass der Gesetzgeber § 475 StPO bei der Schaffung des § 40 Abs. 1a LFGB

263 Alternativ ließe sich dieser Aspekt auch bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB im Rahmen der Geeignetheit verorten. Die Fragestellung würde dann lauten, ob Veröffentlichungen über allgemeine Hygieneverstöße überhaupt geeignet sind, Markttransparenz im Lebensmittelbereich zu schaffen. Bei § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB stellt sich das Problem nicht, da ein (möglicher) Grenzwertverstoß denknotwendig auf ein konkretes Lebensmittel Bezug nimmt. 264 Vgl. hierzu bereits unter E. I. 3. a) bb) (1). 265 So wohl nun auch das BVerfG, das den generalpräventiven Zweck der Regelung hervorhebt, BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 38. 266 Anders fällt das Ergebnis bei der geplanten Novellierung des § 40 LFGB-E aus; hierzu sogleich unter E. I. 4. b). 267 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten i. d. F. v. 19.02.1987, zuletzt geändert durch Art. 5 Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung v. 13.04.2017 (BGBl. I S. 872). 268 Wustmann, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2012, S. 197 (228). 269 Hierzu unter E. II. 1.

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schlichtweg übersehen habe.270 § 475 StPO sperre die Informationsveröffentlichung daher spätestens ab dem Zeitpunkt der behördlichen Prognose über die zu erwartende Bußgeldhöhe.271 Diese Problematik hat der Gesetzgeber derweil erkannt. So sieht der derzeitige Entwurf des § 40a LFGB-E einen ausdrücklichen Verweis auf § 3 S. 3 VIG vor, was das Spanungsverhältnis zu § 475 StPO lösen würde.272 cc) Verhältnismäßigkeit Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, dass die behördliche Veröffentlichung auf der Grundlage von § 40 Abs. 1a LFGB in ihrem Umfang und Ausmaß in einem angemessenen Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg steht.273 (1) Legitimer Zweck und Geeignetheit Ausweislich der amtlichen Begründung beabsichtigt der Gesetzgeber mit § 40 Abs. 1a LFGB eine offene und transparente Gestaltung des staatlichen Handelns, um den Kenntnisstand der Öffentlichkeit zu verbessern und so den Verbrauchern eigenverantwortliche Konsumentscheidungen zu ermöglichen.274 Allein dieser gesetzgeberische Transparenzzweck ist für die Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 40 Abs. 1a LFGB maßgeblich, da von einer primär repressiven Zielrichtung der Regelung – jedenfalls solange ein konkreter Lebensmittelbezug besteht – nicht auszugehen ist. Dass der Vorschrift aufgrund der nachteiligen Effekte einer Veröffentlichung auch eine Sanktionswirkung zukommt und die Lebensmittelunternehmen so zur Einhaltung der lebensmittelrechtlichen und verbraucherschützenden Vorschriften anhält,275 darf also für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung keine Berücksichtigung finden.276 Unter Beachtung der Einschätzungsprärogative des 270

Wustmann, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2012, S. 197 (229); a. A. wohl Zott, die zwar davon ausgeht, dass der Gesetzgeber die Abwägung mit dem (berechtigten) öffentlichen Interesse in der Vorschrift bereits vorweggenommen habe, allerdings insoweit die Verfassungswidrigkeit des § 40 Abs. 1a LFGB bejaht; vgl. dies., Informationen, S. 367 f. 271 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 99; Joh / Krämer / Teufer / Unland, ZLR 2012, 420 (434); Theis, DVBl 2013, 627 (633); Wustmann, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2012, S. 197 (229); a. A. Gundel, ZLR 2013, 662 (679); in Bezug auf das VIG Becker, in: FS M. Horst, S. 73 (83). 272 Ausführlich zur geplante Novellierung unter E. I. 4. 273 Vgl. allgemein zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 107 ff. 274 BT-DRs. 17/7374, S. 2, 12 f., 20; OVG NRW, ZLR 2013, 483 (489); OVG Niedersachsen, NJW 2013, 1252; VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (216). 275 OVG Niedersachsen, NJW 2013, 1252 (1253); Dannecker, JZ 2013, 924 (929, 932); Gundel, ZLR 2013, 662 (673); Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (24). 276 Dannecker, JZ 2013, 924 (929).

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Gesetzgebers erscheinen die Informationen auf Grundlage von § 40 Abs. 1a LFGB auch geeignet,277 das Ziel der Transparenzförderung zu erreichen.278 (2) Erforderlichkeit Das Fehlen einer Regelung zur Dauer der Veröffentlichung verstößt mit der obigen Untersuchung bereits gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Verortet man diese Problematik allerdings in der Prüfung der Verhältnismäßigkeit, ist die Normierung einer Löschungsfrist als milderes gleich wirksames Mittel anzusehen. Eine unbegrenzte Veröffentlichungsdauer von Verstößen gegen Höchstmengen oder verbraucherschützende Vorschriften ist für den Ausbau von Marktransparenz nicht erforderlich.279 Eine behördliche Information nach § 40 Abs. 1a LFGB wäre für die Betroffenen ebenfalls weniger beeinträchtigend, wenn sie statt auf einem Verdacht basierend auf der Grundlage eines rechtskräftig festgestellten Verstoßes erfolgen würde. Allerdings wäre eine Veröffentlichung dann erst mit zeitlicher Verzögerung möglich, weshalb die insoweit mildere behördliche Maßnahme nicht als gleich effektiv zu bewerten wäre. Selbiges gilt für die Möglichkeit der (vorrangigen) unternehmenseigenen Veröffentlichung nach § 40 Abs. 2 LFGB, die zwar ebenfalls als milder, im Hinblick auf die lückenlose Information der Verbraucher aber nicht als gleich effektiv zu bewerten wäre.280 (3) Angemessenheit Ob der Eingriff in die Grundrechte der Lebensmittelunternehmen durch die Veröffentlichung von Informationen nach § 40 Abs. 1a LFGB außer Verhältnis zu dem mit der Regelung verfolgten Transparenzziel steht, ist aus mehreren Gründen zu untersuchen. 277 Der Gesetzgeber weist in der amtlichen Begründung auf die mehrjährige Anwendungserfahrung mit § 40 LFGB hin, um die Notwendigkeit des neu eingefügten § 40 Abs. 1a LFGB darzulegen; vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 12 f. 278 BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 37; OVG NRW, ZLR 2013, 483 (490); VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (219); Zott, Informationen, S. 343; a. A. Joh / Krämer / Teufer / Unland, ZLR 2012, 420 (434); Kügel, ZLR 2016, 300 (319), und Kühne / Preuß, ZLR 2012, 285 (306 f.), weisen auf eine ungefilterte „Informationsflut“ bei jährlich bis zu 10.000 durch die Lebensmittelkontrollen festgestellten Höchstmengenüberschreitungen hin, die eine effektive Verbraucherinformation ausschließen könne. 279 VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (219); VGH Hessen, Beschl.  v.  23.04.2013, 8  B  28/13, juris Rn.  7; VGH Bayern, Beschl.  v.  18.03.2013, 9  CE  13.80, juris Rn.  18. Das BVerfG verortet die Problematik der zeitlichen Begrenzung allein in der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 56. 280 BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 47. So auch Zott, Informationen, S. 347.

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(a) Zwingende Veröffentlichung ohne vorangehende Interessenabwägung Die Regelung des § 40  Abs.  1a  LFGB sieht eine zwingende Veröffentlichung ohne eine vorangehende Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen vor. Es besteht demnach kein Entschließungsermessen der Behörde über das „Ob“ der Publikation, sondern allein ein Auswahlermessen im Hinblick auf das „Wie“.281 Der Bundesrat hatte gegen diese zwingende Ausgestaltung der Regelung im Gesetzgebungsverfahren Bedenken geäußert und darauf hingewiesen, dass es für eine sachgerechte Entscheidung eines behördlichen Ermessensspielraums bedürfe.282 Die Bundesregierung hat diesen Einwand jedoch nicht aufgegriffen und an der Veröffentlichungspflicht festgehalten.283 In der amtlichen Begründung zu § 40 Abs. 1a LFGB heißt es, dass die kennzeichenrechtliche Problematik um Analogläse und schinken284 und um die erhöhten Dioxinmengen in Eiern und Fleisch Anfang 2011285 gezeigt hätten, dass bei den Behörden Unsicherheit bestehe, wann eine Veröffentlichung geboten sei.286 Die Einfügung des als „Muss“-Tatbestand ausgestalteten § 40  Abs.  1a  LFGB trage dem Rechnung, indem nunmehr deutlich werde, dass „bestimmte herausgehobene Verstöße unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 LFGB“ zu veröffentlichen seien. Mit dieser pragmatischen Erwägung mag der Gesetzgeber zwar die Unsicherheit bei der Rechtsanwendung für die Behörden abgebaut haben; allerdings weist die zwingende Ausgestaltung des § 40 Abs. 1a LFGB nicht nur einen Wertungswiderspruch zu den Veröffentlichungsbefugnissen nach § 40 Abs. 1 LFGB auf, sondern steht aufgrund der unzureichenden Berücksichtigung der unternehmerischen Interessen auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Konflikt. Der Wertungswiderspruch begründet sich zunächst damit, dass für sämtliche der in § 40 Abs. 1 LFGB normierten Veröffentlichungsbefugnisse ein behördliches Dispensermessen besteht, obwohl Absatz 1 im Vergleich zu Absatz 1a die schwerer wiegenden Fälle betrifft, in denen nämlich die Gesundheit der Verbraucher betroffen ist.287 So können die Behörden etwa bei Warnungen zur Gefahrenabwehr nach § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB in atypischen Fällen von einer Veröffentlichung absehen, während dies bei Verstößen gegen Hygienevorgaben oder verbraucherschützende Vorschriften nach § 40 Abs. 1a LFGB, wohlgemerkt ohne Gesundheitsgefährdung, nicht möglich ist.

281

Schoch, NVwZ 2012, 1497 (1502). BR-Drs. 454/1/11 Empfehlung der Ausschüsse, S. 15. 283 Hierzu auch Pache / Mayer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 28. 284 Vgl. Fn. 494. 285 Vgl. Fn. 495. 286 BT-Drs. 17/7374, S. 13, 19, auch zum Folgenden. 287 VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212, (220 f.); VGH Hessen, Beschl. v. 23.04.2013, 8 B 28/13, juris Rn. 12 f.; VG Dresden, Beschl. v. 22.04.2013, 6 L 47/13, juris Rn. 36 (in Bezug auf § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB); Gurlit, NVwZ 2013, 1267 (1269); Zott, Informationen, S. 344; Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 61. 282

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Dieses Missverhältnis setzt sich bei der vorangehenden Interessenabwägung nach § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB fort, die sich allein auf die Informationsbefugnisse nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 bis 5 LFGB bezieht, nicht jedoch auf § 40 Abs. 1a LFGB. Damit stehen die Publikationen nach Absatz 1a auf einer Stufe mit den Warnungen zur Gefahrenabwehr gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB, die ebenfalls nicht von der Abwägungsklausel erfasst werden. Während allerdings bei Warnungen dem verfassungsrechtlich geschützten Gesundheitsschutz der Verbraucher nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Vorrang vor den unternehmerischen Interessen einzuräumen ist und insoweit auf eine vorherige Abwägung verzichtet werden kann, kommt dem bloßen Verbraucherschutz in § 40 Abs. 1a LFGB keine solch grundrechtliche Relevanz zu.288 Da ein (vorrangiges) Grundrecht der Verbraucher auf Herstellung von Markttransparenz gerade nicht besteht,289 kann für § 40 Abs. 1a LFGB daher nicht die gleiche Wertung gelten wie für Warnungen. Auch wenn diese Disparität zwischen den Informationsbefugnissen nach Absatz 1 und Absatz 1a Kritik verdient, führt sie noch nicht zu der Unangemessenheit der Regelung. Die Unvereinbarkeit des § 40 Abs. 1a LFGB mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruht vielmehr darauf, dass in der zwingenden Ausgestaltung der Regelung die Interessen der betroffenen Unternehmen keine ausreichende Beachtung finden.290 Der Gesetzgeber hätte verstärkt berücksichtigen müssen, dass die (online) veröffentlichten Informationen irreversibel sind und erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen haben können.291 Unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit wäre daher zumindest eine Härtefallregelung angezeigt gewesen, nach der die jeweilige Behörde unter Berücksichtigung der unternehmerischen Interessen im Einzelfall von einer Veröffentlichung Abstand nehmen könnte.292 Abzulehnen ist indes die Auffassung, dass im Rahmen des Auswahlermessens des § 40 Abs. 1a LFGB den unternehmerischen Belangen unter dem Gesichtspunkt 288 VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212, (220 f.); VGH Hessen, Beschl. v. 23.04.2013, 8 B 28/13, juris Rn. 12 f.; Becker, ZLR 2011, 391 (414); Beck, ZLR 2009, 123 (129 f.); Kügel, ZLR 2016, 300 (315); Wiemers, ZLR 2009, 413 (421); a. A. Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (41); ders., Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BT-Ausschuss Drs. 17 (10) 735-H, S. 8 f.; Abbé, Verbraucherschutz, S. 222 f.; Leisner, GewArch 2014, 57 (62). S. zur Problematik bereits unter D. I. 3. 289 Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (462). 290 Becker, ZLR 2011, 391 (417); Gundel, ZLR 2013, 662 (674); Kühne / Preuß, ZLR 2012, 284 (307 f.); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 61; Zott, Informationen, S. 345 f.; Teufer, K&R 2013, 629 (632 f.). 291 VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212, (220 f.); VGH Hessen, Beschl. v. 23.04.2013, 8 B 28/13, juris Rn. 12 f.; Becker, ZLR 2011, 391 (417); Zott, Informationen, S. 345; Grube /  Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 61; in diese Richtung auch Schoch, NVwZ 2012, 1497 (1501). 292 VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212, (220 f.); VGH Hessen, Beschl. v. 23.04.2013, 8 B 28/13, juris Rn. 12 f.; Zott, Informationen, S. 345; so auch Wollenschläger, der § 40 Abs. 1a LFGB zwar für verfassungskonform hält, aber dennoch eine Härtefallklausel fordert; vgl. ders., Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BT-Ausschuss Drs. 17 (10) 735-H, S. 11.

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der Verhältnismäßigkeit ausreichend Rechnung getragen werden könne.293 Diese Überlegung überzeugt nicht, da allein die Möglichkeit der Behörde, über das „Wie“ (also über den Inhalt, den Umfang und die Darstellung) einer Publikation zu entscheiden, die zwingende Vorgabe im Gesetz über das „Ob“ der Veröffentlichung nicht auszugleichen vermag.294 In der Praxis wird die jeweilige Behörde im Übrigen nicht einzelfallbezogen den Inhalt oder den Umfang der Veröffentlichung anpassen bzw. verschiedene Darstellungsformen wählen, sondern die Informationen nach § 40 Abs. 1a LFGB allesamt in der gleichen Liste veröffentlichen. Exemplarisch hierfür stehen die bereits dokumentierten Publikationslisten des Saarlands (vgl. Abbildungen 3 und 4). Von einer Einzelfallentscheidung, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der unternehmerischen Interessen genügt, lässt sich insoweit nicht sprechen. Im Ergebnis ruft die zwingende Veröffentlichungspflicht ohne Härtefallklausel nach § 40 Abs. 1a LFGB damit nicht nur einen Wertungswiderspruch zu den Informationsbefugnissen nach § 40 Abs. 1 LFGB hervor, sondern ist aufgrund der unzureichenden Berücksichtigung der von den Informationen betroffenen Unternehmen auch als nicht angemessen zu bewerten.295 (b) Verdachtsbasierte Veröffentlichung Die Anknüpfung des § 40 Abs. 1a LFGB an den hinreichend begründeten Verdacht einer Überschreitung von Grenzwerten, Höchstgehalten oder mengen (Nr. 1) bzw. eines Verstoßes gegen verbraucherschützende Vorschriften (Nr. 2) als Tatbestandsvoraussetzung verletzt zwar nicht das Verbot der Verdachtsstrafe, ist jedoch unter Angemessenheitsgesichtspunkten problematisch. Eine auf einem Verdacht basierende Information enthält in tatsächlicher Hinsicht nämlich eine erhebliche Unsicherheit, da ihr kein vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt.296 Bestätigt sich der Verdacht nicht, lassen sich die nachteiligen Folgen der Veröffent­ lichung nachträglich nicht mehr revidieren.297 Über Rechtsverstöße, deren inhaltliche Richtigkeit noch nicht abschließend geklärt ist, darf der Staat daher nur ausnahmsweise informieren, wenn es das öffentliche Interesse, etwa aufgrund eines Verbraucherrisikos, erfordert.298 Zudem muss die Behörde die (noch) bestehen 293

So Schoch, NVwZ 2012, 1497 (1502); Elsing / Rosenow, ZLR 2013, 240 (260); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 135. 294 Gundel, ZLR 2013, 662 (674); Zott, Informationen, S. 345. 295 Anders insoweit das BVerfG, das die Verfassungswidrigeit des § 40 Abs. 1a LFGB allein auf das Fehlen einer Regelung zur Veröffentlichungsdauer stützt, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 48 ff. 296 Wollenschläger, Stellungnahme zur VIG-Reform v.  02.11.2011, BT-Ausschuss Drs.  17 (10) 735-H, S. 12. 297 Dies gilt im besonderen Maße für Veröffentlichungen im Internet, die sich weltweit abrufen und kaum mehr vollständig löschen lassen; vgl. Becker, ZLR 2011, 391 (420). 298 BVerfGE 105, 252 (272); Wollenschläger, Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BT-Ausschuss Drs. 17 (10) 735H, S. 12 f.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

den Zweifel kenntlich machen, d. h., den Hinweis aufnehmen, dass es sich bei der Information allein um den Verdacht auf einen Verstoß handelt.299 Bereits diese Kenntlichmachung erfolgt aber in der Verwaltungspraxis nicht, wie die durch das Landesamt für Verbraucherschutz des Saarlands veröffentlichten Tabellen zu § 40 Abs. 1a LFGB exemplarisch aufzeigen. So informierte die Behörde unter der Überschrift „Sonstige Verstöße gemäß § 40 Abs. 1a Nr. 2 des Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuchs“ über die Beanstandungsgründe ohne den Hinweis auf deren auf einem bloßen Verdacht basierende Grundlage (vgl. Abbildung 3).300 Ein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung von mit Ungewissheit belasteten Informationen besteht im Übrigen einzig für Warnungen, da hier die Gesundheit – womöglich sogar das Leben – der Verbraucher betroffen und damit eine sofortige behördliche Maßnahme notwendig ist.301 Demgegenüber weisen Verbraucherinformationen, die „nur“ der Schaffung von Markttransparenz dienen, keine derartige Eilbedürftigkeit auf, sodass eine Veröffentlichung auf einer abgesicherten Tatsachengrundlage beruhen muss.302 Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass in der Praxis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die monierten Mängel bereits abgestellt sein dürften.303 Dies lässt sich wiederum anhand der vom Landesamt für Verbraucherschutz des Saarlands veröffentlichten Tabelle belegen (vgl.  Abbildung  3), die für jede Beanstandung in der jeweils letzten Spalte auf die bereits erfolgte Mängelbeseitigung hinweist. Selbst wenn man also die Herstellung von Markttransparenz als einen im öffentlichen Interesse liegenden Grund für verdachtsbasierte Informationen anerkennt, ist zweifelhaft, ob sich dieser Gesetzeszweck überhaupt mit der Veröffentlichung bereits abgestellter Mängel erreichen lässt.304 Damit sind die verdachtsbasierten Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht angemessen.305 Aus gesetzgeberischer Sicht ließe sich die Problematik lösen, indem die Regelung statt an den Verdacht einer Grenzwertüberschreitung bzw. eines 299

Dannecker, JZ 2013, 924 (930). Dannecker weist allerdings zutreffend darauf hin, dass aus praktischer Sicht aufgrund der zwei zu entnehmenden Proben kaum Zweifel an einem Verstoß bestehen dürften; vgl. ders., JZ 2013, 924 (930). 301 Becker, ZLR 2011, 391 (414). 302 Dannecker, JZ 2013, 924 (933). 303 VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (220); VGH Hessen, Beschl. v. 23.04.2013, 8 B 28/13, juris Rn. 9; unter Bezugnahme auf § 20 Abs. 1 S. 1 BDSG geht das OVG NRW davon aus, dass ein Hinweis auf eine bereits erfolgte Mangelbeseitigung in die Veröffentlichung aufzunehmen sei; vgl.  ZLR 2013, 483 (491); so auch VGH Hessen, Beschl.  v.  23.04.2013, 8 B 28/13, juris Rn. 9; Zott, Informationen, S. 351. 304 Ähnlich Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  E Rn.  85; Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1054); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1361); a. A. Schoch, der auch die Veröffentlichung von bereits beseitigten Mängel als verhältnismäßig ansieht; vgl. ders., NJW 2012, 2844 (2848). 305 Wollenschläger, Stellungnahme zur VIG-Reform v.  02.11.2011, BT-Ausschuss Drs.  17 (10) 735-H, S. 12 f. Anders jedoch das BVerfG, das § 40 Abs. 1a LFGb insoweit als verhältnismäßig erachtet, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 55. 300

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Verstoßes gegen verbraucherschützende Vorschriften an einen Beanstandungs­ bescheid der Behörde anknüpft.306 Ob insoweit auf die Bestandskraft des Bescheids oder allein auf dessen sofortige Vollziehbarkeit abzustellen wäre, bestimmt sich unter Berücksichtigung der sich hierbei gegenüberstehenden Interessen. Für das Vorliegen eines bestandskräftigen Bescheids als Voraussetzung der behördlichen Veröffentlichung streiten die Richtigkeitsgewähr der Publikation sowie die Gewährung effektiven Rechtsschutzes für das betroffene Unternehmen. Dem steht allerdings bei der Einlegung von Rechtsbehelfen die Gefahr einer erheblichen Verzögerung der Publikation gegenüber. Als Kompromiss ist daher nicht die Bestandskraft des Bescheids, sondern allein dessen sofortige Vollziehbarkeit zu fordern. Der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG wäre Rechnung getragen, wenn die Behörde nach Erlass des sofort vollziehbaren Bescheids die Informationen erst nach einer (gesetzlich festgelegten) Wartefrist veröffentlichen würde.307 Dem betroffenen Unternehmen wäre so die gerichtliche Überprüfung im Wege des Eilrechtsschutzes mittels eines Antrags nach § 80 Abs. 5 S. 1 Fall 2 VwGO308 möglich.309 (c) Keine vorrangige unternehmenseigene Veröffentlichung Beim Vergleich der verschiedenen Absätze des § 40 LFGB fällt weiter auf, dass der Vorrang der unternehmenseigenen Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 2 LFGB nur für die schwereren – zumeist gesundheitsbezogenen – Informationen nach Abs. 1 gilt, nicht jedoch für Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB. Der bereits angesprochene Wertungswiderspruch setzt sich damit auch an dieser Stelle fort,310 führt jedoch für sich alleine noch nicht zu der Unangemessenheit der Regelung.311

306 Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (32, 47); ders., Stellungnahme zur VIG-Reform v.  02.11.2011, BTAusschuss Drs.  17  (10)  735-H, S.  14; Zott, Informationen, S.  352 f. Auch in anderen Rechtsbereichen ist eine Veröffentlichung allein für vollziehbare bzw. unanfechtbare behördliche Entscheidungen und Maßnahmen vorgesehen; vgl. § 149 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 3 GewO für Eintragungen in das Gewerbezentralregister und § 40b Abs. 1 S. 1 WPHG für Veröffentlichungen auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs­ aufsicht. 307 In Anlehnung an § 5 Abs. 4 S. 3 VIG (§ 4 Abs. 3 S. 3 VIG a. F.) eine 14-tägige Wartefrist vorschlagend Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (32 f.). 308 Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. v. 19.03.1991, zuletzt geändert durch Art. 5 Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben v. 29.05.2017 (BGBl. I S. 1298). 309 Zum Ganzen ausführlich Wollenschläger, DÖV 2013, 7 (9 ff.); ders., Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BT-Ausschuss Drs. 17 (10) 735-H, S. 11, 14; ders., VerwArch 102 (2011), 20 (32); Zott, Informationen, S. 358 ff.; Dannecker, JZ 2013, 924 (930). 310 Vgl. hierzu bereits unter E. I. 3. a) cc) (3) (a). 311 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 53; Pache / Mayer, in: Meyer / Streinz, § 40 LFGB Rn. 25; ausführlich Zott, Informationen, S. 346 f.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

(d) Niedrige Bußgeldschwelle des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB Mit der niedrigen Bußgeldschwelle in Höhe von 350 Euro unterfallen auch Verstöße gegen verbraucherschützende Regelungen und Hygieneanforderungen von geringem Gewicht der Veröffentlichungspflicht des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB.312 Ein (zu erwartendes) Bußgeld in Höhe von 350 Euro wirkt hierbei im Vergleich zu anderen lebensmittelrechtlichen Tatbeständen mit einer Bußgeldhöchstgrenze von bis zu 100.000 Euro (vgl. § 60 Abs. 5 Nr. 1 LFGB)313 geradezu als „Bagatelle“.314 Für die niedrige Bußgeldschwelle lässt sich zwar anführen, dass die Veröffentlichung eines Verstoßes durch das eigene (Fehl-)Verhalten des Betriebsinhabers veranlasst ist.315 Zu bedenken ist aber, dass die Veröffentlichung auch nur geringerer Verstöße zu einem massiven Rückgang von Kunden führen kann. Demgegenüber ist die Zahlung eines Bußgelds in Höhe von 350 Euro wohl auch für einen kleinen Lebensmittelbetrieb zu verschmerzen.316 Selbst eine geringe Anzahl fernbleibender Kunden kann einen kleinen Betrieb, etwa eine Pizzeria oder einen Imbiss, zur Geschäftsaufgabe zwingen. Problematisch ist des Weiteren, dass die tatsächliche Schwere eines (möglichen) Verstoßes für die Verbraucher nicht erkennbar ist. Dies zeigt die vom Landesamt für Verbraucherschutz des Saarlands herausgegebene Tabelle zu § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB, die für den Beanstandungsgrund keine näheren Informationen zum Ausmaß der (potenziellen) Verstöße enthält (vgl. Abbildung  3). Die zwingende Veröffentlichung von Verstößen, die voraussichtlich nur mit einem Bußgeld von 350 Euro bewehrt sind, ist daher aufgrund der zu befürchtenden Nachteile, gerade für kleine Betriebe, jedenfalls in ihrer Pauschalität nicht angemessen.317

312

Unklar ist im Übrigen, wie sich die Bußgeldschwelle in Höhe von 350 Euro zu der kumulativen Voraussetzung eines (möglichen) Verstoßes „in nicht nur unerheblichem Ausmaß“ verhält; vgl. hierzu Wollenschläger, Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BT-Ausschuss Drs. 17 (10) 735-H, S. 10 f. 313 Die Ahndung mit einer Geldbuße von bis zu 100.000 Euro kann etwa für das Inverkehrbringen eines nicht sicheren (gem. §§ 60 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1, 59 Abs. 2 Nr. 1a LFGB, Art. 14 Abs. 1, 2 lit. b) BasisVO) oder eines für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Lebensmittels (gem. §§ 60 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1, 59 Abs. 1 Nr. 8 LFGB) erfolgen. 314 VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 (220); VGH Hessen, Beschl. v. 23.04.2013, 8 B 28/13, juris Rn. 9; VGH Bayern, Beschl. v. 18.03.2013, 9 CE 12.2755, juris Rn. 21; Honegg, Verbraucherinformation, S. 203 f.; Kügel, ZLR 2016, 300 (321); Zott, Informationen, S. 348. 315 BVerfG, Beschl. v.  21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn.  36; OVG NRW, ZLR 2013, 483 (491). 316 Schoene, ZLR 2013, 65 (74). 317 So auch Kügel, ZLR 2016, 300 (321); a. A. Zott, Informationen, S. 348 f., die einen „verkümmerten“ Anwendungsbereich der Vorschrift im Falle einer höheren Bußgeldschwelle befürchtet. Anders nunmehr jedoch das BVerfG, das die Bußgeldschwelle nur als eine von zwei kumulativ geforderten Erheblichkeitsvoraussetzungen von § 40 Abs. 1a LFGB ansieht und die Verfassungswidirgkeit der Norm allein auf das Fehlen einer Regelung zur zeitlichen Dauer der Veröffentlichung stützt, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 52 ff.

I. § 40 LFGB

157

dd) Zwischenergebnis Die Veröffentlichungspflicht nach § 40  Abs.  1a  LFGB steht sowohl mit dem Grundsatz der Bestimmtheit als auch mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in Konflikt. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist verletzt, da § 40 Abs. 1a LFGB keine Veröffentlichungsdauer vorsieht. Das BVerfG hat insoweit entschieden, dass der Gesetzgeber zur Abwendung der Nichtigkeit des § 40 Abs. 1a LFGB bis zum 30. April 2019 eine Regelung zur Dauer der Veröffentlichung treffen muss.318 In diesem Zusammenhang ist ebenfalls problematisch, dass der Lebensmittelbezug bei Hygieneverstößen nach § 40  Abs.  1a  Nr.  2  LFGB nicht eindeutig ist. Die Unverhältnismäßigkeit der Regelung und damit die Unvereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt sich aus dem Zusammenspiel gleich mehrerer Aspekte. So ist die zwingende Veröffentlichung von Verbraucherinformationen nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, da die unternehmerischen Belange keine ausreichende Berücksichtigung finden. Ferner sind auf einem Verdacht basierende Veröffentlichungen zwar für Warnungen – aufgrund der Gefährdung verfassungsrechtlicher Schutzgüter und der damit zusammenhängenden Eilbedürftigkeit  – angemessen, nicht jedoch für Verbraucherinformationen. Bei § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB tritt zudem die niedrige Bußgeldschwelle als Anknüpfungspunkt für die Veröffentlichung hinzu, die aufgrund der wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Lebensmittelbetriebe als nicht mehr angemessen zu bewerten ist. b) § 40 Abs. 1 LFGB Der Fokus bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 40 LFGB liegt in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und im juristischen Schrifttum auf § 40 Abs. 1a LFGB. Hierbei gerät in Vergessenheit, dass nicht § 40 Abs. 1a LFGB die jüngste Novellierung des Regelungskomplexes darstellt, sondern § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4a LFGB, der ebenfalls dem Täuschungsschutz der Verbraucher dient und keinerlei Bezug zu der Abwehr einer Gefahr aufweist. Die Fragen nach der Einhaltung der Grundätze der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit stellen sich daher auch im Rahmen des § 40 Abs. 1 LFGB. aa) Umsetzung in der Praxis Seit Oktober 2011 erfolgt die Veröffentlichung von Informationen nach § 40 Abs. 1 LFGB auf dem Internetportal „Lebensmittelwarnung“,319 auf dem die Bundesländer und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gemein­sam publi 318

BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 64. Vgl. www.lebensmittelwarnung.de [Stand: 25.06.2017].

319

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

zieren.320 Für die Verbraucher stellt die gebündelte Abrufbarkeit der Warnungen sämtlicher Bundesländer eine erhebliche Erleichterung dar, weil so eine Suche nach Veröffentlichungen der einzelnen Länder auf den jeweiligen Landeslisten entfällt.321 Auch wenn das Portal in der Theorie sämtliche Informationen nach § 40 Abs. 1 LFGB erfasst, bestehen die tatsächlichen Veröffentlichungen augenscheinlich allein aus Warnungen zur Abwehr von Gesundheitsgefahren nach § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB, jeweils mit dem Hinweis auf die Rücknahme und Rückrufaktionen der Lebensmittelunternehmen. Die Einträge über das jeweilige Lebensmittel auf dem Portal werden nach Ablauf des vom Hersteller angegebenen Mindesthaltbarkeits bzw. Verbrauchsdatums zuzüglich einer Sicherheitsfrist gelöscht, da das inkriminierte Lebensmittel nach diesem Zeitraum verbraucht ist bzw. nicht mehr in den Verkehr gelangt.322 Die Gestaltung des Portals „Lebensmittelwarnung“ und die Veröffentlichungen sind in den nachfolgenden Abbildungen exemplarisch wiedergegeben.

Abbildung 5: Portal „Lebensmittelwarnung“: Gestaltung

Bei den Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1 LFGB steht das jeweilige Lebensmittel im Vordergrund und nicht der Hersteller bzw. Inverkehrbringer. Dies gilt nicht nur für Warnungen nach § 40 Abs. 1 S. 1 LFGB (vgl. Abbildung 6), sondern auch für die Informationsbefugnisse ohne Gefahrenbezug nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, Nr. 4a LFGB. Bei § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LFGB folgt dies unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm („ekelerregendes Lebensmittel“). Bei § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 4a LFGB ergibt sich der Produktbezug aus der Art der zu veröffentlichenden Information, die allein Täuschungen (durch ein Lebensmittel) und damit – im Unterschied zu § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB – keine Hygieneverstöße erfasst. 320 Pressemitteilung Nr. 301 des BMEL v. 18.10.2012, www.bmel.de/SharedDocs/Pressemittei lungen/2012/301-Bilanz-Portal-Lebensmittelwarnung_de.html [Stand: 25.06.2017]. Für die Veröffentlichung nach § 40  LFGB sind die Bundesländer zuständig, die neben dem Portal auch jeweils selbstständige, inhaltlich identische Landeslisten führen. Allein für nicht im Inland hergestellte Erzeugnisse, die auch nicht im Inland in den Verkehr gebracht worden sind, ergibt sich eine Zuständigkeit des BMEL nach § 40 Abs. 5 LFGB. 321 Zellner, in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 43 (46 f.). 322 Zellner, in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 43 (50).

Dissertation C. Monsees (1. Oktober 2018) Neue Abbildung 6 (da eingereichte Abbildung nicht druckbar)

159

Bitte Änderung der Fußnote beachten.I. § 40 LFGB

Warnung Datum 27.06.2016

Produktbezeichnung CHOKLAD MÖRK 60%, dunkle Schokolade, Artikelnummer 002.939.27 CHOKLAD MÖRK 70%, dunkle Schokolade, Artikelnummer 203.080.94

22.06.2016

21.06.2016

[Abbildung der Produkte] Pöschl’s Erfrischungsprise „Schneeberg“ (tabakfreies Schnupfpulver) [Abbildung des Produktes] Mini Choc Classic, 12 Stück mit der Bezeichnung „Gut&Günstig“

Hersteller (Inverkehrbringer) IKEA Deutschland GmbH & Co. KG

Grund der Warnung Unzureichende Allergenkennzeichnung

Betroffene Länder (alphabetisch) Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen

Pöschl Tabak GmbH & Co. KG

Glassplitter

DMK Eis GmbH

Holzstiel-Teile

Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Thüringen Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, SachsenAnhalt, Thüringen

Am Wandersmann 2-4 65719 HofheimWallau

48351 Everswinkel

[Abbildung des Produktes]

Abbildung 6: Portal „Lebensmittelwarnung“: Publikationen gem. § 40 Abs. 1 LFGB 323

Abbildung 6: Portal „Lebensmittelwarnung“: Publikationen gem. § 40 Abs. 1 LFGB323

Daraus folgt, dass die Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1 LFGB zwar in die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG der jeweiligen Lebensmittelunternehmen, jedoch grundsätzlich nicht in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen.324 In der Regel wird auch nicht Art. 14 Abs. 1 GG in Gestalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb berührt sein. Die Veröffentlichungen beziehen sich nämlich primär auf das Lebensmittel; die zusätzlichen Informationen zu dem Hersteller bzw. dem Inverkehrbringer dienen allein 323 325 Veröffentlichungen auf dem Portal 5 und 6 Produkt stellen zu jeweils Auszüge der In dieser Hinsicht verdeutlicht dazu,Abbildung das inkriminierte identifizieren. www.lebensmittelwarnung.de dar und stammen vom 27.02.2016.

323 Abbildung 5 und 6 stellen jeweils Auszüge der Veröffentlichungen auf dem Portal www. lebensmittelwarnung.de dar und stammen vom 27.02.2016. 324 Seemann, Produktinformation, S. 163. 325 In Ausnahmefällen kann allerdings auch der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs über Art. 14 Abs. 1 GG einschlägig sein, beispielsweise wenn die Behörde eine Warnung für sämtliche Produkte eines Unternehmens ausspricht. Vgl. hierzu auch Seemann, Produktinformation S. 169.

160

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

die Abbildung 6, dass bei Produkten mit einer Handelsmarke,326 wie dem Speiseeis mit der Marke „Gut&Günstig“, allein der Hersteller („DMK Eis GmbH“) und nicht der Inverkehrbringer (EDEKA Zentrale AG & Co.) genannt ist. Dies dürfte bei unter Handelsmarken vertriebenen Lebensmitteln die negativen Auswirkungen einer Veröffentlichung erheblich relativieren, insbesondere im Hinblick auf den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nach Art. 14 Abs. 1 GG. Den Verbrauchern ist der angeführte Hersteller nämlich nicht bekannt, sondern allein der – insoweit nicht genannte – Inverkehrbringer bzw. Händler, bei dem das Produkt zu erwerben ist.327 bb) Bestimmtheitsgebot § 40 Abs. 1 LFGB enthält wie auch § 40 Abs. 1a LFGB keine Regelung über die Dauer einer Veröffentlichung. Im Unterschied zu der Informationsveröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB ist aber grundsätzlich nicht der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eröffnet. Da das jeweilige (zumeist im Einzelhandel erhältliche) Lebensmittel bei § 40 Abs. 1 LFGB im Vordergrund steht, ist das Schutzbedürfnis der in die Veröffentlichung mit aufgenommenen Hersteller, allesamt juristische Personen, ein anderes als dasjenige der in § 40 Abs. 1a LFGB genannten Lebensmittelbetriebe. Die Anforderungen an die Bestimmtheit von § 40 Abs. 1 LFGB ergeben sich daher nicht bereichsspezifisch aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, sondern vielmehr allgemein aus Art. 20 Abs. 3 GG. Vor diesem Hintergrund erscheint die ausdrückliche Regelung einer Löschungsfrist in § 40 Abs. 1 LFGB als nicht zwingend notwendig. Für den Hersteller eines Lebensmittels ist vorhersehbar, dass eine Veröffentlichung jedenfalls so lange aufrufbar bleibt, wie Verbraucher das belastete Produkt im Einzelhandel erwerben respektive verbrauchen können.

326 Handelsmarken (auch Eigenmarken) sind nicht für den Hersteller, sondern für ein Handelsunternehmen eingetragen und individualisieren das Produkt folglich allein in Bezug auf die Unternehmensleistung der Handelswirtschaft. Demgegenüber individualisieren Herstellermarken das Produkt als Produktionsleistung eines Unternehmens; vgl. Fezer, MarkenG, § 3 Rn. 68. Eine Differenzierung zwischen Hersteller und Handelsmarken ist den Verbrauchern grundsätzlich nicht möglich und bei Handelsmarken von Einzelhandelsdiscountern auch nicht intendiert; dazu Ingerl / Rohnke, MarkenG, § 14 Rn. 765. 327 Beispiele anderer Handelsmarken von Einzelhandelsdiscountern sind etwa „ja!“ (REWE Group), „Milbona“ (Lidl Stiftung & Co. KG), „Gletscherkrone“ (Aldi GmbH & Co. KG) und „nimm’s leicht“ (Norma Stiftung & Co. KG).

I. § 40 LFGB

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cc) Verhältnismäßigkeit Die Warnungen und Verbraucherinformationen gemäß § 40 Abs. 1 LFGB sind grundsätzlich als Berufsausübungsregelungen zu qualifizieren.328 Sie stellen damit Maßnahmen auf der niedrigsten Eingriffsebene im Rahmen der Dreistufentheorie des BVerfG nach Art. 12 Abs. 1 GG dar.329 Diese sind zulässig, wenn sie als legitimes Ziel vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls dienen und auch im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.330 Für die Prüfung der verhältnismäßigen Ausgestaltung des § 40 Abs. 1 LFGB bedarf es hierbei einer Differenzierung zwischen den verschiedenen Tatbeständen der Vorschrift. Während der legitime Zweck bei § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LFGB in der Abwehr von Gesundheitsgefahren und gefährdungen der Konsumenten besteht, zielen die Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 und Nr.  4  LFGB auf den Schutz der Verbraucher vor Qualitätsmängeln sowie Täuschungen und diejenigen nach § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 LFGB auf den Schutz der Lebensmittelbranche ab. Auf der einen Seite lässt sich mittels der behördlichen Informationen das Verhalten der Verbraucher dahingehend lenken, auf das genannte Produkt zu verzichten. Auf der anderen Seite halten die Veröffentlichungen zugleich die Lebensmittelunternehmen zur Erfüllung der lebensmittelrechtlichen und verbraucherschützenden Vorgaben an. Damit sind die Veröffentlichungen geeignet, vor Gesundheitsge­fahren sowie Qualitätsabweichungen und produktbezogenen Täuschungen zu schützen.331 Besonders im Hinblick auf den tatbestandlich angeordneten Vorrang unternehmenseigener Informationen nach § 40 Abs. 2 S. 1 LFGB sind die Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1 LFGB als erforderlich einzustufen, da keine gleich effektiven milderen Maßnahmen ersichtlich sind.332 Im Vergleich zu § 40  Abs.  1a  LFGB ist die Regelung des § 40  Abs.  1 LFGB auch als angemessen zu bewerten. Für die Informationsbefugnisse nach § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LFGB folgt dies bereits aus dem hohen Rang des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung, dem ein höherer Stellenwert als den Unternehmerinteressen einzuräumen ist, wie auch § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB im Umkehrschluss verdeutlicht.333 Demgegenüber kommt dem Schutz der Verbraucher vor Qualitäts­ 328

Seemann, Produktinformation S. 169. Vgl. zu der vom BVerfG für Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten Dreistufentheorie BVerfGE 7, 377 (405 ff.); 70, 1 (28 ff.); 77, 308 (332 ff.); 85, 248 (259); 93, 362 (369); Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 131 ff.; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 335 ff. 330 Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn.  133; Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 939 ff. 331 Seemann, Produktinformation S. 168. 332 Seemann, Produktinformation S. 169. 333 Zellner, in: Böhm / Freund / Voit, Information, S. 25 (28). 329

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

abweichungen sowie Täuschungen (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 4a LFGB) und dem Schutz der Lebensmittelbranche im Allgemeinen (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 LFGB) kein derart hohes Gewicht zu.334 Die Interessen der Öffentlichkeit sind aber gemäß § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB im Vorfeld einer Veröffentlichung mit den Interessen der drittbetroffenen Unternehmen abzuwägen. Hinzu kommt, dass den Informationen der Unternehmen der Vorrang vor den behördlichen Veröffentlichungen eingeräumt ist (vgl. § 40 Abs. 2 LFGB) und die Behörde aufgrund der Ausgestaltung des § 40 Abs. 1 LFGB als „Soll“-Vorschrift in besonderen Ausnahmefällen von einer Veröffentlichung vollständig absehen kann. Die Regelung des § 40 Abs. 1a LFGB ist damit als angemessen zu bewerten. Im Ergebnis führt all dies zu dem Schluss, dass § 40 Abs. 1 LFGB sowohl für Warnungen als auch für Verbraucherinformationen eine verfassungskonforme Ausgestaltung erfahren hat.335 4. Ausblick: Gesetzesentwurf zur Novellierung des § 40 LFGB Als Reaktion auf die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu § 40 Abs. 1a LFGB und der Aufforderung des Bundesrats an die Bundesregierung, die Vorschrift zu überarbeiten,336 hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im April 2015 einen Entwurf für eine Neuregelung des § 40 LFGB veröffentlicht.337 Die entscheidende Änderung besteht darin, dass der bisherige § 40 Abs. 1a LFGB gestrichen und in einen neuen § 40a LFGBE338 überführt wird, der eine Härtefallklausel sowie eine Löschungsfrist enthält.

334

A. A. Wollenschläger, der dem Informationsinteresse der Verbraucher Verfassungsrang zuspricht, einerseits als Voraussetzung zur Ausübung ihrer „Vertragsfreiheit“ (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG), andererseits als Verbürgung demokratischer Teilhabe; vgl. ders., ­VerwArch 102 (2011), 20 (41); ders., Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BT-Ausschuss Drs. 17 (10)  735-H, S.  8 f. Das BVerfG spricht in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs.  1a LFGB der „Vertragsfreiheit“ der Verbraucher „verfassungsrechtliche Be­ deutung zu“ ohne dies jedoch näher zu begründen, BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 33. 335 Möstl, LMuR 2015, 185 (187); Seemann, Produktinformation, S. 170 f.; Zellner, in: Böhm /  Freund / Voit, Information, S. 25 (28). 336 BR-Drs. 789/12, S. 1 ff.; BR-Drs. 151/13, S. 2. 337 Gesetzesentwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sowie anderer Vorschriften v. 24.04.2015, abrufbar auf der Homepage des BMEL. 338 Die Vorschriften des Entwurfs des BMEL v.  24.04.2015 sind im Folgenden als „§ 40 LFGBE“ und „§ 40a LFGBE“ bezeichnet.

I. § 40 LFGB

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a) § 40 LFGB-E Zur Verbesserung der Rechtsklarheit hat das Bundesministerium in dem Gesetzesentwurf versucht, zwischen Warnungen und Verbraucherinformationen zu differenzieren.339 So lautet die Überschrift des § 40 LFGB-E nun „Warnung der Öffentlichkeit“ und diejenige von § 40a LFGB-E „Information der Öffentlichkeit“. Dieser begrüßenswerte Ansatz scheitert allerdings daran, dass in § 40  LFGB-E sämtliche Befugnisse des jetzigen § 40 Abs. 1 LFGB verbleiben und die Vorschrift damit sowohl zu Warnungen zur Gefahrenabwehr (§ 40  Abs.  1  S.  1,  S.  2 Nr.  1 LFGB [-E]) als auch – entgegen der Überschrift – zu Verbraucherinformationen ermächtigt (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bis Nr. 5 LFGB [-E]).340 § 40 LFGB-E sieht als Verschärfung eine zwingende Veröffentlichung ohne das bisherige Dispensermessen vor (Änderung des Abs. 1 von „soll […] informieren“ in „informiert“). Aufgrund der Gesundheitsgefahren für die Verbraucher erfolgt die Warnung der Öffentlichkeit nun also obligatorisch.341 Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, die vorherige Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen nach dem jetzigen § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB auch auf Abs. 1 S. 2 Nr. 2 zu erstrecken, der gerade keine Gefahrenlage voraussetzt. Kritik verdient allerdings die inhaltliche Änderung der bisherigen Abwägungsklausel nach Abs. 1 S. 3. So müssen nach § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB-E die Belange der Betroffenen das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung „wesentlich überwiegen“, damit die Behörde im Einzelfall von der Pflicht zur Veröffentlichung absehen kann. Mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht diese Änderung nicht mehr im Einklang. Die Verbraucherinformationen wären damit auch in der Konstellation zwingend zu veröffentlichen, in der die unternehmerischen Belange die Interessen der Öffentlichkeit überwiegen, wenn auch nicht wesentlich.342 Wohlgemerkt sind die Interessen der Öffentlichkeit im Gegensatz zu den Belangen der von den Informationen Betroffenen nicht grundrechtlich geschützt. Unter diesem Aspekt ist auch die Änderung des § 40  Abs.  4  LFGB kritisch zu sehen. Nach § 40 Abs. 4 LFGB-E ist unverzüglich darauf hinzuweisen, wenn sich Informationen im Nachhinein als falsch oder als unrichtig wiedergegeben herausstellen. Die Richtigstellung erfolgt nun von Amts wegen und damit nicht mehr auf Antrag der Betroffenen. Interessengerechter erscheint aber die bisherige Regelung des § 40  Abs.  4  LFGB;343 die Entscheidung über eine zweite (sodann richtige) behördliche Veröffentlichung sollte den Betroffenen obliegen, da auch mit der Richtigstellung durch die Behörde eine unter Umständen nochmalige (um-

339

Gesetzesentwurf v. 24.04.2015 (E. Fn. 337), S. 22. Kritisch hierzu auch Möstl, LMuR 2015, 185 (187); ähnlich BLL, Stellungnahme v. 29.05.2015, S. 3 ff. 341 Gesetzesentwurf v. 24.04.2015 (E. Fn. 337), S. 22. 342 Möstl, LMuR 2015, 185 (187); BLL, Stellungnahme v. 29.05.2015, S. 6 f. 343 Vgl. hierzu unter E. I. 1. c). 340

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

satzbeeinträchtigende) Medienaufmerksamkeit einhergeht.344 Somit gerät auch die Neufassung des § 40 Abs. 4 LFGB-E mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Konflikt. b) § 40a LFGB-E § 40a LFGBE, der den bisherigen § 40 Abs. 1a LFGB ersetzt, ist um zwei Tatbestände ergänzt worden. Veröffentlichungspflichten bestehen nun auch bei dem hinreichend begründeten Verdacht auf die Unterschreitung von Mindestwerten, gehalten oder mengen (§ 40a Abs. 1 Nr. 2 LFGB-E) sowie bei dem hinreichend begründeten Verdacht auf das Vorhandensein eines nicht zulässigen Stoffs (§ 40a Abs. 1 Nr. 3 LFGB-E). Der jetzige § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB ist im Gesetzesentwurf in zwei Unterabschnitte untergliedert, erfasst aber inhaltsgleich nach wie vor Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften (§ 40a Abs. 1 Nr. 4a LFGB-E) sowie gegen hygienische Anforderungen (§ 40a Abs. 1 Nr. 4b LFGB-E). Voraussetzung ist jeweils, dass die Verstöße in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß oder wiederholt erfolgt sind und die Verhängung eines Bußgelds in Höhe von mindestens 350 Euro zu erwarten ist oder – und dies ist neu – die Voraussetzungen des § 41 OWiG vorliegen. § 40a Abs. 1a.E. LFGB-E legt fest, dass die Informationen über Hygieneverstöße allein unter der Nennung des Namens oder der Firma des Lebensmittelunternehmers erfolgen und damit nicht – wie bei den anderen Ermächtigungen des § 40a LFGBE – unter gleichzeitiger „Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels“. Damit ist klargestellt, dass auch Verstöße der allgemeinen Betriebshygiene zu veröffentlichen sind; ein konkreter Lebensmittelbezug ist in diesen Fällen nicht erforderlich.345 Wie bereits ausgeführt,346 dienen derartige Informationen aber nicht mehr der Schaffung von (Lebensmittel-)Transparenz, sondern weisen vielmehr einen repressiven Charakter auf. § 40a Abs. 1 Nr. 4 lit. b) LFGB-E steht daher mit dem Verbot der Verdachtsstrafe und als Konsequenz dessen mit dem Rechtsstaatsprinzip in Konflikt. Aufgrund der Kritik der Verwaltungsgerichte an der zwingenden Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB sieht § 40a Abs. 2 LFGB-E nunmehr eine neu geschaffene Härtefallklausel vor. So kann die Behörde im Einzelfall von einer Veröffentlichung absehen, wenn diese eine „unbillige Härte“ für den betroffenen Lebensmittelunternehmer bedeuten würde. Diese im Grundsatz lobenswerte Änderung wird der grundrechtlichen Problematik behördlicher Verbraucherinformationen allerdings nicht vollends gerecht. Wie bereits mehrfach angesprochen, sind 344

BLL, Stellungnahme v. 29.05.2015, S. 8 f; auch als sog. „Streisand-Effekt“ bezeichnet; vgl. etwa Nolte, ZRP 2011, 236 (237). 345 Gesetzesentwurf v. 24.04.2015 (E. Fn. 337); S. 24, Kügel, ZLR 2016, 300 (326). 346 Vgl. zum Ganzen unter E. I. 3. a) bb) (3) (a).

I. § 40 LFGB

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allein die unternehmerischen Belange  – nicht jedoch der Verbraucherschutz als solcher – verfassungsrechtlich geschützt. Daher überzeugt es nicht, nur in den extremen Fällen unbilliger Härte von einer Veröffentlichung abzusehen. Vorzugswürdig erscheint es, die Veröffentlichung insgesamt entweder in das Ermessen der Behörde zu stellen oder auf Tatbestandsebene eine vorherige Abwägung der sich gegenüberstehenden Belange vorzusehen.347 Eine weitere maßgebliche Änderung stellt die neu geschaffene Löschungsfrist für Veröffentlichungen nach § 40a Abs. 1 LFGB-E dar, die das BVerfG in seiner Entscheidung zum jetzigen § 40 Abs.  1a LFGB vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich gefordert hat.348 Demnach sind sämtliche Informationen sechs Monate nach der (elektronischen) Veröffentlichung zu löschen, wobei auf eine zwischenzeitliche Mangelbeseitigung hinzuweisen ist (vgl. § 40a Abs. 5, Abs.  1a. E.  LFGBE). Auch diese Änderung ist im Ansatz zu begrüßen, erweist sich aber ebenfalls als verbesserungswürdig.349 Warum eine Veröffentlichung über lebensmittelrechtliche Verstöße oder Hygienemängel auch nach einer Mangelbeseitigung zur Schaffung von Markttransparenz erforderlich sein soll, erschließt sich nämlich nicht. Der Eingriff in die Grundrechte der von den Informationen Betroffenen ließe sich hier abmildern, indem die Behörde – statt auf die Mangelbeseitigung hinzuweisen – die ganze Veröffentlichung sofort löscht. c) Änderungsvorschläge zum Gesetzesentwurf Der Gesetzesentwurf nimmt sich einiger der von den Verwaltungsgerichten monierten Punkte zu § 40 LFGB an, setzt diese Aspekte allerdings nur unzureichend um.350 Gleichwohl lässt sich der Entwurf als Grundgerüst für eine Novellierung des § 40 LFGB heranziehen, da erstmals der begrüßenswerte – wenn auch nur oberflächliche – Versuch unternommen wurde, zwischen Warnungen und Verbraucherinformationen zu differenzieren. Die angeführten Kritikpunkte an dem Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft münden in den nachfolgenden Änderungsvorschlägen: – Die Unterscheidung zwischen Warnungen und Verbraucherinformationen in den Überschriften der beiden Regelungen sollte auch inhaltlich umgesetzt werden. Dies ließe sich erreichen, indem § 40 LFGB-E allein die Ermächtigungen zur Gefahrenabwehr nach den jetzigen § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 LFGB enthielte und sämtliche anderen Befugnisse in den neuen § 40a LFGB-E integriert würden. Als Konsequenz wäre die Abwägung nach § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB-E ersatzlos 347

So auch BLL, Stellungnahme v. 29.05.2015, S. 17 f. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018, 1 BvF 1/13, juris Rn. 56 ff. 349 Die Angemessenheit im Hinblick auf die (zu lange) Veröffentlichungsdauer von sechs Monaten bezweifelnd Kügel, ZLR 2016, 300 (329). 350 Kügel, ZLR 2016, 300 (330); den Gesetzesentwurf als eine „Minimallösung“ und als „verfehlt“ bezeichnend BLL, Stellungnahme v. 29.05.2015, S. 3. 348

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

zu streichen. Eine Abwägungsklausel allein für Warnungen nach § 40 LFGB-E braucht es bei der Umsetzung dieser Vorschläge nicht, da der Gesundheitsschutz der Bevölkerung den unternehmerischen Interessen stets vorgeht. – Die auf einem Verdacht basierende Veröffentlichung allgemeiner Hygienemängel ohne einen Lebensmittelbezug ist nicht mehr als Transparenzinstrument, sondern vielmehr als Sanktionsinstrument einzustufen, was gegen das Verbot der Verdachtsstrafe verstößt. Daher sollte eine Veröffentlichung nach § 40a Abs. 1 Nr. 4 lit. b) LFGBE ausdrücklich nur unter Bezugnahme auf ein konkretes Lebensmittel erfolgen (das bedeutet eine Teilstreichung und Überarbeitung des § 40a Abs. 1 LFGBE a. E.). – Für die Veröffentlichungen nach § 40a Abs. 1 Nr. 4 LFGBE sollte ein sofort vollziehbarer behördlicher Bescheid und nicht die bloße Erwartung eines Bußgelds in Höhe von 350 Euro Voraussetzung sein.351 – § 40a Abs. 2 LFGB-E sollte zu Gunsten einer Abwägungsklausel modifiziert werden, wonach vor der Veröffentlichung von Verbraucherinformationen nach § 40a Abs. 1 LFGB-E (unter Einbeziehung der jetzigen § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 bis Nr. 5  LFGB) eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen ist (entsprechend dem jetzigen § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB). – Die Regelung des jetzigen § 40 Abs. 4 LFGB sollte beibehalten werden, d. h., eine Richtigstellung unrichtig veröffentlichter Informationen sollte nur auf Antrag des Betroffenen erfolgen. § 40 Abs. 4 LFGB-E und § 40a Abs. 4 LFGB-E wären entsprechend anzupassen. – Soweit das Lebensmittelunternehmen die einer Verbraucherinformation zu Grunde liegenden Mängel beseitigt hat, sollte die Veröffentlichung unverzüglich gelöscht werden müssen (§ 40a Abs. 1 LFGB-E a. E.). Ferner ist darauf hinzuweisen, dass auch die § 40 LFGB-E und § 40a LFGB-E allein zu der Veröffentlichung einzelner Verstöße ermächtigen und keine behördlichen Befugnisse enthalten würden, die Kontrollergebnisse von Gastronomiebetrieben aufzubereiten und in einem vergleichenden Bewertungssystem zu veröffentlichen. Die Gesetzgebungszuständigkeit für solche Bewertungssysteme liegt grundsätzlich bei den Ländern, worauf in einem zusätzlichen Absatz in § 40a LFGB-E zur Klarstellung hingewiesen werden könnte.352 351 Auch im Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ zwischen CDU, CSU und SPD vom 16.12.2013 hieß es noch, dass § 40 LFGB dahingehend geändert werden solle, dass „rechtssichere Veröffentlichung von festgestellten, nicht unerheblichen Verstößen“ möglich seien; vgl.  Koalitionsvertrag zur 18.  Legislaturperiode, S.  89, abrufbar unter www.bundes regierung.de/Content/DE/_Anlagen/2013/2013-12-17-koalitions-vertrag.html [Stand: 30.03.2018]. 352 Da die Frage nach der Kompetenz für die Veröffentlichung von amtlichen Ergebnissen der Lebensmittelüberwachung in der politischen Diskussion um § 40  LFGB bereits aufge­ kommen ist, hätte ein solcher Hinweis eine klarstellende Funktion. Zur Gesetzgebungskompetenz und der hierzu geführten Diskussion im juristischen Schrifttum sogleich ausführlich unter E. III. 2. b).

II. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG

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Letzteres ist nunmehr auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vom März 2018 vorgesehen.353 Demnach soll eine Neufassung des derzeitigen § 40 Abs.  1a LFGB die Klarstellung enthalten, dass auch landesrechtliche Regelungen zur Veröffentlichung der Ergebnisse der amtlichen Betriebskontrollen möglich seien. Auf den obigen Gesetzesentwurf zur Novellierung des § 40 LFGB vom April 2015 wird insoweit aber nicht eingegangen. Der Koalitionsvertrag sieht des Weiteren vor, dass die Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse auf Grundlage eines einheitlichen Bußgeldkatalogs erfolgen, daneben aber auch freiwillig möglich sein soll. Die Neufassung des derzeitigen § 40 Abs. 1a LFGB ist damit wieder völlig offen. Ob sich die nach der Entscheidung des BVerfG nunmehr zwingend notwendige Überarbeitung der Regelung an dem untersuchten Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft orientieren oder unabhängig von diesem völlig neu gefasst wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar.

II. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG Da § 40 Abs. 1a LFGB allein die Veröffentlichung einzelner Verstöße erfasst,354 drehte sich die Diskussion in jüngster Zeit darum, ob § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG355 eine Ermächtigungsgrundlage für die Publikation vergleichender Betriebsbewertungen der Lebensmittelüberwachung bietet.356 Auch wenn diese Fragestellung von der Rechtsprechung inzwischen verneint wurde,357 existiert mit § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG neben § 40 LFGB eine einfachgesetzliche Regelung für staatliche Veröffentlichungen, die nachfolgend näher zu untersuchen ist. 1. Regelungsgehalt der Vorschrift Das im Jahr 2007 erlassene und im Jahr 2012 gemeinsam mit Schaffung des § 40 Abs. 1a LFGB novellierte Verbraucherinformationsgesetz358 normiert den Zu 353 Koalitionsvertrag für die 19.  Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD v. 14.03.2018, S. 90, abrufbar unter www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/ koalitionsvertrag-inhaltsverzeichnis.html [Stand: 02.04.2018], auch zum Folgenden. 354 Abbé, Verbraucherschutz, S. 181 f., 184. 355 § 6 Abs. 1 S. 3 VIG hat die inhaltlich identische Vorgängerregelung des § 5 Abs. 1 S. 2 VIG a. F. abgelöst. 356 Holzner, GewArch 2016, 95 (96). 357 OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2014, 843 ff.; NVwZ-RR 2014, 846 ff. 358 Zur Historie des VIG Elsing, in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 9 ff.; Grube / Immel /  Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil D § 1 Rn. 1 ff.; Honegg, Verbraucherinformation, S. 181 f.; ausführlich zur Novellierung des VIG im Jahr 2012 Schoch, NVwZ 2012, 1497 ff.; Prommer / Rossi, GewArch 2013, 97 ff.; Theiß, DVBl 2013, 627 ff.; Wustmann, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2012, S. 197 ff.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

gang zu den bei den Behörden vorhandenen Informationen, zum einen über Verbraucherprodukte nach dem Produktsicherheitsgesetz (§ 1  Nr.  2  VIG) und zum anderen über Erzeugnisse nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (§ 1 Nr. 1 VIG).359 Die Informationsinhalte des Verbraucherinformationsgesetzes sind damit weiter gehend als diejenigen des § 40 LFGB.360 Eine Veröffentlichung nach dem Verbraucherinformationsgesetz erfolgt im Regelfall auf Antrag (§ 4 Abs. 1 S. 1 VIG); die Behörde wird also nicht selbstständig tätig, sondern nur anlässlich eines individuell vorgebrachten Informationsbegehrens.361 Wie § 40 LFGB dient auch die Informationsherausgabe nach dem Verbraucherinformationsgesetz der Herstellung von Markttransparenz (§ 1 VIG) sowie der Transparenz des Verwaltungshandelns.362 Dem liegt die gesetzgeberische Annahme zu Grunde, dass eine umfassende Information der Öffentlichkeit durch den Staat notwendig sei, um bestehende Informationsasymmetrien zu Lasten der Verbraucher abzubauen.363 Im Vergleich zu den im Regelfall antragsabhängigen Regelungen scheint sich die Vorschrift des § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG nicht in die Systematik des Verbraucherinformationsgesetzes einzufügen.364 Nach dieser Norm kann die Behörde nämlich diejenigen Informationen, die vom Zugangsanspruch nach § 2 Abs. 1 VIG erfasst sind, auch unabhängig von einem Antrag über das Internet öffentlich bekannt machen. Da die Behörde in dieser Konstellation von sich aus tätig wird, steht nicht die Transparenz des Behördenhandelns, sondern die staatliche Lenkung des Verbraucherverhaltens im Vordergrund.365 Die Veröffentlichung von Informationen366 – im Regelfall auf Antrag von Einzelnen / Privaten oder ausnahmsweise antragsunabhängig nach § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1

359

Vgl. auch BT-Drs.  16/5404, S.  1. Zu den Erzeugnissen i. S. d. LFGB zählen gem.  § 2 Abs.  1 LFGB Lebensmittel, einschließlich Lebensmittelzusatzstoffe, Futtermittel, kosme­ tische Mittel und Bedarfsgegenstände. 360 Leisner, GewArch 2014, 57 (59); noch zu § 5 Abs. 1 S. 2 VIG a. F. Borchert, in: Beyerlein / Borchert, VIG, § 5 Rn. 6. 361 Möstl, LMuR 2015, 185 (187). 362 BT-Drs. 16/5404, S. 1; BT-Drs. 17/7374, S. 2. 363 BT-Drs. 16/5404, S. 7; eingehend Schoch, NJW 2012, 2844 (2847). 364 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil D § 6 Rn. 5; § 6 Abs. 1 S. 3 VIG als „Fremdkörper“ bezeichnend Möstl, LMuR 2015, 185 (187); Falck, VIG, S. 122. 365 Möstl, LMuR 2015, 185 (187); insoweit zwischen den Veröffentlichungstypen „Verwaltungstransparenz“ und „Markttransparenz“ unterscheidend Bäcker, JZ 2016, 595 (596 ff.). 366 Im Schrifttum wird zur Differenzierung zwischen beantragten behördlichen Informationen und solchen, bei denen die Behörde von sich aus tätig wird, auf den „passiven“ und „aktiven“ Informationszugang abgestellt; vgl. etwa Bäcker, JZ 2016, 595 (600); Möstl, LMuR 2015, 185 (187); Rossi, Informationszugangsfreiheit, S. 171; Wollenschläger, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S.  151 (156). Sprachlich überzeugt diese Terminologie nicht, da auch die Herausgabe beantragter Informationen ein aktives Tätigwerden der Behörde voraussetzt (z. B. die Bearbeitung des Antrags, die Zusammenstellung der Informationen etc.). Sprachlich genauer, wenn auch umständlicher, ist daher das Abstellen auf das Vorliegen eines Antrags („antragsabhängige / antragsgebundene Informationen“/„Informationen auf Antrag“

II. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG

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VIG – erfolgt unter den Ausschluss- und Beschränkungsgründen des § 3 VIG, wozu nach S. 1 Nr. 1 entgegenstehende öffentliche und nach S. 1 Nr. 2 entgegenstehende private Belange zählen. So ist die Veröffentlichung über die von einem Produkt ausgehende Gesundheitsgefahr oder über Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder eines Verfahrens vor einem Strafgericht nur eingeschränkt möglich (§ 3 S. 1 Nr. 1 lit. b), S. 3 VIG).367 Diese Beschränkung gilt allerdings nicht für die in der Praxis relevanten Fälle laufender ordnungsrechtlicher Verfahren, etwa anlässlich festgestellter Verstöße bei Lebensmittelkontrollen.368 Wenn sich die Informationen auf lebensmittelrechtliche Verstöße beziehen, können sich die Betroffenen gemäß § 3 S. 5 VIG nicht auf das Vorliegen von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen als Ausschluss- und Beschränkungsgründe berufen. Dies gilt nach § 3 S. 6 VIG auch für die Information über den Namen des Händlers, der das Lebensmittel abgegeben hat, und für die Anschrift jedes in der Liefer- und Vertriebskette Beteiligten. Mit diesen Regelungen ist im Verbraucherinformationsgesetz der Vorrang des öffentlichen Informationsinteresses vor dem Geheimhaltungsschutz festgelegt.369 Aus verfahrensrechtlicher Sicht weist das Verbraucherinformationsgesetz Besonderheiten auf. So gilt für beide Formen der Informationsherausgabe, antragsgebunden und ungebunden, zunächst das Erfordernis einer Anhörung (vgl. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 S. 2 VIG). Für dieses wird – im Unterschied zu der eigenständigen Regelung des § 40 Abs. 3 LFGB – auf die entsprechende Anwendung des § 28 VwVfG verwiesen.370 Das Anhörungserfordernis ist allerdings beschränkt und zwar insoweit, als die Behörde im Vergleich zu § 28 Abs. 2 VwVfG in zwei zusätzlichen Konstellationen von einer Anhörung absehen kann. Dies gilt zum einen für die Veröffentlichung von Abweichungen nach dem Lebensmittelund Futtermittelgesetzbuch (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 VIG) und zum anderen für Fälle, in denen dem Betroffenen die Datenerhebung bekannt ist und ihm die Behörde in der Vergangenheit bereits Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 VIG).

im Gegensatz zu „antragsunabhängigen / antragsungebundenen Informationen“). Schoch verwendet die Begriffspaare „reaktiv“ und „aktiv“; vgl. ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (136). 367 Ausführlich zum Regelungsgehalt und zum Gesetzgebungsverfahren des § 3 VIG Zott, Informationen, S. 394 ff. 368 Kritisch hierzu Honegg, die sich in Fällen der Informationsherausgabe auf Antrag für eine verfassungskonforme Auslegung der Beschränkungsgründe aufgrund der betroffenen unternehmerischen Belange ausspricht; während eines laufenden Verfahrens seien Informationen nur herauszugeben, wenn dies zur Abwehr von Gesundheitsgefahren erfolge; vgl. dies., Verbraucherinformation, S. 185 f. 369 Becker, ZLR 2011, 391 (413). 370 Vgl. zum Anhörungserfordernis nach § 40 Abs. 3 LFGB bereits unter E. I. 1. c).

170

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

§ 6 Abs. 3 S. 1 VIG sieht des Weiteren vor, dass die Behörde nicht zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Informationen – außer im Falle von personenbezogen Daten – verpflichtet ist.371 Diese im juristischen Schrifttum kontrovers diskutierte Vorschrift ist allerdings nach überzeugender Auffassung teleologisch zu reduzieren und nicht auf die antragsunabhängigen Veröffentlichungen nach § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG, sondern allein auf die beantragte Herausgabe von Informationen anzuwenden.372 Die Freistellung von der Richtigkeitsprüfung ergibt nur für beantragte Informationen Sinn, da allein in dieser Konstellation der Grundsatz der Aktenwahrheit gilt.373 Der Informationsanspruch nach dem Verbraucherinformationsgesetz erfasst alle bei der Behörde vorhandenen Informationen, in die jedermann – gleich einem öffentlich-rechtlich zugänglichen Archiv – Einsicht nehmen kann.374 In Abkehr von der beschränkten hin zu einer umfassenden Aktenöffentlichkeit ist die Behörde daher verpflichtet, Einblick in sämtliche Informationen zu gestatten, und zwar unabhängig davon, ob diese „richtig“ oder „unrichtig“ sind.375 Damit besteht bei beantragten Informationen kein Anspruch auf die vorherige Überprüfung der Richtigkeit, wie § 6 Abs. 3 S. 1 VIG klarstellt.376 Demgegenüber stellt bei antragsunabhängigen Publikationen die inhaltliche Richtigkeit eine entscheidende Voraussetzung für deren Rechtmäßigkeit dar.377 Verbleibende Unsicherheiten bei der Veröffentlichung sind nur hinzunehmen, wenn dies das öffentliche Interesse erfordert, wie etwa in dem Fall von Warnungen vor Gesundheitsgefahren.378 Daher findet § 6 Abs. 3 S. 1 VIG in verfassungskonformer restriktiver Auslegung auf § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG keine Anwendung.379 Diese unterschiedliche Wertung geht auf die tiefwurzelnden Unterschiede zwischen den beiden Arten der Informationserteilung zurück: Während sich antragsunabhängige behördliche Informationen an alle Marktteilnehmer richten und aufgrund ihrer Breitenwirkung mittelbar auf das Wettbewerbsgeschehen einwirken, bleibt die antragsabhängige 371 Wenn der Behörde aber Zweifel an der Richtigkeit bekannt sind, hat sie diese mitzu­ teilen; vgl. § 6 Abs. 3 S. 2 VIG. 372 Ausführlich Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  D § 6 Rn.  8 ff.; eingehend Zott, Informationen, S.  398 ff.; Schoch, NJW 2012, 2844 (2848); Albers / Ortler, GewArch 2009, 225 (230); noch in Bezug auf § 5 Abs. 3 VIG a. F. Hartwig / Memmler, ZLR 2009, 51 (64); a. A. Werner, der § 5 Abs. 3 VIG a. F. insgesamt für verfassungswidrig erachtet; vgl. ders. ZLR 2008, 115 (122); Falck, VIG, S. 129, hält die Vorschrift ohne Auseinander­ setzung mit der Problematik für auf beide Informationsarten (beantragt und von Amts wegen erteilt) anwendbar. 373 OVG NRW, DVBl 2014, 1331 (1335); Schoch, NJW 2012, 2844 (2848); Zott, Informationen, S. 405 ff. 374 OVG NRW, DVBl 2014, 1331 (1335); Zott, Informationen, S. 405 ff. 375 OVG NRW, DVBl 2014, 1331 (1335). 376 BVerwG, DVBl 2015, 1297 (1298 Rn. 12); OVG NRW, DVBl 2014, 1331 (1335 f.). 377 Vgl. hierzu bereits unter E. I. 3. a) cc) (3) (b). 378 BVerfGE 105, 252 (272); Becker, ZLR 2011, 391 (414); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil D § 6 Rn. 10. 379 Zott weist auf den geringen praktischen Anwendungsbereich der teleologischen Reduktion hin, da bei der Veröffentlichung hygienerechtlicher Verstöße zumeist personenbezogene Daten vorliegen dürften; vgl. dies., Informationen, S. 408.

II. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG

171

Informationsherausgabe, die aufgrund der Initiative eines Einzelnen erfolgt, „qualitativ und quantitativ“ hinter diesen Folgen zurück.380 Als letzten anzuführenden verfahrensrechtlichen Aspekt sieht auch § 6 Abs. 4 VIG parallel zu § 40 Abs. 4 LFGB eine Richtigstellung der zugänglich gemachten Informationen vor, wenn sich diese im Nachhinein als falsch erweisen oder die zugrundliegenden Umstände unrichtig dargestellt wurden.381 a) Rechtsnatur des § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG Aufgrund des im Regelfall antragsgebundenen Informationsverfahrens des Verbraucherinformationsgesetzes sehen Teile des juristischen Schrifttums in der Regelung des § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG keine Ermächtigungsgrundlage für behördliche Veröffentlichungen.382 Zur Vermeidung eines systematischen Bruchs innerhalb des Verbraucherinformationsgesetzes sei § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG einer rein verfahrensökonomischen Lesart zu unterziehen.383 Demnach ermögliche die Vorschrift ausnahmsweise eine Veröffentlichung ohne einen Antrag, wenn eine Vielzahl gleichgelagerter Anträge eingegangen sei und die individuelle Beantwortung jedes einzelnen Antrags die zeitlichen und finanziellen Ressourcen der Behörde überspannen würde.384 Allein in einer derartigen Konstellation könne die Behörde die Daten von sich aus gemäß § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG veröffentlichen und standardisiert auf die sodann öffentlich zugänglichen Informationen verweisen.385 Gegen diese teleologische Reduktion sprechen indes der Wortlaut des § 6 Abs. 1 S.  3  Hs.  1  VIG sowie der Umstand, dass der Vorschrift so ein gesetzgeberisch nicht gewollter Regelungsgehalt unterstellt würde.386 Aus der amtlichen Begründung ergibt sich, dass der Zugang zu beantragten Informationen nur einen Teil des Verbraucherinformationsgesetzes ausmacht; „darüber hinaus“ wollte der Gesetzgeber gerade auch die Fälle erfassen, in denen die „Behörden von sich aus […]

380

BVerwG, DVBl 2015, 1297 (1298 Rn. 12). Darauf hinweisend, dass eine Richtigstellung bei einmal im Internet veröffentlichten Informationen wohl kaum möglich sein dürfte, Falck, VIG, S. 133. 382 Holzner, NVwZ 2010, 489 (491); ders., DVBl 2012, 17 (19); Becker / Blackstein, NJW 2011, 490 (492); Möstl, in: Leible, Verbraucherschutz, S. 149 (166); ders., LMuR 2015, 185 (189 f.); Proelß, in: FS Schmidt-Jortzig, S. 693 (707); Uddin, Verbraucherinformation, S. 124; Wehlau, LFGB, § 40 Rn. 6. 383 Becker / Blackstein, NJW 2011, 490 (492); Holzner, DVBl 2012, 17 (19). 384 Holzner, NVwZ 2010, 489 (491); ders., DVBl 2012, 17 (19). 385 Becker / Blackstein, NJW 2011, 490 (492); Holzner, DVBl 2012, 17 (19); Möstl, in: Leible, Verbraucherschutz, S. 149 (157); Uddin, Verbraucherinformation, S. 124. 386 OVG Saarland, NVwZ 2011, 632 (633); Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053); Schink, DVBl 2011, 253 (258 f.); Schoch, NJW 2012, 2844 (2847); ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (148, Fn. 158); Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (30); Zott, Informationen, S. 387 f. 381

172

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

informieren“.387 Das Verbraucherinformationsgesetz beruht damit auf zwei sich ergänzenden Säulen, nämlich der Zugänglichmachung beantragter Informationen einerseits und der antragslosen Veröffentlichung von Informationen andererseits.388 Dafür streiten auch der Sinn und Zweck der Regelung, mit welcher der Gesetzgeber als Teil einer modernen Verbraucherpolitik dem hohen Informationsinteresse der Verbraucher, speziell im Hinblick auf vorangehende Lebensmittelskandale, gerecht werden wollte.389 § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG ist daher als Ermächtigungsgrundlage für das behördliche Informationshandeln heranzuziehen.390 b) Vergleichende Betriebsbewertungen: Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse Auf Grundlage von § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG bzw. dessen Vorgängerregelung § 5 Abs. 1 S. 2 VIG a. F. sind in der behördlichen Verwaltungspraxis eine Vielzahl verschiedener – mittlerweile allerdings bereits wieder eingestellter – lebensmittelrechtlicher Informationsmodelle entstanden.391 Hierzu zählen beispielsweise die Projekte des Bezirks Pankow und des Bundeslandes Berlin („Pankower Liste[n]“ sowie die Nachfolgemodelle „Smiley-Liste“ und „Sicher Essen in Berlin“).392 Hinter diesen Modellen steht das Konzept, die Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung in eine Note oder eine Smiley-Bewertung zu „übersetzen“, die den Verbrauchern einen Vergleich der kontrollierten Lebensmittelbetriebe miteinander ermöglicht. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in zwei Beschlüssen aus dem Jahr 2014 entschieden, dass § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG keine Ermächtigungsgrundlage für derartige Informationsmodelle darstelle.393 Von der Norm seien Informationen erfasst, die dem Zugangsanspruch nach § 2 Abs. 1 VIG unterfielen. Hierzu zählte das Oberverwaltungsgericht gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG die bei einer 387

BT-Drs. 16/5404, S. 1, 7. BR-Drs. 273/07, S. 13; OVG Saarland, NVwZ 2011, 632 (633). 389 BT-Drs. 16/5404, S. 1; BT-Drs. 17/7374, S. 1; Honegg, Verbraucherinformation, S. 192; Schink, DVBl 2011, 253 (259). 390 So auch OVG Saarland, NVwZ 2011, 632 (633); Albers / Ortler, GewArch 2009, 225 (229); Boddenberg, Negative Produktinformation, S. 76 ff.; Borchert, in: Beyerlein / Borchert, VIG, § 5 Rn. 6; Heinicke, in: Zipfel / Rathke, § 6 VIG Rn. 7 ff.; Falck, VIG, S. 122; Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 67; Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053); Honegg, Verbraucherinformation, S.  191 f.; Schink, DVBl 2011, 253 (258 f.); Schoch NJW 2010, 2241 (2246); ders., Informationsfreiheitsgesetz, Einleitung Rn. 305, 378; Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (29 f.); Zott, Informationen, S.  388; a. A.  Becker / Blackstein, NJW 2011, 490 (492); Holzner, DVBl 2012, 17 (19); Möstl, in: Leible, Verbraucherschutz, S. 149 (157); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 149; Uddin, Verbraucherinformation, S. 124. 391 Schoch spricht gar von einer „kaum mehr zu überblickenden Informationsvielfalt“; vgl. ders., Informationsfreiheitsgesetz, Einleitung Rn. 378. 392 Zu diesen Modellen ausführlich unter F. I. 2. 393 OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2014, 843 ff.; NVwZ-RR 2014, 846 ff.; anders noch OVG Saarland, NVwZ 2011, 632 ff. 388

II. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG

173

Lebensmittelkontrolle vorgefundenen Mängel sowie nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VIG die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung,394 nicht aber behördliche Betriebsbewertungen.395 Bei Letzteren handele es sich nämlich weder um „Daten“ über lebensmittelrechtliche Abweichungen noch um behördliche Überwachungsmaßnamen. Für die Verbraucher stelle sich die Punkte oder Notenbewertung der kontrollierten Betriebe vielmehr als das Ergebnis eines Testverfahrens dar, mithin als eine vergleichende Bewertung, die auf den für die Verbraucher nicht bekannten Kriterien der Lebensmittelüberwachung beruhe. Unter Verweis auf das Wörterbuch „Duden online“ sowie einen Eintrag auf „Wikipedia“ führte das Gericht aus, dass der Begriff „Daten“ hingegen nur tatsächliche Erkenntnisse erfasse und damit gerade nicht die behördliche Bewertung von Lebensmittelbetrieben in einem unmittelbaren Vergleich.396 Mangels einer Ermächtigungsgrundlage sei eine solche Veröffentlichung daher (derzeit) rechtswidrig.397 Auf die darüber hinausgehende Argumentation der Vorinstanzen, dass der Anwendungsbereich des § 1 Nr. 1 VIG mangels eines konkreten Erzeugnisbezugs bereits nicht eröffnet sei,398 ging das Gericht nicht ein. 394 Das OVG führte weiter aus, dass die Behörde nach § 6 Abs. 1 S. 3 VIG grundsätzlich dazu berechtigt sei, das Ergebnis einer einzelnen Betriebsprüfung im Internet bekannt zu geben; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2014, 843 (844). Was genau das OVG hierunter versteht (etwa nur die einzelnen vorgefundenen Mängel oder den Prüfbericht des Kontrolleurs mit den vergebenen [Malus]Punkten) und welche Nr. des § 2 Abs. 1 S. 1 VIG einer solchen Veröffentlichung unterfallen soll, wird allerdings nicht deutlich. Die Vorinstanz ging davon aus, dass die „Überwachungsmaßnahmen“ i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VIG allein die jährlichen Statistiken und Auswertungen der Lebensmitteluntersuchungsämter, nicht jedoch die Ergebnisse einzelner Betriebe erfasse; vgl. VG Berlin, Beschl. v. 19.03.2014, 14 L 35.14, juris Rn. 35; VG Berlin, Beschl. v. 28.11.2012, 14 K 79.12, juris Rn. 72. So auch Borchert, in: Beyerlein / Borchert, VIG, § 1 Rn. 56; Abbé qualifiziert konkrete Lebensmittelkontrollergebnisse ebenfalls nicht als Daten, die vom Zugangsanspruch nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VIG erfasst sind; vgl. dies., Verbraucherschutz, S. 186 f. 395 OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2014, 843 (845); NVwZ-RR 2014, 846 (847 f.); auch zum Folgenden. 396 OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2014, 843 (845); NVwZ-RR 2014, 846 (848); diesem Ergebnis folgend für die (beantragte)  Weitergabe amtlicher Kontrollergebnissen eines Gastronomiebetriebs an eine Verbraucherzentrale (im Rahmen des sog. Kontrollbarometers NRW) VG Düsseldorf, Urt. v. 13.03.2015, 26 K 4876/13, juris Rn. 26 ff.; Urt. v. 13.03.2015, 26  K  5494/13, juris Rn.  27 ff.; Urt.  v.  13.03.2015, 26  K  5722/13, juris Rn.  26 ff.; Urt. v. 13.03.2015, 26 K 8686/13, juris Rn. 25 ff.; OVG NRW, Urt. v. 12.12.2016, 13 A 946/15, juris Rn. 94 ff. 397 § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB kommt bei vergleichenden Unternehmensbewertungen zur Betriebshygiene als Befugnisnorm nicht in Betracht, da keinerlei Bezug zu einem (konkreten) Lebensmittel besteht; vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 13.03.2015, 26 K 4876/13, juris Rn. 22 ff.; Urt. v. 13.03.2015, 26 K 5494/13, juris Rn. 23 ff.; Urt. v. 13.03.2015, 26 K 5722/13, juris Rn. 22 ff.; Urt. v. 13.03.2015, 26 K 8686/13, juris Rn. 21 ff.; Martini / Kühl, DÖV 2013, 573 (578). 398 VG Berlin, Beschl. v. 19.03.2014, 14 L 35.14, juris Rn. 41; VG Berlin, Beschl. v. 28.11.2012, 14 K 79.12, juris Rn.  59 ff. Hierzu Zott, Informationen, S.  421 ff. Das OVG NRW lehnt für ein Informationszugangsbegehren nach dem VIG das Erfordernis eines konkreten Bezugs zu einem Erzeugnis oder Verbraucherprodukt ab; vgl. OVG NRW, Urt. v. 12.12.2016, 13 A 946/15, juris Rn. 63 ff.

174

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Auch wenn dem Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zuzustimmen ist, überzeugt dessen Begründung in Bezug auf den verwendeten Datenbegriff nicht vollends.399 Zunächst ist festzustellen, dass der Gesetzgeber im Verbraucherinformationsgesetz nicht zwischen den Begriffen „Informationen“, „Daten“ und „Erkennt­nissen“ unterscheidet, sondern diese vielmehr synonym verwendet.400 Der Datenbegriff des Datenschutzrechts nach § 3  Abs.  1  BDSG erfasst  – den Personenbezug einmal ausgeklammert – „Einzelangaben“, wozu auch Werturteile und Bewertungen zählen.401 Im Gegensatz zu dem vom Oberverwaltungsgericht unterstellten allgemeinen Sprachgebrauch unterfallen dem juristischen Datenverständnis folglich auch vergleichende Bewertungen und Benotungen.402 Warum das Verbraucherinformationsgesetz auf einem vom Bundesdatenschutzgesetz abweichenden Datenverständnis beruhen sollte, erschließt sich nicht und wird auch vom Oberverwaltungsgericht nicht erklärt. Zu beachten ist allerdings, dass die antragunabhängige Veröffentlichung nach § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG mit der Herausgabepflicht beantragter Informationen inhaltlich untrennbar verknüpft ist.403 Mit anderen Worten darf die Behörde nur diejenigen Daten von sich aus veröffentlichen, auf die sich auch der Zugangsanspruch nach § 2  Abs.  1  VIG erstreckt, mithin Informationen, die bei der zuständigen Stelle „vorhanden sind“.404 Ein Antragsteller kann insoweit zwar nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VIG die Herausgabe der Jahresberichte der Lebensmittelüberwachung verlangen;405 er hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass die Behörde die Kontrollergebnisse in einem Bewertungssystem aufbereitet, das einen Vergleich zu anderen Lebensmittelbetrieben ermöglicht. Daraus folgt, dass sich auch die Veröffentlichungsbefugnis nach § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG nicht auf die behördliche Bewertung oder Benotung von Lebensmittelkontrollergebnissen erstreckt.406 Damit sind vergleichende Bewertungssysteme tatsächlich nicht von der Ermächtigung des § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG erfasst, was allerdings nicht auf das allgemeine Sprachverständnis des Datenbegriffs, sondern vielmehr auf den Umfang des Zugangsanspruchs nach § 2 Abs. 1 VIG zurückzuführen ist.

399

Bäcker, JZ 2016, 595 (602). Vgl.  §§ 4  Abs.  2  S.  2,  2  Abs.  1  S.  1  VIG; Borchert, in: Beyerlein / Borchert, VIG, § 1 Rn. 19; Heinicke, in: Zipfel / Rathke, § 2 VIG Rn. 14. 401 Dammann, in: Simitis, BDSG, § 3 Rn.  12; Gola / Klug / Körffer, in: Gola / Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 6; Bäcker, JZ 2016, 595 (602). 402 Bäcker, JZ 2016, 595 (602). 403 Bäcker, JZ 2016, 595 (603), auch zum Folgenden. 404 Ausführlich zum Wortlaut der Vorschrift Zott, Informationen, S. 426 f. 405 Der Begriff „Auswertung“ i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VIG bezieht sich beispielsweise auf die Jahresberichte der Lebensmittel-Untersuchungsämter und ist folglich nicht mit Bewertungen oder Benotungen gleichzusetzen; vgl. Borchert, in: Beyerlein / Borchert, VIG, § 1 Rn. 56. Missverständlich insoweit OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2014, 843 (844). 406 Bäcker, JZ 2016, 595 (603); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 110 f.; Martini / Kühl, DÖV 2013, 573 (578); Zott, Informationen, S. 426 f. 400

II. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG

175

c) Verhältnis zu § 40 LFGB Sowohl § 40 LFGB als auch § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG sind Befugnisnormen für das behördliche Informationshandeln im Lebensmittelbereich. Es stellt sich daher die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Vorschriften zueinander stehen. Eine Antwort gibt das Gesetz selbst, da gemäß § 2 Abs. 4 das Verbraucherinformationsgesetz nicht gilt, soweit andere Rechtsvorschriften entsprechende oder weiter gehende Vorschriften vorsehen. Als fachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen für Veröffentlichungen im Lebensmittelbereich zur Gefahrenabwehr und / oder zum Verbraucherschutz enthalten § 40 Abs. 1 und Abs. 1a LFGB solche weitergehenden Vorgaben, weshalb sie gegenüber der allgemeineren Befugnisnorm des § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG als vorrangige Spezialregelung einzustufen sind.407 Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 40 LFGB lassen sich Informationsmaßnahmen jedoch auf den subsidiären § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG als Ermächtigungsgrundlage des allgemeinen Verbraucherinformationsrechts stützen.408 2. Verfassungsmäßigkeit Da der vorrangige § 40 LFGB in den letzten Jahren stetig um neue Befugnisse erweitert wurde und von § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG keine vergleichenden behördlichen Bewertungen von Gastronomiebetrieben erfasst sind, ist der praktische Anwendungsbereich letzterer Vorschrift im Lebensmittelbereich – wenn er denn überhaupt besteht – sehr gering.409 Als erste Fallgruppe könnten § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG Veröffentlichungen über Verstöße nach dem Weingesetz410 unterfallen, da diese nicht vom Lebensmittelund Futtermittelgesetzbuch erfasst sind; vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 4 LFGB.411 Allerdings

407

Albers / Ortler, GewArch 2009, 225 (229); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil B Rn. 29 Fn. 40; Schoch, NJW 2010, 2241 (2246); ders., Informationsfreiheitsgesetz, Einleitung Rn. 305; ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (137, 148); Zott, Informationen, S. 384; so wohl auch Honegg, Verbraucherinformation, S. 192 f.; Wegmer, Informationstätigkeit, S. 150; a. A. (allerdings noch vor Einfügung des Abs. 1a in § 40 LFGB) OVG Saarland, NVwZ 2011, 633; Raspé, BLJ 2013, 8 (10). 408 Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053); Schoch, NJW 2010, 2241 (2246); ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (148); ders., Informationsfreiheitsgesetz, Einleitung Rn. 305; Zott, Informationen, S. 385. Hingegen von einer generellen Sperrwirkung des § 40 LFGB auch außerhalb von dessen Tatbestandsvoraussetzungen gegenüber § 6 Abs. 1 S. 3 VIG ausgehend Theis, DVBl 2013, 627 (633). 409 So bereits zu § 5 Abs. 1 S. 2 VIG a. F. Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1055). 410 Weingesetz (WeinG) i. d. F. v. 18.01.2011, zuletzt geändert durch Art. 12 Branntweinmonopolverwaltung-AuflösungsG v. 10.03.2017 (BGBl. I S. 420). 411 So Schoch, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (148), unter Verweis auf das Praxisbeispiel der Internetveröffentlichung eines Landratsamts über falsch deklarierten Wein; vgl. hierzu VG Stuttgart, GewArch 2009, 459.

176

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

wurden mit der Schaffung des Verbraucherinformationsgesetzes412 Verweise in das Weingesetz aufgenommen, nach denen sowohl § 40 LFGB als auch das Verbraucherinformationsgesetz entsprechend anwendbar sind (vgl. § 31 Abs. 7 WeinG und § 52a WeinG).413 Folglich ist wiederum der Vorrang des § 40 LFGB vor § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG zu berücksichtigen. Damit sind auch Verstöße gegen das Wein­ gesetz nicht mehr vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG erfasst.414 Sieht man allerdings den Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes auch jenseits eines konkreten Produktbezugs eröffnet,415 so sind als zweite Fallgruppe behördliche Veröffentlichungen über rechtskräftig festgestellte Verstöße in einem Lebensmittelbetrieb ohne die Einbettung in ein vergleichendes Bewertungssystem vorstellbar.416 Bei Veröffentlichungen nach dem Verbraucherinformationsgesetz ist stets darauf zu achten, dass die Informationen für die Verbraucher verständlich dargestellt sind; vgl. § 6 Abs. 1 S. 4 VIG.417 Mit einer (potenziellen) Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG würde sich die Behörde daher auf einem schmalen Grat bewegen, zwischen für den Bürger nicht mehr verständlichen Informationen einerseits (z. B. die kommentarlose Veröffentlichung von Protokollen und Vermerken durchgeführter Betriebskontrollen)418 und inhaltlich aufbereiteten, indes von der Norm nicht mehr erfassten Veröffentlichungen andererseits (z. B. vergleichenden Bewertungen über die Hygienekontrolle in Gaststättenbetrieben). Mit der Verabschiedung von § 40a LFGB-E, der Informationen auch über allgemeine Hygienemängel ohne Lebensmittelbezug vorsieht,419 würde sich der praktische Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG im Lebensmittelbereich damit dann wohl nochmals verringern. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind  – soweit Veröffentlichungen von Amts wegen nach § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG ergehen – die gleichen Grundrechte wie im Rahmen von § 40 Abs. 1a LFGB betroffen, mithin Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 sowie 412

Vgl.  Gesetz zur Neuregelung der Verbraucherinformation v. 05.11.2007 (BGBl. I S. 2558). Zur Historie Boch, in: Zipfel / Rathke, Vorb. WeinG (Teil 4 Nr. 400) Rn. 16; Boch, WeinG, Einl. Rn. 17. 414 Die entsprechende Anwendbarkeit des § 40  LFGB gem. § 31  Abs.  7  WeinG übersieht Schoch, indem er allein auf § 52a WeinG und damit auf die Anwendbarkeit des VIG abstellt; vgl. ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (148). 415 So OVG NRW, Urt. v. 12.12.2016, 13 A 941/15, juris Rn. 63 ff. 416 Die Abgrenzung zum vorrangigen § 40  Abs.  1a  Nr.  2  LFGB kann sich allerdings als schwierig gestalten, da die Anforderungen an den (konkreten) Lebensmittelbezug nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht eindeutig sind; s. hierzu unter E. I. 3. a) bb) (1). Schoch sieht dieses Fallbeispiel ohne weitere Differenzierung als allein von § 40  Abs.  1a  Nr.  2  LFGB erfasst an; vgl. ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (148). 417 Zur Anwendbarkeit von § 6 Abs. 1 S. 4 VIG auf die Informationserteilung mit und ohne Antrag Falck, VIG, S. 126. 418 Vgl. zum Beispiel bei Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil D § 6 Rn. 6. 419 Hierzu bereits unter E. I. 4. b). 413

II. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG

177

Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Insbesondere mit der Publikation der Namen und der Anschriften sämtlicher Beteiligter aus der Liefer- und Betriebskette nach § 3 S. 6 VIG sind grundrechtssensible Daten betroffen. Im juristischen Schrifttum findet sich daher insoweit die Befürchtung, dass sich mit diesen Daten umfassende Persönlichkeitsprofile erstellen ließen, sodass die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts die „notwendige Folge“ einer Veröffentlichung nach dem Verbraucherinformationsgesetz sei.420 Aufgrund der kaum bestehenden praktischen Relevanz des § 6 Abs. 1 S. 3 VIG im Lebensmittelbereich ist die nachfolgende Verhältnismäßigkeitsprüfung der Vorschrift allerdings knapp gefasst.421 Die bei § 40 Abs. 1a LFGB herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Probleme stellen sich im Übrigen teilweise auch bei § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG, sodass an den gegebenen Stellen Verweise auf die obigen Ausarbeitungen erfolgen. a) Bestimmtheitsgebot § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG hat lediglich zur Voraussetzung, dass die von Amts wegen veröffentlichten Informationen von dem Zugangsanspruch nach § 2 Abs. 1 VIG erfasst sind und durch die zuständige Stelle erfolgen. Aufgrund dieser geringen Regelungsdichte bestehen erhebliche Zweifel an der Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage.422 Die Vorschrift steht damit exemplarisch für die grundlegende und äußerst diffizile Problematik, welchen Bestimmtheitsgrad zu Verbraucherinformationen ermächtigende Befugnisnormen aufweisen müssen, um verfassungsrechtlichen Bestand zu haben.423 Im Hinblick auf die Wesentlichkeitstheorie des BVerfG424

420 Zum Ganzen Leisner, GewArch 2014, 57 (62); zustimmend Honegg, Verbraucherinformation, S.187. 421 Zur Verfassungsmäßigkeit der antragsabhängigen Informationen nach dem VIG Becker, ZLR 2011, 391 (409 ff.). 422 So etwa Abbé, Verbraucherschutz, S.  190; Bäcker, JZ 2016, 595 (602); Honegg, Verbraucherinformation, S. 189 f.; Zott, Informationen, S. 389 f.; noch zu § 5 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 VIG  a. F.  Holzner, DVBl 2012, 17 (20); Guckelberger, in: Hill / Schliesky, Vermessung des virtuellen Raums, S.  73 (117); Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (39 f.); a. A. unter Verweis auf die im VIG geregelten Informationsverweigerungsgründe und das behördliche Ermessen Schoch, NJW 2012, 2844 (2847); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 70, sprechen sich für die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift aus, wobei die Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes anhand des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten sei; Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053 f.). 423 Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1358). 424 Aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratiegebot folgt, dass der Gesetzgeber wesentliche – für die Grundrechtsverwirklichung maßgebliche – Regelungen und Entscheidungen zumindest in den Grundzügen selbst treffen muss und sie nicht der Exekutive überantworten darf (sog. Wesentlichkeitstheorie); vgl. BVerfGE 41, 251 (260); 45, 400 (417); 83, 130 (142); 116, 24 (58); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 61 ff.

178

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

ist problematisch, dass eine tatbestandlich unbestimmte Befugnisnorm der Exekutive auf der Ebene des Gesetzesvollzugs einen sehr weiten Entscheidungsspielraum einräumt.425 Unter Beachtung der speziell in Bezug auf Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG erheblichen Eingriffsintensität der Veröffentlichung erscheinen Regelungen zu dem konkreten Anlass (z. B. zu Art und Schwere des Verstoßes gegen Hygienevorgaben), zumindest aber zu dem einzuhaltenden Verfahren (z. B. Anhörung, Veröffentlichungsdauer426 und Wartefrist zur Absicherung der Rechtsschutzgarantie427) erforderlich.428 Andernfalls, wenn nämlich die Evaluation und die Auswahl der Informationen vollständig im (Auswahl- und Entscheidungs-)Ermessen der jeweils zuständigen Behörde liegen, ist eine Veröffentlichung für die Betroffenen nicht voraussehbar, sodass sie weder ihr Verhalten entsprechend anpassen noch (gericht­ liche) Schritte zur Verhinderung der Veröffentlichung unternehmen können.429 Bei alldem beinhaltet die geringe Regelungsdichte einer zum behördlichen Informationshandeln ermächtigenden Norm aber nicht den Automatismus der Ver­fassungswidrigkeit.430 Ein bestehendes (Regelungs-)Defizit lässt sich nämlich grundsätzlich mit einer beständigen und vorhersehbaren Verwaltungspraxis unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit handhaben.431 Die Verfassungswidrigkeit der Norm lässt sich insoweit auch nicht mit einem allgemeinen Verweis auf die Wesentlichkeitstheorie des BVerfG begründen.432 Je weiter allerdings die Befugnisnorm gefasst ist und je größer das Auswahlermessen der Behörde ausfällt, desto eher ist ein Korrektiv in Form einer verfahrensrechtlichen Absicherung zu fordern, um den Betroffenen den größtmöglichen Rechtsschutz vor der insoweit schwer bis überhaupt nicht vorhersehbaren Veröffentlichung zukommen zu lassen.433 § 6 Abs. 1 S. 3 VIG indes trifft für die Dauer der Veröffentlichung keine Regelung und sieht unter Verweis auf § 5 Abs. 1 VIG auch nur ein beschränktes Anhörungserfordernis vor. Diese Defizite lassen sich nicht mehr mit einer konsistenten Verwaltungspraxis aufwiegen. Vor dem Hintergrund der Bestimmtheit und

425

Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1360). Hierzu bereits unter E. I. 3. a) bb) (2). 427 Hierzu bereits unter E. I. 3. a) cc) (3) (b) a. E. 428 Auch Zott spricht sich für die Notwendigkeit einer Regelung zur Veröffentlichungsdauer aus (allerdings unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit); vgl. dies., Informationen, S. 409. 429 So auch Honegg, Verbraucherinformation, S. 189 f.; Zott, Informationen, S. 389 f. 430 Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053 f.); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 58 ff. 431 Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053 f.). 432 In diese Richtung allerdings Guckelberger, in: Hill / Schliesky, Vermessung des virtuellen Raums, S.  73 (117); Honegg, Verbraucherinformation, S.  189 f.; Zott, Informationen, S. 389 f. 433 Auf eine vorhersehbare und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragende Verwaltungspraxis abstellend Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053 f.). 426

II. § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG

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der Verhältnismäßigkeit ist die Ermächtigungsgrundlage daher als verfassungswidrig zu bewerten.434 b) Verhältnismäßigkeit Aus § 1 VIG ergibt sich, dass das gesetzgeberische Ziel des Verbraucherinformationsgesetzes in der Herstellung von Markttransparenz zum Schutz der Verbraucher besteht.435 Für die im Ergebnis zu bejahenden Fragen, ob Veröffentlichungen auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG geeignet und erforderlich sind, diesen als legitim zu bewertenden Gesetzeszweck zu erreichen, kann auf die Ausführungen zu § 40 Abs. 1a LFGB verwiesen werden.436 Die Veröffentlichung einer Information nach § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG steht – als zentraler Unterschied zu der Regelung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs – im behördlichen Ermessen, das sich nicht nur auf das „Ob“, sondern auch auf das „Wie“ der Veröffentlichung erstreckt. Der Behörde ist so eine einzelfallbezogene Abwägung des Informationsbedarfs der Öffentlichkeit auf der einen Seite mit den grundrechtlich geschützten unternehmerischen Interessen auf der anderen Seite möglich.437 Damit lässt sich in der praktischen Anwendung mit dem in § 3 S. 5 VIG grundsätzlich festgelegten Vorrang der Verbraucherinteressen vor den Unternehmerpositionen verfassungskonform umgehen.438 Im Übrigen gelten die im Rahmen von § 40 Abs. 1a LFGB untersuchten verfassungsrechtlichen Probleme,439 insbesondere im Hinblick auf die Veröffentlichung von auf einem Verdacht basierenden Informationen (ohne einen vollziehbaren Bußgeldbescheid)440 und auf die fehlende Möglichkeit einer vorrangigen unternehmenseigenen Information,441 auch für Veröffentlichungen auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist zudem das eingeschränkte Anhörungserfordernis nach §§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VIG, 28 VwVfG problematisch,442 auf das 434

A. A. Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 70; Gurlit, NVwZ 2011, 1052 (1053); Schink, DVBl 2011, 253 (258); Schoch, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (149). 435 BT-Drs. 16/5404, S. 1; BT-Drs. 17/7374, S. 2. 436 Vgl. unter E. I. 3. a) cc) (1). 437 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 90 f., 123 f. 438 So im Ergebnis ebenfalls Schoch, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S.  117 (149); ders., NJW 2010, 2241 (2246 f.); ders., NJW 2012, 2844 (2847). 439 So auch Leisner, GewArch 2014, 57 (59). 440 Hierzu bereits unter E. I. 3 a) cc) (3) (b). 441 Hierzu bereits E. I. 3 a) cc) (3) (c). 442 Vgl. für § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VIG etwa Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil D § 5 Rn. 10 f.; Zott, Informationen, S. 393; Wollenschläger, Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BTAusschuss Drs. 17 (10) 735-H, S. 19.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

§ 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 VIG (in entsprechender Anwendung) verweist.443 Demnach kann die Behörde auf der Grundlage einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung bei Veröffentlichungen über „Abweichungen nach dem Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuch“444 von der Anhörung der Betroffenen absehen. Aufgrund der in dieser Konstellation bestehenden Rechtsverstöße kommt laut der Gesetzesbegründung dem Verbraucherinteresse der Vorrang gegenüber den Rechtspositionen der Unternehmen zu.445 Da die Dauer eines beantragten Informationszugangsverfahrens in der Praxis oft von der Drittbeteiligung abhängt, dient die Beschränkung des Anhörungserfordernisses der Verfahrensbeschleunigung.446 Die damit vorrangig für Informationen auf Antrag vorgesehene Regelung hat der Gesetzgeber in Anlehnung an § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG geschaffen,447 der kein Anhörungserfordernis vorsieht, wenn eine sofortige Entscheidung wegen einer Gefahrenlage oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Die Übertragung dieser Wertung auf die Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstößen überzeugt jedoch nicht, da in diesen Fällen nicht zwangsläufig eine Gefahrenlage vorliegt.448 Als Praxisbeispiele sei in diesem Kontext wiederum auf die allgemeinen Anforderungen der Betriebshygiene verwiesen,449 deren Nichteinhaltung keine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher bedeutet. Warum bei sämtlichen Verstößen gegen Vorgaben des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs grundsätzlich dem Verbraucherinteresse ein höherer Stellenwert als den unternehmerischen Interessen zukommen soll, erschließt sich daher – insbesondere aufgrund der Irreversibilität einmal veröffentlichter behördlicher Informationen und der damit bedingten nachteiligen Auswirkungen – nicht. Lebensmittelrechtliche Sachverhalte, bei denen tatsächlich eine dringende Entscheidung ohne eine vorherige Anhörung durch die Behörde erforderlich ist – etwa bei einer Gefährdung der Verbraucher oder wenn dies für einen effektiven Verbraucherschutz notwendig ist – würden aufgrund des Verweises auf die entsprechende Anwendung des § 28 VwVfG in § 5 Abs. 1 S. 2 VIG im Übrigen bereits von § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG erfasst.450 Die Durchführung einer Anhörung 443 Vgl. hierzu bereits unter E. II. 1. Bei § 40 LFGB erfolgt demgegenüber kein Verweis auf eine entsprechende Anwendung des § 28  VwVfG. Das Anhörungserfordernis vor einer behördlichen Veröffentlichung bzw. die Ausnahme hiervon ist in § 40 Abs. 3 LFGB ausdrücklich normiert; vgl. hierzu bereits unter E. I. 1. c). 444 Hierunter versteht man eine objektive Abweichung zwischen der gesetzlichen Anforderung und der tatsächlichen Situation, mithin einen Rechtsverstoß gegen das LFGB; vgl. zur (umstrittenen) Auslegung dieser Begriffe Rossi, in: Gersdorf / Paal, BeckOK Info / MedienR, § 2 VIG Rn. 14 ff. In der amtlichen Gesetzesbegründung werden „Rechtsverstöße“ mit „nicht zulässige(n) Abweichungen von Anforderungen“ i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a) VIG gleichgesetzt; vgl. BTDrs. 17/7374, S. 12; so auch Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil D § 5 Rn. 6 Fn. 360. 445 BT-Drs. 17/7374, S. 18. 446 BT-Drs. 17/7374, S. 18; Falck, VIG, S. 100. 447 BT-Drs. 17/7374, S. 18. 448 Zott, Informationen, S. 392. 449 Vgl. hierzu bereits unter E. I. 3. a) bb) (1). 450 Leisner, GewArch 2014, 57 (63); Wollenschläger, Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BTAusschuss Drs. 17 (10) 735-H, S. 19.

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

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für die Veröffentlichung von Informationen über LFGB-Verstöße gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VIG ohne weitere Vorgaben in die Ermessensentscheidung der Behörde zu stellen, ist folglich mit dem grundrechtlich geschützten Anspruch der betroffenen Unternehmen auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren nicht zu vereinbaren.451

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, bieten die Ermächtigungsgrundlagen nach § 40 LFGB und § 6 Abs. 1 S. 3 HS. 1 VIG keine Befugnis für die vergleichende Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse auf behördlichen Bewertungsportalen. Da jedoch in der Verwaltungspraxis der Länder in den letzten Jahren vermehrt solche Portale entstanden sind,452 ist die Schaffung einer gesetzlichen Regelung auf lange Sicht unverzichtbar. Auf europäischer Ebene bietet Art. 11 Abs. 3 der neuen Verordnung über amtliche Kontrollen (KontrollVO n. F.) ab Ende 2019 einen ersten, indes umsetzungsbedürftigen, Ansatz. Auch das Land NordrheinWestfalen hat sich dieses Regelungsbedürfnisses angenommen und mit dem Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz (KTG NRW) die derzeit aktuellste gesetzliche Grundlage auf Landesebene beschlossen.453 1. Art. 11 und Art. 8 KontrollVO n. F. Die neue Kontrollverordnung dient der Schaffung eines singulären Unionsrechtsrahmens unter anderem für amtliche Kontrollen in der gesamten Lebensmittelkette und soll – neben weiteren Rechtsakten – auch die bisherige Kontrollverordnung ersetzen.454 Der mit „Transparenz der amtlichen Kontrollen“ überschriebene Art. 11 KontrollVO n. F. regelt in seinem Abs. 1, dass die zuständigen Behörden 451 Becker, ZLR 2011, S. 391 (418 f.); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  D § 5 Rn.  7 f.; Leisner, GewArch 2014, 57 (63); Wollenschläger, Stellungnahme zur VIG-Reform v.  02.11.2011, BT-Ausschuss  Drs.  17  (10)  735H, S.  19; Zott, Informationen, S.  392. A. A.  Falck, VIG, S.  101; Wustmann, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2012, S. 197 (206). 452 Hierzu ausführlich unter F. I. 2. 453 Den Vorstoß für eine eigenständige Regelung im VIG unternahm das Land Berlin bereits im Jahr 2011 vergeblich mit dem Gesetzesantrag zur Einfügung eines neuen § 5a VIG-E; vgl.  BR-Drs.  5/11. Dieser Gesetzesentwurf fand jedoch in der Novellierung des VIG im Jahr 2012 keine Beachtung. Da eine bundesweite Regelung (derzeit) höchst unwahrscheinlich ist, konzentriert sich diese Untersuchung auf den Entwurf des Landes NRW. Zur Bewertung des § 5a VIG-E Zott, Informationen, S. 428 ff. 454 PE-CONS 1/17, Erwägungsgrund 19, S. 9. Der ursprüngliche Kommissionsentwurf der neuen Verordnung stammt v. 06.05.2013; vgl. COM (2013) 265; für einen Überblick über das nunmehr abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren und die Verfahrensdokumente siehe unter http://eur-lex.europa.eu/procedure/DE/202628 [Stand: 25.06.2017]. Die nachfolgenden Ausführungen zum Wortlaut der neuen Verordnung beziehen sich auf die Fassung v. 15.03.2017; vgl. PE-CONS 1/17.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

relevante Informationen über die Organisation und Durchführung amtlicher Kontrollen (auch online) veröffentlichen. Hierzu zählen unter anderem Informationen über die Art, Zahl und das Ergebnis der Kontrollen (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. a)) sowie die Art und Zahl der festgestellten Verstöße (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. b)). Gemäß Art. 11 Abs. 2 KontrollVO n. F. legen die zuständigen Behörden Verfahren fest, um die Korrektur von Informationen zu gewährleisten, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen. Des Weiteren sieht Art. 11 Abs. 3 KontrollVO n. F. erstmals vor, dass die zuständigen Behörden Angaben über die Einstufung einzelner Unternehmer aufgrund der Ergebnisse von amtlichen Kontrollen veröffentlichen können.455 Diese Veröffentlichungsbefugnis steht unter den Voraussetzungen, dass die Einstufungskriterien „objektiv, transparent und öffentlich verfügbar sind“ (vgl.  Art.  11 Abs.  3 lit.  a) KontrollVO  n. F.) und dass „geeignete Regelungen“ existieren, „die gewährleisten, dass der Einstufungsprozess fair,456 schlüssig und transparent ist“ (vgl. Art. 11 Abs. 3 lit. b) KontrollVO n. F.).457 Damit ist die Regelung nicht „self-executing“, sondern bedarf der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten, etwa in Bezug auf die Bewertungsbasis, die materiellen Einstufungskriterien, die unternehmerischen Rechtsschutzmöglichkeiten sowie den gleichmäßigen (vergleichsgeeigneten) Vollzug.458 Die Lebensmittelwirtschaft steht einer Umsetzung der Regelung in der Praxis allerdings kritisch gegenüber: Die zuständigen Behörden müssten die betroffenen Betriebe für repräsentative Ergebnisse in gleicher Frequenz und engen Abständen kontrollieren. Dazu gehöre auch die Möglichkeit von Nachkontrollen, um eine zeitnahe Mängelbeseitigung durch die Unternehmen dokumentieren zu können.459

455 Nach den Erörterungen im Rat am 20.10.2015 und 26.09.2016 sieht der Verordnungstext nun vor, die Veröffentlichungen nach Abs. 3 ausdrücklich in das Ermessen der Behörden zu stellen („können“ statt vormals „sind befugt“); vgl. Dokument Nr. ST 13209 2015 INIT, Dokument Nr. ST 12175 2016 ADD 1 sowie PE-CONS 1/17. 456 Das Wort „fair“ ist erst nach der Erörterung im Rat am 26.09.2016 in die Verordnung eingefügt worden; Dokument Nr. ST 12175/2016 ADD 1. 457 Das Europäische Parlaments hatte nach der Ersten Lesung u. a. vorgeschlagen, den Ver­ öffentlichungen nach Abs. 3 die letzten vier amtlichen Kontrollen zu Grunde zu legen; vgl. Erste Lesung des Europäischen Parlaments vom 15.04.2014, Dokument TA/2014/380/P7. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission jedoch nicht angenommen; vgl. zur Historie des Gesetzgebungsverfahrens bis Ende 2015 Zott, Informationen, S. 441 ff. 458 Becker / Sievers, NVwZ 2016, 1456 (1457); Holzner, GewArch 2016, 95 (99); Möstl, LMuR 2015, 185 (192); ders., GewArch 2015, 1 (6), der den Verweis auf geeignete mitgliedstaatliche (Umsetzungs)Regelungen lobend hervorhebt; Gundel, ZLR 2013, 662 (668); Bäcker, JZ 2016, 595 (603); Zott, Informationen, S. 441; BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 2. Die vorgenannten Literaturnachweise beziehen sich noch auf Art.  10  KontrollVO-E, der in der konsolidierten Verordnungsfassung zu Art. 11 KontrollVO n. F. wurde. 459 Das Europäische Parlament hatte nach der Ersten Lesung u. a. vorgeschlagen, Art.  10 Abs. 3 KontrollVO-E dahingehend zu ergänzen, dass bei nachteiligen Untersuchungsergebnissen zeitnahe Nachkontrollen durchzuführen seien; vgl. Erste Lesung des Europäischen Parlaments v. 15.04.2014, Dokument TA/2014/380/P7. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission jedoch nicht angenommen.

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

183

Dies alles sei den für die Lebensmittelkontrollen zuständigen Landesbehörden allerdings (derzeit) aus Kapazitätsgründen nicht möglich.460 Für Informationen, die nach nationalen oder Unionsvorschriften ihrer Art nach der beruflichen Geheimhaltung unterliegen und welche die Behörden im Zuge ihrer Tätigkeit erlangt haben, gilt nach Art. 8 Abs. 1 KontrollVO n. F. der Grundsatz der Geheimhaltungspflicht.461 Gesetzt den Fall, dass kein übergeordnetes Interesse an der Verbreitung besteht,462 sind von diesen geheim zuhaltenden Informationen nach Art. 8 Abs. 3 KontrollVO n. F. auch solche erfasst, deren Veröffentlichung den Zweck von Inspektionen, Untersuchungen oder Audits (vgl. Abs. 3 lit. a) KontrollVO n. F.), den Schutz geschäftlicher Interessen (vgl.  Abs.  3  lit.  b)  KontrollVO  n. F.) und den Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung (vgl.  Abs.  3  lit.  c) KontrollVO n. F.) beeinträchtigen könnte. Eine Ausnahme stellen jedoch nach Art. 8 Abs. 5 KontrollVO n. F. Informationen über amtliche Kontrollergebnisse dar, die einzelne Unternehmer betreffen.463 Der Grundsatz der Geheimhaltungspflicht gilt hier nicht, d. h., eine Veröffentlichung ist zulässig, wenn der Unternehmer die Möglichkeit zur Äußerung hatte (vgl. Art. 8 Abs. 5 lit. a) KontrollVO n. F.) und dessen Bemerkungen in der Information berücksichtigt oder mit dieser gemeinsam veröffentlicht werden (vgl. Art. 8 Abs. 5 lit. b) KontrollVO n. F.).464 Mit der ab Ende 2019 geltenden novellierten Kontrollverordnung wird das Bestreben des europäischen Gesetzgebers deutlich, den Verbraucherschutz jenseits der Gefahrenabwehr zu stärken und damit Hand in Hand das Verwaltungshandeln so transparent wie möglich zu gestalten.465 Die KontrollVO n. F. sieht nun die Möglich 460

Zum Ganzen BLL, Stellungnahme KontrollVO-E, S. 9 f. Zur Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von Veröffentlichungspflicht und Geheimhaltungsschutz im Vergleich zum derzeitigen Art.  7  KontrollVO Elsing / Rosenow, ZLR 2013, 240 (243). Die vorgenannten Autoren beziehen sich noch auf Art. 7 KontrollVO-E, der in der konsolidierten Verordnungsfassung zu Art. 8 KontrollVO n. F. wurde. 462 Gem. Art. 8 Abs. 4 KontrollVO n. F. sind bei der Entscheidung, ob ein übergeordnetes Interesse an der Informationsverbreitung besteht, die möglichen (Gesundheits-)Risiken für Menschen, Tiere oder Pflanzen sowie die Art, Schwere und das Ausmaß dieser Risiken zu berücksichtigen. 463 Vgl.  PE-CONS 1/17, Erwägungsgrund 31.  Das Europäische Parlament hatte nach der Ersten Lesung vorgeschlagen, den Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 KontrollVO-E (in der konsolidierten Fassung nunmehr Art. 8 Abs. 5 KontrollVO n. F.) von „shall not prevent […] from publishing“ in „shall publish“ zu ändern; vgl.  Erste Lesung des Europäischen Parlaments v. 15.04.2014, Dokument TA/2014/380/P7. Darin einen Vorschlag hin zu einer zwingenden Regelung sehend Zott, Informationen, S. 442. Demgegenüber darauf hinweisend, dass auch mit dieser Modifizierung von Art. 7 Abs. 3 KontrollVO-E nur ein Veröffentlichungsrecht und keine pflicht gemeint sei, Möstl, GewArch 2015, 1 (6 Fn. 92). Der Wortlaut der konsolidierten Fassung („hindern nicht daran […] zugänglich zu machen“/„shall not prevent […] from publishing“) bestätigt nunmehr Letzteres, mithin ein behördliches Veröffentlichungsrecht. 464 Kritisch Wollenschläger, EuZW 2013, 419 (422); ders., in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 151 (163), der die allein verfahrensrechtlichen Anforderungen als Voraussetzungen für die Informationsveröffentlichung (ohne materielle Schranken) im Hinblick auf die Unionsgrundrechte als zu weitgehend bewertet. 465 Vgl. auch PE-CONS 1/17, Erwägungsgrund 2. 461

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

keit, keinesfalls aber die Verpflichtung466 vor, den Verbrauchern Zugang zu vergleichenden Lebensmittelinformationen auf Internetportalen zu ermöglichen.467 Dies stellt die Mitgliedstaaten vor die Aufgabe, Umsetzungsregelungen zu schaffen. Die bereits in der Verwaltungspraxis entstandenen Verbraucherinformationsportale sind damit einer europarechts und verfassungskonformen gesetzlichen Ausgestaltung zuzuführen. 2. Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz NRW Der nachfolgende einleitende Überblick zur Historie des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Bewertung, Darstellung und Schaffung von Transparenz von Ergebnissen amtlicher Kontrollen in der Lebensmittelüberwachung (KTG NRW) dokumentiert die politischen Schwierigkeiten bei der Schaffung einer (bundesweiten) Regelung für die Veröffentlichung von Kontrollergebnissen der Lebensmittelüberwachung. Zugleich werden die hierbei im Widerstreit stehenden Interessen deutlich, nämlich einerseits das Informationsinteresse der Verbraucher und andererseits die (grundrechtlich geschützten) Positionen der betroffenen Unternehmen. Bereits auf der sechsten Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) im September 2010 beschlossen die für den Verbraucherschutz zuständigen Minister und Senatoren, eine rechtliche Grundlage für die Veröffentlichung von amtlichen Ergebnissen der Lebensmittelüberwachung zu schaffen.468 Die für die inhaltliche Ausarbeitung eines bundeseinheitlichen Konzepts beauftragte Landesarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) entwickelte darauf ein sogenanntes Kontrollbarometer, mit dessen Hilfe die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen kostenneutral und mit einem geringen Verwaltungsaufwand veröffentlicht werden sollten.469 Dieses von der VSMK in einer Sondersitzung im Mai 2011 beschlossene Modell wurde jedoch von der WMK im Juni desselben Jahrs abgelehnt.470 Bedenken bestanden vor allem aufgrund der prangerähnlichen Wirkung für die Unternehmen sowie aufgrund des zu befürchtenden erhöhten Personal- und Kostenaufwands der Verwaltung, da sich der Vorschlag der LAV nach Auffassung der WMK nicht kostenneutral umsetzen ließe.471 Die konträren Haltungen der Verbraucherschutz 466 In diese Richtung aber noch Elsing / Rosenow, ZLR 2013, 240 (243 f.); Zott, Informationen, S. 443. 467 Gundel, ZLR 2013, 662 (668). 468 Protokoll der 6.  VSMK v.  17.09.2010, TOP  8 S.  11. Sämtliche Protokolle der VSMK sind abrufbar unter www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/Beschluesse.html [Stand: 25.06.2017]. 469 Ausführlich zur Entwicklung und dem Konzept des Kontrollbarometers Neuß, in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 29 (30 f.); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 146. 470 Protokoll der VSMK-Sondersitzung v. 19.05.2011, TOP 3 S. 12 f. 471 Beschluss der WMK v.  06./07.06.2011, Punkt  14.3 der Tagesordnung. Die Beschlüsse der WMK sind abrufbar unter www.wirtschaftsministerkonferenz.de/WMK/DE/termine/ Sitzungen/11-06-06-07-termin-wmk.html?nn=4812664 [Stand: 25.06.2017].

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

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ministerkonferenz472 und der WMK473 haben bis zum heutigen Tage dazu geführt, dass keine Regelung auf Bundesebene zustande gekommen ist.474 Die (ehemaligen) Regierungsparteien in Nordrhein-Westfalen hatten in ihrem Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode von 2012 bis 2017 vereinbart, den Beschluss der VSMK aus dem Jahr 2011 auf Landesebene zu verwirklichen, falls auf Bundesebene keine zeitnahe Lösung gefunden werde. Sie verständigten sich hierfür auf den Start des internetbasierten Modellprojekts „KOBRA“.475 Ab Dezember 2013 setzte die Verbraucherzentrale NRW, gefördert durch das nordrhein-westfälische Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft Natur- und Verbraucherschutz, dieses Projekt in den Städten Bielefeld und Duisburg um. Die Verbraucherzentrale NRW fragte im Rahmen dieses Pilotprojekts die Ergebnisse der Lebensmittelüberwachungsbehörden ab und veröffentlichte diese sodann in Form eines „Kontrollbarometers“ (auch: „Hygiene-Ampel“).476 Das Verwaltungsgericht Düsseldorf sowie das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bewerteten das Modell jedoch mangels Vorliegens einer Ermächtigungsgrundlage als rechtswidrig, nachdem mehrere betroffene Betriebsinhaber gegen die Datenweitergabe an die Verbraucherzentrale NRW geklagt hatten.477 Der nordrhein-westfälische Landtag hat die Landesregierung in der Folge im Februar 2014 aufgefordert, „für Transparenz bei den amtlichen Kontrollergebnissen im Gastronomie und Lebensmittelbereich (Hygieneampel) zu sorgen“.478 Mit dem Entwurf eines KontrollergebnisTransparenz-Gesetzes hat die damalige Landesregierung Nordrhein-Westfalens eine 472 Die Verbraucherschutzminister und senatoren der Länder hatten den Bund auch in den Folgejahren wiederholt zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage aufgefordert; vgl. Proto­ kolle der 9. VSMK v. 17.05.2013, TOP 12 S. 19, und der 11. VSMK v. 08.05.2015, TOP 14, S. 22. 473 Die WMK blieb in der Folge bei ihrer ablehnenden Haltung; vgl. etwa Beschluss der WMK vom 04./05.06.2012, Punkt 16.1 der Tagesordnung. 474 Hierzu auch Pressemitteilung des BMEL Nr. 141 vom 14.05.2013, abrufbar unter www. bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2013/141-AI-VSMK-LebensmittelueberwachungLFGB.html [Stand: 25.06.2017]. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 16.12.2013 taucht diese Materie nicht mehr auf; vgl. Koalitionsvertrag zur 18. Legislaturperiode, S. 125 ff. 475 Koalitionsvertrag zwischen NRW SPD und Bündnis 90/Die Grünen NRW zur 16. Wahlperiode, S.  58, abrufbar unter https://gruene-nrw.de/positionen/koalitionsvertrag/ [Stand: 25.06.2017]. Zum (im Jahr 2013 eingestellten) freiwilligen Smiley-Modellprojekt der Vorgängerregierung unter F. I. 2. c). 476 Vgl. zum „Gastro-Kontrollbarometer“ bzw. zu der dazugehörigen Smartphone-App „appetitlich“ www.umwelt.nrw.de/verbraucherschutz-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/kontroll barometer/ und www.verbraucherzentrale.nrw/kontrollbarometer sowie Pressemitteilung der Landesregierung NRW v.  06.09.2016, abrufbar unter www.land.nrw/de/pressemitteilung/ minister-remmel-mehr-durchblick-durch-einblick-fuer-verbraucherinnen-und [Stand jeweils: 25.06.2017]; ausführlich Abbé, Verbraucherschutz, S. 65 ff. 477 VG Düsseldorf, Urt. v. 13.03.2015, 26 K 4876/13, juris; Urt. v. 13.03.2015, 26 K5494/13, juris; Urt.  v.  13.03.2015, 26  K  5722/13, juris; Urt.  v.  13.03.2015, 26  K  8686/13, juris; Urt. v. 26.03.2015, 26 K 6749/13, juris, bestätigt durch OVG NRW, Urt. v. 12.12.2016, 13 A 941/15, juris Rn. 94 ff. 478 LT-Drs. 16/3429 Nr. 8, S. 4.

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

gesetzliche Grundlage präsentiert, die vom Landesparlament nach der 2. Lesung am 15.02.2017 angenommen und verabschiedet wurde.479 Auch wenn die neue Landesregierung Nordrhein-Westfalens in ihrem Koalitionsvertrag vom Juni 2017 nunmehr bereits wieder die Abschaffung des KTG NRW plant,480 lohnt eine Untersuchung des Gesetzes, da mit diesem erstmalig auf Landesebene der Versuch unternommen wurde, die Veröffentlichung behördlicher Kontrollergebnisse formalgesetzlich auszugestalten. a) Regelungsgehalt Das KTG NRW initiiert ein landesweites System für die Bewertung und Veröffentlichung der amtlichen Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung.481 Auf Grundlage risikobasierter Beurteilungs- und Bewertungsmaßstäbe ist die Veröffentlichung der Ergebnisse in Form eines Kontrollbarometers vorgesehen. Das Gesetz erfasst alle nach Art. 6 Abs. 2 VO (EG) Nr. 852/2004 registrierungspflichtigen Betriebe, die für die Durchführung der amtlichen Lebensmittelkontrollen in Risikokategorien eingestuft sind (vgl. § 6 Abs. 1 AVV RÜb482).483 Das aus insgesamt elf Paragraphen und sechs zugehörigen Anlagen bestehende Gesetz enthält Regelungen zu dem Zweck und Anwendungsbereich (§ 1), zu dem Beurteilung und Bewertungssystem (§§ 2 bis 5), zu der Darstellung und Transparentmachung der Kontrollergebnisse (§§ 6  bis  8) sowie zu den Zusatzkontrollen und den Anordnungsbefugnissen der Behörde (§§ 9, 10) und endet mit der Bestimmung zum In- bzw. Außerkrafttreten (§ 11). Für das Transparenzsystem ist eine freiwillige Einführungsphase vorgesehen, die nach 36 Monaten in ein verpflichtendes System übergehen wird.484

479

LT-Drs. 16/14182 (Neudruck). Vgl. Koalitionsvertrag für NRW 2017–2022 zwischen CDU und FDP v.  26.06.2017, S. 84, abrufbar unter www.cdu-nrw.de/koalitionsvertrag-fuer-nordrhein-westfalen-2017-2022 [Stand: 02.04.2018]; vgl. kritisch hierzu unter F. I. 2. c). 481 Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 11. 482 Allgemeine Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittelrechts, des Rechts der tierischen Nebenprodukte, des Weinrechts, des Futtermittelrechts und des Tabakrechts (AVV Rahmen-Überwachung – AVV RÜb) i. d. F. v. 03.06.2008, zuletzt geändert durch Art. 1 Dritte Allgemeine Verwaltungsvorschrift v. 15.02.2017 (BAnz AT 17.02.2017 B3). 483 Gesetzesbegründung, LT-Drs.  16/12857, S.  11, 14.  Keine Anwendung findet das KTG NRW nach § 1 Abs. 2 auf Betriebe der Primärproduktion (i. S. v. Art. 3 Nr. 17 BasisVO). 484 Vgl. § 11 Abs. 1 S. 2 KTG NRW sowie Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 12; LZ v. 17.02.2017, S. 30. 480

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

187

aa) Kontrollfrequenz, Beurteilungs- und Bewertungssystematik auf Basis der AVV RÜb Die Beurteilungs- und Bewertungsgrundlagen der amtlichen Kontrollergebnisse gemäß §§ 2 bis 5 KTG NRW i. V. m. Anlage 1 bis 3 beruhen auf dem risikobasierten Beurteilungsmodell der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung (AVV RÜb).485 Der Landesgesetzgeber begründet dies damit, dass sich die Verwaltungsvorschrift in der Überwachungspraxis bewährt habe und zudem kein zusätzlicher Aufwand für die zuständigen Behörden anfalle.486 Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung regelt mittels eines einheitlichen Beurteilungssystems den bundeseinheitlichen Vollzug der lebensmittelrechtlichen Vorgaben, insbesondere der zum EU-Lebensmittelhygienepaket487 gehörenden VO (EG) 882/2004 (KontrollVO),488 und richtet sich an die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden und Stellen der Länder.489 Entscheidend für die Kontrollfrequenz eines Betriebs ist nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung dessen Zuordnung zu einer von neun Risikoklassen anhand eines Punktesystems, das auf vier Hauptmerkmalen490 beruht. Die Gesamtpunktzahl (zwischen 0 und 200) ergibt sich aus der Addition der für die jeweils vier Hauptmerkmale vergebenen Punkte,491 wobei dem Hauptmerkmal I „Betriebsart und Produktrisiko“ der größte Einfluss auf das Gesamtergebnis zukommt.492 Die Kontrollfrequenz variiert je nach Risikoklasse erheblich und reicht von (arbeits-)täglichen Kontrollen in Klasse 1 bis hin zu dreijährlichen Kontrollen in Klasse 9.493

485 Gesetzesbegründung, LT-Drs.  16/12857, S.  14; instruktiv zur AVV  RÜb Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 96 ff. 486 Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 14 f. 487 Bestehend aus den Verordnungen (EG) Nr.  852/2004 (allgemeine Hygienevorschriften), (EG) Nr.  882/2004 (allgemeine Vorgehensweise der Lebensmittelüberwachung), (EG) Nr. 853/2004 (spezielle Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs) und (EG) Nr. 854/2004 (besondere Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von Erzeugnissen tierischen Ursprungs); vgl. hierzu Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil F Rn. 12 ff. 488 Nach Art. 3 Abs. 1 KontrollVO stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Behörden die amtlichen Kontrollen „regelmäßig, auf Risikobasis und mit angemessener Häufigkeit“ durchführen. 489 Vgl. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 AVV RÜb. 490 Jedes der vier Hauptmerkmale beinhaltet Beurteilungsmerkmale, die wiederum aus Beurteilungskriterien bestehen; vgl. Anlage 1 Nr. 5.4 AVV RÜb. 491 Vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Anlage 1 Nr. 5.3.2, 5.3.5 AVV RÜb. 492 Das Hauptmerkmal I fließt bereits mit 0–100 Punkten in die Gesamtpunktzahl ein. Anschaulich zum Punktesystem der AVV RÜb Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil F Rn. 14 ff. 493 Vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Anlage 1 Nr. 5.3.5 AVV RÜb.

188

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Als Grundlage für das Kontrollbarometer NRW dienen nach § 2 Abs. 2 lit. a) bis lit. c) KTG NRW die drei Beurteilungsmerkmale 494 „Zuverlässigkeit des Lebensmittelunternehmers“, „Verlässlichkeit der Eigenkontrollen“ sowie „Hygienemanagement“, die im Wesentlichen den Hauptmerkmalen II bis IV der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung entsprechen.495 Jedes Beurteilungsmerkmal besteht aus fünf Beurteilungsstufen, denen gemäß § 4 KTG NRW (Malus-) Punkte zugeordnet sind. Umso schlechter demnach die Bewertung eines Merkmals ausfällt, desto höher ist die Punktezahl. Aus der Addition sämtlicher Punkte ergibt sich das Gesamtergebnis, das zu den drei Ergebnisstufen „Anforderungen erfüllt“ (0–36 Punkte), „Anforderungen teilweise erfüllt“ (37–54 Punkte) und „Anforderungen unzureichend erfüllt“ (55–73 Punkte) führt (vgl. § 5 KTG NRW). bb) Darstellung der Kontrollergebnisse Die Darstellung des Kontrollergebnisses erfolgt gemäß § 6 Abs. 1 i. V. m. Anlage 5 KTG NRW in Form eines Balkendiagramms, das die drei Ergebnisstufen in den Farben grün („Anforderungen erfüllt“), gelb („Anforderungen teilweise erfüllt“) und rot („Anforderungen unzureichend erfüllt“) optisch wiedergibt (sog. Kontrollbarometer). Das ermittelte Gesamtergebnis ist dabei im Verhältnis zu der maximal möglichen Punktzahl von 73 Punkten mit einem Pfeil an der entsprechenden Stelle im Balkendiagramm gekennzeichnet. Das Kontrollbarometer enthält gemäß § 6 Abs. 2 KTG NRW neben der Anschrift der Betriebsstätte und dem Namen des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers auch die Anschrift und das Siegel der zuständigen Behörde. Zudem sind unterhalb des aktuellen Kontrollergebnisses die drei vorhergehenden amtlichen Ergebnisse in gleicher Weise abgebildet. Die Behörde stellt dem kontrollierten Betrieb das Kontrollbarometer gemäß § 7 KTG NRW in schriftlicher Form zur Verfügung und gibt ihm zuvor die Gelegenheit, sich – analog § 28 LVwVfG – zu äußern.496 Nach § 8 KTG NRW müssen unmittelbar an die Endverbraucher abgebende Betriebe das

494 An Stelle des Begriffs „Hauptmerkmal“ der AVV RÜb wählt der Landesgesetzgeber im KTG NRW die Bezeichnung „Beurteilungsmerkmal“, wobei die weiteren konkretisierenden Bezeichnungen der AVV RÜb („Beurteilungsmerkmale“ und „Beurteilungskriterien“) im Gesetz übernommen worden sind. Das KTG NRW geht also von drei „Beurteilungsmerkmalen“ aus, die aus weiteren „Beurteilungsmerkmalen“ bestehen, denen wiederum „Beurteilungskriterien“ zugeordnet sind; vgl. Anlage 1 bis 3 KTG NRW. 495 Eine Ausnahme besteht für das Beurteilungsmerkmal „Zuverlässigkeit des Unternehmers“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) KTG NRW), das von dem Hauptmerkmal II „Verhalten des Unternehmers“ nach der AVV RÜb insoweit abweicht, als es das Merkmal „Mitarbeiterschulung“ nicht einbezieht; vgl.  Anlage  1  KTG  NRW sowie Gesetzesbegründung, LT-Drs.  16/12857, S. 14. 496 Zur Rechtsnatur des Kontrollbarometers sogleich ausführlich unter E. III. 2. a) dd).

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

189

Informationen über Ergebnisse von Betriebskontrollen der amtlichen Lebensmittelüberwachung Anschrift zuständige Behörde

Anschrift Betrieb veranwortl. Lebensmittelunternehmer:

Kontrollbarometer letztes Kontrollergebnis vom: 15.08.2016 Anforderungen erfüllt

Anforderungen teilweise erfüllt

Anforderungen unzureichend erfüllt

Zuverlässigkeit des Unternehmers

zufriedenstellend

Verlässlichkeit der Eigenkontrollen

gut

Hygienemanagement

gut

Abbildung 7: Kontrollbarometer NRW (Ausschnitt)497

Kontrollbarometer an oder in der Nähe der Eingangstür oder einer anderen von außen gut sichtbaren Stelle anbringen; sonstige Betriebe müssen es leicht auffindbar auf ihrer Internetseite publizieren. Zusätzlich veröffentlicht auch die Behörde das Kontrollbarometer über das Internet unter Nennung des Lebensmittelunternehmers und der kontrollierten Betriebsstätte. Hierfür ist die Einrichtung einer landesweiten Online-Plattform vorgesehen.498 Während der dreijährigen Einführungsphase des Gesetzes, d. h., der Veröffentlichung auf freiwilliger Basis, stellt die Behörde den Unternehmern zusätzlich eine weitere Ausfertigung des Kontrollbarometers bereit.499 Diese weist das Kontrollergebnis nicht anhand einer Pfeilmarkierung aus, sondern mittels der Hervorhebung der jeweiligen Farbe auf dem Balkendiagramm. Die Unternehmer können damit für die Veröffentlichung des Kontrollbarometers während der Einführungsphase des Gesetzes zwischen zwei verschiedenen Darstellungsformen wählen.500

497

Vgl. Anlage 5 zu § 6 Abs. 2 KTG NRW. Kostenfolgenabschätzung zum KTG NRW, LT-Drs. 16/14182 (Neudruck), S. 20. 499 Vgl. § 11 Abs. 2 KTG NRW; diese alternative (freiwillige) Darstellungsform des Kontrollbarometers während der Einführungsphase wurde „auf Anregung der Wirtschaft und des Handwerks“ mit Änderungsanträgen der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen neu in das Gesetz eingefügt; vgl. Begründung zur Neufassung, LT-Drs. 16/14182 (Neudruck), S. 33. 500 Begründung zur Neufassung, LT-Drs. 16/14182 (Neudruck), S. 33. 498

190

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Kontrollbarometer letztes Kontrollergebnis vom: 15.01.2017 Anforderungen erfüllt

Anforderungen teilweise erfüllt

Anforderungen unzureichend erfüllt

Zuverlässigkeit des Unternehmers

zufriedenstellend

Verlässlichkeit der Eigenkontrollen

gut

Hygienemanagement

gut

Abbildung 8: Kontrollbarometer NRW alternative Darstellungsform (Ausschnitt)501

cc) Zusatzkontrolle auf Antrag Der Lebensmittelunternehmer hat nach § 9 KTG NRW die Möglichkeit, eine zusätzliche amtliche Kontrolle zu beantragen, wenn das Kontrollbarometer die Beurteilungsstufe gelb oder rot ausweist.502 Diese Zusatzkontrolle „soll“ von der zuständigen Behörde innerhalb von sechs Wochen unangekündigt erfolgen.503 Um auszuschließen, dass die Lebensmittelunternehmer so viele Zusatzkontrollen beantragen, bis das gewünschte „grüne“ Ergebnis vorliegt, ist der Antrag nicht möglich, wenn das Ergebnis bereits bei einer vorangehenden Zusatzkontrolle oder einer Nachkontrolle den Ergebnisstufen gelb oder rot zugeordnet wurde.504

501

Vgl. Anlage 6 zu § 11 Abs. 2 KTG NRW. Daneben existieren auch amtliche Kontrollen, bei denen alleine überprüft wird, ob die zuvor beanstandeten Mängel behoben worden sind (sog. Nachkontrollen). Die Unterscheidung ist wichtig, da Nachkontrollen im Gegensatz zu den amtlichen turnusmäßigen sowie den beantragten Zusatzkontrollen keinen Eingang in das Kontrollbarometer finden. 503 Der Gesetzesentwurf der Landesregierung sah ursprünglich eine Frist von drei Monaten für die Durchführung der Zusatzkontrolle vor; diesbezüglich bereits eine Frist von nur sechs Wochen fordernd BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 12. In der endgültigen Gesetzesfassung wurde die dreimonatige Frist sodann auf sechs Wochen verkürzt, um der „Befürchtung entgegenzutreten“, dass den kontrollierten Betrieben „unangemessene Nachteile bis hin zu einer Existenzgefährdung drohen“; vgl. Begründung zur Neufassung, LT-Drs. 16/14182 (Neudruck), S. 32. Diese kurzfristige Gesetzesänderung, ein Entgegenkommen für die dem Gesetz äußerst kritisch gegenüberstehende Wirtschaft, ist aus politischer Sicht wohl mit der zum Zeitpunkt der Verabschiedung bevorstehenden Landtagswahl im Mai 2017 zu begründen; vgl. LZ v. 17.02.2017, S. 30. 504 Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 20. 502

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

191

dd) Exkurs: Rechtsnatur des Kontrollbarometers Der Landesgesetzgeber ordnet das Kontrollbarometer als Realakt und nicht als Verwaltungsakt ein, weshalb die Anhörungsvorschrift des § 28 VwVfG nach § 7 Abs. 1 S. 2 KTG NRW auch nur „entsprechend“ anwendbar sei.505 Dieser rechtlichen Einschätzung ist zuzustimmen, da dem Kontrollbarometer keine Regelungswirkung zukommt.506 Das Merkmal der „Regelung“ für einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG zeichnet sich dadurch aus, dass die Behörde eine verbindliche Rechtsfolge setzen, mithin Rechte und Pflichten begründen, aufheben oder verbindlich feststellen will.507 Das Kontrollbarometer enthält aber allein die Mitteilung der Ergebnisse der aktuellen sowie der drei vorangehenden amtlichen Kontrollen. Die Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Zugänglichmachung ergibt sich aus dem Gesetz, nämlich aus § 8 Abs. 1 KTG NRW. Die Veröffentlichungspflicht ist demnach gesetzlich angeordnet und stellt keine durch das Barometer begründete Rechtsfolge dar. Aus diesem Grund ist das Kontrollbarometer, wie auch dessen Veröffentlichung durch die Behörde, als Realakt zu qualifizieren. Im Gegensatz zu dem für Realakte typischerweise rein tatsächlichen behördlichen Handeln weist das Kontrollbarometer dabei die Besonderheit der schriftlichen Fixierung auf.508 Aus prozessualer Sicht kann der Betriebsinhaber gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Zugänglichmachung bzw. die Veröffentlichung durch die Behörde einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO beantragen.509 Statthaft ist insoweit die Sicherungsanordnung, da der Betriebsinhaber seine Rechtsstellung nicht verbessern, sondern allein seinen status quo – die biherige Nichtveröffentlichung des Kontrollbarometers – absichern möchte.510 Aus Rechtsschutzaspekten 505

Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 17. Die mündliche Anhörung vor Ort ist als Regelfall vorgesehen, was in der Praxis aber wohl nur bei inhabergeführten Einzelbetrieben umsetzbar sein dürfte; vgl. dazu Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 15. In der Kosten­ folgenabschätzung zum KTG NRW erfolgt der Hinweis, dass im Falle der Abwesenheit des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers zur Einsparung von Portokosten ein Anhörungsschreiben zurückgelassen werden solle; vgl. LT-Drs. 16/14182 (Neudruck), S. 20. 506 So auch BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 14, allerdings ohne weitere Begründung. A. A. Kügel / Plaßmann, LMuR 2012, 1 (7 f.), in Bezug auf die sog. „Hygiene-Ampel“, für die es zum damaligen Zeitpunkt allerdings noch keine Ermächtigungsgrundlage gab. 507 Schwarz, in: Fehling / Kastner / Störmer, HK-VerwR, § 35  VwVfG Rn.  91; Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 141. 508 Insoweit ist das Kontrollbarometer NRW mit einer schriftlichen behördlichen Auskunft oder Mitteilung vergleichbar. 509 So ausdrücklich die Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 17, die allerdings allgemein auf § 123 VwGO abstellt, ohne zwischen der Sicherungs und Regelungsanordnung zu differenzieren. Ein rechtliches Vorgehen der betroffenen Betriebsinhaber ist indes erst mit der Verpflichtung zur Veröffentlichung des Kontrollbarometers möglich, mithin nach der dreijährigen Einführungsphase des KTG NRW; vgl. hierzu Kostenfolgenabschätzung zum KTG NRW, LT-Drs. 16/14182 (Neudruck), S. 21; LZ v. 17.02.2017, S. 30. 510 Zur Differenzierung zwischen Sicherungs- und Regelungsanordnung Schoch, in: Schoch /  Schneider / Bier, VwGO, § 123 Rn. 49 ff. Vgl. für die Statthaftigkeit der Sicherungsanordnung

192

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

wäre zudem eine diesbezügliche Rechtsbehelfsbelehrung begrüßenswert, ebenso wie der Hinweis auf die Möglichkeit, eine kostenpflichtige zusätzliche Kontrolle nach § 9 KTG NRW zu beantragen.511 Da die Behörde dem Betriebsinhaber das Kontrollbarometer ohnehin in schriftlicher Form aushändigt, wären diese Angaben ohne großen Aufwand möglich, etwa mittels eines rückseitigen Aufdrucks. b) Gesetzgebungskompetenz Die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung der amtlichen Kontrollergebnisse im Alleingang auf Landesebene wirft die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz auf. Das „Recht der Lebensmittel“ unterfällt nach Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 20 GG der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes.512 Die Länder haben demnach die Gesetzgebungskompetenz nur, solange und soweit der Bundesgesetzgeber nicht von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch macht. Es kommt vorliegend also darauf an, ob mit § 40 LFGB513 eine „erschöpfende und damit abschließende Regelung“514 des Bundes für die Information der Öffentlichkeit im Lebensmittelbereich vorliegt. Allein in diesem Fall wäre das KTG NRW nach Art. 72 Abs. 1 GG formell verfassungswidrig und nichtig; andernfalls verbliebe es bei der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Ob eine erschöpfende (Bundes-)Regelung vorliegt, ist anhand einer einzelfallbezogenen Gesamtwürdigung der jeweiligen Regelung zu ermitteln, bei der primär die Vorschrift selbst, zudem die Gesetzgebungshistorie und die Gesetzgebungsmaterialien zu berücksichtigen sind.515 Dabei kann sich eine Sperrwirkung für die Länder aus dem „absichtsvollen Unterlassen“516 einer Regelung durch den Bundesgesetzgeber ergeben (in der Rechtsprechung auch als absichtsvoller „Regelungsgegen bevorstehende behördliche Veröffentlichungen etwa OVG NRW, ZLR 2013, 483 ff.; VGH Baden-Württemberg, ZLR 2013, 212 ff. 511 BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 14. 512 Für behördliche Veröffentlichungsmodelle, die sich allein auf Gastronomiebetriebe beziehen, kommt auch die den Ländern zugewiesene Gesetzgebungsbefugnis für das Gaststättenrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 Hs. 2, Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG) in Betracht; vgl. hierzu Zott, S. 440; Abbé, Verbraucherschutz, S. 233 f. 513 Die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse gem. Art.  72  Abs.  2  GG hat der Bundesgesetzgeber für § 40 LFGB damit bejaht, dass sich ein bundesuneinheitliches Informationsniveau der Verbraucher auf das Nachfrageverhalten auswirken und zu unterschiedlichen Vermarktungschancen von Produkten mit zeitgleichem Rückgang des Verbrauchervertrauens führen könnte; vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 13. 514 BVerfGE 18, 407 (417); 77, 308 (329); 78, 205 (209 f.); 85, 134 (142); 113, 348 (371); 138, 261 (280); Jarass, NVwZ 1996, 1041 (1042, 1044); Uhle, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 72 Rn. 82. 515 BVerfGE 98, 265 (300 f.); 113, 348 (371); BVerfG, NJW 2015, 44 (45); BVerwGE 141, 329 (338); Uhle, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 72 Rn. 83 f. 516 BVerfGE 98, 265 (300); BVerwGE 141, 329 (338).

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

193

verzicht“517 und „beredtes Schweigen“518 bezeichnet). Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich der Bundesgesetzgeber während des Gesetzgebungsverfahrens mit einer Materie beschäftigt, diese letztendlich aber verworfen und keiner Regelung zugeführt hat.519 Wenn der abschließende Regelungswille des Bundesgesetzgebers erkennbar ist, darf sich der Landesgesetzgeber nicht über diesen hinwegsetzen.520 Lässt sich trotz der Gesamtbetrachtung und der Berücksichtigung der in der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen der erschöpfende Gehalt einer Bundesregelung nicht eindeutig klären, so ist im Zweifel, unter Beachtung der Kompetenzverteilung zugunsten der Länder nach Art. 30, 70 Abs. 1 GG,521 nicht von einer abschließenden Regelung auszugehen.522 Der Bundesgesetzgeber hätte nämlich mit einer eindeutigeren Fassung derartige Zweifelsfälle verhindern können.523 Zu der Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse trifft § 40 LFGB selbst keine Aussage. Dass nach der Gesetzesbegründung zu § 40 LFGB für den Informationszugang bei Lebensmitteln eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich ist, um ein unterschiedliches Informationsniveau der Verbraucher zu verhindern,524 lässt sich nicht als Argument für den abschließenden Charakter der Regelung heranziehen.525 Damit begründet der Bundesgesetzgeber allein sein Gesetzgebungsrecht, das für das Recht der Lebensmittel nach Art. 74 Abs. 1 i. V. m. 72 Abs. 2 GG lediglich dann besteht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.526 Bei der Auslegung des § 40 LFGB sind die historische Entwicklung sowie die hierbei geführten politischen Diskussionen in einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. So hatte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in einer Pressemitteilung aus dem Jahr  2012 angekündigt, die Unsicherheit um § 40 LFGB mit einem neuen Abs. 6 auszuräumen.527 Dieser neue Absatz sollte klarstellen, dass § 40 LFGB nicht abschließend sei und die Länder weitergehende Regelungen für die Veröffentlichung der amtlichen Kontrollergebnisse treffen könnten. Der angekündigte Abs. 6 ist bisher nicht in § 40 LFGB aufgenommen worden; 517

BVerfGE 98, 265 (300); BVerfG, NJW 2015, 44 (45). BVerwGE 109, 272 (283). 519 Uhle, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 72 Rn. 93. 520 BVerwGE 141, 329 (338); Jarass, NVwZ 1996, 1041 (1044); Uhle, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 72 Rn. 93; Schink, NWVBl 2017, 45 (47). 521 Vgl. zum Streit, ob Art. 70 Abs. 1 GG eine Kompetenzverteilungsregelung oder eine Zuständigkeitsvermutung darstellt, Uhle, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 70 Rn. 33. 522 Uhle, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 72 Rn. 84. 523 BVerfGE 49, 343 (359 f.); Jarass, NVwZ 1996, 1041 (1045). 524 BT-Drs. 17/7374, S. 13. 525 So aber Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (455). 526 So auch Schink, NWVBl 2017, 45 (47 f.). 527 BMEL, Pressemitteilung Nr.  249 v.  10.09.2012, abrufbar unter www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2012/249-Hygienebarometer.html?nn=312878 [Stand: 25.06.2017]. 518

194

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

eine derartige Klarstellung ist auch im aktuellen Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des LFGB nicht enthalten.528 Dies ändert allerdings nichts daran, dass das für die Materie zuständige Bundesministerium den abschließenden Charakter der Regelung eindeutig verneint hat, was jedenfalls als Indiz in der Auslegung zu berücksichtigen ist. Auch liegt keine Fallgruppe des sogenannten „absichtsvollen Unterlassens“ vor, da sich aus der fehlenden Umsetzung des angekündigten Abs. 6 kein abschließender Regelungswille des Bundesgesetzgebers ableiten lässt.529 Dass der Absatz bei den Folgeänderungen des § 40 LFGB nicht in die Neufassung integriert wurde, lässt sich vielmehr darauf zurückführen, dass der Gesetzgeber den klarstellenden Hinweis nach der Mitteilung des Bundesministeriums aus dem Jahr 2012 nicht mehr für nötig erachtet hat. Die Diskussionen zwischen der VSMK und der WMK der Länder in den letzten Jahren über eine bundeseinheitliche Regelung des Kontrollbarometers zeigen zudem, dass § 40 LFGB in Bezug auf die Veröffentlichung von Ergebnissen der Lebensmittelüberwachung nicht abschließend ist. Dass keine Einigung auf Bundesebene gefunden wurde, beruht allein auf den sich gegenüberstehenden Positionen der VSMK und der WMK, nicht aber auf dem gesetzgeberischen Willen des Bundes, mit § 40 LFGB eine abschließende Regelung zu schaffen. Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte ist daher nicht von einer erschöpfenden Regelung des Bundesgesetzgebers auszugehen.530 Der Gesetzesbegründung zum KTG NRW ist (zumindest) in dem Punkt zu folgen, dass § 40 LFGB als Mindestregelung zu verstehen ist, die keine Sperrwirkung gegenüber landesrechtlichen Regelungen zur Veröffentlichung von Ergebnissen der Lebensmittelüberwachung entfaltet.531 Auch wenn das Land Nordrhein-Westfalen damit von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 20 GG Gebrauch machen konnte, wäre eine (zukünftige) bundesweite Regelung vorzugswürdig, da sich das Informationsinteresse der Verbraucher nicht auf ein Bundesland beschränkt.532

528

Vgl. zu diesem Gesetzesentwurf bereits unter E. I. 4. In diese Richtung aber Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (455). 530 So auch Schink, NWVBl 2017, 45 (48). A. A.  Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (455), welche die Mitteilung des Bundesministeriums zur Begründung der Gesetzgebungskompetenz als nicht ausreichend erachten (Fn. 14), im Weiteren aber verkennen, dass (unter Berücksichtigung von Art. 70 Abs. 1 GG) im Zweifelsfall nicht von einer abschließenden Regelung auszugehen ist. 531 Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 13. 532 So auch Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 7. 529

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

195

c) Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG Wie bereits in dem verfassungsrechtlichen Teil  dieser Arbeit behandelt, folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG, dass ähnlich gelagerte Sachverhalte grundsätzlich gleich zu behandeln sind.533 Die divergierende Häufigkeit der betrieblichen Kontrollen nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung, auf die sich das Beurteilungs- und Bewertungssystems des KTG NRW stützt,534 steht jedoch zu diesem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz in Widerspruch.535 Die risikobasierte Kontrollfrequenz der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rah­menüberwachung verfolgt das Ziel, die (gesundheitlichen) Risiken für die Konsumenten auf dem Markt erhältlicher Lebensmittel aufzuspüren und abzuwen­ den.536 Dieser sicherheitsrechtliche Ansatz lässt sich allerdings nicht auf die Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse nach dem KTG NRW übertragen, da es dort nicht um die Abwehr von Gesundheitsrisiken, sondern (primär) um die Schaffung von Transparenz geht. Um die Vergleichbarkeit und Aktualität der veröffentlichten Kontrollergebnisse in einem behördlichen Transparenzsystem zu gewährleisten, bedarf es daher flächendeckender, kontinuierlicher und zeitlich engmaschig erfolgender Kontrollen der einbezogenen Betriebe.537 Eine risikobasierte Kontrollhäufigkeit wird dem nicht gerecht,538 da Betriebe mit ähnlichen amtlichen Beanstandungen, aber verschiedenen Risikoklassen bei zeitgleicher Mängelbeseitigung nicht dieselbe Möglichkeit haben, das negative Kontrollergebnis durch eine neue positive amtliche Feststellung im Rahmen der periodischen Routinekontrollen auszutauschen.539 Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines negativen Kontrollergebnisses treffen den Betrieb einer niedrigeren Risikoklasse über einen deutlich längeren Zeitraum als den Betrieb einer höheren Risikoklasse, der turnusgemäß häufigeren Routinekontrollen unterliegt.540 Aufgrund der gravierenden Unterschiede in der Kontrollfrequenz (täglich bis dreijährlich) kann auch die Möglichkeit der Zusatzkontrolle innerhalb von sechs Wochen nach § 9 Abs. 1 KTG NRW dieses Ungleichgewicht nicht auffangen. Überdies ist diese Regelung für die Behörde nur als Soll- und nicht als Muss-Vorschrift ausgestaltet.541

533

Hierzu bereits unter D. II. 3. e). Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 14. 535 BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 4 f. 536 Vgl. hierzu Art. 1 Abs. 1 lit. a), Art. 3 Abs. 1 KontrollVO i. V. m. Art. 3 Nr. 9 BasisVO; BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 5. 537 Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (466 f.). 538 So auch BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 4 f.; Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 10 f. 539 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 38. 540 BLL, Stellungnahme v.  18.07.2016, S.  11; Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S.  17. A. A. Schink, NWVBl 2017, 45 (53 f.), der – indes ohne auf diese Problematik einzugehen – einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz verneint. 541 Dies kritisierend Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 18. 534

196

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Die Problematik potenziert sich dadurch, dass das Kontrollbarometer allein die Routinekontrollen, nicht jedoch die Nachkontrollen erfasst.542 Damit müssen Betriebe, die beanstandete Mängel umgehend beseitigen, das zwischenzeitlich veraltete Ergebnis bis zu der nächsten Routinekontrolle bzw. beantragten Zusatzkontrolle akzeptieren und stehen genauso schlecht da wie Betriebe, die überhaupt keine Beseitigung der Mängel vornehmen.543 Von einer Vergleichbarkeit und Aktualität der Ergebnisse kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein. Die auf der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung fußende risiko­basierte Kontrollfrequenz sowie die fehlende Einbeziehung von Nachkontrollen in das Kontrollbarometer verletzen daher den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Darüber hinaus widerspricht das KTG NRW auch den Vorgaben des zukünftig geltenden Art. 11 Abs. 3 KontrollVO n. F., da ein „fairer“ Beurteilungsprozess aus den angeführten Gründen nicht gewährleistet ist. d) Verfassungsmäßigkeit Die Gesetzesbegründung zum KTG NRW führt im Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 1 GG an, dass die Transparentmachung schlechter Kontrollergebnisse für die betroffenen Betriebe einen Kundenrückgang mit der Folge von Umsatz- und Gewinneinbrüchen bedeuten könne, wobei in Einzelfällen auch eine Existenzgefährdung möglich erscheine.544 Mit den verfassungsrechtlichen Erkenntnissen dieser Arbeit ist daher neben Art. 12 Abs. 1 GG auch an Art. 14 Abs. 1 GG zu denken, insbesondere wenn die – ausdrücklich in der Gesetzesbegründung angeführte – Existenzgefährdung eines Betriebs im Raum steht.545 Hinzu kommt, dass die Veröffentlichung von Kontrollergebnissen der Lebensmittelüberwachung – sowohl für positive als auch für negative Wertungen – einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) darstellt.546 Die Veröffentlichungen unter Nennung der Betriebsstätte und des Lebensmittelunternehmers dürften nämlich mehrheitlich Einzelbetriebe betreffen, etwa Eisdielen oder Imbissstände.547 Ob der Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG im KTG NRW ausreichend Berücksichtigung gefunden hat, ist zu bezweifeln, da die

542

Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 20. Neuß, in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 29 (37); BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 11, 13. Zu dieser Problematik grundsätzlich Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 38; Kügel / Plaßmann, LMuR 2012, 1 (5). 544 Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 19. 545 Zu Art. 14 Abs. 1 GG bereits unter D. II. 3. b). 546 Ausführlich zu Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bereits unter D. II. 3. c). Diese grundrechtliche Bewertung teilen Becker / Sievers, NVwZ 2016, 1456 (1457); Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (458 f.). 547 In diese Richtung auch Clearingstelle NRW, Stellungnahme zum KTG NRW v. 05.07.2016, S. 11. 543

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

197

Gesetzesbegründung von einer Beeinträchtigung dieses Grundrechts allein bei der Veröffentlichung von negativen Kontrollergebnissen ausgeht.548 aa) Bestimmtheitsgebot Das nordrhein-westfälische KTG enthält, wie bereits im Rahmen von § 40 Abs. 1a LFGB und § 6 Abs. 1 S. 3 HS. 1 VIG kritisiert wurde, ebenfalls keine Regelung zur Dauer der behördlichen (Internet-)Veröffentlichung.549 Es ist nicht normiert, ob die behördliche Publikation des Kontrollergebnisses – etwa parallel zur Zugänglichmachung durch den Betrieb nach § 8 Abs. 5 KTG NRW – bei Erteilung eines neuen Kontrollbarometers von der Internetseite zu entfernen ist.550 Berücksichtigt man, dass der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aufgrund der Nennung der Betriebsstätte und des Lebensmittelunternehmers nochmals intensiver als bei § 40 Abs. 1a LFGB ist, muss die Dauer der Veröffentlichung zwingend geregelt sein.551 Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat die Diskussion um § 40 Abs. 1a LFGB und die hierzu ergangene Rechtsprechung jedoch zur Gänze ignoriert, was aus rechtlicher Sicht unverständlich ist, da sich die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes damit geradezu aufdrängt. bb) Verhältnismäßigkeit Das KTG NRW muss den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, mithin zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein, um aus verfassungsrechtlicher Sicht Bestand zu haben. (1) Legitimer Zweck Nach § 1 Abs. 1 KTG NRW zielt das Gesetz darauf ab, den Verbrauchern die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung nach Art. 3 Abs. 1 KontrollVO 548 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird vom Gesetzgeber allein in den Fällen als berührt angesehen, in denen die lebensmittelrechtlichen Anforderungen nur teilweise oder unzureichend erfüllt sind; vgl. Gesetzesbegründung, LTDrs. 16/12857, S. 18. Damit verkennt der Landesgesetzgeber den Schutzbereich des Grundrechts, da dieses nicht nur „negative“, sondern auch „positive“ Veröffentlichungen erfasst, soweit diese einen Personenbezug aufweisen. 549 Kritisch auch Becker / Sievers, NVwZ 2016, 1456 (1457); Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (463); Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 16. Zum Erfordernis einer Löschungsfrist bereits unter E. I. 3. a) bb) (2) sowie unter E. II. 2. a). 550 A. A. Schink, NWVBl 2017, 45 (49), der das KTG NRW als hinreichend bestimmt be­ wertet. 551 In Art. 8 Abs. 5 KTG NRW eine verhältnismäßige Bestimmung zur Geltungsdauer der Veröffentlichung des Kontrollbarometers erblickend Schink, NWVBl 2017, 45 (53).

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

auf der Grundlage einheitlicher Beurteilungskriterien in verständlicher Form zugänglich zu machen.552 Ein eindeutiger präventiver oder repressiver Charakter lässt sich nicht ausmachen, da in der Gesetzesbegründung beide Zielrichtung genannt sind.553 So heißt es, dass die Veröffentlichung der Markttransparenz diene, was das Leitbild des mündigen Verbrauchers stärke. Zudem würden die Unternehmer präventiv zur Einhaltung der lebensmittel- und hygienerechtlichen Vorschriften angehalten (insoweit präventiv). Daneben seien die veröffentlichten Kontrollergebnisse aber auch als Chance für vorschriftsmäßig handelnde Lebensmittelunternehmer zu begreifen, sich – für die Verbraucher erkennbar – von den „schwarzen Schafen“ der Branche abzugrenzen (insoweit auch repressiv).554 Letztere repressive Zielrichtung des Gesetzes wirft die Frage nach dem Verhältnis zu den herkömmlichen Maßnahmen der Lebensmittelüberwachung auf.555 Hierbei ist zwischen den präventiven Maßnahmen der Lebensmittelüberwachung und der repressiven Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeit zu differenzieren.556 Betrachtet man das klassischen Ordnungsrecht, sind die zuständigen Behörden auf der Grundlage von § 39 Abs. 2 LFGB (präventiv) ermächtigt, die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße zu treffen.557 Des Weiteren können Verstöße zu gaststättenrechtlichen Konsequenzen führen. So kann die Nichteinhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Unzuverlässigkeit des Unternehmers begründen, mit der Folge des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis (vgl. § 15 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG558) respektive der Untersagung eines nicht erlaubnispflichtigen Gewerbes (vgl. § 31 Hs. 1 GastG i. V. m. § 35 GewO).559 Daneben tritt bei schwerwiegenden Verstößen die repressive strafund ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung, die von der Verwarnung mit oder ohne Verwarnungsgeld (vgl. § 56 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 60 LFGB) über den Bußgeldbescheid (vgl. §§ 65, 35 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 60 LFGB)560 bis hin zu der Ab 552

Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 13. So auch BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 7 f. 554 Zum Ganzen vgl. die Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 18. 555 Eine Übersicht der präventiven und repressiven Maßnahmen der Lebensmittelüber­ wachung findet sich bei Wieser, Verfolgung von Lebensmittelverstößen, S. 2 ff.; einen Überblick des klassischen ordnungsrechtlichen Instrumentariums (indes ohne Differenzierung zwischen präventiven und repressiven Maßnahmen) bietet Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (22). 556 Wieser, Verfolgung von Lebensmittelverstößen, S. 1. 557 Hierzu zählt beispielsweise die Anordnung, den kontrollierten Betrieb (mit oder ohne dessen Schließung) zu reinigen und zu desinfizieren; vgl. Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (22). 558 Gaststättengesetz (GastG) i. d. F. v.  20.11.1998, zuletzt geändert durch Art.  14 Branntweinmonopolverwaltung-Auflösungsgesetz v. 10.03.2017 (BGBl. I S. 420). 559 Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (22 f.). 560 Die verwaltungsrechtliche Konsequenz einer Ordnungswidrigkeit ist die Eintragung in das Gewerbezentralregister, das der Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit dient. Einzutragen sind gem. §§ 149 Abs. 2 Nr. 3a, 153a Abs. 1 S. 1 GewO rechtskräftige Buß 553

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

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gabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft bei Anhaltspunkten für eine Straftat (vgl. § 41 Abs. 1 OWiG i. V. m. §§ 58, 59 LFGB) reicht.561 In der Begründung zum KTG NRW heißt es, dass die bestehenden straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschriften durch das Transparenzsystem eine „zusätzliche Verstärkung ihrer Schutzwirkung“ erführen.562 Diese vage Aussage lässt sich dahin verstehen, dass die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse neben und nicht an die Stelle der klassischen ordnungsbehördlichen Handlungsinstrumente treten soll. Aus welchen Gründen aber die herkömmlichen lebensmittelrechtlichen Sanktionsinstrumente nicht mehr ausreichend sind und daher die Einführung eines (auch sanktionierenden) Transparenzsystems notwendig ist, beantwortet die Gesetzesbegründung nicht.563 Daneben sieht das Gesetz auch keine verfahrensrechtlichen Absicherungen der Lebensmittelunternehmer vor, sich gegen das (insoweit sanktionierende) Transparenzsystem zur Wehr zu setzen.564 Auch wenn das KTG  NRW in dieser Beziehung Kritik verdient, sind jedenfalls die verfolgten Ziele, die Herstellung von Markttransparenz einerseits und die Disziplinierung lebensmittelrechtlicher Verstöße andererseits, als legitim zu bewerten.565 (2) Geeignetheit Die Verfassungswidrigkeit des KTG  NRW manifestiert sich bereits auf der Ebene der Geeignetheit, da weder die Beurteilungsmerkmale noch die Gestaltung des Kontrollbarometers den präventiven Zweck des Gesetzes, die Schaffung von Markttransparenz für die Verbraucher, erreichen oder zumindest fördern. (a) Intransparenz der Beurteilungsmerkmale Das auf der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung basierende Beurteilungs- und Bewertungssystem des KTG  NRW ist aufgrund seiner Komplexität ohne eine vertiefte Einarbeitung für Außenstehende kaum verständgeldentscheidungen über mehr als 200 Euro, die in Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes oder dem Betrieb einer sonstigen wirtschaftlichen Unternehmung begangen worden sind. Hierzu Wieser, Verfolgung von Lebensmittelverstößen, S. 289 f. 561 Vgl. zum Verfahrensrecht im Lebensmittelbereich Rützler, in: Streinz, LebensmittelRHdb, VII Rn. 1 ff. 562 Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 19. 563 Ähnlich kritisch BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 7 f. 564 Dies kritisierend Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 7. 565 So auch Schink, NWVBl 2017, 45 (50 f.); Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (460), die allerdings allein die Verbesserung der Marktransparenz sowie die Stärkung des Verbraucherschutzes als Regelungsziele benennen; a. A. wohl Becker / Sievers, NVwZ 2016, 1456 (1457).

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E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

lich. Welche Bewertungsmerkmale mit welcher Punkteverteilung in das Gesamtergebnis einfließen, ist für die Verbraucher anhand des Kontrollbarometers nicht nachvollziehbar.566 Da das Kontrollbarometer allein den Punktewert ausweist und nicht die einzelnen Verstöße beschreibt, ist für die Konsumenten nicht erkennbar, dass ein wesentliches Kriterium für fast alle Beurteilungsmerkmale die Dokumentation der Verfahren und Vorgänge im Betrieb ist. Wenn der Betriebsinhaber beispielsweise die Personalhygiene oder die Schädlingsbekämpfung nicht ordentlich dokumentiert,567 wird dies im Rahmen des Beurteilungssystems mit (Malus-)Punkten vermerkt, die sich nachteilig auf das Gesamtergebnis auswirken.568 Damit erhält auch ein hygienisch einwandfreier Betrieb Punkte, wenn die jeweiligen Bereiche nicht ausreichend dokumentiert sind. Für die Lebensmittelüberwachung kann die mangelhafte Dokumentation zwar ein Anhaltspunkt dafür sein, den jeweiligen Bereich genauer zu überprüfen.569 Für die Konsumentscheidung des Verbrauchers dürfte jedoch nicht die – für den Einzelnen eher bürokratisch anmutende – Einhaltung von Dokumentationspflichten, sondern vielmehr die tatsächliche hygienische Situation der Betriebsstätte relevant sein.570 Selbiges gilt für die zum Beurteilungsmerkmal „Hygienemanagement“ gehörende bauliche Beschaffenheit des Betriebs, zu der die betriebliche Ausstattung (bspw. Wände, Decken, Beleuchtung) zählt.571 Dass beispielsweise sogar eine defekte Beleuchtung im Arbeitsbereich zu (Malus-)Punkten führen kann, ist für den Verbraucher weder erkennbar noch für seine Kaufentscheidung von Bedeutung.572 Kritisiert wird darüber hinaus, dass die Punktebewertung dem Verbraucher eine objektive Vergleichbarkeit und Genauigkeit suggeriere, die aufgrund der individuellen Einschätzung der Kontrolleure überhaupt nicht möglich sei. Die Punkte­vergabe in den weiteren Abstufungen stehe nämlich im Ermessen des Kontrolleurs vor Ort, der einen anderen Bewertungsmaßstab als ein Kontrolleur in einem anderen Betrieb anlegen könne.573 Dem ist allerdings zu entgegnen, dass die Aufstellung eines Bewertungsmaßstabs notwendig ist, um dem Lebensmittelkontrolleur vor Ort eine

566

Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (461); Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 12. Dokumentationspflichten bestehen auch für die Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel, das HACCP-Verfahren, die Produktuntersuchungen, die Temperatureinhaltung sowie die Reinigungs und Desinfektionsintervalle; vgl. Anlagen 1 bis 3 zum KTG NRW. 568 Anders wohl Neuß, die (zum „Ursprungs“-Kontrollbarometer der LAV) anführt, dass sich „geringfügige Mängel“ – ohne diese zu definieren – im Punktesystem kaum auswirkten; vgl. dies., in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 29 (36). 569 BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 5. 570 In diese Richtung Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S.  11; Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (466). 571 Vgl. Anlage 3 KTG NRW. 572 BLL, Stellungnahme v.  18.07.2016, S.  5; in diese Richtung auch Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 12; ohne auf diese Problematik einzugehen, demgegenüber die Geeignetheit des KTG NRW bejahend Schink, NWVBl 2017, 45 (51). 573 Zum Ganzen Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 13; in diese Richtung auch Meister­ ernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (464). 567

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

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angemessene (Einzelfall-)Entscheidung zu ermöglichen. Insoweit sind nicht die individuell vergebenen Punkte und diesbezüglichen Spielräume des Kontrolleurs das Kernproblem, sondern die für den Verbraucher intransparenten Beurteilungsmerkmale und kriterien, die sich nicht auf die hygienische Situation der Betriebsstätte beschränken und keinerlei Angaben zu den konkreten Mängeln enthalten. (b) Suggestivwirkung der Gestaltung Die fehlende Geeignetheit des KTG NRW zur Schaffung von Markttransparenz zeigt sich nochmals deutlicher in der Gestaltung des Kontrollbarometers. Mittels eines Ampelsystems in den Farben rot, gelb und grün wird die komplexe Bewertungssystematik in einer stark vereinfachten und dabei zugleich plakativen und emotionalisierenden Form dargeboten.574 Dies leitet zu der grundsätzlichen Fragestellung über, wie die Verbraucher eigenverantwortliche Entscheidungen treffen sollen, wenn die Bewertung durch die Behörde mittels einer stark simplifizierten Aufmachung bereits vorweggenommen ist.575 Hinter der Konzeption des KTG NRW lässt sich daher eine Abkehr von dem Leitbild des mündigen hin zu dem unmündigen Verbraucher sehen, der allein auf die bereits vorweggenommene behördliche Bewertung vertraut, anstatt auf der Grundlage eigener Bewertungen eine autonome Entscheidung zu treffen.576 Das für die Verbraucher visualisierte Ergebnis steht zudem völlig losgelöst von den zugrundeliegenden Beurteilungs- und Bewertungsgrundlagen, da die Übertragung der Punktebewertung in ein reines Farbschema ohne weitere Erläuterungen eine hohe Suggestivwirkung entfaltet.577 Rot steht gemeinhin als Warn- und Signalfarbe für ein Verbot oder eine Gefahrenlage, beispielsweise in Form eines Stoppschilds, einer Verkehrsampel578 oder einer Absperrung. Eine Betriebsstätte, an deren Eingangstür das „rote“ Ergebnis der Lebensmittelüberwachung angebracht ist, suggeriert für die Verbraucher daher unweigerlich eine unhygienische, gar gesundheitsgefährdende Situation.579 Diese Wirkung wird vor dem Hintergrund umso deutlicher, als die Darstellung des Kontrollergebnisses auch in anderer Form möglich wäre, etwa mittels der Angabe der Gesamtpunktzahl und einer Erläuterung zu den Bewertungsmerkmalen (etwa „Dieser Betrieb hat 55 von 77 Minuspunkten erhalten, weil (…)“). 574

Becker / Sievers, NVwZ 2016, 1456 (1458); Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (464). Allgemein auf die Notwendigkeit rechtlicher Grenzen und Anforderungen bei der „Vereinfachung“ von Informationsgrundlagen hinweisend Albers, in: Jantke / Lottermoser / Reinhardt / Rothe / Stöver, Nachhaltiger Konsum, S. 167 (186). 576 In diese Richtung BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 5 f. 577 Ähnlich Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 13 f. 578 Holzner weist anschaulich auf die folgende Verhaltensregel im Verkehr hin: „Bei Rot musst Du stehen, bei Grün darfst Du gehen“; vgl. ders., GewArch 2016, 95. 579 Holzner, GewArch 2016, 95; Clearingstelle NRW, Stellungnahme, S. 13. 575

202

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

Mit letzterer Darstellungsform würde im Gegensatz zum Kontrollbarometer die Tatsachenberichterstattung und nicht die Suggestivkraft der Farbkennzeichnung in den Vordergrund treten.580 Damit bleibt festzuhalten, dass die stark vereinfachte und ausschließlich farbliche Visualisierung von Kontrollergebnissen nach dem KTG NRW keine geeignete Grundlage für eine bewusste Entscheidungsfindung bietet, da sich die Verbraucher nicht mehr mit der Tatsachengrundlage der Bewertung beschäftigen müssen respektive dies mangels zusätzlicher Informationen auch gar nicht können. (3) Erforderlichkeit Das Kontrollbarometer des KTG NRW ist ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit problematisch. Dies gilt speziell in Bezug auf die Veröffentlichung der letzten drei Kontrollergebnisse nach § 6 Abs. 2 KTG NRW und der Doppelveröffentlichung im Internet sowohl durch den Lebensmittelunternehmer als auch durch die zuständige Behörde nach § 8 Abs. 1, 3 KTG NRW.581 Für die Rechtspositionen der Unternehmer wäre es weniger beeinträchtigend, nur das aktuelle Kontrollergebnis veröffentlichen zu müssen.582 Unter Berücksichtigung der präventiven Zielrichtung des Gesetzes wäre dies auch gleich effektiv, da für die Konsumentscheidung der Verbraucher allein die aktuelle Situation im Betrieb von Interesse ist und nicht die (bereits seit Jahren) veralteten Kontrollergebnisse.583 Die Frage nach der Erforderlichkeit stellt sich in gleicher Weise bei der Doppelveröffentlichung des Kontrollbarometers im Internet. Die behördliche Internetveröffentlichung bei gleichzeitiger verpflichtender Anbringung des Kontrollbarometers im Eingangsbereich der Betriebsstätte nach § 8 Abs. 2 KTG NRW bietet für die Verbraucher den Vorteil, dass sie sich im Vorfeld einer Konsumentscheidung ortsunabhängig über den jeweiligen Betrieb informieren können. Dies gilt indes nicht mehr für die doppelte Internetpublikation nach § 8 Abs. 3 KTG NRW, da sich die Information der Verbraucher genauso effektiv mit der Veröffentlichung auf nur einer Internetseite als mildere Maßnahme umsetzen ließe.584 Wie bereits im Rahmen von § 40 Abs. 1a LFGB angeführt, lässt sich die fehlende Regelung zur zeitlichen Dauer der behördlichen Veröffentlichung statt auf der Ebene der Bestimmtheit auch als gleich wirksames, aber milderes Mittel auf

580 Vgl. allgemein zu bewertenden staatlichen Verbraucherinformationen Grube / Immel /  Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 92 f. 581 BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 9. 582 Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (464). 583 Bei einem Abstellen allein auf die repressive Zielrichtung des KTG NRW ließe sich argumentieren, dass eine Veröffentlichung auch der letzten drei Kontrollergebnisse zur Disziplinierung der Lebensmittelunternehmer die effektivere Maßnahme sei. 584 BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 10; a. A. Schink, NWVBl 2017, 45 (51).

III. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen

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der Ebene der Erforderlichkeit einordnen.585 Das Ergebnis ist freilich das gleiche, nämlich die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes. (4) Angemessenheit Bei der Veröffentlichung der Kontrollergebnisse nach dem KTG NRW sind die grundrechtlich geschützten Positionen der Lebensmittelunternehmer mit dem öffentlichen Interesse nach Markttransparenz miteinander in Ausgleich zu bringen, wobei die Herstellung von Transparenz keinen Grundrechtsschutz erfährt.586 Die Gesetzesbegründung geht demgegenüber zu Unrecht davon aus, dass die Transparenz durch Information die Voraussetzung für eine grundrechtlich verankerte „Vertragsfreiheit“ der Verbraucher nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG sei.587 Das KTG NRW sieht die Pflicht zur unverzüglichen Zugänglichmachung des Kontrollbarometers in den Betrieben bzw. auf deren Internetseite vor (vgl.  § 8 Abs. 2, 3 KTG NRW). Damit ist dem Interesse der Verbraucher nach mehr Markttransparenz per se der Vorrang eingeräumt. Diese Wertung des Landesgesetzgebers erscheint besonders in den Konstellationen nicht angemessen, in denen sich marginale Mängel, wie eine unzureichende Dokumentation, negativ auf das Kontrollergebnis auswirken.588 Solche Mängel sind bereits nicht für die Konsumentscheidung der Verbraucher von Relevanz, weshalb die unternehmerischen Interessen hier Vorrang genießen. Anders als nach § 40 Abs. 1a LFGB ist bei dem Transparenzsystem keine behördliche Ermessensentscheidung über das „Ob“ der Publikation möglich, da die flächendeckende verpflichtende Veröffentlichung der Ergebnisse für deren Vergleichbarkeit eine notwendige Voraussetzung ist. Dies erscheint insoweit sinnvoll, als eine Nichtveröffentlichung des Kontrollbarometers im Einzelfall zur Verunsicherung der Verbraucher beitragen würde und – bei fortschreitender Akzeptanz des Transparenzsystems – sogar zu ähnlichen negativen Auswirkungen wie im Falle einer „roten“ Bewertung führen könnte. Die unternehmerischen Interessen ließen sich jedoch mittels einer „Härtefallregelung“ einbeziehen, nach der ein „bereinigtes“ Kontrollbarometer ausgegeben wird, sofern keine hygienischen Mängel im Betrieb beanstandet wurden.589 Die Positionen der Unternehmer können und müssen damit 585

Hierzu bereits unter E. I. 3. a) cc) (2). Becker, ZLR 2011, 391 (414); Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (462). 587 Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/12857, S. 18, die sich hier wohl (ohne einen ausdrück­ lichen Verweis) auf die Auffassung von Wollenschläger bezieht, der dem Informationsinteresse der Verbraucher Verfassungsrang zuspricht, nämlich als Voraussetzung zur Ausübung der „Vertragsfreiheit“ und als Verbürgung demokratischer Teilhabe; vgl. ders., VerwArch 102 (2011), 20 (41); ders., Stellungnahme zur VIG-Reform v. 02.11.2011, BT-Ausschuss Drs. 17 (10) 735-H, S. 8 f. Hierzu ablehnend bereits unter D. I. 3. 588 Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (462). 589 Zum Ganzen Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (462 f.). 586

204

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

auch in dem Transparenzsystem des KTG NRW Berücksichtigung finden. Da dies die derzeitige Ausgestaltung nicht (in ausreichender Form) vorsieht, ist das Gesetz als verfassungswidrig zu bewerten. Darüber hinaus sieht das nordrhein-westfälische KTG keine mit § 40  Abs.  4 LFGB vergleichbare Vorschrift vor, nach der die sich im Nachhinein als falsch herausstellenden Informationen zu korrigieren sind. Im Hinblick auf die nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Veröffentlichung ist das Fehlen einer solchen Regelung unangemessen und führt ebenfalls zu der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes.590 Hinzu kommt, dass Art. 11 Abs. 2 KontrollVO n. F. nunmehr ausdrücklich die Festlegung von Verfahren zur Korrektur von sich im Nachhinein als falsch herausstellenden Informationen statuiert. Damit verstößt das KTG  NRW auch gegen (künftig geltende) europäische Vorgaben.591 e) Ansätze für ein überarbeitetes Gesetz Die verfassungsrechtliche Untersuchung des KTG NRW fällt durchweg enttäuschend aus, da das Gesetz nicht nur verfassungswidrig ist, sondern auch gegen die europäischen Vorgaben der novellierten Kontrollverordnung verstößt. Der Landesgesetzgeber hat sich weder mit der aktuellen Diskussion um § 40 Abs. 1a LFGB, insbesondere im Hinblick auf die Forderung nach einer Löschungsfrist, noch mit den zukünftigen europäischen Vorgaben befasst. Das KTG NRW ist daher nicht mehr als ein politisches Signal des Landesgesetzgebers, das in Duisburg und Bielefeld gestartete Modellprojekt landesweit durchsetzen zu wollen; bei Weitem stellt es keine wohlüberlegte rechtliche Grundlage zur Einführung eines Transparenzsystems dar.592 Insoweit schwer nachvollziehbar ist die zu seinem Kontrollergebnis-Transparenzgesetz aufgestellte Prognose des Landes Nordrhein-Westfalen, dass sich die Wahrscheinlichkeit eines gerichtlichen Vorgehens der von den Veröffentlichungen betroffenen Betriebe gegen das Gesetz aufgrund des „Gewöhnungseffekts“ in der vorgeschalteten dreijährigen Einführungsphase auf „einem sehr niedrigen Niveau bewegen“ werde und letztendlich nicht mit „mehr als 5 Musterverfahren zu rechnen“ sei.593 Auch wenn der Versuch des Landes Nordrhein-Westfalen, eine Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse zu schaffen, im Ergebnis durchweg gescheitert ist, lassen sich aus den angeführten Kritikpunkten die nachfolgenden Ansätze für eine verfassungsmäßige und europarechtskonforme gesetzliche Ausgestaltung gewinnen. 590 Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (465); ähnlich BLL, Stellungnahme v. 18.07.2016, S. 11. A.A: Schink, NWVBl 2017, 45 (53). 591 Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (465). 592 So im Ergebnis auch Becker / Sievers, NVwZ 2016, 1456 (1458); Meisterernst / Eberlein, ZLR 2016, 451 (467 f.). 593 Kostenfolgenabschätzung KTG NRW, LT-Drs. 16/14182, S. 21, 24 f.

IV. Ergebnis

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– Zunächst sollte klar erkennbar sein, ob das Gesetz präventive oder repressive Ziele verfolgt. Eine der größten Schwierigkeiten bei der Normierung neuartiger (auch) sanktionierender Informationsinstrumente dürfte die Ausgestaltung des Verhältnisses zu den klassischen ordnungsbehördlichen Sanktionsinstrumenten sein.594 Dieser Herausforderung sollte sich der (Landes-)Gesetzgeber stellen, insbesondere auch im Hinblick auf Regelungen zur verfahrensrechtlichen Ab­ sicherung. – Das Beurteilungs und Bewertungssystem sollte auf einer einheitlichen Kontrollfrequenz für alle Betriebsstätten aufbauen, wofür es aller Voraussicht nach einer Verstärkung der personellen und finanziellen Ressourcen der Lebensmittelüberwachung bedarf. Die Vermeidung zusätzlichen Verwaltungsaufwands darf angesichts der Grundrechtsintensität der Veröffentlichungen nicht das primäre Motiv bei der Etablierung eines Beurteilungs- und Bewertungssystems sein. – Die Beurteilungsmerkmale sollten für die Verbraucher hinreichend transparent sein und sich auf die tatsächliche hygienische Situation in den Betrieben beschränken. – Die Veröffentlichung sollte auf dem aktuellsten Stand sein, also allein das letzte Kontrollergebnis enthalten. Nachkontrollen sollten in die Veröffentlichung aufgenommen werden. – Für die Darstellung des amtlichen Kontrollergebnisses ist eine Gestaltung vorzuziehen, die das Ergebnis in Punkten oder Noten aufzeigt und ergänzend Erläuterungen zur Verfügung stellt. Eine Darstellungsform, welche die Suggestivwirkung und nicht die Tatsachengrundlage in den Vordergrund stellt – etwa in Gestalt eines farbigen Kontrollbarometers oder lachender / weinender Smileys – sollte nicht gewählt werden. – Eine (zusätzliche) Veröffentlichung des Kontrollergebnisses durch die Behörde sollte nur erfolgen, wenn dies nicht bereits durch den Unternehmer selbst geschieht. Es bedarf in jedem Fall einer Regelung zur zeitlichen Dauer der behördlichen Veröffentlichung.

IV. Ergebnis Die Untersuchung der einfachgesetzlichen Grundlagen zum Informationshandeln im Lebensmittelbereich fördert für Verbraucherinformationen gravierende Defizite zu Tage. Die Schaffung und die Verschärfung der Vorschriften sind in diesem Bereich in den letzten Jahren aufgrund diverser Lebensmittelskandale fortwährend anlassbezogen erfolgt; dass dabei (verfassungs-)rechtliche Anforderungen nicht beachtet wurden, war beinahe zu erwarten. So erweist sich die Ermächtigungsgrund 594

Möstl, in: Leible, Verbraucherschutz, S. 149 (166).

206

E. Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen

lage des § 40 Abs. 1a LFGB als verfassungswidrig. Dies ist nunmehr auch vom BVerfG im Hinblick auf das Fehlen einer Regelung zur Veröffent­lichungsdauer entschieden worden. Zudem sind die Befugnisnormen des § 40 LFGB und des § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG nicht miteinander abgestimmt.595 Soweit man § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG nicht ohnehin als verfassungswidrig einordnet, ist im Übrigen jedenfalls der praktische Anwendungsbereich dieser Befugnisnorm im Lebensmittelbereich völlig unklar. Dieses Ergebnis enttäuscht vor allem deshalb, weil aus europarechtlicher Perspektive den Verbraucherinformationen ein nicht minder hoher Stellenwert als den Warnungen zur Gefahrenabwehr eingeräumt wird. Der Erkenntnis, dass sich Verbraucherinformationen im Lebensmittelbereich nicht rein national umsetzen lassen, sondern die diesbezüglichen Vorgaben und Entwicklungen auf europäischer Ebene zu berücksichtigen sind, werden sich die (Landes-)Gesetzgeber zukünftig stellen müssen. Letzteres gilt im Besonderen für die vergleichende Veröffentlichung von Ergebnissen der Lebensmittelüberwachung. Der europäische Gesetzgeber sieht diese (wohl aktuellste) Form der Verbraucherinformation in dem zukünftig geltenden Art.  11 KontrollVO  n. F. ausdrücklich vor, wobei die gesetzliche Ausgestaltung den Mitgliedstaaten überlassen wird. Indes muss man den ersten Versuch einer gesetzlichen Umsetzung in Form des nordrhein-westfälischen KTG als gescheitert bezeichnen. Ungeachtet des hohen Regelungsbedürfnisses der Verwaltungs­praxis auf diesem Gebiet ist eine verfassungs- und europarechtskonforme gesetzliche Grundlage derzeit noch nicht absehbar. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung behördlicher Verbraucherinformationen zukünftig weniger von Lebensmittelskandalen leiten zu lassen und sich stattdessen die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen dieser Materie genauer vor Augen zu führen.

595

Schoch, in: Dix et al., Jb Informationsfreiheit 2013, S. 117 (146).

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis und deren rechtliche Bewertung In der Verwaltungspraxis haben sich zwei Arten von Verbraucherinformationen herauskristallisiert, deren rechtliche Bewältigung in der juristischen Literatur und der Rechtsprechung höchst kontrovers diskutiert werden. Dies sind zum einen die behördliche Veröffentlichung von Kontrollergebnissen der Lebensmittelüberwachung sowie zum anderen Publikationen auf dem staatlich finanzierten und von Privaten betriebenen Verbraucherportal „Lebensmittelklarheit“.1 Diesen beiden neuen Formen des Informationshandelns widmet sich die nachfolgende Untersu­ chung. Hierbei rücken für die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollergebnissen die bisherigen (in der Praxis erprobten) Umsetzungsmodelle in Deutschland, aber auch das Smiley-Projekt Dänemarks in den Fokus. Bei dem Portal „Lebensmittelklarheit“ gilt es, die rechtliche Ausgestaltung sowie die Rechtmäßigkeit der staatlichen (Voll-)Finanzierung zu hinterfragen.

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung: Veröffentlichung durch Behörden Der Veröffentlichung von amtlichen Kontrollergebnissen liegt ein dreistufiges Verfahren zu Grunde.2 Als erstes sind Kriterien aufzustellen, anhand derer die Beurteilung eines Betriebs erfolgen soll. Dem schließt sich die Erstellung eines Bewertungssystems an, mit dessen Hilfe sich ein Endergebnis ermitteln lässt. Als finaler Schritt ist dieses Kontrollergebnis in einer für die Verbraucher verständlichen und nachvollziehbaren Weise zu veröffentlichen. Die unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten dieses Dreischritts lassen sich anhand des Smiley-Systems in Dänemark sowie der verschiedenen in der Verwaltungspraxis entstandenen Modelle in Deutschland illustrieren. Auffallend ist, dass die Veterinär- und Lebensmittelbehörde in Dänemark das dortige Smiley-Modell bereits seit Jahren erfolgreich betreibt, während die Behörden in Deutschland die hiesigen Veröffentlichungsmodelle zum Großteil bereits wieder eingestellt haben. Der Schwerpunkt der nachfolgenden Betrachtung beruht daher auf der Frage, welche Merkmale – über das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage hinausgehend – derartige Informationsinstrumente erfüllen müssen, um in der Praxis erfolgreich bestehen zu können. 1

Da die Veröffentlichung von Verstöße nach § 40 Abs. 1a LFGB bereits im vorangehenden Kapitel abschließend, mithin auch in Bezug auf die praktische Ausgestaltung, untersucht worden ist, bleibt diese für die nachfolgende Untersuchung außer Betracht. 2 Holzner, GewArch 2016, 95 (98).

208

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

1. Exkurs: Smiley-System in Dänemark Da die dänischen Behörden sämtliche Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung bereits seit 15 Jahren erfolgreich in Form eines Smiley-Systems publizieren, nimmt Dänemark für dieses neue Instrumentarium des behördlichen Informations­ handelns eine Vorreiterrolle ein.3 Die Akzeptanz des Modells ist sowohl bei den Verbrauchern als auch bei den Unternehmen in Dänemark sehr hoch, weshalb das Smiley-System für die Modellprojekte in Deutschland oftmals als Vorbild dient(e).4 a) Behördenstruktur und gesetzliche Grundlagen Der Veröffentlichung der amtlichen Kontrollergebnisse ging in Dänemark eine wesentliche Umstrukturierung der Lebensmittelüberwachung in den Jahren 1997 bis 2001 voraus. Es wurde ein neues Lebensmittelgesetzbuch („Lov om fødevarer“)5 verabschiedet, der Aufbau der Kontrollbehörden umstrukturiert und schlussendlich das Smiley-Modell landesweit etabliert.6 Mit der Reform des Verwaltungsaufbaus ging die Zuständigkeit für die Koordinierung der staatlichen Lebensmittelüberwachung von den vormals regionalen Kontrollbehörden auf die dänische Veterinär- und Lebensmittelbehörde („Fødevarestyrelsen“) über, eine dem Minis­

3 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags, Beitrag zur öffentlichen Anhörung von Herrn Poul Ottensen (Staatssekretär a. D., Dänisches Lebensmittelministerium) am 07.07.2010 über Verbraucherinformationen in Dänemark, BT-Ausschuss-Drs.  17(10)207-E, S.  1; zur Historie des Smiley-Systems www.find smiley.dk/om_smiley/Sider/default.aspx [Stand: 25.06.2017]. Hahn / Wellmann, Informationshandeln, S. 14. 4 Auch in anderen (europäischen) Ländern gibt es Projekte zur Veröffentlichung der Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Verpflichtende Modelle existieren beispielsweise in Frankreich (http://alim-confiance.gouv.fr/), Belgien (www.afsca.be/resultatsinspections-b2c/), Norwegen (http://awards.ixda.org/entry/2017/smileys-for-the-norwegianfood-safety-authority/), Finnland (www.oivahymy.fi) und – derzeit probeweise in Utrecht mit geplanter landesweiter Ausweitung – auch in den Niederlanden (www.nvwa.nl/onderwerpen/ inspectieresultaten-lunchrooms). In England erfolgt die Veröffentlichung der Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung auf freiwilliger Basis mit dem Modell „Scores-on-the-doors“, während die Publikation in Wales und Nordirland verpflichtend ist (www.food.gov.uk/ business-industry/hygieneratings). Im schweizerischen Kanton Zug wird den dortigen Betrieben eine „Qualitätsbescheinigung“ erteilt, deren Veröffentlichung freiwillig ist (www. zg.ch/behoerden/gesundheitsdirektion/amt-fuer-verbraucherschutz/lebensmittelkontrolle/ qualitaetsbescheinigung) [Stand jeweils: 25.06.2017]. Diesen Modellen kommt für die nationalen deutschen Projekte allerdings weder eine derartige Vorbildfunktion wie dem dänischen Smiley-System zu, noch existieren ähnlich umfangreiche empirische Daten. Aus diesen Gründen konzentriert sich die nachfolgende Abhandlung allein auf das dänische Smiley-Modell. 5 „Lov om fødevarer“, zuletzt geändert mit Wirkung zum 29.12.2015, abrufbar unter www. retsinformation.dk/Forms/r0710.aspx?id=186202 [Stand: 25.06.2017]. 6 Zum Ganzen BT-Ausschuss-Drs. 17(10)207-E, S. 1.

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung

209

terium für Umwelt und Lebensmittel („Miljø og Fødevareministeriet“7) nachgeordnete Fachbehörde.8 Im Unterschied zum föderalen System in Deutschland beruht die Lebensmittelüberwachung in Dänemark damit auf einem zentralen Verwaltungsaufbau. Die Einführung des Smiley-Systems erfolgte im Oktober 2001 auf der Grundlage des nachfolgend übersetzten9 § 56 des dänischen Lebensmittelgesetzbuchs sowie dem darauf beruhenden Erlass zur Veröffentlichung von Kontrollergebnissen („Bekendtgørelse om offentliggørelse af kontrolresulater“10; im Folgenden: Erlass). § 56 Dänisches Lebensmittelgesetzbuch (Lov om fødevarer) (1) Das Ministerium für Umwelt und Lebensmittel kann Vorschriften über die Veröffentlichung von Ergebnissen (mit Namensnennung) sowie über die Art und den Umfang von Sanktionen auf der Grundlage von nach dem Lebensmittelgesetz durchgeführten Kontrollen erlassen. Das Ministerium kann u. a. Vorschriften dahingehend erlassen, dass eine Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat. (2) Das Ministerium kann ferner Vorschriften darüber erlassen, auf welche Weise und in welcher Form die Kontrollergebnisse nach Abs. 1 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen, einschließlich der Bedingungen, unter denen die Unternehmen von der Verpflichtung befreit werden können, die Kontrollergebnisse zu veröffentlichen. (3) Das Ministerium kann Vorschriften über die Form und den Umfang der Veröffentlichung erlassen, u. a. darüber, dass die Veröffentlichung in elektronischer Form erfolgt. Das Ministerium kann festlegen, das bestimmte Ergebnisse nicht veröffentlicht werden sollen. (4) Das Ministerium kann festlegen, dass die Veröffentlichung auf der Grundlage eines vom Ministerium eingerichteten elektronischen Informationssystems für Kontrollergebnisse erfolgen muss. Zum Zwecke der Veröffentlichung kann das Ministerium jederzeit, auch in regelmäßigen Abständen, sowohl Einzelinformationen als auch zusammengefasste Informationen aus dem Informationssystem an einen nicht näher definierten Kreis von Empfängern weitergeben. Jeder Bürger hat das Recht, Informationen aus dem Informationssystem zu erhalten, die entweder veröffentlicht wurden oder für die Veröffentlichung bestimmt sind. Dieses Recht bezieht sich sowohl auf Einzelinformationen als auch auf zusammengefasste Informationen.

7 Das Ministerium für Lebensmittel, Landwirtschaft und Fischerei („Ministeriet for Fødevarer, Landbrug og Fiskeri“) wurde im Juni 2015 mit dem Ministerium für Umwelt („Miljøministeriet“) zu einem Ministerium zusammengelegt, dem Ministerium für Umwelt und Lebensmittel („Miljø og Fødevareministeriet“); vgl. http://mfvm.dk/ [Stand: 25.06.2017]. 8 BfR, EU-Almanach Lebensmittelsicherheit, S. 18 (noch in Bezug auf das vormalige Ministerium für Lebensmittel, Landwirtschaft und Fischerei); Hahn / Wellmann, Informationshandeln, S. 15. 9 Bei den übersetzten dänischen Gesetzesgrundlagen handelt es sich um eigene Übersetzungen der Verfasserin, soweit keine offiziellen amtlichen Übersetzungen in deutscher Sprache existierten. 10 „Bekendtgørelse om offentliggørelse af kontrolresulater“ i. d. F. v. 17.09.2014.

210

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

Daneben existiert ein Kontrollhandbuch der Lebensmittelbehörde („Kontrolvejledningen“),11 das detaillierte Vorgaben für die Lebensmittelüberwachung aufstellt.12 Das dänische Modell sieht im Anschluss an eine amtliche Betriebskontrolle die sofortige Veröffentlichung des detaillierten Kontrollberichts vor, der das Gesamt­ ergebnis in Form eines Smiley-Gesichts ausweist. Damit die betroffenen Unternehmen das Smiley-System nicht als Anprangerung auffassen, veröffentlicht die dänische Lebensmittelbehörde sämtliche Kontrollergebnisse des Einzel- und Großhandels, mithin sowohl positive als auch negative Resultate.13 Nach der Begründung zu § 56 des dänischen Lebensmittelgesetzbuchs besteht das primäre Ziel des Smiley-Systems darin, den Verbrauchern eine verbesserte Entscheidungsgrundlage zu geben. Der dänische Gesetzgeber geht hierbei davon aus, dass die Veröffentlichung der amtlichen Kontrollergebnisse zugleich die Sorgfalt der Unternehmen bei der Einhaltung der gesetzlichen (Lebensmittel-)Bestimmungen erhöht. Damit macht der dänische Gesetzgeber die Steuerungswirkung der Publikationen als Nebeneffekt deutlich, erklärt diese aber nicht ausdrücklich zum Gesetzesziel. b) Kontrollfrequenz, Beurteilungs und Bewertungskriterien Sämtliche Betriebe in Dänemark, die Lebensmittel und Getränke an Verbraucher abgeben, unterliegen regelmäßigen amtlichen Routinekontrollen, deren Frequenz – beruhend auf Art. 3 Abs. 1 KontrollVO – risikobasiert festgelegt ist.14 Jede Lebensmittelbranche (z. B. Schlachtereien, Bäckereien, Restaurants, Kioske) wird hierbei einer von fünf Risikogruppe zugeordnet, für die jeweils eine Standardkontrollfrequenz besteht.15 So liegt die Standardfrequenz für Schlachtereien bei fünf Kontrollen und bei Restaurants sowie Metzgereien bei zwei Kontrollen im Jahr, während für Lebensmittelgeschäfte nur alle zwei Jahre eine Kontrolle vorgesehen ist. Für Branchen einer sehr niedrigen Risikogruppe, etwa Apotheken und Drogerien, besteht keine vorgegebene Kontrollhäufigkeit. In diesen Branchen erfolgt eine Überprüfung „nach Bedarf“; d. h., nur bei Vorliegen eines Grunds, wie etwa einer Verbraucherbeschwerde. Daneben berücksichtigt die dänische Lebensmittelüberwachung den individuellen Kontrollbedarf des jeweiligen Betriebs, indem sich die Kontrollhäufigkeit verringert, sobald ein Unternehmen den „Elite“-Status16 erreicht hat, bzw. sich durch zusätzliche Kontrollen erhöht, wenn Verstöße festgestellt 11

„Kontrolvejledningen“ i. d. F. v. 08.07.2015. Zum Ganzen www.findsmiley.dk/om_smiley/regler/Sider/default.aspx [Stand: 25.06.2017]. 13 BT-Ausschuss-Drs. 17 (10) 207-E, S. 2, auch zum Folgenden. 14 www.findsmiley.dk/english/Pages/About.aspx [Stand: 25.06.2017]. 15 www.foedevarestyrelsen.dk/english/Inspection/Inspection_of_food_establishments/Pages/ default.aspx [Stand: 25.06.2017], auch zum Folgenden. 16 Den Status „Elite“ erhalten Unternehmen, die bei den letzten vier Routinekontrollen innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten das beste Kontrollergebnis erhielten; hierzu sogleich ausführlich im weiteren Text. 12

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung

211

wurden. Die sich aus § 1 Abs. 1 i. V. m. Anlagen 1 bis 4 des Erlasses17 ergebenden jährlichen Kontrollfrequenzen sind für jedermann auf der Website der dänischen Veterinär- und Lebensmittelbehörde einsehbar und zur Veranschaulichung nachfolgend wiedergegeben.18

RisikoKontrollfrequenz Beispiele für Lebensmittelbranchen gruppe Standard Elite Hoch Kontrollfrequenz 2 1 Restaurant, Fischgeschäft, Metzgerei; Fleischabteilung in Supermärkten RisikoBeispiele für Lebensmittelbranchen Mittel Standard 1 Elite 0,5 Restaurant, Café etc. mit begrenzter Lebensmittelzubereitung (bspw. Erhitzen bereits gruppe fertigFischgeschäft, gegarten Essens); Bäcker, Käsehändlerin Supermärkten Hoch 2 1 Restaurant, Metzgerei; Fleischabteilung Niedrig Supermärkte Waren (ohne Lebensmittelverarbeitung) Mittel 1 0,5 0,5 0,5 Restaurant, Café etc.mit mitverderblichen begrenzter Lebensmittelzubereitung (bspw. Erhitzen bereits fertig gegarten Bäcker, Käsehändler Sehr Nach BetriebeEssens); ohne Lebensmittelzubereitung (bspw. Weinhandlung, Apotheke, Drogerie) Niedrig 0,5Bedarf 0,5 Supermärkte mit verderblichen Waren (ohne Lebensmittelverarbeitung) niedrig Sehr

Nach

-

Betriebe ohne Lebensmittelzubereitung (bspw. Weinhandlung, Apotheke, Drogerie)

niedrig Bedarf Abbildung 9: Smiley-Modell Dänemark: Kontrollfrequenzen Einzelhandel

Abbildung 9: Smiley-Modell Dänemark: Kontrollfrequenzen Einzelhandel Abbildung 9: Smiley-Modell Dänemark: Kontrollfrequenzen Einzelhandel19 Risiko-

Kontrollfrequenz

Beispiele für Lebensmittelbranchen

gruppe Kontrollfrequenz Standard Elite Elite2 RisikoBeispiele für Lebensmittelbranchen gruppe Standard Elite 3 Elite2 2 5 Schlachthaus, Molkerei; 5 3 2 Schlachthaus, Molkerei; Gefrierund Kühllager inkl. der Verpackung von Fisch und Fleisch Gefrierund Kühllager inkl. Verpackung von Fisch und Fleisch Hoch 3 1 Brauerei; Lager fürder Fisch oder Fleisch Hoch 3 1 Brauerei; Lager für oder Fleisch Mittel 1 0,5 Lager für Fisch Lebensmittel pflanzlicher Herkunft, Konserven und Mittel 1 0,5 Lager für Lebensmittel pflanzlicher Herkunft, Konserven und trockene Waren trockene Waren Niedrig 0,5 0,5 Großhandel und Spirituosen Niedrig 0,5 0,5 Großhandel mit Weinmit undWein Spirituosen Sehr NachNach - - Handelsvermittlung Handelsvermittlung von Lebensmitteln Sehr von Lebensmitteln niedrig Bedarf Bedarf niedrig

Abbildung 10: Smiley-Modell Dänemark: Kontrollfrequenzen Großhandel20 Abbildung 10: 10: Smiley-Modell Dänemark: Kontrollfrequenzen Großhandel Abbildung Smiley-Modell Dänemark: Kontrollfrequenzen Großhandel

Als Beurteilungskriterien für die amtliche Überprüfung vor Ort dienen 14 unterschiedliche Kontrollbereiche, die auf dem Inspektionsbericht abgedruckt sind.21

17 § 1 Abs. 1 Erlass lautet übersetzt: „Die Kontrolle durch die dänische Veterinär und Lebensmittelbehörde von Unternehmen, die nach § 5 Abs. 2, § 7 oder § 20 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung und Registrierung von Lebensmitteln („autorisationsbekendtgørelsen“) zugelassen oder registriert sind, basiert auf den in den Anlagen festgelegten Standardfrequenzen für die Anzahl der jährlichen Routinekontrollen.“ 18 Vgl. www.findsmiley.dk/om_smiley/info_til_virksomheder/Sider/Generelt/Risikobaseret _kontrol.aspx; eine Übersicht aller Branchengruppen mit dazugehöriger Kontrollfrequenz (auf Dänisch) findet sich unter www.foedevarestyrelsen.dk/_layouts/15/sdata/Smiley_branche grupper.pdf [Stand:25.06.2017]. 19 Vgl. § 1 Abs. 1, Anlage 1, 2 Erlass. 20 Vgl. § 1 Abs. 1, Anlage 3, 4 Erlass. 21 Hierzu zählen die Bereiche Hygiene (Lebensmittelhandhabung, Reinigung), Hygiene /  Zustand (Instandhaltung der Räume und Einrichtung), Eigenkontrolle des Betriebs, Veröffentlichung des Kontrollberichts, Ausbildung bzgl. Hygiene, Kennzeichnung von Lebensmitteln, Zulassung, besondere Warenkennzeichnungsbestimmungen, Warenstandards, Zusatzstoffe, Chemische Verunreinigungen, Verpackung, Sonstiges. Ein (übersetztes) KontrollberichtsFormular der dänischen Lebensmittelbehörde findet sich als Download unter www.findsmiley.dk/om_smiley/info_til_virksomheder/Sider/Generelt/ Kontrolrapporter_paa_engelsk_og_tysk.aspx [Stand: 25.06.2017]. Für den originalen Kontrollbericht einer LidlFiliale in Frederiksberg vom Mai 2009 vgl. BT-Ausschuss-Drs. 17 (10) 207-E, S. 6.

212

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

Der Kontrolleur bewertet bei den Routinekontrollen im Wechsel (mindestens) drei der Bereiche, sodass diese bei jeder Überprüfung variieren und im Laufe der Zeit allesamt kontrolliert werden.22 Für jeden überprüften Kontrollbereich vergibt der zuständige Kontrolleur – entsprechend der Bedeutung der vier möglichen S ­ mileys – eine Benotung von 1 bis 4, die er auf dem Bericht vermerkt. Hierbei steht die Bewertung „1“ für „keine Beanstandung“, „2“ für „Ermahnung“23, „3“ für „Verfügung oder Verbot“ und „4“ für „Bußgeld, Strafanzeige oder Entziehung der Zulassung“. Das Endresultat in Form eines Smileys richtet sich nach dem schlechtesten der (Kontrollbereichs-)Ergebnisse.24 Ergänzend zu den vier bestehenden Smileys haben die dänischen Behörden im Jahr 2008 einen „Elite-Smiley“ eingeführt, den Betriebe erhalten, die innerhalb der letzten zwölf Monate sowie bei den letzten vier Routinekontrollen keine Beanstandungen hatten, also vier Mal in Folge mit dem Ergebnis „1“ ausgezeichnet wurden (§ 3 Abs. 1 Erlass).25 Die nachfolgende Abbildung bietet einen Überblick über die verschiedenen Smileys des dänischen Modells. Ergebnis 1



2

Legende Keine Anmerkungen Einschärfung

3



Vefügung oder Verbot

4



Geldstrafe, Strafanzeige oder Zulassung entzogen

Das schlechteste Ergebnis bestimmt den Smiley Elite

Keine Anmerkungen in den letzten 4 Berichten und in den letzten 12 Mon.

Abbildung 11: Smiley-Modell Dänemark: Bewertungslegende26

22

www.findsmiley.dk/om_smiley/info_til_forbrugere/Sider/FAQ/FAQ.aspx [Stand: 25.06.2017]. In der Übersetzung des Beispielkontrollberichts des dänischen Lebensmittel- und Veterinäramts heißt es „Einschärfung“; vgl. F. Fn. 21. 24 www.findsmiley.dk/english/Pages/About.aspx [Stand: 25.06.2017]. 25 § 3 Abs. 1 Erlass lautet übersetzt: „Unternehmen, die nach Anhang 1 oder 3 eine Standardkontrollfrequenz von mindestens 0,5 haben, erhalten den Status Eliteunternehmen, wenn die letzten vier Kontrollberichte keine lebensmittelrechtlichen Beanstandungen und alle Kontrollberichte innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten keinerlei lebensmittelrechtliche Beanstandungen aufweisen. Die dänische Veterinär und Lebensmittelbehörde verleiht den Status Eliteunternehmen bei der nächsten Kontrolle, wenn die zuvor genannten Bedingungen erfüllt sind. (…).“ 26 Dem übersetzten Kontrollbericht des dänischen Lebensmittel- und Veterinäramts entnommen; vgl. F. Fn. 21. 23

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung

213

c) Darstellung der Kontrollergebnisse, Rechtsschutz und Zusatzkontrollen Jeder amtliche Kontrolleur ist in Dänemark mit einem Laptop sowie einem mobilen Drucker ausgestattet, mit deren Hilfe er den Kontrollbericht unmittelbar nach der Inspektion vor Ort ausfüllt, ausdruckt, dem Betrieb übergibt und an die Lebensmittelbehörde in Kopenhagen zur Online-Veröffentlichung sendet.27 Der Bericht enthält den Namen und die Anschrift des überprüften Betriebs, die Ergebnisse der drei vorangehenden Inspektionen mit Datum sowie die Detailinformationen zu dem aktuellen Kontrollergebnis.28 Zu Letzterem zählen das Datum und die Darstellung in Form eines Smileys, der Grund für die Kontrolle (z. B. Rou­ tinekontrolle, Zusatzkontrolle oder Kontrollkampagne), die überprüften Kontrollbereiche (und deren Bewertung), die Bewertungsskala sowie die Anmerkungen des Kontrolleurs, welche die Inspektion der Kontrollbereiche dokumentieren. Der Kontrollbericht ist von den Einzelhandelsunternehmen unverzüglich nach dessen Aushändigung im Eingangsbereich für die Verbraucher gut sicht und lesbar aufzuhängen (vgl.  § 8  Abs.  2  Erlass).29 Diejenigen Unternehmen, die Lebensmittel online vermarkten, müssen gemäß § 16 Abs. 1 Erlass den aktuellen gemeinsam mit den letzten drei Kontrollberichten auf ihrer Website veröffentlichen.30 Eine Veröffentlichung der letzten vier Inspektionsberichte erfolgt zudem auf der Website www.findsmiley.dk (gemäß § 11 Abs. 1, 2 Erlass für den Einzelhandel bzw. gemäß § 14  Abs.  1  Erlass für den Großhandel).31 Dort können die Verbraucher mittels 27

Hahn / Wellmann, Informationshandeln, S. 16; Wiemers, StoffR 2009, 126. Vgl. § 10 Erlass, der übersetzt lautet: „Das Ergebnis der Kontrollen für die in § 8 Abs. 1 genannten Unternehmen wird in dem Kontrollbericht angeführt. Das Ergebnis wird in einer Kategorie zusammengefasst, die im Kontrollbericht mit einem der in Anhang 5 genannten Symbole gekennzeichnet wird. Der Kontrollbericht enthält außerdem Informationen über Kategorien, hierunter das Datum und die Erläuterung der Kategorie für die letzten drei durchgeführten Kontrollen nach dem 1. Oktober 2001.“ 29 § 8 Abs. 2 Erlass lautet übersetzt: „Der Kontrollbericht muss unmittelbar, nachdem das Unternehmen diesen erhalten hat, in den Eingangsbereich des Betriebs gehängt werden. Der Kontrollbericht muss so angebracht werden, dass er für den Verbraucher sichtbar und lesbar ist, bevor dieser den Geschäftsbereich des Unternehmens betritt. Unternehmen mit mobilen Verkaufsstellen müssen den Kontrollbericht an jeder einzelnen Verkaufsstelle, die der Kontrolle unterliegt, sicht und lesbar für den Verbraucher aufhängen.“ 30 § 16 Abs. 1 Erlass lautet übersetzt: „Unternehmen, die auf ihrer Website dem Lebensmittelrecht unterfallende Produkte oder Tätigkeiten vermarkten, müssen die letzten vier Kontrollberichte gem. § 11 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 bzw. die letzten vier Kontrollzusammenfassungen für jeden Kontrollpunkt gem. § 14 Abs. 2 an einer gut sichtbaren Stelle auf der Website anzeigen. Dies kann durch einen Link auf die Kontrollberichte bzw. auf die Kontrollzusammenfassung der Smiley-Website der dänischen Veterinär- und Lebensmittelbehörde erfolgen.“ 31 § 11 Erlass lautet übersetzt: „(1) Für alle von § 2 Abs. 1 erfassten Einzelhandelsunternehmen und Hersteller von Lebensmittelkontaktmaterialien veröffentlicht die dänische Veterinär- und Lebensmittelbehörde die letzten vier Inspektionsberichte auf der Smiley-Website (www.findsmiley.dk). 28

214

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

Eingabe der Adresse, der Postleitzahl oder des Namens eines Unternehmens nach bestimmten bzw. sich in der Nähe befindlichen Betrieben suchen und die amtlichen Bewertungen einsehen. Die dänische Lebensmittelbehörde veröffentlicht den Bericht noch am Tag der Kontrolle und zwar unabhängig von der Einlegung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. § 18 Erlass).32 Die kontrollierten Betriebe können jederzeit gemäß § 11 Abs.  3  Erlass zu den veröffentlichten Kontrollberichten eine auf maximal 300 Zeichen begrenzte Stellungnahme abgeben, welche die Behörde ebenfalls auf der Smiley-Website publiziert. Wenn ein Unternehmen bei einer amtlichen Kontrolle nicht die beste Bewertung in Form des „lächelnden“ Smileys erhält, führt die Behörde gemäß § 1 Abs. 5 des Erlasses grundsätzlich eine (bzw. mehrere) Nachkontrollen durch, die sie ebenfalls dokumentiert und veröffentlicht.33 Hält die Behörde eine Nachkontrolle hingegen gemäß § 1 Abs. 6 Erlass zur Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften für nicht erforderlich, können die Unternehmen diese selbst beantragen (vgl. § 6 Abs. 2 Erlass); die angeforderte Kontrolle muss die Behörde dann innerhalb von zwei Monaten nach der Antragstellung durchführen (vgl. § 6 Abs. 3 Erlass).34

(2) Die letzten vier Kontrollberichte des Unternehmens werden auf der Smiley-Website ver­ öffentlicht, bis das Unternehmen nicht mehr besteht oder der Eigentümer wechselt. (3) Die Unternehmen können bei der Behörde schriftliche Kommentare zu den letzten vier Kontrollberichten abgeben oder übersenden. Hinweise von bis zu 300 Zeichen werden auf der Smiley-Website veröffentlicht.“ 32 § 18 Erlass lautet übersetzt: „Die dänische Veterinär- und Lebensmittelbehörde veröffentlicht die Kontrollergebnisse, einschließlich der Höhe der Geldbußen, bevor die administrativen / verwaltungsrechtlichen Klagemöglichkeiten ausgeschöpft sind oder der Bußgeldbescheid abschließend / endgültig an­ genommen wurde oder ein rechtskräftiges Urteil getroffen wurde.“ 33 § 1 Abs. 5 und 6 Erlass lauten übersetzt: „(5) Die dänische Veterinär- und Lebensmittelbehörde führt einen zusätzlichen Kontrollbesuch in Unternehmen durch, gegen die eine Beanstandung aufgrund eines Verstoßes gegen das Lebensmittelrecht ergangen ist (Verwarnung, Anordnung, Verbot, Bußgeldbescheid oder Strafanzeige). Die dänische Veterinär- und Lebensmittelbehörde kann auch beschließen, einem Unternehmen zwei oder mehr zusätzliche Kontrollbesuche aufzuerlegen, wenn dies notwendig erscheint, um die Einhaltung des Lebensmittelrechts zu gewährleisten. (6) Die dänische Veterinär- und Lebensmittelbehörde kann in besonderen Fällen von einem zusätzlichen Kontrollbesuch nach Abs. 5 absehen, wenn sie der Auffassung ist, dass die Einhaltung des Lebensmittelrechts besser auf andere Weise kontrolliert werden kann.“ 34 § 6 Abs. 2 und 3 Erlass lauten übersetzt: „(2) Unternehmen, bei denen nach § 1 Abs. 6 von einem zusätzlichen Kontrollbesuch als Folge eines Hinweises auf Verstöße gegen das Lebensmittelrecht abgesehen wird, können einen Kontrollbesuch durch die dänische Veterinär- und Lebensmittelbehörde beantragen. (3) Der nach den Absätzen 1 oder 2 beantragte Kontrollbesuch muss von der dänischen Veterinär- und Lebensmittelbehörde innerhalb von 2 Monaten nach Antragstellung durchgeführt werden.“

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung

215

d) Empirische Auswertung Die von der dänischen Lebensmittelbehörde veröffentlichten Daten zum SmileySystem zeigen, dass sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmer in Dänemark das Modell befürworten. Zudem dokumentieren sie, dass sich die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorgaben auf Seiten der (Einzelhandels-)Unternehmen in den Anfangsjahren deutlich verbessert hat. Nach einer Untersuchung des Unternehmens Nielsen Media Research aus dem Jahr 2007 kannten 100 % der befragten Verbraucher in Dänemark das Smiley-System; 88 % der Verbraucher gaben an, Vertrauen in die Smileys zu haben.35 Von den befragten Einzelhandelsunternehmer hielten 88 % das Smiley-System für eine „gute“ oder „sehr gute“ Idee, und 86 % stuften die Smiley-Vergabe als ein faires Bewertungssystem ein. Damit bestand bereits sechs Jahre nach der Einführung des Modells eine beachtliche Akzeptanz seitens der Konsumenten und der Unternehmen in Dänemark, obwohl Letztere dem Modell zunächst kritisch gegenübergestanden hatten.36 Die Kontrollergebnisse aus den Jahren 2010 bis 2016 zeigen des Weiteren, dass die prozentuale Verteilung der Smileys ungefähr gleichbleibend ist. Etwa 84 % der Einzelhandelsunternehmen erhielten während dieses Zeitraums konstant die beste Bewertung, wiesen demnach keine Beanstandungen auf. Ergebnis

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

1

86,5

84,9

84,3

84,3

83,8

84,7

84,0

2

11,1

12,4

13,3

13,6

13,9

12,9

13,2

3

0,6

0,7

0,5

0,6

0,5

0,4

0,4

4

1,8

2,0

1,8

1,6

1,7

1,9

2,4

Abbildung 12: Smiley-Modell Dänemark: Ergebnisse Einzelhandel 2010–2016 Abbildung 12: Smiley-Modell Dänemark: Ergebnisse Einzelhandel 2010–201637

Eine ähnliche Entwicklung lässt sich bei den „Elite“-Einzelhandelsunternehmen ausmachen, deren Anteil sich nach der Einführung des Smileys im Jahr 2008 bei ca. 58,5 % eingependelt hat. Die dänische Lebensmittelbehörde bewirbt den Erfolg des Smiley-Modells mit der Verbesserung der hygienischen Situation in den kontrollierten Betrieben. Im Vergleich der Jahre 2010 zu 2002 hat sich der prozentuale Anteil an Smileys mit

35

Die Verbraucherbefragung ist nicht veröffentlicht; Ausschnitte finden sich aber bei BTAusschuss-Drs. 17 (10) 207-E, S. 5, auch zum Folgenden. 36 BT-Ausschuss-Drs. 17 (10) 207-E, S. 4. 37 Vgl. www.findsmiley.dk/Statistik/Smiley-statistik/Sider/default.aspx [Stand: 25.06.2017].

216

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis  2010

2011

2012

2013

2014

2015

55,2

54,4

58,5

58,9

58,6

59,0

Abbildung 13: Smiley-Modell Dänemark: Anteil „Elite“Einzelhandel 2010–2 Abbildung 13: Smiley-Modell Dänemark: Anteil „Elite“-Einzelhandel 2010–201638

dem besten Ergebnis um 23 % erhöht, da im Jahr 2002 „nur“ ca. 69,9 % der Einzelhandelsbetriebe die Bewertung „1“ erhielten.39 Der Anstieg der Kontrollergebnisse mit Bestnote lässt sich demnach in den ersten acht Jahren nach der Einführung des Systems beobachten, während sich die Ergebnisse in den Jahren danach in etwa gleichbleibend verteilen und keine Verbesserungen mehr zu beobachten sind. Die empirischen Daten zum dänischen Smiley-Systems belegen damit, dass sich die verpflichtende landesweite Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse positiv auf die unternehmerische Einhaltung des Lebensmittelrechts auswirkt. Dieser Entwicklung sind allerdings Grenzen gesetzt, da sich der prozentuale Anteil der besten Betriebe auf Dauer bei ca. 84 % einpendelt. Eine hundertprozentige Beanstandungsfreiheit lässt sich folglich mit der Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse nicht erreichen. e) Zwischenergebnis Aus dem dänischen Smiley-Konzept lassen sich drei Merkmale für die erfolgreiche Einführung eines Modells zur Veröffentlichung amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse ableiten, die sich mit den Stichworten „rechtliche Legitimation“, „Behördenstruktur“ und „Akzeptanz“ zusammenfassen lassen. Kennzeichnend für das dänische Modell ist zunächst, dass die Verabschiedung einer gesetzlichen Grundlage und damit die rechtliche Legitimation des SmileySystems Hand in Hand mit der Reformierung des Behördenaufbaus vonstatten ging. Die Berücksichtigung des bestehenden Verwaltungsaufbaus respektive dessen Anpassung stellt sich folglich als eine grundlegende Voraussetzung für die (exekutive)  Umsetzbarkeit der rechtlichen Vorgaben dar. Ein Schlüssel zum Erfolg des dänischen Konzepts ist hierbei die, auf Modelle in Deutschland freilich 38

Vgl.  www.findsmiley.dk/Statistik/Elite-statistik/Sider/default.aspx [Stand: 25.06.2017]. Für das Jahr 2016 lagen zum Zeitpunkt des Abrufs der Website (noch) keine veröffentlichten Daten vor. 39 Auf der Website der dänischen Lebensmittelbehörde heißt es unter der Überschrift „Bessere Hygiene mit Smiley-System“, übersetzt: „Das SmileySystem hat im Allgemeinen zu einer besseren Hygiene in den dänischen Unternehmen geführt. Im Jahr 2010 erhielten 86 % den besten Smiley. Dies ist eine Steigerung von 23 % seit 2002. (…).“, www.foedevarestyrelsen.dk/ Kontrol/Smiley/Sider/Smiley-ordningen.aspx [Stand: 25.06.2017]; hierzu auch Bavorová / Hirschauer, JVL 2012, 45 (47).

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung

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nicht übertragbare,40 zentrale Verwaltungsorganisation in Gestalt von nur einer Veterinär- und Lebensmittelbehörde, welche die landesweiten Veröffentlichungen koordiniert. Der dritte Aspekt betrifft die gesellschaftliche Legitimation des Modells, die sich mit der breiten Akzeptanz der Beteiligten begründet.41 Die landesweite Implementierung und die hohe Transparenz des Smiley-Systems (von Kurzzusammenfassungen über detaillierte Kontrollfrequenz-Branchenlisten bis hin zu tagesaktuellen Ergebnisauswertungen sind sämtliche Informationen online – teilweise auch auf Englisch – abrufbar) tragen zu dessen allgemeiner Befürwortung bei.42 Das dänische Konzept war von Beginn an darauf ausgerichtet, die positiven Aspekte der Veröffentlichungen aufzuzeigen, indem die Lebensmittelüberwachung nicht als (sanktionierende) Aufseherin, sondern vielmehr als unterstützende Partnerin auftritt, um gemeinsam mit den kontrollierten Betrieben die optimale Umsetzung der lebensmittelrechtlichen Vorgaben zu erreichen.43 Durch die Einbeziehung sowohl des Groß- als auch des Einzelhandels sind zudem sämtliche Lebensmittelunternehmen betroffen, sodass eine Stigmatisierung einzelner Branchen ausbleibt (anders als etwa bei der alleinigen Einbeziehung von Gastronomiebetrieben). Damit bleibt zu resümieren, dass die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage nur den ersten Schritt für die Einführung eines Bewertungsmodells darstellt. Der Erfolg eines solchen behördlichen Informationsinstrumentes hängt daneben maßgeblich von der (exekutiven) Umsetzbarkeit sowie der Akzeptanz der Verbraucher und (!) der Unternehmen ab. Erst das Zusammenspiel dieser drei Attribute begründet den Erfolg eines derartigen Informationskonzepts in der Praxis. 2. Modelle in Deutschland Als Beispiele für die behördlichen Veröffentlichungs- und Bewertungsmodelle in Deutschland finden nachfolgend die (zum Teil bereits wieder eingestellten) Kon­ zepte der Stadt Zwickau („Hygiene-Pass“), des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpom­ mern („Hygienediagramm“), des Bundeslandes NordrheinWestfalen („NRW-Smiley“ und „Kontrollbarometer“) sowie des Bezirks Pankow und des Bundeslandes Berlin („Pankower Liste“ und „Sicher Essen in Berlin“) Berücksichtigung. 40 Vgl. hierzu auch BLL, Pressemitteilung v. 16.09.2010, abrufbar unter www.bll.de/de/ presse/pressemitteilungen/pm-20100916-smiley [Stand: 25.06.2017]. 41 Vgl. zur Akzeptanz als wichtigen Faktor der Normimplementation bereits HoffmannRiem, AöR 115 (1990), 400 (404, 407, 414). 42 Als „degree of information spread“ bezeichnet von Bavorová / Hirschauer, JVL 2012, 45 (47). 43 Bavorová / Hirschauer betonen, dass die behördliche Unterstützung derjenigen Unternehmen, denen die Kenntnis zur Umsetzung der lebensmittelrechtlichen Vorgaben fehle, eine notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung eines Bewertungssystems sei, da sich die Veröffentlichung andernfalls demoralisierend auswirke; dies., JVL 2012, 45 (47).

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a) „Hygiene-Pass“ Zwickau Im Jahr 2007 führte die Stadt Zwickau den „Hygiene-Pass“ ein, der die Sauberkeit der ansässigen Gewerbebetriebe mittels eines Bonuspunkte-Systems auszeichnete.44 In Folge der sächsischen Kreisgebietsreform im Jahr 200845 beendete die Stadt das Modell jedoch bereits zwei Jahre nach dessen Einführung.46 Da der „Hygiene-Pass“ eines der ersten Modellprojekte zur Veröffentlichung amtlicher Betriebsbewertungen war und insoweit auch heute noch eine Vorreiterstellung einnimmt,47 lohnt sich eine genauere Betrachtung ungeachtet von dessen Einstellung zum Oktober 2009. Das entscheidende Charakteristikum des „Hygiene-Pass“ Zwickau war die Freiwilligkeit der Teilnahme auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der (damals noch kreisfreien) Stadt Zwickau und des teilnehmenden Betriebs.48 Die Vereinbarung sah eine einmalige Gebühr in Höhe von 15 Euro vor sowie die jederzeitige Möglichkeit der Beendigung in Form einer schriftlichen Kündigung.49 Die risikobasierte Kontrollfrequenz der amtlichen Lebensmittelüberwachung blieb durch die Teilnahme an dem „Hygiene-Pass“ unberührt.50 Dem Modell lag eine Beurteilungs und Bewertungstabelle mit 13 Kriterien zu Grunde, für die der amtliche Kontrolleur jeweils einen bis fünf Bonuspunkte vergab.51 So standen etwa bei dem Kriterium „Gesamteindruck des Betriebs (Sauberkeit im Umgang mit Lebensmitteln)“ ein Punkt für einen hygienisch weitgehend unbedenklichen Gesamteindruck, drei Punkte für die Bewertung „gut“ und fünf 44 www.zwickau.de/de/hygienepass/Bonuspunkte-System.php [Stand: 25.06.2017]. Vgl. zum „Hygiene-Pass“ Zwickau auch Kügel / Plaßmann, LMuR 2012, 1; Wiemers, StoffR 2009, 126 (127 f.). 45 Zur Schaffung von Verwaltungseinheiten mit einer ausreichenden Verwaltungs und Finanzkraft wurden mit der Kreisreform 2008 die bis dato 22 bestehenden Landkreise Sachsens zu zehn Landkreisen und drei kreisfreien Städten zusammengefasst. Die vormals kreisfreie Stadt Zwickau gehört nach der Kreisreform zum Landkreis Zwickau, mit der Folge, dass der Landkreis für die Lebensmittelüberwachung zuständig ist; vgl. Übersicht zur Kreisgebietsreform 2008 in Sachsen sowie zur territorialen Zusammensetzung Zwickaus www.landkreiszwickau.de/geschichte [Stand: 25.06.2017]. 46 Krüger, in: Böhm / Freund / Voit, Information, S.  39 (42); die Hintergründe zum „Hygiene-Pass“ Zwickau sind zu Dokumentationszwecken abrufbar unter www.zwickau.de/de/ hygienepass/hygienepass.php [Stand: 25.06.2017]. 47 Auch die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich nunmehr für die Einführung eines „Hygienesiegels“ auf freiwilliger Basis ab Mai 2018 entschieden, vgl. www.hamburg.de/ pressearchiv-fhh/10796052/2018-04-03-bgv-hamburger-hygienesiege/  Stand: 07.04.2018]. 48 Nr.  2, Nr.  5 Teilnahmevereinbarung, abrufbar unter www.zwickau.de/de/hygienepass/ mitmachen [Stand: 25.06.2017]. 49 Nr. 3, Nr. 9 Teilnahmevereinbarung. 50 Nr. 5 Teilnahmevereinbarung. 51 Zu den Beurteilungskriterien zählten u. a. die Ergebnisse von Probenuntersuchungen, der bauliche Zustand, der Zustand von Arbeitsflächen und Arbeitsgeräten, die Reinigung und Desinfektion und die Schädlingsbekämpfung.

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung

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Punkte für einen „Top-Zustand ohne jegliche Mängel“.52 Die Grundaussage des „Hygiene-Pass“ lautete, dass Verbraucher in den partizipierenden Betrieben „weitgehend unbedenklich Nahrungsmittel kaufen bzw. zu sich nehmen“ konnten; damit war bereits die Erteilung „nur“ eines Punkts eine positive Bewertung.53 Die Betriebe erhielten im Anschluss an die Inspektion eine Aushängetafel („Hygiene-Pass“), auf welcher der Kontrolleur das auf der Grundlage der Bewertungstabelle ermittelte Gesamtergebnis mittels einer entsprechenden Anzahl an signierten und datierten Klebepunkten anbrachte.54 Wenn die bei einer Kontrolle festgestellten Mängel zu einer Abwertung der bisherigen Bonuspunkte führte, sah die Vereinbarung eine kostenlose Neubewertung vor, sobald der Betrieb die Mängel beseitigt hatte.55 Die teilnehmenden Betriebe durften mit dem Ergebnis der Aushängetafel sowohl vor Ort als auch online werben; des Weiteren erfolgte eine Online-Veröffentlichung des Ergebnisses durch die Stadt Zwickau.56 Im Schrifttum findet sich die Einschätzung, dass der „Hygiene-Pass“ als Modellprojekt aufgrund seiner örtlichen Beschränkung auf die Stadt Zwickau „recht erfolgreich“ gewesen sei.57 Da jedoch keine Daten vorhanden sind, etwa zu dem prozentualen Anteil der teilnehmenden Betriebe oder der Resonanz der Verbraucher, lässt sich der (vermeintliche) Erfolg des Modells nicht empirisch validieren.58 Aus rechtlicher Perspektive fällt bei dem Informationsmodell „Hygiene-Pass“ auf, dass die Beurteilungskriterien samt Bonuspunkten nur schwer nachvoll­ ziehbar sind. Welche Unterschiede beispielsweise zwischen einem „Top-Zustand“ (5 Punkte), einem „gut bis sehr gut(en)“ (4 Punkte) oder einem „gut(en)“ (3 Punkte) Gesamteindruck des Betriebs bestanden, erschließt sich nicht. Verfassungsrechtliche Probleme ergeben sich hieraus jedoch nicht, da das Zwickauer Modell auf einer freiwilligen, jederzeit kündbaren Teilnahme fußte und die Veröffentlichung der Betriebsbewertung daher keinen Grundrechtseingriff darstellte.59

52 Die Beurteilungs und Bewertungstabelle ist abrufbar unter www.zwickau.de/de/hygiene pass/Bonuspunkte-System.php [Stand: 25.06.2017]. 53 www.zwickau.de/de/hygienepass/hygienepass.php [Stand: 25.06.2017]. 54 Nr. 6 Teilnahmevereinbarung. 55 Bei erheblichen Mängeln blieben die dadurch erforderlichen Nachkontrollen jedoch kostenpflichtig; vgl. Nr. 7 Teilnahmevereinbarung. 56 Nr. 3, Nr. 8 Teilnahmevereinbarung. 57 Krüger, in: Böhm / Freund / Voit, Information, S. 39 (42), ohne weitere Begründung. 58 Veröffentlicht ist einzig eine Liste mit den insgesamt 322 teilnehmenden Betrieben; vgl.  www.zwickau.de/de/hygienepass/teilnehmer.php [Stand: 25.06.2017]. 59 Die freiwillige Unterzeichnung der Teilnahmevereinbarung lässt sich als Grundrechts­ verzicht des Gewerbetreibenden qualifizieren; vgl. Kingreen / Poscher, Staatsrecht II, Rn. 152 ff., 162.

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b) „Hygienediagramm“ Mecklenburg-Vorpommern Ebenfalls auf Freiwilligkeit beruht das Informationsmodell des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Seit dem Jahr 2013 teilen die zuständigen Überwachungsbehörden den Betrieben die bei der Lebensmittelkontrolle auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung erreichten Hygienepunkte mit. Diese kann der interessierte Verbraucher dann in „seinem“ Betrieb vor Ort erfragen.60 Das „Hygienediagramm“ Mecklenburg-Vorpommern stellt folglich kein eigens entwickeltes Beurteilungs und Bewertungssystem dar,61 sondern vielmehr ein Konzept, um die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung den Unternehmen und Verbrauchern gegenüber transparent(er) zu vermitteln. Hierfür veröffentlicht das zuständige Landesministerium jährlich eine anonymisierte Auswertung der Ergebnisse, welche die Verteilung der Hygienepunkte, aufgeteilt nach acht Betriebsarten, in Diagrammform visualisiert.62 Den jährlichen Diagrammen sind Informationen über die Risikobeurteilung der Lebensmittelbetriebe vorangestellt, die das Konzept der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung für den Verbraucher simplifiziert erklären.63 Darüber hinaus stellt das Ministerium mit der jeweils jahresaktuellen Publikation „Verbraucherschutz im Fokus“ vertiefende Informationen zur amtlichen Lebensmittelüberwachung zur Verfügung.64 Auch das „Hygienediagramm“ Mecklenburg-Vorpommern weist aus verfassungs­ rechtlicher Sicht keine Schwierigkeiten auf, da die Veröffentlichungen in Diagrammform die einzelnen Betriebe nicht erkennen lassen. Die Aufforderung, den Verbrauchern auf Nachfrage Auskunft über die bei der amtlichen Lebensmittelkontrolle erzielten Punkte zu erteilen, obliegt im Übrigen der freiwilligen Umsetzung 60 Zum Ganzen Pressemitteilung Nr.  198/15 des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern v. 15.06.2015, abrufbar unter www. regierung-mv.de/Landesregierung/lm/Service/Presse/ [Stand: 25.06.2017]. 61 Auf Grundlage der AVV RÜb werden für die drei Bewertungskriterien „Verhalten des Unternehmers“, „Verlässlichkeit der Eigenkontrollen“ und „Hygienemanagement“ bis zu 80 (Malus)Punkte vergeben. Zum Vergleich sieht das Bewertungsmodell des KTG NRW nur bis zu 73 Punkte vor, da das Beurteilungskriterium „Mitarbeiterschulung“ nicht berücksichtigt wird (dieses zum Merkmal „Verhalten des Unternehmers“ zugehörige Kriterium wird nach der AVV RÜb mit bis zu 7 Hygienepunkten bewertet); vgl. Anlage 1 Nr. 5 AVV RÜb (Beurteilungsbogen und Leitfaden). 62 Diagramme existieren für die acht Betriebskategorien Küchen und Kantinen, Gaststätten und Imbisseinrichtungen, Fleischereien, Fleischereifilialen, Bäckereien und Konditoreien, Bäckereifilialen Lebensmitteleinzelhandel sowie Direktvermarkter. 63 Die vollständige Risikobeurteilung mit den Auswertungen in Diagrammform ist einsehbar auf der Website des Landesamts für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LALLF MV); vgl.  www.lallf.de/Amtliche-UEberwachung. 173.0.html [Stand: 25.06.2017]. 64 Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern, Verbraucherschutz im Fokus 2015, S. 11 ff., www.regierung-mv.de/serviceassistent/down load?id=1583097 [Stand: 25.06.2017].

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung

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der Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern.65 Indem das Landesministerium den Verbrauchern die notwendigen Hintergrundinformationen zur Lebensmittelüberwachung an die Hand gibt und ihnen – als mitdenkenden Konsumenten – die konkrete Nachfrage im Betrieb vor Ort überlässt, basiert das Modell auf dem Leitbild des angemessen gut unterrichteten, aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbrauchers.66 Als Schwachpunkt dieses Konzepts lässt sich freilich bemängeln, dass die Informationen nicht gebündelt über eine Website erfolgen und mangels medialer Begleitung wohl nur eine sehr kleine Anzahl an Verbrauchern erreichen.67 Daneben wird eine freiwillige Auskunft vor Ort – so diese Möglichkeit den Verbrauchern überhaupt bekannt ist – gewiss nicht in jedem Betrieb erfolgen, wenn beispielsweise der Inhaber sie verweigert oder dem angestellten Mitarbeiter das aktuelle Kontrollergebnis überhaupt nicht bekannt ist. c) Vom „Smiley“ zum „Kontrollbarometer“ in Nordrhein-Westfalen Die Entwicklung des nordrhein-westfälischen Kontrollbarometers sowie dessen (als verfassungswidrig zu bewertende)  gesetzliche Grundlage in Form des KTG NRW haben im vorangehenden Kapitel dieser Arbeit eine ausführliche Betrachtung erfahren.68 Für den exemplarischen Überblick der nationalen Modelle ist es aber von Interesse, den Blick nochmals gen Nordrhein-Westfalen zu richten, da dem medienwirksam begleiteten „Kontrollbarometer“ der gescheiterte Versuch eines landesweiten, ebenfalls freiwilligen, Systems vorausging, dem das dänische Smiley-Modell als Vorbild diente. Das Land Nordrhein-Westfalen führte zum Juni  2007 ein Smiley-System für Gastronomiebetriebe und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung (bspw. Betriebs­kantinen, Jugendherbergen und Krankenhausküchen) ein, das – aufgrund von Bedenken seitens der kommunalen Lebensmittelüberwachungsbehörden69 im Hinblick auf eine befürchtete zusätzliche Arbeitsbelastung sowie vermehrte 65

Ein ebenfalls freiwilliges Projekt zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung hat derweil auch das Bundesland Niedersachsen initiiert. Am 26. April 2017 startete in den Städten Braunschweig und Hannover die (freiwillige) Pilotphase zur Einführung eines „Hygienebarometers“. Eine landesweite Einführung ist zum Herbst / Sommer 2017 geplant; vgl.  LZ v.  10.03.2017, S.  26; LZ v.  28.04.2017, S.  22; www.ml.niedersachsen.de/ hygienebarometer/hygienebarometer-150751.html [Stand:25.06.2017]. 66 Vgl. zur Entwicklung des Verbraucherleitbilds Abbé, Verbraucherschutz, S. 51 f.; Rützler, in: Streinz, LebensmittelR-Hdb, II Rn. 21; Albers, in: Jantke / Lottermoser / Reinhardt / Rothe /  Stöver, Nachhaltiger Konsum, S. 167 (171 ff.). 67 Insoweit lässt sich nach Bavorová / Hirschauer auch von einem geringen „degree of information spread“ sprechen; vgl. dies., JVL 2012, 45 (47). 68 Vgl. hierzu unter E. II. 3. d). 69 Für die Lebensmittelüberwachung in NRW sind 51 Lebensmittelüberwachungsämter bzw. Veterinär und Lebensmittelüberwachungsämter der Kreisordnungsbehörden zuständig; vgl. www.umwelt.nrw.de/verbraucherschutz-ernaehrung/wer-macht-was/amtliche-lebensmittel ueberwachung/ [Stand: 25.06.2017].

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F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

Rechtsstreitigkeiten anders als ursprünglich vorgesehen  – auf freiwilliger Basis beruhte und an dem (nur) 14 Kommunen Nordrhein-Westfalens teilnahmen.70 Das Pilotprojekt basierte auf einer Vereinbarung zwischen dem teilnehmenden Betrieb und der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde sowie einem dazugehörigen Einstufungsbogen für die Betriebsbewertung, der sich an den Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung orientierte.71 Die Beurteilungsmerkmale wurden im Rahmen der risikobasierten Routinekontrollen dem fünfstufigen Bewertungsschema der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung zugeordnet, das sich von „sehr gut“ (1) bis „nicht ausreichend“ (5) erstreckte. Diejenigen Betriebe, die einen Gesamtdurchschnitt von „2“ und bei keinem Kriterium die Bewertung „4“ oder „5“ erzielten, zeichnete die Behörde mit einem Smiley in Form einer Bescheinigung aus, mit welcher der Betrieb gegenüber den Kunden werben durfte. Zusätzlich erfolgte eine Auflistung der mit dem Smiley ausgezeichneten Betriebe auf der Internetseite des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft. Da allerdings knapp sechs Jahre nach der Einführung nur 480 von über 93.000 Dienstleistungsbetrieben in Nordrhein-Westfalen an dem Projekt teilnahmen, stellte das Verbraucherschutzministerium den „NRW-Smiley“ im Jahr 2013 wieder ein. Die ernüchternde Bilanz lautete, dass sich „die freiwillige Transparenz weder durchgesetzt noch (…) zu einem nennenswerten Rückgang der Beanstandungen geführt“ habe.72 Aus dem Scheitern des nordrhein-westfälischen Smiley-Modells lässt sich die Erkenntnis gewinnen, dass sich ein auf Freiwilligkeit basierendes System zur Veröffentlichung behördlicher Betriebsbewertungen in der Praxis kaum landesweit durchsetzt.73 Dieser Erfahrung verschließt sich die neue nordrhein-westfälische Landesregierung allerdings vollständig, indem sie nunmehr das von der Vorgängerregierung verabschiedete KTG NRW abschaffen und durch eine Regelung ersetzen möchte, welche die Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse (wieder) auf freiwilliger Basis ermöglichen soll.74 70

Krüger, in: Böhm / Freund / Voit, Information, S.  39 (40); Bavorová / Hirschauer, JVL 2012, 45 (49); Pressemitteilung der Landesregierung NRW v.  06.09.2016, abrufbar unter www.land.nrw/de/pressemitteilung/minister-remmel-mehr-durchblick-durch-einblick-fuerverbraucherinnen-und [Stand: 25.06.2017]. Im Jahr 2008 wurde das Projekt auch auf Bäckereien und Fleischereien ausgeweitet; vgl. Kügel / Plaßmann, LMuR 2012, 1; Hahn / Wellmann, Informationshandeln, S. 17. 71 Abbé, Verbraucherschutz, S. 65; Wiemers, StoffR 2009, 126 (127); die „Vereinbarung zur Teilnahme am NRW-Smiley-System“ ist über die Suchmaschine Google beispielsweise nach wie vor für die Stadt Duisburg oder den Ennepe-Ruhr-Kreis auffindbar [Stand: 25.06.2017]. 72 Pressemitteilung der Landesregierung NRW v. 06.09.2016, abrufbar unter www.land.nrw/ de/pressemitteilung/minister-remmel-mehr-durchblick-durch-einblick-fuer-verbraucherin nen-und [Stand: 25.06.2017]. 73 Insoweit die Freiwilligkeit eines Veröffentlichungsmodells ohne näherer Begründung als das „Hauptproblem“ benennend Krüger in: Böhm / Freund / Voit, Information, S. 39 (41). 74 Koalitionsvertrag für NRW 2017–2022 zwischen CDU und FDP v. 26.06.2017, S. 84, abrufbar unter www.cdu-nrw.de/koalitionsvertrag-fuer-nordrhein-westfalen-2017-2022 [Stand: 02.04.2018].

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung

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Das Problem eines auf einer Qualitätsauszeichnung beruhenden Systems, wie des „NRW-Smileys“ oder auch des „Hygiene-Pass“ Zwickau, besteht in dessen Doppeldeutigkeit für die Verbraucher.75 Ein Unternehmen ohne eine Auszeichnung in Form eines Hygienepunkts oder eines Smileys hat entweder die Anforderungen nicht erfüllt oder aber schlichtweg nicht an dem Modell teilgenommen. Da dies für die Verbraucher nicht erkennbar ist, bleibt die Akzeptanz für ein solches Konzept – bzw. der „degree of information spread“– sehr gering. Erst wenn die Verbraucher die Nichterteilung eines Hygienepunkts oder eines Smileys als negatives Zeichen, als Hinweis auf die mangelnde Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorgaben auffassen, hat ein freiwilliges Konzept flächendeckend Aussicht auf Erfolg. In diesem Fall hat sich das Modell nämlich bereits derart durchgesetzt, dass die Konsumenten die Auszeichnung mit Hygienepunkten oder einem Smiley als Qualitätsstandard durchgängig erwarten und den nicht partizipierenden Betrieben folglich Einbußen drohen. d) „Pankower Liste(n)“, „Pankower Smiley-System“ und „Sicher Essen in Berlin“ Die „Pankower Liste“ stellte seit ihrer Einführung im Jahr 2009 das wohl umstrittenste Modell zur Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse dar, das die im Zusammenhang mit Verbraucherinformationen oftmals in der rechtswissenschaftlichen Diskussion verwendeten Begriffe „Pranger(-wirkung)“76 bzw. „name and shame“/„naming and shaming“77 beherrschend geprägt hat. Die Bezeichnung „Pankower Liste“ dient nur als abgrenzende Beschreibung zu den anderen Veröffentlichungskonzepten der Städte und Bundesländer. Sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dem Pankower Konzept um ursprünglich zwei verschiedene Listen handelte, die das Bezirksamt Pankow erst im Jahr 2011 zu einer einzigen Liste zusammengefasst und fortgeführt hat. Nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Veröffentlichungs­ modelle des Bundeslandes Berlin und des Bezirks Pankow mangels einer gesetzlichen Grundlage im Mai 2014 für rechtswidrig erklärt hatte, stellten die Behörden auch diese Modellprojekte wieder ein. Die Betrachtung, speziell der „Pankower Liste(n)“, ist aber dennoch hilfreich, um die stark ablehnende Haltung seitens der Lebensmittelunternehmen in Deutschland gegenüber behördlichen Bewertungsportalen nachvollziehen zu können.78 75

Bavorová / Hirschauer, JVL 2012, 45 (50), auch zum Folgenden. Statt vieler OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2014, 843; Holzner, NVwZ 2010, 489; Wiemers, StoffR 2009, 126 (129). 77 Statt vieler etwa Abbé, Verbraucherschutz, S. 55; Bavorová / Hirschauer, JVL 2012, 45; Wiemers, StoffR 2009, 126 (129). 78 Da die Veröffentlichungen im Rahmen der „Pankower Liste“ im Internet nicht mehr abrufbar sind, beruhen die nachfolgenden Ausführungen auf den Nachweisen im rechtswissen 76

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F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

aa) Pankower „Positiv-Liste“ und „Negativ-Liste“ im Jahr 2009 Im Januar 2009 führte der Berliner Bezirk Pankow,79 inspiriert durch das dänische Modell, eine Smiley-Liste für Gaststätten und Gastronomiebetriebe ein, die auf einer freiwilligen Vereinbarung zwischen dem Bezirksamt Pankow und dem teilnehmenden Betrieb sowie der Einhaltung vorgegebener Kriterien im Rahmen der risikobasierten amtlichen Überwachung beruhte.80 Demnach zeichnete das Bezirksamt Pankow gastronomische Betriebe mit dem „Pankower Smiley“ aus, die bei der behördlichen Lebensmittelkontrolle ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt hatten. Den „Pankower Smiley“ übergab die Behörde gemeinsam mit einem amtlichen Zertifikat in Form eines Aufklebers mit Logo, den der Betrieb werbewirksam einsetzen durfte.81 Die so ausgezeichneten Betriebe führte das Bezirks­amt Pankow in einer „Positiv-Liste“ im Internet auf. Daneben veröffentlichte das Bezirksamt ab März  2009 eine „Negativ-Liste“ mit den Namen und der Anschrift derjenigen Betriebe, bei denen die amtlichen Kontrolleure erhebliche Mängel festgestellt hatten.82 Auf der „Negativ-Liste“ war sowohl der Betrieb selbst als auch die Beanstandung genannt, die zu der Listenveröffentlichung geführt hatte. Für die Aufnahme in die „Negativ-Liste“ musste mindestens der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit vorliegen; das Bezirksamt nahm kleinere Mängel – ebenso wie erstmalig auftretende gravierende Mängel – nicht in die „Negativ-Liste“ auf.83 Die „Positiv-Liste“ zeichnete sich damit durch die freiwillige Teilnahmemöglich­ keit und die amtliche Bewertung in Form eines Smileys aus, während die „NegativListe“ allein den Betrieb mit der jeweiligen Beanstandung auflistete und insoweit keine Bewertung in Form einer Note oder eines Smileys enthielt.84 schaftlichen Schrifttum sowie auf den Pressemitteilungen der Berliner Bezirksämter. Sämtliche im Nachfolgenden angeführten Pressemitteilungen sind auf der Website www.berlin.de/ presse/pressemitteilungen/abrufbar [Stand: 25.06.2017]. 79 Pankow ist mit 390.000 Bewohnern der einwohnerstärkste der zwölf Bezirke Berlins, bestehend aus dem Zusammenschluss der ehemaligen Bezirke Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee; vgl. www.berlin.de/ba-pankow/ueber-den-bezirk/ [Stand: 25.06.2017]. 80 Zum Entstehungshintergrund Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 11 ff.; Zott, Informationen, S. 411 f.; Pressemitteilung des Bezirksamt Pankow v. 22.12.2008, auch zum Folgenden. 81 Der Bewertungsbogen der amtlichen Kontrolle bestand aus 32 Kriterien, für die (positive) Punkte vergeben wurden. Bei Erreichen von 90 % der vorgesehenen Punkte wurde den teilnehmenden Unternehmen der „Pankower Smiley“ verliehen; vgl. zum Ganzen Grube /  Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 15 Fn. 14; das Smiley-Zertifikat des Bezirksamts Pankow ist abgedruckt bei Hahn / Wellmann, Informationshandeln, S. 18. 82 Pressemitteilungen des Bezirksamts Pankow v. 25.02.2009 und v. 02.04.2009; Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 (23 f.). 83 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 15 Fn. 14; Mettke, ZLR 2009, 399; Wallau, ZLR 2010, 382; zum Verfahren der Veröffentlichung Schink, Rechtsgutachten zum Berliner Smiley-Modell, S. 11. 84 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 15 Fn. 15; Zott, Informationen, S. 412, 416.

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Ab Mai 2009 wurden die in der „Negativ-Liste“ zuvor nur beschriebenen Mängel auch mittels Fotos dokumentiert, welche die Lebensmittelkontrolleure als Beweise im Rahmen der Routinekontrollen aufgenommen hatten.85 Gegen die „NegativListe“ erhob sich mangels einer gesetzlichen Grundlage massiver Widerstand.86 Die Kritik richtete sich besonders gegen die sogenannten „Ekelfotos“, die nur eine Momentaufnahme, nicht aber den gegenwärtigen Zustand im Betrieb abbildeten.87 Exemplarisch hierfür steht die Publikation der Beanstandung eines Lokals, das nach einer amtlichen Kontrolle aufgrund des dortigen unzureichenden Reinigungsstands geschlossen wurde. Die hierzu veröffentlichten Fotos der Verunreinigungen  – als Momentaufnahmen des zum Zeitpunkt der Kontrolle vorgefundenen Zustands – waren immer noch abrufbar, nachdem der Mangel beseitigt und das Lokal wieder eröffnet worden war.88 Die Kritik bestand des Weiteren darin, dass die Aufnahmen nicht durchgängig die tatsächliche Beanstandung abbildeten bzw. für die bemängelten Zustände nicht immer aussagekräftig waren.89 Die Veröffentlichung der Aufnahmen mit der Nennung des Namens und der Adresse des jeweiligen Betriebs wurden als faktische Sanktion empfunden, welche die betroffenen Lokalitäten zu „Schmuddelbetrieben“ degradiere.90 Die „Negativ-Liste“ des Bezirksamts Pankow erhielt im juristischen Schrifttum auch den Beinamen „Pankower Ekelliste“.91 bb) „Sicher Essen in Berlin“ und „Pankower Smiley-System“ im Jahr 2011 Im Juli 2011 führte das Land Berlin ein einheitliches Transparenzsystem ein, das unter der Bezeichnung „Sicher essen in Berlin“ die Veröffentlichung der amtlichen (risikobasierten) Kontrollergebnisse der Berliner Speisegaststätten und Schankwirtschaften auf der Website der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz vorsah (auch bezeichnet als „System zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Betriebskontrollen der Lebensmittelüberwachung für das gesamte

85 Pressemitteilung des Bezirksamts Pankow v. 07.05.2009. Die in der „Negativ-Liste“ veröffentlichten Fotos sind im Internet nicht mehr abrufbar. Einige der veröffentlichten Fotos finden sich aber exemplarisch beschrieben bei Mettke, ZLR 2009, 399 (399 f.). 86 Statt vieler Holzner, NVwZ 2010, 489 ff.; Becker / Blackstein, NJW 2011, 490 ff. 87 So etwa Wallau, ZLR 2010, 382 (385); Abbé, Verbraucherschutz, S.  69; Mettke, ZLR 2009, 399 (399 f.). 88 Beispiel entnommen bei Mettke, ZLR 2009, 399 (400). 89 Schink, Rechtsgutachten zum Berliner Smiley-Modell, S. 11; Mettke führt für dieses Problem exemplarisch das veröffentlichte Bild einer nicht gespülten Personaltoilette eines Restaurants an; vgl. ders. ZLR 2009, 399 (399 f.). 90 Vgl. Mettke, ZLR 2009, 399. 91 Vgl. etwa Holzner, NVwZ 2010, 489 ff.; Honegg, Verbraucherinformation, S.  49, Becker / Blackstein, NJW 2011, 490 ff.

226

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

Land Berlin“).92 Die Behörde „übersetzte“ dabei die auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung ermittelte Anzahl an Minuspunkten in eine Gesamtnote und veröffentlichte diese. Das Bezirksamt Pankow beschloss unter Aufgabe der bis dato publizierten „Positiv und Negativliste“ die Einführung eines hiervon abweichenden Veröffentlichungsmodells, dem sich weitere Berliner Bezirke – etwa Tempelhof-Schönberg, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Charlottenburg-Wilmersdorf – anschlossen.93 Dabei wandelte das Bezirksamt die bei der amtlichen Kontrolle auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung ermittelten (Minus-) Punkte ebenfalls in Noten um, veröffentlichte diese dann aber zur (vermeintlich) besseren Verständlichkeit für die Verbraucher in Gestalt von farblich hinterlegten Smileys auf seiner Website („Pankower Liste 2011“/„Pankower Smiley-System“).94 Auf den Websites des Bezirksamts Pankow und der Senatsverwaltung konnten die Verbraucher mittels der Suchfunktion unter Angabe des Straßennamens gezielt nach Betrieben suchen und so ihre Konsumentscheidung von der abgerufenen amtlichen Bewertung abhängig machen. Die zu erreichenden (Malus-)Punkte von 0 bis 80 waren fünf verschiedenen Smileys zugeordnet, die – wie beim dänischen Modell – mit einem nach oben oder unten verzogenem Mundwinkel das jeweilige Ergebnis vor einem roten („nicht ausreichend“), gelben („ausreichend“ und „zufriedenstellend“) oder grünen („gut“ und „sehr gut“) Hintergrund anzeigten.95 Auf der Website des Bezirksamts erfolgte ein Hinweis auf eine etwa vorgenommene Mängelbeseitigung des kontrollierten Betriebs sowie das Datum der Nachkontrolle; allerdings fand das Ergebnis der Nachkontrolle keinen Eingang in die Smiley-Bewertung.96 Das Bezirksamt Pankow veröffentlichte auf seiner Website neben dieser für jeden Betrieb als PDF-Dokument abrufbaren Smiley-Bewertung auch Fotos, welche die aktuelle Hygienesituation der Betriebe wiedergaben, allerdings  – anders als noch bei der „Negativ-Liste“ des Jahrs 2008 – ohne Bezugnahme auf einen konkreten Betrieb.97 Im Juni 2013 überarbeitete das Bezirksamt Pankow das „Smiley-System“; die Bewertungsauf 92 Ausführlich hierzu Abbé, Verbraucherschutz, S. 70 ff.; Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 125; Guckelberger, in: Hill / Schliesky, Vermessung des virtuellen Raums, S. 73 (79). 93 Pressemitteilung des Bezirksamts Pankow v. 16.04.2012; Pressemitteilung des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf v.  31.05.2012. Ausführlich mit Abbildung der Veröffent­ lichungsmodelle Pankows und Tempelhof-Schönebergs Abbé, Verbraucherschutz, S.  70 ff., Abbildung 2 (S. 71) und Abbildung 3 (S. 73). 94 Pressemitteilungen des Bezirksamts Pankow v. 21.10.2011 und v. 16.04.2012; Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 15 Fn. 126. 95 Die grafische Darstellung der Pankower Smileys sowie die Punkteverteilung finden sich bei Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 15 Fn. 130; Zott, Informationen, S. 414. 96 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 15 Fn. 131; Zott, Informationen, S. 414. 97 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 15 Fn. 133.

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung

227

schlüsselung erfuhr marginale Änderungen und auf der Website erfolgte die Aufnahme der Historie der Betriebsbewertungen.98 Beide Modelle wurden jedoch im Jahr 2014 eingestellt, nachdem das Oberver­ waltungsgericht Berlin-Brandenburg im Beschwerdeverfahren die Veröffentlichung von Bewertungen amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse mangels einer gesetzlichen Grundlage für rechtswidrig erklärt und dabei, wie bereits untersucht,99 den vom Bezirksamt Pankow und vom Land Berlin herangezogenen § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG als Ermächtigungsgrundlage abgelehnt hatte.100 cc) Zwischenergebnis Das Pankower Modell verdeutlicht als Negativbeispiel, wie wichtig die Akzeptanz auf Seiten der Verbraucher und der Unternehmen für eine erfolgreiche Umsetzung eines Veröffentlichungsmodells ist. Völlig konträr zu dem (vermeintlich als Vorbild dienenden) dänischen Smiley-System hat das Bezirksamt Pankow nicht gemeinsam mit den betroffenen Betrieben versucht, bestehende lebensmittelrechtliche Missstände zu beheben, sondern mit der „Negativ-Liste“ bzw. dem späteren „Pankower Smiley“ eine öffentlichkeitswirksame anprangernde Unterteilung in „gut“ und „schlecht“ vorgenommen. Von dem dänischen Vorbild, das seine (gesellschaftliche) Legitimation unter anderem in der Akzeptanz der betroffenen Unternehmen findet, blieb bei der Umsetzung der „Pankower Liste(n)“ nicht mehr übrig als die Darstellung in Form von Smileys. Der Umstand, dass sowohl dem Modell „Sicher Essen in Berlin“ als auch den Pankower Modellen keine gesetzliche Ermächtigung zu Grunde lag, offenbart darüber hinaus den frappierenden Mangel an einer (rechtlichen) Legitimation. Im Ergebnis haben die Berliner Veröffentlichungsmodelle dazu beigetragen, dass gegenüber behördlichen Betriebsbewertungssystemen seitens der Wirtschaft in Deutschland erhebliche Ressentiments bestehen, welche die Umsetzung zukünftiger Modellprojekte erschweren dürften. 3. Rechtliche Bewertung und Ausblick Die wesentliche Weichenstellung vor der Einführung eines Modells zur Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse liegt in der Entscheidung, ob dieses auf freiwilliger oder verpflichtender Basis erfolgen soll. 98

Pressemitteilung des Bezirksamts Pankow v. 14.06.2013; Zott, Informationen, S. 413. Vgl. hierzu bereits unter E. II. 1. b). 100 Zum Pankower „Smiley-System“ OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2014, 843 ff., in Bestätigung des VG Berlin, Beschl. v. 19.03.2014, 14 L 35.14, juris; zum Modell „Sicher Essen in Berlin“ OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2014, 846 ff., in Bestätigung des VG Berlin, Beschl. v. 28.11.2012, 14 K 79.12, juris. Vgl. auch Pressemitteilung des Bezirksamts Pankow v. 11.06.2014. 99

228

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

Die Untersuchung der in der Verwaltungspraxis in Dänemark und Deutschland erprobten Konzepte zur Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse zeigt hierbei, dass den freiwilligen Modellen die Eigenschaft einer Qualitätsauszeichnung immanent ist. Da die Unternehmen aus eigenem Antrieb teilnehmen, liegt die Problematik einer solchen Ausgestaltung – mangels eines Eingriffs in Grundrechte – grundsätzlich nicht auf der verfassungsrechtlichen Ebene. Die Schwierigkeit besteht vielmehr darin, eine breite Befürwortung sowie, speziell auf Seiten der Unternehmen, eine hohe Partizipation an dem Modell zu erreichen. Letzteres ist auf der Landesebene in Deutschland bereits in einem Pilotversuch gescheitert („NRW-Smiley“). Ein auf freiwilliger Basis beruhendes Konzept ist in der Praxis erst dann erfolgreich, wenn sich die freiwillige Veröffentlichung des amtlichen Kontrollergebnisses als Qualitätsstandard durchgesetzt hat. In diesem Fall wird die Mehrheit der Konsumenten die Nichtteilnahme eines Betriebs nämlich als negativ bewerten. Die betrachteten Praxismodelle lassen darauf schließen, dass sich ein derartiger breiter Verbraucherkonsens eher örtlich begrenzt („Hygiene-Pass“ Zwickau) als landes oder gar bundesweit erreichen lässt. Bei verpflichtenden Veröffentlichungsmodellen liegt die Problematik im verfassungsrechtlichen Bereich. In Bezug auf die untersuchten Projekte in Deutschland ist hierbei wiederum zwischen zwei verschiedenen Ausgestaltungen zu differenzieren: zum einen der bloßen Auflistung von Betrieben, die gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften verstoßen haben, ohne eine behördliche Bewertung („Negativ-Liste“) und zum anderen die bewertende Veröffentlichung der Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle in Form einer Gesamtnote („Sicher Essen in Berlin“) respektive eines Smileys („Pankower Smiley-System“). Beiden verpflichtenden Konzepten ist gemein, dass sie den jeweiligen Betrieb namentlich nennen und aufgrund ihrer Eingriffsqualität in Grundrechte einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Die behördliche Veröffentlichung einer „schwarzen Liste“ mit den gegen lebensmittelrechtliche Vorgaben verstoßenden Unternehmen stellt einen finalen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG dar. Die Behörde bezweckt mit einer solchen Publikation einzig, die Verbraucher von einem Besuch der genannten Betriebe abzuhalten;101 die nachteilige Wirkung auf die Unternehmen stellt sich folglich – wie auch bei Warnungen – als Kehrseite der staatlichen Verhaltenslenkung dar. Soweit die Behörde Fotografien der lebensmittelrechtlichen Verstöße nur von vereinzelten Betrieben veröffentlicht, steht dies zusätzlich mit Art. 3 Abs. 1 GG in Konflikt. Die Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse innerhalb eines vergleichenden Bewertungssystems soll den Verbrauchern demgegenüber eine Entscheidungsgrundlage für ihre Konsumentscheidungen bieten. Die nachteiligen mittelbaren Auswirkungen auf die schlecht bewerteten Unternehmen sind hierbei ein von der Behörde in Kauf genommener Nebeneffekt, sodass auch diesbezüglich ein finaler Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und  Art. 14 Abs. 1 GG vorliegt.102 101

Vgl. hierzu auch Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1359 f.). Zu dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden Eingriffsverständnis D. II. 4. c).

102

I. Kontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachung

229

Aufgrund der Nennung des Namens und des Orts des Betriebs greifen beide Modelle darüber hinaus in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Damit stellt sich das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage als das zentrale rechtliche Problem der heutigen behördlichen Betriebsbewertungen dar.103 Wie bereits aufgezeigt,104 lassen sich für diese neue Form des behördlichen Informationshandelns weder § 40 LFGB noch § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG als gesetzliche Grundlage heranziehen, sodass in diesem Bereich gegenwärtig ein rechtliches Legitimationsdefizit besteht. Daneben ist ein „Akzeptanzdefizit“105 bei den bisherigen Modellprojekten in Deutschland festzustellen, das sich auf Seiten der Unternehmen aufgrund der missglückten Umsetzung der Pankower „Negativ-Liste“ verstärkt hat. Hervorzuheben ist in diesem Kontext, dass sich ein verpflichtendes Konzept zur Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse selbst bei Bestehen einer (verfassungsmäßigen) Ermächtigungsgrundlage auf Dauer nicht als erfolgreich erweisen wird, wenn keine breite gesellschaftliche Befürwortung sowohl auf Seiten der Verbraucher als auch auf Seiten der Unternehmen besteht. Die Akzeptanz der Beteiligten lässt sich durch ein hohes Maß an Transparenz, einer mit ausreichend personellen und finanziellen Ressourcen ausgestatten Behördenstruktur (genügend Kontrolleure für Routine, Nach- und Zusatzkontrollen, Infrastruktur für Online-Veröffentlichungen, Öffentlichkeitarbeit etc.), der Einbeziehung sämtlicher Lebensmittelunternehmen (gesamter Einzel- und Großhandel) sowie einer flächendeckenden Einführung (bundes- statt landesweit)106 unter Verzicht auf bildliche (Mängel-)Aufnahmen erreichen. Als (Transparenz-)Vorbild kann hierfür das dänische Smiley-System dienen, das sich aufgrund der zentralen Behördenorganisation in Dänemark freilich nicht „1:1“ auf Deutschland übertragen lässt. Die Daten des dänischen Modells belegen, dass die Einführung eines behördlichen Betriebsbewertungsmodells die lebensmittelrechtliche Situation in den Unternehmen verbessert, wobei sich der prozentuale Anteil der beanstandungsfreien Betriebe dauerhaft bei ca. 84 % einpendelt. Dieser Erfolg stellt sich allerdings nur dann ein, wenn das Konzept rechtlich legitimiert ist, bei den Verbrauchern und den Unternehmen Akzeptanz genießt sowie für die Verwaltung umsetzbar ist.

103

So auch Holzner, GewArch 2016, 95. Vgl. hierzu unter E. II. 105 Vgl. zum Begriff im Zusammenhang mit der Verwaltungswissenschaft als Steuerungswissenschaft Hoffmann-Riem, AöR 115 (1990), 400 (404). 106 Zur Gesetzgebungskompetenz bereits unter E. III. 2. b). 104

230

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

II. Produktbewertungen: Veröffentlichung durch Private bei staatlicher Finanzierung Das Informationshandeln im Lebensmittelbereich zeichnet sich zunehmend durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationsmedien aus. Der Staat tritt hierbei nicht in allen Fällen als unmittelbarer Informationsgeber auf, sondern schaltet auch juristische Personen des Privatrechts ein, um die Verbraucher zu informieren.107 Das für behördliches Informationshandeln klassische Dreiecksverhältnis, bestehend aus dem Staat als Informierenden, dem Verbraucher als Adressaten und dem Hersteller als mittelbaren Betroffenen, wird damit um einen vierten Akteur erweitert.108 Als Beispiel für ein derartiges vierpoliges Verhältnis steht das Onlineportal „Lebensmittelklarheit“, das die Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Hessen e. V. als juristische Personen des Privatrechts betreibt.109 Die Finanzierung erfolgt hierbei durch den Staat, genauer durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.110 Da sich das Portal als ein „Hybrid“ zwischen einer privaten und einer staatlichen Informationsplattform darstellt,111 ist für die Stringenz der rechtlichen Betrachtung zwischen den Portalveröffentlichungen einerseits und der staatlichen Finanzierung andererseits zu differenzieren. 1. Das Onlineportal „Lebensmittelklarheit“ Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)112 hat im September 2009 die Initiative „Klarheit und Wahrheit bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln“ ins Leben gerufen. Der Auslöser dafür war die im gleichen Jahr durch Schinken- und Käseimitate113 ausgelöste Diskussion um die aus Verbrauchersicht irreführende Aufmachung und Kennzeichnung von Lebensmitteln.114 107

Philipp, Verbraucherinformation, S. 24. T. Engel, Informationstätigkeit, S. 20. 109 Ein ähnliches Onlineportal existiert beispielsweise auch in Österreich unter dem Namen „Lebensmittel-Check“, das der österreichische Verein für Konsumenteninformation betreibt. Das Portal wird von staatlicher Seite durch die österreichischen Bundesministerien für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sowie für Gesundheit unterstützt; vgl.  www. konsument.at/lebensmittelcheck [Stand: 25.06.2017]. 110 Vgl. www.lebensmittelklarheit.de/ueber [Stand: 25.06.2017]. 111 Martini / Kühl, DÖV 2013, 573 (580). 112 Mit Organisationserlass v.  17.12.2013 ist dem damaligen Bundesministerium der Justiz auch die Zuständigkeit für Verbraucherpolitik übertragen worden; vgl. BGBl.  I Nr.  75 S. 4310 III. Das vormalige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) trägt seitdem die Bezeichnung Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). 113 S. zu Schinken- und Käseimitat bereits E. Fn. 8. 114 BMEL, Initiative Klarheit und Wahrheit, S. 4; LZ v. 10.07.2009, S. 24; Klawitter, in: DER SPIEGEL v. 12.10.2009 (Nr. 42), S. 72 ff. 108

II. Produktbewertungen

231

Mit der Initiative soll ermittelt werden, welche Produktaufmachungen und Kennzeichnungen die Konsumenten als irreführend empfinden und wie die Unternehmen und Verbraucher die bestehenden gesetzlichen Regelungen verstehen.115 Als Ziele formuliert das Bundesministerium die Verbesserung des Schutzes der Verbraucher vor Täuschungen im Lebensmittelbereich sowie die Unterstützung von Unternehmen, die ihre Produkte verbraucherfreundlich kennzeichnen. Ein Projekt im Rahmen dieser Initiative ist das von der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (VzBv) sowie der Verbraucherzentrale Hessen e. V. (Vz Hessen) seit Juli 2011 betriebene und vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vollfinanzierte Onlineportal „Lebensmittelklarheit“, das die Verbraucher informieren sowie den Dialog zwischen Verbraucherorganisationen und Unternehmen unterstützen soll.116 Während die Verbraucherzentrale Hessen als Internetredaktion des Portals fungiert,117 obliegt der Verbraucherzentrale Bundesverband die Organisation und Koordinierung, wie beispielsweise die Beantragung der finanziellen Förderung beim Bundesministerium. a) Aufbau des Portals Das Internetportal unterteilt sich in die vier Bereiche „Produkte“, „Informationen“, „Forum“ und „Umfragen“. Unter der Rubrik „Produkte“ finden sich konkrete Lebensmittel, die aus der Sicht der Redaktion ein Täuschungspotenzial aufweisen; im Bereich „Informationen“ sind abstrakt die gesetzlichen Vorgaben zu der Aufmachung und Kennzeichnung von Lebensmitteln erläutert.118 Im Bereich „Forum“ finden sich die redaktionellen Antworten auf eingegangene Verbraucherfragen119 und unter der Überschrift „Umfrage“ erfolgen regelmäßig Verbraucherbefragungen zu der Kennzeichnung von Lebensmitteln.120

115

BMEL, Initiative Klarheit und Wahrheit, S. 1. BMEL, Initiative Klarheit und Wahrheit, S. 8. 117 Hertling, recht 2011, 78 (79); Vz Hessen, Jahresgeschäftsbericht 2011/2012, S. 6. Sämtliche Geschäftsberichte der Vz Hessen sind abrufbar unter www.verbraucher.de/geschaeftsberichte [Stand: 25.06.2017]. 118 Beispielsweise wird der Unterschied zwischen dem Mindesthaltbarkeitsdatum und dem Verfallsdatum erklärt; vgl. www.lebensmittelklarheit.de/informationen/das-mindesthaltbarkeits datum-ist-kein-verfallsdatum [Stand: 25.06.2017]. 119 Beispiele für Verbraucheranfragen sind: „Wie werden Transfette gekennzeichnet?“, „Darf ausgewachsener Hering als Matjes bezeichnet werden?“ und „Enthält Alpenvollmilch­ schokolade Zutaten vom Schwein?“; vgl. www.lebensmittelklarheit.de/forum/transfette, www. lebensmittelklarheit.de/forum/matjes und www.lebensmittelklarheit.de/forum/alpenvollmilch schokolade [Stand jeweils: 25.06.2017]. 120 Eine Verbraucherbefragung befasst sich etwa damit, was der Verbraucher unter dem Begriff „Urmeersalz“ auf Salzverpackungen versteht; abrufbar unter www.lebensmittelklarheit. de/umfragen/begriff-urmeersalz-ist-unklar [Stand: 25.06.2017]. 116

232

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

aa) Veröffentlichungen im Produktbereich Den „Kernbaustein“121 der Website stellt der produktbezogene Bereich dar, der aus den drei Unterkategorien „Getäuscht?“, „Geändert“ und „Erlaubt!“ besteht. Die Verbraucher können dort über ein Formular Lebensmittel melden, deren Aufmachungen oder Kennzeichnungen sie als irreführend empfinden. Die Redaktion veröffentlicht das auf der Verbrauchermeldung basierende (vermeintlich) irreführende Lebensmittel nebst einer eigenen Einschätzung und, soweit vorliegend, der Stellungnahme des Herstellers. Sämtliche im Produktbereich veröffentlichte Lebensmittel sind dauerhaft in einem Archiv abrufbar. (1) „Getäuscht?“ Die Portalredaktion prüft nach dem Eingang einer Verbraucherbeschwerde, ob ein aus ihrer Sicht nachvollziehbares Täuschungspotenzial vorliegt, die Thematik nicht bereits anhand eines anderen Produkts dargestellt ist und sich der Täuschungsvorwurf in den „Graubereich zwischen offensichtlichem Rechtsverstoß und eindeutiger Rechtmäßigkeit“ einordnen lässt.122 Bejaht die Fachredaktion das „gefühlte“ Täuschungspotenzial eines Produkts, gibt sie dem betroffenen Hersteller die Möglichkeit, eine Stellungnahme innerhalb von sieben Tagen abzugeben, wobei sie im Einzelfall, etwa bei ausländischen Herstellern, auch längere Fristen gewährt.123 Diese Äußerungsfrist ist als besondere Nebenbestimmung Nr. 4 in dem aktuellen Zuwendungsbescheid des Bundesministeriums vorgesehen:124 „4. Die Frist, die den Unternehmen im Produkt bezogenen Teil zur Stellungnahme gegeben wird, beträgt grundsätzlich sieben Tage. Wenn im Einzelfall, zum Beispiel bei importierten Produkten, ein zusätzlicher Übersetzungsaufwand, weite Postwege oder sonstige

121 VzBv, Begründung zum Antrag auf Projektverlängerung von „Lebensmittelklarheit 2.0“ v. 27.11.2014, S. 5. 122 Vgl.  www.lebensmittelklarheit.de/ueber/produktdarstellung [Stand: 25.06.2017]. Das BMEL stuft die mangelnde Klarheit dieses Graubereichs als Grund für eine Verunsicherung der Verbraucher ein; die Irreführungen einer Produktaufmachung oder -kennzeichnung lasse sich nicht für jeden Fall zweifelsfrei und aus rein objektiver Sicht feststellen, da der subjektiven Verbraucherwahrnehmung für die Beurteilung eine herausgehobene Stellung zukomme; vgl. BMEL, Initiative Klarheit und Wahrheit – FAQ, S. 1. Diesbezüglich kritisieren Grube /  Immel / Wallau, dass das Vorliegen einer Irreführung anhand objektiver Kriterien zu bestimmen sei, nicht jedoch aufgrund eines „Gefühls“; dies., Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 218. 123 BMEL, Initiative Klarheit und Wahrheit – FAQ, S. 5 f. 124 Die Förderungsanträge nebst Ergänzungen der VzBv sowie die Zuwendungs und Änderungsbescheide des BMEL sind nicht öffentlich einsehbar, liegen der Verfasserin aber auf der Grundlage eines gegenüber dem BMEL geltend gemachten Auskunftsanspruchs nach dem IFG vor. Soweit es im Folgenden auf die Passagen der jeweiligen Anträge bzw. Bescheide ankommt, erfolgt eine wörtliche Wiedergabe – unter Hinweis auf etwaige Schwärzungen – der entsprechenden Stellen.

II. Produktbewertungen

233

deutliche Verzögerungen zu erwarten sind, soll eine entsprechende längere Frist gewährt werden.“125

Nach dem Ablauf dieser Frist126 veröffentlicht die Redaktion die sprachlich bearbeitete Verbraucherbeschwerde unter Abbildung des bildlich aufbereiteten Produkts mit ihrer eigenen Einschätzung sowie der Stellungnahme des Herstellers in dem Portalbereich „Getäuscht?“.127 Ein Beispiel für ein veröffentlichtes Produkt in dieser Rubrik sind die Fruchtgummis der Sorte „Flammende Herzen“ der Bärenland GmbH.128 Charakteristisch für die Fruchtgummis der Bärenland GmbH, die ihre Süßwaren in sogenannten „Bärenland-Läden“ über ein Franchise-System verkauft, ist deren durchsichtige Verpackung mit einem auf der Vorderseite aufgedruckten „Bärensiegel“. Auf den Fruchtgummitüten befindet sich vorderseitig zudem ein Etikett mit der Adresse des jeweiligen „Bärenland“-Ladens und rückseitig ein Etikett mit der Produktbezeichnung nebst Zutatenverzeichnis.129 Das auf dem Portal veröffentlichte Produkt enthält auf dem rückseitigen Etikett die (Sorten-)Bezeichnung „Flammende Herzen“, in etwas kleinerer Schrift den Zusatz „Gummibonbon  – mit scharfer Füllung (19 %) glutenfrei  &  laktosefrei“ sowie das Zutatenverzeichnis.130 In der publizierten Beschwerde moniert eine Verbraucherin, dass im Zutatenverzeichnis keine Zutat erscheine, die für die Schärfe der Fruchtgummis verantwortlich sei; es fehle ein „Warnhinweis“, dass die Bonbons nicht für Kinder geeignet seien. Die Portalredaktion weist in ihrer Bewertung auf die Regelungen der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV)131 hin, wonach Informationen über die Eigenschaft eines Lebensmittels nicht irreführend sein dürfen.132 Da scharfe Lebensmittel für den Verzehr durch Kinder und empfindliche Personen nicht geeignet seien und sich aus dem Zutatenverzeichnis keine für die Schärfe verantwortliche Zutat ergebe, kommt die Verbraucherzentrale zu dem Schluss, dass die Bärenland GmbH auf beiden Seiten der Fruchtgummitüte „deutlich und in großer Schrift auf die Schärfe (…) hinweisen“ sollte. 125

BMEL, Zuwendungsbescheid v.  24.06.2016 für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018, S. 3. 126 Die siebentägige Frist für unverhältnismäßig erachtend Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (117). Demgegenüber die Angemessenheit bejahend Zott, Informationen, S. 457 f. 127 VzBv, Projektantrag „Lebensmittelklarheit“ (Förderung in den Jahren 2016 bis 2018) v. 12.10.2015, S. 9. 128 Vgl.  www.lebensmittelklarheit.de/produkte/baerenland-flammende-herzen [Stand: 25.06.2017]. 129 Vgl. http://shop.baerenland.com/de/Ueber-uns.html [Stand: 25.06.2017]. 130 Vgl.  www.lebensmittelklarheit.de/produkte/baerenland-flammende-herzen [Stand: 25.06.2017]. 131 Verordnung (EU) Nr.  1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 25.10.2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV), zuletzt geändert durch Art. 33 ÄndVO (EU) 2015/2283 v. 25.11.2015 (ABl. Nr. L 327 S. 1). 132 Vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. a) LMIV.

234

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

Aus rechtlicher Sicht ist diese Einschätzung äußerst befremdlich, da die Kennzeichnung des Produkts den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Die Verpackung enthält sämtliche Pflichtangaben, darunter die (beschreibende) Bezeichnung des Lebensmittels und das Zutatenverzeichnis (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a), lit. b), 17 Nr. 1, A rt. 18 Nr. 1 LMIV) in der vorgeschriebenen Schriftgröße (vgl. Art. 13 Nr. 2 LMIV). Ein „Warnhinweis“ für Kinder ist aus lebensmittelrechtlicher Sicht genauso wenig erforderlich wie ein nochmaliger Hinweis auf die Schärfe der Bonbons. Die geschmackliche Schärfe, die im Übrigen jeder Verbraucher unterschiedlich wahrnehmen dürfte, lässt sich – gut lesbar – aus der rückseitigen Produktbezeichnung entnehmen. Von einem aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbraucher darf erwartet werden, die Sorten- und Produktbezeichnung zu lesen, zumal diese bei allen in den „Bärenland“-Läden erhältlichen Fruchtgummitüten auf der Rückseite angeben ist. Eine Irreführung über die Produkteigenschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 LMIV i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB liegt nach alldem nicht vor. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass für die Portalveröffentlichungen und -bewertungen nicht die gesetzlichen Vorgaben zur lebensmittelrechtlichen Kennzeichnung respektive zum Täuschungsschutz entscheidend sind, sondern allein die Nachvollziehbarkeit einer „gefühlten“, rein subjektiven, Täuschung aus Sicht der Portalredaktion.133 Letzteres wirft die Frage nach dem Verbraucherleitbild im Lebensmittelbereich auf. Die Verbraucherzentralen scheinen (jedenfalls im vorgenannten Beispiel) von dem überholten Leitbild des flüchtigen Verbrauchers auszugehen,134 der nicht in der Lage ist, einen rückseitig aufgebrachten Hinweis auf die Geschmacksrichtung zu lesen, und vor sich selbst geschützt werden muss. Die Einschätzung der Portalbetreiber steht damit in einem erheblichen Widerspruch zu der Rechtsprechung des EuGH und des BGH, wonach für die Beurteilung einer Irreführung von einem verständigen, informierten und aufmerksamen Durchschnittsverbraucher auszugehen ist.135 Ergänzend zu einer Veröffentlichung in der Kategorie „Getäuscht?“ behält sich die Redaktion die Einschaltung der Lebensmittelüberwachung vor, wenn sie weitere Konsequenzen für erforderlich hält.136 Zusätzlich mahnen die Verbraucherzentralen die Produktanbieter ab.137 So wurden seit dem Start des Portals im Jahr 2010 insgesamt 63  Abmahnungen ausgesprochen, von denen nach Angaben der Ver 133 Martini / Kühl, DÖV 2013, 573 (581); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 173. Darauf hinweisend, dass die Bezeichnung der Kategorien „Erlaubt!“ und „Getäuscht?“ auf eine rechtliche Bewertung durch die Portalbetreiber schließen lasse, Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 218. 134 So insgesamt auch Akkermann / Grundmann, LMuR 2011, 117 (121). 135 EuGH, Urt. v. 04.06.2015, C-195/14, LMuR 2015, 125 (128 Rn. 36 f.); BGH, GRUR 2016, 739 (739 Rn.  15b); zum Verbraucherleitbild Abbé, Verbraucherschutz, S.  53 f.; Rützler, in: Streinz, LebensmittelR-Hdb, II Rn. 21; Albers, in: Jantke / Lottermoser / Reinhardt / Rothe / Stöver, Nachhaltiger Konsum, S. 167 (171 ff.). 136 Vgl. www.lebensmittelklarheit.de/ueber/vorgehensweise [Stand: 25.06.2017]. 137 VzBv, Projektantrag „Lebensmittelklarheit“ (Förderung in den Jahren 2016 bis 2018) v. 12.10.2015, S. 5.

II. Produktbewertungen

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braucherzentrale Hessen 48 „Erfolg“ hatten,138 d. h., für diese wurde (wohl) jeweils eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Nach welchen Kriterien die Verbraucherzentralen entscheiden, ob sie die Hersteller zusätzlich zu der Portalveröffentlichung abmahnen, und ab wann sie die Lebensmittelüberwachung einschalten, lässt sich anhand der (wenigen) öffentlich verfügbaren Dokumenten nicht nachvollziehen. (2) „Geändert“ Wenn der Hersteller infolge der Veröffentlichung Änderungen am Produkt vornimmt, verschiebt die Portalredaktion diese mit einer neuen Einschätzung in die Rubrik „Geändert“, wo ein Vorher / NachherVergleich zwischen der ursprünglichen und der geänderten Aufmachung möglich ist.139 Die bereits angeführte Publikation des Produkts „Leicht & Cross Goldweizen“ des Unternehmens Griesson de Beukelaer bietet ein Beispiel für diese Kategorie.140 Ein Verbraucher meldete, dass die auf dem Produkt ausgelobte Anzahl von insgesamt 20 enthaltenen Brotscheiben („Eine Packung enthält 5 Portionen. 1 Portion (4 Scheiben): ca. 26 g“) nicht der tatsächlich enthaltenen Zahl von Brotscheiben entspreche, die je nach Packung bei 16 bis 18 Scheiben liege. Die Verbraucherzentrale sah darin eine Irreführung nach Art. 7 LMIV, die jedoch von Griesson de Beukelaer zurückgewiesen wurde. Die Portalbetreiber mahnten das Unternehmen daher ab und erhoben (erstinstanzlich zunächst erfolglos) Klage auf Unterlassung vor dem Landgericht Koblenz.141 Das OLG Koblenz gab der Verbraucherzentrale in der Berufungsinstanz letztendlich jedoch Recht und verurteilte das Unternehmen dazu, die bemängelte Angabe zu den enthaltenen Portionen zu unterlassen, wenn nicht tatsächlich 20 Scheiben in der Packung enthalten sind.142 Griesson de Beukelaer hat die Portionsauslobung zwischenzeitlich geändert; diese lautet nunmehr „Eine Packung enthält ca. 4 Portionen. 1 Portion (4 Scheiben): ca. 30 g“. Die 138

Vz Hessen, Jahresgeschäftsbericht 2015/2016, S. 10. Vgl. www.lebensmittelklarheit.de/ueber/wo-finde-ich-was [Stand: 25.06.2017]. 140 Siehe hierzu bereits unter B I. 1. d). 141 Das LG Koblenz vertrat die Auffassung, dass für den verständigen Durchschnittsverbraucher allein das (Gesamt)Gewicht des erworbenen Lebensmittels entscheidend sei, das bei dem Produkt „Leicht & Cross Goldweizen“ auch bei weniger als 20 Brotscheiben den angegebenen 125 g entsprach. Daneben führte das LG an, dass auf der Oberseite des Produkts der Aufdruck „Produktionsbedingt kann die Scheibendicke und somit die Anzahl der enthaltenen Scheiben schwanken!“ auf die unterschiedliche Scheibenanzahl hinweise. 142 Das OLG war der Ansicht, dass der Verbraucher aufgrund der getätigten Angabe insgesamt 20 Brotscheiben erwarte, und bejahte einen Unterlassungsanspruch wegen Irreführung auf der Grundlage von §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die irreführende Angabe über die Portionen sei auch nicht mit dem Hinweis auf die Schwankung der enthaltenen Scheibenanzahl zu beseitigen, da dieser erst bei einer Drehung der Packung sichtbar werde und insoweit nicht am Blickfang teilnehme; vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 13.04.2016, 9 U 516/16 [nicht ver­ öffentlicht]. 139

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F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

Verbraucherbeschwerde, die Bewertung der Portalbetreiber, die rechtliche Auseinandersetzung sowie die geänderte Deklaration des Produkts sind im Portalbereich „Geändert“ dokumentiert.143 (3) „Erlaubt!“ Kommt die Portalredaktion bei der Prüfung der Verbrauchermeldung hingegen zu dem Ergebnis, dass bei der Produktaufmachung oder -kennzeichnung die gesetzlichen Vorgaben eingehalten sind, veröffentlicht sie das gemeldete Produkt anbieterneutral durch einen sogenannten „Produkt-Dummie“ in der Kategorie „Erlaubt!“. Mit dieser anonymisierten Produktveröffentlichung soll aufzeigt werden, dass aus Verbrauchersicht Änderungsbedarf für die geltende gesetzliche Regelung besteht.144 In diesem Portalbereich findet sich etwa die anbieterneutrale Abbildung einer Leberwurst, die das Etikett mit der Bezeichnung „Kalbfleisch-Leberwurst“ enthält und deren Zutatenverzeichnis (unter anderem) „38 % Schweinefleisch, 27 % Schweineleber, 15 % Kalbfleisch“ ausweist.145 Da die Wurstbezeichnung einen überwiegenden, wenn nicht sogar ausschließlichen, Kalbfleischanteil suggeriert, sah sich ein Verbraucher getäuscht und meldete ein entsprechendes Produkt. Die Verbraucherzentrale klärt in ihrer Bewertung darüber auf, dass die Bezeichnung „Kalbfleisch-Leberwurst“ nach den (alten) Leitsätzen der Deutschen Lebensmittelbuchkommission146 für ein Produkt korrekt sei, das mindestens zu 15 % aus Kalbfleisch bestehe. Zugleich weist sie darauf hin, dass eine Verbesserung der Leitsätze bereits beschlossen sei, wonach zukünftig der Kalbfleischanteil einer solchen Wurst mindestens 50 % betragen müsse.147 Im Gegensatz zu den Veröffentlichungen in den Rubriken „Getäuscht?“ und „Geändert!“ weisen die Publikationen in der Kategorie „Erlaubt!“ aus rechtlicher Sicht keine Schwierigkeit auf, da sich weder das konkrete Produkt noch der diesbezügliche Hersteller identifizieren lassen.

143

Vgl. www.lebensmittelklarheit.de/produkte/wasa-leicht-cross-goldweizen [Stand: 25.06.2017]. Vgl. www.lebensmittelklarheit.de/ueber/produktdarstellung [Stand: 25.06.2017]. 145 Vgl. www.lebensmittelklarheit.de/produkte/kalbfleisch-leberwurst [Stand: 25.06.2017]. 146 Das Deutsche Lebensmittelbuch ist eine Sammlung von Leitsätzen, welche die Herstellung, die Beschaffenheit und die sonstigen Merkmale von Lebensmitteln beschreiben (vgl. § 15 Abs. 1 LFGB). Es wird von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission ausgearbeitet und vom BMEL veröffentlicht (vgl. §§ 15 Abs. 2, 16 Abs. 1 LFGB). Die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs stellen antizipierte Sachverständigengutachten dar und sind nicht rechtsverbindlich. Sie dienen als Auslegungshilfe, beispielsweise bei Fragen der Verkehrsauffassung oder der Verbrauchererwartung; vgl. Meyer, in: Meyer / Streinz, § 15 LFGB Rn. 8 ff. 147 Vgl. Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse v. 25.11.2015 Nr. 2.11.1. 144

II. Produktbewertungen

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bb) Begleitforschung Um den gesetzlichen Handlungsbedarf im Bereich der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln zu erfassen, ist eine begleitende Verbraucherforschung Bestandteil des Projekts, deren thematische Ausrichtung die Portalbetreiber mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft abstimmen müssen, wie sich aus den besonderen Nebenbestimmungen Nr. 6 und Nr. 7 des aktuellen Zuwendungsbescheids ergibt. „6. Die Themen der Begleitforschung werden vor der Ausschreibung mit o.g. Fachreferat abgestimmt. 7. Bei den „Verbraucherbefragungen“ im Rahmen der Begleitforschung muss es sich um bevölkerungsrepräsentative Befragungen handeln.“148

Mit der Begleitforschung soll untersucht werden, wie die derzeitigen gesetzlichen Regelungen verbessert und die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs gegebenenfalls angepasst werden können.149 Soweit ersichtlich, sind im Rahmen dieser Begleitforschung bisher fünf Studien veröffentlicht worden, die sich schwerpunktmäßig mit der Verbrauchererwartung an die Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln beschäftigen.150 cc) Exkurs: Publikations- und Nutzerzahlen Seit dem Start des Onlineportals „Lebensmittelklarheit“ am 20. Juli 2011 wurden über 900 Produkte veröffentlicht; etwa 50 zu überprüfende Produktmeldungen gehen monatlich bei der Portalredaktion in der Verbraucherzentrale Hessen ein.151 Die größte Zahl an Veröffentlichungen macht die Kategorie „Getäuscht?“ mit 563 Produkten (60,3 %) aus, gefolgt von 314 Produkten in der Kategorie „Geändert“ (33,7 %) und 56 Produkten in der Kategorie „Erlaubt!“ (6 %).152 Diese Zahlen lassen auf ein reges Verbraucherinteresse schließen. 148 BMEL, Zuwendungsbescheid v. 24.05.2016 (für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018), S. 4. 149 Vgl. www.lebensmittelklarheit.de/ueber [Stand: 18.12.2016]. 150 Die fünf Studien stammen allesamt von der Agrifood Consulting GmbH in Zusammen­ arbeit mit der Georg-August-Universität Göttingen. Prof. Dr. Schiller, Inhaber der Professur für „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“ am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung an der Universität Göttingen, ist hierbei zugleich Gründungsgesellschafter der Agrifood Consulting GmbH. Die Studien sind abrufbar unter www.lebensmittelklarheit.de/ eigene-studien/begleitende-verbraucherforschung-alle-ergebnisse [Stand: 18.12.2016]. Zur Kritik am Aufbau und der rechtsdemoskopischen Qualität der Studien Pflüger, ZLR 2014, 279 ff. 151 VzBv, Jahresbericht 2015/2016, S. 47; www.lebensmittelklarheit.de/ueber/aktuelle-zahlen [Stand: 25.06.2016]. Noch von monatlich 200 Produktmeldungen nach Einführung des Portals ausgehend Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 197. 152 Die Zahlen ergeben sich aus der Addition der Veröffentlichungen im (aktuellen) Produkt und Archivbereich [Stand: 25.06.2017].

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F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

Tatsächlich sind die Besucherzahlen des Portals aber rückläufig und nur mit einer hohen medialen Präsenz überhaupt zu halten. Während im November 2014 die monatliche Nutzeranzahl noch bei 71.000 lag,153 erfolgten im November / Dezember 2015 nur noch 60.000 monatliche Seitenaufrufe.154 Im Vergleich dazu lagen beispielsweise die Zugriffszahlen für die Website der Freien und Hansestadt Hamburg (hamburg.de) im Oktober 2016 bei 2,8 Millionen, für das bayerische Landesportal (bayern.by) bei 282.000 und für den Onlineauftritt der SZ (sueddeutsche. de) bei 26 Millionen.155 Die Verbraucherzentrale Bundesverband zieht die zurückgehenden Seitenaufrufe des Portals gegenüber dem Bundesministerium als Begründung für die Notwendigkeit der Stellenaufstockung zum Ausbau der medialen Präsenz des Portals heran. So heißt es in Ergänzung zum Projektantrag für die Jahre 2016 bis 2018 in einer E-Mail der Verbraucherzentrale Bundesverband an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vom 21.03.2016 unter der Überschrift „Begründung zur Stellenaufstockung“: „Die Zugriffszahlen auf das Portal lebensmittelklarheit.de zeigen regelmäßig, dass diese stark von der Presse und Öffentlichkeitsarbeit im Projekt abhängen. Im November / Dezember 2015 hatte lebensmittelklarheit.de – mit aus Kapazitätsgründen geringer projektbegleitender Presse und Öffentlichkeitsarbeit  – Zugriffszahlen von 60.000 Seitenaufrufen pro Monat, mit sinkender Tendenz. Im Januar 2016 war das Portal im Rahmen der Internationalen Grünen Woche mehrfach in den Medien präsent (ARD, RBB-TV, weitere Beiträge in Printmedien). Die Zugriffszahlen schnellten auf über 90.000 Besuche nach oben. Ziel (geschwärzt) ist es, von 2016 an intensiviert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, um die Zugriffszahlen vom Januar konstant zu halten oder sogar zu steigern. Es werden Zugriffszahlen von über 100.000 monatlich angestrebt. Dafür ist es notwendig, umfangreiche Marktchecks zu Produktetikettierungen im Supermarkt vorzunehmen und Themen vom Portal vertieft zu recherchieren. Nur wenn das Projekt der Presse substanzielle Zahlen (Marktcheck, Studien) liefert oder ein Portalthema umfassend vorbereitet (Portalerfahrung kombiniert mit Literaturrecherche), generieren sich daraus entsprechende umfangreiche Veröffentlichungen in den Medien. Für die Vorbereitung, die ergänzende Fachrecherche und die Koordination entsprechender Studien und Marktchecks wird ein deutlicher Mehrbedarf an Stunden erwartet.“156

Der von den Portalbetreibern hervorgehobene Erfolg des Portals spiegelt sich sechs Jahre nach Beginn des Projekts „Lebensmittelklarheit“ damit (jedenfalls) 153

VzBv, Begründung zum Antrag auf Projektverlängerung von „Lebensmittelklarheit 2.0“ v. 27.11.2014, S. 5. 154 VzBv, Ergänzende Erläuterung zum Projektantrag „Lebensmittelklarheit“ (Förderung in den Jahren 2016 bis 2018) via E-Mail v. 21.03.2016. 155 Die Zahlen entstammen der Auswertung der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVV); vgl. http://ausweisung.ivw-online.de/index.php [Stand: 25.06.2017]. 156 E-Mail v. 21.03.2016 der VzBv an das BMEL mit dem Betreff „WG: LMK 2016–2018, Begründung, Gemeinkosten, Stellenaufstock. (geschwärzt)“.

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II. Produktbewertungen

nicht in den Seitenaufrufen der Verbraucher wider. Es lässt sich insoweit kritisch hinterfragen, ob tatsächlich – auch mit weniger intensiver Öffentlichkeitsarbeit – ein breites Interesse seitens der Verbraucher an den Produktveröffentlichungen besteht. b) Projektbezogene und institutionelle staatliche Förderung Die Finanzierung des Onlineportals „Lebensmittelklarheit“ erfolgt als Projektförderung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und ist im Haushaltsplan für das Jahr 2016 unter dem Titel „Information der Verbraucher und Verbraucherinnen“ (Nr. 684 04) ausgewiesen.157 Auf der Grundlage des Förderungsantrags der Verbraucherzentrale Bundesverband erlässt das Bundesministerium einen zweckgebundenen und zeitlich begrenzten Zuwendungsbescheid zur Vollfinanzierung des Portals. Bestandteile des Bescheids sind der Antrag der Verbraucherzentrale nebst etwaigen Ergänzungen und dem Finanzierungsplan, die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung ­(ANBestP)158 sowie die im Bescheid aufgeführten besonderen Nebenbestimmungen (BNbest) zu den Vorgaben aus fachlicher (Nr. 1 bis 13) und haushaltsrechtlicher Sicht (Nr. 14 bis 24 des aktuellen Zuwendungsbescheids). Das Bundesministerium hat bisher die nachfolgenden nicht rückzahlbaren Zuwendungen für das Onlineportal „Lebensmittelklarheit“ bewilligt: Förderungszeitraum

01.09.2010 bis 31.12.2012

01.01.2013 bis 31.12.2014

01.01.2015 bis 31.12.2015

01.01.2016 bis 31.12.2018

Höhe der Zuwendung

983.000,00 €

1.005.409,25 €

398.882,16 €

1.708.488 €

Abbildung 14: Portal „Lebensmittelklarheit“: Zuwendungen durch das 159 BMELV/BMEL Abbildung 14: Portal „Lebensmittelklarheit“: Zuwendungen durch das BMELV  / BMEL In den Zuwendungsbescheiden des Bundesministeriums ist als Besondere Nebenbestimmung festgelegt, dass die Portalbetreiber einen Hinweis auf die staatliche Finanzierung auf der Website aufnehmen müssen: „10. Bei der Durchführung von Veranstaltungen und sonstigen öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen sowie bei der Veröffentlichung von Projektergebnissen ist im Vorfeld mit Referat 215 zu klären, in welcher Weise die Förderung durch das BMEL sichtbar zu machen

157 Bundeshaushaltsplan 2016, Einzelplan 10, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, S. 12 f. 158 Anlage 2 zur VV Nr. 5.1 zu § 44 BHO. 159 BMEL, Initiative Klarheit und Wahrheit, S.  8; Zuwendungsbescheid des BMELV v. 28.03.2013 (für den Zeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2014); 6. Änderungsbescheid des BMEL v. 18.12.2014 (für den Zeitraum 01.01.2015 bis zum 31.12.2015); BMEL, Zuwendungsbescheid v. 24.05.2016 (für den Zeitraum 01.01.2016 bis zum 31.12.2018).

240

F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

ist. Bei allen Veröffentlichungen (z. B. Berichte, Broschüren, Programmhefte, Einladungen, Filmmaterial, Internet) sowie bei Veranstaltungen ist mindestens das Logo des BMEL mit dem Förderungszusatz ‚Gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags‘ einzusetzen. Von allen Veröffentlichungen oder Ausschnitten davon sind dem BMEL unentgeltlich 3 Belegexemplare zur Verfügung zu stellen.“160

In Umsetzung dieser besonderen Nebenbestimmung ist auf der Startseite des Portals „Lebensmittelklarheit“ das Logo des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft mit dem vorgeschriebenen Zusatz auffindbar. Zusätzlich ist am Ende jeder abrufbaren Seite des Portals der Hinweis „Internetportal gefördert im Rahmen der Initiative ‚Klarheit und Wahrheit‘ des Bundes­ ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft“

angebracht, wobei die Worte „Klarheit und Wahrheit“ einen Hyperlink auf die Website des Ministeriums enthalten. Neben der staatlichen Projektförderung erhalten die Portalbetreiber auch für ihre allgemeine Tätigkeit öffentliche Mittel (institutionelle Förderung). Die Verbraucherzentrale Bundesverband und die Verbraucherzentrale Hessen sind als eingetragene Vereine gemeinnützig (im Sinne von § 52 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 16 AO) tätig und verfolgen laut jeweiliger Satzung den Zweck, als Interessenvertretung der Verbraucher zu agieren.161 Der Haushalt beider Verbraucherzentralen beruht dabei zum weit überwiegenden Teil auf staatlichen Zuwendungen. So bestanden die Einnahmen der Verbraucherzentrale Bundesverband in den Jahren 2014 und 2015 zu 97 % aus Mitteln des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV, vormals BMELV162).163 Mit der Förderung der Verbraucherzentrale Bundesverband sollen laut Bundeshaushaltsplan die Verbraucherinteressen wahrgenommen und der Verbraucherschutz gefördert werden. Die Förderung habe eine besondere Bedeutung, da im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes keine staatliche Vollzugszuständigkeit bestehe und die Verbraucher in den meisten Fällen die Durchsetzung ihrer Rechte eigenverantwortlich erreichen müssten.164 Auch die Verbraucherzentrale Hessen finanziert sich zu wesentlichen Teilen aus öffentlichen Mitteln, die sich aus den Zuwendungen des Bundes, der Länder und

160 BMEL, Zuwendungsbescheid v.  24.05.2016 (für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018), S. 4. 161 Gem. § 2 Abs. 1 Satzung VzBv und § 2 Abs. 1 Satzung VZ Hessen. 162 Da die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz erst im Jahr 2013 an das BMJV über­ tragen wurde, war zuvor das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) der Zuwendungsgeber. 163 Der errechnete prozentuale Anteil an staatlichen Zuwendungen beruht auf den veröffentlichten Haushaltszahlen; vgl. VzBv, Jahresberichte 2014/15 (S. 72), 2015/2016 (S. 88). 164 Bundeshaushaltsplan 2016, Einzelplan 7, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, S. 5.

II. Produktbewertungen

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der Kommunen zusammensetzen. Diese machten im Jahr 2014 ca. 81 % und im Jahr 2015 ca. 86 % der Gesamteinnahmen aus.165 Bei der projektbezogenen und institutionellen Finanzierung der Verbraucher­ zentralen handelt es sich um Subventionen zur Förderung der Markttransparenz.166 Unter Subventionen sind vermögenswerte Zuwendung des Staates zu verstehen, die  – ohne eine marktmäßige Gegenleistung  – der Förderung eines im öffentlichen Interesse liegenden Zwecks dienen.167 Da die Geldleistungen nicht rückzahlbar sind, handelt es sich bei den Zuwendungen ihrer Art nach um verlorene Zuschüsse.168 Festzuhalten bleibt, dass sowohl das Portal als auch die Verbraucherzentralen als Portalbetreiber ohne die staatliche Subventionierung nicht bestehen könnten.169 Das Projekt „Lebensmittelklarheit“ stellt sich damit aufgrund der vollständigen Abhängigkeit von der staatlichen Finanzierung als eine neuartige Form des mittelbaren staatlichen Informationshandelns dar,170 bei der die Publikation in der Hand von Privatrechtssubjekten liegt und der Staat nur noch als Finanzier fungiert. Die Verbraucherzentralen als private Informationsgeber vertreten hierbei einseitig allein die Interessen der Verbraucher. c) Einflussnahme des BMEL Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft betont, dass die Entscheidung, ob und in welcher Kategorie eine Meldung auf dem Portal „Lebensmittelklarheit“ veröffentlicht wird, der eigenständigen und eigenverantwortlichen Entscheidung der Portalbetreiber obliege.171 Auch wenn damit eine direkte inhaltliche Einflussnahme auf die Veröffentlichungen nicht bestehen mag, legt das Bundesministerium durch die besonderen Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheids doch mittelbare fachliche Vorgaben für die Portalbetreiber fest.172 Hierzu zählen

165 Vz Hessen, Geschäftsberichte 2014 (S. 15) und 2015 (S. 16). Zu den sonstigen Einnahmen zählen Beratungsentgelte, Einnahmen aus Vorträgen, Seminaren, dem Verkauf von Ratgebern und Infomaterial, Spenden, Geldauflagen sowie sonstige Einnahmen und Rückerstattungen. 166 A. A. wohl Honegg, die Fragen der Finanzierung mit den Voraussetzungen einer Beleihung vermengt; vgl. dies., Verbraucherinformation, S. 297 f. 167 Zu den Merkmalen von Subventionen Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 649; Maurer, AllgVerwR, § 17 Rn. 5. 168 Zu verlorenen Zuschüssen etwa Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 686 ff.; Maurer, AllgVerwR, § 17 Rn. 56. 169 Böhm in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 83. 170 Martini / Kühl, DÖV 2013, 573 (580); Girnau / Wallau, ZLR 2011, 517. 171 Vgl. www.lebensmittelklarheit.de/ueber/vorgehensweise [Stand: 25.06.2017]; BMEL, Initiative Klarheit und Wahrheit – FAQ, S. 4. 172 In diese Richtung auch Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  E Rn. 224.

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F. Verbraucherinformationen in der Verwaltungspraxis 

zunächst allgemeine Leitlinien zum sachbezogenen und fairen Meinungsaustausch auf dem Portal. „1. Die Projektleitung sowie Redaktion und Moderatoren des Internetportals müssen dafür sorgen, dass das Internetportal einen fairen, sachbezogenen Meinungsaustausch zwischen den Beteiligten hervorbringt. 2. Um einen fairen Meinungsaustausch zu gewährleisten, sind zum Zweck der im Rahmen des Moduls 1 angestrebten Vereinbarung Gespräche vorrangig mit den Herstellern der in Rede stehenden Produkte zu führen.“173

Des Weiteren bestimmt der aktuelle Zuwendungsbescheid Vorgaben für die Aufmachung des Portals. Dies betrifft zum einen die Angabe des Logos des Bundesministeriums mit dem Hinweis auf dessen finanzielle Förderung (vgl. Nr. 10, s. o.) und zum anderen die Kenntlichmachung des Portals als Forum zum Informations und Meinungsaustausch. „3. Der Zuwendungsempfänger muss auf den Seiten des Internetportals deutlich machen, dass das Internetportal als Informations- und Meinungsforum zur Vermeidung von Irreführung und Täuschung bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln dienen soll.“174

Aus verfahrensrechtlicher Sicht legt das Bundesministerium die bereits angesprochene siebentägige Frist zur Stellungnahme des Herstellers fest (Nr. 4 BNBest, s. o.). Neben diesen allgemein gehaltenen Formulierungen enthält der Bescheid auch genauere Vorgaben zu den Veröffentlichungen auf der Website „Lebensmittelklarheit“. So darf die Nennung konkreter Produkte nicht unter der Rubrik „Forum“ des Portals erfolgen, sondern allein im produktbezogenen Bereich. Zudem gibt das Ministerium vor, dass eine anbieterneutrale Produktveröffentlichung zu wählen ist, wenn die Aufmachung / Kennzeichnung des bemängelten Produkts auf einer durch Ländergremien initiierten Verwaltungspraxis beruht. „8. Die Internetredaktion / Moderation muss dafür sorgen, dass Beiträge, die sich auf konkrete Produkte oder Hersteller beziehen, in den produktbezogenen Teil verwiesen werden und nicht z. B. im Diskussionsbereich veröffentlicht werden.

173 BMEL, Zuwendungsbescheid v. 24.05.2016 (für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018), S. 3. Erklärung zu „Modul 1“: Die angestrebten Projektmaßnahmen der VzBv sind im Zuwendungsantrag für die Jahre 2016 bis 2018 in drei Module unterteilt. Das Modul 1 trägt den Titel „Produktveröffentlichungen und Informationen zu Kennzeichnungsthemen auf lebensmittelklarheit.de“, Partizipation der Verbraucher“, das Modul 2 „Generierung von Evidenz zu Verbrauchererwartungen in Bezug auf die Lebensmittelinformation durch Verbraucherforschung“ und das Modul 3 „Verbesserung der Kennzeichnungspraxis von Unternehmen durch Öffentlichkeitsarbeit und Dialog“; vgl. VzBv, Projektantrag „Lebensmittelklarheit“ (Förderung in den Jahren 2016 bis 2018) v. 12.10.2015, S. 8 ff. 174 BMEL, Zuwendungsbescheid v. 24.05.2016 (für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018), S. 3.

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9. In Fällen, in denen es Verbraucherbeschwerden zu gefestigtem Verwaltungshandeln auf der Grundlage bekannter Beschlüsse von Ländergremien wie ALS (Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger oder Länder und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) und ALTS (Arbeitskreis der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der vom Tier stammenden Lebensmittel tätigen Sachverständigen) gibt, wie bereits zu alkoholfreien Bier, sind diese anbieterneutral im Portal darzustellen.“175

Noch weiter führen die staatlichen Vorgaben in Bezug auf die ebenfalls bereits betrachtete Begleitforschung zum Portal, die in Form von Verbraucherbefragungen die Bevölkerung repräsentieren muss und vor allem inhaltlich mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft abzustimmen ist (vgl. Nr. 6, Nr. 7 BNBest, s. o.). Als weitere Bestimmungen sind die im Zuwendungsbescheid festgesetzten Berichts und Mitwirkungspflichten der Portalbetreiber zu nennen. Neben Änderungen am Aufbau und Konzept des Portals haben die Portalbetreiber dem Ministerium auch aus den Verbrauchermeldungen ablesbare wichtige Erkenntnisse und Entwicklungstendenzen mitzuteilen und die Ergebnisse der Begleitforschung vor der Publikation zu überlassen. Daneben behält sich das Bundesministerium über den Förderungszeitraum hinaus die Nutzung und Verwertung sämtlicher Plattforminhalte und Ergebnisse der Begleitforschung vor. „5. Änderungen am Konzept oder der Struktur des Internetportals sind rechtzeitig vor der Freischaltung dem zuständigen Fachreferat im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Referat 215, zur Freigabe zu übermitteln.“176 „11. Berichtspflichten: Wichtige Ergebnisse des Portals oder Trends der Verbrauchermeinung werden dem Re­ ferat 215 umgehend übermittelt. Sofern die Erkenntnisse aus dem Portal aus Sicht des Zuwendungsempfängers auf Handlungsbedarf seitens des BMEL schließen lassen, informiert er umgehend und rechtzeitig vor einer Veröffentlichung das o.g. Fachreferat. Die vollständigen Ergebnisse der Begleitforschung werden dem o.g. Fachreferat vor ihrer Veröffent­ lichung zur Verfügung gestellt. Zum Ablauf der Hälfte der Projektlaufzeit übermittelt der Zuwendungsempfänger dem BMEL einen Zwischenbericht (T. 15.06.2017), in dem er insbesondere über den Erfolg der Dialogrunden mit der Wirtschaft berichtet. Sollten Dialogrunden sich nicht als das geeignete Instrument erweisen, mit dem das Ziel dieser Gespräche erreicht werden kann, ist in dem Bericht ein Vorschlag zu machen, wie das Ziel auf anderem Wege erreicht werden soll. 12. Mitwirkungspflichten: Der vzbv ist verpflichtet, in dem projektbegleitenden Beratergremium der Initiative ‚Klarheit und Wahrheit bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln‘, das sich nach Bedarf auf Einladung des BMEL trifft, mitzuwirken und den Teilnehmern auf Nachfrage Bericht über das Internetportal zu erstatten sowie bei Bedarf an weiteren Gre 175

BMEL, Zuwendungsbescheid v. 24.05.2016 (für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018), S. 4. 176 BMEL, Zuwendungsbescheid v. 24.05.2016 (für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018), S. 3.

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mien teilzunehmen, wie z. B. den Präsidiumssitzungen der Deutschen Lebensmittelbuchkommission. 13. Das BMEL behält sich die Nutzung und Verwertung der erstellten Portalinhalte und Forschungsergebnisse während und über das Ende des Zuwendungszeitraums hinaus vor. Auch nach Ende der Projektlaufzeit dürfen die Portalinhalte nur im Sinn des BMEL verwendet werden. BMEL ist berechtigt, die Werke in sämtlichen Medien zu veröffent­lichen und auszuwerten, einschließlich des Rechts, Zusammenfassungen zu erstellen und zu veröffentlichen.“177

Auch aus der jeweiligen Zweckbestimmung der finanziellen Zuwendungen lassen sich mittelbare staatliche Vorgaben zur thematischen Ausrichtung entnehmen. So dient die finanzielle Förderung des Projekts „Lebensmittelklarheit“ der Vermittlung unabhängiger Informationen zu den Themen Ernährung, Lebensmittel, Sicherheit und Gesundheit zur Stärkung der Verbraucherpositionen.178 Die unter den Haushaltstitel „Zuschüsse an die Vertretung der Verbraucher“ (Nr. 68401) des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz fallende institutionelle Unterstützung der Verbraucherzentralen zielt auf die Wahrnehmung der Verbraucherinteressen, die Förderung des Verbraucherschutzes und die Stärkung der Stellung der Verbraucher in der Marktwirtschaft.179 Die Nebenbestimmungen belegen, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft keinen direkten inhaltlichen Einfluss auf die Produktveröffentlichungen des Onlineportals „Lebensmittelklarheit“ ausübt. Mittels der besonderen Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheids beeinflusst das Ministerium aber jedenfalls mittelbar die generelle Umsetzung, Verfahrens und Darstellungsweise der Publikationen. Mit der Zweckgebundenheit der Projektfinanzierung und der institutionellen Förderung der Portalbetreiber sind zudem staatliche Vorgaben für die generelle thematische Ausrichtung der Informationstätigkeit gesetzt. 2. Portalbetrieb: Abgrenzung zwischen öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem Handeln Der private Betrieb der Onlineplattform „Lebensmittelklarheit“ bei der gleichzeitigen Vollfinanzierung durch das Bundesministerium wirft die Frage nach der Rechtsnatur des Handelns der Portalbetreiber auf. Zu untersuchen ist, ob die Veröffentlichungen dem Staat zuzurechnen sind oder ob nicht vielmehr die Verbraucherzentralen eigenverantwortlich (privat oder öffentlichrechtlich) publizieren. Hinter der verwaltungsrechtlichen Fragestellung nach dem Rechtsweg steht hierbei die 177 BMEL, Zuwendungsbescheid v. 24.05.2016 (für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018), S. 4 f. 178 Bundeshaushaltsplan 2016, Einzelplan 10, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, S. 12 f. 179 Bundeshaushaltsplan 2016, Einzelplan 07, Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, S. 7.

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verfassungsrechtliche Problematik der Grundrechtsbindung.180 Da die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG allein die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung binden, sind Privatrechtssubjekte grundsätzlich grundrechtsberechtigt, nicht jedoch grundrechtsverpflichtet.181 Eine unmittelbare Drittwirkung im Sinne einer vollständigen Grundrechtsbindung von Privaten ist abzulehnen, da dies eine privatautonome Gestaltung individueller Rechtsbeziehungen unmöglich machen würde.182 Die Verbraucherzentralen als Portalbetreiber sind folglich selbst nicht Grundrechtsadressaten und können sich im Gegensatz zum Ministerium auf die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berufen.183 Anders fiele die grundrechtliche Bewertung hingegen aus, wenn die Portalbetreiber als Beliehene agieren würden. Beliehene haben die Stellung eines Verwaltungsträgers inne und sind an öffentlich-rechtliche Vorschriften und damit auch an die Grundrechte gebunden; die Verbraucherzentralen wären in dieser Konstellation folglich nicht grundrechtsberechtigt, sondern grundrechtsverpflichtet.184 Demgegenüber bliebe bei einer Stellung als Verwaltungshelfer allein die Behörde grundrechtsverpflichtet, in deren Auftrag und nach deren Weisung die Verwaltungshilfe erfolgt.185

180

Di Fabio, JuS 1997, 1 (3). Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 99; Dreier, in: ders., GG, Bd. 1, Art. 1 III Rn. 38; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 116. Im Grundgesetz begründet Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG ausnahmsweise eine Verpflichtung auch zwischen Privaten. Der seltene Fall einer unmittelbaren Drittwirkung findet sich auch in einzelnen Bestimmungen der Landesverfassungen; erwähnenswert sind hier etwa Art. 110 Abs. 1 S. 2, Art. 141 Abs. 3 S. 1, Art. 170 Abs. 2 BV sowie Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 BbgVerf. 182 Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  1  Abs.  3 Rn.  59; Dreier, in: ders., GG, Bd.  1, Vorb. Rn.  98; Hufen, Grundrechte, § 7 Rn.  8; vgl. zum historischen Hintergrund Rüfner, in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR V, § 197 Rn. 90; zur mittelbaren Drittwirkung sogleich, s. § 6 II. 4. a). 183 Böhm, in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 89, 91; Dolde, ZHR 2010, 517 (521); Grube /  Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 199; Heuer, in: Martínez, Göttinger Onlinebeiträge, S. 7; vgl. allgemein zu Bewertungsportalen und den Grundrechten der Bewertenden Schröder, VerwArch 2010, 205 (212). Es ließe sich indes ebenfalls argumentieren, dass die Verbraucherzentralen selbst Grundrechtsadressaten sind, da für sie aufgrund der staatlichen Vollfinanzierung keine grundrechtstypische Gefährdungslage besteht und sie dem BMEL nicht in einer Außenrechtsbeziehung gegenüber treten; mit dieser Argumentation wäre Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG auf die Verbraucherzentralen bereits dem Wesen nach (Art. 19 Abs. 3 GG) nicht anwendbar. 184 Burgi, in: FS H. Maurer, S. 581 (594); Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 3 Rn. 39; Ehlers / Schneider, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 40 Rn. 276 f.; Groß, in: HoffmannRiem / SchmidtAßmann / Voßkuhle, GVwR I, § 13 Rn. 90; Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 56, 58; Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 60. 185 Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 3 Rn. 40; Ehlers / Schneider, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 40 Rn. 285; F. Kirchhoff, in: FS Rengeling, S. 127 (129). 181

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a) Portalbetreiber als Beliehene? Unter einer Beleihung ist die Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf Rechtssubjekte des Privatrechts zur Erfüllung einer staatlichen Aufgabe zu verstehen.186 Der Beliehene bleibt statusmäßig Privatrechtssubjekt, das jedoch im Umfang seiner Beleihung dazu befugt ist, hoheitliche Maßnahmen in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts in eigenem Namen wahrzunehmen, wie etwa den Erlass von Verwaltungsakten oder den Abschluss von Verwaltungsverträgen.187 In seinem Kompetenzbereich ist der Beliehene als Verwaltungsträger und Behörde (im funktionellen Sinne) gemäß § 1 Abs. 4 VwVfG zu qualifizieren.188 Kraft der Beleihung ist der Beliehene zur Wahrnehmung der übertragenen staatlichen Aufgabe berechtigt und verpflichtet,189 wobei er der Fach- oder zumindest der Rechtsaufsicht des beleihenden Hoheitsträgers unterliegt.190 Da die Beleihung eine Übertragung von Hoheitsrechten zum Gegenstand hat, bedarf sie eines formellen Gesetzes, das Art und Umfang des öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses zwischen Beleihendem und Beliehenem regelt.191 Für die rechtliche Bewertung der Plattform „Lebensmittelklarheit“ ist bereits zweifelhaft, ob die Portalbetreiber eine staatliche Aufgabe wahrnehmen.192 Im Gegensatz zu einer Warnung zur Gefahrenabwehr, bei der es sich aufgrund der staatlichen Schutzpflicht für Leib und Leben aus Art. 2 Abs. 2 GG eindeutig um eine hoheitliche Aufgabe handelt, besteht bei Verbraucherinformationen keine verfassungsrechtliche Pflicht zum Tätigwerden des Staates.193 Insoweit mag die Aufklärung der Verbraucher und die Herstellung von Markttransparenz zwar eine öffentliche Aufgabe194 im Interesse der Allgemeinheit darstellen; es handelt sich jedoch 186

Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266 (299 Fn. 137); Weisel, Beleihung, S. 66. Burgi, in: Erichsen / Ehlers, AllgVerwR, § 10 Rn.  24; Burgi, in: FS H.  Maurer, S.  581 (585); Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis, S. 21; F. Kirchhoff, in: FS Rengeling, S. 127 (129); Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 56. 188 Vgl. zum Behördenbegriff Dreier, in: Dreier, GG, Bd.  1, Art.  1  Abs.  3 Rn.  39; Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 56, 58; Ehlers / Schneider, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 40 Rn. 277. 189 Die am häufigsten genannten „klassischen“ Anwendungsfälle für Beliehene sind der Jagdaufseher, der Bezirksschornsteinfeger und der TÜV-Sachverständige; vgl. Burgi, in: FS H. Maurer, S. 581 (582); Schmidt am Busch, DÖV 2007, 533 (534); Sodan, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 40 Rn. 360. 190 Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis, S. 192; Groß, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann /  Voßkuhle, GVwR  I, § 13 Rn.  90; Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn.  57; Trute, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR I, § 6 Rn. 92. 191 Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis, S. 24; F. Kirchhoff, in: FS Rengeling, S. 127 (129); Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn.  57; Trute, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, GVwR I, § 6 Rn. 92. 192 Wegmer, Informationstätigkeit, S.  177; allgemein zur staatlichen Aufgabe im Zusammenhang mit der Beleihung Stadler, Beleihung, S. 20 ff. 193 Hierzu bereits unter D. I. 3.; a. A. wohl Honegg, Verbraucherinformation, S. 295. 194 Vgl. zur Unterscheidung zwischen „Staatsaufgabe“, „öffentlicher Aufgabe“ und „Verwaltungsaufgabe“ Weisel, Beleihung, S. 59 ff. 187

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nicht um eine mittels eines Beleihungsakts übertragungsfähige Staats­aufgabe.195 Ohne hierauf näher einzugehen, wird indes im rechtswissenschaftlichen Schrifttum vereinzelt die Beliehenenstellung der Verbraucherzentralen aufgrund der staatlichen Vollfinanzierung des Portals bejaht.196 Als Argument heißt es, dass sich das Bundesministerium mit der Finanzierung indirekt für das Handeln der Portalbetreiber verbürge.197 Die Vertreter dieser Auffassung verkennen jedoch, dass die staatliche Vollfinanzierung des Portals als solche keinen Beleihungsakt darstellt.198 Eine projektbezogene staatliche Förderung, sei es in Form der Teil- oder der Vollfinanzierung, führt nicht als eine Art Automatismus zu einer Übertragung von Hoheitsrechten auf den privaten Zuwendungsempfänger.199 Ansonsten würde jede Form der staatlichen Förderung eine Beleihung darstellen. Im Übrigen besteht für das Handeln der Portalbetreiber bereits keine gesetzliche Ermächtigung, die das vermeintliche öffentlich-rechtliche Auftragsverhältnis zwischen den Portalbetreibern und dem Bundesministerium ausgestaltet. Auch wenn in der juristischen Kommentarliteratur vertreten wird, dass ein Mangel der Beleihung grundsätzlich nicht deren Rechtsnatur berühre,200 stellt das vollständige Fehlen eines Beleihungsakts respektive einer gesetzlichen Ermächtigung ein Indiz dafür dar, dass der Staat keine Hoheitsrechte übertragen wollte und auch keine übertragen hat. Ohne eine gesetzliche Grundlage ließe sich allenfalls von einer „faktischen Beleihung“ sprechen.201 Insoweit stellt sich die Frage, ob die für eine (faktische) Beleihung charakteristischen Anhaltspunkte, wie eine staatliche Aufsichtsbefugnis und ein hoheitliches Auftreten des (vermeintlich) Beliehenen, vorliegen. aa) Keine Aufsicht durch das BMEL Die Mittel der staatlichen Rechts und Fachaufsicht bestehen in präventiver Hinsicht aus Anzeige und Genehmigungsvorbehalten und aus repressiver Sicht aus Beanstandungen, Anordnungen oder Ersatzvornahmen.202 Diese Mittel stehen dem Bundesministerium gegenüber den Portalbetreibern nicht zu. Das Ministerium 195 Wegmer, Informationstätigkeit, S. 177 f.; zum Begriff der „Staatsaufgabe“ Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 44, 61. 196 Hahn / Wellmann, Informationshandeln, S.  38; in diese Richtung ebenfalls Akkermann / Grundmann, LMuR 2011, 117 (123). 197 Hahn / Wellmann, Informationshandeln, S. 38. 198 So auch Gurlit, ZRP 2015, 16; Wegmer, Informationstätigkeit, S. 176. 199 Uddin, Verbraucherinformation, S. 86; Wegmer, Informationstätigkeit, S. 176. 200 Vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 40 Rn.  14  Fn.  55; a. A. etwa BVerwG, DVBl 1970, 735 (736), wonach eine Beleihung allein durch oder auf Grund eines Gesetzes durch Verwaltungsakt erfolgen kann. 201 Burgi, in: FS H. Maurer, S. 581 (588 f.). 202 Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn.  19 ff.; ausführlich Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis, S. 154 f.

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nimmt insoweit keinen Einfluss auf die Inhalte der Portalveröffentlichungen; es obliegt der eigenverantwortlichen Entscheidung der Portalbetreiber, welche Verbrauchermeldung sie veröffentlichen und welche nicht.203 Weder sind die Verbrauchermeldungen und die diesbezüglichen Einschätzungen der Verbraucherzentralen dem Bundesministerium (präventiv) vorzulegen, noch ist dieses (repressiv) dazu ermächtigt, die Löschung einzelner Veröffentlichungen anzuordnen.204 Eine Aufsichtsbefugnis lässt sich auch nicht damit begründen, dass die über das Portal gesammelten Informationen nach Ende der Förderungszeit dem Ministerium zur Verfügung zu stellen sind (vgl. BNBest Nr. 13, s. o.).205 Mit dieser Nebenbestimmung sichert sich das Ministerium allein nachträglich die (abgeschlossenen) Ergebnisse der Arbeit der Verbraucherzentralen, nimmt aber keinen inhaltlichen Einfluss auf deren Publikationen. Rechtlich sind die Nebenbestimmungen als Zweckbestimmungen zu qualifizieren, deren Nichteinhaltung den Widerruf des Zuwendungsbescheids gemäß § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwVfG zur Folge haben können, nicht aber die nachträgliche Beanstandung einer Portalveröffentlichung. Die Nebenbestimmungen üben daher zwar einen faktischen Einfluss auf die Gestaltung des Portals und die dortigen Veröffentlichungen aus, statuieren aber keine inhaltlichen Kontrollmöglichkeiten.206 Mit den Mitteln der staatlichen Aufsicht sind die Vorgaben des Bundesministeriums folglich keinesfalls vergleichbar. bb) Kein Auftreten als Hoheitsträger Ergänzend zu den Portalveröffentlichungen sprechen die Verbraucherzentralen gegenüber den Herstellern monierter Produkte Abmahnungen aus. Sie bedienen sich damit eines zivilrechtlichen, bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten zum Einsatz kommenden Instrumentariums und treten gerade nicht hoheitlich sanktionierend auf, wie etwa im Falle der Verhängung einer Geldbuße.207 Gegen ein hoheitliches Auftreten als Verwaltungsträger spricht auch die Gestaltung des Portals „Lebensmittelklarheit“. Die Portalwebsite entspricht grafisch den Internetauftritten der Verbraucherzentralen der Bundesländer und des Bundesverbands, indem auf jeder abrufbaren Seite am oberen linken Rand das rot hinterlegte

203

Vgl. auch Wegmer, Informationstätigkeit, S. 175. Akkermann / Grundmann argumentieren, dass eine staatliche Kontrollmöglichkeit der Verbraucherzentralen geschaffen werden müsse, und nehmen daher ein Beliehenenverhältnis an; eine substantiierte Überprüfung der Voraussetzungen einer Beleihung erfolgt jedoch nicht; vgl. dies., LMuR 2011, 117 (123). 205 In diese Richtung aber Hahn / Wellmann, Informationshandeln, S. 38. 206 So auch Wegmer, Informationstätigkeit, S. 175. 207 Voit, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 121 (128); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 175; Gurlit, ZRP 2015, 16. 204

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Logo mit dem weißen Schriftzug „Verbraucherzentrale“ erscheint. Hierbei handelt es sich um die eingetragenen Wort-Bildmarken der Verbraucherzentrale Bundesverband,208 die alle Verbraucherzentralen für die Kennzeichnung ihrer Tätigkeiten nutzen. Das Onlineportal reiht sich damit gestalterisch in die weiteren Projekte und Internetauftritte der Verbraucherzentralen ein, die diese allesamt rein privatrechtlich betreiben, mithin ohne die Ausübung von Hoheitsbefugnissen. Im Schrifttum findet sich die Auffassung, dass der am Ende jeder abrufbaren Seite des Portals befindliche Hinweis „Internetportal gefördert im Rahmen der Initiative ‚Klarheit und Wahrheit‘ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft“

eine Beliehenenstellung der Portalbetreiber begründen könne.209 Diese Ansicht übersieht jedoch, dass der Hinweis nicht etwa ein hoheitliches Auftreten der Verbraucherzentralen zum Ausdruck bringt, sondern lediglich über die öffentliche Finanzierung des Portals aufklärt. Letzteres ist als Besondere Nebenbestimmung (vgl. Nr. 10, s. o.) im Zuwendungsbescheid des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft festgelegt und damit Voraussetzung für die Projektförderung. Ein hoheitliches Auftreten lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Das Ministerium vergleicht das Portal zudem mit der Stiftung Warentest,210 einer von der Bundesrepublik errichteten und finanziell geförderten Stiftung des Privatrechts, die Waren und Dienstleistungen verschiedener Anbieter nach wissenschaftlichen Methoden von unabhängigen Institutionen untersuchen lässt und die Ergebnisse in Form vergleichender Tests veröffentlicht.211 Die Stiftung besteht aus einem Vorstand, einem Verwaltungsrat und einem Kuratorium, wobei Letzterem eine beratende Funktion zukommt. Das Kuratorium kann Vorschläge für Untersuchungen und Tests einbringen und diesen widersprechen. Die paritätische Struktur des Kuratoriums, bestehend aus jeweils sechs Verbrauchervertretern, Wirtschaftsvertretern sowie neutralen Sachverständigen, gewährleistet die Objektivität und Neutralität der publizierten Testergebnisse.212 Die Stiftung Warentest stellt sich damit, im Gegensatz zu den Betreibern des Portals „Lebensmittelklarheit“, nicht als reine Interessenvertretung der Verbraucher dar. Die Informationstätigkeit der Stiftung Warentest ist hierbei nicht als Ausübung öffentlicher Gewalt zu qualifizieren. Es

208 Vgl. die beiden Unionsmarken EM 006616734 und EM 007530777 (auffindbar über das Markenregister „eSearch“ des EUIPO). 209 So Akkermann / Grundmann, LMuR 2011, 117 (123). Widersprüchlich Honegg, die eine Zurechnung des Portalbetriebs zum BMEL genauso wie das Vorliegen einer Beleihung bejaht; vgl. dies., Verbraucherinformation, S. 296 f. Honegg verkannt insoweit, dass ein Beliehener selbst als Hoheitsträger agiert und insoweit keine gesonderte Zurechnung erforderlich ist. 210 BMEL, Initiative Klarheit und Wahrheit, S. 9. 211 Vgl. www.test.de/unternehmen/ueberuns/ [Stand: 25.06.2017]. Ausführlich zur Stiftung Warentest Heyers, AfP 2017, 118 (120 ff.); Philipp, Verbraucherinformation, S. 28 ff. 212 Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (118); Philipp, Verbraucherinformation, S. 30; Dolde, ZHR 2010, 517 (523), auch zum Folgenden.

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ist anerkannt, dass die durch die veröffentlichten Tests betroffenen Unternehmen allein über das Zivilrecht geschützt werden.213 Die vergleichende Bezugnahme des Bundesministeriums auf die Stiftung Warentest verdeutlicht damit, dass das Ministerium selbst davon ausgeht, dass die Verbraucherzentralen als Privatrechtssubjekte agieren und insofern keine Beleihung vorliegt.214 Der Vergleich des Ministeriums überzeugt dabei inhaltlich freilich nicht, da das Portal aufgrund der strukturellen Unterschiede nicht mit der Ausgestaltung der Stiftung vergleichbar ist. Aus diesem Grund kann sich die Bundesregierung zur Rechtfertigung der noch näher zu untersuchenden staatlichen Finanzierung des Portals auch nicht auf die Stiftung Warentest beziehen.215 Darüber hinaus entspricht auch die Finanzierungsstruktur des Portals Lebensmittelklarheit nicht der üblichen finanziellen Ausgestaltung von Beleihungsrechtsverhältnissen. Bei einer Beleihung fallen die mit der Wahrnehmung der staatlichen Aufgabe verbundenen laufenden Kosten dem beliehenen Privatrechtssubjekt an.216 Zur Sicherstellung der dauerhaften ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung des Beliehenen muss der Staat daher einen finanziellen Ausgleich für dessen Tätigkeit sicherstellen.217 Dies kann beispielsweise durch staatliche Leistungen218 oder eine Ermächtigung zum Gebühreneinzug erfolgen.219 Letztere öffentlich-rechtliche Refinanzierung hat den Vorteil, dass der Beliehene seine Forderungen selbstständig gegenüber den Aufgabenbegünstigten bzw. -betroffenen geltend machen kann und der Staat nicht mit den Kosten belastet wird. Daher stellt diese Art der Finanzierung eine typische Ausgestaltungsmöglichkeit im Beleihungsrechtsverhältnis dar.220 Bei dem Portal „Lebensmittelklarheit“ sind die staatlichen Mittel demgegenüber als Subventionen einzustufen, die auf die Höhe der gewährten Projektförderung für den Zeitraum des Zuwendungsbescheids begrenzt sind.

213 BGHZ 65, 325; BGH, NJW 1986, 981; OLG München, GRUR 2014, 1126; Heintzen, NuR 1991, 301; Philipp, Verbraucherinformation, S. 33; Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (118); Seemann, Produktinformation, S. 146. Die Grundrechtsverpflichtung der Stiftung Warentest bejahend Heyers, AfP 2017, 118 (125 f.). 214 A. A. unter Bejahung einer Beleihung Akkermann / Grundmann, LMuR 2011, 117 (123). 215 Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1362); hierzu sogleich ausführlich unter F. II. 3. 216 Ausführlich zur finanziellen Seite des Beleihung Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis, S. 205 ff. 217 Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis, S. 205. 218 Beispielsweise in Form einer einvernehmlichen (finanziellen) Regelung zwischen Beleihendem und Beliehenem oder mittels der Schaffung einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage gegen den beleihenden Staat; vgl. Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis, S. 207; Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 57. 219 Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 57. Widersprüchlich Honegg, die Finanzierungsfragen mit den Voraussetzungen einer Beleihung vermengt; vgl. dies., Verbraucherinformation, S. 297 f. 220 Dies gilt beispielsweise für die Befugnis des Bezirksschornsteinfegers, Gebühren zu erheben, oder für das Entgelt des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs; vgl. hierzu ausführlich mit weiteren Beispielen Freitag, Beleihungsrechtsverhältnis, S. 208 f.; Burgi in: FS H. Maurer, S. 581 (588).

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„B. Vorgaben aus haushaltsrechtlicher Sicht: 14. Der beigefügte Finanzierungsplan einschließlich Erläuterungen ist verbindlich. Die Einzelsätze dürfen um bis zu 20  v.H. überschritten werden, soweit die Überschreitung durch entsprechende Einsparungen bei anderen Einzelsätzen ausgeglichen werden (Nr. 1.2 ANBest-P). Größere Abweichungen vom Finanzierungsplan sind rechtzeitig zu beantragen und bedürfen meiner vorherigen Zustimmung.“221

Die Verbraucherzentralen als Betreiber des Portals können die projektbezogenen Mittel hierbei nur bis zu einer festgelegten Summe in einem bestimmten Zeitraum abrufen. „Ich beabsichtige, die Zuwendung [in Höhe von 1.708.488€] kassenmäßig wie folgt bereitzustellen: bis zu 553.605 € im Haushaltsjahr 2016, bis zu 564.069 € im Haushaltsjahr 2017, bis zu 590.814 € im Haushaltsjahr 2018.“222

Als ergänzendes Indiz gegen eine Beliehenenstellung der Verbraucherzentralen lässt sich damit auch die Finanzierungsstruktur des Portals anführen. Diese entspricht nicht der in der Praxis grundsätzlich üblichen finanziellen Ausgestaltung eines Beleihungsrechtsverhältnisses. b) Portalbetreiber als Verwaltungshelfer? Ein Verwaltungshelfer erfüllt als Privatperson, gleich einem Beliehenen, staatliche Aufgaben, indes ohne die Einräumung von Hoheitsbefugnissen.223 Er ist im Unterschied zu einem Beliehenen „nur“ in den tatsächlichen Verwaltungsvollzug integriert und tritt rechtlich nicht nach außen auf, d. h., die Zuständigkeit und die Verantwortung für dessen Handeln verbleiben bei der Verwaltung.224 Dabei handelt er nach Weisung des Hoheitsträgers, ohne eigene Entscheidungsbefugnisse zu besitzen.225 Da der Verwaltungshelfer der Behörde lediglich eine technische Hilfe-

221 BMEL, Zuwendungsbescheid v. 24.05.2016 (für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018), S. 5. 222 BMEL, Zuwendungsbescheid v. 24.05.2016 (für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018), S. 2. 223 Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266 (299 Fn. 138). 224 Zum Ganzen Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 59; Ehlers / Schneider, in: Schoch / Schneider /  Bier, VwGO, § 40 Rn.  289; Kastner, in: Fehling / Kastner / Störmer, HK-VerwR, § 1 VwVfG Rn. 37. Beispiele für den Verwaltungshelfer sind das im Auftrag der Polizei agierende private Abschleppunternehmen oder der Schülerlotse im Straßenverkehr; vgl. für weitere Anwendungsfälle Ehlers / Schneider, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 40 Rn. 287 f. 225 F. Kirchhoff, in: FS Rengeling, S. 127 (128); Remmert, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 62.

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stellung bietet, ohne eigene Gestaltungsmacht zu besitzen, wird er auch als „Werkzeug“ oder „verlängerter Arm des Staates“ bezeichnet.226 Die Verbraucherzentralen sind jedoch bei der Gestaltung und dem Betrieb des Portals eigenverantwortlich tätig, ohne Weisungen des Bundesministeriums zu unterliegen. Sie agieren nicht als bloße (Hilfs-)Werkzeuge. Zwar stellt das Ministerium für den Portalbetrieb den finanziellen Rahmen zur Verfügung und gibt diesbezüglich auch inhaltliche Rahmenbedingungen vor. Die abschließende Entscheidung, ob und wie ein Produkt auf dem Portal veröffentlich wird, obliegt aber letztendlich allein der Portalredaktion, sodass die Verbraucherzentralen nicht als Verwaltungshelfer einzustufen sind.227 c) Zwischenergebnis Die Verbraucherzentralen handeln als Betreiber der Onlineplattform „Lebensmittelklarheit“ weder als Beliehene noch als Verwaltungshelfer. Die staatliche Vollfinanzierung als solche stellt keinen Beleihungsakt dar; im Übrigen hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft weder Hoheitsrechte übertragen, noch treten die Portalbetreiber als Hoheitsträger auf. Auch stehen dem Bundesministerium keine Aufsichtsbefugnisse über die Portalveröffentlichungen zu. Die Verbraucherzentralen sind bei den Publikationen auf dem Onlineportal „Lebensmittelklarheit“ vielmehr eigenverantwortlich tätig, weshalb eine Stellung als Verwaltungshelfer ebenfalls ausscheidet. Der Betrieb des Portals ist nach alldem als privatrechtliches Handeln der Verbraucherzentralen selbst einzustufen. Sie können sich bei ihrer Tätigkeit folglich auf den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit berufen.228 3. Finanzierung: Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Förderung Da die Verbraucherzentralen aufgrund der rein privatrechtlichen Ausgestaltung des Portals grundrechtsberechtigt sind, können sie unter dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG als Interessenvertreter der Verbraucher einseitige, kritische und selbst unsachliche Produktbewertungen veröffentlichen.229 226 F. Kirchhoff, in: FS Rengeling, S. 127 (128 ff.). Diese Bezeichnungen gehen auf das teilweise im Schrifttum verwendete Merkmal der Unselbstständigkeit des Verwaltungshelfers zurück, das aufgrund seiner inhaltlichen Unbestimmtheit allerdings weitgehende Ablehnung erfährt; vgl. statt vieler Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 59; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266 (299 Fn. 138). 227 So auch Wegmer, Informationstätigkeit, S. 178. 228 So im Ergebnis auch Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 200; Wegmer, Informationstätigkeit, S. 180. 229 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  E Rn.  200; Martini / Kühl, DÖV 2013, 573 (581); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 180.

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Die Grenze bildet hierbei allein die Schmähkritik, die nicht mehr dem Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit unterfällt.230 Würde demgegenüber das grundrechtverpflichtete Bundesministerium als Betreiber des Portals „Lebensmittelklarheit“ agieren, unterlägen die Veröffentlichungen deutlich strengeren Vorgaben im Hinblick auf das Erfordernis der Zurückhaltung, der Objektivität, der Sachlichkeit und der Neutralität einer staatlichen Äußerung.231 Die Abbildung und Bewertung eines Produkts in der Rubrik „Getäuscht?“ bzw. „Geändert“ würde in der Konstellation eines staatlichen Portalbetriebs einen (kognitiv finalen) rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen nach Art. 12 Abs. 1 GG darstellen, da negative Verbraucherredaktionen und damit Umsatzrückgänge bei den bemängelten Produkten in Kauf genommen würden. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Art. 14 Abs. 1 GG wäre demgegenüber zu verneinen, da sich die Portalveröffentlichungen auf ein einzelnes Produkt erstrecken und daher das betroffene Unternehmen grundsätzlich nicht in seinem Bestand bedroht sein dürfte.232 Anders als bei der Publikation amtlicher Lebensmittelkontrollergebnisse, die sich auf einen konkreten Gastronomiebetrieb beziehen, sind bei den produktbezogenen Veröffentlichungen auf dem Portal grundsätzlich keine Daten betroffen, die zu einer Gefährdung der grundrechtlichen Freiheit der jeweiligen Hersteller führen würden. Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG wäre daher ebenfalls abzulehnen.233 Für das Bundesministerium als (hypothetischen) Portalbetreiber wären damit jedenfalls im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG Produktveröffentlichungen auf der Grundlage eines subjektiven Täuschungsempfindens, wie etwa im Falle des Produktbeispiels „Flammende Herzen“ der Bärenland GmbH, grundsätzlich ausgeschlossen.234 Damit stellt sich die Frage, ob der Staat für die Veröffentlichung grundrechtssensibler Verbraucherinformationen, die ihm selbst aufgrund seiner Grundrechtsbindung vorenthalten sind, Privatrechtssubjekte gleichsam „einspannen“ kann, die selbst keiner Grundrechtsbindung unterliegen. Im Bereich des Ver 230

BVerfG, NJW-RR 2004, 1710 (1712); BVerwGE 90, 112 (124); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 33; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 5 I, II Rn. 70; Dolde, ZHR 2010, 517 (521). 231 BVerwGE 90, 112 (124); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  E Rn. 200; Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (115); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 180. 232 Anders kann die Bewertung bei dem wohl eher theoretischen Beispiel eines sehr kleinen Unternehmens ausfallen, das nur ein einziges Produkt vertreibt; vgl. hierzu Zott, Informationen, S. 452 Fn. 2435. 233 In diese Richtung auch Zott, Informationen, S. 452. Einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i.  V. m.  1  Abs.  1  GG im Falle eines staatlichen Portalbetriebs nicht ansprechend Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (116); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 180. 234 In diese Richtung auch Böhm, in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 81 (85); Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (116).

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waltungsprivatrechts findet diese Thematik unter dem Terminus „Flucht in das Privatrecht“ Beachtung.235 Die Problematik ist im Falle des Portals „Lebensmittelklarheit“ an der Rechtmäßigkeit der projektbezogenen und der institutionellen Förderung der Portalbetreiber festzumachen. a) Staatliche Finanzierung als Grundrechtseingriff Für die rechtliche Bewertung der staatlichen Finanzierung lässt sich eine Parallele zu einem Urteil des BVerwG aus dem Jahr 1992 ziehen. In der Entscheidung hat das BVerwG die staatliche zielgerichtete Finanzierung eines privaten Vereins, der die Öffentlichkeit kritisch über die Tätigkeit einer Glaubensgemeinschaft informiert hatte, als einen rechtswidrigen Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Gemeinschaft bewertet.236 Der aus Mitteln des Bundeshaushalts institutionell und projektbezogen geförderte Verein befasste sich mit neuen religiösen Gemeinschaften, darunter auch mit der als Mediationsverein organisierten „Osho“-Bewegung.237 Nach seiner Satzung verfolgte der Verein das Ziel, die Öffentlichkeit über die von diesen neuen Glaubensgemeinschaften ausgehenden Gefahren aufzuklären. Hierzu publizierte er ein Mitteilungsblatt, organisierte Tagungen, veröffentlichte Presseerklärungen und bearbeitete Anfragen. Die „Osho“-Bewegung sah sich durch die kritischen Äußerungen des Vereins in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GG verletzt und beantragte die Feststellung, dass sowohl die institutionelle Förderung als auch die finanzielle Unterstützung von einzelnen auf die „Osho“-Bewegung bezogenen Projekten rechtswidrig seien. Das BVerwG hat in Bestätigung der Berufungsinstanz, des OVG Nordrhein-Westfalen,238 beiden Feststellungsanträgen vollumfassend stattgegeben. Hierzu führte das Gericht aus, dass der Staat sich seiner grundrechtlichen Bindungen nicht dadurch entziehen dürfe, dass er sich der Hilfe eines privaten Vereins bediene, der die grundrechtlich verbürgte Meinungsfreiheit bis an die Grenze der Schmähkritik nutzen könne.239 Die staatliche Förderung knüpfe an den Zweck des Vereins an, „religiösen und ideologischen Mißbräuchen“ entgegenzutreten, und solle es diesem ermöglichen, seine selbstgewählten Aufgaben zu verwirklichen. In Zielrichtung und Wirkung entspreche die finanzielle Förderung damit einer selbst getätigten kritischen Äußerung des Staates über die „Osho“-Bewegung; der einzige Unterschied sei, dass die Nachteile der staatlichen Finanzierung die Glaubensgemeinschaft erst über das förderungsgemäße Verhalten 235

Unruh, in: Fehling / Kastner / Störmer, HK-VerwR, § 40 VwGO Rn. 107; Böhm, in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 81 (93); Di Fabio, JuS 1997, 1 (3); Dolde, ZHR 2010, 517 (521); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 201; Philipp, Verbraucherinformation, S. 45; Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (112); Uddin, Verbraucherinformationen, S. 86; Zott, Informationen, S. 448 f. 236 BVerwGE 90, 112 ff. 237 Vgl. zur Osho-Bewegung auch das Urteil des BVerfG unter D. II. 2. a). 238 OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ 1991, 174 ff. 239 BVerwGE 90, 112 (124).

II. Produktbewertungen

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des Vereins erreichten.240 Diese Verlängerung der Kausalkette sei jedoch unerheblich, da die staatliche Finanzierung und die nachteiligen Veröffentlichungen des geförderten Vereins als eine grundrechtsbeeinträchtigende Handlung zusammenzufassen seien.241 Die Nachteile der „Osho“-Bewegung seien gleichsam die „Kehrseite“ der mit der Finanzierung erstrebten Beeinflussung der Öffentlichkeit; der mittelbare Wirkungszusammenhang werde insoweit vom Staat als Finanzier insgesamt beherrscht.242 Als Konsequenz seien ihm auch die nachteiligen Folgen der geförderten Arbeit des Vereins zuzurechnen.243 Da keine gesetzliche Ermächtigung existierte, hat das BVerwG die staatliche Finanzierung als einen verfassungswidrigen Eingriff in Art. 4 GG bewertet.244 Bei der Übertragung der Ausführungen des BVerwG auf die staatliche Finanzierung des Portals „Lebensmittelklarheit“ ist allerdings zwischen der projektbezogenen und der institutionellen Förderung zu differenzieren. Im Vergleich zu der angeführten Entscheidung des BVerwG ist bei dem Portal die Kausalkette zwischen der projektbezogenen Förderung und den Nachteilen der betroffenen Unternehmen nochmals um ein Glied erweitert, weil die Veröffentlichungen erst auf der Grundlage einer Verbrauchermeldung erfolgen. Dieser Unterschied fällt aber nicht ins Gewicht, da der Staat mit seiner Vollfinanzierung das Ziel verfolgt, eine Plattform für die Veröffentlichungen von Verbraucherbeschwerden gemeinsam mit kritischen Produktbewertungen zu bieten. Wie in der Entscheidung des BVerwG ist der Wirkungszusammenhang mittelbarer Art; er wird aber aufgrund der Vollfinanzierung gleichwohl vom Bundesministerium beherrscht. Durch die Zwischenschaltung der Verbraucherzentralen als Informationsmittler entzieht sich der Staat daher seiner Grundrechtsbindung. Die projektbezogene Finanzierung des Portals ist folglich als Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG zu werten.245 Im Unterschied zu der Entscheidung des BVerwG zielt demgegenüber die institutionelle Unterstützung der Verbraucherzentralen nicht darauf ab, die kritische Berichterstattung über bestimmte Unternehmen zu ermöglichen. Die institutionelle Förderung unterstützt vielmehr die sich aus der Satzung ergebenden allgemeinen Ziele der Verbraucherzentralen, die Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung der Verbraucher in der sozialen Marktwirtschaft zu stärken und eine diesbezügliche nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen.246 Hierzu verfolgen die Verbraucherzentralen eine Vielzahl von Tätigkeiten, darunter die Vertretung der Interessen und Rechte der Verbraucher in der 240

BVerwGE 90, 112 (119). BVerwGE 90, 112 (120). 242 BVerwGE 90, 112 (121). 243 BVerwGE 90, 112 (122). 244 BVerwGE 90, 112 (118, 122). 245 So auch Dolde, ZHR 2010, 517 (522); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1362); Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S.  108 (117); Wegmer, Informationstätigkeit, S.  181 f.; Zott, Informationen, S. 455. 246 Vgl. § 2 Abs. 1 Satzung der VzBv. 241

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Öffentlichkeit sowie gegenüber der Gesetzgebung, der Verwaltung, der Justiz und der Wirtschaft auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene, das Engagement in der Verbraucherarbeit und die Förderung der Aufklärung der Verbraucher durch bundesweit einheitliche Informationen und Beratungsstandards.247 Das (primär projektfinanzierte) Portal „Lebensmittelklarheit“ steht für einen nur kleinen Ausschnitt der weitreichenden Betätigungsfelder der Verbraucherzentralen. Ein mit der Projektfinanzierung vergleichbarer enger Sachzusammenhang zwischen dem staatlichen Wirken und den Nachteilen der Unternehmen lässt sich vor diesem Hintergrund nicht herstellen. Die institutionelle Förderung der Verbraucherzentralen ist als Konsequenz dessen nicht als Grundrechtseingriff zu bewerten. b) Erforderlichkeit einer Ermächtigungsgrundlage Das BVerwG hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Staat bei der Förderung eines kritisch berichtenden Vereins die Pflicht habe, auf eine neutrale Berichterstattung zu achten.248 Im Verhältnis der Grundrechtsträger untereinander, mithin des informierenden Vereins und der Glaubensgemeinschaft, müsse er eine unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkung vermeiden. Aufgrund dieser staatlichen Pflichten und des Eingriffs in Art. 4 GG sei eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu fordern, die jedoch in dem zugrundeliegenden Fall nicht existierte und daher zur (Grund-)Rechtswidrigkeit der staatlichen Finanzierung führte. Für die Projektförderung des Portals „Lebensmittelklarheit“ durch das Bundesministerium besteht ebenfalls keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Bei der staatlichen Förderung Privater aus Mitteln des Bundeshaushalts handelt es sich um eine Verwaltungstätigkeit des Bundes.249 Aus diesem Grund scheidet eine aus der Staatsleitung abgeleitete Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, so diese nicht ohnehin ablehnt wird,250 als verfassungsunmittelbare Ermächtigung – wie bei Warnungen – aus.251 Darüber hinaus ist für die Projektfinanzierung des Portals auch die Ausweisung im Haushaltsplan des Bundesministeriums nicht als Grundlage ausreichend. Bei Leistungssubventionen stellt die etatmäßige Bereitstellung der finanziellen Mittel zwar grundsätzlich eine hinreichende Legitimation dar, denn der Gesetzesvorbehalt greift im Regelfall bei Subventionen nicht.252 Dies gilt indes allein für staatliche Zuwendungen, die keine Grundrechtskonflikte verursachen. Für Subventionen, die zu einer grundrechtlichen Beeinträchtigung von 247

Vgl. § 2 Abs. 1 lit. a), lit. b), lit. c) Satzung der VzBv. BVerwGE 90, 112 (124), auch zum Folgenden. 249 BVerwGE 90, 112 (123). 250 Hierzu bereits unter D. II. 2. b). 251 BVerwGE 90, 112 (123); Zott, Informationen, S. 455. 252 BVerwGE 6, 282 (287); 58, 45 (48); 90, 112 (126). Demgegenüber für Subventionsleistungen grundsätzlich eine formalgesetzliche Befugnisnorm fordernd Maurer, AllgVerwR, § 6 Rn. 21 f. 248

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am Zuwendungsverhältnis nicht beteiligten Dritten führen, folgt hingegen aus dem Gesetzesvorbehalt das Erfordernis einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage; die Ansätze des Bundeshaushaltsplans mit nur generellen Zweckbestimmungen reichen dafür nicht (mehr) aus.253 Die letztere Konstellation entspricht der Projektfinanzierung des Portals „Lebensmittelklarheit“, da diese als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der von den Portalveröffentlichungen betroffenen Unternehmen zu qualifizieren ist. Neben der Ermächtigung zur Finanzierung müsste die erforderliche formalgesetzliche Befugnisnorm im Übrigen auch Vorgaben statuieren, die den Betrieb des Portals an die für das staatliche Informationshandeln geltenden rechtsstaatlichen Anforderungen binden.254 Es müsste gewährleistet sein, dass die privaten Portalbetreiber unparteiisch und unabhängig agieren und die Produktveröffentlichungen neutral und sachlich erfolgen.255 Da eine solche Ermächtigung jedoch nicht existiert, ist die projektbezogene Förderung des Portals „Lebensmittelklarheit“ als verfassungswidrig zu bewerten.256 c) Exkurs: Keine (Finanz-)Zuständigkeit des Bundes Die Verfassungswidrigkeit der projektbezogenen Förderung beruht nicht nur auf dem Defizit einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, sondern darüber hinaus auch auf der fehlenden Zuständigkeit des Bundes zur Finanzierung des Portals. Gemäß Art. 104a Abs. 1 GG, der Grundnorm der bundesstaatlichen Finanzverfassung,257 tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben ergeben. Die Finanzierungsbefugnis und pflicht als Kompetenz korreliert mit der Ausübung der Verwaltungskompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 30, 83 ff. GG.258 Aus diesem Konnexitätsgrundsatz folgt, dass die Finanzierungs- durch die Verwaltungskompetenz begrenzt ist; unzulässig sind daher die Heranziehung der Länder zur Finanzierung von Bundesaufgaben, die Mischfinanzierung sowie die freiwillige Finanzierung

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BVerwGE 90, 112 (126). Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S.  108 (112, 116); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1362); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 183. 255 Dolde, ZHR 2010, 517 (523); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 211 ff.; Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (115); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1362); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 183; Zott, Informationen, S. 462. 256 So im Ergebnis auch Böhm, in: Voit, Lebensmittelinformation, S. 81 (89); Dolde, ZHR 2010, 517 (523 f.); Heyers, AfP 2017, 118 (126); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 183; Zott, Informationen, S. 456; in diese Richtung ebenfalls Martini / Kühl, DÖV, 2013, 573 (581). 257 Kube, in: BeckOK GG, Art. 104a Rn. 1. 258 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 104a Rn. 12; Hellermann, in: v. Mangoldt / K lein / Starck, GG III, Art. 104a Rn. 43; Kube, in: BeckOK GG, Art. 104a Vor Rn. 1, Rn. 5, 9; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rn. 4. 254

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von Länderaufgaben durch den Bund.259 Soweit ungeschriebene Verwaltungskompetenzen des Bundes bestehen, führen diese auch zu Finanzierungskompetenzen.260 Für die Finanzierungszuständigkeit des Portals „Lebensmittelklarheit“ ist folglich entscheidend, ob dem Bund oder den Ländern im Bereich des Lebensmittelrechts die Aufgabe zur Verbraucherinformation zukommt. Die Überwachung der lebensmittelrechtlichen Vorgaben, wie der Schutz vor Irreführung nach Art. 7 LMIV, § 11 LFGB, obliegt hierbei gemäß Art. 83 GG den Ländern; einfachgesetzlich folgt dies aus § 38 Abs. 1 S. 1 LFGB.261 Eine Informationszuständigkeit des Bundes lässt sich auch nicht auf die – als Konstruktion im „Glykol“-Urteil des BVerfG ohnehin abzulehnende  – Aufgabe der Staatsleitung der Regierung zurückführen. Um eine derartige Organfunktion der Bundesregierung handelt es sich bei dem Portalbetrieb nämlich gerade nicht; die staatliche Förderung privater Vereine stellt vielmehr eine „echte Verwaltungstätigkeit“ dar.262 Eine Verwaltungs und damit auch Finanzierungszuständigkeit des Bundes lässt sich auch nicht aus dem Umstand folgern, dass sich die Portalveröffentlichungen mit bundesweit vertriebenen Produkten befassen. Aus der länderübergreifenden Bedeutung einer Information folgt keine „natürliche Bundeszuständigkeit“.263 Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist folglich mangels einer Aufgabenverwaltungskompetenz für das Portal „Lebensmittelklarheit“ nicht für dessen Finanzierung zuständig; die projektbezogene Förderung stellt einen Verstoß gegen die Finanzverfassung dar.264 4. Rechtsschutz An die Rechtswidrigkeit der projektbezogenen Finanzierung des Portals „Lebensmittelklarheit“ schließt sich die Frage nach den Rechtsschutzmöglichkeiten der von den Portalveröffentlichungen betroffenen Unternehmen an. Während diesen in der klassischen Dreieckskonstellation behördlicher Informationstätigkeit allein der Staat als Informationsgeber gegenübersteht, treten beim „mittelbaren Infor 259 BVerwG, Urt. v. 14.06.2016, 10 C 7/15, juris Rn. 19 ff.; BVerwG, NVwZ 2000, 673 (675); Kube, in: BeckOK GG, Art. 104a Rn. 5; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 104a Rn. 13, 19; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rn. 12; Kramer / Cosovic, DVBl 2016, 525 (531). 260 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 104a Rn. 14; Kube, in: BeckOK GG, Art. 104a Rn. 12; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rn. 4; grundlegend zur Verteilung der Informationskompetenzen Philipp, Verbraucherinformation, S. 55 ff. 261 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  E Rn.  202 f.; Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (113); Zott, Informationen, S. 453 ff. 262 BVerwG 90, 112 (123); Dolde, ZHR 2010, 517 (520 f.); Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (113 f.); Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1362); Zott, Informationen, S. 454. 263 Dolde, ZHR 2010, 517 (523); Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S.  108 (113); Zott, Informationen, S. 453 ff. 264 So auch Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  E Rn.  208; Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1362); Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (115); Wegmer, Informationstätigkeit, S. 182; Zott, Informationen, S. 454.

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mationshandeln“ zusätzlich die finanziell geförderten juristischen Personen des Privatrechts hinzu. Der durch die Informationstätigkeit betroffene Hersteller sieht sich zwei Akteuren gegenüber, nämlich dem Staat als Finanzier und den privaten Portalbetreibern als Informationsgebern. Zwischen diesen beiden Rechtsverhältnissen ist folglich zu differenzieren. a) Verhältnis Hersteller – Portalbetreiber Die Tätigkeit der Verbraucherzentralen als juristischen Personen des Privatrechts unterfällt der Privatrechtsordnung und damit der Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte.265 Eine Ausnahme hiervon liegt nur vor, wenn die Portalbetreiber als Beliehene agieren,266 was jedoch im Rahmen dieser Untersuchung bereits verneint worden ist.267 Damit können die betroffenen Hersteller die Verbraucherzentralen als Portalbetreiber allein zivilrechtlich auf Unterlassung im einstweiligen Verfügungs- oder Klageverfahren in Anspruch nehmen.268 Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 2 UWG269 scheidet hierbei aus, da die Verbraucherzentralen nicht im Wettbewerbsverhältnis zu den genannten Herstellern stehen.270 Bei den Portalveröffentlichungen handelt es sich zudem auch nicht um „geschäftliche Handlungen“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.271 Die Verbraucherzentralen werden als Portalbetreiber nicht erwerbswirtschaftlich tätig; die Produktveröffentlichungen verfolgen eine primär verbraucheraufklärende Zielsetzung, weshalb sich Ansprüche für die Unternehmen allein aus den §§ 823, 824, 826, 1004 BGB ergeben können.272 Das rein privatrechtlich ausgestaltete Verhältnis zwischen den Unternehmen und den Portalbetreibern ist indes nicht von grundrechtlichen Wertungen frei. Die Grundrechte begründen 265

Akkermann / Grundmann, LMuR 2011, 117 (123); Gurlit, ZRP 2015, 16; Ossenbühl, NVwZ 2011, 1357 (1362); Voit, in: Bosch/Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 121 (130). 266 Kopp / Schenke, VwGO, § 40 Rn. 14; Sodan, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 40 Rn. 317. 267 Vgl. hierzu bereits unter F. II. 2. a). 268 Akkermann / Grundmann, LMuR 2011, 117 (123); Di Fabio, JuS 1997, 1 (2); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 224; so auch allgemein für die Klage gegen den privaten Unternehmer als solchen Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11 Rn. 34. 269 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb i. d. F. v.  03.03.2010, zuletzt geändert durch Art. 4 Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts v. 17.02.2016 (BGBl. I S. 233). 270 Voit, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 121 (138). 271 So aber Akkermann / Grundmann, LMuR 2011, 117 (123), die Ansprüche nach dem UWG bejahen. 272 Vgl. etwa BGH, GRUR 2014, 904 (905); Keller, in: Harte-Bavendamm / Henning-Bodewik, UWG, § 2 Rn. 40, 88; Sosnitza, in Ohly / Sosnitza, UWG, § 2 Rn. 19. Da sich diese Arbeit allein der öffentlich-rechtlichen Betrachtung des Informationshandelns widmet, erfahren die zivilrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen der betroffenen Unternehmen im Weiteren keine detaillierte Betrachtung; vgl. hierzu etwa Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil E Rn. 227 ff.; Voit, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 121 (130 ff.).

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nicht nur subjektive (Abwehr-)Rechte gegenüber dem Staat, sondern verkörpern zugleich eine objektive Werteordnung, die das Verhältnis zwischen den Privaten beeinflusst,273 auch als „Horizontalwirkung“ bzw. „mittelbare Drittwirkung“ bezeichnet.274 Das „Einfallstor“ für diese grundrechtlichen Wertungen bilden insoweit die Generalklauseln sowie die auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffe des Zivilrechts.275 Im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB stellt dies die widerrechtliche Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.276 Die grundrechtlichen Wertungen fließen im Rechtsverhältnis Hersteller – Portalbetreiber folglich mittelbar ein.277 b) Verhältnis Hersteller – BMEL / Bundesrepublik Deutschland Neben der Möglichkeit, zivilrechtliche Unterlassungsansprüche auf dem ordent­ lichen Rechtsweg gegen die Portalbetreiber geltend zu machen, kommt für die von einer Veröffentlichung betroffenen Unternehmen auch verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Betracht. Als Anknüpfungspunkte für ein verwaltungsprozessuales Vorgehen ist zwischen einem auf dem Portal publizierten Beitrag und der staatlichen Vollfinanzierung zu unterscheiden. aa) Portalveröffentlichung Die bisherige Abhandlung hat gezeigt, dass die Verbraucherzentralen nicht als Verwaltungshelfer agieren; dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sind die Portalveröffentlichungen folglich nicht zuzurechnen. Ein verwaltungsgerichtliches Vorgehen gegen die Bundesrepublik Deutschland, gerichtet auf die Verhinderung bzw. die Beendigung der Veröffentlichung eines Portalbeitrags, ist vor diesem Hintergrund ausgeschlossen. Ohne jedoch die rechtliche Ausgestaltung des Portalbetriebs und die damit zusammenhängenden Auswirkungen für den Rechtsschutz der Unternehmen ausreichend zu hinterfragen, wird in Teilen des juristischen Schrifttums eine (vorbeugende) allgemeine Leistungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland, gerichtet auf Unterlassung bzw. auf Folgenbeseitigung,278 diskutiert. Das Bundesministerium solle demnach auf die Portalbetreiber 273

Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 116. Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 59; eine ausführliche Darstellung der Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung liefert Stern, Staatsrecht III/1, S. 1511 ff. 275 Dreier, in: ders., GG, Bd. 1, Vorb. Rn. 98; Schröder, VerwArch 2010, 205 (209). 276 BGHZ 65, 325 (331 ff.); OLG München, GRUR 2014, 1126 (1132). 277 In diese Richtung auch Voit, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 121 (138). 278 Schoch sieht aufgrund der Irreversibilität staatlicher Informationen eine Folgenbeseitigung bereits nicht als geeignetes Vorgehen für die Wiederherstellung des status quo ante an; als actus contrarius käme allenfalls die Richtigstellung einer verfehlten Information in Betracht; vgl. ders., in: Isensee / K irchhof, Hdb StaatsR III, § 37 Rn. 107. 274

II. Produktbewertungen

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einwirken und die Veröffentlichung eines Produkts auf dem Portal verhindern bzw. beenden.279 Auffallend ist, dass ein solches verwaltungsprozessuales Vorgehen jeweils nur angedeutet, im Ergebnis aber ohne nähere Begründung offen gelassen wird.280 Die Idee für dieses Vorgehen geht (wohl) auf die von H. P. Ipsen (für das Subventionsrecht und die Zulassung zu von Privatrechtssubjekten betriebenen öffentlichen Einrichtungen) entwickelte Zwei-Stufen-Theorie zurück, die den privatrechtlich handelnden Staat an die öffentlich-rechtlichen Grundsätze bindet.281 Demnach geht die Verwaltung bei der Gewährung von Subvention respektive der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen und Anstalten unter Einschaltung von Privatrechtssubjekten zweistufig vor,282 indem sie zunächst öffentlich-rechtlich durch Verwaltungsakt entscheidet („Ob“, 1. Stufe; öffentlich-rechtliches Grundverhältnis) und diesen dann privatrechtlich vollzieht („Wie“, 2. Stufe; privatrechtliches Abwicklungsverhältnis).283 Wenn der Betrieb einer öffentlichen Einrichtung ganz auf eine juristischen Person des Privatrechts übertragen worden ist, richtet sich das Verhältnis zwischen dem Nutzer und dem privatem Betreiber sogar allein nach privatrechtlichen Grundsätzen,284 sodass grundsätzlich kein direkter Zugangsanspruch gegen den privaten Betreiber besteht.285 Dem Nutzer steht aber gegen die hinter der Gesellschaft stehende Behörde ein öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch in Form eines Anspruchs auf Einwirkung der Behörde auf die private Gesellschaft zu, mit dem Ziel der Zulassung des berechtigten Nutzers.286 Die Zwei-Stufen-Theorie ist jedoch bereits deshalb nicht auf das Portal „Lebensmittelklarheit“ anwendbar, da dessen staatliche Finanzierung einstufig in Form der Gewährung eines verlorenen Zuschusses erfolgt.287 Die Übertragung der Theorie ist in dieser Konstellation denknotwendig ausgeschlossen.288 Ferner sind die Ver 279 Zum Ganzen: Hufen, zitiert nach Ambrock / Karcher, NVwZ 2011, 1371 (1372); Hufen, zitiert nach Girnau / Wallau, ZLR 2011, 517 (519); Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinforma­ tionsrecht, Teil E Rn. 225 f. 280 Grube / Immel / Wallau, Verbraucherinformationsrecht, Teil  E Rn.  226; widersprüchlich Akkermann / Grundmann, die eine Beleihung der Verbraucherzentralen annehmen und als Folge ein verwaltungsprozessuales direktes Vorgehen gegen das (vormalige)  BMELV be­ jahen; vgl. dies., LMuR 2011, 117 (123). 281 Den Ausgangssachverhalt für diese Theorie stellte die Gewährung von Staatsbürgschaf­ ten für die Filmproduktion dar; vgl.  H. P.  Ipsen, in: FS Wacke, S.  139 (155); Maurer,­ AllgVerwR, § 17 Rn. 13; Pietzcker, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn. 77. 282 BVerwGE 45, 13 (14); BVerwG, NJW 1990, 134; OVG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2015, 46643; Maurer, AllgVerwR, § 17 Rn. 2; Pietzcker, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn. 80. 283 Hufen, Verwaltungsprozessrecht § 11 Rn. 33; Maurer, AllgVerwR, § 17 Rn. 2, Rn. 11 ff.; Ehlers / Schneider, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 40 Rn. 260. 284 BVerwG, NVwZ 1991, 59; OVG Niedersachsen, BeckRS 2007, 27485; Papier, in: Maunz /  Dürig, GG, Art. 34 Rn. 133; Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 120. 285 Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 120. 286 BVerwG, NJW 1990, 134 (135); BVerwG, NVwZ 1991, 59; Pietzcker, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn. 80; Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 120. 287 Siehe hierzu bereits unter F. II. 1. b). 288 Frotscher / Kramer, Wirtschaftsverfassungs und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 689.

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braucherzentralen in der inhaltlichen Gestaltung der Veröffentlichungen selbstständig und unterliegen nicht dem Einfluss oder der Aufsicht des Bundesministeriums, sodass eine staatliche Einwirkungsmöglichkeit gerade auch faktisch ausscheidet. bb) Staatliche Finanzierung Mit der staatlichen Vollfinanzierung des Portals „Lebensmittelklarheit“ als Anknüpfungspunkt für ein verwaltungsprozessuales Vorgehen der betroffenen Unternehmen rückt die Möglichkeit einer Feststellungsklage in den Fokus. Der Klageantrag wäre auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der staatlichen Vollfinanzierung des Portals „Lebensmittelklarheit“ gerichtet. Das BVerwG hat in seiner bereits angesprochenen „Osho“-Entscheidung ausgeführt, dass sich die Glaubensgemeinschaft aufgrund der staatlichen Finanzierung in ihren eigenen Rechten verletzt sehe; insoweit stünden das Rechtsverhältnis zwischen der Glaubensgemeinschaft als Klägerin und der Bundesrepublik Deutschland als der Beklagten in Streit.289 An dessen gerichtlicher Klärung habe die Klägerin ein berechtigtes Interesse, da andernfalls die staatliche Förderung fortgesetzt würde. Ferner hat das Gericht im Hinblick auf die Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO ausgeführt, dass sich die Glaubensgemeinschaft nicht auf eine (vorbeugende) Unterlassungsklage in Form der Leistungsklage verweisen lassen müsse. Es sei zum einen zu erwarten, dass die Beklagte im Falle des Erfolgs der Feststellungsklage die Förderung einstellen, sich mithin auch ohne einen vollstreckbaren Leistungstitel rechtstreu verhalten werde; zum anderen würden die Sonderregelungen für Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nicht für die Unterlassungsklage gelten, sodass keine Umgehung dieser besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehe.290 Darüber hinaus sei es der klagenden Glaubensgemeinschaft nicht zuzumuten, sich gegen sämtliche Zuwendungsbescheide mittels einer Anfechtungsklage zu wehren; die staatliche Förderungspraxis sei zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes insgesamt einer gerichtlichen Überprüfung zu unterstellen.291 Die Ausführungen des BVerwG lassen sich auf eine potenzielle Feststellungsklage der von den Veröffentlichungen auf dem Portal „Lebensmittelklarheit“ betroffenen Unternehmen übertragen. Aus Rechtsschutzgesichtspunkten ist insbeson 289

BVerwGE 90, 112 (114), auch zum Folgenden. BVerwGE 90, 112 (115). Die Argumentation zur Austauschbarkeit von Feststellungs und Leistungsklage bei gegen Hoheitsträgern gerichteten Anträgen entspricht der ständigen Rechtsprechung des BVerwG; vgl. etwa BVerwGE 36, 179 (181); 51, 69 (75); 77, 207 (211). Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird diese Durchbrechung des Subsidiaritätsgrundsatzes hingegen abgelehnt; vgl. etwa Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn. 6; Schenke, VerwProzR, Rn.  420; Würtenberger, VerwProzR, Rn.  416; Kopp / Schenke, VwGO, § 43 Rn. 28; Sodan, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 43 Rn. 121. 291 BVerwGE 90, 112 (115). 290

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dere keine Anfechtung des aktuellen Zuwendungsbescheids zu fordern, da dieser nicht öffentlich einsehbar ist und zunächst – wie für diese Arbeit geschehen – mittels eines (zeitintensiven) Auskunftsbegehrens vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft angefordert bzw. ohne Schwärzungen (ggf. sogar gerichtlich) erstritten werden müsste. Keine Ausführungen hat das BVerwG indes zu der Frage nach der rechtswegübergreifenden Subsidiarität der Feststellungsklage getätigt. Das Rechtsschutzbedürfnis kann demnach entfallen, wenn eine Leistungsklage vor den Zivilgerichten möglich ist, die dieselbe Rechtsposition wie eine potenzielle Feststellungsklage betrifft.292 Die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO entfaltet insoweit eine rechtswegübergreifende Wirkung.293 Diese Konzentration auf nur ein Verfahren dient der Prozessökonomie und soll dem Kläger einen wirkungsvollen Rechtsschutz mit der sachnäheren und wirksameren Klageart ermöglichen.294 In der vorliegenden Konstellation könnte ein Unternehmen, dessen Produkt auf der Portalwebsite (aufgrund einer „gefühlten“ Irreführung) bemängelt wird, gegen die Portalbetreiber zivilprozessual vorgehen. Allerdings entscheidet das Zivilgericht dann allein über den geltend gemachten Unterlassungsanspruch; die Rechtmäßigkeit der staatlichen Finanzierung des Portals „Lebensmittelklarheit“ stellt keine mitzuentscheidende öffentlich-rechtliche Vorfrage, sondern eine davon unabhängige Rechtsposition dar.295 Die Subsidiarität greift im Übrigen dann nicht, wenn eine Feststellungsklage den effektiveren Rechtsschutz bietet.296 Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu, da sich der zivilrechtliche Unterlassungsanspruch allein auf die Verhinderung respektive die Beendigung einer einzigen Produktveröffentlichung richtet, während sich die Feststellung der Rechtswidrigkeit der staatlichen Portalfinanzierung in ihrer (tatsächlichen) Auswirkung auf den gesamten Portalbetrieb und damit sämtliche (auch zukünftige) produktbezogene Veröffentlichungen erstreckt. Eine erfolgreiche Klage würde dazu führen, dass die Bundesrepublik Deutschland die projektbezogene Förderung einstellt; die grundrechtssensiblen Produktveröffentlichungen wären dann in Gänze nicht mehr möglich. Ob es allerdings jemals zu einem solchen verwaltungsprozessualen Vorgehen gegen die Bundesrepublik Deutschland als Finanzier des Portals „Lebensmittelklarheit“ kommt, ist aufgrund des zu erwartenden medialen Echos und des damit zu befürchtenden Imageschadens für das klagende Unternehmen eher unwahr 292

BVerwGE 111, 306 (309); Pietzcker, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 43 Rn.  53; Würtenberger, VerwProzR, Rn. 423. 293 BVerwGE 121, 152 (156); BVerwG, NVwZ 2010, 1300 (1304 Rn. 40); Kopp / Schenke, VwGO, § 43 Rn. 26; Pietzcker, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 43 Rn. 53; Würtenberger, VerwProzR, Rn. 423; a. A. Lorenz, VerwProzR, § 22 Rn. 28. 294 BVerwGE 111, 306 (309); BVerwG, NVwZ 2010, 1300 (1304 Rn. 40). 295 Darauf hinweisend, dass in jeweils unterschiedlichen Rechtswegen erhobene Feststellungs und Leistungsklagen kaum jemals denselben Anspruch zum Gegenstand haben könnten, Kopp / Schenke, VwGO, § 43 Rn. 26. 296 BVerwGE 121, 152 (156); BVerwG, NVwZ 2010, 1300 (1304 Rn. 40).

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scheinlich.297 Dies gilt auch und gerade vor dem Hintergrund, dass sich die potenziellen Umsatzeinbrüche der jeweiligen Hersteller nur sehr schwer auf eine einzelne Veröffentlichung auf dem Portal zurückführen lassen dürften.298 5. Rechtmäßige Ausgestaltungsmöglichkeiten Die rechtliche Betrachtung des Portals „Lebensmittelklarheit“ soll nicht mit dem Ergebnis der Verfassungswidrigkeit der staatlichen projektbezogenen Finanzierung enden, sondern vielmehr mögliche zukünftige rechtskonforme Ausgestaltungsformen aufzeigen. a) Anonymisierte Produktveröffentlichungen In der jetzigen Organisationsform – staatliche Vollfinanzierung bei Portalbetrieb durch die Verbraucherzentralen – ließe sich eine verfassungskonforme Lösung am einfachsten damit erreichen, durchgängig anonymisierte Produkt-Dummies statt konkreter Produkte abzubilden. Die Veröffentlichungen der beiden Rubriken „Getäuscht?“ und „Geändert“ könnten an die anonymisierten Publikationen in der Rubrik „Erlaubt!“ angeglichen werden. Ohne die Abbildung und namentliche Nennung des Produkts und des Herstellers wären die Veröffentlichungen grundsätzlich unproblematisch, da kein Grundrechtseingriff mehr vorläge. In Ergänzung hierzu könnten die Portalbetreiber anhand eines „Vorbild-Dummies“ veranschaulichen, wie sich die jeweilige Irreführungsproblematik aus ihrer Sicht mustergültig umsetzen ließe.299 So würde der bemängelte Sachverhalt anonym dargestellt und diesem zugleich eine anschauliche positive Kennzeichnungs- und Aufmachungsmöglichkeit gegenübergestellt. Für das Beispiel der Bärenland GmbH300 ließe sich die Verbraucherbeschwerde so anhand einer anonymisierten Bonbontüte aufzeigen. Dieser könnte zum Vergleich eine „Prototyp“-Bonbonverpackung entgegengehalten werden, auf der die angesprochene (vermeintliche)  Problematik aus Portalbetreibersicht vorbildlich gelöst ist.

297

Martini / Kühl, DÖV 2013, 573 (581). In diese Richtung Voit, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 121 (124). 299 Demgegenüber dürfte die Auswahl sowie namentliche Benennung und Abbildung konkreter „Vorbild“-Produkte im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG problematisch sein. 300 Vgl. zu diesem Beispiel bereits unter F. II. 1. a) aa) (1). 298

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b) „Stiftung Lebensmittelklarheit“ Eine andere Möglichkeit wäre, die Sachlichkeit und Neutralität der Veröffentlichungen in Anlehnung an die Stiftung Warentest mittels einer „Stiftung Lebensmittelklarheit“ zu überprüfen.301 Für die Entscheidung über die produktbezogenen Veröffentlichungen der Einrichtung bedürfte es hierzu eines paritätisch besetzten Gremiums, dem neben Verbrauchervertretern auch Vertreter der Wirtschaft und unabhängige Sachverständige, jeweils im gleichem Verhältnis, angehören. Hervorzuheben ist, dass die Stiftung Warentest in ihrer Zeitschrift „test“ bereits produktbezogene Verbraucherbeschwerden veröffentlicht. Unter der Rubrik „Leserecho“ findet sich in der monatlich erscheinenden Zeitschrift (mindestens) eine von der Redaktion kommentierte Verbraucherbeschwerde mit der Abbildung des bemängelten Lebensmittels, die sich auch auf der Website der Stiftung einsehen lässt. Thematisch handelt es sich hierbei ausschließlich um sogenannte „Mogelpackungen“.302 So beschwerte sich beispielsweise in der Augustausgabe 2016 ein Verbraucher über die Süßwaren „Choco Crossies“ der Firma Nestlé Deutschland AG, die in der klassischen Ausführung in zwei Packungen à 80 g in einem Umkarton verpackt sind.303 In dem bemängelten neuen „Fußball“-Design des Produkts enthielten die beiden Verpackungen nur noch 75 g bei gleichbleibendem Preis. Das Produkt sowie die gekürzte Verbraucherbeschwerde sind ebenso wie die Anmerkung der Redaktion unter der Überschrift „Weniger Inhalt als gedacht“ abgedruckt. Die Redaktion nimmt allerdings keine rechtliche Einschätzung vor, sondern gibt einzig die Stellungnahme der hierzu befragten Nestlé Deutschland AG wieder: „Anmerkung der Redaktion: Die Rohstoffpreise für Kakaobutter seien stark gestiegen, argumentiert Anbieter Nestlé. ‚Um die Mehrkosten aufzufangen, haben wir uns für eine Verringerung der Füllmenge entschieden‘. Das erfolgt zeitglich zur Umsetzung des FußballDesigns.“304 301

Dieser Vorschlag findet sich auch bei Zott, Informationen, S. 463. Der Begriff „Mogelpackung“ wird gemeinhin für ein Produkt verwendet, dessen Verpackung mehr Inhalt suggeriert als tatsächlich enthalten ist, beispielsweise aufgrund einer übergroßen Umverpackung oder Luft. Aus rechtlicher Sicht müssen vorverpackte Lebensmittel die Nettofüllmenge (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. e), 23 LMIV) sowie neben dem Endpreis auch den Grundpreis ausweisen (vgl. § 2 PAngV). Für Lebensmittelinformationen gilt allgemein, dass diese in Bezug auf die Menge nicht irreführend sein dürfen (vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. a) LMIV); Fertigpackungen dürfen ihrer Gestaltung und Befüllung nach keine größere als die tatsächlich enthaltene Füllmenge vortäuschen (vgl. § 43 Abs. 2 Mess- und Eichgesetz). Vor diesem Hintergrund kommt es auf eine Beurteilung des Produkts im Einzelfall an; hierbei muss auch das jeweilige Produktsegment Berücksichtigung finden, da die Verbraucher beispielsweise bei Luxusprodukten wie Pralinen größere Hohlräume zur optisch ansprechenden Präsentation erwarten; vgl. zur Problematik der „Mogelpackung“ ausführlich Meyer, in: Meyer / Streinz, § 11 LFGB Rn. 58 ff. 303 Zeitschrift „test“, Ausgabe August 2016, S. 6; www.test.de/Mogelpackung-Choco-Crossies5049395-0/ [Stand: 25.06.2017]. 304 Zeitschrift „test“, Ausgabe August 2016, S. 6. 302

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Deutliche Kritik übt die Redaktion demgegenüber an dem Produkt „Milka Choco Trio“ der Mondelez Deutschland Services GmbH & Co. KG in der Septemberausgabe 2016. Die kleinen Kuchen sind einzeln verpackt in einen nicht einsehbaren Pappkarton eingebracht worden. Die Abbildung zeigt den geöffneten Pappkarton, der mit den verpackten Kuchen nicht ausgefüllt ist. Die Redaktion schätzt diese Verpackung als „Mogelpackung“ ein. „Anmerkung der Redaktion: Auf Nachfrage teilte uns Hersteller Mondelez mit: ‚Es ist uns wichtig, dass Milka Choco Trio unbeschädigt und in einwandfreier Qualität bei unseren Kunden ankommt.‘ Dies werde ‚unter anderem durch die Verpackung sichergestellt‘. Sie täuscht aber mehr Inhalt vor als drin ist – es ist eine Mogelpackung. 150 Gramm kosten 1,99 Euro.“305

Bei beiden Veröffentlichungsbeispielen fällt die Zurückhaltung der Redaktion auf; die Kritik erfolgt unter wörtlicher Bezugnahme auf die Äußerung des Herstellers. Eine strukturelle Organisation des Portals „Lebensmittelklarheit“ ähnlich der Stiftung Warentest würde die verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Produktveröffentlichungen erheblich relativieren. Problematisch bliebe indes, dass dem Bund nach wie vor keine Finanzierungszuständigkeit für grundrechtssensible produktbezogene Veröffentlichungen im Lebensmittelbereich zukäme. Selbiges Problem stellt sich bei der Stiftung Warentest, bei der fraglich bleibt, ob sich ihre finanzielle Förderung noch mit der Aufgabe der Bundesregierung zur Staatsleitung begründet lässt.306 Vorzugswürdig und am einfachsten umsetzbar wäre daher die Beibehaltung der derzeitigen Struktur und Finanzierungsform des Portals „Lebensmittelklarheit“ unter Änderung der Veröffentlichungspraxis, nämlich der durchgängigen Publikation anonymisierter Produkte mit gleichzeitiger Gegenüberstellung positiver Kennzeichnungen und Aufmachungen anhand von „Vorbild-Dummies“. 6. Ergebnis Der Staat bewegt sich bei der Einbindung von Privaten zur Information der Verbraucher zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln. Als Beispiel für diese neuartige Form des „mittelbaren Informationshandelns“ steht das Portal „Lebensmittelklarheit“, das von Verbraucherzentralen betrieben und durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vollfinanziert wird. Die Portalbetreiber treten hier weder als Beliehene noch als Verwaltungshelfer auf. Es handelt sich um einen rein privatrechtlichen Betrieb; die Verbraucher­zentralen als 305

Zeitschrift „test“, Ausgabe September 2016, S.  6; www.test.de/Mogelpackung-MilkaChoco-Trio-5060285-0/ [Stand: 25.06.2017]. 306 Hierzu Dolde, ZHR 2010, 517 (523); Heyers, AfP 2017, 118 (125); Porsch, in: Bosch / Leible / Wallau, Lebensmittel, S. 108 (118).

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juristische Personen des Privatrechts sind grundrechtsberechtigt, indes nicht grundrechtsverpflichtet. Gegen eine Produktveröffentlichung auf dem Portal kann der betroffene Hersteller daher (nur) den ordentlichen Rechtsweg bestreiten. Der Staat darf sich als Finanzier einer grundrechtssensiblen privaten Informationstätigkeit jedoch nicht seiner aus Art. 1 Abs. 3 GG folgenden Grundrechtsbindung entziehen. Zwar hat der Staat keinen inhaltlichen Einfluss auf die Portalinhalte und kann so die Veröffentlichungen nicht gezielt steuern. Jedoch ist es ihm möglich, die Finanzierung des Portals einzustellen und so potenziell grundrechtsbeeinträchtigende Produktveröffentlichungen der Verbraucherzentralen zu unterbinden. Im Verhältnis zwischen Staat und Hersteller ist die projektbezogene Finanzierung des Portals der Anknüpfungspunkt für ein verwaltungsgerichtliches Vorgehen sowie die Grundrechtsbindung. Die staatliche Vollfinanzierung des Portals stellt sich hierbei als Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG dar, für den keine gesetzliche Ermächtigung besteht. Zudem kommt dem Bund schon gar keine Finanzierungszuständigkeit zu. Die derzeitige Ausgestaltung des Portals ist damit als verfassungswidrig einzustufen. Verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz könnten die von den Veröffentlichungen nachteilig betroffenen Unternehmen insoweit mittels einer Klage, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der staatlichen Projektfinanzierung, erlangen.

G. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen Die nachfolgenden Thesen bilden die Ergebnisse dieser Untersuchung, untergliedert nach den jeweiligen Kapiteln, ab. zu B. 1. Die Thematik des behördlichen Informationshandelns, allgemein sowie speziell im Lebensmittelbereich, leidet an einem Systematisierungsdefizit. Die im juristischen Schrifttum gebräuchlichen Begrifflichkeiten „Warnung“, „Empfehlung“ und „Aufklärung“ sowie die hierauf bezogenen Abgrenzungskriterien werden den derzeitigen Informationsmodellen der Verwaltungspraxis nicht mehr gerecht. 2. Für den Lebensmittelbereich ist eine Kategorisierung zu bevorzugen, die – aufbauend auf der Zielrichtung der Informationsmaßnahme – zwischen Warnungen zur Gefahrenabwehr einerseits und Verbraucherinformationen ohne Gefahrenbezug andererseits differenziert. Da die heutigen Informationsmodelle breit gefächert sind und der Staat nicht mehr exklusiv als Informationsgeber auftritt, sondern auch Privatrechtssubjekte zur Informationsvermittlung einsetzt, bedarf es innerhalb dieser beiden Kategorien einer Untergliederung nach dem jeweiligen Informationsgeber. Eine Subkategorisierung kann schließlich nochmals fallgruppenorientiert anhand der verschiedenen Informationsmodelle erfolgen. Mit diesem Konzept lassen sich nicht nur das heutige Informationshandeln im Lebensmittelbereich, sondern (mutmaßlich) auch zukünftige neue Informationsinstrumente der Verwaltung erfassen. zu C. 3. Die verschiedenen Arten des Verwaltungshandels lassen sich mittels der allgemeinen Formenlehre als Kernelement der Verwaltungsrechtsdogmatik einer Systematisierung zuführen. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen der Bezeichnung „Handlungsform“ und der diesem Oberbegriff zugehörigen Bezeichnung „Rechtsform“. Der Handlungsform unterfallen Verwaltungshandlungen, die sich anhand abstrakter Merkmale typisieren und so den gleichen rechtlichen Regelungen unterwerfen lassen. Sobald diese eine rechtliche Ausgestaltung erfahren haben, werden sie zur „Rechtsform“. Daneben besteht ein „Transitbereich“ für diejenigen Handlungsformen, die sich noch unterhalb der Schwelle zur „Rechtsform“ befinden. 4. Bei der Neuausformung einer Handlungsform, insbesondere aus der Auffangkategorie des schlichten Verwaltungshandelns, sind zur Typisierung das Ziel und

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die Steuerungswirkung des Verwaltungshandelns anstatt der Rechts- und Fehlerfolgen in den Blick zu nehmen. Die staatliche Warnung lässt sich  – im Gegensatz zu Verbraucherinformationen – anhand des konkreten Ziels (Gefahrenabwehr) sowie der Lenkungswirkung (Handlungs- bzw. Konsumverzicht der Adressaten) als Handlungsform typisieren. Aufgrund der spezialgesetzlichen Ausgestaltung in diversen Rechtsgebieten lässt sich die Warnung bereits dem „Transitbereich“ in Vorstufe zur Rechtsform zuordnen. zu D. 5. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist bei der behördlichen Informationstätigkeit zwischen der schutz- und abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte zu differenzieren. Weder aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG noch aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG lässt sich hierbei eine Pflicht des Staates ableiten, bestimmte Informationsmaßnahmen zu ergreifen. Die jeweiligen erforderlichen Maßnahmen liegen vielmehr im staatlichen Ermessen. 6. Bei dem Vorliegen einer von einem Lebensmittel ausgehenden Gefahr stellt die Warnung nur eine Möglichkeit einer behördlichen Maßnahme dar. Dem grundrechtlich verankerten Gesundheitsschutz der Verbraucher kommt in dieser Konstellation der Vorrang zu. Demgegenüber besteht für die Herstellung von Markttransparenz, wie sie mit Verbraucherinformationen verfolgt wird, keine grundrechtliche Anbindung. Den grundrechtlich geschützten Positionen der betroffenen Unternehmen stehen hierbei die (allein einfachgesetzlich verankerten) Interessen der Verbraucher gegenüber. 7. Aus abwehrrechtlicher Sicht können durch das heutige Informationshandeln der Verwaltung sowohl Art.  12  Abs.  1  GG, Art.  14  Abs.  1  GG als auch Art.  2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG berührt sein. Die Bezeichnung „Wettbewerbsfreiheit“ ist in diesem Zusammenhang abzulehnen; vorzugswürdig ist vielmehr eine ausdifferenzierte Schutzbereichsbestimmung der jeweiligen Grundrechte. 8. Die zentrale Problematik bei der verfassungsrechtlichen Bewertung des Informationshandelns stellt die Eingriffsbestimmung dar, wobei sich die Grundsatzbeschlüsse „Osho“ und „Glykol“ des BVerfG aus dem Jahr 2001 nicht unbesehen auf die gegenwärtigen lebensmittelbezogenen Informationsmodelle in der Verwaltungspraxis übertragen lassen. 9. Ausgehend von dem in der Rechtsprechung entwickelten funktionellen Äquivalent eines Grundrechtseingriffs stellt für dessen genauere Bestimmung die Finalität das geeignete Eingriffskriterium dar. Zu differenzieren ist innerhalb der Finalität zwischen einem voluntativen Element, der gezielten Drittbeeinträchtigung, und einem kognitiven Element, der nicht intendierten, indes voraussehbaren und in Kauf genommenen Drittbeeinträchtigung. Die Voraussehbarkeit und Inkauf-

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G. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

nahme von nachteiligen Folgen für die durch behördliche Informationsmaßnahmen mittelbar Betroffenen ist zu bejahen, sobald die Publikation eine Bewertung über ein bestimmtes Produkt bzw. Unternehmen enthält. 10. Von staatlicher Seite getätigte Informationen, die sich anhand der Finalitätselemente als Eingriff qualifizieren lassen, bedürfen einer Ermächtigungsgrundlage. Diese muss speziell für die Befugnis zur Verbraucherinformation präzise festlegen, unter welchen Voraussetzungen Informationsmaßnahmen jenseits der Gefahrenabwehr erfolgen dürfen. zu E. 11. Für das Informationshandeln im Lebensmittelbereich existieren mit § 40 LFGB und § 6  Abs.  1  S.  3  Hs.  1  VIG einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen, wobei § 40 LFGB lex specialis zu § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG ist. Keine der Vorschriften ermächtigt zur Publikation von vergleichenden Betriebsbewertungen der Lebensmittelüberwachung. 12. Auf der Ebene des europäischen Primärrechts können sich Veröffentlichungen nach § 40 LFGB als Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen, welche die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 36 AEUV beeinträchtigen. Zur Rechtfertigung lässt sich jedoch der Gesundheitsschutz als niedergeschriebener Rechtfertigungsgrund und der Verbraucherschutz als ungeschriebenes zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses heranziehen. § 40 LFGB steht überdies mit dem europäischen Sekundärrecht – insbesondere Art. 10 BasisVO und Art. 7 KontrollVO – im Einklang. 13. Auf die Ermächtigungsgrundlagen des § 40 LFGB finden die Unionsgrundrechte und die nationalen Grundrechte nebeneinander Anwendung. Für das behördliche Informationshandeln sind insoweit Art. 8, 15, 16 und 17 GRC relevant. Der europäische entspricht dabei weitgehend dem nationalen Grundrechtsschutz, weist allerdings im Vergleich zum nationalen Grundrechtssystem größere Unklarheiten in der Schutzbereichsbestimmung auf. 14. Die Ermächtigungen zur Veröffentlichung von Warnungen und Verbraucherinformationen nach § 40 Abs. 1 LFGB sind als verfassungsmäßig zu bewerten. 15. Davon ausgehend, dass eine behördliche Veröffentlichung auf der Grundlage von § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB einen konkreten Produktbezug erfordert, dient die Vorschrift (auch) der Herstellung von Markttransparenz und stellt sich damit nicht als unzulässige Verdachtsstrafe dar. 16. § 40  Abs.  1a  LFGB verstößt allerdings mangels einer Vorgabe zur Dauer der Veröffentlichung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Darüber hinaus ist die Ermächtigungsgrundlage auch unverhältnismäßig, da die Behörde die rein verdachtsbasierten Informationen ohne vorherige Ermessensabwägung zwingend ver-

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öffentlichen muss. Die Unangemessenheit der Regelung folgt ferner ebenfalls aus der niedrigen Bußgeldschwelle als weiteres Tatbestandmerkmal. 17. Der Entwurf zur Novellierung des § 40 LFGB vom April 2015, der die Einfügung eines neuen § 40a LFGB vorsieht, löst die Problematik der Verfassungswidrigkeit des derzeitigen § 40 Abs. 1a LFGB nicht. 18. Aus verfassungsrechtlicher Sicht weist § 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 VIG dieselben Probleme wie § 40  LFGB auf; eine zeitlich unbegrenzte auf einem bloßen Verdacht basierende Veröffentlichung ohne die Möglichkeit der vorrangigen unternehmenseigenen Informationsmaßnahmen ist als verfassungswidrig einzustufen. Hinzu kommt, dass das eingeschränkte Anhörungserfordernis nach §§ 6 Abs. 1 S. 3 Hs. 2, 5 Abs. 1 VIG nicht mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens und dem Anspruch auf rechtliches Gehör zu vereinbaren ist. 19. Mit der Neufassung der Kontrollverordnung existiert auf europäischer Ebene nunmehr eine Grundlage für die Veröffentlichung der Ergebnisse der amtlichen (Lebensmittel-)Überwachung, die allerdings noch einer Ausgestaltung durch die Mitgliedstaaten bedarf. Das aktuelle KTG des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen lässt diese europäischen Vorgaben indes außer Acht und stellt sich darüber hinaus auch als verfassungswidrig dar. zu F. 20. Bei den in der Verwaltungspraxis entstandenen Informationsmodellen entfaltet sich eine kontroverse Diskussion im Besonderen um die Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse sowie um die Publikation von produktbezogenen Bewertungen auf dem Portal „Lebensmittelklarheit“. Beide Informationsformen sind in ihren bisherigen respektive derzeitigen Umsetzungen nicht verfassungsgemäß. 21. Die in unterschiedlicher Ausgestaltung in mehreren Bundesländern erprobten Ergebnisveröffentlichungen der amtlichen Lebensmittelüberwachung können in Deutschland als durchweg gescheitert bezeichnet werden. Das grundlegende (verfassungs-)rechtliche Problem besteht für verpflichtende Modelle in dem Fehlen einer verfassungsmäßigen Ermächtigung, welche die grundrechtsbeeinträchtigenden Veröffentlichungen einer rechtlichen Legitimation zuführt. Bezeichnend für die Umsetzungsversuche in Deutschland ist ferner, dass die Interessen der betroffenen Unternehmen bisher außer Acht gelassen wurden. 22. Das Smiley-Modell Dänemarks zeigt, dass sich ein verpflichtendes System zur Veröffentlichung amtlicher Kontrollergebnisse nur erfolgreich umsetzten lässt, wenn sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmen einbezogen werden. Erst das Zusammenspiel von rechtlicher Legitimation und gesellschaftlicher Billigung führt zu der Akzeptanz eines solchen Veröffentlichungssystems und damit langfristig zu der Verbesserung der Hygienestandards in Lebensmittelbetrieben.

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G. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

23. In eine andere Richtung der Verbraucherinformation geht das Portal „Lebens­ mittelklarheit“, bei dem der grundrechtsverpflichtete Staat als Finanzgeber seine (nicht bestehende) Informationskompetenz an grundrechtsberechtigte Privatrechtssubjekte abgegeben hat. Da sich der Staat mit einem derartigen Informationsmodell seiner Grundrechtsbindung entzieht, stellt sich die projektbezogene staatliche Vollfinanzierung als Grundrechtseingriff dar. Den von den (grundrechtsbeeinträchtigenden) Portalveröffentlichungen betroffenen Unternehmen steht sowohl der ordentliche Rechtsweg als auch der Verwaltungsrechtsweg offen. Während im ersteren Fall zivilprozessual ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf eine einzelne Portalveröffentlichung gegen die Portalbetreiber geltend gemacht werden kann, richtet sich die ebenfalls denkbare verwaltungsprozessuale Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland und ist auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Portalfinanzierung gerichtet.

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Anhang: Fundstellen der zitierten Gerichtsentscheidungen1 Datum

U / B Aktenzeichen

Bundesverfassungsgericht 23.10.1951 U 2 BvG 1/51 15.01.1958 U 1 BvR 400/51 1 BvR 596/56 11.06.1958 U 2 BvL 10/56 03.02.1959 B 27.06.1961 B 1 BvR 486/59 27.05.1964 B 1 BvL 4/59 23.03.1965 B 2 BvN 1/62 14.02.1967 B 1 BvL 17/63 1 BvR 84/65 04.04.1967 U 1 BvR 46/65 03.10.1969 B 01.04.1971 B 1 BvL 22/67 07.07.1971 B 1 BvR 755/66 19.10.1971 B 1 BvR 387/65 1 BvR 170/71 08.02.1972 B 05.03.1974 B 1 BvL 27/72 1 BvF 1–6/74 25.02.1975 U 27.01.1976 B 1 BvR 2325/73 08.07.1976 U 1 BvL 19, 20/75* 22.06.1977 B 1 BvR 799/76 1 BvR 217/75* 12.10.1977 B 11.10.1977 B 1 BvR 343/73* 1 BvQ 5/77 16.10.1977 U 19.04.1978 B 2 BvL 2/75 26.09.1978 B 1 BvR 525/77 2 BvR 154/74 12.10.1978 B 22.05.1979 B 1 BvL 9/75 07.10.1980 B 1 BvL 50, 89/79* 14.01.1981 B 1 BvR 612/72 26.05.1981 B 2 BvR 215/81 20.10.1981 B 1 BvR 640/80 24.11.1981 B 2 BvL 4/80 03.11.1982 U 1 BvL 4/78 04.10.1983 B 1 BvL 2/81 2 BvR 298/81 19.10.1983 B

Fundstelle (= alternative Fundstelle)

BVerfGE 1, 14 ff. (= NJW 1951, 877 ff.) BVerfGE 7, 198 ff. (= NJW 1958, 257 ff.) BVerfGE 7, 377 ff. (= NJW 1958, 1035 ff.) BVerfGE 9, 137 ff. (= NJW 1959, 931 ff.) BVerfGE 13, 46 ff (= BeckRS 1961, 00385) BVerfGE 18, 38 ff. (= NJW 1964, 1411 ff.) BVerfGE 18, 407 ff. (= NJW 1965, 1371 ff.) BVerfGE 21, 150 ff. (= NJW 1967, 1175 ff.) BVerfGE 21, 261 ff. (= NJW 1967, 974 ff.) BVerfGE 27, 71 ff. (= NJW 1970, 235 ff.) BVerfGE 31, 8 ff. (= DVBl. 1972, 144 ff.) BVerfGE 31, 255 ff. (= NJW 1971, 2167) BVerfGE 32, 98 ff. (= NJW 1972, 327 ff.) BVerfGE 32, 311 ff. (= NJW 1972, 573 ff.) BVerfGE 37, 1 ff. (= NJW 1974, 1317 ff.) BVerfGE 39, 1 ff. (= NJW 1975, 573 ff.) BVerfGE 41, 251 (= NJW 1976, 1309 ff.) BVerfGE 42, 263 ff. (= NJW 1976, 1783 ff.) BVerfGE 45, 400 ff. (= NJW 1977, 1723 ff.) BVerfGE 46, 120 ff. (= NJW 1978, 313 ff.) BVerfGE 47, 1 ff. (= NJW 1978, 877 ff.) BVerfGE 46, 160 ff. (= NJW 1977, 2255 ff.) BVerfGE 48, 210 ff. (= NJW 1978, 2143 ff.) BVerfGE 49, 168 ff. (= NJW 1978, 2446 ff.) BVerfGE 49, 343 ff. (= NJW 1979, 859 ff.) BVerfGE 51, 193 ff. (= NJW 1980, 383 ff.) BVerfGE 55, 72 ff. (= NJW 1981, 271 ff.) BVerfGE 56, 54 ff. (= NJW 1981, 1655 ff.) BVerfGE 57, 250 ff. (= NJW 1981, 1719 ff.) BVerfGE 58, 257 ff. (= NJW 1982, 921 ff.) BVerfGE 59, 104 ff. (= NJW 1982, 1275 ff.) BVerfGE 61, 291 ff. (= NJW 1983, 439 ff.) BVerfGE 65, 104 ff. (= NJW 1984, 603 ff.) BVerfGE 65, 196 ff. (= NJW 1984, 476 ff.)

1 In der nachfolgenden Auflistung steht „U“ für ein Urteil und „B“ für einen Beschluss. * bedeutet, dass das Verfahren noch weitere Aktenzeichen trägt.

Anhang: Fundstellen der zitierten Gerichtsentscheidungen 08.11.1983 15.12.1983 25.01.1984 17.07.1984 31.10.1984 14.05.1985 03.07.1985 22.10.1986 14.01.1987 26.03.1987 12.05.1987 06.10.1987 29.10.1987 15.12.1987 18.05.1988 25.07.1988 09.05.1989 14.11.1989 29.05.1990 12.06.1990 27.11.1990 24.04.1991 26.06.1991 12.12.1991 11.02.1992 10.03.1992 25.05.1993 28.05.1993 09.02.1994 10.01.1995 05.12.1995 12.11.1997 09.02.1998 15.07.1998 27.10.1998 14.07.1999 14.12.2000 24.01.2001 06.02.2001 26.06.2002 26.06.2002 03.03.2004 17.03.2004 28.07.2004 24.11.2004 24.05.2005 27.07.2005 14.03.2006

B U B U B B B B B B B B B B B B B B B B B U B B B U B U B U B B B B U U B U U B B B U B B B U B

1 BvL 8/81 1 BvR 209/83* 1 BvR 272/81 2 BvE 11, 15/83 1 BvR 35/82* 1 BvR 449/82* 1 BvR 1428/82 2 BvR 197/83 1 BvR 1052/79 2 BvR 589/79* 2 BvR 1226/83* 1 BvR 1086/82* 2 BvR 624/83* 1 BvR 563/85* 2 BvR 579/84 1 BvR 109/85 1 BvL 35/86 1 BvL 14/85* 2 BvR 254/88* 1 BvR 355/86 1 BvR 402/87 1 BvR 1341/90 1 BvR 779/85 2 BvL 8/89 1 BvR 1531/90 1 BvR 454/91* 1 BvR 345/83 2 BvF 2/90* 1 BvR 1687/92 1 BvF 1/90* 1 BvR 2011/94 1 BvR 479/92* 1 BvR 2234/97 1 BvR 1554/89* 1 BvR 2306* 1 BvR 2226/94* 2 BvR 1741/99* 1 BvR 2623/95 1 BvR 12/92 1 BvR 558/91* 1 BvR 670/91 1 BvF 3/92 1 BvR 1266/00 1 BvR 2566/95 1 BvR 1306/02 1 BvR 1072/01 1 BvR 668/04 1 BvR 2087/03*

295

BVerfGE 65, 237 ff. (= NVwZ 1984, 365 ff.) BVerfGE 65, 1 ff. (= NJW 1984, 419) BVerfGE 66, 116 ff. (= NJW 1984, 1741 ff.) BVerfGE 67, 100 ff. (= NJW 1984, 2271 ff.) BVerfGE 68, 193 ff. (= NJW 1985, 1385 ff.) BVerfGE 70, 1 ff. (= NJW 1986, 772 ff.) BVerfGE 70, 230 ff. (= NVwZ 1985, 731 ff.) BVerfGE 73, 339 ff. (= NJW 1987, 577 ff.) BVerfGE 74, 129 ff. (= NZA 1987, 347 ff.) BVerfGE 74, 358 ff. (= NJW 1987, 2427 ff.) BVerfGE 76, 1 ff. (= NJW 1988, 626 ff.) BVerfGE 77, 84 ff. (= NJW 1988, 1195 ff.) BVerfGE 77, 170 ff. (= NJW 1988, 1651 ff.) BVerfGE 77, 308 ff. (= NJW 1988, 1899 ff.) BVerfGE 78, 205 ff. (= NJW 1988, 2593 ff.) NJW 1988, 3009 ff. BVerfGE 80, 103 ff. (= NJW 1989, 1985 ff.) BVerfGE 81, 70 ff. (= NJW 1990, 1349 ff.) BVerfGE 82, 106 ff. (=NJW 1990, 2741 ff.) BVerfGE 82, 209 ff. (= NJW 1990, 2306 ff.) BVerfGE 83, 130 ff. (= NJW 1993, 1460) BVerfGE 84, 133 ff. (= NJW 1991, 1667 ff.) BVerfGE 84, 212 ff. (= NJW 1991, 2549) BVerfGE 85, 134 ff. (= NJW 1992, 1555 ff.) BVerfGE 85, 248 ff. (= NJW 1992, 2341 ff.) BVerfGE 85, 360 ff. (= NJW 1992, 1373 ff.) BVerfGE 88, 366 ff. (= NJW 1993, 2599 ff.) BVerfGE 88, 203 ff. (= NJW 1993, 1751 ff.) BVerfGE 90, 27 ff. (= NJW 1994, 1147 ff.) BVerfGE 92, 26 ff. (= NJW 1995, 2339 ff.) BVerfGE 93, 362 ff. (= NJW 1996, 1882 ff.) BVerfGE 96, 375 ff. (= NJW 1998, 519 ff.) NJW 1998, 2961 ff. (= NJW 1999, 841 ff.) BVerfGE 89, 365 ff. (= NZA 1999, 194 ff.) BVerfGE 98, 265 ff. BVerfGE 100, 313 ff. (= NJW 2000, 55 ff.) BVerfGE 103, 21 ff. (= NJW 2001, 879 ff.) BVerfGE 103, 44 ff. (= NJW 2001, 1633 ff.) BVerfGE 103, 89 ff. (= NJW 2001, 957 ff.) BVerfGE 105, 252 ff. (= NJW 2002, 2621 ff.) BVerfGE 105, 279 ff. (= NJW 2002, 2626 ff.) BVerfGE 110, 33 ff. (= NJW 2004, 2213 ff.) BVerfGE 110, 177 ff. (= NVwZ 2005, 797 ff.) NJW-RR 2004, 1710 ff. NJW 2009, 589 ff. (= GRUR 2005, 261 ff.) BVerfGE 113, 63 ff. (= NJW 2005, 2912 ff.) BVerfGE 113, 348 ff. (= NJW 2005, 2603 ff.) BVerfGE 115, 205 ff. (= NJW 2006, 1041 ff.)

296 24.05.2005 13.06.2006 11.07.2006 13.03.2007 13.06.2007 02.03.2009 02.03.2010 14.04.2010 23.06.2010 17.08.2010 21.06.2011 19.07.2011 24.01.2012 04.06.2012 19.03.2013 24.04.2013 17.09.2013 15.10.2014 14.01.2015 21.03.2018

Anhang: Fundstellen der zitierten Gerichtsentscheidungen U B B B B U U B U B B B B B U U B B B B

2 BvR 669/04 1 BvR 1160/03 1 BvL 4/00 1 BvF 1/05 1 BvR 1550/03* 1 BvR 256/08* 1 BvR 256/08* 1 BvL 8/08 1 BvF 2/05 1 BvR 2585/06 1 BvR 2035/07 1 BvR 1916/09 1 BvR 1299/05 2 BvL 9/08* 2 BvR 2628/10* 1 BvR 1215/07 2 BvR 2436/10* 2 BvR 920/14 1 BvR 931/12 1 BvF 1/13

Bundesverwaltungsgericht 21.03.1958 U VII C 6.57 19.12.1963 U I C 77.60 12.12.1967 U I C 34.67 VII C 122.66 30.08.1968 U 14.03.1969 U VII C 37.67 VI 8.69 27.10.1970 U 11.11.1970 U IV C 102.67 13.02.1974 U VIII C 193.72 02.07.1976 U VII C 71.75 3 C 111.79 26.04.1979 U 22.05.1980 U 3 V 2.80 27.05.1981 U 7 C 34.77 23.03.1982 U 1 C 157.79 01.12.1982 U 7 C 111.81 07.05.1987 U 3 C 53.85 17.05.1988 U 1 A 42.84 21.07.1989 B 7 B 184.88 29.05.1990 B 7 B 30.90 18.10.1990 U 3 C 3.88 17.12.1991 U 1 C 5.88 27.03.1992 U 7 C 21.90 19.01.2000 U 11 C 6.99 12.07.2000 U 7 C 3.00 24.06.2004 U 4 C 11.03 15.12.2005 U 7 C 20.04 27.05.2009 U 8 C 10.08

BVerfGE 116, 24 ff. (= NVwZ 2006, 807 ff.) BVerfGE 116, 135 ff. (= NJW 2006, 3701 ff.) BVerfGE 116, 202 ff. (= NJW 2007, 51 ff.) BVerfGE 118, 79 ff. (= NVwZ 2009, 937 ff.) BVerfGE 118, 168 ff. (= NJW 2007, 2464 ff.) BVerfGE 125, 260 ff. (= NJW 2010, 833 ff.) BVerfGE 125, 260 ff. (= NJW 2010, 833 ff.) BVerfGE 126, 29 ff. (= JuS 2010, 837 ff.) BVerfGE 128, 1 ff. (= NVwZ 2011, 94 ff.) NJW 2011, 511 ff. BVerfGE 129, 49 ff. (= NVwZ 2011, 1316 ff.) BVerfGE 129, 78 ff. (= NJW 2011, 3428 ff.) BVerfGE 130, 151 ff. (=NJW 2012, 1419 ff.) BVerfGE 131, 88 ff. BVerfGE 133, 168 ff. (= NJW 2013, 1058 ff.) BVerfGE 133, 277 ff. (= NJW 2013, 1499 ff.) BVerfGE 134, 141 ff. (= NVwZ 2013, 468 ff.) NJW 2015, 44 ff. BVerfGE 138, 261 ff. (= NVwZ 2015, 582 ff.) juris

BVerwGE 6, 282 ff. (= NJW 1985, 1153 ff.) BVerwGE 17, 306 ff. (=NJW 1964, 2075 ff.) BVerwGE 28, 295 ff. (= MDR 1968, 440 ff.) BVerwGE 30,191 ff. (= NJW 1969, 522 ff.) DVBl 1979, 735 f. BVerwGE 36, 179 ff. BVerwGE 36, 248 ff. (= DVBl 1972, 526 ff.) BVerwGE 45, 13 ff. BVerwGE 51, 69 ff. (= NJW 1976, 1648 ff.) BVerwGE 58, 45 ff. (= NJW 1979, 2059 ff.) BVerwGE 60, 154 ff. (= NJW 1980, 2764 ff.) BVerwGE 62, 224 ff. BVerwGE 65, 167 ff. (= NJW 1982, 2513 ff.) BVerwGE 66, 307 ff. (= NVwZ 1983, 151 ff.) BVerwGE 77, 207 ff. BVerwGE 79, 326 ff. (= NJW 1988, 2191 ff.) NJW 1990, 134 ff. (= NVwZ 1988, 430 ff.) NVwZ 1991, 59 ff. BVerwGE 87, 37 ff. (= NJW 1991, 1766 ff.) BVerwGE 89, 281 ff. (= NJW 1992, 1641 ff.) BVerwGE 90, 112 ff. (= NJW 1992, 2496 ff.) NVwZ 2000, 673 ff. BVerwGE 111, 306 ff. (= NVwZ 2000, 1411 ff.) BVerwGE 121, 152 ff. (= NVwZ 2004, 1229 ff.) NJW 2006, 1303 ff. NVwZ 2009, 1305 ff.

Anhang: Fundstellen der zitierten Gerichtsentscheidungen 28.01.2010 06.01.2012 20.11.2014 19.02.2015 15.06.2015 14.06.2016

U U U U B U

8 C 19.09 6 C 9.11 3 C 27.13 1 C 13.14 7 B 22.14 10 C 7/15

297

NVwZ 2010, 1300 ff. BVerwGE 141, 329 ff. (= NVwZ 2012, 757 ff.) NVwZ-RR 2015, 425 ff. NJW 2015, 2358 ff. DVBl 2015, 1297 ff. juris (= DÖV 2016, 1007 ff.)

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg OVG 5 S 21/14 NVwZ-RR 2014, 843 ff. 28.05.2014 B 03.06.2014 B OVG 5 N 2/13 NVwZ-RR 2014, 846 ff. 20.05.2015 B OVG 6 L 34.15 BeckRS 2015, 46643 Oberverwaltungsgericht Niedersachsen 24.01.2005 B 7 LA 232/04 10 ME 87/07 10.03.2007 B 24.10.2007 B 10 OB 231/07 16.01.2013 B 13 ME 267/12 14.06.2013 B 13 ME 18/13

GewArch 2005, 258 ff. NVwZ-RR 2007, 363 ff. BeckRS 2007, 27485 NJW 2013, 1252 ff. NVwZ-RR 2013, 831 ff.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen 5 A 584/86 NVwZ 1991, 174 ff. 23.03.1990 U 13 B 192/13 ZLR 2013, 483 ff. (= NVwZ-RR 2013, 627 ff.) 24.04.2013 B 01.04.2014 U 8 A 654/12 DVBl 2014, 1331 ff. 13 A 941/15 juris (= NVwZ-RR 2017, 447 ff.) 12.12.2016 U Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz 6 B 100035/13 NVwZ 2013, 1020 ff. 13.02.2013 B Oberverwaltungsgericht Saarland 3 A 270/10 03.02.2011 B

NVwZ 2011, 632 ff.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 9 S 2423/12 ZLR 2013, 212 ff. (= NVwZ 2013, 1022 ff.) 28.01.2013 B Verwaltungsgerichtshof Bayern G 09.1 22.12.2009 B 18.03.2013 B 9 CE 12.2755 9 CE 13.80 18.03.2013 B

LMRR 2009, 82 ff. juris (= LRE 65, 38 ff.) juris

Verwaltungsgerichtshof Hessen 23.04.2013 B 8 B 28/13

juris (= LMRR 2013, 80)

Verwaltungsgericht Berlin 28.11.2012 B 14 K 79.12 19.03.2014 B 14 L 35.14 13.01.2015 B 4 L 388.14

juris (= LRE 65, 125 ff.) juris (= GewArch 2014, 303 ff.) GewArch 2015, 404 ff.

298

Anhang: Fundstellen der zitierten Gerichtsentscheidungen

Verwaltungsgericht Dresden 6 L 47/13 22.04.2013 B

juris

Verwaltungsgericht Düsseldorf 16.04.2013 B 16 L 494/13 13.03.2015 U 26 K 4876/13 26 K 5494/13 13.03.2015 U 13.03.2015 U 26 K 5722/13 13.03.2015 U 26 K 8686/13 26.03.2015 U 26 K 6749/13

juris juris juris juris juris juris

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen 19 L 1452/12 04.01.2013 B 15.02.2013 B 19 L 1730/12

juris juris

Verwaltungsgericht Karlsruhe 07.11.2012 B 2 K 2430/12

ZLR 2013, 207 ff.

Verwaltungsgericht Saarland 3 L 76/13 25.01.2013 B

juris

Verwaltungsgericht Würzburg 12.12.2012 B W 6 E 12.994

juris

Bundesgerichtshof 28.01.1957 U 09.12.1975 U 28.06.1984 U 03.12.1985 U 07.06.1990 U 02.04.2009 U 06.02.2014 U 02.12.2015 U

BGHZ 23, 157 ff. (= NJW 1957, 630 ff.) BGHZ 65, 325 ff. (= NJW 1976, 620 ff.) BGHZ 92, 34 ff. (= NJW 1984, 2516 ff.) NJW 1986, 981 ff. BGHZ 111, 349 ff. (= NJW 1990, 3260 ff.) GRUR 2009, 678 ff. (= MDR 2009, 992 ff.) GRUR 2014, 904 ff. GRUR 2016, 739

III ZR 141/55 VI ZR 157/73 III ZR 35/83 VI ZR 160/84 III ZR 74/88 I ZR 209/06 I ZR 75/13 I ZR 45/13

Oberlandesgericht Karlsruhe 4 U 188/07 Vergleich GRUR-RR 2010, 47 ff. 09.07.2009 U Oberlandesgericht Koblenz 13.04.2016 U 9 U 516/16

nicht veröffentlicht

Oberlandesgericht München 09.09.2014 U 18 U 516/14

GRUR 2014, 1126 ff.

Landgericht München I 05.12.2011 B 15 O 9353/09

LMuR 2012, 32 ff.

Europäischer Gerichtshof 11.07.1974 U Rs. 7/68

Slg. 1974, 837 ff. (=NJW 1975, 515 ff.)

Anhang: Fundstellen der zitierten Gerichtsentscheidungen 20.02.1979 13.12.1979 24.11.1982 06.12.1984 26.11.1985 12.03.1987 21.05.1987 08.03.1988 24.11.1993 05.10.1994 06.07.1995 30.07.1996 28.04.1998 05.11.2002 11.07.2002 11.12.2003 30.06.2005 17.04.2007 09.09.2008 09.10.2011 26.02.2013 26.02.2013 11.04.2013 06.03.2014 30.04.2014 04.06.2015 19.10.2016

U U U U U U U U U U U U U U U U U U U U U U U U U U U

Rs. 120/78 Rs. 44/79 Rs. C-249/81 Rs. 59/83 Rs. 182/84 Rs. 178/84 Rs. C-133–136/85 Rs. 222/82 Rs. C-267 u. 268/91 Rs. C-280/93 Rs. C-470/93 Rs. C-84/95 Rs. C-200/96 Rs. C-325/00 Rs. 60/00 Rs. C-322/01 Rs. 295/03 Rs. C-470/03 Rs. 120/06 Rs. C-92, 93/09 Rs. C-399/11 Rs. C-617/10 Rs. C-636/11 Rs. C-206/13 Rs. C-390/12 Rs. C-195/14 Rs. C-148/15

299

Slg. 1979, 649 ff. (= NJW 1979, 1766 ff.) Slg. 1979, 3727 ff. (= NJW 1980, 505 ff.) NJW 1983, 2755 ff. Slg. 1984, 4057 ff. (= BeckRS 2004, 73381) Slg. 1985, 3731 ff. (= NJW 1987, 566 ff.) Slg. 1987, 1262 ff. (= NJW 1987, 1133 ff.) Slg. 1987, 2334 ff. (= NJW 1987, 2148 ff.) Slg. 1988, 1443 ff. (= BeckRS 2004, 72401) Slg. 1993, I-6097 ff. (= NJW 1994, 121 ff.) Slg. 1994, I-4973 ff. (= NJW 1995, 945 ff.) Slg. 1995, I-1923 ff. (= NJW 1995, 3243 ff.) Slg. 1996, I-3953 ff. (= EuZW 1996, 595 ff.) Slg. 1998, I-1953 ff. (= EuZW 1998, 406 ff.) Slg. 2002, I-9977 ff. (= NJW 2002, 3609 ff.) Slg. 2002, I-6279 ff. (= EuZW 2002, 603 ff.) Slg. 2003, I-14887 ff. (= NJW 2004, 131 ff.) Slg. 2005, I-5673 ff. Slg. 2007, I-2749 ff. (= EuZW 2007, 480 ff.) Slg. 2008, I-6513 ff. Slg. 2010, I-11063 ff. (= EuZW 2010, 939 ff.) NJW 2013, 1215 ff. NJW 2013, 1415 ff. NVwZ 2013, 1002 ff. NVwZ 2014, 575 ff. EuZW 2014, 597 ff. LMuR 2015, 125 ff. NJW 2016, 3771 ff.

Sachwortverzeichnis Angemessenheit 101, 122, 142, 150, 152, 153, 203 Anhörung  99, 116, 169, 178, 180, 191, 271 Aufklärung  25, 26, 28, 30, 32, 33 AVV RÜb  186, 187 Beliehene  245, 246, 251, 252 Berufsfreiheit  60, 68, 79, 82, 84, 103, 128, 139, 253 Bestimmtheitsgrundsatz 99, 140, 150, 157, 270 Betriebs- und Geschäftsgeheimnis  169 Betriebshygiene  141, 164, 180 Bußgeldprognose  144, 145 Cassis-Formel 121 Dassonville-Formel 119 Dienstleistungsfreiheit siehe Grundfreiheiten Drittwirkung –– mittelbare  103, 260 Eigentumsfreiheit  68, 74, 85, 103, 128 eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb  74, 78, 79, 82, 85, 95, 96, 103, 137, 139, 160, 253, 260 –– im Unionsrecht  129, 131 Eingriff 95 –– durch staatliche Finanzierung  254, 258 –– durch Verbraucherinformation 92, 150, 196, 228, 254 –– durch Warnung  48, 90 –– funktionales Äquivalent 63, 67, 88, 89, 92, 96, 103, 269 –– kognitiv final  92, 93, 96, 103, 137, 253, 269 –– voluntativ final  89, 91, 93, 96, 103, 137, 269 Empfehlung  25, 26, 27, 29, 31, 32, 33, 268 Erforderlichkeit  101, 122, 142, 150, 202 Ermessen  55, 56, 58, 100, 123, 125, 126, 136, 151, 163, 165, 178, 179, 200, 203, 269, 270

Formenlehre  23, 36, 37, 38, 42, 47, 268 Geeignetheit  149, 199 Gesetzgebungskompetenz 192 Gleichheitssatz –– allgemeiner  84, 103 Grundfreiheiten –– Dienstleistungsfreiheit 119 –– Warenverkehrsfreiheit  89, 118, 119, 121, 127, 270 Grundrechtsbegrenzung –– verfassungsimmanente  59, 61 Handlungsform  23, 38, 42, 91, 246, 268 Handlungsfreiheit –– allgemeine  83, 85 Hygienediagramm  217, 220 Hygienesiegel 218 informationelle Selbstbestimmung  68, 80, 82, 86, 103, 128, 130, 137, 139, 140, 159, 196, 197, 229, 253 Informationsfreiheit  54, 56 Informationshandeln –– mittelbares  259, 266 Keck-Formel 120 Kontrollbarometer 30, 93, 221 siehe auch Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz NRW Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz NRW  21, 105, 181, 184, 221 Kontrollfrequenz  195, 205, 210, 217, 218 Lebensmittelklarheit.de 21, 29, 34, 59, 79, 91, 207, 230, 244, 252, 258, 264 Lebensmittelwarnung.de  115, 157, 158, 159 Löschungsfrist 142, 143, 150, 160, 162, 165, 204 Markttransparenz  22, 54, 56, 73, 102, 116, 117, 147, 152, 154, 165, 168, 179, 198, 199, 201, 203, 241, 246, 269, 270

Sachwortverzeichnis Meinungsfreiheit  245, 252, 254 Nachkontrolle  85, 182, 190, 196, 205, 214, 226 Pankow siehe Smiley-Modelle Prangerwirkung 147 Produktbezug  120, 148, 158, 176, 270 Recht auf körperliche Unversehrtheit 54, 55 Rechtsform  37, 39, 42, 46, 51, 268 Ruf eines Unternehmens  76, 78, 95 Smiley-Modelle –– Dänemark 208 –– NRW  217, 221 –– Pankower Smiley-System  217, 223 –– Sicher Essen in Berlin  217, 223, 227 Stiftung Warentest  249, 265 Unionsgrundrechte –– Anwendbarkeit 123 –– Berufs- und unternehmerische Freiheit  128 –– Eigentumsfreiheit 129 –– Schutz personenbezogener Daten  130 Unschuldsvermutung  144, 145, 148 Unterlassungsanspruch  259, 263, 272

301

Verbraucherinformation –– Begriff  33, 35 –– Ermächtigung zur  108, 167 Verbraucherleitbild  22, 198, 201, 221, 234 Verbraucherschutz –– als Ziel  21, 137, 152, 240, 244 –– Grundrecht  54, 57 –– im Unionsrecht  121, 127, 134 Verdachtsstrafe  144, 146, 153, 164, 166, 270 Verhältnismäßigkeit 64, 84, 88, 100, 104, 122, 149, 161, 179, 197 Veröffentlichungsdauer  85, 142, 150, 157, 178 Verwaltungshandeln –– informelles  41, 43, 45 –– schlichtes  36, 43, 46, 51, 268 Verwaltungshelfer  245, 251, 260, 266 Warenverkehrsfreiheit siehe Grundfreiheiten Warnung –– als Handlungsform  45 –– Begriff  25, 26, 27, 33, 35 –– Ermächtigung zur  107, 157, 163 Wettbewerbsfreiheit  69, 83, 85, 103, 269 Zuständigkeit siehe auch Gesetzgebungskom­ petenz –– Finanzierung  257, 266 –– Lebensmittelüberwachung Dänemark  208 Zwei-Stufen-Theorie 261