Grenzen der Vorstandshaftung: Eine Untersuchung der vorhandenen Beschränkungen der Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft und der Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Schaffung von Haftungserleichterungen de lege lata und de lege ferenda [1 ed.] 9783428548132, 9783428148134

Die Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft ist nicht erst seit einigen Unternehmensskandalen u

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Grenzen der Vorstandshaftung: Eine Untersuchung der vorhandenen Beschränkungen der Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft und der Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Schaffung von Haftungserleichterungen de lege lata und de lege ferenda [1 ed.]
 9783428548132, 9783428148134

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 280

Grenzen der Vorstandshaftung Eine Untersuchung der vorhandenen Beschränkungen der Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft und der Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Schaffung von Haftungserleichterungen de lege lata und de lege ferenda

Von

Sabrina Binder

Duncker & Humblot · Berlin

SABRINA BINDER

Grenzen der Vorstandshaftung

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 280

Grenzen der Vorstandshaftung Eine Untersuchung der vorhandenen Beschränkungen der Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft und der Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Schaffung von Haftungserleichterungen de lege lata und de lege ferenda

Von

Sabrina Binder

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D21 Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-14813-4 (Print) ISBN 978-3-428-54813-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84813-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2015 von der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand Ende März 2015, vereinzelt konnten spätere Entscheidungen noch berücksichtigt werden. Mein Doktorvater, Herr Professor Dr. Jan Schürnbrand, hat nicht nur das Thema der Arbeit angeregt, sondern diese während ihrer gesamten Entstehungszeit stets interessiert begleitet und durch zahlreiche wertvolle Hinweise und seine stete Diskussionsbereitschaft erheblich bereichert. Auch durch die hervorragenden Arbeitsbedingungen, die mir als wissenschaftlicher Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl ermöglicht wurden, hat er meine Arbeit stets gefördert. Dafür sowie für die äußerst zeitnahe Erstellung des Erstgutachtens bedanke ich mich herzlich. Herrn Professor Dr. Walter G. Paefgen danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Weiterhin gilt mein Dank den zahlreichen Autoren, die mir anderweitig nicht erhältliche oder noch nicht erschienene Literatur freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben, sowie den Versicherern und dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, die mir ihre D&O-Versicherungsbedingungen für die empirische Analyse im 3. Teil der Arbeit zugänglich gemacht haben. Daneben haben auch meine wunderbaren Kolleginnen und Kollegen nicht nur durch ihr Interesse und ihre Diskussionsbereitschaft, sondern vor allem durch ihre Freundschaft und ihren Zuspruch entscheidende Beiträge zur Entstehung dieser Arbeit und auch zu zahlreichen schönen Momenten, in denen sie gerade nicht entstand, geleistet. Für eine unvergessliche Zeit danke ich deshalb Richard Bader, Sonja Birkhold, Julia König, Elfi Lüdecke, Cornelia Ruchhöft, Janina Helde, Michael Brenz, Jan Brenz, Yvonne Conzelmann, Dr. Johannes W. Flume, Nadine Kern, Sabrina Marianek, Dr. Sabine Merz, Dr. Christian Schnabel, Dr. Dennis Walczak und Birgit Werner. Herrn Stephan Wiedmann danke ich für eine wunderschöne gemeinsame Studienzeit und seine Freundschaft. Mein herzlicher Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Arndt Kiehnle, der die Entstehung der Arbeit zunächst als Kollege, dann als mein Lebensgefährte stets interessiert begleitet hat. Seine Zuversicht und Ermutigung haben die Arbeit entscheidend gefördert. Bochum, im September 2015

Sabrina Binder

Inhaltsübersicht 1. Teil Einführung

35

2. Teil Grundriss der Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft im deutschen Aktienrecht

40

A. Die Funktion der Vorstandsinnenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds als Haftungsvoraussetzung . . . . . . . . . . 49 3. Teil Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

97

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 B. Haftungsausschluss und Haftungsbeschränkungen durch Satzung und Vertrag . . . . . . 171 C. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 D. Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 E. Begrenzung des geltend zu machenden Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft . . 269 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 4. Teil Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

370

A. Verzicht und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 B. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 C. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403

8

Inhaltsübersicht

D. Der Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . 414 E. Haftungshöchstgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 F. Zulassung vertraglicher Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 G. Billigkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 H. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 J. Juristische Person als Vorstandsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526

5. Teil Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

528

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 B. Aktionärsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546

6. Teil Abschließendes Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen

587

A. Abschließendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einführung

35

2. Teil Grundriss der Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft im deutschen Aktienrecht

40

A. Die Funktion der Vorstandsinnenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Notwendigkeit einer differenzierenden Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Der „Zuschnitt“ der einzelnen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Treu- und Sorgfaltspflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Verletzungen der Treupflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Verletzungen der Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Schadensersatz als Anspruchsziel des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 43 III. Die Rolle der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 B. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds als Haftungsvoraussetzung . . . . . . . . . . 49 I. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Die Treupflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . 51 1. Inhalt der Treupflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Gesetzliche Konkretisierungen der Treupflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Die Treupflicht im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) . . . . . . 55 4. Exkurs: Die Unterscheidung einer duty of care und einer duty of loyalty im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Die Systematisierung der Treupflicht der directors im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Inhalte der Pflichten der directors gegenüber der corporation . . . . . . . . . . . 57 aa) Duty of care . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Duty of loyalty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 cc) Vorliegen eines Eigeninteresses als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . 59

10

Inhaltsverzeichnis dd) Grund und Bedeutung der Unterscheidung der duties of care und of loyalty im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (1) Verletzungen der duties of care und of loyalty, insbesondere unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (a) Überwachung und Sanktionierung von Pflichtverletzungen: Versagen alternativer Sanktionsmechanismen und geringere Verfolgungsschwierigkeiten bei Verstößen gegen die duty of loyalty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (b) Verhaltenssteuernde Wirkung von Haftungsnormen . . . . . . . . . 64 (2) Bedeutung der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (3) Begründung der Differenzierung innerhalb der business judgment rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (a) Interessen der directors und shareholders bei den duties of care und of loyalty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (b) Haftungsgefahren als Ursache übermäßiger Risikoaversion der directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (c) Gefahren für das Vermögen der shareholders als der „wirtschaftlichen Eigentümer“ der corporation . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (d) Fehlende Expertise der Gerichte bezüglich unternehmerischen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (e) Das Problem des „hindsight bias“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 5. Abgrenzung der Sorgfalts- und Treupflicht im deutschen Recht . . . . . . . . . . . 72 III. Die Legalitätspflicht des Vorstands in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Begründung der Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Schadenspotenzial von Rechtsverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Haftungsentlastung nur durch gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 c) § 396 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d) § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . 78 3. Grenzen der Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Differenzierung nach der Art der verletzten Rechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . 80 b) „Nützliche“ Rechtsverstöße („nützliche“ Pflichtverletzungen; „efficient breach of law“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Ausländische Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 d) Unklare oder unsichere Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 e) Vertragliche Pflichten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 f) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 IV. Organisations- und Überwachungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Arbeitsteilung innerhalb des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Organisation und Überwachung nachgeordneter Ebenen des Unternehmens . 93

Inhaltsverzeichnis

11

3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

3. Teil Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

97

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 I. Problemaufriss: Vorstandshaftung für unternehmerisches Handeln . . . . . . . . . . . . 97 II. Grundlagen: Die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . 98 III. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . 99 1. Unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Bewusste Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) „Unternehmerische“ Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Gesetzesbegründung: „unternehmerische“ vs. „gebundene“ Vorstandsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Der „Zukunftsbezug“ unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . 101 (1) Unklarer Begriff der „Zukunftsbezogenheit“ bzw. des Erfordernisses einer Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (2) Folgen für die Begriffsdefinition der „unternehmerischen“ Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 cc) „Unternehmerische“ als „ungebundene“ Entscheidungen . . . . . . . . . . . 103 dd) Die „business decision“ bzw. das „business judgment“ in der USamerikanischen business judgment rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Vorschlag einer Definition der unternehmerischen Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Handeln zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Auswirkungen eines Interessenkonflikts eines Vorstandsmitglieds bei Kollektiventscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Problemstellung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Die Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds als Anknüpfungspunkt der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 cc) Schutz der Gesellschaft durch die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 dd) „Kollektivierung“ der Befangenheit in Widerspruch zum Regelungszweck des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 ee) Schlussfolgerungen und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Angemessene Informationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Anforderungen an die Angemessenheit der Informationsgrundlage . . . . . . 114 aa) Gesetzesbegründung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

12

Inhaltsverzeichnis bb) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) „Sicherer Hafen“ auch für die Beurteilung der Angemessenheit der Informationsgrundlage – „vernünftige“ Annahme oder objektive Angemessenheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) Die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH als Vorbild der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 dd) Die business judgment Rule US-amerikanischer Prägung als Vorbild der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 ee) Zwischenfazit: § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vs. „ARAG/Garmenbeck“? . . . 121 ff) Sinn und Zweck der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Die Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage als unternehmerische Entscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5. „Vernünftige“ Annahme des Handelns auf Grundlage angemessener Information und zum Wohle der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Der unscharfe Begriff des „unternehmerischen Ermessens“ . . . . . . . . . . . . 130 aa) Keine eigenständige Dogmatik eines unternehmerischen Ermessens . . 130 bb) Keine Übertragbarkeit der verwaltungsrechtlichen Grundsätze . . . . . . 131 (1) Ermessen und Beurteilungsspielraum im Verwaltungsrecht . . . . . . 131 (2) Gesetzesbindung der Verwaltung vs. unternehmerische Freiheit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (3) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Ermessen im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Auslegung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (1) Kein etablierter Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (2) Allgemeiner Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (1) Stellung innerhalb des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) § 46c Abs. 2 Satz 2 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (3) „Vernünftig“ als Tatbestandsmerkmal im Aktiengesetz . . . . . . . . . 144 (4) Grobe Fahrlässigkeit als „unangemessene Haftungskategorie“ für die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . 147 (5) Unbedenklichkeit der Vermengung von Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (6) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Inhaltsverzeichnis

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cc) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . 152 (2) Die business judgment rule US-amerikanischer Prägung als Vorbild des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (a) Exkurs: Die business judgment rule im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (aa) Grundlegende Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (bb) Der „derivative suit“ als Regelfall der Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (b) Die „vernünftigerweise“ entsprechenden Anforderungen der US-amerikanischen business judgment rule . . . . . . . . . . . . . . . 158 (3) Der Referentenentwurf des UMAG im Vergleich zur Gesetzesfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (4) Bericht der Regierungskommission Corporate Governance und Beschluss des 63. Deutschen Juristentages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 dd) Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 6. Dogmatische Einordnung der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 IV. „Legal Judgment Rule“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 B. Haftungsausschluss und Haftungsbeschränkungen durch Satzung und Vertrag . . . . . . 171 I. Das Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Das Regelungsanliegen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Prozesshandlungen und prozessbezogenes Verhalten der Gesellschaft . . . . . . 173 a) Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Verzichts- und Anerkenntnisurteil, Klagerücknahme und Versäumnisurteil 176 aa) Verzicht in der mündlichen Verhandlung nach § 306 ZPO . . . . . . . . . . 176 bb) Anerkenntnis, § 307 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 cc) Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 dd) Versäumnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Nichtgeltendmachung von Ersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4. Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 5. Abtretung von Ersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Unentgeltliche Abtretung zum Zweck der Enthaftung durch Dritte . . . . . . 183 b) Abtretung zum Nominalwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 c) Abtretung zum tatsächlichen Wert des Ersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 184 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 6. Sonstige Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Statutarische Abweichungen von der gesetzlichen Regelung der Vorstandsinnenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

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Inhaltsverzeichnis III. Unzulässigkeit zugunsten des Vorstandsmitglieds abweichender vertraglicher Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Grundsatz der Satzungsstrenge, § 23 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Fehlende Publizität vertraglicher Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Haftungsfreistellung durch den Aufsichtsrat und § 93 Abs. 4 S. 2 AktG . . . . . 195 4. Haftungsfreistellung durch die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Nichteintritt der Ersatzpflicht für Handlungen aufgrund eines gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschlusses, § 93 Abs. 4 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . 196 aa) Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen durch den Vorstand . 196 bb) Der Haftungsausschluss als Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (1) Gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschluss als Willensbildung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (2) Das Verhältnis von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG und § 83 Abs. 2 AktG . 199 (3) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 cc) Verknüpfung mit der Ausführungspflicht des § 83 AktG . . . . . . . . . . . 200 b) Fehlende Übertragbarkeit auf vorherige vertragliche Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 5. Die eigenverantwortliche Stellung der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . 201 6. Unterschiedliche Vermögensbindung in Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Verfügungen über Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Kapitalbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 bb) Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 7. Freistellungsbefugnis bis zur Grenze des § 93 Abs. 5 S. 2 AktG? . . . . . . . . . . 206 8. Das aktienrechtliche Verzichts- und Vergleichsverbot, § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. 207 a) Einordnung haftungsbegrenzender Vereinbarungen als Verzicht oder Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Erlass, § 397 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Vergleich, § 779 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 cc) Gewollte Regelungsgehalte und rechtliche Einordnung die Vorstandshaftung begrenzender Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Subsumtion unter § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

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c) Zwischenfazit: Unvereinbarkeit haftungsbeschränkender Vereinbarungen vor Anspruchsentstehung mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 C. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Begrenzte Deckungssummen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 III. Deckungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Vorsätzliche Schadensverursachung und wissentliche Pflichtverletzung . . . . . 217 2. Versicherbarkeit von Vermögenseinbußen aufgrund der Zahlung von Geldbußen durch Vorstandsmitglieder und die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Allgemeine Versicherungsbedingungen zur D&O-Versicherung . . . . . . . . . 219 b) Versicherbarkeit eigener Geldbußen der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . 220 c) Versicherbarkeit des Regresses der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Auslegung der Ausschlussklausel „wegen oder infolge von“ . . . . . . . . 221 bb) Ausschluss von Ansprüchen „wegen unlauteren Wettbewerbs oder Wettbewerbsbeschränkungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 e) Vereinbarkeit der Versicherung des Bußgeldregresses mit geltendem Recht 223 3. Spekulationsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 IV. Inanspruchnahme der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 D. Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 II. Anwendbarkeit der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf Ansprüche aus § 93 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Aus dem Gesellschaftsvermögen abgeschöpfte Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Gewinn- bzw. Vorteilsabschöpfung als Folge von Rechtsverstößen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Kein Schaden der Gesellschaft durch Maßnahmen zur Gewinn- oder Vorteilsabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 aa) Unterschiedliche Kausalverläufe in den Anwendungsfällen der Vorteilsausgleichung gegenüber einer Vermögensminderung durch Maßnahmen zur Vorteilsentziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 bb) Die Nachteilszufügung als in der widerrechtlichen Vorteilserlangung angelegte „Belastung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 cc) Sinn und Zweck der rechtlichen Mechanismen zur Vorteilsentziehung. 238 dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 ee) Keine Berufung der Vorstandsmitglieder auf bereits abgeschöpfte Vermögensvorteile als schadensmindernd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

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Inhaltsverzeichnis c) Kein widersprüchliches Verhalten der Gesellschaft durch Gewinneinbehalt und Schadensersatzbegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 d) Entgangene Gewinne als Schaden der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3. Im Gesellschaftsvermögen (noch) verbliebene Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Gesetzesbegründung des VorstAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) Vereinbarkeit mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Keine entgegenstehende Wertung aus § 93 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 243 d) Versuch eines Rückgriffs auf anerkannte Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 e) Die Präventionswirkung der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Zulässigkeit von D&O-Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Herabsetzung der Präventionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (1) Vergleich von „nützlicher Rechtsverletzung“ und Vorteilsausgleichung in Bezug auf die Verhaltenssteuerung der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (2) Schutz der Dispositionsfreiheit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 251 (3) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 f) Auswirkungen der Vorteilsausgleichung auf Gesellschaft und Aktionäre . . 253 g) Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 h) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 III. Erweiterter Ausgleich in entsprechender Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung: Die „Hypothekenbank“-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . 256 1. Vorgehensweise und Begründung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Kritische Diskussion der Begründung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Die „erweiterte“ Vorteilsausgleichung im allgemeinen Zivilrecht . . . . . . . . 258 b) Zirkelschlüssigkeit der Begründung anhand des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 c) Fehlende Vergleichbarkeit von Vorstand und unberechtigtem Geschäftsführer ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 d) Fehlanreize durch die erweiterte Anrechnung von Vorteilen . . . . . . . . . . . . 260 e) Kein treuwidriges und widersprüchliches Verhalten der Gesellschaft . . . . . 261 f) „Windfall profit“ für Gesellschaft oder Vorstandsmitglieder? . . . . . . . . . . . 263 aa) Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 bb) Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 g) Gesamtsaldierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 h) Einheitliche Pflichtverletzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 i) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

E. Begrenzung des geltend zu machenden Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft . . 269 I. Ausgangspunkt: Begrenzung der geltend zu machenden Schadensersatz-, insbesondere Regressansprüche der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder . . . . . 269

Inhaltsverzeichnis II. Dreher – Beschränkung des Regresses wegen Kartellbußgeldern

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1. Grundlagen des Kartellbußgeldrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Ordnungswidrigkeitentatbestände des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Die Ordnungswidrigkeitentatbestände des deutschen Rechts in § 81 GWB 272 c) Vorstandsmitglieder als Adressaten von Bußgeldverfügungen . . . . . . . . . . 273 d) Rechtsunsicherheit bei kartellrechtlich bedeutsamem Handeln der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Der Regress der Gesellschaft bei Vorstandsmitgliedern wegen Kartellbußgeldzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Exkurs: Kausalität und Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden bei Einigung zwischen Gesellschaft und Behörde . . . 275 b) Kein Regressausschluss für gegen die Gesellschaft verhängte Kartellbußgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 aa) Vereinbarkeit mit Sinn und Zweck des Kartellbußgeldrechts . . . . . . . . 277 (1) Die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung für Kartellbußgelder in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (a) Optimaler Adressat der verhaltenssteuernden Wirkung? . . . . . . 278 (b) Verbleibende Risiken der Gesellschaft trotz Regress . . . . . . . . 280 (2) Die Erreichung spezialpräventiver Zwecke nach der Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) Keine Rückschlüsse aus der Zulässigkeit von Freistellungszusagen . . . 282 cc) Wertungswiderspruch zur Haftung für andere Pflichtverletzungen . . . . 282 dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 c) Der Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB als Regressgrenze? . . . . . 283 aa) Kein Widerspruch zu § 81 Abs. 4 S. 1 und 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . 283 bb) Willkürlichkeit der Regressbegrenzung auf den Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 cc) Kein Rechtsmissbrauch durch Inanspruchnahme über den Rahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 3. Fortentwicklung des Ansatzes Dreher: Begrenzung des Regresses wegen der Zahlung von Kartellbußgeldern aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 III. Koch – Beschränkung der geltend zu machenden Regressforderung aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . 288 1. Die Haftung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlasster Tätigkeit als Ausgangspunkt einer Konkretisierung der Fürsorgepflicht der Gesellschaft . . 288 a) Einzelfallcharakter der Haftungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 b) Höhe der Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 c) Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Ansatzes auf die gesamte Vorstandshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

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Inhaltsverzeichnis 2. Das „Referenzmodell“: Die Arbeitnehmerhaftung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Der Begriff des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Grundgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 c) Anwendungsvoraussetzungen der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 d) Inhaltliche Ausgestaltung der privilegierten Haftung des Arbeitnehmers . . 297 e) Dogmatische Grundlagen der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 aa) Ansätze zur Modifikation der Haftungsvoraussetzungen für Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 bb) Ansätze zur Begrenzung der Haftungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (1) Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (a) Fehlende inhaltliche Bestimmtheit der Fürsorgepflicht . . . . . . . 300 (b) Die Fürsorgepflicht als Schadenszurechnungsgrund . . . . . . . . . 300 (c) „Synallagma“ von Fürsorge- und Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . 302 (d) Fürsorgepflicht bei finanzieller Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 (2) Betriebsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 (a) Entsprechende Anwendung des § 254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 304 (b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (3) Verfassungsrechtliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (a) BAG, Beschluss v. 27. 09. 1994 – GS 1/89 (A), BAGE 78, 56; BAG Beschluss v. 12. 06. 1992 – GS 1/89, NZA 1993, 547 . . . 307 (b) BGH, Beschluss v. 21. 09. 1993 – GmS – OBG 1/93, NZA 1994, 270 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (c) Probleme einer verfassungsrechtlichen Begründung der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (aa) Sicherung des Existenzminimums durch Pfändungsschutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (bb) Möglichkeit einer Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . 310 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (d) Folgenbetrachtung: Auswirkungen auf andere Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 cc) Fazit: Fehlende dogmatische Grundlage der privilegierten Haftung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 3. Unanwendbarkeit der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 a) Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion durch den Vorstand . . . . . . . . . . . . 314 b) Fehlende Weisungsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 c) Risikobeherrschung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

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d) Schadensprävention und tatsächliche Schadensfolgen bei Schädigung durch Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 e) Verhältnis von Vergütung und möglicher Schadenshöhe . . . . . . . . . . . . . . . 321 f) „Augenhöhe“ zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied bei der Aushandlung des Anstellungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 g) Verteilung unternehmerischer Chancen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 h) Das Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . 325 i) Schutz von Gesellschaftsgläubigern und Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 j) Fehlen einer Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 k) Ergebnis: Unanwendbarkeit der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 4. Rechtliche Ausgestaltung einer denkbaren Begrenzung der Vorstandshaftung auf Grundlage der Fürsorgepflicht der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 a) Beschränkung der Geltendmachung eines unverändert fortbestehenden Ersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 b) Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 c) Begrenzung des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 5. Fehlende Tragfähigkeit der Fürsorgepflicht der Gesellschaft als dogmatische Grundlage einer Begrenzung der geltend zu machenden Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 a) Fehlende inhaltliche Bestimmtheit der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 aa) Aufgabe der Fürsorgepflicht als dogmatische Grundlage der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 bb) Anwendungsfälle der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 cc) Keine einheitliche Dogmatik der Treu- und Fürsorgepflichten in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 b) Bedenken gegenüber der Fürsorgepflicht als Schadenszurechnungsgrund . 334 c) Keine Begrenzung bei Treupflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 d) Keine Erweiterung des rechtlichen Könnens des Verpflichteten durch Treuund Fürsorgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 aa) Unzulässigkeit des durch die Fürsorgepflicht gebotenen Verhaltens nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 bb) Kein Gebot rechtlich ansonsten unzulässigen Verhaltens aufgrund des Treuegedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 e) Einwände auch gegenüber einer Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 aa) Beschränkung von Vermögensrechten der Aktionäre aufgrund der Treupflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 bb) Einschränkung der Rechte der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (1) Klageerzwingung und Aktionärsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

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Inhaltsverzeichnis (2) Keine Beeinträchtigung des Normzwecks des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (3) Keine Treupflicht zwischen Aktionären und Vorstandsmitgliedern . 340 (4) Keine Erstreckung der Treupflicht zwischen Aktionären und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 cc) Auswirkungen einer späteren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage eines Vorstandsmitglieds? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 dd) Umfassende Vermögensbindung in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . 341 f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 IV. Alternative Ansatzpunkte zur Dogmatik einer Begrenzung des durch die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern geltend zu machenden Schadensersatzes . 343 1. Rechtsfortbildende Anlehnung an die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung . 343 2. Keine Übertragbarkeit der gewandelten Begründung der Arbeitnehmerhaftung aus dem Betriebsrisiko analog § 254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 3. Schutzbereich des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 4. Rechtsfortbildung praeter legem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 V. Notwendigkeit einer weiteren Begrenzung der Vorstandshaftung de lege lata? . . . 347 1. Keine Unbilligkeit der unbegrenzten Vorstandshaftung unabhängig von der Höhe des Schadens im Vergleich zur Haftung in anderen Rechtsverhältnissen 347 a) Vergleich von Vorstandsmitgliedern mit unbeschränkt haftenden Unternehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 aa) Fehlen eines Prinzipal-Agent-Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 bb) Unternehmerische Risikotragung als „Erfolgshaftung“ . . . . . . . . . . . . . 349 cc) Die Rechtsform der Kapitalgesellschaft als Möglichkeit zur Risikobegrenzung für unternehmerische Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 (1) Verringerung der unternehmerischen Freiheiten . . . . . . . . . . . . . . . 351 (2) Gefahr des Totalverlusts der Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 (3) Keine Auswirkungen auf die Verschuldenshaftung der Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 b) Unbillige Benachteiligung gegenüber anderen, dauerhaft in fremdem Interesse tätigen Personen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 aa) Arbeitnehmer und leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 bb) Dienstleister – insbesondere auch Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater – und Werkunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 cc) GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 c) Vergleich mit Deliktsschuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358

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2. Die Vorstandshaftung aus dem Blickwinkel des Verfassungsrechts . . . . . . . . . 359 a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Problem wirtschaftlicher Überforderung durch Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 aa) Die „Bürgschaftsentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts . . . . . 360 (1) Sachverhalt und Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (2) Fehlende Vergleichbarkeit der Bürgen- und Vorstandshaftung . . . . 361 (3) Ausgestaltung der Vorstandshaftung durch den Gesetzgeber . . . . . 362 bb) „Existenzvernichtende“ Haftung im Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 b) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an zwingendes Privatrecht und die Vorstandshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 aa) Zwingendes Privatrecht und Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 bb) Verfassungskonformer Interessenausgleich zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern durch die gesetzliche Regelung der Vorstandsinnenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 (1) Verfassungsrechtliche Kritik an der Regelung der Vorstandshaftung 365 (2) Keine Begründung einer Schadenstragung durch Gesellschaft und Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 (3) Kein abweichendes Ergebnis für die kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 (4) Keine Überschreitung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Vorstandshaftung durch zwingende gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 (5) Kein Einwand aus den Bedingungen der Versicherbarkeit . . . . . . . 367 (6) Verfassungswidrigkeit aus nicht auf die Vorstandshaftung beschränkten Gründen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

4. Teil Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

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A. Verzicht und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 I. Die Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 1. Die Sperrfrist als Hindernis interessengerechter Anspruchserledigung . . . . . . 371 a) D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 b) Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 c) Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 aa) Kooperation in Ordnungswidrigkeitenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

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Inhaltsverzeichnis bb) Einvernehmliches Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . 374 cc) Verbleib im Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 dd) Nicht beitreibbare Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 ee) Vermögensverschlechterung des Vorstandsmitglieds außerhalb des § 93 Abs. 4 S. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 2. Schutzwürdigkeit der Interessen an zügiger Anspruchserledigung? . . . . . . . . 376 a) Gesetzeszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 b) Sekundäre Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 c) Die Haftungsfreistellung durch Zustimmung der Hauptversammlung nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 aa) Keine Rückschlüsse auf die Befugnisse der Hauptversammlung bei Verzicht und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 bb) Die Zustimmung der Hauptversammlung als Enthaftungsinstrument des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 (1) Praktische Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (2) Rechtliche Grenzen: Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses über ordnungswidriges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 d) Unsicherheit der Verwirklichung des Gesetzeszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . 380 aa) Sachverhaltsaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 bb) Kein Wechsel der Hauptversammlungsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 3. Schutz der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 a) Regelungsvorschläge zum Schutz der Minderheitenrechte . . . . . . . . . . . . . 383 b) Fehlende Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 c) Missbrauchsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 4. Lösungen de lege lata? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 5. Fazit und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 II. Folgen für Enthaftungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 III. Die Sperrminorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

B. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 I. Rechtslage de lege lata und Kritik der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 II. Der Grundgedanke der Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG . . . . . . . . 392 1. Amtierende Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 a) Tatsächliche Beweislage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 b) Gerichtliche Handhabung der Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 2. Abweichende Beweislastverteilung für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder?. 396 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 b) Reformüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 aa) Beweislast der Gesellschaft für das Vorliegen einer Pflichtverletzung . 398

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bb) Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 (1) Satzungsdispositivität der Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . 400 (2) Verkürzung der Verjährungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 (3) „Ausbau des Einsichtsrechts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 cc) Eigener Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 C. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 I. Regelverjährung und § 93 Abs. 6 AktG im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 1. Beginn und Ende der Verjährungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 2. Vergleich der Verjährungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 3. Begründung der längeren Verjährungsfristen des § 93 Abs. 6 AktG . . . . . . . . 405 II. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 III. Reformüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 1. Geltung der regelmäßigen Verjährungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 2. Anknüpfung an das Ausscheiden aus dem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 3. Streichung der Sonderregelung für börsennotierte Gesellschaften . . . . . . . . . . 410 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 D. Der Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . 414 I. Gesetzliche Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs auf mittlere oder grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 1. Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit im allgemeinen Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 2. Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 3. Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 II. Satzungsdispositivität des Sorgfaltsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 1. Begründung des Reformvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 2. Gesetzlicher Rahmen der satzungsautonomen Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 421 a) Grenzen der Satzungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 b) Information der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 c) Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 d) Mehrheitserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 e) Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 f) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 3. Vereinbarkeit mit Sinn und Zweck sowie Fortbestand der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 a) Sinn und Zweck der Satzungsstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 aa) Vergleich mit der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428

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Inhaltsverzeichnis bb) Information durch die Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 (1) Möglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 (2) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 cc) Festlegung der Zwecke der Vorstandshaftung durch die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 b) Keine Erosion der Satzungsstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 aa) § 93 Abs. 4 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 bb) § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 cc) § 93 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 dd) Aktionärsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 ee) § 147 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 ff) Zulässigkeit der D&O-Versicherung und § 93 Abs. 2 S. 3 AktG . . . . . 436 gg) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 c) Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 4. Vereinbarkeit mit dem Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 5. Erfordernis einer differenzierenden Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 6. Satzungsregelungen als Lösung des Problems „existenzgefährdender“ Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 a) Erfordernis einer Satzungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 b) Mangelnde Rechtssicherheit: Abgrenzung zwischen Fahrlässigkeitsgraden 441 c) Gefahr unangemessener Risikovorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 aa) Das Fehlen alternativer Risikovorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 bb) Der Wegfall einer satzungsmäßigen Haftungserleichterung als Rücktrittsgrund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 (1) Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 (2) Voraussetzungen der Amtsniederlegung durch ein Vorstandsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 (3) Vorliegen eines wichtigen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 cc) Folgen für die Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 7. Nochmals: grobe Fahrlässigkeit als unangemessener Haftungsmaßstab für Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 8. Vollständige Haftungsfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 a) Präventionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 b) Schadenskompensation und „Selbstversicherung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 aa) Unterschiede zwischen „Selbstversicherung“ durch Haftungsausschluss, D&O-Versicherung und Haftungshöchstbeträgen . . . . . . . . . . 452 bb) Keine erheblichen Auswirkungen haftungsbeschränkender Satzungsregeln auf die Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 cc) Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt . . 453

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dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 9. Gefahr der Benachteiligung der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 a) Vergleich mit § 93 Abs. 4 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 b) Vergleich mit der Inanspruchnahme eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 aa) Die Information der Hauptversammlung bei der Inanspruchnahme eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . 455 bb) Die Information der Hauptversammlung im Vorfeld einer haftungsbeschränkenden Satzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 c) Die Anreizstruktur für die Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 d) Lösungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 aa) Einschaltung des Vorstands oder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . 460 bb) Ad hoc-Minderheitenveto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 10. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 E. Haftungshöchstgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 I. Gesetzliche Festlegung von Haftungshöchstgrenzen für Vorstandsmitglieder . . . . 464 1. Haftungshöchstsummen de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 a) Gesetzliche Haftungshöchstbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 b) Gesetzliche Zulassung betragsmäßiger Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . 466 aa) Rechts- und Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 bb) Entwurf eines KapInHaG: Vorstandsaußenhaftung am Kapitalmarkt . . 467 c) Folgerungen für die Haftung der Mitglieder des Vorstands . . . . . . . . . . . . . 468 aa) Gefährdungshaftung und KapInHaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 bb) Die Begrenzung der Haftung des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . 468 cc) Privilegierung der Vorstandsmitglieder durch eine gesetzliche Haftungsgrenze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 2. Präventions- und Kompensationsfunktion der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 3. Keine überschießende Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 4. Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 5. Grundriss der Ausgestaltung einer gesetzlichen Haftungshöchstsumme . . . . . 477 a) Sachlicher Umfang der Haftungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 aa) Verschuldensgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 bb) Anspruchsbegründende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 b) Haftungshöchstsumme und D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 aa) Bemessung der gesetzlichen Haftungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 bb) Problem: Ausfall der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 cc) Der Pflichtselbstbehalt und dessen Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 482

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Inhaltsverzeichnis c) Gläubigerschutz und Schutz der Aktionärsminderheit (Aktionärsklage) . . . 484 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 II. Zulassung satzungsmäßiger Haftungshöchstgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485

F. Zulassung vertraglicher Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 G. Billigkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 I. Die Reformdiskussion zur Einführung einer Billigkeitsklausel in den 1950er/60erJahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 1. Hintergründe der Reformdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 2. Die haftungsbegrenzende Funktion der Adäquanz und ihre Grenzen . . . . . . . 488 a) Die Adäquanztheorie als Begrenzung deliktischer Haftung . . . . . . . . . . . . 489 aa) Grundlegende Inhalte der Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 bb) Die Adäquanz als Abgrenzungsmerkmal in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 b) Der Schutzzweck der Norm und das allgemeine Lebensrisiko als Grenzen der Schadensersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 aa) Der Ansatz am Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm . . . . . . 493 bb) Das allgemeine Lebensrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 c) Das allgemeine Lebensrisiko in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 3. Der 43. Deutsche Juristentag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 a) Das Gutachten Langes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 b) Beschlussfassung des 43. Deutschen Juristentages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 4. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz 1967 . . . . . . . . . . . . . . 501 II. Einführung einer Billigkeitsklausel ins geltende Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 1. Möglichkeit der Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 2. Probleme in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 3. „Existenzvernichtende“ Haftung im allgemeinen Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . 503 4. Versicherung statt Billigkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 a) Berücksichtigung einer Haftpflichtversicherung im Rahmen der Billigkeitsabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 b) Alternative: Ausgestaltung der Privathaftpflicht- als Pflichtversicherung? . 505 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 III. Vorstandshaftung und Billigkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 1. Die Bewältigung der Vorstandshaftung mit den Abgrenzungsmechanismen des allgemeinen Schadensersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 a) Grenzen der Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 b) Vorstandshaftung, Schutzzweck und allgemeines Lebensrisiko . . . . . . . . . 508 2. Risikovorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511

Inhaltsverzeichnis

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H. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 I. Verbot der Versicherung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 1. Kompensationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 a) Wirtschaftliche Schadenstragung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 512 b) Unvereinbarkeit mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 2. Präventionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 a) Abschwächung der Präventionsfunktion durch eine D&O-Versicherung . . 516 b) Vergleich von Fremd- und Eigenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 II. Verbot der Versicherung des Selbstbehalts durch das Vorstandsmitglied . . . . . . . . 519 III. Ausgestaltung als Pflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 IV. Streichung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 J. Juristische Person als Vorstandsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526

5. Teil Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

528

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 I. Ausgangspunkt: Die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . 529 II. Resonanz der Entscheidung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 1. Unternehmerische Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 a) „ARAG/Garmenbeck“ und überwiegende Auffassung im Schrifttum . . . . . 536 b) Die Bedeutung des UMAG: Maßgeblichkeit der gesetzlichen Rechtslage anstelle der „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze des BGH . . . . . . . . . . . . . . 537 aa) Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf Mitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 bb) Die Entscheidung über die Anspruchsverfolgung als unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 cc) Kein Einwand aus § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 2. Fazit und Folgenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 B. Aktionärsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546

28

Inhaltsverzeichnis II. Reformüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 1. Die Klagezulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 a) Das Quorum des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 b) „Stufenlösung“ unter teilweiser Aufgabe des Klagezulassungsverfahrens . 550 c) Abschaffung des Klagezulassungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 d) Zuständigkeit für das Klagezulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 e) Klagebefugnis außerhalb der Gesellschaft stehender Institutionen oder Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 f) Das Vorbesitzerfordernis des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . 556 g) Erfordernis der Aufforderung der Gesellschaft zur Klageerhebung, § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 4 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 h) Verdacht der Unredlichkeit oder groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung, § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 aa) Unklare Bedeutung der „Unredlichkeit“ oder „groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 bb) Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als Gegengewicht zu § 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 cc) Stellungnahme und eigener Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 i) Keine entgegenstehenden überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls, § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 2. Das Selbsteintrittsrecht der Gesellschaft, § 148 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . 571 3. Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 a) Die Kostenregelung des § 148 Abs. 6 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 b) Reformvorschläge des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 aa) Teilschuld mehrerer Antragsteller oder Kläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 bb) Streitwertverringerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 cc) Kein Kostenersatz durch die Gesellschaft bei Scheitern an § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 dd) Unwiderlegliche Vermutungswirkung des Sonderprüfungsberichts . . . 578 ee) Kostentransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 ff) Unmittelbare Kostenhaftung der Gesellschaft statt Erstattungsanspruch 580 4. Erfolgsbeteiligung der Aktionärskläger („Fangprämie“) . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 a) Ausgestaltung des finanziellen Anreizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 b) Auswirkungen einer Erfolgsbeteiligung der Aktionärskläger . . . . . . . . . . . 582 aa) Verbesserte Prüfung der Beitreibbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 bb) Kein drohender problematischer Bedeutungszuwachs der Aktionärsklage nach dem Vorbild des derivative suit in den USA . . . . . . . . . . . . 582 cc) Sondervorteil der klagenden Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 dd) Ausgestaltung der Kostenhaftung für die „Prämie“ . . . . . . . . . . . . . . . . 584 ee) Fehlendes praktisches Bedürfnis vs. Gefahr problematischer Verhaltenssteuerungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584

Inhaltsverzeichnis

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5. Zusammenfassung des Reformvorschlags zur Aktionärsklage . . . . . . . . . . . . . 585

6. Teil Abschließendes Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen

587

A. Abschließendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 I. Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 1. Business Judgment Rule, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 2. Verzicht und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 3. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 4. Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 5. Begrenzung des geltend zu machenden Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 II. Reform der Vorstandsinnenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 1. Verzicht und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 2. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 3. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 4. Der Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 AktG de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . 594 5. Haftungshöchstgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 6. Zulassung vertraglicher Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 7. Billigkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 8. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 9. Juristische Personen als Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 III. Die Durchsetzung der Vorstandshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 1. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 2. Aktionärsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651

Abkürzungsverzeichnis 2d Circ. 9th Circ. A. a.A. a.a.O. A.2d ABGB ABl.EG ABl. EU Abs. AcP a.E. AEUV AG AGB ähnl. AktG ALI allg. allg.M. AMG Anh. Anm. Anwbl AP AR ArbG ArbGG ArbZG ARS Art. AtomG Aufl. AuR ausführl. BaFin BAG BAGE BB Begr. BetrAVG

United States Court of Appeals, 2nd Circuit United States Court of Appeals, 9th Circuit Atlantic Reporter andere(r) Auffassung am angegebenen Ort Atlantic Reporter, 2nd series Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen ähnlich Aktiengesetz The American Law Institute allgemeine(e/r/s) allgemeine(r) Meinung Arzneimittelgesetz Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Arbeitsrechtliche Praxis Der Aufsichtsrat (Zeitschrift) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitszeitgesetz Arbeitsrechts-Sammlung Artikel; article(s) Atomgesetz Auflage Arbeit und Recht (Zeitschrift) ausführlich Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Betriebs-Berater (Zeitschrift) Begründung; Begründer Betriebsrentengesetz

Abkürzungsverzeichnis BetrVG BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BKR BRAO BSG Bsp. bspw. BT-Drs. BUrlG Bus. Law. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BW CCZ DB DCGK Def. Del.; Del.Supr. Del.Ch. Del. J. Corp. L. ders. d. h. dies. DJT DStR dto. DVStB DZWIR ebd. EFZG EG EuGH EWiR f. (ff.) F.2d FamRZ FG FinDAG Fn. FS F.Supp.

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Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesrechtsanwaltsordnung Bundessozialgericht Beispiel; Beispiele beispielsweise Bundestagsdrucksache Bundesurlaubsgesetz The Business Lawyer (Zeitschrift) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg Corporate Compliance Zeitschrift Der Betrieb (Zeitschrift) Deutscher Corporate Governance Kodex Definition Supreme Court of Delaware Court of Chancery of Delaware; Delaware Chancery Reports The Delaware Journal of Corporate Law derselbe (demselben/denselben) das heißt dieselbe(n) Deutscher Juristentag Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) dito, dasselbe Steuerberater-Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht ebenda Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Gerichtshof der Europäischen Union Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende (Plural) Federal Reporter, 2nd series FamRZ – Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Festgabe Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Fußnote Festschrift Federal Supplement

32 GDV GenG GenTG GG gg. ggü. GmbH GmbHG GmbHR grds. GWB GWR HGB HPflG HRR HV i. d. R. i. e. i.Erg. i.e.S. Ill.App. Ill.App.2d insb. InsO i.R.d. i.S.d. i.S.v. i.Ü. i.V.m. J. Legal Stud. jurisPR-BKR JuS JW JZ K.B. KG KGaA KO KonTraG krit. KSzW LAG LMK lt. Ltd. Mich. MitbestG m.w.N.

Abkürzungsverzeichnis Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Genossenschaftsgesetz Gentechnikgesetz Grundgesetz gegen gegenüber Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau grundsätzlich Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch Haftpflichtgesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung (Entscheidungssammlung) Hauptversammlung in der Regel das heißt; das ist; das sind im Ergebnis im engeren Sinne Appellate Court of Illinois Illinois Appellate Court Reports, 2nd series insbesondere Insolvenzordnung im Rahmen des/der im Sinne des/der im Sinne von im Übrigen in Verbindung mit The Journal of Legal Studies juris PraxisReport Bank- und Kapitalmarktrecht Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitschrift Law Reports, King’s Bench Division Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Konkursordnung Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich kritisch Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Landesarbeitsgericht Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring laut Limited Supreme Court of Michigan; Michigan Reports Mitbestimmungsgesetz mit weiteren Nachweisen

Abkürzungsverzeichnis N.E.2d N.J. N.J.Ch. N.J.Eq. NJOZ NJW N.W. N.Y. N.Y.2d N.Y.S.2d NZA NZG NZKart o.g. OHG ÖJT OLG OLG-NL OR OWiG Pa. PAO PartGG PflVG P.L. ProdHaftG RAG RAGE RdA RefE RegE RGBl. RGZ RMBCA Rn. RVO S. s. SAE S.D.N.Y. Sec. SGB Slg. sog. spez. StBerG StGB

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North Eastern Reporter, 2nd series Supreme Court of New Jersey; New Jersey Reports Court of Chancery of New Jersey New Jersey Equity Reports Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift North Western Reporter Court of Appeals of New York New York Court of Appeals Reports, 2nd series New York Supplement Reporter, 2nd series Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Kartellrecht oben genannte(r/s) offene Handelsgesellschaft Österreichischer Juristentag Oberlandesgericht OLG-Rechtsprechung Neue Länder Obligationenrecht (Schweiz) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Supreme Court of Pennsylvania; Pennsylvania State Reports Patentanwaltsordnung Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Pflichtversicherungsgesetz Public Law Produkthaftungsgesetz Reichsarbeitsgericht Entscheidungen des Reichsarbeitsrechts Recht der Arbeit (Zeitschrift) Referentenentwurf Regierungsentwurf, Gesetzentwurf der Bundesregierung Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revised Model Business Corporation Act Randnummer Reichsversicherungsordnung Satz; Seite siehe Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen United States District Court, Southern District of New York Section Sozialgesetzbuch Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes [EuGH] und des Gerichts Erster Instanz sogenannte(r/s) speziell Steuerberatungsgesetz Strafgesetzbuch

34 st. Rspr. StVG u. a. UG UMAG UmweltHG unstr. U.S. u. U. v. Verf. VersR vgl. VO VorstAG VP vs. Wis. Wis.Supr. WM Wpg WpHG WPO WuW z. B. ZBB ZGR ZHR Ziff. ZIP zit. ZPO ZRP Zshg. zust. ZVersWiss ZVglRWiss ZWeR

Abkürzungsverzeichnis ständige Rechtsprechung Straßenverkehrsgesetz unter anderem; unter anderen Unternehmergesellschaft Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Umwelthaftungsgesetz unstreitig Supreme Court of the United States; United States Reports unter Umständen versus Verfasser(in) VersR – Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht vergleiche Verordnung Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Die Versicherungspraxis (Zeitschrift) versus Callaghan’s Official Wisconsin Reports Supreme Court of Wisconsin Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Gesetz über den Wertpapierhandel, Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsprüferordnung Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer ZIP, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert; zitiert als Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zusammenhang zustimmend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Wettbewerbsrecht

1. Teil

Einführung Im aktienrechtlichen Schrifttum dürfte in den vergangenen Jahren kaum ein Thema vergleichbar präsent gewesen sein wie die Haftung der Mitglieder des Vorstands gegenüber der Aktiengesellschaft. Den Ausgangspunkt der intensiven Beschäftigung der Literatur mit diesem Komplex bildete die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1997.1 In dieser hatte sich der BGH mit der Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft verpflichtet ist, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands geltend zu machen. Die überwiegend im Sinne einer grundsätzlichen Verfolgungspflicht mit nur wenigen Ausnahmen aufgefassten Entscheidungsgründe setzten gleichsam den „Startschuss“ für die Diskussion um die Vorstandshaftung, die zuvor mangels tatsächlicher Durchsetzung als im „Dornröschenschlaf“2 liegender „Papiertiger“3 ohne erhebliche Praxisrelevanz existiert hatte, wenngleich der denkbar strenge Haftungstatbestand des § 93 AktG bereits im Wesentlichen in der heute geltenden Fassung vorhanden war. In der Folge der Entscheidung des BGH gewann die Durchsetzung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder erhebliche praktische Bedeutung,4 die sich nicht zuletzt an einer beachtlichen Zahl von Fällen gezeigt hat, die in der jüngeren Vergangenheit auch über die Wirtschaftspresse hinaus mediale Aufmerksamkeit erfahren haben.5 Die seit dem 1

BGHZ 135, 244; dazu eingehend unter 3. Teil A. II. sowie 5. Teil A. I. Ulmer, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 451, 452. 3 Vgl. Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33. 4 Vgl. die empirischen Befunde zur Zahl der veröffentlichten einschlägigen Gerichtsentscheidungen bei Ihlas, D&O, S. 723 ff. und deren Auswertung durch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 13 f., die für den Zehnjahreszeitraum 1986 – 1995 dieselbe Anzahl solcher Fälle feststellen wie für den von 1886 bis 1985. Diese Zahl verdoppelte sich zwischen 1996 und 2005 und soll sich bis 2015 nochmals in demselben Maße vergrößern. Eine eher stärkere Zunahme der Fallzahlen legt eine eigene juris-Recherche vom 05. 03. 2015 nach Rechtsprechung zu § 93 AktG nahe, die für den Zeitraum 1996 – 2005 36 Treffer, für 2006 – 2015 134 Treffer ergeben hat. Dies mag indes teilweise auch an einem Bedeutungszuwachs des Internets und einer damit einhergehenden Erleichterung und infolgedessen Zunahme von Veröffentlichungen liegen. 5 Vgl. exemplarisch die Berichterstattung zur Siemens-Korruptionsaffäre und dem Fall „Kirch/Deutsche Bank/Breuer“, dazu z. B. Christoph Giesen in der Süddeutschen Zeitung v. 11. 12. 2013, „Ex-Finanzchef Neubürger soll 15 Millionen zahlen“, abzurufen unter http:// www.sueddeutsche.de/wirtschaft/prozess-um-siemens-korruptionsaffaere-ex-finanzchef-neub uerger-muss-wohl-millionen-zahlen-1.1840755, zuletzt abgerufen am 05. 03. 2015; Dinah 2

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1. Teil: Einführung

„ARAG/Garmenbeck“-Urteil erfolgten Gesetzesreformen, die für die aktienrechtliche Vorstandsinnenhaftung Bedeutung entfalteten, wirkten weitestgehend in Richtung einer zunehmenden Regulierung des Vorstandshandelns durch die gesetzliche Festlegung von Pflichten6 oder einer Verschärfung der tatsächlichen Haftung durch eine Verbesserung der Möglichkeiten der Aufdeckung von Pflichtverletzungen und der Durchsetzung von Ersatzansprüchen.7 Auch in der Rechtsprechung zeigt sich die Tendenz einer zunehmenden Verrechtlichung des Vorstandshandelns.8 Lediglich in Gestalt der sogenannten Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, deren Kodifikation ebenfalls in nicht unerheblichem Maße auf die Aussagen des BGH zu den rechtlichen Bedingungen unternehmerischen Handelns in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung zurückgeht und deren Bedeutung für die Haftung der Vorstandsmitglieder bis heute umstritten ist, erfolgte eine punktuelle Abmilderung der denkbar scharfen Vorstandshaftung des Aktiengesetzes für unternehmerische Entscheidungen.9 Auch diese Vorschrift wurde indes durch das UMAG10 im Jahr 2005 als – unnötiges – Gegengewicht zum eigenen Klagerecht einer Aktionärsminderheit nach § 148 AktG,11 mithin zu einer theoretischen Verbesserung der Haftungsdurchsetzung, eingeführt.12 Obwohl seit der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung, abgesehen von den dargestellten Änderungen durch das UMAG, keine wesentlichen Reformen unmittelbar Deckstein im SpiegelOnline v. 10. 12. 2013, „Siemens-Korruptionsaffäre: Ex-Finanzchef zu 15 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt“, abzurufen unter http://www.spiegel.de/wirt schaft/unternehmen/siemens-manager-neubuerger-zu-schadensersatz-verurteilt-a-938292.html, zuletzt abgerufen am 05. 03. 2015; Sebastian Jost in der Welt v. 02. 08. 2014, „Fall Kirch – Deutsche Bank nimmt Breuer in Regress“, abzurufen unter http://www.welt.de/wirtschaft/arti cle130797230/Fall-Kirch-Deutsche-Bank-nimmt-Breuer-in-Regress.html, zuletzt abgerufen am 05. 03. 2015; FAZ v. 20. 02. 2014, „Kirch-Vergleich kostet Deutsche Bank 925 Millionen Euro“, abzurufen unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/einigung-kirch-vergleich-kostet-deutschebank-925-millionen-euro-12811381.html, zuletzt abgerufen am 05. 03. 2015. 6 Gedacht ist hier vor allem an die zunehmende Regulierung durch das Kapitalmarktrecht sowie die Intensivierung der Auseinandersetzung mit den Themenbereichen der Corporate Governance und Compliance, aus der bspw. die Vorschrift des § 91 Abs. 2 AktG hervorgegangen ist (s. 2. Teil Fn. 271). 7 Namentlich in Gestalt der Herabsetzung des zur Einleitung einer Sonderprüfung gegen den Willen der Hauptversammlungsmehrheit durch Minderheitsaktionäre erforderlichen Quorums in § 142 Abs. 2 AktG (Art. 1 Nr. 11 UMAG) und der Einführung eines Aktionärsklagerechts in § 148 AktG durch das UMAG (s. Fn. 11), das indes bislang ohne praktische Bedeutung ist. 8 Vgl. bspw. die detaillierten Vorgaben des LG München I zur pflichtgemäßen Ausgestaltung der Compliance-Organisation im Fall „Siemens/Neubürger“, AG 2014, 332 (= ZIP 2014, 570) mit krit. Anmerkung Bachmann, ZIP 2014, 579. 9 Dazu ausführlich im 3. Teil A. 10 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts v. 22. 09. 2005, BGBl. I 2005, S. 2802. 11 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts v. 22. 09. 2005, Art. 1 Nr. 15, BGBl. I 2005, S. 2802, 2804. Dazu noch eingehend im 5. Teil B. 12 Dazu unter 5. Teil B. II. 1. h) bb).

1. Teil: Einführung

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der aktienrechtlichen Vorstandsinnenhaftung erfolgt sind und in der Zwischenzeit keine einschlägige gerichtliche Entscheidung von vergleichbarer Tragweite ergangen ist, hat die Schrifttumsdiskussion, vielfach angefacht durch die beschriebenen „Skandalfälle“, weder an Intensität noch an Aktualität verloren. Dies machen neueste Beiträge13 einschließlich einer monographischen Bearbeitung,14 auch nach dem 70. Deutschen Juristentag, der sich im Herbst 2014 der Frage nach Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Reform der Organhaftung gewidmet hat,15 deutlich. Angesichts der „spektakulären“, durch die Presse auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gewordenen gerichtlichen Auseinandersetzungen,16 die aber, dies sei ausdrücklich betont, in keinem bekannt gewordenen Fall zu einer „wirtschaftlichen Existenzvernichtung“ im Sinne einer Privatinsolvenz eines Vorstandsmitglieds geführt haben,17 wird im Schrifttum verbreitet eine Beschränkung der Vorstandshaftung zumindest de lege ferenda gefordert und von einer zunehmenden Zahl von Stimmen, namentlich im Kartellbußgeldrecht nach dessen Sinn und Zweck sowie darüber hinaus aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern oder im Wege der Rechtsfortbildung praeter legem, bereits de lege lata eine entsprechende Haftungsbeschränkung befürwortet. Indes gilt es, sich auch vor Augen zu führen, dass außerhalb der Aufsehen erregenden, gerichtlich verhandelten Fälle kaum Erkenntnisse zum „Normalfall“ der Vorstandsinnenhaftung vorliegen.18 Mithin ist nicht festzustellen, ob die von den Befürwortern einer Haftungsbeschränkung beklagte „existenzvernichtende“ Haftung für lediglich leichte Verfehlungen – wobei auch die „Leichtigkeit“ einiger der den „Skandalfällen“ zugrunde liegenden Verfehlungen teils durchaus zweifelhaft ist19 – den „Normalfall“ 13

U.a. Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33; F. Gaul, AG 2015, 109; Bachmann, WM 2015, 105; Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149. 14 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern. 15 Dazu das Gutachten Bachmanns: „Reform der Organhaftung? – Materielles Haftungsrecht und seine Durchsetzung in privaten und öffentlichen Unternehmen“. 16 Siehe die Bsp. bei Hopt, ZIP 2013, 1793, 1794; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 234 f.; F. Gaul, AG 2015, 109 f.; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 36. 17 Vielmehr wurde bspw. in dem wohl bekanntesten dieser Fälle, der Siemens-Korruptionsaffäre, gegen den ehemaligen Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger bereits lediglich ein Bruchteil des Schadens eingeklagt und später ein Vergleich zu einem Bruchteil der erstrittenen Summe geschlossen. Dazu zunächst LG München I, AG 2014, 332; Anlage zum Tagesordnungspunkt 11 der Hauptversammlung der Siemens AG am 27. 01. 2015, Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung 2015, S. 45, abzurufen unter http://www.siemens.com/in vestor/pool/de/investor_relations/events/hauptversammlung/2015/hv2015_einberufung_de. pdf, zuletzt abgerufen am 09. 02. 2015; Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149. Vgl. auch die Bsp. bei Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 11 Fn. 6. 18 Deutlich Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 12: „Der ,Normalfall‘ – Ein Dunkelfeld“; zu den empirischen Befunden ebd., S. 12 ff.; ähnl. Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 34. 19 Solche Zweifel ebenfalls andeutend Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 83: „[…] um Fälle, in denen Organmitgliedern eine unternehmerische Entscheidung zum Verhängnis geworden wäre, geht es dabei praktisch nie.“.

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1. Teil: Einführung

bildet, wenngleich diese unbestreitbar im System der Vorstandshaftung,20 wie übrigens jeder Verschuldenshaftung, als möglich angelegt ist. Die Aussage, die Vorstandshaftung sei zu streng, ist empirisch somit weithin ungesichert. Auch dies gilt es bei der Forderung nach Reformen und der Etablierung bisher unbekannter Enthaftungsinstrumente zu bedenken. Ferner ist zu berücksichtigen, dass, was in der gegenwärtigen Diskussion gelegentlich aus dem Blick zu geraten scheint, nicht nur das Vorstandsmitglied, das sich einer möglicherweise exorbitanten Haftung ausgesetzt sieht, sondern auch die Gesellschaft, die zwar einerseits ein Interesse daran hat, dass ihr Vorstand in sinnvollem Umfang Risiken eingeht, andererseits aber auch des Schutzes vor Schädigung durch Pflichtverletzungen der Geschäftsleiter bedarf, Beteiligte im Gefüge der Vorstandshaftung ist. Die Interessen der Gesellschaft können deshalb in einer Untersuchung der Vorstandsinnenhaftung keinesfalls nur eine Nebenrolle spielen. Darüber hinaus sind die Haftungstatbestände des allgemeinen Zivilrechts im Blick zu behalten, mit denen die Vorstandshaftung systematisch in Einklang zu stehen hat. Die auf dieser Grundlage geführte Diskussion soll den Ausgangspunkt und Rahmen der vorliegenden Untersuchung bilden, die es sich zur Aufgabe macht, die Vorstandsinnenhaftung nicht vorrangig aus dem Blickwinkel vermeintlich zu scharfer Folgen für die Vorstandsmitglieder, sondern der bereits vorhandenen Beschränkungen und der Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Schaffung weiterer Haftungserleichterungen sowohl nach geltendem Recht als auch de lege ferenda zu beleuchten. Anders als es zunächst den Anschein hat, ist die Vorstandsinnenhaftung nach geltendem Recht zwar der Höhe nach unbegrenzt und, wie im Folgenden zu erörtern sein wird, weder dem Grunde noch der Höhe nach beschränkbar, indes ist sie in vielfältiger Weise, zum einen bereits unmittelbar aus der Regelung des § 93 des Aktiengesetzes, zum anderen aufgrund weiterer zu untersuchender Mechanismen begrenzt. Die Reichweite dieser „Grenzen“ der Vorstandshaftung ist bislang soweit ersichtlich lediglich in der Dissertation von Scholz in einem umfassenden Sinne im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Vorstandshaftung insgesamt erörtert. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen zunächst die de lege lata bestehenden Beschränkungen der Vorstandsinnenhaftung untersucht werden. Solche ergeben sich sowohl aus speziell aktienrechtlichen Rechtsinstituten, namentlich der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, als auch aus solchen des allgemeinen Zivilrechts wie den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung bei der Bemessung des Schadensersatzes. Weiterhin sind die (fehlenden) Möglichkeiten privatautonomer Haftungsbeschränkungen und die Bedingungen und Grenzen einer Enthaftung der Vorstandsmitglieder durch den Abschluss einer D&O-Versicherung zu erörtern. Im Anschluss soll auf die Ansätze zur Beschränkung der Vorstandshaftung auf Grundlage einer Fürsorgepflicht der Gesellschaft in Anlehnung an die Grundsätze 20

Dazu auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 68 ff.

1. Teil: Einführung

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der Arbeitnehmerhaftung eingegangen werden. Ausgehend von den gefundenen Ergebnissen soll sodann die Notwendigkeit einer über die bestehenden „Grenzen“ hinausgehenden Einschränkung der Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft geprüft werden. Im Anschluss an die Untersuchung des geltenden Rechts sollen Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer Reform der Regeln der Vorstandsinnenhaftung, mithin ihre Ausgestaltung de lege ferenda, erörtert werden. Dabei sollen die in der Reformdiskussion im Vorfeld und Nachgang des 70. Deutschen Juristentages formulierten Vorschläge als Ausgangspunkt dienen und im Wege der kritischen Auseinandersetzung mit diesen und auf Grundlage der zum geltenden Recht gefundenen Ergebnisse eigene Reformansätze formuliert werden. Zu erörtern sein werden hier die Voraussetzungen, unter denen eine Aktiengesellschaft sich über Organhaftungsansprüche vergleichen kann, die Frage der Beweislastverteilung zwischen Vorstandsmitgliedern und Gesellschaft im Prozess sowie die Sonderverjährung des § 93 Abs. 6 AktG als möglicherweise reformbedürftige Rahmenbedingungen der Vorstandshaftung. Ferner sind auch weitergehende Reformvorschläge, namentlich die Einräumung begrenzter Satzungsfreiheit in Bezug auf die Ausgestaltung des Regimes der Vorstandsinnenhaftung durch Zulassung einer statuarischen Milderung des bei der Geschäftsführung zu beachtenden Sorgfaltsmaßstabs oder einer betragsmäßigen Deckelung der Haftung, gesetzliche Regelungen dieses Inhalts, die Einführung einer allgemeinen Billigkeitsklausel zur Herabsetzung „existenzvernichtender“ Schadensersatzansprüche durch den Richter, über § 93 Abs. 2 S. 3 AktG hinausgehende Regelungen zur D&O-Versicherung sowie die Zulassung juristischer Personen als Vorstandsmitglieder, formuliert worden, die es zu betrachten gilt. Schließlich wird die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im Hinblick auf die diesbezüglichen Pflichten des Aufsichtsrats und eine Belebung der gegenwärtig bedeutungslosen Aktionärsklage des § 148 AktG im Wege der Reform untersucht. Die Arbeit leitet eine Darstellung der Funktion der Vorstandshaftung, der Anspruchsvoraussetzungen des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG sowie der wesentlichen Pflichten der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft ein, in deren Rahmen bereits umstrittene Fragen erörtert werden.

2. Teil

Grundriss der Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft im deutschen Aktienrecht A. Die Funktion der Vorstandsinnenhaftung Indem § 93 Abs. 2 S. 1 AktG eine Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder begründet, dient die Vorstandsinnenhaftung dem Schutz des Gesellschaftsvermögens.1 Daneben soll die drohende persönliche Haftung Vorstandsmitglieder zu größerer Sorgfalt bei der Geschäftsführung anhalten, sodass der Norm auch eine präventive, auf die Vermeidung von Pflichtverletzungen gerichtete, Wirkung zukommt.2 Das Verhältnis dieser Zweckrichtungen ist umstritten;3 im Schrifttum wird sowohl Gleichberechtigung4 als auch Vorrang der Schadenskompensation5 oder -prävention6 angenommen. Vereinzelt wird die Aufgabe der Schadenskompensation 1 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 1; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 1; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 8; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 1; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 1; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 2; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 28; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 726; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 14; Brommer, AG 2013, 121, 122; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 103. 2 Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der AG, S. 10; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 281; Goette, FS BGH, 2000, S. 123, 124; Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 155, 160; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310; ders., in: HdbVorStR, 2006, § 11 Rn. 4; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 1; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 8; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 1; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 1; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 2; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 28; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 14; Brommer, AG 2013, 121, 122. 3 Dies gilt auch außerhalb des Rechts der Vorstandshaftung. Auf diese allgemeine Diskussion soll hier nicht vertiefend eingegangen werden, s. dazu Wagner, Gutachten zum 66. DJT; G. Müller, in: Verhandlungen des 66. DJT, L 9, L 22 ff.; Taupitz, in: Verhandlungen des 66. DJT, L 57; Maier-Reimer, in: Verhandlungen des 66. DJT, L 33. 4 So die h.M.; vgl. die in Fn. 1 u. 2 Genannten. 5 Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1795. 6 So J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1334 (zur Aktionärsklage); Brommer, AG 2013, 121, 123; nur für die Haftung wegen Sorgfaltspflichtverletzungen Arnold, Die

A. Die Funktion der Vorstandsinnenhaftung

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als Zweck der Vorstandsinnenhaftung, mithin eine rein präventive Ausrichtung, erwogen.7

I. Notwendigkeit einer differenzierenden Betrachtungsweise Schädigungen einer Aktiengesellschaft durch Pflichtverletzungen ihrer Vorstandsmitglieder können sich auf unterschiedlichste Weise ereignen. Abweichungen ergeben sich im Hinblick auf die von der Haftung ausgehenden Wirkungen zwischen Verletzungen einerseits von Sorgfalts-, andererseits von Treupflichten. Ferner können sich auch die Zuschnitte der Gesellschaften, innerhalb derer sich ein Haftungsfall abspielt, erheblich unterscheiden, was sich ebenfalls auf die Funktion der Vorstandshaftung auswirkt. Daher ist eine differenzierende Betrachtungsweise, sowohl nach der verletzten Pflicht als auch dem „Zuschnitt“ der geschädigten Gesellschaft, zur Feststellung der Funktion der Vorstandsinnenhaftung angezeigt. 1. Der „Zuschnitt“ der einzelnen Gesellschaft So verfängt das Argument, die Aktionäre selbst seien am ehesten in der Lage, Verlustrisiken zu tragen, indem sie nicht ihr gesamtes zur Verfügung stehendes Kapital in eine Gesellschaft investieren müssen, sondern sich durch eine breite Streuung gegen Verluste absichern können, während die Vorstandsmitglieder grundsätzlich ihr „Humankapital“ lediglich in eine oder wenige Gesellschaften „investieren“ können und daher keine vergleichbaren Absicherungsmöglichkeiten haben,8 allein für börsennotierte Gesellschaften, deren Anteilseigner tatsächlich die Möglichkeit der Diversifikation ihrer Anlage haben.9 Auch in kapitalmarktorientierten Gesellschaften trifft dieses Argument im Wesentlichen auf die Aktionäre zu, die reine Anlageziele verfolgen, mithin lediglich Streubesitz halten. Bereits solche Anteilseigner, die an mehreren Gesellschaften in maßgeblichem Umfang beteiligt sind, um unternehmerische Ziele zu verfolgen, werden von einem erheblichen Schaden der Gesellschaft vermittelt durch den Anteilswert ganz empfindlich in ihrem Vermögen betroffen. Erst recht gilt dies für einen die weit überwiegende Mehrheit der Anteile haltenden Großaktionär, dessen Vermögen sich wesentlich aus eben diesen zusammensetzt. Auch in Gesellschaften, in denen solche Mehrheitsgesellschafter selbst Organpositionen bekleiden, besteht ein Bedürfnis nach SchaSteuerung des Vorstandshandelns, S. 170; ebenso für Publikumsgesellschaften Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310. 7 Dafür bereits de lege lata Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 256; de lege ferenda Bayer/ Scholz, NZG 2014, 926, 928; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 352 f. 8 Siehe Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 253 sowie unten 2. Teil C. II. 4. b) dd). 9 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

densausgleich zum Schutz von Minderheitsaktionären und Gesellschaftsgläubigern.10 2. Treu- und Sorgfaltspflichtverletzungen a) Verletzungen der Treupflicht Der Ausgleich des entstandenen Schadens durch die verursachenden Vorstandsmitglieder muss auch dort wesentliches Ziel der Vorstandshaftung sein, wo eine Verletzung der Treupflicht, mithin ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Haftpflichtigen, vorliegt.11 Unbewusste Treupflichtverletzungen sind, anders als solche Sorgfaltspflichtverletzungen, insbesondere bei zukunftsgerichteten Entscheidungen, schwerlich vorstellbar, sodass der Normappell der Haftung die Vorstandsmitglieder bereits im Zeitpunkt des Fehlverhaltens erreicht. Eine nicht auf vollen Schadensausgleich gerichtete, insbesondere in irgendeiner Form allgemein begrenzte12 Haftung würde daher im Fall einer Treupflichtverletzung erhebliche Fehlanreize setzen. Hinzu kommt, dass der Schaden der Gesellschaft weitgehend dem Vorteil des Vorstandsmitglieds aus der treupflichtwidrigen Handlung entsprechen wird, sodass eine unzumutbare Belastung des Schadensersatzpflichtigen, wie sie bei vergleichsweise leicht sorgfaltswidrigem Verhalten, das zu ganz erheblichen Schäden geführt hat, diskutiert wird, hier nicht zur Debatte steht.13 b) Verletzungen der Sorgfaltspflicht In dem bereits angedeuteten Fall einer Sorgfaltspflichtverletzung, die zu einem exorbitant hohen Schaden geführt hat, der insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften durchaus im dreistelligen Millionen- oder gar im Milliardenbereich liegen kann,14 wird umgekehrt ein voller Schadensausgleich durch das Vorstandsmitglied selbst in aller Regel aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen sein. Soweit eine D&O-Versicherung vorhanden ist und diese den Schaden deckt, kommt ein weitgehender oder vollständiger Ausgleich in Betracht. Fehlt eine solche oder greift sie nicht ein, wird der im Ergebnis zu erlangende Schadensersatz für die Gesellschaft im Verhältnis zum entstandenen Schaden in vielen Fällen nicht mehr als der sprichwörtliche „Tropfen auf den heißen Stein“15 sein. Der Haftungszweck der 10 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310; unabhängig von der Struktur der Gesellschaft Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 21. 11 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310. 12 Vgl. 4. Teil E. I. 5. a) bb). 13 Vgl. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 170. 14 Vgl. die Beispiele und zugehörigen Nachweise im 3. Teil C. II. u. D. IV.; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 170. 15 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 280; am Bsp. Siemens Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 788.

A. Die Funktion der Vorstandsinnenhaftung

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Schadenskompensation kann hier mithin aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten nur eingeschränkt verwirklicht werden.16 Dasselbe trifft aber auch auf die präventive Schadensvermeidung in gewissem Umfang zu. In der Rechtswirklichkeit werden vorsätzliche Sorgfaltspflichtverletzungen selten vorkommen. Den Kern der gegenwärtigen Auseinandersetzung des Schrifttums mit den Fragen der aktienrechtlichen Organhaftung bilden vielmehr Fälle, in denen leichte und leichteste Fahrlässigkeit von Vorstandsmitgliedern zu einem ganz erheblichen Schaden geführt hat. Eine wirksame Vorbeugung von Pflichtverstößen durch Haftung für pflichtwidrig verursachte Schäden setzt indes voraus, dass der Haftungsadressat vom Appell der die Haftung anordnenden Norm erreicht wird.17 Verletzt ein Vorstandsmitglied unbewusst fahrlässig seine Sorgfaltspflichten, wird es in dem konkret haftungsanlässlichen Sachverhalt nicht vom Normappell des § 93 AktG erreicht. Deshalb ist eine Präventionswirkung der Vorstandshaftung aber auch in einem solchen Fall keinesfalls gänzlich zu verneinen. Vielmehr wird hier die abstrakt drohende Schadensersatzpflicht die Vorstandsmitglieder dazu anhalten, sich ihre Pflichtenbindungen bewusst zu machen und gegebenenfalls eher vorsichtig zu agieren. Auf diesen Gegebenheiten beruht auch das die Diskussion zur Vorstandshaftung an nahezu allen Stellen durchziehende Dilemma, einerseits eine hinreichende Abschreckungswirkung zu gewährleisten, andererseits aber den Vorstand nicht aus Furcht vor Haftung zu übermäßig risikoaversem, der Gesellschaft im Ergebnis nicht zuträglichem Verhalten zu veranlassen.18 Die verhaltenssteuernde Wirkung der drohenden Haftung ist empirisch weitgehend ungesichert,19 sodass die diesbezüglichen Einschätzungen notwendig spekulativ sind.

II. Schadensersatz als Anspruchsziel des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG Der Tatbestand des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG setzt für einen Anspruch der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied wegen einer Pflichtverletzung einen Schaden voraus.20 Bei der Schadensberechnung geht die ganz herrschende Auffassung von §§ 249 ff. BGB aus.21 Diese Vorschriften, die die Schadensersatzpflicht aus § 93 16

Vgl. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 170 („Symbolcharakter“ der Haftung); Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 21; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310. 17 Vgl. Larenz I, § 27 I (S. 423). 18 Vgl. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 170 ff.; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 516; sowie 2. Teil C. II. 4. b) dd) (3) (b). 19 Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 171 f.; vgl. auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310. 20 Zur rechtlichen Einordnung des Abs. 3 s. Habersack/Schürnbrand, WM 2005, 957. 21 Ganz h.M., BGH DB 2013, 507 Rn. 21; OLG Düsseldorf, AG 1997, 231, 237; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 272; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 65; Fleischer, DStR

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

Abs. 2 S. 1 AktG ausfüllen, werden aber durch das Prinzip des Schadensausgleichs beherrscht,22 während eine Präventionsfunktion, wenn der Schadensersatzpflicht ein missbilligtes Verhalten zugrunde liegt, lediglich „erwünschtes Nebenprodukt“23 des Schadensausgleichs sein soll.24 Einer Vorschrift, die bereits dem Wortlaut nach auf Ersatz eines Schadens gerichtet ist, eine ausschließlich präventive Ausrichtung zusprechen zu wollen, erscheint mit der Haftungsausfüllung nach §§ 249 ff. BGB schwerlich vereinbar. Eine Entkoppelung des Schadensausgleichs von dem Präventionsgedanken der Schadensersatzhaftung ist demnach nicht möglich. Des Weiteren führte eine rein präventive Ausrichtung der Vorstandshaftung dazu, dass diese neben straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Mechanismen der Sanktion träte, diente die Zahlungspflicht des Vorstandsmitglied doch danach nicht mehr der Kompensation der Gesellschaft, sondern der Verhaltenssteuerung als Selbstzweck. Eine Trennung reiner Sanktionierung missbilligten Verhaltens, die dem geltenden Recht des Schadensersatzes fremd ist, von einer solchen Prävention von Pflichtverletzungen wäre auf der Grundlage des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG nicht zu verwirklichen. Die alleinige Ausrichtung auf die Verhinderung pflichtwidrigen Verhaltens der Vorstandsmitglieder müsste, konsequent durchgeführt, zu einer Entkoppelung der Haftung vom Schaden der Gesellschaft führen, was den Charakter als Schadensersatzhaftung, den das geltende Aktienrecht zwingend vorgibt, aufhe2009, 1204, 1205 ff.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 222; Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 713, 736; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 171; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 406, 409; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 22; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 252; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 47; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 34; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 211; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 30; für einen eigenständigen Schadensbegriff, nach dem Schaden i.S.d. § 93 AktG nur eine Vermögensminderung ist, für die Anhaltspunkte bestehen, dass sie durch Pflichtwidrigkeit eines Organmitglieds verursacht wurde Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 59; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, S. 204 Fn. 36; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 28. Die Unterscheidung ist insgesamt von eher theoretischer, für die vorliegende Untersuchung ohne Bedeutung; grundlegend zu dem an den Zwecken des Vermögenssubjekts orientierten Schadensbegriff Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, S. 128 ff., 165 ff. 22 Siehe Lange/Schiemann, Einleitung III 2 a) (S. 9); Larenz I, § 27 I (S. 424); Jansen, JZ 2005, 160, 162; Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 8. 23 Larenz I, § 27 I (S. 423). 24 Lange/Schiemann, Einleitung III 2 b) (S. 11); Larenz I, § 27 I (S. 423); Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 9; Beschluss der Abteilung Zivilrecht des 66. DJT mit 53:32:3 Stimmen (Beschluss I. 1.: „Neben dem Ausgleich entstandener Schäden ist die Verhaltenssteuerung im Präventionsinteresse Aufgabe des Schadensersatzrechts a) im Allgemeinen (abgelehnt), b) in Sonderbereichen.“). Vgl. dazu auch Wagner, Gutachten zum 66. DJT, A 14 f., A 20 ff., der auch im allgemeinen Zivilrecht die Verhaltenssteuerung als primäre Funktion des Schadensersatzes ansieht; für eine Gleichberechtigung mit dem Schadensausgleich G. Müller, in: Verhandlungen des 66. DJT, L 9, L 22 ff.; Taupitz, in: Verhandlungen des 66. DJT, L 57 ff.; für eine ausschließlich schadensausgleichende Funktion Maier-Reimer, in: Verhandlungen des 66. DJT, L 33.

A. Die Funktion der Vorstandsinnenhaftung

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ben würde. Dementsprechend würden nämlich leichte Verfehlungen, hinsichtlich derer das „Verhaltensunrecht“ wenig schwer wiegt, unabhängig von einem entstandenen Schaden und auch der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des betreffenden Vorstandsmitglieds, zwingend zu einer niedrigen Haftungssumme führen, während für schwere Sorgfaltspflichtverletzungen wegen der größeren Notwendigkeit einer präventiven Verhinderung solch schwerwiegender Verstöße eine hohe Haftungssumme drohen müsste, auch wenn diese nur zu einem geringen Schaden geführt hätten. Freilich könnte auch an die Schadensträchtigkeit verschiedener Handlungen angeknüpft werden, was aber zu dem gerade bemängelten Zustand führen müsste, dass eine erhebliche Haftungsdrohung für leicht fahrlässiges Fehlverhalten, etwa in Gestalt von Fehleinschätzungen der kartellrechtlichen Rechtslage oder dergleichen, welches häufig erhebliche Schäden nach sich zieht, auszusprechen wäre. Eine solche konsequente Weiterführung des Präventionsgedankens, insbesondere in der zuletzt dargestellten Form, die auch die Schwere des Verschuldens von der Haftungsdrohung entkoppelte, würde sich in das Recht des Schadensersatzes nicht einfügen,25 sondern entspräche vielmehr den Regelungszielen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, die eine Präventionswirkung durch Sanktion erzielen, was wiederum zeigt, dass beide Elemente, sollte die Prävention von der Schadenskompensation gelöst werden, nicht getrennt werden könnten. Mit anderen Worten wäre eine allein die Prävention pflichtwidrigen Verhaltens bezweckende Vorstandshaftung unter Loslösung von dem Gedanken des Ausgleichs des Schadens der Gesellschaft in mit den geltenden Prinzipien des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts vereinbarer Weise nicht zu regeln.

III. Die Rolle der D&O-Versicherung Die Befürworter einer Lösung der Vorstandshaftung von einem Schadensausgleich der Gesellschaft berufen sich auch darauf, dass diese Ausrichtung der persönlichen Haftung bereits derzeit kaum noch von Bedeutung sei, trage doch die Gesellschaft durch die Finanzierung einer D&O-Versicherung ihren Schaden im Ergebnis selbst.26 Zunächst ist diese Feststellung bereits im Ausgangspunkt nicht zutreffend. Zum einen gilt es zu berücksichtigen, dass idealiter zwar über die Gesamtheit aller mit einem Versicherer abgeschlossenen D&O-Versicherungsverträge die Prämien die auszuzahlenden Versicherungssummen (über-)kompensieren, dies auf die einzelne Gesellschaft indes voraussichtlich nicht zutreffen wird. D&OVersicherungsschutz wird vielmehr nur dann beschafft werden, wenn davon aus25

Vgl. Larenz I, § 27 I (S. 423); Mugdan II, S. 10 (Mot. II, S. 17 f.); Jansen, JZ 2005, 160, 162; Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 8. 26 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 254; ders., in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 88; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 242 f.; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928; ähnl. v. Bar, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 119; Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

zugehen ist, dass dieser sich im wirtschaftlichen Ergebnis als günstiger erweisen wird als die ansonsten hinzunehmenden Ausfälle mit Schadensersatzansprüchen wegen fehlender Leistungsfähigkeit der Vorstandsmitglieder und zusätzlich zu zahlende Vergütungsbestandteile als Ausgleich für die ohne eine solche Versicherung höheren Haftungsrisiken.27 Zum anderen bleibt die Erlangung von Leistungen aus einer solchen Versicherung an den Eintritt des Versicherungsfalls, die Inanspruchnahme eines Vorstandsmitglieds auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung, geknüpft, sodass auch hier der Schaden der Gesellschaft nur unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG ausgeglichen wird. Anders wäre dies nur bei einer von diesen Anforderungen unabhängigen Eigenschadensversicherung der Gesellschaft. Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung ersetzt wirtschaftlich eine Eigenversicherung der Vorstandsmitglieder.28 Eine solche Haftpflichtversicherung führt aber nicht zum Wegfall der Ausgleichsfunktion der Schadensersatzhaftung, obwohl der im wirtschaftlichen Ergebnis mit dem Schaden Belastete hier nicht mehr der Schädiger ist.29 Wer bereits nach geltendem Recht eine schadensausgleichende Funktion der Vorstandshaftung ausschließen und sich dabei argumentativ auf die Zulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung stützen möchte, dürfte konsequent auch deren Auswirkungen auf die Präventionswirkung, die lediglich dem zwingenden Selbstbehalt des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, der Überschreitung der Versicherungssumme sowie einer fehlenden Eintrittspflicht überantwortet wird, nicht ausblenden.30 In demselben Umfang besteht aber auch eine höchstpersönliche Haftung der Vorstandsmitglieder auf Schadensersatz fort. In letzter Konsequenz müsste, wer hierin einen Wegfall der Kompensationsfunktion sieht, auch die Präventionsfunktion verneinen. Die Vorstandshaftung diente damit insgesamt keinem Zweck, was real unstreitig nicht der Fall ist, sodass die argumentative Stützung einer Abkehr von der Schadensausgleichsfunktion auf die Zulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung insgesamt inkonsequent erscheint.

IV. Fazit Festgestellt werden konnte zunächst, dass die Zwecke der Vorstandsinnenhaftung, die nach ganz herrschender Meinung im Ausgleich des Schadens der Gesellschaft einerseits sowie in der Vorbeugung von Pflichtverletzungen andererseits liegen, in unterschiedlich strukturierten Gesellschaften sowie bei Treu- und Sorgfaltspflichtverletzungen in verschiedenem Ausmaß und mit unterschiedlichen Schwerpunkten verwirklicht werden können. Bereits diese Überlegungen haben 27

Siehe auch 4. Teil H. I. 1. a). Dazu 4. Teil H. I., insb. 2. b). 29 Vgl. Larenz I, § 27 I (S. 423). 30 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 933; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 379 fordern daher folgerichtig ein Verbot der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung. 28

B. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG

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gezeigt, dass, soll die Vorstandshaftung nicht als dann systematisch dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht zuzuordnende Norm allein der Prävention von Pflichtverletzungen durch Haftung dienen, der Gedanke des Schadensausgleichs von dem der Verhaltenssteuerung nicht zu trennen ist. Dieses Bild hat sich in der Betrachtung der Grundsätze des allgemeinen Schadensersatzrechts in ihrer Anwendung zur Ausfüllung des Anspruchs aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG weiter verschärft. Eine Schadensersatzhaftung, wie sie diese Vorschrift vorschreibt, die nicht dem Ausgleich eines Schadens der Gesellschaft dienen soll, erscheint auch mit §§ 249 ff. BGB nicht vereinbar. De lege ferenda wäre damit die Frage der Haftungsausfüllung offen. Die diesbezüglich aufgezeigten Modelle wären ihrem zur Erzielung der gewünschten Wirkung notwendigen Zuschnitt nach entweder dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht zuzuordnen oder mit dem Verschuldensprinzip unvereinbar. Die Zulassung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung bleibt im Ergebnis ohne Auswirkung auf die grundsätzliche Zweckrichtung der Vorstandshaftung. Ein Bedürfnis nach einem allgemeinen Ordnungswidrigkeitentatbestand der „pflichtwidrigen Schädigung einer Aktiengesellschaft durch Mitglieder des Vorstands“, den § 93 Abs. 2 S. 1 AktG unter Aufgabe der Schadensausgleichsfunktion der Haftung folgerichtig darstellen würde, ist nicht zu erkennen. Eine solche Vorschrift dürfte zudem mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar sein. Im Ergebnis ist aus den dargestellten Gründen der ganz herrschenden Auffassung beizutreten. Die Vorstandsinnenhaftung dient damit sowohl dem Schadensausgleich als auch der Verwirklichung des Präventionsgedankens. Pauschale Aussagen über den Vorrang der einen oder anderen Zweckrichtung sind nach dem Gesagten nicht möglich. Mithin bestehen grundsätzlich beide Zielsetzungen gleichberechtigt nebeneinander.

B. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG Zentralnorm der Vorstandshaftung ist § 93 AktG, der ausweislich der amtlichen Überschrift „Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder“ regelt. Die Pflicht zum Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft31 ist in Absatz 2 Satz 1 geregelt. Unmittelbar aus der Norm ergibt sich zweierlei: Zum einen haften die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans als Gesamtschuldner, zum anderen nur bei Verletzung „ihre[r] Pflichten“. Unstreitig handelt es sich um einen Tatbestand der

31

Sog. Innenhaftung. Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 1; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 1; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 3; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 6; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 2; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 27.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

Verschuldenshaftung.32 Das Erfordernis schuldhaften Handelns lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen und wird entweder an der Regelung der Sorgfaltspflicht in Absatz 1 oder am Wortlaut der Beweislastregel des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG festgemacht, wonach das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied im Streitfall die Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters darzulegen und zu beweisen hat.33 Die Pflichten, auf deren Verletzung sich ein Anspruch der Gesellschaft aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG stützt, ergeben sich allgemein nach überwiegender Auffassung aus Absatz 1, der den Vorstandsmitgliedern bei der Geschäftsführung die Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vorschreibt34 und dem nach nahezu einhelliger Auffassung eine Doppelfunktion als Regelung des Pflichten- und Verschuldensmaßstabs zukommen soll.35 Die Voraussetzungen eines Anspruchs der Gesellschaft auf Schadensersatz aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG lassen sich somit dahingehend zusammenfassen, dass der in Anspruch Genommene Vorstandsmitglied im Sinne der Norm sein muss,36 dieser seine ihm aufgrund der Organstellung obliegenden Pflichten37 schuldhaft verletzt haben und diese schuldhafte Pflichtverletzung ursächlich für einen der Gesellschaft entstandenen Schaden gewesen sein muss.38 32 Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 60; ders., in: HdbVorstR, 2006, § 7 Rn. 46; Spindler, AG 2013, 889, 890. 33 Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 248; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 5, 176; Mertens/ Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 136; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 391; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 14; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 43; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 32; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 21b; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 205; Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 713, 736; mangels Bedeutung kann die Verortung des Verschuldenserfordernisses in § 93 AktG hier dahinstehen. 34 Zu den Überschneidungen mit dem Regelungsgehalt des § 76 AktG und sich daraus ergebenden Zuordnungsproblemen Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 43, 52. 35 Drygala/Staake/Szalai, § 21 Rn. 81; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 43, 391; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 11; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 205; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 2; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 6; U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 73; vgl. auch Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/ 5092, S. 11; einer Einordnung lediglich als Verschuldensmaßstab zuneigend [nach dieser Auffassung ergibt sich die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsleitung allgemein aus § 76 Abs. 1 AktG] Hüffer, FS Raiser, 2005, S. 163, 165 ff.; ders., 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 3a unter Bezugnahme auf Zöllner, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 17. Aufl. 2010, § 43 GmbHG Rn. 16 f.; Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 713, 719. Unter den von Hüffer, a.a.O. genannten Voraussetzungen bleibt die Einordnung i.Erg. ohne Auswirkung, ebenso Goette, a.a.O. 36 Zur Anwendbarkeit auf fehlerhaft bestellte und faktische Vorstandsmitglieder Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 228 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 181 f. 37 Der Haftungszeitraum beginnt grds. mit der wirksamen Bestellung und endet mit der Amtszeit bzw. bei Beendigung der Tätigkeit: Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds als Haftungsvoraussetzung I. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 AktG Indem § 93 Abs. 1 S. 1 AktG die Vorstandsmitglieder zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verpflichtet und Absatz 2 Satz 1 die Haftung für Pflichtverletzungen anordnet, ergibt sich im Zusammenhang der beiden Vorschriften, dass die Nichtbeachtung der angeordneten Sorgfalt als Pflichtverletzung haftungsbegründend ist.39 Die Konkretisierungsbedürftigkeit und -fähigkeit der in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG lediglich allgemein umschriebenen Pflichten der Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsführung ist unter den Vertretern der Auffassung, die die Vorschrift als Regelung auch eines Pflichtenmaßstabs einordnet,40 unbestritten.41 § 93 Abs. 1 S. 1 AktG wird dabei anknüpfend an die Verhaltensstandards der §§ 276 Abs. 2 BGB, 347 Abs. 1 HGB verstanden, wobei sich aus der Stellung der Vorstandsmitglieder, die, zumindest vergleichbar einem Treuhänder, mit fremden Mitteln wirtschaften und fremden Vermögensinteressen verpflichtet sind, demgegenüber erhöhte Sorgfaltsanforderungen ergeben.42

Rn. 178 f.; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 2; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 37; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 28; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 232 f.; ausführl. zu den Problemen bei unwirksamer Bestellung und Fortsetzung der Tätigkeit nach Ende der Amtszeit Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 349 ff. 38 Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 226; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 176; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 51.; ausführl. Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 60 ff. 39 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 43; Dauner-Lieb, in: Henssler/ Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 29; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 4; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 19; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 200; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 26. 40 Zur Doppelfunktion des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG s. die Nachweise in Fn. 35. Die Gegenauffassung, nach der § 93 Abs. 1 S. 1 AktG lediglich einen Verschuldensmaßstab regelt, verortet die Frage nach den Vorstandspflichten im Einzelnen in § 76 Abs. 1 AktG; inhaltliche Unterschiede ergeben sich nicht. 41 Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 3, 28, 41 ff.; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 6; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 11; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 58, 60; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 10, 41 ff., 200; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 2, 4. 42 BGHZ 129, 30, 34; OLG Düsseldorf, AG 1997, 231, 235 („ARAG/Garmenbeck“); OLG Hamm, AG 1995, 512, 514; OLG Koblenz, GmbHR 1991, 416, 417 (zum GmbH-Geschäftsführer); Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder, S. 29 ff.; Geßler, JW 1937, 497, 501; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 6; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 10; Spindler, in: MüKo-

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

Eine nähere Bestimmung der Pflichten eines Vorstandsmitglieds in einer Gesellschaft kann zum einen bereits auf Grundlage des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG im Hinblick auf die Verhältnisse des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens erfolgen: Die an einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter zu stellenden Anforderungen können nach Art und Größe des Unternehmens, dessen wirtschaftlicher Lage, der Zahl der Beschäftigten und den dem einzelnen Vorstandsmitglied zukommenden Aufgaben variieren.43 Daneben prägt auch die im Einzelfall vorzunehmende Geschäftsführungsmaßnahme die Anforderungen an einen sorgfältig handelnden Geschäftsleiter.44 Trotz dieser Relativität45 ist der Maßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG ein objektiver, normativ zu bestimmender, sodass, wie Hopt/Roth eingängig formulieren, nicht das „Übliche“, sondern das „Erforderliche“46 für die Bestimmung der Vorstandspflichten maßgeblich ist, mit anderen Worten also weder eine etwa in vergleichbaren Unternehmen oder einer bestimmten Branche vorherrschende Nachlässigkeit47 noch besondere Unfähigkeit oder Unkenntnis des einzelnen Vorstandsmitglieds48 Einfluss auf den anzulegenden Maßstab haben. Die in einer bestimmten Situation an ein Vorstandsmitglied bei seiner Geschäftsführung zu stellenden Anforderungen sind nach allgemeiner Meinung vom Zeitpunkt der Vornahme der fraglichen Maßnahme aus zu bestimmen, unterliegen also einer Beurteilung ex ante.49 AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 25; vgl. auch die amtl. Begr. zu § 84 AktG 1937, abgedruckt bei Klausing, S. 71. 43 BGHZ 129, 30, 34; OLG Düsseldorf, AG 1997, 231, 235 („ARAG/Garmenbeck“); OLG Hamm, AG 1995, 312, 314; OLG Koblenz, GmbHR 1991, 416, 417 (zum GmbH-Geschäftsführer); Böttcher, NZG 2009, 1047, 1049 (im Zshg. der notwendigen Informationen im Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 S. 2); Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 3; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 5; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 25; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 41; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 66; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 26; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7. 44 Vertiefend dazu 3. Teil A. III. 4., 5. u. IV.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 41; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 68 f. 45 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 59; ähnl. Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 60: „Volatilität“. 46 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 59. 47 Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 442; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 25; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7. 48 BGHZ 129, 30, 34; BGH WM 1971, 1548, 1549; RGZ 163, 200, 208 (Genossenschaft); Strohn, ZHR 176 (2012), 137 f.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 59; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 25; Fleischer, KSzW 2013, 3, 7; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 41; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 27; ebenso im Zshg. des Verschuldens Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29. 49 BGHZ 75, 96, 113; Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 832; Goette, FS BGH, 2000, S. 123, 138; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 5; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 25; spez. zum Handeln im Zusammenhang unter-

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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II. Die Treupflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft Die Vorstandsmitglieder sind bei ihrer Geschäftsführung nicht nur zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG verpflichtet. Daneben trifft sie auch eine über § 242 BGB hinausgehende organschaftliche Treupflicht gegenüber der Gesellschaft.50 Die Abgrenzung von Sorgfalts- und Treupflicht ist nicht nur maßgeblich für die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG,51 vielmehr beschränken sich auch die de lege ferenda vorgeschlagenen Haftungserleichterungen vielfach auf Verletzungen der Sorgfaltspflicht und nehmen solche der Treupflicht ausdrücklich aus.52 Ferner sind Treupflichtverletzungen als regelmäßig wissentliche Pflichtenverstöße grundsätzlich nicht vom Schutz einer D&O-Versicherung umfasst.53 Die Einordnung einer Pflichtverletzung als solche der Sorgfalts- oder der Treupflicht beeinflusst mithin die Voraussetzungen beziehungsweise den Umfang der Schadensersatzhaftung der Vorstandsmitglieder erheblich. Daher ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit deren Treupflicht gegenüber der Gesellschaft, insbesondere mit der in der Literatur zum deutschen Aktienrecht bisher eher stiefmütterlich behandelten Abgrenzung der Treu- und Sorgfaltspflicht, für die auf das US-amerikanische Schrifttum im Sinne eines Exkurses zurückgegriffen werden soll,54 geboten. Ausgangspunkt der Treupflicht ist das dem Organverhältnis zugrunde liegende besondere Vertrauensverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern, das mit den umfassenden Einwirkungsmöglichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen und der dabei zumindest treuhandähnlichen55 Stellung einhergeht.56 Parallel ergibt nehmerischer Entscheidungen Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; Goette, ZGR 2008, 436, 448; Weiss/Buchner, WM 2005, 163, 164; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 61; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 21; Bürgers/ Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 15; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 71; vgl. auch Florstedt, AG 2010, 315, 317 ff. 50 Allg.M.; BGHZ 10, 187, 193; BGHSt 50, 331, 338 f. („Mannesmann“); Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder, S. 36; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 951; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 19; Fleischer, WM 2003, 1045 f.; DaunerLieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 4, 8 f.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 114; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 28, § 84 Rn. 10 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 95; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 108; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 52, 224, 227; Kort, ebd. § 84 Rn. 76, 78; vgl. auch BGHZ 13, 188, 192 f.; 20, 239, 246. 51 Dazu ausführlich im 3. Teil A. 52 Vgl. 4. Teil D. II. 2. a) u. E. I. 5. a) bb). 53 Vgl. 3. Teil C. III. 1. 54 2. Teil C. II. 4. 55 Die Stellung der Vorstandsmitglieder wird – jedoch ohne ersichtliche praktische Konsequenzen – uneinheitlich als treuhänderisch, so z. B. BGHZ 29, 30, 34; Thümmel, Persönliche

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

sich die Treupflicht aus dem Anstellungsvertrag,57 wobei die organschaftlichen Pflichten durch schuldrechtliche Vereinbarungen lediglich konkretisiert, nicht aber modifiziert, insbesondere nicht eingeschränkt werden können.58 1. Inhalt der Treupflicht Der Inhalt der Treupflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft allgemein wird nahezu wortgleich dahingehend umschrieben, dass jene verpflichtet seien, (nur) im Interesse der Gesellschaft zu handeln und diese vor Nachteilen zu Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 210; Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 421; Drygala/Staake/Szalai, § 21 Rn. 6; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 25, 108; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 114; Bürgers/Israel, in: Bürgers/ Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 3; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 10; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 52, 224; Kort, ebd. § 84 Rn. 76; ähnl. Stier, Eigentum, S. 119 [„Treuhänder im weiteren Sinne“], 124 [„die auf der Treuhandidee aufgebaute Aktiengesellschaft“] oder in unterschiedlicher Formulierung treuhandähnlich beschrieben, so z. B. BGHZ 159, 30, 41 („Gelatine“) [„anvertraut“]; OLG Düsseldorf, AG 1997, 231, 235 („ARAG/Garmenbeck“); OLG Hamm, AG 1995, 512, 514; Böttcher, NZG 2009, 1047, 1049; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 4; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 6; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 5; in sich uneinheitlich Wiedemann, GesR II, § 3 II 3 a) aa) (S. 193) [„vergleichbar denjenigen [Treuepflichten] eines Treuhänders“], § 4 II 4 c) bb) (S. 345) [„Verhaltenspflichten des Treuhandverhältnisses“]; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 25 Rn. 2 [„wie ein treuhänderischer Verwalter“], 11 [„als treuhänderische Verwalter“]; ohne inhaltliche Folgen für die Treupflicht gg. die Annahme eines Treuhandverhältnisses Mülbert, in: GroßKommAktG, Vor §§ 118 – 147 Rn. 191 ff., insb. 194; vertiefend Fleischer, WM 2003, 1045 sowie die dortigen Nachweise. 56 Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, S. 949, 951; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 25 Rn. 11; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 8; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 114; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 6; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 116; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 16; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 108; vgl. auch BGHZ 13, 188, 192 f.; 20, 239, 246; Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, S. 12 ff. 57 Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 114; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 117; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 108; allg. für die Organpflichten Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 21 Rn. 12; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 4; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 34; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 279, vgl. aber Rn. 77; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 104. 58 Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 114; ähnl. Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 77; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 4; a.A. Fleischer, WM 2003, 1045, 1046 sowie in Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 117, der „in bestimmten Maße“ Modifikationen für möglich hält unter Verweis auf Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 35 Rn. 39, wonach z. B. bei unentgeltlicher Tätigkeit „in bestimmter Hinsicht“ Treubindungen geringer sein können. Aufgrund der unterschiedlichen Stellung von GmbH-Geschäftsführer und Vorstand einer AG sowie der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG sind gegenüber der Übertragung auf Vorstandsmitglieder einer AG Zweifel angebracht.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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bewahren, mit anderen Worten dürften sie sonstige, insbesondere ihre eigenen, möglicherweise kollidierenden Interessen nicht vor die der Gesellschaft stellen.59 Unter der Überschrift dieser umfassenden Beschreibung der Treupflicht der Vorstandsmitglieder ergeben sich zahlreiche Einzelpflichten. Als Quelle einer solchen Konkretisierung der allgemeinen Treupflicht kommen zum einen ausdrückliche Regelungen in Gesetz60 und Anstellungsvertrag61 in Betracht, zum anderen haben sich in Rechtsprechung und Literatur bestimmte anerkannte Anwendungsfälle der Treupflicht in Form von Fallgruppen herausgebildet, anhand derer Ausprägungen der Treupflicht im Hinblick auf den Tatbestand einer Pflichtverletzung subsumtionsfähig gemacht werden sollen.62 2. Gesetzliche Konkretisierungen der Treupflicht Gesetzlich ist die Treupflicht lediglich punktuell63 geregelt; so wird etwa die in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG normierte Verschwiegenheitspflicht von der heute ganz herrschenden Meinung als Ausprägung (auch) der Treupflicht verstanden.64 Dasselbe gilt für das Wettbewerbsverbot des § 88 AktG, dessen Abs. 1 S. 1 a.E., der den Vorstandsmitgliedern das Geschäftemachen im Geschäftszweig der Gesellschaft ohne Einwilligung des Aufsichtsrats untersagt, ebenfalls als Anwendungsfall der 59

So oder bedeutungsgleich BGH WM 1967, 679; WM 1977, 361, 362; ZIP 1983, 689, 690; ZIP 1989, 1390, 1394 (alle zum GmbH-Geschäftsführer); Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der AG, S. 17; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 215; Buchta, DStR 2003, 694, 697; Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 443; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 25 Rn. 12; Fleischer, in: HdbVorstR, 2006, § 9 Rn. 2; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 114; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 9; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 6; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 13, § 93 Rn. 108; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 227. 60 Dazu sogleich unter 2. Teil C. II. 2. 61 Vgl. die Nachweise in Fn. 58. 62 Zu Ausprägungen der ungeschriebenen Treupflicht vgl. Fleischer, in: HdbVorstR, 2006, § 9 Rn. 14 ff.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 115 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 96 ff.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 237 ff. 63 Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der AG, S. 12: die Treupflicht sei vom Gesetzgeber „nur in Bruchstücken“ erfasst worden. 64 Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder, S. 36; Fleischer, WM 2003, 1045; Schwintowski, NJW 1990, 1009, 1011; Kittner, ZHR 136 (1972), 208, 220; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 133; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 160; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 113; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 52, 279; teilweise anders (sowohl Ausprägung der Treu- als auch der Sorgfaltspflicht) BGHZ 64, 325, 327 (zum Aufsichtsrat); Säcker, NJW 1986, 803 (dto.); Veith, NJW 1966, 526, 527 (dto.); Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 47; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 113; a.A. (Verschwiegenheitspflicht als Ausprägung der Sorgfaltspflicht, zu § 84 AktG 1937) Spieker, NJW 1965, 1937; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 5.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

organschaftlichen Treupflicht aufgefasst wird.65 Die innere Rechtfertigung der Tatbestände des § 88 Abs. 1 S. 2 AktG sowie des Verbots des Betriebs eines Handelsgewerbes, das nicht auf den Geschäftszweig der Gesellschaft beschränkt ist, wird, sofern diesbezüglich zwischen den Verboten des § 88 AktG unterschieden wird,66 im Ergebnis weitgehend offen gelassen.67 Diese dürften aber, da auch hier sowohl die Dimension der Erhaltung der vollen Arbeitskraft des Vorstandsmitglieds für die Gesellschaft68 als auch die der Konkurrenzvermeidung an den möglicherweise nur unscharf abzugrenzenden Rändern des Geschäftszweigs der Gesellschaft im Sinne des Satzes 1 enthalten sind, ebenfalls als Ausfluss der allgemeinen organschaftlichen Treupflicht zu verstehen sein. Die Tatbestände des § 88 AktG stellen sich damit insgesamt als spezielle Regelungen einer Treupflicht der Vorstandsmitglieder dar.69

65 Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 1; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 88 Rn. 1; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 88 Rn. 2; ders., AG 2005, 336, 337; in diesem Sinne wohl auch ders., WM 2003, 1045; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 5. Fleischer, AG 2005, 336, 337; ders., in: Spindler/Stilz, a.a.O. verweist zur Begründung auf das ungeschriebene Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer einer GmbH, dazu BGHZ 49, 30, 31; BGH WM 1964, 1320, 1321; OLG Oldenburg, NZG 2000, 1038, 1039; Salfeld, Wettbewerbsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 185 ff.; Paefgen, in: GroßKommGmbHG, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 82 ff.; Scholz/U. H. Schneider GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 153; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 35 Rn. 41; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, 18. Aufl. 2012, Anh. zu § 6 Rn. 20; Roth/ Altmeppen, 7. Aufl. 2012, § 6 Rn. 85; Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 97; Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 142. Die Verbotstatbestände des § 88 Abs. 1 insgesamt als Ausprägung der Treupflicht auffassend OLG Frankfurt a.M., AG 2000, 518, 519; DaunerLieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 88 Rn. 1; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 16; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 1; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 88 Rn. 1. 66 Hinsichtlich der Herleitung der Regelungen des § 88 Abs. 1 AktG nicht differenzierend Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 88 Rn. 1; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 88 Rn. 1. 67 Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 88 Rn. 1; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 88 Rn. 1; Fleischer, AG 2005, 336, 337; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 88 Rn. 2; i.Erg. bleibt damit unklar, ob auch die weiteren Tatbestände des § 88 Abs. 1 AktG als Ausprägungen der organschaftlichen Treupflicht verstanden werden. 68 Der Aussage, Fleischers in AG 2005, 336, 337 sowie Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 88 Rn. 2, es liege dem kein konkreter Interessenkonflikt zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied zugrunde (Hervorhebung im Original) kann daher nur insoweit zugestimmt werden, als der Konflikt des Abs. 1 S. 1 Fall 2 sich stets auf beide der o.g. Regelungszwecke erstreckt, während dies bei den weiteren Verbotstatbeständen der Fall sein kann, jedoch nicht muss. 69 Wie hier OLG Frankfurt a.M., AG 2000, 518, 519; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 88 Rn. 1; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 88 Rn. 1; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 88 Rn. 1.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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3. Die Treupflicht im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) Neben dem Aktiengesetz enthält auch der Deutsche Corporate Governance Kodex70 unter der Ziff. 4.3 mit der Überschrift „Interessenkonflikte“ in Ziff. 4.3.1 – 4.3.5 Ausprägungen der Treupflicht der Vorstandsmitglieder.71 Ziff. 4.3.1 wiederholt, in „stark konzentrierter“72 Form die Wettbewerbsverbote des § 88 AktG.73 Ziff. 4.3.2 verweist auf ein umfassendes Bestechungsverbot, sowohl in aktiver als auch passiver Hinsicht unter Einbeziehung nicht nur der Vorstandsmitglieder, sondern auch der Mitarbeiter.74 Ziff. 4.3.3 bezieht sich auf die Verpflichtung der Vorstandsmitglieder allein auf das Unternehmensinteresse und damit Interessenkonflikte im eigentlichen Sinne und gibt insofern ebenfalls nur einhellig anerkannte Inhalte der organschaftlichen Treupflicht wieder.75 Ziff. 4.3.4 enthält in Satz 1 schließlich die Empfehlung der unverzüglichen Offenlegung von Interessenkonflikten gegenüber dem Aufsichtsrat sowie den anderen Vorstandsmitgliedern. Eine entsprechende Verpflichtung wird konkludent mit Abgabe einer uneingeschränkten Entsprechenserklärung (§ 161 AktG) angenommen.76 Insoweit wählt der Kodex den präventiven Weg, die Entstehung ins Gewicht fallender Interessenkonflikte durch die Empfehlung weitgehender Transparenz möglichst zu verhindern.77 Daneben empfehlen die Ziff. 4.3.4 Satz 3 bzw. 4.3.5 „wesentliche Geschäfte“ zwischen einem Vorstandsmitglied oder diesem nahe stehenden Personen oder Unternehmungen und „dem Unternehmen“, was angesichts des zwingenden § 112 AktG als Empfehlung lediglich andere Konzernunternehmen umfassen kann,78 sowie Nebentätigkeiten von Vorstandsmitgliedern, für die sich ein Einwilligungserfordernis nicht bereits aus § 88 Abs. 1 AktG ergibt, insbesondere Aufsichtsrats-

70 Zu dessen rechtlicher Qualifikation Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, 5. Aufl. 2014, Rn. 53 ff. 71 Dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, 5. Aufl. 2014, Rn. 807 ff.; Goslar, in: Wilsing, DCGK, 2012, Ziff. 4.3 (S. 345 ff.); vgl. auch Peltzer, Rn. 179. 72 Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, 5. Aufl. 2014, Rn. 807; ähnl. Goslar, in: Wilsing, DCGK, 2012, Ziff. 4.3.1 Rn. 1. 73 Das Wettbewerbsverbot wird als „umfassend“ beschrieben, sodass auch die Konzerndimension erfasst sein soll, entspricht aber jedenfalls geltendem Recht, dazu Ringleb/Kremer/ Lutter/v. Werder, 5. Aufl. 2014, Rn. 808, insb. dort Fn. 369; Goslar, in: Wilsing, DCGK, 2012, Ziff. 4.3.1 Rn. 8. 74 Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, 5. Aufl. 2014, Rn. 813 ff.; Goslar, in: Wilsing, DCGK, 2012, Ziff. 4.3.2 Rn. 1 ff.; Peltzer, Rn. 176 ff. 75 Dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, 5. Aufl. 2014, Rn. 828 f.; Goslar, in: Wilsing, DCGK, 2012, Ziff. 4.3.3 Rn. 1 ff.; Peltzer, Rn. 179 f. 76 Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, 5. Aufl. 2014, Rn. 832. 77 Vertiefend Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, 5. Aufl. 2014, Rn. 836; Goslar, in: Wilsing, DCGK, 2012, Ziff. 4.3.4 Rn. 6, zum Verhältnis zur organschaftlichen Treupflicht ebd. Rn. 7; vgl. auch Peltzer, Rn. 181. 78 Peltzer, Rn. 182 bezeichnet die Formulierung als „missverständlich“.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

mandate außerhalb des Konzerns, einem Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats zu unterstellen.79 Bei den über eine Beschreibung geltenden Rechts hinausgehenden einschlägigen Regelungen des Kodex handelt es sich um Empfehlungen betreffend das Verfahren im Umgang mit Interessenkonflikten, die die Grundlage einer Pflichtverletzung bilden können. In Bezug auf den materiellen Gehalt der allgemeinen Treupflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft und deren gesetzlich geregelte Ausprägungen beschränkt sich der DCGK auf die Wiedergabe geltenden Rechts und der allgemein anerkannten Grundsätze. 4. Exkurs: Die Unterscheidung einer duty of care und einer duty of loyalty im US-amerikanischen Recht Die Unterscheidung zwischen Sorgfalts- und Treupflicht der Geschäftsleiter im Sinne einer Gegensätzlichkeit entstammt dem US-amerikanischen Recht, wo die „duty of care“ von der „duty of loyalty“ der directors gegenüber der corporation unterschieden wird,80 und hat sich auch in der deutschen Literatur durchgesetzt.81 Die Abgrenzung dieser Pflichtendimensionen der Vorstandsmitglieder ist weder im USamerikanischen noch im deutschen Recht eine reine Glasperlenspielerei; vielmehr ist sie insoweit von entscheidender Bedeutung für deren Haftung als bei Berührung der duty of loyalty bzw. Treupflicht der Geschäftsleiter eine Anwendung der business judgment rule, die für das deutsche Recht in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG geregelt wurde,82 ausscheidet.83 Die Dogmatik der duty of loyalty als Gegensatz zur duty of care im US-amerikanischen Schrifttum ist weiter entwickelt als die zum deutschen Recht,84 sodass sich, nicht nur wegen des Vorbildcharakters des US-amerikanischen Rechts für die business judgment rule deutscher Prägung, ein Exkurs zur duty of care und duty of loyalty im US-amerikanischen Recht im Sinne einer Vorüberlegung zu der in 79 Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, 5. Aufl. 2014, Rn. 845 f.; 847 f.; Goslar, in: Wilsing, DCGK, 2012, Ziff. 4.3.4 Rn. 20 f., Ziff. 4.3.5 Rn. 1, 4 ff.; Peltzer, Rn. 184. 80 Corporate Director’s Guidebook, 33 Bus. Law. (1978), 1591, 1599; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 898. 81 Vgl. Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der AG, S. 12; Hopt, FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 917; ders., ZGR 1993, 534, 542; ders., ZIP 2013, 1793, 1796; Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 828; Ihrig, WM 2004, 2098, 2100; Fleischer, in: HdbVorstR, 2006, § 11 Rn. 35; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 64; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 52; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 146; vgl. auch Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 82 Dazu eingehend 3. Teil A. 83 Vgl. zur weitergehenden Bedeutung der Unterscheidung im deutschen Recht auch oben unter 2. Teil C. II. 84 Fleischer, WM 2003, 1045.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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der vorliegenden Untersuchung noch zu thematisierenden Haftung für unternehmerisches Handeln des Vorstands, als aufschlussreich anbietet. a) Die Systematisierung der Treupflicht der directors im US-amerikanischen Recht Wie im Schrifttum zur Treupflicht der Vorstandsmitglieder wird auch die duty of loyalty nicht als ein abstraktes, übergreifendes Konzept, sondern anhand von im Wesentlichen mit den unter demselben Stichwort für das deutsche Aktienrecht behandelten identischen Fallgruppen,85 in denen sie typischerweise von Bedeutung ist, diskutiert.86 Kriterien zur Abgrenzung von Treu- und Sorgfaltspflicht bzw. duty of care und duty of loyalty werden aufgrund dieser Systematisierung kaum ausdrücklich genannt. Die Rechtsprechung unterscheidet nicht durchgehend zwischen den unterschiedlichen Pflichtenkreisen der directors,87 sodass sich auch aus der Praxis keine subsumtionsfähige Abgrenzungsformel gewinnen lässt. Eine Annäherung an die Umrisse muss daher von den Definitionen der duty of care und der duty of loyalty her erfolgen. b) Inhalte der Pflichten der directors gegenüber der corporation aa) Duty of care Die duty of care verpflichtet die directors zur Aufwendung einer gewissen Zeit und Arbeit für die Geschäftsführung, die sie unter Einsatz eines gewissen Grades von Fähigkeiten und Urteilsvermögen auszuüben haben,88 indem sie in Angelegenheiten der corporation so handeln wie dies eine umsichtige Person in eigenen Angelegenheiten von vergleichbarer Bedeutung tun würde.89 Hinzu tritt in manchen Defi85 Zu den Fallgruppen der Treupflicht der Vorstandsmitglieder s. die Nachweise in Fn. 62 sowie oben unter 2. Teil C. II. 2. 86 Vgl. ALI, Principles of Corporate Governance, Part V, Chapters 1, 2; sowie die Darstellungen bei Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 958 ff.; Clark, Corporate Law, S. 141 ff.; Corporate Director’s Guidebook, 33 Bus. Law. (1978), 1591, 1599. 87 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 898. 88 Vertiefend zu den erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 950 f. (B.); Francis v. United Jersey Bank, 87 N.J. 15, 432 A.2d 814 (821 f.) (N.J. 1981): „As a general rule, a director should acquire at least a rudimentary understanding of the business of the corporation. Accordingly, a director should become familiar with the fundamentals of the business in which the corporation is engaged. Because directors are bound to exercise ordinary care, they cannot set up as a defense lack of the knowledge needed to exercise the requisite degree of care. If one ,feels he has not had sufficient business experience to qualify him to perform the duties of a director, he should either acquire the knowledge by inquiry, or refuse to act.‘“ [Anm. d. Verf.: Zitat aus Campbell v. Watson 62 N.J. Eq. 396 (416), 50 A. 120 (N.J.Ch. 1901)]. 89 ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01 (a): „A director […] has a duty to perform the director’s […] functions in good faith, in a manner that he or she reasonably believes

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nitionen, darunter auch der der Principles of Corporate Governance des American Law Institute und des Revised Model Business Corporation Act, das Erfordernis, die Pflichten eines directors „in good faith“,90 was, unter Berücksichtigung des nachfolgenden Erfordernisses des „reasonable belief“, im besten Interesse der corporation zu handeln, am ehesten mit „unter Beachtung der Gebote von Treu und Glauben“ zu übersetzen ist.91 Eine Abgrenzung anhand eines Treubegriffs im Sinne eines Verhaltens entsprechend der Gebote von Treu und Glauben als Kennzeichen (nur) der duty of loyalty scheidet damit aus. bb) Duty of loyalty Die duty of loyalty verlangt von den directors, die, insbesondere finanziellen, Interessen der Anteilseigner vor die eigenen zu stellen und unterstellt sie einer Überwachung bei Geschäften, bei denen ein Interessenkonflikt besteht.92 Als Anto be in the best interest of the corporation, and with the care that an ordinarily prudent person would reasonably be expected to exercise in a like position and under similar circumstances“; RMBCA, Sec. 35, abgedruckt in 33 Bus. Law. (1978), 1631: „A director shall perform his duties as a director […] in good faith, in a manner he reasonably believes to be in the best interests of the corporation, and with such care as an ordinarily prudent person in a like position would use under similar circumstances.“; Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927: „The duty of care demands that […] members of the board of directors invest a certain amount of time and effort and exercise a certain level of skill and judgment in the operation of the firm“; Easterbrook/ Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 103: „to act as a prudent person does in the management of his own affairs of equal gravity“; vgl. auch Selheimer v. Manganese Corp. of America, 423 Pa. 563, 224 A.2d 634 (640) (Pa. 1966) unter Bezugnahme auf Section 408, art. IV des Business Corporation Law von 1933 (Act of May 5, 1933, P.L. 364): „Officers and directors shall be deemed to stand in a fiduciary relation to the corporation, and shall discharge the duties of their respective positions in good faith and with that diligence, care and skill which ordinarily prudent men would exercise under similar circumstances in their personal business affairs.“; vertiefend Clark, Corporate Governance, S. 123 ff. (§ 3.4); Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945; zum Standard der „ordinarily prudent person“: Committee on Corporate Laws, 30 Bus. Law. (1975), 501, 506; Corporate Director’s Guidebook, 33 Bus. Law. (1978), 1591, 1601. 90 Zur umstr. Bedeutung des Merkmals vertiefend Manning, 45 Ohio State Law Journal (1984), 615, 620. 91 Neben ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01 (a); RMBCA, Sec. 35, abgedruckt in 33 Bus. Law. (1978), 1631 u. a. auch Selheimer v. Manganese Corp. of America, 423 Pa. 563, 224 A.2d 634 (640) (Pa. 1966) unter Bezugnahme auf Section 408, art. IV des Business Corporation Law von 1933 (Act of May 5, 1933, P.L. 364); ebenso übersetzt in ganz ähnl. Zshg. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 905. 92 Guth v. Loft, 23 Del.Ch. 255, 5 A.2d 503 (510) (Del. Supr. 1939): „Corporate officers and directors are not permitted to use their position of trust and confidence to further their private interests. While technically not trustees, they stand in a fiduciary relation to the corporation and its stockholders. A public policy, existing through the years, and derived from a profound knowledge of human characteristics and motives, has established a rule that demands of a corporate officer or director, peremptorily and inexorably, the most scrupulous observance of his duty, not only affirmatively to protect the interests of the corporation committed to his charge, but also to refrain from doing anything that would work injury to the corporation, or to

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wendungsfälle der duty of loyalty der directors werden zum einen Eigengeschäfte mit der corporation, also Geschäfte, bei denen sich ein director und die corporation gegenüberstehen diskutiert, wobei hierunter, dem Fehlen eines Aufsichtsrats im eingliedrigen board of directors geschuldet,93 auch die Vereinbarung der Vergütung der directors fällt.94 Zum anderen kommt die duty of loyalty bei den Fragen im Zusammenhang einer Ausnutzung von Geschäftschancen oder Ressourcen der corporation durch die directors zum Tragen.95 cc) Vorliegen eines Eigeninteresses als Abgrenzungskriterium Die Definitionen der Pflichteninhalte sind nicht als Gegensätze aufeinander bezogen, sondern stehen vielmehr nebeneinander. Die Elemente des acting in good faith und des reasonable belief of acting in the best interest of the corporation legen als Bezüge auf die Grundsätze von Treu und Glauben die Existenz zumindest unscharfer Grenzbereiche, wenn nicht Schnittmengen, der Pflichtenkreise nahe, sofern man, wie dies theoretisch der Fall ist, von umfassenden, nicht lediglich punktuellen, Pflichten der directors sowohl im Bereich der duty of care als auch der duty of loyalty96 ausgeht.97

deprive it of profit or advantage which his skill and ability might properly bring to it, or to enable it to make in the reasonable and lawful exercise of its powers. The rule that requires an undivided and unselfish loyalty to the corporation demands that there shall be no conflict between duty and self-interest.“; Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927 f.: „The duty of loyalty requires that […] directors put the interests of the stockholders ahead of their personal gain and subjects them to oversight in transactions involving conflicts of interest“; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 103: „to maximize the investors’ wealth rather than one’s own“, S. 104: „Managers must prefer investors’ interests to their own in the event of conflict.“; Corporate Director’s Guidebook, 33 Bus. Law. (1978), 1591, 1599: „By assuming his office, the corporate director commits allegiance to the enterprise and acknowledges that the best interests of the corporation and its shareholders must prevail over any individual interest of his own. The basic principle to be observed is that the director should not use his corporate position to make a personal profit or gain other personal advantage.“. 93 Vgl. Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der AG, S. 16; zu den Grundstrukturen der Organisation der corporation Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 609 ff. 94 Sog. self-dealing transactions; dazu Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 959 ff.; zur Vergütung ebd., Rn. 987 ff.; vertiefend Clark, Corporate Law, S. 147. 95 Sog. corporate opportunity doctrine; dazu Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 995 ff.; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 156 ff. 96 Dazu Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 958; Clark, Corporate Law, S. 141: „[…] this general fiduciary duty of loyalty is a residual concept that can include factual situations that no one has foreseen and categorized.“. 97 So i.Erg. auch Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 932; Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 291; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 103; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 169; Corporate Director’s Guidebook, 33 Bus. Law. (1978), 1591, 1601.

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Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Einordnung der aus der Verletzung beiderlei Pflichten entstehenden Verluste der Gesellschaft als „agency costs“, Kosten also, die mittelbar den Anteilseignern durch die Einsetzung des Vorstands bzw. board of directors als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan aufgrund des unter dem Stichwort des Prinzipal-Agent-Konflikts behandelten wirtschaftlichen Spannungsverhältnisses entstehen,98 wird in der US-amerikanischen Literatur die Zweckmäßigkeit der Unterscheidung vereinzelt in Zweifel gezogen. Argumentiert wird fallbezogen mit dem in der Tat wirtschaftlich identischen Ergebnis wenn ein director entweder für die vereinbarte Vergütung weniger hart als geschuldet arbeite gegenüber dem Fall, dass der director für die geschuldete Tätigkeit eine höhere als die vereinbarte Vergütung erhalte, wobei nach der gängigen Unterscheidung der erste Fall eine Verletzung der duty of care, der zweite eine solche der duty of loyalty begründet.99 Kennzeichnend für die Anwendungsfälle der duty of loyalty ist, wie bereits für die Treupflicht im Aktienrecht skizziert, das Vorliegen eines unmittelbaren finanziellen Eigeninteresses des Verpflichteten.100 Während in dem obigen Beispiel im ersten Fall des directors, der weniger arbeitet als geschuldet, der finanzielle Vorteil erst vermittelt durch die verhältnismäßig höhere Vergütung eintritt, fehlt es im zweiten Beispiel an diesem Zwischenschritt. Ebenso verhält es sich bei den unter den Stichworten des self-dealings und der corporate opportunities behandelten Fallgestaltungen: zwar erlangt der director den finanziellen Vorteil durch seine und aufgrund seiner Eigenschaft als solcher, dieser ist jedoch stets ein unmittelbarer. Dem hiesigen Verständnis nahe steht das Arnolds, der, zwar für das deutsche Aktienrecht, argumentativ jedoch auf das US-amerikanische Recht gestützt, die Sorgfaltspflicht betreffend ein „allgemeines“ Versagen bei der Unternehmensführung, die Treupflicht dagegen bezogen auf „einzelne Transaktionen“, bei denen ein „unmittelbares finanzielles Eigeninteresse“ des Vorstandsmitglieds gegeben ist, verstehen will.101 Wenngleich ein solches Verständnis, wie auch Arnold betont,102 keine trennscharfe

98 Einen kurzen Überblick bieten Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 3 (1976), 305, 308 ff.; Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 929 ff. (B., C.); Drygala/ Staake/Szalai, § 21 Rn. 5 f.; grundlegend Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, passim; s. auch Clark, Corporate Law, S. 141 ff. (Chapter 4). 99 Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 291; vgl. auch das Bsp. bei Scott, 35 Stanford Law Review, 927, 932, das bereits die eindeutige Einordnung des ersten Bsps. von Fischel/Bradley als Anwendungsfall der duty of care in Frage stellt; bzgl. des Fehlens einer sauberen Trennlinie auch Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 103; vgl. auch Bainbridge, Corporation Law and Economics, S. 306; Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 937 plädiert für eine gänzliche Abschaffung der duty of care als Grundlage einer Haftung der directors; zust. Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 15. 100 Ebenso Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 169. 101 Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 169 (Hervorhebung im Original). 102 Ebd. (Fn. 101).

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Abgrenzung von Sorgfalts- und Treupflichtverletzungen ermöglicht, taugt es doch im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners.103 Ganz ähnlich unterscheidet Scott zwischen den duties of loyalty und of care, indem er Verletzungen der duty of loyalty als üblicherweise wissentliche Aneignung von Ressourcen der Gesellschaft zugunsten des pflichtwidrig Handelnden beschreibt, solche der duty of care sich hingegen durch behauptete Nachlässigkeit oder Unfähigkeit eines Entscheidungsträgers auszeichneten, wobei ein persönlicher Vorteil nicht notwendig angestrebt oder erlangt sein müsse.104 dd) Grund und Bedeutung der Unterscheidung der duties of care und of loyalty im US-amerikanischen Recht Eine Begründung für die Unterscheidung zwischen der duty of care und der duty of loyalty im US-amerikanischen Recht ergibt sich freilich aus der reinen Möglichkeit ihrer Abgrenzung noch nicht.105 (1) Verletzungen der duties of care und of loyalty, insbesondere unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Als bedeutsame Differenzierungsmerkmale werden die wirtschaftlichen Unterschiede im Fall einer Pflichtverletzung sowie deren Untersuchung und juristischer Verfolgung angeführt. Vermittelt durch die für Prävention, Überwachung und Verfolgung von Verstößen gegen die duties der directors aufzuwendenden Kosten handelt es sich auch bei dem zuletzt genannten Gesichtspunkt um einen auch wirtschaftlichen. (a) Überwachung und Sanktionierung von Pflichtverletzungen: Versagen alternativer Sanktionsmechanismen und geringere Verfolgungsschwierigkeiten bei Verstößen gegen die duty of loyalty Bei den praktischen Anwendungsfällen der duty of loyalty handle es sich häufig um spektakuläre, einmalige Aneignungen von Ressourcen der corporation wie sie 103

Ähnl. Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 63. Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 932 : „But in most situations, there are some clear differences: Loyalty violations usually involve a knowing appropriation from the firm to the offender’s personal gain, while care violations involve the decisionmaker’s asserted neglect or incompetence, even in the absence of any personal profit.“; ähnl. zur duty of loyalty Bainbridge, Corporate Law and Economics, S. 306: „intentional misconduct“. 105 Ganz ähnl. Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 103: „The existence of a conflict of interest, therefore [i. e. die Einordnung der aus den beiden bereits geschilderten Fallbeispielen entstehenden finanziellen Einbußen als ,agency costs‘], cannot explain the distinction between the duties of care and of loyalty.“; Bainbridge, Corporation Law and Economics, S. 306: „From an agency-cost based economic perspective, negligence and self-dealing differ in degree but not in kind. Both reduce shareholder wealth. […] At first blush, the differing legal treatment of care and loyalty thus seems puzzling.“. 104

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unter dem Schlagwort des „Griffs in die Kasse“ beschrieben werden, in denen die directors nicht von einer weiteren Zusammenarbeit mit der corporation ausgingen.106 Aufgrund dessen sei eine nachfolgende „Bestrafung durch den Markt“107 unzureichend.108 Haftungsvorschriften seien dort am nützlichsten, wo andere Mechanismen versagten. Beispielsweise lasse sich ein Geschäftsleiter, der kurz vor dem Ruhestand stehe, eher nicht durch die Aussicht späterer109 Gehaltseinbußen von einem Fehlverhalten abhalten. Die duty of loyalty ergänze damit marktliche Sanktionsmechanismen für Pflichtverletzungen in Situationen, in denen erstere allein nicht ausreichten, um Fehlverhalten zu verhindern oder zu ahnden. Weiterhin sei es für mit Ansprüchen gegen directors befasste Gerichte einfacher, die Aneignung von Mitteln der corporation festzustellen als eine Verletzung von Sorgfaltspflichten, sodass die Aufwendungen für die Untersuchung solcher Sachverhalte, auch weil hier weniger häufig fruchtlose, dennoch kostenträchtige Ermittlungen drohten, geringer seien.110 Fischel/Bradley, die die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung der duties of care und of loyalty insgesamt in Frage stellen, äußern hieran Zweifel. Abgesehen von Fällen der einmaligen Veruntreuung erheblicher Summen,111 die eindeutig einen Verstoß gegen die duty of loyalty darstellen und der Aktionärsklage im Sinne des derivative suit des US-amerikanischen Rechts sowie des Strafrechts als Abschreckung bedürften, sei es alles andere als offensichtlich, dass alternative Sanktionsmechanismen wie das Öffentlichmachen von Verfehlungen, Gruppendruck oder die Kräfte des Marktes directors effektiver von „Drückebergerei“ im Sinne einer nachlässigen 106

Vgl. zu diesem Punkt auch Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 939. Vertiefend dazu Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 16; Bainbridge, Corporate Law and Economics, S. 252. 108 Für diesen Fall zust. Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 270 (5.). 109 Gemeint sind wohl durch die Marktfolgen (wobei sowohl die Kapitalmärkte als auch der Arbeitsmarkt für Manager als Träger einer Disziplinierungsfunktion in Betracht kommen) des Pflichtenverstoßes bedingte; Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 17 weist darauf hin, dass häufig auch die aus dem Pflichtverstoß resultierenden finanziellen Vorteile diese indirekten Verluste bei Weitem überstiegen; ähnl. Bainbridge, Corporate Law and Economics, S 306; zur Diziplinierungsfunktion des „managerial labor market“ Fama, Journal of Political Economy 88 (1980), 288, 292 ff.; zum Zshg. der beiden Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 267 f. (3.). 110 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 103: „A satisfactory explanation for the distinction may be found in the differential payoffs from breach and policing. Duty-of-loyalty problems often involve spectacular, one-shot appropriations, of the ,take the money and run‘ sort, in which subsequent penalties through markets are inadequate. Liability rules are most helpful when other mechanisms fail. A manager on the verge of retirement is not likely to be deterred from wrongdoing by the decline in his future wage. The duty of loyalty supplements market penalties for breach in those situations where the market penalties themselves might be insufficient. It is also easier for courts to detect appropriations than to detect negligence, so the costs of inquiry and error are lower.“; vgl. zum zuletzt genannten Gesichtspunkt auch Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 932. 111 Genau diese Konstellation nehmen aber Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 103 als häufigen Anwendungsfall der duty of loyalty und damit Grundlage ihrer Überlegungen an. 107

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Unternehmensführung als von „Betrügereien“ im Sinne des beschriebenen Beispiels der Inanspruchnahme einer höheren als der vereinbarten Vergütung abhielten.112 Es ließe sich ebenso gut oder möglicherweise besser entgegengesetzt argumentieren. Beispielsweise sei es einfacher und kostengünstiger, zu überwachen, welche Vergütung ausgezahlt und vereinbart worden sei als den Einsatz der directors bei ihrer Tätigkeit für die corporation.113 Dem lässt sich zunächst entgegenhalten, dass die Einordnung des unangemessen untätigen directors als Anwendungsfall (nur) der duty of care keinesfalls eindeutig ist.114 Ferner mag die Argumentation auf den eher einfach gelagerten Beispielsfall zutreffen, gilt es jedoch auch zu bedenken, dass allein ein zu geringer Arbeitseinsatz eines directors für die vereinbarte Vergütung in den seltensten Fällen zum praktischen Haftungsfall wird, wenngleich es zutreffen mag, dass im laufenden Betrieb des Unternehmens derartiges Verhalten den größten Posten der „agency costs“ ausmache.115 Die Anwendungsfälle der duty of care, die vor die Gerichte gelangen, sind in aller Regel solche, in denen der behauptete Schaden der corporation auf ein mehr oder minder zu isolierendes Ereignis, etwa eine bestimmte Entscheidung des board of directors, zurückzuführen sein soll. Zwar kann dem Schadensereignis auch hier schlicht ein zu geringer Einsatz der directors bei ihrer Geschäftsführungstätigkeit zugrunde liegen. Üblicherweise wird es sich aber um komplexere Sachverhalte handeln, in denen ein größerer Einsatz des directors nicht notwendig zu einer glücklicheren Entscheidung geführt hätte.116 Mit anderen Worten werden sich überwiegend der Leitung eines Unternehmens inhärente Risiken realisieren, die sich weder einfach noch kostengünstig und vor allem nicht eindeutig im Sinne eines ex ante bestimmbaren Maßstabs von „richtig“ und „falsch“ überwachen oder verhindern lassen werden.117 In Bezug auf Kosten und Aufwand der Prävention und internen Aufdeckung von Verstößen ist Fischel/Bradley jedoch dem Grunde nach zuzugeben, dass zwischen den duties of care und of loyalty kein durchgreifender Unterschied besteht. Zwar 112

Ähnl. auch Fischel, 76 Northwestern University Law Review (1982), 913, 939. Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 291: „Moreover, with the possible exception of large one-shot frauds, a clear breach of the duty of loyalty, where derivative suits or the criminal law are necessary as a deterrent, it is far from obvious that alternative mechanisms such as public disclosure, peer pressure or market forces deter shirking more effectively than cheating. It is just, or perhaps more, plausible to make the opposite argument. Monitoring compensation agreements for example, is likely to be less costly than monitoring effort.“. Wie der letzte Satz im Zusammenhang zu verstehen ist, bleibt unklar, entspricht er doch der ansonsten einhelligen Auffassung, dass Verstöße gegen die duty of loyalty leichter und daher weniger kostenintensiv zu überwachen und aufzudecken seien; so etwa Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 932: „Loyalty violations are on the whole much easier to identify ex post than are care violations.“; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 103. 114 Zweifelnd auch Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 932. 115 So Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 291. 116 Vgl. Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 933. 117 Allgemein zur Erhöhung der Überwachungskosten in derartigen Sachverhalten Fischel/ Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 264. 113

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werden die Sachverhalte im Anwendungsbereich der duty of loyalty typischerweise von geringerer Komplexität als in Fragen einer Verletzung der duty of care sein. Einmal aufgedeckt, wird sich die Anspruchsverfolgung daher in der Tat regelmäßig einfacher bewerkstelligen lassen. Bainbridge betont aber zu Recht, dass es sich bei Entscheidungen, bei denen die duty of care zu beachten ist, üblicherweise um Kollegialentscheidungen des board handelt, sodass bereits das Organ als Ganzes eine erste Kontrollinstanz darstellt. Bei Verletzungen der duty of loyalty wird es sich dagegen selten um Sachverhalte mit Beteiligung des gesamten board, sondern vielmehr um Fehlverhalten eines einzelnen oder einer kleineren Gruppe von directors handeln, die dazu neigen werden, ihr Tun zu verschleiern.118 Die Überwachung und Aufdeckung von Pflichtverletzungen begegnet daher im Anwendungsbereich der duty of loyalty besonderen Schwierigkeiten. Die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen der corporation aufgrund von Pflichtverletzungen ihrer directors setzt deren Aufdeckung bereits voraus, sodass auf dieser Stufe der überwiegenden Auffassung, die davon ausgeht, dass die Verfolgung von Verstößen gegen die duty of loyalty gegenüber solchen gegen die duty of care weniger kompliziert und kostenintensiv sei und insofern ein für die Rechtsverfolgung erhebliches Differenzierungsmerkmal bestehe,119 zuzustimmen ist.120 (b) Verhaltenssteuernde Wirkung von Haftungsnormen Hinzu kommt das von Scott121 als Unterscheidungsmerkmal vorgeschlagene Element der Wissentlichkeit, das Verstöße gegen die duty of loyalty kennzeichnet: mit Ausnahme ganz einfach gelagerter Fälle von Verletzungen der duty of care wird der Pflichtenverstoß, insbesondere bei zukunftsgerichteten Geschäftsführungsmaßnahmen, dem handelnden director ex ante häufig nicht erkennbar sein und kann

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Bainbridge, Corporate Law and Economics, S. 306. Ebenso Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 932: „Loyalty violations are on the whole much easier to identify ex post than are care violations.“; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 103. 120 Damit soll nicht die Aussage verbunden sein, dass es sich bei Verletzungen der duty of loyalty stets um einfachst gelagerte Sachverhalte wie bei Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 291; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 103 handle. Vielmehr sind auch hier komplexe, mit erheblichem Untersuchungsaufwand für ein befasstes Gericht verbundene Fälle denkbar, vgl. dazu etwa Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 939 f.; Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 19; Im Unterschied zur Untersuchung behaupteter Verletzungen der duty of care ergibt sich hier jedoch keine Notwendigkeit, zwischen einer schlechten Entscheidung und einem (nur) unglücklichen Ausgang zu differenzieren; ähnl. Formulierungen bei Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 935 [„In such ex post monitoring, the key issue for the board is to distinguish bad decisions from bad outcomes.“]; Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 963 [„[…] it is often difficult to sort out decisions that turn out badly from bad decisions.“]. 121 Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 932; ähnl. Bainbridge, Corporate Law and Economics, S. 306. 119

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auch in einem (bewussten) Unterlassen bestehen,122 während unbewusste und nicht durch aktives Tun begangene gegen die duty of loyalty verstoßende Verhaltensweisen schwer vorstellbar sind. Mithin ist lediglich in den Anwendungsfällen dieser Pflicht der directors gewährleistet, dass der Haftungsgefahr eine hinsichtlich der Aufgaben der directors als Geschäftsleiter sinnvolle Abschreckungsfunktion zukommt. An sich selbst auf Kosten des Unternehmens bereichernden directors kann die corporation kein Interesse haben123 und der Normappell erreicht die directors bereits im Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens. Demgegenüber kann, mangels entsprechend motivierender Anreize, im Anwendungsbereich der duty of care vorsätzliches Fehlverhalten praktisch nahezu ausgeschlossen werden. In der Mehrzahl der Fälle werden die directors beim Eingehen eines wirtschaftlichen Risikos vielmehr auf die Realisierung der entsprechenden Geschäftschance hoffen, die einen Gewinn für die corporation bedeutet. Ferner gilt es zu bedenken, dass zwar behauptete Verletzungen sowohl der duty of care als auch der duty of loyalty in einem derivative suit124 auf ein konkretes schadensstiftendes Verhalten zurückgeführt werden müssen und theoretisch beide duties umfassend für die gesamte Tätigkeit der directors gelten. Die Ausübung der Geschäftsleitungstätigkeit mit der geschuldeten Sorgfalt („due care“) ist, anders als die Beachtung der duty of loyalty bei einzelnen Vorgängen, ein fortlaufender Vorgang, ein Prozess, bei dem auch ein noch so bemühter director aufgrund der Vielzahl von Vorgängen unmöglich jederzeit über jede unter Umständen bedeutsame Einzelheit der Geschäfte der corporation informiert sein und diese in seine Erwägungen einbeziehen kann.125 Es ist daher anzunehmen, dass die Abschreckungswirkung einer Haftungsdrohung bei der duty of loyalty größer und gezielter ist, während bei der duty of care einerseits der Normappell weitgehend ins Leere gehen, andererseits zu für das Unternehmen nachteiliger übermäßiger Risikoaversion der Geschäftsleiter führen kann.126

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621. 123

Dazu in Abgrenzung zum allg. tort law Manning, 45 Ohio State Law Journal (1984), 615,

Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 17. Ausführlich zur Aktionärsklage des US-amerikanischen Rechts im 3. Teil A. III. 5. c) cc) (2) (a) (bb). 125 Manning, 45 Ohio State Law Review (1984), 615, 621 (dort im Zshg. der Abgrenzung der directors’ liability vom allg. tort law). Vgl. auch 3. Teil E. III. 3. b). 126 Mit ähnl. Begründung will Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 937 derivative suits auf Grundlage behaupteter Verletzungen der duty of care gänzlich abschaffen; zust. Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 15; zur Problematik fehlender unternehmerischer Risikobereitschaft aufgrund der Haftungsgefahr vertiefend unten unter 2. Teil C. II. 4. b) dd) (3) (b). 124

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

(2) Bedeutung der Unterscheidung Praktische Bedeutung erlangt die Unterscheidung der duties of care und of loyalty im Zusammenhang der business judgment rule des US-amerikanischen Rechts. Diese gewährt den directors für ihre Entscheidungen bei der Geschäftsführung einen sogenannten safe harbor,127 einen Freiraum von Haftung anhand des strengen Standards aus der duty of care.128 Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich dieser Vermutung redlichen Handelns zugunsten der directors, die durch die Beweisbelastung des eine Pflichtverletzung geltend machenden Klägers zusätzlich prozessual abgesichert wird, besteht für behauptete Verletzungen der duty of loyalty.129 Mit anderen Worten entscheidet die Einordnung einer Pflichtverletzung und damit die Abgrenzung der duties of care und of loyalty über die Anwendbarkeit der business judgment rule des US-amerikanischen Rechts und stellt damit eine grundsätzliche Weiche in Bezug auf die Haftung für Pflichtverletzungen. (3) Begründung der Differenzierung innerhalb der business judgment rule (a) Interessen der directors und shareholders bei den duties of care und of loyalty Die unstreitige Ausnahme behaupteter Verletzungen der duty of loyalty aus dem Anwendungsbereich der business judgment rule130 kann zunächst auf eine einfache praktische Erwägung gestützt werden: Ausgehend davon, dass eine solche Pflichtverletzung mittels einer Aktionärsklage (derivative suit) geltend gemacht werden soll, ergäbe sich bei Anwendung der business judgment rule das merkwürdige Zwischenergebnis, dass eine Vermutung für ein redliches Handeln der directors spräche und dem Gericht eine eigene Beurteilung der als pflichtwidrig behaupteten

127

ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01(c), Comment a. (S. 173). Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 922 spricht hier von „einer Art Reservat“. 129 Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (812) (Del., 1984); Joy v. North, 692 F.2d 880 (886) (2d Circ. 1982); Fletcher, § 1039 (S. 626): „[…] the ,business judgment rule‘ yields to the rule of undivided loyalty“; vertiefend zur business judgment rule des US-amerikanischen Rechts im 3. Teil A. III. 5. c) cc) (2); vgl. zunächst nur Bainbridge, Corporation Law and Economics, S. 241 ff. (Chapter 6); Clark, Corporate Law, S. 123 ff. (§ 3.4), insb. S. 124 „Challenges not precluded by the BJR“; Manning, 45 Ohio State Law Journal (1984), 615, 617 f.; Corporate Director’s Guidebook, 33 Bus. Law. (1978), 1591, 1604; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 922 ff. 130 Siehe aber die Bsp., in denen die business judgment rule auf Fälle, in denen Interessenkonflikte zwischen directors und shareholders gegeben sind, Anwendung findet bei Fischel/ Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 283 f. sowie die Kritik von Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 938: „That definition [i. e. die des Anwendungsbereichs der duty of loyalty] is both too broad and too narrow. […] because it excludes the parent corporation in dealings with a non-wholly-owned subsidiary as well as any other shareholder who does not sit on the company’s board.“; vertiefend dazu Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 24. 128

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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Maßnahmen dadurch verwehrt bliebe.131 Grundsätzlich ist dies die prozessuale Lage in derivative suits aufgrund von Verletzungen der duty of care. Anders als in den Anwendungsfällen der duty of loyalty, wo ein finanzielles Eigeninteresse des pflichtwidrig Handelnden den Interessen der corporation und damit auch der shareholders gegenübersteht, laufen die Interessen dieser Gruppen im Anwendungsbereich der duty of care gleich:132 Sowohl directors als auch shareholders sind hier bestrebt, den Gewinn der corporation zu maximieren, an allein die corporation schädigenden fehlerhaften Geschäftsführungsentscheidungen oder Selbstbereicherung von Mitarbeitern unterer Ebenen aufgrund von Überwachungsfehlern des board of directors, die weder finanzielle Vorteile für die oder einen herrschenden shareholder noch die directors zur Folge haben, hat keine der Parteien eines potenziellen derivative suit ein Interesse.133 (b) Haftungsgefahren als Ursache übermäßiger Risikoaversion der directors Die Zurückhaltung der Gerichte bei der Überprüfung von Geschäftsführungsmaßnahmen der directors stützt sich maßgeblich auf die Erwägung, dass aus Angst vor Haftung übermäßig zurückhaltende directors den Gewinn der corporation und dadurch vermittelt das Vermögen der shareholders als der wirtschaftlichen Eigentümer nicht optimal mehren würden,134 indem sie aufgrund der Gefahr der Inanspruchnahme auf Schadensersatz sinnvolle und notwendige wirtschaftliche Risiken nicht einzugehen bereit wären.135 Schließlich wohnt jedem Risiko das Potenzial seiner Realisierung inne, sodass die Vermeidung seiner Eingehung oberstes Ziel eines unter einem derartigen Damoklesschwert stehenden Geschäftsleiters sein müsste.136 131 132 133

940.

Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 940. Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 17. Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 16; Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927,

134 Deutlich Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 270: „[…] thus the rules [i. e. liability rules] reduce the benefits of the specialization of function in the public corporations.“; Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 964: „It is often in the interests of the shareholders that directors […] make a more risky than a less risky decision, because the expected value of the more risky decision may be greater than the expected value of the less. […] A rule that imposes liability on a director […] for unreasonable decisions might therefore have the perverse incentive effect of discouraging bold but desirable decisions“; Fischel, 35 Vanderbilt Law Review (1982), 1259, 1288, zur business judgment rule; Corporate Director’s Guidebook, 33 Bus. Law. (1978), 1591, 1603 f. 135 Joy v. North, 692 F.2d 880 (886) (2d Circ. 1982); Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 936; Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 964; ähnl. Fischel/ Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 265, 266; Bainbridge, Corporation Law and Economics, S. 253, 306. 136 Die Möglichkeit einer erfolgreichen Klage auf Grundlage der Behauptung, die directors hätten größere Risiken eingehen müssen, dürfte eine rein theoretische sein; ebenso Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 964.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

(c) Gefahren für das Vermögen der shareholders als der „wirtschaftlichen Eigentümer“ der corporation Hinzu tritt die Erwägung, dass es die shareholders sind, die die directors eingesetzt haben, um „ihre“ corporation zu verwalten.137 Bei der Wahl des board of directors hatte, zumindest in dem als ideal gedachten Fall, dass kein kontrollierender Mehrheitseigner vorhanden ist, jeder shareholder die Möglichkeit, auf die Besetzung mit solchen directors, die seine Einstellungen zum künftigen Kurs des Unternehmens der corporation teilen und die er für entsprechend qualifiziert hält, in diesem Sinne „gute“ Entscheidungen zu treffen, hinzuwirken.138 Das Risiko unglücklicher Ergebnisse solcher Entscheidungen, die auf unbeeinflussbaren äußeren Entwicklungen beruhen, ist wirtschaftlicher Betätigung als solcher inhärent und wäre ebenso gegeben, wenn die einzelnen shareholders selbst unternehmerisch tätig würden.139 Durch die Zusammenfassung ihres Kapitals in der corporation, die durch die directors geleitet wird, entstehen mithin in dieser Hinsicht keine gegenüber dem Betrieb eines eigenen Unternehmens neuen, zusätzlichen Vermögensrisiken. Anders verhält es sich bei Verletzungen der duty of loyalty. Sich selbst gegenüber ist es schlicht unmöglich, „in die eigene Tasche zu wirtschaften“. Anders gesagt wird durch die Einsetzung des board of directors als zwischen die shareholders und die 137 Mangels eines dem Aufsichtsrat entsprechenden, gesonderten Organs im one-tier-system des US-amerikanischen corporate law werden die directors unmittelbar von den shareholders gewählt; ausführlich Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 613 f., 620 ff., 730 ff.; Arbeitnehmermitbestimmung ist in der corporation nicht vorgesehen, Bainbridge, Corporate Law and Economics, S. 251; vgl. ebd., S. 252 vertiefend zur Trennung von Eigentum und Kontrolle. 138 Und selbst wo dies nicht der Fall ist, entsteht kein gravierender Nachteil für die Minderheitseigner. Schließlich sind es die Mehrheitseigner, die mit dem größten Kapitalanteil an der Gesellschaft beteiligt sind und somit das größte Interesse daran haben, fähige Geschäftsleiter einzusetzen; ähnl. Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 271; vgl. auch Arsht, 8 Hofstra Law Review (1979), 93, 95. 139 Dem Grundgedanken nach ähnl. Joy v. North, 692 F.2d 880 (885) (2d Circ. 1982): „[…] shareholders to a very real degree voluntarily undertake the risk of bad business judgment. Investors need not buy stock, for investment markets offer an array of opportunities less vulnerable to mistakes in judgment by corporate officers.“; Fletcher, § 1039 (S. 621); daneben spricht für eine vorrangige Tragung dieser Risiken durch die Anteilseigner, dass diese keinesfalls gezwungen sind, ihr gesamtes Kapital in eine corporation zu investieren und sich vor Verlusten durch Streuung und nicht zuletzt durch die Veräußerung ihrer Anteile in gewissem Umfang schützen können. Ganz ähnl. Joy v. North, 692 F.2d 880 (886) (2d Circ. 1982); Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 936: „Bad luck is inherent in the nature of an uncertain world, and its risk is better borne by the shareholders. They can diversify against this risk to a greater extent than can directors or managers whose human capital is concentrated in the firm. The level of remaining (nondiversifiable) risk determines the risk premium that must be paid to shareholders.“; Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 265 f.: „Managers have a tendency to avoid risk because they cannot diversify the value of their human capital. Shareholders, however, can better diversify risk because of their access to capital markets […]“; Arkes/Schipani, 73 Oregon Law Review (1994), 587, 623; insb. zur Möglichkeit der Anteilsveräußerung Peeples, 60 Notre Dame Law Review (1985), 456, 461 f. Vgl. auch 3. Teil E. V. 1. a).

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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wirtschaftliche Betätigung mit ihrem Kapital geschaltetes Organ eine zusätzliche Gefahr von Vermögensverlusten geschaffen. Zwar ist eigennütziges Handeln, wie allein die Existenz der Diskussion um eine duty of loyalty zeigt, kein unbekanntes Phänomen und daher der Fremdverwaltung von Vermögenswerten immanent.140 Anders als bei Geschäftsführungsentscheidungen mit unglücklichem Ausgang handelt es sich jedoch nicht um ein solches, das als Begleiterscheinung gewinnbringenden wirtschaftlichen Handelns und damit möglichst rentabler Investition in gewissem Umfang unvermeidlich ist,141 sodass die damit verbundenen Verluste in Kauf zu nehmen wären. (d) Fehlende Expertise der Gerichte bezüglich unternehmerischen Handelns Als einer der Geltungsgründe der business judgment rule wird angeführt, dass Richter keine Manager oder Wirtschaftsexperten seien. Daher wird angenommen, dass sie zur Überprüfung von Geschäftsführungsentscheidungen nicht befähigt seien, sodass im Zweifel die Einschätzung der directors vorrangig beachtlich sei.142 Dem könnte entgegengehalten werden, dass sich Gerichte auch in anderen Sachverhalten bei der Überprüfung professioneller Verhaltensweisen in die Rolle von Spezialisten anderer Gebiete versetzen und darüber urteilen müssten, sodass sich kein eine abweichende Behandlung rechtfertigender Unterschied zwischen den Entscheidungen eines Geschäftsleiters und beispielsweise eines Arztes ergäbe.143 Unabhängig davon, wie man sich zu diesem Begründungsansatz eines safe harbor für unternehmerisches Handeln stellen mag, trägt das Argument keine Ausnahme von gerichtlicher Überprüfung für behauptete Verletzungen der duty of loyalty. (e) Das Problem des „hindsight bias“ Weiterhin stellt sich bei der gerichtlichen Überprüfung von Geschäftsführungshandeln, mithin der Einhaltung der duty of care, die notwendig eine nachträgliche ist, das Problem, unsachgemäße Entscheidungen von lediglich unglücklichen Verläufen 140

Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 18. Vertiefend dazu Bainbridge, Corporate Law and Economics, S. 252 f.: „[…] agency costs are the inevitable consequence of vesting discretion in someone other than the residual claimant. […] Given the significant virtues of discretion, however, one must not lightly interfere with management or the board’s decisionmaking authority in the name of accountability.“. 142 Dodge v. Ford Motor Co., 204 Mich. 459, 170 N.W. 668 (684) (Mich. 1919): „The judges are not business experts.“; Shlensky v. Wrigley, 95 Ill.App.2d. 173 (181), 237 N.E.2d 776 (Ill.App., 1968): „By these thoughts, we do not mean to say that we have decided that the decision of the directors was a correct one. That is beyond our jurisdiction and ability.“; Auerbach v. Bennett, 47 N.Y.2d 619 (639 f.), 419 N.Y.S.2d 920 (N.Y. 1979); Peeples, 60 Notre Dame Law Review (1985), 456, 461; Fischel, 76 Northwestern University Law Review (1982), 913, 939; ders., 35 Vanderbilt Law Review (1982), 1259, 1288. 143 Arkes/Schipani, 73 Oregon Law Review (1994), 587, 622, zur Rechtfertigung aber ebd. 623 ff.; Bainbridge, Corporate Law and Economics, S. 254; i.Erg. aber für eine Rechtfertigung der business judgment rule ebd. S. 255 ff. 141

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

zu unterscheiden.144 Mit dem Wissen ex post werden Richter eher dazu neigen, den directors zu unterstellen, dass die eingetretenen Entwicklungen bereits ex ante hätten erkannt werden können und müssen.145 Ferner zeichnen sich Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen gerade dadurch aus, dass es häufig mehr als zwei Möglichkeiten gibt und keine, überwiegend auch nicht ex post, als die allein „richtige“ qualifiziert werden kann.146 Hinzu kommt, dass es für Geschäftsführungsentscheidungen aufgrund der Einmaligkeit jeder Entscheidungssituation auch nur in sehr begrenztem Umfang festgelegte Standards147 geben kann, auf deren Einhaltung sich ein in Anspruch genommener director berufen könnte.148 Derartige Schwierigkeiten stellen sich bei behaupteten Verletzungen der duty of loyalty kaum. Zwar kann sich die Feststellung dessen, was etwa dem Standard der fairness im Rahmen eines Drittvergleichs von Geschäften zwischen directors und corporation genügt, durchaus kompliziert gestalten.149 Solche Geschäfte sind aber keineswegs 144 Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 963 : „[…] it is often difficult to sort out decisions that turn out badly from bad decisions.“; zur Überwachung durch das board selbst Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 935: „In such ex post monitoring, the key issue for the board is to distinguish bad decisions from bad outcomes.“; ähnl. in anderem Zshg. Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 264 f. 145 Problem des sog. hindsight bias. In re Citigroup Inc. Shareholder Derivative Litigation, 964 A.2d 106 (124) (Del.Ch., 2009); Joy v. North, 692 F.2d 880 (886) (2d Circ. 1982); Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 963: „Under an ordinary standard of care, factfinders might too often confuse the two concepts [i. e. bad decisions/decisions that turn out badly] and unfairly impose liability on directors […].“; Manning, 45 Ohio State Law Journal (1984), 615, 621; ähnl. Fischel/Bradley, 71 Cornell Law Review (1986), 261, 265; Corporate Director’s Guidebook, 33 Bus. Law. (1978), 1591, 1604; zur Definition Arkes/ Schipani, 73 Oregon Law Review (1994), 587: „Hindsight bias is the tendency for people with knowledge of an outcome to exaggerate the extent to which they believe that outcome could have been predicted.“. 146 Vertiefend zum Zusammenhang von Risikorealisierung und Fehlern bei Entscheidungen in komplexen Sachverhalten Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 961 f. 147 Wie bspw. die Regeln der ärztlichen Kunst, die sich ebenfalls auf komplexe Sachverhalte beziehen, in denen mehr als eine der möglichen Entscheidungen kunstgerecht sein kann. Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 28 f. 148 Auerbach v. Bennett, 47 N.Y.2d 619 (630), 419 N.Y.S.2d 920 (N.Y. 1979): „The authority and responsibilities vested in corporate directors both by statute and decisional law proceed on the assumption that inescapably there can be no available objective standard by which the correctness of every corporate decision may be measured, by the courts or otherwise.“; Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 964: „[…] because every business decision is unique, directors […] can seldom shield the quality of their decisions by pointing to protocols or accepted practices, and factfinders will seldom have an objective benchmark to guide them.“; plastisch Conference Panel Discussion (Manning), 45 Ohio State Law Journal (1984), 629, 648 f.: [649] „Our current law says, in substance, ,we do not know what directors are supposed to do – but by George, they are supposed to do it carefully!‘“; Arkes/ Schipani, 73 Oregon Law Review (1994), 587, 625. 149 Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 939 f.; Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 19; allg. zum Fehlen allgemeingültiger Standards der geschuldeten Treue Guth v.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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notwendiger Bestandteil der Aufgaben als director, mit anderen Worten kann eine Haftung durch schlichtes Unterlassen regelmäßig ohne Schaden für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens vermieden werden.150 (f) Fazit Im Ergebnis ist eine Grundlage für eine Vermutung redlichen Handelns, die im Anwendungsbereich der duty of care auf die genannten Gesichtspunkte gestützt werden kann, bei behaupteten Verstößen gegen die duty of loyalty nicht vorhanden, sodass weder wirtschaftliche noch juristische Erwägungen für eine Anwendung der business judgment rule sprechen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Verstöße gegen die duty of loyalty werden neben den unmittelbaren Verlusten der corporation aufgrund der pflichtwidrigen Handlungen zumindest in Fällen von einigermaßen erheblichem Umfang einen Vertrauensverlust am Markt und damit verbunden eine Abwertung der Anteile151 sowie die üblichen Folgen eines medial begleiteten Publikwerdens zumindest untreueähnlichen Verhaltens in Unternehmen wie Umsatzeinbrüche und Reputationsverluste nach sich ziehen. Erfahrungsgemäß erzeugen gerade Sachverhalte, in denen die Aneignung von Ressourcen einer Gesellschaft durch das Management in Frage steht, einen weitaus größeren medialen Nachhall als dies etwa bei unternehmerischen Fehlentscheidungen der Fall ist. Das Schädigungspotenzial von Verletzungen der duty of loyalty ist mithin besonders groß, während ihm, anders als bei der duty of care, wo sich das Eingehen eines wirtschaftlichen Risikos auch auszahlen kann und in der überwiegenden Zahl der Fälle sollte, keine ausgleichende Wahrscheinlichkeit eines Gewinns der corporation gegenübersteht. Unabhängig davon, ob die vollständige Abschaffung des derivative suit für behauptete Verletzungen der duty of care als wirtschaftlich sinnvoll zu beurteilen ist,152 erweist sich damit jedenfalls die Differenzierung zwischen den duties of care und of loyalty mit ihrer unterschiedlichen Behandlung im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund ihrer Verletzung als gerechtfertigt.

Loft, 23 Del.Ch. 255, 5 A.2d 503 (510) (Del. Supr., 1939); Arsht, 8 Hofstra Law Review (1979), 93, 127. 150 Krit. dazu Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 25. 151 Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 938; Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 18; zu den Auswirkungen der Qualität der Unternehmensführung auf die Anteilsbewertung allgemein Fama, Journal of Political Economy 88 (1980), 288, 292. 152 Dafür Scott, 35 Stanford Law Review (1983), 927, 937; zust. Weiss, 70 Cornell Law Review (1984), 1, 16 f.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

5. Abgrenzung der Sorgfalts- und Treupflicht im deutschen Recht Trotz der etablierten Unterscheidung von Sorgfalts- und Treupflicht der Vorstandsmitglieder bzw. von Geschäftsleitern allgemein im deutschen Recht wird die Frage nach der Abgrenzung der Pflichteninhalte, ähnlich wie im Schrifttum zum USamerikanischen Recht, selten ausdrücklich aufgeworfen und insoweit überwiegend nahezu ausschließlich auf das US-amerikanische Schrifttum verwiesen.153 Die zum US-amerikanischen Recht entwickelten Abgrenzungskriterien gründen auf Erwägungen, die nicht spezifisch für das US-amerikanische, sondern gleichermaßen für das deutsche Recht der Vorstandshaftung gelten. Daher erscheint es sinnvoll, mit Arnold diesbezüglich Rückgriff auf die dort entwickelten Ansätze zu nehmen und ein Betroffensein der Treupflicht dann anzunehmen, wenn ein unmittelbares finanzielles Eigeninteresse von Vorstandsmitgliedern bei einzelnen Transaktionen gegeben ist.154 Diese Definition, die sich auf monetäre Interessen beschränkt, wird von Winnen unter Verweis auf Fälle, in denen die Steigerung des gesellschaftlichen Status eines Vorstandsmitglieds im Vordergrund stehe, wie dies beispielsweise bei Spenden oder Sponsoring durch die Gesellschaft der Fall sei, als zu eng kritisiert. Solche Vorgänge können sich in der Tat als Verletzungen der Treupflicht darstellen, wenn etwa ein Vorstandsmitglied auf Kosten der Gesellschaft eine eigene Kunstleidenschaft finanziert, ohne dass dem ein entsprechender Vorteil für die Gesellschaft entspringen würde. Es wird aber vielfach das geforderte unmittelbare finanzielle Interesse des Vorstandsmitglieds darin liegen, dass entsprechende Aufwendungen für eine eigene Kunstsammlung, private Spenden oder dergleichen, die ansonsten zur Steigerung des gesellschaftlichen Ansehens des Vorstandsmitglieds aufzuwenden gewesen wären, erspart wurden. Im Übrigen soll der Problemkreis wohltätiger Zuwendungen durch die Gesellschaft an dieser Stelle nicht vertieft werden.155 Hingewiesen sei lediglich darauf, dass eine Verortung ausschließlich im Bereich der Treupflicht nicht durchweg gerechtfertigt erscheint, kommt doch auch die Fallgestaltung in Betracht, dass Vorstandsmitglieder, ohne jedes finanzielle oder sonstige Eigeninteresse an der Sache den wirtschaftlichen Nutzen der Gesellschaft aus gemeinnützigem Engagement lediglich fahrlässig falsch einschätzen. Es ist nicht einsichtig, diesen insoweit den Schutz des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu verweigern. Im Grundsatz unterscheidet 153 In dem US-amerikanischem Schrifttum vergleichbarer Tiefe soweit ersichtlich nur Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 168 f.; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 63; vgl. Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 227; Hopt, FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 922; ders., ZGR 1993, 534, 542; Ihrig, WM 2004, 2098, 2100; Fleischer, in: HdbVorstR, 2006, § 11 Rn. 35; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 64; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 146. Ausführlich auf Grundlage des US-amerikanischen zum deutschen Recht, allerdings die Frage der Abgrenzung zur Sorgfaltspflicht weitgehend auslassend Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der AG, S. 12, 16 ff. Lediglich auf die Unterscheidung hingewiesen wird bei Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 828. 154 Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 169. 155 Siehe dazu Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 188, 244.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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sich diese Entscheidung nämlich nicht von solchen, die etwa bei der Einführung eines neuen Produkts in den Markt zu treffen sind. Das Fehlen einer eindeutigen Trennlinie zwischen Sorgfalts- und Treupflicht, auch im US-amerikanischen Recht, wurde bereits festgestellt und vermag auch hier nicht behoben zu werden. Daher ist die Definition Arnolds um ein „jedenfalls“ zu ergänzen und im Übrigen danach abzugrenzen, ob eine unternehmerische Fehleinschätzung oder eigennützige Zwecke für die Schadensentstehung vorrangig ursächlich waren.156

III. Die Legalitätspflicht des Vorstands in der Aktiengesellschaft Die Legalitätspflicht157 der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft als Ausprägung der Sorgfaltspflicht ist nahezu einhellig anerkannt.158 Der Begriff wird 156

Ganz ähnl. Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 63. Den Begriff verwenden u. a. Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429 ff.; Lohse, FS Hüffer, 2010, S. 581, 597; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 73; ders., FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 403, 412; Langenbucher, ZBB 2013, 16; Armbrüster, KSzW 2013, 10; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 6; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 54; U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 14; ders., in: HdbVorStR, 2006, § 7 Rn. 4; Wilsing, in: Krieger/ U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 21. 158 BGHZ 124, 111, 127; 133, 370, 375; 176, 204 Rn. 38; 194, 26 Rn. 22; BGHSt 55, 266 Rn. 29; BGH NJW 2011, 88 Rn. 37; Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 434 f.; Lohse, FS Hüffer, 2010, S. 581, 597; U. H. Schneider, FS Hüffer, 2010, S. 905, 909; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 97; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 222 f.; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 73 ff.; ders., FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 403, 412; Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 92; Bayer, FS K. Schmidt, 2007, S. 85, 88; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 41; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2248; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 21; Armbrüster, KSzW 2013, 10, 11; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403; Wiedemann, ZGR 2011, 183, 198 f.; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173; Raiser/Veil, § 14 Rn. 81; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 132; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 54 ff; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; Fleischer, ZIP 2005, 141, 142 ff.; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 14 ff.; ders., in: HdbVorStR, 2006, § 7 Rn. 4 ff.; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 21 f.; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 6; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 97; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; vgl. auch Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; Ziff. 4.1.3 DCGK; teilweise a.A. Ihrig, WM 2004, 2098, 2105, der im Einzelfall „nützliche Gesetzesverletzungen“ für zu rechtfertigen hält; ähnl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 24 f.; ders., AG 2014, 554, 558 f.; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132, der lediglich für vorsätzliche Verstöße gegen geltendes Recht ein unternehmerisches Ermessen des Vorstands ausschließt. 157

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

nicht ganz einheitlich gebraucht. Er dient in einem weiteren Sinne der Bezeichnung der Pflichtenbindung des Vorstands oder seiner Mitglieder innerhalb der Gesellschaft zur Einhaltung der ihn bzw. sie betreffenden Vorschriften der Geschäftsordnung des Vorstands, der Satzung und des Aktiengesetzes, die unmittelbar die Vorstandstätigkeit betreffen. In einem engeren Sinne beschreibt er die Pflicht des Vorstands, für die Einhaltung sie betreffender Rechtsvorschriften durch die Gesellschaft Sorge zu tragen.159 Die zuerst genannten Dimensionen sind, wie zutreffend bemerkt wird, selbstverständlich.160 Soweit Adressaten einer Rechtsnorm unmittelbar der Vorstand oder dessen Mitglieder selbst sind, haben diese, wie jede andere von rechtlichen Regeln betroffene Person auch, für deren Einhaltung zu sorgen.161 Dasselbe gilt für die Gesellschaft, die als juristische Person selbst Rechtssubjekt ist. Beides ergibt sich aus der Bindungswirkung von Rechtsnormen gegenüber ihren Adressaten, die hier weder theoretisch vertieft noch in Frage gestellt werden soll. Bei der Frage nach dem Umfang der Legalitätspflicht „im eigentlichen Sinne“162 als der Pflicht der Organmitglieder, für rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft zu sorgen, geht es mithin niemals darum, die Bindung der Gesellschaft an Gesetz und Recht im Außenverhältnis zu relativieren, sondern lediglich darum, unter welchen Voraussetzungen eine Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands, die zu einem Rechtsverstoß der Ge159

Lohse, FS Hüffer, 2010, S. 581, 597; Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 92; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 73 f.; ders., FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 403, 412; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 54; U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 14; ders., in: HdbVorStR, 2006, § 7 Rn. 4; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 6; zwischen den genannten Pflichteninhalten ohne Oberbegriff differenzierend Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; enger Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 431 f., der als „Legalitätspflicht im eigentlichen Sinne“ die Pflicht, für rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft zu sorgen, verstehen will und die weiteren Dimensionen der Legalitätspflicht als selbstverständlich einordnet; lediglich auf die Pflicht zur Einhaltung für das Unternehmen der AG geltender Rechtsnormen unter dem Begriff der „Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung“ bezogen Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 6; im konzernrechtlichen Zshg. enger, lediglich die Pflicht des Geschäftsleiters, sich selbst rechtmäßig zu verhalten, nicht aber die Pflicht, für solches Verhalten auf untergeordneten Ebenen zu sorgen („Legalitätskontrollpflicht“), bezeichnend Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403. 160 Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 431; Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 412 („Binsenweisheit“); Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 41 („ebenso banal wie richtig“). 161 Keine Relativierung der Legalitätspflicht liegt daher in der Aussage des BGH in der Begründung seiner Urteils vom 08. 07. 2014, II ZR 174/13, ZIP 2014, 1728 Rn. 11, wo die Aussage, eine Zustimmung der Hauptversammlung zur Bezahlung einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage sei dann erforderlich, „[w]enn die von dem Vorstandsmitglied begangene Straftat gleichzeitig eine Pflichtverletzung gegenüber der AG ist“, indiziert, dass nicht jede Straftat des Vorstandsmitglieds gegenüber der AG pflichtwidrig ist. Die Normen des StGB verpflichten nicht die Gesellschaft, sondern unmittelbar die Vorstandsmitglieder persönlich. Sie betreffen mithin nicht die Legalitätspflicht als die Pflicht des Vorstands, die Einhaltung diese betreffender Rechtsnormen durch die Gesellschaft sicherzustellen. Fehlgehend insoweit Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873, 875. 162 Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 432.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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sellschaft geführt hat, im Innenverhältnis zu den Vorstandsmitgliedern eine Verletzung der Sorgfaltspflicht aus § 93 Abs. 1 AktG begründet. 1. Begründung der Legalitätspflicht Während sich die Pflicht des Vorstands und seiner Mitglieder sowie der Gesellschaft selbst, sie betreffende Rechtsvorschriften zu beachten aus der Bindungswirkung der Rechtsnormen als selbstverständlich ergibt, ist die rechtliche Grundlage der Pflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft, für die Einhaltung der diese betreffenden rechtlichen Anforderungen zu sorgen, weniger eindeutig.163 Im Schrifttum werden zur Begründung dieser Pflichtendimension unterschiedliche Auffassungen vertreten. a) Schadenspotenzial von Rechtsverstößen Eine Auffassung stellt die Legalitätspflicht in den Zusammenhang des Schutzes des Gesellschaftsvermögens und geht dementsprechend davon aus, dass der Gesellschaft als Folge rechtswidrigen Verhaltens Vermögensnachteile einerseits in Form unmittelbarer Folgen wie Schadensersatzforderungen, Geldbußen und vergleichbarer Zahlungsverpflichtungen mit Sanktionscharakter sowie mittelbar in Form negativer Öffentlichkeitswirkung erwachsen könnten.164 Dieser Auffassung wird zu Recht entgegengehalten, dass sie unzulässig vom Schadenspotenzial einer Handlung auf die Pflicht zu ihrer Verhinderung rückschließt.165 Weiterhin ist mit dieser Argumentation die für das deutsche Aktienrecht grundsätzlich anerkannte Pflichtwidrigkeit auch sogenannter „nützlicher Pflichtverletzungen“ (auch: „efficient breach of law“), solcher Rechtsverstöße also, die sich im Ergebnis als gewinnbringend für die Gesellschaft auswirken, nicht befriedigend zu erklären.166 b) Haftungsentlastung nur durch gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschluss Die Bindung des Vorstands an die Gesellschaft im Außenverhältnis treffende Rechtspflichten soll sich auf § 93 Abs. 4 S. 1 AktG stützen lassen, wonach eine Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft trotz „an sich“ pflichtwidrigen Verhaltens im Sinne des Absatzes 1 nicht eintritt, wenn die schadensstiftende Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptver163

Diesbzgl. krit. Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873, 875. Raiser/Veil, § 14 Rn. 81. 165 Fleischer, in: HdbVorstR, 2006, § 7 Rn. 14; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 24; Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 433. 166 Fleischer, ZIP 2005, 141, 144; ders., in: HdbVorstR, 2006, § 7 Rn. 14; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 24; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 517; Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 433 f. 164

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

sammlung beruhte.167 Es bestehen begründete Zweifel, der Vorschrift des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG diesen Bedeutungsgehalt beizumessen. Zutreffend tritt eine Haftungsentlastung der Vorstandsmitglieder nur ein, wenn der zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss weder nichtig noch anfechtbar ist. Abgesehen davon, dass es sich bei dem Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund des Hauptversammlungsbeschlusses nicht um einen Verstoß gegen die Gesellschaft im Außenverhältnis betreffendes Recht handeln muss, sondern etwa lediglich eine Kompetenzüberschreitung der Hauptversammlung, eine fehlerhafte Einberufung oder Vergleichbares zugrunde liegen kann, das mit der Rechtsbindung der Gesellschaft und ihr folgend der Vorstandsmitglieder nichts zu tun hat, braucht nach zutreffender Ansicht der Beschluss nicht von vornherein unanfechtbar zu sein. Ein durch Zeitablauf nach § 246 Abs. 1 AktG unanfechtbar gewordener Beschluss ist, außer im Falle eines pflichtwidrigen Unterlassens der Beschlussanfechtung durch den Vorstand,168 gesetzmäßig im Sinne des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG.169 Dasselbe gilt nach zwar umstrittener, aber richtiger Ansicht für den Eintritt der Heilung in den Fällen des § 242 AktG.170 Andernfalls käme, ausgehend von einem Gleichlauf der Ausführungspflicht aus § 83 Abs. 2 AktG und der Gesetzmäßigkeit im Sinne des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG,

167

Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 74; ders., FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 403, 412; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 17; Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 92; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 514; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 100; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 43 f. 168 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 237; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 273; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 33; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 486 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 156; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl.2010, § 93 Rn. 48; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 300 f. 169 Str. wie hier Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 237; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 486 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 156; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 33; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 73; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 301; Krieger/SailerCoceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 48; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 26 Rn. 15; a.A. Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 269; Geßler, JW 1937, 497, 501; Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 84 Anm. 15; differenzierend, aber für die Frage der Schadensersatzpflicht ohne Ergebnisrelevanz Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder, S. 81 f.: ein gesetzmäßiger Beschluss i.S.v. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG soll auch bei zunächst gegebener Anfechtbarkeit dann vorliegen können, wenn auf dem Beschluss beruhende Schädigungen der Gesellschaft „nicht zu erwarten waren“. 170 Str. wie hier BGHZ 33, 175, 176 ff.; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 73; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 238; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 33; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 300; Hüffer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2011, § 242 Rn. 22; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 48; Casper, in: Spindler/Stilz, 2.Aufl. 2010, § 242, Rn. 17; Wiesner/Kraft, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 26 Rn. 15; a.A. Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 155.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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der Unanfechtbarkeit anfechtbarer und der Heilung nichtiger Hauptversammlungsbeschlüsse in diesem Zusammenhang keine praktische Bedeutung zu.171 Das Erfordernis der Gesetzmäßigkeit eines haftungsentlastenden Hauptversammlungsbeschlusses ist weniger im Zusammenhang der Legalitätspflicht als vor dem Hintergrund des Verzichts- und Vergleichsverbots des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, dessen Telos in weitem Umfang haftungsbefreiende Vereinbarungen und Maßnahmen zwischen der Gesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern ausschließt, und der Bindungswirkung des § 83 AktG, insbesondere dessen Absatz 2, zu betrachten, wonach der Vorstand verpflichtet ist, von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossene Maßnahmen auszuführen. Ein diesen Anforderungen nicht entsprechender, mithin gesetzwidriger Hauptversammlungsbeschluss würde den Vorstand nicht binden, sodass es bei dessen Eigenverantwortlichkeit und strenger Haftung bliebe. Dagegen hätte die Gesellschaft, stellte sich die beschlossene Maßnahme im Ergebnis als rechtswidrig und nachteilig heraus, ohne die Existenz des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG wegen des umfassenden Verzichts- und Vergleichsverbots keine Möglichkeit, die beteiligten Vorstandsmitglieder innerhalb der dreijährigen Sperrfrist von ihrer Haftung zu befreien.172 Eine darüber hinausgehende Bedeutung des Erfordernisses eines gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschlusses lässt sich weder dem Gesetz entnehmen noch, wie gezeigt, überzeugend begründen. Aus § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ergibt sich mithin kein Hinweis auf eine Verpflichtung des Vorstands, für die Einhaltung von Rechtsnormen, die die Gesellschaft im Außenverhältnis betreffen, Sorge zu tragen.173 c) § 396 AktG Ferner soll sich die Legalitätspflicht der Organe der Gesellschaft aus § 396 AktG ergeben, wonach eine Aktiengesellschaft oder KGaA, die durch gesetzwidriges Verhalten ihrer Verwaltungsträger das Gemeinwohl gefährdet, ohne dass Hauptversammlung oder Aufsichtsrat für deren Abberufung sorgen, durch Urteil aufgelöst werden kann.174 Der Vorschrift lässt sich jedenfalls entnehmen, dass das Aktiengesetz von einer Verpflichtung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung ausgeht, gemeinwohlgefährdende Gesetzesverstöße des Vorstands durch Abberufung zu unterbinden. Eine solche Abberufung setzt nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG einen wichtigen Grund voraus, der nach Satz 2 namentlich in einer groben Pflichtverletzung liegen kann. Somit geht § 396 AktG von einer Pflicht des Verwaltungsträgers 171

Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 237 f. Dazu ausführlich im 3. Teil B. 173 Zum selben Ergebnis gelangt Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 434. 174 Fleischer, ZIP 2005, 141, 148 f.; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 514 f.; Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 90; Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 914; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 99 f; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 44. 172

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

einer Aktiengesellschaft oder KGaA aus, keine gemeinwohlgefährdenden Gesetzesverstöße zu begehen.175 Eine umfassende Legalitätspflicht, die auch Verstöße unterhalb einer Gemeinwohlgefährdung erfasst, ergibt sich aus § 396 AktG nicht unmittelbar.176 Es erscheint aber keineswegs abwegig, aus den dargestellten Norminhalten darauf zu schließen, dass auch unterhalb solch schwerer Verstöße eine Pflicht des Vorstands, für rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft zu sorgen, und eine solche des Aufsichtsrats, gegen Verstöße hiergegen vorzugehen, bestehen soll. d) § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf „unternehmerische Entscheidungen“, wodurch ein „sicherer Hafen“ für „illegales Verhalten“ ausweislich der Gesetzesbegründung ausgeschlossen sein soll,177 könnte ebenfalls als gesetzliche Verankerung der Legalitätspflicht verstanden werden. Die Aussage der Gesetzesbegründung, es könne bei rechtswidrigem Verhalten aber im Einzelfall am Verschulden fehlen, ist, unterstellt, „illegales Verhalten“ soll auch solches der Gesellschaft bezeichnen, so zu verstehen, dass der Gesetzgeber von Pflichtwidrigkeit des entsprechenden Vorstandshandelns ausgeht.178 Eine Begründung ist dem aber nicht zu entnehmen. 2. Anwendbarkeit der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Ausgehend von der Gesetzesbegründung des UMAG179 zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG findet die dort normierte Business Judgment Rule auf die Legalitätspflicht keine Anwendung. Die Gesetzesbegründung unterscheidet zwischen fehlgeschlagenen unternehmerischen Entscheidungen, für die „im Rahmen des unternehmerischen Entscheidungsspielraums nicht gehaftet wird“ und der Verletzung „sonstiger Pflichten“, worunter neben Treu- und Informationspflichten „sonstige allgemeine Gesetzes- und Satzungsverstöße“ zu verstehen sein sollen. Der Gesetzgeber geht von einem Gegensatz zwischen unternehmerischen und „rechtlich gebundenen“ Entscheidungen, worunter sämtliche der zuletzt genannten Pflichten fallen sollen, aus. Für illegales Verhalten, fehlerhafte rechtlich gebundene Entscheidungen also, 175 Ebenso Thole, ZHR 173 (2009), 504, 514 f.; Bicker, AG 2014, 8, 9; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 21. 176 Schärfer Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 434: „zur Begründung einer umfassenden Legalitätspflicht nicht geeignet“; Bicker, AG 2014, 8, 9. 177 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 178 Ähnl. Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 6; krit. Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873, 875. 179 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts v. 22. 09. 2005, BGBl. I 2005, S. 2802.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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komme der „sichere Hafen“ der Business Judgment Rule nicht in Betracht, lediglich könne es im Einzelfall am Verschulden fehlen.180 Soweit ersichtlich wird nicht in Zweifel gezogen, dass unter „allgemeinen Gesetzes- und Satzungsverstößen“ neben Verstößen gegen unmittelbar die Vorstandsmitglieder betreffende Verhaltensanforderungen auch, vermittelt durch die Sorgfaltspflicht des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, rechtswidriges Handeln der Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand oder dessen Nichtverhinderung durch den Aufsichtsrat,181 fallen soll. Mithin unterfallen nach allgemeiner Meinung Verstöße gegen die Legalitätspflicht grundsätzlich nicht der Business Judgment Rule des Aktiengesetzes.182 3. Grenzen der Legalitätspflicht Die Frage nach dem Umfang der Legalitätspflicht ist für die Vorstandshaftung insofern von erheblicher, eine vertiefte Befassung rechtfertigender Bedeutung, als insbesondere im Kartellrecht, wo der Unternehmensumsatz die Grundlage der Bußgeldbemessung bildet, Ordnungswidrigkeiten der Gesellschaft Geldbußen in ganz empfindlicher Höhe zur Folge haben können, für die eine Einstandspflicht der Vorstandsmitglieder im Wege des Schadensersatzes in Betracht kommt.183 Solche Schäden sind indes in zahlreichen D&O-Versicherungspolicen vom Versicherungsschutz ausgenommen.184 Ferner findet die Business Judgment Rule auf Verletzungen der Legalitätspflicht ebenso wenig Anwendung wie dies für die de lege ferenda vorgeschlagenen satzungsmäßigen Haftungsgestaltungen der Fall sein soll.185 Weiterhin verlöre die Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze der Vor-

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Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Nach BGHZ 124, 111 kann sich das Ermessen des Aufsichtsrats, einen Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG anzuordnen, zu einer Pflicht verdichten, wenn eine gesetzwidrige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands nur so verhindert werden kann. 182 Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 28 f.; ders., FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 437; Bicker, AG 2014, 8, 9; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2252; Bürkle, VersR 2013, 792, 795; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 19; Holle, AG 2011, 778, 785; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 75; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 74; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 16; Dauner-Lieb, in: Henssler/ Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 20; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 67; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 12; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 11; zum UMAG-Referentenentwurf Paefgen, AG 2004, 245, 251 f.; vgl. auch Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; a.A. für den Fall einer unklaren Rechtslage Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873, 876. 183 Dazu ausführlich im 3. Teil E. II. 184 Siehe 3. Teil C. III. 2. 185 Siehe soeben unter 2. Teil C. III. 2. sowie unten im 4. Teil D. II. 2. a) u. 4. Teil E. I. 5. a) bb). 181

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

teilsausgleichung im Rahmen der Vorstandsinnenhaftung bei Anerkennung sogenannter nützlicher Rechtsverstöße erheblich an Bedeutung.186 Im Schrifttum werden unter verschiedenen Vorzeichen Ausnahmen von dem Grundsatz, nach dem eine Rechtsverletzung der Gesellschaft im Außenverhältnis zugleich eine Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder im Innenverhältnis begründet, diskutiert. a) Differenzierung nach der Art der verletzten Rechtsnorm Die strikte Pflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft, auf die Einhaltung diese betreffender Rechtsnormen hinzuwirken sowie sie selbst in Bezug auf ihre Tätigkeit betreffende Vorschriften einzuhalten, soll nach Auffassung einiger Literaturvertreter in bestimmten Fällen keine Geltung beanspruchen, sondern der Vorstand zu einer am Interesse der Gesellschaft ausgerichteten, gegebenenfalls auch rechtswidrigen Entscheidung für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen befugt sein.187 M. Roth will lediglich bei vorsätzlichen Gesetzesverletzungen, insbesondere wenn diese strafbewehrt oder von Strafrechtsnormen vergleichbarer Bedeutung für das Gemeinwesen sind, eine strenge Pflichtenbindung der Vorstandsmitglieder ohne Entscheidungsspielraum im Innenverhältnis anerkennen.188 In ähnlicher Weise will Paefgen zunächst prüfen, ob Pflichtenbindungen der Gesellschaft auch im Innenverhältnis zu den Vorstandsmitgliedern strikte Verhaltensgebote begründen. Anzuerkennen sei eine Legalitätspflicht der Vorstandsmitglieder demnach für das Strafrecht sowie die Unterlassungsgebote des privaten Deliktsrechts. Darüber hinaus müsse geprüft werden, ob der Gesellschaft „in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ein Handlungsspielraum in Bezug auf das fragliche Rechtsverhältnis“ zukomme.189 Teilweise wird auch die Erfüllung von Vorschriften mit ausschließlichem Ordnungscharakter190 und öffentlich-rechtlicher Zahlungsverbindlichkeiten von der strikten Pflichtenbindung der Vorstandsmitglieder ausgenommen.191 In ähnlicher Weise nimmt Habersack an, dass „immer dann, wenn die moralische Last des Gesetzesverstoßes typischerweise, nämlich aufgrund des Bagatellcharakters des Gesetzesverstoßes oder eines diffusen Schutzzwecks der Norm nicht schwer wiegt und darüber hinaus auch die wirtschaftlichen Folgen einer Gesetzesverletzung – ge186

Dazu eingehend im 3. Teil D.; vgl. insb. das Bsp. unter 3. Teil D. IV. So Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 25; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 131 f. 188 M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132. 189 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 25; ders., AG 2014, 554, 559. 190 U. H. Schneider, FS Hüffer, 2010, S. 905, 909; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 43 Rn. 23b. 191 U. H. Schneider, FS Hüffer, 2010, S. 905, 909; Scholz/U. H. Schneider GmbHG, § 43 Rn. 79a; U. H. Schneider/Brouwer, ZIP 2007, 1033, 1038; zust. Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 439. 187

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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messen an dem verfolgten unternehmerischen Interesse – ganz deutlich zurücktreten, der Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens entfallen kann.“192 Überwiegend werden derartige Einschränkungen mit dem Hinweis auf die Nichtexistenz von „Rechtsnormen zweiter Klasse“ zu Recht abgelehnt.193 Abgesehen davon, dass sich im Einzelfall Einordnungsschwierigkeiten hinsichtlich einer verletzten Rechtsnorm ergeben können194 und die Bestimmung, wann eine Vorschrift allein Ordnungscharakter hat oder ein Rechtsverhältnis der Gesellschaft rechtlichen und insbesondere „tatsächlichen“ Spielraum lässt, was zudem in bedenkliche Argumentationsmuster wie Aufdeckungsrisiken und dergleichen führen kann, kann ein unterschiedlicher Geltungsanspruch verschiedener Rechtsnormen diesen nicht entnommen werden.195 Trotz absoluter Geltung unterscheiden sich die Gesellschaft beziehungsweise ihre Vorstandsmitglieder bindende Rechtsnormen in Bezug auf das öffentliche Interesse an ihrer Einhaltung, wie sich auch aus der unterschiedlichen Sanktionierung von Verstößen ergibt.196 Zum einen betreffen aber die Rechtsfolgen eines Verstoßes im Außenverhältnis nicht die Geltung der Norm, deren Verletzung geahndet werden soll. Zum anderen ist die Frage der Pflichtwidrigkeit eines Rechtsverstoßes der Gesellschaft im Verhältnis zu ihren Vorstandsmitgliedern im Innenverhältnis angesiedelt, das von dem durch straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Folgen allein betroffenen Außenverhältnis strikt zu trennen ist.197 192 Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 439; für Falschparken ähnl., i.Erg. aber ablehnend Fleischer, ZIP 2005, 141, 149; eine Abwägung anhand vergleichbarer Kriterien schlägt Kocher, CCZ 2009, 215, 218 vor, ohne daraus scharfe Abgrenzungskriterien entwickeln zu wollen; ähnl. auch Werner, CCZ 2009, 143, 144: keine Pflichtwidrigkeit bei „bloßen Formalverstößen“; Bachmann, in: GesR in der Diskussion 2007, S. 65, 76 für „harmlose“ Normverstöße; Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873, 877 am Bsp. des Falschparkens. 193 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 74; Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 92; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 520 f.; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 101; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173; Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1294; ders., KSzW 2013, 10, 11; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2248 f.; Bicker, AG 2014, 8, 11; Fleischer, ZIP 2005, 141, 149 aus „pragmatischen“ Gründen aber eine Lockerung erwägend für Verstöße gegen Vorschriften, die „unter einem anderen Deckmantel hauptsächlich zur Erhöhung des Steueraufkommens beitragen sollen“, dies i.Erg. aber ablehnend; ähnl. Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 26; gegen eine Differenzierung, aber insgesamt an der Legalitätspflicht zweifelnd Ihrig, WM 2004, 2098, 2105. 194 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 74; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 101; Bicker, AG 2014, 8, 11; Abgrenzungsprobleme räumt auch Kocher, CCZ 2009, 215, 218 ein. 195 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 520 f.; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 101; Wilsing, in: Krieger/ U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 26; vgl. ferner Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 396 Rn. 3. 196 Darauf weisen auch Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 101; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 520 f. hin. 197 Dazu unten im 3. Teil E. II. 2. c) aa). Aus diesem Grund bedarf die Legalitätspflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft überhaupt erst der Begründung.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

Eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Kategorien von Rechtsnormen ist aus den genannten Gründen abzulehnen, den zugrunde liegenden Erwägungen der anderen Ansicht kann auf der Rechtsfolgenseite hinreichend Rechnung getragen werden.198 b) „Nützliche“ Rechtsverstöße („nützliche“ Pflichtverletzungen; „efficient breach of law“) Die Einräumung eines Vorrangs des Gesellschaftsinteresses vor dem Geltungsanspruch der Rechtsordnung hinsichtlich der Pflichtenbindung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft, ist Inhalt der Anerkennung sog. „nützlicher“ Rechtsverstöße, auch missverständlich als „nützliche Pflichtverletzungen“199 oder mit dem US-amerikanischen Schlagwort des „efficient breach of law“200 bezeichnet. Im deutschen Aktienrecht wird die Anerkennung eines „an sich“ gegen die Legalitätspflicht verstoßenden Vorstandshandelns als pflichtgemäß, sofern die Rechtsverletzung, etwa die Bildung eines Kartells oder die Zahlung von Schmiergeldern, sich als gewinnbringend für die Gesellschaft erweist, nahezu einhellig abgelehnt.201 Verwiesen wird zur Begründung zum einen auf § 396 Abs. 1 AktG, wonach die Gesellschaft bei fortgesetztem, gemeinwohlgefährdendem gesetzwidrigem Verhal198

Dazu sogleich unter 2. Teil C. III. 3. b) sowie im 3. Teil D. Im Ergebnis läge demnach gerade keine Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder vor. Gemeint ist die Verletzung einer Pflicht (Einhaltung der Rechtsordnung) der Gesellschaft im Außenverhältnis, Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 50. 200 Zur (überwiegend ablehnenden) Diskussion im US-amerikanischen Recht Fleischer, ZIP 2005, 141, 146 ff.; ders., BB 2008, 1070, 1071; befürwortend etwa Fischel, 35 Vanderbilt Law Review (1982), 1259, 1271 unter rechtsökonomischen Gesichtspunkten; ablehnend Williams, 76 North Carolina Law Review (1998), 1265 passim. u. 1385: „As such, law implies obligation, even when the ,price‘ of violations is affordable“; differenzierend nach dem Zweck der verletzten Norm Miller v. AT&T, 507 F.2d 759 (762) (3rd Circ. 1974): „When New York Law regarding such acts [i. e. illegal ones, d. Verf.] by directors is considered in conjunction with the underlying purposes of the particular statute involved here, we are convinced that the business judgment rule cannot insulate the defendant directors from liability if they did in fact breach […] as plaintiffs have charged.“. 201 BGH NJW 2011, 88 Rn. 37; BGHSt 55, 266 Rn. 29; Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 425; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 92; ; Lohse, FS Hüffer, 2010, S. 581, 597; U. H. Schneider, FS Hüffer, 2010, S. 905, 909; Thole, ZHR 173 (2009) 504, 513; Bayer, FS K. Schmidt, 2007, S. 85, 90 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 405; Wiedemann, ZGR 2011, 183, 198 f.; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 42 ff.; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2248 f.; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 102; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 134; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 224; Raiser/Veil, § 14 Rn. 81; Fleischer, ZIP 2005, 141, 148; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 36; ders., in: HdbVorStR, 2006, § 7 Rn. 22; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 75; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 6; Glöckner/ Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344; vgl. auch Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/ 5092, S. 11; Ziff. 4.1.3 DCGK; mit den dort dargestellten Einschränkungen auch die Vertreter einer Relativierung der Legalitätspflicht (Fn. 187-192). 199

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ten ihrer Verwaltungsträger aufgelöst werden kann.202 Unabhängig von der Problematik der Herleitbarkeit einer umfassenden Legalitätspflicht aus dieser Norm203 zeigt sie, dass der Gesetzgeber der Nützlichkeit eines Rechtsbruchs für die Gesellschaft keine Bedeutung beimisst. Dasselbe gilt für § 93 Abs. 4 S. 1 AktG, der den Nichteintritt der Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder zwar nicht nur durch anfänglich gesetzmäßige Hauptversammlungsbeschlüsse entfallen lässt, den Nutzen für die Gesellschaft aber ebenfalls außen vor lässt.204 Die Zulassung „nützlicher“ Rechtsverstöße der Vorstandsmitglieder ist daneben sowohl unter dem Ausgleichsals auch dem Präventionsgesichtspunkt205 der Haftung aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG problematisch. Unter Heranziehung der Sichtweise ex ante für die Frage einer Pflichtverletzung müsste der Gesellschaft zum Ausschluss der Pflichtwidrigkeit des Vorstandshandelns im Ergebnis kein Vorteil aus dem illegalen Verhalten entstanden sein, ein solcher müsste lediglich zu erwarten gewesen sein.206 Verneinte man an dieser Stelle bereits die Pflichtverletzung, wäre die Gesellschaft mit den Folgen des Rechtsverstoßes in Gestalt von Geldbußen und vergleichbaren Maßnahmen belastet, ohne dafür von ihren Vorstandsmitgliedern Ersatz verlangen zu können und hätte darüber hinaus – dies trifft allerdings für „echte“ unternehmerische Fehlschläge bei legalen Geschäften ebenso zu – die Verluste aus fehlgeschlagenen illegalen Geschäften allein zu tragen. Der Begriff der „nützlichen“ Rechtsverstöße bezeichnet mithin keinesfalls notwendig das wirtschaftliche Ergebnis, die Risiken für die Gesellschaft sind im Gegenteil beträchtlich. Es sprechen demnach auch keine möglicherweise schutzwürdigen Interessen der Gesellschaft, auch im illegalen Bereich ein „unternehmerisches Ermessen“ besonders erfolgreicher Vorstandsmitglieder zu gewährleisten, für die Anerkennung „nützlicher“ Rechtsverstöße. Sind der Gesellschaft aus illegalem Verhalten ihrer Vorstandsmitglieder auch Vorteile zugeflossen, kann dem im Rahmen der Bemessung des ersatzfähigen Schadens Rechnung getragen werden.207 „Nützlichen“ Rechtsverstößen ist aus den bereits zur Relativierung der Legalitätspflicht vorgetragenen Gründen des absoluten Geltungsanspruchs der Rechtsordnung208 sowie den hier angestellten Erwägungen mit der ganz herrschenden Meinung die Anerkennung zu versagen.

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Thole, ZHR 173 (2009), 504, 514; Fleischer, ZIP 2005, 141, 148; ders., in: Spindler/ Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 36; ders., in: HdbVorStR, 2006, § 7 Rn. 22. 203 Siehe oben unter 2. Teil C. III. 1. c). 204 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 514 f. 205 Vgl. auch Thole, ZHR 173 (2009), 504, 516. 206 Ebenso zur Frage der Pflichtwidrigkeit Verse, ZHR 175 (2011), 401, 405. 207 Auf eine Lösung auf Rechtsfolgenebene verweisen auch Thole, ZHR 173 (2009), 504, 521; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 75; Kocher, CCZ 2009, 215, 218 f., aus Beweisgründen aber an deren Gleichwertigkeit zweifelnd. Dazu noch ausführlich im 3. Teil D. 208 Siehe oben unter 2. Teil C. III. 3. a).

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

c) Ausländische Rechtsnormen Die Frage der Erstreckung der Legalitätspflicht der Vorstandsmitglieder auf ausländische Rechtsnormen hat mit der Globalisierung und der damit einhergehenden Internationalisierung des Geschäftsverkehrs und der Absatzmärkte erheblich an Bedeutung gewonnen. Schadensträchtig für die Gesellschaft sind dabei insbesondere Verletzungen US-amerikanischen Rechts, das den Strafschadensersatz („punitive damages“) kennt und dessen Behörden und Gerichte zudem für extrem hohe Bußgeld- und Schadensersatzsummen berüchtigt sind. Ausländisches Recht soll nach einer Auffassung die Vorstandsmitglieder im Sinne der Legalitätspflicht binden, wenn es nach Kollisionsrecht auf den fraglichen Sachverhalt Anwendung findet.209 Zu beachten ist, dass Schmiergeldzahlungen, unabhängig von internationalen Bräuchen, nach § 299 Abs. 3 StGB und § 334 StGB i.V.m. Art. 2 § 1 Nr. 2 IntBestG (Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung) für die beteiligten Vorstandsmitglieder strafbar sind und bereits aufgrund dessen ihre Legalitätspflicht in diesen Fällen verletzt ist.210 Hinsichtlich ausländischen Rechts, das nach deutschem Kollisionsrecht nicht anzuwenden ist oder dessen Anwendung, wie im Fall des Strafrechts und des Öffentlichen Rechts, nicht in Betracht kommt, wird eine Bindungswirkung angenommen, soweit die Anwendung solcher Normen im Vertragsrecht aus übergeordneten Gründen anerkannt ist.211 Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass eine unklare Rechtslage bei ausländischen Rechtsordnungen aus Sicht des deutschen Vorstandsmitglieds häufiger vorliegen werde, als dies bei nationalem Recht der Fall sei212 und überdies grundsätzlich keine Verpflichtung bestehe, sich „gesetzestreuer“ als die einheimischen Rechtssubjekte zu verhalten, sodass die Einhaltung der fraglichen Rechtsnorm in ihrer „Heimatrechtsordnung“ ebenfalls Voraussetzung einer Bindung sein soll.213 Stehen deutsche und ausländische, nach diesen Grundsätzen von den Vorstandsmitgliedern zu

209 Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 71; Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 426; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 146; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 142; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 43 Rn. 23; ohne Hinweis auf Kollisionsnormen Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 73; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 345; ausdrücklich weitergehend Bicker, AG 2014, 8, 12. 210 Fleischer, ZIP 2005, 141, 145; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 26 f.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 72; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 7; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 74; zuvor abweichend BGHZ 94, 268, 271 f. 211 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 143; Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 426 f. 212 Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 427. 213 Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 427; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 142; ähnl. Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 73; zust. Bicker, AG 2014, 8, 12; vgl. auch die Erwägungen in BGHZ 94, 268, 271 f.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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beachtende Vorschriften in unauflösbarem Widerspruch, soll deutsches Recht vorrangig beachtlich sein.214 d) Unklare oder unsichere Rechtslage Trotz Vorliegens eines widerrechtlichen Verhaltens der Gesellschaft im Außenverhältnis soll das Fehlen einer Pflichtverletzung oder wenigstens eines Verschuldens der Vorstandsmitglieder im Innenverhältnis in Betracht kommen, wenn die Rechtslage, unter der die Gesellschaft zu handeln hat, ungeklärt oder unsicher ist.215 Aufgrund der unternehmerischen Entscheidungen vergleichbaren Unsicherheiten sollen sich hier auch außerhalb der Business Judgment Rule Entscheidungsspielräume der Vorstandsmitglieder ergeben.216 Unter einer unklaren Rechtslage wird eine solche verstanden, in der Rechtsfragen, die bei der Auswahl eines von mehreren möglichen Rechtsstandpunkten der Gesellschaft, die für sie unterschiedlich günstig sind, von Bedeutung sind, weder durch gerichtliche Entscheidung noch eine vorherrschende Literaturauffassung geklärt sind.217 Unter solchen Voraussetzungen wird ein zur Entscheidung berufenes Vorstandsmitglied bei der Auswahl des von der Gesellschaft einzunehmenden Rechtsstandpunkts lediglich zur Ausübung sorgfaltsgemäßen Ermessens für verpflichtet gehalten. Die Prüfung hat auf Grundlage angemessener Informationen zu erfolgen, sodass eine Abstufung nach der Bedeutung des Sachverhalts für die Gesellschaft stattfindet.218 Zunächst soll bei entsprechender Bedeutung der Rechtsfrage eine 214 Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 73; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 135. 215 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 92 f.; Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 92 f.; Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 422 f.; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 77 ff.; U. H. Schneider, FS Hüffer, 2010, S. 905, 909; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 24 Fn. 45; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 29; ders., FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 436 f.; Fleischer, ZIP 2005, 141, 149 f.; Raiser/Veil, § 14 Rn. 81; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 140; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 28; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 75; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 43 Rn. 23a; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345; Ihrig, WM 2004, 2098, 2104 f.; Paefgen, AG 2014, 554, 560; Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873, 876 u. passim; Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Dazu noch im 3. Teil A. IV. 216 So explizit Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 437, Wilsing, in: Krieger/ U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 27; inhaltlich auch Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 75, der aus der Business Judgment Rule „entscheidende Hinweise“ auf die Anforderungen, die an die Organmitglieder bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und bei Handeln unter Rechtsunsicherheit zu stellen sind, entnehmen will, ebd. Rn. 76. 217 Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2249 mit Beispielsfällen aus der Praxis, 2247. 218 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 77; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2255; Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 93; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 28.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

Verpflichtung zur Einholung internen und erforderlichenfalls externen (Rechts-) Rats, der durch einen unabhängigen, hinsichtlich der Fragestellung fachlich qualifizierten Berufsträger zu erteilen ist,219 bestehen.220 Dessen Ergebnisse hat der Vorstand nach pflichtgemäßer Prüfung, für die der BGH eine eigenständige, sorgfältige Plausibilitätsprüfung verlangt,221 in eine Abwägung der Chancen der Einnahme eines für die Gesellschaft günstigen Rechtsstandpunkts gegen die Risiken damit möglicherweise verbundenen rechtswidrigen Verhaltens einzustellen.222 Ein beigezogener sachverständiger Berater ist dabei nicht Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft, da Berater in der Regel nicht durch die einzelnen Mitglieder des Vertretungsorgans, sondern durch die Gesellschaft eingeschaltet und in deren Pflichtenkreis tätig werden, sodass die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft nicht für eine fehlerhafte Beratungsleistung haften.223 Entscheidet sich das Vorstandsmitglied nach einer solchen Abwägung begründet für einen Rechtsstandpunkt, der sich im Ergebnis als unzutreffend her-

219 BGH DB 2011, 2484 („Ision“) Rn. 18; zu den Anforderungen an das Vorstandsmitglied bei der Auswahl eines derart sachkundigen Beraters OLG Stuttgart, AG 2010, 133, 135; BGH NZG 2012, 672 Rn. 17; Selter, AG 2012, 11, 14; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 143; J.-H. Binder, ZGR 2012, 757, 770 f. 220 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 93; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2255; Bürkle, VersR 2013, 792, 799; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 77 ff.; Raiser/Veil, § 14 Rn. 81; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 76. 221 BGH DB 2011, 2484 („Ision“) Rn. 18; vgl. auch BGH NJW 2007, 2118 Rn. 18 (zum GmbH-Geschäftsführer bei der Feststellung der Insolvenzreife); Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1404; ders., KSzW 2013, 3, 9; Strohn, ZHR 176 (2013), 137, 141 f.; J.-H. Binder, ZGR 2012, 757, 771 f.; Bürkle, VersR 2013, 792, 799 f. 222 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 24 Fn. 45; Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 93; Bicker, AG 2014, 8, 10; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2255 f.; Bürkle, VersR 2013, 792, 801; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 140; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 75; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 28; strenger, zumindest für durch Aufsichtsrecht regulierte Bereiche, Langenbucher, ZBB 2013, 16, 22, die die Auswahl der am besten vertretbaren Rechtsauffassung, wo diese nicht eindeutig festzustellen ist, einer mindestens ebenso gut wie konkurrierende Auffassungen vertretbaren, verlangt. Ob sich im Einzelfall ein Unterschied zwischen diesen Anforderungen ergibt, kann, mangels allgemein gültiger Maßstäbe, wann eine Rechtsauffassung „vertretbarer“ ist, vorbehaltlich einer etwa bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung oder einer deutlich herrschenden Literaturauffassung, die aber gerade zur Klärung der Rechtslage führen, sodass es an einer Entscheidung unter unklarer Rechtslage fehlt, nicht abschließend beurteilt werden; auch nach der Auffassung, die lediglich eine vertretbare Rechtsauffassung verlangt, scheiden jedenfalls „Gefälligkeitsgutachten, mögen sie auch von prominenter Seite zur Verfügung gestellt werden“ [Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 92] als Grundlage einer die Mitglieder des Vorstands entlastenden Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung aus; vgl. dazu auch Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1404; ders., KSzW 2013, 3, 7; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2255; Bachmann, WM 2015, 105, 109; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 141 f. 223 BGH DB 2011, 2484 („Ision“) Rn. 17; s. auch Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 142 f.; zust. Fleischer, KSzW 2013, 3, 6; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 48 f.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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ausstellt, fehlt es nach einer Ansicht bereits an einer Pflichtverletzung,224 nach anderer, unter anderem vom BGH vertretener Auffassung erst am Verschulden.225 Auf diese neuerdings so genannte „Legal Judgment Rule“226 ist im Zusammenhang der Business Judgment Rule deutscher Prägung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zurückzukommen.227 Zur Begründung dieser Ergebnisse wird teilweise von einem unternehmerischen Handlungsspielraum ausgegangen,228 während andere von einer Erfüllung der Sorgfaltspflicht ausgehen, indem das Vorstandsmitglied, das letztlich zu einer Entscheidung verpflichtet war, „alles ihm zumutbar Mögliche“ zur Ermittlung der geltenden Rechtslage getan habe.229 Auf die Frage nach der Einordnung als unternehmerische Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist zurückzukommen.230 Eine unsichere Rechtslage soll vorliegen, wenn zwar eine gefestigte Literaturmeinung, Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung besteht, der Vorstand aber Anlass sieht, diese durch Einnahme eines abweichenden Standpunkts zur Überprüfung zu

224 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 93; Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 92; Hasselbach/ Ebbinghaus, AG 2014, 873, 876; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 553; Bicker, AG 2014, 8, 10; Bürkle, VersR 2013, 792, 796; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 24 Fn. 45; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132; Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 437; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 22 f.; Raiser/Veil, § 14 Rn. 81; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 140; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 75; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 76; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 28. 225 BGH DB 2011, 2484 Rn. 16 ff. („Ision“); BGH NJW 2007, 2118 Rn. 18 (zum GmbHGeschäftsführer bei der Feststellung der Insolvenzreife); BGH NZG 2012, 672 Rn. 17 (dto.); OLG Stuttgart, AG 2010, 133, 135; Bachmann, WM 2015, 105, 109; Paefgen, AG 2014, 554, 560; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 554; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2254; Hauger/ Palzer, ZGR 2015, 33, 46 ff.; Armbrüster, KSzW 2013, 10, 14; anscheinend auch Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 138; Hopt; ZIP 2013, 1793, 1798. 226 Bürkle, VersR 2013, 792, 793; Buck-Heeb, BB 2013, 2247; Paefgen, AG 2014, 554, 560; Bachmann, WM 2015, 105, 108. 227 Siehe 3. Teil A. IV. 228 U. H. Schneider, FS Hüffer, 2010, S. 905, 909; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132; Bürkle, VersR 2013, 792, 796; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 647; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 43 Rn. 23a; sogar eine unmittelbare Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bevorzugend Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873, 876; keine unternehmerische Entscheidung, aber hinsichtlich der an die Vorstandsmitglieder zu stellenden Anforderungen Anlehnung an § 93 Abs. 1 S. 2 AktG: Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 76; Bicker, AG 2014, 8, 10; Armbrüster, KSzW 2013, 10, 14; ähnl. Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 437. 229 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 93. 230 Dazu im 3. Teil A. III. 1. b) cc) u. c).

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

stellen.231 Die Voraussetzungen, unter denen die Einnahme eines solchen abweichenden Rechtsstandpunkts, der sich im Ergebnis nicht durchsetzen konnte, pflichtgemäß oder jedenfalls nicht schuldhaft ist, sind nicht abschließend geklärt. Eine Pflichtverletzung soll nach einer Auffassung nicht vorliegen, wenn sich der Vorstand „mit vertretbaren Gründen“ für eine Abweichung von der herrschenden Rechtsauffassung entscheidet,232 während andere mit zunehmender Festigung der Rechtslage ein höheres Gewicht der die Abweichung begründenden Argumente oder Anhaltspunkte für einen anstehenden Wandel der herrschenden Rechtsauffassung fordern.233 Es ist zu bezweifeln, dass beide Auffassungen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Die geforderte Vertretbarkeit der Gründe bezieht sich nicht auf die inhaltliche Begründung der abweichenden Auffassung, sondern auf die Abweichung selbst, sodass auch hier eine „bewegliche Schranke“234 vorliegen dürfte.235 Anders als bei unklarer Rechtslage liegt hier kein Rechtsirrtum der Vorstandsmitglieder vor, sodass die Einhaltung der Anforderungen richtigerweise erst recht236 bereits eine Pflichtverletzung ausschließt.237 e) Vertragliche Pflichten der Gesellschaft Hinsichtlich der Verletzung von Vertragspflichten der Gesellschaft wird überwiegend keine strenge Bindung im Sinne der Legalitätspflicht angenommen.238 Zur 231

Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 93; Fleischer, ZIP 2005, 141, 150; Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 422; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 76; gleichsinnig Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2256 ohne eigenständigen Begriff. 232 So Fleischer, ZIP 2005, 141, 150. 233 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 93; Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 422; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 85; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2256; Bürkle, VersR 2013, 792, 801 f. 234 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 93. 235 Abweichendes Verständnis bei Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 93; implizit wie hier Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2256 f. (einheitliche Darstellung der Anforderungen an ein pflichtgemäßes Abweichen von einer bestehenden Rechtsprechung). 236 Vgl. das Ergebnis im 3. Teil A. IV. 237 Für eine abweichende Behandlung auch Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2256, die für Fehleinschätzungen einer unklaren Rechtslage lediglich das Verschulden ausschließen will, ebd., 2254. 238 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 25; ders., AG 2014, 554, 559; U. H. Schneider, FS Hüffer, 2010, S. 905, 911 f.; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 29 f.; ders., FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 436; Windbichler, ZGR 1989, 434, 437; Fleischer, ZIP 2005, 141, 150; Bicker, AG 2014, 8, 9; Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873, 881; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 148; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 8; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 77; soweit keine außervertraglichen Rechtsnormen durch die Vertragsverletzung berührt sind auch Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 423 f., ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 88; (nur) die Einordnung als unternehmerische Entscheidung i.S.d. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ablehnend Ihrig, WM 2004, 2098, 2105; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256; a.A. Wiedemann, ZGR 2011, 183, 198 f.; U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 11; Zöllner/

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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Begründung wird auf die auch im Außenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertragspartner gegebenen Möglichkeiten der Einwirkung auf die bestehenden Rechte und Pflichten durch Verhandlungen, Ausübung von Gestaltungsrechten und dergleichen verwiesen, die in Bezug auf die Einhaltung sich unmittelbar aus Rechtsnormen ergebender Verhaltensgebote nicht gegeben seien. Aufgrund dieses Unterschieds, der eine Berücksichtigung des Unternehmensinteresses erlaube, soll auch dem Vorstand im Innenverhältnis die Abwägung des Für und Wider einer Erfüllung der Vertragspflichten gestattet sein und bei entsprechendem Ergebnis ein Vertragsbruch im Außenverhältnis keine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft begründen.239 Anderswo wird mit demselben Ergebnis auf den lediglich auf Gesetzesverletzungen240 abstellenden Wortlaut des § 396 Abs. 1 AktG hingewiesen.241 Einschränkend wird auf die mit einer Vertragsverletzung unter Umständen verbundene Verletzung delikts- und strafrechtlicher Normen verwiesen, die gesetzliche Bindungen der Gesellschaft begründen, sodass Vertragsbrüche im Hinblick auf die Legalitätspflicht nur insoweit pflichtgemäß sein sollen als damit keine außerhalb des Vertragsverhältnisses bestehenden Pflichten der Gesellschaft verletzt werden.242 Die Gegenauffassung hält dagegen den Vorstand auch im Innenverhältnis für verpflichtet, Verträge der Gesellschaft mit Dritten einzuhalten. Vertragspflichten seien insoweit „gesetzlich“ als ihre Anerkennung durch die Rechtsordnung Grund ihrer Verbindlichkeit sei.243 Ferner wird unter denselben Vorzeichen eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zivil- und öffentlich-rechtlicher Pflichten der Gesellschaft bemängelt.244 Überzeugend erscheint die Ausnahme vertraglicher Verpflichtungen der Gesellschaft von der strikten Bindung des Vorstands im Innenverhältnis. Neben den Unterschieden in Bezug auf die Einwirkungsmöglichkeiten der Parteien eines Vertrags und dem an eine gesetzliche Vorschrift Gebundenen auf ihre Pflichten vermögen weder § 396 Abs. 1 AktG noch der zur Begründung der Legalitätspflicht herangezogene Verweis auf § 93 Abs. 4 S. 1 AktG eine Verpflichtung des Vorstands zur Einhaltung von Verträgen der Gesellschaft im Innenverhältnis zu begründen. Eine Einschränkung ist dort zu machen, wo mit der Verletzung der vertraglichen Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 43 Rn. 23a; sympathisierend Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 17. 239 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 25; ders., AG 2014, 554, 559; U. H. Schneider, FS Hüffer, 2010, S. 905, 912; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 132; zweifelnd Ihrig, WM 2004, 2098, 2104 f. 240 Art. 2 EGBGB, 2 EGHGB: jede Rechtsnorm; allg.M., s. nur Schürnbrand, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2011, § 396 Rn. 7; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 396 Rn. 3. 241 Fleischer, ZIP 2005, 141, 150. 242 Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 423 f.; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 88; Bicker, AG 2014, 8, 10; Kocher, CCZ 2009, 215, 218. 243 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 43 Rn. 23a; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 17. 244 S. H. Schneider, DB 2005, 707, 711.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

Pflichten zugleich gegen gesetzliche Vorschriften, die nicht lediglich die Bindungswirkung des Vertrags regeln, insbesondere Delikts- und Strafnormen, verstoßen wird. Die Rückführbarkeit des Geltungsanspruchs von Verträgen auf Gesetze überwindet nicht die Unterscheidung von vertraglichen und gesetzlichen Pflichtenbindungen, wie sie auch aus den zur Begründung der Legalitätspflicht angeführten Normen des Aktiengesetzes deutlich wird.245 Die monierte Ungleichbehandlung zivil- und öffentlich-rechtlicher Pflichten ist in Wahrheit eine solche gesetzlicher und vertraglicher. Vertragsverletzungen der Gesellschaft begründen mithin für sich genommen keine Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder ihr gegenüber. Eine solche kann freilich bei unsorgfältigem Vorgehen im Rahmen der Entscheidungsfindung vorliegen.246 Ob es sich dabei um eine unternehmerische Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG handelt, wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet,247 die an die Vorstandsmitglieder zu stellenden Anforderungen unterscheiden sich jedoch inhaltlich nicht, sodass die Frage in Bezug auf die Haftungsrisiken theoretischer Natur bleibt. Die Verneinung einer strikten Rechtsbindung bei Vertragsverletzungen der Gesellschaft müsste konsequent zur Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal der unternehmerischen Entscheidung in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG führen. f) Zwischenfazit Festzuhalten ist, dass zwar eine absolute Legalitätspflicht bei bestehender Rechtsunsicherheit oder einer der Überprüfung bedürftigen Rechtslage mit den tatsächlichen Gegebenheiten der Rechtsanwendung durch den Vorstand unvereinbar erscheint. Diese „Ausnahme“ stellt die grundsätzliche Verpflichtung, für rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft zu sorgen, indes nicht grundsätzlich in Frage, ist und bleibt der Vorstand doch verpflichtet, das ihm zur Aufklärung der Rechtslage Mögliche und der Situation Angemessene zu tun. Vertragliche Verpflichtungen fallen mangels Gesetzesqualität der unmittelbar bindenden Rechtsquelle nicht in den Anwendungsbereich der Legalitätspflicht. Dagegen handelt es sich bei der Differenzierung zwischen unterschiedlichen Graden rechtlicher Gebundenheit, wie sie die Verfechter einer Relativierung der Legalitätspflicht vertreten, und erst recht bei der Anerkennung nützlicher Pflichtverletzungen um echte Ausnahmen. Die sie tra245

Ebenso Fleischer, ZIP 2005, 141, 150; ähnl. Bicker, AG 2014, 8, 9. Darauf weist auch Bicker, AG 2014, 8, 10 hin. 247 Für eine Einordnung als unternehmerische Entscheidung Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 25; U. H. Schneider, FS Hüffer, 2010, S.905, 911 f.; Bicker, AG 2014, 8, 9 f.; Kocher, CCZ 2009, 215, 218; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 8, 11; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 148; inhaltlich auch Windbichler, ZGR 1989, 434, 437; offenlassend Fleischer, ZIP 2005, 141, 150; dagegen Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 154; Ihrig, WM 2004, 2098, 2105; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256; wohl auch Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 423 f., ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 88; unklar Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 77. 246

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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genden Gründe können, ohne die Legalitätspflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich in Frage zu stellen, was hier nicht versucht werden soll, nicht anerkannt werden. Einem aufgrund einer Rechtsverletzung entstandenen Nutzen der Gesellschaft ist auf der Ebene der Haftungsausfüllung Rechnung zu tragen, ohne dass dabei die Legalitätspflicht im Grundsatz ins Wanken gebracht zu werden droht.

IV. Organisations- und Überwachungspflichten Im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft treffen die Mitglieder des Vorstands auch Organisations- und Überwachungspflichten. Zu differenzieren ist hier zwischen vertikaler und horizontaler Arbeitsteilung, mithin der Organisation und Überwachung nachgeordneter Ebenen des Unternehmens der Gesellschaft und der Aufgabenteilung im Vorstand.248 1. Arbeitsteilung innerhalb des Vorstands Innerhalb eines mehrgliedrigen Vorstands werden in aller Regel nicht sämtliche Vorstandsaufgaben von allen Vorstandsmitgliedern gemeinsam wahrgenommen, sondern werden verschiedene Tätigkeitsbereiche durch die Satzung der Gesellschaft, die Geschäftsordnung des Vorstands oder die Anstellungsverträge der einzelnen Vorstandsmitglieder unter diesen aufgeteilt, sodass ein Vorstandsmitglied oder mehrere Vorstandsmitglieder für ein bestimmtes Ressort vorrangig zuständig sind.249 Das Gesetz sieht die Möglichkeit, durch Satzung oder Geschäftsordnung von einer Gesamtgeschäftsführung abzuweichen, ausdrücklich in § 77 Abs. 1 S. 2 AktG vor.250 Dass innerhalb einer solchen Geschäftsverteilung das einzelne Vorstandsmitglied für eigene Pflichtverletzungen bei der Ausfüllung der ihm als Verantwortlichem zugewiesenen Aufgaben und solcher, die der Gesamtvorstand wahrzunehmen hat,251

248

Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 98. Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 148; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 296 f.; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 21; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 77 Rn. 15 ff.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 374; Sieg/Zeidler, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 3 Rn. 47; Fleischer, NZG 2003, 449, 451; Froesch, BB 2009, 722, 723; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 71; Cahn, WM 2013, 1293, 1301; BGHZ 133, 370, 377 (zur GmbH). 250 Siehe Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 301; Fleischer, NZG 2003, 449, 451; Froesch, DB 2009, 722, 723; Wicke, NJW 2007, 3755; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 507 f.; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 71; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 374. 251 Siehe dazu Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 507 f.; Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 671; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 77 Rn. 23. 249

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

der Gesellschaft gegenüber haftet, bedarf keiner weiteren Ausführungen.252 Unter dem Gesichtspunkt der Haftung seiner Mitglieder ist die Arbeitsteilung im Vorstand vielmehr hinsichtlich der Frage von Interesse, ob und inwieweit eine Haftung wegen Pflichtverletzungen anderer Vorstandsmitglieder bei der Wahrnehmung der diesen zugewiesenen Aufgaben in Betracht kommt. Zwar haften die Mitglieder des Leitungsorgans nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG nur für eigene Pflichtverletzungen. Zu einer völligen Haftungsfreizeichnung im Sinne einer Beschränkung der Verantwortung allein auf die dem einzelnen Vorstandsmitglied innerhalb der Geschäftsverteilung zugewiesenen Bereiche unter Aufgabe der Gesamtverantwortung führt die Arbeitsteilung im Vorstand indes nicht.253 Da die Geschäftsverteilung gerade einer Steigerung der Effektivität der Vorstandsarbeit dienen soll und dementsprechend die Vorstandsmitglieder nicht selbst in den Zuständigkeitsbereichen ihrer Kollegen tätig werden sollen und dürfen, besteht diesbezüglich eine Verpflichtung aller Vorstandsmitglieder, die Aufgabenwahrnehmung in den einzelnen Ressorts zu überwachen.254 Insoweit sollen die Mitglieder des Leitungsorgans grundsätzlich auf eine ordnungsgemäße Betreuung der diesen zugewiesenen Verantwortungsbereiche durch ihre Kollegen vertrauen dürfen.255 Eine umfassende Nachprüfungspflicht 252

Siehe Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 148; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 315; Fleischer, NZG 2003, 449, 452; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 374; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 72; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 4 Rn. 49. 253 LG München I, AG 2014, 332, 335; BGHZ 133, 370, 377; BGH NJW 2001, 969, 971; BGH NJW 1994, 2149, 2150 (alle zit. Entscheidungen des BGH zur GmbH); Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 302; Hopt; ZIP 2013, 1793, 1796; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 506; Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 442; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 42; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 2 Rn. 46; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 42; s. auch Begr. RegE KonTraG v. 28. 01. 1998, BT-Drs. 13/9712, S. 15. 254 Siehe LG München I, AG 2014, 332, 335; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 302, 318 f.; Froesch, DB 2009, 722, 724; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 4 Rn. 49 f.; Sieg/Zeidler, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 3 Rn. 47; Fleischer, NZG 2003, 449, 453; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756; Hopt/ Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 376; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 92; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 42; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 2 Rn. 46; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 21; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 72; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 42; Cahn, WM 2013, 1293, 1300 (zum Aufsichtsrat); BGHZ 133, 370, 377 f. (zur GmbH). 255 BGHZ 133, 370, 377 (zur GmbH); Götz, AG 1995, 337, 339; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 72; Epe/Liese, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 10 Rn. 218; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 375; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 42; Cahn, WM 2013, 1293, 1300 (zum Aufsichtsrat). Für eine ausdrückliche Normierung dieses Grundsatzes spricht sich vor dem Hintergrund der „Siemens/Neubürger“-Entscheidung des LG München I (AG 2014, 332 = ZIP 2014, 570, s. dazu die krit. Anm. Bachmanns, ZIP 2014, 579) Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 42 f. aus; zust. Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600; dagegen Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 842.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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würde zum einen das mit einer Aufgabendelegation verfolgte Ziel einer effektiveren Vorstandsarbeit konterkarieren256 und zum anderen eine kollegiale Zusammenarbeit innerhalb des Vorstands nahezu unmöglich machen.257 Die Vorstandsmitglieder sind aber verpflichtet, sich über die Tätigkeit in den Aufgabenbereichen ihrer Kollegen regelmäßig zu informieren. Es besteht ein entsprechender Anspruch auf Information und eine Berichtspflicht des Ressortverantwortlichen.258 Die notwendige Kontrolldichte ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.259 Ergeben sich danach Anhaltspunkte, dass die ordnungsgemäße Erfüllung von Aufgaben durch das intern zuständige Vorstandsmitglied einschließlich ihm nachgeordneter Mitarbeiter nicht gewährleistet ist, besteht eine Pflicht der übrigen Vorstandsmitglieder, einzugreifen,260 aus deren Verletzung sie der geschädigten Gesellschaft gegebenenfalls haften.261 2. Organisation und Überwachung nachgeordneter Ebenen des Unternehmens Die innerhalb eines von einer Aktiengesellschaft getragenen Unternehmens anfallenden Aufgaben wären ohne die Verteilung auf dem Vorstand hierarchisch nachgeordnete Tätigkeitsebenen schlicht nicht zu bewältigen, sodass neben der 256 Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 319 f.; Epe/Liese, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 10 Rn. 218; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 42; Cahn, WM 2013, 1293, 1300 (zum Aufsichtsrat). 257 Wicke, NJW 2007, 3755, 3756; Sieg/Zeidler, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 3 Rn. 47; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 21; ähnl. Fleischer, NZG 2003, 449, 455. 258 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512; Götz, AG 1995, 337, 339; Fleischer, NZG 2003, 449, 452; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 92; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 376, 383; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 21; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 4 Rn. 50. 259 Bezzenberger, ZGR 1996, 961, 971; Fleischer, NZG 2003, 449, 453; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 307; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 376, 381 ff.; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 42; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 73; Cahn, WM 2013, 1293, 1300 (zum Aufsichtsrat); vgl. BGHZ 133, 370, 378 f. (zur GmbH); BGH NJW 1994, 2149, 2150 (dto.). 260 LG München I, AG 2014, 332, 335; BGHZ 133, 370, 377 f. (zur GmbH); BGH NJW 2001, 969, 971 (dto.); Götz, AG 1995, 337, 339; Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 671; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 318 f.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 376, 382; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 92; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 42; Epe/Liese, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 10 Rn. 218; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 21; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 4 Rn. 50; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 73; Fleischer, NZG 2003, 449, 453, 454. 261 Wicke, NJW 2007, 3755, 3756; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 376.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

horizontalen auch eine vertikale Geschäftsverteilung vorgenommen wird. Auch hier ist es selbstverständlich, dass die Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft gegenüber grundsätzlich nur für eigene Pflichtverletzungen, nicht aber für solche von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene haften. Diese sind nicht Erfüllungsgehilfen der Vorstandsmitglieder im Sinne des § 278 BGB.262 In Bezug auf diese Personen sind die Vorstandsmitglieder aber ebenfalls zur Überwachung, insbesondere der Einhaltung rechtlicher Vorschriften im Unternehmen (Compliance),263 sowie daneben zur sorgfältigen Auswahl der mit einer bestimmten Tätigkeit zu betrauenden Mitarbeiter sowie deren Anleitung verpflichtet.264 Auch insoweit dürfen sich die Vorstandsmitglieder darauf verlassen, dass die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß ausgeführt werden, soweit sich kein Anlass zu Zweifeln ergibt.265 Sie haben sich daher über die Aufgabenwahrnehmung im Unternehmen so ausreichend zu informieren, dass entsprechende Anhaltspunkte für Fehlverhalten zu ihrer Kenntnis gelangen können.266 Ergeben sich Hinweise auf Unregelmäßigkeiten, insbesondere Gesetzesverstöße von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene, ist der Vorstand verpflichtet, diesen nachzugehen, gegebenenfalls einzuschreiten sowie gesteigerte Maßnahmen zur Verhütung künftiger vergleichbarer Verstöße zu treffen.267 Insoweit soll eine gesteigerte Pflicht in finanziellen Krisen der Gesellschaft oder sonstigen Ausnahmesituationen bestehen,268 wobei, wie innerhalb des Vorstands, auch hier konkrete Aussagen nur zum Einzelfall gemacht werden können.269 Insgesamt ist die Kontrolldichte gegenüber Mitarbeitern auf nachgeordneten Ebenen 262 Allg.M., Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 98; ders., AG 2003, 291, 292 m.w.N. 263 Siehe auch Ziff. 4.1.3 DCGK; LG München I, AG 2014, 332; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 91 Rn. 52; Bürkle, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 8 Rn. 12; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 50; zur Legalitätspflicht bereits oben unter 2. Teil C. III. 264 Siehe Fleischer, AG 2003, 291, 292 f.; Froesch, DB 2009, 722, 725; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 4 Rn. 49; Götz, AG 1995, 337, 338; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 91 Rn. 19, 69; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 42. 265 Götz, AG 1995, 337, 338; Fleischer, AG 2003, 291, 294 f.; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 42; BGHZ 133, 370, 378 (zur GmbH). 266 LG München I, AG 2014, 332, 334 („Siemens/Neubürger“); Fleischer, AG 2003, 291, 294; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 54 f.; Lampert, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 9 Rn. 16. 267 Fleischer, AG 2003, 291, 294; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 56; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, 2176 f.; vgl. LG München I, AG 2014, 332, 334 („Siemens/ Neubürger“). 268 BGHZ 133, 370, 379 (zur GmbH); Fleischer, AG 2003, 291, 295; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 319; Bürkle, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 8 Rn. 18. 269 LG München I, AG 2014, 332, 334 („Siemens/Neubürger“); Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 91 Rn. 19; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, 2174; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 50 ff.; ders., AG 2003, 291, 293 jeweils mit Kriterien zur Bestimmung des Umfangs der Pflichten.

C. Die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds

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des Unternehmens höher als innerhalb des Vorstands.270 Die Verpflichtung des Vorstands, für ein solches Risikomanagement und eine angemessene interne Überwachung zu sorgen, soll durch die Regelung des § 91 Abs. 2 AktG271 deutlich gemacht werden. Danach hat der Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen, um Entwicklungen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden, frühzeitig zu erkennen, wozu insbesondere ein Überwachungssystem gehört.272 Eine Erweiterung der Vorstandspflichten sollte mit der Regelung nach Auffassung des Gesetzgebers nicht verbunden sein, vielmehr ergeben sich danach die entsprechenden Pflichten bereits aus der allgemeinen Leitungsaufgabe des § 76 AktG.273

3. Zwischenfazit Die innergesellschaftliche Aufgabenteilung, sowohl in horizontaler als auch vertikaler Richtung, führt zwar, wenig verwunderlich, nicht zu einer Beschränkung der Pflichten des einzelnen Vorstandsmitglieds auf die als Verantwortlicher auszuführenden Tätigkeiten oder auch nur solche unmittelbar auf Vorstandsebene. Es verbleibt vielmehr sowohl innerhalb des Vorstands als auch hinsichtlich hierarchisch nachgeordneter Ebenen der Unternehmensorganisation eine Organisations- und Überwachungspflicht jedes Vorstandsmitglieds, die sich beim Vorliegen von Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichtet. Die Rechtsprechung stellt bezüglich der Überwachung sowohl innerhalb des Vorstands als auch im Unternehmen strenge Anforderungen,274 wobei durch die Einzelfallbezogenheit der notwendigen Kontrolldichte eine gewisse Unsicherheit für die Vorstandsmitglieder entsteht. In der Literatur wird die Befürchtung einer sich bildenden „Haftungsfalle“ zwischen der Ausfüllung des eigenen Ressorts als Experte für die darin anfallenden Aufgaben und der hinreichenden, verständigen Überwachung der Tätigkeitsbereiche der Vorstandskollegen geäußert.275 Damit bedeutet die Verteilung der Aufgaben innerhalb des Vorstands zwar eine Steigerung der Effektivität der Vorstandsarbeit, indem Personal und Fachkompetenz möglichst sinnvoll 270 Fleischer, NZG 2003, 449, 452; ders., AG 2003, 292, 293, dort auch zu den Anforderungen an die laufende Kontrolle der Mitarbeiter auf nachgeordneten Ebenen des Unternehmens. 271 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 7 KonTraG, Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich v. 27. 04. 1998, BGBl. I 1998, S. 786. 272 Zu den hieran zu stellenden Anforderungen Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 91 Rn. 33 ff. 273 Begr. RegE KonTraG v. 28. 01. 1998, BT-Drs. 13/9712, S. 15; s. auch Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 91 Rn. 3, 18; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 513; Schaefer/ Missling, NZG 1998, 441, 444; Paefgen, AG 2014, 554, 557; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 98; LG München I, AG 2014, 332 („Siemens/Neubürger“). 274 So wörtlich im Fall „Siemens/Neubürger“ bzgl. der Anforderungen an ein System zur Verhinderung von Korruptionszahlungen LG München I, AG 2014, 332, 334. 275 So Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 42; Cahn, WM 2013, 1293, 1301 (zum Aufsichtsrat); vgl. Epe/Liese, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 10 Rn. 218.

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2. Teil: Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft

verteilt werden. Eine echte Reduzierung der Pflichten der Vorstandsmitglieder ist damit indes nicht verbunden, wandelt sich doch die Pflicht, aktiv Aufgaben wahrzunehmen in eine Überwachungspflicht, die auszufüllen kaum weniger anspruchsvoll und damit haftungsträchtig für das einzelne Vorstandsmitglied sein dürfte. Allerdings handelt es sich bei der Ausgestaltung des Risikomanagements und der Compliance-Organisation (§ 91 Abs. 2 AktG) um unternehmerische Entscheidungen im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, sodass den Vorstandsmitglieder insoweit eine Haftungserleichterung zukommt.276

V. Fazit Aus der Darstellung der Voraussetzungen einer Schadensersatzhaftung gegenüber der Gesellschaft ist deutlich geworden, dass das Gesetz an die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft denkbar hohe Anforderungen hinsichtlich der bei der Geschäftsführung erforderlichen Sorgfalt stellt und umfassende Pflichten gegenüber der Gesellschaft vorsieht. Hinzu kommt die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Vorstandstätigkeit angesichts dessen mit erheblichen Haftungsgefahren verbunden ist. Diese grundsätzlichen Voraussetzungen der Vorstandsinnenhaftung zeichnen jedoch ein unvollständiges, noch verzerrtes Bild. Trotz der äußerst eingeschränkten privatautonomen Gestaltungsmöglichkeiten ist die Vorstandshaftung in unterschiedlicher Weise theoretisch und praktisch begrenzt. Erst unter Einbeziehung dieser „Grenzen der Vorstandshaftung“ ist ein annähernd realistisches Bild von den Haftungsrisiken, denen Vorstandsmitglieder bei ihrer Tätigkeit ausgesetzt sind und damit eine Bewertung der geltenden Regelung der Vorstandshaftung im Hinblick auf die Notwendigkeit weiterer Haftungsbeschränkungen möglich. Im Folgenden sollen daher die „Grenzen“ der Vorstandshaftung nach geltendem Recht einschließlich der Ansätze aus dem Schrifttum, bereits etablierte Haftungsbeschränkungen aus anderen Rechtsgebieten, namentlich der Haftung des Arbeitnehmers, in das Recht der Vorstandsinnenhaftung zu transplantieren, untersucht werden.

276 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 91 Rn. 70; Paefgen, AG 2014, 554, 557; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, 2174; Bürkle, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 8 Rn. 15; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn. 53; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 702; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1599; Bachmann, ZIP 2014, 579, 580; ders., WM 2015, 105, 107 f. (insoweit krit. ggü. LG München I, AG 2014, 332 = ZIP 2014, 570). Zur Definition der unternehmerischen Entscheidung s. u., 3. Teil A. III. 1. c).

3. Teil

Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG I. Problemaufriss: Vorstandshaftung für unternehmerisches Handeln Bereits der Gesetzesbegründung nach soll die Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG,1 nach ihrem dem US-amerikanischen Recht entstammenden Vorbild allgemein als „Business Judgment Rule“ bezeichnet, einen „sicheren Hafen“ für unternehmerisches Handeln des Vorstands bilden, indem dessen Mitglieder davor geschützt werden sollen, für jedwede unternehmerische Fehlschläge haftbar gemacht zu werden.2 Das Problem, dem der Gesetzgeber durch die Normierung einer solchen Regel zu begegnen sucht, wurde bereits lange vorher im Schrifttum sowie der als Vorbild der gesetzlichen Regelung dienenden „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH3 erkannt und im Wesentlichen wie nunmehr in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vorgesehen gelöst. Es handelt sich dabei um die schlichte Einsicht, dass unternehmerisches Handeln, wie es die Aufgabe der Leitung der Aktiengesellschaft vom Vorstand fordert, auch ohne dass dieser unsorgfältig gehandelt hat, einen für die Gesellschaft ungünstigen, verlustbringenden Verlauf nehmen kann.4 Insofern soll die gesetzliche Regelung deutlich machen, dass es sich bei der Vorstandshaftung des Aktiengesetzes nicht um eine Erfolgshaftung handelt. Grundsätzlich könnte auch ohne eine Business Judgment Rule, allein auf Grundlage des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, ein Gericht im Rahmen einer Schadensersatzklage der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder, die für einen unternehmerischen Fehlschlag für verantwortlich gehalten werden, zu dem Ergebnis gelangen, dass diese bei der Vorbereitung der 1 Eingeführt durch das UMAG, Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts v. 22. 09. 2005, BGBl. I 2005, S. 2802. 2 Vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 3 BGHZ 135, 244. 4 Vgl. Göppert, Die Reichweite der Business Judgment Rule bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, S. 121; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 21; Ulmer, DB 2004, 859, 860; Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 830 f.; Harbarth, FS Hommelhoff, 2012, S. 323, 325.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Entscheidung alles getan haben, was die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters von ihnen verlangt. Eine solche Entscheidung wird den Gerichten allerdings selten zugetraut. In diesem Zusammenhang wird zum einen darauf verwiesen, dass Richtern die notwendigen Kenntnisse unternehmerischer Tätigkeit und der entsprechende Entscheidungen flankierenden Gegebenheiten fehlten, um ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten der Vorstandsmitglieder korrekt beurteilen zu können.5 Hinzu tritt der psychologische Aspekt des „hindsight bias“, der auch als „Rückschaufehler“ bezeichneten Tendenz, Sachverhalte im Nachhinein, wenn ihr Ausgang bekannt ist, von diesem her zu beurteilen.6 Im Fall eines unternehmerischen Misserfolgs der Gesellschaft würde sich diese dahingehend auswirken, dass Gerichte eher dazu neigten, in Kenntnis dieses Ergebnisses auf eine Pflichtverletzung zu erkennen, als dies bei einer Beurteilung im tatsächlichen Zeitpunkt der Entscheidung für die zu dem Verlust führende Maßnahme der Fall gewesen wäre. Auch davor soll die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG schützen. Im Ausgangspunkt sind diese Überlegungen inzwischen allgemein anerkannt.7 Die tatsächliche Bedeutung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als „sicherer Hafen“ für lediglich unternehmerisch glücklose Vorstandsmitglieder ist nach wie vor umstritten.

II. Grundlagen: Die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH Das für die Business Judgment Rule deutscher Prägung grundlegende Urteil des BGH im Fall „ARAG/Garmenbeck“8 befasst sich nicht unmittelbar, sondern vermittelt durch die Frage nach einer Verpflichtung des Aufsichtsrats, Ansprüche der Gesellschaft gegen pflichtvergessene Vorstandsmitglieder geltend zu machen, mit der Haftung des Vorstands für unternehmerische Fehlentscheidungen, genauer mit einem diesem hierbei zustehenden Handlungsfreiraum, einem „unternehmerischen Ermessen“. In dem zu entscheidenden Fall stritten sich die Mitglieder des Aufsichtsrats einer von zwei Familienstämmen beherrschten Aktiengesellschaft über die Wirksamkeit zweier die Geltendmachung von Schadensersatz gegen ein Vor5

Vgl. Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 831; Röhricht, in: RWS-Forum 10, S. 191, 205; Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83: „Es sind kaum unterschiedlichere Berufe, Arbeitsund Denkweisen […] vorstellbar als die des Unternehmers […] und die des Richters.“; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 sowie oben im 2. Teil C. II. 4. b) dd) (3) (d). 6 Vgl. Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 831 f.; ders., NZG 2011, 521, 522; ders., ZIP 2004, 685, 686; Schäfer, ZIP 2005, 1253 f.; Harbarth, FS Hommelhoff, 2012, S. 323, 336 f.; Holle, AG 2011, 778, 781; vertiefend Guthrie/Rachlinski/Wistrich, 86 Cornell Law Review (2001), 777; Hastie/Schkade/Payne, 23 Law and Human Behavior (1999), 597 sowie oben im 2. Teil C. II. 4. b) dd) (3) (e). 7 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36. 8 BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244.

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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standsmitglied ablehnender Aufsichtsratsbeschlüsse. Dieses hatte Darlehens- und Anlagegeschäfte mit einer nach einem „Schneeball-System“ agierenden Ltd. getätigt und der Gesellschaft, deren Aufsichtsrat die Feststellung begehrenden Kläger angehörten, sowie deren Tochtergesellschaften dadurch Schäden in Höhe von mehr als 80 Mio. DM zugefügt.9 In diesem Zusammenhang gibt der BGH dem Aufsichtsrat bei der Beurteilung des Vorliegens einer Pflichtverletzung des Vorstands zu berücksichtigen, dass diesem bei seiner geschäftsleitenden Tätigkeit ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden müsse, ohne den unternehmerisches Handeln „schlechterdings nicht denkbar“ sei.10 Zu einem unternehmerischen Tätigwerden gehöre „neben dem bewußten Eingehen geschäftlicher Risiken auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewußt handeln, ausgesetzt“ sei.11 Insbesondere betont der BGH, dass allein glückloses Agieren bei der Wahrnehmung der Leitungsaufgabe des Vorstands nicht die Voraussetzungen einer Schadensersatzhaftung dessen Mitglieder erfülle. Eine solche könne „erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muß.“12

III. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Die Voraussetzungen, an die § 93 Abs. 1 S. 2 AktG die Rechtsfolge des Nichtvorliegens einer Pflichtverletzung knüpft, lassen, obwohl im Einzelnen auch Unterschiede vorhanden sind, deutliche Parallelen zu den in der „ARAG/Garmenbeck“Entscheidung formulierten Grundsätzen, die der Regelung ausdrücklich Pate stehen sollten,13 erkennen. Erforderlich ist nach der Gesetz gewordenen Business Judgment Rule, dass das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Die Inhalte dieses Tatbestands sollen im Folgenden anhand der einzelnen Tatbestandsmerkmale untersucht werden. Dabei sollen, ausgehend von der durch den Gesetzgeber vorgenommenen Gliederung, fünf Vor9

Zum Sachverhalt im Einzelnen BGHZ 135, 244, 245 ff. BGHZ 135, 244, 253. 11 BGHZ 135, 244, 253. 12 BGHZ 135, 244, 253 f. 13 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 10

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

aussetzungen – unternehmerische Entscheidung, Handeln zum Wohle der Gesellschaft, Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse, Handeln auf Grundlage angemessener Information, Gutgläubigkeit – unterschieden werden.14 1. Unternehmerische Entscheidung Eingangsvoraussetzung der Business Judgment Rule des Aktiengesetzes ist das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung. a) Bewusste Entscheidung Ausgangspunkt ist mithin eine Entscheidung im Sinne eines bewussten Willensentschlusses, eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder, aufgrund damit nach Auffassung des Vorstands verbundener übermäßiger Risiken oder weil diese aus sonstigen Gründen nicht im Gesellschaftsinteresse liegt, auch zu unterlassen.15 Damit scheiden insbesondere ein unbewusstes Unterlassen des Vorstands sowie die faktische Aufgabe der Organtätigkeit aus dem Anwendungsbereich aus.16 b) „Unternehmerische“ Entscheidung Wesentlich schwieriger zu fassen ist dagegen das die Entscheidung charakterisierende Tatbestandsmerkmal „unternehmerisch“.17

14

Vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Zum Unterlassen als unternehmerischer Entscheidung s. Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 443; Paefgen, AG 2004, 245, 251; ders., AG 2014, 554, 560; Fleischer, ZIP 2004, 685, 690; Semler, FS Ulmer, 2003, S. 627; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, S. 7; Hoor, DStR 2004, 2104, 2105 Fn. 16; S. H. Schneider, DB 2005, 707, 709; Ihrig, WM 2004, 2098, 2105; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 43; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 80; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 22; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 70; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 109 f.; Druey, FS Goette, 2011, S. 57, 66. 16 Vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2085; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 80; Paefgen, AG 2004, 245, 251; ders., AG 2014, 554, 560; Ihrig, WM 2004, 2098, 2105; Semler, FS Ulmer, 2003, S. 627, 640; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 44; ders., AG 2013, 889, 891; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 22; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 16. 17 Ebenso Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 41; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2085; BDI/BDA/DIHK/GDV/BdB, Stellungnahme RefE UMAG, S. 7. 15

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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aa) Gesetzesbegründung: „unternehmerische“ vs. „gebundene“ Vorstandsentscheidungen Die Gesetzesbegründung geht von einem Gegensatzpaar der unternehmerischen und der rechtlich gebundenen Entscheidung aus, sodass das Erfordernis einer unternehmerischen Entscheidung demnach den „sicheren Hafen“ des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG für „illegales Verhalten“ versperren soll.18 Prägend für die Eigenschaft einer Entscheidung als unternehmerische soll ihre „Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Entscheidungen“ sein. Dies unterscheide sie von „der Beachtung gesetzlicher, satzungsmäßiger oder anstellungsvertraglicher Pflichten ohne tatbestandlichen Beurteilungsspielraum.“19 In ähnlicher Weise werden unternehmerische Entscheidungen im Schrifttum als solche, denen gewisse Risiken, aber auch Chancen immanent sind, die mithin unter Unsicherheit getroffen werden20 oder die nicht eindeutig anhand eines Maßstabs von „richtig“ und „falsch“ zu beurteilen sind,21 umschrieben. bb) Der „Zukunftsbezug“ unternehmerischer Entscheidungen Umstritten ist, ob das Erfordernis der „Zukunftsbezogenheit“,22 wie es die Gesetzesbegründung enthält, so zu verstehen ist, dass eine unternehmerische Entscheidung zwingend ein prognostisches Element im Sinne einer „zukunftsbezogenen Entscheidung unter Unsicherheit“23 voraussetzt.24 Verwiesen wird insoweit auf die Ausübung bilanzieller Wahlrechte, die „kaum prognostische Elemente“ enthalte, jedoch als unternehmenspolitische Entscheidung einzuordnen sei, habe der Gesetzgeber solche Wahlrechte doch gerade im Sinne einer Entscheidungsmöglichkeit des Vorstands eingeräumt.25 Weiterhin sei die Frage in der „Mannesmann“-Ent18

Vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 20 Semler, FS Ulmer, 2003, S. 627 f.; Baums, ZGR 2011, 218, 222 f.; Fleischer, NZG 2005, 371; ders., NZG 2011, 521, 522; Hoor, DStR 2004, 2104, 2105; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 442; S. H. Schneider, DB 2005, 707, 710; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 18; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 15; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 41; krit. bzgl. der Bedeutung des Merkmals v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 646: Wo keine Unsicherheit bestehe, gebe es nur eine richtige Entscheidung, sodass die Haftungsfrage „einfach zu beantworten“ sei. 21 Ihrig, WM 2004, 2098, 2104; ganz ähnl. Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2066. 22 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 23 Formulierung: Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 84. 24 Dagegen Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086; W. Müller, Liber Amicorum Happ, 2006, S. 179, 193; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 74 ff.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 84; Spindler, NZG 2005, 865, 871; zurückhaltender ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 42. 25 Spindler, NZG 2005, 865; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 42; W. Müller, Liber Amicorum Happ, 2006, S. 179, 192 f.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 84 (mit weiteren Bsp.). 19

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scheidung, in der der BGH die Bewilligung von Sonderzahlungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat als unternehmerische Entscheidung einordnete,26 von Bedeutung gewesen.27 (1) Unklarer Begriff der „Zukunftsbezogenheit“ bzw. des Erfordernisses einer Prognose Die Bezugnahme auf dieses Urteil als Beispiel für das Fehlen einer „Zukunftsbezogenheit“ der Entscheidung legt nahe, dass der vermeintliche Streitstand ganz wesentlich auf einem zu engen Begriffsverständnis beruht.28 Auch Entscheidungen, die zunächst nur einen gegenwärtigen oder in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt zu betreffen scheinen, wie die im „Mannesmann“-Fall streitgegenständlichen Abfindungszahlungen, fehlt es, versteht man den Zukunftsbezug in einem über den konkreten Entscheidungszusammenhang hinausreichenden Sinne, nicht an einem solchen. Bereits aus dem dem Urteil des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt sich, dass die Sonderzahlungen bezweckt hätten, die Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone zu fördern.29 Mithin wurde zwar als Begründung für diese Bonuszahlungen auf vergangene Leistungen Bezug genommen, die vom Aufsichtsrat verfolgten Ziele bezogen sich aber auf ein erhofftes künftiges Verhalten der so belohnten Vorstandsmitglieder. Im Übrigen werden sich Zahlungen im Zusammenhang des Ausscheidens aus dem Vorstand grundsätzlich auch im Sinne einer Weichenstellung und damit Anreizsetzung für künftige Geschäftsleiter auswirken.30 Vergleichbares gilt für die bilanzielle Darstellung der Geschäftszahlen der Gesellschaft. Zwar bezieht sich auch diese zunächst auf die bereits vorhandenen, in der Bilanz abzubildenden Daten. Auch hier ergibt sich aber ein Zukunftsbezug in Gestalt der mit der Auswahl einer bestimmten Möglichkeit verfolgten Ziele in Bezug auf die Gesellschaftsgläubiger, den Staat als Steuergläubiger, die Aktionäre sowie die Kapitalmärkte.31 Zutreffend wird in diesem Zusammenhang festgestellt, dass Entscheidungen, die nur die Vergangenheit betreffen und keine auf die Zukunft bezogenen Wirkungen haben, auch keine Haftungsfolgen haben können.32 In diesem Sinne verstanden, ist jede haftungsrelevante Entscheidung des Vorstands zukunftsbezogen.33 26

BGH NJW 2006, 522, 523 Rn. 15; vgl. dazu Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127, 128. Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 84; s. auch Koch, ZGR 2006, 769, 788. 28 Ganz ähnl. Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 42; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 647; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 30 (Diskussion „rein akademischer Natur“). 29 BGH NJW 2006, 522. 30 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 42. 31 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 42; ganz ähnl. Bsp. bei W. Müller, Liber Amicorum Happ, 2006, S. 179, 193; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 647. 32 v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 647; vgl. auch Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 30. 33 Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 30; vgl. auch Koch, ZGR 2006, 769, 787 f. zur Gefahr von Rückschaufehlern. 27

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(2) Folgen für die Begriffsdefinition der „unternehmerischen“ Entscheidung Entsprechend der Intention des Gesetzgebers, durch das Erfordernis einer „unternehmerischen Entscheidung“ einen „sicheren Hafen“ für „illegales Verhalten“ auszuschließen,34 sollte die Umschreibung des Tatbestandsmerkmals in der Gesetzesbegründung in dem dargestellten Sinne verstanden werden. Ein solches Begriffsverständnis vermeidet es, aufgrund eines vergleichsweise unbestimmten, dem geltenden Recht bisher unbekannten Rechtsbegriffs Entscheidungen, die der Gesetzgeber nicht ersichtlich a limine ausscheiden wollte, vorschnell vom Anwendungsbereich der Business Judgment Rule auszunehmen und verhindert zudem erhebliche Rechtsunsicherheiten aufgrund eines kaum zu fassenden Begriffs der Zukunftsbezogenheit.35 In dem vorgeschlagenen Sinne kommt diesem keine solche Ausschlusswirkung zu. cc) „Unternehmerische“ als „ungebundene“ Entscheidungen Problematisch ist weiterhin das vom Gesetzgeber als Gegensatz zur unternehmerischen formulierte Ausschlusskriterium der gebundenen Entscheidung. Angesichts der umfassenden Regulierung der Vorstandsaufgaben führte ein enges Begriffsverständnis hier dazu, dass letztlich jede Vorstandsentscheidung zur „gebundenen“ würde – schließlich handelt es sich auch bei der Pflicht zur Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters um eine gesetzliche. Angesichts des Zwecks der Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, eine Haftung für lediglich fehlgeschlagenes unternehmerisches Handeln auszuschließen, kann dies ersichtlich nicht gewollt sein. Dementsprechend empfiehlt es sich, für die Abgrenzung zur gebundenen Entscheidung auf die in der Gesetzesbegründung angeführten Beispiele zurückzugreifen. Demnach sollen Verstöße gegen die Treupflicht, Informationspflichten, sowie „sonstige allgemeine Gesetzes- und Satzungsverstöße“ und solche gegen anstellungsvertragliche Pflichten von der Business Judgment Rule nicht erfasst werden.36 dd) Die „business decision“ bzw. das „business judgment“ in der US-amerikanischen business judgment rule Ein weites Verständnis der „business decision“ als Anwendungsvoraussetzung der business judgment rule entspricht auch dem US-amerikanischen Vorbild der deutschen Regelung. Nach dortiger Auffassung handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal nicht um ein über das Erfordernis einer bewussten Entscheidung 34

Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Entscheidend auf den Ausschluss „rechtlich gebundener Entscheidungen abstellend“ und ebenfalls krit. ggü. dem Definitionsmerkmal der „Zukunftsbezogenheit“ Paefgen, AG 2014, 554, 561. 36 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 35

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hinausreichendes Ausschlusskriterium.37 Auch rechtsvergleichend ist daher kein Vorbild zur Konturierung des Tatbestandsmerkmals der unternehmerischen Entscheidung über die Inhalte der Gesetzesbegründung hinaus gegeben.38 c) Vorschlag einer Definition der unternehmerischen Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Unter einer unternehmerischen Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sollte daher die bewusste Auswahl des Vorstands der Gesellschaft aus mehreren, rechtlich zulässigen und tatsächlich möglichen Verhaltensalternativen verstanden werden.39 37 Eine Definition des „business judgment“ findet sich weder in den einschlägigen Gerichtsentscheidungen noch im Schrifttum. Soweit erkennbar wurde bisher auch in keinem Fall die Anwendung der business judgment rule des US-amerikanischen Rechts mangels Vorliegen eines business judgment abgelehnt. Der Begriff des business judgment wird im US-amerikanischen Recht im Sinne einer Entscheidung des board in Ausübung seiner Aufgaben verstanden und ist damit denkbar weit. Vgl. Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (812) (Del., 1984): „It is a presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interests of the company. Absent an abuse of discretion, that judgment will be respected by the courts.“; ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01(c), Comment b. (S. 173 f.): „Scope of coverage. The business judgment rule set forth in § 4.01(c) […] is intended to cover most of the different kinds of judgments that are made by directors and officers. […] Part IV does not limit the application of the business judgment rule to ,risky‘ and ,economic‘ decisions, but instead – for reasons of policy and practicability […] – also affords protection to directors and officers who make a wide variety of decisions running from the selection and removal of the personnel, through setting of strategic and policy goals, to the apportionment of responsibilities between the board and senior executives.“ (Hervorhebung im Original); Arsht, 8 Hofstra Law Review (1979), 93, 131; Manning, 45 Ohio State Law Journal (1984), 615, 621 f. ( unter C.), insb. auch gg. das Erfordernis eines „rational business purpose“; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 907: „geschäftliche Angelegenheit“, Rn. 932 ff.; Clark, Corporate Law, S. 123 f. verzichtet gänzlich auf eine Definition und bezieht sich lediglich auf die Ausnahmen von der business judgment rule selbst; den Begriff des „business judgment“ auf solche Entscheidungen einschränkend, hinsichtlich derer die business judgment rule Anwendung findet, ohne Auswirkungen auf das Ergebnis Sinclair Oil Corp. v. Levien, 280 A.2d 717 (722) (Del., 1971). 38 Krit. ggü. einem derart weiten, auch dem allg. Sprachgebrauch entsprechenden Begriff der unternehmerischen Entscheidung Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 94: „voreilignaiver Versuch einer Beruhigung dieser Zweifel“ [i. e. solcher an der wertungsmäßigen Entsprechung verschiedener Sorgfaltspflichtverletzungen, die Dauner-Lieb beispielhaft aufzählt]. 39 In Anlehnung an die Def. von S. H. Schneider, DB 2005, 707, 711 unter Auslassung der Erfordernisse der Unabsehbarkeit der Sachverhaltsentwicklung im Entscheidungszeitpunkt sowie der Gefahr von Rückschaufehlern bei der nachfolgenden Bewertung, da beide Merkmale nach dem hiesigen Verständnis bei jeder Entscheidung des Vorstands, die die aufgestellten Anforderungen erfüllt, gegeben sind; vgl. zum Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung bei Pflichtaufgaben, die dem Vorstand eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung lassen auch Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 17 f.; Bürkle, VersR 2013, 792, 794; Paefgen, AG 2014, 554, 558; gegen die Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, jedoch für einen außerhalb liegenden „Beurteilungs-

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Das Erfordernis des Vorhandenseins mehrerer rechtlich zulässiger Verhaltensalternativen ist eng und objektiv in dem Sinne zu verstehen, dass eine unternehmerische Entscheidung dann nicht vorliegt, wenn bereits im Entscheidungszeitpunkt feststeht, dass alle bis auf eine Handlungsoption gegen geltendes Recht verstoßen oder dies für die gewählte der Fall ist. Letzteres trägt dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, Verletzungen der Legalitätspflicht vom „sicheren Hafen“ der Business Judgment Rule auszunehmen. Eine Ausscheidung rechtswidrigen Vorstandshandelns durch das Merkmal „zum Wohle der Gesellschaft“ erscheint nicht zielführend.40 Eine im Entscheidungszeitpunkt als im wirtschaftlichen Ergebnis „nützlich“ eingeschätzte Rechtsverletzung müsste auch hier unter Rekurs auf die Gesetzesbegründung gesondert ausgenommen werden, sodass mit der Verlagerung der Problematik in dieses Tatbestandsmerkmal nichts gewonnen wäre. Zwar besteht ein anerkanntes Bedürfnis, Rechtsirrtümer der Vorstandsmitglieder auf Grundlage einer unklaren oder unsicheren Rechtslage zu berücksichtigen, die direkte Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann hierfür aber nicht der richtige Weg sein. Ließe man rechtswidrige Entscheidung des Vorstands als „unternehmerisch“ zu und entsprächen die Folgen einer solchen Entscheidung dem Interesse der Gesellschaft, liefe dies zum einen dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zuwider und führte zum anderen zu einer umfangreichen Zulassung „nützlicher Rechtsverletzungen“, die mit der Anerkennung einer den Interessen der Gesellschaft vorgehenden, umfassenden Legalitätspflicht nicht vereinbar wäre. Lediglich punktuelle Ausnahmen führten allein zu der dargestellten Verlagerung des Abgrenzungsproblems. Um einen dem Zweck der Regelung entsprechenden Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu gewährleisten, ist der Begriff der rechtlichen Zulässigkeit so zu verstehen, dass auch ein hinsichtlich der Rechtslage allwissender, hinsichtlich der tatsächlichen Entwicklung aber auf die gegenwärtigen Erkenntnisse beschränkter Beobachter im Entscheidungszeitpunkt die Rechtswidrigkeit der Maßnahme, zu der sich der Vorstand entschlossen hat, nicht feststellen könnte. Der von Bachmann de lege ferenda vorgeschlagene Ersatz der „unternehmerischen Entscheidung“ durch den Begriff der „Ermessensentscheidung“41 führt, mangels schärferer inhaltlicher Konturen des letzteren, nicht weiter.42 Eine Streispielraum“ des Vorstands Holle, AG 2011, 778, 780 ff.; gegen die Voraussetzung einer Auswahl aus mehreren Alternativen Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 80, die eine unternehmerische Entscheidung auch dann annehmen wollen, wenn sich „der Entscheider tatsächlichen oder vermeintlichen faktischen Notwendigkeiten beugt.“ Dem Wortsinn nach fehlt es in solchen Fällen indes an einer Entscheidung, s. Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873. 40 Ebenso anscheinend Thümmel, DB 2004, 471, 472; a.A. Hauschka, ZRP 2004, 65, 66; Duve/Basak, BB 2006, 1345, 1349; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 82. 41 Bachmann, Gutachten zum 70 DJT, E 44. 42 Ebenso Paefgen, AG 2014, 554, 561 („überflüssig“).

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chung des Tatbestandsmerkmals der „unternehmerischen Entscheidung“ erscheint,43 da andernfalls nach hier vertretener Auffassung der vom Gesetzgeber intendierte Ausschluss rechtswidrigen Verhaltens im Falle „nützlicher Rechtsverletzungen“ aus dem Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht hinreichend gewährleistet wäre, nicht sinnvoll.44 2. Handeln zum Wohle der Gesellschaft Ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft soll nach der Gesetzesbegründung jedenfalls dann vorliegen, „wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient“, worin auch Tochtergesellschaften sowie der Gesamtkonzern einbezogen sein sollen.45 Ob darüber hinaus, wie für den ebenfalls weitgehend unbestimmt gebliebenen Maßstab des Unternehmensinteresses angenommen wird, auch öffentliche oder Arbeitnehmerinteressen zu berücksichtigen sind oder inwieweit beide Begriffe, der des Wohls der Gesellschaft und der des Unternehmensinteresses, deckungsgleich sind, braucht im Hinblick auf den Gegenstand der Untersuchung, „Grenzen“ der Vorstandshaftung auszuloten, nicht vertieft zu werden.46 Im Zeitpunkt der nachträglichen Beurteilung einer unternehmerischen Entscheidung wird sich, sonst stünde die Haftungsfrage nicht im Raum, herausgestellt haben, dass diese nicht dem Wohl der Gesellschaft entsprochen hat, ihr vielmehr ein Schaden entstanden ist.47 Daher wird sich die Frage, ob die Mitglieder des Vorstands im Entscheidungszeitpunkt „vernünftigerweise annehmen durften,“ dem Gesellschaftswohl entsprechend zu handeln, wesentlich darauf verdichten, ob diese davon ausgegangen sind, dass der später eingetretene Schaden nicht eintreten werde. Einen Vergleich mit anderen, ebenfalls in Betracht gekommenen Vorgehensweisen des Vorstands im Sinne eines „besser“ oder „schlechter“ sucht die Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gerade zu vermeiden. Zur Überprüfung steht eine, die konkret getroffene, Entscheidung des Vorstands. Daher kommt es auf die Konturen des „Wohls der Gesellschaft“ als Begrenzung des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule über die Vorgaben des Gesetzgebers hinaus hier nicht an. 43

So der Vorschlag Bachmanns, Gutachten zum 70. DJT, E 44, der u. a. auch das Handeln unter unklarer Rechtslage von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erfasst wissen will. 44 Ebenso wenig der Vorschlag in BDI/BDA/DIHK/GDV/BdB, Stellungnahme RefE UMAG, S. 7, den Begriff der „unternehmerischen Entscheidung“ durch „Geschäftsführungsmaßnahme“ zu ersetzen; aus diesem Grund auch krit. ggü. dem Begriff der „unternehmerischen Entscheidung“, in dem dies (zutreffend) ebenfalls nicht zum Ausdruck kommt Thümmel, DB 2004, 471, 472. 45 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 46 Siehe dazu Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 46 f.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 37; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 98; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 71 sowie die dortigen Nachweise. 47 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11.

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3. Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse a) Allgemeines In engem Zusammenhang mit dem Handeln zum Wohle der Gesellschaft, steht, zusammen mit der Subjektivierung durch „vernünftigerweise annehmen durfte“, das vom Gesetzgeber als implizite Voraussetzung der Inanspruchnahme des „sicheren Hafens“ des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG geregelte Merkmal des Handelns ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse. Wer sachfremde Interessen verfolgt, darf nicht „vernünftigerweise annehmen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“.48 Dementsprechend hat das Erfordernis vor allem klarstellende Funktion. Eine pflichtgemäße unternehmerische Entscheidung erfordert danach Unbefangenheit und Unabhängigkeit der beteiligten Vorstandsmitglieder. Interessenkonflikte, Einwirkungen Dritter oder eigene Interessen der beteiligten Geschäftsleiter dürfen deren Handeln nicht beeinflusst haben.49 Dabei stellt der Gesetzgeber auch klar, dass ein Handeln zum eigenen Vorteil oder zum Nutzen außerhalb der Gesellschaft stehender Personen die getroffene Entscheidung nur dann vom Anwendungsbereich der Business Judgment Rule ausnimmt, wenn diese Interessen vorrangig vor dem Wohl der Gesellschaft verfolgt werden; mittelbar sich daraus ergebende Vorteile sind demnach legitim.50 Nach der Gesetzesbegründung schließt das Vorliegen eines Interessenkonflikts die Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dann nicht notwendig aus, wenn dieser vor der Entscheidungsfindung offengelegt wurde und „unter diesen Umständen die Annahme[,] gleichwohl zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, vernünftig und nachvollziehbar erscheint.“51 b) Auswirkungen eines Interessenkonflikts eines Vorstandsmitglieds bei Kollektiventscheidungen Umstritten ist, ob ein nicht offengelegter Interessenkonflikt52 eines an der Entscheidung beteiligten Vorstandsmitglieds die Anwendung der Business Judgment Rule auch für den übrigen Vorstand ausschließt. 48 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; Blasche, AG 2010, 692. Dementsprechend wird das Fehlen solcher Interessen von Manchen auch in diesem Tatbestandsmerkmal verortet, so etwa U. H. Schneider, DB 2011, 99, 101; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 292 ff.; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 47; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 38; ausführlich zu den Rechtsfolgen eines Interessenkonflikts Harbarth, FS Hommelhoff, 2012, S. 323, 335 ff. 49 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 407; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 101; Blasche, AG 2010, 692; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 47. 50 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 51 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 52 Bsp. bei Winnen, Die Haftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 257 ff.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 299 ff.; Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 841 ff.; Paefgen, AG 2014, 554, 563.

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aa) Problemstellung und Meinungsstand Diesbezüglich wird eine Gefahr der Beeinflussung der Vorstandskollegen durch das befangene Vorstandsmitglied angenommen, die insbesondere bei einem nicht offengelegten oder sonst bekannten Interessenkonflikt bestehe.53 Überwiegend wird daher zumindest die Offenlegung dieser Tatsache durch ein befangenes Vorstandsmitglied für die Berufung der übrigen auf § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vorausgesetzt, wenn die Interessenkollision nicht allgemein bekannt war.54 Einige wollen auch bei einem den übrigen Vorstandsmitgliedern bekannten Interessenkonflikt den „sicheren Hafen“ der Business Judgment Rule für diese nur eröffnen, wenn der Betroffene weder an der Beschlussfassung noch einer vorhergehenden Diskussion im Vorstand mitgewirkt habe.55 Andere knüpfen an eine Befangenheit der entscheidungstragenden Mehrheit an und setzen dementsprechend voraus, dass die Entscheidung auch ohne die Mitwirkung des von einem Interessenkonflikt betroffenen Vorstandsmitglieds möglich gewesen wäre.56 Teilweise werden Interessenkonflikte einzelner Vorstandsmitglieder für die Frage der Anwendung der Business Judgment Rule auf ihre Vorstandskollegen insgesamt für unbeachtlich gehalten.57 Die Frage nach der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule für die unbefangenen Vorstandsmitglieder lässt sich rechtspolitisch darauf zuspitzen, ob es eher in Kauf zu nehmen sei, dass ein in einem Interessenkonflikt stehendes Vorstandsmitglied die übrigen, insbesondere in Unkenntnis dieser Tatsache, in seinem Sinne beeinflusst oder den übrigen den Zugang zum „sicheren Hafen“ des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu versagen.58 53 Blasche, AG 2010, 692, 693, 695; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 150; Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 248 ff.; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 273; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 38. 54 So namentlich Paefgen, AG 2004, 245, 253; Blasche, AG 2010, 692, 697 f.; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 276 f.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 38; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29. 55 So Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 248 ff.; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 22 f.; nur für nicht offengelegte oder allgemein bekannte Interessenkonflikte Blasche, AG 2010, 692, 695 f.; nur für offengelegte oder allgemein bekannte Interessenkonflikte bei Anwesenheit des betroffenen Vorstandsmitglieds bei der Beschlussfassung Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 416 f.; für einen umfassenden Ausschluss des betroffenen Vorstandsmitglied, anscheinend aber ohne Auswirkungen auf die Berufung auf § 93 Abs. 1 S. 2 AktG durch die übrigen Bunz, NZG 2011, 1294, 1296. 56 Katsas, Die Inhaltskontrolle unternehmerischer Entscheidungen, S. 154; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 322 f.; zusätzlich setzen Paefgen, AG 2004, 245, 253; ders., AG 2014, 554, 564; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 276 f. Offenlegung des Interessenkonflikts gegenüber der Vorstandsmehrheit voraus. 57 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 323 f.; Löbbe/ Fischbach, AG 2014, 717, 726 ff.; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 64; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29; grds. auch Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 26; anscheinend auch Bunz, NZG 2011, 1294, 1295. 58 Ähnl. Bunz, NZG 2011, 1294, 1295; Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 249.

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bb) Die Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds als Anknüpfungspunkt der Haftung Eine solche „Kollektivierung“59 der Befangenheit eines Vorstandsmitglieds ist indes abzulehnen.60 Sie würde eine unzulässige Zurechnung des Interessenkonflikts bedeuten und den Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG übermäßig einschränken.61 Der Gegenauffassung ist zuzugeben, dass es im Einzelfall äußerst schwierig sein kann, nachzuvollziehen, in welcher Weise sich Äußerungen des befangenen Vorstandsmitglieds auf eine Entscheidungsfindung ausgewirkt haben.62 Weiterhin wird zutreffend angenommen, die Treupflicht gegenüber der Gesellschaft verpflichte Vorstandsmitglieder zur Offenlegung bestehender Interessenkonflikte.63 Daraus zu schließen, ein Interessenkonflikt eines an einer Entscheidung beteiligten Vorstandsmitglieds „infiziere“64 den gesamten Vorstand und in der Folge die getroffene Entscheidung, wodurch die Berufung sämtlicher Mitglieder auf § 93 Abs. 1 S. 2 AktG versperrt sei, erscheint indessen verfehlt. Die sich stellende Frage ist nicht die nach der Wirksamkeit eines unter Mitwirkung eines befangenen Vorstandsmitglieds zustande gekommenen Beschlusses, sondern die nach einer Schadensersatzhaftung, sodass hier andere Voraussetzungen gelten können.65 Der Tatbestand des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bezieht sich, wie auch die Sorgfaltspflicht des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, nicht auf den Vorstand als Gesamtorgan oder die unternehmerische 59 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 64; ähnl. Bunz, NZG 2011, 1294, 1295: „Kollektivprüfung“. 60 Siehe die Nachweise in Fn. 57. 61 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 64; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29. 62 Damit begründen Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 249; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 23; Blasche, AG 2010, 692, 695; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 273 die Unanwendbarkeit der Business Judgment Rule auf den gesamten Vorstand, wenn ein befangenes Vorstandsmitglied an der Entscheidung oder ihrer Vorbereitung beteiligt war. 63 Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 23; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 725; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 150; Katsas, Die Inhaltskontrolle unternehmerischer Entscheidungen, S. 154; Blasche, AG 2010, 692, 698; Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 404; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 124; Habersack, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 93 (zum Aufsichtsrat); allg. Hopt, ZGR 2004, 1, 25; vgl. auch Ziff. 4.3.4, 5.5.2 DCGK, dazu Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 808. Vgl. auch 2. Teil C. II. 3. 64 Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 248. 65 Ebenso Katsas, Die Inhaltskontrolle unternehmerischer Entscheidungen, S. 154; grds. auch Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 411 ff., der zwischen den Funktionen der Business Judgment Rule bei der Haftung des einzelnen Vorstandsmitglieds und dem Bestand eines Beschlusses insgesamt differenziert und nur im letzteren Fall die Befangenheit eines einzelnen Vorstandsmitglieds als schädlich ansieht; a.A. Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 322. Auf die Auswirkungen einer Interessenkollision auf die Stimmberechtigung des betreffenden Vorstandsmitglieds sowie die Wirksamkeit von Vorstandsbeschlüssen soll hier nicht eingegangen werden.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Entscheidung als solche, sondern auf das (einzelne) Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung.66 Zwar impliziert das Nichteingreifen der Business Judgment Rule grundsätzlich nicht das Vorliegen einer Pflichtverletzung der betreffenden Vorstandsmitglieder.67 Es erscheint aber als begründungsbedürftiger systematischer Bruch, einerseits hinsichtlich der Pflichtverletzung, wie stets, an das Verhalten des einzelnen Vorstandsmitglieds anzuknüpfen, für die Frage der Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG aber auf den Vorstand insgesamt oder die getroffene Entscheidung abzustellen.68 cc) Schutz der Gesellschaft durch die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG Allein der Ausnahmecharakter der Regelung erscheint angesichts der Beweislastverteilung nicht als hinreichender Grund, obliegt doch den Vorstandsmitgliedern der Beweis, ohne Einfluss von Sonderinteressen, mithin unbeeinflusst vom Interessenkonflikt ihres Kollegen, gehandelt zu haben,69 wodurch die Gesellschaft hinreichend geschützt ist.70 Deshalb taugt in diesem Punkt die US-amerikanische business judgment rule, deren Schutz bereits bei Vorliegen eines Sonderinteresses eines directors, der entweder dominierenden Einfluss oder seinen Interessenkonflikt nicht offengelegt hat, oder wenn die Abstimmungsmehrheit davon betroffen ist, für das gesamte board entfällt,71 nicht als Vorbild.72 Das US-amerikanische Recht geht von einer prozessualen Vermutung zugunsten des Vorliegens der Voraussetzungen der business 66 Darauf weisen auch Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 408, 409 f.; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717 f. hin. 67 Dies betonen auch Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 249; Blasche, AG 2010, 692, 693 f.; Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 414; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 274. 68 Deutlich Bunz, NZG 2011, 1294, 1295; ebenso Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 64; Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 408; a.A. Paefgen, AG 2004, 245, 253 unter Berufung auf die Zwecke der Business Judgment Rule. 69 Zur Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG noch im 4. Teil B. I. 70 A.A. Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 249. 71 Cinerama Inc. v. Technicolor Inc., 663 A.2d 1156 (1168) (Del. 1995): „The Court of Chancery concluded that a material interest of ,one or more directors less than a majority of those voting‘ would rebut the application of the business judgment rule if the plaintiff proved that ,the interested director controls or dominates the board as a whole or [that] the interested director fail[ed] to disclose his interest in the transaction to the board and a reasonable board member would have regarded the existence of the material interest as a significant fact in the evaluation of the proposed transaction.‘ […] We hold that the Court of Chancery’s conclusion is correct, as a matter of law.“; vgl. auch Revlon Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, 506 A.2d 173 (180 Fn. 10) (Del. 1986); Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 411 ff. 72 Ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29.

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judgment rule aus, für deren Widerlegung den Kläger die Darlegungs- und Beweislast trifft.73 dd) „Kollektivierung“ der Befangenheit in Widerspruch zum Regelungszweck des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Ein Ausschluss der Berufung auf die Business Judgment Rule für sämtliche beteiligte Vorstandsmitglieder bei Mitwirkung eines befangenen Kollegen an einer Entscheidung führte dagegen zu erheblichen, durch die unbefangenen nicht sicher zu beseitigenden oder zu verhütenden Unsicherheiten, die das Ziel der Regelung, die Eingehung sinnvoller unternehmerischer Risiken zu fördern, indem die Beteiligten nicht fürchten müssen, für einen aus einer unglücklichen Marktentwicklung resultierenden Misserfolg der Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, erheblich beeinträchtigen würden. Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG besteht zumindest die Möglichkeit, sich durch eine hinreichende Dokumentation abzusichern oder, im Fall einer Entscheidung unter Rechtsunsicherheit, zumindest ein Anhaltspunkt, dass die Business Judgment Rule möglicherweise nicht eingreifen könnte, mithin die Notwendigkeit besteht, im Streitfall zu belegen, dass das Mögliche getan wurde, um die Rechtslage aufzuklären. Anders verhielte sich dies beim Vorliegen eines Interessenkonflikts eines anderen Vorstandsmitglieds: eine unerkannte und auch nicht erkennbar gewesene Befangenheit führte hier zum Wegfall des Schutzes der Business Judgment Rule, ohne dass die Betroffenen dies hätten vorhersehen oder wirksam verhüten können.74 Trotz der Offenlegungspflicht als Ausprägung der organschaftlichen Treupflicht liegt es bei nicht erkennbaren Interessenkollisionen eines Vorstandsmitglieds letztendlich allein in dessen Hand, sich zu offenbaren oder dies zu unterlassen.75 Die übrigen Vor73

Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (812) (Del., 1984): „It is a presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interests of the company. Absent an abuse of discretion, that judgment will be respected by the courts. The burden is on the party challenging the decision to establish facts rebutting the presumption.“; Kaplan v. Centex Corp., 284 A.2d 119 (124) (Del. Ch. 1971): „The burden of showing the existence of bad faith or abuse of discretion rests upon the plaintiff who charges that the corporate action was taken. The acts of directors are presumptively acts taken in good faith and inspired for the best interests of the corporation, and a minority stockholder who challenge(d) the Bona fides of purpose has the burden of proof.“ Dazu auch Ulmer, DB 2004, 859, 860; M. Roth, BB 2004, 1066, 1067 sowie unter 3. Teil A. III. 5. c) cc) (2) (a). 74 So auch Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 411; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 727. 75 Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 276 weist zudem auf die Gefahr hin, dass ein befangenes Vorstandsmitglied sich weigern könnte, den Beratungen und der Beschlussfassung fern zu bleiben. Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 251 verweist die übrigen Vorstandsmitglieder darauf, „sich etwa bei Verträgen mit Gesellschaften über die dahinter stehenden Personen zu informieren“; ähnl. Blasche, AG 2010, 692, 697. Dies wird aber nicht immer überhaupt oder bei eilbedürftigen Entscheidungen innerhalb des zur Verfügung stehenden Zeitfensters möglich sein; im Ergebnis bleibt es daher dabei, dass sich die unbefangenen Vorstandsmitglieder diesbezüglich „nicht sicher sein können“, Lutter, ebd.

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standsmitglieder wären dem zunächst weitgehend schutzlos ausgeliefert; in Betracht kommt allenfalls ein Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern, auch dann sähen sich die Unbefangenen aber in einem ersten Schritt der Haftung gegenüber der Gesellschaft ausgesetzt, die durchaus einen Umfang erreichen kann, der von dem Vorstandskollegen im Regresswege niemals erlangt werden könnte. Der Zweck der Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG soll gerade dadurch verwirklicht werden, dass Vorstandsmitglieder, die die Anforderungen an den Entscheidungsfindungsprozess einhalten, sich darauf verlassen können sollen, nicht für einen unglücklichen Ausgang haftbar zu sein.76 Führen Gegebenheiten dieses Vorgangs, auf die sie selbst keinen Einfluss nehmen können, zum Ausschluss dieses Schutzes, kann dieses Ziel nicht verwirklicht werden. Dementsprechend liefe die Business Judgment Rule – ausgehend davon, dass Kollegialentscheidungen den Regelfall unternehmerischen Handelns des Vorstands bilden – weitgehend leer.77 ee) Schlussfolgerungen und Ergebnis Ein Ausschluss des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kommt somit nur dann in Betracht, wenn die unbefangenen Vorstandsmitglieder selbst nicht mehr „vernünftigerweise annehmen durften“, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.78 Dies wird zum einen dann der Fall sein, wenn ihnen der Interessenkonflikt eines Kollegen bekannt oder erkennbar war und sie dessen Mitwirkung an einem Vorstandsbeschluss, aufgrund dessen es zu einer Schädigung der Gesellschaft gekommen ist, nicht verhindert haben und dessen Stimme für das Beschlussergebnis erheblich war.79 Ebenso dann, wenn an sich unbefangene Vorstandsmitglieder unter dem Einfluss des von einem Interessenwiderstreit betroffenen Kollegen im Sinne der mit dem Wohl der Gesellschaft konfligierenden Position entschieden haben und ihnen zumindest erkennbar war, dass sie hierbei Fremdinteressen den Vorrang vor dem Gesellschaftswohl einräumten.80 Dementsprechend ist auch ein offengelegter Interessenkonflikt eines an der Entscheidungsvorbereitung mitwirkenden Vorstandsmitglieds kein Grund für einen Ausschluss der Business Judgment Rule für alle übrigen Vorstandsmitglieder –

76 Hierauf stellen auch Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 150; Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 409; 410 f. entscheidend ab. 77 Ebenso Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 410 f.; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 727 f. 78 I.Erg. ebenso Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 324; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 725 ff. Dass die unbefangenen Vorstandsmitglieder in ihrer Unbefangenheit durch einen nicht offengelegten Interessenkonflikt eines Kollegen nicht betroffen sind, erkennen auch die Vertreter der Gegenauffassung an, geben aber den Interessen der Gesellschaft i.Erg. den Vorzug; vgl. Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 249; Blasche, AG 2010, 692, 695 f. (ungeschriebener Ausschlussgrund). 79 So bei Bunz, NZG 2011, 1294 (Fall 3), 1296. 80 Ähnl. Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 64. Die stets gegebene Verpflichtung der übrigen Vorstandsmitglieder, Äußerungen ihrer Kollegen mit der nötigen kritischen Distanz zu hinterfragen, betonen auch Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 726.

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diese sind allein dem Gesellschaftswohl verpflichtet und haben dementsprechend die Aussagen und Beiträge des Kollegen kritisch zu hinterfragen.81 Entscheidend ist in allen Fällen ausschließlich, ob ein Vorstandsmitglied bei seiner Entscheidung davon ausgehen durfte, dem Wohl der Gesellschaft entsprechend zu handeln.82 Dem Einwand, „so einfach“ könne sich niemand dem Einfluss des Vorstandskollegen entziehen,83 kann durch die geltende Beweislastregelung Rechnung getragen werden, indem die übrigen Vorstandsmitglieder darzulegen und zu beweisen haben, dass sie sich nicht von Drittinteressen des Befangenen haben beeinflussen lassen.84 Die Interessen der Gesellschaft an unbefangenen Vorstandsentscheidungen werden durch die Beweislastverteilung ausreichend und ohne systematische Verwerfungen gewahrt. Dieses Ergebnis dürfte auch der Auffassung des Gesetzgebers des UMAG entsprechen, der es sogar hinsichtlich des einem Interessenkonflikt unterliegenden Vorstandsmitglieds unter der Voraussetzung der vorherigen Offenlegung ausnahmsweise für möglich hält, dass dieses nachvollziehbar annehmen konnte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.85 4. Angemessene Informationsgrundlage Das Erfordernis ausreichender Informationen für eine pflichtgemäße unternehmerische Entscheidung entspricht als solches allgemeiner Meinung.86 Die Anfor81

Ebenso Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 323; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 323; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 276; Paefgen, AG 2014, 554, 564; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 727; grds. auch Blasche, AG 2010, 692, 697 f.; Mertens/ Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29; krit. bzgl. dieser Fähigkeit der Vorstandsmitglieder Bunz, NZG 2011, 1294, 1296; grds. auch Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 414, ohne hieran – mangels alternativen Entscheidungsträgers – Folgen zu knüpfen. 82 Ebenso Bunz, NZG 2011, 1294, 1295; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 726 f.; Mertens/ Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 29; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 150; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 64; im Grds. auch Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 409, 416 f., der dies allerdings dann für ausgeschlossen hält, wenn bei einem offengelegten oder allgemein bekannten Interessenkonflikt das betroffene Vorstandsmitglied bei der Beschlussfassung anwesend war. 83 Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 249. 84 Ebenso für offengelegte oder allgemein bekannte Interessenkonflikte Blasche, AG 2010, 692, 698. Die Aussage, Lutters, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 249 f., die Rechtsordnung vermute für die nicht dem Interessenkonflikt unterliegenden Vorstandsmitglieder unwiderleglich, dass diese unbeeinflusst entscheiden hätten, lässt diese Beweislastverteilung unberücksichtigt. Die Beweislast vernachlässigt auch Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 307. 85 Vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 86 Statt aller BGHZ 135, 244, 253; BGH NJW 2008, 3361 Rn. 11; BGH NZG 2009, 117 Rn. 3; NZG 2011, 549 Rn. 19; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 223 f.; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 196, 199 f.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 202; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 48; Florstedt, AG 2010, 315, 317 f.;

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derungen, die § 93 Abs. 1 S. 2 AktG an die Informationsgrundlage und die Pflichtgemäßheit einer aufgrund bestimmter Erkenntnisse getroffenen unternehmerischen Entscheidung stellt, sind im Folgenden zu erörtern. a) Anforderungen an die Angemessenheit der Informationsgrundlage aa) Gesetzesbegründung und Schrifttum Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit soll den Bezug der für eine den Anforderungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechenden Entscheidung vorauszusetzenden Informationen zu den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls herstellen. Insbesondere wollte der Gesetzgeber keine Verrechtlichung oder (Schein-)Objektivierung unternehmerischen Entscheidens herbeiführen, sondern auch dem Umstand Rechnung tragen, dass solche Vorgänge „häufig auch auf Instinkt, Erfahrung, Phantasie und Gespür für künftige Entwicklungen und einem Gefühl für die Märkte und die Reaktion der Abnehmer und Konkurrenten“ beruhten, die sich nicht in vollem Umfang durch objektive Daten ersetzen ließen.87 Darüber hinaus soll das Erfordernis lediglich angemessener, nicht zwingend umfassender Information deutlich machen, dass bei Entscheidungen, die unter hohem, durch äußere Gegebenheiten bedingtem Zeitdruck getroffen werden müssen, eine umfassende Vorbereitung im Sinne einer erschöpfenden Informationsbeschaffung schwierig oder tatsächlich ausgeschlossen sein kann.88 Neben den zeitlichen Umständen sollen das Gewicht und die Art der anstehenden Entscheidung von Bedeutung für die an angemessene Informationen zu stellenden Anforderungen sein.89 Grundsätzlich wird der Vorstand dabei für verpflichtet gehalten, alle zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen.90 Gefordert wird aber auch hier eine Peters, AG 2010, 811; Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 840 f.; Lutter, ZIP 2007, 841, 844; Thümmel, DB 2004, 471, 472; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 34; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 104; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 20; Scholz/U. H. Schneider GmbHG, § 43 Rn. 58. 87 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11 f. 88 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 12; vgl. auch Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 69; Kindler, FS Goette, 2011, S. 231, 232 f.; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 81 ff.; Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 841; ders., ZIP 2004, 685, 691; Redeke, NZG 2009, 496 f; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 444; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 102, 104 f.; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 48. 89 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 12; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 34; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 33; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 20; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 73. 90 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 69; Goette, FS BGH, 2000, S. 123, 140; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 106; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 48; Lang/ Balzer, WM 2012, 1167, 1168; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 34; Scholz/U. H. Schneider GmbHG, § 43 Rn. 58; krit. M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 81 ff.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 105.

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Abwägung zwischen dem zu erwartenden Nutzen weiterer Ermittlungen und den der Gesellschaft dadurch entstehenden Kosten,91 wodurch die grundsätzlich angenommene umfassende Ermittlungspflicht deutlich relativiert wird,92 sodass die Bewertung einer gegebenen Informationsgrundlage als angemessen im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nur anhand der konkreten Entscheidungssituation erfolgen kann93 und diesbezügliche Vorgaben zu einer nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich zu verhindernden Verrechtlichung des Entscheidungsfindungsprozesses94 führen würden.95 bb) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs In diesem Zusammenhang sind mehrere Entscheidungen des BGH auf teils heftige Kritik der Literatur gestoßen, in deren Begründung er als Voraussetzung einer Haftungsprivilegierung unternehmerischer Ermessensentscheidungen angenommen hatte, dass „in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen und auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen [seien] und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen“ sei.96 Ein derart umfassendes Informationserfordernis gehe über die gesetzliche Anforderung einer „angemessenen“ Informationsgrundlage hinaus und sei daher nicht haltbar.97 Dem ist 91 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 48; Merkt, FS Hommelhoff, 2012, S. 711, 715; Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 841; ders., ZIP 2004, 685, 691; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 73; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 201; J.-H. Binder, AG 2012, 885, 891; Lang/Balzer, WM 2012, 1167, 1168; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 591; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 33; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 13; Scholz/ U. H. Schneider GmbHG, § 43 Rn. 58. 92 Dementsprechend bezeichnen Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2282 den Grundsatz auch als bloßes „Lippenbekenntnis“. 93 Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 201, mit zur Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit heranzuziehenden Kriterien S. 204 ff.; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 48; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 34; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 591; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 13. 94 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 12. 95 Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 179, der dementsprechend das Erfordernis angemessener Information als „Achillesferse“ der Regelung bezeichnet. 96 BGH NJW 2008, 3361 Rn. 11 (zum GmbH-Geschäftsführer); vgl. BGHZ 94, 18 (zur Pflicht des Geschäftsführers einer Innungskrankenkasse, bei eigener Unkenntnis sachkundigen Rat heranzuziehen). 97 Fleischer, NJW 2009, 2337, 2339; Emde, FS U. H. Schneider, 2011, S. 295, 316, 319 f.; Fest, NZG 2011, 540, 541; Redeke, NZG 2009, 496 ff.; J.-H. Binder, AG 2012, 885, 891; Cahn, WM 2013, 1293, 1298; Paefgen, AG 2014, 554, 561; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801; Merkt, FS Hommelhoff, 2012, S. 711, 715; Kindler, FS Goette, 2011, S. 231, 232 f.; Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 866; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 200; Hopt; ZIP 2013, 1793, 1801; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 101; Kocher, CCZ 2009,

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

zuzustimmen. Unklar ist aber, ob die Entscheidungsgründe so zu verstehen sind, dass eine im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG angemessene Informationsgrundlage stets die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen voraussetzt. Aus dem veröffentlichten Sachverhalt der zitierten Entscheidung aus dem Jahr 2008 ist eine zeitliche Einordnung nicht möglich, der BGH verweist aber auf Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach im Jahr 1999 die schädigenden Handlungen beendet gewesen seien.98 Der Entscheidung war daher nicht der erst im November 2005 in Kraft getretene § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zugrunde zu legen,99 sodass der BGH von den in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung entwickelten Grundsätzen ausgehen musste, die lediglich eine sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen ohne nähere Eingrenzung voraussetzen.100 Der Urteilsbegründung kann daher keine Aussage des BGH zum Inhalt des Tatbestandsmerkmals der „angemessenen Information“ entnommen werden. Ferner kann die Bezugnahme auf die „konkrete Entscheidungssituation“ durchaus im Sinne einer Einschränkung einer umfassenden Ermittlung verstanden werden, indem lediglich die in dieser Situation verfügbaren Informationsquellen angesprochen sind.101 Zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen enthielten, obwohl auch ihnen nach allgemeinen Grundsätzen nicht die Rechtslage nach dem UMAG zugrunde zu legen war, lediglich den Hinweis auf das Erfordernis einer „sorgfältigen“ Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen, im Anschluss an das „ARAG/Garmenbeck“-Urteil102 bzw. einer angemessenen Informa-

215, 220 f.; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 648; Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 40; ders., WM 2015, 105, 110; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 105; Drygala/ Staake/Szalai, § 21 Rn. 86; vgl. auch Graef, GmbHR 2011, R 161 f., der aufgrund der unklaren Rechtsprechungslinie ein klärendes gesetzgeberisches Eingreifen fordert. 98 BGH NJW 2008, 3361 Rn. 13. 99 Gem. Art. 3 UMAG, BGBl. I 2005, S. 2802, 2808, ist Art. 1 Nr. 1a UMAG, durch den § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eingeführt wurde, am 01. 11. 2005 in Kraft getreten. Mangels einer Übergangsregelung oder anderweitiger Anhaltspunkte zur zeitlichen Anwendbarkeit der Vorschrift ist auf den in Art. 170 EGBGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, dass ein Schuldverhältnis im Grundsatz nach dem bei seiner Entstehung geltenden Recht zu beurteilen ist, zurückzugreifen; vgl. dazu Hönle/Hönle, in: Staudinger (2012), Art. 170 EGBGB Rn. 4 f.; Krüger, in: MüKoBGB, 5. Aufl. 2010, Art. 170 EGBGB Rn. 3. Demnach ist § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erst auf Sachverhalte ab dem 01. 11. 2005 anzuwenden; ebenso OLG Celle, WM 2008, 1745, 1746; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2282; Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 3; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801. 100 Vgl. BGHZ 135, 244, 253; dennoch krit. ggü. den Entscheidungsgründen von BGH NJW 2008, 3361 die sich nicht auf diese Grundsätze beziehen, sondern auf einen Beitrag Goettes (FS BGH, 2000, S. 123, 140 f.), der rechtlich gebundene Entscheidungssachverhalte thematisiert Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2282. Zum Verständnis des „ARAG/Garmenbeck“-Urteils im Hinblick auf die Informationsgrundlage s. u. unter 3. Teil A. III. 4. b) cc). 101 Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 20; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 591; dies andeutend auch Cahn, WM 2013, 1293, 1298; J.-H. Binder, AG 2012, 885, 891; anders v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 648: ex post-Betrachtung. 102 Siehe BGH NZG 2009, 117 Rn. 3.

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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tionsgrundlage unter Verweis auf § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.103 Daher wurde zu Recht von einer Übereinstimmung mit der herrschenden Literaturauffassung ausgegangen.104 Verwunderlich erscheint dagegen eine Entscheidung aus dem Jahr 2013, in der der BGH, zwar zum GmbH-Geschäftsführer, auf den die Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nach allgemeiner Meinung aber mit lediglich den Unterschieden zum Vorstand der Aktiengesellschaft Rechnung tragenden Anpassungen entsprechende Anwendung finden soll,105 erneut nicht auf die gesetzlich geregelten Voraussetzungen der Business Judgment Rule, sondern, auch unter Verweis auf die entsprechenden Entscheidungen, die „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze – auf die aber auch eine Entscheidung aus dem Jahr 2011, in der der BGH von den Anforderungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausging, obwohl sich der Sachverhalt vor 2005 ereignet hatte, verweist106 – Bezug nimmt.107 Auch die diesem Urteil zugrunde liegenden Pflichtverletzungen ereigneten sich aber vor dem Inkrafttreten des UMAG, sodass auch hier § 93 Abs. 1 S. 2 AktG keine Geltung beanspruchen konnte.108 Es wird aber auch nicht ersichtlich, dass hiermit eine Rechtsprechungsänderung bezüglich der Anforderungen an pflichtgemäße unternehmerische Entscheidungen des GmbH-Geschäftsführers verbunden sein sollte. Die Hintergründe dieser Urteilsbegründung bleiben damit, bis nachfolgende Entscheidungen zeigen können, welche Linie der BGH nunmehr einschlägt, im Dunkeln.109 Angesichts der Verwendung der Formulierung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Übrigen, mit denen das Urteil auch inhaltlich übereinstimmt, erscheint die These, es handle sich um eine unbedachte Übernahme aus einer älteren Entscheidung, plausibel.110 Eindeutige Feststellungen hinsichtlich der Anforderungen der Rechtsprechung an eine § 93 Abs. 1 S. 2 AktG genügende Informationsgrundlage sind daher zur Zeit nicht möglich. Insbesondere

103 Siehe BGH NZG 2011, 549 Rn. 19; in diesem Sinne auch OLG Frankfurt a. M., WM 2011, 2279, 2283. 104 Siehe Bachmann, NZG 2013, 1121, 1124; ders., ZHR 177 (2013), 1, 3; ders., WM 2015, 105, 110; Kindler, FS Goette, 2011, S. 231, 233; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 105; i.Erg. auch Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 20. 105 Bereits vor dem UMAG BGH NJW 2008, 3361 Rn. 11; auch BGH NJW 2013, 3636 Rn. 27 geht vom Wortlaut des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG aus, allerdings, ohne die Vorschrift zu benennen; der BGH hält die Anwendung auf den GmbH-Geschäftsführer demnach anscheinend nicht für begründungsbedürftig. s. auch Bachmann, NZG 2013, 1121, 1122 f.; Bayer, GmbHR 2014, 897, 898; Scholz/U. H. Schneider GmbHG, § 43 Rn. 54; Fleischer, in: MüKoGmbHG, § 43 Rn. 66 ff.; Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 58; Oetker, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 27. 106 Siehe BGH NZG 2011, 549 Rn. 19. 107 BGH NJW 2013, 3636 Rn. 30. 108 Der zugrunde liegende Sachverhalt bezieht sich auf das Jahr 2004 bis Sommer 2005; dazu auch Bachmann, NZG 2013, 1121, 1123. 109 Auch Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 20; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 105 beschränken sich auf einen Hinweis auf die Entscheidung. 110 So Bachmann, NZG 2013, 1121, 1123.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

fehlt es nach wie vor an einer Entscheidung, der § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als anzuwendendes Recht zugrunde zu legen war. b) „Sicherer Hafen“ auch für die Beurteilung der Angemessenheit der Informationsgrundlage – „vernünftige“ Annahme oder objektive Angemessenheit? Für die der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegende Fragestellung ist für das Tatbestandsmerkmal der „Grundlage angemessener Information“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG die Frage der Beurteilungsperspektive, von der eine gerichtliche Überprüfung einer unternehmerischen Entscheidung auszugehen hat, von Bedeutung. Diesbezüglich herrscht Uneinigkeit, ob eine pflichtgemäße unternehmerische Entscheidung voraussetzt, dass das Vorstandsmitglied aufgrund objektiv vorhandener angemessener Information „vernünftigerweise“ angenommen haben durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln,111 oder ob bereits die Angemessenheit der als tatsächliche Entscheidungsgrundlage vorhandenen Informationen aus dem Blickwinkel des Vorstandsmitglieds zu beurteilen ist, dieses mithin lediglich angenommen haben musste und dies „vernünftigerweise“ auch durfte, die gegebenen Erkenntnisse bildeten eine angemessene Informationsgrundlage.112 aa) Wortlaut Der Wortlaut des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, „vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ legt 111 So Goette, ZGR 2008, 436, 447 f.; Roth/Altmeppen, 7. Aufl. 2012, § 43 Rn. 9 (Goette zust.); für eine Regelung in diesem Sinne im Gesetzgebungsverfahren zum UMAG Ulmer, DB 2004, 859, 862; Thümmel, DB 2004, 471, 472; Ihrig, WM 2004, 2098, 2106; Hauschka, ZRP 2004, 65, 67; Semler, AG 2005, 321, 325; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2004, 555, 556; zu noch nicht nach dem UMAG zu beurteilenden Sachverhalten auch BGH NJW 2008, 3362 Rn. 11; BGH NZG 2009, 117 Rn. 3; vor Inkrafttreten des UMAG BGHZ 135, 244, 253; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 69; Westermann, in: Karlsruher Forum Haftung und Zurechnung im Unternehmensbereich, S. 15, 19; Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 840; wohl auch Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 106 f. 112 So BGH NZG 2011, 549 Rn. 19; Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 90 f.; Paefgen, AG 2014, 554, 561; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801; Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 3; ders., FS Stilz, 2014, S. 25, 39; ders., WM 2015, 105, 109 f.; Fleischer, ZIP 2004, 685, 691; ders., NJW 2009, 2337, 2339; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 74; Fest, NZG 2011, 540, 541; Lang/Balzer, WM 2012, 1167, 1168; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 591; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 101; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 196; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 209 f.; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 48; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 22; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 35; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 20; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 32; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 13; unklar BGH NJW 2013, 3636 Rn. 27 ggü. Rn. 30.

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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ein Verständnis in dem Sinne nahe, dass eine Pflichtverletzung nicht vorliegen soll, wenn das Vorstandsmitglied „vernünftigerweise annehmen durfte“, auf Grundlage angemessener Information und zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Die eine tatsächlich angemessene Informationsgrundlage voraussetzende Lesart, das Vorstandsmitglied habe auf Grundlage angemessener Information „vernünftigerweise“ annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, erscheint nicht gänzlich ausgeschlossen, entspricht aber keinesfalls dem allgemeinen grammatikalischen Verständnis des Bezugs der Satzglieder aufeinander.113 Das hier befürwortete Ergebnis der Wortlautauslegung erscheint anscheinend auch dem Gesetzgeber nicht zwingend. Während sich die Gesetzesbegründung des UMAG für § 93 Abs. 1 S. 2 AktG deutlich für das hiesige Verständnis ausspricht,114 will der Gesetzgeber „vernünftigerweise annehmen durfte“, ebenfalls gefolgt von zwei weiteren Voraussetzungen – „auf der Grundlage angemessener Informationen“ und „die Ziele des Gesetzes zu erreichen“ – in § 46c KWG, der die Haftung der BaFin für Maßnahmen nach §§ 45 ff. KWG betrifft,115 abweichend verstanden wissen. Abgesehen von den unterschiedlichen Voraussetzungen im Anschluss an „vernünftigerweise annehmen durfte“ unterscheiden sich § 46c Abs. 2 S. 2 KWG und § 93 Abs. 1 S. 2 AktG lediglich durch ein „soweit“ im KWG von einem „wenn“ im Aktiengesetz im einleitenden Halbsatz, der allerdings für die Reichweite des „vernünftigerweise annehmen durfte“ ersichtlich ohne Bedeutung bleibt. Zu der Vorschrift des KWG führt die Gesetzesbegründung aus, die BaFin müsse „ihre Befugnisse in gutem Glauben und auf der Basis angemessener Informationen und zur Erreichung der Ziele des Gesetzes entsprechend ausgeübt“116 haben. Trotz der unterschiedlichen Haftungsvoraussetzungen der BaFin und der Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft wäre an sich eine Gleichbedeutung der in dem fraglichen Punkt identischen Formulierungen zu erwarten gewesen. Dennoch liegt das hier befürwortete Verständnis bei unbefangener Betrachtung des Wortlauts des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als Ergebnis der grammatikalischen Auslegung näher.

113 Dementsprechend bemängeln auch Goette, ZGR 2008, 436, 447 f.; Roth/Altmeppen, 7. Aufl. 2012, § 43 Rn. 9 den „falschen“ Standort des „vernünftigerweise annehmen durfte“; wie hier zum Wortlaut Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801; Paefgen, AG 2014, 554, 561 f.; Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 39; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 209 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 90 f. 114 Dazu sogleich unter 3. Teil A. III. 4. b) bb). 115 Lindemann, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, 4. Aufl. 2012, § 46c Rn. 12; die Gesetzesbegründung legt sogar eine Beschränkung lediglich auf § 46 KWG nahe: Begr. RegE Restrukturierungsgesetz v. 27. 09. 2010, BT-Drs. 17/3024, S. 61. 116 Begr. RegE Restrukturierungsgesetz v. 27. 09. 2010, BT-Drs. 17/3024, S. 61. Hervorhebung durch die Verf.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

bb) Gesetzesbegründung Der Gesetzgeber des UMAG möchte die Formulierung „vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ in dem Sinne verstanden wissen, dass das Vorstandsmitglied lediglich angenommen haben muss, die Entscheidung auf einer solchen Grundlage getroffen zu haben.117 Angesichts der besonderen Anforderungen, die die unternehmerische Tätigkeit an die Vorstandsmitglieder stelle,118 werde „auf die vom Vorstandsmitglied vernünftigerweise als angemessen erachtete Information“ abgestellt. Dadurch werde dem Vorstand „in den Grenzen seiner Sorgfaltspflichten ein erheblicher Spielraum eingeräumt, den Informationsbedarf abzuwägen und sich selbst eine Annahme dazu zu bilden.“119 cc) Die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH als Vorbild der gesetzlichen Regelung In der Begründung der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung führt der II. Zivilsenat aus, eine Schadensersatzpflicht des Vorstands für eine unglückliche „Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens“ komme erst in Betracht, „wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten“120 seien. Obwohl durch „deutlich überschritten“ eine erhebliche Relativierung der Anforderungen, die an das Verhalten der Vorstandsmitglieder gestellt werden, erfolgt, sind diese Ausführungen wohl so zu verstehen, dass „ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes“ und „auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes“ das geforderte von Verantwortungsbewusstsein getragene unternehmerische Handeln näher umschreiben sollen.121 Es wird mithin eine objektiv sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen verlangt, sodass § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, sollten darin die „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze kodifiziert werden, an sich an der entscheidenden Stelle „auf Grundlage angemessener Information vernünftigerweise annehmen durfte […]“ lauten müsste.122 117

Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11 f. Zu den Gesichtspunkten, denen das Erfordernis der Angemessenheit Rechnung tragen soll, s. bereits oben unter 3. Teil A. III. 4. a) aa). 119 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 12. 120 BGHZ 135, 244, 253. 121 Von demselben Verständnis ausgehend BGH NJW 2008, 3361 Rn. 11; BGH NZG 2009, 117 Rn. 3: „für die Ausübung unternehmerischen Ermessens ist erst dann Raum, wenn der Vorstand die Entscheidungsgrundlagen sorgfältig ermittelt […] hat“ (Hervorhebung durch die Verf.); Goette, ZGR 2008, 436, 447 f.; Horn, ZIP 1997, 1129, 1135. 122 Ebenso Goette, ZGR 2008, 436, 448 Fn. 46; Ulmer, DB 2004, 859, 861; anders Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 212 Fn. 763; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 83. 118

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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dd) Die business judgment Rule US-amerikanischer Prägung als Vorbild der gesetzlichen Regelung In der Formulierung der Principles of Corporate Governance des American Law Institute, § 4.01. (c) (2), erfüllt ein director seine Sorgfaltspflicht bei einer gutgläubig (in good faith) vorgenommenen unternehmerischen Entscheidung (business judgment) wenn er hinsichtlich des Gegenstands der Entscheidung in dem Ausmaß informiert ist, das er unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise (reasonably) für angemessen hält.123 Die Angemessenheit der Entscheidungsgrundlage ist demnach aus der Sicht des Handelnden zu beurteilen.124 Die Rechtsprechung des US-Bundesstaates Delaware stellt ähnliche Anforderungen, indem den directors lediglich abverlangt wird, die vernünftigerweise verfügbaren (reasonably available) Informationen bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Dieses zunächst objektive Kriterium wird aber dadurch eingeschränkt, dass der Schutz durch die business judgment rule nur dann entfallen soll, wenn die directors vernünftigerweise verfügbare Informationen grob fahrlässig (grossly negligent) unberücksichtigt gelassen haben.125 Der Delaware Supreme Court geht davon aus, dass diese Anforderungen im Ergebnis denen des American Law Institute entsprechen, gesteht aber zu, dass auch die Annahme, die Rechtsprechung von Delaware sei strenger, in Betracht komme. Im Ergebnis, so das oberste Gericht des Bundesstaates, könnte die Diskussion vorrangig semantischer Natur sein.126 ee) Zwischenfazit: § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vs. „ARAG/Garmenbeck“? Die Vermutung des Delaware Supreme Court, bei der Unterscheidung zwischen den Anforderungen des American Law Institute und der Rechtsprechung handle es sich vor allem um eine Formulierungsfrage, liegt auch für die Unterscheidung 123 ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01 (c) (2): „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this Section if the director or officer […] is informed with respect to the subject of the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be appropriate under the circumstances […]“; vgl. dazu auch Comment e. (S. 177 f.); Kessler, Die Leitungsmacht des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, S. 252 f. 124 Dazu auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 80 ff., 213. 125 Vgl. Brehm v. Eisner, 746 A.2d 244 (264) (Del. Supr. 2000); Cede & Co. v. Technicolor Inc. 634 A.2d 345 (367) (Del. 1993); Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (872) (Del. 1985); Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (812) (Del. 1984); s. dazu Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 938; Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 41 f. 126 Brehm v. Eisner, 746 A.2d 244 (259) (Del. Supr. 2000). Dies legen auch die Ausführungen zu § 4.01 (c) (2) in ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01(c), Comment e. (S. 177 f.) nahe.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

zwischen den „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätzen und den Anforderungen, die der Gesetzgeber in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG an eine pflichtgemäße unternehmerische Entscheidung stellen will, nahe. Während sich nach dem Willen des Gesetzgebers und dem näher liegenden Verständnis des Wortlauts der Norm die Beurteilungsperspektive des Vorstandsmitglieds, relativiert durch „vernünftigerweise“, auf die Angemessenheit der Informationsgrundlage und die Verfolgung des Wohls der Gesellschaft erstreckt, schließen die „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze eine Haftung bis zu einer „deutlichen“ Überschreitung der Grenzen einer verantwortlichen Entscheidung, die unter anderem eine sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlage verlangt, eine Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder aus. Die gesetzliche Regelung des deutschen Aktienrechts entspricht der Formulierung des American Law Institute, während sich die Rechtsprechung des BGH und des Delaware Supreme Court insoweit ebenfalls decken. Die Ergebnisse der Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und der „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze des BGH dürften sich hinsichtlich einer Schadensersatzhaftung der an einem unternehmerischen Misserfolg beteiligten Vorstandsmitglieder entsprechen, es handelt sich damit auch hier, soweit für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung, im Wesentlichen um eine Frage der Formulierung.127 ff) Sinn und Zweck der Business Judgment Rule Die Kodifizierung einer Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG soll einen „sicheren Hafen“ schaffen, in dem Vorstandsmitglieder wirksam davor geschützt sind, für unternehmerische Fehlschläge zu haften und sie dadurch zur Eingehung vertretbarer unternehmerischer Risiken ermutigen.128 Andererseits sollte die Regelung keinesfalls dem Glücksrittertum im Vorstand Vorschub leisten. Weiterhin erhöht sich die „Richtigkeitsgewähr“ unternehmerischer Entscheidungen mit zunehmenden Anforderungen an das Verfahren in Gestalt der Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage.129 Ferner wird vertreten, dass sich der entscheidende Richter über einen sorgfältigen Entscheidungsprozess eine konkretere Vorstellung machen könne als hinsichtlich der inhaltlichen Qualität der schlussendlich

127 Anscheinend geht BGHZ 135, 244, 253 aber dennoch vom Vorliegen einer Pflichtverletzung aus, indem zum einen der Aufsichtsrat bei einem glücklosen Vorstand darauf verwiesen wird, auf dessen (außerordentliche?) Ablösung hinzuwirken und zudem die Grenzen von Verantwortungsbewusstsein getragenen unternehmerischen Handelns (Vorstandspflichten?) „deutlich“ überschritten sein sollen, bevor eine Schadensersatzpflicht in Betracht kommt. Dies entspräche dem Konzept des Auseinanderfallens eines Verhaltens- und eines Überprüfungsmaßstabs (standard of conduct vs. standard of review) des amerikanischen Rechts; in diesem Sinne versteht auch Horn, ZIP 1997, 1129, 1135 die Entscheidung. 128 Siehe auch oben unter 3. Teil A. I. 129 Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 204; inhaltlich auch Thümmel, DB 2004, 471, 472.

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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getroffenen Entscheidung.130 Daneben wird darauf hingewiesen, dass eine Absenkung der Anforderungen an die als Grundlage einer unternehmerischen Entscheidung zu beschaffenden Informationen gegenüber dem im Übrigen für Vorstandsmitglieder geltenden Haftungsmaßstab mit den Tendenzen der dem UMAG vorhergehenden Reformgesetze, die Information des Vorstands und Aufsichtsrats zu verbessern, nicht in Einklang zu bringen sei.131 Des Weiteren herrsche an einer „Abschottung“ des Vorstandshandeln vor einer ebenfalls durch das UMAG erleichterten Aktionärsklage, die in der Gesetzesbegründung als ein Regelungsanlass des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG benannt wird,132 aufgrund der in § 148 AktG gestellten Anforderungen, die „räuberische“ Klagen verhinderten, kein Bedarf.133 Hinzu tritt hier die nach wie vor fehlende praktische Bedeutung dieses Instituts.134 Das Argument des fehlenden Bedarfs ist aber insgesamt wenig gewichtig, soll es sich bei der Kodifikation der Business Judgment Rule des Aktiengesetzes ausweislich der Gesetzesbegründung doch um eine Klarstellung handeln,135 war der Grundgedanke bereits zuvor anerkannt136 und besteht darüber hinaus auch angesichts der im Anschluss an die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH erst belebten Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat ein keinesfalls von der Hand zu weisendes Bedürfnis, einen übervorsichtigen Leitungsstil des Vorstands aus Furcht vor Haftung zu vermeiden. Erhebliche Bedenken werden auch gegenüber den vom Gesetzgeber als mögliche Entscheidungsgrundlagen genannten, schwer fassbaren Richtlinien von „Instinkt, Erfahrung, Phantasie und Gespür für künftige Entwicklungen“ und „Gefühl für die Märkte und die Reaktion der Abnehmer und Konkurrenten“137 formuliert.138 Den dargestellten Einwänden ist entgegenzuhalten, dass § 93 Abs. 1 S. 2 AktG keinesfalls nur voraussetzt, dass das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung angenommen hat, auf Grundlage angemessener Information zu handeln, sondern dass das Vorstandsmitglied dies auch „vernünftigerweise“ durfte. Es ist 130

Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 205, 208 unter Berufung auf Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827, 840, der diesen Gesichtspunkt aber durch den Hinweis auf die Gefahr eines „Outcome Bias“ [i. e. einer nachträglichen Beurteilung der Informationsgrundlage als unzureichend in Kenntnis dessen, dass die Entscheidung für die Gesellschaft ungünstig war] wieder deutlich relativiert, s. ebd., S. 841. 131 Ulmer, DB 2004, 859, 862; zust. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 49 f. 132 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 133 Ulmer, DB 2004, 859, 863. 134 Siehe 5. Teil B. I. 135 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 136 Siehe statt vieler Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG; Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827; Kindler, ZHR 162 (1998), 101; Semler, FS Ulmer, 2003, S. 627; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft. 137 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 138 Deutlich Hauschka, ZRP 2004, 65, 67.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

zunächst nicht anzunehmen, dass für Entscheidungen, die ersichtlich „Milliardenbeträge und Tausende von Arbeitsplätzen“139 betreffen das „unternehmerische Gespür“ eines Vorstandsmitglieds die vom Gesetzgeber als angemessen vorgesehene Informationsgrundlage darstellt.140 Weiterhin muss sich dies den zu einer solchen Entscheidung berufenen Vorstandsmitgliedern auch aufdrängen, sodass sie keinesfalls „vernünftigerweise annehmen durften“, aufgrund angemessener Erkenntnisse zu handeln. Es führt daher gerade nicht jede noch so abwegige Einschätzung eines Vorstandsmitglieds zur Pflichtgemäßheit einer unternehmerischen Entscheidung.141 Auch wenn von einer formalisierenden Betrachtungsweise Abstand zu nehmen ist, wird eine angemessene Informationsgrundlage bei gewissen Entscheidungen nicht ohne die Hinzuziehung „harter Fakten“ und gegebenenfalls sachverständigen Rates auskommen. Wesentlich für den Schutz der Gesellschaft vor allzu uninformiert entscheidenden Vorstandsmitgliedern ist nicht zuletzt die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG, wonach die Geschäftsleiter, die für sich beanspruchen, unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gehandelt zu haben, deren Vorliegen darzulegen und zu beweisen haben. Anders als im US-amerikanischen Recht, wo dies allerdings vor dem Hintergrund einer äußerst effektiven Aktionärsklagekultur auch notwendig erscheint, spricht im deutschen Aktienrecht damit gerade keine Vermutung für das Vorliegen einer pflichtgemäßen unternehmerischen Entscheidung; in einem untechnischen Sinne ist beinahe das Gegenteil der Fall.142 Die Vorstandsmitglieder müssen darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass sie annehmen durften, die der Entscheidung zugrunde gelegten Informationen seien ausreichend, sodass nicht etwa die auf Schadensersatz klagende Gesellschaft Defizite der Entscheidungsgrundlage, über die sie möglicherweise kaum Erkenntnisse hat, darzulegen hätte. Würde dagegen eine tatsächlich angemessene Informationsgrundlage zur Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gemacht, bestünde diesbezüglich in ähnlichem Maße wie hinsichtlich des Handelns zum Wohle der Gesellschaft die Gefahr eines nachträglich strengeren Urteils, wenn sich erst erwiesen hat, dass die Entscheidung zu einem Schaden der Gesellschaft geführt hat. Hier liegt es nahe, dass ein erkennendes Gericht die letztlich fehlerhaft gewesene Einschätzung des Gesellschaftswohls auf unzureichende Informationsbeschaffung zurückführen würde.143 Aufgrund dessen 139

So das Bsp. bei Hauschka, ZRP 2004, 65, 67. Ähnl. Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 96; Horn, ZIP 1997, 1129, 1130. 141 Plakativ die Formulierung Spindlers, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 53: „Der Geschäftsführer darf als Prognosetechnik nicht die Hellseherin im Zirkus für sich reklamieren“. 142 Zur Handhabung der Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG durch die Rspr. s. u. 4. Teil B. II. 1. b). 143 Ebenso Fleischer, ZIP 2004, 685, 691; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 74; ähnl. bereits ders., FS Wiedemann, 2002, S. 827, 841; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 280; Paefgen, AG 2004, 245, 254; Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 254; Ihrig, WM 2004, 2098, 2106; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 206 f.; Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 41 f.; ders., WM 2005, 105, 110; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801. 140

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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bestünde ein Anreiz für die Vorstandsmitglieder, auch über die Erfordernisse der Entscheidung hinausgehend umfassende Tatsachenermittlungen anzustellen, Sachverständigengutachten und externe Berater heranzuziehen und dergleichen. Dies führte zum einen zu einer Verzögerung eilbedürftiger Entscheidungen, zum anderen zu unnötigen Kosten für die Gesellschaft, hinsichtlich derer aber mit einer Geltendmachung von Ersatzansprüchen, anders als wegen der Entscheidung, der die überflüssigen Informationen zugrunde zu legen sind, kaum zu rechnen wäre. Gerade dies aber wollte auch der Gesetzgeber verhindern.144 Im Sinne eines wirksamen Schutzes der Vorstandsmitglieder und der Förderung einer angemessenen unternehmerischen Risikobereitschaft sprechen daher auch Sinn und Zweck der Business Judgment Rule für ein Verständnis des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in dem Sinne, dass die Vorstandsmitglieder lediglich angenommen haben müssen, die im Entscheidungszeitpunkt gegebene Informationsgrundlage sei angemessen, und diese Annahme „vernünftig“ war. Die übrigen Anforderungen schaffen in Verbindung mit der Beweislast die Voraussetzungen dafür, dass Vorstandsmitglieder, die sich gänzlich uninformiert in ein Geschäft stürzen, nicht unter den Schutz des Business Judgment Rule fallen. Insbesondere wird ein Vorstandsmitglied, das bereits hätte erkennen müssen, dass die einer Entscheidung zugrunde gelegten Informationen unzureichend waren, auch kaum annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. gg) Zwischenergebnis Nach dem Gesagten sprechen keine erheblichen Gründe gegen das von der überwiegenden Auffassung zugrunde gelegte Verständnis des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, wonach eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung, bei der es vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Information zu handeln, auch vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Die Angemessenheit der Informationsgrundlage braucht mithin nicht tatsächlich gegeben zu sein. c) Die Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage als unternehmerische Entscheidung? Darüber hinausgehend wollen einige Stimmen im Schrifttum die Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage selbst als unternehmerische Entscheidung einordnen.145 Dies erscheint indes nicht sinnvoll, wird im Ergebnis aber ohne 144

Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 12. Cahn, WM 2013, 1293, 1298; Lang/Balzer, WM 2012, 1167, 1168 f.; Druey, FS Goette, 2011, S. 57, 65; Spindler, AG 2006, 677, 681; Scholz/U. H. Schneider GmbHG, § 43 Rn. 58; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 282; wohl auch Lutter, ZIP 2007, 841, 844 f.; Kocher, CCZ 2009, 215, 221 („typische unternehmerische Entscheidungssituation“); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2284 (Entscheidung „letztlich eine unternehmerische“); Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 35; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 145

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praktische Bedeutung bleiben. In der Informationsbeschaffung als Vorgang liegt keine Entscheidung, sie ist schlicht ausführende Tätigkeit. Zutreffend ist zwar, dass die Beurteilung der Angemessenheit der bereits vorhandenen Erkenntnisse als Basis der zu treffenden Entscheidung dem Vorstand einen Entschluss darüber abverlangt, ob weitere Ermittlungen angestellt werden sollen, welche weiteren Informationen gegebenenfalls notwendig sind und wie versucht werden soll, diese zu gewinnen, sodass eine gewisse Vergleichbarkeit mit unternehmerischen Entscheidungen besteht.146 Dem ist aber durch das Erfordernis lediglich angemessener Information und insbesondere die durch „vernünftigerweise“ und „durfte“ begrenzte Ausrichtung auf die Perspektive des Vorstandsmitglieds hinreichend Rechnung getragen. Die Einordnung als „echte“ unternehmerische Entscheidung führte zur Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch auf die im Rahmen der Informationsbeschaffung notwendigen Entschließungen des Vorstands. Mithin müsste ein Vorstandsmitglied auch diesbezüglich lediglich im Rahmen des „Vernünftigen“ angenommen haben, auf Grundlage angemessener Information zu handeln. Diese Reihe ließe sich im Sinne einer „Informationsgrundlage hinsichtlich der Informationsgrundlage“ endlos fortsetzen, was schlussendlich eine Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in Bezug auf die der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachenerkenntnisse unmöglich machte. Eine sinnvolle Anwendung der Business Judgment Rule auf die Entscheidungen des Vorstands im Zuge der Schaffung der Entscheidungsgrundlagen der unmittelbar schadensursächlichen unternehmerischen Entscheidung scheidet mithin aus.147 Ferner handelt es sich auch tatbestandlich nicht um eine der hier vorgeschlagenen Definition entsprechende unternehmerische Entscheidung. Zwar ist die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit grundsätzlich einer vollen 2015, § 93 Rn. 102, § 116 Rn. 78, 80; wohl auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 91. 146 Siehe J.-H. Binder, AG 2012, 885, 891; Bachmann, ZHR 177 (2013), 1, 10; ders., FS Stilz, 2014, S. 25, 39 f. („Züge einer unternehmerischen Entscheidung“); Paefgen, AG 2014, 554, 561; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 48; Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 12; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S. 239; Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 83; grds. auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 208, die aber in den im Rahmen der Informationsbeschaffung notwendigen Entscheidungen „eine Stufe“ weniger komplexe sehen will und ein „Unsicherheitsgefälle“ mit Vergrößerung bei der „eigentlichen“ unternehmerischen Entscheidung annimmt. Dem ist, angesichts dessen, dass nicht nur zu entscheiden ist, ob Informationen A oder B eingeholt werden soll, sondern möglicherweise völlig unklar ist, welche Erkenntnisse welchen Inhalts aus einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen sind, mit welchen Wahrscheinlichkeiten solche aus verschiedenen Quellen zu erlangen sind, etc., nur bedingt zuzustimmen. 147 Ebenso Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 207 f., die die Einordnung des Tatbestandsmerkmals des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG unter die Vorschrift selbst anschaulich mit dem Bild einer „sich selbst in den Schwanz beißenden Katze“ beschreibt und aufgrund der „Endlosschleife“ der Prüfung von einem Leerlaufen des Informationserfordernisses ausgeht; Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 42: es gehe nicht darum, „die BJR auf sich selbst anzuwenden“.

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gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Es wird aber nur in Einzelfällen lediglich eine einzige bestimmte Zusammensetzung der dem Vorstand vorliegenden Informationen eine angemessene Entscheidungsgrundlage bilden, sodass hier zunächst eine Auswahl aus mehreren rechtlich und tatsächlich möglichen Verhaltensalternativen zu treffen ist. Zur Haftung führen kann aber, vermittelt durch die darauf beruhende „eigentliche“ unternehmerische Entscheidung, nur eine unangemessene Informationsgrundlage. Eine hinsichtlich der im Entscheidungszeitpunkt gegebenen Tatsachen- und Rechtslage allwissende Person könnte mithin die Unangemessenheit der Informationsgrundlage für die anstehende Entscheidung erkennen. Eine Auswahl aus mehreren Alternativen, die rechtlich zulässig sind und zur Haftung führen können, fehlt daher. Sämtliche Zwischenschritte als eigenständige unternehmerische Entscheidungen zu qualifizieren, kommt, angesichts der sich dadurch endlos reihenden, unmöglichen Prüfung einer angemessenen Informationsgrundlage, nicht in Betracht. Entscheidend ist aber – und damit entfällt auch die praktische Bedeutung der Fragestellung – dass nicht die unzureichende Informationsgrundlage, sondern die daraufhin getroffene „eigentliche“ unternehmerische Entscheidung letztursächlich für die Entstehung eines Schadens der Gesellschaft war, die mögliche Pflichtverletzung mithin darin liegt, dass aufgrund der mangelhaften Erkenntnisse entschieden wurde und nicht per se darin, dass die Tatsachenerkenntnis dürftig war. Es bleibt damit bei der – ebenfalls ohne praktische Bedeutung bleibenden – Feststellung, dass auch die im Zuge der Schaffung der Informationsgrundlage einer unternehmerischen Entscheidung zu treffenden Entschließungen hinsichtlich der Vornahme oder des Unterlassens von Maßnahmen die Auswahl unter mehreren Verhaltensalternativen erfordern und darin einer unternehmerischen Entscheidung lediglich ähnlich sind. Die „Grundlage angemessener Information“ als Tatbestandsmerkmal des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kann nach dem Gesagten grundsätzlich nicht Gegenstand einer unternehmerischen Entscheidung im Sinne der Vorschrift sein.148 In Betracht kommt eine solche Einordnung der Schaffung einer Informationsgrundlage aber in Ausnahmefällen, in denen sich der Vorstand aufgrund der erlangten Informationen weder für ein Tun noch ein Unterlassen entschieden hat, das als haftungsrelevante unternehmerische Entscheidung in Betracht kommt, noch ohne eine solche Entscheidung, etwa durch übermäßiges Zögern, der Gesellschaft einen Schaden zugefügt hat, worin keine unternehmerische Entscheidung läge. Zu denken wäre beispielsweise an den Fall, dass die avisierte Entscheidung aus anderen, dazwischentretenden Gründen wie einem Kriegsausbruch insgesamt verworfen wurde und die Gesellschaft anschließend geltend macht, die bereits vorgenommene Informationsbeschaffung sei im Verhältnis zu dem für die Entscheidung, wäre es zu ihr 148 I.Erg. ebenso Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 21; wohl auch Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2285.

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gekommen, erhofften Nutzen zu kostenintensiv gewesen. In einem solchen Fall ist es nicht die Unangemessenheit der Erkenntnisgrundlage, sondern sind es die bei deren Schaffung getroffenen Entscheidungen zugunsten oder zulasten der einen oder anderen Beschaffungsmaßnahme, deren Ausbeute möglicherweise ex ante nicht zu ersehen war, die zum Schaden der Gesellschaft geführt haben. Wenngleich ein solcher Fall als praktischer Haftungsfall wenig wahrscheinlich erscheint, kann hier, abhängig von dem Fehler, den die Gesellschaft dem Vorstand im Zuge der Schaffung der Entscheidungsgrundlage vorwirft, eine unternehmerische Entscheidung gegeben sein.149 5. „Vernünftige“ Annahme des Handelns auf Grundlage angemessener Information und zum Wohle der Gesellschaft Das erst seit vergleichsweise kurzer Zeit in diesem Sinne gewürdigte, entscheidende Tatbestandsmerkmal des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, das den Zuschnitt des durch die Regelung geschaffenen „sicheren Hafens“ vorgibt, ist „vernünftigerweise“.150 a) Meinungsstand Über die Bedeutung von „vernünftigerweise“, das als Rechtsbegriff vor der Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dem deutschen Recht, jedenfalls in vergleichbarer Funktion, unbekannt war,151 konnte bislang keine Einigkeit im Schrifttum erzielt werden. Während Einige, die dementsprechend die Eigenschaft der Business Judgment Rule deutscher Prägung als Haftungserleichterung verneinen, von einer Gleichbedeutung mit „ohne Fahrlässigkeit“ ausgehen,152 wollen Andere 149 Vgl. das (in seiner weiten Fassung nicht gänzlich mit der hiesigen Auffassung übereinstimmende) Bsp. bei Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2285; ferner Spindler, AG 2006, 677, 681 („Kosten und Nutzen weiterer Informationsbeschaffung“; Hervorhebung durch die Verf.); Ulmer, DB 2004, 859, 860. 150 Vgl. Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25 („entscheidende Stellschraube innerhalb der BJR“); in diesem Sinne zu verstehen wohl auch Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 93. 151 Außer in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG findet sich der Begriff lediglich in zwei Normen des HGB: § 423 HGB [Lieferfrist beim Frachtvertrag], § 578 HGB [Sondervergütung für Schiffsbergungen], des Öffentlichen Rechts [§ 2 FeuerzeugV, § 46c KWG], sowie im CISG, europarechtlichen Normen und internationalen Übereinkommen. Die Praxisrelevanz der genannten Normen des nationalen Rechts ist gering, sodass eine Begriffsausfüllung kaum erfolgt ist. Die einschlägige Kommentarliteratur wiederholt zu den genannten Normen – mit Ausnahme des § 46c KWG – allein den Gesetzeswortlaut. 152 v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 152; Haarmann/ Weiß, BB 2014, 2115, 2121; Hoffmann-Becking, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 33 Rn. 60; inhaltlich auch Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 24 (ohne „vernünftigerweise“ als Verschuldensmaßstab einzuordnen); Paefgen, AG 2014, 554, 562; ders., in: GroßKommGmbHG, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 118, 128; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 14; anscheinend auch Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 721;

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„vernünftigerweise“, wie noch im Referentenentwurf des UMAG ausdrücklich enthalten,153 als „ohne grobe Fahrlässigkeit“ verstehen.154 Darüber hinausgehend wird teilweise angenommen, die durch „vernünftigerweise“ den noch pflichtgemäßen Annahmen des Vorstandsmitglieds bei einer unternehmerischen Entscheidung gesetzte Grenze sei erst bei unverantwortlichen Entscheidungen, worunter Leichtfertigkeit als ein über die grobe Fahrlässigkeit hinausgehender Verschuldensmaßstab zu verstehen sei, überschritten.155 Daneben finden sich weitere, ohne inhaltlich bereits besetzte Rechtsbegriffe operierende Definitionen in Anlehnung an die Formulierung der Entscheidungsgründe im „ARAG/Garmenbeck“-Urteil des BGH,156 wonach eine „deutliche“ Überschreitung der Grenzen, „in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes unternehmerisches Handeln bewegen muß“ oder eine Überspannung unternehmerischer Risikobereitschaft „in unverantwortlicher Weise“ Voraussetzung einer Haftung der Vorstandsmitglieder ist.157 Die Einordnung dieser Umschreibungen fällt nicht ganz leicht, sie sind aber wohl ebenfalls oberhalb des Maßstabs grober Fahrlässigkeit anzusiedeln. Einige verzichten gänzlich auf eine Begriffsdefinition.158

Cahn, WM 2013, 1293, 1295; Druey, FS Goette, 2011, S. 57, 49; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 623; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 165; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 29; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 83; Cahn, FS Stilz, 2014, S. 99 f.; ablehnend Koch, ZGR 2006, 769, 789 Fn. 100. 153 Art. 1 Nr. 1 des RefE UMAG, Stand 19. 01. 2004, sah folgende Fassung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vor: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“. 154 Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 26 ff.; ders., WM 2015, 105, 106; anscheinend nunmehr auch Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 346 („Ein Vorstand, der vernünftigerweise nicht annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, wird sich oftmals im Bereich grober Fahrlässigkeit bewegen, wo eine Haftungsprivilegierung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommt“) – irritierend allein die Relativierung durch „regelmäßig“; dagegen Paefgen, AG 2014, 554, 562 f. 155 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 113 f.; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 217 ff. 156 Koch, ZGR 2006, 679, 689 f.; ders., FS Säcker, 2011, S. 403, 410 f.: „nicht gänzlich unvernünftig“; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 23: „vernünftigerweise“ erst nicht mehr gegeben, wenn „das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt“ wurde, enger für die Beurteilung der Informationsgrundlage durch das Vorstandsmitglied Rn. 21; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 22: erst bei „schlechterdings unvertretbaren“ Entscheidungen überschritten; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 56: erst bei „schlechthin unvertretbarem Vorstandshandeln“, allerdings anschließend Anforderungen, die eher zu grober Fahrlässigkeit passen: „evident“, das Vorliegen eines Fehlers müsse sich förmlich aufdrängen, als Vergleichsfigur dient aber ein nicht näher bestimmter „Außenstehender“. 157 Siehe BGHZ 135, 244, 253. 158 Fleischer, ZIP 2004, 685, 689; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 64; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 35.

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b) Der unscharfe Begriff des „unternehmerischen Ermessens“ Im Zusammenhang der Vorstandspflichten bei unternehmerischen Entscheidungen wird nahezu stets in unterschiedlichen Formulierungen auf ein „Ermessen“159 oder einen „Beurteilungsspielraum“160 des Vorstands verwiesen, durch das bzw. den der für solche Entscheidungen zweifellos notwendige Handlungsfreiraum, in dem keine Haftung droht, eröffnet werden soll. aa) Keine eigenständige Dogmatik eines unternehmerischen Ermessens Eine eigenständige, umfassende Dogmatik eines „unternehmerischen Ermessens“, wie es dem Vorstand bei der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgabe zustehen soll, ist nicht in dem Verwaltungs- oder allgemeinen Zivilrecht vergleichbarer Form vorhanden. Die Verwendung des Begriffs des „unternehmerischen Ermessens“ erfolgt in Rechtsprechung und Schrifttum im Sinne des Minimalkonsenses, dass der Vorstand bei seiner Leitungsaufgabe zwingend einen gewissen Handlungsspielraum benötigt und innerhalb dessen vor einer gerichtlichen Überprüfung seiner Entscheidung und damit der Inanspruchnahme auf Schadensersatz für unternehmerischen Misserfolg in einem bestimmten Umfang geschützt werden muss.161 Über die Reichweite dieser Freiheit des Vorstands ist damit nichts gesagt. Die diesbezügliche Diskussion führt zurück zur Frage nach dem Umfang des „sicheren Hafens“ der Business Judgment Rule, sodass aus dem Begriff des „unternehmerischen Ermessens“, wie er in Rechtsprechung und Schrifttum zum Handeln von Geschäftsleitern gebraucht wird, nichts gewonnen ist.162 159 BGHZ 135, 244, 256; 136, 133, 140; OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 1183, 1190; Begr. RegE KonTraG v. 28. 01. 1998, BT-Drs. 13/9712, S. 21; Begr. RefE UMAG, Stand 19. 01. 2004, S. 16; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 8; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 230 ff.; Lohse, Unternehmerisches Ermessen; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 26 ff.; Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25; Semler, FS Ulmer, 2003, S. 627, 628; Fleischer, FS Wiedemann, 2002, S. 827; Hopt, FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 919 ff.; ders., ZIP 2013, 1793, 1797; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 13; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 442; Seibert/Schütz, ZIP 2004, 253, 254; Heermann, ZIP 1998, 761, 762 f.; Henze, NJW 1998, 3309, 3310; ders., BB 2000, 209, 211; Götz, NJW 1997, 3275, 3276; Horn, ZIP 1997, 1129, 1133; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 54; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 38; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 30; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 61; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 51; krit. ggü. der Verwendung des Begriffs Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 97. 160 BGHZ 135, 244, 254; OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 1183, 1191; Semler, FS Ulmer, 2003, S. 627, 629; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 442; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 64; U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 80; ähnl. Seibert/Schütz, ZIP 2004, 253, 254 („Einschätzungsprärogative“). 161 Vgl. die in Fn. 159 u. 160 Genannten. 162 So auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 152 f.

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bb) Keine Übertragbarkeit der verwaltungsrechtlichen Grundsätze Im Verwaltungsrecht sind die Begriffe des Ermessens und des Beurteilungsspielraums etabliert. Dementsprechend wollen einige die dortigen Begriffsinhalte für das „unternehmerische Ermessen“ und „Beurteilungsspielräume“ von Geschäftsleitern übernehmen,163 überwiegend wird eine Übertragbarkeit der verwaltungsrechtlichen Grundsätze aber zu Recht weitgehend oder ganz abgelehnt.164 (1) Ermessen und Beurteilungsspielraum im Verwaltungsrecht Im Verwaltungsrecht wird, in bis heute nicht ganz einheitlicher Terminologie,165 zwischen Entscheidungsfreiräumen unterschieden, die die im konkreten Fall auszusprechende Rechtsfolge und solchen, die die „Tatbestandsseite“, mithin die Subsumtion unter den Tatbestand einer Rechtsnorm, betreffen.166 Erstere werden als Ermessens-, letztere als Beurteilungsspielräume bezeichnet.167 Eine Sonderform bildet das sogenannte Gestaltungs- oder Planungsermessen, das der Verwaltung bei einer in ihre Zuständigkeit fallenden Planungstätigkeit zukommt168 und das nicht die 163

OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 1183, 1190 f. („ARAG/Garmenbeck“); Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 60 ff.; Hoerdemann, Zur Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre für die Kontrolle von Beschlüssen des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft, passim u. S. 190 ff.; wohl auch Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 13 f.; unter Berücksichtigung aktienrechtlicher Besonderheiten anscheinend auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 64; für eine Übertragung der verwaltungsrechtlichen Grundsätze auf die Überprüfung von Entscheidungen des Vorstands durch den Aufsichtsrat Semler, FS Ulmer, 2003, S. 627, 633 ff. 164 Raiser, NJW 1996, 552, 553; Röhricht, in: RWS-Forum 10, S. 191, 204; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 13 f.; Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 96 f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 284; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 153 ff.; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S. 230 ff.; Thümmel, DB 1997, 1117, 1118. 165 Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 31 Rn. 1. Hinsichtlich der inhaltlichen Ausfüllung der Begriffe des Ermessens und des Beurteilungsspielraums, herrscht jedoch – soweit erkennbar – in den wesentlichen Punkten Einigkeit; vgl. etwa Maurer, VerwaltungsR, § 7 Rn. 7 f.; 31 ff. 166 Siehe nur Maurer, VerwaltungsR, § 7 Rn. 26. Bachof, JZ 1955, 97, 98 unterscheidet mit identischem Ergebnis Spielräume die „Freiheit des Handelns“ und die „Beurteilung der Voraussetzungen eben dieses Handelns“ betreffend. 167 Zu den Begriffen nur Maurer, VerwaltungsR, § 7 Rn. 7, 31; Stober, in: Wolff/Bachof/ Stober/Kluth, VerwR I, § 31 Rn. 15 ff., 35 ff. 168 Grundlegend dazu BVerwGE 34, 301, 304: Bereits die Zuweisung einer Planung an die Verwaltung beinhalte zwingend einen gewissen „Spielraum an Gestaltungsfreiheit“; BVerwGE 45, 309, 311 f. zum Umfang dieses Spielraums: Es könne entweder lediglich ein zu beachtendes Planungsziel vorgegeben und der gesamte Vorgang seiner Erreichung freigestellt werden oder aber könnten darüber hinaus Planungszwecke dergestalt vorgegeben werden, dass die Verwaltung im Vorgang der Planung bestimmte Belange zu berücksichtigen, nicht zu berücksichtigen oder in bestimmter Weise zu gewichten habe. Vgl. zum Ganzen auch Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, 26. EL 2014, § 114 Rn. 28 f.

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Auswahl unter mehreren vorgegebenen Rechtsfolgen oder die Einordnung unter einen gesetzlichen Tatbestand betrifft,169 sondern der Verwaltung zu verwirklichende Ziele oder Zwecke vorgibt und die Art und Weise deren Erreichung dieser anheim stellt.170 Für Sinn und Zweck solcher Entscheidungsfreiräume, auf die es für die Vergleichbarkeit mit dem „unternehmerischen Ermessen“ des Vorstands wesentlich ankommt, bleibt die Unterscheidung ohne Bedeutung. Die Verwaltung soll, entweder durch einen Beurteilungsspielraum bei der Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs oder indem ihr bei Erfüllung des Tatbestands einer Rechtsnorm eine gewisse Auswahl bei der Setzung der Rechtsfolge eingeräumt wird, in die Lage versetzt werden, ihr Handeln flexibel an die Verschiedenheit der zu regelnden Lebenssachverhalten anzupassen, wodurch die rechtliche Regulierbarkeit bestimmter Lebensbereiche, insbesondere solcher, die einem schnellen Wandel unterliegen,171 überhaupt erst ermöglicht und Einzelfallgerechtigkeit durch den jeder Ermessensentscheidung immanenten Abwägungsvorgang gewährleistet werden soll.172 Bis hierher sind gewisse Parallelen zum „unternehmerischen Ermessen“ als dem notwendigen Handlungsfreiraum des Vorstands bei unternehmerischen Entscheidungen zu erkennen. Auch sie zeichnen sich durch vielgestaltige, im Einzelnen unabsehbare Sachverhalte aus, die einer detaillierten gesetzlichen Regulierung tatsächlich nicht zugänglich wären. (2) Gesetzesbindung der Verwaltung vs. unternehmerische Freiheit des Vorstands Die rechtlichen Hintergründe von Ermessen und Beurteilungsspielraum im Verwaltungsrecht und „unternehmerischen Ermessens“ des Vorstands unterscheiden sich indes ganz erheblich. Die öffentliche Verwaltung unterliegt als Teil der staatlichen Exekutivgewalt einer umfassenden Gesetzesbindung.173 Verwaltungshandeln ist mithin Rechtsanwendung. Dementsprechend muss eine Rechtsnorm der Verwaltung ein Ermessen 169

Vgl. BVerwGE 34, 301, 304. Vgl. Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 31 Rn. 69 f. 171 Ein solcher Wandel kann die tatsächlichen Verhältnisse, etwa in Gestalt des sich zunehmend beschleunigenden technischen Fortschritts, dem der Gesetzgeber ansonsten nur „hinterherregeln“ könnte oder sich verändernde Anschauungen und gesellschaftliche Verhältnisse, die mit einem Bedeutungswandel von Begriffsinhalten einhergehen, betreffen, vgl. dazu Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 31 Rn. 12 f. 172 Vgl. zur Eigenschaft unbestimmter Rechtsbegriffe als hierzu notwendiges Instrument BVerfGE 3, 225, 243; ähnl. BVerfGE 13, 153, 161; 21, 209, 215; 56, 1, 12; anders noch Bachof, JZ 1955, 97, 99 („Verlegenheitslösung“); zum Ermessen Maurer, VerwaltungsR, § 7 Rn. 13; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 31 Rn. 38. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 12 ff. m.w.N.; s. auch Röhricht, in: RWS-Forum 10, S. 191, 204. 173 Dazu Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 30; Maurer, VerwaltungsR, § 6. 170

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bei der Auswahl der Rechtsfolge einräumen174 und kommen Beurteilungsspielräume nur in wenigen Fallgestaltungen in Betracht.175 Zwar steht auch die Bindung des Vorstands einer Aktiengesellschaft an geltendes Recht außer Frage.176 Das Verhältnis zu den seiner „Gewalt“ Unterworfenen – Aktionären und Gesellschaft – ist aber mit dem des Staates in Gestalt der Verwaltung und des gewaltunterworfenen Bürgers nur ganz begrenzt vergleichbar. Zunächst ist dem nach dem Grundgesetz verfassten Staat und der Aktiengesellschaft gemeinsam, dass beide auf einer Verlagerung von Herrschaftsmacht gründen. Der Bürger, der sich der Staatsgewalt unterwirft, kann deren Ausübende in Wahlen und Abstimmungen zumindest mittelbar bestimmen, wodurch die Gesamtheit der Bürger Träger dieser durch die staatlichen Institutionen ausgeübten Gewalt ist.177 Die Aktiengesellschaft ist, stark vereinfachend und verkürzend dargestellt, der Zusammenschluss der die Hauptversammlung bildenden Aktionäre, die sich des in die Gesellschaftsanteile investierten Teils ihres Vermögens begeben, indem sie dieses Kapital dem Vorstand, der es in ihrem Interesse ver174 Vgl. BVerfGE 18, 353 = NJW 1965, 741, 742; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 53 m.w.N.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 206; Bachof, JZ 1955, 97, 98. 175 Anerkannte Fallgruppen bilden Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen, Prüfungsentscheidungen, Eignungsbeurteilungen und Entscheidungen weisungsfreier repräsentativer oder sachverständiger Gremien; s. Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 31 Rn. 23 ff.; Maurer, VerwaltungsR, § 7 Rn. 37 ff. unterscheidet sechs Fallgruppen, Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 19 Rn. 193 ff. differenziert typologisch weiter aus, ohne dass sich jedoch beachtliche inhaltliche Unterschiede hieraus ergeben. Vgl. auch M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 13. 176 Dies betont auch M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 14. Verfehlt erscheinen allerdings die Ausführungen Hoerdemanns, Zur Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre für die richterliche Kontrolle von Beschlüssen des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft, S. 92 f., die das „pflichtgemäße Ermessen“ des Aufsichtsrats und der öffentlichen Verwaltung in Bezug auf die Grundrechtsbindung als vergleichbar ansehen will. Diese Sichtweise verkennt, dass der Staat gegenüber den von den Rechtsfolgen einer Ermessensentscheidung betroffenen Bürgern durch die Grundrechte gebunden ist, wohingegen die Aktiengesellschaft selbst Trägerin von Grundrechten ist und der Vorstand oder Aufsichtsrat als Träger eines „unternehmerischen Ermessens“ weder gegenüber dieser noch den Aktionären unmittelbar durch Grundrechte gebunden sind. Das Abstellen auf einfachgesetzliche Regelungen als Ausprägung von Grundrechten führt zu einer gewissen Beliebigkeit der Argumentation, wäre dann doch jeder, der gegenüber einem Anderen gesetzliche Pflichten zu beachten hat, der öffentlichen Verwaltung vergleichbar. Unklar bleibt auch, inwiefern die Rechtsbindung des Aufsichtsrats durch die Beachtlichkeit verschiedener Interessen „über die üblichen Rechtsbindungen einzelner natürlicher Personen“ hinausgehen soll (so Hoerdemann, S. 94). Zu weitgehend auch Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 70, die die Kompetenzen und Einwirkungsmöglichkeiten der anderen Organe mit Verwaltungsvorbehalt und Verwaltungskontrolle gleichsetzt. Angesichts der fehlenden Hierarchie zwischen den Organen ist deren Verhältnis untereinander nicht mit dem zwischen Gesetzgeber bzw. Verwaltungsgerichten und Verwaltung zu vergleichen. 177 Vgl. Art. 20 Abs. 2 GG; dazu Grzeszick, in: Maunz/Dürig, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 20 Rn. 117; Maurer, StaatsR, § 7 Rn. 26.

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walten soll, anvertrauen. Ferner haben beide, Bürger und Aktionär, nachdem sie den „Gewaltausübenden“ in Gestalt des Amtsträgers bzw. Organwalters bestimmt haben, keine Möglichkeit mehr, ohne dessen Zutun ad hoc auf dessen einzelne Entscheidungen einzuwirken.178 Anders als im Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern besteht aber zwischen Vorstand und Aktionären kein Über-Unterordnungsverhältnis, dass es jenem erlauben würde, für diese verbindliche Rechtsfolgen zu setzen.179 Zwar kann der Vorstand aufgrund seiner unbeschränkbaren Vertretungsmacht die Gesellschaft, das „Sammelbecken“180 des Kapitals der Aktionäre, umfassend rechtsgeschäftlich binden und dadurch im Extremfall einen Totalverlust der Anteilseigner herbeiführen. Über deren Investition hinaus hat der Vorstand jedoch keine Möglichkeit, auf die Rechtsverhältnisse der Aktionäre einzuwirken. Zudem steht diesen, zumindest nach dem gesetzlichen Leitbild der Aktiengesellschaft, die auf den börslichen Handel ihrer Anteile angelegt ist,181 die Deinvestition als vergleichsweise einfache Möglichkeit zur Verfügung, ihr Vermögen der „Gewalt“ des Vorstands zu entziehen.182 Dagegen ist die Aufgabe einer Staatsbürgerschaft183 oder auch nur das dauerhafte Verlassen des Staatsgebiets mit erheblich größeren Schwierigkeiten verbunden. Anders als der Bürger hat der Aktionär auch die grundsätzliche Möglichkeit, seinen Einfluss auf die Gesellschaft durch den Erwerb weiterer Anteile zu vergrößern und so verstärkt auf die Auswahl der Entscheidungsträger und damit den grundlegenden „Kurs“ der Gesellschaft einzuwirken.184 Zudem verbleiben in der Aktiengesellschaft, anders als im Staat, wo eine Beteiligung des gewaltunterworfenen Bürgers außerhalb von Wahlen und Abstimmungen grundsätzlich nicht vorgesehen ist, die in § 119 AktG genannten grundlegenden Entscheidungen in der Zuständigkeit der Hauptversammlung und

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Ähnl. Raiser, NJW 1996, 552, 553. Darauf stellen auch Raiser, NJW 1996, 552, 553; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 14; Röhricht, in: RWS-Forum 10, S. 191, 204; Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 97 ab; eine Bedeutung dieses Unterschieds verneinen Hoerdemann, Zur Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre für die Kontrolle von Beschlüssen des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft, S. 89; Hüffer, FS Raiser, 2005, S. 163, 174. 180 Das Bild der AG als „Kapitalsammelbecken“ verwenden u. a. Assmann, in: GroßKommAktG, Einl Rn. 292; Henssler/Wiedemann, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 1. Kap. Rn. 1, 18; Hoffmann-Becking, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 2 Rn. 4; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 22; Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, S. 93; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 69. 181 Dazu zunächst nur Drygala/Staake/Szalai, § 1 Rn. 26 f.; eingehend dazu unten im 4. Teil D. II. 3. a). 182 Vgl. Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, S. 90 ff. 183 Vgl. § 17, §§ 18 – 24 StAG [Staatsangehörigkeitsgesetz]. 184 M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 14; insofern erscheint es verfehlt, wenn Raiser, NJW 1996, 552, 553 von einem „Verzicht“ auf die „Wahrnehmung ihrer Eigentumsrechte“ durch die Aktionäre spricht. 179

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bestehen darüber hinaus in engen Grenzen bei erheblichen Eingriffen in die Mitgliedsrechte ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen.185 Weiterhin unterscheiden sich die Anforderungen an Vorstand und Verwaltung bei ihrer jeweiligen Entscheidungstätigkeit. Die Verwaltung wird, wie gesagt, bei der Ausübung von Ermessen oder der Inanspruchnahme eines Beurteilungsspielraums weiterhin rechtsanwendend tätig186 und ist damit insbesondere zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Im Grundsatz gilt dies auch für ein Planungsermessen, vor dessen Ausübung der Verwaltung im Einzelnen vorgegeben ist, welche Belange zu berücksichtigen sind oder was das Ergebnis des Planungsvorgangs sein soll. Dabei ist die öffentliche Verwaltung ausschließlich durch Recht und Gesetz, nicht aber unmittelbar durch die Interessen der von einer gesetzten Rechtsfolge betroffenen Bürger gebunden; Letzteres kommt nur in Betracht, soweit die anzuwendende Rechtsnorm solche Interessen als berücksichtigungsfähig vorsieht. Im Unterschied dazu handelt der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der hier interessierenden unternehmerischen Tätigkeit allenfalls insoweit rechtsanwendend, als eine unternehmerische Entscheidung auch in der Auswahl aus mehreren bereits von Rechts wegen vorgesehenen Verhaltensalternativen bestehen kann, und hat sich dabei am Wohl der Gesellschaft, das jedenfalls auch Interessen der Aktionäre beinhaltet,187 zu orientieren.188 Die Paradebeispiele unternehmerischer Entscheidungen aber, sei es die Markteinführung eines neuen Produkts, sei es die Erschließung eines ausländischen Marktes,189 sind im Grundsatz rechtlich lediglich durch die Pflicht zur Unternehmensleitung konturiert. Bereits die entsprechende Initiative steht dem Vorstand gänzlich frei. Anders als in der öffentlichen Verwaltung, wo Handlungsmöglichkeiten erst durch Rechtsnormen geschaffen werden müssen, sodass, wo eine gesetzliche Ermächtigung fehlt ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln ausgeschlossen ist, sofern damit ein Eingriff in Grundrechte verbunden ist,190 wird die Handlungsfreiheit des Vorstands in der Aktiengesellschaft durch Recht begrenzt. 185 BGHZ 83, 122 („Holzmüller“); BGHZ 159, 30 („Gelatine I“), BGH ZIP 2004, 1001 („Gelatine II“); vgl. dazu Drinhausen, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 119 Rn. 21; Kubis, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 119 Rn. 48; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 119 Rn. 20 ff. 186 Den überwiegend ausführenden Charakter des Verwaltungshandelns betont auch M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 14. 187 Zum Begriff des „Wohls der Gesellschaft“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG s. o. unter 3. Teil A. III. 2. 188 Diesen Unterschied stellen auch Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 285; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S. 237 f.; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 14 heraus; missverständlich Raiser, NJW 1996, 552, 553, der unternehmerisches Ermessen und Bindung an die Interessen der Aktionäre als Gegensätze darstellt und anscheinend für die Verwaltung weitere Spielräume annehmen will; krit. dazu auch Hüffer, FS Raiser, 2005, S. 163, 174. 189 Siehe auch die Bsp. bei Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83 f. 190 Vgl. BVerwGE 81, 12 = NJW 1989, 3168, 3169; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 31 Rn. 3; Maurer, VerwaltungsR, § 7 zum Ermessen Rn. 9, zum Beurteilungsspielraum Rn. 32, str. vgl. auch Rn. 34 a.E. unter c).

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Soweit eine gesetzliche Regelung fehlt, ist er frei in seinem Handeln.191 Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Definition der unternehmerischen Entscheidung, die durch die Ausschlüsse bestimmter Pflichtverletzungen in weitem Umfang negativ bestimmt ist,192 sodass was nicht rechtlich gebunden ist, unternehmerisch ist. Die gegenüber der Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung wesentlich größere Freiheit des unternehmerischen Handelns des Vorstands muss sich auch in der Dichte der gerichtlichen Überprüfung niederschlagen, sodass eine Übertragung der verwaltungsrechtlichen Fehlerlehren mit ihrer schematischen Prüfung dem Vorstandshandeln nicht gerecht würde.193 Der Auffassung Hüffers, der eine Übertragung der verwaltungsrechtlichen Grundsätze wegen des Fehlens eines der Ermessensfehlerlehre194 entsprechenden allgemeinen Prüfungskanons im Aktienrecht befürwortet,195 ist nicht beizutreten. Anders als im Verwaltungsrecht besteht für die Aktionäre der Gesellschaft kein legitimes Interesse, „Ermessensentscheidungen“ des Vorstands außerhalb der Voraussetzungen einer Sonderprüfung, eines Schadensersatzbegehrens oder einer Beeinträchtigung der Rechte der Hauptversammlung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dieses Fehlen ist mithin kein Mangel des Aktienrechts, sondern trägt den Unterschieden zwischen den Einwirkungsmöglichkeiten des Staates und des Vorstands auf ihre jeweiligen „Gewaltunterworfenen“ Rechnung. 191 Ähnl. Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 97; Röhricht, in: RWS-Forum 10, S. 191, 204; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 284 f.; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 14; Göppert, Die Reichweite der Business Judgment Rule bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, S. 121; Holle, AG 2011, 778, 781 f.; Raiser, NJW 1996, 552, 553; Thümmel, DB 1997, 1117, 1118; Semler, FS Ulmer, 2003, S. 627, 633; anders Hoerdemann, Zur Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre für die Kontrolle von Beschlüssen des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft, S. 95, die das Ermessen der öffentlichen Verwaltung und des Aufsichtsrats als „in seinem inhaltlichen Kern und seiner Begrenztheit wesensgleich“ einordnet; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 71 ff., die anscheinend ausgehend von der normativen Ermächtigungslehre zum Beurteilungsspielraum im Verwaltungsrecht (s. dazu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, 70. Ergänzungslieferung 2013, Art. 19 Rn. 185 ff.; Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 69 ff.; grundlegend Bachof, JZ 1955, 97 ff.; Ule, GS Jellinek, 1955, S. 309 ff.) eine Ermächtigung durch den Gesetzgeber voraussetzt. 192 Vgl. Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 94. 193 Darauf abstellend auch Röhricht, in: RWS-Forum 10, S. 191, 204; Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 97; Thümmel, DB 1997, 1117, 1118. 194 Unterschieden werden im Verwaltungsrecht, teils mit unterschiedlicher Terminologie und Einteilung, Ermessensausfall (Verkennung des Bestehens eines Ermessenspielraums), Ermessensüberschreitung (Überschreitung der gesetzlich festgelegten Ermessensgrenzen durch die gesetzte Rechtsfolge), Ermessensdefizit (Nichteinstellung eines bedeutsamen Belangs in den Abwägungsvorgang) und Abwägungsdisproportionalität (Fehlgewichtung von Interessen innerhalb des Abwägungsvorgangs) als Fehler, die im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung von Ermessenentscheidungen zu berücksichtigen sind. Dazu Maurer, VerwaltungsR, § 7 Rn. 19 ff.; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 31 Rn. 55 ff.; ausführlich Alexy, JZ 1986, 701 ff. 195 Hüffer, FS Raiser, 2005, S. 163, 170 ff.

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(3) Zwischenfazit Aufgrund der dargestellten Unterschiede, insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses des Rechts zur Handlungsfreiheit der Verwaltung und des Vorstands und der daraus folgenden erforderlichen Dichte der gerichtlichen Überprüfung ihrer Entscheidungen, verbietet sich eine Übertragung der verwaltungsrechtlichen Begrifflichkeiten auf das „unternehmerische Ermessen“ eines Geschäftsleiters. cc) Ermessen im Zivilrecht Wenn auch mit weitaus geringerer Bedeutung als im Verwaltungsrecht, sind auch im Zivilrecht Ermessenstatbestände gegeben, deren Eignung als dogmatische Grundlage eines „unternehmerischen Ermessens“ in der Aktiengesellschaft aber zu Recht verneint wird.196 Das BGB kennt die Formen des billigen Ermessens197 und des freien Beliebens198 als gerichtlicher Kontrolle nur eingeschränkt zugängliche199 Entscheidungsfreiräume. Die Inhaber derartiger Freiräume sind im BGB jedoch Vertragsparteien, der Auslobende, der Verlierer und der Finder,200 der Erblasser und der mit einem Vermächtnis Beschwerte. Es wird unmittelbar augenfällig, dass in keinem dieser Rechtsverhältnisse der Inhaber des Ermessens einer dem Vorstand einer Aktiengesellschaft vergleichbaren Pflichtenbindung gegenüber Dritten, dort den Aktionären, unterliegt oder sich mit inhaltlich annähernd ebenso komplexen Entscheidungen konfrontiert sieht wie der Vorstand bei Vornahme einer unternehmerischen Entscheidung. Die Anforderungen, die § 93 Abs. 1 S. 2 AktG an eine pflichtgemäße unternehmerische Entscheidung stellt, gehen über die Grenzen der §§ 134, 138, 226, 242 BGB201 oder der offenbaren Unbilligkeit, wie sie für den Bestimmungsberechtigten im Fall des § 315 BGB angenommen wird,202 hinaus; außerdem hat sich das unternehmerische Handeln des Vorstands nicht an Billig196 Dazu auch M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 12; Hoerdemann, Zur Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre für die richterliche Kontrolle von Beschlüssen des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft, S. 31. 197 §§ 315 Abs. 1, 317 Abs. 1, 319 Abs. 1, 660 Abs. 1 S. 1, 971 Abs. 1 S. 3, 2048 S. 2, 2156 S. 1 BGB; Normen, die sich auf das billige Ermessen eines erkennenden Gerichts beziehen, wurden bewusst ausgespart. 198 §§ 319 Abs. 2, 2181 BGB; der Begriff des Beliebens findet sich auch in §§ 421 S. 1, 428 S. 1, 454 Abs. 1 S. 1, 903 S. 1, 1132 Abs. 1 S. 2 BGB. 199 Zur fehlenden Ersetzungsbefugnis des Gerichts bei freiem Belieben, vgl. Würdinger, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 319 Rn. 28; Rieble, in: Staudinger (2009), § 315 Rn. 20 f. 200 Str. vgl. Gursky, in: Staudinger (2011), § 971 Rn. 2, der zunächst das billige Ermessen der Parteien des Fundes und erst hilfsweise das des Richters als maßgeblich ansieht; a.A. Oechsler, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 971 Rn. 5: nur gerichtliches Ermessen. 201 Vgl. Würdinger, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 315 Rn. 33; Hoerdemann, Zur Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre für die richterliche Kontrolle von Beschlüssen des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft, S. 26 f. 202 Vgl. Würdinger, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 315 Rn. 30; Rieble, in: Staudinger (2009), § 315 Rn. 16, 21.

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keitsgesichtspunkten auszurichten.203 Unpassend ist zudem die Rechtsfolge des § 315 Abs. 3 BGB, die auf andere Tatbestände billigen Ermessens entsprechend anzuwenden sein soll,204 wonach eine Entscheidung, die nicht der Billigkeit entspricht, unverbindlich und durch Gerichtsurteil zu ersetzen ist. Der damit verbundene Eingriff in das unternehmerische Handeln des Vorstands ginge noch über die gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns hinaus205 und erscheint daher der Aktiengesellschaft nicht angemessen.206 Die zivilrechtlichen Ermessenstatbestände unterscheiden sich nach alldem in allen bedeutsamen Punkten erheblich von den durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen, sodass eine Übertragung der dort geltenden Grundsätze auf ein „unternehmerisches Ermessen“ abzulehnen ist. dd) Fazit Im Ergebnis können aus dem Begriff des „unternehmerischen Ermessens“ keine Anhaltspunkte in Bezug auf die Bedeutung von „vernünftigerweise“ im Tatbestand des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gewonnen werden. Eine eigenständige Dogmatik eines allgemeinen „unternehmerischen Ermessens“ ist nicht vorhanden. Eine Übertragung der im Verwaltungsrecht etablierten Grundsätze zum Ermessen und Beurteilungsspielraum der öffentlichen Verwaltung scheidet mangels Vergleichbarkeit von Verwaltungsentscheidungen mit unternehmerischen Entscheidungen in einer Aktiengesellschaft aus. Dasselbe gilt für das Ermessen in den angesprochenen Tatbeständen des BGB, das zum einen im Unterschied zur unternehmerischen Entscheidung an Billigkeitsgesichtspunkten auszurichten ist, und zum anderen im Falle einer fehlerhaften Ermessensausübung zur Ersetzung der Entscheidung durch eine gerichtliche führt, was sich für die Aktiengesellschaft als unpassend darstellt. c) Auslegung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG In Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte ist die Bedeutung von „vernünftigerweise“ im Tatbestand des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG mit Hilfe der klassischen Auslegungsmethoden zu klären.207 203 Ebenso M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 12 u. Fn. 42. 204 Vgl. Seiler, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 660 Rn. 5 f.; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 12 Fn. 42. 205 Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts führt nämlich nur im Ausnahmefall zu dessen Nichtigkeit, vgl. §§ 43, 44 VwVfG, sowie die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften. 206 Ebenso i.Erg. M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 12. 207 Dasselbe methodische Vorgehen wählt Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 31 ff.

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aa) Wortlaut (1) Kein etablierter Rechtsbegriff Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei „vernünftigerweise“ nicht um einen bereits an anderer Stelle im deutschen Recht in einer vergleichbaren Funktion verwendeten Begriff, sodass nicht auf eine bereits herausgebildete Definition zurückgegriffen werden kann.208 (2) Allgemeiner Sprachgebrauch Im allgemeinen Sprachgebrauch kann „vernünftig“ als Kern von „vernünftigerweise“ unterschiedlich verstanden werden; für den hier bedeutsamen Grad an Sorgfalt, den ein Handeln, das demnach als „vernünftig“ zu bezeichnen ist, erfordert, sind keine allgemeingültigen Maßstäbe festzustellen. Der Duden nennt „vernünftig“ zum einen als Synonym von „rational“,209 die Liste der mit „vernünftig“ gleichbedeutenden Begriffe enthält aber unter anderen auch „objektiv“, „ausgereift“, „fundiert“, „wohlerwogen“ und „richtig“.210 Die alltagssprachliche Bedeutung dieser Worte und ihrer Gegensätze wiederum kann in rechtliche Begrifflichkeiten von „(nicht) fahrlässig“ bis zur Einhaltung beziehungsweise Verfehlung eines über grobe Fahrlässigkeit hinausgehenden Maßstabs eingeordnet werden. Hierin spiegelt sich der dargestellte Meinungsstand zur rechtlichen Bedeutung von „vernünftigerweise“.211 Einige Stimmen im Schrifttum stützen sich denn auch auf Wortlautargumente. Eine dieser Überlegungen stellt darauf ab, dass Handeln, welches nicht vernünftig sei, nicht dem Pflichtenmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG genüge, der dem Verschuldensmaßstab einfacher Fahrlässigkeit entspreche, sodass „vernünftigerweise“ mit „ohne Fahrlässigkeit“ gleichzusetzen sei.212 Anderswo wird „vernünftig“ im Sinne von „rational“ verstanden, sodass die Eingangsformulierung des § 93 Abs. 1

208 Siehe oben unter 3. Teil A. III. 5. a). Ebenso Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 31. Dementsprechend ratlos DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2005, 388: „Was das Wort ,vernünftigerweise‘ im Kontext des deutschen Rechts bedeutet und ob damit etwas anderes gemeint ist als ,ohne Fahrlässigkeit‘, bleibt offen.“; Semler, AG 2005, 321, 325: „Ob das Gesetz damit auch die leichte Fahrlässigkeit bei der Feststellung des Verschuldens einbezieht, sollte vom Gesetzgeber noch einmal überprüft werden.“; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825: „Wann ein Vorstandsmitglied vernünftigerweise davon ausgehen darf, auf der Grundlage angemessener Information zu entscheiden, lassen Wortlaut und Begründung des UMAG indes weitgehend offen.“, 828: „abstrakt und unscharf“; krit. auch Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2087: „vage“. 209 Duden.de, Stichwort „rational“, abzurufen unter http://www.duden.de/rechtschreibung/ rational, zuletzt abgerufen am 09. 02. 2015. Zu diesem Verständnis auch Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 31. 210 Ergebnis einer Recherche bei duden.de; vollständige Auflistung der Synonyme unter http://www.duden.de/rechtschreibung/vernuenftig (zuletzt abgerufen am 21. 01. 2015). 211 Dargestellt unter 3. Teil A. III. 5. a). 212 v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

S. 2 AktG als Rationalitätskontrolle eingeordnet wird.213 In dieser Bedeutung ist die Grenze eines „vernünftigerweise annehmen Dürfens“ mithin erst bei einer irrationalen Annahme überschritten. „Irrational“ wird auch im allgemeinen Sprachgebrauch nicht für jegliches unsorgfältige Verhalten verwendet, sondern impliziert eine gewisse Qualifikation im Sinne fehlender Nachvollziehbarkeit, sodass dieses Verständnis grober Fahrlässigkeit entspricht.214 Der allgemeine Sprachgebrauch lässt sämtliche der zur Bedeutung von „vernünftigerweise“ im Tatbestand des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vertretene Auffassungen zu. Die Auslegung anhand der alltagssprachlichen Verwendung von „vernünftig“ kann daher keinen Beitrag zu einer rechtlichen Begriffsbildung leisten.215 bb) Systematik (1) Stellung innerhalb des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Innerhalb des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bezieht sich „vernünftigerweise“ auf „annehmen durfte“. Die Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals kann sich nicht darin erschöpfen, auf die Perspektive des Vorstandsmitglieds als die für die Beurteilung des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen der Regelung bedeutsame hinzuweisen, sonst müsste es „angenommen hat“ heißen.216 Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht von einer ausschließlich subjektiven Perspektive ausgeht, würde, wie Bachmann zu Recht bemerkt, „andernfalls doch der Nachlässigkeit Tür und Tor geöffnet“.217 „Annehmen durfte“ begründet vielmehr den Bedeutungsunterschied zwischen einem tatsächlich erforderlichen Handeln auf Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft, was, entspräche dies der Formulierung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, eine Erfolgshaftung der Vorstandsmitglieder im Anwendungsbereich der Norm zur Folge hätte, der nach der Gesetzesbegründung gerade vorgebeugt werden sollte.218 Der gesetzgeberischen 213 Schnieders, Haftungsfreiräume für unternehmerische Entscheidungen in Deutschland und Italien, S. 296; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2087; zust. Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 31. Vgl. dazu auch die Ausführungen zur US-amerikanischen business judgment rule unten unter 3. Teil A. III. 5. c) cc) (2) (b). 214 Ebenso Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 31. 215 Zum selben Ergebnis gelangt Bachmann, FS Stilz, S. 25, 31. 216 Ebenso Schnieders, Haftungsfreiräume für unternehmerische Entscheidungen in Deutschland und Italien, S. 292; Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 29; missverständlich insoweit Gehb/Heckelmann, ZRP 2005, 145, 148: „Die Business Judgment Rule kommt daher zur Anwendung, wenn der Vorstand im Zeitpunkt seines Handelns glaubt […]“; Linnerz, NZG 2004, 307, 311; Seibert/Schütz, ZIP 2004, 253, 254; Thümmel, DB 2004, 471, 472; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 64. 217 Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 29. Inhaltlich statt aller Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 59. 218 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Dazu tendierend aber der Formulierungsvorschlag bei Hoor, DStR 2004, 2104, 2108: „Eine Entscheidung, die eine Einschätzung zukünftiger, nicht vollständig vorhersehbarer wirtschaftlicher Gegebenheiten

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Intention dieser Klarstellung wäre aber bereits durch „annehmen durfte“ hinreichend Rechnung getragen, es bedurfte keines zusätzlichen „vernünftigerweise“.219 Umgekehrt würde auch die Formulierung „vernünftigerweise angenommen hat“ zumindest deutlich machen, dass eine ausschließlich subjektive Perspektive unerwünscht ist. Ob darin auch die Aussage läge, dass eine Erfolgshaftung unerwünscht ist, hängt von der hier zu bestimmenden Bedeutung des Begriffs ab und kann daher noch nicht abschließend geklärt werden. Es zeigt sich aber, dass, um die vom Gesetzgeber vorausgesetzten Inhalte der Haftung im Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu vermitteln, keinesfalls die gesamte Eingangsformel der Norm „vernünftigerweise annehmen durfte“ vonnöten wäre. Es liegt daher nahe, „annehmen durfte“ eine über die „Teilobjektivierung“ hinausgehende Bedeutung beizumessen, was insoweit auch die Gesetzesbegründung, nach der das Merkmal die „Annahme“ des Vorstandsmitglieds „begrenzt“, andeutet.220 Unter „normalen“ Umständen, ohne den Zusatz „vernünftigerweise“, dürfte ein Vorstandsmitglied nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG etwas annehmen, ohne dabei seine Pflichten zu verletzen, wenn es die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters beachtet hätte, sodass „annehmen durfte“ im Sinne von „ohne Fahrlässigkeit angenommen hat“ zu verstehen sein müsste. Dieser Bedeutungsverdacht lässt sich durch Untersuchung des „annehmen Dürfens“ in anderen Rechtsnormen erhärten. Die Formulierung findet sich zum einen in § 665 S. 1 BGB, wonach der Beauftragte berechtigt ist, von Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde,221 zum anderen in § 670 BGB, wonach der Beauftragte Aufwendungen ersetzt verlangen kann, die er für erforderlich halten darf. Darin kommt zum Ausdruck, dass es tatsächlich nicht zu einer Billigung der Abweichung durch den Auftraggeber kommen muss und die Aufwendungen nicht objektiv erforderlich gewesen sein müssen. Hier erfordert (unternehmerische Entscheidung), ist nicht pflichtwidrig, wenn das Vorstandsmitglied angemessen informiert ist und die Entscheidung dem Interesse der Gesellschaft entspricht.“. Vgl. Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 29. 219 Missverständlich dazu die Gesetzesbegründung, die davon ausgeht, das „annehmen Dürfen“ begrenze und objektiviere die „Annahme“ des Vorstandsmitglieds, wobei „vernünftigerweise“ den Maßstab zur Überprüfung, ob eine Annahme des Vorstandsmitglieds zu beanstanden sei, bildete, Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Etwas klarer die Formulierung in der Begr. RefE UMAG, Stand 19. 01. 2004, S. 17: „Die ,Annahme‘ ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal, welches durch das ,annehmen Dürfen‘ objektiviert wird. Die Annahme des Vorstands muss also frei von groben Sorgfaltspflichtverletzungen gebildet worden sein, worauf das Tatbestandsmerkmal ,ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte‘ hinweist.“. 220 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 221 Das Tempus ist den unterschiedlichen zeitlichen Formulierungen des § 665 BGB (Bezug auf die Gegenwart) und § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (Bezug auf den Zeitpunkt der Vornahme der unternehmerischen Entscheidung in der Vergangenheit) geschuldet und wirkt sich daher nicht auf die Bedeutung aus.

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versteht die Rechtsprechung „annehmen darf“ bei objektivem Nichtvorliegen dessen, worauf sich die Annahme bezieht, in dem Sinne, dass der Beauftragte seine Entscheidung nach „sorgfältiger, nach den Umständen des Falles gebotener Prüfung“ getroffen haben muss.222 Wenngleich es sich bei einer solchen Beurteilung lediglich um eine Obliegenheit des Beauftragten handelt, kann von ihm grundsätzlich keine andere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt des § 276 Abs. 2 BGB verlangt werden, sodass „ annehmen dürfen“ fahrlässige Fehleinschätzungen ausschließt. Weiter stützen lässt sich dieser Befund durch § 122 Abs. 2 BGB, der „kennen müssen“ als „infolge von Fahrlässigkeit nicht“ kennen legaldefiniert. Zwar scheint zunächst „annehmen dürfen“ mit „kennen müssen“ wenig gemein zu haben. Dies ist aber vor allem der deutschen Sprache geschuldet, die wegen der unterschiedlichen Begriffe allzu leicht dazu verleitet, „nicht müssen“ als einzig möglichen Gegensatz zu „müssen“ anzunehmen. Ein weiterer als solcher aufzufassender Begriff wäre aber „nicht dürfen“, wie im Englischen bereits anhand der Vokabel deutlich wird.223 Dementsprechend lässt sich „annehmen dürfen“ in Umkehrung des „Kennenmüssens“ nur als „ohne Fahrlässigkeit angenommen haben“, verstehen, ohne einen Widerspruch zu § 122 Abs. 2 BGB zu begründen.224 Die Legaldefinition des § 122 Abs. 2 BGB beansprucht Geltung für das gesamte Zivilrecht,225 sodass sich auch eine abweichende Bedeutung des „annehmen Dürfens“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG hierzu in Widerspruch setzte. Bereits ohne „vernünftigerweise“ ist § 93 Abs. 1 S. 2 AktG danach zu lesen als „eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angenommen hat,226 auf Grundlage angemessener 222 BGHZ 95, 375, 388; BGH NJW 2012, 3781 Rn. 15; RGZ 149, 205, 207; Mugdan II, S. 302 (Mot II S. 541); Seiler, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 670 Rn. 9; Martinek, in: Staudinger (2006), § 670 Rn. 15; Mansel, in: Jauernig, 15. Aufl. 2014, § 670 Rn. 3; Palandt/ Sprau, 74. Aufl. 2015, § 670 Rn. 4. 223 Must – must not. 224 Im Ganzen ebenso Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 29. 225 Darauf weist auch Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 29 hin. 226 Ob, wie Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 29 meint, lediglich ein Vorstandsmitglied als Vergleichsmaßstab das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen angenommen haben müsste oder, wie unter anderem der Wortlaut „das“ Vorstandsmitglied sowie Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11 nahelegen, eine solche Annahme des die unternehmerische Entscheidung treffenden Vorstandsmitglieds Voraussetzung ist, wie namentlich Schnieders, Haftungsfreiräume für unternehmerische Entscheidungen in Deutschland und Italien, S. 293 annimmt, kann dahinstehen. Die Unterscheidung ist lediglich für die Frage, ob neben „vernünftigerweise annehmen durfte“ ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal der Gutgläubigkeit vorauszusetzen ist, von Bedeutung. Beide Auffassung gelangen indes zu dem selben, negativen Ergebnis, indem auch nach der ersten Auffassung, wenn das konkrete Vorstandsmitglied erst gar nicht annimmt, auf Grundlage angemessener Information und zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, ein vorsätzliches Handeln auf unangemessener Informationsgrundlage oder zum Nachteil der Gesellschaft vorliegt, das nach keiner hierzu vertretenen Auffassung unter „vernünftigerweise annehmen durfte“ zu subsumieren wäre. Gegen eine eigenständige

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Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“227 Wäre „vernünftigerweise“ ebenfalls als „ohne Fahrlässigkeit“ zu verstehen, läge in „vernünftigerweise annehmen durfte“ eine sinnfreie Doppelung, sodass die Systematik innerhalb des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG jedenfalls gegen diese Bedeutung des Begriffs spricht. Als Abhilfe käme in Betracht, „vernünftigerweise annehmen durfte“ als ein einziges Tatbestandsmerkmal zu begreifen. Dem steht aber die Gesetzesbegründung entgegen, wonach „vernünftigerweise“ als „Maßstab für die Überprüfung, ob die Annahme des Vorstands nicht zu beanstanden ist“ dienen soll, sodass anscheinend eine eigenständige Bedeutung neben „annehmen durfte“ vorgesehen ist. Freilich ist auch dies angesichts des bisher gefundenen Ergebnisses der systematischen Auslegung nicht zwingend, bildet doch auch „ohne Fahrlässigkeit“ einen solchen Maßstab. Auf die Frage wird im Rahmen des Telos der Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zurückzukommen sein. Festzuhalten ist, dass, falls „vernünftigerweise“ eine eigenständige Bedeutung neben „annehmen durfte“ zukommen soll, das Tatbestandsmerkmal mithin nicht insgesamt „vernünftigerweise annehmen durfte“ heißt, die Bedeutung „ohne Fahrlässigkeit“ aus dem Blickwinkel der Systematik innerhalb der Norm ausscheidet. (2) § 46c Abs. 2 Satz 2 KWG Die bereits zitierte Gesetzesbegründung des § 46c KWG, der allerdings nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eingeführt wurde, legt nahe, dass im dortigen Zusammenhang „vernünftigerweise annehmen durfte“ keine eigenständige Bedeutung hat, sodass „vernünftigerweise“ lediglich als Verweis auf den ohnehin geltenden Sorgfaltsmaßstab zu verstehen wäre. Die Haftungsvoraussetzungen der BaFin unterscheiden sich jedoch erheblich von denen der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, sodass eine Übertragung, nicht nur wegen der späteren Regelung des § 46c Abs. 2 S. 2 KWG, die ausdrücklich die aktienrechtliche Business Judgment Rule zum Vorbild hatte,228 keinesfalls zwingend erscheint. Die Regelung soll Haftungs- und Anfechtungsgefahren hinsichtlich in der Krise eines Kreditinstituts getroffener Bedeutung der Gutgläubigkeit auch Paefgen, AG 2004, 245, 256; bereits zur US-amerikanischen business judgment rule ders., Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 167; zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 728; Hauschka, ZRP 2004, 65, 66; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 31; implizit Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 10; anscheinend auch Weiss/Buchner, WM 2005, 163, 165; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649; angesichts des „recht schmalen“ Anwendungsbereichs auch Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 66; a.A. dies aber einräumend Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 76 („Notbremsfunktion“); Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 115 („Notanker“); Ihrig, WM 2004, 2098, 2105; Koch, ZGR 2006, 679, 690; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 25; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 16. 227 Gleichsinnig Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 29; i.Erg. auch Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258: „durfte“ nehme Bezug auf den Maßstab eines ordentlichen Geschäftsleiters. 228 Siehe Begr. RegE Restrukturierungsgesetz v. 27. 09. 2010, BT-Drs. 17/3024, S. 61.

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Maßnahmen der BaFin Rechnung tragen und ist, anders als § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, der in seiner Wirkung einer unwiderleglichen Vermutung gleichkommt, teilweise auch ausdrücklich als solche eingeordnet wird,229 als widerlegliche Vermutung des Nichtvorliegens einer Pflichtverletzung ausgestaltet.230 Grundlegend unterschiedlich sind die Voraussetzungen, unter denen der Vorstand und die BaFin für Pflichtverletzungen haften. Während Vorstandsmitglieder grundsätzlich die Sorgfalt des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG zu beachten und dies im Streitfall auch zu beweisen haben, ist die Haftung der BaFin Amtshaftung gemäß Art. 34 GG, § 839 BGB und kommt zudem wegen der ausschließlichen Aufgabenwahrnehmung im öffentlichen Interesse (§ 4 Abs. 4 FinDAG) nur bei Schäden aufgrund der Verletzung öffentlicher Interessen in Betracht.231 Die Haftungsgefahren für die BaFin sind daher bei Weitem geringer als die den Vorstandsmitgliedern der Aktiengesellschaft drohenden, sodass eine abweichende Bedeutung von „vernünftigerweise“ im KWG und im Aktiengesetz nicht als Widerspruch erschiene, sondern durch diese Unterschiede, die zu den bereits erörterten zwischen dem Handeln der öffentlichen Verwaltung und des unternehmerisch tätig werdenden Vorstands hinzutreten, überzeugend zu begründen ist. Daneben unterscheiden sich auch die Ausführungen zur Begriffsbedeutung in den Gesetzesbegründungen des UMAG und des Restrukturierungsgesetzes ganz erheblich, worüber ebenfalls nicht hinweggegangen werden kann.232 Aus § 46c KWG ergibt sich nach alldem keine Begründung der Bedeutung von „vernünftigerweise“ als „ohne Fahrlässigkeit“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. (3) „Vernünftig“ als Tatbestandsmerkmal im Aktiengesetz Zwar findet sich der Begriff „vernünftigerweise“ im Aktiengesetz ausschließlich in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Der Ausdruck „vernünftig“ dagegen wird in zwei weiteren Normen, § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG und § 254 Abs. 1 AktG, verwendet. Die erste Vorschrift betrifft das Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstands im Zusammenhang des Auskunftsrechts des Aktionärs in der Hauptversammlung. Demnach darf der Vorstand die Auskunft verweigern, soweit ihre Erteilung „nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Die Wendung findet sich erstmals im Aktiengesetz 1965, während die entsprechende Vorschrift des § 112 Abs. 3 AktG 1937 „überwiegende Belange“ der Gesellschaft voraussetzte und die Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzung dem „pflichtmäßigen Ermessen“ des Vorstands anheim stellte. Zur Bedeutung der nunmehr in § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG enthaltenen Formulierung hält sich das Schrifttum bedeckt, indem nur der 229

Siehe Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 39; Kocher, CCZ 2009, 215, 216; U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 79; vertiefend die Übersicht bei Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 98 ff. sowie die dortigen Nachweise. 230 Begr. RegE Restrukturierungsgesetz v. 27. 09. 2010, BT-Drs. 17/3024, S. 61. 231 Vgl. Begr. RegE Restrukturierungsgesetz v. 27. 09. 2010, BT-Drs. 17/3024, S. 61. 232 Zur Gesetzesbegründung des UMAG noch ausführlich unter 3. Teil A. III. 5. c) cc) (3).

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Wortlaut des Gesetzes unter gewissen Abwandlungen wiedergegeben wird.233 Nach der Gesetzesbegründung soll zum Ausdruck gebracht werden, dass der Vorstand die Eignung der Auskunft zur Nachteilszufügung vom Standpunkt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen habe.234 Der Sorgfaltsmaßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG wird allgemein im Hinblick auf die zumindest treuhandähnliche Stellung des Vorstands als Fortentwicklung und Erhöhung gegenüber der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns verstanden,235 sodass demnach eine Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs vorliegt. Dies kommt allerdings wohl bereits in der „kaufmännischen Beurteilung“ zum Ausdruck, sodass „vernünftig“, da die Gesetzesbegründung hier gerade nicht auf eine irgendwie geartete, über die Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns hinausgehende Haftungserleichterung hinweist, in diesem Zusammenhang „ohne Fahrlässigkeit“ heißen muss und damit an sich im Gesetzeswortlaut überflüssig ist. Zu verstehen könnte die Einfügung des „vernünftig“ als ausdrückliche Abkehr von den nach dem AktG 1937 erforderlichen „überwiegenden“ Belangen der Gesellschaft sein, die der Schwierigkeit der Bewertung solcher Interessen, für die das Gesetz keinen Anhalt gebe, geschuldet war.236 In § 254 Abs. 1 AktG wird eine „vernünftige kaufmännische Beurteilung“ der Notwendigkeit einer Einstellung von Beträgen in Gewinnrücklagen oder eines Gewinnvortrags zur Sicherung der Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft verlangt. Die Gesetzesbegründung zum AktG 1965 erweist sich hier als wenig aufschlussreich. Zwar soll zur Vermeidung der Bestimmung der Rücklagenpolitik der Gesellschaft durch eine Aktionärsminderheit das Anfechtungsrecht, das durch § 254 AktG gewährt wird, an strenge Voraussetzungen geknüpft sein. Hervorgehoben werden diesbezüglich aber – auch im Schriftbild der Begründung – die Erfordernisse der Einstellung oder des Gewinnvortrags „ohne dass Gesetz oder Satzung es verlangen“ sowie der Notwendigkeit der Sicherung der Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für die „nächste Zeit“. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass dies „bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ der Fall sein müsse, ohne auf die Bedeutung einzugehen.237 In der Literatur wird die Formulierung des § 254 Abs. 1 AktG, obwohl die Vorschrift es nicht ausreichen lasse, dass die 233 Vgl. nur Kubis, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 131 Rn. 110: „Maßstab hierfür [i. e. die Eignung der Auskunftserteilung zur Nachteilszufügung] ist die Betrachtung durch einen ,vernünftigen kaufmännischen Beurteiler‘ zum Zeitpunkt der Fragestellung in der Hauptversammlung.“; Decher, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2001, § 131 Rn. 299; Drinhausen, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 131 Rn. 30. 234 Begr. RegE AktG 1965, § 131, Kropff, S. 186. 235 Siehe die Nachweise im 2. Teil Fn. 42. 236 Vgl. Begr. RegE AktG 1965, § 131, Kropff, S. 186; a.A. Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 32, der auch für § 131 AktG die Einräumung eines „nicht überprüfbaren Ermessensspielraums“ annehmen will. 237 Vgl. Begr. RegE AktG 1965, § 254, Kropff, S. 340.

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Maßnahmen allein zweckmäßig oder sinnvoll waren,238 als „Einfallstor für die Heranziehung der Grundgedanken“239 der Business Judgment Rule angesehen.240 Anderswo wird darin, unter Verweis auf die Bedeutung der Wendung im Bilanzrecht des HGB241 das Erfordernis einer objektiv-sachkundigen Prüfung, die in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliege, gesehen.242 Vermittelnd wird zwar ein § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechender Spielraum als zu weit abgelehnt, die Entscheidung aber als „Pflichtaufgabe mit Beurteilungsspielraum“ eingeordnet, die hinsichtlich der mit der Regelung des § 254 AktG verfolgten Ziele einer Inhaltskontrolle zugänglich sei.243 Auch im HGB wird allerdings die Bedeutung der „vernünftigen kaufmännischen Beurteilung“ unterschiedlich gesehen: wie zu den genannten aktienrechtlichen Vorschriften finden sich auch hier neben dem schlichten Zitat des Gesetzeswortlauts244 Literaturstimmen, die die Formulierung im Sinne der Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns ohne weitere Besonderheiten verstehen wollen245 und solche, die darin die Einräumung eines „Ermessens“ sehen wollen, dessen Konturen wiederum unscharf bleiben.246 Wegen des grundlegend unterschiedlichen Zusammenhangs, in dem die zitierten „vernünftigen kaufmännischen Beurteilungen“ verlangt werden, sind aus einer umfassenderen Erörterung der Bedeutung des Tatbestandsmerkmals in § 131 AktG und § 254 AktG keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten. Die für die systematische Auslegung von „vernünftigerweise“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG interessierende Frage, ob „vernünftig“ an anderer Stelle im Aktiengesetz bereits mit einer möglicherweise 238 Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, S. 285; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 254 Rn. 7; dazu auch Stilz, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 254 Rn. 10. 239 Stilz, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 254 Rn. 10. 240 Zöllner, AG 2000, 145, 153 u. Fn. 85; Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 32; Stilz, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 254 Rn. 10; Drescher, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 254 Rn. 5; OLG Hamm, DStR 1992, 298, 299 (zur GmbH): „[…] ist eine Rücklagenbildung nur dann zulässig, wenn sie nach verständiger kaufmännischer Beurteilung erforderlich ist, wobei allerdings ein weiter unternehmerischer Ermessensspielraum einzuräumen ist.“. 241 Namentlich §§ 286 Abs. 2, 3 Nr. 2; 340 f Abs. 1 S. 1, 340 g Abs. 1, 341e Abs. 1 S. 1 HGB. 242 Hüffer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2011, § 254 Rn. 14; anscheinend auch Waclawik, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 254 Rn. 4. 243 Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, S. 148 f.; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 254 Rn. 7. 244 Exemplarisch Böcking/Gros, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 3. Aufl. 2014, § 286 Rn. 6; Morck, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, 8. Aufl. 2015, § 286 Rn. 2. 245 Merkt, in: Baumbach/Hopt HGB, 36. Aufl. 2014, § 286 Rn. 2; möglicherweise auch Hüttemann/Meyer, in: Staub, 5. Aufl. 2014, § 286 Rn. 10: „Dies schließt eine willkürliche Anwendung der Ausnahmevorschrift aus.“. 246 Poelzig, in: MüKoHGB, 3. Aufl. 2013, § 286 Rn. 33; wohl auch RGZ 116, 119, 133 f., das in der Begründung auf zahlreiche zu berücksichtigende Abwägungsfaktoren hinweist; Grottel, in: Beck’scher Bilanzkommentar, 9. Aufl. 2014, § 286 HGB Rn. 5 unter Verweis auf Schubert, in: Beck’scher Bilanzkommentar, 9. Aufl. 2014, § 253 HGB Rn. 154.

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übertragbaren Bedeutung besetzt ist, ist bereits nach den gewonnenen Erkenntnissen negativ zu beantworten. In den genannten Normen hat „vernünftig“ entweder keine eigenständige Bedeutung neben der Verpflichtung zur Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns oder wird als Hinweis auf ein „unternehmerisches Ermessen“ oder einen begrenzten „Beurteilungsspielraum“ verstanden, ohne dass diese näher umrissen würden. Für einen Hinweis auf den Inhalt von „vernünftigerweise“ führen diese Befunde nicht weiter. (4) Grobe Fahrlässigkeit als „unangemessene Haftungskategorie“247 für die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft Namentlich Ulmer kritisiert den Referentenentwurf des UMAG, der anstelle von „vernünftigerweise“ „ohne grobe Fahrlässigkeit“ enthielt, dahingehend, dass im systematischen Vergleich mit anderen Schuldnern im Zivilrecht grobe Fahrlässigkeit als Haftungsmaßstab für die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft unangemessen sei.248 In der Tat ist der Haftungsmaßstab grober Fahrlässigkeit oder der grundsätzlich dahinter zurückbleibenden Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten im allgemeinen Zivilrecht nur ganz vereinzelt anzutreffen und privilegiert im Regelfall Schuldner, die keine oder lediglich eine äußerst geringe Gegenleistung erhalten oder dient zur rechtlichen Erfassung besonderer sozialer Näheverhältnisse.249 Auch die Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung sieht für einfache Fahrlässigkeit eine Haftung vor.250 Weiterhin ist die Leitungstätigkeit des Vorstands in der Aktiengesellschaft mit keinem der Schuldverhältnisse, die eine erhöhte Haftungsgrenze vorsehen, vergleichbar, sodass eine umfassende Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit in der Tat als nicht zu rechtfertigender systematischer Bruch zu bewerten wäre.251 Indes sieht § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine derart umfassende Regelung nicht vor. Bei entsprechender Lesart von „vernünftigerweise“ als „ohne grobe Fahrlässigkeit“, gälte dieser reduzierte Haftungsmaßstab nur hinsichtlich der Einschätzung der Entscheidungsgrundlagen als angemessen sowie der Annahme, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln und auch dies nur begrenzt auf eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands, wobei dieses Tatbestandsmerkmal objektiv vorliegen muss, sodass ein diesbezüglicher Irrtum nicht zur Haftungsprivilegierung führte. Zwar gilt es bei der Festlegung des Haftungsmaßstabs auch zu berücksichtigen, dass

247

Ulmer, DB 2004, 859, 862. Ulmer, DB 2004, 859, 862; zust. Ihrig, WM 2004, 2098, 2106; SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 3 f.; Semler, AG 2005, 321, 325; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2004, 555, 556; Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 150 f. 249 Dazu ausführlich im 4. Teil D. I. 250 Ausführlich zur Arbeitnehmerhaftung im 3. Teil E. III. 2. 251 Siehe 4. Teil D. I. 4. 248

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die Gesellschaft erst durch den Vorstand handlungsfähig wird252 und die Anteilseigner keine Möglichkeit haben, ad hoc in Vorstandsentscheidungen einzugreifen,253 sodass die zumindest treuhandähnliche Stellung mit unbeschränkbarer Vertretungsmacht grundsätzlich den hohe Anforderungen beinhaltenden Sorgfaltsmaßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters rechtfertigt.254 Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands weisen aber gegenüber der Leitungstätigkeit im Übrigen und auch gegenüber den Pflichten der vergleichsweise heranzuziehenden Schuldner gewisse Besonderheiten auf. Zunächst zeichnen sie sich dadurch aus, dass rechtlich und tatsächlich eine Auswahl aus mehreren Verhaltensalternativen besteht und die Folgen dieser Auswahl sich nicht mit Sicherheit vorhersehen lassen, sodass die Entscheidung per se mit dem Risiko eines Fehlschlags im Sinne einer Schädigung der Gesellschaft verbunden ist.255 Die Eingehung solcher unternehmerischer Risiken liegt dabei aber wegen der ihnen gegenüberstehenden Chancen, auf deren Realisierung freilich auch die Vorstandsmitglieder hoffen werden, im Interesse der Gesellschaft und damit schlussendlich der wirtschaftlich betroffenen Aktionäre.256 Anders als den zum Vergleich herangezogenen Schuldnern steht dem Vorstand, abgesehen von der Möglichkeit, die geplante Geschäftsführungsmaßnahme nach § 119 Abs. 2 AktG der Hauptversammlung zur Entscheidung vorzulegen, keine Möglichkeit zur Verfügung, vor einer solchen Entscheidung sein Haftungsrisiko durch Hinzuziehung einer weiteren Person auszuschließen. Letzteres ist in anderen Schuldverhältnissen in aller Regel möglich, indem der Schuldner vor einer Maßnahme, die er als haftungsträchtig identifiziert hat, den Gläubiger über die von ihm erkannten Risiken unterrichten und anschließend nach dessen Weisungen pflichtgemäß handeln kann.257 Eine vergleichbare Instanz fehlt für den Vorstand in der Aktiengesellschaft. Es besteht daher die bereits in anderem Zusammenhang erörterte Gefahr, dass sich Vorstandsmitglieder entweder übermäßig risikoavers verhalten und, vorbehaltlich völliger Untätigkeit wohl in der Praxis berechtigt hoffen, nicht wegen übervorsichtigen Agierens auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.258 Ferner fördert ein hoher Sorgfaltsmaßstab mit starker Verrechtlichung der unternehmerischen Tätigkeit einen dementsprechenden Dokumentationsaufwand, 252

Dazu auch 3. Teil E. III. 3. d). Dazu bereits oben 3. Teil A. III. 5. b) bb) (2) sowie noch unter 3. Teil E. III. 3. d). 254 Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 37 stellt zu der Frage der systematischen Stimmigkeit eines Haftungsmaßstabs grober Fahrlässigkeit in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf die Möglichkeit der Risikodiversifikation durch die Aktionäre ab. Dieser Einwand erscheint indes nur zum Teil zutreffend, kann sich doch die Gesellschaft selbst nicht und die Aktionäre nicht in einer konkreten Entscheidungssituation „wehren“ und könnte der Einwand der Risikostreuung zudem in gewissem Umfang auf sämtliche Bereiche der Vorstandshaftung ausgedehnt werden. 255 Zum Tatbestandsmerkmal der „unternehmerischen Entscheidung“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG s. o. unter 3. Teil A. III. 1. 256 Vgl. 2. Teil C. II. 4. b) dd) (1) (b), (3) (a), (b). 257 Beispielhaft sei hier an die Aufklärung vor ärztlichen Eingriffen gedacht. 258 Ähnl. zum US-amerikanischen Recht Eisenberg, Der Konzern 2004, 386, 394; ders., 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 964. 253

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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den die Mitglieder des Vorstands angesichts der Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG betreiben werden, sowie die unnötige Einholung sachverständiger Meinungen Dritter,259 die neben Kosten auch zu nicht im Interesse der Gesellschaft liegenden Verzögerungen an sich eilbedürftiger Entscheidungen führen wird.260 Die Möglichkeit, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen, bedeutet nur in ganz geringem Umfang eine Erleichterung, soll doch die Geschäftsleitung nicht faktisch unmittelbar in die Hände der Aktionäre gelegt werden und ist diese Absicherung für den Vorstand tatsächlich unmöglich, wenn es sich um eilbedürftige Entscheidungen oder solche, denen geheimhaltungsbedürftige Informationen zugrunde liegen, handelt.261 Mithin sehen sich die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft bei der Vornahme einer unternehmerischen Entscheidung in einer Lage, die einerseits eine Entschließung von ihnen verlangt – schlichte Untätigkeit wäre eine Pflichtverletzung, die auch nicht § 93 Abs. 1 S. 2 AktG unterfiele – deren Folgen nicht abzusehen sind, während möglicherweise nur ganz begrenzte Anhaltspunkte für die „Richtigkeit“ der einen oder der anderen Auswahlmöglichkeit vorhanden sind, ohne dass sie sich bei der Gesellschaft, für die sie gerade selbst handeln sollen, oder den Aktionären als letztlichen „Gläubigern“ ihrer Geschäftsleitungsleistung hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung rückversichern könnten. Das ist, mit dem Unterschied, dass es möglicherweise eine dritte, insgesamt unschädliche Entscheidungsmöglichkeit gibt, eine Lage, die trefflich mit der sprichwörtlichen Auswahl zwischen Pest und Cholera umschrieben werden kann – mit dem Zusatz, dass diese Auswahl in gewissem Umfang blind zu treffen ist. Angesichts dieser Abweichungen vom „Normalfall“ einer Entscheidung eines Schuldners oder auch des Vorstands einer Aktiengesellschaft, bei der entweder rechtliche Leitlinien oder eine zu befragende Instanz, die einen Haftungsausschluss bewirken kann, vorhanden sind, erscheint der Haftungsmaßstab grober Fahrlässigkeit in dem eng umgrenzten Bereich, den „vernünftigerweise“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erfasst, mangels Vergleichbarkeit nicht als systematischer Bruch mit den Haftungsmaßstäben des Zivilrechts im Übrigen. Vielmehr findet sich der den hiesigen Erwägungen zugrunde liegende Kerngedanke, dass eilbedürftige Entscheidungen, vor denen eine absichernde Rückfrage nicht möglich ist und bei denen der Handelnde davon ausgeht, im Interesse des Betroffenen zu handeln, einer Haftungserleichterung unterliegen, auch im allgemeinen Zivilrecht für die Haftung des Notgeschäftsführers in § 680 BGB wieder.262 Auch deshalb spricht die Systematik

259 Deren Vermeidung hat § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausdrücklich zum Ziel, vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11 f. 260 Bedenken gegenüber einer „totalbürokratisierten Unternehmung“ formuliert auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 28 f. 261 Zu den Grenzen des § 119 Abs. 2 AktG als Enthaftungsinstrument noch im 4. Teil A. I. 2. c) bb). 262 Dazu ähnl. Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 37.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

zivilrechtlicher Haftungsmaßstäbe nicht gegen ein Verständnis von „vernünftigerweise“ als „ohne grobe Fahrlässigkeit“.263 Eine Aussage zur Notwendigkeit dieses Haftungsmaßstabs zur Verwirklichung des Normzwecks und zum diesbezüglichen Willen des Gesetzgebers soll mit diesem Ergebnis ausdrücklich nicht verbunden sein.264 (5) Unbedenklichkeit der Vermengung von Pflichtenund Sorgfaltsmaßstab Unter systematischen Gesichtspunkten unbedenklich erscheint auch die zum Referentenentwurf kritisierte Vermengung von Elementen der Pflichtverletzung und des Verschuldens, indem das Fehlen grober Fahrlässigkeit den Ausschluss der Pflichtwidrigkeit begründen sollte. Trotz der einzuräumenden dogmatischen Schwäche einer solchen Regelung ist die saubere Trennung der Anforderungen an Pflichtverletzung und Verschulden auch in anderen Normen des Aktienrechts und des Zivilrechts im Übrigen nicht der Regelfall. Auch § 93 Abs. 1 S. 1 AktG wird von der herrschenden Meinung sowohl als Pflichten- als auch als Sorgfaltsmaßstab eingeordnet.265 Denselben dogmatischen Bedenken müsste sich konsequent auch „annehmen dürfen“ ausgesetzt sehen, das ebenfalls das Fehlen von Fahrlässigkeit zum Ausdruck bringt. Dasselbe gilt für die Auslegung von „vernünftigerweise“ als „ohne Fahrlässigkeit“ im Sinne eines Hinweises auf § 93 Abs. 1 S. 1 AktG. Dieses dogmatische Problem umgeht lediglich die Auffassung, die § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechend der US-amerikanischen business judgment rule als Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit einer Entscheidung, für die weiterhin die hohen Anforderungen des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG gelten sollen, einordnet.266 Eine solche Trennung eines „standard of conduct“ und eines „standard of review“267 gibt die deutsche Regelung indes nicht her.268 Bereits der Wortlaut „eine Pflichtverletzung 263

So i.Erg. auch Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 36 f. Dazu später unter 3. Teil A. III. 5. c) dd). 265 Ebenso zum Ganzen Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258. 266 So Paefgen, AG 2004, 245, 249; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1254, 1259; S. H. Schneider, DB 2005, 707, 710, 712; Jungmann, FS K. Schmidt, 2009, S. 831, 833; M. Roth, BB 2004, 1066, 1068; anders noch ders., Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 37 f.; wie dort nunmehr wieder Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 67; eine solche Trennung von Pflichten- und Überprüfungmaßstab als ein mögliches Verständnis des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ansehend auch Fleischer, ZIP 2004, 685, 689 f. Ausführlich dazu Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 130 ff. Gänzlich unumstritten ist die Einordnung der US-amerikanischen business judgment rule als Absenkung lediglich eines standard of review indes nicht, s. Bainbridge, Corporation Law and Economics, S. 243. 267 Zu dieser Trennung im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht grundlegend Eisenberg, 62 Fordham Law Review (1993), 437, 465 u. passim; s. auch ders., Der Konzern 2004, 386, 389 ff.; Allen/Jacobs/Strine, 56 Bus. Law. (2001), 1287, 1295 f. 268 Ebenso Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Abs 1 Satz 2, 4 nF Rn. 12; lediglich implizit nunmehr dies., in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 67; ausgehend 264

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liegt nicht vor, wenn […]“ spricht für eine materiell-rechtliche Einordnung.269 Eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte formuliert etwa § 114 VwGO für das Ermessen der Verwaltungsbehörde, indem ausdrücklich geregelt wird, was, neben den formellen Voraussetzungen, „das Gericht prüft“. Eine vergleichbare Formulierung fehlt in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, eine Übertragung des § 114 VwGO scheidet mangels Vergleichbarkeit des Vorstands- und Verwaltungshandelns aus.270 Für eine Einordnung als ausschließlich materiell-rechtliche Regelung spricht neben dem Standort der Vorschrift im Aktiengesetz auch die Gesetzesbegründung, wo ausdrücklich von einer „haftungstatbestandlichen“, mithin nicht erst auf prozessualer Ebene anzusiedelnden, Freistellung die Rede ist.271 Weiterhin erlaubt die Formulierung keine echte Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte – schließlich kann nicht geprüft werden, ob eine Informationsgrundlage „vernünftigerweise“ für angemessen gehalten werden durfte, ohne deren Inhalte zu kennen.272 Im Übrigen bleibt die Einordnung der Business Judgment Rule deutscher Prägung als materiell- oder prozessrechtliche Regelung im Ergebnis bei einem Verständnis von „vernünftigerweise“ als „ohne grobe Fahrlässigkeit“ ohne Bedeutung, entsprechen doch die Formulierungen, die die Befürworter einer prozessrechtlichen Regel für die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle verwenden, im Wesentlichen den Anforderungen an grobe Fahrlässigkeit.273 Diese Auffassung kaschiert mithin zwar einen dogmatischen Mangel, führt dafür aber eine dem deutschen Recht in dieser Form bislang unbekannte Trennung eines materiell-rechtlichen Pflichtenstandards von der gerichtlichen Überprüfbarkeit dessen Einhaltung, mithin eine haftungsfreie schuldhafte Pflichtverletzung, ein,274 ohne dass dies in Wortlaut oder Begründung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine Stütze fände. Es ist daher einzuräumen, dass sich die dogmatische Schönheit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in engen Grenzen hält. Angesichts der lediglich diesen Makel der Vorschrift überdeckenden Gegenauffassung, die nicht zu anderen Ergebnissen gelangen dürfte und der Hinnahme solcher Unsauberkeiten im Recht im Übrigen, greifen die Bedenken gegen die ausdrückliche, nicht nur versteckte Einführung eines Fahrlässigkeitsmaßstabs in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Ergebnis nicht durch.

von der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 79. 269 Ebenso Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2069; Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 772. 270 Siehe oben unter 3. Teil A. III. 5. b) bb). 271 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 272 Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 28, 38 f. 273 So auch die Einschätzung Bachmanns, FS Stilz, 2014, S. 25, 38 f. 274 Krit. dazu auch Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 104; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2069; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 105; M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 37 f.; Kinzl, AG 2004, R 3; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 261; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Abs 1 Satz 2, 4 nF Rn. 12; anders noch Hopt, FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 920.

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Dementsprechend sollte auch für „vernünftigerweise“ die Bedeutung „ohne grobe Fahrlässigkeit“ nicht aus diesem Grund ausgeschlossen werden. (6) Zwischenfazit Ein eindeutiges Ergebnis der systematischen Auslegung konnte nicht gefunden werden.275 Der Begriff „vernünftigerweise“ beziehungsweise „vernünftig“ wird an anderen Stellen außerhalb und innerhalb des Aktiengesetzes teilweise ohne eigenständige Bedeutung gebraucht und unterstützt in diesem Zusammenhang lediglich den Hinweis auf die Einhaltung allgemeiner Sorgfaltsmaßstäbe. Die Voraussetzung einer „vernünftigen kaufmännischen Beurteilung“ wird im Aktiengesetz aber von Einigen auch im Sinne eines Hinweises auf die Gedanken, die für die Business Judgment Rule tragend sind, verstanden und hat demnach eine eigenständige, wenngleich im Folgenden noch zu klärende Bedeutung. Innerhalb des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG konnte festgestellt werden, dass bereits die „vernünftigerweise“ nachfolgende Formulierung „annehmen durfte“ im Sinne von „ohne Fahrlässigkeit“ zu deuten ist. Die Systematik innerhalb der Norm lässt daher entweder eine erweiternde oder einschränkende Bedeutung von „vernünftigerweise“ in Bezug auf diese Fahrlässigkeit zu. Alternativ könnte aber auch „vernünftigerweise annehmen durfte“ einheitlich als „ohne Fahrlässigkeit“ verstanden werden, wie dies für „vernünftig“ in § 131 AktG der Fall ist und für § 254 AktG von einigen Schrifttumsvertretern für die „vernünftige kaufmännische Beurteilung“ angenommen wird. cc) Entstehungsgeschichte (1) Die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH Die Gesetzesbegründung des UMAG verweist auf „Parallelen“ der Gesetz gewordenen Regelung zu den in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH formulierten Grundsätzen.276 Für die Inhaltsbestimmung von „vernünftigerweise“ von Bedeutung sind die Urteilsgründe insoweit, als darauf hingewiesen wird, dass eine Schadensersatzhaftung des Vorstands „erst dann in Betracht kommen [kann], wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind, [oder] die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist […].“277 Der BGH geht demnach bei der „Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens“278 anscheinend nicht bereits bei jeglicher Überschreitung der Sorgfalt eines ordentlichen 275 Anders Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 31: „klares Argument gegen das Verständnis […] als bloßen Fahrlässigkeitsmaßstab.“. 276 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 277 BGHZ 135, 244, 253, Hervorhebungen durch die Verf. 278 BGHZ 135, 244, 253.

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und gewissenhaften Geschäftsleiters, zu deren Einhaltung § 93 Abs. 1 S. 1 AktG die Vorstandsmitglieder verpflichtet, von einer Schadensersatzpflicht aus, sondern verlangt vielmehr eine qualifizierte Überschreitung der Grenzen dieser Sorgfalt.279 Dies spricht für die Lesart von „vernünftigerweise“ als „ohne grobe Fahrlässigkeit“, zumindest aber als einer Qualifikation der haftungsbegründenden Fahrlässigkeit. Freilich bleibt unklar, inwieweit die Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG „parallel“ zu der Entscheidung gebildet ist, sodass Rückschlüsse auf die Bedeutung einzelner Tatbestandsmerkmale grundsätzlich nicht möglich sind. Hinsichtlich des Merkmals „vernünftigerweise“ verweist die Gesetzesbegründung aber ausdrücklich unter Bezugnahme auf die hier bereits zitierte Passage auf die „ARAG/Garmenbeck“Entscheidung des BGH,280 sodass eine Bedeutung im Sinne eines Erfordernisses qualifizierter Fahrlässigkeit anzunehmen ist. (2) Die business judgment rule US-amerikanischer Prägung als Vorbild des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Neben der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH bezieht sich die Gesetzesbegründung des UMAG als „Vorbild“ für die Regelung einer deutschen „business judgment rule“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf das entsprechende Rechtsinstitut des angloamerikanischen Rechtskreises, denen die Vorschrift inhaltlich, so die Gesetzesbegründung, „entspricht“.281 Bereits aufgrund dieser Einschränkung auf ein Entsprechen, nicht eine vollumfängliche Übernahme der business judgment rule US-amerikanischer Prägung, insbesondere aber aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten, unter denen beide im Regelfall zur Anwendung kommen, ist bei der Heranziehung der Rechtsprechung und Literatur zur US-amerikanischen rule zur Auslegung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG grundsätzlich Zurückhaltung geboten und sorgfältig zu überprüfen, ob in dem betreffenden Punkt unterschiedliche rechtliche oder tatsächliche Verhältnisse eine Übertragung von Erkenntnissen ausschließen.282 Zunächst sollen daher im Sinne eines Exkurses einige Grundzüge der business judgment rule US-amerikanischer Prägung dargestellt werden.

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Dazu auch Linnerz, NZG 2004, 307, 312. Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 281 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 282 In diesem Sinne auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 83 f.; Linnerz, NZG 2004, 307, 312 (zum RefE UMAG) unter Hinweis auf erhebliche Unterschiede. 280

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

(a) Exkurs: Die business judgment rule im US-amerikanischen Recht (aa) Grundlegende Inhalte Die business judgment rule erlaubt, so die gängige Formulierung im US-amerikanischen corporate law, den directors redliche Irrtümer („honest errors in judgment“).283 Die Voraussetzungen der business judgment rule haben in Ermangelung einer einheitlichen Gesetzesfassung keine allgemeingültige Formulierung gefunden, jedoch kann ein anerkannter Tatbestand festgestellt werden, der lediglich ein unterschiedliches Maß an Ausdifferenzierung seiner Merkmale erfahren hat. Der Delaware Supreme Court sowie das American Law Institute in seinen Principles of Corporate Governance gehen von fünf Voraussetzungen für den Zugang zum safe harbor der business judgment rule aus: business judgment, independence relative to the decision and lack of interest, acting in good faith, rational business purpose, process due care (acting on an informed basis).284 Der Begriff der business decision oder, teilweise gleichbedeutend verwendet, des business judgment wird im USamerikanischen Recht überwiegend denkbar weit verstanden.285 Ähnlich der deutschen Regelung in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG lässt sich auch die US-amerikanische business judgment rule auf wenige wesentliche Elemente reduzieren, die die genannten Voraussetzungen implizieren: process due care und good faith bzw. honest belief in acting in the best interest of the company.286 283 Clark, Corporate Law, S. 124; Arsht, 8 Hofstra Law Review (1979), 93, 122: „An honest error in judgment is allowed.“; Bodell v. General Gas & Electric Corporation, 15 Del. Ch. 420, 140 A. 264 (267) (Del. 1927): „[…] certainly an honest mistake of business judgment should not by reviewable by Court.“. 284 Formulierung in Anlehnung an Brehm v. Eisner, 746 A.2d 244 (264) (Del.Supr. 2000); ähnl. Bainbridge, Corporation Law and Economics, S. 270 ff.; ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01 (c) – dem rational business purpose entspricht hier das Erfordernis „if the director or officer […] rationally believes that the business judgment is in the best interests of the corporation.“ Dieses Merkmal enthält durch „rationally believes“ eine Subjektivierung der Perspektive. Dennoch geht die Kommentierung der Principles of Corporate Governance anscheinend von einer Gleichbedeutung mit dem Erfordernis des Vorliegens eines rational business purpose aus, vgl. § 4.01 (c), Comment f. (S. 179); vgl. zu den ALI Principles of Corporate Governance auch Kessler, Die Leitungsmacht des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, S. 252 f.; vertiefend Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 932 ff. 285 Dazu bereits oben unter 3. Teil A. III. 1. b) dd). 286 Hansen, 48 Bus. Law. (1993), 1355, 1371; vgl. auch Citron v. Fairchild Camera and Instrument Corp., 14 Del. J. Corp. L. 273 (305) (Del. Ch. 1988): „[…] the business judgment rule provides that there is no liability for an injury or loss to the corporation arising from corporate action when the directors, in authorizing such action, proceeded in good faith and with appropriate care.“, Hervorhebungen durch die Verf. Citron v. Fairchild Camera and Instrument Corp., 569 A.2d 53 (64) (Del., 1989) setzt zusätzlich ein Handeln „in the honest belief that the action was taken in the best interest of the company“ voraus; diese Anforderung dürfte mit „in good faith“ austauschbar sein, ähnl. Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 89; i.Erg. auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 166 f.

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Der prozessuale Inhalt der business judgment rule kann dahingehend zusammengefasst werden, dass das entscheidungszuständige Gericht grundsätzlich davon auszugehen hat, dass die directors gutgläubig in der Annahme, zum Besten der corporation zu handeln, ihre wirtschaftliche Entscheidung getroffen haben, auch wenn sich diese im Ergebnis als nachteilig erwiesen hat.287 Der „safe harbor“288 für business decisions entsteht hier durch das Zusammenwirken zweier Faktoren: Zum einen wird die gerichtliche Überprüfung solcher Entscheidungen stark zurückgenommen, eine inhaltliche Prüfung findet bei Vorliegen der Voraussetzungen der business judgment rule nicht statt.289 Zum anderen liegt die Beweislast für das Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen beim eine Pflichtverletzung geltend machenden Kläger.290 Die Erbringung dieses Beweises „by 287 Arsht, 8 Hofstra Law Review (1979), 93, 130: „The court will presume, until shown otherwise, that the directors have in fact exercised, in good faith, their best business judgment in what they believed to be the corporation’s best interests.“; Manning, 45 Ohio State Law Journal (1984), 615, 617: „[…] the general idea of the business judgment rule is that when a board of directors has acted with reasonable care and in good faith, its decisions will be regarded as ,business judgments,‘ and the directors will not be liable for damages even when a decision proves to be detrimental to the corporation.“; Clark, Corporate Law, S. 123 f. 288 ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01(c), Comment a. (S. 173). 289 Vgl. Citron v. Fairchild Camera and Instrument Corp., 14 Del. J. Corp. L. 273 (305) (Del. Ch. 1988); Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345 (361) (Del. 1993): „If a shareholder plaintiff fails to meet this evidentiary burden, the business judgment rule attaches to protect corporate officers and directors and the decisions they make, and our courts will not second-guess these business judgments.“; Citron v. Fairchild Camera and Instrument Corp., 569 A.2d 53 (64) (Del. 1989); vgl. auch die gesetzl. Regelung von Delaware zur Geschäftsleitung in der corporation in 8 Del.C. § 141(a) sowie Balotti/Hanks, 48 Bus. Law. (1993), 1337, 1339: „[…] the business judgment rule can be thought of as a statement of the circumstances (informed basis, good faith, honest belief) under which a court will not substitute its judgment for that of directors, either to hold them liable or to invalidate a transaction they have approved.“. 290 Vgl. Aronson v. Lewis, 473 A.2d. 805 (812) (Del. 1984): „The burden is on the party challenging the decision to establish facts rebutting the presumption“; Warshaw v. Calhoun, 221 A.2d 487 (493) (Del., 1966): „The acts of directors are presumptively acts taken in good faith and inspired for the best interests of the corporation, and a minority stockholder who challenges their Bona fides of purpose has the burden of proof.“; Prince v. Bensinger, 244 A.2d 89 (94) (Del.Ch., 1968): „directors […] are, of course, presumed to have acted in good faith […]“; Robinson v. Pittsburgh Oil Refining Corporation, 126 A. 46 (48) (Del.Ch., 1924): „[…] the directors of the defendant corporation are clothed with that presumption which the law accords to them being actuated in their conduct by a bona fide regard for the interest of the corporation whose affairs the stockholders have committed to their charge.“; Allaun v. Consolidated Oil Co., 147 A. 257 (261) (Del.Ch., 1929): „The judgment of the directors in fixing the terms and conditions of the sale is entitled to the presumption in its favor that it was exercised honestly and in good faith. […] The evidence must disclose facts upon which to base a conclusion adverse to that of the responsible spokesmen for the corporation, before the court would be justified in withholding from their judgment the benefit of that presumption of good faith and fairness which the law accords to it.“; Gropper v. North Cent. Tex. Oil Co., 114 A.2d 231 (233) (Del.Ch. 1955): „It has been established by the Delaware decisions that in the absence of evidence to the contrary the judgment of directors in fixing the terms and conditions of a sale, as in any other corporate act, is entitled to the presumption that it was exercised honestly and in

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a preponderance of the evidence“291 wird im US-amerikanischen Schrifttum, vorbehaltlich des Nachweises eines Eigeninteresses der directors, für nahezu unmöglich gehalten.292 In ihren Wirkungen greifen die beiden Funktionen der business judgment rule ineinander: Wenn es dem Kläger nicht gelingt, Tatsachen vorzutragen, die das Gegenteil beweisen, hat das erkennende Gericht davon auszugehen, dass die Anwendungsvoraussetzungen der rule vorgelegen haben. Unter Zugrundelegung dieser Vermutung treten die materiellen Rechtsfolgen ein: eine Haftung der directors ist ausgeschlossen und die Entscheidung hat Bestand. (bb) Der „derivative suit“ als Regelfall der Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen im US-amerikanischen Recht Bedeutung erhält die business judgment rule im US-amerikanischen Recht, sowohl unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung von Schadensersatz als auch der Aufhebung einer Entscheidung des board of directors, in aller Regel im Rahmen eines derivative suit, einer Aktionärsklage. Im Ausgangspunkt ähnlich wie in § 148 AktG handelt es sich dabei zunächst um ein Verfahren der Anteilseigner gegen die Gesellschaft, durch das diese dazu gebracht werden soll, ihrerseits gegen die möglicherweise pflichtvergessenen directors zu klagen. Verweigert sich die Gesellschaft oder ist in Ausnahmefällen eine solche „demand“ entbehrlich, handelt es sich um eine durch die Anteilseigner in deren Namen betriebene Klage der Gesellschaft gegen die ihr gegenüber haftbaren directors.293 Dabei wird auch die Entscheidung der Gesellschaft über eine solche Aufforderung eines Anteilseigners, selbst Klage zu good faith […]“; Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (872) (Del. 1985); Citron v. Fairchild Camera and Instrument Corp. 569 A.2d 53 (64) (Del. 1989); Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345 (361) (Del. 1993); Marks v. Wolfson, 188 A.2d 680 (Del.Ch. 1963); dazu vertiefend Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 98 ff.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 923; s. auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 83 f. 291 „Übergewicht des Beweises“; üblicher Beweisstandard im US-amerikanischen Recht. Vgl. dazu Marks v. Wolfson, 188 A.2d 680 (Del.Ch. 1963); Gropper v. North Cent. Tex. Oil Co., 114 A.2d 231 (233) (Del.Ch. 1955): Geltung der Vermutung von „honesty“ und „good faith“ „in the absence of evidence to the contrary“; Allaun v. Consolidated Oil Co., 147 A. 257 (261) (Del.Ch. 1929): „The evidence must disclose facts upon which to base a conclusion adverse to that of the responsible spokesmen for the corporation, before the court would be justified in withholding from their judgment the benefit of that presumption of good faith and fairness which the law accords to it.“; Karasik v. Pacific Eastern Corp., 180 A. 604 (607) (Del.Ch. 1935). 292 Siehe Arsht, 8 Hofstra Law Review (1979), 93, 132 f.; Manning, 45 Ohio State Law Journal (1984), 615, 619; ebenso v. Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, S. 919. 293 Dazu Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (811) (Del. 1984): „The derivative action developed in equity to enable shareholders to sue in the corporation’s name where those in control of the company refused to assert a claim belonging to it. The nature of the action is two-fold. First, it is the equivalent of a suit by the shareholders to compel the corporation to sue. Second, it is a suit by the corporation, asserted by the shareholders on its behalf, against those liable to it.“ Eingehend Ulmer, ZHR 163 (1990), 290, 302 ff.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1126 ff., zu den Klagevoraussetzungen Rn. 1141 ff.

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erheben, die durch ein litigation committee als Ausschuss des board of directors getroffen wird, in der US-amerikanischen Rechtsprechung ohne Weiteres selbst als der Anwendung der business judgment rule zugängliche business decision eingeordnet294 und dadurch nochmals eine nicht unerhebliche Hürde für den Aktionärskläger geschaffen: Wo eine solche demand erforderlich und die ablehnende Entscheidung des board vom Schutz der business judgment rule erfasst ist, sind damit die Möglichkeiten des Anteilseigners, den Anspruch der Gesellschaft geltend zu machen, erschöpft.295 Dementsprechend bilden die Frage des Schutzes einer negativen Entscheidung eines solchen litigation committee sowie die Voraussetzungen, unter denen eine vorherige Klageaufforderung entbehrlich ist, den Kern der US-amerikanischen Rechtsprechung zur business judgment rule.296 Die Anwendungsbereiche der business judgment rule US-amerikanischer Prägung und des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG decken sich demnach nur insoweit, als über die Haftung eines Geschäftsleiters wegen der „eigentlichen“ unternehmerischen Entscheidung, derentwegen der derivative suit angestrengt wurde, zu entscheiden ist. Die Bedeutung der Aktionärsklage nach deutschem Recht ist mit der des derivative

294

Vgl. United Copper Securities Co. v. Amalgated Copper Co., 244 U.S. 261 (263) (U.S. 1917): „Whether or not a corporation shall seek to enforce in the courts a cause of action for damages is, like other business questions, ordinarily a matter of internal management, and is left to the directors, in the absence of instruction by vote of the stockholders.“; Maldonado v. Flynn, 485 F.Supp. 274 (286) (S.D.N.Y. 1980). 295 Zapata Corp. v. Maldonado, 430 A.2d 779 (784) (Del. 1981): „A demand, when required and refused (if not wrongful), terminates a stockholder’s ability to initiate derivative action. But where demand is properly excused, the stockholder does possess the ability to initiate the action on his corporation’s behalf.“. 296 Vgl. dazu die Grundsatzentscheidungen United Copper Securities Co. v. Amalgated Copper Co., 244 U.S. 261 (263 f.) (U.S. 1917): „Courts interfere seldom with such discretion […], except where the directors are guilty of misconduct equivalent to a breach of trust, or where they stand in a dual relation which prevents an unprejudiced exercise of judgment […]“; deutlich schärfer, auch zur Beweislastverteilung, aufgrund grundsätzlicher Zweifel an der Unbefangenheit von Mitgliedern des board in der Frage einer Schadensersatzklage gegen einen anderen director Zapata Corp. v. Maldonado, 430 A.2d 779 (787) (Del. 1981): „[…] notwithstanding our conviction that Delaware law entrusts the corporate power to a properly authorized committee, we must be mindful that directors are passing judgment on fellow directors […]. The question naturally arises whether a ,there but for the grace of God go I‘ empathy might not play a role. […] the further question arises whether inquiry as to independence, good faith and reasonable investigation is sufficient safeguard against […] perhaps subconscious abuse.“ zur Beweislast ebd. 788; dazu auch Block/Prussin, 39 Bus. Law. (1984), 1503, 1504 f.; diese Einschränkungen wieder zurücknehmend Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (815) (Del. 1984): „Moreover, in the demand context even proof of majority ownership of a company does not strip the directors of the presumption of independence, and that their acts have been taken in good faith and in the best interest of the corporation. There must be coupled with the allegation of control such facts as would demonstrate that through personal or other relationships the directors are beholden to the controlling person.“; dazu auch Block/Prussin, 39 Bus. Law. (1984), 1503, 1508 ff.; ausführlich zum Ganzen Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 159 ff.

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suit im US-amerikanischen Rechtskreis keinesfalls vergleichbar,297 auch wenn die Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausdrücklich als Ausgleich zur Stärkung der Aktionärsklage durch das UMAG gedacht war. Anders als die deutsche Regelung dient die business judgment rule des US-amerikanischen Rechts daher zwar einerseits, indem ihre Anwendung an gewisse Voraussetzungen geknüpft wird, dem Schutz der Gesellschaft vor Schädigungen durch pflichtwidriges Handeln der directors durch deren Haftung, andererseits aber auch dem Schutz der Gesellschaft und der Anteilseignermehrheit vor dem, wofür sich zum deutschen Recht der Begriff der „räuberischen Aktionäre“ etabliert hat und soll verhindern, dass einzelne Aktionäre298 so den Kurs der Gesellschaft gegen die Mehrheit und das von dieser bestellte board299 bestimmen können.300 (b) Die „vernünftigerweise“ entsprechenden Anforderungen der US-amerikanischen business judgment rule Die business judgment rule in der Formulierung der Principles of Corporate Governance des American Law Institute, § 4.01. (c), setzt unter anderem voraus, dass der director „(2) is informed with respect to the subject to the extent the director […] reasonably believes to be appropriate under the circumstances and (3) rationally believes that the business judgment is in the best interest of the corporation.“301 Festzustellen ist hier zunächst, dass sich die Anforderungen an die der Entscheidung zugrunde zu legenden Informationen und die Annahme, im besten Interesse der Gesellschaft zu handeln, unterscheiden.302 Hinsichtlich der Informationen, von denen der director „reasonably“ annimmt, sie seien unter den Umständen angemessen, erinnern die Ausführungen in der Kommentierung der Principles of Corporate Governance stark an die Gesetzesbegründung und das Schrifttum zur „Grundlage angemessener Information“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG: auch hier wird vor allem auf die Besonderheiten der einzelnen Entscheidungssituation, insbesondere 297

Zur fehlenden praktischen Bedeutung des § 148 AktG s. u. im 5. Teil B. I. Anders als § 148 AktG sieht das US-amerikanische Recht kein Quorum als Voraussetzung der Klagebefugnis vor, sodass ein einziger Aktionär einen derivative suit anstrengen kann, s. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1126. 299 In der corporation nach US-amerikanischem Recht fehlt es an einem eigenständigen, dem Aufsichtsrat vergleichbaren Organ, sodass die Bestellung und Abberufung der directors unmittelbar in den Händen der Anteilseigner liegt; s. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 200 ff., 620 ff. 300 Zapata Corp. v. Maldonado, 430 A.2d 779 (785) (Del. 1981); Lewis v. Anderson, 615 F.2d 778 (783) (9th Circ. 1979): „To allow one shareholder to incapacitate an entire board of directors merely by leveling charges against them gives too much leverage to dissident shareholders. There is no reason to believe that a minority shareholder is more likely to act in the best interest of the corporation than are directors who are elected by a majority of stockholders.“; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 930. 301 ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01 (c), Hervorhebungen durch die Verf. 302 Ein vergleichbares Konzept zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG schlägt Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 21, 23 vor. 298

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Zeitdruck, die Bedeutung der Entscheidung für die Gesellschaft und die Abwägung von Kosten und Nutzen weiterer Ermittlungen eingegangen.303 Dagegen soll „rationally“ den directors einen weiten Spielraum eröffnen.304 Die Grenzen dieser Voraussetzung sollen, so die Rechtsprechung, auf die die Kommentierung der Principles of Corporate Governance verweist, erst überschritten sein, wenn „reckless indifference to or a deliberate disregard of the stockholders“ vorliegt oder die Handlung sich „without the bounds of reason“ bewegt. Dementsprechend soll im Bereich des Gesellschaftsrechts eine über den Standard der „gross negligence“ des tort law hinausgehende, höhere Haftungsschwelle gegeben sein.305 Eine saubere Abgrenzung zwischen den Begriffen „rational“ und „reasonable“ wird in der Rechtsprechung nicht vorgenommen, sodass ihre Bedeutungsgehalte dort teilweise unklar bleiben.306 Deutlich wird aber aus allen Formulierungen des Schutzbereichs der business judgment rule, insbesondere auch durch den Hinweis auf das Erfordernis der „gross negligence“ als Ausschlusskriterium,307 dass das US-amerikanische Recht qualifi303

Vgl. ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01 (c); Comment e. (S. 178). ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01 (c); Comment f. (S. 180). 305 Siehe Rabkin v. Philip A. Hunt Chemical Corp., 547 A.2d 963 (970) (Del. Ch., 1986): „In the corporate area, gross negligence would appear to mean, ,reckless indifference to or a deliberate disregard of the stockholders,‘Allaun v. Consolidated Oil Co., 147 A. 257 (261) (Del. Ch., 1929) or actions which are ,without the bounds of reason,‘ Gimbel v. Signal Companies, Inc., 316 A.2d 599 (615) (Del. Ch. 1974), aff’d [affirmed, bestätigt], Gimbel v. Signal Companies, Inc., 316 A.2d 619 (Del. Supr., 1974). These articulations arguably provide a higher threshold for liability than does the definition of gross negligence in general tort law.“, die Zitierweise innerhalb des Zitats wurde angepasst; Sinclair Oil Corp v. Levien, 289 A.2d 717 (720) (Del., 1971): „[…] its [i. e. the board of directors’] decisions will not be disturbed if they can be attributed to any rational business purpose.“; Selheimer v. Manganese Corp. of America, 224 A.2d 634 (646) (Pa. 1966): [the defendants’ conduct] „defies explanation; in fact, the defendants have failed to give any satisfactory explanation or advance any justification for such expenditures.“; Arsht/Hinsey, 35 Bus. Law. (1980), LXXXVIII, CI; Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 965 ff.; v. Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, S. 918 f. 306 Vgl. ALI, Principles of Corporate Governance, § 4.01 (c); Comment f. (S. 179 f.) sowie die dortigen Nachweise; Eisenberg, 51 University of Pittsburgh Law Review (1990), 945, 965 ff. 307 Vgl. Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (812) (Del. 1984): „[…] under the business judgment rule director liability is predicated upon concepts of gross negligence.“; Penn Mart Realty Co. v. Becker, 298 A.2d 349 (351) (Del.Ch. 1972); Sinclair Oil Corp. v. Levien, 280 A.2d 717 (Del. 1971): „[…] business judgment with which a court will not interfere absent a showing of gross and palpable overreaching.“; Meyerson v. El Paso Natural Gas Co., 246 A.2d 789 (792) (Del.Ch. 1967); Getty Oil Co. v. Skelly Oil Co., 267 A.2d 883 (887) (Del. 1970); Warshaw v. Calhoun 221 A.2d 487 (492 f.) (Del. 1966): „bad faith […] or […] gross abuse of discretion […]“; Moskowitz v. Bantrell, 190 A.2d 749 (750) (Del. 1963): „Before a court will interfere with the judgment of the Board of Directors, fraud or gross abuse of discretion must be shown.“; Eshleman v. Keenan, 194 A. 40 (43) (Del.Ch. 1937); Kors v. Carey, 158 A.2d 136 (140) (Del.Ch. 1960): „[…] fraud, misconduct or abuse of discretion […]“; Allaun v. Consolidated Oil Co., 147 A. 257 (261) (Del.Ch. 1929); Brehm v. Eisner, 746 A.2d 244 (264) (Del. Supr. 2000); Cede & Co. v. Technicolor Inc. 634 A.2d 345 (367) (Del. 1993); Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (872) (Del. 1985). 304

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zierende Anforderungen an ein haftungsbegründendes Verhalten der directors stellt. Aus rechtsvergleichender Sicht spricht demnach Einiges dafür, „vernünftigerweise“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als „ohne grobe Fahrlässigkeit“ oder jedenfalls als Qualifikation der für eine Pflichtverletzung vorausgesetzten Fahrlässigkeit zu verstehen. Angesichts der teilweise unterschiedlichen Schutzgedanken, die für die US-amerikanische business judgment rule in wesentlich stärkerem Maße auch den Schutz der Gesellschaft und der Mehrheitsaktionäre vor klagenden Minderheitsaktionären beinhalten und der lediglich vorbildhaften Wirkung der business judgment rule für die entsprechende Regelung des deutschen Rechts erscheint aber auch hier eine gewisse Zurückhaltung bezüglich der Übertragung der vorgefundenen Anforderungen geboten.308 (3) Der Referentenentwurf des UMAG im Vergleich zur Gesetzesfassung Nach dem Referentenentwurf des UMAG sollte nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine Pflichtverletzung nicht vorliegen, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.309 Die Fassung des Referentenentwurfs unterscheidet sich von der Gesetz gewordenen damit nur insoweit, als „ohne grobe Fahrlässigkeit“ durch „vernünftigerweise“ ersetzt wurde. Hinsichtlich der zunächst vorgesehenen Formulierung war aus dem Schrifttum neben vereinzelter Zustimmung erhebliche Kritik zu vernehmen. Bedenken wurden zum einen aus dogmatischer Sicht dahingehend formuliert, dass „ohne grobe Fahrlässigkeit“ einen Verschuldensmaßstab darstelle, sodass, da § 93 Abs. 1 S. 2 AktG den Ausschluss einer Pflichtverletzung zum Gegenstand hatte, Elemente der Pflichtwidrigkeit und des Verschuldens durch die vorgeschlagene Formulierung in unzulässiger Weise vermischt würden.310 Der andere Einwand bezog sich auf den Inhalt der geplanten Regelung, die eine Haftung im Anwendungsbereich der so formulierten Business Judgment Rule deutscher Prägung erst für grobe Fahrlässigkeit vorsah, was Einigen als zu weitgehend erschien.311 308

Weniger zurückhaltend mit demselben Auslegungsergebnis Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 32; ders., WM 2015, 105, 106. 309 Art. 1 Nr. 1 RefE UMAG, Stand 19. 01. 2004. 310 Fleischer, ZIP 2004, 685, 689: „Indem sie [i. e. die Entwurfsfassung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG] Verschuldenselemente in die Definition der Pflichtverletzung hineinträgt, vermengt sie zivilrechtliche Kategorien, die voneinander abzuschichten, zu den größten Errungenschaften des deutschen Haftungsrechts gehört.“; Ihrig, WM 2004, 2098, 2106; dagegen Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258: „[…] nach der herrschenden Interpretation des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG nichts Ungewöhnliches und jedenfalls unschädlich.“; zust. Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 151; zur Einordnung des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG als Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab s. o. im 2. Teil bei Fn. 35 sowie unter 3. Teil A. III. 5. c) bb) (5); unkrit. insoweit auch M. Roth, BB 2004, 1066, 1068. 311 Ulmer, DB 2004, 859, 862: grobe Fahrlässigkeit als „unangemessene Haftungskategorie“ für das Handeln des Vorstands einer Aktiengesellschaft; Ihrig, WM 2004, 2098, 2106;

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In der Gesetz gewordenen Fassung des Regierungsentwurfs zum UMAG wurde „ohne grobe Fahrlässigkeit“ durch „vernünftigerweise“ ersetzt. Diese Fassung war von Fleischer, auf den sich die Gesetzesbegründung offenbar bezieht,312 unter Kritik an der Vermischung von Pflichtwidrigkeit und Verschulden durch „ohne grobe Fahrlässigkeit“ in einer Regelung, die den Ausschluss einer Pflichtverletzung betrifft, vorgeschlagen worden.313 Über die inhaltlichen Auswirkungen dieser Abweichung von der Fassung des Referentenentwurfs herrscht im Schrifttum Uneinigkeit. Einige nehmen an, dass es sich bei der Änderung von „ohne grobe Fahrlässigkeit“ in „vernünftigerweise“ auch um eine Reaktion auf die sachliche Kritik an diesem Haftungsmaßstab handle.314 Die Gegenauffassung will unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung die geänderte Formulierung lediglich als Reaktion auf die dogmatische Kritik verstehen, ohne dass dadurch die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals selbst geändert werden sollte.315 Aus dem Beitrag Fleischers, auf den das Tatbestandsmerkmal „vernünftigerweise“ augenscheinlich zurückgeht, lassen sich diesbezüglich nur ganz begrenzt SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 3 f.; Semler, AG 2005, 321, 325; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086; mit (auch) systematischen Bedenken Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; DAVHandelsrechtsausschuss, NZG 2004, 555, 556; wohl auch Thümmel, DB 2004, 471, 472, dessen Kritik sich vorrangig auf den Perspektivenwechsel durch „annehmen durfte“ bezieht; dagegen Paefgen, AG 2004, 245, 254: „[…] Vorstand und Aufsichtsrat bei der Information und Sachprüfung einen Sorgfaltsmaßstab der groben Fahrlässigkeit vorzugeben, stellt einen gelungenen Ausgleich zwischen den Prinzipien der Organautonomie (§§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 1 AktG) und der judiziellen Kontrolle des Organhandelns dar.“; ähnl. bereits Westermann, in: Karlsruher Forum Haftung und Zurechnung im Unternehmensbereich, S. 15, 19: „Soweit in der Entscheidung die vollständig und richtig erhobenen Tatsachen zu einer falschen Lagebeurteilung oder Prognose verdichtet wurden, kann m. E. gerechterweise einem Geschäftsleiter ein Vorwurf des Pflichtverstoßes nur gemacht werden, wenn er unvertretbare Entscheidungen getroffen hat, was im Kern auf eine grob fahrlässige Abwägung unter den ihm bekannten und zugänglichen Tatsachen hinausläuft.“. 312 Dort heißt es lediglich, der Regierungsentwurf übernehme nicht das Kriterium der „groben Fahrlässigkeit“ aus dem Referentenentwurf, gegen den der genannte Einwand geltend gemacht worden sei, ohne dass auf die Herkunft der neuen Formulierung hingewiesen würde, Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. Dazu wie hier Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 33. 313 Siehe Fleischer, ZIP 2004, 685, 689. 314 So namentlich Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; Semler, AG 2005, 321, 325; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086; Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 151 f., 180 f.; Holzborn/Bunnemann, BKR 2005, 51, 52; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2121; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 14; Paefgen, in: GroßKommGmbHG, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 128; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2005, 388 unter Hinweis auf die unklare Bedeutung von „vernünftigerweise“; grds. auch Koch, FS Säcker, 2011, S. 403, 410, der aber in ZGR 2006, 769, 789 Fn. 10 ausdrücklich eine Ersetzung von „vernünftigerweise“ durch „ohne Fahrlässigkeit“ ablehnt. 315 So Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 33; ders., WM 2015, 105, 106; Schnieders, Haftungsfreiräume für unternehmerische Entscheidungen in Deutschland und Italien, S. 294 f. u. Fn. 1221; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 44 f.; wohl auch Schütz, NZG 2005, 5, 6.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Anhaltspunkte gewinnen. Vorrangig aufgrund der bereits erwähnten, von ihm bemängelten Vermischung von Elementen der Pflichtverletzung und des Verschuldens schlägt Fleischer vor, „ohne grobe Fahrlässigkeit“ aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in der Fassung des Referentenentwurfs „zu streichen und […] gegebenenfalls durch „vernünftigerweise“ zu ersetzen.“316 Welche Bedeutung dem Begriff zukommen soll, wird dort nicht vertieft; verwiesen wird lediglich auf die vergleichbaren Formulierungen zum US-amerikanischen Recht.317 Der Verweis auf eine vollständige Streichung des zunächst vorgesehenen Tatbestandsmerkmals „ohne grobe Fahrlässigkeit“ und „gegebenenfalls“ – nämlich für den Fall, dass eine entsprechend erhöhte Haftungsschwelle weiterhin zum Ausdruck gebracht werden sollte – die Ersetzung durch „vernünftigerweise“ legt aber eher nahe, dass beide gleichbedeutend sein sollten. Dafür spricht auch der gewählte Ausdruck „ersetzen“, der auf eine Gleichwertigkeit des zu Ersetzenden und des Ersatzes hindeutet. Festzustellen ist auch, dass sachliche Kritik an dem Haftungsmaßstab grober Fahrlässigkeit bei Fleischer insgesamt fehlt.318 Dementsprechend erscheint es keineswegs fernliegend, die Änderungen des Referentenentwurfs als Reaktion des Gesetzgebers ausschließlich auf diese dogmatische Kritik zu verstehen. Dafür spricht auch die Gesetzesbegründung, in der zur Begründung des geänderten Wortlauts darauf verwiesen wird, dass der Regierungsentwurf das Kriterium der „groben Fahrlässigkeit“ aus dem Referentenentwurf nicht übernehme, „gegen den geltend gemacht worden [sei], dass er eine Vermengung von Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab bedeutet hätte.“319 Zwar könnte eine Nichtübernahme des „Kriteriums“ grober Fahrlässigkeit auch im Sinne einer sachlichen Abweichung von den Anforderungen des Referentenentwurfs verstanden werden. In diesem Fall wäre aber zu erwarten, dass der Gesetzgeber anschließend erkennbar werden lässt, welche Bedeutung der ansonsten als Rechtsbegriff nicht gebräuchlichen Formulierung „vernünftigerweise“ zukommen sollte. Hingewiesen wird lediglich auf die Funktion der Merkmals als Maßstab, „ob die Annahme des Vorstands nicht zu beanstanden“ sei.320 Auf eine Gleichbedeutung von „ohne grobe Fahrlässigkeit“ und „vernünftigerweise“ deuten auch zahlreiche Stellen der Gesetzesbegründung im Übrigen hin, an denen sie sich kaum von der Begründung des Referentenentwurfs unterscheidet. Namentlich wird auf die Begründung der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH verwiesen, wo eine Fehlbeurteilung unternehmerischer Risiken „in völlig unverantwortlicher Weise“ als haftungsbe316

Fleischer, ZIP 2004, 685, 689. Fleischer, ZIP 2004, 685, 689. Trotz der dort abweichenden Bedeutung sollte diesem Hinweis auf vergleichbare Formulierungen [i. e. „reasonably“ und „rationally“, dazu bereits unter 3. Teil A. III. 5. c) cc) (2) (b)] angesichts der Gesetzesbegründung keine Bedeutung für die Dogmatik des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG beigemessen werden; in diesem Sinne auch Paefgen, in: GroßKommGmbHG, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 128. 318 Darauf weist auch Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 33 hin. 319 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 320 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 317

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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gründend genannt wird.321 Auch hinsichtlich des „vernünftigerweise annehmen Dürfens“, auf Grundlage angemessener Information zu handeln, gleichen sich die Begründungen des Referentenentwurfs und des Gesetz gewordenen Regierungsentwurfs in den wesentlichen Punkten derart, dass lediglich „ohne Pflichtenverstoß“ bzw. „ohne groben Pflichtenverstoß“ durch „vernünftigerweise“ ersetzt wurde.322 Letztere Wendung ist sogar in der Gesetzesbegründung weiterhin enthalten, indem ausgeführt wird, über die Intensität der „angemessenen“ Informationsbeschaffung habe der Vorstand „ohne groben Pflichtenverstoß“ zu entscheiden.323 In diesem Punkt erscheint indes auch die Einordnung als handwerklicher Mangel, indem die betreffende Stelle beim Austausch der Formulierungen zwischen Referenten- und Regierungsentwurf schlicht übersehen wurde, naheliegend.324 Im Übrigen aber deutet der weitgehend identische Wortlaut der Begründungen aber ebenfalls darauf hin, dass ein Bedeutungsunterschied zwischen „ohne grobe Fahrlässigkeit“ und „vernünftigerweise“ nach Auffassung des Gesetzgebers nicht gegeben sein soll. Nach alldem ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des UMAG „vernünftigerweise“ im Sinne eines gleichbedeutenden, dogmatisch aber weniger problematischen Ersatzes für „ohne grobe Fahrlässigkeit“ verstanden wissen wollte.325 (4) Bericht der Regierungskommission Corporate Governance und Beschluss des 63. Deutschen Juristentages Als Indiz für eine abweichende Beurteilung könnte der Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, in dem eine ausschließlich hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Erfolgshaftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft klarstellende Kodifikation einer Business Judgment Rule empfohlen wurde326 und auf den sich die Gesetzesbegründung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ebenfalls bezieht,327 zu deuten sein. Einen entsprechenden Beschluss des Inhalts, dass die „business judgment rule“ in § 93 Abs. 2 AktG verankert werden sollte, hatte

321 BGHZ 135, 244, 253; Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; Begr. RefE UMAG, Stand: 19. 01. 2004, S. 17; dies als Grenze einer „vernünftigen“ Annahme auffassend auch Schütz, NZG 2005, 5, 6 [Mitarbeiter am Entwurf]; abweichend Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 151 f. 322 Vgl. Begr. RefE UMAG, Stand: 19. 01. 2004, S. 17 f. mit Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11 f. 323 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 12. 324 In diesem Sinne Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; zust. Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 152, 181; abweichend Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 34; offenlassend Schnieders, Haftungsfreiräume für unternehmerische Entscheidungen in Deutschland und Italien, S. 294. 325 Ebenso i.Erg. Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 33 f. 326 Vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 70. 327 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

auch der 63. Deutsche Juristentag gefasst.328 Dieser bezog sich auf einen Formulierungsvorschlag Ulmers, der, wie die Empfehlung der Regierungskommission Corporate Governance, ausschließlich im Sinne einer Betonung des Fehlens einer Erfolgshaftung der Vorstandsmitglieder gedacht war.329 Der Gutachter Baums äußerte sich, im Ergebnis ablehnend, lediglich zur Kodifikation der nach dem bisher Gesagten demgegenüber weitergehenden „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze des BGH.330 Zwar forderte weder die Regierungskommission Corporate Governance noch die Juristentagsmehrheit demnach eine Haftungsprivilegierung der Mitglieder des Vorstands für unternehmerische Entscheidungen bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit hinsichtlich der Einschätzung der Angemessenheit der Entscheidungsgrundlagen und des Handelns zum Wohle der Gesellschaft. Angesichts der Tatsache, dass die Bezugnahme auf die Empfehlung beziehungsweise den Beschluss bereits im Referentenentwurf zum UMAG, der unmissverständlich in diesem Sinne gefasst war, enthalten war,331 kann der Kommissionsempfehlung und dem Juristentagsbeschluss für die Auslegung von „vernünftigerweise“ als „ohne Fahrlässigkeit“ kein Gewicht beigemessen werden. Dafür spricht auch, dass die Gesetzesbegründung auf die genannten Stellungnahmen lediglich in dem Zusammenhang eingeht, dass die Neuregelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ein klarstellendes Gegengewicht zur Stärkung der Aktionärsklage in § 148 AktG bilden sollte.332 Die Klarstellung, dass eine Erfolgshaftung der Vorstandsmitglieder nicht in Betracht kommt, kann der Vorschrift aber auch und erst recht entnommen werden, wenn „vernünftigerweise“ als „ohne grobe Fahrlässigkeit“ gelesen wird. Demnach liegen inhaltliche Spannungen zwischen der Empfehlung der Regierungskommission Corporate Governance und dem Juristentagsbeschluss einerseits und der so verstandenen Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG andererseits nicht vor, wenn man erstere lediglich im Sinne einer Minimallösung versteht. Eine abweichende Auslegung von „vernünftigerweise“ ist dadurch jedenfalls nicht zu begründen. dd) Normzweck Nach der Gesetzesbegründung soll der durch das UMAG eingefügte Satz 2 des § 93 Abs. 1 AktG klarstellen, dass eine reine Erfolgshaftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft ausscheidet.333 In diesem Punkt sowie in der Festlegung der ex ante-Beurteilung der Pflichtwidrigkeit des Vorstandshandelns liegt keine 328 Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 63. Deutschen Juristentages zu dem Vorschlag „Die ,business judgment rule‘ sollte in § 93 Abs. 2 AktG verankert werden.“ mit 46:10:11 Stimmen (Beschluss III. 1.). 329 Vgl. Ulmer, ZHR 163 (1990), 290, 299. 330 Siehe Baums, Gutachten zum 63. DJT, F 240. 331 Vgl. Begr. RefE UMAG, Stand: 19. 01. 2014, S. 16. 332 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 333 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11.

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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Abweichung von der vor der Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG geltenden Rechtslage vor, sodass allein dieser Regelungsgehalt dafür sprechen würde, „vernünftigerweise annehmen durfte“ lediglich im Sinne eines Hinweises auf die einzuhaltende Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu lesen.334 Weiter heißt es dort aber, dass „für Fehler im Rahmen des unternehmerischen Ermessensspielraums“ nicht gehaftet werde. Es folgt die Differenzierung zwischen unternehmerischen und rechtlich gebundenen Entscheidungen, woraufhin festgestellt wird, dass es für „illegales Verhalten“ „keinen „sicheren Hafen“ im Sinne einer haftungstatbestandlichen Freistellung“ gebe.335 Dem ist im Umkehrschluss zu entnehmen, dass die Business Judgment Rule in der Formulierung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG für fehlgeschlagene unternehmerische Entscheidungen einen solchen „sicheren Hafen“ gewährleisten soll, sodass es naheliegt, „vernünftigerweise“ im Sinne eines Erfordernisses gesteigerter Fahrlässigkeit zu verstehen, da die Norm andernfalls keinen über eine bloße Klarstellung hinausgehenden Regelungsgehalt hätte. Dem stünde sowohl das Bild eines vom übrigen Haftungstatbestand abgegrenzten336 „Hafens“ als auch die Verwendung des Begriffs der „Freistellung“, der ebenfalls eine Privilegierung gegenüber den im Übrigen geltenden Haftungsvoraussetzungen beinhaltet, entgegen. Für dieses Verständnis der Gesetzesbegründung spricht auch, dass insoweit die Begründungen des Referentenentwurfs, der anstelle von „vernünftigerweise“ ausdrücklich „ohne grobe Fahrlässigkeit“ vorsah, und des Gesetz gewordenen Regierungsentwurfs, abgesehen von einzelnen, für die hier maßgebliche Bedeutung unerheblichen Abweichungen in der Formulierung, hinsichtlich des Zwecks der Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG identisch sind.337 Eine gewisse Ermutigung zur Eingehung unternehmerischer Risiken geht zwar bereits von der Haftungsvoraussetzung einer schuldhaften Pflichtverletzung aus,338 die zitierten Aussagen der Gesetzesbegründung zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sprechen aber dafür, dass eine darüber hinausgehende Haftungsbeschränkung formuliert werden sollte. Eine solche wird aber durch die Vorschrift nur dann geschaffen, wenn „vernünftigerweise“ im Sinne eines Erfordernisses qualifizierter Fahrlässigkeit ver334

In diesem Sinne zum gesamten § 93 Abs. 1 S. 2 AktG v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649 ff.; Cahn, WM 2013, 1293, 1295; Druey, FS Goette, 2011, S. 57, 49; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 165; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 29; dazu wie hier Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 28. 335 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 336 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11: „Die Vorschrift soll den Bereich unternehmerischen Handlungsspielraums ausgrenzen aus dem Tatbestand der Sorgfaltspflichtverletzung nach Satz 1.“; ebd.: „Tatbestandseinschränkung“. 337 Vgl. Begr. RefE UMAG, Stand: 19. 01. 2004, S. 16 mit Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 338 Vgl. dazu die Amtl. Begr. zu § 84 AktG 1937, abgedruckt bei Klausing, S. 71: Durch eine Erfolgshaftung würde den Vorstandsmitgliedern „jeder Mut zur Tat genommen“.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

standen wird.339 Unter teleologischen Gesichtspunkten erscheint die Gleichbedeutung mit grober Fahrlässigkeit indes nicht zwingend. Die Qualifizierung der für eine „unvernünftige“ Einschätzung erforderlichen Fahrlässigkeit als grob empfiehlt sich aber aus anderen, schlussendlich auf den Gesetzeszweck, einen „sicheren Hafen“, auch im Sinne eines möglichst rechtssicher umgrenzten, zu schaffen, zurückzuführenden Gründen. Zwar ist auch die Grenzziehung zwischen grober und einfacher Fahrlässigkeit keineswegs stets eindeutig möglich, auch hier bestehen gewisse Grauzonen sowie die Möglichkeit eines Gerichts, ein Verhalten, das sich in solchen Grenzbereichen abgespielt hat, aufgrund außerhalb der Sorgfalt selbst liegender Erwägungen in die eine oder andere Richtung einzuordnen.340 Der Sorgfaltsmaßstab grober Fahrlässigkeit ist aber, anders als zahlreiche der ansonsten im Schrifttum gebrauchten Umschreibungen von „vernünftigerweise“, auch über § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und das Aktienrecht hinaus gebräuchlich, sodass zumindest ein Rückgriff auf etablierte Definitionen möglich ist.341 Dadurch kann ein gewisses Mindestmaß an Rechtssicherheit gewährleistet werden, ohne die Vorstandsmitgliedern zunächst mangels Erkennbarkeit der Grenzen des „sicheren Hafens“ für unternehmerisches Handeln ebenfalls der „Mut zur Tat“342 genommen zu werden droht oder Fehlanreize zu einer übermäßigen Einholung externen, insbesondere gutachterlichen Rates, die ausdrücklich vermieden werden sollten,343 gesetzt würden. Diese Gefahren gingen von einer unterhalb grober Fahrlässigkeit anzusiedelnden Qualifikation der haftungsbegründenden Fahrlässigkeit durch „vernünftigerweise“ aus, was auch die Schwierigkeiten der Einordnung der Literaturauffassungen, die das Tatbestandsmerkmal mit bisher als Rechtsbegriffe nicht gebräuchlichen Formulierungen umschreiben, in der Darstellung des Meinungsstands in der vorliegenden Untersuchung anschaulich werden ließen.344 Obwohl von einer Definition von „vernünftigerweise“ im Sinne einer Abstufung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit wohl eine geringere Signalwirkung, die nicht zuletzt in der Öffentlichkeit negativ aufgenommen werden könnte, ausgehen würde,345 könnte eine solche äußerst unklare, neuartige Sorgfaltskategorie durch die zunächst bestehende Unsicherheit hinsichtlich ihrer Bedeutung im Endeffekt die 339 Bereits hier für grobe Fahrlässigkeit: Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 34; ders., WM 2015, 105, 106. 340 Darauf weist auch Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 38 unter Bezugnahme auf BGH NZG 2012, 113; BGH WM 2010, 1236 hin. 341 Die Rspr. definiert grobe Fahrlässigkeit üblicherweise als Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße, indem naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden, unbeachtet geblieben ist, was jedem hätte einleuchten müssen und auf der Hand liegt; vgl. nur BGHZ 10, 14; BGH NJW 1984, 789, 791 sowie die Nachweise bei Grundmann, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 276 Rn. 94. 342 Amtl. Begr. zu § 84 AktG 1937, abgedruckt bei Klausing, S. 71; dort in anderem Zshg. 343 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 12; dazu wie hier Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 34. 344 Vgl. oben unter 3. Teil A. III. 5. a). 345 Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 131.

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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gewünschten Wirkungen der Business Judgment Rule deutscher Prägung weitgehend aufheben. Die verbleibenden Unsicherheiten, welche bereits deutlich fahrlässigen Fehleinschätzungen ein Gericht im Ergebnis als „grob“ einordnen wird, dürften in den Grenzbereichen zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit eine hinreichende Abschreckung der Vorstandsmitglieder von allzu leichtsinnigem Vorgehen gewährleisten.346 Nicht zuletzt angesichts der gegenüber der Verletzung anderen Pflichten geringeren sinnvoll verhaltenssteuernden Wirkung der Haftungsdrohung347 entspricht nach alldem ein Verständnis von „vernünftigerweise“ als „ohne grobe Fahrlässigkeit“ am besten dem Sinn und Zweck der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.348 d) Fazit Festzuhalten ist, dass sich aus dem geltenden Recht im Übrigen, insbesondere aus dem Begriff des „Ermessens“, keine Anhaltspunkte in Bezug auf die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals „vernünftigerweise“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gewinnen lassen. Die Auslegung anhand des Wortlauts sowie der Systematik sowohl innerhalb der Norm als auch übergreifend liefert keine eindeutigen Ergebnisse und kann sowohl für ein Verständnis des Merkmals im Sinne von „ohne Fahrlässigkeit“ als auch ohne eine qualifizierte Form der Fahrlässigkeit, insbesondere grobe Fahrlässigkeit, argumentativ fruchtbar gemacht werden. Die Entstehungsgeschichte und der mit der Kodifikation einer Business Judgment Rule im deutschen Aktienrecht verfolgte Zweck, einen „sicheren Hafen“ für unternehmerisches Handeln des Vorstands zu schaffen, sprechen aus den oben im Einzelnen ausgeführten Gründen im Ergebnis deutlich für ein Verständnis von „vernünftigerweise“ im Sinne eines Haftungsmaßstabs grober Fahrlässigkeit. Nach alldem ist „vernünftigerweise“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als gleichbedeutend mit „ohne grobe Fahrlässigkeit“ zu verstehen, sodass die Business Judgment Rule deutscher Prägung, wie ihr US-amerikanisches Vorbild, wenngleich in geringerem Umfang, eine echte Haftungsprivilegierung der Vorstandsmitglieder für unternehmerische Entscheidungen begründet.

346

Vgl. Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 38, der aus diesem Grund sogar eine über grobe Fahrlässigkeit hinausgehende Haftungsgrenze erwägt, i.Erg. aber ablehnt; zu den Anforderungen auch OLG Hamm, ZIP 1995, 1263, 1271; OLG Celle, AG 2008, 711. 347 Vgl. Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 38: „wichtige rechtspsychologische Wirkung“. 348 Zum selben Ergebnis kommt Bachmann, FS Stilz, 2014, S. 25, 34.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

6. Dogmatische Einordnung der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Die rechtliche Qualifikation der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist nach wie vor ungeklärt. Neben dem hier bereits verworfenen Verständnis als Abmilderung lediglich des gerichtlichen Überprüfungsmaßstabs bei gleichbleibenden materiellen Pflichtenanforderungen wird die Regelung als Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG,349 als Tatbestandsausschlussgrund350 oder als unwiderlegliche Vermutung des Nichtvorliegens einer Pflichtverletzung351 eingeordnet. Die dogmatische Einordnung der Regelung bleibt, mit Ausnahme der bereits erörterten Gesichtspunkte, als solche ohne Bedeutung für den Umfang der Vorstandshaftung, sodass eine Vertiefung hier unterbleiben muss.352

IV. „Legal Judgment Rule“ Unter der vergleichsweise jungen Bezeichnung der „Legal Judgment Rule“ wird die bereits zuvor bestehende Frage der Anforderungen an die Mitglieder des Vorstands beim Handeln unter unklarer Rechtslage diskutiert. Festgestellt werden konnte bereits, dass auf Rechtsanwendungsfragen, die dem Vorstand nicht mehrere rechtlich und tatsächlich mögliche Handlungsalternativen zur Auswahl stellen, mithin gebundene Entscheidungen im Sinne der Gesetzesbegründung des UMAG sind, die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG keine Anwendung findet.353 Eine analoge Anwendung scheidet aufgrund der insoweit eindeutigen

349 Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2069; Spindler, NZG 2005, 865, 871; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 39; Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127, 128; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 67; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 165; Zumbansen/Lachner, BB 2006, 613, 614; Bayer, GmbHR 2014, 897, 898 (zum GmbH-Geschäftsführer). 350 Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 19; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 64 f.; ders., in: HdbVorstR, 2006, § 7 Rn. 50 f.; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 10; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 104 f.; anscheinend auch Ihrig, WM 2004, 2098, 2103. 351 Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 4d; Koch, ZGR 2006, 769, 784; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 14; Lutter, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 247, 249 f.; U. H. Schneider, FS Hüffer, 2010, S. 905, 908; Cahn/Müchler, FS U. H. Schneider, 2011, S. 197, 208; Hopt; ZIP 2013, 1793, 1797; U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 79; Jungmann, FS K. Schmidt, 2009, S. 831, 833 [ausgehend von einer Trennung von Pflichtenund Überprüfungsmaßstab]. 352 Insoweit wird auf die ausführlichen Darstellungen bei Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 120 ff. und Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 98 ff., sowie die dortigen Nachweise verwiesen. 353 Dazu im 2. Teil C. III. 2. u. 3. Teil A. III. 1.

A. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG

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Gesetzesbegründung aus,354 sodass sich die Mitglieder des Vorstands über die geltende Rechtslage sowie weitere bedeutsame Umstände objektiv angemessen informiert haben müssen und bereits für leicht fahrlässige Fehler haften. Die Frage, ob es bereits an der Pflichtverletzung355 oder erst am Verschulden356 fehlt, wenn sie die diesbezüglichen Anforderungen eingehalten haben, ist für die Vorstandshaftung selbst ohne Bedeutung, wirkt sich aber auf weitere Folgen, die an eine Pflichtverletzung anknüpfen, namentlich die Möglichkeit der Abberufung aus wichtigem Grund (§ 84 Abs. 3 S. 1 AktG), aus.357 Gegen eine Anknüpfung bereits auf der Ebene der Pflichtverletzung könnte angeführt werden, dass die Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt eindeutig festzustellen und die Beurteilung von Rechtsfragen Aufgabe gerade der Gerichte ist. Im Gegensatz zur Ausgangslage bei einer unternehmerischen Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist mithin eine rechtlich „richtige“ Handlungsalternative vorhanden und besteht daher nicht dieselbe Gefahr eines „hindsight bias“. Ferner ist fehlende Expertise der entscheidungszuständigen Richter im Hinblick auf die Beurteilung der Rechtslage erkennbar kein tragfähiges Argument.358 Die Entscheidungssituation ist insoweit mit der des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, der eine Pflichtverletzung ausschließt, nicht vergleichbar.359 Indes braucht der Ausschluss einer Pflichtverletzung nicht notwendig auf eine zu Recht abgelehnte Analogie zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gestützt zu werden. Zwar lässt der BGH bei einem Rechtsirrtum außerhalb eines Innenverhältnisses, wie es für die Frage der Haftung des Vorstands für auf Irrtum beruhende Gesetzesverstöße der Gesellschaft zugrunde liegt, lediglich das Verschulden entfallen.360 Im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern kann aber eine abweichende Beurteilung in Betracht zu ziehen sein. Zwar wird mittels der Legalitätspflicht der Vorstandsmitglieder die Pflicht der Gesellschaft, geltendes Recht zu beachten aus dem Außenverhältnis auf das Verhältnis innerhalb der Gesellschaft übertragen. Auch wäre es im Außenverhältnis in der Tat „schief“, rechtsbrüchiges Verhalten wegen eines Rechtsirrtums als rechtstreu zu qualifizieren.361 Gegenüber der Gesellschaft schuldet ein Vorstandsmitglied aber lediglich die Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Ge-

354 Vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11; dazu ebenso BuckHeeb, BB 2013, 2247, 2252 ff.; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 47; a.A. die im 2. Teil Fn. 228 Genannten. 355 Siehe die Nachweise im 2. Teil Fn. 224. 356 Siehe die Nachweise im 2. Teil Fn. 225. 357 Paefgen, AG 2014, 554, 560; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2254; Bürkle, VersR 2013, 792, 796. 358 Ebenso Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 47 f. 359 Langenbucher, ZBB 2013, 16, 21. 360 BGHZ 69, 128, 143; 89, 296, 303; 151, 337, 343; BGH NJW 1994, 2754, 2755. Dieselbe Unterscheidung findet sich für das Strafrecht in §§ 16, 17 StGB. 361 Paefgen, AG 2014, 554, 560.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

schäftsleiters (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG),362 die zudem nach richtiger herrschender Meinung sowohl als Pflichten- als auch als Verschuldensmaßstab einzuordnen ist. Es erschiene daher eher umgekehrt „schief“, einerseits die Vorstandsmitglieder für verpflichtet zu halten, bei unklarer Rechtslage die später von einem Gericht vertretene Rechtsauffassung unter mehreren vertretbaren zu erkennen, und andererseits auf Grundlage desselben Maßstabs ein Verschulden auszuschließen, wenn ein Vorstandsmitglied aufgrund sorgfältig überprüften externen sachverständigen Rechtsrats eine ebenfalls vertretbare, von der des später erkennenden Gerichts aber abweichende Rechtsauffassung gewählt hat. Auf Pflichtenebene würde hier schlicht Unmögliches verlangt. Hinzu kommt, dass Vorstandsmitglieder für das Verschulden eines namens der Gesellschaft beauftragten Rechtsberaters nicht nach § 278 BGB einzustehen haben, da dieser nicht als ihr Erfüllungsgehilfe gegenüber der Gesellschaft tätig wird, während sich in „Außenverhältnissen“ derjenige, der einen Sachverständigen einschaltet, dessen Verschulden zurechnen lassen muss. Letzteres beruht darauf, dass andernfalls der Rechtsirrtum zulasten der Gegenpartei ginge, was in einem „normalen“ Schuldverhältnis nicht zu rechtfertigen wäre.363 Auch aufgrund dieses Unterschieds besteht kein Wertungswiderspruch zu Rechtsirrtümern in anderen Schuldverhältnissen.364 Ein Widerspruch zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, dessen – auch entsprechende – Anwendung abzulehnen ist, entsteht daraus nach hier vertretener Definition von „vernünftigerweise“ als „ohne grobe Fahrlässigkeit“ nicht, bleibt es doch bei höheren Anforderungen an die Rechtserkenntnis der Vorstandsmitglieder. Es sprechen mithin die besseren Gründe dafür, im Falle eines trotz sorgfältigen Bemühens den Vorstandsmitgliedern unterlaufenen Rechtsirrtums bei unklarer Rechtslage bereits eine Pflichtverletzung, nicht erst ein Verschulden, abzulehnen. Zwar entfallen dadurch neben der Schadensersatzhaftung auch weitere präventiv wirkende Mechanismen, die zu einer Verhaltenssteuerung im Sinne der Einhaltung der Rechtsordnung durch die Vorstandsmitglieder führen könnten. Angesichts der irrigen Annahme des Zutreffens der gewählten Rechtsauffassung erreicht der entsprechende Normappell diese aber ohnehin nicht vor dem rechtswidrigen Handeln. Weiterhin stellen die Anforderungen an das sorgfältige Bemühen um Aufklärung der Rechtslage einen ausreichenden Schutz der Gesellschaft vor mutwillig widerrechtlichem Handeln ihrer Vorstandsmitglieder sicher und haften diese, anders als im Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, bereits für einen leicht fahrlässigen Fehler im Rahmen des Versuchs, die Rechtslage einer Klärung zuzuführen. Angesichts der auf Grundlage geltenden Rechts sinnvoll zu lösenden Haftungsfrage für Rechtsirrtümer bei unklarer Rechtslage und der fehlenden Vergleichbarkeit 362

10, 11. 363

Dies ebenfalls im Zshg. der Legalitätspflicht herausstellend Armbrüster, KSzW 2013,

In diesem Sinne BGH NJW 2007, 428 Rn. 21 ff. Zu § 278 BGB im Ganzen ebenso Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1405; ders., KSzW 2013, 3, 5; ganz ähnl. J.-H. Binder, ZGR 2012, 757, 767 f. 364

B. Haftungsausschluss durch Satzung und Vertrag

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mit unternehmerischen Entscheidungen ist ein Bedarf an einem Eingreifen des Gesetzgebers durch Regelung einer „Legal Judgment Rule“ nicht zu erkennen.365

B. Haftungsausschluss und Haftungsbeschränkungen durch Satzung und Vertrag Verletzt ein Vorstandsmitglied seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft und macht es sich dadurch schadensersatzpflichtig, kann es aus verschiedenen Gründen in deren Interesse liegen, auf ihren Anspruch (teilweise) zu verzichten oder ihn im Wege des Vergleichs zu erledigen. Dies kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der zu ersetzende Schaden die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vorstandsmitglieds weit übersteigt. Der Gesellschaft kann auch an seinem Verbleib, etwa weil es sich um eine vergleichsweise geringe Verfehlung mit unglücklichen Folgen gehandelt hat, oder umgekehrt seinem zügigen Ausscheiden oder schlicht einer schnellen Erledigung der Angelegenheit gelegen sein. Falls derartige Situationen von vornherein oder jedenfalls künftig vermieden werden sollen, liegt auch der Gedanke nicht fern, in Satzung oder Anstellungsvertrag eine Haftungsbeschränkung in Gestalt einer Herabsetzung des einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabs oder einer Begrenzung auf eine absolute oder am Einkommen des Vorstandsmitglieds und/oder dem entstandenen Schaden orientierte Haftungshöchstgrenze festzulegen. Die Befugnisse einer Aktiengesellschaft, dergestalt auf die Haftung ihrer Organmitglieder einzuwirken, sind, wie im Folgenden im Einzelnen zu erörtern sein wird, eng begrenzt. Es verwundert daher nicht, dass einer der Schwerpunkte der gegenwärtigen Reformdiskussion auf den Möglichkeiten der Gesellschaft liegt, über Schadensersatzansprüche gegen ihre Vorstandsmitglieder zu verfügen.366 Gründe und Umfang der Einschränkungen der Dispositionsfreiheit der Gesellschaft sollen, auch im Hinblick auf ihre Fruchtbarmachung zur Bewertung der Reformvorschläge, im Folgenden untersucht werden.

I. Das Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG kann die Gesellschaft erst drei Jahre nach Entstehung eines Ersatzanspruchs gegen ein Vorstandsmitglied auf diesen verzichten oder sich 365

Ebenso i.Erg. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 45; ders., WM 2015, 105, 108; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2257; anders Bürkle, VersR 2013, 792, 793 ff.; Paefgen, AG 2014, 554, 560 Fn. 57 unter Berufung auf Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2254. 366 Siehe 4. Teil A.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

über ihn vergleichen. Voraussetzung ist die Zustimmung der Hauptversammlung, wobei einer Minderheit, deren Anteile zusammen zehn Prozent des Grundkapitals erreichen, ein Vetorecht zusteht. Lediglich die zeitliche Beschränkung entfällt nach Satz 4 bei Zahlungsunfähigkeit des Ersatzpflichtigen, wenn dieser sich zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. 1. Das Regelungsanliegen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Neben Verzicht (§ 397 BGB) und außergerichtlichem Vergleich (§ 779 BGB) berühren zahlreiche andere Verfügungen über Schadensersatzansprüche der Gesellschaft, sowie Verpflichtungen hierzu und gegebenenfalls auch schlicht tatsächliches Verhalten des Aufsichtsrats Sinn und Zweck der Regelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Die Dreijahresfrist dient dem Schutz des Gesellschaftsvermögens. Sie gewährleistet die Werthaltigkeit der Innenhaftungsansprüche, indem sie verhindert, dass innerhalb ihrer Laufzeit wirksame mindernde Verfügungen über Ersatzansprüche vorgenommen werden. Während dieses Zeitraums kann sich die Gesellschaft nach der Vorstellung des Gesetzgebers Gewissheit über den Umfang des dem Anspruch zugrunde liegenden Schadens sowie die Umstände, unter denen dieser verursacht wurde, verschaffen, sodass vorschnelle Verfügungen ausgeschlossen sein sollen.367 Die Sperrfrist führt dazu, dass die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft sich, auch wenn ihr pflichtwidrig schadenstiftendes Verhalten derzeit von einer Mehrheit der Aktionäre, insbesondere einem Groß- oder Alleinaktionär, gebilligt wird, aufgrund der Möglichkeit eines Wechsels der Beteiligungsstruktur mit der Folge der Herausbildung einer neuen Mehrheit oder qualifizierter Minderheiten, die von den Rechten aus §§ 147, 148 AktG Gebrauch machen, nicht darauf verlassen können, von der Gesellschaft verschont zu bleiben.368 367 Begr. RegE AktG 1965, § 93, Kropff, S. 123; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, S. 45; Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 21; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 770; ders., FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 918; Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772; Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 251; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 518; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 52; zur Herkunft der Sperrfrist aus der Gründerhaftung s. die Darstellung bei Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 35. 368 Mertens, FS Fleck, 1988, S. 209, 210 f.; M. Zimmermann, DB 2008, 687, 688; Hopt/ Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 518; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 164; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 311; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804; vgl. auch die Darstellung der historischen Hintergründe bei Fleischer, AG 2015, 133 ff. Nach allg.M. bedarf ein Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung keiner sachlichen Rechtfertigung, da ein über das Vetorecht einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit hinausgehender Minderheitenschutz mangels Eingriff in die Mitgliedschaft der Minderheitsaktionäre nicht erforderlich sei, so Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 150 f.; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 252; Hasselbach, DB 2010, 2037, 2042; Fleischer, AG 2015, 133, 136 f.; Koch, in:

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Der Ablauf der Dreijahresfrist setzt aber lediglich die Entstehung des Anspruchs, hingegen weder Kenntnis des Aufsichtsrats369 noch einen Wechsel in dessen Besetzung370 oder der Aktionärsstruktur, voraus. Über die Sperrfrist hinaus sieht § 93 Abs. 4 S. 3 AktG die Zustimmung der Hauptversammlung als Wirksamkeitsvoraussetzung vor. Dadurch sollen zum Nachteil der Gesellschaft, vornehmlich aus kollegialer Verbundenheit zwischen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, kollusiv geschlossene Vereinbarungen verhindert werden.371 Auf der Grundlage dieses Regelungsanliegens soll nunmehr geklärt werden, welche Maßnahmen in Bezug auf Ersatzansprüche der Gesellschaft aus § 93 AktG nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 4 Satz 3 zulässig sind. 2. Prozesshandlungen und prozessbezogenes Verhalten der Gesellschaft Praktisch bedeutsam ist die Frage, welche Handlungen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf Seiten der Gesellschaft im Prozess um Vorstandshaftungsansprüche ausschließt. In Bezug auf das Verzichts- und Vergleichsverbot problematisch sind solche Prozesshandlungen, die entweder materiell-rechtlich zu einer Minderung oder dem Wegfall des Anspruchs führen oder die aus prozessrechtlichen Gründen die Geltendmachung des Anspruchs endgültig ausschließen. a) Prozessvergleich Die rechtliche Einordnung des Prozessvergleichs zwischen materiellem und Prozessrecht war und ist umstritten.372 Die Extrempositionen der Qualifikation als Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 78; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 163. 369 § 199 BGB ist nicht anzuwenden. Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 254; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 251; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 165; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 282; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 52. 370 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 251. 371 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, S. 45; Mertens, FS Fleck, 1988, S. 209, 210; Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 774; Harbarth, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 215, 225; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772; M. Zimmermann, DB 2008, 687, 688; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 341; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 252; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 306; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 78; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 161; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 278; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1802; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 506. 372 Zum Überblick über die vertretenen Auffassungen Tempel, FS Schiedermair, 1976, S. 517 f.; Bonin, Der Prozeßvergleich, S. 1 ff.; Lindacher, FG BGH, 2000, S. 253, 254 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 130 III. 1. (Rn. 29 ff.).

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materiell-rechtlicher Vertrag zwischen den Parteien, aus dem sich prozessuale Wirkungen lediglich als Folge ergeben,373 und als reine Prozesshandlung374 werden heute nicht mehr vertreten. Die Lehre vom „Doppeltatbestand“ zerteilt den Prozessvergleich in einen materiell-rechtlichen und einen prozessualen Tatbestand,375 während die herrschende Auffassung, die ebenfalls von einer Zuordnung sowohl zum materiellen als auch zum Prozessrecht ausgeht, ihn in diesem Sinne einheitlich betrachtet.376 Abgesehen von der rein prozessualen Einordnung erlauben die zum Prozessvergleich vertretenen Auffassungen mithin ohne Weiteres eine Einordnung als Vergleich im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB, sodass auch hier das Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zur Anwendung kommt. Auch eine Zuordnung nur zum Prozessrecht führt aber nicht zu einer in Bezug auf die streitgegenständliche Schadensersatzforderung gegenüber einem materiell-rechtlichen Vergleichsvertrag abweichenden Wirkung, indem die weitere Verfolgung des Anspruchs über das Vergleichsergebnis hinaus ausgeschlossen wird. Sinn und Zweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG stehen daher, auch wenn man einer rein prozessualen Einordnung zuneigt, dem Vergleich über Ersatzansprüche im Prozess zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied entgegen. Ein Prozessvergleich ist somit unabhängig von seiner rechtlichen Einordnung eine grundsätzlich vom Verbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfasste Handlung der Gesellschaft und unterliegt den dort formulierten Beschränkungen.377 Eine Einschränkung des aktienrechtlichen Verzichts- und Vergleichsverbots wird in Bezug auf einen Prozessvergleich dort gefordert, wo ein Nachgeben der Gesellschaft hinsichtlich des streitgegenständlichen Schadensersatzanspruchs nicht vorliegt, sondern sich im Verfahren lediglich herausgestellt hat, dass der Anspruch entweder nicht oder lediglich in geringerer Höhe besteht, sodass der Vergleich allein 373

RGZ 37, 416, 419; KG JZ 1951, 453 mit zust. Anm. Rosenberg; ders., 9. Aufl. 1961, § 128 III. I. 1. (S. 622 f.); Walsmann, AcP 102 (1907), 1, 180 f. m.w.N. 374 Vogel, Die prozessualen Wirkungen des außergerichtlichen Vergleichs und seine Abgrenzung vom Prozeßvergleich, S. 109 ff., 146 f., 162 f.; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, bis zur 59. Aufl. 2001, Anh. § 307 Rn. 3 ff. 375 Auch „Trennungstheorie“. Wagner, Prozeßverträge, S. 43 ff.; 514 f.; Tempel, FS Schiedermair, 1976, S. 517, 521 f.; Zeuner, Anm. zu AP § 794 ZPO Nr. 8; in der Tendenz auch Wolfsteiner, in: MüKoZPO, 4. Aufl. 2012, § 794 Rn. 13. 376 H.M. und st. Rspr. BGHZ 16, 388, 390; 28, 171, 172; 41, 310, 311; 79, 71, 74; 164, 190, 193 f.; BGH NJW 2000, 1942, 1943; VGH Mannheim NJW 1996, 1298 f.; sowie Begr. RegE Gesetz zur Reform des Zivilprozesses v. 24. 11. 2000, BT-Drs. 14/4722, S. 82; Lindacher, FG BGH, 2000, S. 253, 263; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 130 III. 1. c) (Rn. 32); Fischer, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 05. 2014, § 779 Rn. 69; Habersack, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 779 Rn. 71; Marburger, in: Staudinger (2009), § 779 Rn. 91. 377 Ebenso die h.M.: Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 254; Fleischer, WM 2005, 909, 918; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 286; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 260; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 529; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 45; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 76; einschränkend Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 784 f.; zust. Mertens, FS Fleck, 1988, S. 209, 214; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 173.

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der Beendigung des gerichtlichen Verfahrens, nicht der Veränderung der materiellen Rechtslage dienen soll und daher nicht mit einem Vermögensopfer der Gesellschaft verbunden ist.378 In der Tat wird in derartigen Fällen durch den Prozessvergleich der Schutzzweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht berührt. Wenn, was zu verlangen ist, eindeutig feststeht,379 dass der geltend gemachte Ersatzanspruch nicht oder nur in geringerem, ebenfalls bereits feststehendem Umfang besteht, wirkt sich ein entsprechender Prozessvergleich nicht mindernd auf das Gesellschaftsvermögen aus, sodass die von Teilen des Schrifttums geforderte teleologische Reduktion des Vergleichsverbots geboten erscheint. Deren praktische Bedeutung wird aber als eher gering einzuschätzen sein, insbesondere, wenn ein Anspruch dem Grunde nach besteht, seine Höhe aber streitig ist, da im Hinblick auf den Zweck der Dreijahresfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu fordern wäre, dass der Umfang des Ersatzanspruchs bereits unzweifelhaft feststeht. Dies wird selten ohne umfangreiche Ermittlungen festzustellen sein, nach deren Abschluss das Verfahren aber ohne bedeutende Nachteile auch für eine richterliche Endentscheidung reif sein wird. Entscheidende Vorteile eines solchen Vergleichs werden sich mithin in aller Regel nicht ergeben. Zu denken ist aber zum einen an Kostenersparnisse, zum anderen an die Vermeidung unnötiger öffentlicher Aufmerksamkeit durch eine vergleichsweise Beendigung des Verfahrens als auch in einer solchen Lage für einen Vergleich sprechende Gesichtspunkte.380 Eine Enthaftung des verfahrensbeteiligten Vorstandsmitglieds im Sinne einer echten Herabsetzung des Schadensersatzanspruchs im Wege des Prozessvergleichs kann trotz dieser Einschränkung des Verzichts- und Vergleichsverbots aber in keinem Fall erreicht werden.

378 Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 784 f.; Mertens, FS Fleck, 1988, S. 209, 214; Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 14 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 173; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 260; ablehnend Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 314, s. auch ebd., Rn. 310. 379 Hohe Anforderung in dem Sinne, dass der Anspruch offensichtlich unbegründet sein muss und eine andere Entscheidung „schlechthin ausgeschlossen erscheint“ befürwortet auch Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 14 f. Ein gewisses Risiko der Manipulation durch bewusst nachlässige Prozessführung des Aufsichtsrats zum Zweck der (teilweisen) Enthaftung der in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder wird hier immer bestehen, allerdings wird dieses auch durch den Zwang, das Verfahren bis zu einer Endentscheidung fortzusetzen, nicht erheblich gemindert (ebenso Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 14) und kann eine klagabweisendes Urteil, sogar wenn ein Anspruch besteht, leicht in Gestalt eines Versäumnisurteils erwirkt werden. In diesen Fällen ergibt sich aber ohne Weiteres ein Ersatzanspruch gegen die handelnden Mitglieder des vertretungszuständigen Organs, s. dazu unter 3. Teil B. 2. b) dd). 380 Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 14.

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b) Verzichts- und Anerkenntnisurteil, Klagerücknahme und Versäumnisurteil aa) Verzicht in der mündlichen Verhandlung nach § 306 ZPO Das Verzichtsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG steht auch einem in der mündlichen Verhandlung erklärten Verzicht entgegen. Anders als durch eine Klagerücknahme,381 mit der der Kläger, ohne dass damit eine Veränderung der materiellen Rechtslage verbunden ist, nur sein Rechtsschutzbegehren zunächst aufgibt,382 enthält ein Verzicht nach § 306 ZPO als Prozesshandlung die Erklärung, dass der geltend gemachte Anspruch im prozessualen Sinne der Rechtsbehauptung nicht bestehe oder nicht mehr bestehen solle.383 Zwar wird dadurch der Ersatzanspruch in seinem Bestand nicht berührt,384 sofern in der Erklärung des Verzichts nicht zugleich ein Antrag auf Abschluss eines materiell-rechtlichen Erlassvertrages liegt.385 Ein unter den Voraussetzungen des § 306 ZPO ergangenes, rechtskräftiges386 Urteil würde den Prozess aber mit dem Ergebnis beenden,387 dass die gerichtliche Geltendmachung eines Ersatzanspruchs aufgrund des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts auch künftig ausgeschlossen wäre.388 Daher handelt es sich bei einem Verzicht nach § 306 ZPO auch um einen solchen im Sinne des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, sodass er den dort formulierten Einschränkungen unterliegt.389 Die oben dargestellte Begrenzung auf Fälle, in denen ein Nachgeben der Gesellschaft in einer Rechtsposition nicht vorliegt, wird auch für den Verzicht vorgeschlagen.390 Ein Verzichtsurteil aufgrund eines dem 381

§ 269 ZPO. Dazu unter 3. Teil B. 2. b) cc). 383 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 132 V. 2. e) (Rn. 74); Thole, in: Prütting/Gehrlein, 6. Aufl. 2014, § 306 Rn. 2; Saenger, 6. Aufl. 2015, § 306 Rn. 1; Musielak, in: MüKoZPO, 4. Aufl. 2013, § 306 Rn. 1; Elzer, in: Vorwerk/Wolf, 15. Ed., 01. 01. 2015, § 306 Rn. 7. 384 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 132 V. 2. a) (Rn. 69). 385 Zu dieser Möglichkeit RGZ 165, 85, 87; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 132 V. 2. e) (Rn. 74); Elzer, in: Vorwerk/Wolf, 15. Ed., 01. 01. 2015, § 306 Rn. 8. 386 Zur formellen Rechtskraft nur Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 149 I. (Rn. 1). 387 Dem Verzicht selbst kommt keine verfahrensbeendende Wirkung zu, was sich bereits aus § 306 ZPO a.E. ergibt, wonach der Kläger „aufgrund des Verzichts mit dem Anspruch abzuweisen ist, wenn der Beklagte die Abweisung beantragt.“; s. auch Musielak, in: MüKoZPO, 4. Aufl. 2013, § 306 Rn. 1; Elzer, in: Vorwerk/Wolf, 15. Ed., 01. 01. 2015, § 306 Rn. 14. 388 Zur materiellen Rechtskraft s. nur Gottwald, in: MüKoZPO, 4. Aufl. 2013, § 322 Rn. 1; Saenger, 6. Aufl. 2015, § 322 Rn. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 149 II. (Rn. 2). 389 Ganz h.M.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 529; Mertens/ Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 173; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 260; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 51; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 76; Fleischer, in: HdbVorstR, 2006, § 11 Rn. 105; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 308. 390 Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 784 f.; Mertens, FS Fleck, 1988, S. 209, 214; Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 14 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 173; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 260; ablehnend Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 314, s. auch Rn. 310. 382

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aktienrechtlichen Verbot unterfallenden Verzichts nach § 306 ZPO ist wirksam und kann nur in Ausnahmefällen angefochten werden.391 bb) Anerkenntnis, § 307 ZPO Dasselbe wie für den Prozessverzicht muss für ein Anerkenntnis der auf Feststellung des Nichtbestehens eines Schadensersatzanspruchs durch ein Vorstandsmitglied verklagten Gesellschaft nach § 307 ZPO gelten. Auch ein solches Anerkenntnis hätte bei Abschluss des Verfahrens durch Anerkenntnisurteil392 die Wirkung, dass eine weitere Anspruchsverfolgung ausgeschlossen wäre393 und entspricht damit einem Anspruchsverzicht, der den Einschränkungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unterliegt.394 Besteht ein Anspruch der Gesellschaft eindeutig nicht oder nicht über die vom Vorstandsmitglied als festzustellend beantragte Höhe hinaus, steht auch ein lediglich zur Beendigung des Verfahrens erklärtes Anerkenntnis nicht in Widerspruch zum aktienrechtlichen Verzichts- und Vergleichsverbot.395 Ein auf einem verbotswidrig erklärten Anerkenntnis beruhendes Urteil ist grundsätzlich wirksam.396 cc) Klagerücknahme Anders als ein Verzicht auf den prozessualen Anspruch nach § 306 ZPO und ein Anerkenntnis nach § 307 ZPO führt die Rücknahme einer auf Schadensersatz gerichteten Klage der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied nach § 269 ZPO 391 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 529; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 314; Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 785. 392 Wie der Verzicht nach § 306 ZPO hat auch das Anerkenntnis keine prozessbeendigende Wirkung, vgl. den Wortlaut des § 307 S. 1 ZPO a.E.: „so ist sie [i. e. die anerkennende Partei] dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen“; Elzer, in: Vorwerk/Wolf, 15. Ed., 01. 01. 2015, § 307 Rn. 36. 393 Auch das Anerkenntnis nach § 307 ZPO hat nur prozessuale Wirkung, Rosenberg/ Schwab/Gottwald, § 63 II. 1. (Rn. 6), § 132 IV. 7. c) (Rn. 66); Thole, in: Prütting/Gehrlein, 6. Aufl. 2014, § 307 Rn. 1 f.; Saenger, 6. Aufl. 2015, § 307 Rn. 1. Es kann aber, wie der Verzicht nach § 306 ZPO daneben eine Erklärung mit materiell-rechtlicher Wirkung beinhalten: BGHZ 80, 389, 391; Musielak, in: MüKoZPO, 4. Aufl. 2013, § 307 Rn. 4; Thole, in: Prütting/Gehrlein, 6. Aufl. 2014, § 307 Rn. 3; Elzer, in: Vorwerk/Wolf, 15. Ed., 01. 01. 2015, § 307 Rn. 37 f. 394 Ganz h.M.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 529; Mertens/ Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 173; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 309; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 260; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 45; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 51. 395 Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 784 f.; Mertens, FS Fleck, 1988, S. 209, 214; Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 14 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 173; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 260; ablehnend Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 314, s. auch Rn. 310. 396 Siehe dazu die in Fn. 391 Genannten.

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nicht zu einer der Rechtskraft fähigen prozessbeendenden Entscheidung zum Nachteil der Gesellschaft. Vielmehr besteht nach § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO dieselbe prozessrechtliche Lage wie wenn die Klage niemals anhängig geworden wäre. Einer späteren erneuten Klageerhebung steht die Rücknahme somit nicht entgegen.397 Auch ein Verzicht auf den materiell-rechtlichen Anspruch im Sinne eines konkludenten Angebots zum Abschluss eines Erlassvertrages im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB ist mit einer Klagerücknahme grundsätzlich nicht verbunden und darf insbesondere nicht vermutet werden.398 Damit wirkt sich die Rücknahme einer von der Gesellschaft erhobenen Schadensersatzklage auf den Anspruch in keiner den vom Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfassten Handlungen vergleichbaren Weise aus, sodass dieses einer Klagerücknahme grundsätzlich nicht entgegensteht. Daran ändert auch die Vorschrift des § 148 Abs. 6 S. 4 AktG nichts, die für den Fall, dass die Gesellschaft nach Zulassung einer Klage einer Aktionärsminderheit nach § 148 Abs. 1 AktG selbst Klage erhebt oder ein anhängiges Verfahren von Aktionären übernimmt, die Klagerücknahme nur unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 und 4 AktG mit Ausnahme der Sperrfrist zulässt. Die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung vorbehaltlich des Widerspruchs einer Minderheit von zehn Prozent des Grundkapitals dient in diesem Fall dem Schutz des Klagerechts der Aktionärsminderheit aus § 148 Abs. 1 AktG, da andernfalls die Gesellschaft, die nach Absatz 3 sowohl selbst Klage erheben als auch das Verfahren übernehmen kann, wodurch die Aktionärsklage unzulässig wird, durch unmittelbar anschließende Klagerücknahme dieses Minderheitenrecht aushöhlen könnte.399 Außerhalb eines Aktionärsklageverfahrens besteht ein vergleichbares Schutzbedürfnis nicht, da es einer entsprechenden Aktionärsminderheit weiterhin möglich bleibt, selbst unter den Voraussetzungen des § 148 Abs. 1 AktG Klagezulassung zu beantragen. dd) Versäumnisurteil Durch das Verzichts- und Vergleichsverbot unberührt bleibt die Möglichkeit des Ergehens eines Versäumnisurteils400 gegen die Gesellschaft sowohl als Klägerin als auch, soweit das auf Feststellung klagende Vorstandsmitglied das Nichtbestehen

397 Siehe RGZ 66, 12, 14; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 129 III. 1., 5. (Rn. 26, 35); Foerste, in: Musielak, 11. Aufl. 2014, § 269 Rn. 10; Saenger, 6. Aufl. 2015, § 269 Rn. 31 ff.; Becker-Eberhard, in: MüKoZPO, 4. Aufl. 2013, § 269 Rn. 37 ff; Bacher, in: Vorwerk/Wolf, 15. Ed., 01. 01. 2015, § 269 Rn. 7 f. 398 BGH NJW 1997, 3019, 3021. 399 Schröer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 148 Rn. 66; s. auch Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 126. 400 §§ 330 bzw. 331 ZPO.

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eines Ersatzanspruchs schlüssig vorträgt, als Beklagte.401 Die Unzulässigkeit eines Versäumnisurteils zum Nachteil der Gesellschaft ist, obwohl freilich auch hier die Klage schlimmstenfalls mit allen Wirkungen der Rechtskraft abgewiesen, beziehungsweise, wenn die Gesellschaft Beklagte ist, ihr stattgegeben wird,402 nicht begründbar. Anders als Verzichts- und Anerkenntnisurteil setzt ein Versäumnisurteil keine Handlung der Gesellschaft voraus, sondern ist Folge ihres Nichterscheinens oder Nichtverhandelns403 in einem Termin zur mündlichen Verhandlung.404 Als Klägerin könnte sich die Gesellschaft, dürfte das Verfahren nicht durch Versäumnisurteil beendet werden, so einen faktisch unverjährbaren Anspruch sichern, als Beklagte dem Vorstandsmitglied eine rechtskräftige Entscheidung vorenthalten.405 Der Schutz des Gesellschaftsvermögens, den § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bezweckt, kann hier schlicht durch Erscheinen und Verhandeln gewährleistet werden, sodass eine darüber hinausgehende Schutzwürdigkeit der passiv bleibenden Gesellschaft nicht gegeben ist. Die mit diesem Ergebnis verbundene deutliche Entwertung des Verbots eines Verzichts- oder Anerkenntnisurteils406 ist als rechtliche Gegebenheit hinzunehmen. Eine Möglichkeit der Enthaftung durch Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat ist hier zwar, indem der Aufsichtsrat bewusst auf ein Versäumnisurteil hinwirkt, für den streitgegenständlichen Anspruch gegeben.407 Allerdings wird eine derartige Prozessführung, soweit ein Anspruch bestanden hat, ihrerseits eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft darstellen, sodass die Mitglieder des Aufsichtsrats dieser für den Schaden aus dem entgangenen Ersatzanspruch haftbar sind.408 Daneben können bei nachweisbarem Zusammenwirken der Organmitglieder zum Schaden der Gesellschaft Ansprüche aus § 826 BGB, auch gegen den Schuldner des Ersatzanspruchs, in Betracht kommen.409 Ein praktikables Enthaftungsmodell kann so nicht aufgebaut werden.410 401

Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 785; Mertens, FS Fleck, 1988, S. 209, 213; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 173; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 529; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 314. 402 Zur Rechtskraft des Versäumnisurteils s. Prütting, in: MüKoZPO, 4. Aufl. 2013, § 330 Rn. 38. 403 § 333 ZPO stellt das Nichtverhandeln dem Nichterscheinen gleich. 404 Zum Begriff der Säumnis i.S.d. §§ 330, 331 ZPO s. Prütting, in: MüKoZPO, 4. Aufl. 2013, § 330 Rn. 10 ff., § 331 Rn. 5; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 105 II. 1. (Rn. 7 ff.); Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, § 4 II. 1. d) (Rn. 170 f.). 405 Siehe zum Zweck des Versäumnisverfahrens Toussaint, in: Vorwerk/Wolf, 15.Ed., 01. 01. 2015, § 330 Rn. 1. 406 Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 785. 407 Vgl. Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 14. 408 Bauer/Krets, DB 2003, 811, 813; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 173; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 314. 409 Weitergehend Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 529, die aus § 826 BGB u. U. sogar einen Einwand gegen die Wirksamkeit eines Versäumnisurteils ge-

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3. Nichtgeltendmachung von Ersatzansprüchen Der bloßen Nichtgeltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft aus § 93 AktG steht das Verzichts- und Vergleichsverbot nicht entgegen.411 Zwar führt ein solches Vorgehen nach Ablauf von fünf beziehungsweise, falls die Gesellschaft im Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert war, von zehn Jahren zur Verjährung des Anspruchs412 mit der Folge einer peremptorischen Einrede des Vorstandsmitglieds aus § 214 Abs. 1 BGB, die in ihrer Wirkung einem Wegfall des Anspruchs auf Seiten der Gesellschaft gleichkommt.413 Wie im Fall eines Versäumnisurteils beruht der wirtschaftliche Verlust des Ersatzanspruchs auch hier auf schlichter Passivität der Gesellschaft und nicht auf einer Verfügung, wie sie § 93 Abs. 4 S. 3 AktG verhindern soll.414 Liegt der Nichtgeltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands eine Entscheidung des Aufsichtsrats zugrunde, ist zu verlangen, dass diese jederzeit, insbesondere falls sich neue, für die Entscheidung über die Geltendmachung bedeutsame Erkenntnisse ergeben, zurückgenommen werden kann. Eine endgültige Entscheidung, den Anspruch unter allen Umständen nicht geltend zu machen, käme, insbesondere, wenn sie dem schadensersatzpflichtigen Vorstandsmitglied mitgeteilt wurde, sodass sich unter Umständen eine Einrede eines Klageverzichts ergeben kann, in ihrer Wirkung einem Verzicht gleich, sodass sie an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu messen und innerhalb der Sperrfrist unzulässig wäre.415

genüber dem Schadensersatzschuldner zulassen wollen; daran zweifelnd Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 314. 410 Ebenso Bauer/Krets, DB 2003, 811, 813. 411 Wilsing, FS Maier-Reimer, 2010, S. 889, 894 ff.; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 770; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772, 773; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 96; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 340; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 644; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 112; Paefgen, AG 2014, 554, 573; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 845; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 160; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 530; U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 140; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 47. 412 § 93 Abs. 6 AktG. 413 BGHZ 135, 244, 256 („ARAG/Garmenbeck“): „Hingegen bedarf es gewichtiger Gegengründe und einer besonderen Rechtfertigung, von einer – voraussichtlich – aussichtsreichen Anspruchsverfolgung, die einem Anspruchsverzicht nahe kommt, abzusehen […]“ (Hervorhebung durch die Verf.); Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 96: „eine Art faktischer Verzicht“; Wilsing, FS Maier-Reimer, 2010, S. 889, 896; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 340. 414 Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601. 415 Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 773; s. auch Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 310; strenger wohl Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 123, der anscheinend jede Entscheidung des Aufsichtsrats, von einer Anspruchsverfolgung abzusehen, als Verzicht qualifiziert; ähnl. F. Gaul, AG 2015, 109, 112.

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Ohne eine solche endgültige Entscheidung tritt, anders als bei einer unter § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fallenden Verfügung über den Ersatzanspruch, kein unmittelbarer wirtschaftlicher Verlust ein, sodass Raum für einen späteren abweichenden Beschluss des Aufsichtsrats sowie die Erhebung einer Aktionärsklage bleibt.416 Fehlt es an einer Entscheidung des Aufsichtsrats, den Anspruch nicht geltend zu machen417 oder läuft die Verjährungsfrist ab, ohne dass es zu einer dem Interesse der Gesellschaft entsprechenden Geltendmachung des Ersatzanspruchs kommt, bleibt zu erwägen, ob, falls ein Zusammenwirken mit dem Schuldner des Schadensersatzes vorliegt, diesem die Berufung auf die Einrede der Verjährung als rechtsmissbräuchlich verwehrt werden könnte.418 Anders als beim Versäumnisurteil, das einen Antrag der Gegenpartei voraussetzt, erfordert die Verjährung des Ersatzanspruchs kein Zutun des Schuldners, sodass die Schädigung rechtlich allein vom Aufsichtsrat durch dessen Untätigkeit verursacht wurde. Es erscheint daher angebracht, die Gesellschaft lediglich auf Ersatzansprüche gegen dessen Mitglieder zu verweisen. Die Einrede der Verjährung hier insgesamt auszuschließen hätte zur Folge, dass, solange eine Pflicht des Aufsichtsrats zur Anspruchsverfolgung gegeben wäre, kein wirtschaftlicher Verlust des Anspruchs, mithin regelmäßig kein Schaden der Gesellschaft aus der Verletzung dieser Pflicht gegeben sein könnte. Ein solcher Schwebezustand wäre weder für die Gesellschaft noch den Schadensersatzschuldner vorteilhaft und überdies schwer mit § 93 Abs. 6 AktG vereinbar, der keine derartigen Einschränkungen vorsieht und würde zur Unverjährbarkeit des Ersatzanspruchs bzw. einer faktischen, unbedingten Geltendmachungspflicht innerhalb der Dreijahresfrist führen.419 Daneben entstünde bei entsprechender Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf die Nichtgeltendmachung von Ersatzansprüchen ein Wertungswiderspruch zu § 147 Abs. 1 S. 1 AktG, wonach die Hauptversammlung durch Beschluss mit einfacher Stimmenmehrheit den Aufsichtsrat zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder aus § 93 AktG verpflichten kann. Eine entsprechende Vorlagepflicht des Aufsichtsrats im Falle einer negativen Entscheidung über die Geltendmachung sieht das Aktiengesetz nicht vor.420 Weitergehend führte 416

Wilsing, FS Maier-Reimer, 2010, S. 889, 896; Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 919; ders., ZHR 177 (2013), 756, 770; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 644; s. auch Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 340; dies vernachlässigt Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 123, der anscheinend jedes beschlossene Absehen von einer Anspruchsverfolgung unmittelbar als Verzicht einordnen will. 417 Eine „Nichtigkeit“ kommt hier mangels Vorliegen einer Rechtshandlung nicht in Betracht, s. Wilsing, FS Maier-Reimer, 2010, S. 889, 897. 418 Ähnl. zum Versäumnisurteil Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 529. 419 Ganz ähnl. Wilsing, FS Maier-Reimer, 2010, S. 889, 897. 420 Die Entscheidung über die Geltendmachung eines Organhaftungsanspruchs liegt im Grundsatz bei dem zur Vertretung der Gesellschaft zuständigen Organ, also Aufsichtsrat bzw. Vorstand; s. Wilsing, FS Maier-Reimer, 2010, S. 889, 896; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 160; Schröer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 147 Rn. 32; Bezzen-

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die Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG dazu, dass eine die Anspruchsverfolgung ablehnende Entscheidung des Aufsichtsrats der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfte. Das Nichterreichen der hierfür erforderlichen einfachen Stimmenmehrheit könnte im Sinne einer Verpflichtung zur Geltendmachung nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG verstanden werden, sodass die Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Organmitglieder im Ergebnis der Hauptversammlung zugewiesen würde.421 Die Systematik des Aktiengesetzes spricht damit ebenfalls gegen eine Anwendung des Verzichts- und Vergleichsverbots auf die Nichtgeltendmachung von Ersatzansprüchen. Die Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder liegt damit grundsätzlich allein beim Aufsichtsrat. Zwar kann hier, wie beim bewussten Erwirken eines Versäumnisurteils, dieser faktisch eine Enthaftung bewirken, jedoch machen sich die Mitglieder des Aufsichtsrats, soweit sie zur Verfolgung des Anspruchs der Gesellschaft verpflichtet waren, dieser gegenüber selbst schadensersatzpflichtig. 4. Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) Wie das schlichte Absehen von der Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied beinhaltet auch ein sogenanntes pactum de non petendo weder eine Verfügung über die Schadensersatzforderung noch eine Verpflichtung hierzu. Anders als dort sieht hier aber die Gesellschaft nicht nur von der Anspruchsverfolgung im Wege einer Klage ab, sondern hat sich gegenüber dem schadensersatzpflichtigen Vorstandsmitglied vertraglich zu diesem Verhalten verpflichtet. Einer entgegen einem solchen – unterstellt wirksamen – Verzicht auf die klageweise Anspruchsverfolgung erfolgenden gerichtlichen Geltendmachung des Ersatzanspruchs könnte das beklagte Vorstandsmitglied die Vereinbarung einredeweise entgegenhalten, was die Unzulässigkeit der Klage der Gesellschaft zur Folge hätte.422 In der Wirkung dem Verzicht nach § 306 ZPO und dem Anerkenntnis nach § 307 ZPO ähnlich, lässt ein zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied geschlossenes Stillhalteabkommen zwar den Anspruch in seinem materiell-rechtlichen Bestand unberührt, hindert aber seine prozessuale Durchsetzbarkeit, sodass wirtschaftlich ein Verlust des Ersatzanspruchs der Gesellschaft eintreten würde. Sinn und Zweck des Verzichts- und Vergleichsverbots des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gebieten daher aufgrund dieser verzichtsähnlichen Wirkung eines pactum de non petendo423 berger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1999, § 147 Rn. 7; s. auch BGHZ 135, 244 („ARAG/ Garmenbeck“). 421 Wilsing, FS Maier-Reimer, 2010, S. 889, 896 f.; s. auch Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 160. 422 BGH NJW-RR 1989, 1048, 1049; NJW-RR 1995, 290, 292; Bacher, in: Vorwerk/Wolf, 15. Ed., 01. 01. 2015, § 253 Rn. 18.1; Lorenz, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 11. 2014, § 271 Rn. 12. 423 Siehe Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, § 3 Rn. 27.

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eine entsprechende Anwendung. Abreden zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied, die die Klagbarkeit von Ersatzansprüchen der Gesellschaft (auch nur zeitweise) ausschließen sollen, sind daher nur in den Grenzen und unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG möglich.424 5. Abtretung von Ersatzansprüchen Die Abtretung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder ist als solche weder als Verzicht noch als Vergleich einzuordnen, führt sie doch lediglich zu einem Gläubigerwechsel, der den Anspruch in seinem Bestand unberührt lässt. In Bezug auf das Verzichts- und Vergleichsverbot problematisch kann eine solche Verfügung aber jedenfalls dann sein, wenn der Anspruch gerade einem Dritten übertragen wird, damit dieser auf ihn verzichtet oder sich mit dem Vorstandsmitglied vergleicht, wenn also der Zessionar Verfügungen vornehmen soll, die, würden sie von der Gesellschaft selbst vorgenommen, aufgrund von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG außerhalb ihrer Dispositionsbefugnis lägen. In der Literatur wird ein solches Vorgehen als ein gebräuchliches Umgehungsverfahren zur Enthaftung von Vorstandsmitgliedern beschrieben.425 Sollte eine solche Praxis in der Tat existieren,426 begegnet sie, sollen dabei wirksame Verfügungen unter wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen zustande kommen, weitreichenden Wirksamkeitshindernissen. a) Unentgeltliche Abtretung zum Zweck der Enthaftung durch Dritte Aufgrund des aktienrechtlichen Verzichts- und Vergleichsverbots für unzulässig gehalten wird allgemein eine Abtretung, der keinerlei Gegenleistung des Zessionars gegenübersteht, wenn die Abtretung also keinem anderen Zweck als der Enthaftung des Organmitglieds dienen soll.427 424

Ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 171 im Anschluss an Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 8; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 773; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 309; großzügiger Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 918: nur Stillhalteabkommen ohne Widerrufsvorbehalt unzulässig. 425 Fleischer, WM 2005, 909, 919; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 277; ders., AG 2015, 133, 139; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 505; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344; Ihlas, D&O, S. 309; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 645 f.; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 319; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2123; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 50. 426 Zweifelnd Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772. 427 Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 783; Mertens, FS Fleck, 1988, S. 209, 213; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772; Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 23; Bauer/Krets, DB 2003, 811, 812; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 530; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 263; Hölters, 2. Aufl. 2014,

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b) Abtretung zum Nominalwert Im Hinblick auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG grundsätzlich unproblematisch zulässig ist die Abtretung des Ersatzanspruchs an einen Dritten gegen Zahlung des vollen nominellen Anspruchsbetrags,428 wenngleich ein wirtschaftliches Motiv für eine solche Transaktion kaum vorstellbar ist.429 c) Abtretung zum tatsächlichen Wert des Ersatzanspruchs Zwischen diesen beiden Extremen ist umstritten, ob und inwieweit das aktienrechtliche Verzichts- und Vergleichsverbot der Wirksamkeit einer Abtretung von Organhaftungsansprüchen der Gesellschaft entgegensteht. Grundsätzlich wird eine mindestens dem tatsächlichen Wert des Anspruchs entsprechende Gegenleistung430 gefordert.431 Erwirbt die Gesellschaft zwar einen Anspruch auf eine Gegenleistung, ist dieser aber entweder nicht vollwertig oder ist die vereinbarte Gegenleistung als solche im Hinblick auf den Wert des Anspruchs nicht angemessen, soll § 93 Abs. 4 S. 3 AktG mit der Folge der Unwirksamkeit der Abtretung nach einer wohl herrschenden Auffassung nur bei einer beabsichtigen Umgehung des Verzichts- und Vergleichsverbots zur Anwendung kommen.432 In der Folge könnte sich die Gesellschaft § 93 Rn. 319; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 51; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 67. 428 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 23; Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 128, 132; Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 172; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 51; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 365; auch hier einschränkend Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 126 f., 132. 429 Vgl. Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 783 f. 430 Dabei braucht es sich nicht um eine Geldleistung zu handeln. In Betracht kommt insbesondere auch eine dem Anspruch gleichwertige Sachleistung (Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 172) oder die Freistellung der Gesellschaft von einem anderen Anspruch durch den Zessionar (vgl. Habersack, FS Hommelhoff, 2012, S. 303, 319 f.). 431 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 25; Habersack, FS Hommelhoff, 2012, S. 303, 316; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772; Bauer/Krets, DB 2003, 811, 812 f.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 319; U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 141; wohl auch Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 67 („vollwertiger Ersatz“); Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 530; Krieger/ Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 51; Bürgers/Israel, in: Bürgers/ Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36 („vollwertige Gegenleistung“); i.Erg. unklar Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 783, der vom „vollen Gegenwert“ spricht, damit aber wohl den nominellen meint; gegen eine Abtretung unter Nominalwert Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 130 f., 132; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 172; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 265. 432 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 530; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 263 [unklar in Bezug auf ebd., Rn. 265, wonach eine Abtretung unter

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hinsichtlich der Wertdifferenz des abgetretenen Ersatzanspruchs und der Gegenleistung nur im Wege des Schadensersatzes an die hieran beteiligten Aufsichtsratsmitglieder433 halten, falls die Abtretung pflichtwidrig war.434 Diese Auffassung gelangt mithin zu dem Ergebnis, dass die Gesellschaft anstelle ihres bisherigen Schuldners in Höhe des Differenzschadens aus der wirtschaftlich nachteiligen Abtretung auf die in ihrem Namen verfügenden Aufsichtsratsmitglieder verwiesen wäre. Das Risiko, gegenüber dem des abgetretenen Anspruchs weniger solvente Schuldner zu erhalten, läge bei der Gesellschaft. Daneben erhielte sie möglicherweise auch gegen den Zessionar als Schuldner der Gegenleistung keinen vollwertigen Anspruch.435 Auch wenn sich diese Gefahren für das Gesellschaftsvermögen nicht zwingend realisieren werden, legen sie nahe, die Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf Fälle einer, gleich aus welchen Gründen, nicht dem tatsächlichen Wert des Anspruchs entsprechenden Gegenleistung zu überdenken. Als problematisch stellt sich dabei die geforderte Umgehungsabsicht dar, die, liegt keine unentgeltliche Abtretung oder eine offensichtlich unangemessen Gegenleistung vor, nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann. Ohne dass hier auf grundsätzliche methodische Gesichtspunkte eingegangen werden soll, gilt es zu bedenken, dass das Verzichtsund Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht lediglich eine bestimmte Art und Weise der Herbeiführung dieses Erfolgs, sondern eine Verringerung des Gesellschaftsvermögens durch anspruchsmindernde Verfügungen über Organhaftungsansprüche insgesamt verhindern soll. Einen Anknüpfungspunkt für das subjektive Element einer Umgehungsabsicht bietet der Tatbestand des § 93 Abs. 4 S. 3 Nominalwert unzulässig sei]; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 319; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 51; Bauer/Krets, DB 2003, 811, 812; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 67; für die grds. Wirksamkeit der Abtretung trotz unangemessener Gegenleistung auch Habersack, FS Hommelhoff, 2012, S. 303, 316; Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 784 verlangt darüber hinaus „vernünftige Gründe“ für die Abtretung; a.A. Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 24 f.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344 (allerdings unter Berufung auf Hopt, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 377, der dieselbe Auffassung wie nunmehr Hopt/Roth, a.a.O. vertrat). 433 Auch wenn es sich bei der Abtretung als Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft und einem Dritten nicht um eine Vertretung „gegenüber den Vorstandsmitgliedern“ handelt, für die nach § 112 AktG der Aufsichtsrat zuständig ist, soll als Annex zu der Zuständigkeit des Aufsichtsrats zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands auch bei deren Abtretung die Gesellschaft vom Aufsichtsrat vertreten werden; wäre der Vorstand zuständig, bestünde zudem eine größere Gefahr für die Gesellschaft nachteiliger Abtretungsversuche oder Manipulationen, etwa hinsichtlich des Anspruchswerts; s. Habersack, FS Hommelhoff, 2012, S. 303, 316; zust. Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 266. 434 So im Erg. Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 530; Habersack, FS Hommelhoff, 2012, S. 303, 316; Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 784; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 263 [widersprüchlich zu ebd., Rn. 265, wonach eine Abtretung unter Nominalwert unzulässig sei]; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 319; Krieger/ Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 51; Hefermehl, in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 67; Bauer/Krets, DB 2003, 811, 812 f. 435 Vgl. Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 130 f., 132.

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AktG nicht. Daher sollte auch in der Frage, ob eine Abtretung im Hinblick auf das Verzichts- und Vergleichsverbot Bestand haben kann, nicht vorrangig das Vorliegen einer intendierten Umgehung untersucht, sondern geprüft werden, ob Sinn und Zweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG seine entsprechende Anwendung gebieten.436 Dies ist der Fall, wenn die Gegenleistung nicht dem tatsächlichen Wert des Ersatzanspruchs entspricht. Eine Abtretung lässt zwar den Anspruch in seinem Bestand unberührt, entfernt ihn aber aus dem Gesellschaftsvermögen, sodass, vorbehaltlich einer angemessenen Gegenleistung, die den Verlust des Ersatzanspruches ausgleicht, eine vom Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft bewirkte Vermögensminderung vorliegt, wie sie § 93 Abs. 4 S. 3 AktG seinem Sinn und Zweck nach gerade verhindern soll. Ein schutzwürdiges wirtschaftliches Interesse der Gesellschaft, einen Anspruch unter seinem tatsächlichen Wert zu veräußern, ist nicht anzuerkennen. Dieser Gesichtspunkt ist auch der Auffassung, die eine Umgehungsabsicht verlangt, diese bei Veräußerung des Anspruchs unter Wert aber nicht ohne Weiteres annehmen will, entgegenzuhalten. Betrachtet man als tatsächlichen Wert des Anspruchs den nominellen abzüglich den Risiken der Nichtbeitreibbarkeit entsprechender Abzüge,437 sind anerkennenswerte, wirtschaftlich vernünftige Gründe der Gesellschaft, den Anspruch unter diesem realen Wert veräußern zu wollen, nicht erkennbar.438 Forderte man eine Umgehungsabsicht, müsste diese daher hier unterstellt werden. Mithin steht das Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auch der Abtretung von Ersatzansprüchen, ohne eine damit verbundene, dem tatsächlichen Wert des Anspruchs entsprechende Gegenleistung entgegen. Sowohl die Abtretung als auch eine darauf gerichtete Verpflichtung sind in diesen Fällen nichtig.439 Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen die an diesen Rechtsgeschäften beteiligten 436

Ähnl. im Ganzen, zudem aus grundsätzlichen Erwägung gegen die Umgehung als eigenständige methodische Kategorie, Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 24 f. 437 Was unter dem tatsächlichen Wert des Anspruchs verstanden werden soll, bleibt leider überwiegend offen, indem lediglich auf dessen Vollwertigkeit, ohne dass deutlich würde, auf welchen Wert es ankommen soll, abgestellt wird; s. Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, § 93 Rn. 67 („vollwertiger Ersatz“); Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 530; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 51; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36 („vollwertige Gegenleistung“); missverständlich Zimmermann, FS Duden, 1977, 773, 783, der als Beispiel den Fall anführt, dass, etwa aufgrund Zahlungsunfähigkeit des Schuldners des Organhaftungsanspruchs, nicht der „volle Gegenwert der Forderung“ bezahlt würde; auf das terminologische Problem weist auch Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 128 Fn. 331 hin; Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 25; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772 möchten bei der Ermittlung des tatsächlichen Werts ebenfalls die Leistungsfähigkeit des Organmitglieds berücksichtigen; ebenso in anderem Zshg. Hasselbach, DB 2010, 2037, 2041. 438 Ähnl. Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 128. 439 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 25; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344. Zu dieser Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG allgemein s. die Nachweise in Fn. 522.

B. Haftungsausschluss durch Satzung und Vertrag

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Aufsichtsratsmitglieder können sich ergeben, wenn der Gesellschaft ein weiterer Schaden, beispielsweise in Gestalt von Rechtsverfolgungskosten, entstanden ist.440 Es bleibt zu klären, ob Sinn und Zweck des aktienrechtlichen Verzichts- und Vergleichsverbots auch einer Abtretung gegen eine unter dem Nennwert des Ersatzanspruchs liegende, seinem tatsächlichen Wert aber entsprechende Gegenleistung entgegenstehen. Dafür könnte sprechen, dass die Dreijahresfrist vorschnelle Verfügungen, durch die Ersatzansprüche der Gesellschaft gemindert werden, verhindern soll, sodass sie auch auf eine Abtretung gegen eine nominell unter dem Betrag des Ersatzanspruchs liegende Gegenleistung anzuwenden sein könnte.441 Eine Abtretung ist aber, wie festgestellt, nicht unmittelbar vom Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfasst und überdies die Sperrfrist auch rechtspolitisch durchaus umstritten.442 Eine entsprechende Anwendung des Verzichts- und Vergleichsverbots darf aber nur so weit gehen, wie dies durch teleologische Gesichtspunkte geboten ist.443 Eine Vermögenseinbuße der Gesellschaft ist in diesem Fall im Ergebnis nicht gegeben. Berücksichtigt man bei der Feststellung des tatsächlichen Werts des Ersatzanspruchs auch dessen Beitreibbarkeit, fließt dem Gesellschaftsvermögen, wenngleich die Wertermittlung ein Prognoseelement enthält und sich praktisch schwierig gestalten kann,444 mindestens der Betrag als Gegenleistung wieder zu, den sie selbst bei Geltendmachung im Zeitpunkt der Abtretung von dem Vorstandsmitglied zu erlangen ist der Lage gewesen wäre.445 Ist eine solche Wertfeststellung nicht möglich, ist nach dem Gesagten eine Abtretung des Anspruchs 440

Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 25. So, allerdings unter dem Gesichtspunkt der Umgehung unter direkter Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 172; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 265; anscheinend unter derselben Prämisse Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 129 f., 132. 442 Zur Abschaffung der Sperrfrist de lege ferenda s. u. 4. Teil A. I. sowie Paefgen, AG 2014, 554, 573 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 249; Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 143; Fleischer, WM 2005, 909, 918 f.; ders., AG 2015, 133, 140; Semler, AG 2005, 321, 333; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 164; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 76; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 505; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 898 f.; ders., NZG 2011, 217, 221 Rn. 51; ders., NZG 2012, 380, 383 Rn. 26; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 645 f.; Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 918; ders., ZHR 177 (2013), 756, 770 f.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1308; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; Grunewald, AG 2013, 813, 816; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 206; Ihlas, D&O, S. 308 f.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344; Zimmermann, FS Duden, 1977, 773, 774; Krieger, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rn. 44; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 307; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 52. 443 So in anderem Zshg. unter Hinweis auf die rechtspolitische Zweifelhaftigkeit der Sperrfrist Grunewald, AG 2013, 813, 816; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 644 ff.; s. auch Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 770. 444 Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772; vertiefend Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 25. 445 A.A. Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 129. 441

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

unter Nominalwert beziehungsweise, wenn die volle Höhe des Schadens noch nicht feststeht, eine Abtretung des Anspruchs in vollem Umfang ohnehin unzulässig.446 Ist sie möglich, wird der Ersatzanspruch durch die Gegenleistung in Höhe seines vollen Werts ausgeglichen, sodass eine Minderung des Gesellschaftsvermögens nicht vorliegt. Eine entsprechende Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ist mithin weder unter teleologischen noch sonstigen Gesichtspunkten geboten, wenn die Gegenleistung zwar nicht den nominellen, mindestens aber den tatsächlichen Wert des Anspruchs im Zeitpunkt der Abtretung erreicht.447 d) Zwischenfazit Im Ergebnis ist nach hier vertretener Auffassung die Abtretung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder zulässig, wenn aufgrund der Abtretung eine mindestens dem tatsächlichen Wert des Anspruchs entsprechende Gegenleistung in das Gesellschaftsvermögen fließt. Die Abtretung des Ersatzanspruchs an einen Dritten zum Zwecke des anschließenden Verzichts oder eines Vergleichsschlusses stellt demnach keine ohne wirtschaftliche Verluste der Gesellschaft, für die wiederum die an dem Versuch einer Veräußerung des Anspruchs unter seinem tatsächlichen Wert beteiligten Aufsichtsratsmitglieder schadensersatzpflichtig wären, zu bewerkstelligende Möglichkeit einer nachträglichen Enthaftung von Vorstandsmitgliedern dar.448 Dasselbe muss für eine antizipierte Abtretung aufgrund einer Vereinbarung mit einem Dritten vor Anspruchsentstehung gelten.449 6. Sonstige Verfügungen Sonstigen Verfügungen über Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder steht das Verzichts- und Vergleichsverbot grundsätzlich nicht entgegen.450 446 Ebenso Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 127, 132; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 172; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 265. 447 Ebenso i.Erg. Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 25; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344; Hasselbach/ Seibel, AG 2008, 770, 772; a.A. Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 172; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 265 die unter dem Gesichtspunkt der Umgehung § 93 Abs. 4 S. 3 AktG direkt anwenden wollen; wohl unter derselben Prämisse Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 130 f., 132. 448 So i.Erg. auch Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 319. 449 Siehe Habersack, FS Hommelhoff, 2012, S. 303, 318. 450 Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 783; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 530; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 51; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 67.

B. Haftungsausschluss durch Satzung und Vertrag

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Neben den erörterten erfasst § 93 Abs. 4 S. 3 AktG seinem Sinn und Zweck nach aber jedwede Verfügung oder sonstige Rechtshandlung der Gesellschaft, die zum Ausschluss oder zu einer Minderung eines bestehenden oder künftigen Schadensersatzanspruchs führt, wobei auch Einbußen hinsichtlich der prozessualen Geltendmachung des Anspruchs, die ihn materiell-rechtlich in seinem Bestand unberührt lassen, genügen. Verfügungen, die einen Verlust des Anspruchs durch eine Handlung, die nicht in den direkten Anwendungsbereich des Verzichts- und Vergleichsverbots fällt, bewirken, sind nach dem zur Abtretung Ausgeführten grundsätzlich dann zulässig, wenn der Gesellschaft im Gegenzug eine mindestens dem tatsächlichen Wert des Ersatzanspruchs entsprechende Vermögensposition zufließt.451

II. Statutarische Abweichungen von der gesetzlichen Regelung der Vorstandsinnenhaftung Die gesetzliche Regelung der Vorstandshaftung ist insgesamt zwingendes Recht.452 Weder die geschuldete Sorgfalt noch die aus ihrer Verletzung folgende Pflicht zum vollumfänglichen Ersatz eines daraus entstandenen Schadens453 stehen zur Disposition durch Satzung oder Anstellungsvertrag. Das folgt für satzungsmäßige Abweichungen von den Regelungen des § 93 AktG aus der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG454 und wird daneben mit der Eigenverantwortlichkeit der Vor451

Vgl. Fleischer, WM 2005, 909, 918; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 287; Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 254; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 261; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 309; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 528; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 171. 452 Für Haftungsmilderungen allg.M., BGHZ 64, 325, 326 f.; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95; Ihlas, D&O, S. 308; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 106 ff.; Spindler, AG 2013, 889, 890; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794; Fleischer, ZIP 2014, 1305 f.; ders., WM 2005, 909, 914; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 3 f.; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 346; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 27; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 17; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 11; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 Rn. 3; Koch, AG 2014, 513, 524; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 2; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 8; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 3; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 47 ff.; a.A. bzgl. Verschärfungen U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 803 f.; Arnold, in: MarschBarner/Schäfer, Hdb börsennotierte AG, § 22 Rn. 3; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 4; mit Einschränkungen U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 5; zum AktG 1937 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 210. 453 A.A. bzgl. einer Begrenzung der Haftungssumme Grunewald, AG 2013, 813, 815 f. 454 BGHZ 64, 325, 326 f.; Geßler, FS Luther, 1976, S. 69, 83 f.; Fleischer, WM 2005, 909, 914; ders., ZIP 2014, 1305, 1306; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 3; U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 803; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 11; Solveen, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 30; Koch, AG 2014, 513, 524; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014,

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

standsmitglieder bei der Leitung der Gesellschaft455 sowie der auch gläubigerschützenden Funktion der Vorstandshaftung, die in § 93 Abs. 5 AktG zum Ausdruck komme,456 begründet. Hinsichtlich der Pflicht zum Ersatz des vollen Schadens der Gesellschaft sieht Grunewald in der Vereinbarung von Haftungshöchstsummen für Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder mit Ausnahme solcher aus § 93 Abs. 3 AktG457 keine Abweichung von den Regelungen des § 93 AktG, sondern will lediglich eine zulässige satzungsmäßige Ergänzung im Sinne des § 23 Abs. 5 S. 2 AktG annehmen.458 Problematisch an dieser Sichtweise erscheint bereits die Einordnung der Regelungen des Aktiengesetzes zur Organhaftung als ergänzungsfähig, mithin nicht abschließend. Angesichts der Detailliertheit des § 93 AktG ist dies zumindest begründungsbedürftig. Aus dem Fehlen eines ausdrücklichen Hinweises auf den der vollen Schadenshöhe entsprechenden Umfang der Ersatzpflicht ist ein solcher Schluss nicht zulässig,459 bildet die Totalreparation doch den Regelfall des Schadensersatzrechts460 und sind summenmäßige Haftungsgrenzen allgemein nahezu ausschließlich im Bereich der Gefährdungshaftung gegeben.461 Dieser Gesichtspunkt braucht hier aber nicht vertieft zu werden, steht doch jedenfalls das Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einer summenmäßigen Haftungsgrenze, auch wenn diese durch die Satzung festgelegt wird, innerhalb der dreijährigen Sperrfrist zwingend entgegen. Ihrem Sinn und Zweck nach verbietet die Vorschrift innerhalb dieses Zeitraums nicht nur einen Verzicht im Sinne eines Er-

§ 23 Rn. 36; Arnold, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2011, § 23 Rn. 5; für die geschuldete Sorgfalt auch Grunewald, AG 2013, 813, 815; zweifelnd Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 47. 455 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 27; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 12; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 4. 456 Fleischer, WM 2005, 909, 914; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 4; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 27; ohne Nennung des Abs. 5 unter Hinweis auf Gläubigerschutz auch Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 47. 457 Grunewald, AG 2013, 813, 817. Begründet wird dies mit der besonderen Bedeutung des § 93 Abs. 3 AktG, die sich daraus ergebe, dass eine Geltendmachung der Ersatzansprüche durch Gläubiger der Gesellschaft gem. § 93 Abs. 5 S. 2 AktG keine „gröbliche“ Pflichtverletzung voraussetzt. Ferner seien die Tatbestände des Abs. 3 vergleichsweise deutlich umrissen, sodass Verstöße eher vermeidbar seien. 458 Grunewald, AG 2013, 813, 815 f.; ähnl. Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395. 459 Anders aber Grunewald, AG 2013, 813, 815. 460 Siehe dazu die Nachweise in Fn. 995. 461 Mit diesem Argument gegen die Einführung einer Haftungshöchstgrenze de lege ferenda Fleischer, WM 2005, 909, 915; anders Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1397, der in Analogie zum Produkthaftungsrecht gerade die Einführung gesetzlicher Haftungshöchstgrenzen für Organmitglieder als „Produzenten“ eines nicht mehr beherrschbaren Risikos fordert; s. zu den Haftungsbegrenzung bei Gefährdungstatbeständen Lange/Schiemann, § 10 XVIII. (S. 660 ff.). Vertiefend 4. Teil E. I. 1. a).

B. Haftungsausschluss durch Satzung und Vertrag

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lassvertrags462 über einen bereits entstandenen Schadensersatzanspruch, sondern jede einen solchen schmälernde Handlung der Gesellschaft, insbesondere auch den antizipierten Verzicht.463 Demnach ist das aktienrechtliche Verzichts- und Vergleichsverbot grundsätzlich nicht berührt, wenn ein Anspruch in voller Höhe bereits nicht zur Entstehung gelangt.464 Einen solchen Fall nimmt Grunewald bei einem satzungsmäßig geregelten Haftungshöchstbetrag an.465 Insbesondere, wenn eine solche statutarische Regelung als Ergänzung des, nicht als (unzulässige) Abweichung von, § 93 AktG verstanden werden soll, kann dieser Befund nicht überzeugen. Eine Satzungsklausel, nach der Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder lediglich bis zu einer bestimmten Höhe entstehen sollen, beinhaltet die Aussage, dass bei einer über diese Summe hinausgehenden Schadenshöhe ein Anspruch in Höhe der Differenz nicht gegeben sein soll, sodass ein Verzichtselement vorliegt.466 Zwar handelt es sich bei einer Regelung in der Satzung nicht um eine privatautonome Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und einzelnen Organmitgliedern, sodass eine Einordnung als Erlassvertrag nicht in Betracht kommt. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Nichtentstehung eines Schadensersatzanspruchs in einer über die Haftungshöchstsumme hinausgehenden Höhe auf einer Handlung der Gesellschaft in Gestalt der Satzungsänderung beruhte. Zwar bedürfte die Einführung einer entsprechenden Regelung der Dreiviertelmehrheit des § 179 Abs. 2 S. 1 AktG, sodass in Bezug auf das Zustimmungserfordernis des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG allenfalls im Hinblick auf die Sperrminorität Bedenken bestehen könnten. Innerhalb der Dreijahresfrist sind aber sämtliche in den Anwendungsbereich der Norm fallende Handlungen unzulässig, woran auch eine Zustimmung der Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit nichts ändert.467 Die Sperrfrist dient dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und soll voreilige Vermögensdispositionen, bevor Art und Ausmaß des Schadens feststehen, verhindern. Ferner sollen die Organmitglieder sich, angesichts der Möglichkeit wechselnder Mehrheiten, nicht auf die Enthaftung durch die gegebene Aktionärsmehrheit, insbesondere einen Großaktionär, im Zeitpunkt der schädigenden Handlung verlassen können.468 Der zuletzt genannte Schutzzweck käme nicht zur Geltung, wenn gerade dieser Aktionärsmehrheit die Möglichkeit eingeräumt würde, eine satzungsmäßige Haftungshöchstgrenze zu bestimmen, die auch für die amtierenden Organmitglieder gelten würde. Unabhängig von der Beurteilung der Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Regelung469 ist 462

§ 397 Abs. 1 BGB. Dazu ausführlich unter 3. Teil B. III. 8. 464 Siehe dazu auch U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 802 f. 465 Grunewald, AG 2013, 813, 816. 466 Ebenso Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 109 f. 467 Vgl. Hasselbach, DB 2010, 2037, 2039; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 251; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 311. 468 Dazu bereits unter 3. Teil B. I. 1. 469 Zur rechtspolitischen Bewertung der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG s. o. bei Fn. 442, ausführlich im 4. Teil A. I. 463

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

sie geltendes Recht. Durch einen satzungsmäßigen Ausschluss von Ersatzansprüchen der Gesellschaft jenseits einer bestimmten Höhe wird der durch die Dreijahresfrist zu gewährleistende Schutz beeinträchtigt, sodass eine solche statutarische Regelung mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unvereinbar wäre und somit bereits wegen dieser entgegenstehenden Vorschrift des Aktiengesetzes keine zulässige Ergänzung im Sinne des § 23 Abs. 5 S. 2 AktG sein kann. Eine statutarische Haftungsmilderung ist mithin auch in Gestalt einer Begrenzung des Ersatzanspruchs der Höhe nach durch die Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG in Verbindung mit den Regelungen des § 93 AktG, insbesondere Absatz 4 Satz 3, ausgeschlossen. Ein dennoch gefasster Beschluss der Hauptversammlung über eine entsprechende Satzungsänderung griffe wegen der absoluten Geltung der Sperrfrist in eine unverzichtbare Position der Aktionäre ein, beeinträchtigte die Rechte der Gläubiger aus § 93 Abs. 5 AktG, da eine entsprechende Satzungsvorschrift auch diesen gegenüber einen Wegfall des Ersatzanspruchs bewirkte und wäre damit gemäß § 241 Nr. 3 AktG nicht lediglich anfechtbar, sondern nichtig.470 Dasselbe gilt für eine ursprüngliche Satzungsbestimmung dieses Inhalts, deren Nichtigkeit sich nach wohl herrschender Auffassung unmittelbar aus § 23 Abs. 5 AktG,471 nach anderer Auffassung nur unter den Voraussetzungen des § 241 Nr. 3 AktG, der entsprechend anzuwenden sei, ergeben soll.472

470 Nach h.M. sind entgegen § 23 Abs. 5 AktG von zwingenden Regelungen des AktG abweichende satzungsändernde Hauptversammlungsbeschlüsse stets nichtig, so u. a. Drescher, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 241 Rn. 34; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1995, § 241 Rn. 56; Göz, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 241 Rn. 15; Würthwein, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 241 Rn. 202; i.Erg. auch Geßler ZGR 1980, 427, 444 (Nichtigkeit unmittelbar aus § 23 Abs. 5 AktG), während eine Gegenauffassung anhand der Norm, in die die Satzungsänderung eingreifen würde, differenzieren und, sofern diese nur im Interesse der Aktionäre, nicht auch Dritter, besteht, lediglich Anfechtbarkeit annehmen will; so u. a. Hüffer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2011, § 241 Rn. 61; ders., 10. Aufl. 2012, § 241 Rn. 19; Englisch, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 241 Rn. 57; offen lassend BGHZ 99, 211, 216 f.; BGH NJW 1988, 260, 261; OLG Hamburg, AG 1993, 384 f.; Überblick über den Meinungsstand bei Hüffer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2011, § 241 Rn. 60. 471 Geßler ZGR 1980, 427, 444; Röhricht, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1996, § 23 Rn. 202; Pentz, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 23 Rn. 162; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1995, § 241 Rn. 60; Würthwein, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2012, § 241 Rn. 202; anscheinend auch BGH NJW 2000, 2819, 2820. 472 Hüffer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2011, § 241 Rn. 52; Englisch, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 241 Rn. 58; Solveen, ebd., § 23 Rn. 32; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 6 Rn. 12.

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III. Unzulässigkeit zugunsten des Vorstandsmitglieds abweichender vertraglicher Vereinbarungen Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied ist ebenfalls unzulässig.473 Im Ergebnis ist dies allgemein anerkannt.474 Im Hinblick auf die Untersuchung von Möglichkeiten und Vorbildern für Begrenzungen der Vorstandshaftung lohnt es dennoch, sich die Gründe, privatautonomen Abweichungen von der geschuldeten Sorgfalt des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG sowie Begrenzungen der Schadensersatzpflicht aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG dem Grunde sowie der Höhe nach die Wirksamkeit zu versagen, im Einzelnen zu vergegenwärtigen. 1. Grundsatz der Satzungsstrenge, § 23 Abs. 5 AktG Zum einen würde dadurch die Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG unterlaufen.475 Im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsformen, die den Gesellschaftern weitreichende Freiheiten bei der satzungsmäßigen Ausgestaltung überlassen, sodass auch deutlich vom jeweiligen gesetzlichen Modell abweichende Strukturen entstehen können, ist die Aktiengesellschaft im Grundsatz auf die im Aktiengesetz vorgegebene Verfassung festgelegt. Die Satzungsstrenge soll, indem die Organisationsgewalt der Mehrheitsaktionäre gegenüber der anderer Mehrheitsgesellschafter deutlich begrenzt wird,476 den Schutz von Gesellschaftsgläubigern und künftigen Minderheitsaktionären gewährleisten, indem diese sich darauf verlassen können sollen, dass die Satzung der Gesellschaft, vorbehaltlich ausdrücklicher gesetzlicher Abweichungsmöglichkeit, keine wirksamen, von den Vorschriften des Aktiengesetzes abweichenden Bestimmungen enthält und dadurch auch die Verkehrsfähigkeit

473 Allg.M., Fleischer, WM 2005, 909, 914; Ihlas, D&O, S. 308; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 27; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 11; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 93 Rn. 3; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 2; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 8; Krieger/ Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 3; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 3; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 47 ff.; zum AktG 1937 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 210. 474 A.A. nur Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395. 475 Grds. a.A. Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395 mit der unklar bleibenden Begründung, dass „Haftungsfragen in der Satzung nach § 23 AktG nicht in der hier maßgeblichen Dichte geregelt werden“ müssten. Wie eine statutarische oder vertragliche Haftungserleichterung – dem Grunde oder der Höhe nach – aussehen soll, die keine Abweichung von der Haftung nach § 93 AktG (um deren Erleichterung, also Veränderung, es gerade geht) darstellt, ist so nicht vorstellbar. 476 Vergleichbar lediglich § 18 S. 2 GenG, der in der Genossenschaft in Bezug auf das Rechtsverhältnis zwischen Genossenschaft und Mitgliedern satzungsmäßige Abweichungen vom Gesetz nur bei ausdrücklicher Zulassung erlaubt.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

der Aktien gewährleisten.477 Die Zulassung zugunsten der Vorstandsmitglieder von den Haftungsvoraussetzungen der § 93 Abs. 1, 2 S. 1 AktG abweichender vertraglicher Vereinbarungen hätte zur Folge, dass die genannten Personenkreise bei Vorliegen des gesetzlichen Haftungstatbestands, selbst wenn sie, was die Satzungsstrenge ihnen gerade ersparen will,478 Einsicht in die Satzung der Gesellschaft genommen hätten, nicht mit Sicherheit von der Entstehung eines Schadensersatzanspruchs ausgehen könnten. 2. Fehlende Publizität vertraglicher Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern Im Ergebnis bedeutete dies einen gegenüber der Gewährung weitgehender Befugnisse der Mehrheitsgesellschafter zur statutarischen Abweichung vom gesetzlichen Leitbild der Aktiengesellschaft größeren Eingriff in den Schutzzweck des § 23 Abs. 5 AktG. Während die Satzung nur durch Beschluss der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals geändert werden kann,479 durch das Erfordernis einer Eintragung ins Handelsregister480 zu jedem Zeitpunkt der Satzungsinhalt sowie eventuelle Änderungen eindeutig festgestellt werden können481 und Änderungen erst mit Eintragung ins Handelsregister wirksam werden,482 bedürften haftungsbeschränkende vertragliche Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern grundsätzlich keiner Form. Abgesehen davon, dass die Feststellung der konkret vereinbarten Bedingungen sich praktisch schwierig gestalten würde,483 erscheint es keineswegs fernliegend, anzunehmen, dass die Zulassung derartiger Vereinbarungen Manipulationen Tür und Tor öffnen würde. Angesichts der strengen Organhaftungsvor477

Henssler/Wiedemann, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 1. Kap. Rn. 10; Drygala/Staake/Szalai, § 1 Rn. 27; Körber, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 23 Rn. 40; Solveen, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 29; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 22; Limmer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 23 Rn. 28; anschaulich die Formulierung Röhrichts, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1996, § 23 Rn. 167: Ausformung der börsennotierten Publikums-AG durch § 23 Abs. 5 sowie die insgesamt hohe Regelungsdichte des AktG zu einem „hochgradig standardisierten Serienprodukt“; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 23 Rn. 34: „§ 23 V schränkt […] die Satzungsautonomie stark ein, macht die Aktie auf diese Weise zu standardisiertem Produkt […]“. 478 Drygala/Staake/Szalai, § 1 Rn. 27; Röhricht, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1996, § 23 Rn. 167; Körber, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 23 Rn. 40. 479 § 179 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 AktG. 480 § 181 AktG, zur Gründungssatzung § 37 Abs. 4 AktG. 481 Haberstock/Greitemann, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 181 Rn. 1; Strohn, in: Henssler/ Strohn, 2. Aufl. 2014, § 181 Rn. 1; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 181 Rn. 1; Stein, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2011, § 181 Rn. 1; Holzborn, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 181 Rn. 1. 482 § 181 Abs. 3 AktG. 483 Vgl. Grunewald, AG 2013, 813, 816; U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 814 (zur GmbH).

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schriften in Verbindung mit der von der Rechtsprechung angenommenen grundsätzlichen Pflicht des Aufsichtsrats, Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder geltend zu machen484 sowie des Spannungsverhältnisses, in dem sich der Aufsichtsrat hier, indem die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder als Hinweis auf ein Versagen bei dessen Überwachungstätigkeit gedeutet werden kann, befindet,485 bestünde eine erhebliche Versuchung, notfalls auch nachträglich einen vertraglichen Haftungsausschluss zu vereinbaren oder zu behaupten. Selbst wenn ein entsprechendes Dokument vorgelegt würde, wären die Umstände seines Zustandekommens kaum nachvollziehbar. Vertragliche Abweichungen von Inhalt und Voraussetzungen der Haftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG führten demnach zu erheblicher Rechtsunsicherheit und stehen daher in stärkerem Widerspruch zu Sinn und Zweck der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG als entsprechende statutarische Regelungen, sodass sie erst recht unzulässig sein müssen. 3. Haftungsfreistellung durch den Aufsichtsrat und § 93 Abs. 4 S. 2 AktG Durch die vorherige Billigung einer Handlung des Vorstands durch den Aufsichtsrat kann der Eintritt einer Schadensersatzpflicht für die Vorstandsmitglieder gerade nicht verhindert werden, sodass es demgegenüber widersprüchlich erschiene, dem Aufsichtsrat zwar bezogen auf eine konkrete Maßnahme nicht die Fähigkeit zuzusprechen, den Vorstand im Voraus von einer Ersatzpflicht freizustellen, ihn aber als nach § 112 AktG gegenüber den Vorstandsmitgliedern vertretungszuständiges Gesellschaftsorgan in die Lage zu versetzen, umfassende Einschränkungen der Vorstandshaftung zu bewirken. Aus seiner Vertretungszuständigkeit bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder kann eine entsprechende Freistellungsbefugnis angesichts der Regelung des § 93 Abs. 4 S. 2 AktG nicht gefolgert werden.486 Daneben macht § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Verzicht und Vergleich bezüglich Organhaftungsansprüchen von der Zustimmung der Haupt484 Ausführlich dazu im 5. Teil A., s. zunächst nur BGH, Urt. v. 21. 04. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 („ARAG/Garmenbeck“). 485 Vgl. BGH ZIP 2014, 1728 Rn. 20; Spindler, AG 2013, 889, 898; Mertens, FS Fleck, 1988, S. 210, 214 f.; Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 593; Götz, NJW 1997, 3275, 3277 f.; Brommer, AG 2013, 121; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 35; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 306. Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 775 geht dagegen für einen nachträglichen Verzicht oder Vergleich im Zusammenhang der Abberufung eines Vorstandsmitglieds als Anreiz zur vorzeitigen Beendigung des Anstellungsvertrags davon aus, dass der „Korpsgeist“ unter den Organmitgliedern derartige Verhandlungen erfahrungsgemäß nicht überlebe. Hinsichtlich des reinen Kollegialitätsverhältnisses mag dies zutreffen, die Motive der Aufsichtsratsmitglieder sind hier aber auch egoistischer Natur. In anderem Zshg. zu dem Interessenwiderstreit bei der Anspruchsdurchsetzung auch Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BTDrs. 15/5092, S. 20. 486 Ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 94.

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versammlung abhängig, um zum Nachteil der Gesellschaft, vornehmlich aus kollegialer Verbundenheit zwischen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, kollusiv geschlossene Vereinbarungen zu verhindern.487 Den letzten Einwänden könnte begegnet werden, indem die Zulässigkeit vertraglicher Abweichungen von den Regelungen der § 93 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 AktG von einer Zustimmung der Hauptversammlung entsprechend § 93 Abs. 4 S. 3 AktG abhängig gemacht würde.488 Der durch die Satzungsstrenge intendierte Minderheitenschutz könnte mit der Sperrminorität von zehn Prozent des Grundkapitals weitgehend gewährleistet werden, dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger würde aber auch durch ein solches Zustimmungserfordernis nicht Rechnung getragen. 4. Haftungsfreistellung durch die Hauptversammlung Es bestehen aber auch gegen eine Befugnis der Hauptversammlung, durch ihre Zustimmung eine Haftungsmilderungsvereinbarung zu legitimieren, grundsätzliche, durchgreifende Bedenken. a) Nichteintritt der Ersatzpflicht für Handlungen aufgrund eines gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschlusses, § 93 Abs. 4 S. 1 AktG Zur Beantwortung der Frage nach der Legitimation der Hauptversammlung, durch ihre Zustimmung einer zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied geschlossenen vertraglichen Vereinbarung über eine Erleichterung der Haftung aus § 93 AktG zur Wirksamkeit zu verhelfen, gilt es zunächst, die Gründe in den Blick zu nehmen, die den Nichteintritt der Ersatzpflicht für Handlungen tragen, die auf einem gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschluss beruhen. aa) Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen durch den Vorstand Zwar geht es, da die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG nur auf Verlangen des Vorstands über Fragen der Geschäftsführung entscheiden kann, bei dem Ausschluss der Ersatzpflicht für Handlungen, denen ein gesetzmäßiger Beschluss der Hauptversammlung zugrunde lag,489 nicht darum, dass etwa der Vorstand „auf Weisung“ der „wirtschaftlichen Eigentümer“ handelte. Ihnen fehlt, abgesehen von

487

Siehe die Nachweise in Fn. 371. Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 12 betont ausdrücklich, dass auf die Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auch durch Hauptversammlungsbeschluss nicht verzichtet werden könne. 489 § 93 Abs. 4 S. 1 AktG. 488

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den Fällen des § 83 Abs. 1 AktG,490 bereits ein entsprechendes Initiativrecht. Maßgeblich ist dennoch der Gedanke einer lediglich ausführenden Funktion des Vorstands in den Fällen des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG. § 83 AktG verpflichtet den Vorstand zur Ausführung durch die Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossener Maßnahmen. Auch eine auf Verlangen des Vorstands durch die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG beschlossene Geschäftsführungsmaßnahme hat dieser gemäß § 83 Abs. 2 AktG zwingend auszuführen. bb) Der Haftungsausschluss als Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens Die haftungsausschließende Wirkung kann daher auch nach geltendem Recht mit dem Gebot von Treu und Glauben in der Ausprägung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens begründet werden.491 Zwar sind es in der deutschen Aktiengesellschaft, anders als beispielsweise in der corporation des US-amerikanischen Rechts, wo die derivative action den Regelmodus der Anspruchsverfolgung bildet,492 nicht typischerweise Aktionäre, die einen Ersatzanspruch der Gesellschaft geltend machen oder seine Geltendmachung durch den Aufsichtsrat erzwingen. Angesichts der seit dem AktG 1937 deutlich verringerten Bedeutung der Hauptversammlung im Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft verbietet sich auch eine gedankliche Gleichsetzung von Hauptversammlung und Gesellschaft.493 Dennoch ist die Hauptversammlung das Organ derer, die wertmäßig am Gesellschaftsvermögen beteiligt sind,494 sodass es als ein Widerspruch erscheinen müsste, wenn diese einerseits einer Handlung des Vorstands durch gesetzmäßigen Beschluss zustimmen 490 Dazu Hölters, 2. Aufl. 2014, § 83 Rn. 4; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 83 Rn. 5; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 83 Rn. 5; Habersack/Foerster, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 83 Rn. 8. 491 Bis zum AktG 1937 konnte die Hauptversammlung als oberstes Organ der Gesellschaft umfassend Einfluss auf das Handeln des Vorstands, auch in Einzelfragen der Geschäftsführung, nehmen, sodass aufgrund der umfassenden Weisungsbefugnis (Art. 231 Abs. 1 ADHGB 1861; Art. 231 Abs. 1 HGB 1884) der Generalversammlung die haftungsausschließende Wirkung selbst gesetzwidriger Beschlüsse mit einem andernfalls gegen Treu und Glauben verstoßenden widersprüchlichen Verhalten des anweisenden Organs zu erklären war; dagegen wies das AktG 1937, dessen § 103 Abs. 2 wörtlich dem geltenden § 119 Abs. 2 AktG entspricht, Entscheidungen über Maßnahmen der Geschäftsführung grundsätzlich dem Vorstand zu. Amtl. Begründung, Vorbemerkung zu §§ 70 – 124 AktG 1937, abgedruckt bei Klausing, S. 56 f., Amtl. Begr. zu §§ 102 – 124 AktG 1937, ebd., S. 88; s. auch Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. I, 15. Kap. Rn. 17; Fleischer, ebd., Bd. II, 9. Kap. Rn. 2 ff. 492 Dazu bereits oben 3. Teil A. III. 5 c) cc) (2) (a) (bb). 493 Dies betonen auch Hefermehl, FS W. Schilling, 1973, S. 159, 163; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 470 Fn. 1788, verständlicher in der Voraufl.: Hopt, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 306, Fn. 1002; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 236. 494 Hefermehl, FS W. Schilling, 1973, S. 159, 163; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 236.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

würden, sodass diese umgesetzt werden müsste und anschließend aufgrund dieser Maßnahme eingetretene Schäden der Gesellschaft, die vermittelt über Börsenkurs und Dividendenanspruch auch das Vermögen der Aktionäre berühren, von den Vorstandsmitgliedern auszugleichen wären.495 Mertens/Cahn lehnen diesen Begründungsansatz wegen fehlender Folgerichtigkeit innerhalb des § 93 AktG ab. Ihrer Auffassung nach müsste auf dieser Grundlage ein Mitverschulden der Gesellschaft zum einen bei Handlungen aufgrund gesetzwidriger Hauptversammlungsbeschlüsse, zum anderen auch bei der durch die Hauptversammlung nicht wirksam auszuschließenden Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern in den Fällen des § 93 Abs. 5 S. 3 AktG berücksichtigt werden.496 Im Ergebnis ist der Einwand unbegründet. (1) Gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschluss als Willensbildung der Gesellschaft Um eine unzulässige Gleichsetzung von beschlussfassender Hauptversammlung und durch die beschlossene Handlung des Vorstands unmittelbar geschädigter Gesellschaft zu vermeiden, muss es sich bei der Begründung eines venire contra factum proprium der Gesellschaft bei einer anschließenden Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gerade um einen gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung, insbesondere um einen solchen innerhalb ihrer Zuständigkeit, handeln. Nur ein gesetzmäßiger Beschluss der Hauptversammlung innerhalb ihrer Zuständigkeit bindet den Vorstand nach § 83 Abs. 2 AktG,497 sodass nur dann der Wille der Gesellschaft durch die Hauptversammlung gebildet und durch den Vorstand lediglich ausgeführt wird. Handelt der Vorstand dagegen aufgrund eines gesetzwidrigen oder außerhalb der Hauptversammlungszuständigkeit liegenden Beschlusses, liegt mangels Bindung eine Entscheidung des Vorstands, nicht der Hauptversammlung, vor. Nur im ersten Fall könnte der Gesellschaft, deren zur Willensbildung zuständiges Organ den Vorstand bindend zu der schadensstiftenden Handlung veranlassen konnte, im Falle einer Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder selbst widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden.498 495

Siehe RGZ 46, 60, 63 f. (Genossenschaft); Canaris, ZGR 1978, 207, 209; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 264; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 32; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 94; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 41; ablehnend ggü. der Begründung aus Treu und Glauben Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 149; krit. auch Hopt, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 306, Fn. 1002, weniger deutlich Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 470 Fn. 1788, da Hauptversammlung und Gesellschaft nicht gleichgesetzt werden könnten. 496 Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 149. 497 Zum Verhältnis von § 93 Abs. 4 S. 1 und § 83 Abs. 2 AktG sogleich unter 3. Teil B. III. 4. a) bb) (2). 498 Siehe Hopt, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 306, Fn. 1002; ähnl., indem in den Fällen gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschlüsse auf die lediglich ausführende Funktion des Vorstands hingewiesen wird Hefermehl, FS W. Schilling, 1973, S. 159, 165;

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(2) Das Verhältnis von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG und § 83 Abs. 2 AktG Eine Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch Gläubiger der Gesellschaft nach § 93 Abs. 5 AktG wird bei Maßnahmen des Vorstands aufgrund eines gesetzmäßigen Beschlusses der Hauptversammlung innerhalb deren Zuständigkeit lediglich in Fällen vorkommen, in denen der Vorstand bei der Ausführung der Maßnahme in anderer Weise pflichtwidrig gehandelt hat.499 Zwar schließt gemäß Absatz 5 Satz 3 ein Beschluss der Hauptversammlung, auf dem die schadensstiftende Handlung beruhte, einen Ersatzanspruch nicht mit Wirkung gegenüber den Gläubigern aus. Ein solcher setzt jedoch eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft voraus.500 Zwar erfordert § 83 Abs. 2 AktG seinem Wortlaut nach lediglich einen Beschluss der Hauptversammlung innerhalb ihrer Zuständigkeit, während der Haftungsausschluss nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auch dessen Gesetzmäßigkeit voraussetzt. Die Literatur geht aber mit Blick auf die sonst in der Tat problematische Situation, dass der Vorstand im Innenverhältnis eine Maßnahme auszuführen verpflichtet wäre, für die er der Gesellschaft gegenüber zunächst nicht von Ersatzansprüchen freigestellt werden könnte und die Legalitätspflicht von der Voraussetzung eines gesetzmäßigen Beschlusses der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch für die Bindungswirkung des § 83 Abs. 2 AktG aus, sodass eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds grundsätzlich nicht in Betracht kommt.501 Daneben greift der Einwand eines venire contra factum proprium den Gläubigern gegenüber auch nicht. Macht ein Gläubiger im Anwendungsbereich des § 93 Abs. 5 AktG einen Ersatzanspruch der Gesellschaft geltend, handelt er selbst nicht widersprüchlich, schließlich hat er der Maßnahme nicht zugestimmt. Weiterhin unterliegt die Anspruchsdurchsetzung durch Gesellschaftsgläubiger nach Absatz 5 weiteren Voraussetzungen, unter denen der Gesetzgeber dem Gläubigerschutz einen gegenüber der Verschonung eines Organmitglieds von Haftung höheren Stellenwert beigemessen hat. (3) Zwischenfazit Aufgrund der dargestellten Unterschiede zwischen gesetzmäßigen und gesetzwidrigen Hauptversammlungsbeschlüssen und der Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch die Gesellschaftsgläubiger nach Absatz 5 fügt sich die Begründung Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 236; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 470. 499 Hefermehl, FS W. Schilling, 1973, S. 159, 165. 500 Zum möglichen Fehlen einer Pflichtverletzung auch bei im Ergebnis gesetzwidrigem Hauptversammlungsbeschluss und der Prüf- und Anfechtungspflicht des Vorstands Volhard, ZGR 1996, 55, 66 f. 501 Siehe Hefermehl, FS W. Schilling, 1973, S. 159, 164 f.; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 237, § 83 Rn. 18 f.; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 83 Rn. 6; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 83 Rn. 7.

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der Wirkung eines gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschlusses nach Absatz 4 Satz 1 als Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens aus Treu und Glauben ohne Reibungen in das System der Absätze 4 und 5 des § 93 AktG ein und ist auch mit dem ins AktG 1965 erstmals aufgenommenen § 83 AktG502 vereinbar. cc) Verknüpfung mit der Ausführungspflicht des § 83 AktG Gedanklicher Ausgangspunkt der haftungsausschließenden Wirkung des Zustimmung der Hauptversammlung im geltenden Recht ist die Bindungswirkung nach § 83 AktG, die der Wahrung der Kompetenzen der Hauptversammlung dient, die selbst rechtlich und organisatorisch nicht in der Lage wäre, Maßnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich vorzubereiten, Verträge zu schließen und Beschlüsse umzusetzen. Der Haftungsausschluss für Handlungen aufgrund eines gesetzmäßigen Hauptversammlungsverschlusses trägt dieser Bindung des Vorstands Rechnung.503 Ein Beschluss der Hauptversammlung verhindert den Eintritt der Ersatzpflicht des Vorstandsmitglieds im Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG mithin nur, weil der Vorstand ohne eine Verletzung seiner Ausführungspflicht überhaupt nicht in der Lage war, anders zu handeln. b) Fehlende Übertragbarkeit auf vorherige vertragliche Haftungsbeschränkungen Ein solcher Hauptversammlungsbeschluss, den der Vorstand auszuführen verpflichtet ist, kann sich aber nur auf hinreichend bestimmte Maßnahmen beziehen,504 die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen. Könnte die Hauptversammlung den Vorstand für lediglich abstrakt definierte Sachverhalte im Voraus auf ein bestimmtes Verhalten festlegen, gerieten solche Beschlüsse schnell mit der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands505 und der grundsätzlichen Unzuständigkeit der Hauptversammlung für Maßnahmen der Geschäftsführung506 in Konflikt. 502

Begr. RegE AktG 1965, § 83, Kropff, S. 104; zur Entstehungsgeschichte Hefermehl, FS W. Schilling, 1973, S. 159, 160 ff. (unter II.). 503 Hefermehl, FS W. Schilling, 1973, S. 159, 164 f.; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 236; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 294; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 32; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 149; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 46; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 470; Fleischer, in: HdbVorstR, 2006, § 11 Rn. 84. 504 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 474; Hefermehl, in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 50; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 152; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 241; Bürgers/Körber, in: Bürgers/Israel, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 32; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 298; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 267. 505 § 76 Abs. 1 AktG. 506 § 119 Abs. 2 AktG; s. Kubis, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 119 Rn. 18; Liebscher, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 119 Rn. 8; Reger, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 119

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Demgegenüber bezöge sich eine haftungsmildernde vertragliche Vereinbarung zwingend auf eine Vielzahl im Einzelnen noch nicht vorherzusehender Maßnahmen, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass das Vorstandsmitglied in seinen Entscheidungen nicht gebunden ist, mithin auch hätte anders handeln können.507 Die abgesehen von § 93 Abs. 4 S. 4 AktG absolute zeitliche Sperrfrist für den Verzicht auf und Vergleich über Schadensersatzansprüche der Gesellschaft aus § 93 AktG508 zeigt auch, dass der Hauptversammlung keinesfalls eine umfassende Befugnis eingeräumt wird, über das Entstehen und Bestehen von Organhaftungsansprüchen zu disponieren.509 Angesichts dessen erscheint es als eine Überspannung auch der Rolle der Hauptversammlung, deren Zustimmung legitimierende Wirkung für vertragliche Erleichterungen der Vorstandshaftung zuzumessen. 5. Die eigenverantwortliche Stellung der Vorstandsmitglieder Daneben wird in der Literatur die Eigenverantwortlichkeit der Organstellung der Vorstandsmitglieder als gegen die Zulässigkeit vertraglicher Haftungsbegrenzungen sprechender Gesichtspunkt genannt.510 Zwar ist mit der bloßen Bezugnahme auf die Befugnis und Pflicht des Vorstands, die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten,511 argumentativ nicht viel gewonnen.512 Im Zusammenhang mit der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG erweist sich das Pflichtrecht zur eigenverantwortlichen Geschäftsleitung aber als ein Merkmal, das den Vorstand einer Aktiengesellschaft von den Geschäftsleitern anderer Gesellschaftsformen des deutschen Rechts grundlegend unterscheidet.513 Weder braucht er selbst Gesellschafter zu sein, noch unterliegt er den Weisungen der Anteilseigner oder des Aufsichtsrats, der, wenngleich er die Geschäftsführung zu überwachen hat und für die Geltendmachung

Rn. 8; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 119 Rn. 11; Mülbert, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1999, § 119 Rn. 38; vgl. auch Geßler, JW 1937, 497, 501. 507 Siehe Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 149: „Die Haftungsbefreiung kann dementsprechend [i. e. wegen der Begründung aus der Pflicht nach § 83 AktG] allenfalls so weit reichen wie die Folgepflicht.“. 508 § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, dazu ausführlich unter 3. Teil B. I. 509 Siehe Mertens, FS Fleck, 1988, S. 209, 211. 510 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 27; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 12; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 4. 511 § 76 Abs. 1 AktG, s. zur Einordnung als Leitungsrecht und -pflicht nur Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 9; Fleischer, ZIP 2003, 1, 2; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 76 Rn. 9; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 1; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 14. 512 Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395: „Worthülse“. 513 A.A. Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395 unter Berufung auf ebenfalls eigenverantwortliches Handeln anderer, nicht näher bezeichneter Personen „in der Rechtswirklichkeit“, ohne die Folge einer Verwehrung milderer Haftungsmaßstäbe.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder zuständig ist, dem Vorstand innerhalb der Gesellschaft weder rechtlich noch „funktional“ übergeordnet ist.514 Vor dem Hintergrund dieses Vergleichs erscheint eine Verwehrung vertraglicher Haftungserleichterungen, wie sie insbesondere für den Geschäftsführer einer GmbH überwiegend für zulässig gehalten werden,515 durchaus begründbar.516 6. Unterschiedliche Vermögensbindung in Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gegen eine Übertragung der für eine Milderung der Haftung des GmbH-Geschäftsführers herrschenden Auffassung auf die Vorstandshaftung sprechen ferner die in beiden Gesellschaftsformen erheblichen Unterschiede in Bezug auf die Möglichkeiten, über das Gesellschaftsvermögen zu verfügen.517 a) Verfügungen über Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen Geschäftsleiter aa) Gesellschaft mit beschränkter Haftung In der GmbH sind lediglich durch den Verweis des § 43 Abs. 3 S. 2 GmbHG auf § 9b Abs. 1 GmbHG Verzicht und Vergleich bezüglich Ersatzansprüchen gegen Geschäftsführer wegen nach § 30 GmbHG verbotener Zahlungen oder des Erwerbs 514

Anders Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395, der davon ausgeht, dass der Vorstand, insbesondere in Haftungsfragen, in Gestalt des Aufsichtsrats „letztlich einen zumindest in Teilbereichen funktionalen ,Vorgesetzten‘“ habe, welcher ihm, ähnlich wie ein Arbeitgeber, „durchaus Erleichterungen für seine Dienste gewähren könnte, oder ihn bei Pflichtverletzungen […] in Anspruch nimmt.“. 515 Überwiegend wird von der grundsätzlichen Möglichkeit einer statutarischen und auch vertraglichen Milderung der Haftung des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 1, 2 GmbHG ausgegangen, die lediglich bei Verletzung primär gläubigerschützender, im öffentlichen Interesse liegender oder indisponibler Pflichten ausgeschlossen ist. Teilweise wird ein vorheriger Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit als unzulässig betrachtet so Konzen, NJW 1989, 2977, 2984; Reese, DStR 1995, 532, 536; Lohr, NZG 2000, 1204, 1209; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 43 Rn. 5; weitergehend B. Schaub, DStR 1992, 985, 987; Jula, GmbHR 2001, 806, 808; Joussen, GmbHR 2005, 441, 447; Paefgen, in: GroßKommGmbHG, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 11 f.; Scholz/U. H. Schneider GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 261; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, 18. Aufl. 2012; § 43 Rn. 64; Fleischer, in: MüKoGmbHG, § 43 Rn. 312; Roth/Altmeppen, 7. Aufl. 2012, § 43 Rn. 117, die eine Haftungsbeschränkung grds. bis zur Grenze des § 276 Abs. 3 BGB, begrenzt durch „unabweisbare Forderungen des Gläubigerschutzes“ (Roth/Altmeppen, a.a.O.) für möglich halten; gegen die Zulässigkeit einer Milderung der Haftung des GmbH-Geschäftsführers Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 92 f.; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69, 76; Haas/ Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 14; s. auch BGH NJW 2000, 576, BGH GmbHR 2002, 1197 zu Verkürzungen der Verjährung von Ansprüchen gegen Geschäftsführer. 516 Ebenso Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 67. 517 Vgl. dazu auch die Darstellung bei Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 66 f.

B. Haftungsausschluss durch Satzung und Vertrag

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eigener Geschäftsanteile der Gesellschaft entgegen § 33 GmbHG ausgeschlossen. Daneben verweist auch § 57 Abs. 4 GmbHG für die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer, die eine Kapitalerhöhung zur Handelsregistereintragung angemeldet haben, auf § 9b GmbHG. Im Übrigen wird im Umkehrschluss aus dieser Regelung angenommen, dass die Gesellschaft auf Schadensersatzansprüche gegen ihre Geschäftsführer verzichten und sich über sie vergleichen darf.518 Die Entscheidung hierüber soll in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fallen. Als Anknüpfungspunkt wird § 46 Nr. 8 GmbHG gewählt, wonach die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Geschäftsführer aus der Gründung oder Geschäftsführung der Bestimmung der Gesellschafter unterliegt. Verzicht und Vergleich als Unterfälle eines Absehens von der Geltendmachung solcher Ansprüche sollen als „gegenläufige Entscheidung“519 ebenfalls von der Gesellschafterversammlung zu beschließen sein.520 Neben Verzicht und Vergleich ist vom BGH übereinstimmend mit der überwiegenden Literaturmeinung auch die Verkürzung der Verjährungsfrist des § 43 Abs. 4 GmbHG, die in ihrer Wirkung den genannten Verfügungen nahe kommt, unter denselben Einschränkungen für zulässig gehalten worden.521 bb) Aktiengesellschaft Demgegenüber sind in der Aktiengesellschaft die Möglichkeiten eines Verzichts auf oder Vergleichs über Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder erheblich beschränkt. 518 Grds. unstr. BGH NZG 2003, 528; BGH NZG 2008, 314, 315; Hasselbach, DB 2010, 2037, 2038 f.; Scholz/U. H. Schneider GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 264; Oetker, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 43 GmbHG, Rn. 54; Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 238; Mertens, in: Hachenburg, 8. Aufl. 1997, § 43 Rn. 86; mit weiteren Einschränkungen Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 43 Rn. 64. 519 Oetker, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 43 GmbHG, Rn. 54. 520 BGH NZG 1998, 226 f.; BGH GmbHR 2003, 712, 713; Hasselbach, DB 2010, 2037; Scholz/K. Schmidt GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 46 Rn. 151; Oetker, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 43 GmbHG, Rn. 54; Mollenkopf, ebd., § 46 GmbHG, Rn. 42; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 43 Rn. 47; Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 238a; Römermann, ebd., § 46 Rn. 433. 521 BGH NJW 2000, 576 f. (zunächst weiter: entsprechend § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG sollte eine Verkürzung der Verjährungsfrist insoweit zulässig sein, als der Schadensersatz nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist); BGH GmbHR 2002, 1197 (Verjährungsverkürzung vorbehaltlich einer Pflichtverletzung i.S.d. § 43 Abs. 3 GmbHG); BGH NZG 2008, 314, 315 f.; Paefgen, in: GroßKommGmbHG, 2. Aufl. 2014, § 43 Rn. 295; Scholz/ U. H. Schneider GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 284; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 43 Rn. 60; Roth/Altmeppen, 7. Aufl. 2012, § 43 Rn. 145; Mertens, in: Hachenburg, 8. Aufl. 1997, § 43 Rn. 95; grds. auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, 18. Aufl. 2012, Rn. 69; a.A. Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 232a; für Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags vor Anspruchsentstehung Sturm, GmbHR 2003, 573, 577 f.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Ansprüche aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG unterliegen dem umfassenden Verzichtsund Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, wonach die Gesellschaft innerhalb der ersten drei Jahre nach dessen Entstehung weder auf einen solchen Anspruch verzichten noch sich über ihn vergleichen kann. Anschließend sind Verzicht und Vergleich an die Zustimmung der Hauptversammlung vorbehaltlich des Widerspruchs einer Minderheit, deren Anteile zusammen zehn Prozent des Grundkapitals erreichen, gebunden. Entgegen dieser Vorgaben vorgenommene Rechtsgeschäfte sind nichtig.522 Durch Absatz 4 Satz 4 wird von diesem umfassenden Verbot lediglich in zeitlicher Hinsicht abgewichen, wenn der Schadensersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und ein Vergleich mit seinen Gläubigern zur Abwendung des Insolvenzverfahrens erfolgt oder die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. In diesem Fall wird aufgrund der Zielsetzung der Ausnahme, die Ansprüche der Gesellschaft wenigstens teilweise vor der Zahlungsunfähigkeit zu sichern, angenommen, dass bereits ein Vergleich mit einem Gläubiger bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO für den Tatbestand des Absatzes 4 Satz 4 ausreichend sei.523 Abgesehen von der zeitlichen Beschränkung ergeben sich jedoch keine Abweichungen von den Anforderungen an Vergleich und Verzicht. Es bleibt beim Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung mit einer Sperrminorität von zehn Prozent des Grundkapitals.524 Mit anderen Worten erlaubt die Verfassung der Aktiengesellschaft525 in keiner Situation einen Verzicht auf oder Vergleich über Schadensersatzansprüche gegen ihre Vorstandsmitglieder ohne Zustimmung der Hauptversammlung und ermöglicht es einer Minderheit von zehn Prozent des Grundkapitals jegliche derartige Maßnahme vollständig zu unterbinden. Mithin ist es der Gesellschaft, abgesehen von der Ausnahme des Satzes 4, aufgrund der Regelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in den ersten drei Jahren nach Anspruchsentstehung nicht möglich, über diesen derart zu verfügen, dass der Anspruch unmittelbar ihr als Anspruchsberechtigter gegenüber gemindert oder gar zum Erlöschen gebracht werden kann. Spätere Verfügungen dieser Art stehen, wie bei der GmbH, nicht in der alleinigen Entscheidungszuständigkeit des vertretungsberechtigten Organs.

522 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 254; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 174; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 533; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 76; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 288; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 62. 523 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 256. 524 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 256. 525 Zur Bindungswirkung der rechtskräftigen Bestätigung eines Vergleichs im Insolvenzverfahren Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 256.

B. Haftungsausschluss durch Satzung und Vertrag

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b) Kapitalbindung Während in Bezug auf die Kapitalaufbringung keine erheblichen Unterschiede zwischen GmbH und Aktiengesellschaft bestehen, unterscheiden sich die Regeln des GmbH- und des Aktienrechts über die Kapitalerhaltung deutlich.526 aa) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Eine Bindung des Gesellschaftsvermögens besteht in der GmbH nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG lediglich hinsichtlich des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens, welches nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf. Oberhalb dieser Grenze steht es der Gesellschaft grundsätzlich frei, Ausschüttungen an ihre Gesellschafter vorzunehmen. bb) Aktiengesellschaft Auch hinsichtlich der Kapitalerhaltung sind die Regeln des Aktiengesetzes strenger als die des GmbHG. § 57 Abs. 1 AktG verbietet die Einlagenrückgewähr an die Aktionäre. Ausgeschüttet werden darf gemäß § 57 Abs. 3 AktG nur der Bilanzgewinn. Während in der GmbH die Gesellschafter grundsätzlich Anspruch auf den gesamten Jahresüberschuss haben,527 schreibt § 150 Abs. 1 AktG die Bildung einer gesetzlichen Rücklage vor, in die nach Absatz 2 fünf Prozent des Jahresüberschusses abzüglich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr einzustellen sind, bis die gesetzliche Rücklage zusammen mit den Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB einen Betrag von zehn Prozent des Grundkapitals, von dem durch Satzung nach oben abgewichen werden kann, erreicht. Der Gläubigerschutz ist damit in der Aktiengesellschaft auch durch die Kapitalschutzvorschriften stärker ausgestaltet als in der GmbH. c) Auswertung Der Vergleich zeigt, dass das Gesellschaftsvermögen der Aktiengesellschaft wesentlich umfassender zugunsten der Gesellschaftsgläubiger gebunden ist als das der GmbH. Zwar ist beim Vergleich der Kapitalschutzvorschriften zu beachten, dass diese die Gläubiger nicht vor einer Verwirtschaftung des Grund- bzw. Stammkapitals schützen sollen und können, sodass es hier neben dem Gläubigerschutz auch um die Möglichkeiten der Gesellschafter geht, sich aus dem Gesellschaftsvermögen zu bedienen. Während also der Kapitalschutz auch Schutz vor Vermögensverschiebungen ist, geht es bei der Frage der Verzichtbarkeit von Organhaftungsansprüchen 526

Drygala/Staake/Szalai, § 8 Rn. 2. § 29 Abs. 1 GmbHG, Ausnahme: § 5a Abs. 3 GmbHG, der für die UG die Bildung einer gesetzlichen Rücklage vorsieht, in die ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen ist. 527

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

wesentlich um die Erhaltung des Gesellschaftsvermögens528 zugunsten der Gläubiger.529 Die dargestellten Unterschiede bestehen mithin nicht nur aufgrund der grundsätzlich auf Fungibilität der Anteile ausgelegten Struktur der Aktiengesellschaft, mit der eine größere Gefahr der Ausplünderung durch die Anteilseigner einhergeht, sondern lassen insgesamt die Aussage zu, dass in der Aktiengesellschaft das Gesellschaftsvermögen unabhängig von dem Zweck, zu dem über es verfügt werden könnte, anders als in der GmbH, einer umfassenden Bindung, auch im Dienste des Schutzes der Gesellschaftsgläubiger, unterliegt. 7. Freistellungsbefugnis bis zur Grenze des § 93 Abs. 5 S. 2 AktG? Neben § 23 Abs. 5 AktG ergibt sich die Zielsetzung des Gläubigerschutzes speziell für die Vorstandsinnenhaftung auch aus § 93 Abs. 5 AktG, dessen Satz 1 den Gläubigern der Gesellschaft das Recht einräumt, im eigenen Namen unmittelbar gegen ein der Gesellschaft schadensersatzpflichtiges Vorstandsmitglied auf Leistung an sich selbst530 zu klagen, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können.531 Daneben setzt dieses Verfolgungsrecht532 der Gläubiger, abgesehen von den Fällen des Absatzes 3, eine „gröbliche“ Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bei der Haftungsbegründung voraus. Daraus zu schließen, der Gesellschaft müsste es bis zu dieser Grenze gestattet sein, ihre Vorstandsmitglieder im Voraus von Haftung freizustellen, erscheint aber verfehlt.533 Die erhöhten Voraussetzungen des Verfolgungsrechts der Gesellschaftsgläubiger dienen allein dazu, den Vorstandsmitgliedern angesichts der durch § 93 Abs. 5 S. 3 AktG gegenüber einer Anspruchsdurchsetzung der Gesellschaft selbst schärferen Verfol-

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253. 529

Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 21; Hirte/Stoll, ZIP 2010,

Ein finanzieller Vorteil der Gesellschafter kann sich hier nur mittelbar aus der erfolgreichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs ergeben, indem das Gesellschaftsvermögen nicht mehr um den Schaden gemindert ist. Die Bedeutung dieses Gesichtspunkts vermindert sich bei extrem hohen Schäden, die von dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied nur zu einem geringen Bruchteil ausgeglichen werden können. 530 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 272. 531 Siehe Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 267; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 293; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 322; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 31; zu den Anforderungen an die Nichterlangung von Befriedigung von der Gesellschaft Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 271. 532 Ob es sich um einen eigenen Anspruch des Gläubigers oder lediglich einen Fall der Prozessstandschaft handelt, ist str., hier aber ohne Bedeutung. Vgl. dazu Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 267; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 294 sowie die dortigen Nachweise. 533 A.A. Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395.

B. Haftungsausschluss durch Satzung und Vertrag

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gung von Schadensersatzansprüchen durch die Gläubiger534 nicht jede Motivation für unternehmerische Initiative zu nehmen und so Fehlanreize für eine übermäßige Risikoaversion zu schaffen.535 In diesem Sinne kann das Erfordernis „gröblicher“ Pflichtverletzung auch als Ausgleich dafür verstanden werden, dass die Voraussetzung des Absatzes 5 Satz 1 nicht dem Einfluss der Vorstandsmitglieder unterliegt und sich diese ohne Satz 2 auch nach Verzicht der oder Vergleich mit der Gesellschaft, darüber hinaus in manchen Fällen auch unabhängig von der ansonsten eine Ersatzpflicht ausschließenden Zustimmung der Hauptversammlung,536 unvorhersehbar der Anspruchsverfolgung durch die Gläubiger auch bei leichtester Fahrlässigkeit ausgesetzt sähen. Der Sinn und Zweck der Vorschrift erlaubt damit keine Rückschlüsse auf eine Freistellungsbefugnis der Gesellschaft selbst.537 8. Das aktienrechtliche Verzichts- und Vergleichsverbot, § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Vertraglich vereinbarte Milderungen der Vorstandshaftung könnten entweder unmittelbar, wenn sie als Verzicht oder Vergleich im Sinne des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einzuordnen wären, oder zumindest mit Sinn und Zweck des Verzichts- und Vergleichsverbots in Konflikt stehen. a) Einordnung haftungsbegrenzender Vereinbarungen als Verzicht oder Vergleich aa) Erlass, § 397 Abs. 1 BGB Unter einem Verzicht im Sinne des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ist regelmäßig, mangels eines bestehenden Gestaltungsrechts der Gesellschaft zu einem einseitigen Anspruchsverzicht,538 ein Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB zu verstehen.539 Ausweislich des Wortlauts des § 397 Abs. 1 BGB, wonach des Schuldverhältnis erlischt,540 bezieht sich ein solcher Vertrag grundsätzlich auf bestehende Forderungen. 534 Unzutreffend Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395, der für die Zulässigkeit einer vertraglichen Haftungsbegrenzung anführt, die Gläubiger könnten letztlich nicht mehr als die Gesellschaft verlangen. Das Gegenteil ist der Fall, § 93 Abs. 5 S. 3 AktG. 535 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 269. 536 § 93 Abs. 4 S. 1 AktG. 537 I.Erg. ebenso Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 27. 538 Siehe RGZ 72, 168, 171; Gernhuber, Erfüllung, § 16 I 4 (S. 370); Schreiber, in: Soergel, 14. Aufl. 2010, § 397 Rn. 1. 539 Allgemein Löscher, in: RGRKomm, 11. Aufl. 1960, § 397 Anm. 3; zum AktG Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 250; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 527. 540 Gemeint ist das Schuldverhältnis i.e.S., die einzelne Forderung, s. RGZ 72, 168, 171; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, § 27 Rn. 320; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, AT, Teilbd. 1,

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Ein antizipierter Erlass künftiger Forderungen ist möglich, soweit die Bestimmtheitsanforderungen an wirksame Verfügungen, wie sie für die Abtretung künftiger Forderungen und Rechte entwickelt wurden,541 gewahrt sind.542 Als Minus zum vollständigen kann auch ein teilweiser Erlass vereinbart werden.543 bb) Vergleich, § 779 Abs. 1 BGB Der Vergleich ist in § 779 Abs. 1 BGB legaldefiniert als ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Ein solcher Vertrag kann entweder ein rein schuldrechtlicher sein oder bereits selbst eine Verfügung über den Vergleichsgegenstand beinhalten.544 Der Begriff des Rechtsverhältnisses soll dabei weit auszulegen sein und unter anderem auch künftige Ansprüche erfassen.545 Ausreichend sei bereits, dass sich eine Partei ein Rechtsverhältnis lediglich vorstellt oder dieses behauptet, sodass auch die Beseitigung von Streit und Ungewissheit über das Bestehen einer rechtlichen Verbindung zwischen mehreren Personen in den Anwendungsbereich des Vergleichs fällt.546 Hinsichtlich künftiger Rechtsverhältnisse erfordert ein Vergleich, insbesondere, wenn ihm Verfügungswirkung zukommen soll, jedoch einen hinreichend bestimmten oder bestimmbaren Gegenstand, sodass allgemein vorsorglich getroffene Rechtsgestaltungen nicht als Vergleich einzuordnen, sondern mit den Mitteln des Schuldrechts im Übrigen zu erfassen sind.547

§ 21 I (S. 331 f.); Schlüter, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 397 Rn. 7; Schreiber, in: Soergel, 14. Aufl. 2010, § 397 Rn. 8 Löscher, in: RGRKomm, 11. Aufl. 1960, § 397 Anm. 1. 541 Zu diesen Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, § 63 Rn. 755 f.; Schreiber, in: Soergel, 14. Aufl. 2010, § 398 Rn. 5. 542 Allg.M., BGHZ 40, 326, 330; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, AT, Teilbd. 1, § 21 I a) (S. 332); Schlüter, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 397 Rn. 7; Schreiber, in: Soergel, 14. Aufl. 2010, § 397 Rn. 6; anders noch RGZ 148, 257, 262 mit dem Argument, Verzicht und Erlass setzten eine bestehende Forderung voraus, Verfügungen über künftige Forderungen fehle es am Gegenstand und zudem sei es begrifflich ausgeschlossen, über ein zukünftiges Recht vorab so zu verfügen, dass es gar nicht erst entstehe; nach dem RG kommt hier lediglich eine schuldrechtliche Vereinbarung (pactum de non petendo) in Betracht; wiederum anders Löscher, in: RGRKomm, 11. Aufl. 1960, § 397 Anm. 6: möglich, es handle sich jedoch nicht um einen Erlass i.S.d. § 397 BGB; ähnl. Gernhuber, Erfüllung, § 16 I 7 (S. 376 f.). 543 Löscher, in: RGRKomm, 11. Aufl. 1960, § 397 Anm. 11. 544 Zu möglichen Rechtswirkungen des Vergleichs Fischer, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 05. 2014, § 779 Rn. 19; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, § 27 Rn. 328. 545 Habersack, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 779 Rn. 3. 546 BGH NJW-RR 1992, 363; Habersack, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 779 Rn. 4; Looschelders, Schuldrecht BT, § 49 Rn. 988. 547 Habersack, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 779 Rn. 4.

B. Haftungsausschluss durch Satzung und Vertrag

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cc) Gewollte Regelungsgehalte und rechtliche Einordnung die Vorstandshaftung begrenzender Vereinbarungen Eine Vereinbarung über die Haftung aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG zugunsten des Vorstandsmitglieds im Sinne einer Abmilderung der geschuldeten Sorgfalt oder der Bestimmung einer festen oder zumindest als Vielfaches der Vorstandsvergütung definierten betragsmäßigen Haftungsgrenze bezieht sich zwar auf zukünftige, in ihrer Entstehung im Einzelnen noch nicht vorhersehbare Ansprüche der Gesellschaft aus dem organschaftlichen Verhältnis. Ein Hindernis für Verfügungen über diese Ansprüche liegt hierin allerdings nicht zwingend. Vielmehr wäre als praktischer Regelfall anzunehmen, dass unter solche Abreden entweder sämtliche Organhaftungsansprüche gegen das betreffende Vorstandsmitglied oder durch die Gegebenheiten ihrer Entstehung bestimmte Ansprüche548 fallen sollen, da eine lediglich ganz punktuelle Enthaftung hinsichtlich einzelner, nicht an einen bestimmten ursächlichen Sachverhalt gebundener oder sonst konkretisierter Ansprüche im Voraus kaum sinnvoll zu vereinbaren wäre. Mithin können Haftungsbeschränkungsvereinbarungen der hier als Regelfall angenommenen Art als Verfügungen über hinreichend bestimmte künftige Schadensersatzansprüche eingeordnet werden. Ob es sich um einen Verzicht im Sinne eines Erlassvertrags oder einen Vergleich handelt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Während das Erfordernis der Beilegung von Streit oder Ungewissheit als definierendes Merkmal des Vergleichs aufgrund der zu erwartenden Beweisschwierigkeiten in zahlreichen Fallgestaltungen der Vorstandshaftung zu bejahen sein wird, fehlt es bei allein die Haftung des Vorstandsmitglieds begrenzenden Vereinbarungen an einem gegenseitigen Nachgeben.549 Ein solches läge jedoch vor, wenn etwa das Vorstandsmitglied im Gegenzug für die Haftungsmilderung eine geringere Vergütung oder einen höheren Selbstbehalt bei einer D&O-Versicherung zu akzeptieren bereit wäre. Auf die Abgrenzung der beiden möglichen rechtlichen Einordnungen kommt es auch nicht entscheidend an, da § 93 Abs. 4 S. 3 sowie Absatz 5 Satz 3 AktG Verzicht und Vergleich durchweg gleich behandeln. b) Subsumtion unter § 93 Abs. 4 S. 3 AktG aa) Wortlaut Nach dem Gesagten sind vor Entstehung eines Ersatzanspruchs vereinbarte Erleichterungen der Vorstandshaftung regelmäßig als Verzicht im Sinne eines Erlasses 548

Gemeint sind Ausnahmen bspw. für Ansprüche aufgrund von Ordnungswidrigkeiten oder wegen Treupflichtverletzungen. 549 Der Begriff des gegenseitigen Nachgebens ist weit zu verstehen; es reicht aus, wenn aus Sicht der Parteien beiderseits irgendein Zugeständnis gemacht wird, die Zugeständnisse müssen insbesondere nicht gleichwertig sein; s. Looschelders, Schuldrecht BT, § 49 Rn. 989; Medicus/ Lorenz, Schuldrecht I, § 27 Rn. 326; Habersack, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 779 Rn. 26.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

nach § 397 BGB550 oder, wenn auch ein Nachgeben des Organmitglieds gegeben ist, Vergleich nach § 779 BGB einzuordnen. Damit unterfallen sie dem Wortlaut der Vorschrift nach unmittelbar dem Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. bb) Systematik Die Systematik des § 93 AktG spricht jedoch dafür, dass von dessen Absatz 4 Satz 3 lediglich Verzicht und Vergleich bezüglich bereits entstandener Ersatzansprüche erfasst sein sollen. Während § 93 Abs. 4 S. 1, 2 AktG ausdrücklich von einem (nicht) entstehenden Anspruch ausgehen, indem formuliert wird, die Ersatzpflicht trete nicht ein beziehungsweise werde nicht ausgeschlossen, deutet die Dreijahresfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG darauf hin, dass hier von einem bestehenden Anspruch ausgegangen wird. Daneben mutete die Regelungstechnik der Sätze 1 und 3 im Verhältnis zueinander, wenn sie auch bei einer Ausweitung des Satzes 3 auf künftige Ansprüche dennoch keine überflüssigen Regelungen enthielten, doch seltsam an, insbesondere wäre unklar, ob die Sperrminorität des Satzes 3 auf Satz 1 zu erstrecken wäre. Schließlich könnte dieser hinsichtlich des antizipierten Verzichts auf Ansprüche, die aus einer bestimmten Handlung des Vorstands nach allgemeinen Regeln folgen würden, ebenso wie Satz 1 zur Anwendung kommen; die Dreijahresfrist des Satzes 3 hätte hier nicht zu laufen begonnen, sodass, wollte man nicht Satz 1 grundsätzlich Anwendungsvorrang gewähren, auch diese Vorschrift die Rechtsfolge des Nichtentstehens eines Ersatzanspruchs tragen könnte. Die Systematik des § 93 Abs. 4 AktG spricht damit für einen engen Begriff des Verzichts und Vergleichs in Satz 3, der lediglich solche Verfügungen über bestehende, nicht aber künftige Ansprüche erfasst.551 cc) Sinn und Zweck Unabhängig davon erfordern aber Sinn und Zweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, vor Entstehung eines Ersatzanspruchs über diesen zugunsten des Schuldners getroffenen Vereinbarungen die Wirksamkeit zu versagen. Die Dreijahresfrist soll das Gesellschaftsvermögen schützen, indem sie die Werthaltigkeit der Innenhaftungsansprüche gewährleistet, und eine vorschnelle Erledigung, ohne dass zuvor umfassende Klarheit über den schadensstiftenden Sachverhalt gewonnen werden konnte, verhindern. Die Sperrfrist führt ferner dazu, dass ein begründetes Vertrauen der Vorstandsmitglieder, aufgrund der Billigung einer Pflichtverletzung durch die gegenwärtige 550

Ebenso i.Erg. Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, S. 22; Habersack, FS Ulmer, 2003, S. 151, 156. 551 Ohne sachliche Abweichung zum hiesigen Ergebnis für einen weiten Vergleichsbegriff Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 254.

B. Haftungsausschluss durch Satzung und Vertrag

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Aktionärsmehrheit von Schadensersatzansprüchen verschont zu bleiben, nicht entstehen kann. Bei einer antizipiert vereinbarten Haftungserleichterung für ein Vorstandsmitglied soll der Anspruch jedoch bereits nicht zur Entstehung kommen, sodass der Zweck der Dreijahresfrist hier in keinem Fall erreicht werden könnte. Der Sinn und Zweck des Erfordernisses der Zustimmung der Hauptversammlung552 könnte auch hier, indem eine entsprechende Vereinbarung in der oben dargestellten Weise von der Zustimmung der Hauptversammlung unter Geltung der Sperrminorität entsprechend § 93 Abs. 4 S. 3 AktG abhängig gemacht würde, verwirklicht werden. Die formulierten Bedenken hinsichtlich der Legitimation der Hauptversammlung zur vorherigen Haftungsbegrenzung bestünden freilich unverändert fort.553 Die Bewertung eines Erlasses im Voraus als gegenüber dem nachträglichen schwerwiegender lässt sich auch dem allgemeinen Zivilrecht entnehmen, wo § 276 Abs. 3 BGB einen Ausschluss der Haftung für vorsätzliches Verhalten des Schuldners lediglich im Voraus ausschließt, einem nachträglichen Verzicht auf Ansprüche aus Vorsatzhaftung aber nicht entgegensteht. c) Zwischenfazit: Unvereinbarkeit haftungsbeschränkender Vereinbarungen vor Anspruchsentstehung mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Aus den dargestellten Gründen steht das Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG der Wirksamkeit vor Entstehung eines Ersatzanspruchs über diesen getroffenen, diesen mindernden oder ausschließenden Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied entgegen. Obwohl es sich bei solchen Abreden um Erlassverträge im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB oder, bei entsprechender Gestaltung, um einen Vergleich im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB handelt, ist aus Gründen der Systematik eine unmittelbare Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG abzulehnen. Der dargestellten Zielsetzung der Vorschrift steht eine antizipierte Disposition über einen unter den Voraussetzungen des § 93 AktG gegebenen Ersatzanspruch der Gesellschaft aber erst recht entgegen.554 Die vorherige Verfügung über solche Ansprüche hat zwar im Aktiengesetz keine Regelung erfahren, das bisher Gesagte lässt aber den Schluss zu, dass der Gesetzgeber noch nicht entstandene 552

Dazu unter 3. Teil B. I. 1 bei Fn. 371. Siehe oben unter 3. Teil B. III. 4. 554 Ebenso i.Erg. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 803; Habersack, FS Ulmer, 2003, S. 151, 156; Ihlas, D&O, S. 308; Fleischer, WM 2005, 909, 916; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 71; Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555, 572; Kapp, NJW 1992, 2796, 2798; Bauer/Krets, DB 2003, 811, 813; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 98; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 680; Mertens, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 95; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 51; vgl. auch Spindler, AG 2013, 889, 896; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 109 f. 553

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Ansprüche nicht zur freien Verfügbarkeit der Gesellschaft stellen wollte, sodass eine entsprechende Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG geboten ist. Mithin steht auch das aktienrechtliche Verbot des Verzichts und Vergleichs in Bezug auf Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder haftungsbeschränkenden Vereinbarungen zwischen diesen Parteien entgegen.

IV. Fazit Ohne nochmals auf die Einzelheiten einzugehen, kann festgehalten werden, dass privatautonome Beschränkungen der Vorstandsinnenhaftung weder durch Satzung noch durch Vertrag zwischen der Gesellschaft und den einzelnen Vorstandsmitgliedern in zulässiger Weise vereinbart werden können, sodass solche Maßnahmen als Instrumente zur Begrenzung der Vorstandshaftung de lege lata ausscheiden. Auf entsprechende Gestaltungen wird im Rahmen der Reformüberlegungen zurückzukommen sein.555

C. D&O-Versicherung Die tatsächliche Schärfe der Vorstandsinnenhaftung und damit die Beurteilung der Notwendigkeit einer Begrenzung des Regresses oder allgemein des geltend zu machenden Schadensersatzes der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern hängt auch von der Versicherbarkeit solcher Schäden ab.

I. Ausgangslage Der Abschluss einer D&O-Versicherung556 gehört anscheinend inzwischen zur „Standardausstattung“ einer Aktiengesellschaft, insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften wird von einer flächendeckenden Verbreitung ausgegangen.557 Die 555

Dazu später im 4. Teil D. II., E. II., F. Vertiefend zum Gegenstand solcher Versicherungen Ihlas, D&O, S. 53 ff.; Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 493 ff. 557 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 38, 46, 17, stellt in einer Befragung der Vorstandsund Aufsichtsratsvorsitzenden 60 börsennotierter Aktiengesellschaften eine Verbreitung von 100 % fest (Fragebogen an insg. 300 börsennotierte Aktiengesellschaften, darunter alle im DAX-30 vertretenen); VOV, Newsletter 1/2013, abzurufen unter http://www.vovgmbh.de/filead min/user_upload/VOVDokumente/Newsletter/NL_2013 – 01.pdf (zuletzt abgerufen am 22. 01. 2015), gibt als Ergebnis einer Befragung von 200 Managern von Unternehmen mit einer Bilanzsumme von mind. 50 Mio. E das Vorhandensein einer D&O-Versicherung in zwei Dritteln der Unternehmen an; Ihlas, D&O, S. 167 gibt unter Verweis auf Perrin Towers/Ihlas & Köberich, Directors & Officers Liability – Erste D&O-Versicherungsstudie Deutschland 2007 unter den Studienteilnehmern eine Verbreitung von D&O-Versicherungen von 77 % an, wobei 556

C. D&O-Versicherung

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Diskussion um die Vereinbarkeit der D&O-Versicherung mit der strengen Vorstandshaftung558 dürfte sich durch die Regelung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG559 endgültig erledigt haben.560 De lege lata ist die Versicherbarkeit von Risiken aus der beruflichen Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds für die Gesellschaft, wenn diese eine entsprechende Versicherung abschließt, insoweit beschränkt, als der in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG vorgesehene Selbstbehalt von mindestens zehn Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe von eineinhalb festen Jahresgehältern des Vorstandsmitglieds vereinbart werden muss.561 Für Aufsichtsratsmitglieder ist, wie die Berücksichtigung in § 116 S. 1 AktG zeigt, der Abschluss einer D&O-Versicherung durch die Gesellschaft ebenfalls zulässig. Durch die Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3 aus der Verweisung des § 116 S. 1 AktG auf § 93 AktG muss hier ein Selbstbehalt nicht vereinbart werden,562 der DCGK enthält in Ziff. 3.8 dennoch die Empfehlung, für den Aufsichtsrat einen Selbstbehalt entsprechend dem für den Vorstand in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG vorgesehenen zu vereinbaren. Versäumt es die Gesellschaft, eine hinreichend bestimmt zugesicherte563 Versicherung abzuschließen oder fällt diese aus von der Gesellschaft zu vertretenden Gründen aus, ist das Organmitglied im Schadensfall nicht völlig schutzlos, es kann dem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft vielmehr einen Gegenanspruch aus Verletzung des Anstellungsvertrags entgegenhalten und mit diesem in Höhe der vereinbarten Versicherungssumme aufrechnen.564 Ein Ausfall der Versicherung mit steigender Bilanzsumme eine Zunahme dieser Quote festgestellt wurde; Paefgen, AG 2014, 554, 581; Goette, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 377, 382; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2121; Peltzer, in: GesR in der Diskussion 2013, S. 83, 96; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 796; Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491; Hohenstatt/Naber, DB 2010, 2321; Wiesner/Kraft, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 26 Rn. 44. 558 Vgl. Ulmer, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 451, passim; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, S. 43 ff.; Fleischer, WM 2005, 909, 919. 559 Eingeführt durch das VorstAG, Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung v. 31. 07. 2009, Art. 1 Nr. 2, BGBl I 2009, S. 2509. 560 Paefgen, AG 2014, 554, 581; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 38, 46; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 254; Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 492; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 796; ders., FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 435; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 194; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 40a; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 38; trotz eigener Zweifel an deren Vereinbarkeit mit der Regelung der Vorstandshaftung im Übrigen auch Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927 f. 561 Vgl. dazu Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 197 ff.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 405 ff. 562 Vgl. dazu Habersack, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 116 Rn. 74; Hambloch-Gesinn/ Gesinn, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 5. 563 Zu den Anforderungen an solche Vertragsklauseln s. Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 507 f.; O. Lange, VersR 2010, 162 ff.; Hohenstatt/Naber, DB 2010, 2321, 2322; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 207 f. 564 Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 508; R. Koch, GmbHR 2004, 160, 167; Ihlas, D&O, S. 315; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 48; Peltzer, FS Hoffmann-Becking,

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

kommt aufgrund des Zuschnitts solcher Versicherungen nicht auf das einzelne Vorstandsmitglied, sondern auf sämtliche Organmitglieder sowie das leitende Management unterhalb der Vorstandsebene565 und der Deckelung auf Jahres-, nicht nur Schadenshöchstbeträge,566 insbesondere in Betracht, wenn die Deckungssumme bereits durch gegen andere versicherte Personen erhobene Ansprüche aufgezehrt wurde.567 Weiterhin umfasst die Versicherungsdeckung auch die Verteidigungskosten gegenüber Ansprüchen Dritter oder der Gesellschaft, sodass sich entsprechende Aufwendungen, zu denen namentlich Anwalts-, Zeugen-, Sachverständigenund Gerichtskosten gehören, ebenfalls mindernd auf den zum Ersatz des Schadens der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Betrag auswirken.568 2013, S. 861, 862; ders., in: GesR in der Diskussion 2013, S. 83, 98; Deilmann, NZG 2005, 54, 55; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 404; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 195; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 243; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 348 ff. (zur GmbH); s. auch das Fallbeispiel bei Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, 861, 863 f. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 215 hält einen Schadensersatzanspruch indes dann für ausgeschlossen, wenn sich typische Risiken der erhältlichen D&O-Versicherungspolicen, namentlich die Erschöpfung der Deckungssumme, realisieren; es fehle an einer Pflichtverletzung der Gesellschaft. 565 Hopt, ZIP 2013, 1793, 1800 geht von teilweise 150 bis 200 mitversicherten Personen aus; Ihlas, D&O, S. 334; Kiethe, BB 2003, 537, 538; O. Lange, DStR 2002, 1626, 1627; ders., VersR 2010, 162, 164, 176; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rn. 52; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 394; Staudinger, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 41, 44; Hoffmann-Becking, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 33 Rn. 17; R. Koch, GmbHR 2004, 160, 165 Fn. 49; vgl. auch Allgemeine Versicherungsbedingungen zur VermögensschadenHaftpflichtversicherung für Organe juristischer Personen, AVB-O, HV 40/11 (im Folgenden zitiert als Allianz-AVB), § 1 Ziff. 1.1; der Verf. freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Allianz Versicherungs-AG. 566 Vgl. Musterbedingungen des GDV, Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB-AVG), Stand: Mai 2013, unter Ziff. 4.3., abzurufen unter http://www.gdv.de/wpcontent/uploads/2013/05/GDV-Allg.-Versicherungsbedingungen_DandO_2013.pdf (im Folgenden zitiert als GDV-Musterbedingungen; zuletzt abgerufen am 22. 01. 2015). Es handelt sich dabei um eine unverbindliche Bekanntgabe zur fakultativen Verwendung; abweichende Vereinbarungen sind möglich. Dazu auch Ihlas, D&O, S. 429. Verständlich zu den wirtschaftlichen Hintergründen des Claims made Prinzips Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 494 f. 567 Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 48; Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 497, 501; Peltzer, ebd., S. 861, 862; Spindler, AG 2013, 889, 897; R. Koch, GmbHR 2004, 160, 167; zum Versicherungsfall einer D&O-Versicherung s. u. 3. Teil C. III. 2. b) sowie die Nachweise in Fn. 600. 568 Siehe GDV-Musterbedingungen, Ziff. 4.3. Darauf weist auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 210 ff. hin. Indes ist in der aktuellen Fassung der GDV-Musterbedingungen die Anrechnung weiterer Kosten, „wenn diese […] auf Weisung des Versicherers entstanden sind“ mit den entsprechenden, von Scholz, ebd., S. 211 ff. bemängelten Fehlanreizen für den Versicherer, nicht mehr vorgesehen. Anders Scholz, ebd., S. 211 f., der aus unerfindlichen Gründen seiner Arbeit insgesamt die überholte Fassung dieser Bedingungen aus 2011 zugrunde legt, s. ebd., S. 184 Fn. 522.

C. D&O-Versicherung

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II. Begrenzte Deckungssummen Eine gewisse Lückenhaftigkeit des D&O-Versicherungsschutzes ergibt sich daraus, dass solche Versicherungen im Hinblick auf die übernommenen Schäden gedeckelt sind.569 Die Haftungshöchstsumme hängt von den konkreten Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Versicherer ab. Empirische Daten bezüglich der Inanspruchnahme der Versicherer und üblicher Deckungssummen sind kaum zu erhalten,570 die im Schrifttum genannten Summen unterscheiden sich erheblich. Verbreitet wird von Deckungssummen zwischen 500.000 E und 25 Mio. E als üblich, daraus abgeleitet 5 Mio. E als durchschnittlich, ausgegangen, wobei „Großrisiken“ im Einzelfall mit mehreren hundert Millionen Euro versichert sein könnten.571 Diese Beträge gehen sämtlich auf einen Beitrag Drehers aus dem Jahr 2001 zurück,572 sodass an der Aktualität der Daten angesichts steigender Haftungssummen, Inflation und der Verbreitung von D&O-Versicherungen deutliche Zweifel bestehen. Ihlas nennt als auf einer Marktveranstaltung im Jahr 2006 vorgetragene Beträge 150 bis 300 Mio. E bei 42 % der DAX-Unternehmen und 75 bis 150 Mio. E bei 33 %.573 Paetzmann geht im Jahr 2008 ohne Angabe einer Datenquelle von 250.000 E bis über 300 Mio. E aus, wobei oberhalb von 75 Mio. E nur eine Finanzierung durch Konsortien in Betracht komme.574 Das Handelsblatt berichtete vor Kurzem von einer Versicherungssumme des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Rolf Breuer, von 500 Mio. E.575 Die im Zuge der Aufarbeitung der Siemens-Korruptionsaffäre in Anspruch genommenen Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder sollen laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung mit insgesamt 100 Mio. E versichert gewesen sein,576 das Managermagazin nimmt dagegen

569

Vgl. Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38. Auf die Intransparenz dieses Marktes weisen auch Ihlas, D&O, S. 124; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 14; Hendricks, AR 2012, 108 hin. 571 Wiesner/Kraft, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 26 Rn. 44; Freund, GmbHR, 2009, 1185, 1190; Koch, AG 2014, 513, 520; Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 298 (noch in DM); Kiethe, BB 2003, 537, 538; O. Lange, DStR 2002, 1626, 1627: 500.000 bis 25 Mio. E, im Einzelfall 50 Mio. E. 572 Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 298. 573 Ihlas, D&O, S. 429. 574 Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177, 191; zum Aufbau solcher Konsortien Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 505 f. 575 Handelsblatt v. 05. 08. 2014, „Breuer zeigt sich bei Kirch-Zahlungen kompromissbereit“, abzurufen unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/deutsche-bank-breuerzeigt-sich-bei-kirch-zahlung-kompromissbereit/10293930.html, zuletzt abgerufen am 22. 01. 2015. Die genannte Versicherungssumme soll auf 15 Versicherer verteilt sein. 576 Rüdiger Köhn, FAZ v. 23. 09. 2009, „Siemens setzt Pierer ein Ultimatum“, abzurufen unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/schmiergeldaffaere-siemens-setzt-pie rer-ein-ultimatum-1576440.html, zuletzt abgerufen am 22. 01. 2015. Auch hier soll ein Versicherungskonsortium gebildet worden sein. Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801 benennt den tatsächlich ausgezahlten Versicherungsbetrag mit 100 Mio. E. 570

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

eine Versicherungssumme von 250 Mio. E an.577 Wagner geht von derzeit noch höheren Deckungssummen, „deutlich über 300 Mio.“ E in vergleichbaren Unternehmen aus.578 Die Aussagekraft dieser Angaben bleibt begrenzt, zumindest in den Unternehmen des DAX 30 sind aber anscheinend dreistellige Millionenbeträge als Versicherungssummen anzutreffen. Die zitierten „Skandale“ zeigen aber auch, dass die mutmaßlich verursachten Schäden der klagenden Gesellschaften sogar diese deutlich übersteigen können.579 Indes ist anscheinend auf Seiten der Aufsichtsräte ausreichendes Augenmaß vorhanden. So verklagte die Siemens AG ihr ehemaliges Vorstandsmitglied HeinzJoachim Neubürger trotz nach Abzug der fiktiv auf ein einzelnes Vorstandsmitglied entfallenden Leistungen aus der D&O-Versicherung verbleibenden Schäden von 123 Mio. E580 lediglich in Höhe der zwar weiterhin beträchtlichen, im Verhältnis zum Schaden aber weitaus geringeren Summe von 15 Mio. E,581 was angesichts einer angenommenen Jahresvergütung von 2,7 Mio. E582 nicht als „existenzvernichtend“ im Sinne von wirtschaftlich nicht zu verkraften und somit in die Privatinsolvenz führend zu bewerten sein dürfte.583

577

Manager magazin v. 18. 01. 2009, „Korruptionsskandal – Versicherung hilft Siemens“, abzurufen unter http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-601916.html, zuletzt abgerufen am 22. 01. 2015. 578 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 235. 579 Im Fall „Kirch/Deutsche Bank“ haben sich die Parteien im Februar 2014 auf einen Betrag von 925 Mio. E verglichen, s. FAZ v. 20. 02. 2014, „Kirch-Vergleich kostet Deutsche Bank 925 Millionen Euro“, abzurufen unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/einigungkirch-vergleich-kostet-deutsche-bank-925-millionen-euro-12811381.html, zuletzt abgerufen am 05. 03. 2015. Ausweislich des Geschäftsberichts 2009 der Siemens AG, S. 201 f. (abzurufen unter http://www.siemens.com/investor/pool/de/investor_relations/d09_00_gb2009.pdf, zuletzt abgerufen am 22. 01. 2015) beliefen sich allein an die Staatsanwaltschaft München I, die U.S. Securities and Exchange Commission und das U.S. Department of Justice in diesem Zusammenhang zu leistende Zahlungen auf 1,008 Mrd. E. Vgl. auch Koch, AG 2014, 513, 520. 580 LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 5HK O 1387/10 („Siemens/Neubürger“), jurisRn. 68 [insoweit nicht in AG 2014, 332 o. soweit ersichtlich anderswo abgedruckt]. 581 Vgl. LG München I, AG 2014, 332, 333. 582 Bachmann, ZIP 2014, 579, 580 unter Berufung auf nicht spezifizierte Presseberichte. 583 Anders die Einschätzung bei Bachmann, ZIP 2014, 579, 580. Vgl. auch die Anlage zum Tagesordnungspunkt 11 der Hauptversammlung der Siemens AG am 27. 01. 2015, Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung 2015, S. 45, wonach der dort vorgeschlagene Vergleichsbetrag von 2,5 Mio. E „einen Großteil“ des Vermögens des ehemaligen Vorstandsmitglieds darstelle und die 15 Mio. E aus dem Urteil des LG München I „nicht vollstreckbar zur Verfügung“ stünden, abzurufen unter http://www.siemens.com/investor/pool/de/investor_rela tions/events/hauptversammlung/2015/hv2015_einberufung_de.pdf, zuletzt abgerufen am 09. 02. 2015; dazu auch Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149.

C. D&O-Versicherung

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III. Deckungsausschlüsse Abgesehen von den finanziellen Gesichtspunkten des Selbstbehalts für Vorstandsmitglieder sowie den begrenzten Deckungssummen ergeben sich Lücken des Schutzes durch eine D&O-Versicherung in sachlicher Hinsicht aufgrund der Ausnahme bestimmter Ansprüche vom Versicherungsschutz. Die in der Versicherungspraxis gebräuchlichen Kataloge solcher Ausschlusstatbestände sind durchweg komplex, zweckentsprechend detailliert und vor allem umfangreich, sodass im Folgenden lediglich auf einige im Hinblick auf ihre praktische Bedeutung ausgewählte Tatbestände eingegangen werden soll.584 1. Vorsätzliche Schadensverursachung und wissentliche Pflichtverletzung Haftpflichtansprüche wegen vorsätzlicher Schadensverursachung oder durch wissentliche Pflichtverletzung, insbesondere wissentliche Abweichung von Gesetzen, sind nach allen untersuchten Allgemeinen Versicherungsbedingungen – mit kleineren Unterschieden im Detail – vom Versicherungsschutz ausgenommen.585 Eine Zurechnung des Verhaltens ohne Wissen der versicherten Person handelnder Organmitglieder ist nicht vorgesehen. Vorbehaltlich anderer Mechanismen, die zur Reduzierung eines Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft führen, haften Vorstandsmitglieder demnach in vollem Umfang für aufgrund solcher Vorgänge eingetretene Schäden der Gesellschaft. Eine besondere Schutzwürdigkeit vorsätzlich handelnder Schädiger ist nicht zu erkennen. Hier geht es nicht um die unter der Überschrift einer Notwendigkeit der Begrenzung der „existenzvernichtenden“ Vorstandshaftung behandelten Fälle, in denen eine leichtest fahrlässige Pflichtverletzung zu einer die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Vorstandsmitglieds weit 584

Eine umfassende Darstellung findet sich bei Ihlas, D&O, S. 453 ff. GDV-AVB, Ziff. 5.1; Allianz-AVB, § 4 Ziff. 1, bzgl. wissentlicher Pflichtverletzungen mit einer der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vergleichbaren Ausschlussklausel für Verletzungen ausschließlichen Innenrechts; Wegweiser für die VOV D&O-Versicherung (AVB-VOV 2012), unter 6.1, Ausschluss nur für wissentliche Pflichtverletzungen, abzurufen unter http://www.vovgmbh.de/fileadmin/user_upload/VOVDokumente/AVB-VOV_2 012.pdf (im Folgenden zitiert als VOV-AVB; zuletzt abgerufen am 22. 01. 2015); Zurich, D&O Plus Entscheiderhaftpflicht, Vertrag im Überblick, Ausgabe 05.2013 (im Folgenden zitiert als Zurich-AVB), Ziff. VI. 1.a), Ausschluss nur für wissentliche Pflichtverletzungen, für Innenrecht mit Klausel wie die Allianz-AVB; Gothaer D&O-Versicherung, D&O AVB-Gothaer 2014 (im Folgenden zitiert als Gothaer-AVB), § 3 Ziff. 9.1, Ausschluss für vorsätzliche Pflichtverletzungen mit Klausel wie die Allianz-AVB; R+V, Allgemeine Versicherungbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA, im Folgenden zitiert als R+V-AVB), A. 6, ebenfalls mit Klausel wie die Allianz-AVB. Die Versicherungsbedingungen wurden, soweit keine anderweitige Fundstelle angegeben ist, der Verf. freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Zurich Gruppe Deutschland, Zurich Insurance plc Niederlassung für Deutschland, der Gothaer Allgemeine Versicherung AG sowie der R+V Allgemeine Versicherung AG; vgl. auch §§ 81 Abs. 1, 103 VVG. 585

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übersteigenden Schadensersatzforderung führt. Im Gegenteil steht die Ausnahme wissentlicher Pflichtverletzungen vom Schutz der D&O-Versicherung in wertungsmäßigem Einklang mit der Präventionswirkung der Haftung, die bei vorsätzlichem Fehlverhalten wesentlich stärker gefordert ist als bei bloßer Fahrlässigkeit.586 2. Versicherbarkeit von Vermögenseinbußen aufgrund der Zahlung von Geldbußen durch Vorstandsmitglieder und die Gesellschaft Die Frage der Versicherbarkeit des Regresses der Gesellschaft für aufgrund pflichtwidrigen Vorstandshandelns verhängte Geldbußen ist im Hinblick auf das Thema der vorliegenden Untersuchung zum einen selbst als „Grenze“ der Vorstandshaftung von Bedeutung, zum anderen als in die Begründung der Notwendigkeit einer Anspruchsbegrenzung der Gesellschaft einzustellender Abwägungsposten – wo Versicherungsschutz geschaffen werden kann, ist die drohende Haftung zumindest deutlich abgemildert und verliert das Argument der Ungleichbehandlung mit anderen Gruppen, namentlich Arbeitnehmern und Unternehmern, mindestens deutlich an Gewicht.587 Soweit die Frage in der Literatur behandelt wird, herrscht anscheinend weitgehend Konsens dahingehend, dass Vermögenseinbußen aufgrund gegen Vorstandsmitglieder persönlich oder die Gesellschaft verhängter Geldbußen vom Schutz einer D&O-Versicherung ausgenommen seien.588 Dies betrifft zum einen den Fall, dass Vorstandsmitglieder wegen eines Handelns in Ausübung ihrer Vorstandstätigkeit selbst mit einem Bußgeld belastet werden und zum anderen denjenigen einer Bebußung der Gesellschaft aufgrund eines Verhaltens, das im Innenverhältnis eine Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder begründet, mithin die Frage der Versicherbarkeit des Regresses der Gesellschaft bei den Vorstandsmitgliedern im Wege des Schadensersatzes. Eine freiwillige Erstattung einer gegen ein Vorstandsmitglied verhängten Geldbuße begründet, trotz Vermögenseinbuße auf Seiten der Gesellschaft, keine Ein586 Ganz ähnl. Blaurock, FS Bornkamm, 2014, S. 107, 118; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 194. 587 Wie hier Blaurock, FS Bornkamm, 2014, S. 107, 116; ähnl. Twele, Die Haftung des Vorstands für Kartellrechtsverstöße, S. 20 f.; Koch, AG 2014, 513, 519. 588 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 293 f., 316; Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 331; ders., AG 2014, 513, 519; Harzenetter, Innenhaftung des Vorstands der Aktiengesellschaft für sog. nützliche Pflichtverletzungen, S. 162 f.; Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 198 f.; Twele, Die Haftung des Vorstands für Kartellrechtsverstöße, S. 21 Fn. 6; Ihlas, D&O, S. 548; tendenziell auch Werner, CCZ 2010, 143, 146 f.; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 55; F. Gaul, AG 2015, 109, 111 („typischerweise“); ebenso, trotz Befürwortung der Versicherbarkeit des Bußgeldregresses Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 346 f.; a.A. Blaurock, FS Bornkamm, 2014, S. 107, 117; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 64 f. (allerdings mit unzutreffender Begründung).

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standspflicht des D&O-Versicherers. Mangels Unfreiwilligkeit handelt es sich nicht um einen Vermögensschaden.589 Eine Erstattungspflicht kann wegen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht wirksam im Voraus vereinbart werden, soweit die Ordnungswidrigkeit des Vorstandsmitglieds zugleich eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft begründet.590 a) Allgemeine Versicherungsbedingungen zur D&O-Versicherung Der Befund des Schrifttums zur Versicherbarkeit unfreiwilliger Vermögensverluste durch Geldbußen trifft indes nur teilweise zu. Die GDV-Musterbedingungen zur D&O-Versicherung schließen in Ziff. 5.11 Haftpflichtansprüche „wegen Vertragsstrafen, Kautionen, Bußgeldern und Entschädigungen mit Strafcharakter (punitive und exemplary damages)“ vom Versicherungsschutz aus.591 Einen wortgleichen Ausschluss enthalten die entsprechenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Allianz in § 4 Ziff. 2. In ähnlicher Formulierung enthalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der VOVeinen Risikoausschluss für „Versicherungsfälle wegen oder in Folge von Strafen, insbesondere Vertragsstrafen, oder Geldbußen oder Entschädigungen mit Strafcharakter. […] Entschädigungen mit Strafcharakter (z. B. „punitive“ oder „exemplary damages“) sind versichert, sofern kein gesetzliches Versicherungsverbot entgegensteht und es sich nicht um Entschädigungen wegen oder in Folge von Anstellungsschadenersatzansprüchen (Employment Practices Liability-Ansprüchen) handelt.“592 Ähnlich fasst die Zurich einen Ausschlusstatbestand für Versicherungsfälle „aufgrund von oder im Zusammenhang mit Vertragsstrafen, Bußgeldern und Geldstrafen“, wobei Entschädigungen mit Strafcharakter auch hier, vorbehaltlich eines gesetzlichen Versicherungsverbots und mit Ausnahme von Entschädigungspflichten aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, versichert sind.593 Die Gothaer schließt in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen in § 3 Ziff. 9.2. zunächst wortgleich dieselben Risiken von Versicherungsschutz aus wie die VOV.594 Im Unterschied zu den zuvor genannten Versicherern erfasst die D&O-Versicherung aber gemäß § 3 Ziff. 9.2 Abs. 2 ausdrücklich den Regress der Versicherungsnehmerin oder eines Tochterunternehmens, denen Vertragsstrafen, Geldbußen oder Entschädigungen mit Strafcharakter aufer-

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Ebenso Ihlas, D&O, S. 71 f., 548. Dazu BGH ZIP 2014, 1728 Rn. 11, 13 ff.; zust. Mayer, NZG 2014, 1208, 1209; ferner Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 283; Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 123 ff. 591 Dazu auch Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, Teil III F IX., AVB-AVG 5 Ausschlüsse Rn. 15. 592 VOV-AVB, Ziff. 6. 2. 593 Zurich-AVB, Ziff. VI. 2. Ziff. VI. 2. 594 Siehe Gothaer-AVB, § 3 Ziff. 9.2. 590

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legt wurden, bei der versicherten Person.595 Die Abwehrkosten in den genannten Fällen werden, auch soweit für Geldbußen und die vergleichbaren genannten Tatbestände kein Versicherungsschutz besteht, von sämtlichen der genannten Versicherer, mit Einschränkungen bei der Zurich, übernommen.596 Keine vergleichbaren Ausschlüsse enthalten im Fahrlässigkeitsbereich die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur D&O-Versicherung der R+V, die lediglich Haftpflichtansprüche durch wissentliche Pflichtverletzungen, wobei ausdrücklich wissentliches Abweichen vom Gesetz als Unterfall genannt wird, ausschließen.597 Hiernach ist mithin der Regress der Gesellschaft wegen einer Geldbuße, vorbehaltlich abweichender Individualvereinbarungen, ohne Weiteres durch die D&OVersicherung gedeckt. b) Versicherbarkeit eigener Geldbußen der Vorstandsmitglieder Den Vorstandsmitgliedern selbst auferlegte Geldbußen sind weder nach den GDV-Musterbedingungen noch den zitierten Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch eine D&O-Versicherung zu versichern. Entgegen der Begründung einiger Literaturvertreter, die dieses Ergebnis daraus herleiten, dass Ansprüche „wegen“ einer Geldbuße vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien,598 fehlt es hier bereits an einem die Einstandspflicht des D&O-Versicherers auslösenden Versicherungsfall.599 Trotz unterschiedlicher Formulierungen wird aus den untersuchten Versicherungsbedingungen deutlich, dass Versicherungsfall die Inanspruchnahme der versicherten Person auf Ersatz eines Vermögensschadens wegen einer in Ausübung der versicherten Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung ist.600 Bei der Auf595

Siehe Gothaer-AVB, § 3 Ziff. 9.2. Abs. 2. Allianz-AVB, § 4 Ziff. 2 i.V.m. § 3 Ziff. 8; VOV-AVB, Ziff. 6.2. S. 2; Gothaer-AVB, § 3 Ziff. 9.2. Abs. 1 S. 2; Zurich-AVB, Ziff. V. 5, anscheinend werden Abwehrkosten bzgl. der in Ziff. VI. 2. ausgeschlossenen Schadensgründe nicht übernommen, wie sich im Umkehrschluss aus der expliziten vorläufigen Übernahme solcher Kosten, wenn eine wissentliche Pflichtverletzung streitig ist (Ausschluss in Ziff. VI. 1.) auf Ziff. VI. 2. ergibt, wo eine solche Regelung fehlt. 597 R+V-AVB, A 6. 598 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 331; ders., AG 2014, 513, 519 f.; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 316; Blaurock, FS Bornkamm, 2014, S. 107, 117; Werner, CCZ 2010, 143, 146; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 54 f.; Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 198; anscheinend auch Twele, Die Haftung des Vorstands für Kartellrechtsverstöße, S. 21 Fn. 6; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 63. 599 Zutreffend Harzenetter, Innenhaftung des Vorstands der Aktiengesellschaft für sog. nützliche Pflichtverletzungen, S. 162 f. 600 Gothaer-AVB, § 1 Ziff. 1: „auf Ersatz eines Vermögensschadens in Anspruch genommen“; VOV-AVB, § 1 Ziff. 1: „auf Ersatz eines Vermögensschadens in Anspruch genommen“; Allianz-AVB, § 1 Ziff. 2.2.: „Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die versicherte Person“; Zurich-AVB, Ziff. I. 1: „auf Ersatz eines Vermögensschadens schriftlich in Anspruch genommen […]“; GDV-Musterbedingungen, Ziff. 1.1.: „[…] für einen Vermö596

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erlegung einer Geldbuße handelt es sich aber, selbst wenn diese Ahndungszwecken dienen sollte, nicht um einen Schadensersatzanspruch.601 Der Versicherungsfall einer D&O-Versicherung ist mithin nicht gegeben. c) Versicherbarkeit des Regresses der Gesellschaft aa) Auslegung der Ausschlussklausel „wegen oder infolge von“ In Bezug auf die Versicherbarkeit von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft, denen die Zahlung einer gegen sie gerichteten Geldbuße zugrunde liegt, weichen jedenfalls die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur D&O-Versicherung der R+V und der Gothaer ausdrücklich von der in der Literatur zugrunde gelegten Rechtslage ab. Die Versicherbarkeit des Regresses nach den übrigen der zitierten Versicherungbedingungen hängt von der Auslegung der Klausel „wegen“ beziehungsweise „wegen oder in Folge“, der die ebenfalls gebräuchliche Formulierung „aufgrund von oder im Zusammenhang mit“ inhaltlich entspricht, ab. Nachdem festgestellt wurde, dass die Verfügung eines Bußgelds gegen ein versichertes Vorstandsmitglied selbst nicht Versicherungsfall einer D&O-Versicherung ist, steht fest, dass „wegen“ einer Geldbuße gerade nicht den Fall der Bebußung der versicherten Person bezeichnen kann. Im Zusammenhang der Definition des Versicherungsfalles gelesen bezeichnet der Ausschluss die Inanspruchnahme der versicherten Person auf Ersatz eines Vermögensschadens wegen einer bei der versicherten Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung wegen (oder in Folge von) Geldbußen. Trotz der grammatischen Unschönheit dieses Satzes ist danach kaum ernstlich daran zu zweifeln, dass bereits ein „Schadensersatzanspruch wegen einer Geldbuße“ den Regress der Gesellschaft umfasst.602 Dafür spricht auch die Formulierung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Gothaer, wonach der Regress „als mitversichert [gilt]“.603 Der zusätzlichen Klausel bedürfte es nicht, beziehungsweise der Versicherungsschutz wäre durch Auslassung von „in Folge“ für

gensschaden auf Schadenersatz in Anspruch genommen“; R+V-AVB, A. 1.1., 2.: „[…] für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.“. 601 Siehe Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 54; Ihlas, D&O, S. 548; Harzenetter, Innenhaftung des Vorstands der Aktiengesellschaft für sog. nützliche Pflichtverletzungen, S. 162 f. 602 Die von Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 331; ders., AG 2014, 513, 519; Blaurock, FS Bornkamm, 2014, S. 107, 117; Werner, CCZ 2010, 143, 146 f.; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 55 reklamierte Unklarheit des Ausschlusses des Regresses basiert auf der Fehlannahme, die Verhängung einer Geldbuße gegen versicherte Vorstandsmitglieder selbst sei grundsätzlich Versicherungsfall der D&OVersicherung; wie hier Harzenetter, Innenhaftung des Vorstands der Aktiengesellschaft für sog. nützliche Pflichtverletzungen, S. 162 f. 603 Nicht: mitversichert ist. § 3 Ziff. 9.2. Gothaer-AVB.

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Geldbußen zu erreichen, wenn „wegen“ nicht bereits den Regress der Gesellschaft erfasste. bb) Ausschluss von Ansprüchen „wegen unlauteren Wettbewerbs oder Wettbewerbsbeschränkungen“ Hinsichtlich der Versicherbarkeit des Regresses der Gesellschaft wegen Geldbußen aufgrund der Verletzung von Ordnungswidrigkeitentatbeständen des GWB oder des UWG könnte sich ein Ausschluss vom Versicherungsschutz einer D&OVersicherung ferner aus Ziff. 5.10 der GDV-AVB ergeben, wonach ein Risikoausschluss unter anderem für Ansprüche „wegen […] unlauteren Wettbewerbs oder Wettbewerbsbeschränkungen“ besteht.604 Aus dem Wortlaut der Klausel erschließt sich nicht, ob darunter auch der Regress der Gesellschaft fallen soll. Anders als hinsichtlich des Ausschlusses von Ansprüchen wegen Bußgeldern und dergleichen kommt auf den Gebieten des Kartellrechts und des Rechts des unlauteren Wettbewerbs auch eine Außenhaftung der Vorstandsmitglieder gegenüber Dritten in Betracht, die als Anspruch auf Ersatz eines Vermögensschadens, anders als die Verhängung einer Geldbuße gegen ein Vorstandsmitglied persönlich, grundsätzlich unter den Schutz der untersuchten D&O-Versicherungen fiele.605 Systematisch spricht der eigenständige Ausschluss von Ansprüchen wegen Bußgeldern und dergleichen dafür, den Ausschlusstatbestand eng zu verstehen. Andererseits sind auch wissentliche Pflichtverletzungen, um die es sich in den genannten Rechtsgebieten oft handeln wird, selbstständig ausgeschlossen.606 Dem lässt sich wiederum entgegenhalten, dass, etwa aufgrund der im Schrifttum als für den Vorstand haftungsriskant herausgestellten Notwendigkeit kartellrechtlicher Selbsteinschätzungen,607 zwar häufig, nicht aber zwingend wissentliche Pflichtverletzungen in diesem Bereich vorliegen werden, sodass der gesonderte Ausschlusstatbestand für das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das Kartellrecht eigenständige Bedeutung hat. Systematisch sprechen auch die weiteren, unter derselben Ziff. 5.10 ausgeschlossenen Ansprüche dafür, dass eine Außenhaftung sowie Ansprüche Dritter gegen die Gesellschaft gemeint sind. Es handelt sich dabei mit „Beleidigung, übler Nachrede, Geschäftsschädigung […] sowie […] Verletzung von Berufsgeheimnissen, Urheber-, Patent-, Warenzeichen-, Geschmacksmuster und vergleichbaren Immaterialgüterrechten“ um Tatbestände, die nicht durchweg bußgeldbewehrt, aber „klassische“ Fälle von Abwehr- oder Ersatzansprüchen der Inhaber der betroffene Rechtsgüter beziehungsweise Rechte sind. Es sprechen somit gute Gründe dafür, Schäden der Gesellschaft wegen Verhängung von Bußgeldern aufgrund von Kartell- und Wett604

Ebenso, ebenfalls ohne eindeutiges Ergebnis der Auslegung, Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 317. 605 Auf diese verweist auch Ihlas, D&O, S. 546, 282. 606 Ähnl. Ihlas, D&O, S. 546 f.: „weitgehend klarstellende Bedeutung“. 607 Dazu noch im 3. Teil E. II. 1. d); vgl. auch Koch, AG 2014, 513, 519; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2248.

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bewerbsverstößen ausschließlich unter den Ausschlusstatbestand für Ansprüche wegen Geldbußen zu subsumieren. Eine entsprechende Ausschlussklausel speziell für unlauteren Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkungen fehlt allerdings in allen anderen untersuchten Allgemeinen Versicherungsbedingungen, insbesondere denen der R+V und der Gothaer,608 die als einzige der untersuchten eine Versicherung des Bußgeldregresses der Gesellschaft ermöglichen. Die Auslegung der Klausel ist damit für das bisher gefundene Ergebnis ohne Bedeutung, sodass eine weitere Vertiefung unterbleiben kann. d) Zwischenfazit In der Tat ist, wie in der Literatur allgemein angenommen wird, eine gegen das Vorstandsmitglied selbst ergangene Bußgeldverfügung nicht im Rahmen einer D&O-Versicherung abgesichert, wenngleich dies aus anderen als den verbreitet vorgebrachten Gründen der Fall ist. Hinsichtlich des Regresses der Gesellschaft wegen der Zahlung einer gegen sie gerichteten Geldbuße ergibt sich zwar aus einigen der untersuchten Allgemeinen Versicherungsbedingungen von D&O-Versicherern ein Ausschluss vom Versicherungsschutz, allerdings zeichnet sich hier eine Trendwende zu einer Einschränkung des Ausschlusses von Versicherungsfällen „wegen oder in Folge“ von Geldbußen dahingehend, dass Versicherungsschutz für den Regress besteht, ab.609 Eine kategorisch ausgeschlossene Versicherbarkeit solcher Schadensersatzansprüche ist jedenfalls nicht (mehr) festzustellen. e) Vereinbarkeit der Versicherung des Bußgeldregresses mit geltendem Recht Soweit in der Literatur angenommen wird, die Einbeziehung des Bußgeldregresses der Gesellschaft gegen ein versichertes Vorstandsmitglied in den Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung hänge von der Auslegung der Klausel „wegen oder infolge von“ in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ab, wird das Auslegungsergebnis zuungunsten einer Versicherungsdeckung zum Teil mit grundsätzlichen Erwägungen des Schutzzwecks der Ausschlussklauseln610 oder 608

Siehe die Ausschlusstatbestände in R+V-AVB A 6., Gothaer-AVB § 3 Ziff. 9; daneben fehlt ein entsprechender Ausschlusstatbestand auch in den AVB der Allianz, § 4; VOV-AVB, § 3 Ziff. 6; Zurich-AVB VI. 609 So auch die Einschätzung von Vertretern der R+VAllgemeine Versicherung AG und der Gothaer Versicherung AG in E-Mails an die Verf.; zur Erweiterung der Leistungen der D&OVersicherungen auch Schiel (R+V Allgemeine Versicherung AG), AR 2013, 58, 60. 610 Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 55; Werner, CCZ 2010, 143, 147; Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 331; Twele, Die Haftung des Vorstands für Kartellrechtsverstöße, S. 21 Fn. 6; Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 199.

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Bedenken im Hinblick auf §§ 134, 138 BGB gegen eine Versicherbarkeit611 begründet.612 Trotz des grundlegend anderen Ansatzes bleiben diese Einwände von Bedeutung, beziehen sie sich doch ebenso auf die oben dargestellten Klauseln, die eine Versicherung des Bußgeldregresses zulassen. Angesichts der im Schrifttum herrschenden Unklarheiten gilt es nochmals zu betonen, dass es nach hier vertretenem Verständnis der untersuchten Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht darum geht, ein persönlich mit ordnungswidrigkeitenrechtlichen Zahlungsverpflichtungen belegtes Vorstandsmitglied im Wege der Versicherung von diesen freizustellen. Alleinige Fragestellung ist, ob die Versicherung des Regresses zum Schutzzweck der Ausschlussklauseln, der, wenngleich nirgendwo explizit benannt, im Erhalt einer Präventionswirkung liegen dürfte, oder zu §§ 134, 138 Abs. 1 BGB in Widerspruch steht. Unvereinbarkeit mit §§ 134, 138 Abs. 1 BGB könnte gegeben sein, wenn in der Versicherungsdeckung des Regresses der Gesellschaft wegen aufgrund pflichtwidrigen Handelns ihrer Vorstandsmitglieder gegen sie verhängter Geldbußen eine gesetz- oder sittenwidrige Erstattungszusage läge.613 Ein entsprechender Verbotstatbestand ist nicht ersichtlich, sodass § 134 BGB ausscheidet.614 Der hinsichtlich solcher Zusagen im Vorfeld im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit besonders problematische Fall vorsätzlichen Handelns scheidet bereits aufgrund des Ausschlusses wissentlicher Pflichtverletzungen vom Schutz der D&O-Versicherung aus.615 Im Übrigen geht der durch eine D&O-Versicherung sachlich gewährleistete Schutz nicht über das hinaus, was sich ohnehin aus dem Aktiengesetz ergibt: verursacht ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft pflichtwidrig einen Schaden, hat es diesen nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG zu ersetzen. Es handelt sich mithin beim Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung keinesfalls um eine bedingungslose Zusage, eine Geldbuße zu erstatten.616 Die Frage der Sittenwidrigkeit ist dementsprechend anhand der durch 611 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 331 unter Bezugnahme auf Ihlas, D&O, der auf S. 548 jedoch lediglich auf die Nichtigkeit einer vorherigen Zusage der Erstattung gegen ein Vorstandsmitglied persönlich verhängter Geldbußen nach § 134 BGB hinweist; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 54, dessen Ausführungen sich (zunächst) ebenfalls nur auf Geldbußen gegen das Vorstandsmitglied beziehen. 612 A.A. bzgl. Schutzzweck und §§ 134, 138 BGB Blaurock, FS Bornkamm, 2014, S. 107, 117 ff. 613 Zur Sittenwidrigkeit solcher Zusagen BAG NJW 2001, 1962, 1963; einschränkend: Armbrüster, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 138 Rn. 42; Kapp, NJW 1992, 2796, 2798: Sittenwidrigkeit nur bei vorheriger Zusage der Erstattung der Geldstrafe für eine Vorsatztat. 614 Mangels Unternehmensstrafbarkeit nach deutschem Recht scheidet ein Schaden der Gesellschaft durch eine Geldstrafe notwendig aus. 615 Dazu bereits unter 3. Teil C. III. 1. 616 Die in Rspr. und Schrifttum als sittenwidrig bewerteten Zusagen waren nicht an weitere Bedingungen geknüpft, den betreffenden Personen stand auch kein entsprechender Anspruch gegen Dritte zu, sodass durch die Erstattungszusagen im Voraus in der Tat die Präventionswirkung der Geldbußen weitgehend entfiele; darauf stellt auch BAG 2001, 1962, 1963 als maßgeblich ab. Dagegen hat die Gesellschaft in den Fällen, in denen ein Eintritt der D&O-

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den Schutz des Bußgeldregresses der Gesellschaft geschaffenen Verhaltensanreize für die Vorstandsmitglieder als für die Gesellschaft Handelnde zu untersuchen. Ein Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden617 könnte nur darauf gestützt werden, dass die Versicherungsdeckung Anreize für rechtmäßiges Verhalten in bedenklicher Weise vermindern würde. Dies entspricht dem Argument, das hinter den Zweifeln an der Vereinbarkeit mit dem Schutzzweck der Ausschlussklauseln steht.618 Anhand der Auswirkungen einer ihre persönliche Haftung vermindernden Maßnahme auf die verhaltenssteuernde Wirkung dieser Haftung gegenüber den Vorstandsmitgliedern ist auch die Zulässigkeit der Vorteilsausgleichung bei Legalitätspflichtverletzungen zu bewerten.619 Sie sind ferner für die Frage nach dem Bestehen eines kartellrechtlichen Regressverbots, in deren Rahmen die Schadensqualität von Geldbußen der Gesellschaft zu beurteilen ist,620 von Bedeutung. Nach hier vertretener Auffassung handelt es sich bei einer durch die Verhängung einer Geldbuße gegen die Gesellschaft erlittenen Vermögenseinbuße grundsätzlich um einen ersatzfähigen Schaden, für den bei pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitgliedern Regress genommen werden kann, wobei sich die Gesellschaft aus der Pflichtverletzung erwachsene Vorteile anrechnen lassen muss. Die dem zugrunde liegende Wertung geht dahin, dass von den öffentlich-rechtlichen Ordnungswidrigkeitentatbeständen keine auf das Innenverhältnis der Aktiengesellschaft „durchschlagende“ Wirkung ausgeht, mithin diese im Grundsatz keine Vorgabe in Bezug darauf, wer eine Geldbuße wirtschaftlich zu tragen hat, enthalten. Die neben einer Schadensersatzhaftung drohenden Folgen einer Pflichtverletzung von Vorstandsmitgliedern, die zugleich eine Ordnungswidrigkeit begründet, werden im Sinne einer Präventionswirkung für ausreichend gehalten.621 Damit stünde die Unzulässigkeit einer Versicherung des Bußgeldregresses in Widerspruch, sodass auch diesbezüglich auf die gefundenen Ergebnisse zu verweisen ist.622 3. Spekulationsgeschäfte Einen weiteren für die vorliegende Untersuchung interessanten Ausschluss enthalten die GDV-AVB in Ziff. 5.14 für Schäden aus Spekulationsgeschäften, „soweit diese nicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs erforderlich und übVersicherung in Betracht kommt, ohnehin einen Ersatzanspruch gegen ihre Vorstandsmitglieder, denen über den drohenden Schadensersatzanspruch hinausgehende Konsequenzen ihres Handelns drohen. 617 Diese sog. Anstandsformel geht auf die Motive zu § 826 BGB (Mugdan II, S. 406 (Mot II S. 727)) zurück; ausführlich dazu Sack/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 138 Rn. 14 ff. 618 Vgl. Blaurock, FS Bornkamm, 2014, S. 107, 117. 619 Dazu unter 3. Teil D. 620 Dazu unter 3. Teil E. II. 2. b) aa) (2). 621 Dazu im Einzelnen unter 3. Teil D. II. 3. e). 622 Zum selben Ergebnis gelangt mit ganz ähnlichen Erwägungen Blaurock, FS Bornkamm, 2014, S. 107, 117 ff.

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lich sind (z. B. Kurssicherungsgeschäfte)“. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der übrigen in die Untersuchung einbezogenen Versicherer fehlt ein entsprechender Ausschluss, sodass Spekulationsgeschäfte, vorbehaltlich des Vorliegens einer vorsätzlichen Pflichtverletzung,623 zu den versicherten Schadensursachen gehören.

IV. Inanspruchnahme der D&O-Versicherung Trotz dieses grundsätzlich weiten Schutzumfangs sind aus der Rechtspraxis erhebliche Klagen im Hinblick auf die Risikovorsorge durch Abschluss einer D&OVersicherung zu vernehmen. Die Anzahl der Fälle, in denen die Versicherung für den gegen einen Versicherten gerichteten Schadensersatzanspruch tatsächlich eintritt, bleibt anscheinend weit hinter der Zahl der gemeldeten Versicherungsfälle zurück. Bachmann bezieht sich in seinem Gutachten zum 70. Deutschen Juristentag auf eine Studie von Towers Perrin/Ihlas & Köberich mit dem Ergebnis, dass unter den Haftungsfällen der Befragten, in deren Rahmen eine D&O-Versicherung in Anspruch genommen werden sollte, lediglich 48 % der Fälle vom Versicherungsschutz sachlich erfasst waren. In 38 % der Fälle kam es zu einer Auseinandersetzung mit dem Versicherer, der sich entweder „gegen eine rasche Einigung sperrte“,624 auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen berief oder den Ausschlusstatbestand der wissentlichen Pflichtverletzung für sich in Anspruch nahm.625 Hopt zitiert insoweit das Handelsblatt, das wiederum unter Berufung auf Branchenexperten davon ausgeht, dass es lediglich in einem Viertel der Fälle zu einer Zahlung aus der D&O-Versicherung komme.626 Hemeling bezeichnete in seinem Referat zum 69. Deutschen Juristentag 2012 das „Haftungsexposure“ – das Risiko der Mitglieder des Vorstands, einer Haftung ausgesetzt zu sein – als „oberhalb des Selbstbehalts in hohem Maße unberechenbar“.627 Die möglichen Ursachen des Problems können im Rahmen dieser Untersuchung lediglich punktuell behandelt werden.628 In Betracht kommen zunächst die bereits erörterten Grenzen des Versicherungsschutzes einer D&O-Versicherung: die Deckungssumme sowie die Risiko623

Zu diesem Ausschlusstatbestand s. o. unter 3. Teil C. III. 1. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 15. Aus dem dortigen Zusammenhang ergibt sich, dass anscheinend vor allem die vergleichsweise Erledigung des Haftungsfalles gemeint sein soll. 625 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 15 bezieht sich auf Perrin Towers/Ihlas & Köberich, Directors & Officers Liability – Erste D&O-Versicherungsstudie Deutschland 2007. 626 Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801 unter Berufung auf Handelsblatt v. 10. 10. 2008, „Zehn Ausreden der D&O-Versicherer, um nicht zahlen zu müssen“, abzurufen unter http://www.han delsblatt.com/unternehmen/management/strategie/manager-versicherung-zehn-ausreden-derdundampo-versicherer-um-nicht-zahlen-zu-muessen/3034024.html, zuletzt abgerufen am 22. 01. 2015. 627 Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38. 628 Vertiefend Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491. 624

C. D&O-Versicherung

227

ausschlüsse, ferner die genannten Obliegenheitsverletzungen der Versicherungsnehmerin oder einer versicherten Person.629 Hinzu kommt eine Besonderheit der D&O-Versicherung gegenüber anderen Haftpflichtversicherungen: das sogenannte Claims made Prinzip, zu Deutsch Anspruchserhebungsprinzip.630 Versicherungsfall ist nicht die Pflichtverletzung oder die Schadensentstehung, sondern die erstmalige Geltendmachung eines vom Gegenstand der Versicherung erfassten Anspruchs gegen eine versicherte Person.631 Mithin muss diese in den Versicherungszeitraum fallen. Hintergrund dieses Prinzips ist die weitgehende632 Vermeidung der Unsicherheit, die sich aus dem Verstoßprinzip, d. h. der Anknüpfung an die Pflichtverletzung, ergeben würde. Eine solche Versicherung bärge angesichts der angenommenen Deckungssummen ein für den Versicherer nicht zu kalkulierendes Risiko einer Nachhaftung innerhalb der Verjährungsfrist der versicherten Ansprüche. Für einen Schaden, der sich aus über mehrere Jahre hinweg pflichtwidrigem Verhalten ergeben hat, müssten bei Geltung des Verstoßprinzips die Versicherungsbeträge sämtlicher dieser Jahre, dementsprechend möglicherweise mehrere Milliarden Euro, zur Verfügung gestellt werden. Dem begegnet das Claims made Prinzip, das, abgesehen von Nachmeldefristen, einen deutlich begrenzten Zeitraum, üblicherweise ein Jahr, in Höhe der vereinbarten Deckungssumme erfasst. Als Vorteil für die Versicherungsnehmerin erfasst das Claims made Prinzip grundsätzlich unbegrenzt Ansprüche aufgrund vor Versicherungsbeginn begangener Pflichtverletzungen.633 Aufgrund des üblichen Abschlusses von Jahrespolicen kann es dazu kommen, dass eine Pflichtverletzung, die von der im Zeitpunkt ihres Geschehens bestehenden D&O-Versicherung gedeckt gewesen wäre, bei Geltendmachung des Ersatzanspruchs unter einen Ausschlusstatbestand fällt. Dies kann beispielsweise vorkommen, wenn die Prämien ansonsten erheblich höher gewesen wären, weil in der Vergangenheit bereits gegen versicherte Personen aus demselben Sachverhalt Ansprüche geltend gemacht wurden.634 Obwohl das Claims made Prinzip nicht in 629 Zu den Obliegenheiten vgl. im Einzelnen GDV-AVB, Ziff. 7. Der Abschnitt nimmt immerhin etwa drei Seiten der insgesamt zehnseitigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein; dazu ausführlich Ihlas, D&O, S. 557 ff.; vgl. ferner § 47 VVG sowie Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 495. 630 Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 494 f.; Hendricks, AR 2012, 108; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801; Ihlas, D&O, S. 366 f., instruktiv der „D&osaurier“, ebd., S. 373 ff. 631 GDV-AVB, Ziff. 2: „Versicherungsfall ist die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen eine versicherte Person während der Dauer des Versicherungsvertrags. […]“. 632 Abgeschwächt durch Nachmeldefristen, dazu sogleich. 633 Zum Ganzen Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 494 f.; Ihlas, D&O, S. 366 f. 634 Vgl. dazu das Bsp. bei Hendricks, AR 2012, 108: Vorstandsmitglieder einer Bank verursachen durch die Vergabe von Krediten an insolvenzgefährdete Unternehmen einen Schaden innerhalb des Deckung einer D&O-Versicherung der Gesellschaft. Entsprechende Ansprüche werden vom Aufsichtsrat am Ende des Versicherungsjahres erhoben. Für den Versicherungsvertrag des Folgejahres wird ein Ausschluss von Ansprüchen aufgrund dieses Sachverhalts vereinbart. Als der Aufsichtsrat namens der Gesellschaft die Vorstandsmitglieder

228

3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

„Reinform“ praktiziert wird, sondern Nachmeldefristen vorgesehen werden können,635 ergeben sich aus der Anknüpfung an die Anspruchserhebung gewisse Tücken, die am Beispiel der GDV-Musterbedingungen verdeutlicht werden sollen. Diese sehen unter Ziff. 3.1 eine Rückwärtsdeckung636 nur für solche Pflichtverletzungen vor, die weder der Versicherungsnehmerin nebst Tochtergesellschaften noch der versicherten Person bekannt waren, wobei darunter bereits das Erkennen als „auch nur möglicherweise“ „objektiv fehlsam“ oder die ihnen gegenüber erfolgte Bezeichnung als „auch nur bedingt“ fehlsam, unabhängig von einer auch nur bestehenden Befürchtung von Schadensersatzansprüchen verstanden wird. Der Begriff der Kenntnis ist also denkbar weit. Am „anderen Ende“ des Versicherungszeitraums steht eine Nachmeldefrist, deren Dauer individuell zu vereinbaren ist und die gegebenenfalls gegen weitere Zahlung verlängert werden kann.637 Die Nachmeldefrist sowie die entsprechende Verlängerungsoption gelten nicht im Insolvenzfall. Ferner entfällt die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Nachmeldefrist, „wenn nach Beendigung [des laufenden] Vertrages eine anderweitige Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für Unternehmensleiter abgeschlossen worden ist.“638 Dies wiederum wird durch Ziff. 3.3 der Musterbedingungen, die sogenannte Umstandsmeldung, auch als Notice of Circumstance bezeichnet, etwas abgeschwächt.639 Demnach haben die versicherten Personen die Möglichkeit, den aus dem Wegfall der Nachmeldefrist durch eine Folgeversicherung entstehenden Haftungslücken zu entgehen, indem sie „dem Versicherer während der Laufzeit des Vertrages konkrete Umstände melden, die eine Inanspruchnahme der versicherten Person hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen.“ Dann gilt eine später, innerhalb einer zu vereinbarenden Frist, erfolgte Inanspruchnahme als im Zeitpunkt dieser Meldung erfolgt.640 Inwieweit sich aus dem extrem weiten Kenntnisbegriff der Rückwärtsdeckung und dem Erfordernis konkreter Umstände für eine Notice of Circumstance in Anspruch nimmt, verkünden diese den Mitgliedern des Aufsichtsrats den Streit. Versicherungsfall ist hier die Streitverkündung, ein Versicherungsschutz der Aufsichtsratsmitglieder besteht demnach nicht. 635 Vgl. Hemeling, FS-Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 495; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804. 636 Deckung für Ansprüche, die innerhalb des Versicherungszeitraums geltend gemacht werden, sich aber auf Pflichtverletzungen vor Vertragsbeginn beziehen. 637 Dazu GDV-AVB, Ziff. 3.2, der Zeitraum der Nachmeldefrist ist mit „…“ freigelassen; Hendricks, AR 2012, 108, nennt in seinem Bsp. eine solche Frist von 10 Jahren. Daten zu üblichen Vereinbarungen sind auch hier spärlich. Ihlas, D&O, S. 384, nennt in Abhängigkeit von Markt und Risikoumfang Fristen von drei Monaten bis zu fünf Jahren. 638 Diese Klausel bildet in dem Bsp. bei Hendricks, AR 2012, 108 den entscheidenden Fallstrick für die Mitglieder des Aufsichtsrats. 639 Dazu Ihlas, D&O, S. 370 ff. (zu den GDV-AVB vom Mai 2008, die gegenüber den hier untersuchten höhere Anforderungen an die „Umstände“ stellen). 640 Zum Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren anschaulich der „D&osaurier“ bei Ihlas, D&O, S. 373 ff.; zu den genannten Klauseln unter dem Gesichtspunkt des Bestehens des Claims made Prinzips vor der AGB-Kontrolle des § 307 Abs. 2 S. 2 BGB: OLG München, Urt. v. 08. 05. 2009 – 25 U 5136/08, NZG 2009, 714.

C. D&O-Versicherung

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weitere Deckungslücken ergeben, bleibt unklar. Zweifel an einem lückenlosen Anschluss beider Begriffe erscheinen aber dem Wortlaut nach angebracht. Aufgrund der dargestellten Bedingungen ist die Gesellschaft zur Vermeidung von Haftungslücken prinzipiell gehalten, Pflichtverletzungen jeweils unmittelbar innerhalb des Versicherungsjahres zu verfolgen; problematisch ist hierbei, dass sie auf die Geltendmachung von Ansprüchen Dritter gegen versicherte Personen keinen Einfluss hat. Bereits aus diesem angesichts der Komplexität solcher Versicherungen in der Praxis641 vergleichsweise knappen Anriss der Probleme bei Inanspruchnahme einer D&O-Versicherung lässt sich absehen, dass der Weg von der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied bis zur Auszahlung durch den Versicherer keineswegs in dieser Form geradlinig vorgezeichnet ist, sondern im Gegenteil mit erheblichen Unwägbarkeiten und dementsprechenden Unsicherheiten für die Versicherten verbunden sein kann.642 Festzuhalten bleibt, dass eine D&O-Versicherung mitnichten „Vollkasko-Deckung“643 bietet.

V. Fazit Trotz der aufgezeigten Schutzlücken erreicht der durch eine D&O-Versicherung zu gewährleistende Schutz der Vorstandsmitglieder vor Schadensersatzhaftung einen sachlich größeren Umfang als im Schrifttum weit überwiegend angenommen wird. Vorsätzliche Schadensverursachung und wissentliche Pflichtverletzungen sind zwar nach allen untersuchten Allgemeinen Versicherungsbedingungen vom Deckungsschutz ausgenommen. Beide Fallgruppen sind mangels Schutzbedürftigkeit der Vorstandsmitglieder aber im Hinblick auf die Frage einer Begrenzung der Vorstandshaftung nicht problematisch. Ebenfalls nicht von einer D&O-Versicherung gedeckt sind mangels Vorliegen eines Versicherungsfalls Geldbußen gegen Vorstandsmitglieder persönlich. Wenngleich von der Mehrzahl der untersuchten Bedingungen ausgeschlossen, ist der Regress der Gesellschaft wegen einer aufgrund der Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds gegen sie ergangenen Geldbuße keinesfalls absolut nicht versicherbar. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Gothaer und der R+V sind solche Ansprüche bereits aktuell vom Versicherungsschutz umfasst, Vertreter beider Unternehmen haben sich gegenüber der Verfasserin dahingehend geäußert, dass sich diesbezüglich aktuell wohl eine 641

Ihlas, D&O, S. 44, 56. Darauf weist insbesondere Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 508 mit Nachdruck hin; ferner Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 47 f. 643 So bezeichnet Schiel, AR 2013, 58 den Schutzumfang, mit dem Berater D&O-Versicherungspolicen in der Praxis bewerben würden. 642

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Trendwende in der Branche vollziehe,644 sodass mit einer Zurückdrängung der Ausschlüsse in diesem Punkt zu rechnen ist. Was bereits heute auch von den übrigen Versicherern individualvertraglich ausgehandelt wird, ist nicht bekannt.645 Beachtliche Einwände gegen die Versicherbarkeit solcher Regressansprüche aus rechtlichen Gründen sind nicht gegeben. Als Hinweis auf eine Tendenz zur Erweiterung des Versicherungsschutzes kann auch die Streichung der in der Vergangenheit in den GDV-Musterbedingungen enthaltenen Einschränkung des Versicherungsschutzes auf aufgrund „gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts“ bestehende Ansprüche Dritter auf Ersatz eines Vermögensschadens646 und des Erfordernisses einer „Initiierung“ durch die Hauptversammlung und gerichtlicher Geltendmachung als Voraussetzung der Deckung von Ansprüchen der Versicherungsnehmerin647 gedeutet werden.648 Angesichts der Höhe der insbesondere im Kartellrecht auf europäischer Ebene verhängten Geldbußen, stellen sich freilich Versicherungshöchstgrenzen als problematisch dar. Ohne gesicherte Daten zur Höhe üblicher Deckungssummen bei D&O-Versicherungen lässt sich die Dimension der sich daraus ergebenden Schutzlücke nur abschätzen. Angesichts der im Schrifttum überwiegend entgegen der hier vertretenen Auffassung verneinten Versicherbarkeit des Regresses wegen solcher Geldbußen, sind die dort gezogenen Schlüsse und gestellten Forderungen, wenngleich mit der gebotenen Vorsicht, im Lichte der gefundenen Ergebnisse gegebenenfalls abweichend zu bewerten. Nach dem Gesagten kann jedenfalls ein über das Maß Null hinausgehender Versicherungsschutz gewährleistet werden, der in der Abwägung der Argumente für und wider eine Begrenzung der Vorstandshaftung zu berücksichtigen ist. Insbesondere der kategorische Vorwurf, die Schadensersatzfolge hindere jegliche Kooperation der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in (kartellrechtlichen) Ordnungswidrigkeitenverfahren, kann angesichts der versicherungstatsächlichen Lage, dennoch, abgesehen von Fällen trotz Mitwirkung zu erwartender Bußgelder außerhalb eines versicherbaren Rahmens, so nicht stehen gelassen werden. Dies gilt auch im Hinblick auf die Ergebnisse einer Vorteilsausgleichung.649

644

Krit. gegenüber der Entwicklung in einigen Bereichen Schiel, AR 2013, 58, 60. Auf erhebliche Abänderungen der AVB durch individuelle Vereinbarungen weist auch Sieg, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 15 Rn. 10 hin. 646 So noch GDV-Musterbedingungen, Stand: Mai 2011, Ziff. 1.1; der Verf. freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. 647 GDV-Musterbedingungen, Stand: Mai 2011, Ziff. 1.3. 648 Diese Entwicklungen fehlen bei Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, u. a. S. 188 f., der in seiner 2014 veröffentlichten Dissertation aus unerfindlichen Gründen die GDV-Musterbedingungen Stand Mai 2011 zugrunde legt. s. ebd. S. 184 Fn. 522. 649 Dazu sogleich unter 3. Teil D. 645

D. Vorteilsausgleichung

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Die Probleme im Rahmen der Inanspruchnahme der D&O-Versicherung sind und bleiben freilich ein Unsicherheitsfaktor, der den Umfang des Versicherungsschutzes als Sicherheit in tatsächlicher Hinsicht für die Vorstandsmitglieder nicht unerheblich relativiert.

D. Vorteilsausgleichung Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder bringen der Gesellschaft nicht notwendig und ausschließlich Verluste, sondern können daneben auch ursächlich für den Zufluss von Vermögensvorteilen sein. Als derart „vorteilsträchtige“ Pflichtverletzungen kommen neben unternehmerischen Entscheidungen, denen mangels Vorliegens der übrigen Tatbestandsmerkmale des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG der „sichere Hafen“ verschlossen bleibt, vor allem Verletzungen der Legalitätspflicht, darunter zum einen Satzungsverstöße wie Geschäfte unter Überschreitung des Unternehmensgegenstands650 und zum anderen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten wie die Errichtung eines verbotenen Kartells, unlauterer Wettbewerb und Schmiergeldzahlungen651 in Betracht.652 Es stellt sich hier die Frage, ob sich in einem solchen Fall das von der Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommene Vorstandsmitglied auf die gleichfalls aufgrund seiner Pflichtverletzung entstandenen Vermögensvorteile mit anspruchsmindernder Wirkung berufen kann. Ferner ist zu klären, inwieweit sich Gewinnabschöpfungsmaßnahmen als Folge von Rechtsverstößen der Gesellschaft auf deren Schadensersatzanspruch gegen beteiligte Vorstandsmitglieder auswirken.

I. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung Voraussetzung eines Ersatzanspruchs aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG ist ein Schaden der Gesellschaft. Die Schadensermittlung erfolgt nach den Grundsätzen des allgemeinen Zivilrechts, §§ 249 ff. BGB.653 Maßgeblich ist demnach die Differenzhy650 So in der „Hypothekenbank“-Entscheidung des BGH, Urt. v. 15. 01. 2013 – II ZR 90/11, DB 2013, 507. 651 Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 843 unter Verweis auf die Siemens-Korruptionsaffäre. 652 Zur Schadensqualität von Vermögensnachteilen durch eine Bußgeldverpflichtung s. die Nachweise in Fn. 870. 653 H.M., BGH DB 2013, 507 Rn. 21; OLG Düsseldorf, AG 1997, 231, 237; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 272; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 65; Fleischer, DStR 2009, 1204, 1205 ff.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 222; Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 713, 736; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 171; Hopt/Roth, in: Groß-

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

pothese, nach der ein Schaden die Differenz zwischen dem hypothetischen Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis und dem real gegebenen Vermögensstand ist.654 Davon ausgehend stellt sich im Schadensersatzrecht grundsätzlich die unter wertenden Gesichtspunkten zu beantwortende Frage, ob Vermögensvorteile, die dem Geschädigten im Zusammenhang mit dem Schadensereignis entstanden sind, zugunsten des Schädigers als schadensmindernd berücksichtigt werden dürfen.655 Ein Vorteil in diesem Sinne kann auch darin liegen, dass ein andernfalls eingetretener Verlust durch das schädigende Ereignis verhindert wurde.656 Ob der Schaden durch den korrespondierenden Vorteil von vornherein nicht entsteht oder ein entstandener Schaden zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgeglichen wird, ist für die Frage der schadensmindernden Berücksichtigung dieses Vorteils ohne Bedeutung.657 Die Anrechnung eines solchen im Zusammenhang mit einer Schädigung erlangten Vorteils auf einen Schadensersatzanspruch setzt neben einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der Erlangung des Vorteils voraus, dass dessen Berücksichtigung dem Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht, nicht zu einer unangemessenen Entlastung des Schädigers führt und dem KommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 406, 409; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 22; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 252; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 47; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 34; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 211; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 30; für einen eigenständigen Schadensbegriff, nach dem Schaden i.S.d. § 93 AktG nur eine Vermögensminderung ist, für die Anhaltspunkte bestehen, dass sie durch Pflichtwidrigkeit eines Organmitglieds verursacht wurde Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 59; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, S. 204 Fn. 36; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 28. Die Unterscheidung ist insgesamt von eher theoretischer, für die vorliegende Untersuchung ohne, Bedeutung; grundlegend zu dem an den Zwecken des Vermögenssubjekts orientierten Schadensbegriff Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, S. 128 ff., 165 ff. 654 Grundlegend Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, passim., zur Def. S. 3: „Unter dem Interesse in seiner technischen Bedeutung verstehen wir nämlich die Differenz zwischen dem Betrage des Vermögens einer Person, wie derselbe in einem gegebenen Zeitpunkte ist, und dem Betrage, welchen dieses Vermögen ohne die Dazwischenkunft eines bestimmten beschädigenden Ereignisses in dem zur Frage stehenden Zeitpunkte haben würde“; s. ferner BGH, st. Rspr., BGHZ 75, 366, 371; 86, 128, 130; 98, 212, 217; 99, 182, 186; BGH DB 2013, 507 Rn. 21 („Hypothekenbank“); ZIP 2011, 529 Rn. 8; NJW 2000, 2669, 2670; 1985, 128; ferner Thiele, AcP 167 (1967), 193, 194 ff.; Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 18; Lange/Schiemann, § 1 I. (S. 27 f.), III. 4. (S. 43 f.). 655 Lange/Schiemann, § 9 I. (S. 486 ff.); Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 228; Schiemann, in: Staudinger (2005), § 249 Rn. 132; Schubert, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 03. 2011, § 249 Rn. 107; der Gesetzgeber des BGB hat die Entscheidung dieser Frage Wissenschaft und Praxis überlassen wollen, s. Mugdan II, S. 10 (Mot II, S. 19). 656 Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 229; Schubert, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 03. 2011, § 249 Rn. 110. Lange/Schiemann, § 9 I. 2. (S. 487) wollen dagegen die Ersparnis von Aufwendungen unmittelbar der Schadensberechnung zuordnen. 657 Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 230.

D. Vorteilsausgleichung

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Geschädigten zumutbar ist.658 Ausgangspunkt einer solchen Anrechnung ist zunächst nicht der Gesamtsaldo des Vermögens mit und ohne das schädigende Ereignis, sondern der einzelne Schadensposten, dem der anzurechnende Vorteil korrespondierend – kongruent – gegenüberstehen,659 ihm „seiner Art nach entsprechen“660 und mit ihm „in einem unlösbaren Zusammenhang stehen [muss], der beide, Vorteil und Nachteil, zu einer Rechnungseinheit im Rahmen der Schadensfeststellung verbindet“.661

II. Anwendbarkeit der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf Ansprüche aus § 93 AktG 1. Meinungsstand Die Anwendbarkeit der Grundsätze der Vorteilsausgleichung im Rahmen der aktienrechtlichen Vorstandshaftung ist umstritten. In den Entscheidungen „Ision“662 und „Hypothekenbank“663 hat der BGH ohne erkennbare Einschränkungen, im „Ision“-Fall sogar bei Verwirklichung einer der „Todsünden“664 des § 93 Abs. 3 AktG, die Möglichkeit einer Anrechnung aufgrund der Pflichtwidrigkeit erwachsener Vorteile auf den Ersatzanspruch der Gesellschaft bejaht.665 Auch im Schrifttum werden die Grundsätze der Vorteilsausgleichung überwiegend für anwendbar gehalten.666 Einige Literaturvertreter lehnen unter Hinweis auf drohende Einbußen an 658 St. Rspr., BGHZ 8, 325, 329; 10, 107, 108; 30, 29, 32 f.; 49, 56, 62; 54, 269, 272; 77, 151, 153 f.; 81, 271, 275; 91, 206, 209 f.; 136, 52, 54 f.; BGH NJW 1977, 1819; NJW 1990, 1360; NJW-RR 2002, 905, 906; NZG 2006, 186; NJW 2010, 675; NZG 2010, 1029; Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 233 ff.; Schubert, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 03. 2011, § 249 Rn. 108. 659 Schiemann, in: Staudinger (2005), § 249 Rn. 144; Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 277. 660 Lange/Schiemann, § 9 III. 12. (S. 501). 661 Thiele, AcP 167 (1967), 193, 202; im Anschluss daran BGHZ 77, 151, 154; 91, 206, 210; 136, 52, 54; BGH NJW 1979, 760; 1983, 2137, 2138; 1990, 1360. 662 BGH, Urt. v. 20. 09. 2011 – II ZR 234/09, DB 2011, 2484. 663 BGH, Urt. v. 15. 01. 2013 – II ZR 90/11, DB 2013, 507. 664 Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 68. 665 BGH DB 2011, 2484 Rn. 31; BGH DB 2013, 507 Rn. 26 f.; ähnl. bereits RGZ 159, 211, 230. 666 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 273 ff.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 57 ff.; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 33 f.; ders., FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 440; Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 94; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 703 f.; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 56 ff.; Bicker, AG 2014, 8, 13; Glöckner/MüllerTautphaeus, AG 2001, 344, 346; Fleischer, BB 2008, 1070, 1073; ders., DStR 2009, 1204, 1207; ders. DB 2014, 345, 350; ders., ZIP 2014, 1305, 1307; M. Zimmermann, WM 2008, 433,

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

der Präventionswirkung der Schadensersatzpflicht eine Anrechnung erzielter Vorteile, teilweise begrenzt auf Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Legalitätspflicht der Vorstandsmitglieder,667 als mit den Zwecken des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG unvereinbar ab.668 Für die Beurteilung der Frage der Anrechenbarkeit von Vorteilen, die der Gesellschaft im Zusammenhang mit einer Verletzung der Legalitätspflicht ihrer Vorstandsmitglieder entstanden sind, ist zunächst festzustellen, ob diese im Vermögen der Gesellschaft verblieben oder dieser durch ordnungswidrigkeiten- und strafrechtliche Mechanismen, die der Vorteils- oder Gewinnabschöpfung dienen, wieder entzogen worden sind. 2. Aus dem Gesellschaftsvermögen abgeschöpfte Vorteile Im Ergebnis herrscht Einigkeit darüber, dass die Gesellschaft weder von ihren Vorstandsmitgliedern Ersatz für aufgrund eines Rechtsverstoßes erlangte Vorteile, die ihr durch eine Abschöpfungsmaßnahme wieder entzogen wurden, verlangen kann,669 noch diese sich auf abgeschöpfte Vorteile als schadensmindernd berufen können.670 439; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 108 f.; Kapp/ Gärtner, CCZ 2009, 168, 170; Kocher, CCZ 2009, 215, 218 f.; Werner, CCZ 2010, 143, 145 f.; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 35 ff.; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 49; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 256 ff.; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 30; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 411; Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 205a. 667 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 171, 92; ähnl. differenzierend Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 15a, der eine Vorteilsausgleichung bei Schmiergeldzahlungen ablehnt; tendenziell auch Thole, ZHR 173 (2009), 504, 530, der die Vorteilsausgleichung bei Legalitätspflichtverletzungen nur dort ausschließen will, wo die verletzte Rechtspflicht der Gesellschaft einem „qualifizierten öffentlichen Interesse dient“. 668 Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 425 f.; zwar am Bsp. von Schmiergeldzahlungen, in der Begründung aber nicht auf Legalitätspflichtverstöße begrenzt, Lohse, FS Hüffer, 2010, S. 581, 597; für den Gewinnabschöpfungsanteil von Geldbußen auch Paefgen, AG 2014, 554, 570; am Bsp. von Kartellbußgeldern, unklar, ob hierauf begrenzt, Säcker, WuW 2009, 362, 368. 669 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 172; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 419; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 34; Fleischer, DB 2014, 345, 348; ders., ZIP 2014, 1305, 1307; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 703; Krause, BBBeilage 2007, Nr. 007, 2, 13; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 626 Fn. 30; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 277; Werner, CCZ 2010, 143, 145; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 108. 670 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 277; Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 440; Bicker, AG 2014, 8, 13; Fleischer, ZIP 2005, 141, 152; Paefgen, AG 2014, 554, 570; anders, aufgrund der Behandlung der gesamten Problematik unter dem Stichwort der Vorteilsausgleichung aber ohne

D. Vorteilsausgleichung

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a) Gewinn- bzw. Vorteilsabschöpfung als Folge von Rechtsverstößen der Gesellschaft Das Straf- und das Ordnungswidrigkeitenrecht sehen neben Mechanismen, die allein der Ahndung eines Rechtsverstoßes dienen, auch solche zur Abschöpfung widerrechtlich erwirtschafteter Gewinne oder sonst erlangter Vorteile vor.671 Mit der Verhängung einer Kartellgeldbuße kann neben einer Ahndung des ordnungswidrigen Verhaltens auch der aus dem Wettbewerbsverstoß erzielte wirtschaftliche Vorteil bei dem Unternehmen abgeschöpft werden.672 Subsidiär kommt eine Gewinnabschöpfung nach § 34 GWB in Betracht. Während es sich im Kartellbußgeldrecht bei dem Verweis auf § 17 Abs. 4 OWiG, wonach bei der Festsetzung der Geldbuße ein aus der Ordnungswidrigkeit gezogener wirtschaftlicher Vorteil des Täters in der Weise zu berücksichtigen ist, dass die Höhe des Bußgelds die des wirtschaftlichen Vorteils übersteigen soll, wozu auch ein gesetzliches Höchstmaß überschritten werden kann, um eine Ermessensvorschrift handelt,673 „soll“ im allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrecht gemäß § 17 Abs. 4 OWiG der aus der Ordnungswidrigkeit erlangte wirtschaftliche Vorteil die Untergrenze der Bußgeldhöhe bilden, mithin eine vollständige Gewinnabschöpfung vorgenommen werden. § 10 UWG sieht für Gewinne aus nach § 3 oder § 7 UWG unzulässigen Handlungen die Möglichkeit einer Abschöpfung vor. Im Strafrecht ist die Anordnung des Verfalls (§ 73 StGB) beziehungsweise Wertersatzverfalls (§ 73a StGB) vorbehaltlich der Härtevorschrift des § 73c StGB zwingende Folge des Erlangens eines unmittelbaren Vermögensvorteils für eine oder aus einer Straftat. Die Einziehung kann unter den Voraussetzungen des § 74 StGB angeordnet werden, dürfte aber in dem für die vorliegende Untersuchung interessierenden Zusammenhang kaum von Bedeutung sein.674 b) Kein Schaden der Gesellschaft durch Maßnahmen zur Gewinn- oder Vorteilsabschöpfung Zunächst bewirkt die Verfügung einer der genannten Maßnahmen gegenüber der Gesellschaft den Wegfall der abgeschöpften Vorteile aus ihrem Vermögen. Auswirkungen auf die Ergebnisse Werner, CCZ 2010, 143, 145; Wilsing, in: Krieger/ U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 37. 671 Ein ähnl. Überblick findet sich bei Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 276 f. 672 § 81 Abs. 5 GWB i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG. 673 „Kann“ in § 81 Abs. 5 S. 1 GWB. Dementsprechend sind, wie sich aus dessen S. 2 ergibt, auch Geldbußen mit reinem Ahndungszweck zulässig; s. dazu Begr. RegE 7. GWB-Novelle v. 12. 08. 2004, BT-Drs. 15/3640, S. 42; Cramer/Pananis, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, KartR, 2. Aufl. 2009, § 81 Rn. 71. 674 Zu den einziehungsfähigen Gegenständen s. Eser, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 74 Rn. 6 ff.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Zwar handelt es sich bei einer Maßnahme zur Vorteilsabschöpfung, soweit das diese veranlassende Verhalten der Gesellschaft zugleich eine Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder im Innenverhältnis begründet, um eine kausal auf diese zurückzuführende Vermögenseinbuße. Ein ersatzfähiger Schaden im Sinne der Differenzhypothese liegt indes nicht vor.675 Auf die Voraussetzungen der Grundsätze der Vorteilsausgleichung kommt es nicht an. aa) Unterschiedliche Kausalverläufe in den Anwendungsfällen der Vorteilsausgleichung gegenüber einer Vermögensminderung durch Maßnahmen zur Vorteilsentziehung Das Hinwegdenken der Pflichtverletzung führt zwar zum Entfallen der Vorteilsabschöpfung.676 Notwendiger Zwischenschritt ist aber die Entstehung eines widerrechtlichen Vorteils als Voraussetzung einer Abschöpfung. Es ist mithin nicht nur die Pflichtverletzung für die Vermögenseinbuße und den Vorteil kausal, sondern darüber hinaus der Vorteil für die Vermögenseinbuße. Hierin liegt ein erheblicher Unterschied zu den Anwendungsfällen der Grundsätze der Vorteilsausgleichung. Die dort diskutierten Fallgruppen zeichnen sich dadurch aus, dass entweder eine Kausalbeziehung lediglich zwischen Pflichtverletzung und Vorteil sowie Pflichtverletzung und Nachteil gegeben ist, während Vorund Nachteil lediglich rechnerisch verbunden sind,677 oder aber nur der Nachteil für den Vorteil ursächlich ist.678 Dagegen ist im Fall einer Vorteilsabschöpfung umgekehrt der Vorteil in Gestalt eines illegalen Vermögenszuwachses kausal für den Nachteil in Gestalt der Vorteilsabschöpfung und überdies aus der Natur der Sache die zeitliche Reihenfolge von Vor- und Nachteil zwingend vorgegeben.679 675 Ebenso i.Erg. LAG Düsseldorf, VersR 2015, 629, 633; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 172; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 34; Fleischer, DB 2014, 345, 348; ders., ZIP 2014, 1305, 1307; Krause, BB-Beilage 2007, Nr. 007, 2, 13; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 626 Fn. 30; Werner, CCZ 2010, 143, 145; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 108; a.A. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 40 f., der die bloße Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Vorteilsabschöpfung genügen lassen will, abgesehen von der unterschiedlichen Beweislast aber im Wege der Vorteilsausgleichung zu wirtschaftlich mit dem hiesigen identischen Ergebnissen gelangt. 676 Darauf stellt Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 41 zur Begründung eines grundsätzlich ersatzfähigen Schadens entscheidend ab. 677 Bsp.: Eine Geldanlage, deren Abschluss eine Pflichtverletzung begründete, bringt sowohl Gewinne als auch Verluste. 678 Bsp.: Begründung der Einstandspflicht eines Versicherers. 679 Vgl. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 703, die aber die Gewinnabschöpfung als Frage der Vorteilsausgleichung behandeln; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 419.

D. Vorteilsausgleichung

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Eine zwingende zeitliche Abfolge der Entstehung eines Vor- und Nachteils ist freilich auch bei der Inanspruchnahme einer Versicherung gegeben, die zunächst den in der Nachteilszufügung bestehenden Versicherungsfall voraussetzt. Dabei handelt es sich aber um einen Fall des für einen späteren Vorteil kausalen früheren Nachteils. Der umgekehrte Fall eines früheren Vorteils, der ursächlich für einen späteren Nachteil ist, liegt anders. Der Nachteil kann in den hier interessierenden Fällen rechtlicher Maßnahmen zur Entziehung widerrechtlich erlangter Vermögensvorteile denknotwendig nicht ohne den entsprechenden Vorteil entstanden sein, sodass dessen Berücksichtigung keine Frage der Vorteilsausgleichung, sondern der Schadensberechnung ist.680 bb) Die Nachteilszufügung als in der widerrechtlichen Vorteilserlangung angelegte „Belastung“ Handelt es sich bei dem Nachteil, wie hier, um eine von Rechts wegen angeordnete Vorteilsabschöpfung, sei es in Gestalt eines Drittanspruchs, einer strafrechtlichen Maßnahme oder einer Geldbuße, mithin um eine kausale Folge eines zwingend zeitlich vorgelagerten Vorteils, ist der spätere Nachteil in dem Vorteil bereits angelegt. In den Fällen der Abschöpfung eines rechtswidrig erlangten Vermögensvorteils handelt es sich nicht um eine für die Schadensberechnung irrelevante tatsächliche besondere Schadensneigung681 des geschädigten Vermögens, sondern um eine rechtliche „Schadensneigung“, die treffender mit dem Begriff der „Belastung“ zu beschreiben ist. Indem namentlich das Kartell-, das Wettbewerbs- und das Strafrecht festlegen, dass die Rechtsordnung auf bestimmte Art und Weise erlangte Vermögensvorteile nicht in dem begünstigten Vermögen belassen will und entsprechende Mechanismen für deren Umverteilung vorsehen, haftet derart entstandenen Vermögensvorteilen bereits im Entstehungszeitpunkt die Gefahr an, dass sie später aufgrund einer Vorteilsabschöpfung dem begünstigten Vermögen wieder verlustig gehen können. Auch darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den bekannten Anwendungsfällen der Vorteilsausgleichung, in denen der Gegenstand, an dem der Nachteil eingetreten ist, zunächst intakt im Vermögen des Geschädigten vorhanden und nicht von Rechts wegen mit einem bestimmten, bereits bei seiner Entstehung angelegten und unter der theoretischen Bedingung idealer Rechtsdurchsetzung absoluten Verlustrisiko behaftet war. Dementsprechend handelt es sich bei aus dem Vermögen der Gesellschaft abgeschöpften rechtswidrigen Vermögensvorteilen bereits nicht um einen durch die 680 Vgl. Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; ähnl. grenzen Lange/Schiemann, § 9 I. 2. (S. 487) allgemein zwischen Schadensberechnung und Vorteilsausgleichung ab: Der Schadensberechnung sei „alles zuzuordnen, was den Schaden als von vornherein nicht oder nur in bestimmter Höhe entstanden erscheinen läßt.“. 681 Zu deren Unbeachtlichkeit st. Rspr. RGZ 6, 1; BGHZ 20, 137, 139; 107, 359, 363; Schiemann, in: Staudinger (2005), § 249 Rn. 32; Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 138 ff. Weitere Nachweise in Fn. 1165.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Vorstandsmitglieder, deren Pflichtverletzung ursächlich für den illegalen Gewinn und damit auch dessen spätere Abschöpfung war, zu ersetzenden Schaden. Die von einer solchen Maßnahme betroffenen Vermögensvorteile der Gesellschaft standen dieser, wie dargestellt, von Rechts wegen zu keinem Zeitpunkt in einer nicht der Vorteilsabschöpfung zugänglichen Form, mithin „unbelastet“, zu. In der Realisierung dieser Belastung unter Geltung derselben Rechtsordnung einen ersatzfähigen Schaden zu sehen wäre systematisch widersprüchlich und führte zudem zu einer ungerechtfertigten Besserstellung der Gesellschaft gegenüber anderen Vermögensträgern, die ohne Zwischenschaltung eines Vertretungsorgans einen „belasteten“ Vermögensvorteil erlangt haben. cc) Sinn und Zweck der rechtlichen Mechanismen zur Vorteilsentziehung Daneben wird im Schrifttum auf Sinn und Zweck der Vorteilsabschöpfungsmechanismen hingewiesen, die der Beseitigung eines widerrechtlich erlangten Vorteils bei dem Bereicherten dienten, sodass der Verlust bei der Gesellschaft verbleiben müsse.682 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Ordnungswidrigkeiten- und strafrechtliche Maßnahmen, die gewährleisten sollen, dass ein wirtschaftlicher Erlös einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit nicht dauerhaft im Vermögen des Täters verbleibt, verfolgen nicht nur spezial- und generalpräventive Zwecke.683 Ihnen liegt darüber hinaus ein „quasi-kondiktioneller“684 Gedanke zugrunde, wonach die Gesellschaft einen widerrechtlich erlangten Vermögensvorteil nicht auf Dauer behalten dürfen soll.685 Daher sprechen beim Vorliegen von Maßnahmen, die der Abschöpfung widerrechtlich erlangter Vorteile dienen, auch öffentlich-rechtliche Wertungen für einen Verbleib der wirtschaftlichen Belastung in dem Vermögen, aus dem die Ab-

682 Werner, CCZ 2010, 143, 146; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56. 683 Cramer/Pananis, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, KartR, 2. Aufl. 2009, § 81 Rn. 70; Mitsch, in: KarlsruherKomm OWiG, 4. Aufl. 2014, § 17 Rn. 113; Heuchemer, in: v. Heintschel-Heinegg StGB, 25. Ed., 10. 11. 2014, § 73 Rn. 1; ausführlich zu den Zwecken von Einziehung und Verfall Eser, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, Vorbemerkungen zu den §§ 73 – 76a Rn. 13 ff. 684 Eser, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, Vorbemerkungen zu den §§ 73 – 76a Rn. 18 (zum Verfall); Heuchemer, in: v. Heintschel-Heinegg StGB, 25. Ed., 10. 11. 2014, § 73 Rn. 1; Krause, BB-Beilage 2007, Nr. 007, 2, 13: „kondiktionsrechtlich“; gleichsinnig RGSt 53, 89, 92: „Konfiskationsanspruch“ „nach Art der im bürgerlichen Recht aus ungerechtfertigter Bereicherung […] gewährten Forderungsrechte“. 685 RGSt 53, 89, 92 (zur Einziehung); Cramer/Pananis, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, KartR, 2. Aufl. 2009, § 81 Rn. 70; Achenbach, in: FK KartR, Lfg. 61, Okt. 2006, § 81 GWB Rn. 290; Mitsch, in: KarlsruherKomm OWiG, 4. Aufl. 2014, § 17 Rn. 113 (auf dessen Abs. 4 § 81 Abs. 5 GWB verweist); s. auch BVerfGE 110, 1 (Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls nach § 73d StGB).

D. Vorteilsausgleichung

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schöpfung erfolgt ist.686 Der schadensersatzrechtliche Befund kann daher auch im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung bestehen. dd) Zwischenfazit Sowohl aufgrund der notwendigen Kausalität nicht nur zwischen Pflichtverletzung und Nach- bzw. Vorteil für das betroffene Vermögen, sondern darüber hinaus des Vorteils für einen zwingend zeitlich nachfolgenden Nachteil, als auch aufgrund der rechtlichen „Vorbelastung“ der begünstigenden Vermögensposition mit der späteren Abschöpfung begründet die Entziehung von widerrechtlich erlangten Vermögensvorteilen der Gesellschaft durch gerade hierauf gerichtete Maßnahmen keinen ersatzfähigen Schaden.687 Dies bedeutet indes nicht, dass noch im Gesellschaftsvermögen vorhandene, nicht abgeschöpfte oder aus Rechtsgründen nicht abzuschöpfende widerrechtlich erlangte Vermögensvorteile der Gesellschaft nicht nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung entgegengehalten werden können. Abgesehen von der „Belastung“ mit der Möglichkeit der Abschöpfung handelt es sich um vollwertige Vermögenspositionen. Auf die Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf im Gesellschaftsvermögen noch vorhandene Vorteile ist zurückzukommen.688 ee) Keine Berufung der Vorstandsmitglieder auf bereits abgeschöpfte Vermögensvorteile als schadensmindernd Umgekehrt ist freilich auch eine Berufung der wegen weiterer Vermögenseinbußen der Gesellschaft in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder auf abgeschöpfte Vorteile ausgeschlossen. Eine Anrechnung würde eine doppelte „Abschöpfung“ bedeuten, die zu rechtfertigen keine Gründe ersichtlich sind.689 686 Ebenso Werner, CCZ 2010, 143, 146; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; a.A. Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 285, der die Regeln der Kartellrechts im Hinblick auf die wirtschaftliche Tragung einer Sanktion insgesamt als indifferent beurteilt; Paefgen, AG 2014, 554, 570, der eine Vorteilsausgleichung als „dem gesetzlichen Zweck, das mit der Buße belegte Verhalten zu sanktionieren direkt“ widersprechend bewertet. 687 So i.Erg. auch Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 277; Fleischer, DB 2014, 345, 348; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 419; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; a.A. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 40 f.; Paefgen, AG 2014, 554, 570, der sich auf dieselben Erwägungen stützt. 688 Sogleich unter 3. Teil D. II. 3. 689 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 277; Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 440; Bicker, AG 2014, 8, 13; Fleischer, ZIP 2005, 141, 152; Paefgen, AG 2014, 554, 570; anders, aufgrund der Behandlung der gesamten Problematik unter dem Stichwort der Vorteilsausgleichung aber ohne

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Bereits aufgrund diesem Zweck dienender Maßnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen abgeschöpfte Vorteile sind damit im Ergebnis schadensersatzrechtlich „neutral“. c) Kein widersprüchliches Verhalten der Gesellschaft durch Gewinneinbehalt und Schadensersatzbegehren Der Einwand, die Gesellschaft, die einerseits den Gewinn behalten, andererseits den Verlust aus der Abschöpfungsmaßnahme ersetzt verlangen wolle, verhalte sich widersprüchlich,690 trifft indes nicht das Problem. Rechtlich bedeutsames widersprüchliches Verhalten setzt die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit abweichenden Verhaltens voraus. Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Schaden der Gesellschaft vorliegt, ist ex lege zu beantworten. Auch in der Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatz ist die Gesellschaft nicht frei, insbesondere unterliegt sie dem Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, sodass sie eine „Anrechnung“ eines erlangten Vorteils grundsätzlich selbst nicht in rechtmäßiger Weise herbeiführen könnte. Die Möglichkeit abweichenden Verhaltens fehlt somit. Ein widersprüchliches Verhalten liegt nicht vor.691 d) Entgangene Gewinne als Schaden der Gesellschaft Zu betonen gilt es aber, dass zwar der Verlust aus einer Vorteilsabschöpfung aus den obigen Gründen als solcher keinen ersatzfähigen Schaden der Gesellschaft begründet. Ein solcher liegt aber nach allgemeinen Grundsätzen sehr wohl vor, soweit die Gesellschaft ohne die Pflichtverletzung aus rechtmäßigen Geschäften ebenfalls Gewinne erwirtschaftet hätte.692 Insoweit scheidet eine Berufung der Schadensersatzpflichtigen auf die durch Abschöpfung entzogenen Vorteile aus. 3. Im Gesellschaftsvermögen (noch) verbliebene Vorteile Im Gesellschaftsvermögen verbleibende Vorteile können sich bei Vorliegen eines Rechtsverstoßes der Gesellschaft zum einen ergeben, wenn die Abschöpfungsmechanismen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht sämtliche entstandene Vorteile erfassen oder für den konkreten Verstoß derartige Maßnahmen nicht in

Auswirkungen auf die Ergebnisse Werner, CCZ 2010, 143, 145; Wilsing, in: Krieger/ U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 37. 690 Fleischer, DB 2014, 345, 348. 691 So i.Erg. auch Fabisch, ZWeR 2013, 91, 101. 692 Dies betont auch Fleischer, DB 2014, 345, 348; zu entgangenem Gewinn als Schaden der Gesellschaft s. nur OLG Düsseldorf, AG 1997, 231, 237 f.; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 409.

D. Vorteilsausgleichung

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Betracht kommen.693 Zum anderen verbleiben alle aus einer Pflichtverletzung erwachsenen Vorteile bei der Gesellschaft, wenn diese nicht die Legalitätspflicht der Vorstandsmitglieder betrifft. In diesen Fällen stellt sich nun die Frage, ob diese Vorteile mindernd auf den Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG anzurechnen sind. Eine einheitliche Behandlung sämtlicher Vorteile unter der Überschrift der Vorteilsausgleichung, wie sie in der Literatur teilweise vorgenommen wird,694 kann insgesamt auf die nachfolgenden Erwägungen gestützt werden. a) Gesetzesbegründung des VorstAG Durch das VorstAG695 wurde an die Regelung der Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats in § 116 AktG der heutige Satz 3 angefügt,696 der die Schadensersatzpflicht der Aufsichtsratsmitglieder für die Festsetzung einer unangemessenen Vorstandsvergütung klarstellend hervorhebt.697 Der zugrunde liegende Gesetzentwurf hatte in Art. 1 Nr. 3 für § 116 AktG einen weiteren Satz 4 vorgesehen, nach dem bei Festsetzung einer unangemessenen Vergütung die Differenz zwischen der angemessenen und der zu hoch festgesetzten Vergütung als Mindestschaden zu ersetzen war.698 Dadurch sollte eine Anrechnung der Gesellschaft durch die unangemessen hohe 693 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 528 f.; Fleischer, DB 2014, 345, 350; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 277 f.; Bayer, FS K. Schmidt, 2007, S. 85, 94; M. Zimmermann, WM 2008, 433, 438; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 108 f. 694 So bei Werner, CCZ 2010, 143, 145; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 37; Bicker, AG 2014, 8, 13. Abweichende Ergebnisse sind damit, soweit, wenn auch die Verluste aus Vorteilsabschöpfung als Schäden qualifiziert werden, diesen auch bereits abgeschöpfte Vorteile entgegengehalten werden können, nicht verbunden. Problematisch allein Bicker, AG 2014, 8, 13, der anscheinend Kartellgeldbußen insgesamt als ersatzfähigen Schaden einordnet, dann aber eine Berufung der Vorstandsmitglieder auf abgeschöpfte Vorteile für ausgeschlossen hält. Im Ergebnis dürfte hiernach die Gesellschaft den Abschöpfungsbetrag vermittelt über den Schadensersatz wieder „behalten“. Unklar in dieser Hinsicht auch Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 258. 695 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung v. 31. 07. 2009, BGBl I 2009, S. 2509. 696 VorstAG, Art. 1 Nr. 3. 697 Zum deklaratorischen Charakter der Vorschrift Gesetzentwurf VorstAG der Fraktionen der CDU/CSU und SPD v. 17. 03. 2009, BT-Drs. 16/12278, S. 6 („[…] soll deutlicher gemacht werden, dass die angemessene Vergütungsfestsetzung zu den wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsrats gehört und dass er für Pflichtverstöße persönlich haftet. Dies ist den Betroffenen derzeit offenbar nicht ausreichend bewusst. […] Die vorgeschlagene Änderung hebt die Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats bei der Vergütungsfestsetzung […] besonders hervor.“, Hervorhebung durch die Verf.); Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723. 698 Gesetzentwurf VorstAG der Fraktionen der CDU/CSU und SPD v. 17. 03. 2009, BTDrs. 16/12278, S. 3, 6.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Vergütung des Vorstands erwachsener Vorteile auf den Schadensersatzanspruch ausgeschlossen werden.699 Aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wurde der Satz 4 in der Gesetz gewordenen Fassung des VorstAG mit der Begründung, dass zum einen der Begriff des Mindestschadens in der Entwurfsfassung dahingehend missverstanden werden könne, dass ein Schaden nicht Voraussetzung des Anspruchs der Gesellschaft sei, zum anderen der Ausschluss der Vorteilsausgleichung „lediglich die ohnehin bestehende Rechtslage des § 249 BGB“ wiederhole,700 ersatzlos gestrichen. Daraus könnte zu entnehmen sein, dass der Gesetzgeber im Rahmen der aktienrechtlichen Organhaftung, jedenfalls aber für Verstöße gegen § 87 AktG, die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung ausschließen wollte.701 Dies war zwar, wie die Entwurfsfassung zeigt, der Fall.702 Allerdings ist der vorgesehene § 116 S. 4 AktG gerade nicht Gesetz geworden. Die Streichung basierte zwar auf der, angesichts des Urteils des BGH 13. 06. 1983 – II ZR 212/81703 und des dargestellten Streitstands schon zum damaligen Zeitpunkt keinesfalls zweifelsfreien Annahme, eine Vorteilsausgleichung sei im Rahmen der aktienrechtlichen Organhaftung bereits nach allgemeinen Regeln ausgeschlossen. Gleichwohl wurde die Regelung nicht ins Gesetz übernommen, sodass lediglich eine Fehleinschätzung geltenden Rechts durch den Gesetzgeber, nicht aber der beachtliche Wille, die Vorteilsausgleichung auszuschließen, festzustellen ist. Die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung im Rahmen der Vorstandshaftung ist mithin weder für die Fälle des § 116 S. 3 AktG noch insgesamt ausgeschlossen.704 b) Vereinbarkeit mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Das aktienrechtliche Verzichts- und Vergleichsverbot würde durch die Anrechnung aufgrund der Pflichtverletzung erlangter Vorteile auf den Schadensersatzanspruch nicht berührt, da diese ohne Zutun der Gesellschaft als Schadensersatzgläubigerin vorzunehmen wäre, sodass weder ein Verzicht oder Vergleich vorliegt, noch aus teleologischen Gründen eine entsprechende Anwendung geboten ist.

699 Gesetzentwurf VorstAG der Fraktionen der CDU/CSU und SPD v. 17. 03. 2009, BTDrs. 16/12278, S. 6. 700 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 17. 06. 2009, BT-Drs. 16/ 13433, S. 12. 701 Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 724. 702 Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 731. 703 WM 1983, 957. 704 Ebenso Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 732.

D. Vorteilsausgleichung

243

c) Keine entgegenstehende Wertung aus § 93 Abs. 3 AktG Begründet ein Verstoß gegen die Tatbestände des § 93 Abs. 3 AktG die Haftpflicht eines Vorstandsmitglieds, ist anerkannt, dass bereits in dem Abfluss705 oder der Vorenthaltung der Mittel706 ein Schaden der Gesellschaft707 liegt, eine Gesamtbetrachtung des Gesellschaftsvermögens unter Berücksichtigung von Ansprüchen auf Rückzahlung oder Einlageleistung gegen Dritte mithin nicht stattfindet.708 Lediglich solche Vorteile, die der Gesellschaft in unmittelbarem Zusammenhang mit der Pflichtverletzung zugeflossen sind, sollen zugunsten des Schädigers bei der Bemessung der Höhe des Ersatzanspruchs zu berücksichtigen sein.709 Im Unterschied zur Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG hat im Rahmen der Sondertatbestände des Absatzes 3 das Vorstandsmitglied darzulegen und zu beweisen, dass ein Schaden der Gesellschaft nicht vorliegt.710 Allein daraus ergeben sich die Abweichungen im Hinblick auf die Anrechnung von Vorteilen. Nach den neueren Entscheidungen des BGH dürfte als gesichert gelten, dass sich aus § 93

705

§ 93 Abs. 3 Nr. 1 – 3 u. 5 – 9 AktG. § 93 Abs. 3 Nr. 4 AktG. 707 Nach h.M. handelt es sich bei den Sondertatbeständen des § 93 Abs. 3 AktG um einen Schadensersatzanspruch, dem lediglich ein eigenständiger Schadensbegriff zugrunde zu legen ist, BGH DB 2011, 2484 Rn. 12, 29; RGZ 159, 211, 228 ff.; OLG Frankfurt, AG 2005, 91, 94; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 221; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 68; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 44; Mertens/ Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 125; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 41; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 273; Dauner-Lieb, in: Henssler/ Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 40; a.A. Habersack/Schürnbrand, WM 2005, 957, 960 f. die § 93 Abs. 3 AktG als verschuldensabhängigen Folgenbeseitigungsanspruch einordnen. Daraus ergeben sich aber keine auf § 93 Abs. 2 S. 1 AktG im Sinne eines Ausschlusses der Vorteilsausgleichung zu übertragenden Wertungen, die unterschiedliche dogmatische Einordnung der Abs. 2 und 3 des § 93 AktG spricht im Gegenteil gerade hiergegen. 708 RGZ 159, 211, 230; BGH DB 2011, 2484 Rn. 29 („Ision“); BGH NJW 2009, 68 Rn. 17 (zu § 43 Abs. 3 GmbHG); OLG Düsseldorf, AG 2013, 171 Rn. 48; OLG Stuttgart, AG 2010, 133 f.; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 33; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 68; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 221; Mertens/ Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 134; Fleischer, in: HdbVorStR, 2006, § 7 Rn. 24. 709 RGZ 159, 211, 230; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 33; Marsch-Barner, ZHR 143 (2009), 723, 726; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 222; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 341; Fleischer, in: HdbVorStR, 2006, § 7 Rn. 24. 710 RGZ 159, 211, 230; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 343; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 185, 222; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 44; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 134; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 41; DaunerLieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 40; Fleischer, ZIP 2005, 141, 151. 706

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Abs. 3 AktG keine der Vorteilsanrechnung entgegenstehende Wertung entnehmen lässt.711 d) Versuch eines Rückgriffs auf anerkannte Fallgruppen Das vom BGH aufgestellte Erfordernis, die Anrechnung dem Geschädigten aufgrund des schädigenden Verhaltens zugeflossener Vorteile auf den Schadensersatzanspruch dürfe Sinn und Zweck der Ersatzpflicht nicht widersprechen, gewinnt für das allgemeine Schadensersatzrecht durch die Bildung von Fallgruppen seine wesentlichen Konturen. Daher bietet es sich an, zunächst unter Rückgriff auf diese anerkannten Anwendungsfälle der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auch für das aktienrechtliche Organhaftungsrecht Anhaltspunkte zu gewinnen.712 Unmittelbar unter eine der im allgemeinen Schadensersatzrecht anerkannten Fallgruppen lassen sich die hier untersuchten Konstellationen nicht subsumieren. Jene sind aber grob dergestalt einzuteilen, dass eine Anrechnung von Vorteilen regelmäßig dann versagt wird, wenn der Geschädigte vor oder nach dem Schadensereignis Maßnahmen zur Minderung seiner Vermögenseinbuße ergreift oder Dritte freiwillig Leistungen dieser Wirkung erbringen,713 während Vermögensvorteile, die dem Geschädigten ohne eigenes oder drittseitiges Zutun im Zusammenhang mit dem Schadensereignis entstehen, grundsätzlich anzurechnen sein sollen.714 711

Siehe insbesondere die „Ision“-Entscheidung des BGH DB 2011, 2484 Rn. 31; so bereits zuvor Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 33 f.; Marsch-Barner, ZHR 143 (2009), 723, 725 f.; anders Thole, ZHR 173 (2009), 504, 529. 712 Im Ansatz ebenso Thole, ZHR 173 (2009), 504, 526; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 278. 713 Darunter fallen u. a. die Fallgruppen freiwilliger Leistungen Dritter (BGHZ 10, 107; Lange/Schiemann, § 9 VII. (S. 519 f.); Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 251 f.; Schubert, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 03. 2011, § 249 Rn. 123); Leistungen Dritter aufgrund bereits vor dem Schadensereignis begründeter Verpflichtungen, sofern diese nicht auch dem Zweck der Entlastung des Schädigers dienen (BGHZ 10, 107; Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 254; Schubert, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 03. 2011, § 249 Rn. 124 ff.; vgl. auch § 843 Abs. 4 BGB, dazu Lange/Schiemann, § 9 VI. 1. (S. 515 ff.)); nach dem Schadenereignis begründeter Leistungspflichten Dritter (Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 253); Eigenleistungen des Geschädigten, sofern diese über den Inhalt der Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 BGB hinausgehen (Lange/Schiemann, § 9 V. 2. (S. 511); Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 273; Schubert, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 03. 2011, § 249 Rn. 117) jeweils m.w.N. 714 Lange/Schiemann, § 9 IV. 1. (S. 502); M. Zimmermann, WM 2008, 433, 439; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 526; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 278 f. Bsp.: ersparte Aufwendungen (Lange/ Schiemann, § 9 IV. 2. (S. 503); Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 241; Schubert, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 03. 2011, § 249 Rn. 137); Stammwert der Erbschaft auf den Anspruch aus § 844 BGB (nur) bei zu erwartender Minderung durch Unterhalt des Getöteten oder Hinterbliebenen (h.M., BGHZ 8, 325, 328; OLG Frankfurt, NJW-RR 1990, 1440, 1443; Lange/Schiemann, § 9 IV. 4. b) (S. 507); Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 270; Schubert, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 03. 2011, § 249 Rn. 134); Erträge einer verfrüht

D. Vorteilsausgleichung

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Die Konstellation, die der Vorstandsinnenhaftung zugrunde liegt, unterscheidet sich dadurch von den im allgemeinen Schadensersatzrecht erörterten Fallgestaltungen, dass im Außenverhältnis, in dem die Schadensursache gesetzt wurde, nicht ein Schädiger auf einen Geschädigten einwirkt, sondern die Gesellschaft als spätere Geschädigte handelt, wobei der Vorstand, bestehend aus seinen Mitgliedern, sie vertritt. Die Handlungssphären von Schädiger und Geschädigtem sind hier mithin weitaus weniger eindeutig getrennt, als dies in einem Außenverhältnis der Fall wäre.715 Die Frage, mit wessen „Zutun“ die Vorteile der Gesellschaft zugeflossen sind, ist daher nur wertend zu beantworten. Die Haftungsfrage stellt sich im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern, sodass dieses auch für die Frage der Zurechnung des Erwerbs der Vorteile aus einer Pflichtverletzung maßgeblich sein sollte. Hier wird der Eintritt des Schadens durch eine Handlung der Gesellschaft, an der die Vorstandsmitglieder als deren Vertreter beteiligt waren, durch § 93 Abs. 2 S. 1 AktG der Vermögenssphäre der Vorstandsmitglieder, die zum Ersatz verpflichtet werden, zugewiesen. Mithin lässt sich die Wertung feststellen, dass im Innenverhältnis sie als die Handelnden identifiziert werden.716 Dementsprechend ist auch ein aus der Pflichtverletzung entstandener Vorteil auf ihr „Zutun“ zurückzuführen, mithin „ohne Zutun“ der Gesellschaft entstanden.717 Einige Literaturstimmen stellen darauf ab, dass die Vorstandsmitglieder bei „nützlichen Rechtsverstößen“ – auch gegen Regelungen des Innenverhältnisses der Gesellschaft – im wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft handelten718 und im Ergebnis die verletzte Sorgfaltspflicht in Bezug auf das Vermögen der Gesellschaft zugleich gefördert hätten.719 Auch dies spräche für eine Anrechnung der erzielten Vorteile, indem zunächst kein „Zutun“ der Gesellschaft angenommen wird, darüber hinaus aber auch eine Förderungsabsicht der Schädiger hinsichtlich des geschädigten angefallenen Erbschaft (h.M., BGHZ 8, 325, 329; Lange/Schiemann, § 9 IV. 4. c) aa), cc) (S. 507 f., 509); Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 271; Schubert, in: Bamberger/ Roth, 33. Ed., 01. 03. 2011, § 249 Rn. 135) jeweils m.w.N. 715 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 526 und Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 279 f. verneinen daher die Möglichkeit einer Zuordnung des „Zutuns“ zur Entstehung der Vorteile der Gesellschaft. 716 Ähnl. M. Zimmermann, WM 2008, 433, 439. 717 In diesem Sinne auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 65: Kartellgewinne als „Zufallsgewinn“ der Gesellschaft. Mit gegenteiligem Ergebnis auf das Außenverhältnis (§ 31 BGB) abstellend Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 279. 718 Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 346; zust. M. Zimmermann, WM 2008, 433, 439; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 725. 719 Fleischer, ZIP 2005, 141, 151; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 38; ablehnend Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 280, der eine ordnungsgemäße Erfüllung der organschaftlichen Pflichten für ein bedeutsames „Zutun“ fordert; zu dem Argument im Zshg. der Vorteilsausgleichung im allg. Zivilrecht s. Lange/Schiemann, § 9 IV. 1. (S. 502 f.).

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Gegenstands vorliegt.720 Obwohl die Vorstandsmitglieder im Hinblick auf variable Vergütungsbestandteile auch eigene Interessen am Gewinn der Gesellschaft haben, wird man ihnen ein Handeln im Gesellschaftsinteresse in der Tat nicht absprechen können. Wenngleich eine Zuordnung zu den etablierten Fallgruppen der Vorteilsausgleichung nicht möglich ist, sprechen die daraus zu entnehmenden Wertungen, vorbehaltlich im Folgenden zu erörternder entgegenstehender spezifisch aktienrechtlicher Gesichtspunkte, für eine Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf Ansprüche aus § 93 AktG.721 e) Die Präventionswirkung der Haftung Begründet wird die Unvereinbarkeit mit den Zwecken der Vorstandshaftung von den Vertretern dieser Auffassung damit, dass die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung die mit der Haftung neben dem Ausgleich der erlittenen Vermögenseinbuße bezweckte Wirkung, präventiv steuernd auf das Verhalten der Vorstandsmitglieder zur Vermeidung künftiger Pflichtverletzungen einzuwirken,722 unterlaufe.723 Die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung bedeutet, sofern der Gesellschaft durch die Pflichtverletzung neben der Vermögenseinbuße, derentwegen Schadensersatz begehrt wird, auch ein wirtschaftlicher Vorteil zugeflossen ist, eine Herabsetzung des Anspruchs um die Höhe dieses Vermögenszuflusses. Entsprechen sich Vor- und Nachteile betragsmäßig, kann die Haftung der beteiligten Vorstandsmitglieder der Höhe nach vollständig entfallen.724 In diesem Spannungsfeld zwischen der Ausgleichs- und der Präventionsfunktion von Schadensersatzpflichten bewegt sich die Frage der Vorteilsausgleichung,725 nicht nur im Rahmen der aktienrechtlichen Organhaftung. Die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung bedeutet eine Herabsetzung des Ersatzanspruchs und damit eine Abschwächung der präventiv verhaltenssteuernden Wirkung der Haftung, während ihre Nichtanwendung dem Geschädigten im wirtschaftlichen Ergebnis 720 Zur Anrechnung in diesen Fällen Lange/Schiemann, § 9 IV. 1 (S. 502); vgl. auch BGH WM 1983, 957. 721 I.Erg. ebenso M. Zimmermann, WM 2008, 433, 439; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 57. 722 Zu den Funktionen der Vorstandsinnenhaftung s. o. 2. Teil A. 723 Lohse, FS Hüffer, 2010, S. 581, 599; Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 426. 724 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 273; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 64. 725 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 281; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 527; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727.

D. Vorteilsausgleichung

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einen Gewinn aus dem schädigenden Ereignis belässt, der durch die Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes nicht geboten war.726 Es ist daher zu untersuchen, ob Besonderheiten des Aktienrechts zwingend eine Durchsetzung der Präventionsfunktion der Vorstandshaftung gebieten und damit der Vorteilsausgleichung entgegenstehen. Die Rechtsgrundlagen der Ahndung dienender Maßnahmen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts sind im Hinblick auf die Schadensverteilung im Innenverhältnis indifferent, sodass sich öffentlich-rechtliche Wertungen in der Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf die aktienrechtliche Organhaftung nicht auswirken.727 aa) Zulässigkeit von D&O-Versicherungen Als erster Anhaltspunkt gegen eine zwingende vollumfängliche Schadenstragung durch die Vorstandsmitglieder kann die gesetzgeberische Anerkennung von D&OVersicherungen728 herangezogen werden. Die den Selbstbehalt für Vorstandsmitglieder regelnde Vorschrift des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist von der Verweisung des § 116 S. 1 AktG für die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder ausgenommen, sodass der Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgehen musste, dass Aufsichtsratsmitglieder durch solche Versicherungen von ihrer Haftung gegenüber der Gesellschaft in vollem Umfang freigestellt werden. Für Vorstandsmitglieder sieht § 93 Abs. 2 S. 3 AktG zwingend einen Selbstbehalt vor. Daraus kann zwar einerseits geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die Tragung des vollen Schadens aus Präventionsgesichtspunkten nicht für erforderlich hält.729 Andererseits dient der 726 Allgemein Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 14 ff., 422 ff.; 432 ff.; zur Organhaftung Thole, ZHR 173 (2009), 504, 527; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 281. 727 Gegen eine Bedeutung solcher Wertungen auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 66; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 100, 106; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 730; Fleischer, ZIP 2005, 141, 151 f.; Werner, CCZ 2010, 143, 146; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 37. Auf öffentliche Interessen aus den verletzten Rechtsvorschriften beruft sich dagegen Thole, ZHR 173 (2009), 504, 529. Zu beachten ist auch, dass die Ablehnung der Vorteilsausgleichung bei Ansprüchen aus § 33 Abs. 3 GWB sich auf ein anderes Verhältnis bezieht, in dem der Schädiger einen Kartellrechtsverstoß begangen hat, durch den der Gläubiger dieses Anspruchs geschädigt wurde, ebenso Fleischer, BB 2008, 1070, 1073, anders aber Lohse, FS Hüffer, 2010, S. 581, 600; zum kartellrechtlichen Streitstand s. die dortigen Nachweise. Ausführlich zur Bedeutungslosigkeit der Adressateneigenschaft öffentlich-rechtlicher Maßnahmen mit Ahndungszweck für die zivilrechtliche Schadensverteilung unter 3. Teil E. II. 2. b) aa) (1), s. aber zur Vorteilsabschöpfung oben unter 3. Teil D. II. 2. b). 728 Seit der Einführung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG durch das VorstAG v. 31. 07. 2009, Art. 1 Nr. 2, BGBl. I 2009, S. 2509, ist von der Vereinbarkeit solcher Versicherungen mit den aktienrechtlichen Organhaftungsregeln auszugehen, dazu oben unter 3. Teil C. I. 729 Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 435; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927 f., 928; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 246, 272.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

zwingende Selbstbehalt gerade dem Erhalt einer verhaltenssteuernden Wirkung durch Haftung wenigstens in dieser Höhe.730 Demnach könnte eine Vorteilsausgleichung lediglich bis zum Betrag dieses Selbstbehalts als verbleibendem Schaden in Betracht kommen. Eine solche Wertung kann § 93 Abs. 2 S. 3 AktG indes nicht entnommen werden. Es handelt sich um eine Regelung der Schadensersatzpflicht, deren Voraussetzung ein Schaden in entsprechender Höhe ist. Die Feststellung des Betrags eines zu ersetzenden Schadens ist dem vorgelagert. Ein „Mindestselbstbehalt“ im Rahmen der Vorteilsausgleichung folgt daraus mithin nicht. Aus der Anerkennung von D&O-Versicherungen kann aber nach dem Gesagten entnommen werden, dass der Gesetzgeber aus präventiven Gründen eine vollständige Schadenstragung durch ersatzpflichtige Vorstandsmitglieder nicht als notwendig erachtet. Diese Relativierung ist für die Frage der Vorteilsausgleichung bei der Gewichtung des Präventionsgedankens zu beachten.731 bb) Herabsetzung der Präventionswirkung Gegen die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organmitglieder wegen Verletzung der Legalitätspflicht wird vorgebracht, dass diese im Ergebnis auf die Anerkennung „nützlicher Rechtsverletzungen“ hinauslaufen würde732 und durch eine wirtschaftliche Belohnung von Gesetzesverstößen gerade zu den Zwecken der Schadensersatznorm entgegenstehenden Verhaltensanreizen führen könnte,733 indem die Vorstandsmitglieder gehalten sein könnten, möglichst hohe illegale Gewinne zu erwirtschaften.734 (1) Vergleich von „nützlicher Rechtsverletzung“ und Vorteilsausgleichung in Bezug auf die Verhaltenssteuerung der Vorstandsmitglieder Die wirtschaftlichen Ergebnisse der Anerkennung eines „efficient breach of law“ als pflichtgemäß und der Vorteilsausgleichung können einander in der Tat entsprechen. Die Risiken, denen die Vorstandsmitglieder im Hinblick auf ihre Haftungsentlastung auf materiell-rechtlicher Ebene ausgesetzt sind, sind bei Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung jedoch ungleich höher.

730 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 17. 06. 2009, BT-Drs. 16/ 13433, S. 11. 731 Vgl. Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 732; Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 435. 732 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 527; ähnl. Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 425; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 282. 733 Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 425 f. 734 Lohse, FS Hüffer, 2010, S. 581, 599.

D. Vorteilsausgleichung

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Zwar obliegt auch bei Anerkennung nützlicher Rechtsverletzungen bei Vorliegen eines durch ihr Verhalten verursachten Schadens der Beweis pflichtgemäßen Handelns den Vorstandsmitgliedern.735 Sind der Gesellschaft aus einer Pflichtverletzung auch Vorteile erwachsen, obliegt es ihnen auch, diese darzulegen und zu beweisen.736 Die Anerkennung eines „efficient breach of law“ geht insoweit mit einer Erleichterung für die mit dem Nachweis der Einhaltung der Sorgfalt des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG belasteten Vorstandsmitglieder einher, als es im Falle eines Gewinns der Gesellschaft als wirtschaftliches Ergebnis des Rechtsverstoßes an einer Pflichtverletzung fehlt. Auch bei Anerkennung nützlicher Rechtsverstöße obliegt zunächst der Gesellschaft der Nachweis eines Schadens. Zu ihrer Entlastung vom Vorwurf pflichtwidrigen Handelns müssen mithin auch hier die in Anspruch Genommenen darlegen und beweisen, dass die Rechtsverletzung sich im Ergebnis für die Gesellschaft wirtschaftlich positiv ausgewirkt hat. Problematisch gestaltete sich insbesondere der Fall, dass zwar ex ante737 von einer wirtschaftlichen Nützlichkeit des Verstoßes auszugehen war, letztendlich aber die Verluste überwiegen. Eine signifikant schwieriger zu überwindende Beweishürde, die mit einer Stärkung der Präventionswirkung der Vorstandshaftung bei der Vorteilsausgleichung gegenüber der Anerkennung eines „efficient breach of law“ einherginge, kann nach dem Gesagten nicht als Regelfall festgestellt werden.738 Auf der Ebene des materiellen Rechts ergeben sich aber erhebliche Unterschiede zwischen den beiden dargestellten Haftungskonzepten im Bereich der Legalitätspflicht. Die Beibehaltung des Beurteilungsstandpunkts ex ante, bei Begehung des Rechtsverstoßes, für die Frage der Pflichtwidrigkeit des Vorstandshandelns kann bei Anerkennung nützlicher Rechtsverstöße dazu führen, dass die beteiligten Vorstandsmitglieder, vorausgesetzt, es war mit einem Gewinn für die Gesellschaft zu rechnen, trotz eingetretener Verluste mangels Pflichtverletzung nicht haften. Demgegenüber tragen diese bei Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung, unabhängig von der zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklung, das volle Risiko des Nichteintritts von Vorteilen der Gesellschaft sowie des Eintritts weiterer Verluste. Zwar mag in Fällen, in denen bereits erhebliche Verluste, die die beteiligten Vorstandsmitglieder als zu ersetzender Schaden wirtschaftlich erheblich überfordern würden, eingetreten sind, ein gewisser Anreiz bestehen, in der Hoffnung auf anre735

§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG. BGH DB 2013, 507 Rn. 21 („Hypothekenbank“); Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 284; Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 98; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 527 f.; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 726; Fleischer, ZIP 2005, 141, 151; Kocher, CCZ 2009, 215, 219; Bicker, AG 2014, 8, 13; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 62. 737 Es wird davon ausgegangen, dass auch bei Anerkennung nützlicher Rechtsverstöße die Beurteilung des Vorliegens einer Pflichtverletzung aus der ex ante-Sicht erfolgen würde; ebenso Verse, ZHR 175 (2011), 401, 405. 738 So aber Thole, ZHR 173 (2009), 504, 527 f.; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 284; wohl auch MarschBarner, ZHR 173 (2009), 723, 729 f. 736

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

chenbare Gewinne das illegale Verhalten fortzusetzen.739 Verhaltensanreize zum erstmaligen Rechtsbruch dürften aber wegen der zu tragenden Risiken eines Fehlschlags im Regelfall von einer Vorteilsausgleichung nicht ausgehen.740 Während es beim „efficient breach of law“ bereits an einer Pflichtverletzung fehlt, wirkt sich die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung erst auf der Ebene der Haftungsausfüllung aus. Obwohl es auch hier an einem Ersatzanspruch der Gesellschaft gänzlich fehlen kann, treten alle weiteren Folgen, die das Aktiengesetz an eine Pflichtverletzung knüpft, daher unabhängig von den widerrechtlich erwirtschafteten Vorteilen ein. Diese zusätzlichen Auswirkungen einer Legalitätspflichtverletzung fielen bei Anerkennung nützlicher Rechtsverstöße als pflichtgemäß weg.741 Ein Verstoß gegen die Legalitätspflicht kann eine grobe Pflichtverletzung darstellen, die einen wichtigen Grund bildet, aus dem der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG abberufen742 und dessen Anstellungsvertrag kündigen kann.743 Ferner kann einem pflichtvergessen Vorstandsmitglied die Entlastung nach § 120 AktG verweigert werden.744 Daneben kann die Verletzung von Rechtsvorschriften auch für das handelnde Vorstandsmitglied selbst, sei es unmittelbar oder durch Zurechnungsnormen, neben einem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft Haftungsfolgen im Außenverhältnis nach sich ziehen, denen ebenfalls Präventionswirkung zukommt.745 In Betracht kommt die Verhängung eines Bußgeldes gegen die an einer Ordnungswidrigkeit der Gesellschaft beteiligten Vorstandsmitglieder selbst,746 auf deren Erstattung bei Vorliegen einer Pflichtverletzung, anders als beim „efficient breach of law“ auch kein Anspruch gegen die Gesellschaft 739 In anderem Zusammenhang bezweifelt auch Spindler, AG 2013, 889, 895, eine Präventionswirkung von Haftung, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners bereits überfordert ist; ähnl. Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 281. 740 Anders anscheinend Lohse, FS Hüffer, 2010, S. 581, 595, 599 für Schmiergeldzahlungen. 741 Vgl. Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 435, 440; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 283. 742 Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 34; ders., FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 440; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 283; Fleischer, DB 2014, 345, 350; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 64; Hopt/ Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 411. 743 Fleischer, DB 2014, 345, 350. 744 Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 34; ders., FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 440; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 283; Fleischer, DB 2014, 345, 350; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601. 745 Darauf als maßgeblich abstellend auch Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 283; Kocher, CCZ 2009, 215, 219. 746 Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 34; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 283; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 534 (im Zshg. der Frage einer Regressbegrenzung).

D. Vorteilsausgleichung

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besteht.747 Darüber hinaus kann, sofern das gegen eine die Gesellschaft treffende Rechtspflicht verstoßende Verhalten, entweder im Wege der Zurechnung besonderer persönlicher Merkmale der Aktiengesellschaft nach § 14 Abs. 1 StGB oder eigenständig, einen Straftatbestand erfüllt, eine Geld- oder Freiheitsstrafe gegen die beteiligten Vorstandsmitglieder verhängt werden. Eine Befreiung von letzterer kann die Gesellschaft in keiner Weise leisten.748 Abhängig von der verletzten Rechtsnorm kommen daneben möglicherweise Ansprüche Dritter gegen die Vorstandsmitglieder in Betracht.749 (2) Schutz der Dispositionsfreiheit der Gesellschaft Die Präventionswirkung der Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder wird auch außerhalb von Legalitätspflichtverletzungen gegen eine Vorteilsausgleichung vorgebracht. Handelt der Vorstand unter Überschreitung seiner Kompetenzen im Innenverhältnis, indem er etwa einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG missachtet, und verschafft er dadurch der Gesellschaft zwar einen werthaltigen Vorteil, der für diese aber nicht sinnvoll einsetzbar ist oder wären die dafür verwendeten Mittel anderweitig rentabler einzusetzen gewesen, wird erwogen, eine Vorteilsausgleichung auszuschließen und die Vorstandsmitglieder stattdessen auf Zug um Zug zu erfüllende Ausgleichsansprüche gegen die Gesellschaft zu verweisen.750 Ein Ausschluss der Vorteilsausgleichung allein aufgrund des Vorliegens einer Kompetenzüberschreitung würde den Schutz der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung, zu deren Einhaltung die Vorstandsmitglieder zweifellos verpflichtet sind, durch die Schadensersatzpflicht des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bedeuten. Eine über eine mögliche Wertdifferenz zwischen den aufgewandten Mitteln und den erworbenen Vorteilen, etwa in Gestalt des Minderwerts einer pflichtwidrig erworbenen Beteiligung, hinausgehende Vermögenseinbuße ist der Gesellschaft in einem solchen Fall indes grundsätzlich nicht entstanden, sodass die Ausgleichsfunktion keine darüber hinausgehende Ersatzpflicht gebietet. Eine Verhaltenssteuerung im Hinblick auf die Einhaltung der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung durch die 747

Ebenso Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 283; ausführlich zur Erstattung gegen Vorstandsmitglieder verhängter Geldbußen durch die Gesellschaft Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 123 ff.; zur Rechtslage beim „efficient breach of law“ Habersack, FS U. H. Schneider, 2011, S. 429, 435; vgl. auch BGH ZIP 2014, 1728 Rn. 11, 13 ff. 748 Darauf weisen in anderem Zshg. auch Ihlas, D&O, S. 72; Thevessen, VP 1989, 101, 105 („Stellvertretendes Einsitzen ist leider nicht möglich!“) hin. 749 Bspw. Schadensersatzansprüche aus § 33 Abs. 3 GWB; s. Rehbinder, in: Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff, KartR, 2. Aufl. 2009, § 33 Rn. 34; Roth, in: FK KartR, 49. Lfg., Nov. 2001, § 33 Rn. 138; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 5. Aufl. 2014, § 33 Rn. 31. 750 Vgl. OLG München, NZG 2000, 741 (lt. Fundstelle nicht rechtskräftig; Revision unter BGH II ZR 342/99 – eine Revisionsentscheidung ist nicht auffindbar); Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 426; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 92.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Pflicht zum Ersatz der vollen aus dem Gesellschaftsvermögen aufgewandten Mittel mag zwar erwünscht sein, ist aber unter dem Schutzzweck der Vorstandshaftung im Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Die Haftungsnorm des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG schützt die Gesellschaft nicht vor Pflichtverletzungen, sondern vor Schäden durch solche. Auch hier kommt bei erheblichen Verstößen eine Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG nebst Kündigung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund in Betracht. Ein Ausschluss der Vorteilsanrechnung würde die Schutzwirkung der Vorstandshaftung überspannen.751 In solchen Fallgestaltungen muss aber sorgfältig geprüft werden, ob etwa die fehlende sinnvolle Verwendbarkeit eines erworbenen Gegenstands oder der entgangene Gewinn aus einem lukrativeren Geschäft einen weiteren Schaden der Gesellschaft begründet oder sich auf den anzurechnenden Wert des Vorteils negativ auswirkt.752 (3) Zwischenfazit Verstöße gegen die Legalitätspflicht können für die handelnden Vorstandsmitglieder mithin neben der Schadensersatzhaftung aus § 93 AktG zahlreiche weitere, erhebliche Folgen haben, von denen ebenfalls eine verhaltenssteuernde Wirkung ausgehen kann und wird. Zwingende Gründe, die es erforderlich machten, allein durch die Vorstandshaftung eine hinreichende Präventionswirkung, auch im Hinblick auf ein öffentliches Interesse an Haftung wegen der Allgemeinheit, etwa durch ein Kartell, entstandener Schäden, zu gewährleisten sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil dienen gerade die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Maßnahmen unmittelbar gegen die handelnden Vorstandsmitglieder vornehmlich diesem Zweck.753 Festzuhalten ist, dass durch die Zulassung der Vorteilsausgleichung im Rahmen der Vorstandshaftung zwar, mangels des zwingenden Eintritts einer Schadensersatzpflicht in Höhe aller durch die Pflichtverletzung eingetretenen Verluste, deren Präventionswirkung gegebenenfalls deutlich abgeschwächt wird. Die von den handelnden Vorstandsmitgliedern zu tragenden Risiken der wirtschaftlichen Nachteiligkeit des pflichtwidrigen Handelns unterscheiden die Wirkung der Vorteils751 Ebenso Fleischer, DStR 2009, 1204, 1207; grds. auch Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 728 f.; anders anscheinend Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 426; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 92; OLG München, NZG 2000, 741, 743 f. (lt. Fundstelle nicht rechtskräftig; Revision unter BGH II ZR 342/99 – eine Revisionsentscheidung ist nicht auffindbar). 752 Ähnl. Fleischer, DStR 2009, 1205, 1207; Bicker, AG 2014, 8, 13 f.; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 728 f.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 256; BGH NJW-RR 1988, 995, 996 (Kompetenzüberschreitung des geschäftsführenden Gesellschafters einer OHG). 753 In diesem Punkt krit. Lohse, FS Hüffer, 2010, S. 581, 600; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 530 f.; ähnl. wie hier Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 729 f.; weitergehend Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 39, Werner, CCZ 2010, 143, 146 die diese zusätzlichen Sanktionen im Hinblick auf eine sonst drohende Doppelbelastung des Vorstandsmitglieds als eigenständiges Argument zugunsten der Vorteilsausgleichung anführen.

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ausgleichung jedoch deutlich von der eines pflichtgemäßen „efficient breach of law“. Verhaltenssteuernde Impulse gehen zudem, gerade bei Verletzung der Legalitätspflicht, von der aktienrechtlichen Sanktion einer möglichen Abberufung sowie ordnungswidrigkeiten- und strafrechtlichen Maßnahmen und möglichen Ansprüchen Dritter gegen die Vorstandsmitglieder aus. Die von kritischen Literaturstimmen befürchteten Fehlanreize sind mit der Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf Ansprüche aus § 93 AktG, auch bei Verletzungen der Legalitätspflicht, mithin regelmäßig nicht verbunden. Aus der Präventionsfunktion der Vorstandshaftung ergibt sich kein durchgreifender Einwand gegen die Zulassung der Vorteilsausgleichung. f) Auswirkungen der Vorteilsausgleichung auf Gesellschaft und Aktionäre Eine vollumfängliche Pflicht zum Ersatz aller aus der Pflichtverletzung entstandenen Nachteile ohne Rücksicht auf die korrespondierenden Vorteile erscheint weder durch die Ausgleichsfunktion der Vorstandshaftung geboten,754 noch ergeben sich hieraus günstigere Verhaltensanreize als aus der Vorteilsausgleichung. Durch die Nichtanwendung dieser Grundsätze würde der Gesellschaft wirtschaftlich ein aus der Pflichtverletzung erzielter Vorteil vollständig belassen, während Nachteile durch den Schadensersatzanspruch ausgeglichen würden. Im Fall einer Verletzung der Legalitätspflicht wäre diese für die Gesellschaft mithin, Beitreibbarkeit des Schadensersatzes vorausgesetzt,755 wirtschaftlich zumindest risikolos, günstigstenfalls profitabel.756 Zwar droht im Extremfall des § 396 Abs. 1 AktG die Auflösung. Außerhalb derart qualifizierter Rechtsverstöße bliebe von einer spürbaren Gesetzesbindung der Gesellschaft selbst aber wenig übrig, im Gegenteil könnte diese sich regelmäßig dort, wo das öffentliche Recht eine Sanktion vorsieht, einen Vermögenszuwachs verschaffen.757 Demgegenüber beugt die Anrechnung aus einer 754 Dies betonen Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 64 f. 755 Angesichts der sich augenscheinlich abzeichnenden Entwicklung hin zu einer Versicherbarkeit des Regresses wegen Bußgeldzahlungen und dergleichen im Rahmen einer D&OVersicherung dürfte hier absehbar mit einer Verbesserung zu rechnen sein. 756 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 527; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 281; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 65; Bicker, AG 2014, 8, 13; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 106; ähnl. Bayer, FS K. Schmidt, 2007, S. 85, 95. 757 Ähnl. Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 37; Hauger/ Palzer, ZGR 2015, 33, 56 f.; Bicker, AG 2014, 8, 13; M. Zimmermann, WM 2008, 433, 439; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; Fleischer, BB 2008, 1070, 1073; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 258; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 65; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 527, der mit Einbußen an der Präventionswirkung der Vorstandshaftung dennoch für eine Lösung rein anhand der auf die Gesellschaft abzielenden

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Pflichtverletzung erzielter Vorteile auf den Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder Fehlanreizen für die im wirtschaftlichen Ergebnis betroffenen Aktionäre, solches rechtswidrige Verhalten in der Hoffnung auf Gewinne hinzunehmen oder durch ihre Investmententscheidungen sogar zu fördern, vor.758 Bei pflichtwidrigem Vorstandshandeln, das nicht in einer Verletzung der Legalitätspflicht besteht, fehlt es zwar an einer ohne Vorteilsausgleichung vergleichbar widersprüchlichen Vermögenszuweisung. Es könnte daher auf das unternehmerische Risiko der Gesellschaft verwiesen werden, das sich eben in den aus dem pflichtwidrigen Handeln erzielten Vorteilen realisiere. Angesichts des Schutzes vor entsprechenden Nachteilen durch die Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder sind aber auch hier keine Gründe ersichtlich, weshalb ein Gewinn aus der Pflichtverletzung neben dem Schadensersatz der Gesellschaft, die damit im Ergebnis durch das pflichtwidrige Verhalten ihrer Vorstandsmitglieder bereichert wäre, zustehen sollte.759 Auf Seiten der Gesellschaft liegt mithin keine die Vorteilsausgleichung ausschließende unzumutbare Belastung vor.760 g) Gläubigerschutz Neben den Bedenken im Hinblick auf die Präventionsfunktion der Vorstandshaftung wird auch eine Unterminierung des durch § 93 AktG ebenfalls bezweckten Gläubigerschutzes durch die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf Ansprüche der Gesellschaft aus dieser Norm befürchtet.761 Das Argument, das Vorstandsmitglied, zu dessen Gunsten die Grundsätze der Vorteilsausgleichung zur Anwendung kämen, habe nicht mehr das Insolvenzrisiko der Gesellschaft im Hinblick auf ansonsten bestehende Ausgleichsansprüche762 zu tragen,763 überzeugt im Ergebnis nicht. Vorteilsabschöpfungsmechanismen des (Kartell-)Ordnungswidrigkeitenrechts argumentiert, ebd., 529, 531. 758 Vgl. Thole, ZHR 173 (2009), 504, 534; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 106. 759 Bicker, AG 2014, 8, 13; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 65 f.; ebenso zur Legalitätspflicht Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 285; Bayer, FS K. Schmidt, 2007, S. 85, 95; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 730; Fleischer, ZIP 2005, 141, 151; ders., DB 2014, 345, 348. 760 Ebenso Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 37; M. Zimmermann, WM 2008, 433, 439, Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 64 f. 761 Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 426; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 92. 762 Die praktische Bedeutung solcher Ansprüche ist anscheinend gering. Mit der Frage eines Zug um Zug zu erfüllenden Anspruchs eines auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Organmitglieds gegen die Gesellschaft befasst sich eine Entscheidung des OLG München in einem Urteil v. 17. 09. 1999 – 23 U 1514/99, NZG 2000, 741 (lt. Fundstelle nicht rechtskräftig; Revision unter BGH II ZR 342/99 – eine Revisionsentscheidung ist nicht auffindbar): Dort hatte

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Eine Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen ist in derselben Weise wie im Aktienrecht mit der Ausnahme, dass dort eine § 93 Abs. 5 AktG vergleichbare Regelung fehlt, auch im allgemeinen Zivilrecht gegeben. Gläubiger eines insolventen Geschädigten stehen gegenüber einer Vorteilsausgleichung freilich besser, wenn ein vollumfänglicher Schadensersatzanspruch in dessen Vermögen vorhanden ist und im Zusammenhang mit dem Schadensereignis erworbene Vorteile lediglich durch einen ebenfalls von der Insolvenz betroffenen Anspruch gegen den Geschädigten dem Schädiger zugewiesen sind. Im Rahmen der Grundsätze der Vorteilsausgleichung, wie sie für das allgemeine Schadensersatzrecht entwickelt wurden, finden derartige Erwägungen jedoch keine Beachtung. Eine abweichende Bewertung der Gläubigerinteressen als bedeutsam könnte sich im Aktienrecht allein aus § 93 Abs. 5 AktG ergeben. Dessen Satz 3 spricht bestimmten, einen Ersatzanspruch im Verhältnis von Gesellschaft und Vorstandsmitglied mindernden oder ausschließenden Maßnahmen eine Wirkung gegenüber den Gläubigern ab. Dabei handelt es sich jedoch nicht um „an sich“ ex lege eintretende Minderungen oder Ausschlüsse, sondern solche, die auf einem zweckgerichteten Handeln der Gesellschaft beruhen. Im Übrigen bleiben dem Schadensersatz schuldenden Vorstandsmitglied alle Einwendungen und Einreden, die ihm in Bezug auf den Anspruch gegenüber der Gesellschaft zustehen, auch gegenüber den Gläubigern erhalten.764 Dem Gläubigerschutzgedanken wird mithin in Bezug auf Schadensersatzansprüche der Gesellschaft aus § 93 AktG lediglich insoweit größere Bedeutung als im allgemeinen Zivilrecht beigemessen, als die Gläubiger vor anspruchsmindernden oder -ausschließenden Handlungen der Gesellschaft selbst durch die Reder Komplementär einer KGaA pflichtwidrig den Erwerb einer stillen Beteiligung durch eine Tochtergesellschaft herbeigeführt. Das Gericht hielt den beklagten Komplementär für zum Ersatz des, aufgrund eines Gewinn- und Verlustabführungsvertrags inzwischen bei der KGaA angefallenen, vollen Schadens ohne Rücksicht auf den Wert der Beteiligung verpflichtet, sprach ihm aber einen Gegenanspruch auf Abtretung der Ansprüche aus der zwischenzeitlich laufenden Auseinandersetzung der stillen Beteiligung zu. Eine Vorteilsausgleichung wurde im Hinblick auf den Zweck einer Satzungsbestimmung, gegen die der Beklagte verstoßen hatte und die die Beteiligung einer weiteren, von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen Komplementärin vorsah, abgelehnt; vgl. auch BGHZ 115, 213 (Prospekthaftung bei Abschluss eines Vertrags über eine zwar werthaltige, aber nicht dem im Prospekt beschriebenen Anlagemodell entsprechende Beteiligung). Die herangezogene Rechtsgrundlage dieses Gegenanspruchs wird aus den Entscheidungsgründen nicht mit letzter Sicherheit deutlich. Bezug genommen wird zum einen auf § 255 BGB, der seinem Wortlaut nach nicht ganz zu passen scheint, sodass an eine entsprechende Anwendung gedacht werden müsste, sowie unmittelbar auf das schadensrechtliche Bereicherungsverbot. Außerhalb solcher, nach Auffassung der Gerichte dem Geschädigten zustehenden Anlageentscheidungen ist keine einschlägige Rechtsprechung vorhanden. Dazu auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 39. 763 So Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 426, ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 92. 764 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 273; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 570; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Abs. 185.

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gelung des Absatzes 5 Satz 3 geschützt werden. Eine weitergehende Schutzwirkung lässt sich § 93 Abs. 5 AktG nicht entnehmen, sodass die Vorschrift einer Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung nicht entgegensteht.765 h) Zwischenfazit Im Ergebnis sprechen die besseren Gründe dafür, der Gesellschaft aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens ihrer Vorstandsmitglieder entstandene Vorteile im Rahmen von Schadensersatzansprüchen aus § 93 AktG mindernd zu berücksichtigen. Die im Schrifttum bemängelten Einbußen an der Präventionswirkung der Vorstandshaftung, namentlich bei Verletzungen der Legalitätspflicht, werden durch die alternativen Steuerungsmechanismen der drohenden Abberufung sowie des Strafund Ordnungswidrigkeitenrechts hinreichend kompensiert. Die Vorteilsanrechnung vermeidet zudem Fehlanreize auf Seiten der wirtschaftlich am Gesellschaftsvermögen Beteiligten sowie eine öffentlich-rechtlichen Wertungen aus den Regeln der Vorteilsabschöpfung nicht entsprechende Bereicherung der Gesellschaft. Entgegenstehende Vorschriften oder Wertungen des Aktienrechts, insbesondere im Hinblick auf die Interessen der Gesellschaftsgläubiger, sind nicht festzustellen. Gegenüber einem Haftungsausschluss oder einer Haftungsbegrenzung aus Wertungen des Kartellbußgeldrechts oder der Fürsorgepflicht der Gesellschaft weist die Vorteilsausgleichung zwar den Nachteil auf, dass es sich, im Gegensatz zu dem zuletzt genannten Ansatz, lediglich um eine punktuelle Erleichterung der Vorstandshaftung handeln kann. Die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung nötigt jedoch weder, öffentlich-rechtliche Wertungen auf das Zivilrecht zu übertragen, noch gerät sie in Konflikt mit aktienrechtlichen Wertungen wie dem Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG oder der Stellung des Vorstands. Die Wirkung allein bei der Schadensberechnung lässt aktienrechtliche Besonderheiten unberührt, führt nicht zu Wertungswidersprüchen zum allgemeinen Zivilrecht und ermöglicht überdies die Anknüpfung an bewährte Grundsätze, mithin eine rechtssichere Anwendung.

III. Erweiterter Ausgleich in entsprechender Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung: Die „Hypothekenbank“-Entscheidung des BGH Bereits in seiner „Ision“-Entscheidung vom 20. 09. 2011 hatte der BGH ausdrücklich die Anwendbarkeit der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf Ansprüche der Gesellschaft aus § 93 AktG, im zu entscheidenden Fall aus Absatz 3 Nr. 4, festgestellt.766 Dies bestätigend, aber auch darüber hinausgehend, hat der BGH 765 766

I.Erg. ebenso Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727. BGH, Urt. v. 20. 09. 2011 – II ZR 234/09, DB 2011, 2484 Rn. 31.

D. Vorteilsausgleichung

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in seinem „Hypothekenbank“-Urteil vom 08. 03. 2013 entschieden, dass die Grundsätze der Vorteilsausgleichung nicht nur auf Vor- und Nachteile in Gestalt von Gewinnen und Verlusten der Gesellschaft aus ein und derselben Pflichtverletzung Anwendung finden, sondern auch solche aus mehreren, gleichartigen Pflichtverletzungen zu saldieren seien.767 1. Vorgehensweise und Begründung des BGH Eine solche Erweiterung des Ausgleichs von Vor- und Nachteilen, die nach Auffassung des BGH dogmatisch auf eine entsprechende Anwendung der etablierten Grundsätze der Vorteilsausgleichung zu stützen ist, soll sich in dem dem Urteil zugrunde liegenden Fall, in dem die Vorstandsmitglieder einer Hypothekenbank verschiedene, wohl teilweise deren Unternehmensgegenstand überschreitende Spekulationsgeschäfte vorgenommen hatten, auf sämtliche dieser pflichtwidrigen Geschäfte erstrecken. Mit anderen Worten werden im Unterschied zur unmittelbaren Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung nicht Vor- und Nachteile, für die dieselbe Pflichtverletzung kausal war, sondern solche aus abgrenzbaren, jeweils für sich pflichtwidrigen Handlungen, von denen einige sich günstig, andere ungünstig auf das Gesellschaftsvermögen ausgewirkt haben, die mithin nicht in einem solchen Kausalzusammenhang stehen, verrechnet.768 Zur Begründung beruft sich der BGH zunächst auf das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, das der Gesellschaft eine Bereicherung wegen eines Fehlers der Organmitglieder verwehre. Eine solche Bereicherung läge vor, wenn der Gesellschaft einerseits die Gewinne aus den günstigen pflichtwidrigen Geschäften verblieben, sie aber andererseits die Verluste aus den für sie wirtschaftlich ungünstigen von den Vorstandsmitgliedern ersetzt verlangen könnte. Innerhalb von „Dauerverhältnissen“ wie dem Organverhältnis sei es nicht selten, dass sich ein pflichtwidriges, schadensstiftendes Verhalten in ähnlicher Weise wiederhole, sodass es trotz der Eigenständigkeit der einzelnen, teils gewinn-, teils verlustbringenden Ereignisse zu rechtfertigen sei, diese im Hinblick auf die Vorteilsanrechnung zu verknüpfen. Nach Auffassung des BGH verhielte sich die Gesellschaft „treuwidrig und widersprüchlich, wenn sie das Organmitglied für einen Fehler ersatzpflichtig macht, aber den Gewinn behält, wenn das Organ den gleichen Fehler erneut begeht.“769 Die Anrechnung der aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens der Vorstandsmitglieder erlangten Vorteile belaste die Gesellschaft nicht unzumutbar und begünstige die Schädiger nicht unbillig. Daneben vergleicht die Begründung der „Hypothekenbank“-Entscheidung, der eine Überschreitung des Unternehmensgegenstands als Pflichtverletzung zugrunde liegt, die Situation der Geschäftsleiter mit der eines unberechtigten Geschäftsführers ohne Auftrag, der 767

BGH, Urt. v. 08. 03. 2013 – II ZR 90/11, DB 2013, 507 (teilw. auch unter der Bezeichnung „Corealkredit“), Rn. 26 f. 768 Die Entscheidungsgründe sprechen von „keinem unmittelbaren Kausalzusammenhang“, BGH DB 2013, 507 Rn. 27. 769 BGH DB 2013, 507 Rn. 27.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

zwar aus § 678 BGB Schadensersatz schulde, durch die Geschäftsführung erlangte Vorteile des Geschäftsherrn aber aus § 684 S. 1 BGB herausverlangen könne.770 2. Kritische Diskussion der Begründung des BGH Das literarische Echo der „Hypothekenbank“-Entscheidung ist, insbesondere hinsichtlich der vom BGH erstmals in dieser Form vorgenommenen Erweiterung des Ausgleichs von Vor- und Nachteilen, die der Schadensersatzgläubigerin aufgrund von Handlungen der Schuldner entstanden sind, bisher eher schwach geblieben, überwiegend aber kritisch ausgefallen.771 a) Die „erweiterte“ Vorteilsausgleichung im allgemeinen Zivilrecht Eine Erweiterung der Vorteilsausgleichung auf mehrere, gleichartige Pflichtenverstöße, die für sich genommen ausschließlich Vor- oder Nachteile gezeitigt haben, wurde bereits vor der „Hypothekenbank“-Entscheidung des BGH im allgemeinen Zivilrecht angenommen.772 Als eine Art Schulbeispiel hierfür hat sich der Fall eines Angestellten, der weisungswidrig auf Rechnung seines Arbeitgebers spekuliert und dabei manchmal Gewinne, manchmal Verluste macht, etabliert.773 Das Ergebnis in dem Beispiel bleibt leider im Wesentlichen ohne Begründung. Ähnliche Erwägungen wie nunmehr im „Hypothekenbank“-Urteil hat der BGH bereits 1975 zugunsten eines Nachlassverwalters angestellt. Dieser hatte möglicherweise pflichtwidrig den Erlös aus der Veräußerung eines Nachlassgrundstücks in Gold angelegt, das in der Folge eine erhebliche Entwertung erfuhr. Daneben hatte er aber auch, ohne hierzu verpflichtet gewesen zu sein, eine Vermächtnisnehmerin, nach seinen Einlassungen dadurch einen Nachlasskonkurs abwendend, zum Verzicht auf einen Teil ihrer unstreitig bestehenden Ansprüche bewogen. Der BGH gab bei der 770

BGH DB 2013, 507 Rn. 27. Krit. zur der entsprechenden Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512; lediglich in Bezug auf die Bestimmtheit der „vergleichbaren“ Pflichtverletzungen Flick, GWR 2013, 182; ähnl. Wittmann, jurisPR-BKR 9/2013 Anm. 3; dem BGH zust., ohne auf die Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Grundsätze durch die „Hypothekenbank“-Entscheidung einzugehen Bausch, LMK 2013, 345913; lediglich unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit einer sauberen Dokumentation des Vorstandshandelns im Hinblick auf die Beweislast bei der Vorteilsausgleichung Rahlmeyer, CCZ 2013, 272; s. auch Erne, GWR 2011, 218 zur Entscheidung der Vorinstanz. 772 Die fehlende Kausalität derselben pflichtwidrigen Handlung wird dabei nur von Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 31, ausdrücklich hervorgehoben; implizit auch Lange/ Schiemann, § 9 IV 1 (S. 503); Fleischer, DStR 2009, 1204, 1210. 773 So bei Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 31; Lange/Schiemann, § 9 IV 1 (S. 503); Fleischer, DStR 2009, 1204, 1210; Heck, Grundriß des Schuldrechts, S. 49; Rudloff, FS v. Hippel, 1967, S. 423, 434; wohl auch Mertens, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, vor § 249 Rn. 233 [„Gewinne oder Verluste“]; ähnl. Bsp. bei Büdenbender, Vorteilsausgleichung und Drittschadensliquidation bei obligatorischer Gefahrentlastung, S. 12, 52. 771

D. Vorteilsausgleichung

259

Zurückverweisung an das OLG zu bedenken, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen könne, einerseits den Nachlassverwalter für den Schaden aus der Vermögensanlage voll haftbar zu machen, andererseits aber den aus überobligationsmäßigen Bemühungen erzielten Vorteil aus dem Anspruchsverzicht der Erbin in vollem Umfang zu belassen. Dementsprechend komme eine Anrechnung dieses Vorteils trotz des Fehlens eines Kausalzusammenhangs, der eine Vorteilsausgleichung erlaube, in Betracht. Abhängig macht dies der BGH insbesondere davon, ob der Nachlassverwalter sich beim Erwerb des Goldes von wohlgemeinten Überlegungen habe leiten lassen oder ob er unüberlegt und eventuell grob fahrlässig gehandelt habe.774 An einem den nicht geschuldeten Bemühungen des Nachlassverwalters entsprechenden Moment fehlt es freilich im Sachverhalt der „Hypothekenbank“-Entscheidung. Dennoch zeigt das Urteil von 1975, dass auch im allgemeinen Zivilrecht nach Auffassung des BGH auch außerhalb der Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung eine Verrechnung in keinem Kausalzusammenhang stehender Gewinne und Verluste aus Gründen von Treu und Glauben in Betracht kommt. Thüsing ist damit darin beizupflichten, dass „man nicht sehr streng“ mit dem Kausalitätserfordernis in der Frage der Verrechnung von Vor- und Nachteilen aufgrund des Handelns des späteren Schadensersatzschuldners sei.775 Zwar herrscht, wie Illhardt/Scholz zutreffend betonen, nunmehr in Rechtsprechung und Schrifttum eher die Tendenz vor, ein Ausufern der Vorteilsausgleichung durch das über die äquivalente Kausalität von Vorteil und Vermögenseinbuße hinausgehende Erfordernis der Kongruenz sowie die wertende Fallgruppenbildung zu verhindern.776 Angesichts der dargestellten Entscheidung des BGH und des anscheinend kritiklos auch gegenwärtig im Zusammenhang der Geschäftsleiterhaftung verwendeten Beispiels des mit Arbeitgebervermögen spekulierenden Angestellten kann aber weder eine Erweiterung dieser Grundsätze, die nicht notwendig im Wege der Analogie zu erfolgen hätte, noch eine Verrechnung von Vor- und Nachteilen aus Gründen von Treu und Glauben ohne die Betrachtung der aktienrechtlichen Besonderheiten insgesamt abgelehnt werden. Im Folgenden soll daher die Begründung des BGH auf ihre Tragfähigkeit untersucht werden.

774 BGH FamRZ 1975, 576, 577; dazu auch Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 31 f., dort auch zu einem weiteren Fall des Reichsoberhandelsgerichts, in dem es an einer gemeinsamen Ursache der Vor- und Nachteile fehlte. 775 Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 31; s. auch Julius Larenz, Compensatio lucri cum damno, S. 23 f.: „Die Mommsen’sche Theorie, die zur compensatio lucri cum damno erfordert, daß die zum Schadensersatz verpflichtende Thatsache den Vorteil herbeigeführt habe, ist in diesem Fall nicht anwendbar […] Der Grund zur Kompensation ist in diesen Fällen die Billigkeitserwägung.“, so zitiert in Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 34 Fn. 46. 776 Siehe Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 515 sowie neben 3. Teil D. I. u. II. 3. d) auch Palandt/Grüneberg, 74. Aufl. 2015, vor § 249 Rn. 69, der auf die Zuweisung von Zufallsgewinnen in „spiegelbildlicher Anwendung“ des Gedankens des allgemeinen Lebensrisikos an den Geschädigten verweist.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

b) Zirkelschlüssigkeit der Begründung anhand des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots Die Annahme des BGH, das schadensrechtliche Bereicherungsverbot gebiete eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung, beruht auf einem Zirkelschluss. Durch das einzelne pflichtwidrige Geschäft entsteht der Gesellschaft für sich genommen nur ein Verlust, kein Vorteil. Zwar wird die Gesellschaft durch gewinnbringende gleichartig pflichtwidrige Geschäfte bereichert. In diesen Fällen fehlt es aber gerade an einem Schaden und damit einem Ersatzanspruch. Der Bereicherungseinwand ist daher nicht taugliche Begründung, sondern Folge der gleichzeitigen Betrachtung sämtlicher gleichartiger Pflichtverletzungen und bildet damit kein Argument für die entsprechende Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung.777 c) Fehlende Vergleichbarkeit von Vorstand und unberechtigtem Geschäftsführer ohne Auftrag Auch der Vergleich des den Unternehmensgegenstand überschreitenden Vorstands mit einem Geschäftsführer ohne Auftrag überzeugt im Ergebnis nicht. Weder seine Organstellung noch seine Vertretungsmacht werden durch den Unternehmensgegenstand begrenzt,778 sodass es an einem Handeln „ohne Auftrag“ fehlt. Bereits deshalb ist der Vergleich mit der gegenüber anderen Rechtsverhältnissen subsidiären Geschäftsführung ohne Auftrag wenig treffend.779 Ferner sind bei der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag der Ersatzanspruch des Geschäftsherrn aus § 678 BGB und der Herausgabeanspruch des Geschäftsführers aus § 684 S. 1 BGB voneinander unabhängig, sodass konsequent die Vorstandsmitglieder, sofern es an einem Schaden durch ihre pflichtwidrigen Geschäfte fehlt, weil entweder keine Verluste eingetreten sind oder entsprechende Gewinne diese übersteigen, einen Herausgabeanspruch gegen die Gesellschaft haben müssten. Dies will aber auch der BGH erkennbar nicht implizieren.780 d) Fehlanreize durch die erweiterte Anrechnung von Vorteilen Bemängelt wird eine Kollision mit der Verhaltenssteuerungsfunktion der Vorstandshaftung.781

777

Ebenso Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 515. Vgl. nur § 82 Abs. 1 AktG; Begr. RegE AktG 1965, § 82, Kropff, S. 103; Fleischer, DStR 2009, 1204; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 82 Rn. 1. 779 Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 515. 780 So im Ganzen auch Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 515. 781 Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 514. 778

D. Vorteilsausgleichung

261

Die Saldierung der Gewinne und Verluste aus gleichartigen Pflichtverletzungen, wie sie der BGH vornimmt, setze, sowohl bei günstigem als auch ungünstigem Verlauf des ersten pflichtwidrigen Geschäfts Anreize für weitere gleichartige Pflichtenverstöße: im Falle eines Gewinns stelle dieser eine Art Reserve für nachfolgende Verluste dar, im Falle eines Verlusts wären Vorstandsmitglieder durch die Möglichkeit des Ausgleichs durch nachfolgend aus gleichartigen Sachverhalten erzielte Gewinne eher gehalten, das pflichtwidrige Handeln fortzusetzen.782 Grundsätzlich ist diese Überlegung zutreffend. In dieser Form gilt sie jedoch nur, soweit die beteiligten Vorstandsmitglieder zumindest den Verdacht hegen, pflichtwidrig zu handeln und sich dementsprechend für die erlittenen Verluste schadensersatzpflichtig zu machen. Die durch eine erweiterte Vorteilsausgleichung, wie sie der BGH vornehmen möchte, drohenden Fehlanreize783 könnten dadurch weitgehend ausgeschaltet werden, dass hinsichtlich der sachlichen und zeitlichen Verknüpfung der einzelnen pflichtwidrigen Handlungen, deren Ergebnisse saldiert werden sollen, enge Grenzen gezogen würden. Es wäre dementsprechend zu verlangen, dass die Vorstandsmitglieder im Zeitpunkt der Durchführung einer Maßnahme keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von deren Pflichtwidrigkeit hatten, sämtliche der im Ergebnis zu verrechnenden Pflichtverletzungen in einem Zusammenhang stehen, wie ihn etwa ein einheitlicher Vorstandsbeschluss als Grundlage herstellt, diese zeitgleich oder innerhalb eines kurzen Zeitraums nacheinander vorgenommen wurden sowie, um Spekulationen der dargestellten Art zu unterbinden, der Ausgang vorhergehender, in einem solchen Zusammenhang stehender Geschäfte im Zeitpunkt der Vornahme eines zu verrechnenden Geschäfts noch nicht bekannt oder relativ sicher abzusehen war.784 e) Kein treuwidriges und widersprüchliches Verhalten der Gesellschaft Der vom BGH für die Saldierung von Gewinnen und Verlusten aus mehreren gleichartigen Pflichtverletzungen angeführte Gesichtspunkt, die Gesellschaft verhalte sich widersprüchlich und treuwidrig, wenn sie einerseits die Vorteile solcher Geschäfte für sich in Anspruch nehme und andererseits wegen erlittener Nachteile in vollem Umfang Schadensersatz beanspruche, überzeugt als Argument ebenfalls nicht.785 Ein widersprüchliches Verhalten würde zunächst voraussetzen, dass der Gesellschaft ein abweichendes Verhalten rechtlich und tatsächlich überhaupt mög782

Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 514. Aus der Begründung der „Hypothekenbank“-Entscheidung ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, was der BGH unter „in gleicher Weise pflichtwidrig“ als Voraussetzung der entsprechenden Anwendung der Vorteilsausgleichung verstanden wissen möchte. Eine zeitliche Grenzziehung fehlt insgesamt. Krit. dazu auch Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 517; Flick, GWR 2013, 182; Wittmann, jurisPR-BKR 9/2013 Anm. 3. 784 In derselben Weise wollen Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 516 f. eine Verrechnung, die sich dogmatisch auf die Grundsätze von Treu und Glauben stützt, eingrenzen. 785 Krit. auch Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 516. 783

262

3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

lich wäre und darüber hinaus ein schutzwürdiges Vertrauen der Vorstandsmitglieder auf ein entsprechendes Vorgehen der Gesellschaft gebildet werden konnte. Beides ist indes bei der als Referenzpunkt zu wählenden getrennten Betrachtung mehrerer gleichartiger Pflichtverletzungen nicht der Fall. Besonders anschaulich wird dies, wenn das oder die ersten pflichtwidrigen Geschäfte erfolgreich verlaufen und zu einem Gewinn der Gesellschaft führen. Mangels eines aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens fehlt es hier an einem Ersatzanspruch der Gesellschaft, mit dem diese überhaupt in irgendeiner Weise, auf die die Vorstandsmitglieder vertrauen könnten, verfahren könnte.786 Ferner besteht, wie bereits klargestellt, keinerlei Anspruch auf Auskehrung eines pflichtwidrig erwirtschafteten Gewinns an die beteiligten Geschäftsleiter, sodass diese auch nicht davon ausgehen konnten, dieser werde ihnen in irgendeiner Form zugute kommen.787 Kommt es bei der oder den ersten pflichtwidrigen Handlungen zu Verlusten und anschließend zu Gewinnen, entsteht wegen der eingetretenen Verluste ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft. Die Verrechnung mit aus selbstständigen aber gleichartigen Pflichtverletzungen erzielten Gewinnen, wie sie der BGH vornimmt, führte zu einer Verringerung der Anspruchshöhe, entspräche damit in ihrer Wirkung einem Teilverzicht. Nach geltendem Recht wäre die Gesellschaft an einem derartigen Zugeständnis innerhalb der ersten drei Jahre nach Anspruchsentstehung durch die Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gehindert, dasselbe würde für einen endgültigen Verzicht auf die Geltendmachung gelten.788 Mit anderen Worten könnte sich die Gesellschaft gegenwärtig aus rechtlichen Gründen nicht so verhalten, wie es der BGH in seiner „Hypothekenbank“Entscheidung als treugemäß unterstellt.789 Wie aber sollte ein Verhalten, von dem eine Abweichung rechtlich ausgeschlossen ist, von derselben Rechtsordnung als widersprüchlich zu bewerten sein? Auch wenn, wie hier befürwortet, die dreijährige Sperrfrist für Verzicht und Vergleich aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gestrichen würde,790 wäre ein schutzwürdiges Vertrauen der Vorstandsmitglieder auf einen Teilverzicht der Gesellschaft wegen aus gleichartigen Pflichtverletzungen entstandener Gewinne kaum anzunehmen. Ein wirksamer Verzicht auf den Anspruch selbst wäre von der Zustimmung der Hauptversammlung vorbehaltlich des Widerspruchs einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit abhängig, mit der im Regelfall ohne Zugeständnisse seitens der Vorstandsmitglieder mangels wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit kaum zu rechnen wäre. Zudem drohte hier gegebenenfalls den Mitgliedern des Aufsichtsrats, der eine solche

786

Siehe Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 516. Siehe oben unter 3. Teil D. III. 2. c). 788 Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 516 setzen die „erweiterte Vorteilsausgleichung“ in ihrer Wirkung hiermit gleich. 789 Diesen Gesichtspunkt lassen Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 516 bei ihrer Annahme, der Einwand widersprüchlichen Verhaltens könne „im Einzelfall durchaus seine Berechtigung haben“, außer Acht. 790 Dazu im 4. Teil A. I. 787

D. Vorteilsausgleichung

263

Regelung vorgeschlagen hätte, selbst eine Schadensersatzhaftung.791 Auch ein Verzicht auf die Geltendmachung eines aus gleichartigen Pflichtverletzungen erzielten Gewinns wäre dem Aufsichtsrat nur im Interesse der Gesellschaft gestattet. Ein solches wird lediglich in besonders gelagerten Fällen, die auch im Übrigen Anlass zu einer vergleichsweisen Regelung gegeben hätten, vorliegen.792 Ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Nichtgeltendmachung von Ersatzansprüchen in Höhe aus gleichartigen Pflichtverletzungen erzielter Gewinne scheidet daher ebenfalls aus.793 Eine auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu stützende erweiterte Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung oder eine Gewinnanrechnung unmittelbar aufgrund des Einwands des venire contra factum proprium kommt daher nicht, auch nicht im Einzelfall,794 in Betracht. f) „Windfall profit“ für Gesellschaft oder Vorstandsmitglieder? Zwar führt das schadensrechtliche Bereicherungsverbot selbst in der Begründung des BGH zur entsprechenden Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf gleichartig pflichtwidrige Geschäfte des Vorstands nicht weiter. Das Vorliegen eines „windfall profit“, eines aufgrund der Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds entstandenen, ungerechtfertigten Vorteils, könnte aber ein entscheidendes Argument für eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung liefern. Daher ist zu untersuchen, ob auf Seiten der Gesellschaft oder der Vorstandsmitglieder im Falle gleichartiger, teils gewinn-, teils verlustbringender Geschäfte ein solcher Vorteil entsteht. aa) Gesellschaft Auf Seiten der Gesellschaft handelt es sich bei Gewinnen aus pflichtwidrig abgeschlossenen Geschäften des Vorstands aufgrund dessen unbeschränkter und unbeschränkbarer, insbesondere nicht durch den Unternehmensgegenstand eingegrenzter, Vertretungsbefugnis nicht um Zufallsgewinne.795 Zwar wäre ohne die Pflichtverletzung auch der entsprechende Gewinn nicht entstanden. In dem hier zu untersuchenden Fall fehlt es aber an einem Kausalzusammenhang zwischen pflichtwidrig erwirtschafteten Gewinnen und Verlusten, sodass nicht darauf abgestellt werden kann, dass ohne die schadensstiftende Pflichtverletzung auch der Gewinn nicht in das Gesellschaftsvermögen gelangt wäre. Zudem trägt die Ge791 792 793 794 795

Siehe dazu unten im 4. Teil bei Fn. 25. Siehe die Bsp. im 4. Teil A. I. 1. Ebenso mit ganz ähnl. Begründung Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 516. In diesem Punkt a.A. Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 516. Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 515.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

sellschaft zwar de lege lata weder die Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung noch für die Höhe eines anzurechnenden Vorteils. Die Uneinbringlichkeit des Schadensersatzes ginge aber, ohne dass sie für die Pflichtverletzung verantwortlich wäre, wirtschaftlich zu ihren Lasten. bb) Vorstandsmitglieder Den Vorstandsmitgliedern erwüchse, wie bereits ausgeführt, bei Vornahme der erweiterten Vorteilsausgleichung, wie sie der BGH in der „Hypothekenbank“-Entscheidung vorsieht, im wirtschaftlichen Ergebnis durch die Verminderung des zu ersetzenden Schadens um aus gleichartigen Pflichtverletzungen entstandene Gewinne aus ihrem Fehlverhalten ein Vorteil. Anders als im unmittelbaren Anwendungsfall der Vorteilsausgleichung, wo sich die Verrechnung auf Grundlage der kausalen Verbindung von Vor- und Nachteilen damit begründen lässt, dass dem Geschädigten aufgrund des schädigenden Ereignisses ein Vermögensvorteil entstanden ist, würde hier eine weitere Pflichtverletzung zu einer wirtschaftlichen Besserstellung führen, wenngleich die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens den Vorstandsmitgliedern nicht bekannt war und sie dessen Ausgang nicht absehen konnten. Es handelte sich mithin zwar insoweit um einen zufälligen Vorteil, als ex ante nicht ersichtlich ist, zu welchem Ergebnis einzelne, pflichtwidrig vorgenommene Geschäfte führen werden. Anders als die Gesellschaft sind die Vorstandsmitglieder aber als Handelnde beteiligt und würden sich bei einem erweiterten Ausgleich von Vorund Nachteilen durch eine weitere, schuldhafte796 Pflichtverletzung eine wirtschaftlich günstigere Position verschaffen können. Hinzu kommt die bereits zum Vergleich mit dem unberechtigten Geschäftsführer ohne Auftrag angestellte Erwägung, dass die Vorstandsmitglieder bei ausschließlich erfolgreichem Wirtschaften unter Verletzung ihrer Pflichten gegenüber der Gesellschaft keinerlei Berechtigung an dem geschaffenen Mehrwert hätten. Die Anrechnung des Gewinns aus einer zwar gleichartigen, von der schadensstiftenden aber dennoch verschiedenen pflichtwidrigen Handlung auf den Schadensersatzanspruch käme im Ergebnis aber der Einräumung eines aufrechnungsfähigen Herausgabeanspruchs gleich.797 cc) Zwischenfazit Nach dem Gesagten kann ein ungerechtfertigter Vorteil der Gesellschaft nur unter der Prämisse einer Zusammenfassung gleichartiger Pflichtverletzungen zu einer Verrechnungseinheit festgestellt werden. Anders als nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung in unmittelbarer Anwendung, wo ein Vorteil nicht ohne einen 796 Ohne Verschulden fehlte es an den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 93 AktG. 797 Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 516.

D. Vorteilsausgleichung

265

auf demselben Ereignis beruhenden Nachteil entstanden wäre und daher seine Anrechnung auf diesen in Betracht kommt, profitierten hier die Vorstandsmitglieder letztlich von einem weiteren schuldhaft pflichtwidrigen Verhalten. Auch wenn eine aktive Nutzbarmachung dieses Mechanismus im Sinne spekulativen Verhaltens durch die Vorstandsmitglieder ausgeschlossen werden kann, widerspräche es Sinn und Zweck der Vorstandshaftung, auch hinsichtlich der Schadenskompensation, wenn diese von fortgesetzt pflichtwidrigem Handeln im Ergebnis profitieren könnten. Eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung unter Zusammenfassung mehrerer gleichartiger Pflichtverletzungen im Rahmen der Schadensfeststellung erscheint daher mit deren Grundgedanken, eine unbillige Begünstigung des Schädigers zu vermeiden, nicht vereinbar. g) Gesamtsaldierung? Im Berufungsurteil zur „Hypothekenbank“-Entscheidung geht das OLG Frankfurt über die vom BGH vorgenommene Saldierung der Gewinne und Verluste aus gleichartigen Pflichtverletzungen noch hinaus und will die Schadensfeststellung auf Grundlage einer Betrachtung eines gesamten Paketes der dort streitgegenständlichen Zinsderivategeschäfte, mithin unter Einschluss pflichtgemäßer Geschäfte, vornehmen.798 Zwar kommt diese Lösung ohne die Unwägbarkeiten des Rekurses auf Treu und Glauben aus. Es sind jedoch keine Gründe erkennbar, die für die Einbeziehung von Gewinnen aus pflichtgemäßen Geschäften in die Schadensberechnung streiten. Aus den Entscheidungsgründen sowohl des OLG Frankfurt als auch des BGH ist zu entnehmen, dass sich einzelne der streitgegenständlichen Geschäfte tatsächlich und rechtlich isolieren ließen, sodass keine sachlichen Notwendigkeiten gegen eine differenzierende Betrachtung sprachen. Die Einbeziehung von Gewinnen aus pflichtgemäßen Geschäften würde aber darauf hinauslaufen, einen der Gesellschaft, die auch das unternehmerische Risiko trägt, von Rechts wegen zugewiesenen Gewinn abzuschöpfen und schösse damit über das Ziel hinaus. Zudem würde eine solche Gesamtsaldierung grundsätzlich auch bedeuten, den Vorstandsmitgliedern umgekehrt Verluste aus pflichtgemäßem Handeln zuzuschreiben, obwohl auch diesbezüglich die Tragung des unternehmerischen Risikos durch die Gesellschaft einschlägig wäre. Zwar nimmt der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1975 ebenfalls eine Verrechnung ohne Pflichtverletzung erzielter Vorteile mit Nachteilen aus möglicherweise sorgfaltswidrigem Handeln eines Nachlassverwalters vor. Zur Begründung wird aber auf die Überobligationsmäßigkeit der zu dem Vermögensvorteil führenden Verhandlungen für den Verwalter verwiesen.799 An einem vergleichbaren Moment fehlt es in dem „Hypothekenbank“-Fall. Der Ansatz der OLG Frankfurt zur Schadensbemessung im Wege der Gesamtsaldierung der vorgenommenen Zinsderivategeschäfte überzeugt daher insgesamt nicht.800 798 799 800

OLG Frankfurt, AG 2011, 595 Rn. 70; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 63. Siehe BGH FamRZ 1975, 576 f. So i.Erg. auch BGH DB 2013, 507 Rn. 23 f.; Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 516.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

h) Einheitliche Pflichtverletzung? Als Alternative zu der einheitlichen Betrachtung auf Schadensebene, wie sie der BGH und in deutlich weiterem Umfang das OLG Frankfurt vornehmen wollen, könnte auch eine einheitliche Betrachtung gleichartiger Geschäfte, die in einem engeren Zusammenhang stehen, hinsichtlich ihrer Pflichtwidrigkeit angezeigt sein. Ein solcher Ansatz führte zwar ebenfalls zu der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus gleichartigen pflichtwidrigen Handlungen, sieht sich aber auch einem erheblichen Begründungsnotstand gegenüber. Eine weite Betrachtungsweise, wie sie das OLG Frankfurt zum Schaden vornimmt, kommt hier nicht in Frage, scheidet das Ergebnis „ein bisschen pflichtwidrig“ doch von vornherein als unverwertbar aus und darf nicht von einem wirtschaftlich positiven Ergebnis auf die Pflichtgemäßheit des entsprechenden Verhaltens, und umgekehrt von einem negativen auf die Pflichtwidrigkeit, rückgeschlossen werden. Eine einheitliche Betrachtung gleichartig pflichtwidriger Handlungen als eine Pflichtverletzung erscheint vor dem Hintergrund der tatsächlich und rechtlich gegebenen Identifizierbarkeit mehrerer einzelner Handlungen oder Geschäfte, die etwa als einzelne Geldanlagen unterschiedlich bezeichnet werden, begründungsbedürftig. Hier könnte in Ausnahmefällen, ähnlich dem von Illhardt/Scholz erwogenen Konzept, aus Billigkeitsgründen, etwa unter den bereits genannten Voraussetzungen eines engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs der Geschäfte, wenn eine abweichende Betrachtung zur Zerstückelung eines allgemein als einheitlich aufgefassten Vorgangs führen würde, eine Betrachtung als einheitliche Pflichtverletzung und damit eine Zusammenfassung der entsprechenden Gewinne und Verluste in Betracht kommen.801 Zu vermeiden gilt es hierbei, den Vorstandsmitgliedern die Möglichkeit zu eröffnen, durch geschickte Zusammenfassung verschiedener Geschäfte in einheitlichen Beschlüssen, gewisse „Mindestvorteile“ als Anrechnungswerte zu sichern oder in sonstiger Weise auf eine Enthaftung zu spekulieren. i) Zwischenfazit Eine überzeugende dogmatische Begründung für eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung in dem erweiternden Sinne, wie sie der BGH in seiner „Hypothekenbank“-Entscheidung vorsieht, konnte nicht gefunden werden. Weder erscheint eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze auf nicht auf demselben Kausalverlauf beruhende Vor- und Nachteile aufgrund des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots angezeigt, noch ergibt sich eine der Verteilung unternehmerischer Chancen und Risiken widersprechende Vermögensverteilung im Sinne eines „windfall profit“. Zwar könnte eine Ausnutzung der erweiterten Vorteilsausgleichung zu spekulativen Zwecken durch enge Anwendungsvoraussetzungen ausgeschlossen werden, unter teleologischen Gesichtspunkten erscheint es aber schwerlich mit den Regeln der Vorstandshaftung vereinbar, 801

Vgl. Illhardt/Scholz, DZWIR 2013, 512, 516 f. sowie oben unter 3. Teil D. III. 2. d).

D. Vorteilsausgleichung

267

den Vorstandsmitgliedern im wirtschaftlichen Ergebnis bei zusätzlich verursachten Verlusten die Gewinne aus anderen pflichtwidrigen Geschäften zuzusprechen, auf die andernfalls keinerlei Anspruch bestünde. Ein treuwidriges und widersprüchliches Verhalten der Gesellschaft im Falle der Nichtanrechnung der Gewinne aus gleichartigen Pflichtverletzungen auf entsprechende Verluste kann schon deshalb nicht anzunehmen sein, weil der Gesellschaft nach geltendem Recht keine Möglichkeit zur Verfügung stünde, die vom BGH gewollte Verrechnung selbst vorzunehmen. Allenfalls in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen kann unter strengen Voraussetzungen, wenn zwar sachlich trennbare pflichtwidrige Verhaltensweisen vorliegen, diese aber im Rechtsverkehr als einheitlicher Vorgang betrachtet werden, unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit eine Betrachtung als einheitliche Pflichtverletzung in Frage kommen. Grundsätzlich ist der Ansatz des BGH, mag er auch zu einer erheblichen Entlastung der Vorstandsmitglieder, die in dem zu entscheidenden Fall auf über 250 Mio. E nebst Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden in Anspruch genommen wurden, führen, aber mangels überzeugender dogmatischer Begründung abzulehnen.

IV. Fazit Festzuhalten ist, dass, wenngleich dem erweiterten Ausgleich in Anlehnung an die Grundsätze der Vorteilsausgleichung, wie ihn der BGH vornehmen will, nicht zuzustimmen ist, die Vorstandshaftung für Vermögenseinbußen der Gesellschaft aufgrund von Bußgeldern und vergleichbaren Zahlungsverpflichtungen durch die Grundsätze der Vorteilsausgleichung in zahlreichen Fällen eine erhebliche Einschränkung erfährt. Namentlich verbotene Kartelle oder Schmiergeldzahlungen führen im Erfolgsfall zu erheblichen Gewinnen der Gesellschaft; um derentwillen werden solche rechtswidrigen Handlungen gerade vorgenommen und darauf beruhen schlussendlich auch wesentlich die exorbitanten Bußgeldbeträge. Hinzu kommt, dass es sich nach hier vertretener Auffassung bei aufgrund hierauf ausgerichteter Maßnahmen, namentlich des Gewinnabschöpfungsanteils von Bußgeldern, aus dem Gesellschaftsvermögen entfallenen widerrechtlichen Vermögensvorteilen bereits nicht um Schäden der Gesellschaft handelt. Anders als Scholz annimmt,802 geht hiermit eine ganz erhebliche Beschränkung der Haftungsrisiken der Vorstandsmitglieder einher, indem zwar die Haftungswahrscheinlichkeit unberührt bleibt, die zu ersetzenden Beträge aber gegenüber den

802

Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 67 hält die Anwendbarkeit der Grundsätze der Vorteilsausgleichung wegen der verbleibenden Haftung für den Ahndungsteil von Geldbußen und zivilrechtliche Folgekosten der Gesellschaft für nicht entscheidend für das Haftungsrisiko der Vorstandsmitglieder; ähnl. Hopt, ZIP 2013, 1793, 1799.

268

3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

die Gesellschaft treffenden Zahlungsverpflichtungen erheblich erniedrigt sind.803 Als Beispiel kann die Siemens-Korruptionsaffäre, die zu Zahlungen der Siemens AG in Höhe von insgesamt rund einer Milliarde Euro geführt hat,804 herangezogen werden. Ein in diesem Zusammenhang durch das LG München I verhängtes Bußgeld in Höhe von 201 Mio. E setzte sich aus einem Ahndungsteil von einer Million Euro und einem Gewinnabschöpfungsteil von 200 Mio. E zusammen.805 Vergleichbares gilt für einen Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft München über 395 Mio. E, der eine Ahndung lediglich in Höhe von 250.000 E vorsah.806 Ferner erfolgte eine Gewinnabschöpfung von 350 Mio. US-Dollar durch die US-amerikanische Börsenaufsicht.807 In der Summe ergibt sich eine Gewinnabschöpfung von insgesamt gut 892 Mio. E,808 es verbleiben folglich Schäden der Siemens AG in Höhe von maximal knapp 116 Mio. E.809 Zwar ist nicht zu bestreiten, dass es sich auch dabei keineswegs um einen geringen Betrag handelt. Angesichts des Gesamtbetrags der Zahlungsverpflichtungen der Siemens AG bedeutet ein maximaler ersatzfähiger Schaden von knapp einem Achtel hiervon indes eine ganz erhebliche Reduzierung. Zu beachten ist auch, dass eine Einstandspflicht einer D&O-Versicherung nur so weit reicht wie die Ersatzpflicht der Vorstandsmitglieder und eine solche zur Deckung des nach Abzug der Gewinnabschöpfung in Rede stehenden Betrags sicherlich leichter erhältlich sein wird als für über eine Milliarde Euro.810 Ferner wird eine Schadensersatzpflicht in Höhe von über einhundert Millionen Euro zwar sicherlich für ein einzelnes Vorstandsmitglied ohne Versicherungsschutz wirtschaftlich nicht zu bewältigen sein. Verteilt auf mehrere Vorstands- und möglicherweise auch Aufsichtsratsmitglieder erscheint es indes wesentlich realistischer, dass diese insgesamt den Betrag aufbringen können als dies bei einem Schaden in Milliardenhöhe der Fall wäre.811 Freilich können zu dem Bußgeldschaden noch entgangene Gewinne als Schäden der Gesellschaft hinzukommen, die aber diesbezüglich beweisbelastet ist. Anzumerken bleibt, dass es sich bei der Siemens-Korruptionsaffäre um einen medial als spekta-

803 Ebenso Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 703; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 842, 844. 804 Siehe Fn. 579. 805 Dazu auch Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 703. 806 Dazu auch Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 842. 807 Sämtliche Angaben aus LG München I, AG 2014, 332, 333 („Siemens/Neubürger“); die Entscheidung im Bußgeldverfahren des LG München I, 5 KLs 563 Js 45994/07, ist anscheinend unveröffentlicht. 808 Ausgehend von einem Kurs des US-Dollars von 0,85 E. 809 Ausgehend von den Zahlungen der Siemens AG von 1,008 Mrd. E (Fn. 579) abzgl. einer Gewinnabschöpfung von 892,25 Mio. E. 810 Vgl. 3. Teil C. II. 811 Zu berücksichtigen bleibt die gesamtschuldnerische Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG. Indes hat gerade der Fall „Siemens/Neubürger“ gezeigt, dass Aufsichtsräte anscheinend durchaus mit Augenmaß vorgehen; vgl. die Ausführungen unter 3. Teil C. II. a.E.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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kulär gehandelten Fall handelt,812 sodass in vergleichbaren Fallgestaltungen regelmäßig von geringeren als dem hier erörterten Schaden auszugehen sein wird. Die fehlende Schadensqualität der Vorteilsentziehung, insbesondere der Gewinnabschöpfung, und die Anwendbarkeit der Grundsätze der Vorteilsausgleichung bedeuten nach alldem eine wesentliche Begrenzung der Vorstandshaftung, die namentlich die im Schrifttum als besonders haftungsgefährlich identifizierten Bereiche des Kartellsanktionenrechts und auch der Corporate Compliance betreffen kann und hier in vielen Fällen eingreifen wird.

E. Begrenzung des geltend zu machenden Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft I. Ausgangspunkt: Begrenzung der geltend zu machenden Schadensersatz-, insbesondere Regressansprüche der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder Besonders hohe Haftungssummen drohen Vorstandsmitgliedern in der Praxis dort, wo die Gesellschaft durch ein Verhalten, das im Innenverhältnis eine Pflichtverletzung zumindest der Vorstandsmitglieder darstellt oder auf einer solchen beruht, den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit813 verwirklicht oder in ähnlicher Weise durch ein gesetzwidriges Handeln der Gesellschaft für diese eine Zahlungsverpflichtung im Außenverhältnis ausgelöst wird.814 Solche Bußgelder, deren Höhe sich regelmäßig anhand des Umsatzes des an der Ordnungswidrigkeit oder dem sonst gesetzwidrigen Handeln beteiligten Unternehmens bemessen wird,815 übersteigen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Vorstandsmitglieder einer beteiligten Gesellschaft sehr häufig um ein Vielfaches.816 Hinzu kommt, dass „Haftpflichtan812

Zum medialen Echo vgl. Fn. 576 f. § 1 Abs. 1 OWiG. 814 Bspw. in Gestalt von Bußgeldverpflichtungen im Ausland; s. dazu die Siemens-Korruptionsaffäre, in deren Zshg. die Siemens AG gegenüber dem US-Department of Justice ein Bußgeld in Höhe von 450 Mio. US-Dollar zu akzeptieren hatte; dazu die Geschäftsberichte 2008, S. 13 ff. u. 2009, S. 201 ff. der Siemens AG, abzurufen unter http://www.siemens.com/in vestor/pool/de/investor_relations/jahresabschluss_siemens_ag.pdf (2008, zuletzt abgerufen am 23. 01. 2015) bzw. http://www.siemens.com/investor/pool/de/investor_relations/d09_00_gb2 009.pdf (2009, zuletzt abgerufen am 27. 01. 2015). 815 Allgemein § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG, zum Kartellrecht Art. 23 Abs. 2 VO 1/2003 (Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.EG 2003 Nr. L 1 S. 1 ff.), § 81 Abs. 4 S. 1 GWB. 816 Vgl. bspw. die von der Europäischen Kommission verhängten Kartellbußgelder, Kartellstatistik der Kommission, abzurufen unter http://ec.europa.eu/competition/cartels/statistics/ 813

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

sprüche wegen Vertragsstrafen, Kautionen, Bußgeldern und Entschädigungen mit Strafcharakter (punitive und exemplary damages)“ nach den GDV-Musterbedingungen vom Versicherungsschutz durch eine D&O-Versicherung ausgenommen sind.817 Die diesbezüglich sich möglicherweise andeutende Trendwende sowie die bereits real gegebene Erhältlichkeit von D&O-Versicherungspolicen, die den Bußgeldregress der Gesellschaft umfassen, werden im Schrifttum bislang lediglich ganz vereinzelt zur Kenntnis genommen.818 Vor diesem Hintergrund werden in der Literatur mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Ansatzpunkten Versuche unternommen, die Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder auf Schadensersatz wegen solcher, der Gesellschaft aufgrund ihres im Innenverhältnis pflichtwidrigen Handelns entstandener Zahlungsverpflichtungen im Regresswege auszuschließen819 oder der Höhe nach zu begrenzen.820 Eine Gegenauffassung lehnt, trotz der umrissenen Haftungsausmaße, eine Beschränkung des Rückgriffs der Gesellschaft generell ab.821

statistics.pdf (zuletzt abgerufen am 23. 01. 2015); Zahlungen der Siemens AG im Rahmen der Korruptionsaffäre, Geschäftsbericht der Siemens AG 2009, S. 201 ff., abzurufen unter http:// www.siemens.com/investor/pool/de/investor_relations/d09_00_gb2009.pdf (zuletzt abgerufen am 27. 01. 2015); weitere Bsp. mit Nachweisen bei Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344. 817 Dazu bereits oben unter 3. Teil C. III. 2. 818 Dazu ausführlich unter 3. Teil C. III. 2. 819 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 105; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; Krause, BB-Beilage 2007, Nr. 007, 2, 13. 820 Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97; Fleischer, BB 2008, 1070, 1073; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 f.; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 730; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 84 Rn. 9, § 93 Rn. 15; Lotze, NZKart 2014, 162, 167 f.; auch für nicht kartellrechtliche Bußgelder der Gesellschaft Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 338 f. (unter Andeutung der Übertragbarkeit auf weitere Schadensursachen, ebd., 345); Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 172; darüber hinaus für sonstige Regressfälle Koch, AG 2012, 429, 435; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 11, § 93 Rn. 51; ders., AG 2014, 513; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 ff.; sämtliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organmitglieder umfassend Brommer, AG 2013, 121, 127 ff.; Spindler, AG 2013, 889, 894 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 265 ff.; Peltzer, FS HoffmannBecking, 2013, S. 861, 865; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 775 ff. 821 Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 32 f.; ders., ZHR 177 (2013), 782, 801 f.; Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555, 569 f.; Fleischer, DB 2014, 345, 349; Glöckner/ Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345 f.; M. Zimmermann, WM 2008, 433, 436 ff.; Kapp/ Gärtner, CCZ 2009, 168, 170; Werner, CCZ 2010, 143, 145; Schöne/Petersen, AG 2012, 700; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 132 f.; Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 205a; jedenfalls für vorsätzliche, tendenziell auch für fahrlässige Ordnungswidrigkeiten Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 39 ff.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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II. Dreher – Beschränkung des Regresses wegen Kartellbußgeldern Der im Folgenden darzustellende Ansatz Drehers822 befasst sich allein mit der Begrenzung von Regressansprüchen der Gesellschaft gegen Mitglieder ihres Vorstands aufgrund der Zahlung von Kartellbußgeldern, die ihr wegen eines im Innenverhältnis pflichtwidrigen Verhaltens der Vorstandsmitglieder auferlegt wurden. Aufgrund des begrenzten Anwendungsbereichs ist dieser Ansatz vor allem als Ausgangspunkt der Überlegungen Kochs823 von Interesse, sodass auf kartellrechtliche Besonderheiten lediglich insoweit eingegangen werden soll, als dies für das Verständnis des Gedankengangs erforderlich ist. 1. Grundlagen des Kartellbußgeldrechts Das Kartellbußgeldrecht ist, dem Kartellrecht folgend, von einer Zweispurigkeit europäischer und nationaler Vorschriften geprägt. Das Verhältnis der Regelungen des AEUV zum deutschen Kartellrecht ergibt sich aus § 22 Abs. 1, 3 GWB, wonach grundsätzlich auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die dem Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV unterfallen, sowie Handlungen, die einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV darstellen, auch die Vorschriften des GWB angewandt werden können. a) Ordnungswidrigkeitentatbestände des Europarechts Bußgeldrechtliche Sanktionen könne sich daher zum einen aus Art. 23 Abs. 2 lit. a VO 1/2003824 ergeben, wonach die Kommission gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen gegen Art. 81 oder 82 EG, die Vorgängervorschriften der Art. 101, 102 AEUV, Geldbußen bis zur Höhe von zehn Prozent des Gesamtumsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahrs des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung gegen die an der Zuwiderhandlung Beteiligten verhängen kann. Nach Absatz 3 des Art. 23 der VO 1/ 2003 sind bei der Festsetzung des Bußgelds sowohl die Schwere als auch die Dauer der Zuwiderhandlung gegen Art. 101 oder 102 AEUV zu berücksichtigen. Die diesbezüglichen, zuletzt im Jahr 2006 verschärften Leitlinien der Kommission825 sehen innerhalb der Grenze von zehn Prozent des Vorjahresumsatzes eine Buß822

FS Konzen, 2006, S. 85 ff. Dazu unter 3. Teil E. III. 824 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.EG 2003 Nr. L 1 S. 1 ff. 825 Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, ABl.EG 2006, Nr. C 210/2. 823

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geldhöhe bis zu 30 Prozent des mit der Zuwiderhandlung in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehenden Jahresumsatzes, multipliziert mit der Anzahl der Jahre, die diese angedauert hat, vor.826 Adressaten der Bußgeldverpflichtung nach europäischem Recht können allein die vom Tatbestand der Art. 101, 102 AEUV erfassten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen sein. Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Sinne ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“.827 Die wirtschaftliche Tätigkeit einer Aktiengesellschaft wird von dieser lediglich durch den Vorstand, bestehend aus den Vorstandsmitgliedern, ausgeübt, sodass allein die Gesellschaft Unternehmensqualität in diesem Sinne hat und damit Adressatin einer Bußgeldfestsetzung aufgrund des Art. 23 Abs. 2 lit. a VO 1/2003 sein kann,828 wobei ihr das Verhalten des Vorstands zuzurechnen ist.829 b) Die Ordnungswidrigkeitentatbestände des deutschen Rechts in § 81 GWB Neben dieser europarechtlichen Grundlage können sich bußgeldrechtliche Folgen für die Gesellschaft auch aufgrund nationalen Rechts ergeben. § 81 GWB enthält Ordnungswidrigkeitentatbestände nicht nur für Verstöße gegen Vorschriften des GWB, sondern darüber hinaus auch gegen Art. 101, 102 AEUV,830 die gemäß Absatz 4 Satz 1 mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden können. Gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung kann nach Absatz 4 Satz 2 eine höhere Geldbuße verhängt werden, die auf zehn Prozent des Gesamtumsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahres des Adressaten begrenzt ist. Auch hier sind bei der Festsetzung des Bußgelds nach Absatz 4 Satz 6 Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen. Anders als nach europäischem Recht kann Adressat eines Bußgelds nach § 81 GWB nicht nur das Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Sinne, sondern auch ein handelndes Vorstandsmitglied sein. § 9 826 Nr. 13, 19, 21 der Leitlinie; s., auch zu den Einzelheiten der Bußgeldbemessung im Übrigen, Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, ABl.EG 2006, Nr. C 210/2; Pressemitteilung der Kommission v. 28. 06. 2006, IP/06/857; Petsche/Lager, in: Liebscher/Flohr/Petsche, Hdb EU-GruppenfreistellungsVOen, 2. Aufl. 2012, § 18 Rn. 4 ff. 827 St. Rspr., u. a. EuGH C-41/90 („Höfner und Elser“), Slg. 1991, I-01979 Rn. 21; C-159/ 91 u. 160/91 („Poucet und Pistre“), Slg. 1993, I-00637 Rn. 17; C-244/94 („Fédération française des sociétés d’assurance“), Slg. 1995, I-04013 Rn. 14; IC-55/96 („Job centre coop“), Slg. 1997, I-07119 Rn. 21; C-218/00 („Cisal“), Slg. 2002, I-00691 Rn. 22; C-264/01, C-306/01, C-354/01 u. C-355/01 („AOK-Bundesverband“), Slg. 2004, I-02493 Rn. 46; C-205/03 („FENIN“), Slg. 2006, I-06295 Rn. 25. 828 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 87. 829 Siehe EuGH C-100/80 („Musique Diffusion française“), Slg. 1983, 01825 Rn. 97, wonach es ausreicht, dass die wettbewerbswidrige Handlung vorsätzlich oder fahrlässig von einer Person vorgenommen wurde, „die berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden.“. 830 Eingeführt durch die 7. GWB-Novelle, BGBl. I 2005, S. 1954, 1965 f.

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Abs. 1 Nr. 1 OWiG sieht vor, dass Vorschriften, die ein besonderes persönliches Merkmal, hier die Unternehmensqualität, als Grundlage der Ahndung voraussetzen, auf Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer juristischen Person Anwendung finden, wenn das besondere persönliche Merkmal zwar nicht bei ihnen, aber bei dem Vertretenen vorliegt. Die fehlende Unternehmenseigenschaft der Vorstandsmitglieder schützt diese mithin nach deutschem Ordnungswidrigkeitenrecht nicht vor einer Inanspruchnahme für ordnungswidriges Verhalten, dessen Ahndung an diese anknüpft. Daneben kommt auch eine in der Eigenschaft des Vorstands als Leitungsorgan gründende Bußgeldpflichtigkeit aus § 130 Abs. 1 OWiG in Betracht, wenn eine Ordnungswidrigkeit der Gesellschaft, hier in Gestalt eines wettbewerbswidrigen Verhaltens, durch „gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre“ und entsprechende erforderliche Aufsichtsmaßnahmen vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen wurden. Unmittelbar betrifft die Vorschrift lediglich den „Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens“, die Zurechnung dieser Eigenschaft der Gesellschaft zu den Vorstandsmitgliedern ergibt sich aber auch hier aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG.831 c) Vorstandsmitglieder als Adressaten von Bußgeldverfügungen Eine unmittelbare Belastung mit einer Geldbuße kann sich für Vorstandsmitglieder nach dem Gesagten allein aus nationalem Recht und nur bis zu der durch § 81 Abs. 4 S. 1 GWB gegebenenfalls in Verbindung mit § 130 Abs. 3 S. 3 OWiG vorgesehenen Höhe von einer Million Euro ergeben. Obwohl es sich hierbei um einen erheblichen Betrag handelt, wird sich eine solche Bußgeldhaftung kaum existenzbedrohend auswirken.832 Im Hinblick auf eine Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz von Vorstandsmitgliedern problematisch kann sich dagegen, insbesondere in Gesellschaften, deren Unternehmen, möglicherweise an der Spitze eines Konzerns, große Umsätze erwirtschaften, der Regress der Gesellschaft gegen die an der Zuwiderhandlung beteiligten Vorstandsmitglieder wegen einer gegen die Gesellschaft, mithin in der durch Art. 23 Abs. 2 lit. a VO 1/2003 beziehungsweise § 81 Abs. 4 S. 2 GWB zugelassenen Höhe,833 ergangenen Geldbuße auswirken.834 831

Zum Ganzen Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 88 f.; zum Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen zur Verhinderung kartellrechtswidrigen Handelns ebd., S. 97 f. 832 Ebenso in anderem Zshg. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 703. 833 Zu den in Jahren 2010 – 2014 konkret verhängten Bußgeldern, die in mehreren Fällen den deutlich dreistelligen, in einigen auch den oberen dreistelligen Millionenbereich erreicht haben, s. die Kartellstatistik der Kommission unter http://ec.europa.eu/competition/cartels/statis tics/statistics.pdf (zuletzt abgerufen am 23. 01. 2015). Dazu auch Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 39 f. 834 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 90, 105; Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97: „wirtschaftliche Todesstrafe“; Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327 f., 332; ders., AG 2012, 429, 434; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für

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d) Rechtsunsicherheit bei kartellrechtlich bedeutsamem Handeln der Gesellschaft Das Problem verschärfend wirkt sich dabei aus, dass keine Möglichkeit im Sinne eines Anspruchs gegeben ist, die kartellrechtliche Zulässigkeit eines bestimmten Vorgehens, insbesondere im Hinblick auf den Ausnahmetatbestand des Art. 101 Abs. 3 AEUV, feststellen zu lassen.835 Art. 10 der VO 1/2003 sieht lediglich eine Ermessensentscheidung der Kommission, eine entsprechende Feststellung aus Gründen des öffentlichen Interesses der Gemeinschaft zu treffen, vor. Gemäß Art. 5 der VO 1/2003 können nationale Wettbewerbsbehörden entscheiden, dass für sie kein Anlass besteht, tätig zu werden. Eine entsprechende Regelung enthält § 32c GWB, dessen Satz 3 jedoch klarstellt, dass eine Freistellung von den in Satz 1 genannten Kartellverboten damit nicht verbunden ist.836 Kartellrechtlich bedeutsames Handeln der Gesellschaft steht daher unter einem erheblichen Risiko von Fehlbeurteilungen, die Bußgelder in dem dargestellten Umfang zur Folge haben können.837 Eine befriedigende Lösung kann nach Auffassung Drehers weder durch die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, von deren Anwendungsbereich gesetzwidriges Handeln ausgenommen ist,838 erreicht werden, noch finde die Unsicherheit der rechtlichen Bedingungen bei der gerichtlichen Beurteilung der Haftung der in einer solchen unsicheren Rechtslage handelnden Vorstandsmitglieder hinreichende Berücksichtigung.839

Rechtsanwendungsfehler, S. 293; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637; Brommer, AG 2013, 121, 124. 835 Ein durch die 7. GWB-Novelle für kleine und mittlere Unternehmen in § 3 Abs. 2 GWB aF zunächst eingeführter Anspruch auf eine Entscheidung nach § 32c bei Vorliegen eines erheblichen wirtschaftlichen oder rechtlichen Interesses ist zum 30. Juni 2009 außer Kraft getreten. 836 Vgl. Begr. RegE 7. GWB-Novelle v. 12. 08. 2004, BT-Drs. 15/3640, S. 52. 837 Dazu sowie zur vorher geltenden Rechtslage Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 91 f.; Spindler, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 403, 407 ff.; Buck-Heeb, BB 2013, 2247, 2248; Hauger/ Palzer, ZGR 2015, 33, 45 f.; ausführlich Dreher/Thomas, WuW 2004, 8; im Hinblick auf die Sicherstellung gesetzmäßigen Verhaltens im Unternehmen (Compliance) bewertet auch Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 91 Rn. 53 das Kartellrecht als „besonders gefährdeten Bereich“. 838 Siehe nur Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Dr. 15/5092, S. 11: „für illegales Verhalten gibt es keinen ,sicheren Hafen‘ im Sinne einer haftungstatbestandlichen Freistellung, es kann hier im Einzelfall aber am Verschulden fehlen.“. Ausführlich dazu bereits unter 3. Teil A. III. 1. b) cc); vgl. auch 3. Teil A. IV. 839 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 92 ff.

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2. Der Regress der Gesellschaft bei Vorstandsmitgliedern wegen Kartellbußgeldzahlungen Verstößt eine Aktiengesellschaft gegen bußgeldbewehrte Vorschriften des nationalen oder europäischen Kartellrechts und beruht der Gesetzesverstoß auf einem Handeln oder Unterlassen des Vorstands, das im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern den Tatbestand einer Pflichtverletzung verwirklicht, stellt sich die Bußgeldpflicht nach allgemeinen Grundsätzen als Schaden der Gesellschaft dar, den die beteiligten Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG zu ersetzen verpflichtet sind. Eine solche Ersatzpflicht würde nicht nur, aufgrund des gegenüber dem für die persönliche Verantwortlichkeit einer Person, die nicht Unternehmen oder Unternehmensvereinigung im wettbewerbsrechtlichen Sinne ist, geltenden erhöhten Bußgeldrahmens, zu der beschriebenen erheblichen finanziellen Belastung der Vorstandsmitglieder führen. Sie hätte darüber hinaus zur Folge, dass sich die Gesellschaft grundsätzlich, sofern eine Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder zu der Bußgeldverpflichtung geführt hat und, woran es insbesondere bei umsatzstarken Unternehmen regelmäßig fehlen wird, die Vorstandsmitglieder hinreichend leistungsfähig sind, von der Bußgeldzahlung im Regresswege finanziell entlasten könnte. a) Exkurs: Kausalität und Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden bei Einigung zwischen Gesellschaft und Behörde Zur Anordnung eines Bußgelds oder einer vergleichbaren Zahlungsverpflichtung kann es nicht nur im engsten Sinne zwangsweise kommen, indem eine staatliche Stelle gegen die sich möglicherweise bereits gegen den Vorwurf ordnungs- oder sonst gesetzwidrigen Verhaltens wehrende Gesellschaft eine entsprechende Verfügung erlässt. In zahlreichen Fällen wird die Gesellschaft einen solchen Verstoß kaum mit Aussicht auf Erfolg vollständig von sich weisen können, sodass die Kooperation mit den staatlichen Behörden eine Reduzierung der zu zahlenden Geldbuße erhoffen lässt und die Gesellschaft eine solche in einer gewissen Höhe akzeptiert, ohne dass der zugrunde liegende Sachverhalt vollumfänglich erforscht und aufgeklärt wurde. In solchen Fällen einer Einigung zwischen Gesellschaft und Behörde wird teilweise bereits die Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie verneint840 oder der Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und Geldbuße abgelehnt.841 Kausal im Sinne der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung, die nicht hinweg gedacht werden

840 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 272 unter Berufung auf Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 57. 841 Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 57; anders wohl nunmehr BGH ZIP 2014, 1728 Rn. 18 (dort in anderem Zshg.).

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.842 Freilich muss bei einer Geldbuße als Resultat einer Einigung zwischen Gesellschaft und Behörde der Einzelfall betrachtet werden. In aller Regel wird es an der äquivalenten Kausalität aber gerade nicht fehlen.843 Das im Innenverhältnis pflichtwidrige Verhalten des Vorstandsmitglieds, das zu einem möglicherweise rechtswidrigen Verhalten der Gesellschaft geführt hat oder mit einem solchen zusammenfällt, ist regelmäßig gerade Anlass für Verhandlungen zwischen dieser und einer für die Verhängung einer Geldbuße oder ähnlichen Zahlungsverpflichtung zuständigen Behörde. Fehlte es an diesem Verhalten, entfielen mithin die Verhandlungen, folglich auch die Geldbuße, die von der Gesellschaft akzeptiert wurde. Äquivalente Kausalität ist somit gegeben.844 Auch der Zurechnungszusammenhang kann nicht pauschal ausgeschlossen werden.845 Vorgebracht wird zur Begründung eines Ausschlusses des Zurechnungszusammenhangs die zur Begründung einer Schadensersatzpflicht der handelnden Vorstandsmitglieder unzureichende Sachverhaltsermittlung und -bewertung im Rahmen einer Einigung zwischen Gesellschaft und Behörde. Beachtet man jedoch die Motive, die aus wirtschaftlicher Sicht für die Eingehung solcher Verhandlungen sprechen, und bewertet dementsprechend das Verhalten hieran und zugleich an der möglichen Pflichtverletzung beteiligter Vorstandsmitglieder nicht als Zugeständnis des der Einigung zugrunde gelegten Sachverhalts, bedarf es zu deren Schutz nicht des Ausschlusses des Zurechnungszusammenhangs. Umgekehrt ergäbe sich eine schwerlich zu begründende Haftungsentlastung für die an einem ordnungswidrigen Verhalten der Gesellschaft als Handelnde beteiligten Vorstandsmitglieder, würde der Regress im Falle einer Einigung derart pauschal ausgeschlossen. Zudem könnten sich zweifelhafte Verhaltensanreize dahingehend ergeben, dass in nicht absolut zweifelsfreien Fällen die Vorstandsmitglieder, auch wenn dies nicht den Interessen der Gesellschaft entspräche, eher geneigt wären, eine Einigung zu akzeptieren als das Risiko einer rechtmäßigen Bußgeldverfügung, die nicht Ergebnis von Verhandlungen ist, einzugehen. In der Frage des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft wegen einer im Wege der Einigung ergangenen Geldbuße bedarf es aber der vollständigen Ermittlung und rechtlichen Bewertung des zugrunde liegenden Sachverhalts im Hinblick auf das Vorliegen einer Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder

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Auch Bedingungstheorie oder Theorie der condicio sine qua non. Grundlegend dazu Glaser, Abhandlungen aus dem Oesterreichischen Strafrecht, S. 293 ff., s. i.Ü. nur Eisele, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 73a sowie die dortigen Nachweise; zur schadensersatzrechtliche Bedeutung Lange/Schiemann, § 3 III (S. 79 f.). 843 Fleischer, DB 2014, 345, 351; Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 205a, Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 42 f. 844 So auch Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 216. 845 Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 205a.

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und deren Folgen.846 Unter diesen Voraussetzungen ist die Schadensersatzpflicht nach den allgemeinen Grundsätzen festzustellen.847 b) Kein Regressausschluss für gegen die Gesellschaft verhängte Kartellbußgelder Dreher hält einen Regress der Gesellschaft bei den beteiligten Vorstandsmitgliedern, jedenfalls in der vollen Höhe der gegen die Gesellschaft verhängten Geldbuße, für ausgeschlossen.848 Ein entsprechender Schadensersatzanspruch der Gesellschaft sei vom Schutzbereich des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG nicht umfasst,849 ferner sprächen Sinn und Zweck der kartellrechtlichen Bußgeldnormen gegen eine wirtschaftliche Abwälzung der Bußgeldzahlung.850 Dieser Auffassung hat sich nunmehr das Landesarbeitsgericht Düsseldorf angeschlossen.851 aa) Vereinbarkeit mit Sinn und Zweck des Kartellbußgeldrechts Sowohl das europäische als auch das nationale Kartellbußgeldrecht dient auch der Verhaltenssteuerung der Unternehmen im Sinne der Einhaltung der gesetzlichen Regeln.852 Daneben können auch nach nationalem Recht angeordnete Bußgelder nach der 7. GWB-Novelle ausschließlich Sanktionscharakter haben und keine Abschöpfung des durch den Wettbewerbsverstoß erlangten wirtschaftlichen Vorteils bezwecken.853 Daher verfolgen sowohl die nationalen als auch die europäischen Kartellbußgeldvorschriften, letztere hinsichtlich der Adressaten ausschließlich, spezialpräventive Zwecke gegenüber dem bußgeldpflichtigen Unternehmen. 846

Auf diesbezügliche Probleme bei einer Einigung zwischen Gesellschaft und Behörde verweist Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 216 f. 847 Im Ganzen ähnl. mit demselben Ergebnis Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 42 ff. 848 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 104 ff.; sympathisierend F. Gaul, AG 2015, 109, 110 f.; Goette, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 377, 381; soweit wegen des fraglichen Sachverhalts eine eigene Bußgeldverpflichtung der Vorstandsmitglieder besteht, an einer Schadensersatzpflicht auch dem Grunde nach zweifelnd Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56. 849 So bereits Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; tendenziell zust. Krause, BB-Beilage 2007, Nr. 007, 2, 13; F. Gaul, AG 2015, 109, 111. 850 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 104 ff.; sympathisierend F. Gaul, AG 2015, 109, 110 f.; ähnl. für das gesamte Ordnungswidrigkeitenrecht im umgekehrten Fall der Erstattung gegen Geschäftsleiter verhängter Geldbußen durch die Gesellschaft, Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 132 f. 851 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20. 01. 2015 – 16 Sa 459/14, VersR 2015, 629. 852 Siehe zum Europarecht EuGH C-100/80 („Musique Diffusion française“), Slg. 1983, 01825 Rn. 105; zur Umsetzung im nationalen Recht durch § 81 Abs. 1 GWB Begr. RegE 7. GWB-Novelle v. 12. 08. 2004, BT-Drs. 15/3640, S. 66. 853 Vgl. § 81 Abs. 5 S. 2 GWB, dazu Begr. RegE 7. GWB-Novelle v. 12. 08. 2004, BTDrs. 15/3640, S. 66.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

(1) Die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung für Kartellbußgelder in der Aktiengesellschaft Vor diesem Hintergrund verbietet es sich nach Auffassung Drehers, auch im Hinblick auf die praktische Wirksamkeit des Europarechts („effet utile“), den Unternehmen wegen einer Bußgeldzahlung (vollumfänglichen) Regress bei den beteiligten Vorstandsmitgliedern zu gewähren.854 Auch aus generalpräventiven Erwägungen ergebe sich nichts anderes; auch hier führte die Möglichkeit der Entlastung im Regresswege zu einer Beeinträchtigung der verhaltenssteuernden Wirkung der Bußgelddrohung gegenüber den Unternehmen.855 Dasselbe gebiete die „Aufteilung der innergesellschaftlichen Verantwortungssphären“: Solle eine Kartellgeldbuße rechtswidriges Verhalten eines Unternehmens sanktionieren und es in Zukunft zur Einhaltung der Wettbewerbsregeln veranlassen, müsse sie endgültig dieses und damit wirtschaftlich den Unternehmensträger treffen, der aufgrund der Auswahl der Vorstandsmitglieder die finanzielle Verantwortung für „alle Folgen des Organhandelns“ zu tragen habe.856 (a) Optimaler Adressat der verhaltenssteuernden Wirkung? Die spezial- und generalpräventiven Erwägungen lassen sich indes mindestens ebenso überzeugend in umgekehrter Richtung anstellen.857 Der Befund Drehers, um die gesetzgeberisch gewünschte Wirkung zu erzielen, müsse die Geldbuße finanziell das Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Sinne und damit dessen Träger treffen, mag etwa für die GmbH, in der die Gesellschafterversammlung als der Kreis der im wirtschaftlichen Ergebnis Betroffenen auf die laufende Geschäftsführung durch ihr Weisungsrecht erheblichen Einfluss nehmen kann, durchaus zutreffen. In der Aktiengesellschaft träfe die Geldbuße wirtschaftlich letztendlich die Aktionäre,858 die in der Hauptversammlung im Grundsatz keinen Einfluss auf einzelne Maßnahmen der Geschäftsführung nehmen können, denen somit lediglich die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern oder der Vertrauensentzug gegenüber Mitgliedern des Vorstands als Möglichkeiten zur Verfügung stehen, auf ein durch diese veranlasstes

854 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 104 f.; ebenso Lotze, NZKart 2014, 162, 167; sympathisierend Bachmann, ZIP 2014, 579, 582; F. Gaul, AG 2015, 109, 110 f. Aus dem umgekehrten Blickwinkel sieht Thole, ZHR 173 (2009), 504, 534 die gesetzlichen Steuerungsziele der Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder dort bereits als verwirklicht an, wo eine (kartellbußgeldrechtliche) Außenhaftung gegeben ist. 855 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 106; LAG Düsseldorf, VersR 2015, 629, 633. 856 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 106; zust. F. Gaul, AG 2015, 109, 110 f.; LAG Düsseldorf, VersR 2015, 629, 632. 857 Ähnl. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 50; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 54. 858 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 51 hält unter dem Gesichtspunkt der Wirkungen von Geldbußen die Gleichsetzung von AG und Aktionären für unzulässig. Ein Regressausschluss aus Präventionsgründen ist danach erst recht abzulehnen.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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oder übersehenes ordnungswidriges Verhalten der Gesellschaft zu reagieren.859 Insbesondere bei einem großen Anteil von Aktien in Streubesitz wird eine Hauptversammlung sich von einem Bußgeld, mit dem die Gesellschaft belegt wurde, wesentlich weniger beeindrucken lassen als Vorstandsmitglieder, denen Regressansprüche der Gesellschaft in empfindlichster Höhe drohen860 und die, anders als die Hauptversammlung, die Leitung des Unternehmens der Gesellschaft unmittelbar in Händen halten.861 Freilich ließe sich hier ebenso sagen, dass es dem Vorstandsmitglied, das ein vorhergehender Regress wegen einer Bußgeldzahlung bereits in die Insolvenz getrieben hat, reichlich gleichgültig sein wird, ob sich seine Überschuldung um einen weiteren Millionenbetrag erhöht.862 Es soll hier lediglich gezeigt werden, dass eine Verhaltenssteuerung der Gesellschaft jedenfalls nicht nur durch ein wirtschaftliches Belassen der Geldbuße bei ihr als Unternehmensträgerin erreicht werden kann, sodass die Argumentation Drehers insoweit in keiner Weise zwingend ist oder auch nur einem Regelfall entspricht.863 Dem Einwand Scholz‘ gegen ein Regressverbot, durch ein solches könnten sich die Vorstandsmitglieder, vermittelt durch variable Vergütungsbestandteile, an Kartellgewinnen bereichern, ohne die daraus folgenden Sanktionskosten selbst tragen zu müssen, ist nur bedingt zuzustimmen.864 Nach hier vertretener Auffassung handelt es sich bei dem Verlust von Kartellgewinnen aufgrund von Abschöpfungsmaßnahmen zulasten der Gesellschaft nicht um einen Schaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB, sodass insoweit in der Tat Vorstandsmitglieder von gewinnabhängigen Zusatzvergütungen profitieren können, ohne für den späteren Verlust dieser Gewinne einstehen zu müssen. Hinzu kommt, dass das europäische Kartellordnungswidrigkeitenrecht nur Geldbußen gegen Unternehmen vorsieht.865 Indes besteht auch nach hier ver859 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 534 erhofft sich hieraus einen Markteffekt dahingehend, dass Aktionäre wegen der Gefahr der wirtschaftlichen Belastung mit Bußgeldern eher in Unternehmen investieren würden, deren Geschäftsleitung rechtmäßiges Verhalten gewährleistet; auf einen gesteigerten Anreiz, auf rechtmäßiges Verhalten der Vorstandsmitglieder hinzuwirken, hofft Blaurock, FS Bornkamm, 2014, S. 107, 118. Diesbzgl. zweifelnd Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 51 f. 860 Dies räumt auch Thole, ZHR 173 (2009), 504, 534 im Ergebnis ein. 861 Ähnl. Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 33; Koch, AG 2012, 429, 434; Fleischer, DB 2014, 345, 348; ähnl. zur fehlenden Sanktionierung der Handelnden durch EU-Kartellrecht Whelan, Competition Law Review 4 (2007), 7, 24 f.; im Zshg. der Erstattung die Organmitglieder selbst betreffender Bußgelder durch die Gesellschaft auch Rehbinder, ZHR 149 (1984), 555, 571; allgemein zu strafbewehrtem gesetzwidrigem Handeln durch Unternehmen Arlen, 23 J. Legal Stud. (1994), 833, 834 und passim; i.Erg. Werner, CCZ 2010, 143, 145; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345. 862 So Spindler, AG 2013, 889, 895; ähnl. Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 238. 863 Ähnl. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 53. 864 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 50; ähnl. zu den Korruptionsgewinnen der Siemens AG Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 702. 865 Darauf weist auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 50, hin.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

tretener Auffassung ein Schaden der Gesellschaft, soweit deren Vermögen durch nicht auf die Abschöpfung widerrechtlicher Vorteile zielende Maßnahmen, insbesondere ahndende Geldbußen, beeinträchtigt wird. Diesbezüglich spricht in der Tat die Präventionsfunktion der Bußgeldverpflichtung und der Vorstandsinnenhaftung dafür, einen Regress bei den Vorstandsmitgliedern nicht auszuschließen. Zwar stehen sich der Ahndungsteil einer Geldbuße und eine gewinnabhängig höhere Vorstandsvergütung nicht ursächlich wie Kartellgewinn und Bonuszahlung gegenüber. Der Grundgedanke des Arguments bei Scholz, die Vorstandsmitglieder sollten sich nicht aus ordnungswidrigem Handeln auf Kosten der Gesellschaft bereichern können, verfängt indes, besonders für das europäische Recht, auch hier. (b) Verbleibende Risiken der Gesellschaft trotz Regress Vor dem Hintergrund der regelmäßigen Höhe kartellrechtlicher Bußgelder kommt auf Seiten der Gesellschaft hinzu, dass diese das Risiko der Beitreibbarkeit des Schadensersatzes bei den Organmitgliedern trägt, da sie nur im Wege des Schadensersatzes Regress nehmen, nicht die Bußgeldverpflichtung gegenüber dem Staat als solche auf die Geschäftsleiter abwälzen kann.866 Die Erwägung Drehers, die wirtschaftliche Entlastung der Gesellschaft von der Geldbuße vereitle die spezialund generalpräventiven Zwecke der Bußgeldvorschriften, könnte nur dann zutreffen, wenn praktisch ein (nahezu) vollständiger Ausgleich dieser Vermögenseinbuße erfolgen könnte. Angesichts der Beträge, die gerade Kartellgeldbußen häufig erreichen, der fehlenden Schadenseigenschaft abgeschöpfter widerrechtlicher Vermögensvorteile und der weiterhin vorhandenen Unwägbarkeiten der Versicherbarkeit solcher Bußgelder als Schadensursache im Rahmen einer D&O-Versicherung sowie der Höchstbeträge solcher Versicherungen kann hiervon nicht grundsätzlich ausgegangen werden. Hinzu kommt, dass bereits das Vorliegen einer Pflichtverletzung im Innenverhältnis bei einem Gesetzesverstoß der Gesellschaft im Außenverhältnis keinesfalls zwingend, die Regressmöglichkeit mithin nicht notwendige Folge einer Geldbuße ist. Auch dieses Risiko trägt die Gesellschaft.867 (2) Die Erreichung spezialpräventiver Zwecke nach der Rechtsprechung des BGH Ferner spricht die Rechtsprechung zu § 258 Abs. 2 StGB dafür, davon auszugehen, dass spezial- und generalpräventive Zwecke von Straf- oder Ordnungswidrigkeitennormen bereits dann als erreicht anzusehen sind, wenn die Strafe oder

866

Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 48; vgl. Schöne/ Petersen, AG 2012, 700, 702. 867 Ausführlich Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 48 ff.; vgl. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 704.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Geldbuße verhängt wurde, sodass es hierfür nicht darauf ankommt, wer diese unmittelbar und erst recht mittelbar im Regresswege begleicht.868 Nach Auffassung des BGH erfüllt die Zahlung einer Geldstrafe durch Dritte nicht den Tatbestand der Strafvereitelung (§ 258 Abs. 2 StGB),869 sodass im Grundsatz der Begleichung einer Geldbuße und erst recht dem Ausgleich des durch deren Zahlung entstandenen Vermögensschadens keine Hindernisse entgegenstehen.870 Im Gegenteil kommt nach der Rechtsprechung des BGH ein Anspruch auf Erstattung bereits gezahlter „Strafen“ in Betracht, wenn die Person, die den Täter zur Tatbegehung veranlasst hat, hierbei schuldhaft gegen eine ihr obliegende Vertragspflicht, den Täter gerade vor der Begehung einer solchen Tat zu schützen, verstoßen hat.871 868

Ganz ähnl. Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 288 ff.; Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 333 f; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 532, 534; Fleischer, BB 2008, 1070, 1073; ders., DB 2014, 345, 347 f.; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 32 f.; M. Zimmermann, WM 2008, 433, 437; Kapp/Gärtner, CCZ 2009, 168, 170; Werner, CCZ 2010, 143, 146; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 39; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345 f.; a.A. LAG Düsseldorf, VersR 2015, 629, 632. 869 BGHSt 37, 226; zur Erstattung bereits bezahlter Geldstrafen in diesem Sinne schon RGZ 169, 267 f.: im Nachhinein könne der staatliche Strafanspruch nicht mehr vereitelt werden; unmittelbar erfasst die Norm die Vereitelung der Vollstreckung einer Geldbuße nicht, s. nur Stree/Hecker, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 258 Rn. 12, 26. 870 Vgl. Schiemann, in: Staudinger (2005), § 249 Rn. 203, der die Schadensqualität der Pflicht zur Zahlung einer Geldstrafe in Zweifel zieht, Bußgeldverpflichtungen aber als ersatzfähige Schäden ansieht; für Geldbußen als Schaden der Gesellschaft auch Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 288; Bayer, FS K. Schmidt, 2007, S. 85, 93; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 532; Paefgen, AG 2014, 554, 570; Fleischer, DB 2014, 345, 347; ders., ZIP 2014, 1305, 1307; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; Bicker, AG 2014, 8, 13; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 53 f.; Werner, CCZ 2010, 143, 144; Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 34, 39; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 224; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 39 ff.; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 172; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 256; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 48; nach dem Zweck der Geldbuße differenzierend Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56; für Kartellgeldbußen Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 32 f.; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 729; M. Zimmermann, DB 2008, 687; ders., WM 2008, 433, 436; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; Fleischer, BB 2008, 1070, 1073; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345 f.; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 100, 105; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 419; Haas/ Ziemons, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 205a. 871 BGHZ 23, 222, 225: Der Entscheidung lag eine devisenrechtlich unzulässige Banküberweisung zugrunde, deren Durchführung ein ordnungswidriges Handeln der klagenden Kontoinhaberin darstellte, dessentwegen die ausführende Bank, die die Überweisung weder unterlassen noch die Klägerin auf deren Rechtswidrigkeit hingewiesen hatte, in Anspruch genommen wurde; BGH NJW 1997, 518: Verpflichtung eines Steuerberaters zum Schadensersatz wegen eines Bußgelds seines Mandanten, das diesem wegen leichtfertiger Steuerverkürzung aufgrund entsprechenden Rats des Steuerberaters auferlegt worden war; BGH DB 2010, 1171: Ersatzpflicht des Steuerberaters wegen eines gegen den Mandanten aufgrund unrichtiger Angaben in der Steuererklärung ergangenen Strafbefehls; s. auch RGZ 69, 267. Zu den Entscheidungen auch Fleischer, DB 2014, 345, 346.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

bb) Keine Rückschlüsse aus der Zulässigkeit von Freistellungszusagen Horn zweifelt unter Inbezugnahme des Sanktionszwecks einer Kartellgeldbuße an einer Einbeziehung durch deren Zahlung erlittener Vermögenseinbußen der Gesellschaft in den Schutzbereich des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG. Ausgehend von für zulässig gehaltenen Zusagen der Gesellschaft, Vorstandsmitglieder von einer persönlichen Bußgeldbelastung freizustellen, meldet er „ernsthafte rechtliche Zweifel“ an der Zulässigkeit einer Abwälzung von Geldbußen der Gesellschaft auf ihre Organmitglieder im Wege des Schadensersatzes an.872 Selbst wenn man eine freiwillige Erstattung auch dort, wo das ordnungswidrige Verhalten zugleich im Verhältnis zur Gesellschaft pflichtwidrig war, für zulässig halten möchte,873 verfängt die Argumentation nicht. Bei einer Freistellungszusage handelt es sich um die freiwillige Eingehung einer Verbindlichkeit durch die Gesellschaft, während eine sie selbst treffende Geldbuße einen unfreiwilligen Vermögensverlust begründet, sodass bereits im Ausgangspunkt eine rechtlich ganz unterschiedliche Situation besteht und der angedeutete Umkehrschluss nicht zulässig ist.874 cc) Wertungswiderspruch zur Haftung für andere Pflichtverletzungen Ein Ausschluss des Regresses der Gesellschaft wegen einer Bußgeldverpflichtung, die auf einer Pflichtverletzung von Vorstandsmitgliedern beruht, führte zu einem Wertungswiderspruch zur Haftung der Vorstandsmitglieder für die Verletzung von Pflichten, die für die Gesellschaft nicht bußgeldbewehrt sind. Durch einen Regressausschluss wären die Vorstandsmitglieder von der Haftung für die Vermögenseinbuße der Gesellschaft aus der Verhängung einer Geldbuße, mithin den größten Teil der Vermögensverluste wegen eines Kartellrechtsverstoßes, faktisch freigestellt. Dies würde sogar für vorsätzliches Verhalten gelten. Somit führte ein Regressverbot dazu, dass Vorstandsmitglieder gerade für besonders schwerwiegende, nämlich bußgeldbewehrte, Legalitätspflichtverletzungen im Wesentlichen keine Haftung zu befürchten hätten. Dagegen hafteten sie im Übrigen für jedes Verschulden und grundsätzlich in Höhe des gesamten Schadens der Gesellschaft. Hierin liegt ein nicht zu begründender Wertungswiderspruch.875

872

Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; ganz ähnl. Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 231 f.; LAG Düsseldorf, VersR 2015, 629, 632 f. 873 Dazu ausführlich Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555, 559, 560 ff.; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 137 ff.; vgl. auch BGH ZIP 2014, 1728 Rn. 11, 13 ff. 874 Vgl. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 50 f.; gegen eine Ausnahme vom Schutzbereich des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG auch Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 334 f.; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 172. 875 So im Ganzen Fabisch, ZWeR 2013, 91, 100; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 56 (zur Regressbegrenzung).

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Der Einwand lässt sich im Übrigen auch gegenüber einer Begrenzung der Vorstandshaftung für Kartellbußgelder auf den Rahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB fruchtbar machen.876 dd) Zwischenfazit Nach alldem stehen weder die spezial- und generalpräventiven Zwecke des Kartellbußgeldrechts noch § 93 Abs. 2 S. 1 AktG einem Regress der Gesellschaft bei ihren Vorstandsmitgliedern wegen einer Geldbuße, die auf einer Pflichtverletzung im Innenverhältnis beruht, grundsätzlich entgegen. Der andernfalls entstehende Wertungswiderspruch einer weitestgehenden Haftungsfreistellung für besonders gravierende Legalitätspflichtverletzungen spricht für die Zulässigkeit des Bußgeldregresses der Gesellschaft. Die Annahme eines Regressausschlusses überzeugt daher nicht. c) Der Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB als Regressgrenze? Einige Schrifttumsvertreter, die zum Teil allerdings den vollständigen Regressausschluss für vorzugswürdig halten,877 fordern zumindest eine Beschränkung des Anspruchs der Gesellschaft auf den für die Vorstandsmitglieder persönlich geltenden Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB in Höhe von einer Million Euro.878 Für eine solche Regressbeschränkung hat sich jüngst auch die Erste Kammer des Arbeitsgerichts Essen in einem obiter dictum zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers ausgesprochen.879 aa) Kein Widerspruch zu § 81 Abs. 4 S. 1 und 2 GWB Eine umfassende Rückgriffsmöglichkeit stünde, so die Verfechter der Regressbegrenzung, in Widerspruch zu § 81 Abs. 4 S. 1 und 2 GWB, die für Unternehmen einen umsatzbezogenen, den Rahmen des Satzes 1 im Regelfall deutlich überstei876

Dazu unter 3. Teil E. II. 2. c); so auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 56 f.; dies übersieht Fabisch, ZWeR 2013, 91, 109 ff., indem er eine Regressbegrenzung auf den Betrag des gegen das Vorstandsmitglied persönlich zu verhängenden Bußgelds annimmt. 877 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 105; Krause, BB-Beilage 2007, Nr. 007, 2, 13; F. Gaul, AG 2015, 109, 111 f. 878 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 105; Krause, BB-Beilage 2007, Nr. 007, 2, 13; Fleischer, BB 2008, 1070, 1073; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 f.; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 730; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 110 f.; Lotze, NZKart, 2014, 162, 167 f.; F. Gaul, AG 2015, 109, 116 f. (verbunden mit dem Vorschlag einer moderaten Anhebung dieses Bußgeldrahmens de lege ferenda); soweit wegen des fraglichen Sachverhalts eine eigene Bußgeldverpflichtung der Vorstandsmitglieder besteht auch Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56. 879 ArbG Essen, Urteil v. 19. 12. 2013 – 1 Ca 657/13, NZKart 2014, 193 Rn. 140.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

genden Bußgeldrahmen vorsehen. Der Bußgeldrahmen des Satzes 1 sei ein vom Gesetzgeber als angemessen aufgestellter Maßstab für die persönliche Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern,880 der auch im Regress nicht überschritten werden dürfe.881 Ferner habe der Gesetzgeber durch die Regelung der Bußgeldgrenze für natürliche Personen in § 81 Abs. 4 GWB zum Ausdruck gebracht, dass die Geldbuße nicht zur Existenzvernichtung der betroffenen Person führen solle.882 Dementsprechend soll ein Rückgriff der Gesellschaft gegen an einem Kartellrechtsverstoß beteiligte Vorstandsmitglieder im Wege des Schadensersatzes nur bis zur Höhe des in § 81 Abs. 4 S. 1 GWB festgelegten Rahmens zugelassen sein, wobei gegen diese persönlich festgesetzte Bußgelder mindernd zu berücksichtigen sein sollen.883 Dies überzeugt nicht. Der Gesichtspunkt der Angemessenheit des persönlichen Bußgeldrahmens des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB kann in der Frage des Rückgriffs der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder keine Berücksichtigung finden. Anspruchsgrundlage ist § 93 Abs. 2 S. 1 AktG, mithin eine privatrechtliche, keine öffentlich-rechtliche Norm, sodass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hier nicht stattzufinden hat.884 Angesichts der schuldnerschützenden Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts und der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung in der Privatinsolvenz bestehen im Ergebnis auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.885 Ferner geht es im Regress der Gesellschaft um einen Schadensersatzanspruch 880

Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 96 f.; ähnl. Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 332, der gegen einen vollen Regress wegen Kartellbußgeldern Bedenken „unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten“ vorbringt; vgl. auch Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 346, die ein Unterlaufen der Begrenzung der Befugnis des Bundeskartellamts zur Verhängung von Bußgeldern durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz befürchten. 881 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 105; ArbG Essen, NZKart 2014, 193 Rn. 140; Krause, BB-Beilage 2007, Nr. 007, 2, 13; tendenziell auch Fleischer, BB 2008, 1070, 1073. 882 ArbG Essen, NZKart 2014, 193 Rn. 140; ähnl. F. Gaul, AG 2015, 109, 112. 883 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 105; Krause, BB-Beilage, 2007, Nr. 007, 2, 13; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 730; mit abweichender Begründung (Fürsorgepflicht der Gesellschaft) auch Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 f.; gegen eine Berücksichtigung gegen die Vorstandsmitglieder selbst verhängter Geldbußen Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 553; wohl auch Fabisch, ZWeR 2013, 91, 111. 884 Ebenso Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 291, Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 56 f.; Werner, CCZ 2010, 143, 145; ähnl. Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97; Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 347 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 626; Brommer, AG 2013, 121, 124; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 704; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 55; Kapp/Gärtner, CCZ 2009, 168, 170; M. Zimmermann, WM 2008, 433, 437; Fuchs/ M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 843 f.; für eine Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit Fabisch, ZWeR 2013, 91, 109; Lotze, NZKart 2014, 162, 167 f. 885 Vgl. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701, die unter Hinweis auf die Möglichkeit eines Privatinsolvenzverfahrens jede Haftungsbegrenzung für Vorstandsmitglieder ablehnen; auch Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 344 fragt lediglich, ob die Gesellschaft zu einer gegenüber der Inanspruchnahme bis zu diesen gesetzlichen Grenzen erhöhten Rücksichtnahme verpflichtet sei. Vertiefend dazu 3. Teil III. 2. e) bb) (3) (c) sowie 3. Teil V. 2.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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und kennt das Schadensersatzrecht, anders als das Ordnungswidrigkeitenrecht, grundsätzlich keine Bemessung anhand der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.886 Maßgeblich ist hier regelmäßig allein die Vermögenseinbuße des Geschädigten.887 Auch der Gesichtspunkt der Angemessenheit des Bußgeldrahmens des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB als Grundlage einer entsprechenden Regressbegrenzung verfängt daher im Ergebnis nicht. bb) Willkürlichkeit der Regressbegrenzung auf den Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB Abgesehen von den grundsätzlichen Einwänden gegen eine Berücksichtigung von Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit bei der Bemessung des zivilrechtlichen Schadensersatzes weist Scholz zutreffend darauf hin, dass bei Anwendung des Bußgeldrahmens des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB als Grenze des Bußgeldregresses der Gesellschaft der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerade nicht gewahrt wäre.888 Es würden nicht die Wertungen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB zugrunde gelegt, sondern die das Vorstandsmitglied treffende Regresssumme willkürlich auf die bei der Bußgeldbemessung durch die Kartellbehörden als Höchstgrenze zu verstehende Summe festgelegt. Ein echter Wertungstransfer, auf den sich die Befürworter der Regressbegrenzung indes berufen, erforderte dagegen die Berücksichtigung derselben Kriterien, die die Kartellbehörden bei der Bußgeldbemessung heranzuziehen hätten, auch beim Bußgeldregress. Jedoch fordern auch einige Vertreter der Regressbegrenzung bis zur Höhe des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB, diese Grenze nicht absolut heranzuziehen, sondern auf das bei einer unmittelbaren Sanktionierung des Vorstandsmitglieds angemessene Maß abzustellen.889 Auf die äußerst schwierige praktische Umsetzung dieser konsequenten Lösung weist auch Scholz hin.890 cc) Kein Rechtsmissbrauch durch Inanspruchnahme über den Rahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB hinaus In seiner bereits zitierten Entscheidung hat das ArbG Essen die Regressbeschränkung zudem damit begründet, dass die Inanspruchnahme eines GmbH-Ge886 Vgl. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701. Nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahme: § 829 BGB. 887 Ebenso Wilsing, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rn. 41; ähnl. in anderem Zshg. Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 347. 888 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 55; in diesem Sinne auch Lotze, NZKart 2014, 162, 167; wohl auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 626 („[…] zumal die individuelle Verantwortlichkeit des Vorstandes insoweit außer Acht bliebe“). 889 Krause, BB-Beilage 2007, Nr. 007, 2, 13; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 109 f.; Lotze, NZKart 2014, 162, 168. 890 Zum Ganzen Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 55.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

schäftsführers in Höhe des vollen gegen die Gesellschaft ergangenen Bußgelds rechtsmissbräuchlich sei, indem dadurch aufgrund der gegenüber dem Bußgeldrahmen des § 84 Abs. 4 S. 1 GWB wesentlich höheren Unternehmensgeldbuße eine „Existenzvernichtung“ bewirkt würde.891 Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann gegenüber einer Aktiengesellschaft bereits aufgrund des Verzichts- und Vergleichsverbots des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht erhoben werden, das dieser ein entsprechendes freiwilliges Zugeständnis verwehren würde. Treu und Glauben892 können nicht gebieten, was der Gesetzgeber ausdrücklich ausgeschlossen hat.893 d) Zwischenfazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Kartellbußgeldrecht weder unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung des Gesetzeszwecks der Verhaltenssteuerung, der durch einen Regress der Gesellschaft bei ihren Vorstandsmitgliedern nicht beeinträchtigt wird, noch aufgrund einer Ausstrahlungswirkung der Wertungen des § 81 Abs. 4 S. 1 und 2 GWB auf die Bemessung des zivilrechtlichen Schadensersatzes einem Rückgriff der Gesellschaft in voller Höhe wegen eines aufgrund einer Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder ergangenen Kartellbußgeldes im Wege des Schadensersatzes entgegensteht. 3. Fortentwicklung des Ansatzes Dreher: Begrenzung des Regresses wegen der Zahlung von Kartellbußgeldern aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Organmitgliedern Ausgehend von der geschilderten Rechtslage nach der 7. GWB-Novelle, die wettbewerbsrechtlich bedeutsames Handeln der Gesellschaft unter eine gegenüber den zuvor bestehenden Freistellungsregeln erhöhte Rechtsunsicherheit gestellt, mithin größere Risiken fahrlässig ordnungswidrigen Handelns und daraus folgender Sanktionen geschaffen hat und außerdem durch die Erhöhung der Bußgeldrahmen sowohl des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB894 als auch des Absatzes 2895 die Grundlage für die 891

ArbG Essen, NZKart 2014, 193 Rn. 140. Zum Einwand des Rechtsmissbrauchs als Ausprägung der Grundsätze von Treu und Glauben Olzen/Looschelders, in: Staudinger (2015), § 242 Rn. 213 ff. 893 Dazu ausführlich unter 3. Teil E. III. 5. d), e). 894 Von 500.000 Euro (§ 81 Abs. 2 S. 1 GWB aF) auf eine Million Euro. Neben der wirtschaftlichen Entwicklung seit der 4. GWB-Novelle (1980) wird die Anhebung mit der Notwendigkeit einer „wirkungsvollen Ahndung der besonders gravierenden Verstöße gegen die Wettbewerbsvorschriften“ begründet, Begr. RegE 7. GWB-Novelle v. 12. 08. 2004, BT-Drs. 15/ 3640, S. 67. 895 Der ursprüngliche RegE (BT-Drs. 15/3640) ließ den darüber hinausgehenden Bußgeldrahmen in Höhe des Dreifachen des durch die Zuwiderhandlung erlangten Mehrerlöses (§ 81 Abs. 2 S. 1 GWB aF) unberührt (Begr. RegE 7. GWB-Novelle v. 12. 08. 2004, BT-Drs. 15/ 3640, S. 67). Die Gesetz gewordene Fassung, die der europarechtlichen Regelung entspricht, beruht auf der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BT-Drs, 15/ 892

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Anordnung höherer Kartellbußgelder und damit für höhere Schadensbeträge der Gesellschaft durch deren Zahlung bildet, wurden im Schrifttum weitere Ansätze zur Begrenzung des als ungerecht empfundenen vollen Regresses bei den beteiligten Vorstandsmitgliedern entwickelt.896 Die Begründung sowie der Rahmen der Regressbeschränkung haben sich gegenüber dem Ansatz Drehers teilweise gewandelt. Einige Literaturvertreter haben sich von der Dogmatik des Kartellbußgeldrechts als Grundlage eines lediglich eingeschränkten Rückgriffs der Gesellschaft bei ihren Vorstandsmitgliedern wegen gezahlter Kartellgeldbußen gelöst und nehmen nunmehr das Innenverhältnis der Aktiengesellschaft selbst zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. Unabhängig von dem für Vorstandsmitglieder bei persönlicher Bußgeldhaftung geltenden Rahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB soll die Gesellschaft lediglich in einem „angemessenen Rahmen“897 für Bußgeldzahlungen aufgrund von Wettbewerbsverstößen Regress bei ihren Vorstandsmitgliedern nehmen dürfen. Diese Beschränkung soll sich aus der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern ergeben.898 Letztere führten im Fall kartellrechtswidrigen Handelns der Gesellschaft deren Schaden in Gestalt der Bußgeldverpflichtung nicht durch treuwidriges, eigennütziges Verhalten herbei, sondern es realisiere sich darin ein Risiko der betrieblichen Sphäre der Gesellschaft bei der Leitung deren Unternehmens.899 Gedankliche „Anleihe“900 nimmt dieser Begründungsansatz bei den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung.

5049, S. 30; s. dazu Cramer/Pananis, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, KartR, 2. Aufl. 2009, § 81 Rn. 59. 896 Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 96 ff. 897 Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97; bedeutungsgleich Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 172; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 15; a.A. Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 f., der wegen mangelnder Bestimmbarkeit auch für eine Regressbegrenzung aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft an dem persönlichen Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB als Rahmen festhalten will. 898 Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97; Spindler, AG 2013, 889, 894; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 172; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 84 Rn. 9; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 f. 899 Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97; Krause, BB-Beilage 2007, Nr. 007, 2, 13. 900 Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

III. Koch – Beschränkung der geltend zu machenden Regressforderung aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern Ausgehend von der Annahme einer zunehmend schärferen Sanktionierung des Fehlverhaltens von Geschäftsleitern spricht sich Koch,901 zunächst begrenzt auf den Regress der Gesellschaft bei ihren Geschäftsleitern für Bußgeldzahlungen, sodann erweitert auf die Geschäftsleiterhaftung in Regressfällen insgesamt, für eine Beschränkung solcher Rückgriffsansprüche der Höhe nach aus. 1. Die Haftung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlasster Tätigkeit als Ausgangspunkt einer Konkretisierung der Fürsorgepflicht der Gesellschaft Dogmatisch setzt Koch, wie inzwischen auch eine beachtliche Zahl weiterer Stimmen aus dem Schrifttum,902 an der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern an und wählt die Grundsätze betrieblich veranlasster Tätigkeit als richterrechtlich entwickelte Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung zum gedanklichen Gerüst.903 Den Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet dabei die zum Kartellrecht entwickelte Auffassung Bayers, der, bislang begrenzt auf Schäden, denen eine Kartellgeldbuße zugrunde liegt, aus der Fürsorgepflicht der Gesellschaft eine Regressbeschränkung folgert.904 Eine Übertragung der Grundsätze des arbeitsrechtlichen Schadensausgleichs auf die Vorstandsmitglieder lehnt Koch mit der weit überwiegenden Meinung ab. Es soll lediglich ein „gedanklicher Ausgangspunkt“905 im Sinne einer Quelle anerkannter Wertungsmaßstäbe gefunden werden, um eine Verwässerung des treffend als verschwommen bezeichneten Begriffs der gesellschaftlichen Fürsorgepflicht, die im Ergebnis ein Unterlaufen der gesetzlichen Haftungsregeln bedeuten könnte, zu vermeiden.906 901 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327 ff.; ders., AG 2012, 429; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 11, § 93 Rn. 51; ders., AG 2014, 513. 902 Namentlich Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 775 ff.; Brommer, AG 2013, 121, 127 ff.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 ff.; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 398 ff.; sympathisierend Spindler, AG 2013, 889, 894, der sich de lege ferenda für eine summenmäßige Haftungsbegrenzung auf ein Mehrfaches einer Jahresvergütung sowie auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ausspricht; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 56 ff.; ders., ZIP 2014, 579, 582; Lotze, NZKart 2014, 162, 167. 903 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 339: „Referenzmodell“. 904 Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97; vgl. Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 338 f. Zum Ansatz Bayers bereits unter 3. Teil E. II. 3. 905 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 339. 906 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 338 f.; ders., AG 2012, 429, 435; ähnl. ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 11, § 93 Rn. 51; Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85,

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Die Übertragung der Wertungen, die diesem „Referenzmodell“907 zugrunde liegen, werde zunächst dadurch erschwert, dass, trotz einhelliger Anerkennung der Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit als Mechanismus zur Schadensverteilung bei der Arbeitnehmerhaftung, eine anerkannte theoretische Fundierung nicht vorhanden sei,908 sondern vielmehr eine Vielzahl unterschiedlicher Motive die Anwendung dieser Rechtsfigur trage. Als Kerngedanken identifiziert Koch zum einen die drohende Unangemessenheit der Verteilung von Chancen und Risiken „unternehmerischen Handelns“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze vertraglicher Schadensersatzhaftung würde hier leichteste Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers genügen, diesen einer möglicherweise existenzvernichtenden Haftung auszusetzen, während die von ihm geschaffenen wirtschaftlichen Werte, die Chancen seiner Tätigkeit also, allein dem Arbeitgeber zugewiesen seien, der seinen Arbeitnehmer lediglich in im Verhältnis zu diesem Haftungsrisiko unverhältnismäßig geringem Umfang zu entlohnen habe.909 Ferner fehle es aufgrund der Arbeitsorganisation durch den Arbeitgeber, auf die der Arbeitnehmer keinen Einfluss nehmen könne, an einer Einwirkungsmöglichkeit auf die von ihm zu tragenden Risiken.910 Den zuletzt genannten Gesichtspunkt hält Koch allerdings nicht für ein die Privilegierung des Arbeitnehmers im Schadensfall tragendes Element. Entscheidend sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer dauerhaft in den Betrieb des Arbeitgebers eingebunden sei, sodass es früher oder später zu einer zumindest leicht fahrlässigen Schadensverursachung911 kommen müsse. Insoweit sei, anders als dies hinsichtlich der Arbeitsorganisation teilweise der Fall sei, die Lage des Arbeitnehmers mit der eines Geschäftsleiters, der ebenfalls über einen längeren Zeitraum für die Gesellschaft tätig werde, vergleichbar.912 Daneben bestehe trotz Risikoprämien913 und D&O-Versicherung im Wesentlichen auch ein im Ver97; Casper, ZHR 176 (2012) 617, 637 f.; zust. Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 172; im Anwendungsbereich darüber hinausgehend Spindler, AG 2013, 889, 894 f.; Brommer, AG 2013, 121, 127 ff.; im Ansatz ganz ähnl. (Billigkeitsgesichtspunkte und § 242 BGB i.V.m. der Sonderverbindung zwischen Gesellschaft und Organmitglied), aber ohne die Konturierung anhand der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 865. 907 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 339. 908 Ebenso Joussen, RdA 2006, 129, 130 sowie die in Fn. 1042 Genannten; ausführlich unter 3. Teil E. III. 2. 909 Dazu auch Koch, AG 2012, 429, 435; ähnl. zu Vorstand und Gesellschaft auch U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 796 f. 910 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 339 f.; ders., AG 2012, 429, 436. 911 Aufgrund der Schwierigkeit der Abgrenzung von leichter und mittlerer Fahrlässigkeit soll die Haftungsbeschränkung indes auch für mittlere Fahrlässigkeit gelten, Koch, AG 2014, 513, 524 f. 912 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 342 ff.; ausführlich ders., AG 2012, 429, 437; ähnl. Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97. 913 Zu deren Bedeutung für den Umfang einer möglichen Anspruchsminderung, Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 349; ders., AG 2012, 429, 437; Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97 f.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

gleich zur Vergütung des Geschäftsleiters der Höhe nach unverhältnismäßiges Schadenspotenzial, sodass auch in dieser Hinsicht die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung modellhaft herangezogen werden könnten.914 a) Einzelfallcharakter der Haftungsbegrenzung Aufgrund dieser Ähnlichkeiten geht Koch von der Übertragbarkeit der die Figur der betrieblich veranlassten Tätigkeit tragenden „zentralen Wertungen“ auf Geschäftsleiter einer Gesellschaft „in bestimmten Konstellationen“ aus. Daraus soll sich jedoch keine der Arbeitnehmerhaftung vergleichbare, flächendeckende Freistellung der Organmitglieder ergeben. Vielmehr handle es sich, entsprechend der rechtlichen Verankerung in der Fürsorgepflicht der Gesellschaft als einer Treupflicht, um eine Wertung im Einzelfall, die jeweils „von zahlreichen Umständen“ abhängig sei.915 Auf diese ist zurückzukommen.916 Eine teleologische Reduktion der Organhaftungstatbestände, zu der eine umfassende Haftungsbeschränkung im Ergebnis führen würde, hält Koch für methodisch unzulässig und überdies unangemessen.917 b) Höhe der Minderung Die Höhe einer solchen Haftungsbegrenzung lässt Koch weitgehend offen, lehnt aber beim Regress gegen Geschäftsleiter wegen Bußgeldzahlungen der Gesellschaft eine Orientierung am Rahmen des hypothetisch gegen das Organmitglied selbst zu verhängenden Bußgelds ab.918 Daneben soll auch bei leichter Fahrlässigkeit, anders als bei der Arbeitnehmerhaftung, lediglich eine Minderung, kein vollständiger Haftungsausschluss, in Betracht kommen.919 Die Schwere des Verschuldens soll aber grundsätzlich als Maßstab beachtlich sein. Zumindest für die Haftung des Vorstands einer Aktiengesellschaft soll der für den Abschluss einer D&O-Versicherung formulierte Mindestselbstbehalt nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG in Höhe von 10 % des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung die Untergrenze einer möglichen Haftungsbeschränkung bilden.920

914

Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 340 ff. Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 344; ganz ähnl. Casper, ZHR 176 (2012), 617, 639. 916 Sogleich unter 3. Teil E. III. 1. b). 917 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 344. 918 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 347 f.; s. aber zu dessen Bedeutung auch S. 349; ders., AG 2012, 429, 439; ebenso zum Regress wegen Kartellbußgeldzahlungen bereits Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97. 919 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 348; ders., AG 2012, 429, 436, 438. 920 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 348; ders., AG 2012, 429, 439; ähnl. Spindler, AG 2013, 889, 895. 915

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

291

Ähnlich der Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung werden als für die Höhe der Regressminderung bedeutsame Umstände der Umfang des Schadens921 im Verhältnis zur Vergütung des Organmitglieds,922 dessen Multiplikation durch den Unternehmenskontext,923 die Schwere der Pflichtverletzung924 sowie die Vergütung, auch in der Vergangenheit, insbesondere eine bereits bei deren Bemessung erfolgte Berücksichtigung der Tätigkeitsrisiken,925 beim Regress wegen Bußgeldzahlungen das „Betriebsrisiko“ des Unternehmens, wobei maßgeblich, abweichend von den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, nicht die Schadens-, sondern die Sanktionierungswahrscheinlichkeit sein soll,926 ferner eine persönliche Belastung des Organmitglieds mit einem Bußgeld927 genannt. Soweit der Schadensersatzanspruch gegen das Organmitglied durch eine D&O-Versicherung gedeckt sei, soll eine Regressbegrenzung nicht in Betracht kommen.928 c) Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Ansatzes auf die gesamte Vorstandshaftung Sieht man die Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern als Grundlage einer Beschränkung ihrer Rückgriffsmöglichkeiten, stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um einen auf Regresskonstellationen begrenzten Ansatz handelt oder ob der Gedanke auf Schadensersatzansprüche der Gesellschaft insgesamt Anwendung finden kann. Letzteres erscheint, wie inzwischen auch einige Vertreter des Ansatzes annehmen,929 zutreffend. Zwar weisen Schadensersatzansprüche, die einen Rückgriff der Gesellschaft wegen einer Zahlung an Dritte zum Gegenstand haben, die Besonderheit auf, dass sich die Vermögenseinbuße der Gesellschaft nicht unmittelbar aus einer Beeinträchtigung durch die Vorstandsmitglieder ergibt, sondern diese durch öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Verpflichtungen, die den Anspruch des Dritten begründen, verursacht wird. Zurück921

Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97. Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 349. 923 Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 51. Als Indikator soll beim Regress wegen Bußgeldzahlungen der für das Organmitglied persönlich geltende Bußgeldrahmen im Verhältnis zu dem gegen die Gesellschaft verhängten Bußgeld heranzuziehen sein, ders., Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 349. 924 Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97; Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 348; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 51. 925 Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97 f.; Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 349, ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 51. 926 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 348 f. 927 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 349. 928 Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 51. 929 Spindler, AG 2013, 889, 894; ohne die Ausweitung ausdrücklich zu thematisieren auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 265 ff.; Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 865; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 775 ff.; bei weiterer Bezeichnung als „Regress“ inhaltlich auch Brommer, AG 2013, 121, 127 ff. 922

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

zuführen ist der Vermögensverlust aber auch hier, wie wenn das Vorstandsmitglied die Gesellschaft unmittelbar, beispielsweise durch Veruntreuung von Gesellschaftsmitteln oder offensichtlich unrentable Investitionen, geschädigt hätte, auf eine Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder. Dass es sich in den Regressfällen, mit Ausnahme derer, in denen ein Drittanspruch wegen mangelnder Überwachung nachgeordneter Personen innerhalb der Unternehmensstruktur entstanden ist, regelmäßig um Fälle handelt, in denen die Zahlungsverpflichtung der Gesellschaft durch ein Handeln des Vorstands in Vertretung der Gesellschaft entstanden ist, ist demgegenüber nicht als eine abweichende Behandlung erfordernde Sondersituation anzusehen. Einer Ausweitung des Ansatzes Kochs entgegenstehen könnte indes der Gesichtspunkt einer Vervielfältigung des Schadens aufgrund des „Unternehmenskontextes“,930 der als Begründung für die Regressbegrenzung aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft angeführt wird und sich für Bußgelder aufgrund der Bemessung anhand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft als Bußgeldadressatin ergibt.931 Insoweit rückt aber bereits die Ausdehnung auf Regressansprüche, die sich nicht aus Bußgeldern ergeben, in die Nähe der Annahme eines von der Gesellschaft zu tragenden „Betriebsrisikos“ ähnlich dem des Arbeitgebers bei der Arbeitnehmerhaftung, das sich nicht allein aus dem Umsatz der Gesellschaft, der auf Sachverhalte wie Drittschädigungen keinerlei Auswirkung hat, sondern anscheinend auch daraus ergibt, dass die Vorstandsmitglieder in Ausübung ihrer Tätigkeit einem ansonsten nicht gegebenen Risiko, Schäden in erheblicher Höhe sowohl bei der Gesellschaft als auch bei Dritten zu verursachen, ausgesetzt sind. Der Grundgedanke ist hier mithin der, dass die Vorstandsmitglieder gerade durch ihre Tätigkeit auf Vermögen einwirken können, das sie ansonsten nicht schädigen könnten. Eine solche Schadensvervielfältigung kann auch außerhalb einer Rückgriffssituation vorliegen. Mithin sind keine Gründe ersichtlich, die den Ansatz Kochs auf die Regresskonstellation beschränken, sodass, falls sich die Begründung der Regressbegrenzung als tragfähig und mit geltendem Recht vereinbar erwiese, grundsätzlich sämtliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft entsprechend zu begrenzen wären. Ob sich aus der Fürsorgepflicht der Gesellschaft eine solche Beschränkung ergeben kann, soll im Folgenden untersucht werden. 2. Das „Referenzmodell“: Die Arbeitnehmerhaftung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs Die allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts der §§ 276 Abs. 1, 249 ff. BGB, nach denen grundsätzlich bereits leichte Fahrlässigkeit eine vollumfängliche 930 931

Koch, AG 2012, 429, 433; ders., AG 2014, 513. Siehe Koch, AG 2012, 429, 433; ders., AG 2014, 513, 514, 519.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Ersatzpflicht zur Folge hat, tragen nach allgemeiner Auffassung den besonderen Verhältnissen in der Rechtsbeziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht hinreichend Rechnung und führten bei unveränderter Anwendung zu einer als unbillig empfundenen Belastung des Arbeitnehmers.932 Dem begegnen die im Folgenden darzustellenden Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs durch eine Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers. a) Der Begriff des Arbeitnehmers Bevor auf die tragenden Gedanken und wesentlichen Inhalte der von den allgemeinen schadensersatzrechtlichen Regeln abweichenden Arbeitnehmerhaftung, wie sie in der Rechtsprechung entwickelt wurden, eingegangen wird, ist zunächst der Begriff des Arbeitnehmers, mithin der persönliche Anwendungsbereich dieser Rechtsprechungsgrundsätze, zu definieren. Eine allgemeine gesetzliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs in Abgrenzung zu sonstigen Dienstverpflichteten ist nicht gegeben.933 Sowohl das BGB als auch das ArbGG definieren Arbeitnehmer als Arbeiter oder Angestellte. Unter den Arbeitnehmerbegriff des ArbGG fallen darüber hinaus zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte.934 Arbeitnehmer ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, „wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist“.935 932

Allg.M. BAGE 5, 1; 9, 243; 78, 56, 61; BGHZ 16, 111; BGH AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 28; RAG ARS 41, 55; 41, 259; 43, 108; 46, 136; grundlegend ArbG Plauen, ARS 29, 62; Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 402 ff.; U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 804 ff.; Dütz/Thüsing, § 5 Rn. 201; Waltermann, RdA 2005, 98; Löwisch, BAG EWiR § 611 BGB 1/90, 31, 32; Brox, Anm. zu AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 82; Gaul, DB 1962, 202; Wohlgemuth, DB 1991, 910; Schnauder, JuS 1995, 594 f.; Hueck/Nipperdey, ArbR I, § 35 II 4 (S. 232 f.). 933 Treffend Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2010), Vorbemerkungen zu §§ 611 ff. Rn. 217 zur gesetzlichen Umschreibung der unter den Arbeitnehmerbegriff fallenden Personenkreise: „völlig nichtssagend“. 934 Siehe § 622 Abs. 1 BGB, § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG; s. auch § 5 BetrVG, § 2 Abs. 2 ArbZG, § 1 Abs. 2 EFZG, § 2 BUrlG, § 17 BetrAVG deren Arbeitnehmerbegriff, trotz teilweise unterschiedlicher zusätzlich einbezogener Personen („Als Arbeitnehmer gelten auch“) dem des § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG entspricht. Aufgrund der übergeordneten Fragestellung der Untersuchung, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Anwendung oder modellhafte Heranziehung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf Mitglieder des Vorstands einer AG in Betracht kommt, sind Definitionen in Gesetzen, die vorrangig dem Schutz der Arbeitnehmer dienen sollen, für den Untersuchungsgegenstand ohne weitere Bedeutung. 935 St. Rspr. BAG AP § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, Nr. 24 (Leitsatz 1); BAG AP BetrVG 1972 § 5, Rotes Kreuz Nr. 1 (III. 1.); BAG AP ArbGG 1979 § 2, Nr. 70 (II. 2. b) aa)); BAG AP § 611 BGB Abhängigkeit, Nr. 6, Nr. 54 (I. 3. a)), Nr. 111 (Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG); s. auch BAG AP § 611 BGB Zeitungsausträger, Nr. 4 (I.); BAG AP § 611 BGB Abhängigkeit, Nr. 37; Dütz/Thüsing, § 2 Rn. 33; Junker, § 2 Rn. 91; Hueck/Nipperdey, ArbR I, § 9 II. (S. 34 f.) m.w.N. zur Rspr. des RAG; s. in diesem Zshg. auch § 84 Abs. 1 S. 2 HGB, der für den Handelsvertreter Selbstständigkeit als die Befugnis definiert, „im wesentlichen frei seine Tätigkeit [zu] gestalten und seine Arbeitszeit [zu] bestimmen“.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Wie die Stellung der Vorschriften zum Arbeitsvertrag im 1. Untertitel des 8. Titels des BGB936 zeigt, ist dieser ein Unterfall des Dienstvertrages,937 mithin eines privatrechtlichen Austauschvertrages, aufgrund dessen sich eine Partei zur Leistung bestimmter Dienste, die andere im Gegenzug zur Gewährung einer vereinbarten Vergütung verpflichtet.938 In Abgrenzung zu Dienstverträgen, die nicht Arbeitsverträge sind,939 soll ein Arbeitsverhältnis daneben durch die Unselbstständigkeit des Dienstverpflichteten, der seine Tätigkeit nach den Weisungen und der Bestimmung des Dienstberechtigten zu erbringen hat, gekennzeichnet sein, aufgrund derer die Rechtsprechung von einer persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber ausgeht.940 Während sich aus den Merkmalen des privatrechtlichen Vertrags und der Leistung von Diensten kaum Abgrenzungsprobleme ergeben, ist das Merkmal der Unselbstständigkeit im Sinne der Erbringung einer weisungsgebundenen, fremdbestimmten Tätigkeit Anknüpfungspunkt streitiger Abgrenzungsfragen. Aus § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG, wonach als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG auch Personen gelten, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als „arbeitnehmerähnlich“ anzusehen sind, ergibt sich zunächst, dass eine lediglich wirtschaftliche Abhängigkeit von dem Dienstberechtigten für die Einordnung als Arbeitsverhältnis nicht ausreicht.941 Wirtschaftliche Abhängigkeit soll sich nach der Rechtsprechung des BAG von ein Arbeitsverhältnis kennzeichnender persönlicher942 dadurch unterscheiden, dass keine oder eine schwächere Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten und häufig auch keine oder eine schwächere Eingliederung in eine betriebliche Organisation des Dienstberechtigten besteht, die Einkünfte aus einem oder verschiedenen Dienstverträgen eines Auftraggebers dem Verpflichteten aber dennoch, vergleichbar einem Arbeitnehmer, als Existenzgrundlage dienen.943 Der persönliche Anwendungsbereich der in der Rechtsprechung entwickelten Haftungsprivilegierung beschränkt sich im Grundsatz auf Arbeitnehmer, während arbeitnehmerähnliche Personen nach allgemeinen Regeln haften,944 sodass der Abgrenzung hier erhebliche Bedeutung zukommt. 936

§§ 612a, 613a, 619a, 622, 623, 630 S. 4 BGB. Dütz/Thüsing, § 2 Rn. 35; Junker, § 2 Rn. 91. 938 Siehe § 611 Abs. 1 BGB. 939 Die Bezeichnung verwenden §§ 621, 627 Abs. 1 BGB. 940 Zur Definition des Arbeitnehmerbegriffs bzw. des Arbeitsverhältnisses im Überblick s. Junker, § 2 Rn. 91 ff.; Dütz/Thüsing, § 2 Rn. 33 ff.; ausführlich Vogelsang, in: Schaub, ArbRHdb, § 8; Hueck/Nipperdey, ArbR I, § 9 (S. 34 ff.). 941 Siehe Junker, § 2 Rn. 97. 942 Zum Begriff der persönlichen Abhängigkeit Hueck/Nipperdey, ArbR I, § 9 III. 3. (S. 41 ff.). 943 Siehe BAG AP ArbGG 1979 § 2, Nr. 83 (III. 1.). 944 BGH AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 28, Nr. 51; ErfK/Preis, 15. Aufl. 2015, § 619a Rn. 19; Linck, in: Schaub, ArbRHdb, § 59 Rn. 41; a.A. BSG NJW 2004, 966 unter Berufung auf die Gleichstellung von Beschäftigten und beschäftigtenähnlichen Personen in § 2 937

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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b) Grundgedanke Den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs liegt die Erwägung zugrunde, dass dem Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber im Verlauf der Zeit aufgrund menschlicher Unzulänglichkeit zwangsläufig Fehler unterlaufen, die für sich genommen vermeidbar, mithin fahrlässig verursacht sind, als Ausprägung eines menschlichen Fehlverhaltens aber insgesamt der Ausführung der Tätigkeit anhaften und unvermeidbar sind. Mit anderen Worten handelt es sich um Fehler und daraus folgende Schäden, die bei Ausführung der fraglichen Tätigkeit durch einen Menschen stets in gewissem Umfang auftreten, also auch auftreten würden, wenn der Arbeitgeber selbst tätig würde. Die betriebliche Arbeitsteilung würde somit bei Anwendung der allgemeinen Schadensersatzregeln dazu führen, dass der Arbeitgeber das Risiko der Realisierung des beschriebenen Schadenspotenzials, dem der die Tätigkeit Ausführende sich nicht entziehen kann, auf den Arbeitnehmer abwälzen könnte,945 während ihm lediglich die Vorteile der Arbeit zugute kämen. Weiterhin könne bereits ein vergleichsweise geringer Sorgfaltsverstoß des Arbeitnehmers Schäden herbeiführen, die sich existenzvernichtend auswirken könnten und überdies außer Verhältnis zu dessen Arbeitslohn stünden. Daneben obliege die Organisation des Arbeitsbetriebs dem Arbeitgeber, sodass der Arbeitnehmer auf die ihm zugewiesenen Tätigkeiten und damit die einzugehenden Schadensrisiken, sowohl hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung als auch der Höhe der möglichen Schäden, keinen maßgeblichen Einfluss nehmen könne.946 c) Anwendungsvoraussetzungen der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs Entwickelt wurden diese Gedanken zunächst für besonders schadensträchtige, sogenannte gefahrgeneigte Tätigkeiten, in denen eine Haftungsprivilegierung des Abs. 2 S. 1 SGB VII; bei vergleichbarer Schutzbedürftigkeit grds. auch Otto/Schwarze/Krause, § 7 Rn. 7; Reichold, in: MüHdbArbR, § 51 Rn. 65, begründet mit der für eingegliederte arbeitnehmerähnliche Personen gleichermaßen vom Dienstberechtigten gesetzten Betriebsgefahr und der Gestaltung der Arbeitsbedingungen. 945 A.A. Richardi, NZA 1994, 241, 243, es gehe nicht um Schäden, die das Betriebsrisiko mit sich bringe, sondern solche, die durch Fehlverhalten des Arbeitnehmers verursacht worden seien, mithin um dessen Haftungsentlastung, nicht um eine Frage der Schadensverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 946 Siehe zum Ganzen BAGE 78, 56, 60 f. (I. der Gründe); BAG NZA 1993, 547, 548; RAG ARS 41, 55, 58, 60; grundlegend ArbG Plauen, ARS 29, 62; U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 804 ff.; v. Hoyningen-Huene, BB 1989, 1889; Wohlgemuth, DB 1991, 910; Schnauder, JuS 1995, 594; Dütz/Thüsing, § 5 Rn. 201; Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 402 ff.; speziell zu den Gedanken der Risiko- und Sphärenzuweisung Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 46 ff.; Canaris, RdA 1966, 41, 45 f.; BAGE 78, 56, 64 f.; ErfK/Preis, 15. Aufl. 2015, § 619a Rn. 10; Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 619a BGB Rn. 31.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Arbeitnehmers nach den im Folgenden darzustellenden Grundsätzen erfolgen sollte, während bei nicht derart schadensgeneigten Arbeiten nach allgemeinen Regeln der Arbeitnehmer den gesamten Schaden zu tragen hatte.947 Diese in der Literatur vielfach kritisierte948 Einschränkung des Anwendungsbereichs der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs wurde in der späteren Rechtsprechung des BAG und des BGH aufgegeben.949 Erforderlich ist nunmehr lediglich, dass die schadensursächliche Tätigkeit des Arbeitnehmers durch den Betrieb des Arbeitgebers veranlasst und aufgrund des Arbeitsverhältnisses ausgeführt wurde.950 Das Kriterium soll nur noch solche Schäden ausscheiden, in denen sich das allgemeine Lebensrisiko des Arbeitnehmers realisiert hat. Betrieblich veranlasst soll demnach eine Tätigkeit sein, die dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich übertragen wurde oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt.951 Der Große Senat des BAG geht in der Begründung der Rechtsprechungsänderung von einem Wandel der betrieblichen Verhältnisse aus, die zu einer Zunahme der Haftungsrisiken für Arbeitnehmer, insbesondere bezüglich der Haftungssummen, auch bei nicht gefahrgeneigten Tätigkeiten geführt hätten, dem durch die Aufgabe dieses Erfordernisses Rechnung getragen werde.952 Ferner sei die Verantwortung des Arbeitgebers für die Organisation des Betriebs und der Arbeitsbedingungen, die als ein Grund für die innerbetriebliche Schadensteilung angeführt wird, bei nicht gefahrgeneigten Arbeiten ebenso gegeben. Daher sei sie im Rahmen der Abwägung der Umstände der Schadensverursachung entsprechend § 254 BGB dem Arbeitgeber stets, nicht nur bei gefahrgeneigter Tätigkeit, als die Haftung des Arbeitnehmers beschränkender Faktor zuzurechnen,953 während die Schadensgeneigtheit der auszuführenden Arbeit lediglich als in die Abwägung zur Schadensverteilung einzubeziehender weiterer Umstand zu berücksichtigen sei.954 947

BAGE 78, 56, 61; s. auch ArbG Plauen, ARS 29, 62 f. Brox, Anm. zu AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 82; Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 408; Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 52 f; Kohte, BB 1983, 1603, 1608 f.; Dütz, NJW 1986, 1779, 1784; v. Hoyningen-Huene, BB 1989, 1889, 1893 f.; Wohlgemuth, DB 1991, 910 f.; Hammen, WM 1993, 1450, 1452; a.A. anscheinend nur in terminologischer Hinsicht Canaris, RdA 1966, 41, 46. 949 BAG, Beschluss v. 27. 09. 1994 – GS 1/89 (A), BAGE 78, 56; s. dazu auch BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 98; BAG NZA 1993, 547; BGH NZA 1994, 270. Zu Überlegungen einer Aufgabe der Voraussetzungen einer gefahrgeneigten Tätigkeit bereits zu Beginn der 1980er Jahre s. die Darstellung bei Linck, in: Schaub, ArbRHdb, § 59 Rn. 35 sowie BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 84; Nr. 86. 950 BAGE 78, 56, 60. 951 BAGE 78, 56, 67 unter Bezugnahme auf BAG AP § 637 RVO, Nr. 1; BGH AP § 637 RVO, Nr. 6; s. auch BAG AP § 637 RVO, Nr. 8 (2. a) der Gründe); BAG NZA 1993, 547, 550. 952 BAGE 78, 56, 61 f.; s. auch BAG NZA 1993, 547 f.; Wohlgemuth, DB 1991, 910; Joussen, AuR 2005, 432, 433 f. 953 BAGE 78, 56, 65; zu der Abwägung im Einzelnen s. u. unter 3. Teil E. III. 2. e) bb) (2) (a). 954 BAGE 78, 56, 67; s. auch Dütz/Thüsing, § 5 Rn. 203. 948

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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d) Inhaltliche Ausgestaltung der privilegierten Haftung des Arbeitnehmers Obwohl die Rechtsprechung im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 254 BGB von einer Gewichtung und Abwägung der Gesamtumstände der Schadensentstehung im Einzelfall ausgeht, haben sich anerkannte Grundsätze der Schadensteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entwickelt. Bei vorsätzlichem Handeln hat der Arbeitnehmer den verursachten Schaden nach allgemeinen Grundsätzen zu ersetzen, da sich dieser hier nicht als Folge menschlicher Unzulänglichkeit bei Ausführung einer Tätigkeit über einen längeren Zeitraum darstellt, sodass die für eine Schadensteilung sprechenden Erwägungen auf Fälle vorsätzlichen Handelns nicht zutreffen. Der Vorsatz des Arbeitnehmers muss allerdings auch den Eintritt eines Schadens, nicht lediglich die Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsvertrag, umfassen.955 Wurde ein Schaden durch den Arbeitnehmer lediglich sorgfaltswidrig verursacht, sind nach ständiger Rechtsprechung des BAG956 bei der Anwendung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs drei Fahrlässigkeitsgrade zu unterscheiden.957 Handelte der Arbeitnehmer grob fahrlässig, hat er ebenfalls regelmäßig den Schaden allein zu tragen. Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird grundsätzlich eine quotale Schadenteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgenommen, während bei leichtester Fahrlässigkeit der Arbeitnehmer nicht haften soll.958

955 BAG AP § 254 BGB, Nr. 15 (Leitsatz 4 und Rn. 34); AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 122 (II. 3. c) ee) der Gründe). 956 Lediglich vorübergehend, beginnend mit dem Urt. v. 23. 03. 1983 – 7 AZR 391/79, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 82, wich der 7. Senat des BAG, indem er eine alleinige Schadenstragung durch den Arbeitgeber bei nicht grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schadensverursachung durch den Arbeitnehmer annahm, von dem dreiteiligen Fahrlässigkeitsbegriff ab, ebenso in BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 84. Mit der Entscheidung des inzwischen zuständig gewordenen 8. Senats im Urt. v. 24. 11. 1987 – 8 AZR 524/82, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 93, ist das BAG zu seiner bisherigen st. Rspr. mit der dreiteiligen Abstufung der Fahrlässigkeit zurückgekehrt; s. dazu etwa v. Hoyningen-Huene, BB 1989, 1889, 1891 f. (Gliederungspunkte 3., 4.). 957 Zu deren Inhalt Linck, in: Schaub, ArbRHdb, § 59 Rn. 25 ff.; krit. gegenüber der dem BGB, das sonst nur zwischen „einfacher“ und grober Fahrlässigkeit unterscheidet (§§ 276, 277 BGB), unbekannten Dreiteilung der Fahrlässigkeit u. a. Hanau, FS Hübner, 1984, S. 467, 481; v. Hoyningen-Huene, BB 1989, 1889, 1892 f.; Wohlgemuth, DB 1991, 910, 911. 958 St. Rspr. seit BAGE 5, 1, wo noch von der Verwendung der Begriffe leichter und grober Fahrlässigkeit bewusst Abstand genommen und von einer „nicht schweren Schuld“ des Arbeitnehmers als Voraussetzung einer Haftungsentlastung die Rede ist, allerdings bereits nahegelegt wird, dass „in aller Regel […] bei leichter Fahrlässigkeit der Haftungsausschluß Platz greifen [wird] und bei grober nicht“ (ebd., 18); in der heutige Formulierung seit BAGE 7, 290; s. etwa BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 68 (unter III. 1.); BAG NZA 1988, 579; NZA 1993, 547; vgl. auch die Darstellungen bei Junker, § 5 Rn. 299 ff.; Dütz/Thüsing, § 5 Rn. 203.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Ist das Verschulden des Arbeitnehmers zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses streitig, liegt die Beweislast nach § 619a BGB, abweichend von der allgemeinen Regel des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, beim Arbeitgeber. Diese Grundsätze finden auch auf deliktische Ansprüche des Arbeitgebers Anwendung.959 Schädigt der Arbeitnehmer bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit einen Dritten, haftet er diesem gegenüber unbeschränkt nach allgemeinen Regeln,960 hat aber entsprechend den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs einen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber.961 e) Dogmatische Grundlagen der Arbeitnehmerhaftung Die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs ist, wie dargestellt, im Ergebnis etabliert. Bisher fehlt es jedoch an einer allgemein anerkannten dogmatischen Begründung dieser Bevorzugung des Arbeitnehmers bei der Schadensersatzhaftung.962 Im Hinblick auf die Frage der Tauglichkeit der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung als „Referenzmodell“ für eine Beschränkung der Vorstandshaftung aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gilt es daher zunächst, die die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs tragenden Erwägungen, auch hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die Haftung der Vorstandsmitglieder, zu untersuchen. Die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Begründungen der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers lassen sich in solche, die an den haftungsbegründenden Voraussetzungen ansetzen, und solche, die eine Korrektur erst auf der Ebene der Rechtsfolgen vornehmen, einteilen.963 aa) Ansätze zur Modifikation der Haftungsvoraussetzungen für Arbeitnehmer Zur Begründung der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers gegenüber sonstigen Schuldnern wird an allen Merkmalen des haftungsbegründenden Tatbestands eines Schadensersatzanspruchs des Arbeitgebers angesetzt.964 Ein Ansetzen 959

BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 16. BAGE 5, 1, 8; BGHZ 30, 40, 49; 108, 305; BGH NJW 1994, 852. 961 BAGE 5, 1, 8; RAG ARS 41, 55; 43, 108; 46, 136; vertiefend Junker, § 5 Rn. 308; Dütz/ Thüsing, § 5 Rn. 204; zur Begründung anhand des Gedankens einer „Risikohaftung bei Tätigkeit in fremdem Interesse“ Canaris, RdA 1966, 41, 42 ff. 962 Siehe Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 61; Joussen, RdA 2006, 129. 963 Zu den möglichen Einteilungen Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 61 f. m.w.N. Wie hier ebd.; Otto/Schwarze/Krause, § 5 Rn. 1; Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 619a Rn. 48. 964 Zu den Ansätzen im Einzelnen ausführlich Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 62 ff. (§ 7); Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 38 ff. 960

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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an den Voraussetzungen der Haftung des Arbeitnehmers erweist sich aber, weil auch die entsprechend den unterschiedlichen Ansätzen modifizierten Haftungsvoraussetzungen nur vorliegen oder nicht vorliegen können, als untauglich, eine Haftungsbegrenzung der Höhe nach, die zu einer anteiligen Schadenstragung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer führt, zu begründen,965 sodass die entsprechenden Begründungsversuche für das Ziel der Untersuchung ohne Bedeutung sind. bb) Ansätze zur Begrenzung der Haftungsfolgen (1) Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Die Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung wurde in der Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts,966 des Bundesgerichtshofs967 sowie des Bundesarbeitsgerichts968 zunächst mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers begründet. Im arbeitsrechtlichen Schrifttum ist dieser Begründungsansatz zunächst überwiegend auf Zustimmung gestoßen.969 Mit „den das Arbeitsverhältnis beherrschenden Treue- und Fürsorgegedanken“, so der Große Senat des BAG in seiner Grundsatzentscheidung vom 25. 09. 1957, vertrüge es sich nicht, „daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit Schäden und Ersatzansprüchen belasten würde, die sich aus der besonderen Gefahr und Eigenart der ihm übertragenen Arbeit ergeben und als solche zum typischen vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisiko gehören, auch wenn sie im Einzelfall vom Arbeitnehmer fahrlässig herbeigeführt worden sind“.970 Bereits das RAG formuliert den Gedanken ähnlich, indem es ausführt, der Arbeitnehmer bedürfe „des Schutzes vor übermäßiger Belastung mit Ersatzansprüchen, denen er infolge von in seinem Beruf971 praktisch unvermeidbaren leichten Versehen ausgesetzt“ sei. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, solchen Schutz zu gewährleisten, wird insbesondere darauf gestützt, dass

(§ 4); Achterberg, AcP 164 (1964), 14, 19 ff.; Canaris, RdA 1966, 41, 44; s. auch den kurzen Überblick bei Annuß, NZA 1998, 1089, 1090 f. 965 Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 108; Isele, NJW 1964, 1441, 1444 f. 966 RAG ARS 41, 55, 60; ARS 41, 259, 264; ARS 43, 108, 112; ARS 46, 136. 967 BGHZ 16, 111, 116; 108, 305, 308 f.; BGH AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 28 (II. 1 der Gründe); BGH NJW 1970, 34; AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 99 (2. a) cc) der Gründe). 968 BAGE 5, 1, 8; 7, 290, 299; 9, 243, 249; BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 16. 969 Hueck/Nipperdey, ArbR I, § 35 II 4. (S. 233); Stecher, RdA 1961, 261, 265; Achterberg, AcP 164 (1964), 14, 33. 970 BAGE 5, 1, 8. 971 Im zu entscheidenden Fall verlangte ein angestellter Lastwagenfahrer Freistellung von Ansprüchen Dritter wegen bei der Ausübung seiner Tätigkeit fahrlässig verursachter Verkehrsunfälle.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Schadensfälle bestimmter Art „eine seinem Betriebe eigentümliche Gefahr bilden, deren Risiko er unmöglich auf seinen Angestellten allein abwälzen kann.“972 Das Ergebnis der hieraus gefolgerten Begrenzungen der Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers wird rechtstechnisch in unterschiedlicher Weise erreicht. Entweder wird eine Begrenzung des Schadensersatzanspruchs des Arbeitgebers selbst angenommen973 oder von einem diesem Anspruch aufrechnungsfähig gegenüberstehenden Gegenanspruch des Arbeitnehmers mit der Folge einer Einwendung unzulässiger Rechtsausübung bei Geltendmachung des vollen Schadensersatzanspruchs ausgegangen.974 (a) Fehlende inhaltliche Bestimmtheit der Fürsorgepflicht Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers als Begründung der Schadensteilung nach den Grundsätzen der betrieblich veranlassten Tätigkeit wird vorrangig wegen ihrer fehlenden Konturierung kritisiert.975 In diesem Sinne wird ein Ausufern dahingehend beklagt, dass überall dort die Fürsorgepflicht herangezogen werde, wo ein abweichendes Ergebnis als ungerecht empfunden werde, ohne dass dies anhand anerkannter Begriffsinhalte begründet werden könne.976 (b) Die Fürsorgepflicht als Schadenszurechnungsgrund Über diese Einwände hinaus formuliert namentlich Canaris dogmatische Bedenken gegen die Fürsorgepflicht als Grundlage einer Schadenszurechnung im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Weder sei diese als Zurechnungsgrund anerkannt, noch biete sie einen Ansatzpunkt für die Entwicklung eines sol972

RAG ARS 41, 55, 60; ähnl. RAG ARS 41, 259, 264. Siehe nur RAG ARS 41, 55, 60; BAGE 5, 1, 8; BGHZ 16, 111, 116. 974 „Arglistig handelt, wer etwas fordert, das er unmittelbar zurückgeben muss“; Gaul, DB 1962, 202, 203, 205; ders., AuR 1965, 225, 231; Achterberg, AcP 164 (1964), 14, 33 f.; ganz ähnl. Stecher, RdA 1961, 261, 265. 975 Annuß, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 97 („konturlos“); Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 406 (dto.); Canaris, RdA 1966, 41, 45 („Verschwommenheit“); zust. Eich, NZA 1984, 65, 69; Klein, Schadenshaftung im Arbeitsverhältnis, S. 43 („dehnbarer Begriff“, „Gefahr uferloser Billigkeitskasuistik“); Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 59 („sehr vages Instrument“); Frey, BB 1960, 411, 412 („zu unbestimmt“, „nach Inhalt und Grenzen zu ungeklärt“); Isele, NJW 1964, 1441, 1445 („haftungsrechtliche Generalklausel“). 976 Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 44 f.; treffend auch Frey, BB 1960, 411, 412: „behaupten anstatt […] beweisen“; Klein, Schadenshaftung im Arbeitsverhältnis, S. 43: „Gefahr uferloser Billigkeitskasuistik“; ganz ähnl. Witt, Zur Haftungssituation des Arbeitnehmers im Bereich „schadensgeneigter Arbeit“ bei Schädigung des Arbeitgebers und betriebsfremder Dritter, S. 149 f.; Annuß, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 97; ders., NZA 1998, 1089, 1092; Otto/Schwarze/Krause, § 5 Rn. 9; Eich, NZA 1984, 65, 69; tendenziell auch Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 57, der eine exaktere Beschreibung des rechtlichen Gehalts der Fürsorgepflicht für erforderlich hält, um den „Makel der Beliebigkeit“ zu beseitigen. 973

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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chen.977 Der Gedanke eines vom Arbeitgeber zu tragenden, in seinem Betrieb, dessen Chancen ihm, nicht dem Arbeitnehmer, zustehen, wurzelnden Risikos als die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers tragende Erwägung findet sich in der Tat bereits in den im Ergebnis auf die Fürsorgepflicht abstellenden Entscheidungen zur Schadensteilung in Arbeitsverhältnissen,978 sodass dieses als Zurechnungsmechanismus dienen soll.979 Wenngleich auch die Begründung der Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit mittels des Betriebsrisikogedankens nachhaltigen Bedenken ausgesetzt ist,980 handelt es sich dabei zumindest nicht um einen dem geltenden Recht unbekannten Zurechnungsgrund. Die Haftung für eine Gefahrenquelle unter den Gesichtspunkten der Nutzung ihrer Vorteile und ihrer Beherrschbarkeit durch ihren Inhaber ist in Gestalt der Gefährdungshaftung als Grundlage einer Schadenszurechnung im geltenden Recht auch an anderer Stelle verankert.981 Allerdings bedeutet dies nicht notwendig, dass die etablierten Zurechnungsgründe als abschließend anzusehen sind,982 sodass dieser Gesichtspunkt lediglich aufgrund der Möglichkeit eines Rückgriffs auf Bekanntes, mithin aus Praktikabilitäts-, nicht zwingenden Rechtsgründen, gegen die Fürsorgepflicht als Zurechnungsmechanismus spricht.983 Darüber hinaus besteht aber auch in Fällen, die als „Risikohaftung bei Tätigkeit in fremdem Interesse“, also im weiteren Sinne als Gefährdungshaftung des Geschäftsherrn,984 eingeordnet werden, so beim Auftrag oder der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, wo eine Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht angenommen werden kann, ein Bedürfnis nach Haftungsbeschränkungen, sodass sich eine einheitliche Begründung, die dann nicht in einer Fürsorgepflicht liegen kann,

977 Canaris, RdA 1966, 41, 45; zust. Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 406; daneben Witt, Zur Haftungssituation des Arbeitnehmers im Bereich „schadensgeneigter Arbeit“ bei Schädigung des Arbeitgebers und betriebsfremder Dritter, S. 150; Richardi, in: Tomandl, Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, S. 41, 63; Eich, NZA 1994, 65, 69; Annuß, NZA 1998, 1089, 1092; implizit auch Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 619a Rn. 52; Larenz, JuS 1965, 373, 375. 978 Dazu sogleich unter 3. Teil E. III. 2. e) bb) (2). 979 Ausführlich Witt, Zur Haftungssituation des Arbeitnehmers im Bereich „schadensgeneigter Arbeit“ bei Schädigung des Arbeitgebers und betriebsfremder Dritter, S. 176 ff. 980 Dazu unter 3. Teil E. III. 2. e) bb) (2) (b). 981 Bspw. in § 833 S. 1 BGB; § 7 StVG; § 1 ProdHaftG; s. Canaris, RdA 1966, 41, 42 f., 45; Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 48; zu weiteren Prinzipien der Schadenszurechnung Larenz, JuS 1965, 373 ff. 982 Siehe dazu Larenz, JuS 1965, 373. 983 Ebenfalls krit., aber deutlich schärfer Annuß, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 97 f.: „Scheinbegründung“; vgl. auch Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 59. 984 Siehe dazu auch Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 48. Ausführlich zur Schadenszurechnung aufgrund der Ausführung einer risikobehafteten Tätigkeit in fremdem Interesse A. Huber, Die Haftung des Geschäftsherrn für schuldlos erlittene Schäden des Geschäftsführers beim Auftrag und bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 49 ff.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

anbietet.985 Auch wenn dieser Einwand ebenfalls nicht zwingend ist, ist der Kritik zuzugeben, dass eine Begründung der Schadensverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der Haftung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ohne Not eine bislang als Grundlage einer Schadenszurechnung unbekannte Rechtsfigur heranzieht und eine abweichende Begründung der Schadensverteilung im Arbeitsrecht gegenüber anderen Fällen der Tätigkeit in fremdem Interesse begründungsbedürftig erscheint.986 Eine überzeugende Begründung gerade der Fürsorgepflicht als die Schadensverteilung tragenden Mechanismus enthalten die dargestellten Entscheidungen nicht, das argumentative Schwergewicht liegt dort viel eher auf der Schaffung eines Schadensrisikos durch den Betrieb des Arbeitgebers. (c) „Synallagma“ von Fürsorge- und Treuepflicht Gamillscheg/Hanau geben gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers als Grundlage der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers zu bedenken, dass vorheriges Fehlverhalten des Arbeitnehmers zum Verlust dieses Schutzes führen könne, indem die Inanspruchnahme der Fürsorge des Arbeitgebers die Beachtung von Treupflichten des Arbeitnehmers voraussetze.987 (d) Fürsorgepflicht bei finanzieller Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers? Daneben könne mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht begründet werden, weshalb die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers auch dann gelten solle, wenn dieser finanziell so, eventuell auch besser als sein Arbeitgeber, gestellt sei, dass er den Schaden tragen könnte.988

985 Canaris, RdA 1966, 41, 45; Larenz, JuS 1965, 373, 375; Richardi, in: Tomandl, Treueund Fürsorgepflicht in Arbeitsrecht, S. 41, 63; Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 406; s. auch A. Huber, Die Haftung des Geschäftsherrn für schuldlos erlittene Schäden des Geschäftsführers beim Auftrag und bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 49 ff. 986 Ähnl. Annuß, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 98; anders anscheinend Klein, Schadenshaftung im Arbeitsverhältnis, S. 48 f. 987 Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 45 mit dem Bsp. eines möglichen Verlusts des Schutzes der Fürsorgepflicht bei verspäteter Begleichung des vom Arbeitnehmer zu tragenden Anteils an einem früher verursachten Schaden; zur Bedingung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers durch die Treupflicht des Arbeitnehmers, RAG ARS 43, 108; Stecher, RdA 1961, 261, 265; Eich, NZA 1994, 65, 69; am „Synallagma“ sowie einer Treuepflicht des Arbeitnehmers zweifelnd Richardi, in: Tomandl, Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, S. 41, 64. 988 Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 45; zur Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers bei der innerbetrieblichen Schadensteilung s. u. 3. Teil E. III. 2. e) bb) (2) (a).

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(e) Fazit Obwohl die dargestellten Einwände gegen eine Begründung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht in allen Teilen überzeugen, ergeben sich doch, insbesondere aus der fehlenden inhaltlichen Ausfüllung der Fürsorgepflicht, deutliche Bedenken gegen die Tragfähigkeit dieses Begründungsansatzes. (2) Betriebsrisiko Die Schadensteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurde zunächst für besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten entwickelt, die sich dadurch auszeichnen, dass „auch einem gewissenhaften Dienstverpflichteten Fehlgriffe unterlaufen, die zwar für sich allein betrachtet jedes Mal vermeidbar sind, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit als mit einem typischen, mehr oder minder genau voraussehbaren Abirren der Dienstleistung erfahrungsgemäß gerechnet wird.“989 Ein Unternehmer, der solche Tätigkeiten von seinen Arbeitnehmern ausführen lasse, habe dabei die mit dem „typischen Abirren“ verbundenen Verluste „als eine Art von typischem Betriebsrisiko“ in Kauf genommen, sodass der Arbeitnehmer nicht allein mit ihnen belastet werden könne.990 Zunächst wird die Haftungsprivilegierung zwar maßgeblich mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer begründet. Die Rechtsfigur des innerbetrieblichen Schadensausgleichs wurde aber anhand besonders schadensträchtiger Tätigkeiten entwickelt, sodass sich der Gedanke eines vom Arbeitgeber veranlassten Betriebsrisikos,991 das sich aus der vom Arbeitnehmer in der vom Arbeitgeber organisierten und angewiesenen Weise auszuführenden Tätigkeit als solcher ergebe und mit den Folgen dessen Realisierung der Arbeitnehmer als Ausführender daher nicht allein beschwert sein dürfe, bereits in den im Kern auf die Fürsorgepflicht gestützten Stellungnahmen findet.992 In der Entwicklung der Rechtsprechung zur Haftung des Arbeitnehmers wird der Gesichtspunkt der dem Arbeitgeber zuzurechnenden Betriebsgefahren zunehmend ein eigenständiger Begründungsansatz des Haftungsprivilegs.993

989

RAG ARS 41, 55, 58. Ebd. (Fn. 989); s. auch Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 46 ff. (§ 5); Canaris, RdA 1966, 41, 45 f.; zur Entwicklung der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers Otto/Schwarze/Krause, § 2; Linck, in: Schaub, ArbRHdb, § 59 Rn. 32 ff. 991 Nicht zu verwechseln mit dem in § 615 S. 3 BGB genannten Risiko des Arbeitsausfalls, das mit demselben Begriff bezeichnet wird, s. nur BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 93 (B. III. 4. der Gründe); Henssler, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 615 Rn. 89. 992 Siehe RAG ARS 41, 55, 58; ARS 43, 108, 112; ARS 46, 136; BGHZ 16, 111, 116; dazu auch Canaris, RdA 1966, 41, 45; aus dogmatischen Gründen ablehnend ggü. einer Verbindung von Fürsorgepflicht und Betriebsrisiko Achterberg, AcP 164 (1964), 14, 31 f. 993 Siehe BAGE 78, 56, 59, 61; Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 46 ff. (§ 5); Junker, § 5 Rn. 295 f.; Löwisch, BAG EWiR § 611 BGB 1/90, 31, 32. 990

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(a) Entsprechende Anwendung des § 254 BGB Rechtstechnisch erfolgt die Berücksichtigung des Betriebsrisikos im Wege einer entsprechenden Anwendung des § 254 BGB, wonach, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten994 mitgewirkt hat, die Schadensersatzpflicht dem Grunde und der Höhe nach von den Umständen, insbesondere davon abhängt, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Vorschrift bewirkt so im Einzelfall eine Durchbrechung des Grundsatzes der Totalreparation, wonach eine Pflicht zum Schadensersatz entweder vollumfänglich oder gar nicht besteht, der das Schadensersatzrecht des BGB ansonsten prägt.995 Mangels eines mitwirkenden Verschuldens des Arbeitgebers bei der Entstehung eines konkreten, durch ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers verursachten Schadens scheidet eine unmittelbare Anwendung des § 254 BGB regelmäßig aus.996 Die Vorschrift soll, so auch die Rechtsprechung zum betrieblichen Schadensausgleich, aber auch dann Anwendung finden, wenn eine von dem Geschädigten zu vertretende Sach- oder Betriebsgefahr für die Schadensentstehung in zurechenbarer Weise ursächlich geworden ist, wie dies bei Schäden aufgrund durch den Betrieb des Arbeitgebers veranlasster Arbeiten der Fall sei.997 Die Schadensverteilung soll anhand einer Abwägung der Umstände des Einzelfalles vorgenommen werden.998 Zu berücksichtigen sei zunächst, dass der Arbeitnehmer schuldhaft gehandelt habe, während sich der Arbeitgeber regelmäßig nur die Betriebsgefahr als „das schuldlose Setzen der Möglichkeit des schuldhaften Versagens in gefahrenbedingten Situationen durch den Arbeitnehmer“ zurechnen lassen muss.999 Der Arbeitgeber lässt lediglich in sozial anerkannter Weise Tätigkeiten durch einen anderen vornehmen, während der Arbeitnehmer durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gegen die Rechtsordnung verstößt. Aufgrund dieser Gegebenheiten misst die Rechtsprechung im Falle einer grob fahrlässigen Schadensverursachung durch den Arbeitnehmer dessen Verschulden regelmäßig ein 994 Zum Begriff des Verschuldens in § 254 BGB Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 254 Rn. 3; Schiemann, in: Staudinger (2005), § 254 Rn. 30 f. 995 Canaris, RdA 1966, 41, 47; Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 254 Rn. 2; Schnauder, JuS 1995, 594 f., 596. 996 Eine unmittelbare Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB kommt etwa bei einem Organisationsverschulden des Arbeitgebers in Betracht; dazu BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 106 (B. II. 4. der Gründe); Nr. 121 (II. 3. der Gründe); AP § 254 BGB, Nr. 15 (Leitsätze 2, 3 und Rn. 25); BAG NZA 1990, 847; s. statt vieler auch Hueck/Nipperdey, ArbR I, § 35 II 3 (S. 231 f.); Gaul, DB 1962, 202; Kohte, BB 1983, 1603, 1607. 997 BAGE 78, 56, 63; s. auch Canaris, RdA 1966, 41, 45; Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, S. 264 f.; zur analogen Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB auf andere Zurechnungsgründe als Verschulden s. Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 254 Rn. 5 f., 12 ff.; Schiemann, in: Staudinger (2005), § 254 Rn. 8 ff. 998 BAGE 78, 56, 63; so inhaltlich bereits BAGE 5, 1, 7. 999 BAGE 7, 291, 299.

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solches Übergewicht gegenüber der Betriebsgefahr zu, dass eine Haftungsentlastung nicht in Betracht kommt und geht von einer vollständigen Befreiung grundsätzlich nur bei leichtester Fahrlässigkeit aus.1000 Auf Seiten des Arbeitgebers ist dabei nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen neben der konkreten Gefährlichkeit des Betriebs, wie sie beispielsweise von Maschinen und deren Tätigkeit oder hergestellten Produkten ausgeht, auch die Verantwortung für die Organisation der innerbetrieblichen Abläufe, in die der Arbeitnehmer weisungsunterworfen eingebunden ist, und der Arbeitsbedingungen, sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht, als für das Haftungsrisiko der Arbeitnehmers prägend zu berücksichtigen.1001 Daneben seien die Schadenshöhe, die Höhe des Arbeitsentgelts des Schädigers sowie eine darin möglicherweise enthaltene Risikoprämie,1002 seine Stellung im Betrieb sowie die Frage, ob arbeitgeberseits bestimmte Risiken einkalkuliert, versichert oder versicherbar seien, maßgeblich. Unter Umständen seien auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit, sein bisheriges Verhalten, sein Lebensalter und seine Familienverhältnisse in die Abwägung einzubeziehen.1003 Die Herausbildung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs mit ihrer Dreiteilung des Fahrlässigkeitsbegriffs zeigt aber, dass in der Praxis eine deutlich pauschalere Behandlung der Arbeitnehmerhaftung vorgenommen wird.1004 (b) Kritik Der zuletzt genannte Punkt bildet auch einen Anknüpfungspunkt der Kritik der Literatur an der Umsetzung des Haftungsprivilegs für Arbeitnehmer mittels entsprechender Anwendung des § 254 BGB unter Abwägung des Betriebsrisikos auf Seiten des Arbeitgebers gegen das Verschulden auf Arbeitnehmerseite. Die Norm diene der Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit und sei daher als Grundlage einer allgemeinen Rechtsfortbildung, wie sie auf dem Gebiet der Arbeitnehmerhaftung tatsächlich gegeben ist, obwohl in der Rechtsprechung der Einzelfallcharakter der 1000

Siehe BAGE 7, 291, 299 f. BAGE 78, 56, 64 f. 1002 A.A. Canaris, RdA 1966, 41, 47, der davon ausgeht, derartige Lohnbestandteile dienten allein dem Ausgleich für Gefahren, denen der Arbeitnehmer seine eigenen Rechtsgüter im Rahmen der Tätigkeit aussetzt. 1003 St. Rspr. BAGE 78, 56, 67, inhaltsgleich bereits zur Haftungsprivilegierung auf Grundlage der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers BAGE 5, 1, 7; s. auch BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 92 (III. 2. b) dd) der Gründe). 1004 Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 122; s. auch BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 93 (B. III. 1. b) aa) der Gründe), wo der 8. Senat des BAG der Begründung der Entscheidung zur Abkehr vom dreiteiligen Fahrlässigkeitsbegriff des 7. Senats, BAG AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 82 (II. 3. der Gründe) [Schadensbeteiligung des Arbeitnehmers lediglich bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, in den übrigen Fällen alleinige Schadenstragung durch den Arbeitgeber] entgegen hält, eine allgemeine Risikozurechnung, wie dort vorgenommen, lasse sich aus § 254 BGB nicht herleiten. 1001

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Abwägung betont wird, ungeeignet.1005 Daneben würden in Gestalt der persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers Gesichtspunkte bei der Zuweisung des Schadens berücksichtigt, die mit der Schadensentstehung in keinerlei Zusammenhang stehen und daher nicht in eine dem Rechtsgedanken des § 254 BGB, der lediglich die Beteiligung von Schädiger und Geschädigtem an der Herbeiführung des Schadens betrachtet,1006 entsprechende Abwägung einbezogen werden dürften.1007 Im Ergebnis kann bei dem dergestalt durchgeführten innerbetrieblichen Schadensausgleich von einer Abwägung von Verursachungsbeiträgen kaum gesprochen werden,1008 insbesondere vermag eine entsprechende Anwendung des § 254 BGB den regelmäßig vollständigen Haftungsausschluss für Arbeitnehmer bei leicht fahrlässigem Handeln nicht zu erklären.1009 Das dem Arbeitgeber zuzurechnende Betriebsrisiko, dessen konkreter Beitrag zur Verursachung des im Einzelfall zu verteilenden Schadens regelmäßig unerörtert bleibt,1010 erweist sich in der Rechtsprechung als ähnlich unkonturiert wie die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Daneben ist eine Änderung der abzuwägenden Faktoren mit dem Wandel der Begründung der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers, wie sie angesichts der unterschiedlichen Ansätze von Fürsorgepflicht und Betriebsrisiko zu erwarten wäre, nicht festzustellen.1011 Eine Schärfung der Konturen der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs aufgrund des Ansatzes an einem vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisiko hat nicht stattgefunden. Zu Recht bemerkt daher Sandmann, man könnte die entsprechende Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB schlicht weglassen und mit denselben Ergebnissen die von der Rechtsprechung angeführten Gesichtspunkte zur Schadensverteilung unter der Überschrift des Betriebsrisikos, wie zuvor der Fürsorge1005 Hanau, FS Hübner, 1984, S. 467, 482; Ahrens, DB 1996, 934; v. Hoyningen-Huene, BB 1989, 1889, 1893, 1894; Eich, NZA 1984, 65, 67; Dütz, NJW 1986, 1779, 1783 f.; Schnauder, JuS 1995, 594, 596; Otto/Schwarze/Krause, § 5 Rn. 13 ff.; in diese Richtung auch Begr. RegE Schuldrechtsmodernisierungsgesetz v. 31. 08. 2001, BT-Drs. 14/6857, S. 48, der § 254 BGB als dogmatische Grundlage der Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung als „nicht recht passend“ bezeichnet und eine Ableitung aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses i.S.d. § 276 Abs. 1 BGB nahelegt; a.A. Waltermann, RdA 2005, 98, 99. 1006 Siehe Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 254 Rn. 2; Schiemann, in: Staudinger (2005), § 254 Rn. 4; Canaris, RdA 1966, 41, 47. 1007 Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 122; Canaris, RdA 1966, 41, 47; v. Hoyningen-Huene, BB 1989, 1889, 1896; Koller, SAE 1996, 5; krit. zur Einbeziehung der Schadenshöhe Annuß, NZA 1998, 1089, 1094; differenzierend Joussen, AuR 2005, 432, 434, der die Berücksichtigung von mit den Gründen der Haftungsprivilegierung in Gestalt von Betriebsrisiko und Fürsorgepflicht in Zusammenhang stehenden Gesichtspunkten wie des bisherigen Verhaltens des Arbeitnehmers, seiner Berufsaussichten sowie der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit bzw. Berufstätigkeit trotz fehlenden Bezugs zur unmittelbaren Schadensverursachung für sachgerecht hält. 1008 Ähnl. Otto/Schwarze/Krause, § 5 Rn. 15. 1009 Ahrens, DB 1996, 934 f.; s. auch Otto/Schwarze/Krause, § 5 Rn. 15. 1010 Ahrens, DB 1996, 934, 935; Annuß, NZA 1998, 1089, 1094; ähnl. Otto/Schwarze/ Krause, § 3 Rn. 17. 1011 Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 69.

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pflicht, gegeneinander abwägen.1012 Eine dogmatische Grundlage der Privilegierung der Arbeitnehmerhaftung kann damit auch in diesem Ansatz nicht gefunden werden. § 254 Abs. 1 BGB, dessen Anwendung sich im Wesentlichen auf die Rechtsfolge beschränkt, ist sachlich nicht die Grundlage der Ergebnisse der Rechtsprechung, während es dem Betriebsrisiko kaum weniger als der Fürsorgepflicht an begrifflichen Inhalten fehlt.1013 (3) Verfassungsrechtliche Erwägungen Das mit der Aufgabe des Erfordernisses der gefahrgeneigten Tätigkeit zugunsten der betrieblichen Veranlassung umfassende Haftungsprivileg des Arbeitnehmers wird in dieser weiten Ausprägung auch auf eine verfassungsrechtliche Gebotenheit gestützt. (a) BAG, Beschluss v. 27. 09. 1994 – GS 1/89 (A), BAGE 78, 56; BAG Beschluss v. 12. 06. 1992 – GS 1/89, NZA 1993, 547 Dabei stützt sich der Große Senat des BAG auf die Gewährleistungen der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG.1014 Die Haftungsgrundsätze des BGB mit ihren möglicherweise einschneidenden wirtschaftlichen Folgen berührten die Schutzbereiche der Art. 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG. Anschließend wird herausgestellt, dass die Vertragshaftungsregeln des BGB eine privatautonome Entscheidung in Gestalt des Vertragsschlusses voraussetzen, sodass ein vertraglicher Schadensersatzanspruch nicht Folge eines unmittelbaren staatlichen Eingriffs sei. Dennoch hält das BAG die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers für verfassungsrechtlich geboten. Gestützt wird dieses Ergebnis auf die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, der verpflichtet sei, insbesondere dort, wo ein Ungleichgewicht zwischen den Beteiligten gegeben sei, einen angemessen Ausgleich zwischen den kollidierenden Grundrechtspositionen zu schaffen.1015 In der der Rechtsprechungsänderung vorangehenden Vorlageentscheidung an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes bezieht sich der Große Senat des BAG mit deutlich höherem Begründungsaufwand daneben auf das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, das im Zusammenwirken mit Art. 12 Abs. 1 GG als wesentlicher Ausprägung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit 1012

Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 69; ganz ähnl. Ahrens, DB 1996, 934, 935: es werde von der Rechtsprechung „ein anderes Prinzip zugrundegelegt, als es § 254 BGB ausspricht“. 1013 Aufgrund der begrifflichen Unklarheit des Betriebsrisikos krit. auch Otto/Schwarze/ Krause, § 3 Rn. 5; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 69. 1014 BAGE 78, 56, 65; BAG NZA 1993, 547, 549. 1015 Siehe dazu BVerfG NJW 1994, 36, 38, auf das sich die Urteilsgründe in BAGE 78, 56, 66 beziehen.

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aus Art. 2 Abs. 1 GG staatliche Schutzmaßnahmen zur „Sicherung des allgemeinen Lebensbedarfs und des Existenzminimums als Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein“ verlange.1016 Eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Berufsausübung sei demnach dann anzunehmen, wenn „es im Arbeitsverhältnis durch allgemein betrieblich bedingte Schadensrisiken zu unzumutbaren finanziellen Belastungen oder gar zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Arbeitnehmers“ kommen könne.1017 Dies sei bei einer unbeschränkten Haftung auch in Fällen nur leicht fahrlässiger Schadensverursachung durch den Arbeitnehmer, insbesondere unter Berücksichtigung der hier bereits dargestellten Erwägungen zum Betriebsrisiko und des im Verhältnis zur möglichen Schadenshöhe regelmäßig geringen Arbeitsentgelts, der Fall.1018 Unter Einbeziehung des dem Gesetzgeber dabei zustehenden Gestaltungsspielraums hält der Große Senat des BAG eine uneingeschränkte Schadensersatzhaftung des Arbeitnehmers daher für verfassungswidrig.1019 Im Übrigen lassen die Entscheidungsgründe dahingestellt, wie weit der aus verfassungsrechtlicher Sicht erforderliche Mindestschutz der Grundrechte des Arbeitnehmers gehen müsste, indem angenommen wird, dass jedenfalls die entsprechende Anwendung des § 254 BGB auch im Hinblick auf die entgegenstehenden Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG eine verfassungskonforme Beschränkung der allgemeinen Schadensersatzregeln ermögliche.1020 (b) BGH, Beschluss v. 21. 09. 1993 – GmS – OBG 1/93, NZA 1994, 270 In der im Ergebnis zustimmenden Stellungnahme des VI. Zivilsenats des BGH zu dem Vorlagebeschluss des BAG (NZA 1993, 547) distanziert sich dieser teilweise von den verfassungsrechtlichen Ausführungen des Großen Senats des BAG. Trotz „Bezügen zu“ den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG bedürften diese zur Begründung einer Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer keiner besonderen Hervorhebung, diese gebe vielmehr sogar Anlass zu Missverständnissen.1021 Die Abwägung der Grundrechtspositionen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers könne, indem hier die Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des Arbeitnehmers durch eine unbeschränkte Haftung den Kern der Argumentation bildet, eine über die von der Rechtsprechung vorgenommene Abwägung des Verschuldens des Arbeitnehmers gegen das dem Arbeitgeber zuzurechnende Betriebsrisiko in entsprechender Anwendung des § 254 BGB hinausgehende Haftungsentlastung begründen. Indem das Verschulden des Arbeitnehmers aus diesen verfassungsrechtlichen Betrachtungen weitgehend ausgeblendet ist, könnten darauf, so die Befürchtung, 1016 1017 1018 1019 1020 1021

BAG NZA 1993, 547, 549. BAG NZA 1993, 547, 549. BAG NZA 1993, 547, 549; ähnl. BAGE 78, 56, 66. BAGE 78, 56, 65 f. BAGE 78, 56, 66. BGH NZA 1994, 270, 271.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Haftungserleichterungen bis zur vollständigen Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf dessen Verschulden gestützt werden. Dies bedeutete aber nicht lediglich eine Anpassung der gesetzlichen Haftungsvorschriften der §§ 276, 249 ff. BGB, die von einer grundsätzlich unbeschränkten Haftung für Vorsatz und Fahrlässigkeit ausgehen, sondern deren Aufhebung.1022 (c) Probleme einer verfassungsrechtlichen Begründung der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers Die Tragfähigkeit der vorstehend dargestellten Erwägungen als dogmatischer Grundlage der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs wird zu Recht in Zweifel gezogen. Zutreffend ist, dass die Schutzbereiche der genannten Grundrechte durch die Regelungen des Schadensersatzrechts berührt werden. Die Begründung der angenommenen Verfassungswidrigkeit einer Anwendung der gesetzlichen Haftungsregeln auf Arbeitnehmer weist aber Lücken auf. Die Ausführungen des Großen Senats des BAG beschränken sich auf die Inbezugnahme der Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, der von Verfassungs wegen verpflichtet ist, bei der Gestaltung der Privatrechtsordnung kollidierende Grundrechtspositionen zu berücksichtigen und im Sinne einer bestmöglichen Wirksamkeit für alle Beteiligten zu begrenzen,1023 und blenden dabei bestehende gesetzliche Regelungen, die einen ausreichenden Grundrechtsschutz gewährleisten könnten, weitgehend, in der rechtsprechungsändernden Entscheidung sogar vollständig, aus.1024 (aa) Sicherung des Existenzminimums durch Pfändungsschutzvorschriften In Gestalt der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO hat der Gesetzgeber durchaus Schutzmechanismen geschaffen, die eine als existenzvernichtend zu bezeichnende Haftung zu verhindern in der Lage sind.1025 Auf die Pfändungsfreigrenze wird zwar in der Vorlageentscheidung eingegangen, dies jedoch im Sinne eines Arguments für die Haftungsbeschränkung, da eine unbeschränkte Haftung den Arbeitnehmer sowie seine Familie „auf längere oder gar unabsehbare Zeit [zwinge,] mit dem durch [sie] bestimmten Existenzminimum zu leben“, was letztendlich dazu führen könne, dass dem Arbeitnehmer jeglicher Arbeitsanreiz genommen werde.1026 Unmittelbar zuvor stellen die Entscheidungsgründe fest, dass die aus den Grund1022

BGH NZA 1994, 270, 271. Dazu BVerfG NJW 1994, 36, 38; vertiefend Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 107 ff. 1024 Lediglich in BAG NZA 1993, 547, 549 wird die Pfändungsfreigrenze knapp angesprochen. 1025 Ganz ähnl. Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 129; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 132; Marhold, JZ 1993, 910, 912; Hammen, WM 1993, 1450, 1452; Schnauder, JuS 1995, 594, 597; Annuß, NZA 1998, 1089, 1095: es sei nicht Aufgabe des Arbeits-, sondern des Vollstreckungsrechts, das Existenzminimum zu sichern. 1026 BAG NZA 1993, 547, 549. 1023

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rechten in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip hergeleitete Schutzpflicht eine Gewährleistung des Existenzminimums gebiete. Wenn, was das BAG nicht bestreitet, die Pfändungsfreigrenze gerade dieses Existenzminimum sichert, bedürfte es weiterer, vom BAG nicht vorgebrachter, Argumente, gerade dem auf Schadensersatz haftenden Arbeitnehmer, anders als sonstigen Schuldnern, größere finanzielle Freiräume auf verfassungsrechtlicher Grundlage gewähren zu wollen.1027 (bb) Möglichkeit einer Restschuldbefreiung Auf die nur kurz nach dem das Kriterium der Gefahrgeneigtheit aufgebenden Beschluss des Großen Senats des BAG ausgefertigte und verkündete, wenn auch erst am 01. Januar 1999 in Kraft getretene1028 Insolvenzordnung1029 mit der durch §§ 286 ff. InsO geschaffenen Möglichkeit der Restschuldbefreiung für natürliche Personen, die über die Pfändungsschutzvorschriften hinaus gerade verhindern soll, Schuldner, wie vom BAG befürchtet, auf unabsehbare Zeit auf das durch die Pfändungsfreigrenzen vorgegebene Existenzminimum festzulegen,1030 wird in den Entscheidungsgründen überraschenderweise nicht eingegangen. Ausweislich der Entwurfsbegründung will auch die endgültige Restschuldbefreiung, wie sie die InsO nunmehr vorsieht, der Gefahr begegnen, dem Schuldner jeden Arbeitsanreiz außerhalb von „Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit“ zu nehmen.1031 Zwar nicht im spezifischen Zusammenhang mit der Haftung aus arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen, aber doch im Anschluss an die Feststellung einer Zunahme von Fällen schwerer Verbraucherverschuldung wird auch auf Arbeitnehmer als solche Personen eingegangen, denen die bis dahin gegebenen Konkurs- und Vergleichsverfahren aus verschiedenen Gründen praktisch verschlossen blieben.1032 Aus der Differenzierung von „privaten Verbrauchern“ gegenüber „Arbeitnehmern“ kann jedoch durchaus geschlossen werden, dass der Gesetzgeber auch den Problemen der Arbeitnehmerhaftung durch die Möglichkeit der Restschuldbefreiung begegnen wollte. Dabei wird von einer Überlegenheit des umfassenden Insolvenzverfahrens gegenüber einer Lösung durch Eingriffe in einzelne Schuldverhältnisse „durch eine Vertragshilfe“ sowie richterliche Inhaltskontrolle ausgegangen.1033 Angesichts dieser bereits in der Begründung des Regierungsentwurfs vom 15. 04. 1992 thematisierten Gesichtspunkte, aus denen deutlich wird, dass der Gesetzgeber das Problem einer dauerhaften Verschuldung natürlicher Personen erkannt hatte und bereits dabei war, für einen über die einer im engeren Sinne existenzvernichtenden Haftung entgegenstehenden 1027 Krit. auch Marhold, JZ 1993, 910, 912; ähnl. zur Begründung einer fehlenden Legitimation der Judikative, das Sozialstaatsprinzip in diesem Sinne auszugestalten, Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 129; Schnauder, JuS 1995, 594, 597. 1028 Art. 110 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO). 1029 Insolvenzordnung v. 05. 10. 1994, BGBl. I 1994, S. 2866. 1030 Begr. RegE InsO v. 15. 04. 1992, BT-Drs. 12/2443, S. 81. 1031 Begr. RegE InsO v. 15. 04. 1992, BT-Drs. 12/2443, S. 81. 1032 Begr. RegE InsO v. 15. 04. 1992, BT-Drs. 12/2443, S. 82. 1033 Begr. RegE InsO v. 15. 04. 1992, BT-Drs. 12/2443, S. 82.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Pfändungsschutzvorschriften hinausgehenden Schutz hinsichtlich der Dauer der Festlegung des Schuldners auf dieses Existenzminimum zu sorgen, konnte von einem durch richterliche Rechtsfortbildung erst herzustellenden Mindestschutz im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip sowie die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG der Arbeitnehmer wohl bereits im Entscheidungszeitpunkt kaum ausgegangen werden. Jedenfalls nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung können die Ausführungen zur drohenden dauerhaften Existenzvernichtung unter Wegfall jeglichen Arbeitsanreizes für den gegenüber dem Arbeitgeber haftpflichtigen Arbeitnehmer in dieser Form nicht (mehr) überzeugen.1034 (cc) Zwischenergebnis Der Befund der Verfassungswidrigkeit einer Arbeitnehmerhaftung nach allgemeinen Regeln ist daher bereits aufgrund der Ausblendung der im geltenden Recht vorhandenen gesetzlichen Mechanismen zum Schutz des Schuldners vor einer existenzbedrohenden Haftung in dieser Form nicht haltbar.1035 (d) Folgenbetrachtung: Auswirkungen auf andere Schuldverhältnisse Neben diesen inhaltlichen Unzulänglichkeiten des Befundes der Verfassungswidrigkeit einer Arbeitnehmerhaftung nach den allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts bestehen gegen eine unmittelbar verfassungsrechtliche Begründung des Haftungsprivilegs auch die im Kern bereits vom BGH formulierten Bedenken.1036 Es ließe sich auf eine Abwägung, die den Schwerpunkt auf die Existenzgefährdung des Schuldners, nicht auf die Besonderheiten der arbeitsrechtlichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer,1037 legt, nicht nur eine vom BGH befürchtete Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf dessen Verschulden stützen. Darüber hinausgehend könnte auf dieser Grundlage in jeglicher Haftungssituation, in der dem Schuldner eine für ihn vergleichbar einschneidende Inanspruchnahme droht, während der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs wirtschaftlich in der Lage wäre, den Schaden anderweitig zu kompensieren, vergleichbar argumentiert werden, sodass im Ergebnis die Verschuldenshaftung wie sie das BGB vorsieht in kaum absehbarer Weise unterlaufen und ausgehöhlt würde. Dieser Gesichtspunkt ist kein spezifisch auf das Arbeitsrecht begrenzter, sondern 1034

Siehe auch Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 129; Koller, SAE 1996, 5, 8 (dort Fn. 43); Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 132. 1035 Daneben aus weiteren Gründen krit. gegenüber einer verfassungsrechtlichen Begründung des Haftungsprivilegs Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 135 ff. 1036 BGH NZA 1994, 270, 271. 1037 Krit. in diesem Punkt auch Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 131 f.; Koller, SAE 1996, 5, 8; i.Erg. trotz grds. Anerkennung einer verfassungsrechtlich gebotenen Privilegierung des Arbeitnehmers ggü. anderen Schuldnern auch Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 132.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

kann grundsätzlich in sämtlichen Haftungskonstellationen gegeben sein, sodass es auch außerhalb des Arbeitsrechts zu einer mit den Haftungsregeln des BGB unvereinbaren Haftungsfreistellung sogar bei vorsätzlichem Handeln kommen könnte.1038 Daneben könnten auf Grundlage der verfassungsrechtlichen Ausführungen des BAG sogar die etablierten Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung unterlaufen werden. Die Grundrechtspositionen des Arbeitnehmers verlieren in der Abwägung gegen die des Arbeitgebers nämlich dort an Gewicht, wo die Schadenshöhe keine existenzielle wirtschaftliche Belastung für den Arbeitnehmer bedeutet. Indem die verfassungsrechtliche Argumentation die Dimension des Verschuldens ausblendet, könnte so umgekehrt in Fällen, in denen der Arbeitnehmer wirtschaftlich (gerade noch) in der Lage wäre, den Schaden zu tragen, aber diesen lediglich leicht fahrlässig verursacht hat, eine uneingeschränkte Haftung oder zumindest eine hohe Quote der Schadensbeteiligung begründet werden.1039 Die Gefahr einer Aushöhlung der Haftungsregeln des BGB auf dieser verfassungsrechtlichen Argumentationsgrundlage ist daher, insbesondere aufgrund der bei konsequenter Fortführung sich ergebenden Ausdehnung auf sämtliche Bereiche der Schadensersatzhaftung, nicht von der Hand zu weisen.1040 (e) Zwischenfazit Eine verfassungsrechtliche Begründung der privilegierten Haftung des Arbeitnehmers erweist sich damit im Ergebnis nicht nur als nicht tragfähig, sondern vielmehr droht sie auch das verfassungskonforme Haftungskonzept des BGB insgesamt zu unterlaufen und begegnet daher durchgreifenden Bedenken. cc) Fazit: Fehlende dogmatische Grundlage der privilegierten Haftung des Arbeitnehmers Wie aufgezeigt wurde, weisen die Ansätze zur Begründung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs durchweg mehr oder minder erhebliche Defizite im Hinblick auf ihre argumentative Tragfähigkeit und die Vereinbarkeit mit geltendem Recht auf. Eine überzeugende Verankerung der im Ergebnis etablierten und anerkanntermaßen als angemessen zu betrachtenden Arbeitnehmerhaftung im Gesetz konnte bislang nicht erreicht werden. Auffallend häufig bedienen sich denn auch die Rechtsprechung und die Verfechter der diversen Begründungsansätze zur 1038 Ebenso und darüber hinausgehend Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 129 f., 131 f., der eine Erstreckung auf das Haftungsrecht insgesamt konsequent für verfassungsrechtlich geboten hält; tendenziell auch Hammen, WM 1993, 1450, 1452; ähnl. Marhold, JZ 1993, 910, 912; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 132; Koller, SAE 1996, 5, 8 formuliert Bedenken hinsichtlich der Gewährleistung von Rechtssicherheit sowie Fehlanreizen durch umfassende Haftungsbeschränkungen. 1039 Ebenso Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 130 f. 1040 I.Erg. ebenso Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 131 f.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Untermauerung, mit teils fließenden Übergängen zu einer Begründung, allgemeiner Gerechtigkeitserwägungen.1041 Im Ergebnis erscheint es zutreffend, die auch in der Rechtsprechung nahezu durchweg angesprochenen Gesichtspunkte der Billigkeit und Zumutbarkeit als die die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs allein tragenden Erwägungen anzusehen.1042 Eine darüber hinausgehende tragfähige dogmatische Grundlage der Arbeitnehmerhaftung fehlt. Angesichts der seit der letzten Grundsatzentscheidung zur Arbeitnehmerhaftung erheblich veränderten Bedingungen des Insolvenzrechts sowie der grundsätzlich nicht nur eine verfassungsrechtliche Begründung der Haftungsprivilegierung betreffenden Spannungen zu den Haftungsvorschriften des allgemeinen Zivilrechts drängt sich die den Rahmen der vorliegenden Untersuchung leider sprengende und daher hier nicht zu beantwortende Frage auf, ob die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung (noch) mit geltendem Recht zu vereinbaren sind. 3. Unanwendbarkeit der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf Vorstandsmitglieder Die Unanwendbarkeit der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft entspricht im Ergebnis der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum sowie der Rechtsprechung.1043 Zur Bewertung dieser Grundsätze als „Referenzmodell“ einer Begrenzung der Organhaftung, namentlich des Regresses der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder, lohnt es auch hier, sich zu vergegenwärtigen, welche Gründe gegen eine unmittelbare Anwendung der zur Arbeitnehmerhaftung entwickelten Grundsätze auf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft sprechen. Die Untersuchung beschränkt sich dabei bewusst auf die Frage der Vergleichbarkeit der Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem als solches anerkannten Arbeitsverhältnis und 1041 Siehe bspw. RAG ARS 43, 108, 112 („gerechter- und billigerweise“); BAGE 5, 1, 7 („es wäre eine unbillige Härte“); Canaris, RdA 1966, 41, 45 („Gebot der Gerechtigkeit“). 1042 Ebenso Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 147, Schnauder, JuS 1995, 594, 595; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 269: „freie Rechtsfortbildung durch das Bundesarbeitsgericht“. 1043 BGH WM 1975, 467 (Vorstandsmitglied einer Genossenschaftsbank); OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 1183, 1192 („ARAG/Garmenbeck“); Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 216; Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 627, 638 f.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306; F. Gaul, AG 2015, 109, 113; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 69; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 395 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 37; Linck, in: Schaub, ArbRHdb, § 59 Rn. 41; grds. auch Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 85, der eine Anwendung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung dort befürwortet, wo Organmitglieder Aufgaben wahrnehmen, wie sie gewöhnlich Arbeitnehmer ausführen; ähnl. Henssler, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 619a Rn. 19; zweifelnd oberhalb leichter Fahrlässigkeit Koch, AG 2012, 429, 436; a.A. Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung der Organe juristischer Personen, S. 193, 211; für eine analoge Anwendung Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1396 f.; anscheinend auch Lotze, NZKart 2014, 162, 167 f.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

denen zwischen der Gesellschaft und den Mitgliedern ihres Vorstands, ohne dass eine umfassende Einordnung unter einen Arbeitnehmerbegriff vorgenommen werden soll. Maßgeblich für die Übertragbarkeit der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung können auch für Vorstandsmitglieder keine anderen als die dort zur Begründung vorgebrachten Gesichtspunkte sein. a) Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion durch den Vorstand Gegen die Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze auf die Mitglieder des Vorstands könnte einzuwenden sein, dass diese in Bezug auf ihre Haftung gegenüber der Gesellschaft nicht in derselben Weise privilegiert sein könnten wie Arbeitnehmer, nähmen sie doch gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens der Gesellschaft die Funktion des Arbeitgebers als Vertreter der Gesellschaft und Geschäftsleiter wahr.1044 Dagegen wird vorgebracht, dass sich aus dem Verhältnis zwischen Vorstand und Arbeitnehmern im Unternehmen der Gesellschaft keine Rückschlüsse auf das Verhältnis der Mitglieder des Vorstands zur unternehmenstragenden Gesellschaft ziehen ließen, sodass einer Behandlung der Vorstandsmitglieder als Arbeitnehmer seitens der Gesellschaft die Ausübung der Arbeitgeberfunktion gegenüber deren Beschäftigten nicht zwingend entgegenstehe.1045 Dies trifft im Grundsatz zu. Entscheidend ist schlussendlich nicht die Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion durch den Vorstand, sondern ihre Nichtwahrnehmung durch die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand. b) Fehlende Weisungsbindung Der Betriebsrisikogedanke als tragender Gesichtspunkt der Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung beruht wesentlich darauf, dass der Arbeitnehmer in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist, auf die Art und Weise der Ausübung seiner Tätigkeit keinen Einfluss nehmen kann und bei deren Ausführung den Weisungen des Arbeitgebers unterliegt. Dieser Gedanke lässt sich nicht auf die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft übertragen. Zwar ist auch die Vorstandstätigkeit, wenn auch, wie die gesetzlichen Höchstdauern der Bestellung zeigen, in geringerem Ausmaß als die eines Arbeitnehmers, auf eine gewisse Dauerhaftigkeit angelegt, sodass der Gesichtspunkt menschlicher Unzulänglichkeit, aufgrund deren es über einen gewissen Zeitraum zwangsläufig zu fahrlässig schadensstiftendem Fehlverhalten kommen wird,1046 auch hier zum Tragen kommt.1047 Die Beziehung der 1044 So in der Tendenz Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 216; zur Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion durch den Vorstand ebd., S. 203 f. 1045 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 81; ähnl. Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung der Organe juristischer Personen, S. 191 f. (zur GmbH); Reichold, in: MüHdbArbR, § 51 Rn. 66 (zur GmbH, jedoch unter Betonung der Unterordnung des Geschäftsführers unter die Gesellschafterversammlung). 1046 Siehe dazu oben unter 3. Teil E. III. 2. b).

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Mitglieder des Vorstands zu dem Unternehmen der Gesellschaft und davon ausgehenden Risiken ist jedoch mit der eines Arbeitnehmers zu dem Betrieb des Arbeitgebers nicht vergleichbar. § 76 Abs. 1 AktG berechtigt und verpflichtet den Vorstand zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft, ein Weisungsrecht anderer Organe besteht in Angelegenheiten der Geschäftsführung grundsätzlich nicht;1048 insbesondere können gemäß § 111 Abs. 4 S. 1 AktG Maßnahmen der Geschäftsführung dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden und kann die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG über Fragen der Geschäftsführung nur auf Verlangen des Vorstands entscheiden.1049 Sofern eine den Vorstand bindende Entscheidung der Hauptversammlung vorliegt, scheidet eine Haftung seiner Mitglieder ohnehin aufgrund des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG aus, sodass in diesem Ausnahmefall einer Gebundenheit des Vorstandshandelns ein Rückgriff auf die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung von vornherein nicht in Betracht kommt. Die Ausübung einer auf einen längeren Zeitraum angelegten Tätigkeit in fremdem Interesse kann für sich genommen kein hinreichender Grund für eine Haftungsbegrenzung sein. Eine vergleichbare Schadenswahrscheinlichkeit liegt auch dann vor, wenn ein Werkunternehmer oder Dienstleiter zwar dauerhaft gleichartige Tätigkeiten ausführt, dabei aber für wechselnde Auftraggeber tätig wird. Eine der Arbeitnehmerhaftung vergleichbare Privilegierung sieht das geltende Zivilrecht weder ausdrücklich vor, noch ist hier eine entsprechende Fortbildung durch die Rechtsprechung erfolgt. Zwar besteht für solche Schuldner, anders als für die Vorstandsmitglieder, grundsätzlich die Möglichkeit, eine individualvertragliche Haftungsbeschränkung zu vereinbaren1050 und, im Gegensatz zum Arbeitnehmer, die Haftung für einfache Fahrlässigkeit durch AGB weitgehend auszuschließen, was insbesondere bei Aufträgen von größerem Umfang geschehen wird. Gerade Arbeitnehmern wirtschaftlich vergleichbare Personen wie die Inhaber mittelständischer Handwerksbetriebe, die kleinere Arbeiten ausführen und diese nicht vorab schriftlich vereinbaren oder sonst die Möglichkeit hätten, AGB in den Vertrag einzubeziehen, werden in der Regel aber auch nicht durch einen solchen vertragli-

1047

Koch, AG 2014, 513, 516; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 237, 238; vgl. U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 807. 1048 BGH AG 2008, 541, 542; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 293; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 268; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 22; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 76 Rn. 25; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 8 f.; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 35 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 57 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 76 Rn. 44; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 41 ff. 1049 Fleischer, ZIP 2003, 1; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 22; DaunerLieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 8 f.; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, § 76 Rn. 12; s. auch Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 203 f. 1050 Darauf weisen namentlich Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 777; Brommer, AG 2013, 121, 129; Grunewald, 2013, 813, 815; Koch, AG 2014, 513, 518 hin.

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chen Haftungsausschluss privilegiert und haften damit, vorbehaltlich der Einstandspflicht eines Versicherers, ebenfalls möglicherweise existenzvernichtend. Daher ist es im Ergebnis nicht von entscheidender Bedeutung, dass auch die Mitglieder des Vorstands dauerhaft im Interesse der Gesellschaft tätig werden und sich auch durch ihr Weisungsrecht gegenüber Mitarbeitern auf nachgeordneten Unternehmensebenen tatsächlich nicht vollumfänglich gegen eigene fahrlässige Schädigungen der Gesellschaft absichern können.1051 Tragend für die vom allgemeinen Schadensersatzrecht abweichenden Grundsätze der Arbeiternehmerhaftung ist nicht vorrangig die Schadenswahrscheinlichkeit,1052 sondern vielmehr die Eingliederung in den Betrieb1053 und die Bindung des Arbeitnehmers an die Weisungen des Arbeitgebers1054 als die Gefahr eines Schadenseintritts prägendes Element.1055 Mangels einer vergleichbaren Einbindung der Vorstandsmitglieder im Verhältnis zur Gesellschaft kann allein die Schadenswahrscheinlichkeit ihrer Tätigkeit keine entsprechende Anwendung der für Arbeitnehmer entwickelten Grundsätze rechtfertigen.1056 1051 Darauf aber entscheidend abstellend Koch, AG 2014, 513, 516 f. anhand des Bsp. der Siemens-Korruptionsaffäre; Lotze, NZKart 2014, 162, 168. 1052 Siehe zur Haftungsprivilegierung in einem Geschäftsbesorgungsverhältnis aber Henssler, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 619a Rn. 20; Waltermann, RdA 2005, 98, 101 f. unter Berufung auf den sog. „Pfadfinder-Fall“ des BGH, BGHZ 89, 153. Dort stellt der BGH aber zunächst fest, dass eine unmittelbare Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze mangels eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem auf Freistellung beklagten Pfadfinderverein und dem klagenden über einen längeren Zeitraum für den Beklagten tätigen ehrenamtlichen „Stammesführer“, der es unter Verletzung seiner Aufsichts- und Fürsorgepflicht unterlassen hatte, die Pfadfinder seines „Stammes“ von der Verwendung eines Gabelstaplers abzuhalten, wodurch einer von ihnen verletzt wurde, nicht in Betracht komme. Dennoch handle es sich bei der ehrenamtlichen Tätigkeit des Klägers um eine der Tätigkeit eines Arbeitnehmers vergleichbar schadensträchtige Aufgabe. Trotz, auch der Berufungsentscheidung geschuldeter, umfangreicher Ausführungen zu den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung begründet der BGH sein Ergebnis mit einer Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 27 Abs. 3 BGB auf den „Stammesführer“ und wendet die zur Schadensstiftung in Ausführung eines Auftrags (§ 670 BGB) entwickelten Grundsätze entsprechend an, BGHZ 89, 153, 157. Das Ergebnis wird zudem auf unentgeltliche Tätigkeiten beschränkt, ebd. 158. Ferner bezieht sich die Entscheidung auf die Freistellung von Ansprüchen aufgrund der Schädigung eines Dritten, nicht solche des Vereins gegen den ehrenamtlich Tätigen. 1053 Joussen, RdA 2006, 129, 135 betrachtet bei Fehlen einer Eingliederung in den Betrieb auch eine Weisungsbindung, die des GmbH-Geschäftsführers, allein nicht als hinreichenden Grund einer Zurechnung eines Betriebsrisikos der Gesellschaft im Verhältnis zum Geschäftsführer, der die Organisation maßgeblich präge. 1054 Aus grds. Erwägungen krit. gegenüber dem Merkmal der Weisungsgebundenheit als Kriterium zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und anderen Dienstverpflichteten Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung der Organe juristischer Personen, S. 79 ff. 1055 Siehe Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 619a Rn. 31; ähnl. Gamillscheg/ Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 54. 1056 So Linck, in: Schaub, ArbRHdb, § 59 Rn. 41; F. Gaul, AG 2015, 109, 113; anders unter Berufung auf eine deutlich relativierte Bedeutung des Weisungsrechts für die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers Koch, AG 2014, 513, 517.

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c) Risikobeherrschung durch die Gesellschaft In engem Zusammenhang mit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, das unter dem Stichwort des Betriebsrisikos die begrenzte Haftung des Arbeitnehmers rechtfertigen soll, steht die Frage nach der Beherrschbarkeit der Schadensrisiken, denen der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers ausgesetzt ist. Die Schadenszurechnung aufgrund der von dem Betrieb des Arbeitgebers ausgehenden Haftungsgefahren für den Arbeitnehmer soll nicht zuletzt mit einem Vorsprung des Arbeitgebers hinsichtlich der Beherrschbarkeit und/oder Versicherbarkeit der entsprechenden Risiken zu begründen sein.1057 Obwohl auch der Arbeitgeber bei der Organisation seines Betriebs lediglich Vorkehrungen zur Schadensvermeidung oder -minderung treffen und nicht jegliche Schadensursache vollständig ausschließen kann, wird es im Arbeitsverhältnis vielfach möglich sein, durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen das Schadenspotenzial einer durch einen Arbeitnehmer auszuführenden Tätigkeit deutlich zu verringern oder drohende Schäden, wo sie, wie beispielsweise bei einer betrieblich veranlassten Teilnahme am Straßenverkehr, arbeitgeberseits nicht zu beherrschen sind, doch zu versichern.1058 Ob und welche Maßnahmen zur Schadensverhütung oder -versicherung der Arbeitgeber ergreifen will, liegt bei ihm. Entscheidet er sich aber bewusst dagegen, entsprechende Vorkehrungen zu treffen und kalkuliert damit das Risiko höherer oder nicht versicherter Schäden ein, leuchtet unmittelbar ein, weshalb der Arbeitnehmer mit den Folgen dieser Entscheidung nicht belastet werden soll. Weiterhin werden sich die Schäden, die üblicherweise von Arbeitnehmern fahrlässig verursacht werden, und damit auch die Kosten hiergegen gerichteter Sicherungsmaßnahmen oder der Versicherung solcher Schäden in einem Bereich halten, der es dem Arbeitgeber ermöglicht, diese in seine wirtschaftliche Kalkulation einzubeziehen1059 und damit besser zu kompensieren als der Arbeitnehmer. Anders stellt sich die Situation der Gesellschaft, die nur durch ihre Organe handeln kann, gegenüber den Organmitgliedern dar. Zwar schreibt das Aktiengesetz durch zwingende gesetzliche Regelungen gewisse Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise die Einrichtung eines Überwachungssystems zur frühzeitigen Erkennung den Fortbestand der Gesellschaft gefährdender Entwicklungen nach § 91 Abs. 2 AktG, vor.1060 Ferner regelt es in § 111 AktG die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands durch den Aufsichtsrat. Diese Mechanismen sind auch dazu bestimmt, die Entstehung und Fortentwicklung von Schäden der Gesellschaft durch pflichtwidriges Verhalten von Organmitgliedern zu verhindern und im 1057 Siehe BAGE 78, 56, 65; BAG NZA 1993, 547, 548; Waltermann, RdA 2005, 98, 102; Canaris, RdA 1966, 41, 45; ähnl. Otto/Schwarze/Krause, § 7 Rn. 7; vgl. Joussen, RdA 2006, 129, 132; Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589, 592; Krause, NZA 2003, 577, 579. 1058 Vgl. BAGE 78, 56, 65; BAG NZA 1993, 547, 548. 1059 BAGE 78, 56, 65; BAG NZA 1993, 547, 548; Canaris, RdA 1966, 41, 45. 1060 Zu den Organisations- und Überwachungspflichten der Vorstandsmitglieder s. o. 2. Teil C. IV.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Schadensfall die Geltendmachung von Ersatzansprüchen zu sichern. Indes liegt die Vornahme entsprechender Handlungen in der Zuständigkeit der Organe. Mit anderen Worten bleiben die gesetzlich vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen zugunsten der Gesellschaft ohne Mitwirkung der Organe zunächst schlicht Papiertiger. Ferner liegt auch eine Entscheidung, ob und welche über die gesetzlichen Mindestvorgaben hinausgehenden Sicherungsvorkehrungen zur Schadensvermeidung getroffen oder ob Versicherungen abgeschlossen werden sollen und wie die Unternehmensführung, vorbehaltlich gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorgaben, insgesamt ausgestaltet sein soll, mithin gleichsam die „Organisation des Betriebs“, in dem die Organmitglieder tätig sind, bei Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten.1061 Die „Unternehmerfunktion“1062 der Gesellschaft wird, indem sie nur durch diese handeln kann, durch ihre Organe, vor allem den Vorstand, wahrgenommen, sodass es schwerlich begründbar sein kann, der Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern dieser Organe aus dem von ihr betriebenen Unternehmen erwachsende Schadensrisiken unter dem Gesichtspunkt eines Vorsprungs bei deren Beherrschung zuzurechnen.1063 Hinzu kommt, dass aus Handlungen oder Unterlassungen der Organe einer Aktiengesellschaft auch in einer Art und Weise Schäden der Gesellschaft entstehen können, die kaum vorhergesehen werden konnte, und sich die Schadenssummen nicht nur in Ausnahmefällen im zweistelligen Millionenbereich und darüber bewegen werden. Solche Schäden können, soll es bei einer eigenverantwortlichen Geschäftsleitung und einer unternehmerischen Tätigkeit des Vorstands, die zahlreiche ganz unterschiedliche Maßnahmen beinhalten, bleiben, weder in dem Arbeitsverhältnis vergleichbarer Weise abgesichert noch versichert werden. Eine D&O-Versicherung, die die Gesellschaft zugunsten der Vorstandsmitglieder abschließen kann, muss einen Selbstbehalt in der durch § 93 Abs. 2 S. 3 AktG vorgeschriebenen Höhe vorsehen und wird auch hinsichtlich der Deckungssumme sowie der versicherten Schadensursachen begrenzt sein, sodass die Gesellschaft bei extrem hohen Schäden nicht vergleichbar wie ein Arbeitgeber gegen durch Arbeitnehmer verursachte Schäden abgesichert werden kann. Freilich wird in aller Regel auch hier die Gesellschaft eher als das Vorstandsmitglied, bei dem ein extrem hoher Scha1061 Ganz ähnl. BGHZ 89, 153, 159; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 267 f.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116; zum GmbH-Geschäftsführer Joussen, RdA 2006, 129, 135; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 340 ff.; vgl. Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589, 592. 1062 Goette, FS BGH, 2000, S. 123, 125 f.; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 76 Rn. 4 ff.; zum Inhalt der Leitungsaufgabe des Vorstands auch Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 7; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 76 Rn. 9; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 76 Rn. 10. 1063 Ebenso Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 267 f. zur Begrenzung der Vorstandshaftung in Anlehnung an arbeitsrechtliche Grundsätze; ähnl. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 704 f.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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densersatz kaum vollumfänglich zu erlangen sein wird, in der Lage sein, den Schaden zu tragen. Abgesehen von diesem Billigkeitsgesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist die Lage im Betrieb eines Arbeitgebers mit der bei der Vorstandstätigkeit in der Aktiengesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung nicht vergleichbar. In letzterer sind es maßgeblich Vorstand und Aufsichtsrat, zusammengesetzt aus den potenziellen Schädigern, die im Rahmen gesetzlicher und satzungsmäßiger Vorgaben die Organisation der Gesellschaft bestimmen, sodass sich ein Zurechnungsgrund aus der Gestaltung und Beherrschung des Tätigkeitsumfelds des späteren Schädigers für die Gesellschaft allenfalls unter dem Aspekt der Veranlassung im Sinne der schlichten Setzung der Ursache für das Tätigwerden der Organmitglieder ergeben kann. Dies als Schadenszurechnungsgrund ausreichen zu lassen erscheint aber mit Blick auf das allgemeine Schadensersatzrecht nicht überzeugend.1064 d) Schadensprävention und tatsächliche Schadensfolgen bei Schädigung durch Vorstandsmitglieder Arbeitnehmer und leitende Angestellte haben innerhalb des Unternehmens Vorgesetzte, deren Weisungen sie bei der Ausübung ihrer fremdnützigen Tätigkeit unterliegen. Arbeitnehmer sind dergestalt in den Betrieb des Gesellschaftsunternehmens eingebunden, dass ihnen auch ohne dass einzelne Anweisungen hinzukommen müssen, vorgegeben ist, wie sie wann und wo welche Tätigkeiten auszuführen haben. Interessengeflechte, die aus über eine kollegiale Verbundenheit hinausgehenden Gründen zu verhindern drohen, dass pflichtwidrig handelnde Personen aus diesen Gruppen für der Gesellschaft entstandene Schäden in Anspruch genommen werden, können allenfalls dort existieren, wo ein Vorgesetzter den ihm unterstehenden Bereich des Betriebs kaum überwacht hat und selbst dort gibt es eine Hierarchieebene über ihm, in letzter Instanz den Vorstand, die weniger Skrupel gegenüber einer Anspruchsverfolgung haben wird.1065 Eine erhebliche Schädigung der Gesellschaft droht hier aufgrund des Vorhandenseins übergeordneter Instanzen, die auch zur Vermeidung eigener Haftung grundsätzlich geneigt sein werden, bei Unregelmäßigkeiten einzuschreiten und Schadensersatzansprüche der Gesellschaft geltend zu machen, nur dann, wenn auch diese, insbesondere der schlussendlich 1064

Ähnl. zur entsprechenden Anwendung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf arbeitnehmerähnliche Personen Otto/Schwarze/Krause, § 7 Rn. 7, die eine Haftungsprivilegierung auch dieser Dienstverpflichteten im Grds. befürworten, allerdings eine Ausnahme machen wollen, soweit diesen die Organisation der Tätigkeit überlassen ist, sodass sie die damit verbundenen Schadensgefahren selbst steuern können; in diesen Fällen könnten „die entsprechenden Risiken dem Dienstgeber nicht ohne weiteres angelastet werden“; zum Fehlen einer grds. Haftungsbeschränkung für Tätigkeiten in fremdem Interesse und der Notwendigkeit eines besonderen Zurechnungsgrundes auch Waltermann, RdA 2005, 98, 102; zust. Reichold, in: MüHdbArbR, § 51 Rn. 65. 1065 Vgl. dazu die Ausführungen zu den Organisations- und Überwachungspflichten des Vorstands im 2. Teil C. IV.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

zuständige Vorstand, ihren Organisations- und Überwachungspflichten nicht nachgekommen sind.1066 Vorstand und Aufsichtsrat sind hingegen die Organe der Gesellschaft, durch die diese überhaupt im Rechtsverkehr handlungsfähig wird, sie kann gar nicht anders als durch eben diese Organe, bestehend aus den Organmitgliedern, agieren. Über dem Vorstand und Aufsichtsrat steht keine weitere Instanz innerhalb der Gesellschaft, die deren Handeln unmittelbar kontrollieren oder steuern kann,1067 dem Vorstand weist § 76 Abs. 1 AktG ausdrücklich die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft zu, er unterliegt dabei grundsätzlich keinerlei Weisungen.1068 Diese Machtposition des Vorstands ist mit den Voraussetzungen, unter denen leitende Angestellte oder gar Arbeitnehmer innerhalb des Gesellschaftsunternehmens handeln können, nicht vergleichbar. Trotz der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH bestehen hier außerhalb der Insolvenz der Gesellschaft und vorbehaltlich des Bestehens entsprechender Konflikte zwischen Großaktionären innerhalb der Hauptversammlung1069 weiterhin erhebliche Möglichkeiten, die Gesellschaft zu schädigen, ohne dass es zu einer Verfolgung von Ersatzansprüchen kommt. Auch eine Aktionärsklage oder die Erzwingung der Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft kommt nur dort in Betracht, wo die Hauptversammlung von den zugrunde liegenden Sachverhalten weiß und sich, was derzeit tatsächlich nahezu nicht vorkommt, Aktionäre dazu entschließen, entsprechende Schritte zu unternehmen.1070 Das Schädigungspotenzial der Vorstandsmitglieder unterscheidet sich aber auch außerhalb erheblicher, häufig auch mit den Mitteln der Strafrechts zu sanktionierender Pflichtverletzungen dadurch von dem eines Arbeitnehmers, dass sich auch schlichte Nachlässigkeit bei der Wahrnehmung ihrer Geschäftsführungs- und Überwachungsaufgaben erheblicher auswirkt als dies auf untergeordneten Ebenen des Unternehmens der Gesellschaft der Fall wäre. Die Einrichtung einer effektiven, funktionsfähigen Überwachung nachgeordneter Instanzen und von Sicherheitsvorkehrungen für besonders schadensträchtige Arbeiten ist, zumindest indem Dritte damit beauftragt werden, Sache des Vorstands. Unterlässt er dies, hat die Gesell1066 Dies zeigte sich anschaulich im Fall „Siemens/Neubürger“, s. dazu LG München I, AG 2014, 332; Koch, AG 2014, 513, 516. 1067 Anders Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395, der den Aufsichtsrat in Teilbereichen funktional als „Vorgesetzten“ des Vorstands ansieht. 1068 BGH AG 2008, 541, 542; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, S. 293; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 22; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 76 Rn. 25; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 8 f.; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 35 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 57 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 76 Rn. 44; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 41 ff. 1069 Einer solchen Konstellation entsprang die Feststellungsklage im Fall „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244. 1070 Siehe dazu im 5. Teil B. I.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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schaft, abgesehen von seiner Abberufung oder der Geltendmachung von Schadensersatz, keine Möglichkeit, entsprechende Strukturen zu etablieren. Das Fehlen solcher Einrichtungen, Strukturen und Maßnahmen wiederum begründet ein erhöhtes Schadenspotenzial auf den nachgeordneten Ebenen des Unternehmens, einerseits, indem Schäden unzureichend verhütet werden, andererseits, indem Pflichtverletzungen und Schäden nicht oder verspätet aufgedeckt werden, sodass darauf nicht (rechtzeitig) reagiert werden kann.1071 Zusätzlich fällt die Gesellschaft, wenn die unmittelbaren Schädiger Arbeitnehmer oder leitende Angestellte sind, mit solchen Schäden aufgrund der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung teilweise aus beziehungsweise ist insoweit wegen eines Organisations- oder Überwachungsverschuldens auf die Vorstandsmitglieder verwiesen, die möglicherweise nicht hinreichend leistungsfähig sein werden, sodass nicht der gesamte Schaden ausgeglichen wird. Zusammenfassen lässt sich der Befund dahingehend, dass Schlendrian sich innerhalb der Hierarchie des Unternehmens der Gesellschaft potenziert, sodass ein organisatorisches Versagen auf Vorstandsebene sich besonders gravierend auswirken wird und adäquate Schutzmechanismen ohne entsprechende Haftungsfolgen nicht vorhanden sind. Dementsprechend erscheint eine gegenüber auf nachgeordneten Ebenen des Unternehmens der Gesellschaft tätigen Personen deutlich schärfere Haftung der Vorstandsmitglieder angemessen und eine Übertragung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung ausgeschlossen.1072 e) Verhältnis von Vergütung und möglicher Schadenshöhe Hinsichtlich des Verhältnisses der Vergütung ihrer Tätigkeit zu den bei deren Ausübung zu verursachenden Schäden besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen den Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft und Arbeitnehmern. Zwar beträgt der Verdienst der Vorstandsmitglieder für gewöhnlich ein Vielfaches desjenigen eines durchschnittlichen Arbeitnehmers. Auch die Schadenshöhe, die ein Vorstandsmitglied im Rahmen seiner Geschäftsführung regelmäßig verursachen kann, dürfte aber im Durchschnitt erheblich oberhalb dessen angesiedelt sein, wofür ein unachtsamer Arbeitnehmer haftbar wäre.1073 Die Haftungsrisiken sind sogar als höher einzuschätzen, da eine dem § 619a BGB vergleichbare Vorschrift nicht existiert, die Disposition der Gesellschaft über den Anspruch in vielfältiger Weise eingeschränkt ist und die Tätigkeit der Vorstandsmitglieder durch eine D&O-Versicherung nicht im Hinblick auf sämtliche mögliche Schadensursachen und bei extrem hohen Schadenssummen nicht in voller Höhe1074 versicherbar ist, wobei auch der Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, der immerhin eineinhalb Jahresgehälter 1071

Auch dies illustriert der Fall „Siemens/Neubürger“, s. LG München I, AG 2014, 332. Ebenso mit ähnl. Erwägungen Paefgen, AG 2014, 554, 569. 1073 Ebenso Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1396; Brommer, AG 2013, 121, 129; Koch, AG 2012, 429, 436; ders., AG 2014, 513, 517; Lotze, NZKart 2014, 162, 167; s. auch U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 807. 1074 Grunewald, AG 2013, 813, 815. 1072

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

als Untergrenze vorsieht, zu beachten ist. In dieser Hinsicht ergibt sich für die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft eine ähnliche Belastung wie für Arbeitnehmer, sodass allein die durchschnittlich erheblich höhere Vorstandsvergütung, was im Übrigen im Vergleich zwischen sehr großen und sehr kleinen Aktiengesellschaften auch nicht durchweg zutreffen wird,1075 keine Begründung für die Versagung einer Haftungsprivilegierung darstellt.1076 Auch dieser Gesichtspunkt vermag eine Übertragung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung aber nicht zu rechtfertigen, kann sich eine die finanziellen Möglichkeiten des Schuldners bei Weitem übersteigende Haftpflicht doch auch in anderen Schuldverhältnissen, insbesondere solchen gesetzlichen, in denen zuvor keinerlei Beziehung von Gläubiger und Schuldner bestanden hat, ergeben. Eine Begründung der entsprechenden Anwendung der Haftungsprivilegien für Arbeitnehmer auf dieser Grundlage würde in ähnlicher Weise wie die verfassungsrechtliche Herleitung der Privilegierung die Gefahr einer Aushebelung schadensersatzrechtlicher Grundsätze über das gesamte Schuldrecht hinweg bedeuten1077 und kann daher nicht überzeugen. f) „Augenhöhe“ zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied bei der Aushandlung des Anstellungsvertrags Ein weiterer Unterschied zwischen dem Verhältnis des Vorstandsmitglieds zur Gesellschaft und dem des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber besteht darin, dass im Regelfall die Aushandlung des Anstellungsvertrags zwischen zukünftigen Vorstandsmitgliedern und der Gesellschaft eher „auf Augenhöhe“ stattfinden wird, mithin der in den Vorstand zu Berufende auch auf Vertragsbedingungen über die Höhe der Vergütung hinaus Einfluss nehmen, beispielsweise seine Einbeziehung in eine D&O-Versicherung mit angemessener Deckungssumme verlangen und sich dadurch zu einem gewissen Grad gegen Haftung absichern kann.1078 Ferner können Risikoprämien als Ausgleich für Haftungsgefahren ausgehandelt werden. Bei exorbitant hohen Schäden können diese die Haftungsrisiken aber, wie bereits ausgeführt, nicht in dem Maße kompensieren, dass allein aufgrund der Zahlung einer höheren Vergütung eine Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zur Arbeitnehmerhaftung ausgeschlossen wäre.1079 Dagegen wird ein Arbeitnehmer, sofern er nicht über besondere Qualifikationen verfügt, die ihn am Arbeitsmarkt entsprechend 1075

Siehe Koch, AG 2014, 513, 517. Lotze, NZKart 2014, 162, 167 f.; F. Gaul, AG 2015, 109, 111; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1396; Koch, AG 2012, 429, 436 f.; ders., AG 2014, 513, 517; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 776; Brommer, AG 2013, 121, 129; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 398; vgl. Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 865; a.A. Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306. 1077 Dazu ausführlich unter 3. Teil E. III. 2. e) bb) (3) (d). 1078 Siehe unter 3. Teil C. I. a.E. 1079 Siehe unmittelbar zuvor unter 3. Teil E. III. 3. e). 1076

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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begehrt machen, regelmäßig allenfalls auf die Höhe des Arbeitsentgelts oder seine Arbeitszeiten in Verhandlungen mit seinem künftigen Arbeitgeber Einfluss nehmen können und sich nicht in einer Position befinden, aus der er diesem eine zusätzliche Absicherung gegen Haftung abringen kann.1080 Indes besteht zwar eine erheblich unterschiedliche Verhandlungsstärke eines künftigen Vorstandsmitglieds und eines Arbeitnehmers bei der Aushandlung der Vertragsbedingungen, unter denen diese tätig werden sollen. Dies kann sich jedoch im Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zur aktienrechtlichen Organhaftung nicht proportional zu dessen günstigerer Verhandlungsposition niederschlagen. Während in einem durchschnittlichen Arbeitsverhältnis kaum je Schäden vorkommen werden, die der Arbeitgeber nicht in voller Höhe durch eine Versicherung decken kann, sind Schäden im mehrstelligen Millionenbereich in größeren Aktiengesellschaften keine Seltenheit. Anders als dies zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber theoretisch vereinbart werden könnte, ist es Vorstandsmitglied und Gesellschaft verwehrt, wirksam im Voraus eine Haftungsbeschränkung sowohl im Sinne einer prozentualen Beteiligung an der Schadenshöhe als auch einer absoluten Deckelung zu vereinbaren. Mithin kann ein angehendes Vorstandsmitglied seine Verhandlungsstärke lediglich in Zugeständnisse hinsichtlich einer D&O-Versicherung umsetzen. Insoweit besteht zwar eine Haftung der Gesellschaft für die Nichteinhaltung einer diesbezüglichen Vereinbarung, aber die Gesellschaft wird kaum bereit sein, hier wirtschaftlich untragbare Zusagen zu machen. Weiterhin bestehen durch den Ausschluss bestimmter Haftungsursachen stets gewisse Deckungslücken, die ebenso bei einer eigenfinanzierten (Zusatz-)Versicherung durch das Vorstandsmitglied bestehen würden, sodass ein vollumfänglicher Haftungsschutz nicht erreicht werden kann. Angesichts dessen steht ein künftiges Vorstandsmitglied zwar insoweit besser als der durchschnittliche Arbeitnehmer, als es im Regelfall überhaupt in einer Verhandlungsposition ist, auf Maßnahmen, die es vor Haftung schützen sollen, zu bestehen. Das Aktiengesetz mit seinen zwingenden Regeln zur Organhaftung lässt aber wesentlich geringere Spielräume für Zugeständnisse seitens der Gesellschaft. Durch eine D&O-Versicherung kann zwar ein weitreichender Schutz geschaffen werden, sodass gewisse Abstriche bei einer Anwendung der Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit zu machen wären. Einer Anwendung auf Vorstandsmitglieder mit entsprechenden Anpassungen stünde der Gesichtspunkt der unterschiedlichen Verhandlungsstärke indes insgesamt nicht entgegen.1081

1080

Dazu auch Fleischer ZIP 2014, 1305, 1306; s. ferner Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 280; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 41; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 212. 1081 A.A. Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

g) Verteilung unternehmerischer Chancen und Risiken Für eine Übertragung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung wird auf die Vergleichbarkeit der Verteilung von Chancen und Risiken der unternehmerischen Tätigkeit zwischen Vorstandsmitgliedern und Gesellschaft mit jener zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hingewiesen.1082 Dies erweist sich nur teilweise als zutreffend, es ergeben sich einige erhebliche Unterschiede. Auch in der Aktiengesellschaft kommen die Vorteile einer erfolgreichen Unternehmensführung des Vorstands im Grundsatz, sieht man von erfolgsabhängigen Vergütungsbestandteilen, wie sie im Übrigen auch in Arbeitsverhältnissen vereinbart werden können, ab,1083 allein der Gesellschaft zugute.1084 Zwar trägt diese, nicht anders als im Arbeitsverhältnis der Arbeitgeber, auch die Risiken der Realisierung der Gefahr unternehmerischer Fehlentscheidungen und ungünstiger wirtschaftlicher Entwicklungen. Im Übrigen kann aber auch hier bereits leicht fahrlässiges Handeln der Vorstandsmitglieder zu hohen Schäden führen, zu deren Ersatz sie der Gesellschaft verpflichtet sind. Daraus kann allerdings nicht auf eine dem Arbeitsverhältnis entsprechende Verteilung von Chancen und Risiken geschlossen werden. Während im Arbeitsverhältnis die schadensstiftende Tätigkeit des Arbeitnehmers keinem anderen Zweck als der Wertschöpfung für den Arbeitgeber dienen soll, mit anderen Worten dem Schadensrisiko eine Gewinnchance gegenübersteht, ist die Tätigkeit des Vorstands einer Aktiengesellschaft keine rein unternehmerische, sondern umfasst die Leitung der Geschäfte der Gesellschaft insgesamt.1085 Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder außerhalb des Anwendungsbereichs des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG wird regelmäßig keine dem Schadensrisiko entsprechende Gewinnchance der Gesellschaft gegenüberstehen,1086 sodass unter diesem Gesichtspunkt keine Vergleichbarkeit zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Vorstandstätigkeit für die Aktiengesellschaft besteht.1087 1082

Spindler, AG 2013, 889, 894 f. Siehe Spindler, AG 2013, 889, 895; Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung der Organe juristischer Personen, S. 156 f. (zur GmbH). 1084 Auch bei an den Unternehmenserfolg geknüpften Vergütungsbestandteilen liegt lediglich in einem wirtschaftlichen, nicht in einem unternehmerischen Sinne eine „Erfolgsbeteiligung“ vor. Die Verknüpfung von Vergütung und Gewinn erfolgt als Anreiz, findet ihre Grundlage im Anstellungsvertrag und nicht, wie bei der Gesellschaft als Unternehmensträgerin, in einer finanziellen Investition; eine echte Beteiligung an den Geschäftschancen der Gesellschaft liegt mithin nicht vor; ferner haben die Vorstandsmitglieder auch die Verluste der Gesellschaft nicht zu tragen. Vertiefend Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung der Organe juristischer Personen, S. 156 ff. 1085 Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 204; s. Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 7. 1086 Ähnl. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 704. 1087 Zur (wegen des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung nur begrenzt vergleichbaren) Haftung des GmbH-Geschäftsführers mit ähnl. Tendenz Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 335; anders Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung der Organe juristischer Personen, S. 192 f. (zur GmbH), der 1083

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Im Unterschied zum Arbeitgeber, der die Tätigkeit des Arbeitnehmers zumindest theoretisch selbst ausführen könnte, sodass hier von einer echten Verlagerung von Schadensrisiken gesprochen werden kann, kann die Aktiengesellschaft aber nur durch ihre Organe, Vorstand und gegebenenfalls Aufsichtsrat, handeln, sodass eine solche Risikoverschiebung im engeren Sinne nicht vorliegt. Wenngleich es sich hierbei um einen der Organisationsstruktur der juristischen Person Aktiengesellschaft geschuldeten Gesichtspunkt handelt, kommt ihm im Hinblick auf die angemessene Risiko- und Schadenszuordnung Bedeutung zu. Aus der Tatsache, dass die Gesellschaft als juristische Person nicht anders als durch ihre Organe handeln kann,1088 ergibt sich eine wesentlich stärkere Einbindung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in deren Organisation als dies beim Arbeitnehmer mit seiner Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers der Fall ist.1089 Anders als dort, wo der Arbeitgeber seine Interessen selbst vertreten und dem Arbeitnehmer Weisungen erteilen kann, existiert in der Aktiengesellschaft keine Vorstand und Aufsichtsrat übergeordnete Instanz, die die Gesellschaft ad hoc vor einem schädigenden Verhalten bewahren könnte. Der strenge Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG bildet das notwendige Gegenstück zur durch § 76 Abs. 1 AktG gewährleisteten Befugnis des Vorstands, die Geschäfte der Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten.1090 Vor dem Hintergrund dieser Unterschiede zwischen der Organstellung des Vorstands und der Stellung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis, wo der Arbeitgeber insbesondere über deutlich bessere Möglichkeiten verfügt, sich gegen (erneutes) pflichtwidriges Verhalten seiner Arbeitnehmer zu wehren oder zu schützen, erscheint die Tragung durch pflichtwidriges Verhalten gegenüber der Gesellschaft verursachter Schäden durch die Vorstandsmitglieder trotz fehlender Erfolgsbeteiligung nicht in gleicher Weise unangemessen wie im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. h) Das Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Einer Übertragung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf Mitglieder des Vorstands stünde das aktienrechtliche Verzichts- und Vergleichsverbot nur dann entgegen, wenn man mit der in der Literatur früher vertretenen Auffassung von einem in voller Höhe bestehenden Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, dem anscheinend sämtliche Geschäftsführungstätigkeiten einem von der Gesellschaft zu tragenden „Unternehmensrisiko“ zuordnet und allein auf die Gefahrgeneigtheit [entsprechend damaliger Rspr.] der Tätigkeit des Geschäftsführers abstellt. 1088 Siehe Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 7; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 203; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 76 Rn. 2; vgl. BGHZ 89, 153, 159 („Pfadfinder-Fall“). 1089 Dazu bereits ausführlich unter 3. Teil E. III. 3. c). Vertiefend zum Phänomen des Organhandelns und seinen Eigenarten Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, S. 9 ff. 1090 Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 76 Rn. 31; ähnl. U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 807.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

ein Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers in Höhe des nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs vom Arbeitgeber zu tragenden Schadens gegenübersteht, ausginge. Nach der Rechtsprechung, die bereits im Rahmen der Begründung des Haftungsprivilegs für Arbeitnehmer aus der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht eine unmittelbare Minderung des Anspruchs annahm, und erst recht bei entsprechender Anwendung des § 254 BGB gelangt ein Anspruch des Arbeitgebers in einer über den vom Arbeitnehmer zu tragenden Schaden hinausgehenden Höhe erst gar nicht zur Entstehung. Das Verzichts- und Vergleichsverbot erfasst aber lediglich mindernde Einwirkungen der Gesellschaft auf Ansprüche, die ansonsten in höherem Umfang entstanden wären. Hieran würde es bei entsprechender Anwendung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung aber fehlen, sodass § 93 Abs. 4 S. 3 AktG diese nicht hindert.1091 i) Schutz von Gesellschaftsgläubigern und Aktionären Obwohl § 93 Abs. 4 S. 3 AktG – geht man davon aus, dass Ansprüche in höherem als dem nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zu tragenden Umfang bereits nicht zur Entstehung gelangen – nicht anzuwenden ist, kommt ihm doch insoweit Bedeutung zu, als sich an dieser Vorschrift zeigt, dass sich die Bedeutung der Organhaftung nicht auf das Zweipersonenverhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied beschränkt. Die Gesellschaft kann über entsprechende Ersatzansprüche nicht frei verfügen und auch soweit ihre Verfügungsbefugnis reicht nicht zulasten der Gesellschaftsgläubiger von ihr Gebrauch machen und ihnen gegenüber nicht einmal durch einen Hauptversammlungsbeschluss unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG die Entstehung des Ersatzanspruchs ausschließen.1092 Demgegenüber sind Ersatzansprüche des Arbeitgebers gegen Arbeitnehmer im Grundsatz frei verfügbar, die Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes dient hier allein seinem Interesse.1093 Anders als in der Aktiengesellschaft sind durch eine Herabsetzung des zu leistenden Schadensersatzes im Arbeitsverhältnis keine schutzwürdigen Drittinteressen betroffen, während die Organhaftung auch im Interesse der Gläubiger und Aktionäre der Gesellschaft besteht, das durch eine Begrenzung des von den Vorstandsmitgliedern zu ersetzenden Schadens nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung beeinträchtigt würde.1094

1091

Im Ganzen ebenso U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 802 f. § 93 Abs. 5 S. 3 AktG. 1093 Darauf weist auch Paefgen, AG 2014, 554, 569 hin. 1094 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 84; U. H. Schneider, FS Werner, 1984, S. 795, 807 f.; Paefgen, AG 2014, 554, 569; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 397. 1092

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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j) Fehlen einer Regelungslücke Neben den ausgeführten, in der rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung der Vorstandsmitglieder im Verhältnis zur Gesellschaft wurzelnden Argumenten spricht auch das Fehlen einer gesetzlichen Regelungslücke hinsichtlich der Organhaftung als methodischer Gesichtspunkt gegen die Anwendbarkeit der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft. Es ist anerkannt, dass die Arbeitnehmerhaftung im Schuldrecht des BGB keine ausreichende Regelung erfahren hat,1095 sodass die Voraussetzungen für die Herausbildung der richterrechtlichen Grundsätze hier gegeben sind.1096 Dagegen hat die Haftung der Vorstandsmitglieder in der Aktiengesellschaft in § 93 AktG eine umfassende, detaillierte Regelung erfahren, die daneben Gegenstand wiederholter Reformen, namentlich in Gestalt der Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG durch das UMAG,1097 war, sodass von einer gesetzgeberischen Vernachlässigung des Gebiets, aus der sich auch nur eine durch Zeitablauf und gewandelte Verhältnisse entstandene Lückenhaftigkeit des gesetzlichen Haftungskonzepts ergeben könnte, nicht die Rede sein

1095 Waltermann, RdA 2005, 98, 102; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306. Eine gesetzgeberische Intention, das Arbeitsrecht einheitlich zu kodifizieren, hatte bereits bei Entstehung des BGB bestanden, vgl. die vom Reichstag am 11. 12. 1896 (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, IX. Legislatur-Periode, IV: Session, 1895/97, 144. Sitzung, S. 3821 ff., 3846) beschlossene Resolution, ebd. Anlage Nr. 440 d, S. 2119 (unter III. 2.), die den Vorschlag enthielt, zu beschließen, „es werde die Erwartung ausgesprochen, daß […] die Verträge, durch welche Jemand sich verpflichtet, einen Theil seiner geistigen oder körperlichen Arbeitskraft für […] ein wirthschaftliches oder ein gewerbliches Unternehmen eines Anderen gegen einen vereinbarten Lohn zu verwenden […] für das Deutsche Reich baldthunlichst einheitlich geregelt werden“. Eine Regelung im BGB war aus zeitlichen Gründen unterblieben, dazu die Diskussionsbeiträge des Abgeordneten Stadthagen, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, IX. Legislatur-Periode, IV: Session, 1895/97, 144. Sitzung, S. 3821, 3837 sowie Zweite Beratung im Plenum des Reichstags, Mugdan II, S. 1327 ff. Weiterhin gab es in der 6. Wahlperiode des Bundestags Bemühungen um eine Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts. Der daraus entstandene Entwurf eines Arbeitsgesetzbuchs enthielt in §§ 25 – 26i Regelungen zur Arbeitnehmerhaftung, die eine Haftungsprivilegierung ähnlich der Rechtsprechungsgrundsätze enthielten, vgl. zu den unterschiedlichen Entwurfsfassungen den Entwurf eines Arbeitsgesetzbuches, §§ 25 ff. Auch der Einigungsvertrag enthält in Art. 30 Abs. 1 Nr. 1 den Auftrag an den Gesetzgeber, das Arbeitsvertragsrecht baldmöglichst einheitlich neu zu kodifizieren; angesichts der in §§ 260 – 266 des Arbeitsgesetzbuchs der DDR in der Fassung vom 22. 06. 1990, abgedruckt in Ramm, Entwürfe zu einem Deutschen Arbeitsvertragsgesetz, S. 481 ff., enthaltenen Regelungen zur materiell-rechtlichen Haftung des Arbeitnehmers, die den Grundsätzen der Rechtsprechung ähneln, wird davon ausgegangen, dass eine solche Kodifikation sich auch auf die Arbeitnehmerhaftung beziehen sollte. Die Auffassung Kochs, AG 2014, 513, 521, der sich allein auf die Gesetzesmaterialen zum BGB bezieht, die Lückenhaftigkeit der Arbeitnehmerhaftung entspreche nur der Meinung einzelnen Abgeordneter, ist angesichts dessen schwerlich haltbar. 1096 Siehe zur Notwendigkeit einer Regelungslücke als Voraussetzung der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer Reichold, in: MüHdbArbR, § 51 Rn. 65. 1097 Darauf weist auch Koch, AG 2012, 429, 435 hin.

328

3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

kann.1098 Ob die aktienrechtliche Vorstandshaftung in allen Fällen zu gerechten Ergebnissen gelangt, hat auf einem anderen Blatt zu stehen. Die gesetzliche Haftungsregelung in Gänze richterlicher Rechtsfortbildung zu öffnen, erschiene jedenfalls teleologisch unbegründet und methodisch unzulässig. Dieser Gesichtspunkt könnte auch einer lediglich partiellen Übertragung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf Mitglieder des Vorstands, wie sie für solche Tätigkeiten vorgeschlagen wird, die nicht deren Geschäftsleitungsaufgabe zuzuordnen sind, sondern normalerweise ebenso von Arbeitnehmern wahrgenommen werden, entgegenstehen.1099 Allerdings bezieht sich die Regelung der einzuhaltenden Sorgfalt in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG für Vorstandsmitglieder lediglich auf die Geschäftsführung, sodass außerhalb der organschaftlichen Leitungsaufgaben eine Regelungslücke in Betracht kommen könnte.1100 Als Beispiel für ein möglicherweise zu privilegierendes Verhalten der Geschäftsleiter ist das dienstliche Führen eines Pkw, bei dem ein Unfall verursacht wird, gängig.1101 In einem solchen und vergleichbaren Fällen wird es aber kaum je zu für das Vorstandsmitglied existenzbedrohenden, nicht versicherbaren Schäden der Gesellschaft oder Dritter kommen. Das Unterlassen des Abschlusses einer Versicherung, sei es aus Nachlässigkeit, sei es aus wirtschaftlichen Erwägungen, wäre wiederum der Leitungsaufgabe des Vorstands zuzuordnen, sodass diesbezüglich keine Haftungsprivilegierung in Rede stünde.1102 Sowohl praktisch als auch in Bezug auf die vorliegende Untersuchung ist die Bedeutung einer solchen partiellen Gleichstellung der Vorstandsmitglieder mit Arbeitnehmern daher als gering zu beurteilen, sodass die Fragestellung hier nicht weiter vertieft werden soll.

1098 Ebenso Koch, AG 2012, 429, 435; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 268 f., 275 f.; Henssler, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 619a Rn. 19; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 335 (zur GmbH); Joussen, RdA 2006, 129, 135 (zur GmbH); anders nunmehr zur Arbeitnehmerhaftung sowie zur Lückenhaftigkeit des Rechts der Vorstandshaftung, die sich aus gewandelten tatsächlichen Verhältnissen ergeben soll, Koch, AG 2014, 513, 521. 1099 So Joussen, RdA 2006, 129, 136 (zur GmbH). 1100 So Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 338 ff. (zur GmbH), 347; Reichold, in: MüHdbArbR, § 51 Rn. 66 (zur GmbH); für die GmbH darüber hinausgehend Krause, Mitarbeit in Unternehmen, S. 568 ff., der eine Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze in allen Bereichen der Geschäftsführung sogar dann zulassen will, wenn der Geschäftsführer seine Stellung lediglich formal innehat, eine Anwendung der entsprechenden Haftungsprivilegierung für Vorstandsmitglieder aber nur für Tätigkeiten außerhalb der Leitungsaufgabe für möglich hält, ebd., S. 571 f.; vgl. auch BGH WM 1975, 467, 469 (Genossenschaft): eine Anwendung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung scheide bei Inanspruchnahme des Vertretungsorgans „wegen Verletzung seiner normalen Vorstandspflichten“ aus. 1101 Zu finden u. a. bei Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 338, 347; Reichold, in: MüHdbArbR, § 51 Rn. 66. 1102 In ähnl. Zshg. ebenso für den GmbH-Geschäftsführer Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 346.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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k) Ergebnis: Unanwendbarkeit der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs Bereits das festgestellte Fehlen einer Regelungslücke schließt die Anwendung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft aus. Wie die vergleichende Untersuchung der rechtlichen und tatsächlichen Umstände, unter denen Arbeitnehmer und Vorstandsmitglieder ihre Tätigkeiten ausüben und sich dabei schadensersatzpflichtig machen können, gezeigt hat, bestehen daneben trotz der festgestellten Gemeinsamkeiten erhebliche Unterschiede, insbesondere unter dem Gesichtspunkt eines der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern zurechenbaren Betriebsrisikos, die einer Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Haftungsprivilegien für Arbeitnehmer auf Vorstandsmitglieder ebenfalls entgegenstehen. 4. Rechtliche Ausgestaltung einer denkbaren Begrenzung der Vorstandshaftung auf Grundlage der Fürsorgepflicht der Gesellschaft Bevor die Vereinbarkeit einer Begrenzung des Schadensersatzes der Gesellschaft aufgrund ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Vorstandsmitgliedern mit geltendem Recht untersucht werden kann, muss zunächst der rechtliche Ansatzpunkt einer solchen Beschränkung geklärt werden. Bei den Vertretern einer Regressbegrenzung qua Fürsorgepflicht herrscht lediglich insoweit Einigkeit, als im Ergebnis das pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglied, das einen hohen Schaden der Gesellschaft verursacht hat, der seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigt und in dem sich der „Unternehmenskontext“ schadenserhöhend realisiert hat, nicht den vollen Schaden zu ersetzen hat. Auf welchem Wege diese Wirkung erzielt werden soll, wird, wenn überhaupt,1103 kaum so präzise beschrieben, dass eine zweifelsfreie Einordnung in den bekannten Anspruchsaufbau möglich wird.1104 Zu klären ist insbesondere, ob der Ersatzanspruch der Gesellschaft als solcher bestehen bleibt und die Beschränkung durch die Fürsorgepflicht lediglich die Möglichkeit, diesen gegen das Vorstandsmitglied geltend zu machen, betrifft oder ob der Anspruch als solcher bereits begrenzt ist. Was auf den ersten Blick wie begriffliche Erbsenzählerei anmutet, ist angesichts des § 93 Abs. 4 S. 3 und Abs. 5 AktG sowie für die Frage nach den Auswirkungen einer nachträglichen Veränderung

1103

Nicht auf diesen Punkt eingehend Thole, ZHR 176 (2009), 504, 533 f. Lediglich eine Wirkungsweise beschreiben Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97; Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 338 f., 344, 350; ders., AG 2012, 429, 436; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 11; ders., AG 2014, 513; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 84 Rn. 9; präziser Casper, ZHR 176 (2012), 617, 639; Brommer, AG 2013, 121, 127. 1104

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

der Vermögenslage des Schadensersatzschuldners für die Beurteilung der Vereinbarkeit mit geltendem Recht von entscheidender Bedeutung. a) Beschränkung der Geltendmachung eines unverändert fortbestehenden Ersatzanspruchs Bayer, Hüffer und offenbar auch Koch in seinen früheren Beiträgen nehmen an, dass Regressansprüche der Gesellschaft aufgrund ihrer Fürsorgepflicht lediglich in einem angemessenen Rahmen, der sich nach den Umständen des Einzelfalls richte, geltend gemacht werden dürfen.1105 Zwar schreibt Koch zunächst von einer „Reduzierung der Regresssumme“,1106 was im Sinne einer Herabsetzung des Schadensersatzanspruchs selbst zu verstehen sein könnte, die Bezugnahme auf Bayer sowie die Fragestellung, ob die Fürsorgepflicht der Gesellschaft eine „entsprechende Rücksichtnahme“ vorschreiben könne,1107 und die Feststellung, dass aufgrund der Fürsorgepflicht der Regress „nicht uneingeschränkt zuzulassen“ sei1108 oder dass die Fürsorgepflicht wie die Treupflicht von Gesellschaftern untereinander zu einer Verwehrung der Ausübung gesetzlich gegebener Rechtspositionen führe,1109 zeigen aber, dass Koch von einer Beschränkung auf der Ebene der Geltendmachung ausgeht, der Anspruch selbst der Höhe nach also unberührt bleiben soll. Im Ergebnis heißt es dann deutlich, dass die Gesellschaft aufgrund einer Fürsorgepflicht „dazu verpflichtet sein [kann], einen etwaigen Regressanspruch gegen ihre Organe nur in beschränktem Umfang durchzusetzen“.1110 Hüffer folgert aus der Fürsorgepflicht der Gesellschaft ein „Gebot, die Rechtsverfolgung angemessen zu beschränken“,1111 bezieht sich also ebenfalls erst auf die Stufe der Geltendmachung. b) Einrede Casper und Habersack gehen davon aus, dass eine Regressbegrenzung nicht automatisch eintritt, sich das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied vielmehr darauf berufen müsse, dass es durch einen Ersatz des vollen Schadens der Gesellschaft wirtschaftlich überfordert würde. Für eine automatische Kürzung, wie bei der Arbeitnehmerhaftung, sei kein Raum.1112 Rechtstechnisch handelte es sich damit um 1105 Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97; Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 338 f., 344, 350; ders., AG 2012, 429, 436; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 11; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 84 Rn. 9; anscheinend auch Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600. 1106 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 338. 1107 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 338. 1108 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 344. 1109 Koch, AG 2012, 429, 436. 1110 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 350. 1111 Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 84 Rn. 9. 1112 Casper, ZHR 176 (2012), 617, 639.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

331

eine Einrede des schadensersatzpflichtigen Organmitglieds, die dieses dem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft entgegenhalten kann.1113 c) Begrenzung des Schadensersatzanspruchs Von einer unmittelbaren Begrenzung des Schadensersatzanspruchs mit Wirkung auch in den Fällen des § 147 Abs. 1 AktG, der Aktionärsklage nach § 148 AktG und bei Geltendmachung des Ersatzanspruchs durch die Gläubiger der Gesellschaft nach § 93 Abs. 5 AktG gehen schließlich Brommer und neuerdings, ohne allerdings ausdrücklich von den früheren Formulierungen abzurücken, Koch aus.1114 Die Arbeitnehmerhaftung als modellhaftes Vorbild einer aktienrechtlichen Regressbegrenzung trägt zur Erhellung der Dogmatik indes nichts bei, da auch dort umstritten ist, wie die Heranziehung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers als Begründung einer Schadensteilung rechtstechnisch umzusetzen ist.1115 Dasselbe gilt für § 242 BGB als Grundlage der Fürsorgepflicht der Gesellschaft, für den lediglich die prozessuale Einordnung als Einwendung anerkannt ist,1116 dessen materiell-rechtliche Wirkung im Sinne entweder eines Anspruchsausschlusses oder einer Ausübungshemmung aber umstritten ist.1117 5. Fehlende Tragfähigkeit der Fürsorgepflicht der Gesellschaft als dogmatische Grundlage einer Begrenzung der geltend zu machenden Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder a) Fehlende inhaltliche Bestimmtheit der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern Dogmatisch knüpft der von Bayer für das Kartellbußgeldrecht begründete und von Koch fortentwickelte Ansatz die Regressbegrenzung der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern in Anlehnung an die Arbeitnehmerhaftung an die Fürsorgepflicht der Gesellschaft.1118 1113 Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803 (ablehnend gegenüber dem Konzept der Regressbegrenzung). 1114 Brommer, AG 2013, 121, 127; Koch, AG 2014, 513, 520: „Während nach der hier vertretenen Lösung ein Anspruch gegen den Vorstand von vornherein nur in einer maßvollen Höhe entsteht […]“. 1115 Vgl. zum dortigen Meinungsstand 3. Teil E. III. 2. e) bb) (1) bei Fn. 973 f. 1116 St. Rspr., RGZ 152, 403, 404; BGHZ 3, 94, 103, 104; BGH NJW 2011, 3149; Olzen/ Looschelders, in: Staudinger (2015), § 242 Rn. 320; Roth/Schubert, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 82 sowie die dortigen Nachweise. 1117 Siehe Olzen/Looschelders, in: Staudinger (2015), § 242 Rn. 225, 316; Roth/Schubert, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 218, 346. 1118 Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 338 f.; ders., AG 2012, 429, 432; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 11, § 93 Rn. 51; ders., AG 2014, 513, 514; Hüffer, 10. Aufl.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

aa) Aufgabe der Fürsorgepflicht als dogmatische Grundlage der Arbeitnehmerhaftung Bereits als Grundlage einer Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung wurde indes die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers als inhaltlich zu unbestimmt und aufgrund der damit einhergehenden gewissen Beliebigkeit der Pflichteninhalte untauglich zur Begründung der arbeitsrechtlichen Schadensteilung kritisiert.1119 Inzwischen berufen sich auch BGH und BAG zur dogmatischen Begründung der Haftungsgrundsätze bei betrieblich veranlasster Tätigkeit nicht mehr auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.1120 bb) Anwendungsfälle der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern Diese Bedenken sind auch bezüglich der Fürsorgepflicht der Gesellschaft als Grundlage einer Begrenzung der Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern auf Schadensersatz nicht von der Hand zu weisen und werden auch für diesen Fall im Schrifttum formuliert.1121 Zwar existieren bereits zahlreiche Anwendungsfälle einer Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern. Beispielsweise soll sich aus dieser, falls ein solcher nicht im Anstellungsvertrag vereinbart wurde, ein Urlaubsanspruch der Vorstandsmitglieder ergeben.1122 Weiterhin kann die Fürsorgepflicht der Gesellschaft in der Frage eine Rolle spielen, ob einem Vorstandsmitglied nach Treu und Glauben trotz Nichtvorliegen der vertraglich vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen oder gänzlichem Fehlen einer solchen Vereinbarung ausnahmsweise Versorgungsansprüche gegen die Gesellschaft zustehen.1123 Auch eine Pflicht der Gesellschaft zur Erteilung eines Zeugnisses wird, zumindest für den Geschäftsführer einer GmbH, aus der Fürsorgepflicht abgeleitet.1124 2012, § 84 Rn. 9, § 93 Rn. 15; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 f.; grundlegend Bayer, FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97. 1119 Siehe oben 3. Teil E. III. 2. e) bb) (1) (a). 1120 Siehe oben 3. Teil E. III. 2. e) bb). Darauf weisen auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 270 hin. 1121 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 270 ff.; s. auch Koch, AG 2012, 429, 435: „amorphes dogmatisches Gebilde mit äußerst verschwommenen Konturen“; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 f.: „Die Einzelheiten bleiben bisher noch im Nebulösen.“. 1122 Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 84 Rn. 49; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 61, 96; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 21 Rn. 13; BGH WM 1975, 761 (zur GmbH). 1123 BGHZ 15, 71, 77; 50, 378; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 21 Rn. 13; BGHZ 12, 337 (zur GmbH); Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 84 Rn. 46; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 280, 358; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 41; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 212 f. 1124 BGHZ 49, 30 (zur GmbH); krit. ggü. einer Übertragung auf Vorstandsmitglieder, insbesondere hinsichtlich des Anspruchs auf ein qualifiziertes Zeugnis, da diese nicht in Ar-

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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cc) Keine einheitliche Dogmatik der Treu- und Fürsorgepflichten in der Aktiengesellschaft Von einem „breitflächigen“ Einsatz zur „abschwächenden Korrektur gesetzlich angeordneter Rechtsfolgen“1125 kann indes für die Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern nicht die Rede sein. Vielmehr zeigt auch die vergleichsweise Kürze und Fallbezogenheit der einschlägigen Kommentierungen, dass der Umfang einer Fürsorgepflicht in dieser Beziehung außerhalb der bereits durch die Rechtsprechung entschiedenen Konstellationen mindestens ebenso unklar ist wie im Verhältnis des Arbeitgebers zum Arbeitnehmer.1126 Auch der von Koch herangezogene Vergleich mit der Treupflicht der Aktionäre untereinander vermag diesen Mangel nicht zu beseitigen. Zum einen ist eine Treupflicht der Gesellschafter untereinander in der Aktiengesellschaft aufgrund deren gesetzlichen Zuschnitts als Publikumsgesellschaft, anders als in den personalistischen Gesellschaften, von geringer Bedeutung.1127 Zum anderen besteht zwischen den Gesellschaftern einer Aktiengesellschaft keine über ihre gemeinsame Aktionärseigenschaft hinausreichende rechtliche Verbindung. Das Gesetz enthält keine Regelung ihrer Rechtsbeziehungen. Die von der Rechtsprechung aus der Treupflicht gefolgerten Einzelpflichten der Aktionäre beziehen sich auf die Art und Weise der Ausübung ihrer Gesellschafterrechte und betreffen den Schutz der Aktionärsminderheit vor Entscheidungen der Mehrheit sowie den umgekehrten Fall der Ausübung von Minderheitenrechten mit Rücksicht auf die Belange der Mehrheit.1128 Abgesehen von der Ableitung der jeweiligen Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis auf Grundlage des § 242 BGB sind die Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern und die Treupflichten der Gesellschafter untereinander nicht dergestalt vergleichbar, dass letztere eine Konturierung ersterer bewirken könnten.1129

beitnehmern und auch GmbH-Geschäftsführern vergleichbarer Weise für ihr berufliches Fortkommen auf ein solches angewiesen seien, OLG Jena, OLG-NL 2004, 157, 158 ff.; im aktienrechtlichen Schrifttum wird anscheinend allgemein ein Zeugnisanspruch des Vorstandsmitglieds unmittelbar aus § 630 BGB angenommen, s. Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 102 m.w.N.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 88; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 21 Rn. 65; zweifelnd, i.Erg. aber ebenfalls bejahend, Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 25. 1125 Koch, AG 2014, 513, 521. 1126 In diesem Sinne auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 271 f.; F. Gaul, AG 2015, 109, 113. 1127 So auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 271. 1128 Siehe zum Ganzen Drygala/Staake/Szalai, § 23 Rn. 16 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 3; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 53a Rn. 14; vgl. BGHZ 103, 184, 195 („Linotype“); 129, 136, 142 ff. („Girmes“). 1129 Wie hier Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 275; vgl. auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 638; dagegen beruft sich Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 344 f.; ders., AG 2014, 513, 521 im Wesentlichen auf diese Treupflichten.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Es bleibt mithin auch für das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Vorstandsmitgliedern dabei, dass es sich bei der Fürsorgepflicht um ein „amorphes dogmatisches Gebilde mit äußerst verschwommenen Konturen“1130 handelt.1131 b) Bedenken gegenüber der Fürsorgepflicht als Schadenszurechnungsgrund Die von Canaris formulierten Zweifel an der Tauglichkeit der Fürsorgepflicht als Schadenszurechnungsgrund1132 betreffen auch die Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern. Zwar wurde bereits zur Arbeitnehmerhaftung festgestellt, dass die Einwände Canaris‘ keinesfalls zwingend sind. Auch zur Begrenzung des geltend zu machenden Schadensersatzes der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern würde indes die Fürsorgepflicht, obwohl das geltende Recht hierfür andere Mechanismen zur Verfügung stellt, als Schadenszurechnungsgrund herangezogen, sodass sich ähnliche und in noch höherem Maße als dies bei der Arbeitnehmerhaftung der Fall ist begründungsbedürftige Abweichungen gegenüber anderen Tätigkeiten in fremdem Interesse ergäben.1133 c) Keine Begrenzung bei Treupflichtverletzungen Soweit, was eher selten vorkommen wird, lediglich einfach fahrlässige Treupflichtverletzungen schadensbegründend waren, kann eine Haftungsbeschränkung aufgrund des „Synallagmas“ der Treupflicht der Vorstandsmitglieder und der Fürsorgepflicht der Gesellschaft, das in dem Satz, die Treupflicht sei „keine Einbahnstraße“,1134 der für die Vorstandspflichten häufig gebraucht wird, zum Ausdruck kommt, auf Grundlage einer Fürsorgepflicht der Gesellschaft, ebenso wie bei der Arbeitnehmerhaftung,1135 nicht in Betracht kommen.

1130

Koch, AG 2012, 429, 435. Ebenso Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 271; inhaltlich auch F. Gaul, AG 2015, 109, 113. 1132 Canaris, RdA 1966, 41, 45. Dazu bereits oben unter 3. Teil E. III. 2. e) bb) (1) (b). 1133 Vgl. zum Ganzen oben unter 3. Teil E. III. 2. e) bb) (1) (b). 1134 Siehe Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 11; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 776; bedeutungsgleich BGHZ 15, 71, 77; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 280; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 41; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 31; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 197, 199, 212 f.; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 21 Rn. 13; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 61, 96; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 84 Rn. 46, 49; vgl. BGHZ 12, 337, 345 (zur GmbH); BGHZ 49, 30, 32 (dto.). 1135 Siehe oben 3. Teil E. III. 2. e) bb) (1) (c). 1131

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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d) Keine Erweiterung des rechtlichen Könnens des Verpflichteten durch Treu- und Fürsorgepflichten Ein weiterer entscheidender Gesichtspunkt, der gegen die Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern als dogmatische Grundlage einer Beschränkung der Vorstandshaftung spricht, ist, dass dadurch dem sowohl diese Beziehung als auch die Treubindung der Aktionäre untereinander prägenden Treuegedanken eine bisher unbekannte Funktion der Erweiterung der rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Verpflichteten zukäme. Kennzeichnend für alle bisher anerkannten Anwendungsfälle der Treu- und Fürsorgepflicht in der Aktiengesellschaft und darüber hinaus ist es, dass der Verpflichtete den Rechtszustand, den die Treupflicht fordert, zwar ohne eine entsprechende Verpflichtung nicht herbeiführen müsste, dies aber rechtlich und tatsächlich könnte, sodass der Treupflicht eine beschränkende Funktion zukommt.1136 Dagegen kann eine Aktiengesellschaft nach geltendem Recht vor Entstehung eines Schadensersatzanspruchs nicht wirksam anspruchsmindernd über diesen verfügen oder sich zu einer solchen Verfügung verpflichten; nach Anspruchsentstehung gilt die dreijährige Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, deren Abschaffung zwar de lege ferenda zu befürworten ist, die aber derzeit geltendes Recht ist.1137 aa) Unzulässigkeit des durch die Fürsorgepflicht gebotenen Verhaltens nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Ausgehend von dem Ansatz, der den Anspruch fortbestehen lässt und lediglich dessen vollumfängliche Durchsetzung als treuwidrig kennzeichnet,1138 würde aber eine Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied diese zur Geltendmachung lediglich eines Teils eines bestehenden Schadensersatzanspruchs aus § 93 AktG verpflichten. Eine nur teilweise Anspruchsverfolgung impliziert zwingend die Nichtgeltendmachung des Anspruchs in einer über den durch die Fürsorgepflicht gebotenen Betrag hinausgehenden Höhe. Soll auf dieser Grundlage unter sinnvollen Bedingungen und ausreichender Rechtssicherheit die Haftung der Vorstandsmitglieder begrenzt werden, muss das durch die Fürsorgepflicht gebotene Absehen von einer weitergehenden Geltendmachung des Ersatzanspruchs der Gesellschaft dauerhaft sein, andernfalls könnten weder Rechtssicherheit noch eine echte Haftungsentlastung gewährleistet werden. Im Ergebnis konnte oben zwar festgestellt werden, dass das Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einer bloßen Nichtgeltendmachung von Organhaftungsansprüchen, und damit erst recht einer lediglich teilweisen An1136

Vgl. Drygala/Staake/Szalai, § 23 Rn. 19; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 53a Rn. 54; Laubert, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 53a Rn. 17; Bungeroth, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, Vorbemerkung zu §§ 53a ff. Rn. 25. 1137 Zur Reform s. u. 4. Teil A. I. 1138 Siehe oben unter 3. Teil E. III. 4. a).

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

spruchsverfolgung, grundsätzlich nicht entgegensteht. Abweichendes ergibt sich aus dem Sinn und Zweck dieses Verbots dann, wenn das Absehen von einer Geltendmachung der Gesellschaft zustehender Ersatzansprüche Verzichtswirkung hat, was insbesondere dann der Fall ist, wenn dauerhaft von einer Inanspruchnahme des Schadensersatzpflichtigen Abstand genommen werden soll. Eine entsprechende Entscheidung des Aufsichtsrats muss daher mit der Möglichkeit ihrer Aufhebung und Abänderung, nicht nur, aber insbesondere bei Hinzutreten neuer Erkenntnisse, verbunden sein, um diesen Anforderungen zu genügen.1139 Mit anderen Worten ist es dem Aufsichtsrat nicht möglich, innerhalb der Dreijahresfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einen rechtmäßigen Beschluss zu fassen, von einer Verfolgung eines gegen ein Vorstandsmitglied bestehenden Ersatzanspruchs der Gesellschaft endgültig insgesamt oder oberhalb eines bestimmten Betrags abzusehen. Hinzu kommt, dass wohl, wenn sich im Laufe der Zeit der Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung vergleichbare Grundsätze einer beschränkten Geltendmachung von Vorstandshaftungsansprüchen herausgebildet hätten, bereits im Voraus mit relativer Sicherheit abzusehen wäre, in welcher Höhe ein Vorstandsmitglied durch die Gesellschaft im Einklang mit deren Fürsorgepflicht in Anspruch genommen werden könnte. Der Ansatz einer Haftungsbeschränkung qua Fürsorgepflicht entspräche dann einer vorherigen Haftungsbegrenzung für Fehlverhalten unterhalb grober Fahrlässigkeit. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied ist nach geltendem Recht auch mit Zustimmung der Hauptversammlung unwirksam und bliebe dies selbst bei Abschaffung der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG mit Rücksicht auf die Wertung des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG und die unterschiedlichen Wirkungen eines Haftungsausschlusses vor Entstehung eines Ersatzanspruchs und nachträglicher Vereinbarungen über einen bereits entstandenen Anspruch auf das Risikoverhalten der Vorstandsmitglieder.1140 Demnach würde die Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern diese zu einem Verhalten verpflichten, das sie, ohne diese Pflicht, mithin freiwillig, nicht rechtmäßig beschließen könnte. Ein Absehen von der Geltendmachung von Ersatzansprüchen kann auch nicht mit dem bloßen Verjährenlassen oder einem im Grundsatz abänderbaren entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss gleichgesetzt werden. Eine durch die Fürsorgepflicht vorgegebene Begrenzung der geltend zu machenden Anspruchshöhe wäre, wie sich aus der Bezeichnung der Rechtsgrundlage bereits ergibt, für die Gesellschaft verpflichtend, sie wäre gebunden, eine anderweitige Entscheidung in Übereinstimmung mit der Fürsorgepflicht wäre ausgeschlossen. Eine lediglich als Begrenzung der Geltendmachung eines „an sich“ in voller Schadenshöhe bestehenden Ersatzanspruchs verstandene Fürsorgepflicht der Gesellschaft müsste demnach zwingend zu einer Erweiterung deren rechtlichen Kön1139 1140

Siehe oben 3. Teil B. I. 3. Dazu noch im 4. Teil A. II.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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nens führen. Eine solche Wirkung ist den gesellschaftsrechtlichen Treupflichten bislang fremd. bb) Kein Gebot rechtlich ansonsten unzulässigen Verhaltens aufgrund des Treuegedankens Eine solche Erweiterung kann der Treuegedanke auch nicht tragen. Die gesellschaftsrechtlichen Treu- und Fürsorgepflichten sind Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben, wie er durch § 242 BGB normiert wird.1141 Demnach ist der Schuldner verpflichtet, seine Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Das Äquivalent des Bewirkens einer Leistung ist, bezogen auf die Beziehung von Gesellschaft und schadensersatzpflichtigem Vorstandsmitglied, die Geltendmachung des Ersatzanspruchs. Vereinfachend gesprochen gebietet die Fürsorgepflicht es der Gesellschaft, diesen Anspruch so durchzusetzen, wie Treu und Glauben es erfordern. Auch innerhalb der anerkannten Fallgruppen des § 242 BGB über die Treupflicht hinaus findet sich bisher kein Anwendungsfall, in dem Treu und Glauben ein Verhalten gebieten würden, das andernfalls ausdrücklich verboten oder mit rechtlichen Einschränkungen, die durch Treu und Glauben aufgehoben würden, belegt ist.1142 Wie der Treupflicht im Gesellschaftsrecht kommt auch der Generalklausel des § 242 BGB bisher nur korrigierende und begrenzende Funktion zu,1143 wobei in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des BGH ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Norm keine Ermächtigung des Richters zu einer reinen Billigkeitsrechtsprechung enthalte.1144 Zwar bedeutet die Tatsache, dass eine entsprechende Rechtswirkung des Treuegedankens bisher unbekannt ist, keinesfalls automatisch, dass diese nicht darauf zu stützen sein kann. In der Rechtsprechung zu § 242 BGB wird aber bereits eine Berechtigung der Gerichte, ausgleichend in bestehende Vertragsverhältnisse einzugreifen, auch wenn die Erfüllung der Vertragspflichten für eine Partei eine unbillige Härte darstellt, grundsätzlich verneint.1145 Wenn bereits der Wille der Parteien in dieser Weise zu respektieren ist, muss dies erst recht für den Willen des Gesetzgebers, der in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zum Ausdruck gekommen ist, gel1141

Siehe nur Palandt/Grüneberg, 74. Aufl. 2015, § 242 Rn. 23; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1. a). 1142 Zu den anerkannten Fallgruppen in Anwendung des § 242 BGB s. Olzen/Looschelders, in: Staudinger (2015), § 242 Rn. 211 ff.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, § 16 Rn. 146 ff. 1143 Roth/Schubert, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 2; Sutschet, in: Bamberger/ Roth, 33. Ed. Stand: 01. 11. 2014, § 242 Rn. 2; Palandt/Grüneberg, 74. Aufl. 2015, § 242 Rn. 1 f.; Böttcher/Hohloch, in: Erman, 14. Aufl. 2014, § 242 Rn. 4, 18. 1144 Siehe RGZ 131, 158, 177; BGH NJW 1985, 2579, 2580, NJW 1998, 3771; vgl. auch Larenz I, § 10 I. (S. 127). 1145 RGZ 131, 158, 177.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

ten.1146 Zur Treupflicht der Aktionäre untereinander wird im Schrifttum ebenfalls darauf hingewiesen, dass diese nicht dazu herangezogen werden könne, abschließende Regelungen des Gesetzgebers zu korrigieren.1147 Das Gebot, eine Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, setzt auch voraus, dass die Art und Weise dieser Leistungsbewirkung rechtlich zulässig ist,1148 andernfalls würde auch die Anerkennung rechtswidriger Verkehrssitten impliziert, was erhebliche Folgeprobleme mit sich brächte. Außerdem würde die Treupflicht, könnte sie ein nach allgemeinen Grundsätzen verbotenes Verhalten zwingend gebieten, in ihrer Wirkung noch über Rechtfertigungsgründe, die ein solches Verhalten unter bestimmten Voraussetzungen lediglich erlauben, hinausgehen. Durch ein solches Verständnis von Treu und Glauben könnte schlussendlich die Rechtsordnung insgesamt unterlaufen werden, sodass die Generalklausel bereits nicht in einem das rechtliche Können des Verpflichteten erweiternden Sinne, erst recht aber nicht in der hier erforderlichen Weise als Gebot eines ansonsten verbotenen Verhaltens verstanden werden darf. Mit anderen Worten können Treu und Glauben nur das gebieten, was dem Verpflichteten rechtlich auch freiwillig erlaubt wäre. e) Einwände auch gegenüber einer Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft Die Problematik eines Gebots nach im Übrigen geltendem Recht unzulässigen Verhaltens als solche entfällt, wenn man die Beschränkung der Vorstandshaftung qua Fürsorgepflicht der Gesellschaft als rechtsvernichtende oder rechtshindernde Einwendung, mithin Reduzierung des materiell-rechtlichen Ersatzanspruchs versteht. In diesem Fall ist keine verzichtsähnlich wirkende Handlung der Gesellschaft erforderlich, sodass § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht betroffen ist. Sachlich entgegenstehende Wertungen des Aktienrechts, die sämtliche rechtliche Konstruktionen der Anspruchsbegrenzung durch die Fürsorgepflicht betreffen, bestehen indes über die bereits dargelegten hinaus. aa) Beschränkung von Vermögensrechten der Aktionäre aufgrund der Treupflicht Die Rechtsprechung hatte bisher weder zur Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber Organmitgliedern noch zur Treupflicht der Aktionäre untereinander oder 1146 Vgl. BGH NJW 1985, 2579, 2580; 1998, 3771; Böttcher/Hohloch, in: Erman, 14. Aufl. 2014, § 242 Rn. 62. 1147 Laubert, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 53a Rn. 18; Bungeroth, in: MüKoAktG, 3.Aufl. 2008, Vorbemerkung zu §§ 53a ff. Rn. 33; Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 53a Rn. 54. 1148 Vgl. Larenz I, § 10 II. (S. 131); Böttcher/Hohloch, in: Erman, 14. Aufl. 2014, § 242 Rn. 62.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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gegenüber der Gesellschaft über eine Einschränkung von Vermögensrechten zu entscheiden. In der einschlägigen Kommentarliteratur wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Treupflicht der Aktionäre vorrangig eine Ausübungsschranke der Mitwirkungsrechte sei und „kaum jemals“ Vermögensrechte betroffen würden.1149 bb) Einschränkung der Rechte der Hauptversammlung (1) Klageerzwingung und Aktionärsklage Außerdem würden durch eine Verpflichtung der Gesellschaft, einen Anspruch lediglich in bestimmter Höhe geltend zu machen, die Rechte der Hauptversammlung beschnitten. Anders als im Fall der Anspruchsdurchsetzung durch den Aufsichtsrat stünden dieser gegen eine zwingende Begrenzung entweder der Geltendmachung oder des Anspruchs selbst durch die Fürsorgepflicht der Gesellschaft keine Möglichkeiten zur Verfügung, die vollumfängliche Verfolgung des Ersatzanspruchs zu erzwingen (§ 147 Abs. 1 AktG) oder selbst zu betreiben (§ 148 AktG). Hinsichtlich der Aktionärsklage ist die Einschränkung indes äußerst gering, setzt diese doch nach geltendem Recht den Verdacht der Unredlichkeit oder groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung voraus (§ 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG). In den Fällen, in denen eine Aktionärsklage in Betracht kommt, wird mithin im Regelfall keine Beschränkung des geltend zu machenden Schadensersatzes der Gesellschaft aufgrund der Fürsorgepflicht geboten sein.1150 (2) Keine Beeinträchtigung des Normzwecks des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Die nach geltenden Recht und auch bei Streichung der Dreijahresfrist aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung vorbehaltlich des Widerspruchs einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit zu einem endgültigen Absehen von der Geltendmachung (eines anteiligen Betrags) eines Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder entfiele ebenfalls. Eine Beeinträchtigung des Normzwecks, eine wechselseitige Enthaftung von Vorstand und Aufsichtsrat zulasten der Gesellschaft zu verhindern, liegt hierin indes nicht.1151 Zwar müsste der Aufsichtsrat bemessen, inwieweit die Fürsorgepflicht der Gesellschaft ein Absehen von Anspruchsverfolgung gebietet bzw. inwieweit der Anspruch ausgeschlossen ist. Diesbezügliche Fehleinschätzungen beeinträchtigten aber, anders als ein Verzicht oder Vergleich, der zum Wegfall des materiellen Anspruchs führt, die Möglichkeiten der Aktionäre, selbst einen höheren Ersatzanspruch im Wege der 1149 Bungeroth, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, Vorbemerkungen zu §§ 53a ff. Rn. 25; ähnl. Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 53a Rn. 54; vgl. auch die Bsp. bei Drygala/ Staake/Szalai, § 23 Rn. 20, die sich ausschließlich auf die Wahrnehmung von Mitwirkungsrechten beziehen. 1150 So auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 286. 1151 Ebenso Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 285; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 644 f.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Aktionärsklage oder der Klageerzwingung geltend zu machen und damit die Einschätzung des Aufsichtsrats zur Überprüfung zu stellen, nicht.1152 (3) Keine Treupflicht zwischen Aktionären und Vorstandsmitgliedern Es bleibt aber bei einer Beeinträchtigung der Aktionärsrechte, soweit die Geltendmachung des gesamten Schadens durch die Fürsorgepflicht ausgeschlossen sein soll. Eine Treupflicht zwischen Aktionären und Vorstandsmitgliedern, aus der sich eine Rechtfertigung einer Einschränkung der Rechte der Hauptversammlung, die in Bezug auf § 147 Abs. 1 AktG erheblich ist, der keine § 148 AktG vergleichbaren Beschränkungen enthält, ergeben könnte, ist bisher nicht anerkannt. (4) Keine Erstreckung der Treupflicht zwischen Aktionären und Gesellschaft Die dargestellte mittelbare Beschränkung der Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung durch die Aktionäre, die es diesen zwar nicht erlauben, ihren eigenen Reflexschaden einzuklagen, aber ihre finanziellen Interessen dennoch betreffen, indem grundsätzlich anzunehmen ist, dass sich der Wert der Anteile entsprechend dem Zuwachs am Gesellschaftsvermögen durch den Zufluss des eingeklagten Schadensersatzes erhöht, ist auf Grundlage der anerkannten Treupflicht zwischen Aktionären und Gesellschaft nicht zu rechtfertigen. Im Einzelfall könnte eine Zustimmungspflicht der Aktionäre zu einem Vergleich oder Verzicht oder das Unterlassen eines Widerspruchs gegen einen solchen, wenn gewichtige Interessen der Gesellschaft betroffen sind, in Betracht kommen. Eine Beschränkung der Vorstandshaftung durch die Fürsorgepflicht liegt aber gerade nicht durchweg im Interesse der Gesellschaft, dem im Regelfall die Geltendmachung des Schadensersatzes entspricht, sodass die Treubindung der Aktionäre gegenüber „ihrer“ Gesellschaft die Beschränkung der Aktionärsrechte nicht begründen kann. cc) Auswirkungen einer späteren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage eines Vorstandsmitglieds? Neben der Einschränkung der Anspruchsdurchsetzung durch die Aktionäre führte eine rechtsvernichtende Wirkung der Fürsorgepflicht dazu, dass, falls das Vorstandsmitglied wider Erwarten, etwa durch nachträglich eingetretene Umstände wie eine unerwartete Erbschaft, einen Lotteriegewinn oder ähnliches, den Schaden doch in höherem als dem zunächst wegen der Fürsorgepflicht zulässigen Umfang begleichen könnte, ein Anspruch der Gesellschaft trotz weiterhin vorhandener Schädigung nicht mehr gegeben wäre. Vor diesem Hintergrund wäre auch zu klären, auf welchen Zeitpunkt für die Regressbegrenzung abzustellen sein müsste, da zwischen der Schädigung, der Aufdeckung des eine Pflichtwidrigkeit begründenden Sach1152

Dies vernachlässigt Koch, AG 2014, 513, 520 f.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

341

verhalts und der gerichtlichen Geltendmachung unter Umständen erhebliche Zeiträume liegen können, innerhalb derer sich die Vermögenssituation des Schädigers wesentlich verändert haben kann. Dasselbe Problem könnte zwar theoretisch auch im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung, wo die analoge Anwendung des § 254 BGB dazu führt, dass der Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers als solcher herabgesetzt wird, auftreten, wird dort aber, wohl mangels praktischer Bedeutung, nicht diskutiert. Angesichts der Höhe der Ansprüche der Gesellschaft, die aufgrund der Fürsorgepflicht zu begrenzen wären, wird diese, anders als in vielen Fällen ein Arbeitgeber, nicht bereit sein, deren wirtschaftlichen Ausfall schlicht hinzunehmen, wenn sich die Vermögensverhältnisse eines (ehemaligen) Vorstandsmitglieds anschließend günstig entwickelt haben, sodass das Problem im Bereich der Vorstandshaftung durchaus von Bedeutung sein könnte. Eine Lösung könnte in einem Wiederaufleben des Ersatzanspruchs bei Hinzutreten neuer Tatsachen, die dazu führten, dass die Fürsorgepflicht einen höheren zu ersetzenden Betrag zuließe, gesehen werden. Ein solcher Ansatz wäre aber mit einer gewissen unvermeidbaren Unsicherheit über die bestehende Rechtslage verbunden, die unter dem Gesichtspunkt der Steuerung des Vorstandshandelns vermieden werden sollte.1153 Dagegen ließe sich einwenden, dass die Konstellation, dass bei einem Geldzufluss an den Schuldner erneut Zahlungen zu leisten sind, dem geltenden Recht, gerade in den verwandten Fällen des Schuldnerschutzes durch Pfändungsschutzvorschriften und in der Privatinsolvenz, nicht fremd ist. Eine zeitliche Grenze ergibt sich hier wie dort aus dem Eintritt der Verjährung beziehungsweise einer Restschuldbefreiung. Anders als in den genannten Fällen wäre aber im Rahmen der Anspruchsbegrenzung qua Fürsorgepflicht nicht von vornherein mit Sicherheit ersichtlich, bis zu welchem Betrag ein Schutz des Vorstandsmitglieds gegeben wäre. Die Etablierung einer solchen Summe liefe aber nicht nur dem vorgesehenen Einzelfallcharakter einer solchen Begrenzung und deren Ermittlung anhand einer Abwägung einer Vielzahl von Umständen zuwider, sondern bedeutete im Ergebnis die Einführung einer in der Wirkung Sonderpfändungsschutzgrenzen für Vorstandsmitglieder gleichkommenden Regelung, gegen die ähnliche Bedenken wie gegen die verfassungsrechtliche Begründung der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung zu erheben wären1154 und deren inhaltliche Rechtfertigung mehr als zweifelhaft wäre. dd) Umfassende Vermögensbindung in der Aktiengesellschaft Anders als in anderen Gesellschaftsformen, insbesondere auch in der GmbH, ist das Vermögen der Aktiengesellschaft umfassend gebunden. Die Vermögensbindung wäre zwar durch eine materiell-rechtliche Begrenzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft durch die Fürsorgepflicht nicht unmittelbar betroffen, käme 1153

Zum Problem der Rechtsunsicherheit aufgrund des bereits im Ausgangspunkt unklaren Umfangs der Haftungsbegrenzung krit. Paefgen, AG 2014, 554, 569. 1154 Siehe oben 3. Teil E. III. 2. e) bb) (3) (c) u. (d); dazu auch noch unten unter 3. Teil E. V. 2. b) bb) (1).

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

doch der Anspruch bereits nur unter dieser Einschränkung zur Entstehung. Aus der umfassenden Bindung des Vermögens der Aktiengesellschaft, die nicht zuletzt in der speziellen Regelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, die mindernde Verfügungen über Ersatzansprüche betrifft, zum Ausdruck kommt, lässt sich aber eine gesetzgeberische Wertung dahingehend entnehmen, dass das Gesellschaftsvermögen abgesehen von Verlusten aus der unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen und unter den dort normierten Voraussetzungen, mithin für den vorliegenden Fall denen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, geschmälert werden darf. Die geregelten Ausnahmen von der Vermögensbindung, beispielsweise in § 71 Abs. 1 AktG, zeigen auch, dass der Gesetzgeber Situationen bedacht hat, in denen dieser Grundsatz zu durchbrechen ist. Der Gesellschaft vor diesem Hintergrund auf Grundlage der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern, mithin eines dem allgemeinen Zivilrecht in vergleichbarer Funktion unbekannten, spezifisch aktienrechtlichen Rechtsinstituts, einen lediglich begrenzten Schadensersatzanspruch zu gewähren, ihr also zwingend einen Teil ihres Anspruchs abzusprechen, schmälert das Gesellschaftsvermögen außerhalb der im Aktiengesetz vorgesehenen Ausnahmen und der Regeln des allgemeinen Zivilrechts und widerspricht daher der aufgezeigten gesetzgeberischen Wertung.1155 f) Fazit Für eine Begrenzung der Vorstandshaftung, sei es, indem unmittelbar der materiell-rechtliche Schadensersatzanspruch reduziert wird, indem dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied eine entsprechende Einrede gewährt wird oder der Gesellschaft die Geltendmachung des vollen Ersatzanspruchs verwehrt bleibt, bildet die Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern keine tragfähige dogmatische Grundlage. Einer Einrede oder einer Schranke der Anspruchsdurchsetzung stehen zwingende Regelungen des Aktiengesetzes entgegen. Bei der auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhenden Treupflicht der Gesellschaft handelt es sich nicht um ein Rechtsinstitut, das einen Erlaubnissatz und noch weniger ein Gebot eines rechtlich unzulässigen Verhaltens schaffen könnte. Auch eine Anspruchsbegrenzung in Gestalt einer Einwendung durch die Fürsorgepflicht steht zum einen mit den Rechten der Aktionäre, die im Verhältnis zu den Vorstandsmitgliedern keiner Treubindung unterliegen, zum anderen mit gesetzgeberischen Wertungen des Aktiengesetzes in Widerspruch. Unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung der Haftungsbeschränkung bleibt es vor allem auch für das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Vorstandsmitgliedern dabei, dass es sich, wie bereits zur Arbeitnehmerhaftung formuliert wurde, bei der Fürsorgepflicht nicht um ein ausreichend konturiertes Rechtsinstitut handelt, diese, wie bei der Arbeitnehmerhaftung, vielmehr nur als scheinbar dogmatisch abgesichertes Einfallstor für Billigkeitserwägungen taugt. 1155

I.Erg. ebenso Paefgen, AG 2014, 554, 569.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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Es ist damit festzustellen, dass erstens durch die Berufung auf die Fürsorgepflicht der Gesellschaft kein Fortschritt bei der dogmatischen Begründung einer Begrenzung der Vorstandshaftung erreicht ist und zweitens der diese Fürsorgepflicht tragende Grundsatz von Treu und Glauben sachlich nicht geeignet ist, eine solche Geltendmachungs- oder Anspruchsbeschränkung unter den Rahmenbedingungen geltenden Aktienrechts zu rechtfertigen.

IV. Alternative Ansatzpunkte zur Dogmatik einer Begrenzung des durch die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern geltend zu machenden Schadensersatzes 1. Rechtsfortbildende Anlehnung an die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung „Argumentative Schützenhilfe“1156 können aus dogmatischer Sicht auch die Rechtsprechungsgrundsätze zur Arbeitnehmerhaftung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit kaum liefern, ist doch auch deren dogmatische Grundlage im Wesentlichen unklar und wohl am treffendsten mit Billigkeitsgedanken zu umschreiben. In Betracht könnte aber eine Anlehnung an diese Grundsätze im Wege der Rechtsfortbildung kommen. Jedoch tragen diese bereits nicht die von den Vertretern einer Anspruchsbegrenzung qua Fürsorgepflicht vorgesehenen Rechtsfolgen. Jenseits aller Bedenken gegen die Fürsorgepflicht der Gesellschaft und die gedankliche Anleihe bei den Rechtsprechungsgrundsätzen der Arbeitnehmerhaftung sehen diese lediglich eine nach dem Verschulden des Arbeitnehmers zu bemessende Teilung des Schadens vor. Zwar sind die Vermögensverhältnisse des Arbeitnehmers, auch in Gestalt des Arbeitsentgelts, nach der Rechtsprechung bei der Ermittlung des von ihm zu tragenden Schadensanteils zu berücksichtigen, sie bilden aber keinesfalls den einzigen Maßstab neben dem Verschuldensgrad. Eine summenmäßige Haftungsobergrenze ist im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs ebenfalls nicht vorgesehen.1157 Die vorgesehenen Folgen einer Regress- oder Anspruchsbegrenzung aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft ergeben sich mithin nicht aus dem „Referenzmodell“ der Arbeitnehmerhaftung. Mit einer grundsätzlich nicht an den Vermögensverhältnissen, sondern dem Verschulden des Schädigers orientierten Schadensteilung wäre Vorstandsmitgliedern 1156

Koch, AG 2012, 429, 435. Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 802; Paefgen, AG 2014, 554, 569; Lotze, NZKart 2014, 162, 168; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 75 f.; a.A. Koch, AG 2014, 513, 522 unter Hinweis auf die Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse des Arbeitnehmers. Siehe zu deren Berücksichtigung aber bereits die Kritik als sachfremd im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung (oben unter 3. Teil E. III. 2. e) bb) (2) (b)) sowie Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1308. 1157

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

angesichts der in Rede stehenden Schadenssummen in aller Regel kaum geholfen; auch ein geringer Anteil eines dreistelligen Millionenbetrags würde wohl bei den meisten Vorstandsmitgliedern bereits zur wirtschaftlichen Überforderung führen.1158 2. Keine Übertragbarkeit der gewandelten Begründung der Arbeitnehmerhaftung aus dem Betriebsrisiko analog § 254 BGB Zur Begründung einer Beschränkung der geltend zu machenden Schadensersatzansprüche der Gesellschaft kommen aber freilich grundsätzlich dieselben Rechtsgedanken in Betracht wie für die Arbeitnehmerhaftung, sodass zu untersuchen ist, ob der Gedanke des Betriebsrisikos entsprechend § 254 BGB als dogmatische Grundlage taugt. Den Bedenken gegen eine Begrenzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft aufgrund deren Fürsorgepflicht gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern könnte, wie in der Entwicklung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung in der Rechtsprechung des BAG und des BGH,1159 durch entsprechende Anwendung des § 254 BGB unter Zurechnung eines „Betriebsrisikos“ der Gesellschaft zu begegnen sein. Anders als bei der Arbeitnehmerhaftung, wo gegen § 254 BGB als dogmatische Grundlage der innerbetrieblichen Schadensteilung dessen Zuschnitt auf den Einzelfall und damit die Untauglichkeit, die herausgebildete Rechtsprechungslinie, die deutlich zum Abstrakt-Generellen tendiert, zu tragen, als Einwand vorgebracht wird, nehmen die Befürworter einer Regressbegrenzung überwiegend eine echte Einzelfallbetrachtung vor,1160 sodass dieser Einwand hier nicht gegeben wäre. Problematisch ist im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 254 BGB aber eine der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern zuzurechnende „Betriebsgefahr“. Die Minderung des Schadensersatzanspruchs durch eine bei der Schadensentstehung mitwirkende Gefahrenquelle in der Sphäre des Geschädigten beruht auf dem Gedanken, dass die Betriebsgefahr bei Fremd- und Selbstschädigung gleichermaßen zu berücksichtigen sei.1161 Anders als gegenüber ihren Arbeitnehmern gibt es für die Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern, soweit diese in Wahrnehmung der Funktion als Organwalter handeln, keine Fremdschädigung im eigentlichen Sinne.1162 Abgesehen von ihrer Existenz kann die Gesellschaft ohne Zutun der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat keine Gefahrenquellen schaffen, sie ist 1158 Paefgen, AG 2014, 554, 569; Lotze, NZKart 2014, 162, 168; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 288. 1159 Dazu oben unter 3. Teil III. 2. e). 1160 Anders die Vertreter einer kartellrechtlichen Regressbegrenzung auf den Rahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB, die nicht auf den im Einzelfall angemessenen Betrag eines gegen das Vorstandsmitglieds persönlich verhängten Bußgeldes abstellen (s. Fn. 878 u. 889). 1161 Oetker, in: MüKoBGB, 6 Aufl. 2012, § 254 Rn. 5. 1162 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 268 spricht von einer „Konfusion der Verantwortungsbereiche“.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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schlicht handlungsunfähig. Ausgehend von dem Gleichlauf von Fremd- und Selbstschädigung ist eine gewisse, zumindest der des Schädigers überlegene, Beherrschbarkeit der Gefahrenquelle Voraussetzung der Zurechnung einer schadensmindernden Betriebsgefahr des Geschädigten in entsprechender Anwendung des § 254 BGB.1163 Nach dem zur Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zur Risikobeherrschung durch die Gesellschaft Gesagten fehlt es daran im Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Organmitgliedern.1164 Ein abweichendes Ergebnis hätte zur Folge, dass das schlichte Vorhandensein einer Aktiengesellschaft, in konsequenter Fortentwicklung jeglicher juristischer Person, zu einem Gefährdungstatbestand gemacht würde. Derartiges stünde aber in Widerspruch sowohl zu den Regeln der Organhaftung, die, anders als die Arbeitnehmerhaftung, speziell normiert sind und vom Grundsatz der Totalreparation ausgehen, als auch zum allgemeinen Schadensersatzrecht, das den Schädiger mit einem vom Geschädigten ausgehenden, von diesem aber nicht beherrschbaren Schadensrisiko belastet.1165 Entsprechende Überlegungen sind daher zumindest in der als Grundlage einer Anspruchsbegrenzung der Gesellschaft notwendigen Breite als mit geltendem Recht unvereinbar zu verwerfen. Ein der Gesellschaft gegenüber ihren eigenen Vorstandsmitgliedern in entsprechender Anwendung des § 254 BGB zuzurechnendes Schadensrisiko ist somit nicht vorhanden, sodass eine Regress- oder Anspruchsbegrenzung auf dieser dogmatischen Grundlage für die Organhaftung in der Aktiengesellschaft nicht in Betracht kommt.1166 Ferner könnte auch dieser Ansatz die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers als § 254 BGB sachlich fremde Kriterien der Schadensteilung nicht in der von den Befürwortern einer Anspruchsbegrenzung gewünschten Weise berücksichtigen. 3. Schutzbereich des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG Im Grundsatz ist auch der von Horn1167 und Dreher1168 für Kartellbußgelder vorgebrachte Gesichtspunkt des Ausscheidens bestimmter Schäden der Gesellschaft aus dem Schutzbereich des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG nicht spezifisch kartellrechtlich 1163

Vgl. Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 254 Rn. 5. Siehe oben unter 3. Teil E. III. 3. c). 1165 „Der Schädiger hat den Geschädigten so zu nehmen, wie er eben ist“, vgl. st. Rspr. des RG und BGH, RGZ 6, 1; 151, 279; BGHZ 20, 137, 139; 107, 359, 363; 132, 341, 343 ff.; 137, 142, 145; BGH NJW 1974, 1510; 2002, 504, 505; BGH NJW-RR 2005, 897, 898; BGH VersR 1969, 802; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 16 Rn. 133; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, § 55 Rn. 641; Vieweg, in: Staudinger Eckpfeiler, J. Rn. 93; Schiemann, in: Staudinger (2005), § 249 Rn. 35, 32; Schubert, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 03. 2011, § 249 Rn. 60. 1166 Ebenso i.Erg. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 267 f. 1167 Horn, ZIP 1997, 1129, 1136. 1168 Dreher, FS Konzen, 2006, S. 85, 104. 1164

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

geprägt, sodass eine Übertragung auf andere Rechtsbereiche in Betracht kommt. Anders als bei der Begründung einer Regressbeschränkung mit der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern ergäben sich hier im Hinblick auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG keine Probleme, da ein Schaden, der außerhalb des Schutzbereichs der die Ersatzpflicht der Vorstandsmitglieder begründenden Norm des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG läge, von vornherein keinen Ersatzanspruch der Gesellschaft begründete. Wie am Beispiel der Kartellbußgelder gezeigt, ist aber nicht anzunehmen, dass Sinn und Zweck bestimmter Bußgeldvorschriften und vergleichbarer, Zahlungspflichten der Gesellschaft selbst begründender Normen den wirtschaftlichen Verbleib der Belastung bei der Gesellschaft vorschreiben. Eine Regressbeschränkung oder eine allgemeine Begrenzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern ausgehend davon, dass eine Inanspruchnahme oberhalb einer gewissen, möglicherweise in Anlehnung an die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung und § 93 Abs. 2 S. 3 AktG zu ermittelnden Höhe, nicht mehr im Schutzbereich des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG liegen soll, erscheint aber außerhalb des Anwendungsbereichs der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, wo eine Haftung aber schon mangels Pflichtverletzung ausscheidet, deshalb problematisch, weil sich hierfür keinerlei Anknüpfungspunkt im Gesetz finden lässt. Zwar trüge auch eine solche Begrenzung den gegen eine Organhaftung bis zur Privatinsolvenz vorgebrachten Gerechtigkeitsbelangen Rechnung. Im Ergebnis ist aber sowohl aus den umfassenden Regelungen zum (teilweisen) Ausschluss der Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder und zur Disposition der Gesellschaft über solche Ersatzansprüche in § 93 Abs. 4 und 5 AktG für das Aktiengesetz als auch aus den allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts die Wertung zu entnehmen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schädigers für seine Ersatzpflicht ohne Bedeutung ist. Mithin bedürfte es für eine entgegenstehende Bewertung des Schutzbereichs des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG einer deutlich über reine, in der Literatur nicht unumstrittene Gerechtigkeitserwägungen hinausgehenden Begründung. Im Grundsatz könnte, sofern sich eine entsprechende Begrenzung tragende Gesichtspunkte finden lassen, der Schutzbereich dieser Norm aber einen Ansatzpunkt für eine Begrenzung der Organhaftung bilden. De lege lata fehlt es an solchen Gründen.1169 4. Rechtsfortbildung praeter legem Die von Scholz jüngst gewählte Umsetzung der Inhalte des von Koch entwickelten Ansatzes im Wege einer Rechtsfortbildung praeter legem1170 ist die wohl „ehrlichste“ Begründung einer Beschränkung der Vorstandshaftung, indem das Fehlen einer 1169

Zum selben Ergebnis gelangt in anderem Zshg. Koch, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 327, 336, 338. 1170 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 277 ff.; vgl. auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

347

etablierten Dogmatik, an die eine solche Haftungsbeschränkung anknüpfen könnte, als Tatsache anerkannt wird. Aufgrund der Gewaltenteilung des Art. 20 Abs. 2 GG und der Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz, die Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck bringt, muss eine solche Rechtsfortbildung aber mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, von der sie ausgeht, hier also des § 93 AktG, vereinbar sein.1171 Ob dies der Fall und eine entsprechende Rechtsfortbildung geboten ist, kann bisher nicht abschließend beurteilt werden.1172 In der Tat erscheint aber, sollte eine Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung de lege lata für erforderlich und dem Grunde nach zulässig gehalten werden, der Weg der Rechtsfortbildung der einzig dogmatisch gangbare, soll nicht eine bisher unbekannte teleologische Reduktion eines Haftungstatbestands im Hinblick auf die Höhe des Schadensersatzes anerkannt werden.1173 Größere Rechtssicherheit wäre damit nicht verbunden, im Gegenteil wären neben § 93 AktG auch §§ 249 ff. BGB betroffen und stellte sich damit die Frage einer Übertragbarkeit auf das allgemeine Schadensersatzrecht.

V. Notwendigkeit einer weiteren Begrenzung der Vorstandshaftung de lege lata? Im Folgenden soll die dem Ansatz einer umfassenden Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung für (leichte) Fahrlässigkeit zugrunde liegende Annahme einer Notwendigkeit einer über die bereits festgestellten immanenten Grenzen der Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft hinausgehenden Haftungsverschonung untersucht werden. Neben dem bereits erörterten Vergleich mit der Arbeitnehmerhaftung, der den Ausgangspunkt der Diskussion um die Begrenzung der Vorstandsinnenhaftung bildete, ist dazu die Haftung der Vorstandsmitglieder mit der in ähnlichen Zusammenhängen handelnder Personen zu vergleichen und wertend einzuordnen. Ferner soll die Frage der verfassungsrechtlichen Gebotenheit einer Haftungsbeschränkung für Vorstandsmitglieder erörtert werden. 1. Keine Unbilligkeit der unbegrenzten Vorstandshaftung unabhängig von der Höhe des Schadens im Vergleich zur Haftung in anderen Rechtsverhältnissen Gegen das Konzept der Anspruchsbeschränkung aufgrund der Fürsorgepflicht der Gesellschaft wird eingewandt, dass Vorstandsmitglieder dadurch gegenüber anderen

1171

Vgl. BVerfG NJW 2000, 2635, 2636; BVerfGE 96, 375, 394; dazu auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 277 f. 1172 Dazu sogleich im 3. Teil E. V. 1173 Eine vorrangige teleologische Reduktion lehnt auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 301 f. ab.

348

3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Schuldnern und insbesondere Unternehmern in einer im Ergebnis nicht zu rechtfertigenden Weise privilegiert würden.1174 Die Verfechter einer den Schadensersatz der Gesellschaft begrenzenden Fürsorgepflicht wollen eine Privilegierung der Vorstandsmitglieder nicht annehmen. Sie sehen in der Tendenz vielmehr eine Benachteiligung indem sie darauf hinweisen, dass persönlich unbeschränkt haftenden Unternehmern neben der Tragung des vollen Risikos ihrer Unternehmung im Gegenzug auch der daraus hervorgehende Gewinn zustehe, was bei Vorstandsmitgliedern selbst bei Vereinbarung erfolgsabhängiger Vergütungsbestandteile nicht der Fall sei.1175 Ferner hafteten Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit, sofern kein grob fahrlässiges Handeln vorliege, grundsätzlich lediglich eingeschränkt und sei für leitende Angestellte jedenfalls eine vertragliche Haftungsbegrenzung zulässig.1176 Aufgrund der Überschneidungen der Aufgaben der zuletzt genannten Gruppe für die Gesellschaft tätig werdender Personen mit denen eines Vorstandsmitglieds bedürfe die im Grundsatz unbeschränkbare Haftung der Rechtfertigung, die die Vertreter der Regressbegrenzung im Ergebnis als nicht gegeben ansehen.1177 Von sonstigen Schuldnern, insbesondere im Deliktsrecht, unterscheide die Vorstandsmitglieder, dass diese dauerhaft fremdnützig für die Gesellschaft tätig würden, sodass in einer Begrenzung der Ersatzansprüche keine Privilegierung gegenüber solchen Schadensersatzschuldnern liege.1178 a) Vergleich von Vorstandsmitgliedern mit unbeschränkt haftenden Unternehmern Die Notwendigkeit einer Begrenzung der Vorstandshaftung wird unter anderem damit begründet, dass Vorstandsmitglieder, ohne dass sie unmittelbar am Unternehmensgewinn teilnähmen, ähnlich wie persönlich haftende Unternehmer mit unmittelbarer Gewinnbeteiligung hafteten.1179 Gesellschaftern einer Personengesellschaft stünde zudem, anders als den Vorstandsmitgliedern,1180 die Errichtung einer juristischen Person als Unternehmensträgerin als Mittel zur Haftungsbegrenzung zur Verfügung.1181

1174

Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701. Brommer, AG 2013, 121, 128; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 52; ders., AG 2014, 513, 518. 1176 Nach h.M. sind die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs auch auf diese anzuwenden; s. die Nachweise in Fn. 1206. 1177 Brommer, AG 2013, 121, 129; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 52; ders., AG 2014, 513, 515. 1178 Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 52. 1179 Brommer, AG 2013, 121, 128. 1180 Siehe § 76 Abs. 3 S. 1 AktG. 1181 Brommer, AG 2013, 121, 128 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 229: „Zuvorderst zwingt die geltende Rechtsordnung diesen [i. e. den 1175

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

349

Die unbeschränkt haftenden Unternehmer, auf die sowohl von den Gegnern als auch den Befürwortern einer Haftungsbegrenzung für Vorstandsmitglieder hingewiesen wird, sind Einzelkaufleute oder persönliche haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft; auf andere Gesellschaftsformen trifft der Gesichtspunkt des Zuflusses des vollen Unternehmensgewinns an die persönlich für unternehmerische Misserfolge Haftenden nicht zu. Im Folgenden sollen die Voraussetzungen der Vorstandsinnenhaftung und der Haftung solcher Unternehmer verglichen werden. aa) Fehlen eines Prinzipal-Agent-Konflikts Persönlich haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder Einzelkaufleute handeln in Ausübung ihrer Tätigkeit nicht in fremdem, sondern in eigenem Interesse.1182 Aufgrund des Zuflusses des Unternehmensgewinns ist hier die Anreizstruktur eine gänzlich andere als in der Aktiengesellschaft. Ein PrinzipalAgent-Konflikt, in dem ein Ausgleich zwischen übermäßiger Risikobereitschaft und mit unternehmerischem Handeln unvereinbarer Vorsicht im Interesse der wirtschaftlich Betroffenen gefunden und die zweckwidrige Verwendung fremden Vermögens verhindert werden muss, ist hier nicht gegeben, es liegt vielmehr bei den persönlich Haftenden, die für ihr eigenes unternehmerisches Kapital geeignet erscheinende Ausrichtung zu wählen. bb) Unternehmerische Risikotragung als „Erfolgshaftung“ Der unmittelbaren Teilhabe der unbeschränkt haftenden Unternehmer am Unternehmensgewinn steht die Tragung des vollen unternehmerischen Risikos gegenüber, auch hieran fehlt es bei Vorstandsmitgliedern. Während in Personenhandelsgesellschaften bei Vermögensverlusten im Ergebnis das Vermögen der Vertretungsberechtigten selbst beziehungsweise ggf. auch das ihrer Mitgesellschafter geschädigt ist, schädigt der Vorstand die Gesellschaft und damit im wirtschaftlichen Ergebnis die Aktionäre, jedenfalls nicht unmittelbar eigenes Vermögen.1183 Darüber hinausgehend handelt es sich bei der Einstandspflicht persönlich haftender Gesellschafter oder Einzelkaufleute für Verbindlichkeiten aus dem Betrieb des Handelsgeschäfts nicht nur um eine Schadensersatzhaftung für Verschulden, sondern um Haftung für sämtliche Verbindlichkeiten1184 ohne Rücksicht auf deren persönlich haftenden Unternehmer] nicht in die unbeschränkte Haftung.“; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 399. 1182 Darauf weist auch Koch, AG 2014, 513, 518 hin; in anderem Zshg. Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873, 877 f. 1183 Vgl. Koch, AG 2014, 513, 518; Wackerbarth, Corporate BLawG v. 28. 12. 2012. 1184 Siehe § 735 BGB, §§ 128 ff. (ggf. i.V.m. § 161 Abs. 2) HGB.

350

3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Rechtsgrund oder den von dem in Anspruch Genommenen zu deren Entstehung geleisteten Beitrag, mithin eine Erfolgshaftung.1185 Der Befund, Vorstandsmitglieder hätten ohne Kompensation durch einen unmittelbaren Anteil am Gewinn des betriebenen Unternehmens in vergleichbarer Weise wie unbeschränkt persönlich haftende Unternehmer für Verluste des Unternehmensträgers einzustehen, trifft grundsätzlich, vorbehaltlich der bereits aufgezeigten immanenten Grenzen der Vorstandshaftung, mithin lediglich für schuldhaft pflichtwidrige Schädigungen zu. Hieraus aber die Unbilligkeit der Organhaftung zu folgern,1186 greift zu kurz. Anders als die genannten Unternehmer haben Vorstandsmitglieder nicht für unternehmerischen Misserfolg oder durch oder gar ohne ihr Zutun entstandene Verluste der Gesellschaft, sondern nur für Schäden aufgrund schuldhafter Pflichtverletzungen einzustehen.1187 Das Fehlen einer Erfolgshaftung trägt der fehlenden Erfolgsbeteiligung der Vorstandsmitglieder Rechnung,1188 eine Einstandspflicht für schuldhaftes, pflicht(bzw. rechts-)widriges Verhalten ist keine Besonderheit unternehmerischer Tätigkeit, sondern bildet den Grundfall der Schadensersatzhaftung im vertraglichen1189 und außervertraglichen1190 Schuldrecht. cc) Die Rechtsform der Kapitalgesellschaft als Möglichkeit zur Risikobegrenzung für unternehmerische Tätigkeit Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass es Personenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleuten freisteht, eine Kapitalgesellschaft als Unternehmensträgerin zu errichten und so einer verschuldensunabhängigen persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten aus dem Unternehmen zu entgehen.1191

1185

Brommer, AG 2013, 121, 128. Dies vernachlässigt Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 229, der Verschuldenshaftung und unternehmerische Gewinnchancen, von denen erstere auch für die Vorstandsmitglieder, letztere nur für Unternehmer gegeben sind, gegenüberstellt und so zu einer unbilligen Benachteiligung der Vorstandsmitglieder gelangt; ähnl. ebd., S. 293 f. Damit schwerlich in Einklang zu bringen, aber zutreffend ebd., S. 240 f.: „Es ist daher systematisch stimmig, wenn die Aktionäre mit ihrer Einlage lediglich das Risiko für unternehmerische Fehlentscheidungen übernehmen, während der Vorstand zwar von diesem Risiko befreit ist, jedoch als eigenverantwortlich Handelnder das Risiko aus der Nichteinhaltung der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters zu tragen hat.“. 1186 So Koch, AG 2014, 513, 518. 1187 Darauf weist auch Wackerbarth, Corporate BLawG v. 28. 12. 2012 hin. 1188 Spindler, AG 2013, 889, 890. 1189 Vgl. nur § 280 Abs. 1 BGB. 1190 Vgl. nur § 823 Abs. 1 BGB. 1191 Ebenso Paefgen, AG 2014, 554, 569; anders Brommer, AG 2013, 121, 128; Koch, AG 2014, 513, 518; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 229.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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(1) Verringerung der unternehmerischen Freiheiten Die Einschaltung einer Kapitalgesellschaft hat nicht allein den Wegfall der persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten des Unternehmensträgers zur Folge. Insbesondere die Rechtsform der Aktiengesellschaft bedingt erhebliche Einbußen in der Freiheit, über das für die Unternehmung eingesetzte Kapital zu verfügen, da das Gesellschaftsvermögen grundsätzlich umfassend gebunden ist. Daneben ergeben sich zahlreiche Berichts- und Rechenschaftspflichten1192 und möglicherweise ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer.1193 Grundsätzlich bringt die Rechtsform der Aktiengesellschaft ferner die Gefahr der Schädigung des Gesellschaftsvermögens durch nicht am Unternehmensträger beteiligte Organwalter mit sich,1194 was in dem hier gedachten Fall, in dem einige wenige Aktionäre oder ein Alleinaktionär wohl selbst die Geschäftsleitung als Vorstandsmitglieder in Händen hielten, freilich nicht der Fall wäre. Dennoch zahlt der wirtschaftliche Eigentümer1195 der Gesellschaft für deren Zwischenschaltung als Unternehmensträgerin den Preis, ein gewisses Kapital in der Gesellschaft gebunden zu haben, nur unter erschwerten Umständen auf „sein“ Gesellschaftsvermögen zugreifen zu können und sich grundsätzlich mit der Dividende als Einkünften aus diesem Vermögen zufrieden geben zu müssen.1196 (2) Gefahr des Totalverlusts der Einlage Es trifft zwar in der Sache zu, dass unternehmerisch tätige Personen durch die Gründung einer Kapitalgesellschaft als Unternehmensträgerin einer persönlichen, verschuldensunabhängigen Haftung für Verluste aus dem Unternehmen mit ihrem gesamten Privatvermögen entgehen können.1197 Auch eine Kapitalgesellschaft er1192

Siehe Brommer, AG 2013, 121, 128 am Bsp. Schlecker. Vgl. die Anwendungsvoraussetzungen des MitbestG in § 1 Abs. 1 MitbestG. 1194 Wackerbarth, Corporate BLawG v. 28. 12. 2012; ähnl. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 702; s. Koch, AG 2014, 513, 518, der diesbezüglich auf die Beschränkung der Schädigung der Anteilseigner auf die Höhe ihrer Investition und die Möglichkeit der Diversifikation verweist. Auch dieses Argument verfängt aber dort nicht, wo Unternehmer lediglich zum Schutz vor Haftung die Rechtsform der AG wählen, mithin nicht lediglich Investitionsziele verfolgen und sämtliche Mittel in eine Gesellschaft investiert sind. 1195 Die Aktionäre als wirtschaftliche „Eigentümer“ der Gesellschaft bezeichnen u. a. auch Allg. Begr. RegE AktG 1965, Kropff, S. 14; Drygala/Staake/Szalai, § 1 Rn. 27; Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, S. 87 ff., 90 ff.; ähnl. BGH ZIP 2014, 1728 Rn. 20. 1196 Anders sieht dies in der GmbH, wo sowohl die Kapitalbindung wesentlich geringer ausgeprägt ist als auch ein Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer besteht, aus. Dort wird eine Begrenzung der Geschäftsführerhaftung aber auch in erheblichem Umfang für zulässig gehalten, sodass grundsätzlich kein Fremdorganwalter genötigt ist, einen solchen Posten ohne eine entsprechende Vereinbarung mit der Gesellschaft anzunehmen. 1197 So das Argument für eine unbillige Benachteiligung der Vorstandsmitglieder bei Brommer, AG 2013, 121, 128; ganz ähnl. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 229. 1193

352

3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

fordert aber, wie die Bezeichnung bereits aussagt, Kapital in Gestalt von Einlagen der Gesellschafter. Bei einer Aktiengesellschaft, die, wie in der Vorstellung des Gesetzgebers, Publikumsgesellschaft ist und in der die Aktionäre vorrangig Anlageziele verfolgen und dementsprechend in mehrere verschiedene Gesellschaften investiert haben, trifft es auch tatsächlich zu, dass der maximal drohende Verlust, nämlich der der Einlage, weit hinter dem zurückbleibt, womit ein persönlich haftender Unternehmer haften würde, nämlich dem gesamten Vermögen. Anders wird es aber häufig in dem bei Brommer gebildeten Beispiel eines persönlich haftenden Unternehmers, der zur Vermeidung einer solchen Haftung eine juristische Person als Unternehmensträgerin zwischenschaltet,1198 sein. In solchen Fälle ist zum einen das Unternehmen in die Aktiengesellschaft einzubringen, sodass bereits die Investition bedeutend höher ausfällt, als dies bei lediglich anlageorientierten Aktionären der Fall sein wird. Zum anderen werden ein Aktionär oder wenige Aktionäre, die unternehmerische Zwecke verfolgen und ihre wesentlichen Vermögenswerte nicht auf verschiedene Aktiengesellschaften gestreut haben, viel eher geneigt sein, durch Zuführung weiteren Kapitals eine Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Lediglich in Fällen unmittelbar als solcher erkennbarer exorbitanter Verluste der Gesellschaft werden solche unternehmerisch orientierten Aktionäre geneigt sein, den Verlust der Einlage, auch wenn diese ihr wesentliches Vermögen darstellt, als das kleinere Übel gegenüber der Einbringung weiteren Kapitals zu akzeptieren. Der rechtliche Haftungsvorteil durch die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft wird sich daher tatsächlich nicht in allen Fallgestaltungen auswirken. Entscheidend für den Vergleich mit den Vorstandsmitgliedern ist aber ein anderer Gesichtspunkt: Die Gefahr des verschuldensunabhängigen Verlusts des gesamten Vermögens, wie er persönlich haftenden Unternehmern droht, ist für die Mitglieder des Vorstands nicht gegeben, sie haften ausschließlich für Verschulden.1199 Dem Risiko des Totalverlusts der Einlage steht, wie der Vergleich zwischen persönlich haftenden Unternehmern und Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft deutlich macht, nicht die Befugnis zur eigenverantwortlichen Leitung eines Unternehmens, sondern die Teilnahme an dessen Gewinn gegenüber.1200 Mithin liegt keine unbillige Benachteiligung der Vorstandsmitglieder vor, die weder verschuldensunabhängig haften noch unmittelbar am Gewinn der Aktiengesellschaft beteiligt sind. (3) Keine Auswirkungen auf die Verschuldenshaftung der Geschäftsleiter Der Vermögensschutz, den die Errichtung einer Kapitalgesellschaft persönlich haftenden Unternehmern gewährleistet, bezieht sich, und dies ist der entscheidende Punkt, ausschließlich auf die Gefahr eines verschuldensunabhängigen Verlusts des 1198

Brommer, AG 2013, 121, 128. Siehe Brommer, AG 2013, 121, 128. 1200 Dies verkennt Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 229, der auf das Verlustrisiko bei sorgfaltswidrigem Handeln als Gegenstück zu den unternehmerischen Gewinnchancen abstellt. 1199

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

353

gesamten Vermögens.1201 Eine Unbilligkeit der Regeln der Vorstandshaftung gegenüber den für in eigenem Interesse unternehmerisch handelnde Personen geltenden Haftungsvorschriften läge aber nur dann vor, wenn die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft dazu führte, dass zu unternehmerischen Zwecken beteiligte Aktionäre weiterhin, wie Einzelkaufleute oder die Gesellschafter einer Personengesellschaft, „ihr“ Unternehmen eigenverantwortlich leiten könnten, ohne dabei für Verschulden mit ihrem gesamten Vermögen zu haften. Dies ist indes nicht der Fall.1202 Das Aktiengesetz weist die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft in § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand zu, die Hauptversammlung ist nach § 119 Abs. 2 AktG von der Geschäftsführung grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Leitungsbefugnis steht daher Aktionären nur dann zu, wenn sie zugleich Mitglieder des Vorstands sind. Der beispielhaft genannte Einzelkaufmann oder Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, dessen Unternehmen in eine Aktiengesellschaft überführt wird und der dessen Leitung nicht in die Hände Dritter geben möchte, muss also Vorstandsmitglied sein und haftet als solches, da eine Unterscheidung zwischen Fremd- und Selbstorganschaft im Aktiengesetz nicht vorgesehen ist, nach den allgemeinen Regeln für Verschulden. Die verschuldensabhängige Haftung mit dem gesamten Vermögen knüpft demnach nicht an eine Kapital- oder Gewinnbeteiligung an, sondern an die Befugnis zur eigenverantwortlichen Leitung einer Gesellschaft. Dies wird auch im Vergleich zwischen Vorstand und GmbH-Geschäftsführer deutlich: Anders als der Vorstand unterliegt der GmbH-Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafterversammlung, mithin jener Personen, die einen aufgrund seines Handelns gegebenenfalls eintretenden Verlust verschuldensunabhängig wirtschaftlich zu tragen haben. Dementsprechend werden dort weitgehende Haftungsbeschränkungen für zulässig gehalten, was vor dem Hintergrund stimmig ist, dass in der GmbH der Einfluss der Kapitalgeber auf die Geschäftsleitung wesentlich stärker ist, indem diese, anders als die Aktionäre, auch unmittelbar und ad hoc in die Geschäftsführung eingreifen können und sich somit vor unliebsamen Ergebnissen erheblich besser selbst schützen können als die Kapitalgeber in der Aktiengesellschaft.1203 Deshalb, und nur deshalb, erscheint eine Haftungsbeschränkung für den GmbH-Geschäftsführer, der nicht in demselben Umfang eigenverantwortlich handeln kann wie der Vorstand, gerechtfertigt. Auf den Vorstand treffen die tragenden Erwägungen gerade nicht zu.

1201

Siehe Brommer, AG 2013, 121, 128. Darauf verweist auch Paefgen, AG 2014, 554, 569, der für den Fall einer Begrenzung der Vorstandshaftung eine echte „Flucht in die juristische Person“ als dann entstehende Enthaftungsmöglichkeit vorzeichnet. 1203 Auf diese Unterschiede verweisen auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 294, dieser allerdings zur Begründung der Auffassung, eine unbeschränkte Haftung kollidiere mit dem Gesetzeszweck der Zuweisung der eigenverantwortlichen Geschäftsleitung an den Vorstand durch § 76 Abs. 1 AktG; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 67 f. 1202

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

Die Aussage, eine persönliche Haftung, schlimmstenfalls bis in die Privatinsolvenz, sei nur dort zu rechtfertigen, wo als Gegengewicht eine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung gegeben ist,1204 lässt sich nach alldem aus dem Vergleich von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft mit persönlich haftenden, unternehmerisch tätigen Personen für die Verschuldenshaftung nicht folgern. dd) Zwischenfazit Eine korrekturbedürftige Benachteiligung der Vorstandsmitglieder gegenüber selbst unternehmerisch tätigen Personen ist nicht gegeben. Das deutsche Recht kennt keine Vergleichsfigur, die unter den Gesichtspunkten der eigenverantwortlichen Leitung eines Unternehmens, der Haftung, nämlich einer unbeschränkten und unbeschränkbaren (reinen) Verschuldenshaftung, und der Beteiligung am unternehmerischen Erfolg, die bei Vorstandsmitgliedern nicht unmittelbar gegeben ist, dem Vorstandsmitglied entspricht. Sämtliche Personen, die ein Unternehmen eigenverantwortlich leiten, haften für Verschulden vollumfänglich. Lediglich eine Beschränkung, wie beim GmbH-Geschäftsführer, oder Mediatisierung, wie bei der Zwischenschaltung einer juristischen Person als Unternehmensträgerin, dieser eigenverantwortlichen Leitungsmacht führt mindestens zu einer Möglichkeit, die Verschuldenshaftung zu begrenzen. Das deutsche Recht kennt keinen weisungsunabhängig handelnden Geschäftsleiter, der für Verschulden nicht uneingeschränkt haftet. Die unmittelbare Partizipation der Gesellschafter einer Personengesellschaft am Unternehmensgewinn ist mit einer Haftung auch für unternehmerische Fehlschläge jeglicher Art verbunden, die bei den Vorstandsmitgliedern gerade ausgeschlossen ist. Daran ändert sich auch durch die Errichtung einer juristischen Person als Unternehmensträgerin in der Sache nichts: entweder sind die vormaligen Personengesellschafter selbst Organwalter, haften also wie ein fremdorganschaftliches Vorstandsmitglied, ohne aufgrund dieser Sonderstellung in höherem Maße am Unternehmensgewinn zu partizipieren, oder sie sind lediglich Investoren, wodurch zwar diese Verschuldenshaftung wegfällt, die Haftung für unternehmerische Fehlschläge durch Verlust des Investments aber bleibt. Die Beteiligung am Unternehmenserfolg wird stets mit der Gefahr des Totalverlustes der eigenen Einlage, die eigenverantwortliche Leitung eines Unternehmens mit einer unbeschränkten Verschuldenshaftung verbunden. Dieses Prinzip zieht sich, wie hier gezeigt werden konnte, durch sämtliche Gesellschaftsformen. Von einer unbilligen Benachteiligung der Vorstandsmitglieder kann mithin nicht auszugehen sein. Vielmehr entstünde durch eine Beschränkung der Haftung ohne Einschränkung der Leitungsmacht ein unbilliger Vorteil der Vorstandsmitglieder.1205 1204 So aber tendenziell Brommer, AG 2013, 121, 128 f.; Koch, AG 2014, 513, 518; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 229, 294. 1205 Ebenso Paefgen, AG 2014, 554, 569.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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b) Unbillige Benachteiligung gegenüber anderen, dauerhaft in fremdem Interesse tätigen Personen? aa) Arbeitnehmer und leitende Angestellte Zutreffend ist, dass Vorstandsmitglieder mit ihrer im Voraus unbeschränkbaren und durch das Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auch nachträglich nur äußerst eingeschränkt reduzierbaren Schadensersatzpflicht strenger haften als Arbeitnehmer und auch leitende Angestellte, für die jedenfalls vertragliche Haftungsbeschränkungen sowie Verzicht und Vergleich auf bzw. über bereits entstandene Ersatzansprüche uneingeschränkt zulässig sind, obwohl auch sie Leitungsaufgaben im Unternehmen wahrnehmen. Eine nicht durch Sachgründe zu rechtfertigende Benachteiligung der Vorstandsmitglieder liegt hierin indes nicht. Die Grundsätze betrieblich veranlasster Tätigkeit, die zu einer Haftungsprivilegierung von Arbeitnehmern führen und nach herrschender Meinung auch für leitende Angestellte gelten sollen,1206 können auf Vorstandsmitglieder keine Anwendung finden. Die Gründe hierfür wurden bereits erörtert, auf sie wird verwiesen.1207 Es wäre widersprüchlich, wegen fehlender Vergleichbarkeit der für eine Schadensteilung entscheidenden Umstände im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einerseits und Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern andererseits die Anwendung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung auf Mitglieder des Vorstands abzulehnen, anschließend aber eine unbillige Benachteiligung der Vorstandsmitglieder anzunehmen und auf dieser Grundlage eine entsprechende Anwendung zu fordern, die ihrerseits vergleichbare Verhältnisse voraussetzt.1208 bb) Dienstleister – insbesondere auch Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater – und Werkunternehmer Auch selbstständige Dienstleister, zu denen namentlich Berufsstände wie Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer1209 und Steuerberater gehören, und Werkunternehmer werden in fremdem Interesse tätig und dabei, da sie, wie Arbeitnehmer, eine Tätigkeit über einen längeren Zeitraum ausführen, über kurz oder lang Fehler ma1206 BAG NJW 1977, 598; BGHZ 148, 167, 172 (Ausnahme lediglich für leitende Angestellte, die zugleich Geschäftsführer sind); Frisch, Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts, S. 86 ff.; Joussen, RdA 2006, 129, 131 ff.; Linck, in: Schaub, ArbRHdb, § 59 Rn. 40; Otto/Schwarze/Krause, § 7 Rn. 1; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 556 f.; ErfK/ Preis, 15. Auf. 2015, § 619a Rn. 19; ähnl. wie der BGH differenzierend Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589, 592 f. 1207 Siehe oben 3. Teil E. III. 3. 1208 In diesem Sinne auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 271. 1209 Auch in der Funktion des Abschlussprüfers, dessen Haftung gesetzlich durch § 323 Abs. 2 HGB für fahrlässiges Handeln gedeckelt ist, dazu im Einzelnen im 4. Teil E. I. 1. a).

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

chen und Schäden bei ihren Auftraggebern verursachen, die ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit möglicherweise ebenfalls erheblich übersteigen werden. Ihnen steht aber, anders als Vorstandsmitgliedern, die rechtliche Möglichkeit zur Verfügung, ihre Haftung durch AGB oder Individualabrede zu beschränken.1210 Empirische Daten zur tatsächlichen Häufigkeit der Vereinbarung solcher Haftungserleichterungen sind nicht in repräsentativer Form verfügbar. Eine realistische Einschätzung dürfte darin liegen, anzunehmen, dass „kleine Handwerker“ in aller Regel nicht die Verhandlungsstärke besitzen werden, solche Regelungen gegenüber ihren Auftraggebern durchzusetzen oder schlicht vor Ausführung des Auftrags keine Möglichkeit gegeben ist, AGB in den Vertrag einzubeziehen. Es dürfte aber ebenso realistisch sein, anzunehmen, dass Dienstleister oder Werkunternehmer, die größere Aufträge ausführen, deren Schadensträchtigkeit erkennbar ist und denen umfassende Vertragswerke zugrunde liegen, regelmäßig zumindest in AGB eine Haftungsbeschränkung vereinbaren werden. Insoweit dürften solche, ebenfalls in fremdem Interesse tätig werdenden Personen unter dem Gesichtspunkt der Haftung mithin besser stehen als die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft. Eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung der Vorstandsmitglieder gegenüber solchen Schuldnern liegt aber nicht vor.1211 Dienstleister und Werkunternehmer werden zwar in der „Sphäre“ ihres Auftraggebers tätig, indem sie diesem Dienste leisten oder ein bestelltes Werk erstellen. Sie stehen aber insoweit gleichsam außerhalb dieser Sphäre, als es dem Auftraggeber bei Fehlern, zwar möglicherweise unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Verluste, jederzeit möglich ist, einzugreifen. Sie handeln mithin wie die Vorstandsmitglieder „für“ eine andere Person, anders als diese aber nicht im Sinne einer Schaffung rechtlicher Handlungsfähigkeit, sondern allein der Übernahme einer bestimmten, begrenzten Aufgabe für eine selbst handlungsfähige Person, die sich dementsprechend vor durch Fehlverhalten verursachten Schäden grundsätzlich1212 besser schützen kann, als dies zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern der Fall ist. Dieser Gesichtspunkt der wesentlich weiter gehenden Einwirkungsmöglichkeiten der Mitglieder des Vorstands gegenüber anderen, ebenfalls in fremdem Interesse tätig werdenden Personen ist entscheidend zur Begründung der unbeschränkten und unbeschränkbaren Haftung der Vorstandsmit-

1210 Siehe zum Ganzen bereits 3. Teil E. III. 3. b). Zu den Möglichkeiten der Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ihre Haftung zu beschränken, s. u. 4. Teil E. I. 1. b) aa) und 4. Teil Fn. 364. 1211 Anders anscheinend Brommer, AG 2013, 121, 129; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 399. 1212 Eine Ausnahme ist bspw. dann gegeben, wenn ein zuvor einwandfrei arbeitender Werkunternehmer in Ausführung seiner Tätigkeit plötzlich und unabsehbar einen wertvollen Gegenstand des Auftraggebers beschädigt. Im Unterschied zu dem „Schädigungspotenzial“ von Vorstandsmitgliedern werden solche Schäden aber nur in absoluten Ausnahmefällen vergleichbare Auswirkungen für den Auftraggeber haben wie dies bspw. bei einem Korruptionsskandal mit Schäden in Milliardenhöhe für eine Aktiengesellschaft der Fall ist.

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

357

glieder.1213 Eine unbillige Benachteiligung, die zwingend zu korrigieren wäre, liegt daher nicht vor. cc) GmbH-Geschäftsführer Anders als die Haftung der Mitglieder des Vorstands kann die Haftung des Geschäftsführers in der GmbH durch Satzung oder Anstellungsvertrag in weitem Umfang abbedungen werden.1214 Bereits im Zusammenhang des Vergleichs zwischen Vorstandsmitgliedern und persönlich haftenden Unternehmern konnte insoweit herausgearbeitet werden, dass das deutsche Recht Haftung und Eigenverantwortlichkeit eines Geschäftsleiters verknüpft. Es konnte dort festgestellt werden, dass die Möglichkeit der Haftungsbegrenzung des Geschäftsführers in der GmbH mit den im Vergleich zur Hauptversammlung wesentlich größeren Einwirkungsbefugnissen der Gesellschafterversammlung auf die Geschäftsführung, insbesondere dem Weisungsrecht, zu begründen ist. Eine unbillige Benachteiligung der Vorstandsmitglieder liegt mithin auch gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer nicht vor.1215 c) Vergleich mit Deliktsschuldnern Als weitere Vergleichsgruppe sind, da auch für diese ein vorheriger Haftungsausschluss, wenn auch nicht aus rechtlichen, sondern vorrangig aus tatsächlichen Gründen, praktisch kaum in Betracht kommt, Schuldner deliktischer Schadensersatzansprüche heranzuziehen. Anders als Vorstandsmitglieder werden diese nicht dauerhaft im Interesse des Geschädigten tätig. Eine existenzvernichtende Haftung aufgrund lediglich leichter Fahrlässigkeit kommt aber auch hier in Betracht,1216 haftet doch auch der deliktisch Handelnde im Grundsatz mindestens für jede Fahrlässigkeit.1217 Zwar bestehen für besonders schadensträchtige Verhaltensweisen, etwa das Halten eines Kraftfahrzeugs, welches im öffentlichen Verkehrsraum gebraucht wird,1218 Versicherungspflichten und wird es hier vergleichsweise selten vorkommen, dass die Deckungssumme einer solchen Versicherung überschritten wird1219 – zu1213 Vgl. auch die Ausführungen zum Zusammenhang der eigenverantwortlichen Leitung eines Unternehmens und unbeschränkter und unbeschränkbarer Haftung unter 3. Teil E. V. 1. a) cc) (3). 1214 Siehe oben 3. Teil B. III. 5. bei Fn. 515. 1215 Siehe zum Ganzen auch oben unter 3. Teil E. V. 1. a) cc) (3). 1216 Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637. 1217 Eine Ausnahme bildet bspw. § 826 BGB; eine solche in die Gegenrichtung stellen die Gefährdungshaftungstatbestände dar, bspw. § 833 S. 1 BGB; § 7 Abs. 1 StVG (Ausnahme: höhere Gewalt, Abs. 2). 1218 § 1 PflVG. 1219 Die Mindestversicherungssumme einer Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung nach § 1 PflVG beträgt nach der Anlage zu § 4 Abs. 2 PflVG Nr. 1 für Personenschäden 7,5 Mio. E, für Sachschäden 1,12 Mio. E sowie für auch nicht mittelbar mit einem Personen- oder Sachschaden zusammenhängende Vermögensschäden 50.000 E.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

mindest sind derartige Fälle bisher nicht öffentlich bekannt geworden. Andererseits bestehen in zahlreichen Bereichen, etwa bei der Teilnahme am Straßenverkehr als Fußgänger oder Fahrradfahrer, keinerlei Versicherungspflichten, sodass hier, zwar abhängig vom Schaden und den Vermögensverhältnissen des Schädigers im Einzelfall, aber doch als realistisches Szenario, eine die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Ersatzpflichtigen ganz erheblich übersteigende Schadensersatzpflicht in Betracht kommt. Eine solche Ersatzpflicht kann jedoch durch die Beschaffung entsprechenden Haftpflichtversicherungsschutzes, der zu vergleichsweise günstigen Bedingungen auch in Millionenhöhe erhältlich ist,1220 ebenfalls aufgefangen werden und es ist, anders als bei der Vorstandshaftung, ohne Weiteres der Abschluss eines Vergleichs mit dem Geschädigten möglich. Demnach ist die Bedrohung durch eine „existenzvernichtende“ Höhe der drohenden Haftung im Deliktsrecht weniger ausgeprägt als im Recht der Vorstandshaftung, sofern keiner der zuvor erörterten Begrenzungsmechanismen eingreift. Dieser Befund begründet jedoch keine korrekturbedürftige Unbilligkeit. Ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts, dass eine deliktische Haftung grundsätzlich strenger sein muss als eine vertragliche oder solche aus einem Organschaftsverhältnis ist nicht gegeben. Im Gegenteil wird ein als Gläubiger der Leistung des späteren Schadensersatzpflichtigen an einem aufgrund des Willens der Parteien entstandenen Schuldverhältnis Beteiligter dieses nicht nur eingegangen sein, um der Gegenpartei einen Vergütungs- oder Beschäftigungsanspruch zu sichern, sondern sich zwar einerseits deren Dienste, andererseits aber auch eine Haftung, insbesondere für reine Vermögensschäden, wie sie § 823 Abs. 1 BGB gerade nicht vorsieht, sichern wollen.1221 Ferner fehlt es auch beim Deliktsschuldner an Einwirkungsmöglichkeiten auf den Geschädigten, die mit denen des Vorstands vergleichbar sind. Daher ergibt sich auch aus dem Vergleich zwischen Vorstandsmitgliedern und deliktisch Haftenden keine Korrekturbedürftigkeit der Vorstandshaftung. d) Zwischenfazit Die unbeschränkte und unbeschränkbare Haftung aus § 93 AktG benachteiligt Vorstandsmitglieder innerhalb des Haftungsgefüges des deutschen Rechts nicht in ungerechtfertigter Weise. Es konnte keine Vergleichsfigur gefunden werden, die im Hinblick auf die Kriterien der Beteiligung am Unternehmenserfolg, der eigenverantwortlichen Möglichkeiten, auf das Vermögen eines Anderen einzuwirken, und der Haftung umfassend mit den Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft übereinstimmt. Im Vergleich mit anderen Personen, die ein Unternehmen unter eigener Verantwortung leiten, hat sich gezeigt, dass rechtsformübergreifend eine Verknüpfung von unbeschränkter Leitungsmacht mit unbeschränkbarer Verschuldenshaftung vorzufinden ist. Hierin fügt es sich ein, dass die Mitglieder des Vor1220 1221

270.

Siehe unten 4. Teil G. II. 4. Vgl. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 296 f.,

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stands, der gemäß § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft weisungsfrei unter eigener Verantwortung zu leiten hat, einer solchen Haftung unterliegen. Im Vergleich mit auf vertraglicher Grundlage in fremdem Interesse tätig werdenden Personen, denen der Gesetzgeber eine Haftungsbeschränkung für einfach fahrlässiges Verhalten zumindest gestattet, haften die Vorstandsmitglieder zwar mangels einer solchen Möglichkeit privatautonomer Haftungsregelungen strenger. Umgekehrt stehen aber auch keinem Schuldner einer fremdnützigen Leistung vergleichbare Möglichkeiten, auf die Rechte und Rechtsgüter des Gläubigers einzuwirken, zu. Dementsprechend besteht bei keinem dieser Gläubiger ein mit dem Interesse der Aktiengesellschaft im Verhältnis zu ihren Vorstandsmitgliedern vergleichbares Bedürfnis, sich durch die Haftungsdrohung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen. Gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer, der ebenfalls, anders als die übrigen vergleichsweise herangezogenen Schuldner, als gesetzlicher Vertreter der GmbH erst deren rechtliche Handlungsfähigkeit schafft, besteht der Unterschied, dass dort, anders als in der Aktiengesellschaft, die Gesellschafter als wirtschaftlich Betroffene weitreichende Befugnisse haben, durch Weisung auf das Verhalten des Geschäftsleiters einzuwirken. Es fehlt daher an einer derjenigen des Vorstands vergleichbaren Eigenverantwortlichkeit. Auch im Vergleich mit der deliktischen Haftung, die durch regelmäßig schadensdeckende Haftpflichtversicherungen, wo diese nicht bereits verpflichtend sind, abgemildert werden kann, konnte keine zwingend korrekturbedürftige Unstimmigkeit festgestellt werden. Zu begründen war dies zum einen mit den Unterschieden zwischen unfreiwillig und freiwillig eingegangenen Schuldverhältnissen, zum anderen abermals mit den Einwirkungsmöglichkeiten des Vorstands auf die Gesellschaft. Eine unbillige Benachteiligung im Sinne einer innerhalb der Systematik der zivilrechtlichen Haftungstatbestände unstimmig strengen Vorstandshaftung, die zu korrigieren wäre, kann nach alldem nicht festgestellt werden. 2. Die Vorstandshaftung aus dem Blickwinkel des Verfassungsrechts Die Frage der Vereinbarkeit der unbeschränkbaren Vorstandshaftung mit dem Grundgesetz wird, soweit ersichtlich, bislang allein von Scholz1222 untersucht. Die Fragestellung umfasst zwei Problemkreise. Zum einen gilt es zu untersuchen, ob der als Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen für Verschulden Haftenden herausgearbeitete Gesichtspunkt der Eigenverantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder in Abwägung mit den Interessen der Gesellschaft eine unbeschränkbare Haftung, die erst auf der Ebene der Zwangsvollstreckung durch die Pfändungsfreigrenzen der 1222

Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 244 ff.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

ZPO oder die Beschreitung des Weges der Privatinsolvenz durch das Vorstandsmitglied abgemildert wird, aus verfassungsrechtlicher Sicht trägt. Zum anderen wird auch, wie bereits durch die verfassungsrechtliche Begründung der Arbeitnehmerhaftung nach den Grundsätzen der betrieblich veranlassten Tätigkeit, die Frage aufgeworfen, ob die Schutzmechanismen gegen eine im engeren Sinne existenzvernichtende Haftung für jedes Verschulden aus verfassungsrechtlicher Sicht revisionsbedürftig sind. Letztere berührt Grundsatzfragen der zivilrechtlichen Verschuldenshaftung und des Verfassungsrechts. Ihre Erörterung würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit ersichtlich sprengen. Daher soll sich die Untersuchung hier bewusst auf Besonderheiten der Vorstandsinnenhaftung beschränken und die Frage der Vereinbarkeit der für das gesamte Recht geltenden Haftungsgrenzen mit dem Grundgesetz ausgespart werden. a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Problem wirtschaftlicher Überforderung durch Haftung Anders als Scholz1223 annimmt, sind aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur „existenzvernichtenden“ Haftung in anderen Zusammenhängen keine Rückschlüsse auf eine verfassungsrechtliche Bedenklichkeit der geltenden Regelung der Vorstandsinnenhaftung zu ziehen. aa) Die „Bürgschaftsentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts Unter Hinweis auf die umstrittene Frage, ob es sich bei der Vorstandsinnenhaftung um eine vertragliche handelt,1224 kommt Scholz zu dem Ergebnis, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Voraussetzungen eines korrigierenden richterlichen Eingriffs in bestehende Vertragsverhältnisse, wie sie in der sog. „Bürgschaftsentscheidung“1225 zum Ausdruck kommt, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die unbeschränkbare Vorstandshaftung ergäben.1226 Dem ist nicht zuzustimmen. (1) Sachverhalt und Entscheidungsgründe Den Gegenstand der Entscheidung bildet der in ganz ähnlicher Form vielfach begegnende Fall einer Bürgschaft eines geschäftlich unerfahrenen Familienmitglieds für Verbindlichkeiten aus einem Geschäftsbetrieb unter Einschluss sämtlicher Verbindlichkeiten und Ausschluss nahezu sämtlicher gesetzlicher Vorschriften zum Schutz des Bürgen, mit der die Bürgin im vom Bundesverfassungsgericht zu ent1223

Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 245 ff. Siehe dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 5; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 9 ff. sowie die dortigen Nachweise. 1225 BVerfGE 89, 214. 1226 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 245 ff. 1224

E. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft

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scheidenden Fall derart finanziell überfordert war, dass nicht einmal die Zinsverbindlichkeit ansatzweise bedient werden konnte. Das Bundesverfassungsgericht hatte aufgrund der im Anschluss an den Instanzenzug erhobenen Verfassungsbeschwerde der Bürgin dazu Stellung zu nehmen, unter welchen Voraussetzungen eine gerichtliche Korrektur bestehender Vertragsverhältnisse anhand der Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB zur Gewährleistung der grundrechtlich geschützten Privatautonomie als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit1227 in Betracht gezogen werden müsse. Zivilgerichte haben demnach „bei der Anwendung der Generalklauseln darauf zu achten, daß Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen.“1228 Eine gerichtliche Inhaltskontrolle sei dann angezeigt, wenn eine für eine Partei ungewöhnlich belastende Vertragsgestaltung, die dem Interessenausgleich der Parteien in offensichtlich unangemessener Weise Rechnung trage, als Ausfluss einer „strukturellen Unterlegenheit“1229 des benachteiligten Vertragsteils gegeben sei. Handle es sich dabei um eine „typisierbare Fallgestaltung“,1230 müsse die Zivilrechtsordnung Korrekturen ermöglichen, wozu namentlich die Generalklauseln heranzuziehen seien.1231 (2) Fehlende Vergleichbarkeit der Bürgen- und Vorstandshaftung Bereits der Zusammenhang, in dem das Bundesverfassungsgericht diese Grundsätze aufgestellt hat, verhindert eine Übertragung auf die Vorstandsinnenhaftung. Selbst wenn man diese als vertragliche einordnen möchte, unterscheidet sie sich erheblich von der Haftung eines Bürgen, insbesondere in den Fällen solcher „Familienbürgschaften“ wie in dem der dargestellten Entscheidung zugrunde liegenden Fall. Bei der Haftung der Vorstandsmitglieder nach § 93 AktG handelt es sich um eine solche für Schäden aufgrund schuldhafter Pflichtverletzung. Mithin kann ein Vorstandsmitglied, anders als ein Bürge, die Wahrscheinlichkeit seiner Inanspruchnahme ganz wesentlich selbst beeinflussen. Ferner ist die Bürgschaft ein einseitig verpflichtender Vertrag, während die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhalten und daneben, ebenfalls im Unterschied zum Bürgen, ganz erheblich auf Rechte der Gesellschaft als Gläubigerin ihrer Leistung einwirken können. Weiterhin, dies stellt das Bundesverfassungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich fest, dienen Bürgschaften von Angehörigen nicht nur der Erweiterung der Haftungsmasse, sondern maßgeblich auch der Vermeidung von Vermögensverschiebungen und der Verhaltenssteuerung des Kreditnehmers, indem davon ausgegangen wird, dass dieser sorgfältiger wirt-

1227 1228 1229 1230 1231

Art. 2 Abs. 1 GG; s. BVerfGE 89, 214, 231 sowie die dortigen Nachweise. BVerfGE 89, 214, 234. BVerfGE 89, 214, 232. BVerfGE 89, 214, 232. BVerfGE 89, 214, 232, 234.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

schaften werde, wenn seine Angehörigen „mitgehangen“ sind.1232 Der Kreditgeber kann sich durch eine Bürgschaft eines weitgehend mittellosen Angehörigen des Schuldners auch offensichtlich nicht gegen einen Forderungsausfall absichern wollen. Hierzu stünden ihm aber andere Mittel, wie die Bürgschaft einer ausreichend leistungsfähigen Person, Grundpfandrechte oder dergleichen zur Verfügung. Bei Fehlen solcher Sicherheiten könnte er sich entscheiden, dem betreffenden Schuldner keinen oder nur zu erheblich schlechteren Bedingungen Kredit zu geben. Vergleichbare Überlegungen ergeben sich für die Vorstandsinnenhaftung nicht. Die Vorstandsmitglieder haften für einen durch sie herbeigeführten Schaden, mithin nicht für die Verbindlichkeit eines Dritten, die die Gesellschaft auch anderweitig ohne erheblichen zusätzlichen wirtschaftlichen Aufwand hätte absichern können. Die Anforderungen, die in diesem Verhältnis an die Feststellung einer gestörten Vertragsparität zu stellen sind, müssten mithin andere, höhere, sein. Die Möglichkeit der wirtschaftlichen Überforderung der Vorstandsmitglieder kann, wie im Übrigen auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bürgschaft,1233 allein keinesfalls ausreichen. (3) Ausgestaltung der Vorstandshaftung durch den Gesetzgeber Das Konzept der Vertragsparität passt indes auf die Vorstandshaftung nur ganz begrenzt. Die Haftung nach § 93 AktG ist aufgrund der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG umfassend zwingend. Eine Möglichkeit, die Haftungsbedingungen in vergleichbarer Weise wie Gläubiger und Bürge auszuhandeln, ist damit nicht gegeben. In der Bürgschaftsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts geht es um den Schutz der Privatautonomie, die einen angemessen Interessenausgleich in auf dem übereinstimmenden Willen der Parteien beruhenden Schuldverhältnissen gewährleistet, durch die Korrektur von Verträgen, auf die dies aus den genannten Gründen nicht zutrifft.1234 Die Bedingungen, unter denen Vorstandsmitglieder für Schäden der Gesellschaft haften, sind dagegen umfassend gesetzlich vorgegeben, sodass es insoweit gerade nicht um die Korrektur fehlender Vertragsparität durch einen richterlichen Eingriff in ein zwischen den Parteien ausgehandeltes Vertragsverhältnis geht. Vielmehr würde eine entsprechende Korrektur auf verfassungsrechtlicher Grundlage die Verfassungswidrigkeit der Regelung der Vorstandshaftung in § 93 AktG implizieren und kommt daher nicht schon unter den in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verwandtenbürgschaft aufgestellten Voraussetzungen in Betracht.

1232 BVerfGE 89, 214, 215 unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bundesverbandes deutscher Banken in dem Verfahren. 1233 Siehe BVerfGE 89, 214, 235 f. 1234 Siehe BVerfGE 89, 214, 232.

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bb) „Existenzvernichtende“ Haftung im Deliktsrecht Das Problem „existenzvernichtender“ Haftung aufgrund gesetzlich umfassend geregelter Voraussetzungen, wie sie namentlich im Deliktsrecht gegeben sind, war bisher vom Bundesverfassungsgericht nicht zu behandeln. Ohne Entscheidung zur Sache wegen Unzulässigkeit aufgrund des Vorliegens vorkonstitutionellen Rechts abgewiesen wurde lediglich eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG, der die Frage der Verfassungsmäßigkeit der umfassenden Deliktshaftung Minderjähriger nach § 828 Abs. 2 BGB aF1235 zugrunde lag.1236 In dem zu entscheidenden Fall ging es um einen Verkehrsunfall, bei dem ein 16-Jähriger, ohne dass zu seinen Gunsten eine Haftpflichtversicherung eingriff, schwere Verletzungen verursachte, in deren Folge die Geschädigte pflegebedürftig wurde. Für die dadurch entstandenen Heilbehandlungskosten wurde der Schädiger von dem in Vorleistung gegangenen Sozialversicherungsträger der Geschädigten in Anspruch genommen. Auch diese Konstellation ist mit der Vorstandshaftung nicht zu vergleichen. Zum einen handelte es sich nicht um eine aufgrund eines freiwilligen Entschlusses übernommene, sondern um die allgemeine deliktische Verschuldenshaftung. Zum anderen waren für die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 828 Abs. 2 BGB aF, nicht etwa des § 823 BGB, die Erwägungen maßgeblich, dass es sich bei dem Unfallhergang, einer Mopedfahrt, um eine „typische Jugendverfehlung“ handle und zudem der Sozialversicherungsträger für den geltend gemachten Schaden der Verletzten gegenüber ebenfalls einstandspflichtig war, sodass diese durch eine Korrektur der Haftung des Minderjährigen nicht benachteiligt worden wäre.1237 Abgesehen davon, dass auch die Vorstandsmitglieder für fahrlässiges Fehlverhalten möglicherweise erheblich haften, fehlt es den Fällen an jeglicher Gemeinsamkeit. cc) Zwischenfazit Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die sich mit dem Problem wirtschaftlicher Überforderung durch Haftung befasst, ergeben sich mangels Vergleichbarkeit der entschiedenen Fallgestaltungen mit der der Vorstandsinnenhaftung für fahrlässiges Handeln keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die durch § 23 Abs. 5 AktG zwingende Regelung des § 93 AktG.1238

1235

Seinem Regelungsgehalt entsprechend Abs. 3 der geltenden Fassung. BVerfG NJW 1998, 3557; s. LG Dessau, NJW-RR 1997, 214; dazu auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 250. 1237 LG Dessau, NJW-RR 1997, 214. 1238 Anders Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 245 ff.; im hiesigen Sinne auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307. 1236

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

b) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an zwingendes Privatrecht und die Vorstandshaftung Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung der Vorstandsinnenhaftung ist mithin auf Grundlage der verfassungsrechtlichen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an zwingendes Privatrecht stellt, zu beurteilen. aa) Zwingendes Privatrecht und Grundrechte Bei der Ausgestaltung der Privatrechtsordnung, zu der auch die Entscheidung für zwingende Regelungen, durch die die Vertragsfreiheit der Beteiligten eingeschränkt wird,1239 gehört, steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu.1240 Innerhalb dessen sind grundrechtlich geschützte Interessen im Sinne praktischer Konkordanz zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.1241 Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten des Staates und damit die Verfassungswidrigkeit der einfachgesetzlichen Regelung kommt erst dann in Betracht, „wenn eine Grundrechtsposition den Interessen des anderen Vertragspartners in einer Weise untergeordnet wird, daß in Anbetracht der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechts von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann.“1242 bb) Verfassungskonformer Interessenausgleich zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern durch die gesetzliche Regelung der Vorstandsinnenhaftung Diesen Anforderungen genügt die gesetzliche Regelung der Vorstandsinnenhaftung des Aktiengesetzes. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Angemessenheit des Ausgleichs der beteiligten Grundrechte bei der Regelung der Vorstandshaftung, namentlich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) auf Seiten der Vorstandsmitglieder1243 sowie des Eigentums (Art. 14 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) als Grundrecht auf Vermögensschutz auf Seiten der Gesellschaft und mittelbar der Aktionäre, werden unter mehreren Gesichtspunkten formuliert.

1239 1240 1241 1242 1243

Vgl. BVerfGE 91, 242, 255. BVerfGE 81, 242, 255; 97, 169, 176. BVerfGE 81, 242, 255; 89, 214, 232 ff. BVerfGE 97, 169, 176 f. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 244 Fn. 680.

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(1) Verfassungsrechtliche Kritik an der Regelung der Vorstandshaftung Problematisiert werden (i) die häufig exorbitante Höhe der Schäden und damit der Haftung in der Aktiengesellschaft, (ii) die Beweislastumkehr hinsichtlich Pflichtverletzung und Verschulden zum Nachteil der Vorstandsmitglieder in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG, (iii) die grundsätzliche Verpflichtung des Aufsichtsrats, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft geltend zu machen, (iv) die gesteigerten Anforderungen an nachträgliche Haftungserleichterungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, (v) die mangelnde Versicherbarkeit der Haftungsrisiken sowie (vi) die Begrenzung der Vergütung der Vorstandsmitglieder in § 87 Abs. 1 AktG, die einem angemessenen Ausgleich der Haftungsgefahren durch entsprechende Vergütung entgegenstehe.1244 Diese in der Tat strengen Haftungsbedingungen tragen indes schützenswerten Interessen der Gesellschaft und mittelbar der wirtschaftlich betroffenen Aktionäre Rechnung. (2) Keine Begründung einer Schadenstragung durch Gesellschaft und Aktionäre Die Höhe der als Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft zu verursachenden Schäden ergibt sich aus dem Zuschnitt dieser Rechtsform als „Kapitalsammelbecken“. Je höher das Kapital ist, das der Gesellschaft zur Verfügung steht, mit dem mithin der Vorstand wirtschaften kann, desto höher werden grundsätzlich auch die Schäden sein, die bei der Vorstandstätigkeit verursacht werden. Ursächlich für die Kapitalausstattung der Gesellschaft und damit das Schadenspotenzial, dem die Vorstandsmitglieder ausgesetzt sind, sind die Aktionäre als „wirtschaftliche Eigentümer“. Eine Reduzierung der Vorstandshaftung oberhalb der für sämtliche Schuldner geltenden Pfändungsschutzvorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts würde den Betrag, um den die Haftung der Vorstandsmitglieder gemindert würde, der Gesellschaft, im wirtschaftlichen Ergebnis also den Aktionären zuweisen. Wie bereits zur Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung ausgeführt, liegt der Beitrag der Gesellschaft zu einer pflichtwidrigen Schädigung durch den Vorstand in ihrer bloßen Existenz, insbesondere ist ihr gegenüber den Vorstandsmitgliedern kein Betriebsrisiko zuzurechnen. Eine zwingende, über das durch allgemeine Vorschriften gewährleistete Schutzniveau für jeden Schuldner hinausgehende Beschränkung der Vorstandshaftung würde die Gesellschaft gegenüber anderen Gläubigern benachteiligen. Zwar steht der Gewinn, den glücklich agierende Vorstandsmitglieder erwirtschaften, unmittelbar allein der Gesellschaft zu. Umgekehrt trägt aber auch allein sie Verluste aus unglücklichen unternehmerischen Entscheidungen des Vorstands, was durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren hat. Daraus ist nicht zu folgern, dass die Gesellschaft über unternehmerische Fehlschläge hinaus Verluste aus fahrlässigen Schädigungen durch die Vorstandsmitglieder zu einem allgemeine Regeln übersteigenden Anteil selbst zu tragen hätte. Im Falle einer von wenigen Aktionären 1244

Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 248.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

unter Investition ihres wesentlichen Vermögens gehaltenen Gesellschaft bedeutete dies, dass sie, deren einziger Beitrag zu dem Schaden darin liegt, das geschädigte Vermögen zur Verfügung gestellt zu haben, mit einem über den aufgrund der zwangsvollstreckungsrechtlichen Schuldnerschutzvorschriften vorgesehenen hinausgehenden Teil ihres Schadens ausfallen würden. Dagegen würden die schuldhaft handelnden Vorstandsmitglieder gegenüber anderen Schuldnern privilegiert. Eine solche Sozialisierung des Schadens sowie der Schadenszurechnungsgrund der schlichten Existenz eines zu schädigenden Objekts sind dem geltenden Recht fremd und von Verfassungs wegen nicht geboten. (3) Kein abweichendes Ergebnis für die kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaft Daran ändert sich auch in der kapitalmarktorientierten Gesellschaft, wo sich der Schaden zum einen auf eine größere Zahl von Aktionären verteilt, die zum anderen ihrerseits die Möglichkeit der Diversifikation ihres Investments zur Schadensbegrenzung haben, nichts. Während es für unternehmerische Verluste als notwendiges Gegenstück zu den ebenfalls den Aktionären zufließenden Gewinnen angemessen und wirtschaftlich sinnvoll erscheint, eine Haftung des Vorstands auszuschließen, trifft dies auf schuldhaft herbeigeführte Schäden nicht zu. Zwar wären bei einer Vielzahl an Aktionären diese besser in der Lage, den Verlust zu kompensieren, indem maximal das investierte Kapital verloren wäre. Ein rechtlicher Grund für eine entsprechende Schadenzuweisung ist indes, abgesehen von Billigkeitserwägungen, nicht ersichtlich. Diese hier anzuerkennen würde bedeuten, auch an anderer Stelle, an der der Geschädigte wirtschaftlich besser in der Lage wäre, einen Schaden zu tragen, über eine Haftungsbeschränkung nachdenken zu müssen.1245 Diese Grundsatzfrage soll und kann hier nicht vertieft werden. (4) Keine Überschreitung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Vorstandshaftung durch zwingende gesetzliche Regelungen Es bleibt der Einwand, dass das Aktiengesetz auch verhindert, dass Aktionäre, die bereit wären, entsprechende Ausfallrisiken auch für fahrlässige Schädigungen des Gesellschaftsvermögens zu übernehmen, eine Aktiengesellschaft gründen können, die den Vorstandsmitgliedern satzungsmäßig oder anstellungsvertraglich entsprechende Zugeständnisse machen könnte. Die zwingende Regelung der Vorstandshaftung trägt indes dem Zuschnitt der Aktiengesellschaft als auf Fungibilität der Anteile und einen großen Gesellschafterkreis angelegter, börsenfähiger Kapitalgesellschaft Rechnung. In einer personalistisch strukturierten Aktiengesellschaft mag die Aushandlung eines Anstellungsvertrags im Sinne eines angemessenen Interessenausgleichs theoretisch durchaus möglich sein. In einer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft ergäben sich indes erhebliche Gefahren einer Kollusion des für 1245

Vgl. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701.

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die Aushandlung des Anstellungsvertrags zuständigen Aufsichtsrats und der anzustellenden Vorstandsmitglieder zum Nachteil der Gesellschaft. Ferner würde eine individuelle, auch satzungsmäßige Regelung der Vorstandshaftung die Interessen der Gläubiger und potenzieller künftiger Aktionäre berühren und dadurch die börsliche Handelbarkeit der Anteile beeinträchtigen. Aufgrund dieser Sachgründe für eine Ausgestaltung der Vorstandshaftung als zwingende gesetzliche Regelung ist zumindest von einer Überschreitung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht auszugehen. (5) Kein Einwand aus den Bedingungen der Versicherbarkeit Die Versicherbarkeit der Vorstandshaftung ist, wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, weniger mangelhaft als dies von der weit überwiegenden Meinung im Schrifttum unterstellt wird. Das Problem, dass Versicherer in aller Regel zunächst eine Einstandspflicht verneinen werden und in zahlreichen Fällen eine gerichtliche Auseinandersetzung erforderlich wird, besteht über die Vorstandshaftung hinaus. Eine gewisse Rolle werden hier auf Seiten der Versicherer freilich auch die in Frage stehenden Haftungssummen spielen, sodass ein Kfz-Versicherer wegen einiger Tausend Euro sicherlich leichter in Anspruch zu nehmen sein wird als ein Versicherer im Bereich der D&O, wo es um mehrstellige Millionensummen tragende Konsortien geht. Auch daraus ergibt sich indes nicht die Verfassungswidrigkeit des geltenden Rechts der Vorstandshaftung. Gegen eine im Wortsinne existenzvernichtende Haftung schützen die Vorstandsmitglieder, wie jeden anderen Schuldner, die Pfändungsschutzvorschriften der ZPO sowie die Möglichkeit der Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung nach der InsO.1246 Eine Begründung, weshalb diese Vorschriften für Vorstandsmitglieder nicht ausreichen sollten, müsste ebenfalls umgekehrt begründen, weshalb eine Schadenstragung durch die Aktionäre zum Schutz der Vorstandsmitglieder von Verfassungs wegen geboten sein sollte. Ein solcher Grund ergibt sich, wie erörtert, nicht aus dem Schutz der Grundrechte der Vorstandsmitglieder. Eine gesetzgeberische Abwägung zwischen den Interessen des Gläubigers an der Erfüllung seiner Forderung und dem Schutz des Schuldners vor einer dauerhaft erdrückenden Haftungsbelastung enthalten bereits die Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts und der InsO.1247 (6) Verfassungswidrigkeit aus nicht auf die Vorstandshaftung beschränkten Gründen? Eine Verfassungswidrigkeit der geltenden Regelung der Vorstandshaftung im Aktiengesetz könnte mithin aufgrund eines verfassungsrechtlichen Gebots der Sozialisierung von Schäden, das aber, mangels spezifisch die Vorstandshaftung be1246 Auf diese weisen auch Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 843; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 80 hin. 1247 Vgl. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701.

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3. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata

treffender rechtfertigender Gründe, eine Frage der zivilrechtlichen Haftung im Allgemeinen wäre und daher hier nicht behandelt werden soll, in Betracht kommen. Daneben könnten, wie bereits oben angedeutet, die Schuldnerschutzvorschriften der ZPO und der InsO aus verfassungsrechtlicher Sicht in Frage gestellt werden. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit sind hier indes nicht ersichtlich. Auch dieses Problem soll wegen seiner die Haftung im Allgemeinen betreffenden Bedeutung hier nicht vertieft werden. c) Zwischenfazit Nach alldem bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken speziell gegen die geltende Regelung der Vorstandsinnenhaftung. Damit soll indes nicht die Aussage verbunden sein, dass die Ausgestaltung der Vorstandshaftung de lege lata den bestmöglichen Ausgleich der Interessen der Vorstandsmitglieder und der Gesellschaft und ihrer Aktionäre gewährleistet. Auf mögliche Reformen soll im Folgenden eingegangen werden. 3. Zwischenfazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass weder aus Gründen der zivilrechtlichen Haftungssystematik noch solchen des Verfassungsrechts eine Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung de lege lata notwendig erscheint.

F. Fazit Die Untersuchung der „Grenzen“ der Vorstandshaftung, die das geltende Recht bereits vorsieht, hat gezeigt, dass die unbeschränkte und unbeschränkbare Verschuldenshaftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft bereits de lege lata in wesentlich stärkerem Maße begrenzt ist, als dies zunächst den Anschein hat. Eine umfassende Haftungsbegrenzung ist nicht gegeben und aufgrund des zwingenden Charakters der Regelung des § 93 AktG auch durch Satzung oder Vertrag nicht zu vereinbaren. Indes bedeutet die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, die eine Haftung für Schäden aus unternehmerischen Fehlschlägen erst dann vorsieht, wenn Vorstandsmitglieder nicht mehr ohne grobe Fahrlässigkeit davon ausgehen konnten, auf Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, trotz der diesbezüglichen Beweislastverteilung eine deutliche Haftungserleichterung im Bereich unternehmerischen Handelns. Hinzu kommen die ebenfalls häufig als besonders haftungsträchtig angesehene Pflichtverletzungen wie Ordnungswidrigkeiten, namentlich solche im Kartellrecht, Korruption im Unternehmen und Handeln außerhalb des Unternehmensgegenstands betreffenden Grundsätze der Vorteilsausgleichung, die, wie beispielhaft am Fall „Siemens“ il-

F. Fazit

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lustriert wurde, eine ganz erhebliche Haftungsentlastung der Höhe nach bedeuten können. Eine vergleichsweise weitreichende Erleichterung der Vorstandshaftung kann daneben durch den Abschluss einer D&O-Versicherung erreicht werden. Eine „Vollkaskoversicherung“ der Vorstandsmitglieder ist indes einerseits aufgrund der Begrenzung der Versicherungsdeckung der Höhe nach, andererseits aufgrund von Haftungsausschlüssen und der Ausgestaltung solcher Versicherungsverträge nicht zu erhalten. Trotz der Schärfe der Vorstandshaftung konnte weder eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung gegenüber anderen Schuldnern im Zivilrecht noch ein verfassungsrechtliches Gebot einer Haftungsbegrenzung festgestellt werden.

4. Teil

Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda Es bleibt damit die Frage, inwieweit die geltenden Regeln der Vorstandsinnenhaftung die bestmögliche Anreizstruktur im Sinne einer dem Interesse der Gesellschaft entsprechenden Leitung durch die Vorstandsmitglieder einschließlich der Eingehung sinnvoller unternehmerischer Risiken bieten. Auf sie soll im Folgenden eingegangen werden. Den Ausgangspunkt sollen dabei die im Vorfeld und im Nachgang des 70. Deutschen Juristentages unterbreiteten Reformvorschläge bilden. Auf Grundlage der gefundenen Ergebnisse zum geltenden Recht der Vorstandshaftung sollen diese kritisch beleuchtet und davon ausgehend eigene Reformansätze formuliert werden.

A. Verzicht und Vergleich I. Die Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Nicht erst in jüngster Zeit ist die dreijährige Sperrfrist zwischen der Entstehung eines Organhaftungsanspruchs aus § 93 AktG und einem zulässigen Verzicht auf oder Vergleich über einen solchen Anspruch der Gesellschaft, wie sie § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vorsieht, rechtspolitisch umstritten.1 Auch der Juristentag hat sich mit

1 Für deren Abschaffung Paefgen, AG 2014, 554, 573 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 249; Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 143; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2122 f.; Fleischer, WM 2005, 909, 918 f.; ders., AG 2015, 133, 140; Semler, AG 2005, 321, 333; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 164; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 28a; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 505; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 898 f.; ders., NZG 2011, 217, 221 Rn. 51; ders., NZG 2012, 380, 383 Rn. 26; krit. auch Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 918; ders., ZHR 177 (2013), 756, 770 f.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1308; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; Grunewald, AG 2013, 813, 816; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 644 ff.; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 206; Ihlas, D&O, S. 308 f.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344; Zimmermann, FS Duden, 1977, 773, 774; Krieger, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rn. 44; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 307; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 52.

A. Verzicht und Vergleich

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deutlicher Mehrheit für ihre ersatzlose Streichung ausgesprochen.2 Innerhalb der Dreijahresfrist ist eine gütliche Erledigung von Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen. Dadurch sollen zum einen voreilige Verfügungen über einen Anspruch, bevor dessen Höhe sowie der die zugrunde liegende Pflichtverletzung begründende Sachverhalt hinreichend aufgeklärt wurden, verhindert werden, zum anderen sollen die Mitglieder des Vorstands sich nicht darauf verlassen können, durch die Billigung ihres Tuns durch die Aktionäre, insbesondere einen Großaktionär, im Zeitpunkt der Pflichtverletzung von Haftung verschont zu bleiben.3 Eine zügige Erledigung von Haftungsfällen unter den Generalverdacht eines kollusiven Zusammenwirkens von Vorstand, Aufsichtsrat und gegebenenfalls Großaktionär zulasten der Gesellschaft zu stellen, geht allerdings zu weit. Neben der Sperrfrist steht das nicht an Sachgründe gebundene Minderheitenveto, das § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einer Aktionärsminderheit gewährt, deren Anteile zusammen zehn Prozent des Grundkapitals ausmachen, einem solchen missbräuchlichen Verzicht oder Vergleich entgegen. Zudem können in einigen Fallgestaltungen legitime Interessen der Beteiligten an einer raschen Erledigung von Ersatzansprüchen ohne die Öffentlichkeitswirkung eines Gerichtsverfahrens bestehen, deren Berücksichtigung de lege lata die zwingende Sperrfrist entgegensteht. 1. Die Sperrfrist als Hindernis interessengerechter Anspruchserledigung a) D&O-Versicherung Als Träger solcher Interessen kommen neben Vorstandsmitgliedern und Gesellschaft sowie mittelbar deren Gläubigern und Aktionären D&O-Versicherer in Betracht. Wie ausgeführt sind D&O-Versicherungen durch das Claims made Prinzip gerade darauf angelegt, möglichst rasch Gewissheit über eine mögliche Eintrittspflicht des Versicherers zu schaffen, sodass dem Konzept nach keine erheblichen Rückstellungen notwendig werden.4 Es bedarf keiner vertiefenden Ausführungen, um zu erkennen, dass ein von der Gesellschaft gemeldeter möglicher Versicherungsfall, der im Vergleichswege erledigt werden soll und dadurch über drei Jahre in einem Schwebezustand verharrt, um anschließend zu einem unter dem eigentlichen Schaden oder der Deckungssumme der Versicherung liegenden Betrag, in dessen Höhe der Versicherer Rückstellungen zu bilden hätte, erledigt zu werden, nicht im Interesse des Versicherers5 und, vermittelt durch die zu zahlenden Versicherungsprämien, mittelbar auch der Gesellschaft liegt. 2 Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 58:19:9 Stimmen (Beschluss I. 7. a)). 3 Zu diesen Zwecken der Sperrfrist bereits ausführlich im 3. Teil B. I. 1. 4 Siehe 3. Teil C. IV. 5 Vgl. Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 738; Fleischer, WM 2005, 909, 919; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 770; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 49.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

b) Vorstandsmitglieder Ferner haben freilich die schadensersatzpflichtigen Vorstandsmitglieder selbst ein Interesse daran, die gegen sie bestehenden Ansprüche, die regelmäßig erhebliche Summen erreichen und damit eine große finanzielle Belastung sowie im Falle einer öffentlichkeitswirksamen Klage auch eine künftiges Karrierehindernis darstellen können, möglichst rasch rechtssicher durch wirksamen Vergleich erledigt zu wissen. c) Gesellschaft Dasselbe Interesse kann in bestimmten Fallgestaltungen auch auf Seiten der Gesellschaft bestehen. Dieses kann zum einen in der Vermeidung einer langwierigen, öffentlichkeitswirksamen Auseinandersetzung über einen Schadensersatzanspruch, insbesondere wenn dessen Beitreibbarkeit ohnehin zweifelhaft ist, der Gesellschaft Reputationsschäden oder sonstige wirtschaftliche Folgen drohen oder das Ausscheiden des schadensstiftenden Vorstandsmitglieds gewünscht ist, liegen. Zum anderen kann eine (weitere) Zusammenarbeit mit dem Schadensersatzschuldner angestrebt sein.6 aa) Kooperation in Ordnungswidrigkeitenverfahren Im Schrifttum wird als ein solches Interesse die Sicherung der Kooperation des Vorstands in einem Bußgeldverfahren genannt.7 Insbesondere im Kartellrecht ist bei dem Grunde nach unbestreitbaren Verstößen eine Kooperation der Gesellschaft mit den Kartellbehörden im Hinblick auf eine vollumfängliche Aufklärung des Sachverhalts eine probate Verfahrensweise, eine ahndende Geldbuße möglichst gering zu halten.8 In diesem Zusammenhang sind es vor allem die an dem ordnungswidrigen Verhalten beteiligten Vorstandsmitglieder, die über bedeutsame Erkenntnisse verfügen werden, sodass die Gesellschaft regelmäßig auf ihre Mitarbeit angewiesen sein 6 Vgl. Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 770 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804; Paefgen, AG 2014, 554, 573; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 249; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2122 f.; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 898; Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 143; Ihlas, D&O, S. 308; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 206; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344; Fleischer, WM 2005, 909, 919; ders., ZIP 2014, 1305, 1308; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 307; Krieger, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rn. 44; Krieger/ Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 52; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 164; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 505; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 28a. 7 Harbarth, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 215, 221; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 111; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 49; vgl. Brommer, AG 2013, 121, 123. 8 Brommer, AG 2013, 121, 123. Vgl. auch das Vorgehen der Siemens AG in der Korruptionsaffäre, dargestellt im Geschäftsbericht 2009, S. 201 ff., abzurufen unter http://www.sie mens.com/investor/pool/de/investor_relations/d09_00_gb2009.pdf (zuletzt abgerufen am 27. 01. 2015).

A. Verzicht und Vergleich

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wird.9 Zu deren Sicherung wird die Möglichkeit einer anschließenden vergleichsweisen Erledigung der sich ergebenden Ersatzansprüche gegen diese Geschäftsleiter als hilfreich erachtet.10 Eine entsprechende Kooperationspflicht dürfte sich allerdings, zumindest soweit eine strafrechtliche Haftung der Vorstandsmitglieder nicht unmittelbar im Raum steht, bereits aus der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, die die Abwendung und Milderung der Gesellschaft drohender Schäden beinhaltet, mithin aus § 93 Abs. 1 AktG sowie dem Anstellungsvertrag,11 nach anderer Auffassung aus der Treupflicht,12 ergeben. Unabhängig davon, ob man Vorstandsmitglieder bereits rechtlich für zur Mitwirkung an einer Kooperation der Gesellschaft bei der Aufklärung einer von dieser begangenen Ordnungswidrigkeit für verpflichtet hält, werden in der überwiegenden Zahl der Fälle auch deren Eigeninteressen für eine solche Zusammenarbeit sprechen. Wie ausgeführt, handelt es sich bei einer aufgrund eines Verhaltens der Vorstandsmitglieder, das gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig war, gegen diese verhängten ahndenden Geldbuße um einen ersatzfähigen Schaden.13 Zwar kommt grundsätzlich als Verhaltensoption für die Vorstandsmitglieder auch die Verweigerung einer Kooperation bei den Ermittlungen in der Hoffnung, dass Teile des für die Bußgeldbemessung bedeutsamen Sachverhalts der zuständigen Behörde nicht bekannt werden, in Betracht. In einer Situation, in der die Gesellschaft freiwillig mit dieser zusammenarbeitet, wird eine solche Hoffnung allerdings nur noch in seltenen Fällen berechtigt sein. Somit wird sich die Mitarbeit der Geschäftsleiter bei der Aufklärung mit dem Ziel, eine von der Gesellschaft zu akzeptierende Geldbuße und damit die entsprechende Regressforderung gegen die beteiligten Organmitglieder möglichst niedrig zu halten, regelmäßig aus deren Sicht, auch ohne den Anreiz einer vergleichsweisen Regelung dieser Ansprüche, als wirtschaftlich sinnvollstes Verhalten darstellen.14 Hinzu kommt, dass es sich nach hier vertretener Auffassung bei dem Gewinnabschöpfungsanteil einer Geldbuße nicht um einen ersatzfähigen Schaden der Gesellschaft handelt, sodass, auch wenn sämtliche aufgrund illegalen Verhaltens erwirtschafteten Gewinne der Behörde bekannt und damit abgeschöpft werden, den Vorstandsmitgliedern hieraus kein Nachteil erwächst, diese vielmehr von einem 9 Fabisch, ZWeR 2013, 91, 111; ganz ähnl. Harbarth, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 215, 221. Zu den Schwierigkeiten einer Berücksichtigung des Interesses der Gesellschaft an einer solchen Kooperation des Vorstandsmitglieds im Rahmen der Abwägung des Für und Wider einer Anspruchsverfolgung vertiefend Fabisch, ZWeR 2013, 91, 113 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 130 ff. 10 Harbarth, Liber Amicorum Winter, S. 215, 223 f. 11 Vgl. Säcker, WuW 2009, 362, 372; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 50; a.A. Harbarth, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 215, 221. 12 So uneingeschränkt Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 130 f.; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 774, allerdings mit ähnl. Einschränkungen im Hinblick auf den nemo-tenetur-Grundsatz wie Harbarth, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 215, 221; auf diesen Grundsatz verweisend auch Fabisch, ZWeR 2013, 91, 114. 13 Siehe oben im 3. Teil bei Fn. 870; vgl. auch 3. Teil D. II. 2. b). 14 Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 50.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

aufgrund der Kooperation geringeren Ahndungsteil profitieren werden. Im Hinblick auf die Mitwirkung bei der Aufklärung von (Kartell-)Rechtsverstößen der Gesellschaft bedarf es daher nach dem Gesagten nicht zwingend weiterer Anreize in Form der Zulässigkeit einer zügigen vergleichsweisen Anspruchserledigung durch Streichung der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.15 bb) Einvernehmliches Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds Eine Fallgestaltung, die sich in vielen Fällen lediglich durch Zugeständnisse der Gesellschaft, etwa in Gestalt eines Vergleichs, im Interesse aller Beteiligten lösen lassen wird, ist die eines gewünschten einvernehmlichen Ausscheidens eines Vorstandsmitglieds in der Folge einer schadensstiftenden Pflichtverletzung.16 Aus vielfältigen Gründen kann es erwünscht sein, in einer solchen Situation eine Trennung ohne viel Aufhebens, insbesondere ohne die Öffentlichkeitswirkung eines Gerichtsverfahrens, sowohl in Form einer Schadensersatzklage der Gesellschaft als auch einer Klage des Vorstandsmitglieds gegen seine Abberufung aus wichtigem Grund, herbeizuführen.17 Entsprechende Verhaltensanreize kann die Gesellschaft nach geltendem Recht lediglich durch das Inaussichtstellen einer vergleichsweisen Regelung nach Ablauf der Sperrfrist setzen. Angesichts der Unwirksamkeit einer verbindlichen Zusage sowie des zusätzlichen Erfordernisses der Zustimmung einer in ihrer Zusammensetzung noch ungewissen Hauptversammlung sind aufgrund einer solchen Aussicht kaum nennenswerte Zugeständnisse von Seiten des Vorstandsmitglieds, das im Gegenzug keinerlei Rechtssicherheit erhält, sich vielmehr weiterhin dem Schadensersatzanspruch in voller Höhe ausgesetzt sieht, zu erwarten. Dementsprechend wird das Vorstandsmitglied möglichst hohe Abfindungsforderungen an die Gesellschaft stellen, um deren Schadensersatzanspruch einen aufrechnungsfähigen Posten gegenüberzustellen.18 cc) Verbleib im Vorstand Auch in dem umgekehrten Fall, dass trotz eines pflichtwidrigen Verhaltens der längerfristige Verbleib des Vorstandsmitglieds im Leitungsorgan dem Wohl der Gesellschaft entspricht, kann sich ein schutzwürdiges Interesse an einer raschen Bereinigung des Sachverhalts, aufgrund dessen Schadensersatzansprüche der Ge15

Mit demselben Ergebnis Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 50. Vgl. Zimmermann, FS Duden, 1977, 773, 774; Ihlas, D&O, S. 308; Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 738; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 206; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 646; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2123; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 49. 17 Dazu auch DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 898 f.; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2123; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 164; Ihlas, D&O, S. 308. 18 Ihlas, D&O, S. 308; ähnl. Zimmermann, FS Duden, 1977, 773, 774 f., 779. 16

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sellschaft gegen ein Vorstandsmitglied entstanden sind, ergeben. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich der Schädiger im Übrigen als tüchtiger Geschäftsleiter erwiesen hat, dessen Verlust im Ergebnis wirtschaftlich schwerer wiegen würde als Zugeständnisse im Rahmen eines Vergleichs. Zwar sind solche Gesichtspunkte auch in der durch den Aufsichtsrat bei der Frage der Geltendmachung von Ersatzansprüchen vorzunehmenden Abwägung nach der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH zu berücksichtigen.19 Nach hier vertretener Auffassung ist eine endgültige, von neuen Erkenntnissen unabhängige Entscheidung des Aufsichtsrats über die Anspruchsverfolgung aber vor Ablauf der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unzulässig. Eine Streichung dieser Frist würde zum einen eine solche verbindliche Beschlussfassung des Aufsichtsrats, zumindest mit Zustimmung der Hauptversammlung vorbehaltlich der Vetominderheit, und zum anderen einen Vergleich über die entstandenen Ersatzansprüche ermöglichen und hätte daher den erheblichen Vorteil der Rechtssicherheit und damit eines Abschlusses der Auseinandersetzung als Voraussetzung einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftsorganen für sich. dd) Nicht beitreibbare Schäden Die Gesellschaft bedarf ferner dann nicht des Schutzes einer möglichst umfassenden Sachverhaltsaufklärung, wie sie die Dreijahresfrist nach der Intention des Gesetzgebers gewährleisten soll, wenn von vornherein feststeht, dass der zu ersetzende Schaden die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schädigers bei Weitem übersteigt. Aus vielfältigen Gründen kann hier eine langfristige streitige Auseinandersetzung unerwünscht sein, in die das geltende Recht die Gesellschaft, vorbehaltlich der Inanspruchnahme einer Umgehungsmethode wie der Abtretung an einen Dritten, der sich anschließend über den Anspruch vergleichen kann, aber gewissermaßen zwingt, soll nicht einstweilen von einer Beitreibung des Schadensersatzes Abstand genommen werden.20 ee) Vermögensverschlechterung des Vorstandsmitglieds außerhalb des § 93 Abs. 4 S. 4 AktG Weiterhin kann es auch unabhängig vom Ausscheiden oder Verbleib des Vorstandsmitglieds Situationen geben, in denen eine verbindliche vergleichsweise Erledigung, auch bevor mit letzter Sicherheit die Höhe eines Schadensersatzanspruchs geklärt ist, im besten wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft liegt. Denkbar erscheint dies etwa, in Grenzfällen, die zwar (noch) nicht die Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 4 AktG erfüllen, in denen jedoch feststeht, dass die in einem Haftungsprozess zu tragenden Kosten das Vorstandsmitglied bereits derart finanziell fordern 19 Vgl. BGHZ 135, 244, 255 – hier geht es nämlich gerade nicht um die „Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds“ als Selbstzweck. 20 Zu dieser Fallgestaltung Zimmermann, FS Duden, 1977, 773, 774 f., 779.

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würden, dass die Begleichung der Schadensersatzforderung der Gesellschaft nach einem stattgebenden Urteil zur Insolvenz des Beklagten führen würde21 oder dies im Zeitpunkt der Entscheidung über eine Klageerhebung nicht absehbar ist.22 Besondere Brisanz erhalten solche Konstellationen, wenn deutlich wird, dass sich die finanzielle Situation des Schadensersatzschuldners bis zum Ablauf der Dreijahresfrist weiter verschlechtern wird, beispielsweise weil dieser aufgrund des „skandalösen“ Haftungsfalls keine anderweitige Anstellung findet, eine Inanspruchnahme durch Dritte in erheblichem Umfang zu erwarten ist oder er sich aufgrund einer nennenswerten Beteiligung an der Gesellschaft durch das Öffentlichwerden einer erheblichen Pflichtverletzung, die zu einem Wertverlust der Aktien geführt hat, einer fortschreitenden Entwertung seines Vermögens gegenüber sieht. Zwar besteht immer die Möglichkeit einer klageweisen Anspruchsdurchsetzung, in einigen der gebildeten Beispiele wird aber deutlich, dass diese nicht in allen Fällen zu einer möglichst weitreichenden, über einen im Vergleichswege zu erzielenden Betrag hinausgehenden Kompensation des der Gesellschaft entstandenen Schadens führen wird. Gerade in solchen Fallgestaltungen, in denen dem Vorstandsmitglied bewusst ist, dass eine Schadensersatzklage mit relativer Sicherheit seine Insolvenz zur Folge hätte, die durch einen Vergleich, in dem etwa ein Verzicht auf künftig zu erfüllende Ansprüche gegen die Gesellschaft wie eine zugesagte Pension oder dergleichen enthalten ist, einstweilen abgewendet werden könnte, ist von einer hohen Kooperationsbereitschaft auszugehen, sodass interessengerechte Lösungen zu erwarten sind.23 Gegen ein kollusives Zusammenwirken von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern zum Nachteil der Gesellschaft schützen auch hier das Erfordernis der Hauptversammlungszustimmung sowie das Vetorecht einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit. 2. Schutzwürdigkeit der Interessen an zügiger Anspruchserledigung? a) Gesetzeszweck Die Verhinderung einer raschen Erledigung von Schadensersatzansprüchen ist aber nicht lediglich unerwünschter Nebeneffekt, sondern eines der erklärten Ziele des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG,24 sodass die durch dessen Streichung zu schaffende Möglichkeit, innerhalb der ersten drei Jahre nach Anspruchsentstehung einen 21 Ähnl. Bsp. bei Zimmermann, FS Duden, 1977, 773, 774 f.; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 898 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 164; Ihlas, D&O, S. 308 f. 22 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 49 f. 23 U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 136 fordert dementsprechend bereits de lege lata eine teleologische Reduktion des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. 24 Dazu oben im 3. Teil B. I. 1.

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wirksamen Vergleich zu schließen, vor diesem Gesetzeszweck kritisch im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit der hieran bestehenden Interessen zu überprüfen ist. b) Sekundäre Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats Ein vorschnell oder aufgrund sachfremder Erwägungen geschlossener Vergleich hätte zwar den teilweisen Wegfall des Schadensersatzanspruchs zur Folge, begründete aber regelmäßig selbst eine Pflichtverletzung der beteiligten Aufsichtsratsmitglieder aufgrund mangelhafter Prüfung des anspruchsbegründenden Sachverhalts oder der Nichtberücksichtigung des Gesellschaftswohls.25 Insbesondere ist die Auffassung, nach der dem Aufsichtsrat bei der Unterbreitung eines entsprechenden Beschlussvorschlags an die Hauptversammlung ein „freies Ermessen“ zukommt,26 abzulehnen. Vielmehr ist der Aufsichtsrat auch hier an das Wohl der Gesellschaft gebunden, sodass mangels inhaltlicher rechtlicher Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung eines Vergleichsvorschlags zwar eine unternehmerische Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vorliegt, eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder aber dann in Betracht kommt, wenn der Beschlussvorschlag nicht den Interessen der Gesellschaft, sondern sachfremden Belangen wie einer wechselseitigen Enthaftung der Organmitglieder Rechnung tragen soll.27 Freilich wird ein Vergleich aufgrund damit verbundener Zugeständnisse des schadensersatzpflichtigen Vorstandsmitglieds in einer größeren Zahl von Fällen im Interesse der Gesellschaft liegen als ein schlichtes Absehen von der Geltendmachung bestehender Ersatzansprüche. Ein „freies Ermessen“ der Aufsichtsratsmitglieder anzunehmen, das es grundsätzlich auch erlaubte, aus Gründen der persönlichen Verschonung eines verdienten Vorstandsmitglieds ohne dem gegenüberstehende Vorteile für die Gesellschaft der Hauptversammlung einen entsprechenden Vergleich vorzuschlagen,28 25

Darauf verweisen auch Ihlas, D&O, S. 309; Paefgen, AG 2014, 554, 573 f.; Fleischer, AG 2015, 133, 135 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 163; a.A. Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 151 ff.; wohl auch bereits Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 157. In den Fällen eines voreilig oder gar in der Absicht, ein Vorstandsmitglied aus sachwidrigen Gründen zu begünstigen, geschlossenen Vergleichs oder erklärten Verzichts wird es indes regelmäßig bereits an einer hinreichenden Information der Hauptversammlung zum Beschlussgegenstand fehlen, s. Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 163. Einen „Freibrief zum Handeln auf unangemessener Informationsgrundlage“ lehnen indes auch Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 152 ausdrücklich ab. Zu den Pflichten des Aufsichtsrats bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder ausführlich im 5. Teil A. 26 Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 151 ff.; wohl auch bereits Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 157, der eine Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats in den Fällen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ohne Begründung verneint. 27 Für eine Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch Dietz-Vellmer, 2011, 248, 251; Fleischer, AG 2015, 133, 135; in der Sache ähnl. Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040, der auf die „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze des BGH verweist; a.A. Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 151 ff. 28 So aber ausdrücklich Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 152 f.

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erscheint indes verfehlt und mit deren Pflicht zur Einhaltung der Sorgfalt der §§ 93 Abs. 1 S. 1, 116 S. 1 AktG unvereinbar. Zwar ist eine effektive Haftungsdurchsetzung gegenüber Mitgliedern des Aufsichtsrats im deutschen Aktienrecht außerhalb der Insolvenz faktisch nicht gegeben, an anderer Stelle, etwa bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder, wird aber ebenfalls auf die Haftungsgefahren als primären Anreiz zur Anspruchsverfolgung verwiesen, sodass das Entstehen eines Ersatzanspruchs gegen Aufsichtsratsmitglieder als Argument für einen ausreichenden Schutz der Gesellschaft nicht von vornherein ausscheidet.29 c) Die Haftungsfreistellung durch Zustimmung der Hauptversammlung nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG und ihre Grenzen Neben einer Kollusion der Gesellschaftsorgane soll durch die Sperrfrist ein Vertrauen der Vorstandsmitglieder auf Haftungsentlastung durch die Billigung ihres pflichtwidrigen Verhaltens durch eine bestehende Aktionärsmehrheit, insbesondere einen einzelnen Großaktionär, ausgeschlossen werden. aa) Keine Rückschlüsse auf die Befugnisse der Hauptversammlung bei Verzicht und Vergleich Innerhalb der Grenzen des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ist eine solche Enthaftung durch eine Hauptversammlungsmehrheit, ohne dass hier spezielle Minderheitenrechte bestünden, aber auch im Vorfeld einer Handlung des Vorstands möglich. Zwar steht die Vorschrift im Zusammenhang der Folgepflicht aus § 83 Abs. 2 AktG und soll vor allem verhindern, dass Mitglieder des Vorstands für Maßnahmen haften, zu deren Ausführung sie verpflichtet waren. Rückschlüsse auf eine Befugnis der Hauptversammlung zur Freistellung von bereits entstandenen Ansprüchen lässt § 93 Abs. 4 S. 1 AktG aufgrund dieser Zweckrichtung nicht zu.30 bb) Die Zustimmung der Hauptversammlung als Enthaftungsinstrument des Vorstands In Gestalt der Vorlage einer geplanten Geschäftsführungsmaßnahme nach § 119 Abs. 2 AktG mit gegebenenfalls resultierender Folgepflicht aus § 83 Abs. 2 AktG und daraus folgender Haftungsfreiheit nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG steht dem Vorstand aber zumindest theoretisch in gewissem Umfang eine Möglichkeit zur Ver29 A.A. anscheinend Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 51: „Eher naiv ist die Hoffnung, die Furcht vor zukünftiger Haftung werde die Verwaltung davor bewahren, eine bereits entstandene Haftung unter den Tisch zu kehren.“; Länderarbeitsgruppe Managerverantwortlichkeit, Begleitbericht, S. 5. 30 Ausführlich bereits im 3. Teil B. III. 4. b).

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fügung, seine Haftung durch Zustimmung der gegenwärtigen Aktionärsmehrheit, auch eines beherrschenden Anteilseigners, auszuschließen, sodass das Argument, mit dem die Dreijahresfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG begründet wird, mit dem Umfang einer möglichen vorherigen Haftungsfreistellung durch Zustimmung der Hauptversammlung zunehmend an Gewicht verliert. Die Enthaftung durch § 93 Abs. 4 S. 1 AktG hat freilich rechtliche und praktische Grenzen. (1) Praktische Schwierigkeiten Zum einen handelt es sich dabei aufgrund des Erfordernisses eines Hauptversammlungsbeschlusses und damit der Einberufung einer Hauptversammlung, die über den Beschlussgegenstand hinreichend zu informieren ist, um ein schwerfälliges Instrument, das weder flächendeckend zur Absicherung des Vorstands eingesetzt werden kann31 noch für eilbedürftige Maßnahmen, die aber häufig gerade besonders haftungsträchtig sind, taugt. (2) Rechtliche Grenzen: Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses über ordnungswidriges Verhalten Zum anderen ist ein gesetzmäßiger Beschluss der Hauptversammlung erforderlich. Darunter fallen zwar nach zutreffender Ansicht grundsätzlich auch geheilte zunächst nichtige sowie unanfechtbar gewordene zunächst anfechtbare Beschlüsse.32 Allenfalls anfechtbar werden Beschlüsse sein, die sich auf eine Geschäftsführungsmaßnahme beziehen, die im Falle eines unglücklichen Ausgangs, etwa wegen eines keinen Treupflichtverstoß begründenden Eigeninteresses eines Vorstandsmitglieds oder einer nicht ausreichenden Informationsgrundlage, aus dem Schutzbereich der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG herausfallen, sodass hier grundsätzlich eine Absicherung des Vorstands durch Befragung der Hauptversammlung in Betracht kommt. In den im Schrifttum als unter Haftungsgesichtspunkten besonders bedeutsam betrachteten Fällen ordnungswidrigen Verhaltens wird ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss, auch wenn sich die durchzuführende Maßnahme in einem Graubereich bewegt, die Ordnungswidrigkeit mithin nicht mit letzter Sicherheit oder auch nur überwiegender Wahrscheinlichkeit im Voraus feststeht, nichtig sein. Während die einmonatige Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG, wenn die Anfechtbarkeit eines Beschlusses unklar ist, zumindest abgewartet werden kann, setzt die Heilung eines nichtigen Beschlusses nach § 242 Abs. 2 S. 1 AktG die Eintragung ins Handelsregister und den Ablauf von drei Jahren seitdem voraus, kann mithin praktisch vor der Durchführung der beschlossenen Maßnahme nicht abgewartet werden. Eine Enthaftung der Vorstandsmitglieder scheidet daher im Falle der Nichtigkeit des zugrunde liegenden Hauptversammlungsbeschlusses faktisch aus. 31 Zum Verbot der Verlagerung der Geschäftsführung auf die Hauptversammlung s. die Nachweise in Fn. 332. 32 Siehe 2. Teil C. III. 1. b).

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Als Nichtigkeitsgrund kommt § 241 Nr. 3 AktG in Gestalt eines Verstoßes gegen im öffentlichen Interesse bestehende Vorschriften in Betracht. Die Nichtigkeitsvorschrift bezieht sich nicht nur auf Normen des Aktiengesetzes, sondern erfasst vielmehr solche der gesamten Rechtsordnung, insbesondere auch des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts.33 Trotz des weit auszulegenden Begriffs des öffentlichen Interesses kommt es für die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses maßgeblich darauf an, dass in diesem öffentlichen Interesse die Nichtanerkennung des Beschlusses geboten ist. Unter Berücksichtigung der sich andernfalls ergebenden Folgepflicht und Haftungsfreiheit der Mitglieder des Vorstands ist dies bei ordnungswidrigkeitenrechtlichen Normen, insbesondere des Kartell- und Wettbewerbsrechts, der Fall. Diese Vorschriften dienen der Ahndung sowie Verhinderung eines Verhaltens von Akteuren am Markt, das der Gesetzgeber als sozialschädlich betrachtet. Die Anerkennung auf ein gegen solche Vorschriften verstoßendes Handeln gerichteter Hauptversammlungsbeschlüsse, die zur Haftungsfreiheit der beteiligten Vorstandsmitglieder führten und somit, indem diese von vornherein vor der Wirkung einer Regressforderung der Gesellschaft geschützt wären, nicht dazu anhielte, die Rechtmäßigkeit einer intendierten Maßnahme ausreichend zu prüfen, widerspräche diesem Gesetzeszweck. Dadurch würde Gesetzesverletzungen, insbesondere angesichts der sicheren, für die Vorstandsmitglieder nach Abwarten der Anfechtungsfrist risikolosen Haftungsfreistellung durch einen Hauptversammlungsbeschluss, im Ergebnis Vorschub geleistet. Daher ist die Nichtigkeit eines solchen auf die Begehung einer Ordnungswidrigkeit durch die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, gerichteten Beschlusses zum Schutz der öffentlichen Interessen, denen die zu verletzenden Ordnungswidrigkeitsnormen dienen, geboten. Eine vorherige Haftungsfreistellung durch die Hauptversammlung nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG scheidet daher, soweit die betreffende Maßnahme den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklicht, aus. In Fällen, in denen lediglich Pflichtverletzungen, die die Legalitätspflicht nicht berühren, in Frage stehen, bleibt aber die zumindest rechtliche, wenngleich wenig praktikable Möglichkeit, Haftungsfreiheit für eine bestimmte Maßnahme durch einen zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss zu erlangen. Das Argument, es solle kein Vertrauen darin gesetzt werden können, durch Billigung der gegenwärtigen Aktionäre von Haftung freigestellt zu werden, verliert dadurch deutlich an Gewicht. d) Unsicherheit der Verwirklichung des Gesetzeszwecks Weiterhin ist durch die Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG keineswegs gewährleistet, dass deren Sinn und Zweck tatsächlich zum Tragen kommen können, da die Voraussetzungen, von denen der Gesetzgeber ausgegangen ist, keineswegs bis zu diesem Zeitpunkt eingetreten sein müssen.34 33 34

Vgl. Englisch, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 241 Rn. 64. Ähnl. Ihlas, D&O, S. 308: „sehr theoretische […] Norm“.

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aa) Sachverhaltsaufklärung Die Frist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG beginnt mit Entstehung des Ersatzanspruchs zu laufen. Dieser setzt aber lediglich einen durch eine Pflichtverletzung eines Mitglieds des Vorstands entstandenen Schaden der Gesellschaft, nicht aber Kenntnis des Aufsichtsrats als für die Aufklärung der Umstände der Schadensentstehung und die Verfolgung der entsprechenden Ersatzansprüche zuständigen Organs35 oder überhaupt eine abgeschlossene Schadensentwicklung, die eine Bewertung ermöglichte,36 voraus. Dadurch kann es vorkommen, dass die Sperrfrist bereits weitgehend oder ganz abgelaufen ist, bevor eine Entscheidung des Kontrollorgans über das weitere Verfahren in Bezug auf den Anspruch überhaupt getroffen wird. In einer solchen Situation darf sich der Aufsichtsrat grundsätzlich ebenfalls nicht überstürzt, bevor ausreichende Ermittlungen stattgefunden haben, auf einen Vergleich einlassen. Zum Schutz der Gesellschaft verbleibt hier aber, wie dies auch bei Streichung der Sperrfrist der Fall wäre, lediglich das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung nebst Minderheitenveto sowie die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder für die Folgen eines pflichtwidrig voreilig geschlossenen Vergleichs. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei Pflichtverletzungen, die über mehr als drei Jahre dem Aufsichtsrat verborgen geblieben sind, regelmäßig nicht um einfach gelagerte Fälle handeln wird, die rasch aufzuklären sind. Wo dies der Fall ist, spricht vieles dafür, dass auch Pflichtverletzungen im Kontrollorgan vorgekommen sind. In diesen Fällen zwingt das Gesetz aber dem Aufsichtsrat keine über die bereits abgelaufene Sperrfrist hinausgehende „Bedenkzeit“ auf, der Gesetzeszweck wird damit nicht verwirklicht. Im Hinblick auf den Zweck der Dreijahresfrist als problematisch erweist sich auch der umgekehrte Fall, dass ein einfach gelagerter Sachverhalt binnen kurzer Zeit vollständig aufgeklärt werden kann, sodass das zusätzliche Abwarten zu einer überschießenden Einschränkung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaft über den Ersatzanspruch führt.37

35

Vgl. aber zu den Folgen unterlassener Information des Aufsichtsrats Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 165 f. 36 Darauf weist auch Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 249 hin; s. Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 52. 37 Ähnl. Harbarth, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 215, 227, der zudem darauf hinweist, dass, falls die Annahme des Gesetzgebers, die Sachverhaltsaufklärung bedürfe eines Sperrzeitraums für Verfügungen über Ansprüche, zuträfe, eine entsprechende Regelung auch für solche gegenüber Dritten bestehen müsste; dem zust. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 50; ob dies so angenommen werden kann, ist zu bezweifeln, fehlt es doch gegenüber Dritten an einem entsprechenden Interessenkonflikt des zur Verfolgung zuständigen Organs.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

bb) Kein Wechsel der Hauptversammlungsmehrheit Auch hinsichtlich der Verhinderung von Vertrauen auf Haftungsfreiheit durch die Unterstützung der Hauptversammlungsmehrheit, insbesondere eines Großaktionärs, wird die Intention der Sperrfrist in vielen Fällen nicht zum Tragen kommen. Handelt es sich etwa um eine Gesellschaft, deren Anteile seit Jahrzehnten ohne bedeutsamen Streubesitz von denselben Aktionären gehalten werden, wird sich voraussichtlich auch innerhalb der dreijährigen Sperrfrist hieran keine erhebliche Veränderung ergeben. Allgemein garantiert das Abwarten eines gewissen Zeitraums keinen Aktionärswechsel. Zu einem solchen wird es möglicherweise kommen, wenn eine erheblich schadensstiftende Pflichtverletzung öffentlich wird und die Anteilseigner sich wegen der zu erwartenden Folgen für den Wert der Aktien von ihrer Beteiligung trennen. Auch dann besteht aber keine Gewähr dafür, dass ein anders zusammengesetzter Aktionärskreis einem Vergleich kritischer gegenüberstehen wird, als dies bei der Hauptversammlung im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung der Fall gewesen wäre. Denkbar erscheint hier insbesondere, dass nach einem Wechsel des Mehrheitsaktionärs ein einvernehmliches Ausscheiden eines oder mehrerer unglücklich agierender Vorstandsmitglieder ohne öffentliches Aufhebens gewünscht ist. Einer solchen Regelung steht zunächst die Sperrfrist entgegen. Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass das Argument, die Vorstandsmitglieder sollten nicht darauf vertrauen dürfen, aufgrund der Rückendeckung einer gegenwärtigen Aktionärsmehrheit von Haftung verschont zu bleiben, nicht nur sachlich ein schwaches ist, sondern unter diesem Gesichtspunkt auch wirtschaftlich sinnvolle Gestaltungen unterbunden werden. Vor einem Missbrauch der Mehrheitsmacht zum Nachteil der Gesellschaft kann die Dreijahresfrist ohnehin nur während ihrer Laufzeit schützen. Diesbezüglich ist die Gesellschaft auf die Sperrminorität sowie die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder, die der Hauptversammlung pflichtwidrig den Beschluss eines nachteiligen Vergleichs vorgeschlagen haben, als Schutzmechanismen verwiesen. Das Argument der fehlenden Vertrauensbildung auf Haftungsfreiheit erscheint nach dem Gesagten insgesamt fragwürdig und taugt kaum zur Stützung der Sperrfrist. e) Zwischenfazit Nach alldem stehen die vom Gesetzgeber mit der Einführung der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG verfolgten Ziele der Schutzwürdigkeit von Interessen an einer Erledigung von Haftungsfällen vor Ablauf eines Dreijahreszeitraums seit der Entstehung des Ersatzanspruchs nicht entgegen. Es konnte vielmehr aufgezeigt werden, dass Fallgestaltungen denkbar sind, die auch tatsächlich vorkommen werden, in denen die Sperrfrist der Verwirklichung der durch sie verfolgten Zwecke gerade entgegensteht. In Gestalt der Aufsichtsratshaftung für die Folgen pflichtwidriger Vergleiche sowie des Minderheitenvetos stehen Mechanismen zur Verfügung, die missbräuchliche Gestaltungen zum Nachteil der Gesellschaft zu verhindern geeignet

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sein dürften. Aufgrund dessen sowie der per se bestehenden Unsicherheiten, ob aus tatsächlichen Gründen der Zweck der Dreijahresfrist überhaupt zum Tragen kommen kann, ist eine Beibehaltung der Sperrfrist zum Schutz der Gesellschaft nicht geboten. Ein hinreichender Gläubigerschutz wird nach geltendem Recht durch § 93 Abs. 5 S. 3 AktG gewährleistet.38 3. Schutz der Minderheitsaktionäre In der Folge einer Aufhebung der Dreijahresfrist würden durch innerhalb der bisherigen Sperrzeit abgeschlossene Vergleiche über Ersatzansprüche die Möglichkeiten der Minderheitsaktionäre, eine Sonderprüfung und gegebenenfalls anschließende Aktionärsklage aufgrund des anspruchsbegründenden Sachverhalts einzuleiten, eingeschränkt, indem eine Klage mangels fortbestehenden Anspruchs nicht mehr in Betracht käme und eine Sonderprüfung ohne Klagemöglichkeit ihre Sinnhaftigkeit weitgehend einbüßte. a) Regelungsvorschläge zum Schutz der Minderheitenrechte Im Schrifttum wird hierin vereinzelt ein Unterlaufen der Minderheitenrechte gesehen und werden dementsprechend Schutzmechanismen gefordert, die ein Abschneiden insbesondere der Aktionärsklage durch einen Vergleich zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied verhindern sollen. Rechtsvergleichend wird hier neben der Sperrminorität, wie sie auch das deutsche Aktienrecht kennt,39 der Fortbestand der Klagebefugnis jedenfalls derjenigen Aktionäre, die dem Vergleich ihre Zustimmung verweigert haben sowie die Hemmung der Vergleichswirkung während eines laufenden Klagezulassungsverfahrens oder einer aufgrund eines Minderheitsbegehrens angestrengten Sonderprüfung vorgeschlagen.40 Bachmann empfiehlt in diesem Zusammenhang den Fortbestand der Antragsbefugnis für Sonderprüfung und Aktionärsklage für einen gewissen Zeitraum nach einem unter § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fallenden Rechtsgeschäft und schlägt diesbezüglich sechs Monate vor. Weiterhin soll ein Verzicht oder Vergleich erst nach Abschluss eines Klagezulassungsoder Aktionärsklageverfahrens oder einer durch eine Aktionärsminderheit betriebenen Sonderprüfung wirksam werden.41

38

Ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 164; Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 143. 39 Daneben nach Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 52 Fn. 188 auch mit einer Sperrminorität von 20 % in Griechenland, Italien, Österreich, 10 % in Kroatien, Portugal, Slowenien, Schweden, 5 % in der Slowakei, Spanien sowie 3 % bei Beherrschung der Gesellschaft durch den Schadensersatzschuldner in Tschechien. 40 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 52; denselben Vorschlag unterbreitet Keiluweit, GWR 2010, 445, 447 zur Verjährung. 41 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 52.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

b) Fehlende Schutzbedürftigkeit Unter Berücksichtigung der Wertungen des Aktiengesetzes im Übrigen sind solche, über die in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vorgesehene und de lege ferenda beizubehaltende Sperrminorität hinausgehenden Schutzmechanismen, die im Ergebnis eine zeitliche „Garantiefrist“ für die Initiierung einer Sonderprüfung und Erhebung einer Aktionärsklage gewährleisten würden, indes nicht erforderlich. Die Dreijahresfrist bietet, wie für den Aufsichtsrat ausgeführt, keine Gewähr dafür, dass die Hauptversammlung vor deren Ablauf Kenntnis vom Bestehen eines Schadensersatzanspruchs erlangt.42 Es kann daher vorkommen, dass die Aktionäre von einem solchen Anspruch und damit auch dem diesen begründenden Sachverhalt erst Kenntnis erlangen, wenn die Zustimmung zu einem Verzicht oder Vergleich auf der Tagesordnung der nächsten Hauptversammlung steht. Auch in diesem Fall besteht keine Mindestfrist, die die Einleitung einer Sonderprüfung oder Erhebung einer Aktionärsklage gewährleistet, die Aktionäre sind vielmehr auf das Minderheitenveto verwiesen. Kommt die erforderliche Minderheit nicht zustande, ist das zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäft vorbehaltlich einer erfolgreichen Beschlussanfechtung wirksam. Ferner besteht auch nach geltendem Recht in dem Fall, dass die Sperrminorität nicht zustande kommt, die Möglichkeit, dass die Gesellschaft eine laufende Sonderprüfung oder Aktionärsklage „abschneidet“, indem ein Verzicht oder Vergleich geschlossen wird. Nach Gesetzesbegründung und herrschender Meinung bezieht sich insoweit § 148 Abs. 6 S. 4 AktG nicht nur auf eine bloße Klagerücknahme ohne Einwirkung auf den materiell-rechtlichen Anspruch, sondern auch auf einen Prozessvergleich.43 Die Einführung eines fortbestehenden Klagerechts de lege ferenda würde damit die klageberechtigte Aktionärsminderheit besser stellen, als dies unter Geltung der Sperrfrist de lege lata der Fall ist, ohne dass sich aus deren Zweck eine solche Privilegierung begründen ließe, geschweige denn eine solche zwingend erforderlich wäre. Zudem müsste, um die Minderheit wirksam zu schützen, für den vorgeschlagenen Zeitraum der fortbestehenden Klagebefugnis die Übernahme der Klage durch die Gesellschaft ausgeschlossen werden, da ansonsten der gewollte Schutz der klagebefugten Aktionärsminderheit, weil § 148 Abs. 6 S. 4 AktG auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG und damit die zehnprozentige Minderheit verweist, ohne Weiteres un42

Vgl. oben unter 4. Teil A. I. 2. d) aa). Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 24; Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1784; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2005, 388, 391; Hirschmann, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 148 Rn. 33; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 148 Rn. 21; Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 144; Schröer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 148 Rn. 66; Mimberg, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennotierte AG, § 40 Rn. 56 f.; Bezzenberger/Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 244; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 52; Liebscher, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 148 Rn. 11. 43

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terlaufen werden könnte. Dies im Fall einer Prozessstandschaft stichhaltig begründen zu wollen, erscheint gewagt, da einer einprozentigen Aktionärsminderheit so größere Dispositionsbefugnis über einen Anspruch der Gesellschaft zugestanden würde als dieser selbst. c) Missbrauchsgefahr Abgesehen von der fehlenden Begründbarkeit einer die Minderheitsaktionäre gegenüber dem geltenden Recht besser stellenden Schutzvorkehrung in Gestalt der Aufrechterhaltung der Befugnis zur Einleitung einer Sonderprüfung und Erhebung einer Aktionärsklage und der hemmenden Wirkung auf einen während einer solchen laufenden Maßnahme geschlossenen Vergleich, wären damit Missbrauchsgefahren verbunden, die ebenfalls gegen die Einführung einer solchen Regelung sprechen. Zwar bedarf ein Vergleich über einen Organhaftungsanspruch, anders als dies in den „klassischen“ Betätigungsfeldern „räuberischer Aktionäre“ der Fall ist, nicht der Eintragung ins Handelsregister. Allerdings diente die Streichung der Sperrfrist gerade dazu, im Interesse auch der Gesellschaft eine zügige Erledigung solcher Ansprüche zu ermöglichen, um für alle Beteiligten einen rechtssicheren Abschluss zu gewährleisten. Dem stünde ein fortbestehendes Sonderprüfungs- und Klagerecht der Aktionäre entgegen; dies insbesondere, wenn das Eintrittsrecht der Gesellschaft nach § 148 Abs. 3 AktG für diesen Zeitraum ausgeschlossen würde. Damit könnte ein Anreiz für „räuberische Aktionäre“, besonders wenn die Quoren des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG und/oder § 142 Abs. 2 S. 1 AktG de lege ferenda weiter abgesenkt werden sollten,44 gesetzt werden, sich ihre Klage oder Sonderprüfung von der Gesellschaft „abkaufen“ zu lassen. Trotz der zu bewältigenden Hürden vor der Einleitung beider Verfahren durch eine Aktionärsminderheit ist ein über das Niveau des geltenden Rechts hinausgehender Schutz der Minderheitsaktionäre bei einem Verzicht oder Vergleich über Ersatzansprüche zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied auch wegen der aufgezeigten Missbrauchsrisiken als problematisch zu beurteilen. d) Zwischenfazit Im Ergebnis ist ein über das Vetorecht, wie es bereits in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG geregelt ist, hinausgehender Schutz der Minderheitsaktionäre de lege ferenda weder geboten noch anhand des Normzwecks begründbar. Überdies ließe sich eine entsprechende Regelung nicht bruchlos in das im Übrigen geltende Recht einfügen. 4. Lösungen de lege lata? Bachmann, der sich in der Tendenz gegen die Streichung der Sperrfrist de lege ferenda ausspricht, erkennt gleichwohl, dass der damit einhergehende Schwebezu44

Dazu im 5. Teil B. II. 1. a).

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stand mit erheblichen Ungewissheiten für die Beteiligten, die, wie gezeigt in vielen Fällen interessengerechte Lösungen verhindern, verbunden ist und fordert daher, dass dieser „für die Praxis erträglich“ bleiben müsse.45 Dem Aufsichtsrat soll es demnach bereits nach geltendem Recht gestattet sein, einen auflösend bedingten Vergleich zu schließen und sich entsprechend zu verhalten; der abweichenden Auffassung liege eine zu strengen Auslegung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zugrunde.46 Diese Auffassung dürfte aber der herrschenden Meinung entsprechen, würden doch selbst durch einen durch das Bekanntwerden neuer Tatsachen auflösend bedingten Vergleich und die Durchführung der getroffenen Abreden zunächst Tatsachen geschaffen, deren Rückabwicklung jedenfalls nicht gänzlich unproblematisch wäre, sodass neben Streitigkeiten über den Eintritt der auflösenden Bedingung auch davon auszugehen wäre, dass der Aufsichtsrat in einer solchen Situation in höherem Maße als ohne einen solchen vorläufigen Vergleich gehalten wäre, von einer Klageerhebung abzusehen.47 Ferner könnte ein auflösend bedingter Vergleich auch nicht zu der in den aufgezeigten Fallgestaltungen wünschenswerten endgültigen Erledigung eines Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied führen, da aufgrund der Gefahr des Bedingungseintritts keinerlei Rechtssicherheit gewährleistet werden könnte.48 Der Vorschlag, beim Prozessvergleich de lege lata durch teleologische Reduktion oder de lege ferenda durch eine entsprechende Ausnahmeregelung von dem Erfordernis des Ablaufs der Sperrfrist abzusehen, vermag die Praxisprobleme, die durch diesen Wartezeitraum aufgeworfen werden, ebenfalls nicht in hinreichendem Maße zu lösen.49 Eine teleologische Reduktion erscheint nur dort sinnvoll, wo ein Vergleichsvorschlag vom Gericht in einem späten Verfahrensstadium, in dem davon auszugehen ist, dass dessen Inhalt einem möglichen Urteil im Wesentlichen entsprechen würde, unterbreitet wurde.50 Eine vollständige Ausnahme des Prozess45

Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 51. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 51. Ähnl. zur Erstattung von Geldbußen oder -strafen, die gegen ein Vorstandsmitglied verhängt wurden, bevor der Aufsichtsrat Gewissheit über das die entsprechende Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bedingende Vorliegen einer Pflichtverletzung durch dieselbe Handlung erlangen konnte nunmehr BGH ZIP 2014, 1728 Rn. 22. Die Folgeprobleme bestehen dort aber im Wesentlichen in einer Rückforderung des unter Vorbehalt Geleisteten von dem Vorstandsmitglied, ohne dass ähnliche Anreize zum Unterlassen einer Anspruchsdurchsetzung entstünden, wie dies beim vorläufigen Verzicht oder Vergleich hinsichtlich Schadensersatzansprüchen der Fall ist. 47 Zur Bewertung eines Absehens von einer Klage, eines Stillhalteabkommens und ähnlicher Maßnahmen am Maßstab des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG s. o. 3. Teil B. I.; an der Zulässigkeit zweifelnd auch Krieger, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rn. 44. 48 Ebenso DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 899. 49 Insgesamt gegen Bereichsausnahmen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 28a. 50 In vergleichbaren Fallgestaltungen eine teleologische Reduktion erwägend, i.Erg. aber ablehnend M. Zimmermann, DB 2008, 687, 688; mit demselben Erg. speziell zur Inanspruchnahme einer kartellrechtlichen Kronzeugenregelung Harbarth, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 215, 229 ff.; allg. ablehnend auch Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und 46

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vergleichs würde aufgrund der zivilprozessualen Befugnisse der Parteien dazu führen, dass auch ein unmittelbar zu Beginn des Verfahrens über eine unverzüglich nach Bekanntwerden des Schadensersatzanspruchs erhobene Klage der Gesellschaft geschlossener Vergleich mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wäre. Dieses Ergebnis erscheint mit der Grundposition, der Regelungszweck der Sperrfrist sei nur durch deren Beibehaltung zu gewährleisten, schwerlich vereinbar. Im Regelfall nicht hilfreich ist schließlich der Hinweis auf die Entbehrlichkeit der Sperrfrist in der Einmann-AG. Im Ergebnis vermögen die vorgeschlagenen Lösungen, die nach Auffassung Bachmanns bereits de lege lata zulässig sind, die erörterten Probleme, die die Sperrfrist ist der Praxis mit sich bringt, nicht zufriedenstellend zu lösen.

5. Fazit und Stellungnahme Es konnte festgestellt werden, dass die Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für den Verzicht auf oder Vergleich über Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands in einigen bedeutsamen Fallgestaltungen einer auch aus Sicht der Gesellschaft interessengerechten zügigen Erledigung der Angelegenheit entgegensteht. Dies entspricht grundsätzlich dem Zweck der Vorschrift. Dessen Verwirklichung ist jedoch, wie gezeigt wurde, nicht durchgehend geboten und überdies auch de lege lata aus tatsächlichen Gründen nicht zu gewährleisten. Bei der Streichung der Dreijahresfrist aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG handelte es sich im Vergleich zu zahlreichen anderen in der gegenwärtigen Reformdiskussion unterbreiteten Vorschlägen um einen eher geringfügigen Eingriff in das Aktienrecht, aus dem sich keine erkennbaren Folgeprobleme ergäben und der sich in das geltende Recht ohne inhaltliche oder wertungsmäßige Brüche einfügen ließe. Nach hier vertretener Auffassung ist durch die bei einem pflichtwidrig voreilig geschlossenen Vergleich oder erklärten Anspruchsverzicht eintretende Haftung der beteiligten Mitglieder des Aufsichtsrats sowie vor allem das zusätzliche Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung mit der zehnprozentigen Sperrminorität, die keine Sachgründe erfordert, ein hinreichender Schutz vor zum Nachteil der Gesellschaft getroffenen Vereinbarungen gewährleistet.51 Abgesehen von der Lösung der aufgezeigten praktischen Probleme ist auch davon auszugehen, dass die Streichung der Sperrfrist zahlreichen in der Literatur als Umgehungslösungen der Rechtspraxis geschilderten Maßnahmen, insbesondere der bereits erörterten Anspruchsabtretung zum Zwecke des Vergleichsschlusses mit dem Zessionar, trotz des fortbestehenden Erfordernisses der Hauptversammlungszustimmung in gewissem Umfang Boden entziehen wird, entfällt doch bei Unterstützung des Vergleichs durch die Aktionäre das HauptarAufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 28a; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 164. 51 Ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 164; Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, S. 143; ähnl. Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804.

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gument für die Heranziehung einer solchen Umgehungsmethode.52 Im Rahmen der Erörterung der Zulässigkeit der Abtretung von Ersatzansprüchen vor dem Hintergrund des aktienrechtlichen Verzichts- und Vergleichsverbots wurde die nominelle Anspruchsbewertung, die diesem zugrunde liegt, bereits als schwerlich im wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft begründbar verworfen.53 Die dort angeführten Argumente lassen sich entsprechend für die unmittelbare Zulassung interessengerechter Vergleiche fruchtbar machen. Darüber hinaus könnte von einer Abschaffung der Sperrfrist eine Verbesserung der Haftungsdurchsetzung ausgehen, indem die Aufsichtsratsmitglieder, vergleichbar der Situation bei Bestehen einer D&O-Versicherung,54 sich auch unmittelbar bei Bekanntwerden des anspruchsbegründenden Sachverhalts nicht genötigt sähen, die Anspruchsverfolgung zunächst mit einem gegebenenfalls nicht unerheblichen Risiko eigener Haftung durch schlichtes Zuwarten „im Sande verlaufen“ zu lassen oder das betroffene Vorstandsmitglied grundsätzlich bis an die Pfändungsfreigrenzen mit entsprechender Öffentlichkeitswirkung zu verklagen, sondern, indem beispielsweise Zugeständnisse bei Abfindung und Pension gemacht würden, eine für alle Beteiligten interessengerechte und tragbare, einvernehmliche Lösung angestrebt werden könnte.55 Aus den genannten Gründen ist die ersatzlose Streichung der Dreijahresfrist aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu empfehlen.

II. Folgen für Enthaftungsvereinbarungen Lediglich der Klarstellung halber sei darauf hingewiesen, dass die Streichung der Sperrfrist nicht die Zulässigkeit satzungsmäßiger oder vertraglicher Haftungsmilderungen, sei es in Gestalt einer Herabsetzung der einzuhaltenden Sorgfalt oder einer summenmäßigen Begrenzung zur Folge hat. Deren Unzulässigkeit de lege lata ist zwar auch mit der systematischen und telelogischen Unvereinbarkeit solcher Vereinbarungen mit der Dreijahresfrist zu begründen, dabei handelt es sich aber nicht um den allein tragenden Grund. Die übrigen hierzu bereits vorgebrachten Argumente bleiben nach wie vor beachtlich.56 Zu berücksichtigende Folgeprobleme ergeben sich daher unter diesem Gesichtspunkt nicht.

52

Ähnl. Ihlas, D&O, S. 309. Auf diesen systematischen Gesichtspunkt weist auch Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803 hin; s. 3. Teil B. I. 5. 54 Dazu unten unter 4. Teil H. I. 2. b) bei Fn. 594. 55 Vgl. Länderarbeitsgruppe Managerverantwortlichkeit, Begleitbericht, S. 4 f.; mit ähnl. Tendenz DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 899; Ihlas, D&O, S. 309; Fleischer, WM 2005, 909, 919. 56 Siehe zum Ganzen 3. Teil B. III. 53

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III. Die Sperrminorität Das Vetorecht einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit, das § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in der geltenden Fassung vorsieht, diente ursprünglich der Sicherung des bis zum Inkrafttreten des UMAG geregelten Klageerzwingungsrechts gemäß § 147 Abs. 1 S. 1 a.E. AktG aF, das eben diese Minderheit erforderte.57 Daher wird im Schrifttum vereinzelt neben der Streichung der Sperrfrist auch die Abschaffung dieses zusätzlichen Erfordernisses neben der Zustimmung der Hauptversammlungsmehrheit, das nunmehr obsolet geworden sei, gefordert.58 Diesem Befund ist entgegenzuhalten, dass zwar das Klageerzwingungsrecht einer Aktionärsminderheit mit dem UMAG weggefallen ist, zugleich aber die Aktionärsklage in § 148 AktG ebenfalls als Minderheitenrecht geschaffen wurde, dessen Schutz das Widerspruchsrecht des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in Fortsetzung des bisherigen Schutzzwecks nunmehr dienen sollte. Absolut konsequent wäre demnach nicht die Streichung dieses Rechts, sondern die Absenkung der Sperrminorität auf ein Prozent.59 Problematisch wäre eine solche Reduzierung jedoch unter dem Gesichtspunkt, dass das Widerspruchsrecht derzeit an keinerlei Sachgründe gebunden ist, sodass die bereits zum Fortbestehenlassen eines Aktionärsklagerechts bei Streichung der Dreijahresfrist aufgezeigten Missbrauchsgefahren auch hier bestünden. Das Risiko einer „Erpressung“ der Gesellschaft durch „räuberische Aktionäre“ ist hier, mangels die Blockademöglichkeiten der widerspruchsberechtigten Minderheit beschränkender Voraussetzungen, wie sie in §§ 142, 148 AktG für Sonderprüfung und Aktionärsklage aufgestellt werden oder eines § 149 AktG entsprechenden Publizitätserfordernisses, als durchaus erheblich einzuschätzen.60 Die Schaffung vergleichbarer Hürden würde die Notwendigkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Berechtigung eines Minderheitenvetos mit sich bringen und damit zu Rechtsunsicherheit schaffenden Verzögerungen, vergleichbar der de lege ferenda abzuschaffenden Sperrfrist führen und erscheint daher als Gegengewicht zu einer Absenkung des Quorums nicht sinnvoll.61 Missbrauchsfälle der bisher geltenden Vorschrift sind, trotz freilich be57

Vgl. Begr. RegE AktG 1965, § 93, Kropff, S. 124. So Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2122; SailerCoceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 54; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 899; ders., NZG 2011, 217, 221 Rn. 51; weitergehend Semler, AG 2005, 321, 333, der sich für die Abschaffung der Hauptversammlungsbeteiligung an einem Verzicht oder Vergleich insgesamt ausspricht und an deren Stelle eine Publizitätspflicht entsprechend § 149 AktG für ausreichend und sinnvoller hält; ähnl. die Erwägungen von Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2123; krit. bzgl. des Erfordernisses der Hauptversammlungszustimmung im Zusammenhang von Trennungsverhandlungen zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied auch Zimmermann, FS Duden, 1977, S. 773, 775. 59 Ebenso Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 226; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 53; Fleischer, AG 2015, 133, 138; vgl. auch Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 150; U. Schmidt, in: Heidel, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 138. 60 So i.Erg. auch Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 227; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 53; Fleischer, AG 2015, 133, 138. 61 Ganz ähnl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 53. 58

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

stehender theoretischer Möglichkeit, als praktisches Problem weder öffentlich geworden noch Gegenstand der Schrifttumsdiskussion. Es ist daher anzunehmen, dass die bisherige Regelung eines nicht an weitere Voraussetzungen gebundenen Widerspruchsrechts einer Minderheit von zehn Prozent des Grundkapitals einen sinnvollen Kompromiss zwischen dem Schutz der Rechte der zur Einleitung einer Sonderprüfung und Erhebung einer Aktionärsklage befugten Aktionärsminderheit und der Verhinderung von Blockaden im Gesellschaftsinteresse liegender Verzichtsund Vergleichsvereinbarungen aufgrund sachfremder Erwägungen darstellt. Daher ist eine Änderung der geltenden Regelung weder im Sinne einer Aufhebung des Widerspruchsrechts einer Aktionärsminderheit noch einer Absenkung des erforderlichen Quorums angezeigt. Es sollte bei der gegenwärtigen Rechtslage belassen werden.62

B. Darlegungs- und Beweislast I. Rechtslage de lege lata und Kritik der Literatur Erheblichen Anteil an der Schärfe der Vorstandshaftung in der Aktiengesellschaft hat die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG.63 Demnach hat im Streitfall das Vorstandsmitglied, wenn der Gesellschaft aufgrund seines Verhaltens ein Schaden entstanden ist, die Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters oder fehlendes Verschulden darzulegen und zu beweisen.64 Liegt der Schadensentstehung eine unternehmerische Entscheidung zugrunde, ist das Vorstandsmitglied für das Vorliegen der Voraussetzungen der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ebenfalls beweisbelastet.65 62

Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 53; Fleischer, AG 2015, 133, 138; Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 70:6:6 Stimmen (Beschluss I. 7. b)); zum österreichischen Recht ähnl. Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 227. 63 Vgl. Rieger, FS Peltzer, 2001, S. 339, 350; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 180; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 228; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 33; Redeke, BB 2010, 910, 911. 64 BGHZ 152, 280; BGH DB 2013, 507, 508 Rn. 14; BGH NZG 2011, 549, 550 f. Rn. 17 ff.; BGH NJW 2009, 2598 Rn. 5; BGH NZG 2008, 314, 315 Rn. 8; BGH NZG 2008, 104, 105 Rn. 4; Deilmann/Otte, BB 2011, 1291; Kurzwelly, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 12 Rn. 2; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 180 ff.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 269; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 26; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 53; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 138 ff.; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 31; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 220 ff.; Dauner-Lieb, in: Henssler/ Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36; ausf. Kindler, FS Goette, 2011, S. 231, 233 f. 65 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 12; BGH DB 2013, 507, 508 Rn. 14; BGH NZG 2011, 549, 550 f. Rn. 17 ff.; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441, 448; Seibert/ Schütz, ZIP 2004, 252, 254; Fleischer, ZIP 2004, 685, 688; Druey, FS Goette, 2011, 57, 67;

B. Darlegungs- und Beweislast

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Den Beweis fehlenden Vertretenmüssens bürdet auch § 280 Abs. 1 S. 2 BGB als allgemeine Regelung des Schadensersatzes wegen Pflichtverletzung dem Schuldner auf. Hinsichtlich des Vorliegens einer Pflichtverletzung wird die Beweislastverteilung, insbesondere auch im Hinblick auf ausgeschiedene Vorstandsmitglieder, für die eine Minderheitsmeinung bereits de lege lata eine teleologische Reduktion des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG befürwortet,66 sowie die Einhaltung der Anforderungen der Business Judgment Rule, von einigen Stimmen im Schrifttum kritisiert.67 Sowohl der Vorschlag einer Streichung der Beweislastregel des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG als auch der ihrer Begrenzung auf amtierende Organmitglieder haben auf dem Juristentag Mehrheiten gefunden.68 Zum einen wird vorgebracht, Gesellschaft und Insolvenzverwalter seien in der Regel besser in der Lage, eine Pflichtverletzung darzutun als das Vorstandsmitglied, die Einhaltung der geschuldeten Sorgfalt zu beweisen, dies insbesondere, wenn die betreffenden Vorfälle länger zurücklägen und der nunmehr auf Schadensersatz Verklagte bereits aus dem Vorstand ausgeschieden sei.69 Weiterhin gehe durch die Notwendigkeit des Beweises der Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG die mit Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 182; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 269; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 26; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 54; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 141; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 31; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 77; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 650 f.; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 32 f. 66 Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 230 ff.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794 f., 805; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 29; sympathisierend Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 17a; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; bei fehlendem Zugriff auf die bedeutsamen Unterlagen der Gesellschaft auch Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 70; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 147; Peltzer, in: GesR in der Diskussion 2013, S. 83, 99 f.; eine „vorsichtige“ Handhabung der Beweislastumkehr de lege lata mahnt Bachmann, ZIP 2014, 579, 582 an. 67 Allgemein Kindler, FS Goette, 2011, S. 231, 234 f.; Rieger, FS Peltzer, 2001, S. 339, 351; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2118 ff.; insbesondere bzgl. der Voraussetzungen der Business Judgment Rule Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 438 ff.; Druey, FS Goette, 2011, 57, 67 f.; (nur) hinsichtlich der Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Paefgen, AG 2004, 245, 256 ff.; ders., NZG 2009, 891; ders., AG 2014, 554, 565 f.; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 650 f.; BDI/BDA/DIHK/GDV/BdB, Stellungnahme RefE UMAG, S. 2 f.; eine abgestufte Beweislastverteilung schlägt Heermann, ZIP 1998, 761, 767 ff. vor; für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 805; tendenziell auch Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; sympathisierend, aber zurückhaltend Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 35 f. 68 Beschlüsse der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 47:24:12 Stimmen (Streichung, Beschluss I. 6. a)) bzw. 45:23:16 Stimmen (Begrenzung auf amtierende Organmitglieder, Beschluss I. 6. b)). 69 Kindler, FS Goette, 2011, S. 231, 235; Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 230 ff.; Rieger, FS Peltzer, 2001, S. 339, 351; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794 f.; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 29; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 17a; Haarmann/ Weiß, BB 2014, 2115, 2118 unter Verweis auf eine erleichterte Informationsbeschaffung durch die Digitalisierung des Geschäftsverkehrs; krit. auch Bachmann, ZIP 2014, 579, 582.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

der gesetzlichen Festschreibung der Business Judgment Rule intendierte Haftungsprivilegierung unternehmerischer Entscheidungen durch Schaffung eines „sicheren Hafens“ weitgehend verloren.70,71

II. Der Grundgedanke der Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG Die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG geht davon aus, dass die Gesellschaft, mehr noch Gläubiger und Aktionäre, obläge ihnen nach allgemeinen Regeln der Beweis der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens der Vorstandsmitglieder, diesen gegenüber einen nicht auszugleichenden Informationsnachteil hätten, während der Entlastungsbeweis den in Anspruch Genommenen selbst aufgrund größerer Sachnähe wesentlich leichter falle, sodass zum Schutz der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und Aktionäre der Beweis pflichtgemäßen Handelns den Vorstandsmitgliedern aufzuerlegen sei.72

70 Vgl. Paefgen, NZG 2009, 891, 892 f.; ders., AG 2004, 245, 257 ff.; ders. AG 2014, 554, 565 f.; BDI/BDA/DIHK/GDV/BdB, Stellungnahme RefE UMAG, S. 2 f.; tendenziell auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 797 ff. 71 Vgl. zum Ganzen auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 33. 72 Vgl. dazu Begr. des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21 vom 7. März 1884, § 12 4. a), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 404, 462 (zum Aufsichtsrat): „Die Mitglieder des Auffsichtsraths von der Rechenschaftspflicht entbinden und dem Kläger den Beweis auferlegen zu wollen, daß das Mitglied sich einer Vernachlässigung seiner Obliegenheiten schuldig gemacht habe, hieße für die Mitglieder des Auffsichtsraths ein in keiner Weise gerechtfertigtes Sonderrecht schaffen, die Gesellschaft dagegen ihnen gegenüber schutzlos hinstellen. Die Aktionäre einer Gesellschaft oder deren Gläubiger stehen thatsächlich schlimmer den geschäftsführenden Organen gegenüber, als sonst ein Geschäftsherr gegenüber seinem Geschäftsführer. Sie würden selten oder nie im Stande sein, jenen Beweis zu führen, da ihnen die Thätigkeit des Auffsichtsraths nicht offen liegt und sie kaum in der Lage sind, die Unterlassung derjenigen Obliegenheit auszumitteln, welche den Eintritt der Schädigung verursacht hat, während die Mitglieder des Auffsichtsraths sich ohne Schwierigkeiten den Nachweis zu sichern vermögen, daß und wie sie ihre Obliegenheiten erfüllt haben.“; ausf. zur Entstehungsgeschichte Goette, ZGR 1995, 648, 668 ff.; zum Zweck der Beweislastregelung auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 161; Heermann, ZIP 1998, 761, 767; Paefgen, AG 2004, 245, 257; Grooterhorst, AG 2011, 389; Kurzwelly, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 12 Rn. 5; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 180; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 220; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 138; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 426; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 26; krit. Kindler, FS Goette, 2011, S. 231, 235: regelmäßig bessere Beweislage des Vorstandsmitglieds „empirisch nicht zu belegen“.

B. Darlegungs- und Beweislast

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Die größere Nähe der Vorstandsmitglieder zu den möglicherweise anspruchsbegründenden Vorgängen und den diese betreffenden Unterlagen und Zeugen begründet auch die Unanwendbarkeit des § 619a BGB.73 Auch die abweichende Beweislastverteilung des § 31a Abs. 1 S. 3 BGB74 trägt einer besonderen Situation in Gestalt der ehrenamtlichen Vereinstätigkeit, die der Gesetzgeber durch die Einführung der Vorschrift stärken wollte,75 Rechnung, sodass eine entsprechende Anwendung ausscheidet.76 Im Schrifttum wird zur Begründung der Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG neben dem „Näher dran“-Sein der Vorstandsmitglieder auch auf die bereits in der Begründung des Entwurfs der Aktienrechtsnovelle 1884 anklingende77 Rechenschaftspflicht des Treuhänders gegenüber dem Treugeber Bezug genommen, die für den Vorstand als zumindest treuhandähnlich tätiges Organ78 ebenfalls Anwendung beanspruche.79 Das Argument größerer Nähe zu den schadensursächlichen Gegebenheiten zur Begründung einer Beweisbelastung der sachnäheren Person ist ferner bereits aus der deliktischen Produzentenhaftung bekannt, mithin auch aus prozessualer Sicht nicht neu. 1. Amtierende Vorstandsmitglieder a) Tatsächliche Beweislage Im Ausgangspunkt handelt es sich bei den für die Beweisbelastung der Vorstandsmitglieder angeführten Gründen um zutreffende Erwägungen. Anders als der für die Anspruchsverfolgung zuständige Aufsichtsrat und in noch weitaus stärkerem Maße klagende Aktionäre oder Gesellschaftsgläubiger, waren die auf Schadensersatz verklagten Vorstandsmitglieder an den streitgegenständlichen Vorgängen unmittelbar beteiligt und konnten insbesondere Einfluss auf Art und Umfang der 73

Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 34. Eingeführt durch das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes (Ehrenamtsstärkungsgesetz) v. 21. 03. 2013 mit Rückwirkung zum 01. 01. 2013, BGBl. I 2013, S. 556. 75 Vgl. Begr. des Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen v. 13. 08. 2008, BT-Drs. 16/10120; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 22. 06. 2009, BT-Drs. 16/13537; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses v. 17. 01. 2013, BT-Drs. 17/12123, S. 22 f.; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., Stand: 01. 11. 2014, § 31a Rn. 1; Reuter, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 31a Rn. 2. 76 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 34. 77 Siehe Fn. 72. 78 Dazu im 2. Teil C. II. sowie 2. Teil Fn. 55. 79 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 34; zum GmbH-Geschäftsführer, auf den § 93 Abs. 2 S. 2 AktG analog anzuwenden ist Roth/Altmeppen, 7. Aufl. 2012, § 43 Rn. 110; ähnl. Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 138, die allgemein auf die Beweislast des zu einer bestimmten Leistung verpflichteten Vertragspartners für die ordnungsgemäße Erfüllung abstellen; RGZ 98, 98, 100 (zur GmbH). 74

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Dokumentation der Hintergründe von Entscheidungsvorgängen im Vorstand nehmen, sich mithin gegebenenfalls später notwendig werdendes entlastendes Beweismaterial schaffen.80 Umgekehrt stehen dem Aufsichtsrat und in geringerem Umfang auch den Aktionären zwar Informations- und Prüfungsrechte zu. Obläge der Beweis einer Pflichtverletzung im Recht der Vorstandshaftung aber dem Kläger, wäre der Vorstand in vielen Fällen gut damit beraten, die Dokumentation von Entscheidungsvorgängen und der Veranlassung sonstiger Maßnahmen möglichst minimalistisch zu gestalten, um die Entstehung möglicherweise belastenden Materials zu verhindern und der Gesellschaft in einem späteren Haftungsprozess kein über das zwingend zu schaffende hinausgehendes Beweismaterial zur Verfügung zu stellen. Freilich besteht auch hier, wie bereits an unterschiedlichen Stellen angesprochen, das Risiko einer übermäßigen Dokumentation der Vorstandstätigkeit und der unnötigen Hinzuziehung externer Berater im Hinblick auf einen künftig eventuell notwendig werdenden Entlastungsbeweis. Vergleichbare Gefahren aus einer verständlichen Motivation der Vorstandsmitglieder, persönliche Haftung zu vermeiden,81 bilden indes kein Alleinstellungsmerkmal der Beweisproblematik. Allein hieraus eine Umverteilung der Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung zulasten der Gesellschaft zu fordern, erscheint nicht angebracht. Zwar werden sich wirtschaftliche Verluste durch unverhältnismäßig großen Dokumentationsaufwand, überobligationsmäßige externe Beratung und vergleichbare Maßnahmen tatsächlich kaum beziffern lassen. Angesichts der häufig in den dreistelligen Millionen- bis in den Milliardenbereich reichenden Schadenssummen aus Organhaftungsfällen erscheint die Inkaufnahme solcher Kosten als „Gegenleistung“ für die Beweisentlastung der Gesellschaft allerdings als hinnehmbar, wäre nach dem Gesagten doch anzunehmen, dass die Gesellschaft für den dann ihr obliegenden Beweis einer Pflichtverletzung kaum auf Dokumente in der gegenwärtig vorhandenen Dichte zurückgreifen könnte und bliebe der Informationsvorsprung der Vorstandsmitglieder durch die größere Sachnähe ohnehin bestehen.82 Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Gegebenheiten in Vorstandshaftungsfällen zumindest für amtierende Vorstandsmitglieder weitgehend den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers entsprechen und die Beweislastverteilung daher aufgrund der vorstehenden Erwägungen sinnvoll ist. Insbesondere trifft das Argument der größeren Sachnähe auch auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu und müssten gerade hier bei einer

80 Ähnl. BGHZ 152, 280, 283 (zur GmbH); Rieger, FS Peltzer, 2001, S. 339, 351; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 180, 188; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 269; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 34; krit. ggü. den Annahme einer erheblich größeren Sachnähe der Vorstandsmitglieder Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2118 ff. 81 Vgl. Kindler, FS Goette, 2011, S. 231, 235. 82 Ganz ähnl. DSW, Stellungnahme zum RefE UMAG, S. 2 f.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 169.

B. Darlegungs- und Beweislast

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Umkehr der geltenden Beweislast umfassende Dokumentationspflichten etabliert werden, die unternehmerisches Handeln deutlich zu erschweren drohten.83 b) Gerichtliche Handhabung der Beweislast Zudem erfährt die zunächst in der Nähe einer Erfolgshaftung84 scharf anmutende Beweislast der Vorstandsmitglieder für das Nichtvorliegen einer Pflichtverletzung, die auch so verstanden werden könnte, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied sich von jeglichem Vorwurf der Pflichtwidrigkeit aufgrund jeder denkbaren Handlung oder Unterlassung entlasten müsste, durch ihre Handhabung durch die Gerichte eine gewisse Abmilderung. Es genügt demnach nicht, dass die Gesellschaft einen in irgendeiner Weise durch den Vorstand verursachten Schaden dartut, vielmehr hat sie sich darüber hinaus substanziiert zu einem möglicherweise pflichtwidrigen Verhalten einzulassen.85 Trägt das beklagte Vorstandsmitglied wiederum Tatsachen vor, die die Einhaltung seiner Pflichten plausibel begründen, ist es an der Gesellschaft, diesen Vortrag ihm Rahmen einer sekundären Darlegungslast zu entkräften. Insbesondere im Anwendungsbereich der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG betont der BGH, die Beweislast der Vorstandsmitglieder nicht zu überspannen.86,87 Eine Erfolgshaftung, wie sie die Kritiker der Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG fürchten, ist damit nicht gegeben. Bachmann charakterisiert die Lösung des deutschen Rechts einschließlich seiner prozessualen

83 Ebenso i.Erg. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 33; DSW, Stellungnahme zum RefE UMAG, S. 2 f.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 168 ff. 84 Vgl. Goette, ZGR 1995, 648, 671; Paefgen, AG 2004, 245, 257; ders., NZG 2009, 891, 892 f.; Kurzwelly, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 12 Rn. 5; Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 223; Heermann, ZIP 1998, 761, 768; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 34. 85 Vgl. BGHZ 152, 280, 284 f. (zur GmbH); BGH DB 2013, 507, 508 Rn. 14; BGH NZG 2011, 549, 550 f. Rn. 17 ff.; BGH NJW 2009, 2598 Rn. 5; BGH NZG 2008, 314, 315 Rn. 8; BGH NZG 2008, 104, 105 Rn. 4; BGH NJW-RR 2007, 541, 544 Rn. 28 (zur Genossenschaft); OLG Stuttgart, NZG 2010, 141, 142; s. auch Goette, ZGR 1995, 648, 671 ff.; Krieger, FS U. H. Schneider, 2011, S. 717, 720 f.; Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 230; Kindler, FS Goette, 2011, S. 231, 233; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 161 f.; Grooterhorst, AG 2011, 389; Heermann, ZIP 1998, 761, 768; Kurzwelly, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 12 Rn. 6 f.; Wiesner/Kraft, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 26 Rn. 11; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 31; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 185; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 433 f.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 265; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 36; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 53; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 221; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 142. 86 Vgl. BGH NZG 2011, 549, 550 f. Rn. 19 f.; BGH DB 2013, 507, 510 Rn. 35; s. auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 35; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 70. 87 Zum Ganzen auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 34 f.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Handhabung zutreffend als „mittlere Linie“.88 Nicht zuletzt auch aufgrund der Vermeidung überstrenger Anforderungen an die Beweislast der Vorstandsmitglieder und damit die Verhinderung der Abwälzung jeglicher Schäden aufgrund unternehmerischen Misserfolgs der Gesellschaft durch die Rechtsprechung erscheint eine Änderung der Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG, auch hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, jedenfalls für amtierende Vorstandsmitglieder nicht angezeigt.89 2. Abweichende Beweislastverteilung für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder? a) Problemstellung Das Argument der größeren Sachnähe zu den in einem Organhaftungsprozess streitgegenständlichen Vorgängen, insbesondere auch den zum Beweis pflichtgemäßen Verhaltens erforderlichen Unterlagen und Zeugen, und der damit verbundene Vorteil der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft relativieren sich mit dem Ausscheiden aus dem Vorstand.90 Dementsprechend fordern Einige eine abweichende Beweislastverteilung für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder.91 Bei seinem Ausscheiden ist das Vorstandsmitglied nach §§ 675, 666 f. BGB verpflichtet, sämtliche Unterlagen, mithin auch solche, die in einem späteren Schadensersatzprozess zu seiner Entlastung erforderlich sein könnten, an die Gesellschaft herauszugeben.92 Kommt es zur Klage, hilft die Rechtsprechung dem 88

Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 35. Ebenso Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 168 ff. 90 Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 223, 225 f.; Rieger, FS Peltzer, 2001, S. 339, 351; Krieger, FS U. H. Schneider, 2011, S. 717, 719; Kindler, FS Goette, 2011, S. 231, 235; Baums, ZHR 174 (2010), 593, 607; Deilmann/Otte, BB 2011, 1291; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; Grooterhorst, AG 2011, 389; Heermann, ZIP 1998, 761, 767; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 35; E. Vetter, in: GesR in der Diskussion 2013, Diskussionsbeitrag, S. 102 f.; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2119; Kurzwelly, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 12 Rn. 15; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 29; Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 17a. 91 Namentlich Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 230 ff.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794 f., 805; Rieger, FS Peltzer, 2001, S. 339, 351; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 29; sympathisierend Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 17a; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; bei tatsächlich fehlendem Zugriff auf die bedeutsamen Unterlagen der Gesellschaft auch Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 70; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 147; Peltzer, in: GesR in der Diskussion 2013, S. 83, 99 f.; insg. für eine Beweislastverteilung nach den allg. Grundsätzen des Zivilprozessrechts Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2120. Vgl. auch Beschlüsse I. 6. a) u. b) der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT. 92 BGH WM 1963, 161 (zum GmbH-Geschäftsführer); BGH NJW 1990, 1289 f. (Geschäftsführer); BGH NZG 2008, 834 Rn. 3; Grooterhorst, AG 2011, 389, 390; Deilmann/Otte, 89

B. Darlegungs- und Beweislast

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ausgeschiedenen Vorstandsmitglied mit einem Einsichtsrecht,93 das, soweit es sich um für den Entlastungsbeweis erhebliche Urkunden handelt, auf § 810 BGB,94 darüber hinaus auf eine nachwirkende Treupflicht der Gesellschaft gegenüber ihrem ehemaligen Vorstandsmitglied i.V.m. § 242 BGB zu stützen sein soll.95 Dennoch bemängeln die Befürworter einer abweichenden Beweislastverteilung für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder, dass trotz dieser Erleichterungen bei der Beschaffung von Beweismitteln ehemalige Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans gegenüber amtierenden schlechter stünden,96 insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit, BB 2011, 1291, 1292; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 110; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 84 Rn. 55; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 433 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 36; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 82; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 97; Thüsing, in: HdbVorstR, 2006, § 4 Rn. 130; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 21 Rn. 72; zum Aufsichtsrat BGH NZG 2008, 834 Rn. 3; OLG Düsseldorf, AG 2007, 747, 748 f.; Habersack, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 103 Rn. 20; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 103 Rn. 6; Spindler, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 103 Rn. 16; s. auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794 f. 93 BGHZ 152, 280, 285; BGH NZG 2008, 834 Rn. 5; OLG Stuttgart, NZG 2010, 141, 142; LG Köln, AG 1977, 76, 77 (zum Einsichtsrecht eines nach § 93 Abs. 5 AktG vorgehenden Gläubigers); s. dazu auch Rieger, FS Peltzer, 2001, S. 339, 351; Krieger, FS U. H. Schneider, 2011, S. 717, 722 ff.; Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 232 ff.; Meier-Greve, BB 2009, 2555, 2560; Fleischer, NZG 2010, 121, 122; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 224; Grooterhorst, AG 2011, 389, 392 ff.; Deilmann/Otte, BB 2011, 1291, 1293; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 36; Wiesner/Kraft, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 26 Rn. 12; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 188; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 147; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 270; Bürgers/Israel, in: Bürgers/ Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 29. 94 Krieger, FS U. H. Schneider, 2011, S. 717, 722 ff.; Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 232 f.; Grooterhorst, AG 2011, 389, 393 ff.; Meier-Greve, BB 2009, 2555, 2560; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 36; Paefgen, AG 2014, 554, 566; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 270; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 188; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 224; Wiesner/Kraft, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 26 Rn. 12; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 147; Bürgers/Israel, in: Bürgers/ Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 29. 95 Krieger, FS U. H. Schneider, 2011, S. 717, 724; Grooterhorst, AG 2011, 389, 395 ff.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 270; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 188; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 224; Wiesner/Kraft, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 26 Rn. 12; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 29; s. auch Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 147. 96 Siehe Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 243 f.; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2119; Deilmann/Otte, BB 2011, 1291, 1293 f., die auf Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Unterlagen, in die Einsicht genommen werden soll aufgrund durch Zeitablauf fehlender Erinnerung an Dokumente im Einzelnen hinweisen; ähnl. Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; zur Gefahr des „Verschwindens“ beweiserheblicher Dokumente E. Vetter, in: GesR in der Diskussion 2013, Diskussionsbeitrag, S. 103; ähnl. Weller, LMK 2008, 271637; zu den Folgen durch die Gesellschaft zu vertretender Unmöglichkeit der Vorlage beweiserheblicher Dokumente Grooterhorst, AG 2011, 389, 398; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 36 weist auf die Gefahr einer zu strengen Handhabung der Beweislastregeln durch Instanzgerichte hin, die Vorstandsmitglieder in einen Vergleich mit der Gesellschaft drängen könnte; zweifelnd auch

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

weitere Personen, wie etwa Mitarbeiter, die an den streitgegenständlichen Vorgängen beteiligt waren, zu befragen.97 b) Reformüberlegungen aa) Beweislast der Gesellschaft für das Vorliegen einer Pflichtverletzung Dementsprechend wird entweder bereits de lege lata im Wege der teleologischen Reduktion eine Umkehr der Beweislast des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG hinsichtlich des Vorliegens einer Pflichtverletzung zugunsten der Vorstandsmitglieder vorgenommen98 oder de lege ferenda eine entsprechende gesetzliche Regelung gefordert.99 Zur Beseitigung der nach dem Ausscheiden aus dem Vorstand sich ergebenden Schwierigkeiten der ehemaligen Vorstandsmitglieder bei der Führung des Entlastungsbeweises sind ersichtlich beide Gedanken geeignet. Unproblematisch macht sie dies nicht. Zunächst bilden Haftungsauseinandersetzungen mit im Zeitpunkt einer Klageerhebung noch amtierenden Vorstandsmitgliedern einen praktisch wohl kaum jemals gegebenen Ausnahmefall; Regelfall ist die Schadensersatzklage gegen ehemalige Geschäftsleiter.100 Durch eine Beweislastumkehr, ob im Wege der teleologischen Reduktion oder durch einen gesetzgeberischen Eingriff, würde somit die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG, obwohl gesetzlicher Regel- zum tatsächlichen Ausnahmefall.101 Zwar könnte dies teilweise mit dem Wegfall des „Näher dran“-Sein des Vorstandsmitglieds, das sich der Gesetzgeber als Grundlage der Beweislastverteilung vorgestellt hatte, zu rechtfertigen sein. Der Wegfall von Baums, ZHR 174 (2010), 593, 607; vgl. Krieger, FS U. H. Schneider, 2011, S. 717, 722 ff. zu den Grenzen des Informationsanspruchs des ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds. 97 Rieger, FS Peltzer, 2001, S. 339, 351; Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 243 f.; vgl. Krieger, FS U. H. Schneider, 2011, S. 717, 728. 98 Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 230 ff.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794 f., 805; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 29; sympathisierend Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 17a; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; bei fehlendem Zugriff auf die bedeutsamen Unterlagen der Gesellschaft auch Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 93 Rn. 70; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 147; Peltzer, in: GesR in der Diskussion 2013, S. 83, 99 f. 99 Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 805; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2120 (auch für amtierende Vorstandsmitglieder); tendenziell auch Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; sympathisierend, aber zurückhaltend Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 35 f. 100 Rieger, FS Peltzer, 2001, S. 339, 351; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794; Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 223 f.; Baums, ZHR 174 (2010), 593, 607, 612; Krieger, FS U. H. Schneider, 2011, S. 717, 719; Deilmann/Otte, BB 2011, 1291; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 651; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2119; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 36. 101 Krit. insoweit auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 36; dies vermeiden Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2120 durch ihren Vorschlag einer Beweislastverteilung nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln für amtierende und ehemalige Vorstandsmitglieder.

B. Darlegungs- und Beweislast

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Anreizen, die Einhaltung der Vorstandspflichten zu dokumentieren und damit auch tatsächlich entsprechend sorgfältig zu handeln, der bereits für amtierende Vorstandsmitglieder als Argument gegen eine Änderung der geltenden Beweislastregelung angeführt wurde, drohte jedoch auch hier, könnten Vorstandsmitglieder nach den derzeitigen Gegebenheiten doch davon ausgehen, in aller Regel vor ihrer gerichtlichen Inanspruchnahme auf Schadensersatz abberufen zu werden oder aus sonstigen Gründen auszuscheiden. Schlimmstenfalls würden Vorstandsmitglieder bei Verdacht einer Pflichtverletzung und einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aus beweistaktischen Gründen ihr Amt niederlegen. Problematisch wäre dies zum einen im Hinblick auf die notwendige Leitung der Gesellschaft, insbesondere wenn große Teile des Vorstands betroffen wären, zum anderen auch dahingehend, dass die Vorstandsmitglieder selbst auf die Beweislastverteilung, die vertraglicher Disposition verschlossen ist,102 Einfluss nehmen könnten. Weiterhin könnten Vorstandsmitglieder in die Versuchung kommen, kurz vor ihrem absehbaren planmäßigen oder außerplanmäßigen Ausscheiden möglichst viele nunmehr für die Gesellschaft beweiserhebliche Unterlagen zu vernichten. Trotz Pflichtwidrigkeit und Strafbarkeit103 solcher Vorgänge wäre auch hier zunächst die Gesellschaft beziehungsweise der Staat in der Beweispflicht und würde, insbesondere wenn (nahezu) der gesamte Vorstand in denselben Sachverhalt verstrickt war und daher weiterhin zusammenhielte, auch der Nachweis der Vernichtung von Beweismaterial häufig nicht leicht zu führen sein. Umgekehrt könnte durch eine Beweisbelastung der Gesellschaft nach dem Ausscheiden eines schadensersatzpflichtigen Vorstandsmitglieds, insbesondere bei zu erwartenden Beweisschwierigkeiten, der Aufsichtsrat gehemmt sein, die betreffende Person aus wichtigem Grund aus dem Vorstand abzuberufen, obwohl eine weitere Zusammenarbeit aus Sicht der Gesellschaft weder gewünscht noch interessengerecht wäre.104 Handelte es sich um Ansprüche in erheblicher Höhe, die entweder von dem Vorstandsmitglied oder einer D&O-Versicherung aber voraussichtlich in wirtschaftlich bedeutsamem Umfang zu befriedigen wären, könnte der Aufsichtsrat vor der Entscheidung stehen, entweder ein unliebsames Vorstandsmitglied, das bereits in der Vergangenheit seine Pflichten verletzt hat, aus beweistaktischen Gründen zunächst zu halten oder wegen einer schwierigen, möglicherweise weitgehend aussichtslosen Beweislage der Gesellschaft bei Beweislastumkehr nach dessen Ausscheiden auf die oder große Teile der Schadensersatzforderung verzichten zu müssen. Mithin wäre bei einer Umkehr der Beweislast des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG unmittelbar nach dem Ausscheiden des Vorstandsmitglieds dessen Beweiserleichterung mit erheblichen, demgegenüber unverhältnismäßigen der Gesellschaft drohenden Nachteilen verbunden. Daher ist weder de lege lata eine entsprechende te102 103 104

Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 189. Vgl. § 274 StGB. Ganz ähnl. Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2120.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

leologische Reduktion noch de lege ferenda eine gesetzliche Regelung dieses Inhalts zu befürworten. bb) Alternativen (1) Satzungsdispositivität der Beweislastverteilung Anstelle einer Beweislastumkehr betreffend die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens zugunsten ausgeschiedener Vorstandsmitglieder schlägt Bachmann vor, die Beweislastverteilung satzungsdispositiv zu gestalten, räumt allerdings unmittelbar ein, dass schwerlich anzunehmen sei, dass die Hauptversammlung sich auf ein solches „Wagnis“ einlassen würde.105 Weiterhin sieht sich dieser Reformvorschlag denselben grundsätzlichen Bedenken ausgesetzt wie die Schaffung der Möglichkeit satzungsmäßiger Regelungen der Vorstandshaftung de lege ferenda in anderen Bereichen, namentlich der Festlegung von Haftungshöchstbeträgen und der Absenkung des einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabs.106 Daher ist eine solche Regelung insgesamt nicht als zielführend zu bewerten. (2) Verkürzung der Verjährungsfrist Weiterhin erwägt Bachmann vor dem Hintergrund mit Zeitablauf zunehmender Beweisschwierigkeiten ausgeschiedener Vorstandsmitglieder eine Verkürzung der Verjährungsfristen des § 93 Abs. 6 AktG, sieht aber angesichts in der Praxis üblicher Verjährungsverzichtsvereinbarungen hierin keine Möglichkeit „echter Linderung“ der Problematik.107 (3) „Ausbau des Einsichtsrechts“ Dreh- und Angelpunkt der Beweiserschwernis ausgeschiedener Vorstandsmitglieder ist, wie dargestellt, nach allen Auffassungen das Einsichtsrecht in Unterlagen der Gesellschaft. Dementsprechend möchte Bachmann dieses „ausbauen“, indem scheidenden Vorstandsmitgliedern das Behalten von Kopien „aller [sie] betreffenden Vorgänge bis zum Ablauf der Verjährungsfrist“ oder Zugang hierzu gesetzlich gewährleistet wird.108 An der praktischen Durchsetzbarkeit entsprechender nachver105

Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 37. Dazu noch ausführlich unter 4. Teil D. II. u. E. II. 107 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 37; zur Verkürzung der Verjährung de lege ferenda s. u. 4. Teil C. 108 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 37; Paefgen, AG 2014, 554, 566; Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT „Die Beweislastregel des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG sollte zumindest um ein Recht des ausgeschiedenen Organmitglieds auf Unternehmensinformationen ergänzt werden.“ mit 74:3:6 Stimmen (Beschluss I. 6. c)); ähnl. Weller, LMK 2008, 271637; für einen vollumfänglichen Zugang, einschließlich des Rechts, Mitarbeiter zu befragen Rieger, FS Peltzer, 2001, S. 339, 352; krit. bzgl. der gegenwärtigen Situation auch E. Vetter, in: GesR in der Diskussion 2013, Diskussionsbeitrag, S. 103. 106

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traglicher Einsichtsrechte im Anstellungsvertrag werden berechtigte Zweifel geäußert,109 ebenso an der tatsächlichen Möglichkeit, ausreichende eigene Notizen zu bedeutsamen Unterlagen anzufertigen, um später beweiserhebliches Material zur Wahrnehmung des Einsichtsrechts benennen zu können.110 Nach Auffassung Bachmanns stünden einer solchen Regelung Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft angesichts strafbewehrter Verschwiegenheitspflichten des Vorstandsmitglieds sowie von ihm beauftragter Rechtsberater nicht entgegen. Bereits dies erscheint zweifelhaft, besteht doch immer die Gefahr, dass sensible Dokumente so in die falschen Hände und schlussendlich an Konkurrenten oder die Öffentlichkeit geraten.111 Ferner bestehen nachhaltige Bedenken hinsichtlich der Praktikabilität einer solchen gesetzlichen Regelung. Kopien aller (!) ein Vorstandsmitglied „betreffenden Vorgänge“, mithin sämtlicher Maßnahmen mit im Zeitpunkt des Ausscheidens schwer absehbarer, auch nur möglicher haftungsrechtlicher Bedeutung zu fertigen dürfte bei langjährigen Mitgliedern häufig in die Nähe vollumfänglicher Kopien aller den Vorstand betreffenden Dokumente aus dessen Amtszeit geraten. Zusätzlich stellte sich hier, wie bei entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen, die Frage der Abgrenzung der Unterlagen, bezüglich derer eine Kopierberechtigung bestünde.112 Auch die Garantie des uneingeschränkten Zugangs zu Unterlagen der Gesellschaft im Fall einer Schadensersatzklage ist, auch bezüglich deren Geheimhaltungsinteressen, nicht unproblematisch, stehen sich die Beteiligten doch hier bereits als Prozessparteien gegenüber, wird mithin die Gesellschaft ein schützenswertes Interesse daran haben, die zu gewährende Einsicht auf das Notwendigste zu beschränken. Auch diese Form der Abhilfe begegnet demnach zum einen praktischen Schwierigkeiten und spielte sich zudem notwendig in erheblichem Maße „auf dem Rücken der Gesellschaft“ ab, die bis zum Ablauf der Verjährungsfrist dazu gezwungen wäre, möglicherweise sensible Un109

Neben Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 37 auch Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; Deilmann/Otte, BB 2011, 1291, 1294. 110 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 37. Dies empfehlen Deilmann/Otte, BB 2011, 1291, 1295; Heider/Hirte, CCZ 2009, 106, 109; allerdings kann sich die Herausgabepflicht auf Notizen, die nicht lediglich für das Vorstandsmitglied selbst von Bedeutung sind, erstrecken, s. ebd., 109. 111 Vgl. BGH NZG 2008, 834 Rn. 3, in Rn. 8 wird obiter angedeutet, dass sich die Herausgabepflicht auf Kopien erstreckt; Grooterhorst, AG 2011, 389, 390; eine Herausgabepflicht betreffend Kopien lediglich für geheimhaltungsbedürftige Dokumente nimmt Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 110 an; auch aus technischen Gründen krit. gegenüber der Herausgabepflicht (für Aufsichtsratsmitglieder) Doralt/Doralt, in: Semler/v. Schenck, ArbHdb für Aufsichtsratsmitglieder, § 14 Rn. 243; a.A. (Vorrang des Beweisinteresses der Organmitglieder vor Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft) bzgl. Kopien Fonk, in: Semler/v. Schenck, ArbHdb für Aufsichtsratsmitglieder, 2. Aufl. 2004, § 9 Rn. 107 (für Aufsichtsratsmitglieder): Herausgabe „unzumutbar“; Weller, LMK 2008, 271637; anders zum entgegenstehenden Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft, allerdings bei Bestehen eines über die künftige Beweissicherung hinausgehenden berechtigen Interesses an den Unterlagen BGH NJW 1990, 1289, 1290 (Geschäftsführer). 112 Vgl. Deilmann/Otte, BB 2011, 1291, 1294.

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terlagen in den Händen ihr spätestens im Zeitpunkt einer Klageerhebung nicht mehr wohlgesonnener ehemaliger Vorstandsmitglieder zu wissen. cc) Eigener Reformvorschlag Zutreffend bleibt allerdings, dass sich die Beweissituation für Vorstandsmitglieder mit Ausscheiden, vor allem aber auch mit nachfolgendem Zeitablauf, grundsätzlich verschlechtern wird, die Führung des Entlastungsbeweises dadurch zunehmend erschwert und damit einhergehend das Haftungsrisiko erhöht wird. Eine weitere Verschärfung erfährt dies durch die Sonderverjährung des § 93 Abs. 6 AktG, die für nicht börsennotierte Gesellschaften fünf, für börsennotierte, in denen wohl mit durchschnittlich höheren Haftungssummen zu rechnen ist, sogar zehn Jahre beträgt. Ohne zugleich die mit einer unmittelbaren Beweislastumkehr verbundenen Fehlanreize für die Beteiligten zu schaffen, könnte, da mit einer Zunahme der Problematik mit Zeitablauf zu rechnen ist, eine Erleichterung der schwieriger werdenden Beweislage für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder erreicht werden, indem eine Umkehr der Beweislast des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG vom Ablauf einer gewissen Frist nach Ausscheiden des betreffenden Vorstandsmitglieds abhängig gemacht wird. Vorgeschlagen werden hierfür drei Jahre. Diese Frist ist zum einen als Regelverjährungsdauer in § 195 BGB bekannt, zum anderen ging der Gesetzgeber des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in der geltenden Fassung davon aus, dass drei Jahre eine angemessene Zeit seien, sich über einen Schadensersatzanspruch umfassend Gewissheit zu verschaffen. Gewissheit über einen bis dahin erfolgten Führungswechsel mit entsprechender Klagebereitschaft des Aufsichtsrats oder einer Aktionärsminderheit sowie die Kenntniserlangung hinsichtlich der schadensstiftenden Pflichtverletzung könnte diese Frist, wie auch als Sperrfrist für Verzicht und Vergleich, freilich nicht bieten. Unverhältnismäßige Nachteile für die Gesellschaft stünden bei der vorgeschlagenen Regelung allerdings nicht zu erwarten. Weder wäre der Aufsichtsrat gegebenenfalls aus beweistaktischen Gründen genötigt, ein ungeeignetes Vorstandsmitglied in der Gesellschaft zu halten, um sich eine günstige Beweislage zu sichern, ließe die Dreijahresfrist für eine Geltendmachung von Ansprüchen doch genügend Zeit. Noch könnten Vorstandsmitglieder vernünftigerweise darauf spekulieren, durch eine unzureichende Dokumentation oder die kriminelle Vernichtung beweiserheblichen Materials die Gesellschaft zu schädigen, könnten sie doch im Zeitpunkt ihres Ausscheidens nicht mit relativer Sicherheit davon ausgehen, erst nach der Umkehr der Beweislast zu ihren Gunsten in Anspruch genommen zu werden. Eine solche Regelung könnte zudem eine echte Alternative zu einer nicht in allen Fällen sinnvollen und zudem wegen der Entstehung einer peremptorischen Einrede einschneidenderen Abkürzung der Verjährung des § 93 Abs. 6 AktG de lege ferenda darstellen. In diesem Sinne erscheint auch eine Frist von fünf Jahren seit Anspruchsentstehung für im Zeitpunkt der Klageerhebung ausgeschiedene Vorstandsmitglieder diskutabel, eine solche brächte aber bei langjährigen Vorstands-

C. Verjährung

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mitglieder wieder die oben dargestellten Missbrauchspotenziale mit sich, sodass die Dreijahresfrist ab Ausscheiden, unabhängig vom Zeitpunkt der Pflichtverletzung, vorzugswürdig ist. c) Zwischenfazit Aufgrund der angestellten Erwägungen erscheint es grundsätzlich sinnvoll, die Beweislast für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder abweichend von der für amtierende zu regeln. Eine solche Regelung sollte wegen der aufgezeigten, der Gesellschaft drohenden erheblichen Nachteile allerdings an eine gewisse Karenzfrist, etwa von drei Jahren, nach dem Ausscheiden der betreffenden Person aus dem Vorstand geknüpft werden. Nach Ablauf dieser Frist würde nach dem hier formulierten Vorschlag der Beweis der Pflichtwidrigkeit eines schadensstiftenden Verhaltens des damaligen Vorstandsmitglieds der Gesellschaft obliegen. Eine Sonderregelung für börsennotierte Gesellschaften erscheint sachlich nicht erforderlich, wäre aber bei Bedarf ohne Schwierigkeiten in das vorgeschlagene Regelungskonzept zu integrieren.

C. Verjährung Die widerstreitenden Interessen der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und Aktionäre auf der einen und der Vorstandsmitglieder auf der anderen Seite, die sich in der Frage der Verjährungsfrist gegenüberstehen, ähneln denen bei der Beweislastverteilung, teilweise auch denen bei der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.113 Während der Gesellschaft daran gelegen ist, ihre Ersatzansprüche möglichst einfach und damit auch, insbesondere wegen der Möglichkeit zwischenzeitigen Bekanntwerdens neuer Tatsachen oder eines Führungswechsels, möglichst lange durchsetzen zu können, kommt auch hier der Gesichtspunkt der sich mit Zeitablauf in aller Regel verschlechternden Beweissituation der dann häufig ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder zum Tragen.114

I. Regelverjährung und § 93 Abs. 6 AktG im Vergleich 1. Beginn und Ende der Verjährungsfristen Abweichend von der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB verjähren Ansprüche aus § 93 AktG nach dessen Absatz 6 in fünf, bei Gesellschaften, die zum 113

Zu den Parallelen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Redeke, BB 2010, 910, 912. Vgl. zunächst Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 53; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897; Fleischer, AG 2014, 457, 468. 114

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren; dieselbe Frist gilt nach § 52a Abs. 1 KWG für Kreditinstitute, unabhängig von einer Börsennotierung. Daher beginnt die Verjährungsfrist für solche Ersatzansprüche nach inzwischen einhelliger Auffassung unabhängig von einer Kenntnis des für ihre Geltendmachung zuständigen Aufsichtsrats nach § 200 BGB im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung.115 Dagegen beginnt dieser Zeitraum für Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem diese sowohl entstanden sind als auch der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangt haben müssen. Für den aktienrechtlichen Organhaftungsansprüchen vergleichbare Sachverhalte, die der Regelverjährung unterliegen, beträgt die maximale Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB zehn Jahre seit der Anspruchsentstehung. 2. Vergleich der Verjährungsdauer Vergleicht man die genannten Zeiträume, ergibt sich, dass die zehnjährige Verjährungsfrist des § 93 Abs. 6 AktG für börsennotierte Gesellschaften dieser Verjährungshöchstfrist entspricht,116 die Sonderverjährungsfrist mithin keinesfalls kürzer dauern kann als die Regelverjährung und im Regelfall der Kenntniserlangung von den in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB genannten Tatsachen innerhalb von weniger als etwa sieben Jahren117 seit Anspruchsentstehung die Frist des § 195 BGB früher ablaufen wird. Hinsichtlich der Fünfjahresfrist des § 93 Abs. 6 AktG kommt sowohl eine längere als auch kürzere Laufzeit als die der Regelverjährung in Betracht, abhängig davon, ob, angenommen Ansprüche aus § 93 AktG unterlägen der Regelverjährung, der Aufsichtsrat die bedeutsamen Erkenntnisse innerhalb von weniger oder mehr als etwa zwei Jahren erlangt hätte. Im ersten Fall wäre die Regel-, im zweiten die Sonderverjährung kürzer.118 Eine einheitliche Auswirkung der Fünfjahresfrist ist damit im Vergleich zur Regelverjährung nicht auszumachen, sie kann sowohl Privilegierung als auch Benachteiligung des haftenden Vorstandsmitglieds sein.

115

Statt aller BGH NJW 2009, 68 Rn. 16; OLG Stuttgart, AG 2010, 133, 136; Fleischer, AG 2014, 457, 460; Baums, ZHR 174 (2010), 593, 600; Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368; Keiluweit, GWR 2010, 445; Redeke, BB 2010, 910, 911; Krieger, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rn. 45; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 54; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 87; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 291 sowie die dortigen Nachweise. 116 So auch die Überlegung des Gesetzgebers; s. Begr. RegE Restrukturierungsgesetz v. 27. 09. 2010, BT-Drs. 17/3024, S. 82. 117 Das „etwa“ ergibt sich aus der Jahresendverjährung des § 199 Abs. 1 BGB im Unterschied zu dessen Abs. 3. 118 Dazu auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 53.

C. Verjährung

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3. Begründung der längeren Verjährungsfristen des § 93 Abs. 6 AktG Die Sonderverjährungsfrist für aktienrechtliche Organhaftungsansprüche wurde im Nachgang der Schuldrechtsreform einer kritischen Prüfung durch den Gesetzgeber unterzogen, der sich ausdrücklich für deren Beibehaltung entschied. Zur Begründung wird vorgebracht, dass der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist neben der Anspruchsentstehung auch Kenntnis des Aufsichtsrats von den anspruchsbegründenden Umständen voraussetze. Der Zeitpunkt deren Eintritts sei häufig schwierig zu bestimmen.119 Zudem würden Gläubiger und Aktionäre, die von entsprechenden Informationen des Aufsichtsrats in der Regel nicht oder erst (zu) spät erführen, in der Wahrnehmung ihrer Rechte beeinträchtigt. Ferner würde durch den eindeutig festzustellenden Beginn der Verjährungsfrist sowohl im Interesse der Organmitglieder selbst als auch der Gesellschaft, auch im Hinblick auf den erleichterten Abschluss einer D&O-Versicherung, Gewissheit über die Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen und damit Rechtssicherheit geschaffen.120 Nach Auffassung des Gesetzgebers, der die Nähe der möglichen Regelverjährung zu der Fünfjahresfrist ebenfalls feststellt, sei weniger die Länge als vielmehr der Beginn der Verjährungsfrist maßgeblich für die Beibehaltung einer aktienrechtlichen Sonderregelung.121 Im Schrifttum wird § 93 Abs. 6 AktG in Gestalt der Fünfjahresfrist dagegen teilweise auch (nur) als Haftungsverschärfung thematisiert, die durch die Schwierigkeit der Ermittlung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen sowie die geschäftliche Versiertheit des Schuldners, der dementsprechend erforderliche Beweismittel zu konservieren imstande sei, gerechtfertigt sei.122 Ähnliche Erwägungen liegen der Verlängerung der Verjährungsfrist für börsennotierte Gesellschaften, die durch den im Dezember 2010 in Kraft getretenen Art. 6 des Restrukturierungsgesetzes123 geregelt wurde, zugrunde. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass bei börsennotierten Gesellschaften in der Regel eine „breitere Anlegerstruktur“ vorhanden sei, die mit einer Anonymisierung der beteiligten Aktionäre, die, anders als bei nicht börsennotierten Gesellschaften, meist keine unternehmerischen, sondern reine Anlageziele verfolgten, einhergehe. Diese Besonder119

So auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 55. Siehe Begr. RegE Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drs. 15/3653, S. 12. 121 Begr. RegE Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drs. 15/3653, S. 12. 122 Siehe Peters/Zimmermann, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 77, 335 f. 123 Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz), BGBl. I 2010, S. 1900. 120

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

heiten wirkten sich in mehrfacher Weise im Zusammenhang der Organhaftung aus. Zum einen könne die Unternehmensleitung zu einer Ausrichtung der Geschäftspolitik auf kurzfristige Anlageerfolge der Aktionäre unter Vernachlässigung einer nachhaltigen Unternehmensplanung auf längere Sicht angehalten sein. Zum anderen könne das fehlende unternehmerische Interesse und Engagement der Anteilseigner zu einer erst vergleichsweise späten Entdeckung von Pflichtverletzungen im Vorstand und auch im Aufsichtsrat führen. Aufgrund der Diversifizierung der Aktionärsstruktur könnte die Einleitung zur Untersuchung möglicher Pflichtverletzungen erforderlicher Sonderprüfungen sich besonders zeitaufwändig gestalten, zudem bedürfe auch die Prüfung selbst einer gewissen Zeit. Ferner sei in börsennotierten Gesellschaften grundsätzlich eine sorgfältigere Dokumentation des Handelns der Organe anzunehmen, sodass die Aufklärung von Pflichtverletzungen nach einer längeren Zeit noch Erfolg versprechend sei als dies bei kleineren, nicht börsennotierten Gesellschaften der Fall sei.124 Eine längere Verjährungsdauer macht es außerdem wahrscheinlicher, dass zwischen Pflichtverletzung und Eintritt der Verjährung ein Wechsel im Aufsichtsrat stattfindet, sodass eine Anspruchsverfolgung durch an dem betreffenden Sachverhalt unbeteiligte Aufsichtsratsmitglieder wahrscheinlicher wird.125 Dasselbe gilt für das Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds, das die Verfolgungswahrscheinlichkeit ebenfalls erhöhen dürfte.126

II. Kritik Im Grundsatz ist die von der gesetzlichen Regelverjährung abweichende Regelung des § 93 Abs. 6 AktG anscheinend akzeptiert. Auf Kritik und Widerspruch stößt allerdings die in Gestalt einer Verdoppelung doch deutliche Verlängerung dieser Frist von fünf auf zehn Jahre für börsennotierte Gesellschaften.127 Neben dem bereits zur Beweislastverteilung diskutierten Argument, die Vorstandsmitglieder seien nach einem derart langen Zeitraum immer schlechter in der Lage, den nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG de lege lata notwendigen Entlastungsbeweis hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens zu führen,128 wird auch die Rechtfertigung der erheblich 124 Siehe zum Ganzen Begr. RegE Restrukturierungsgesetz v. 27. 09. 2010, BT-Drs. 17/ 3024, S. 81. 125 Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 371; Keiluweit, GWR 2010, 445, 446. 126 Siehe Redeke, BB 2010, 910, 912; Keiluweit, GWR 2010, 445, 446. 127 Krit. namentlich Baums, ZHR 174 (2010), 593, 594 ff.; Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 47; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897; Krieger, in: Krieger/ U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rn. 45; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 85; Fleischer, AG 2014, 457, 467. Die Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT hat sich mit 65:10:6 Stimmen (Beschluss I. 8. a)) deutlich für eine Abschaffung der Zehnjahresfrist für börsennotierte Gesellschaften und Kreditinstitute ausgesprochen. 128 Dazu unter dem Gesichtspunkt der Verjährung DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 597; Baums, ZHR 174 (2010), 593, 607 f.; Keiluweit, GWR 2010, 445, 447; Fleischer, AG 2014, 457, 467; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 287; vgl. auch (zu den

C. Verjährung

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verlängerten Verjährung aufgrund von Besonderheiten, die sich aus der Börsennotierung ergeben, in Frage gestellt. Rechtstatsächlich stünden die wenigsten börsennotierten Gesellschaften mehrheitlich in Streubesitz, vielmehr seien in der Regel ein Mehrheits- oder Großaktionär oder eine die Gesellschaft kontrollierende Gruppe von Aktionären vorhanden, sodass die in der Gesetzesbegründung dargestellten Schwächen bei der Anspruchsdurchsetzung so nicht gegeben seien. Die entsprechende Zurückhaltung beruhe vielmehr auf anderen Faktoren, namentlich den hier bereits diskutierten Gesichtspunkten der unerwünschten Öffentlichkeitswirkung einer Organhaftungsklage und der lediglich bruchteilweisen Erlangbarkeit eines Schadensersatzes. Mithin lasse die tatsächliche Seltenheit solcher Klagen weder auf Mängel der gesetzlichen (Verjährungs-)Regeln noch auf ein spezifisch börsennotierte Gesellschaften betreffendes Verfolgungsdefizit schließen.129 Weiterhin sei eine veränderte Sachlage seit der Bestätigung der Fünfjahresfrist durch den Gesetzgeber im Jahr 2004 nicht zu verzeichnen, sodass die damals angestellten Erwägungen nach wie vor Geltung beanspruchten.130 Zudem sei die drohende Haftung des pflichtwidrig die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder unterlassenden Aufsichtsrats als Anreiz ausreichend, ohne dass es einer Verlängerung der Verjährungsfrist bedurft hätte.131 Die zweijährige Karenzfrist des § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AktG diene außerdem dazu, eine Befangenheit der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber ehemaligen Vorstandskollegen zu verhindern.132 Daneben stünden auch den Aktionären in Gestalt der Aktionärsklage und der Einleitung einer Sonderprüfung Möglichkeiten zur Verfügung, Ansprüche der Gesellschaft gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder zu ermitteln und geltend zu machen.133 Darüber hinaus werden systematische Bedenken, beispielsweise im Vergleich zu §§ 117 Abs. 6, 309 Abs. 5 AktG, 25 Abs. 3 UmwG, die ausnahmslos eine fünfjährige Verjährungsfrist vorsehen, geäußert.134 Es wird auch darauf hingewiesen, dass die verlängerte Verjährungsfrist, die gerade auch darauf zielt, die Inanspruchnahme regulär ausgeschiedener Vorstandsmitglieder zu erleichtern, sich negativ auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftsorganen auswirke und damit die Zusammenarbeit beeinträchtige. Außerdem drohten der Gesellschaft zusätzliche Aufsichtsratsmitgliedern) Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2010, 527, 528. Redeke, BB 2010, 910, 914 weist darauf hin, dass die verlängerte Verjährungsfrist nicht Ursache der Problematik sei, sondern diese lediglich verschärfe. 129 Baums, ZHR 174 (2010), 593, 594; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 287. 130 Keiluweit, GWR 2010, 445, 446; Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2010, 527, 528; dagegen Redeke, BB 2010, 910, 913 f. 131 Keiluweit, GWR 2010, 445, 446; s. auch Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2010, 527, 528. 132 Keiluweit, GWR 2010, 445, 447. 133 Keiluweit, GWR 2010, 445, 447; Fleischer, AG 2014, 457, 467; vgl. Redeke, BB 2010, 910, 911. 134 Siehe Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2010, 527 f.; Keiluweit, GWR 2010, 445, 447; Anpassung de lege ferenda, falls keine Neuregelung der Verjährung erfolgt, fordert Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 56.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Aufklärungs- und Rechtsverfolgungskosten für „Altsachverhalte“.135 In diesem Zusammenhang entstehe auch die Notwendigkeit längerer Aufbewahrung von Dokumenten.136

III. Reformüberlegungen 1. Geltung der regelmäßigen Verjährungsfrist Die Kritiker der zehnjährigen Sonderverjährungsfrist für Schadensersatzansprüche börsennotierter Aktiengesellschaften gegen ihre Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder schlagen teilweise vor, die Vorschrift des § 93 Abs. 6 AktG insgesamt zu streichen, sodass die Regelverjährung mit entsprechendem Beginn der Verjährungsfrist zur Anwendung käme.137 Begründet wird dies mit der Erwägung, dass die zehnjährige Frist zu einem unnötig langen Aufschieben der Anspruchsverfolgung animiere, während die Dreijahresfrist des § 195 BGB, die mit Kenntnis des Aufsichtsrats von den Umständen, aus denen sich der Ersatzanspruch ergibt, beginnen würde, eher zu einer zügigen Geltendmachung, auch zur Vermeidung eigener Haftung, Anreiz gebe.138 Eine solche Reform trüge zwar dem Grundgedanken der Verlängerung der Verjährungsfrist für börsennotierte Gesellschaften, zu der nach Auffassung des Gesetzgebers erschwerten Aufdeckung und Aufklärung von Pflichtverstößen einen Gegengewicht zu schaffen, Rechnung.139 Die ebenfalls intendierte Schaffung von Gewissheit über die Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen für alle Beteiligten ginge dadurch aber in erheblichem Maße verloren,140 ebenso der damit einhergehende Schutz der Gläubiger und Aktionäre.141 Unbedenklich erscheint aufgrund der dann eintretenden Haftung der Aufsichtsratsmitglieder die Möglichkeit des Aufsichtsrats, bei frühzeitiger Kenntnis Ansprüche innerhalb eines Dreijahreszeitraums, den das geltende Recht auch als

135

Redeke, BB 2010, 910, 914. Eckert, in: Wachter, § 93 Rn. 63; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 287. Siehe auch die teilweise kürzeren Aufbewahrungsfristen der §§ 257 Abs. 4 HGB, 147 Abs. 3 AO, die hier ebenfalls zum praktischen Problem werden könnten. 137 DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 85. 138 DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897; Redeke, BB 2010, 910, 912 f.; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 55. 139 So auch ausdrücklich DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897. 140 Ähnl. Keiluweit, GWR 2010, 445, 447; Redeke, BB 2010, 910, 913; a.A. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 55, der von einer gegenüber der geltenden Regelung des § 93 Abs. 6 AktG kürzeren Verjährungsdauer bei Geltung der allgemeinen Regeln ausgeht. 141 Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 55; a.A. Redeke, BB 2010, 910, 913, der die Möglichkeit einer ggü. der Fünfjahresfrist des § 93 Abs. 6 AktG kürzeren Regelverjährung anscheinend unberücksichtigt lässt. 136

C. Verjährung

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Sperrfrist für einen Verzicht, der der Verjährung in der Wirkung entspricht, vorsieht, verjähren zu lassen.142 Die Anwendung der Regelverjährungsfrist auf Ansprüche aus § 93 AktG empfiehlt sich aus den bereits 2004 seitens des Gesetzgebers formulierten Gründen notwendiger Rechtssicherheit im Interesse der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und Aktionäre sowie der schadensersatzpflichtigen Organmitglieder nicht. Ob von einer Dreijahresfrist mit Beginn nach § 199 Abs. 1 BGB eine verbesserte Durchsetzung von Ansprüchen gegen Vorstandsmitglieder zu erwarten wäre, ist zu bezweifeln, eher ist das Gegenteil anzunehmen. Zum einen kann diese Frist bei frühzeitiger Kenntnis des Aufsichtsrats deutlich hinter der geltenden Fünfjahresfrist zurückbleiben. Dies lässt ein Ausscheiden der betroffenen Vorstandsmitglieder bis zu dem Zeitpunkt, in dem zur Hemmung der Verjährung eine Geltendmachung des Ersatzanspruchs erfolgen müsste, ebenso weniger wahrscheinlich werden wie einen personellen Wechsel im Aufsichtsrat oder eine bedeutsame Änderung der Aktionärsstruktur.143 Wie in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ist freilich auch hier ungewiss, ob in einer Frist von fünf Jahren ab Anspruchsentstehung derartige Veränderungen eintreten werden, eine höhere Wahrscheinlichkeit ist indes nicht von der Hand zu weisen. Vergleichbare Interessen wie an einem Vergleich bestehen am Verjährenlassen eines Anspruchs nicht. Daher ist die Streichung des § 93 Abs. 6 AktG insgesamt de lege ferenda ebenso unangebracht wie ein Verweis auf die Regelverjährung für börsennotierte Gesellschaften. 2. Anknüpfung an das Ausscheiden aus dem Vorstand Baums schlägt, vergleichbar dem hier zur Beweislastverteilung formulierten Gedanken, vor, hinsichtlich der Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus § 93 AktG zwischen amtierenden und ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern zu differenzieren. Demnach soll, solange sich die betreffende Person im Amt befindet, für alle Aktiengesellschaften die Zehnjahresfrist des § 199 Abs. 3 BGB gelten. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt soll, sofern nicht zuvor die Zehnjahresfrist des § 199 Abs. 3 BGB verstrichen sei, der Anspruch binnen drei Jahren, entsprechend der Regelfrist, verjähren.144 Diesem Vorschlag hat sich der Juristentag mit knapper Mehrheit angeschlossen.145 Flankierend möchte Baums, hier mit deutlicher Zu-

142 Anders Baums, ZHR 174 (2010), 593, 609. Zum Verjährenlassen von Ansprüchen s. auch 3. Teil B. I. 3. 143 Dementsprechend erwartet auch Baums, ZHR 174 (2010), 593, 609 ein Durchsetzungsdefizit. 144 Baums, ZHR 174 (2010), 593, 611 f.; zust. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 55; Paefgen, AG 2014, 554, 571; Hopt; ZIP 2013, 1793, 1801. 145 Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 32:30:21 Stimmen (Beschluss I. 8. b)).

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

stimmung des Juristentages,146 einer laufenden Sonderprüfung verjährungshemmende Wirkung zukommen lassen.147 Bei dem Ausscheiden des Vorstandsmitglieds als für den Fristbeginn maßgeblichem Zeitpunkt handelt es sich, anders als bei der Feststellung tatsächlicher Kenntnis oder, mehr noch, grob fahrlässiger Unkenntnis des Aufsichtsrats von den anspruchsbegründenden Umständen, um ein eindeutig festzustellendes Datum, sodass der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck einfach zu erlangender Gewissheit über die Durchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen hier ebenso gewährleistet ist wie durch die geltende Regelung.148 Nach dem Ausscheiden des Vorstandsmitglieds hat die Gesellschaft drei Jahre Zeit, möglicherweise schadensstiftende Pflichtverletzungen zu ermitteln und sich gegebenenfalls mit der Frage der Geltendmachung von Ersatzansprüchen auseinanderzusetzen.149 Die Anknüpfung einer bei erst unmittelbar vor dem Ausscheiden erfolgten Pflichtverletzungen relativ kurzen Frist an eben dieses Ereignis erscheine auch deshalb sinnvoll, weil im Zuge des Ausscheiden, wenn Abfindungs-, Ruhegehalts- und vergleichbare Ansprüche zu regeln seien, ohnehin eine Befassung der Gesellschaft mit möglicherweise aufrechnungsfähigen Schadensersatzansprüchen erfolge.150 Die insgesamt maximal zehnjährige, nach Ausscheiden aus dem Vorstand aber nur noch höchstens dreijährige Verjährungsfrist, die nach dem Vorschlag Baums‘, trotz Anknüpfung an die Regelverjährung grundsätzlich, wie die geltende, mit Anspruchsentstehung zu laufen beginnen soll,151 soll einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Gesellschaft an einer späten Verjährung und den sich nach deren Ausscheiden zunehmend verschärfenden Beweisschwierigkeiten der Vorstandsmitglieder schaffen.152 3. Streichung der Sonderregelung für börsennotierte Gesellschaften Die ersatzlose Streichung der Sonderregelung für börsennotierte Gesellschaften in § 93 Abs. 6 AktG wird nach Inkrafttreten des Restrukturierungsgesetzes soweit ersichtlich nur von Fleischer, der maßgeblich darauf abstellt, dass sich das bisherige Verjährungsmodell nicht als Hindernis für eine Anspruchsverfolgung erwiesen habe und ein grundlegender Systemwechsel angesichts der wiederholten Reformen des Aktienrechts nicht angezeigt sei, gefordert.153 Dies spricht dafür, dass die Fünfjah146

8. c)).

Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 72:5:8 Stimmen (Beschluss I.

147 Baums, ZHR 174 (2010), 593, 614; zust. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 56; Fleischer, AG 2014, 457, 467. 148 Vgl. Baums, ZHR 174 (2010), 593, 612; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 55. 149 Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 55. 150 Baums, ZHR 174 (2010), 593, 613. 151 Siehe Baums, ZHR 174 (2010), 593, 613. 152 Baums, ZHR 174 (2010), 593, 612 f. 153 Fleischer, AG 2014, 457, 467 ff., 469 f.

C. Verjährung

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resfrist ab Anspruchsentstehung angesichts der Dauer der regulären Amtszeit der Vorstandsmitglieder wohl tatsächlich überwiegend als zu kurz empfunden wird und die gegenwärtige Kritik an der Zehnjahresfrist sich vor allem an den sich ergebenden Beweisschwierigkeiten für ausgeschiedene Organmitglieder festmacht.154 4. Stellungnahme Zunächst ist festzustellen, dass die hier entworfene Regelung zur Beweislastverteilung zwischen der Gesellschaft und ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern bereits für sich genommen in der Lage sein dürfte, die Wirkungen der geltenden zehnjährigen Verjährungsfrist bei Börsennotierung der Gesellschaft deutlich abzumildern. Dennoch bleiben sowohl systematische, die allerdings durch Anpassung der betreffenden Vorschriften zu beseitigen wären,155 als auch grundsätzliche Zweifel an der Berechtigung einer Sonderverjährung für Organhaftungsansprüche börsennotierter Gesellschaften. Ob sich die Ermittlung und gegebenenfalls Durchsetzung von Ersatzansprüchen hier überhaupt und falls dies der Fall ist, aufgrund der Anlegerstruktur oder aus anderen Gründen, namentlich der unerwünschten Öffentlichkeitswirkung solcher Verfahren oder der vielbeschworenen „Beißhemmung“156 zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, schwieriger und langwieriger gestaltet als in nicht börsennotierten Gesellschaften, bleibt unklar. Der Gesichtspunkt kollegialer Zurückhaltung, besonders, wenn das schadensstiftende Vorstandsmitglied weiterhin als Geschäftsleiter für die Gesellschaft tätig ist, ist in ganz vergleichbarer Weise bei nicht börsennotierten Gesellschaften gegeben und wird sich dort, da mangels börslichen Handels der Anteile ein Führungswechsel weniger wahrscheinlich erscheint, eher längerfristig auswirken als bei Bestehen einer Börsennotierung. Dieser ist aber auch das hauptsächliche Problem der gegenwärtig geltenden Fünfjahresfrist ab Anspruchsentstehung. Die reguläre Amtszeit der Vorstandsmitglieder beträgt nach § 84 Abs. 1 AktG höchstens fünf Jahre, die der Aufsichtsratsmitglieder nach § 102 Abs. 1 AktG läuft höchstens bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach Beginn der Amtszeit beschließt, wobei das Geschäftsjahr der Bestellung nicht mitgerechnet wird, sodass sich auch hier ungefähr fünf Jahre ergeben.157 In der Praxis wird die Höchstdauer der Bestellung der Vorstandsmitglieder meist erst bei Wiederbestellung, dann aber im

154

Vgl. Fleischer, AG 2014, 457, 467. So auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 56. 156 Den Begriff verwenden Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 785; Ulmer, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 451; ähnl. („Bißsperre“) ders., ZHR 163 (1999), 290, 318; Wagner, ZHR 177 (2014), 227, 239; Paefgen, AG 2008, 761, 766; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 35; anscheinend zurückgehend auf Peltzer, WM 1981, 346, 348. 157 Henssler, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 102 Rn. 2; Hopt/Roth/Peddinghaus, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2005, § 102 Rn. 8; Simons, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 102 Rn. 1; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 102 Rn. 2. 155

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Regelfall, ausgeschöpft.158 Nach geltendem Recht verjähren mithin Ersatzansprüche, die relativ zu Beginn der Amtszeit entstanden sind, bei regulärem Ausscheiden bereits kurze Zeit danach. Bei zeitlich dicht beieinander liegender Bestellung von Vorstand und Aufsichtsrat hat in diesem Zeitraum ein Wechsel im Kontrollorgan nicht stattgefunden, sondern findet erst statt, wenn die Anspruchsverjährung unmittelbar bevorsteht.159 Zwar sind in der Praxis, wenn bereits Ermittlungen laufen, Verjährungsverzichtsvereinbarungen üblich.160 Ob es innerhalb eines möglicherweise sehr kurzen Zeitraums zwischen dem Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds, eventuell zusätzlich der Neubesetzung des Aufsichtsrats, und dem Eintritt der Verjährung zu substanziellen Aufklärungsbemühungen bezüglich Pflichtverletzungen des Vorstandsmitglieds kommt, ist aber ungewiss. Ferner ist die rechtliche Zulässigkeit solcher Vereinbarungen angesichts der nach herrschender Meinung in beide Richtungen zwingenden Verjährungsfristen des § 93 Abs. 6 AktG nicht unumstritten.161 Mithin sprechen grundsätzlich, und zwar unabhängig von einer Börsennotierung, gute Gründe für eine Verlängerung der Verjährungsfrist. Wie gezeigt, ist diese aber schwerpunktmäßig bezogen auf den Zeitraum nach dem Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds notwendig. Die Zehnjahresfrist für börsennotierte Gesellschaften kann, wenn Pflichtverletzungen kurz vor dem Zeitpunkt des Ausscheidens, die möglicherweise auch Anlass hierfür waren, erfolgt sind, beinahe zehn Jahre über das Vorstandsamt hinaus reichen, bedeutet mithin eine erhebliche Belastung für das ehemalige Vorstandsmitglied, das sich in diesem gesamten Zeitraum unter dem Damoklesschwert einer meist erheblichen Schadensersatzhaftung sowie nach geltendem Recht des Entlastungsbeweises befindet.162 Die von Baums vorgeschlagene Anknüpfung an das Ausscheiden des Vorstandsmitglieds für den Beginn einer vergleichsweise kurzen Verjährungsfrist bei Geltung einer Zehnjahresfrist im Übrigen wird dem angemessen gerecht. Neben einem für alle Interessierten eindeutig 158 Gerade bei langjährigen Vorstandsmitgliedern wird aber die Hemmung des Aufsichtsrats vor einer Inanspruchnahme eher zunehmen. Zur Rechtspraxis s. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 7 Rn. 355; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007 § 20 Rn. 30; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 14; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 84 Rn. 20; s. auch Ziff. 5.1.2. DCGK. 159 Vgl. Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 371. 160 Krieger, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rn. 45; Fleischer, AG 2014, 457, 462 f.; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 37, 56. 161 Dazu ausführlich Schwab, NZG 2013, 521, 526 f.; Wahlers/Wolff, AG 2011, 605, 607 ff.; vgl. auch Sturm, Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Leitungsorganmitglieder, S. 369 f.; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 95 f.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 233; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 56; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 290; Mertens/ Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 199; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 54; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 301. 162 Für Aufsichtsratsmitglieder, die wegen pflichtwidrig unterlassener Anspruchsverfolgung belangt werden, ergibt sich damit im Extremfall eine zwanzigjährige Frist seit der „originären“ und daher auch im Verfahren gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats beweiserheblichen Pflichtverletzung im Vorstand, Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2010, 527, 528.

C. Verjährung

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festzustellenden Eintritt der Verjährung trägt die grundsätzlich geltende Zehnjahresfrist dem Interesse der Gesellschaft an einer, insbesondere gegenüber amtierenden Vorstandsmitgliedern, möglichst lange bestehenden Durchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen Rechnung. Zwar belastet eine verlängerte Verjährungsfrist grundsätzlich den Schuldner, allerdings sieht sich das Vorstandsmitglied, solange es sich im Amt befindet, einer in aller Regel günstigen Beweissituation mit Zugang zu allen für seine Entlastung notwendigen Beweismitteln gegenüber, die auch den Grund für die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG bildet. Es handelt sich daher, auch angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme bei fortbestehendem Vorstandsmandat, nicht um einen unangemessene Belastung. Dagegen wächst diese mit dem Ausscheiden aus dem Vorstand und danach mit Zeitablauf weiter an, was bereits im Rahmen der Beweislast Anlass zum Vorschlag einer Sonderregelung für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder gegeben hat. In Verbindung mit der hier angeregten Beweislastumkehr zugunsten ehemaliger Geschäftsleiter163 kann den Interessen der Gesellschaft, deren Gläubiger und Anteilseigner sowie schadensersatzpflichtiger ausgeschiedener Vorstandsmitglieder mit einer fünfjährigen Sonderverjährungsfrist für sämtliche Aktiengesellschaften, beginnend mit dem Ausscheiden aus dem Vorstand, im Übrigen einer Verjährungsfrist von zehn Jahren, beginnend mit Anspruchsentstehung, angemessen Rechnung getragen werden. Der Fristbeginn sollte dabei nur von den genannten Umständen, nicht auch der Kenntnis des Aufsichtsrats von den anspruchsbegründenden Tatsachen, abhängen. Zum einen ging der Gesetzgeber des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zwar davon aus, dass drei Jahre eine angemessene Zeit seien, die Hintergründe einer pflichtwidrigen Schädigung einer Aktiengesellschaft bis zur Vergleichsreife zu ermitteln. Zum anderen hält auch die Regelverjährung ebendiesen Zeitraum bei Kenntnis der Umstände, aus denen sich der Anspruch ergibt, für angemessen, sich hinsichtlich dessen Geltendmachung zu entschließen. Die von Baums vorgeschlagene Dreijahresfrist würde aber unabhängig von einer Kenntnis des Aufsichtsrats beginnen. Hinzu kommen Interessenkonflikte der Mitglieder dieses für die Anspruchsdurchsetzung gegenüber den Vorstandsmitgliedern zuständigen Organs, denen ein Gläubiger im Regelfall nicht unterliegt. Zumindest im Ausgangspunkt vergleichbare Situationen führen nach § 207 BGB zur dauernden Hemmung der Verjährung, sodass als Minus eine Verlängerung der Verjährungsfrist in Betracht kommt. Wenn eine Pflichtverletzung in den letzten beiden Jahren der Vorstandstätigkeit vorgekommen ist, würde die Dreijahresfrist zudem hinter der bisher geltenden Fünfjahresfrist des § 93 Abs. 6 AktG zurückbleiben. Diese wird aber, soweit ersichtlich, nirgends als, auch nach dem Ausscheiden aus dem Vorstand, unangemessen lang beurteilt. Die Beweisnot der Vorstandsmitglieder würde in Verbindung mit dem hier zur Beweislast gemachten Vorschlag, wie auch von Baums intendiert,164 bereits drei Jahre nach ihrem Ausscheiden erheblich gelindert, während der Gesellschaft, wenn sie die Pflichtwidrigkeit des schadensstiftenden Verhaltens zu beweisen in der Lage wäre, für weitere 163 164

Siehe oben 4. Teil B. II. 2. b) cc). Baums, ZHR 174 (2010), 593, 612 f.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

zwei Jahre, in denen es zu personellen Wechseln, die eine Anspruchsverfolgung wahrscheinlicher machten, kommen könnte, die Möglichkeit gelassen würde, ihre Ersatzansprüche durchzusetzen. Die von Baums durch eine Hemmung der Verjährung gelöste Problematik eines Übertritts in den Aufsichtsrat165 dürfte durch die Zweijahresfrist des § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AktG praktisch kein allzu großes Problem sein. Bei einem Eintritt in den Aufsichtsrat derselben Gesellschaft vor Ablauf der hier vorgeschlagenen Fünfjahresfrist mit Beginn bei Ausscheiden aus dem Vorstand die Zehnjahresfrist ab Anspruchsentstehung wieder zur Geltung zu bringen, erscheint nicht als unangemessene Belastung des Vorstandsmitglieds, hat es doch selbst Einfluss auf seine spätere Kandidatur für den Aufsichtsrat und kommt dann wieder das Argument kollegialer Verbundenheit als Hemmnis der Anspruchsverfolgung zum Tragen.166 Bei der Beweislastumkehr zu seinen Gunsten sollte es dann, wegen des nach wie vor erschwerten Zugriffs auf die früheren Vorstandsunterlagen, aber bleiben. Einer laufenden Sonderprüfung, wie von Baums vorgeschlagen und vom Juristentag mehrheitlich befürwortet, verjährungshemmende Wirkung beizumessen, erscheint begrüßenswert. Hierdurch können zum einen die Interessen der Vorstandsmitglieder an einer kurzen Verjährungsfrist, zum anderen die der Aktionäre an einer gründlichen Untersuchung und gegebenenfalls Geltendmachung von Ersatzansprüchen, auf die sich vielleicht erst nach dem Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds oder einem Personalwechsel im Aufsichtsrat Hinweise ergeben haben,167 zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. Mangels eines schutzwürdigen Interesses der Gesellschaft am Verjährenlassen von Ansprüchen und angesichts der Möglichkeit eines Vergleichs mit dem Vorstandsmitglied als Abhilfe gegen eine sachwidrig eingeleitete Sonderprüfung, die als Minderheitenrecht nur unter den Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 AktG in Betracht kommt, ist ein Missbrauchspotenzial durch eine Aktionärsminderheit nicht zu erkennen.

D. Der Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG de lege ferenda I. Gesetzliche Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs auf mittlere oder grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz Angesichts der teilweise extrem hohen Schadensersatzforderungen, denen sich Vorstandsmitglieder bereits bei leichtester Fahrlässigkeit ausgesetzt sehen, wird im Schrifttum vereinzelt eine umfassende gesetzliche Begrenzung ihrer Haftung auf 165 166 167

Siehe Baums, ZHR 174 (2010), 593, 614. Entsprechend Baums, ZHR 174 (2010), 593, 614. Vgl. Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 371.

D. Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG de lege ferenda

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Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gefordert.168 Obwohl mit diesem Sorgfaltsmaßstab de lege ferenda das den meisten der in der Diskussion im Vorfeld des 70. Deutschen Juristentages vorgebrachten Reformvorschläge zugrunde liegende Problem der unbegrenzten Haftung der Vorstandsmitglieder für vergleichsweise geringe Verfehlungen beseitigt würde, wird eine solche Beschränkung der Vorstandshaftung im Schrifttum zu Recht überwiegend abgelehnt.169 Auch der Juristentag hat sich mit deutlicher Mehrheit gegen diesen Vorschlag ausgesprochen.170 Bereits zum Referentenentwurf des UMAG, der an der Stelle, an der die Gesetz gewordene Fassung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG „vernünftigerweise“ lautet „ohne grobe Fahrlässigkeit“ enthielt,171 bewertete Ulmer den Maßstab grober Fahrlässigkeit aus systematischen Gründen als für die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft „unangemessene Haftungskategorie“.172 1. Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit im allgemeinen Zivilrecht Eine Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz sieht das BGB für die Haftung des unentgeltlich oder für eine äußerst geringe Vergütung173 tätigen Organmitglieds oder besonderen Vertreters des Vereins im Innenverhältnis sowie ge-

168

Spindler, AG 2013, 889, 895 f.; Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510; Lücke, NJWaktuell 35/2010, 10; tendenziell auch Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1396 f.; für einen gesetzlichen Haftungsausschluss bei leichter Fahrlässigkeit Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116. 169 Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 68; F. Gaul, AG 2015, 109, 114; Bayer, NJW 2014, 2546, 2547; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 929; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 357 f.; E. Vetter, NZG 2014, 921, 922; ders., Anwbl 2014, 582, 583 f.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1311; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 29 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 180; Fleischer, WM 2005, 909, 914; Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 593, 598; in anderem Zshg. Ulmer, DB 2004, 859, 862; vor „ARAG/Garmenbeck“ auch Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 155, 163; ablehnend ggü. der Zulassung vertraglicher Haftungsfreistellung für einfache Fahrlässigkeit Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 71; gegen eine Abmilderung des Sorgfaltsmaßstabs im Rahmen der Außenhaftung gegenüber Aktionären ders., Gutachten zum 63. DJT, F 234. 170 Ablehnender Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 81:0:4 (Beschluss I. 1. a)). 171 Vgl. Begr. RefE UMAG, Stand: 19. 01. 2004, Art. 1 Nr. 1; RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, Art. 1 Nr. 1. 172 Ulmer, DB 2004, 859, 862; zust. Ihrig, WM 2004, 2098, 2106; SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 3 f.; Semler, AG 2005, 321, 325; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2004, 555, 556; Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 150 f. Dazu auch im Zshg. der Business Judgment Rule, wo der Einwand nach hiesiger Auffassung nicht durchgreift, im 3. Teil A. III. 5. c) bb) (4). 173 § 31a Abs. 1 S. 1 BGB, § 31b Abs. 1 S. 1 BGB: Höchstgrenze 720 E/Jahr.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

genüber den Mitgliedern (§ 31a BGB)174 und unter denselben Voraussetzungen tätiger Vereinsmitglieder gegenüber dem Verein (§ 31b BGB)175 sowie des Schenkers (§ 521 BGB), des Verleihers (§ 599 BGB), des Notgeschäftsführers bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 680 BGB) und des Finders (§ 968 BGB) vor. Privilegiert ist in diesen Rechtsverhältnissen jeweils die Partei, die keine176 Gegenleistung erhält, sodass sie nicht im eigenen Interesse, sowie in den Fällen der §§ 680, 968 BGB in einer Situation, in der ein besonderes Interesse an ihrem Eingreifen und eine Gefahrensituation bestehen, handelt.177 Eine weitere Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit sieht das BGB in § 300 für den Schuldner im Falle des Gläubigerverzugs vor. Die Vorschrift trägt der Tatsache Rechnung, dass der Schuldner, obwohl er nach dem Schuldverhältnis hiervon bereits entlastet sein sollte, aufgrund des Verhaltens des Gläubigers mit der Sorge für den Leistungsgegenstand belastet geblieben ist.178 Die rechtlichen Verhältnisse zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft sind hiermit allenfalls insoweit vergleichbar, als der Vorstand in einem zumindest treuhandähnlichen Verhältnis mit fremdem Vermögen wirtschaftet. Ein Tätigwerden ohne Eigeninteresse der Vorstandsmitglieder oder unter Risiken, die nach dem Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied die Gesellschaft zu tragen hätte, liegt dabei nicht vor. 2. Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten Der Befund mangelnder Vergleichbarkeit der Voraussetzungen, unter denen das allgemeine Zivilrecht Haftungserleichterung gewährt und der Bedingungen der Vorstandstätigkeit erhärtet sich noch, wenn man den Kreis der zu betrachtenden Haftungsbeschränkungstatbestände erweitert. Neben der uneingeschränkten Haftungsbeschränkung bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit kennt das BGB auch die Haftung für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, die gemäß § 277 BGB maximal bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit reichen kann,179 aufgrund des Bezugs zur 174 Dazu auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 357 f.; F. Gaul, AG 2015, 109, 114. 175 Daneben sieht § 31a Abs. 1 S. 3 BGB (ggf. i.V.m. § 31b Abs. 1 S. 2 BGB) eine Beweislastumkehr zulasten des Vereins vor. Die Vorschriften gelten für den Stiftungsvorstand entsprechend, § 86 S. 1 BGB. 176 Bzw. im Fall des § 31a Abs. 1 S. 1 BGB lediglich eine sehr geringe. 177 Vgl. zur Begründung der Haftungsprivilegierungen E. Vetter, NZG 2014, 921, 922; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 11. 2014, § 31a Rn. 1; J. Koch, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 521 Rn. 1; C. Wagner, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 02. 2014, § 599 Rn. 1; Bergmann, in: Staudinger (2006), § 680 Rn. 1; Oechsler, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 968 Rn. 1 jeweils m.w.N. 178 Feldmann, in: Staudinger (2014), § 300 Rn. 3 m.w.N. 179 Grundmann, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 277 Rn. 3 m.w.N.; vgl. ferner BAGE 7, 290, 299 f.

D. Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG de lege ferenda

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konkret eigenüblichen Sorgfalt des Schuldners aber nicht muss.180 Dieser Haftungsmaßstab gilt für die Gesellschafter einer Personengesellschaft (§ 708 BGB ggf. i.V.m. §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB), Ehegatten bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem ehelichen Verhältnis (§ 1359 BGB), Eltern in Ausübung der elterlichen Sorge (§ 1664 BGB), ferner den Vorerben gegenüber dem Nacherben bei der Verwaltung des Nachlasses (§ 2131 BGB) und den unentgeltlichen Verwahrer (§ 690 BGB). Das Haftungsprivileg des unentgeltlichen Verwahrers wird mit Billigkeitserwägungen aufgrund der fremdnützigen Tätigkeit begründet,181 historisch handelte es sich um eine Haftungsverschärfung.182 Die Anordnung des § 2131 BGB entspricht nach Auffassung des Gesetzgebers am ehesten dem Willen des Erblassers und dem Umstand, dass der Vorerbe zunächst „Herr des Nachlasses“ ist und daher eine andere Behandlung der Nachlassgegenstände nicht beansprucht werden könne.183 Die §§ 708, 1359 und 1664 BGB zugrunde liegenden Verhältnisse zeichnen sich durch eine enge persönliche Verbundenheit der beteiligten Personen aus.184 Der Haftungsmaßstab eines Personengesellschafters wird darüber hinaus damit begründet, dass Gesellschaftsangelegenheiten aufgrund der Gesamthandsstruktur zugleich eigene Angelegenheiten der Gesellschafter seien und daher eine höhere Sorgfalt nicht verlangt werden könne.185 Hieran hat sich durch die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nichts geändert. In ähnlicher Weise privilegierende Umstände sind für das Rechtsverhältnis des Vorstandsmitglieds zur Gesellschaft nicht erkennbar, sodass nicht einmal diese weniger weitgehende Art des möglichen Haftungsprivilegs im Vergleich mit den Tatbeständen des allgemeinen Zivilrechts aus systematischer Sicht bestehen könnte. Dort haftet sogar der Beauftragte (§ 662 BGB) für jede Fahrlässigkeit, obwohl er keine Gegenleistung erhält.186,187 180

Caspers, in: Staudinger (2014), § 277 Rn. 1. Henssler, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 690 Rn. 1; im Gesetzgebungsverfahren war die Aufnahme des Haftungsprivilegs aufgrund des Vergleichs mit dem Beauftragten (§ 662 BGB) str., vgl. Mugdan II, S. 968 f. (Prot II, S. 2366 f.). 182 Vgl. die Nachweise bei Roth, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 1359 Rn. 1. 183 Vgl. Mugdan V, S. 587 (Prot V, S. 6756); Grunsky, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 2131 Rn. 1; Avenarius, in: Staudinger (2013), § 2131 Rn. 1. 184 Schöne, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 11. 2014, § 708 Rn. 2; Roth, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 1359 Rn. 2, zur Entstehungsgeschichte: Rn. 1; Engler, in: Staudinger (2009), § 1664 Rn. 5. 185 Vgl. C. Schäfer, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 708 Rn. 1; Mugdan II, S. 985 (Prot II, S. 2418 f.); dagegen Müller-Graff, AcP 191 (1991), 475, 482 f.; zur Unübertragbarkeit auf die Vorstandshaftung M. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 34. 186 Im Unterschied zu den übrigen genannten unentgeltlichen Schuldverhältnissen berühren Pflichtverletzungen des Beauftragten i. d. R. nicht nur das Erfüllungs-, sondern das Integritätsinteresse, was eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt, s. dazu nochmals Mugdan II, S. 968 f. (Prot II, S. 2366 f.); die Frage einer Haftungserleichterung wird im Schrifttum weiterhin diskutiert, jedoch überwiegend abgelehnt; dazu Grundmann, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 276 Rn. 87; Martinek, in: Staudinger (2006), § 662 Rn. 41 ff.; Fischer, in: Bamberger/ 181

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

3. Arbeitnehmerhaftung Vergleichend gilt es auch zu beachten, dass eine Haftungsentlastung bei grober Fahrlässigkeit nicht einmal Arbeitnehmern zukommt,188 die nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs erstens für grobe Fahrlässigkeit regelmäßig nicht, für mittlere Fahrlässigkeit grundsätzlich nicht vollständig189 und zweitens nach heute ganz herrschender Meinung zur Begründung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung nicht bereits auf der Ebene der Haftungsbegründung, sondern erst auf der Rechtsfolgenseite entlastet werden.190

Roth, 33. Ed., 01. 11. 2014, § 662 Rn. 14; vgl. zum ggü. dem unentgeltlichen Verwahrer unterschiedlichen Haftungsmaßstab Mugdan II, S. 969 sowie Grundmann, a.a.O. 187 Im Ganzen ähnl. Darstellung bei Ulmer, DB 2004, 859, 862. 188 Darauf weisen auch Ulmer, DB 2004, 859, 862; SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 3 f.; Fleischer, WM 2005, 909, 914; ders., ZIP 2014, 1305, 1311; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 30; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 929; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 358; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 68 hin. 189 Siehe oben 3. Teil E. III. 2. d). 190 Eine vom Arbeitnehmer zu vertretende Pflichtverletzung liegt mithin vor. Zu den Ansätzen der herrschenden Meinung ausführlich oben im 3. Teil E. III. 2. e) bb). Eine abweichende Auffassung will bereits tatbestandlich eine Pflichtverletzung ausschließen, indem entweder eine entsprechende Haftungsbeschränkung als stillschweigend vereinbart unterstellt wird [RAG, ARS 30,1,7; 37, 269, 271; Motzer, Die „positive Vertragsverletzung“ des Arbeitnehmers, S. 212] oder angenommen wird, dass der Arbeitnehmer lediglich eine über die gesamte Laufzeit der Vertragsbeziehung zum Arbeitgeber zu betrachtende Leistung mittlerer Art und Güte schulde, sodass eine einzelne schädigende Handlung keine Pflichtverletzung darstellen muss [vgl. Hammen, Die Gattungshandlungsschulden, S. 178 ff.; Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, S. 268]. Den Gegenstimmen ist darin beizupflichten, dass es sich bei der Annahme einer konkludent vereinbarten Haftungsbeschränkung um eine unzulässige Fiktion handelt [ebenso Hueck, ARS 41, 64, 65] und abgesehen von generellen Zweifeln an einer Gattungshandlungsschuld auf die einzelnen Handlung, nicht die gesamte Vertragslaufzeit, deren Fortgang unabsehbar ist, abgestellt werden müsste; dazu Annuß, NZA 1998, 1089, 1090. Auch ein Ausschluss der Rechtwidrigkeit im Verhältnis zum Arbeitgeber im Wege der Annahme der Sozialadäquanz wegen der mit der Übertragung von Tätigkeiten verbundenen Risikoverlagerung [Schnorr v. Carolsfeld, ArbR, S. 304; in anderem Zshg. ähnl. Bulla, RdA 1962, 6, 8] überzeugt nicht, indem schädigendes Verhalten eines Arbeitnehmers nicht generell, sondern allenfalls im konkreten Einzelfall als von der Sozialordnung gebilligt anzusehen ist. Ferner verbietet der Inhalt des Leistungsversprechens im Arbeitsvertrag eine solche Annahme; ebenso Annuß, NZA 1998, 1089, 1090 f. Selbst wenn man einer Schuldmodifikation zuneigt [Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 619a Rn. 58 ff.], bliebe die Haftung des Arbeitnehmers insoweit strenger, als nach der ständigen Rechtsprechung des BAG im Grundsatz lediglich eine Schadensteilung vorgenommen wird, sodass es gerade nicht zur vollständigen Haftungsentlastung kommt. Dieser Unterschied bleibt jedenfalls bei Annahme einer Schuld- oder Rechtsfolgenmodifikation uneingeschränkt bestehen. Vgl. überblicksweise zu den zur Begründung der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers vertretenen Auffassungen Schumacher, Die privilegierte Haftung des Arbeitnehmers, S. 61 ff.; Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 619a Rn. 48 ff.; Annuß, NZA 1998, 1089, 1090 f.

D. Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG de lege ferenda

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4. Fazit Die Vorstandstätigkeit ist mit den Schuldverhältnissen, innerhalb derer der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung einer Partei eine Haftungsprivilegierung gewährt haben, nicht vergleichbar, sodass eine gesetzliche Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bereits mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung aus systematischen Gründen abzulehnen ist.191 Ferner sprechen auch die gegen eine auch nur entsprechende Anwendung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung sowie gegen die Zulässigkeit vertraglicher Haftungsbegrenzungen über die Satzungsstrenge hinaus vorgetragenen Gesichtspunkte gegen eine solche gesetzliche Regelung.192 Unabhängig davon, wie man sich zu der Frage einer Notwendigkeit von Beschränkungen der Vorstandshaftung oder ihrer Durchsetzbarkeit stellen mag,193 kann bereits aufgrund der ausgeführten systematischen Brüche zum allgemeinen Zivilrecht eine Herabsetzung des gesetzlichen Sorgfaltsmaßstabs hierfür kein geeignetes Mittel sein.

II. Satzungsdispositivität des Sorgfaltsmaßstabs Als Minus zu einer gesetzlichen Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs, den die Mitglieder des Vorstands bei ihrer Geschäftsführung einzuhalten haben, wird im Schrifttum erwogen, de lege ferenda eine Milderung durch Satzung zuzulassen.194

191 Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 30; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1311; ders., WM 2005, 909, 914; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 68; im Vergleich mit § 31a BGB ähnl. E. Vetter, NZG 2014, 921, 922; ders., Anwbl 2014, 582, 583 f.; wohl auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803 („auch unter Gerechtigkeitserwägungen kaum zu legitimierende faktische Enthaftung“); Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 929 u. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 357 f. formulieren vor diesem Hintergrund Bedenken hinsichtlich Art. 3 GG. Vgl. ferner Ulmer, DB 2004, 859, 862; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086; SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 3 f. 192 Vgl. E. Vetter, NZG 2014, 921, 922; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 929; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 358; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 68. Zu diesen oben im 3. Teil B. III. u. 3. Teil E. III. 3. 193 Namentlich Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510 schlägt eine Begrenzung der Organhaftung auf grobe Fahrlässigkeit mit der Begründung vor, die Gesellschaft sei nicht „an der Verfolgung aller Nachlässigkeiten von Unternehmensorganen interessiert, schon gar nicht an Gesetzesverletzungen, die nur leicht fahrlässig erfolgt sind.“ (Hervorhebung durch die Verf.). 194 Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803 f.; Spindler, AG 2013, 889, 896; Köndgen, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 96, 97; Lücke, NJW-aktuell 35/2010, 10; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 58 ff.; E. Vetter, NZG 2014, 921, 923; ders., Anwbl 2014, 582, 584; Paefgen, AG 2014, 554, 570; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 47, 401; sympathisierend Koch, AG 2014, 513, 523 f.; F. Gaul, AG 2015, 109, 115; bereits de lege lata Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395 f., 1397 f.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Dem hat sich der Juristentag angeschlossen.195 Auch dieser Reformvorschlag ist indes nicht ohne Kritik geblieben.196 Nachfolgend soll zunächst der Reformvorschlag, trotz einiger Detailabweichungen zwischen den Konzepten der einzelnen Schrifttumsvertreter, in seinen wesentlichen Zügen umrissen werden, um anschließend die Eignung eines solchen Modells zur Lösung des verbreitet angenommenen Problems „existenzgefährdender“ Vorstandshaftung sowie seine Vereinbarkeit mit den Regelungen des Aktiengesetzes, insbesondere betreffend die (Ent-)Haftung der Vorstandsmitglieder, zu untersuchen. 1. Begründung des Reformvorschlags Die Befürworter eines satzungsdispositiven Sorgfaltsmaßstabs verweisen auf die Gefahren einer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Vorstandsmitglieder erheblich übersteigenden Schadensersatzhaftung für lediglich (leicht) fahrlässiges Fehlverhalten,197 insbesondere diesbezügliche Schutzlücken außerhalb und „am Rande“ der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sowie die Tatsache, dass auch innerhalb deren Anwendungsbereichs Rückschaufehler („hindsight bias“) nicht gänzlich vermeidbar seien.198 Eine Satzungsregel sei hier in der Lage, Rechtssicherheit zu schaffen.199 Hinter der Forderung, die Aktionäre sollten über „ihre“ corporate governance200 in gewissen Grenzen selbst bestimmen dürfen, steht auch der Gedanke, dass ein aufgrund dieser Haftungsdrohung übermäßig risikoaverser Vorstand in gewissen Unternehmen besonders wenig wünschenswert sein kann und es den Aktionären deshalb ermöglicht werden solle, die der Eingehung hoher Risiken gegenüberstehenden Gewinnchancen zu nutzen und dementsprechend den Pflichtenstandard zu reduzieren.201 Bei entsprechender Publizität der Haftungsregelung solle, so einige Befürworter dieses Ansatzes, sich dieses erhöhte Risiko der Aktionäre im Aktienkurs widerspiegeln.202 195 Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 60:14:11 Stimmen (Beschluss I. 3. a)). 196 Ablehnend namentlich Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 368 ff.; Bayer, NJW 2014, 2546, 2547 f.; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 52; krit. auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1311 f. 197 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 59: „verzeihliche Schnitzer“. 198 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 59. 199 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 59. 200 Spindler, AG 2013, 889, 896; ganz ähnl. F. Gaul, AG 2015, 109, 115. 201 Köndgen, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 96, 97, Bsp.: Start-Ups; ähnl. E. Vetter, NZG 2014, 921, 923; Spindler, AG 2013, 889, 896. 202 Köndgen, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 96, 97; E. Vetter, Anwbl 2014, 583, 584; ähnl. Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804, der davon ausgeht, „dass eine allzu weit-

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Weiterhin wird auf die anerkannt zulässige gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung verwiesen, der eine statutarische Haftungsbegrenzung funktionell derart entspreche, dass auch letztere eine Art „Selbstversicherung“ darstelle, indem die Gesellschaft durch die Haftungsmilderung insoweit eine Freistellung der Vorstandsmitglieder bewirke und die entsprechenden Kosten alternativ zu den Prämien einer D&O-Versicherung tragen könne.203 Dementsprechend könne der Gesellschaft eine Entscheidung zwischen diesen Mechanismen der Risiko- und Schadensverteilung „kaum verwehrt“ werden.204 2. Gesetzlicher Rahmen der satzungsautonomen Gestaltung Die im Wege der Gesetzesreform geforderte Satzungsautonomie soll auch nach Auffassung ihrer Befürworter keinesfalls schrankenlos gewährleistet werden. Zudem soll der Hauptversammlungsbeschluss über eine entsprechende Satzungsänderung besonderen Anforderungen unterliegen. Auch eine zeitliche Begrenzung seiner Geltung wird diskutiert.

gehende Inanspruchnahme dieser Freiheit [i. e. der Dispositionsfreiheit hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs] vom Kapitalmarkt wie auch von potentiellen Geschäftspartnern und Investoren missbilligt würde.“; E. Vetter, NZG 2014, 921, 924: „[…] vermag gerade die individuelle Ausgestaltung der Organhaftung in der Satzung der Gesellschaft dem Kapitalmarkt klare Signale für eine besonders dynamische oder eine eher konservativ ausgerichtete Unternehmensleitung senden.“; skeptisch dagegen Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61. 203 Dazu Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 24; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312 f. 204 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 24; von der Crone/Bloch, in: Weber/Isler, Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht VI, S. 83, 111. Bachmann, a.a.O., verweist zugleich auf eine der deutschen lex lata entsprechende, abweichende Bewertung im britischen Recht, das ebenfalls satzungsmäßige Haftungsmilderungen untersage, die Gesellschaftsfinanzierung einer D&O-Versicherung unter Hinweis auf die hier verbleibende Verhaltenssteuerungswirkung (aufgrund der Risikobewertung und daraus folgender -ausschlüsse durch den Versicherer) und Kostentransparenz für die Gesellschaft aber zulasse; dazu Davies/Worthington, Gower and Davies‘ Principles of Modern Company Law, Rn. 16-209; vgl. dazu Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312; auf die fehlende Vergleichbarkeit von D&O-Versicherungen und Haftungsbeschränkungen unter diesem Gesichtspunkt weisen auch Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844 hin. Die inzwischen in den USA verbreitete Regelung des Delaware Code, Title 8 (Corporations), § 102(b)(7), die dem Reformvorschlag in der Diskussion des 70. DJT im Wesentlichen entsprechende Haftungsbegrenzungen in den articles of incorporation erlaubt, erfolgte in Reaktion auf eine D&O-Versicherungskrise als Folge der Entscheidung Smith v. Van Gorkum, 488 A.2d 858 (Del.Supr. 1985), dazu ausführlich Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 156 ff.; s. Emerald Partners v. Berlin, 787 A.2d 85 (90) (Del.Supr. 2001): „The purpose of Section 102(b)(7) was to permit shareholders – who are entitled to rely upon directors to discharge their fiduciary duties at all times – to adopt a provision in the certificate of incorporation to exculpate directors from any personal liability for the payment of monetary damages for breaches of their duty of care, but not for duty of loyalty violations, good faith violations and certain other conduct.“, Hervorhebung im Original. Zu der problematischen Entwicklung eines „race for laxity“ (auch: „race to the bottom“), s. Merkt, USamerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 26.

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a) Grenzen der Satzungsautonomie Zunächst soll auch hier, wie bei der bereits erörterten gesetzlichen Haftungsbeschränkung, die Haftung der Mitglieder des Vorstands für Vorsatz205 und grobe Fahrlässigkeit nicht auszuschließen sein.206 Falls eine Besserstellung gegenüber Arbeitnehmern, denen zwar vertraglich entsprechende Haftungsfreistellungen gewährt werden könnten, die sich aber faktisch selten in einer ausreichend starken Verhandlungsposition befinden werden, solche durchzusetzen, vermieden werden soll, schlägt Bachmann auch eine weiterhin zwingende Haftung für mittlere Fahrlässigkeit vor.207 Ferner soll die Ersatzpflicht bereits bei leicht fahrlässigen Pflichtverletzungen, die den Sondertatbeständen des § 93 Abs. 3 AktG unterfallen, aufgrund deren kapital- und damit gläubigerschützender Funktion208 nicht zur Disposition der Hauptversammlung stehen.209 Eine Ausnahme von der zu gewährenden Satzungsfreiheit soll zum einen für die Treupflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft,210 zum anderen für bewusste Legalitätspflichtverletzungen gelten.211 Ausdrücklich in die Entscheidungsfreiheit der Gesellschaft sollen dagegen Verletzungen der Legalitätskontrollpflicht (Compliance) sowie Entscheidungen gestellt werden, die lediglich aufgrund Interessenbefangenheit des Vorstandsmitglieds, ohne dass aber eine Treupflichtverletzung vorläge, nicht in den Anwendungsbereich der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG fallen, liege in der als unverhältnismäßig empfundenen Haftungsdrohung für solche Verstöße doch

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Einem Haftungsausschluss steht hier bereits § 276 Abs. 3 BGB entgegen. Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; Spindler, AG 2013, 889, 896; Lücke, NJW-aktuell 35/2010, 10; E. Vetter, Anwbl 2014, 582, 583 f.; Paefgen, AG 2014, 554, 570; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844. 207 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; zust. Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; ebenso Spindler, AG 2013, 889, 896. 208 Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 273; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1315; vgl. auch § 93 Abs. 5 S. 2 AktG. Zur fehlenden Dispositionsfreiheit der Gesellschafterversammlung der GmbH hinsichtlich der Haftungsfreistellung des Geschäftsführers bei gläubigerschützenden Vorschriften s. o. 3. Teil B. III. 6. a) aa). 209 Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; Paefgen, AG 2014, 554, 570; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844. 210 E. Vetter, NZG 2014, 921, 924; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61. 211 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1315; vgl. in diesem Zshg. auch die Regelung des § 102(b)(7) des 8. Titels (Corporations) des Delaware Code zum Ausschluss und der Begrenzung der Haftung der directors als fakultativem Inhalt der articles of incorporation: „[…] the certificate of incorporation may also contain […] A provision eliminating or limiting the personal liability of a director to the corporation or its stockholders for monetary damages for breach of fiduciary duty as a director, provided that such provision shall not eliminate or limit the liability of a director: (i) For any breach of the director’s duty of loyalty to the corporation or its stockholders; (ii) for acts or omissions not in good faith or which involve intentional misconduct or knowing violation of law; (iii) under § 174 of this title [Anm. d. Verf.: entspr. im Wesentlichen § 93 Abs. 3 AktG] or (iv) for any transaction from which the director derived an improper personal benefit. […]“. 206

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gerade der Grund der Reformforderung.212 Der Bereich, in dem eine satzungsmäßige Herabsetzung des für die Vorstandsmitglieder geltenden Sorgfaltsmaßstabs zu einer zusätzlichen Haftungserleichterung, die nicht bereits nach geltendem Recht durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gewährleistet wird, führte, ist demnach denkbar schmal. Eine erhebliche Entschärfung der Vorstandshaftung wäre mit einer solchen Regelung nur dann verbunden, wenn, abweichend von der hier vertretenen Auffassung,213 nicht bereits die Business Judgment Rule des Aktiengesetzes als Haftungsprivilegierung bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit verstanden oder von den in einigen Entscheidungen des BGH anklingenden äußerst strengen Anforderungen an die Informationsgrundlage pflichtgemäßen unternehmerischen Vorstandshandelns214 ausgegangen würde. b) Information der Hauptversammlung Neben den genannten Einschränkungen sachlicher Art sollen auch hinsichtlich des Verfahrens im Vorfeld der Satzungsänderung besondere Anforderungen zu stellen sein, um eine möglichst informierte und bedachte Entscheidung der Hauptversammlung zu gewährleisten.215 Bachmann schlägt hierzu vor, den entsprechenden Beschluss möglichst weit oben auf die Tagesordnung zu setzen oder gar das Erfordernis einer gesonderten Hauptversammlung aufzustellen.216 Daneben soll eine Berichtspflicht der Verwaltung eine umfassende Information der Aktionäre im Vorfeld der Entscheidung gewährleisten.217 Als Vorbild schlägt Eberhard Vetter die Berichtspflicht des Vorstands im Fall eines Bezugsrechtsausschlusses bei einer Kapitalerhöhung nach § 186 Abs. 4 S. 2 AktG vor. Diese Berichtspflicht dient dazu, die Hauptversammlung „zuverlässig in die Lage [zu] versetzen, die Interessen der Gesellschaft an einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluß gegenüber anderen Alternativen zu bewerten, die Nachteile […] zu erkennen und beides gegeneinander abzuwägen“218 und verfolgt damit im Grundsatz dieselben Zwecke, die durch eine Informationspflicht im Vorfeld des 212

Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61. Dazu ausführlich im 3. Teil A. III. 5. 214 Vgl. 3. Teil A. III. 4. a) bb). 215 E. Vetter, NZG 2014, 921, 924; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; Fuchs/ M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; Davies/Worthington, Gower and Davies‘ Principles of Modern Company Law, Rn. 16 – 209 begründen u. a. mit der „Leichtigkeit“, mit der solche Haftungsbeschränkungen geschaffen werden könnten, deren Unzulässigkeit nach britischem Recht. 216 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; für das zwingende Erfordernis einer gesonderten HV Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844 f. 217 E. Vetter, NZG 2014, 921, 924; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61. 218 BGHZ 83, 319, 326; vgl. auch LG Heidelberg, ZIP 1988, 1257, 1258; Peifer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2011, § 186 Rn. 65; Lutter, ZGR 1976, 401, 408; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 186 Rn. 23; v. Dryander/Niggemann, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 186 Rn. 53; E. Vetter, NZG 2014, 921, 924. 213

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Beschlusses über eine satzungsmäßige Haftungsbeschränkung befördert werden sollen.219 Für den Fall einer Umsetzung des Vorschlags der EU-Kommission zur Änderung der Richtlinien 2007/36/EG und 2013/34/EU vom 9. April 2014,220 der, anders als de lege lata § 120 Abs. 4 AktG,221 nach Art. 9a sowie den Erwägungsgründen 16 bis 18 Erläuterungen bezüglich der Vergütungspolitik vorsieht, möchte Eberhard Vetter aufgrund der Bedeutung der Vorstandshaftung für die Vergütung im Hinblick auf Risikoprämien und dergleichen die Berichterstattung dergestalt koordinieren, dass auch der Bericht über die Gesellschaftspolitik zur Vorstandsvergütung den Aktionären im Zusammenhang der Abstimmung über eine Haftungsbeschränkung vorgelegt werden soll.222 c) Befristung Aufgrund der Bedeutung einer Entscheidung über eine von der gesetzlichen Vorstandshaftung abweichende Satzungsregelung und deren Bezug auf die Verhältnisse der Gesellschaft und die Marktsituation im Zeitpunkt der Beschlussfassung möchte Eberhard Vetter solche Satzungsregelungen lediglich in zeitlich begrenzter Form zulassen.223 Angesichts der sich wandelnden äußeren und inneren Bedingungen, unter denen das Unternehmen der Gesellschaft agiert, sei eine regelmäßige Überprüfung des Haftungsmodells vonnöten. Ergebnisoffen könne eine solche Revision nur gestaltet werden, wenn die bisherige Regelung mit Zeitablauf von sich aus erlösche, sodass aktiv ein Beschluss über ein abweichendes Haftungsregime gefasst werden müsse und ein Anreiz für Vorstand und Aufsichtsrat, diesbezüglich Vorschläge auszuarbeiten, geschaffen sei. Andernfalls sieht Eberhard Vetter zu Recht wenig Grund für die einer vergleichsweise milden satzungsmäßigen Haftungsregelung unterworfenen Organwalter, selbst auf deren Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen hinzuwirken.224 Hinsichtlich der Dauer einer solchen Befristung erwägt Eberhard Vetter fünf Jahre entsprechend der maximalen Bestellungsdauer der Mitglieder des Vorstands (§ 84 Abs. 1 S. 1 AktG) und des Aufsichtsrats (§ 102 Abs. 1

219

Ebenso E. Vetter, NZG 2014, 921, 924. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente zur Unternehmensführung (COM (2014) 213) v. 09. 04. 2014. 221 Dazu Drinhausen, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 120 Rn. 42: keine Verpflichtung über die Angaben zur Vorstandsvergütung im Lagebericht (§ 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB), im Anhang zum Jahresabschluss (§§ 285 S. 1 Nr. 9 lit. a, 314 Abs. 1 Nr. 6a HGB) und ggf. die durch Ziff. 4.2.5 DCGK empfohlenen zusätzlichen Angaben im Vergütungsbericht hinaus; zust. Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 120 Rn. 23; Kubis, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 120 Rn. 47: „hinreichende Information“ ohne Spezifizierung. 222 E. Vetter, NZG 2014, 921, 924. 223 E. Vetter, NZG 2014, 921, 925; im Ansatz bereits ders., Anwbl 2014, 582, 584. 224 E. Vetter, NZG 2014, 921, 925; ders. Anwbl 2014, 582, 584. 220

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AktG).225 Eine kürzere Frist, insbesondere das in dem Änderungsvorschlag der EUKommission zur Aktionärsrechterichtlinie, Art. 9a Abs. 1 enthaltene Dreijahresintervall, innerhalb dessen die Aktionäre die Vergütungspolitik der Gesellschaft genehmigen können sollen, hält Eberhard Vetter für nicht empfehlenswert.226 Für eine solche Fünfjahresfrist hat sich nun auch der Juristentag ausgesprochen.227 Problematisch könnte sich eine Befristung für das einzelne Vorstandsmitglied auswirken, wenn das Ende der Geltungsdauer einer haftungsmildernden Satzungsregelung in seine Amtszeit fiele, sodass es sich, vorbehaltlich eines erneuten entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses, ab diesem Zeitpunkt der strengen gesetzlichen Vorstandshaftung ausgesetzt sähe. Zunächst will Eberhard Vetter hier aufgrund der Absehbarkeit des Fristendes ein Schutzbedürfnis nicht anerkennen.228 Wolle man ein solches annehmen, könne in dem verschärften Haftungsregime ein wichtiger Grund zu sehen sein, der das Vorstandsmitglied zur Amtsniederlegung berechtige.229 Weiterhin wird erwogen, die Geltungsdauer satzungsmäßiger Haftungsbeschränkungen an die Bestellungsdauer des einzelnen Vorstandsmitglieds anzupassen, was aber bei ungleichzeitiger Bestellung der Vorstandsmitglieder zu unterschiedlichen Sorgfaltsmaßstäben führte230 und daher im Hinblick auf die in § 93 Abs. 2 S. 1 AktG vorgesehene gesamtschuldnerische Haftung unter dem Gesichtspunkt einer möglichen gestörten Gesamtschuld nicht gänzlich problemfrei wäre. d) Mehrheitserfordernisse Neben dem selbstverständlichen Erfordernis der satzungsändernden Mehrheit des § 179 Abs. 2 AktG wird aufgrund der zumindest funktionalen Entsprechung einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung und eines Forderungsverzichts vorgeschlagen, entsprechend § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einer Aktionärsminderheit, deren Anteile zusammen zehn Prozent des Grundkapitals ausmachen, ein Vetorecht einzuräumen.231 Bayer/Scholz, die insgesamt die Vereinbarkeit satzungsdispositiver Haftungsregeln mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bezweifeln, gehen darüber hinaus zur Vermeidung eines vermeintlichen Wertungswiderspruchs von der Notwendigkeit einer ad hoc-Aufhebungskompetenz einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit für solche Satzungsregelungen oder der Möglichkeit einer Durchbrechung mittels Ak225

Daneben verweist E. Vetter, NZG 2014, 921, 925 auf die Fünfjahresfristen in §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 und 202 Abs. 2 S. 1 AktG. 226 E. Vetter, NZG 2014, 921, 925. 227 Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 52:19:13 Stimmen (Beschluss I. 3. e)). 228 E. Vetter, NZG 2014, 921, 925. 229 E. Vetter, NZG 2014, 921, 925; vgl. dazu auch Deilmann, NZG 2005, 54. 230 E. Vetter, NZG 2014, 921, 925. 231 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 932; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 373.

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tionärsklage aus.232 Darauf ist im Folgenden zurückzukommen.233 Ferner wird in abhängigen Gesellschaften zusätzlich das Erfordernis eines Sonderbeschlusses der außenstehenden Aktionäre vorgeschlagen.234 e) Publizität Aufgrund des gesetzlichen Zuschnitts der Aktiengesellschaft als auf Gesellschafterwechsel angelegte, börsenfähige Publikumsgesellschaft, der auch durch die Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG, die die Aktie zum „Standardprodukt“ macht,235 gewährleistet werden soll, wäre eine über die Eintragung der Satzungsänderung ins Handelsregister hinausgehende Publizität einer Absenkung des für die Vorstandsmitglieder geltenden Sorgfaltsmaßstabs zu fordern. In Betracht kommt zum einen eine Veröffentlichung im Prospekt der Gesellschaft, zum anderen oder zusätzlich eine entsprechende Angabe auf Geschäftsbriefen oder sogar in der Firma einer Gesellschaft mit satzungsmäßig modifizierter Haftung.236 f) Zwischenfazit Die hier nachgezeichneten Konturen der Vorschläge des Schrifttums für eine Herabsetzung des für die Mitglieder des Vorstands geltenden Sorgfaltsmaßstabs zeigen keine umfassende Satzungsfreiheit, sondern vielmehr einen beinahe nur punktuellen Anwendungsbereich solcher Satzungsregelungen. Angesichts der vorgeschlagenen Ausnahmen, die nicht zur Verfügung der Hauptversammlung gestellt werden sollen, ist der Reformvorschlag darauf beschränkt, hinsichtlich der Haftung der Vorstandsmitglieder für leichte, und, will man den von Bachmann aufgezeigten Bedenken gegen eine Besserstellung gegenüber Arbeitnehmern nicht folgen, mittlere Fahrlässigkeit, Satzungsfreiheit einzuräumen. Diese soll weiterhin auf solche Sorgfaltspflichtverletzungen begrenzt sein, die weder unter die Sondertatbestände des § 93 Abs. 3 AktG fallen noch bewusste Verstöße gegen die Legalitätspflicht darstellen. Unabhängig von den Unterschieden im Detail soll der Beschluss solcher 232 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 932; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 373. 233 Siehe im 4. Teil D. II. 4. sowie 4. Teil D. II. 9. d) bb). 234 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; E. Vetter, Anwbl 2014, 582, 584; ders., NZG 2014, 921, 924. 235 Ähnl. Röhricht, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1996, § 23 Rn. 167: Ausformung der börsennotierten Publikums-AG durch § 23 Abs. 5 sowie die insgesamt hohe Regelungsdichte des AktG zu einem „hochgradig standardisierten Serienprodukt“. Dazu bereits im 3. Teil B. III. 1. 236 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; die Notwendigkeit der Publizität betont auch Köndgen, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 97; E. Vetter, NZG 2014, 921, 924 hält dagegen anscheinend die satzungsmäßige Regelung bereits für ausreichend; ebenso zum Gläubigerschutz in der geschlossenen Kapitalgesellschaft Bachmann/Eidenmüller/Engert/ Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 131.

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Haftungsbeschränkungen eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln des in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals237 erfordern, wobei einer Minderheit von zehn Prozent des Grundkapitals ein nicht an Sachgründe gebundenes Veto zustünde. Folgt man Eberhard Vetter, würde eine solche Regelung zudem nur zeitlich begrenzt gelten und voraussichtlich innerhalb der Amtszeiten einiger Vorstandsmitglieder enden, die dadurch möglicherweise zur Amtsniederlegung aus wichtigem Grund berechtigt wären. Auf Stichpunkte reduziert kennzeichnen den Reformvorschlag damit zwei Wesensmerkmale: eng begrenzter Anwendungsbereich und hohe Hürden für den Beschluss einer entsprechenden Satzungsregelung. 3. Vereinbarkeit mit Sinn und Zweck sowie Fortbestand der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung wäre die Abmilderung des für die Vorstandsmitglieder geltenden Sorgfaltsmaßstabs durch die Satzung auch bei ausdrücklicher gesetzlicher Zulassung mit dem aktienrechtlichen Grundsatz der Satzungsstrenge unvereinbar.238 Einwände werden hier zum einen im Hinblick auf die durch diesen Grundsatz gewährleistete „Standardisierung“ der Aktiengesellschaft formuliert. Zum anderen wird eine drohende Erosion der Satzungsstrenge durch vermeintlich neben der statutarischen Milderung der Vorstandshaftung notwendige Regelungen zur Anpassung weiterer zwingender Vorschriften des Aktiengesetzes angenommen. a) Sinn und Zweck der Satzungsstrenge Zunächst wird die Zulassung eines partiell durch Satzung geregelten Haftungsregimes mit dem hier bereits erörterten Sinn und Zweck der Satzungsstrenge, Rechtssicherheit, auch zum Schutz der Gläubiger und künftiger Aktionäre, und die Verkehrsfähigkeit der Gesellschaftsanteile zu gewährleisten, für unvereinbar gehalten. Das gesetzlich standardisierte Modell der Aktiengesellschaft werde wesentlich durch die Vorstandshaftung geprägt.239 Zutreffend ist, dass die Zulassung satzungsmäßiger Haftungsbeschränkungen trotz des eingeschränkten Umfangs des Reformvorschlags insoweit eine Abkehr von dem weitestgehend gesetzlich geregelten Modell der Aktiengesellschaft bedeutete. Die hier zu beantwortende Frage ist, ob, gegebenenfalls mit über den Handelsregistereintrag hinausgehenden Publizi237

§ 179 Abs. 2 AktG. So Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 370 f.; krit. auch Bayer, NJW 2014, 2546, 2548: „mit diesem Grundsatz der Satzungsstrenge sollte nun jedenfalls für börsennotierte Gesellschaften nicht gerade im Hinblick auf die Managerhaftung gebrochen werden.“. 239 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 370. 238

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tätselementen, die Haftungsverfassung einer konkreten Aktiengesellschaft für den Rechtsverkehr in einem Ausmaß zu erfassen bliebe, das einen ausreichenden Gläubigerschutz und die Verkehrsfähigkeit der Aktien gewährleisten könnte. Hierfür wäre eine erweiterte Publizität, wie sie auch von den Befürwortern des Reformvorschlags grundsätzlich anerkannt wird,240 erforderlich.241 Der Grundsatz der Satzungsstrenge soll Personen, die mit der Aktiengesellschaft entweder als Gläubiger oder Investoren in Kontakt treten, gerade den Blick ins Handelsregister ersparen.242 Als Publizitätsträger werden die Angaben auf Geschäftsbriefen oder/und die Firma vorgeschlagen.243 Insbesondere bei einem entsprechenden Firmenzusatz wäre davon auszugehen, dass das Bestehen eines von den gesetzlichen Regelungen abweichenden Haftungsregimes im Rechtsverkehr ausreichend zur Kenntnis genommen werden könnte. Zu berücksichtigen ist aber, dass Kenntnis von Bestehen einer solcher Satzungsregelung keine Inhaltskenntnis bedeutete.244 Fraglich ist, ob ein Hinweis in der Firma, der dem Rechtsverkehr Anlass gäbe, das Handelsregister einzusehen, ausreichte. aa) Vergleich mit der GmbH Als Vorbild einer Gesellschaftsform, auf die Vergleichbares zutrifft, kann die GmbH herangezogen werden. Zwar unterscheiden sich die Rechtsformzusätze in der Firma einer GmbH mit und ohne durch Satzung oder Anstellungsvertrag modifizierter Haftung nicht. Aufgrund der Zulässigkeit solcher abweichender Regelungen, muss der Rechtsverkehr aber, trotz deren tatsächlich geringer Verbreitung,245 von der Möglichkeit einer nicht dem § 43 GmbHG entsprechenden Regelung der Geschäftsführerhaftung ausgehen. Der wesentliche Grund für die fehlende Wertpa240

Siehe oben 4. Teil D. II. 2. e). A.A. anscheinend E. Vetter, NZG 2014, 921, 924; Spindler, AG 1998, 53, 59; zum Gläubigerschutz in der geschlossenen Kapitalgesellschaft Bachmann/Eidenmüller/Engert/ Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, S. 131. 242 Siehe oben 3. Teil B. III. 1. 243 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; vgl. auch Köndgen, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 97. 244 Spindler, AG 1998, 53, 61 hält grundsätzlich die Information einiger, insbesondere professioneller, Marktteilnehmer für ausreichend. Eine Besonderheit von Satzungsregeln, die eine Haftungsbeschränkung beinhalteten wäre aber, dass diese selbst, indem zunächst ein erhöhter Bilanzgewinn der Gesellschaft zu erwarten wäre (dazu noch unter 4. Teil D. II. 9. c)) ein spekulatives Element enthielten. Ob derartige Mechanismen, die ferner, anders als etwa ein satzungsmäßig geregelter Bezugsrechtsausschluss, der als Zwischenschritt den Beschluss über eine Kapitalerhöhung erfordert, ohne vergleichbare Vorhersehbarkeit zur Wirkung kämen, am Markt vor Eintritt eines Schadens der Gesellschaft adäquat abgebildet werden könnten, erscheint zweifelhaft. Mangels vergleichbarer Regelungen nach geltendem Recht sind diesbezügliche Einschätzungen freilich spekulativ. Ferner bestünde hier auch das von Spindler, ebd., 61 angesprochene Problem der glaubhaften Vermittelbarkeit möglicher Vorteile satzungsmäßiger Haftungsbeschränkungen gegenüber den Märkten. 245 Dazu E. Vetter, NZG 2014, 921, 923. 241

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piereigenschaft von GmbH-Anteilen im Sinne des § 2 Abs. 1 WpHG liegt zwar zunächst in deren durch § 15 Abs. 3, 4 GmbHG erschwerter Übertragbarkeit und damit fehlender Zirkulationsfähigkeit.246 Regelungszweck des Erfordernisses notarieller Beurkundung ist aber neben der Beweisfunktion gerade die Erschwernis des spekulativen Handels mit solchen Anteilen, der dem gesetzgeberischen Leitbild von der GmbH als einer auf dauerhafte Mitgliedschaft angelegten Kapitalgesellschaft widerspräche.247 Dem entspricht auch die Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer. Die starke Stellung der Gesellschafterversammlung, der nach § 46 Nr. 8 GmbHG auch die Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die Geschäftsführer zusteht, bildet wiederum die Begründung der größeren Freiheit bei der Ausgestaltung der Geschäftsleiterhaftung durch Satzung und Anstellungsvertrag in der GmbH gegenüber der Aktiengesellschaft.248 Die in der GmbH gewährleistete Satzungsfreiheit ist nach dem Gesagten unmittelbarer Ausfluss des gesetzlichen Leitbildes als personalistischer Kapitalgesellschaft. Dessen Verwirklichung dient das Erfordernis der notariellen Beurkundung in § 15 Abs. 3, 4 GmbHG, das eine Aktien vergleichbare Handelbarkeit von GmbH-Anteilen ausschließt. Die gesetzgeberischen Aussagen, die sich aus dem Zuschnitt der GmbH und der Aktiengesellschaft in diesem Punkt ziehen lassen, sind dahingehend zusammenzufassen, dass Gesellschaftsanteile, die auf Fungibilität angelegt sind, stark standardisiert sein müssen und eine Befugnis der „Eigentümer“ der Gesellschaft, auf die Eigenschaften ihrer Anteile einzuwirken mit einer Einbuße an deren Handelbarkeit zu „erkaufen“ ist.249 Im Unterschied zur Aktiengesellschaft sind in der GmbH Beschränkungen der Geschäftsführerhaftung auch im Anstellungsvertrag zulässig, sodass das Handelsregister keine umfassende Information über die Haftungsverhältnisse ermöglicht. Der Möglichkeit weiterer Veränderungen der innergesellschaftlichen Strukturen 246

H.M. Kumpan, in: Baumbach/Hopt HGB, 36. Aufl. 2014, § 2 WpHG Rn. 2; ders., in: Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 2 WpHG Rn. 10; G. Roth, in: KölnKommWpHG, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 49; Fuchs WpHG, § 2 Rn. 23; krit. Assmann, in: Assmann/Schneider WpHG, 6. Aufl. 2012, § 2 Rn. 16. 247 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Fünfter Anlageband, Nr. 660, S. 3729; BGHZ 13, 49, 51 f.; 127, 129, 135; NJW 1999, 2594, 2595; OLG München, BB 1995, 427, 428; Verse, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 15 GmbHG Rn. 38; Löbbe, in: GroßKommGmbHG, 2. Aufl. 2013, § 15 Rn. 43; Reichert/Weller, in: MüKoGmbHG, § 15 Rn. 16; Scholz/Seibt, 11. Aufl. 2012, § 15 Rn. 1; Ebbing, in: Michalski GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 15 Rn. 55; Fastrich, in: Baumbach/ Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 15 Rn. 21. 248 Vgl. 3. Teil E. V. 1. a) cc) (3). 249 Zum Zusammenhang zwingenden Organisationsrechts mit der Fungibilität der Gesellschaftsanteile grundlegend Spindler, AG 1998, 53, 59 ff.; krit. dazu aus rechtstatsächlicher Sicht unter Hinweis auf den geringen Anteil börsennotierter Aktiengesellschaften Kalss/ Fleischer, AG 2013, 693, 700.

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durch vertragliche Vereinbarungen wird aber keine ersichtliche Bedeutung für die Frage der Handelbarkeit der Geschäftsanteile beigemessen. Dies erweist sich als zutreffend, besteht bei Vereinbarungen außerhalb der Satzung, die die Gesellschaft lediglich gegenüber dem einzelnen Geschäftsführer binden, doch die Möglichkeit, durch dessen Abberufung und Kündigung des Anstellungsvertrags den gesetzlichen Haftungszustand herzustellen. Eine Beschränkung der Zulässigkeit der Abberufung nach § 38 Abs. 2 S. 1 GmbHG ist in der Satzung zu regeln und damit für den Rechtsverkehr erkennbar. bb) Information durch die Firma (1) Möglichkeit Ein weiteres, bereits angedeutetes Problem ergibt sich daraus, dass mit einem über § 4 AktG hinausgehenden Rechtsformzusatz für die Information des Rechtsverkehrs über die Firmenträgerin unter Umständen nicht viel gewonnen wäre. Die bisher formulierten Reformvorschläge setzen haftungsbeschränkenden Satzungsregelungen zwar nach außen hin enge Grenzen. Innerhalb dieser Begrenzung bestünde aber Satzungsfreiheit. Es wäre grundsätzlich zu erwarten, dass sich am Vorbild einiger führender Unternehmen mit der Zeit ein Standard solcher Satzungsregelungen herausbilden würde.250 Die hinter dem Vorschlag, Haftungsregelungen in der Satzung zuzulassen, stehende Idee ist aber die, maßgeschneiderte Lösungen für die Bedürfnisse der konkreten Gesellschaft zu schaffen.251 Die zu erwartende Vielfalt an Bestimmungen könnte beispielsweise lediglich Mitglieder des Aufsichtsrats oder die Leiter besonders risikoträchtiger Ressorts erfassen, mithin personell begrenzt sein, oder etwa bestimmte Geschäfte oder Arten von Geschäften von einer Haftungsbeschränkung ausnehmen. Derartiges im Rechtsformzusatz einer Firma zu kommunizieren ist tatsächlich unmöglich.252 Unter einem entsprechenden Zusatz könnte sich mithin eine Aktiengesellschaft verbergen, bei der lediglich die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen wäre, was angesichts der praktischen Bedeutungslosigkeit der Aufsichtsratshaftung weitaus geringere Auswirkungen auf den Anteilswert haben müsste als der maximal zulässige Ausschluss der Haftung für leicht fahrlässiges Verhalten sämtlicher Organmitglieder.

250

Ebenso Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312. Vgl. E. Vetter, NZG 2014, 921, 924; Spindler, AG 2013, 889, 896; Köndgen, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 97; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803, 804 (gesetzliche Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz „schösse deutlich über das Ziel hinaus“, satzungsmäßige Regelungen des Sorgfaltsmaßstabs werden dagegen befürwortet). 252 Anders wäre dies etwa bei der von Spindler, AG 1998, 53, 72 f. erwogenen Satzungsdispositivität des Bezugsrechts. Der dort dem Rechtsverkehr zu vermittelnde Unterschied zwischen AG mit und AG ohne Bezugsrecht könnte in ausreichend knapper Form kommuniziert werden. 251

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Das Problem verschärfte sich weiter, wenn Haftungsausschlüsse bis zur Grenze mittlerer Fahrlässigkeit oder zusätzlich die Festlegung von Haftungshöchstgrenzen, gegebenenfalls mit Abstufungen nach dem Grad der Fahrlässigkeit, zugelassen würden. Zu lösen wäre es nur, indem der Gesetzgeber selbst ein Modell bereitstellte, für oder gegen das sich die Hauptversammlung im Sinne eines Opt-in entscheiden könnte. Erhebliche Vorzüge gegenüber einer unmittelbar gesetzlichen Regelung ergäben sich dann aber nicht mehr, sollen satzungsmäßige Regelungen doch gerade an den Verhältnissen der einzelnen Gesellschaft orientierte, bedarfsgerechte Haftungsgestaltungen ermöglichen. (2) Erforderlichkeit Um eine Unvereinbarkeit mit Sinn und Zweck der Satzungsstrenge zu begründen, müsste die Information des Rechtsverkehrs über das innerhalb der Gesellschaft geltende Haftungsregime durch die Firma auch erforderlich sein. Eine Information der Marktteilnehmer zumindest über die Existenz einer satzungsmäßigen Regelung der Organhaftung erschiene zur angemessenen Abbildung des von der einzelnen Gesellschaft gewählten Haftungsregimes an den Kapitalmärkten notwendig. Fraglich ist, ob es ausreichte, solche Aktiengesellschaften mit einem Firmenzusatz zu versehen, der lediglich ausdrückte, dass Haftungsregelungen in der Satzung enthalten wären. Im Übrigen müsste dann die Publizität der zum Handelsregister einzureichenden Satzung genügen. Zwar gäbe eine Firma, die zumindest kommunizierte, dass eine Haftungsregelung in der Satzung enthalten wäre, Anlass, das Handelsregister einzusehen. Diese Möglichkeit ist jedoch auch bei der GmbH als nicht börsenfähiger Kapitalgesellschaft vorhanden. Der Grundsatz der Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft will es Gläubigern und künftigen Aktionären gerade ersparen, sich über die Kenntnisnahme der Firma hinaus mit den Rechtsverhältnissen innerhalb der Gesellschaft zu befassen. Auch nach geltendem Recht ist zwar aus dem Rechtsformzusatz „Aktiengesellschaft“ nur ersichtlich, dass die Mitglieder des Vorstands nach Maßgabe des § 93 AktG gegenüber der Gesellschaft haften, nicht aber, welche Vorsorgemaßnahmen diesbezüglich getroffen wurden, ob eine D&O-Versicherung besteht oder wie die Vermögensverhältnisse der Vorstandsmitglieder beschaffen sind. Daraus zu schließen, eine Information, insbesondere der Kapitalmärkte, über eine sich in den engen Grenzen des Reformvorschlags haltende Satzungsregelung zur Vorstandshaftung sei nicht erforderlich, dürfte aber zu weit gehen. Zwar wäre weder das Verfolgungsrecht der Gläubiger noch die Aktionärsklage durch solche Regelungen berührt,253 für den Anteilswert als solchen sowie die diesbezüglich zu erwartenden Schwankungen wären Art und Umfang einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung aber bei 253

Dazu unter 4. Teil D. II. 3. b) cc) u. dd).

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Eintritt eines in den Haftungsausschluss fallenden Schadens der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung. Während beim derzeitigen Rechtsstand die Aktionäre bei Bekanntwerden eines erheblichen Schadensfalles grundsätzlich ebenfalls dazu neigen werden, ihre Anteile aus Furcht vor Wertverlusten zu veräußern, kann nach der festgestellten rechtstatsächlichen Lage aber davon ausgegangen werden, dass in größeren Unternehmen eine D&O-Versicherung bestehen wird und zumindest niedrig zweistellige Millionenbeträge von den Vorstandsmitgliedern selbst zu erlangen sind. Dagegen würden sich solche „Fluchtanreize“ wohl ganz erheblich verstärken, wenn aus der Firma einer Aktiengesellschaft lediglich ersichtlich würde, dass eine irgendwie geartete Haftungsbeschränkung bestünde. Insbesondere wäre kaum anzunehmen, dass sich der durchschnittliche, reine Anlagezwecke verfolgende Aktionär im Vorfeld über die konkreten Inhalte einer satzungsmäßigen Haftungsregelung informieren würde. Bereits die Möglichkeit des Vorliegens eines Schadensfalles, für den die Vorstandshaftung und damit auch die Einstandspflicht einer D&O-Versicherung ausgeschlossen wäre, würde hier, auch in Gesellschaften, in denen lediglich die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder oder einzelner Vorstandsmitglieder, die an dem Schaden nicht beteiligt waren, ausgeschlossen wäre, dazu führen, dass die Aktionäre zur Veräußerung ihrer Anteile veranlasst würden. Dementsprechend könnten die Kapitalmärkte die in den Anteilen verkörperten Risiken nicht mehr adäquat abbilden.254 Aus diesem Grund ist zu fordern, dass die Firma einer Gesellschaft, deren Anteile Wertpapiere im Sinne des WpHG darstellen und die bereits nach dem gesetzlichen Zuschnitt der entsprechenden Rechtsform auf Mitgliederwechsel und Börsenfähigkeit angelegt ist, die Regeln, unter denen eine Geschäftsleiterinnenhaftung zustande kommt, adäquat widerspiegelt.255 Die Publizität der Satzung ist hierfür nicht ausreichend. cc) Festlegung der Zwecke der Vorstandshaftung durch die Hauptversammlung Im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Haftungsregeln in der Satzung mit Sinn und Zweck der Satzungsstrenge wird ferner darauf hingewiesen, dass solche Beschränkungen zu Verschiebungen der Funktion der Vorstandshaftung führten, die durch die Gewährung der entsprechenden Satzungsfreiheit in die Hände der

254

Anders E. Vetter, NZG 2014, 921, 924, der von „klaren Signalen“ ausgeht, dafür allerdings Einsichtnahme ins Handelsregister voraussetzt; grundlegend zum Verhältnis zwingenden Organisationsrechts und des Marktes Spindler, AG 1998, 53, 58 f. 255 Anders anscheinend, jedoch ohne auf das Problem der Modifizierbarkeit der Geschäftsleiterhaftung einzugehen Fuchs WpHG, § 2 Rn. 23; Assmann, in: Assmann/Schneider WpHG, 6. Aufl. 2012, die lediglich das Formerfordernis der § 15 Abs. 3, 4 GmbHG als Hindernis der Wertpapiereigenschaft von GmbH-Anteilen thematisieren; vgl. aber BGHZ 134, 392 (zur Zulässigkeit der GmbH & Co. KGaA: Kenntlichmachung des Fehlens einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter sei zwingende Voraussetzung).

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Hauptversammlung gelegt würden.256 Durch eine Haftungsbeschränkung würden sowohl die Präventions- als auch die Kompensationswirkung der Vorstandshaftung eingeschränkt. Bayer/Scholz nehmen hier im Ausgangspunkt zutreffend an, dass ein reduzierter Sorgfaltsmaßstab mehr die Prävention, eine betragsmäßige Begrenzung mehr die Kompensation beträfe.257 Der Grad solcher Wirkungen hinge aber erheblich von der konkreten Ausgestaltung einer Satzungsregelung ab. Insbesondere gilt es zu bedenken, dass eine Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs zwar, soweit der Haftungsausschluss eingriffe, zur Nichtentstehung eines Schadensersatzanspruchs führte, sodass hiervon keine präventive Verhaltenssteuerung zu erwarten wäre. Zugleich erhielte die Gesellschaft aber eben auch keinerlei Ersatz für ihren Schaden, sodass, jedenfalls soweit ein Haftungsausschluss nicht über leichte Fahrlässigkeit hinausginge, ein deutliches Übergewicht der Auswirkungen zulasten der Prävention nicht ausnahmslos anzunehmen wäre. Umgekehrt läge in einer betragsmäßigen Höchstgrenze, wie sie in der Reformdiskussion als zu einer Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs alternative satzungsmäßige Gestaltungsmöglichkeit vorgeschlagen wird,258 nur dann eine Aufgabe des Kompensationsgedankens,259 wenn der Höchstbetrag im Vergleich zum Schaden zu vernachlässigen wäre, was etwa dann nicht der Fall wäre, wenn ein solcher in Verbindung mit einer D&O-Versicherung gewählt würde, oberhalb deren Deckungsgrenze eine weitere persönliche Haftung des Vorstandsmitglieds ausschiede. Derart hohe Schadenssummen wären aber auch ohne eine Haftungshöchstgrenze aus tatsächlichen Gründen regelmäßig von dem Vorstandsmitglied nicht zu erhalten. Solche Auswirkungen auf die Zwecke einer Haftungsnorm260 sind kein spezifisches Phänomen des Aktienrechts und der Vorstandshaftung, sondern können in derselben Weise in der GmbH oder zwischen den Parteien eines Austauschvertrags durch haftungsmodifizierende Vereinbarungen zustande kommen. Ferner bedeutet ein Verzicht auf oder Vergleich über einen bereits entstandenen Anspruch in der Aktiengesellschaft ebenfalls eine zumindest teilweise Aufgabe des Kompensationsgedankens. Auch in diesen Fällen wird eine, wenngleich nachträgliche, Vereinbarung getroffen, die den vollen Schadensausgleich abbedingt. Ob die Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG auch dem Schutz des Verhältnisses der Normzwecke der Organhaftung zueinander dient, ist daher zu bezweifeln. Angesichts vergleichbarer Auswirkungen in anderen Haftungskonstellationen handelt es sich 256

Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 370; vgl. Koch, AG 2014, 513, 524. 257 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 370. 258 Dazu noch ausführlich unter 4. Teil E. 259 So Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 370. 260 Zu den Funktionen von Schadensersatzansprüchen allgemein, s. Vieweg, in: Staudinger Eckpfeiler, J. Rn. 8 ff.; Lange/Schiemann, Einleitung III. 2 (S. 9 ff.); Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 8 f.

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nicht um ein spezifisch aktienrechtliches Problem. Ein Schutz der Gläubiger oder künftiger Anteilseigner oder allgemein des Rechtsverkehrs durch ein bestimmtes Verhältnis der Wirkungen der Vorstandshaftung zueinander ist nicht zu erkennen. Daher handelte es sich nicht um eine mit Sinn und Zweck der aktienrechtlichen Satzungsstrenge unvereinbare Auswirkung satzungsmäßiger Haftungsregelungen. Die mit deren Zulassung verbundene, dem Grad nach einzelfallabhängige Möglichkeit der Hauptversammlung, auf die Wirkungen der Vorstandshaftung Einfluss zu nehmen, führte damit nicht zur Unvereinbarkeit mit den Zielen des § 23 Abs. 5 AktG.261 b) Keine Erosion der Satzungsstrenge Die Zulassung haftungsbeschränkender Regelungen in der Satzung führte dazu, dass Gesellschaften, die von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten und solche, für die nur die gesetzlichen Haftungsregeln gelten würden, nebeneinander bestünden. Aufgrund dessen wird im Schrifttum eine allgemeine Erosion der Satzungsstrenge durch notwendige Anpassungen der Regelungen der Vorstandshaftung an diese Verhältnisse befürchtet.262 aa) § 93 Abs. 4 S. 1 AktG Hinsichtlich § 93 Abs. 4 S. 1 AktG entstünden solche Widersprüche nicht. Zwar könnte bei Zulassung satzungsmäßiger Haftungsbeschränkungen die Hauptversammlung einerseits die Haftung des Vorstands für leichte Fahrlässigkeit mit den genannten Ausnahmen umfassend ausschließen. Das Erfordernis einer bereits im Beschlusszeitpunkt hinreichend bestimmten Maßnahme263 und der Zusammenhang mit der Folgepflicht des Vorstands nach § 83 Abs. 2 AktG rechtfertigen aber die geringeren Mehrheitserfordernisse und den Haftungsausschluss für sämtliche Verschuldensgrade. Wertungswidersprüche zwischen den Kompetenzen der Hauptversammlung in der Gesellschaft mit und der ohne satzungsmäßige Haftungsbeschränkungen sind daher nicht ersichtlich, ebenso wenig solche zwischen denen der Hauptversammlung beim Beschluss einer solchen Satzungsregelung und dem über eine Handlung im Sinne des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG.

261 Anders anscheinend Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 370. 262 Vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 370 f. 263 Vgl. Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 474; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 50; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 152; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 241; Bürgers/Körber, in: Bürgers/Israel, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 32; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 298; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 267.

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bb) § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Zum Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in der geltenden Fassung ergäbe sich insoweit in Gesellschaften mit satzungsgeregelter Haftung ein Widerspruch, als die Hauptversammlung einerseits Ansprüche wegen der genannten leicht fahrlässigen Pflichtverletzungen mit denselben Mehrheiten, die § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vorsieht, vollständig ausschließen könnte, andererseits aber einem Verzicht auf oder Vergleich über einmal entstandene Ansprüche aus solchen Pflichtverletzungen innerhalb der Sperrfrist nicht zur Wirksamkeit verhelfen könnte. Derselbe Widerspruch ergäbe sich auch für Gesellschaften ohne eine solche Satzungsregelung, deren Hauptversammlung diese, nicht aber einen wirksamen Verzicht oder Vergleich, innerhalb der Sperrfrist beschließen könnte. Die hier befürwortete Streichung der Sperrfrist würde diesen Widerspruch beseitigen. Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats für Maßnahmen, die unter § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fallen und allein der Hauptversammlung für Satzungsänderungen ist der Verfassung der Aktiengesellschaft als solcher geschuldet und begründete daher keine weiteren Spannungen. cc) § 93 Abs. 5 AktG Auswirkungen auf das Verfolgungsrecht der Gesellschaftsgläubiger aus § 93 Abs. 5 AktG ergäben sich unter den vorgesehenen Beschränkungen der Satzungsfreiheit, die insbesondere die Sondertatbestände des Absatzes 3 sowie grob fahrlässiges Handeln aussparen soll, aus der Umsetzung des Reformvorschlags nicht.264 dd) Aktionärsklage Dasselbe gilt für die Aktionärsklage nach § 148 AktG, sofern, wie hier befürwortet, das Erfordernis einer qualifizierten Pflichtverletzung in Absatz 1 S. 2 Nr. 3 de lege ferenda beibehalten wird.265 ee) § 147 Abs. 1 AktG Hinsichtlich der Erzwingung der Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch die Hauptversammlung nach § 147 AktG ergäbe sich freilich, dass solche Ansprüche, die aufgrund einer entsprechenden Satzungsregelung nicht oder nicht in Höhe des vollen Schadens entstanden wären, nicht geltend gemacht werden könnten. Eine Beeinträchtigung von Aktionärsrechten in Gesellschaften, die eine solche Haftungsregelung getroffen hätten, ergäbe sich daraus indes nicht. § 147 Abs. 1 AktG begründet kein Minderheitenrecht. Der Beschluss einer Satzungsänderung erfordert 264 265

Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 60. Siehe unten 5. Teil B. II. 1. h) cc).

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eine größere Stimmenmehrheit, sodass die Hauptversammlung hier im Voraus gleichsam „die Nichtentstehung“ bestimmter Ansprüche als Maius zur Nichtgeltendmachung beschlossen hätte. Die Tatsache, dass es sich hierbei um eine andere Hauptversammlung handelte, ist ohne Bedeutung.266 ff) Zulässigkeit der D&O-Versicherung und § 93 Abs. 2 S. 3 AktG Bezüglich der Zulässigkeit einer D&O-Versicherung und der Selbstbehaltsregelung in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ergäben sich bei einer Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs keine Besonderheiten, da innerhalb dieses Haftungsausschlusses eine D&O-Versicherung zu keiner weiteren Enthaftung der Vorstandsmitglieder führen könnte. Lediglich bei Zulassung satzungsmäßiger Höchstbeträge wäre, falls keine mit einer D&O-Versicherung zu koppelnde Lösung gewählt werden sollte, wenn eine über die de lege lata bestehende Höhe des Selbstbehalts bei der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung hinausgehende Haftung gewünscht wäre, eine Regelung erforderlich, die einen solchen höheren Selbstbehalt oder ein Verbot der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung für Gesellschaften vorsähe, deren Satzung eine dem Betrag nach begrenzte Vorstandshaftung regelte. Diese gegebenenfalls notwendig werdende gesetzliche Vorschrift, die lediglich eine unterschiedliche Zulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung für Gesellschaften mit und ohne satzungsmäßigen Haftungshöchstbetrag regeln müsste, bedeutete keinesfalls eine Aufgabe der Satzungsstrenge insgesamt. gg) Zwischenfazit Wie gezeigt, ergäben sich, die Abschaffung der Sperrfrist in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG de lege ferenda vorausgesetzt, keine mit den gesetzlichen Regeln der Vorstandshaftung unvereinbaren Folgen aus der Zulassung satzungsmäßiger Haftungsregelungen nach Maßgabe des dargestellten Reformvorschlags. Die Gewährung einer solchen begrenzten Satzungsfreiheit führte damit im Ergebnis nicht zu einer Erosion der Satzungsstrenge in Bezug auf die Vorstandshaftung im Ganzen.267 c) Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung Mit der Feststellung, dass die Zulassung einer satzungsmäßigen Herabsetzung des für die Vorstandsmitglieder geltenden Sorgfaltsmaßstabs keine Erosion des Grundsatzes der Satzungsstrenge insgesamt bedeutete, ist keine Aussage über die Begründbarkeit einer solche Durchbrechung in der Sache verbunden. Vielmehr ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen gerade die Lösung der Problematik einer 266

Dazu noch unter 4. Teil D. II. 4. Anders Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 370 f. 267

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vermeintlich zu strengen Organhaftung in einer Lockerung der ansonsten und auch de lege ferenda nach der Vorstellung der Befürworter des Reformvorschlags im Übrigen umfassend geltenden Satzungsstrenge liegen sollte. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, erweist sich eine Satzungsregelung gerade der Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber einer gesetzlichen Regelung nicht als vorzugswürdig, sodass eine sachliche Rechtfertigung für diese partielle Durchbrechung des Grundsatzes der Satzungsstrenge im Ergebnis nicht vorhanden ist. d) Zwischenfazit Bedenken gegen die Zulassung satzungsmäßiger Haftungsregelungen bestehen aus der Perspektive der Satzungsstrenge lediglich bezüglich der Verwirklichung deren Sinn und Zwecks, eine weitestgehend standardisierte Gesellschaftsform, die auf Mitgliederwechsel und dementsprechend börslichen Handel mit ihren Anteilen ausgelegt ist, zu gewährleisten. Sollte der Gesetzgeber nicht lediglich ein Modell oder einige wenige Modelle solcher Satzungsregelungen zulassen, wäre eine hinreichende Publizität, die eine Reaktion der Kapitalmärkte auf das innergesellschaftliche Haftungsregime ermöglichen würde, durch Angaben auf den Geschäftsbriefen und die Firma nicht zu gewährleisten. Davon ausgehend wäre entweder eine eingeschränkte Handelbarkeit der Anteile von Gesellschaften, die entsprechende Satzungsregelungen getroffen hätten oder eine Beeinträchtigung der Abbildung dieser Regelungen im Anteilswert anzunehmen. Ersteres wäre mit dem gesetzlichen Leitbild der Aktiengesellschaft, letzteres mit dem Schutz des Rechtsverkehrs schwerlich vereinbar. Ob mit den notwendigen engen gesetzlichen Modellvorgaben die von den Befürwortern des Reformvorschlags gewünschten Vorteile individueller Regelungen noch in bedeutendem Maße verwirklicht werden könnten, ist zu bezweifeln. Lediglich in einem solchen engen Rahmen bestünden aber unter dem Gesichtspunkt des Telos der Satzungsstrenge keine Bedenken. Hält man die Information einiger Marktteilnehmer durch das Handelsregister für ausreichend,268 bedeutete die Zulassung individueller Organhaftungsregeln durch die Satzung letztendlich die Abkehr von der standardisierten Aktie in der bisherigen Form und damit eine deutliche Absenkung des Niveaus des Anlegerschutzes durch das Aktienrecht, die durch die geltende Regulierung der Kapitalmärkte nicht aufgefangen würde. Die Frage, ob eine solche allgemeine Deregulierung wünschenswert wäre, geht weit über den Gegenstand der Untersuchung hinaus und kann hier nicht beantwortet werden.269 Bezogen auf haftungsbeschränkende Satzungsrege268

Vgl. Spindler, AG 1998, 53, 61 f. Vertiefend Spindler, AG 1998, 53; Bayer, Gutachten zum 67. DJT; krit. ggü. der Legitimation der aktienrechtlichen Satzungsstrenge Mertens, ZGR 1994, 426; Hirte, in: Lutter/ Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, S. 61; Hopt, ebd., S. 123, 143 ff.; Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1046; Merkt, AG 2003, 126, 127 ff.; Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, S. 170 ff.; i.Erg. für deren Beibehaltung Röhricht, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1996, § 23 Rn. 167; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 III 1. c); 269

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lungen ist aber zu bedenken zu geben, dass weder über die theoretische Dimension eines materiell-rechtlichen Problems „existenzvernichtender“ Vorstandshaftung Einigkeit herrscht, noch bislang Fälle bekannt geworden sind, in denen Vorstandsmitglieder tatsächlich bis an die Pfändungsfreigrenzen und in die Privatinsolvenz in Anspruch genommen worden wären. Ein gesetzgeberischer Eingriff mit so weitreichenden Folgen sollte möglicherweise nicht aus derart unklarem Anlass erfolgen. Indes handelte es sich bei der Möglichkeit der Hauptversammlung, auf die Wirkungen der Vorstandshaftung Einfluss zu nehmen, nicht um ein spezifisches Problem solcher Satzungsregelungen. Ebenso wenig stünde eine Auflösung des Grundsatzes der Satzungsstrenge in Bezug auf die Vorstandshaftung durch die erörterte partielle Gewährung von Satzungsfreiheit zu befürchten. Problematisch bleibt aber, dass es an einer sachlichen Rechtfertigung, die Satzungsstrenge gerade in Bezug auf die Organhaftung zu durchbrechen, fehlt. 4. Vereinbarkeit mit dem Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Aus der Gewährung von Satzungsfreiheit hinsichtlich der Vorstandshaftung, wie sie der Reformvorschlag vorsieht, entstünde ein Wertungswiderspruch zwischen der Möglichkeit der Hauptversammlung, mit den für einen Verzicht oder Vergleich nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erforderlichen Mehrheiten eine Satzungsregelung zu etablieren, die die Haftung für leicht fahrlässiges Fehlverhalten der Mitglieder des Vorstands ausschlösse und dem Fehlen dieser Kompetenz innerhalb der dreijährigen Sperrfrist nach Entstehung eines solchen Ersatzanspruchs. Aufgrund der fehlenden Vorhersehbarkeit der einem künftig entstehenden Schadensersatzanspruch zugrunde liegenden Umstände wäre die Tragweite einer solchen Satzungsänderung größer als die eines Verzichts oder Vergleichs nach Anspruchsentstehung, sodass Letztere erst recht zulässig sein müssten.270 Durch eine Aufhebung der Sperrfrist, wie sie de lege ferenda zu befürworten ist, würde dieser Widerspruch indes beseitigt.271 Bayer/Scholz wollen die Unvereinbarkeit des Reformvorschlags mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zudem daraus folgern, dass es sich bei der Hauptversammlung, die eine entsprechende Satzungsregelung beschlösse, und der, die ihre Zustimmung zu einem Henssler/Wiedemann, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 1. Kap. Rn. 10 f.; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 691; Schön, ZHR 160 (1996), 221, 239, 249; Hommelhoff, in: G. Roth, Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 47 (Regelungen der im Aktiengesetz gegebenen Breite und Detailliertheit seien „letzten Endes wohl unvermeidlich.“); aus Gründen des Anlegerschutzes für eine europaweite Standardisierung weiter Teile der Rechtsverhältnisse börsenfähiger Gesellschaften nach deutschem Vorbild Lutter, in: Grundmann, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121, 140 („unvermeidlich“). 270 Ganz ähnl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 372 f. 271 Dazu bereits unter 4. Teil D. II. 3. b) bb).

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Verzicht oder Vergleich bezüglich eines bereits entstandenen Anspruchs zu geben hätte, um verschiedene, dementsprechend auch um andere Minderheitsaktionäre, denen ein Veto zukäme, handelte.272 Nach geltendem Recht führt die Regelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG dazu, dass einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit in dem Zeitpunkt, in dem ein Verzicht oder Vergleich zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied geschlossen werden soll, ein Veto zusteht. Dieser Zeitpunkt ist aber keineswegs feststehend, die Hauptversammlung kann auch derzeit keinen „Nichtverzicht“ auf einen Anspruch beschließen, sondern lediglich eine Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder nach § 147 AktG erzwingen. Ferner besteht die Möglichkeit der Erhebung der Aktionärsklage, die aber, wie festgestellt, durch dem Reformvorschlag entsprechende Satzungsregelungen unberührt bliebe. Folglich ist es bereits de lege lata möglich, dass der Aufsichtsrat eine für einen Verzicht oder Vergleich günstige Stimmung in der Hauptversammlung abwartet oder mehrmals versucht, die Zustimmung zu einer solchen Maßnahme zu erlangen. Ist es einmal hierzu gekommen, haben spätere Aktionärsminderheiten ebenfalls keine Möglichkeit mehr, den Anspruch durch ihr Veto „wiederzubeleben“. Aufgrund der zwischen der Entstehung eines Ersatzanspruchs und einem Verzicht oder Vergleich liegenden Zeitspanne, die de lege lata mindestens drei Jahre beträgt, kann auch nicht angenommen werden, dass das Veto „der“ Aktionärsminderheit vom Zeitpunkt der Anspruchsentstehung oder des Ablaufs der Sperrfrist zusteht. Sinn und Zweck der Regelung ist es, kollusive Absprachen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zum Nachteil der Gesellschaft zu verhindern,273 das Minderheitenveto ist ein Mittel zur Kontrolle solcher Maßnahmen. Ein entsprechendes Widerspruchsrecht beim Beschluss einer haftungsbeschränkenden Satzungsänderung erfüllte dieselbe Funktion, indem auch hier eine zehnprozentige Minderheit verhindern könnte, dass die Hauptversammlungsmehrheit auf Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat eine dem Verzicht und Vergleich gleichstehende Regelung zum Nachteil der Gesellschaft beschlösse. Ob die Hauptversammlung in der Lage wäre, die Interessengerechtigkeit einer solchen Bestimmung zu beurteilen, steht auf einem anderen Blatt, obliegt diese Beurteilung doch auch bei einem nachträglichen Anwendungsfall des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG der Hauptversammlung. Ein „Recht“ einer durch zeitliche Gegebenheiten bestimmten Aktionärsminderheit, zwingend über das Schicksal eines einmal entstandenen Anspruchs zu entscheiden, ist damit nicht begründbar.274

272

Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 373. 273 Siehe oben 3. Teil B. I. 1. 274 Ganz ähnl. Spindler, AG 1998, 53, 73 zum Minderheitenschutz bei einer das Bezugsrecht der Aktionäre ausschließenden Satzungsregelung.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Unter der Voraussetzung des Wegfalls der Sperrfrist de lege ferenda ist der Reformvorschlag nach alldem mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vereinbar.275 5. Erfordernis einer differenzierenden Gesetzgebung Nach dem Gesagten wäre eine von Bayer/Scholz als „gesetzgeberische Herkulesaufgabe“ bezeichnete,276 zwischen Aktiengesellschaften mit und solchen ohne satzungsmäßiger Haftungsregelung sowie innerhalb der unterschiedlichen Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung differenzierende gesetzliche Regelung der Vorstandshaftung, abgesehen von einer gegebenenfalls erforderlichen Sonderregelung der D&O-Versicherung in Verbindung mit in der Satzung festgelegten Haftungshöchstbeträgen, nicht erforderlich. Letzteres wäre in der Tat ein regelungstechnisches Novum,277 führte aber nicht zu einer bedenklichen Unübersichtlichkeit der gesetzlichen Haftungsregeln oder einer unsicheren Rechtslage. Eine Erweiterung der zu gewährenden Satzungsfreiheit bei der Regelung der Vorstandshaftung führte freilich, spätestens wenn Haftungsmilderungen für grob fahrlässiges Verhalten zugelassen würden, zu erheblichen Widersprüchlichkeiten innerhalb der gesetzlichen Regeln der Vorstandshaftung, steht aber derzeit nicht zur Diskussion, sodass diese Folgeprobleme hier nicht zu vertiefen sind.278 6. Satzungsregelungen als Lösung des Problems „existenzgefährdender“ Haftung Die Zulassung von Satzungsregelungen, die den von den Vorstandsmitglieder einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstab reduzieren, de lege ferenda erscheint nur dann, und auch dann vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit weiterhin geltendem Recht, sinnvoll, wenn dadurch eine Lösung des im Schrifttum verbreitet angenommenen Problems einer „existenzvernichtenden“ Vorstandshaftung möglichst wirksam erreicht werden könnte.

275

Anders (ausgehend von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in seiner geltenden Fassung) Bayer/ Scholz, NZG 2014, 926, 931 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 372 ff. 276 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 371. 277 Vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 371 f. 278 Anscheinend von einer weiterreichenden Öffnung ausgehend gelangen Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931 zu dem Ergebnis, dass die Gewährung von Satzungsfreiheit in Bezug auf die Vorstandshaftung zu einer gesetzgeberisch kaum zu bewältigenden Fülle von Folgeregelungen führen müsste.

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a) Erfordernis einer Satzungsregelung Bayer/Scholz äußern demgegenüber Zweifel aus dem unmittelbar einleuchtenden Grund, dass die Schaffung einer satzungsmäßigen Haftungsmilderung einen entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit ohne den Widerspruch einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit voraussetzte.279 Wo eine von den gesetzlichen Regeln der Vorstandshaftung abweichende Satzungsbestimmung die notwendigen Mehrheiten nicht fände, bliebe es schlicht bei der von den Befürwortern des Vorschlags als reformbedürftig bewerteten Rechtslage.280 Angesichts der uneinheitlichen Gebrauchmachung von vergleichbaren Freiheiten in anderen Gesellschaftsformen und Rechtsordnungen281 ist die zu erwartende Entwicklung nicht vorherzusagen. Denkbar erscheint sowohl eine flächendeckende Verbreitung282 haftungsbeschränkender Satzungsregeln als auch deren praktische Bedeutungslosigkeit sowie sämtliche Zwischenstufen. b) Mangelnde Rechtssicherheit: Abgrenzung zwischen Fahrlässigkeitsgraden Während die Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit bereits an anderen Stellen im Gesetz enthalten ist,283 existiert eine Dreiteilung des Fahrlässigkeitsbegriffs bisher nur in der Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung.284 Anders als dort sollte eine Satzungsregelung, die eine Haftung der Vorstandsmitglieder für leicht fahrlässiges Fehlverhalten ausschließt, nicht allein eine „Vernichtung“ deren wirtschaftlicher Existenz verhindern, sondern auch Fehlanreizen zu übermäßig risikoaversem, für die unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft unvorteilhaftem Verhalten vorbeugen. Diese Wirkung setzt aber eine hinreichende Voraussehbarkeit dessen, was unter den Haftungsausschluss fällt, mithin eine einigermaßen rechtssichere Abgrenzung leichter und mittlerer Fahrlässigkeit ex ante voraus. Angesichts der Tatsache, dass hierzu bisher lediglich die Rechtsprechung zur Arbeitnehmer279

Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 369. 280 Darauf weisen auch Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 369 hin; vgl. auch Bayer, NJW 2014, 2546, 2548, der aus ähnl. Gründen eine gesetzliche Regelung für „der Problematik angemessener“ hält. 281 Siehe E. Vetter, NZG 2014, 921, 923: geringe Verbreitung von Haftungsbeschränkungen für GmbH-Geschäftsführer; Spindler, AG 1998, 53, 67 unter Bezugnahme auf Daines/Hanson, 102 Yale Law Journal (1992), 577, 584 ff., 586 zum US-amerikanischen Recht: äußerst geringe Verbreitung von Bestimmungen in articles of incorporation, die Maßnahmen des Managements gegenüber Übernahmeversuchen verbieten; aber flächendeckende Verbreitung von Beschränkungen der Haftung der directors durch articles of incorporation in den USA: Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312; In re Walt Disney Co. Derivative Litigation, 907 A.2d 693 (752) (Del.Ch., 2005); Brown/Gopalan, 42 Indiana Law Review (2009), 285, 310. 282 Zu den diesbezüglichen Bedenken s. u. unter 4. Teil D. II. 7. 283 Vgl. die unter 4. Teil D. I. 1. genannten Bsp. 284 Vgl. 3. Teil E. III. 2. d).

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haftung, die ganz andere Arten von Handlungen betrifft, herangezogen werden könnte und echte Abgrenzungskriterien nicht gegeben sind, könnte dies derzeit kaum sichergestellt werden.285 Auch aufgrund der fehlenden notwendigen Rechtssicherheit bestehen Bedenken, ob eine Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs durch die Satzung die erwünschten Wirkungen zeitigen könnte.286 c) Gefahr unangemessener Risikovorsorge Über die schlichte Geltung der gesetzlichen Regeln hinaus könnte die Zulassung einer satzungsmäßigen Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs sogar zu einer tatsächlichen Verschärfung der Vorstandshaftung führen. aa) Das Fehlen alternativer Risikovorsorge Bestünde eine solche Regelung, die funktionell eine Art „Selbstversicherung“287 der Gesellschaft darstellte, würde die Gesellschaft, soweit diese reichte, von weiteren Vorsorgemaßnahmen, namentlich einer D&O-Versicherung, absehen. Hinsichtlich des regulären Fristendes wäre insoweit lediglich genug Weitsicht der angehenden Geschäftsleiter zu fordern, bereits im Zeitpunkt der Verhandlung des Anstellungsvertrags auf Vereinbarungen zur Risikovorsorge nach Ablauf einer satzungsmäßigen Haftungserleichterung hinzuwirken. Außerordentliche Ereignisse wie eine Satzungsänderung zurück zur gesetzlichen Vorstandshaftung außerhalb des Fünfjahreszyklus oder eine Beschlussanfechtung, der zunächst wenig Aussicht auf Erfolg zugeschrieben wurde, sodass während des Anfechtungsverfahrens keine D&OVersicherung zugesagt und abschlossen wurde, und vergleichbare Sachverhalte würden aber, zumindest bis sich hier eine hinreichende Unternehmenspraxis herausgebildet hätte, wohl manches Vorstandsmitglied „kalt erwischen“. Vor derartigen Ereignissen bestünde im Übrigen auch bei grundsätzlich unbefristeter Geltung einer entsprechenden Satzungsregelung kein Schutz, es handelt sich daher nicht um ein spezifisches Problem befristeter Haftungserleichterungen.288 Eine „Mindestgeltungsdauer“ entsprechender Satzungsregelungen könnte nur durch eine zeitweiliges Abänderungsverbot vorgesehen werden, das allerdings angesichts der Notwendigkeit der Anpassung an wechselnde Verhältnisse und des damit verbundenen Eingriffs in die Hauptversammlungsbefugnisse nicht zu rechtfertigen sein könnte.289 285 Wesentlich weitergehend hält Wagner ZHR 178 (2014), 227, 275 bereits die Abgrenzung von Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit für „richterliche Dezision“; hinsichtlich der Bewältigung der rechtssicheren Abgrenzung durch die Rspr. hoffnungsvoll (in anderem Zshg.) Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 37. 286 Vgl. Rust, AR 2014, 36 f.; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116 f. 287 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 24. 288 Vgl. dazu im Zshg. des Aktionärsschutzes Spindler, AG 1998, 53, 63; die Notwendigkeit der Revidierbarkeit hebt auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61 hervor. 289 Vgl. Spindler, AG 1998, 53, 63.

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bb) Der Wegfall einer satzungsmäßigen Haftungserleichterung als Rücktrittsgrund? Zumindest in einigen der geschilderten Situationen wäre den Vorstandsmitgliedern für die Zukunft geholfen, wenn sie bei Wegfall einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung zur Amtsniederlegung aus wichtigem Grund berechtigt wären.290 (1) Rahmenbedingungen Festzustellen ist zunächst, dass die Fälle, für die der Reformvorschlag die Möglichkeit einer Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs durch die Satzung zulassen will, grundsätzlich nicht unter die standardmäßigen Risikoausschlüsse einer D&OVersicherung fallen, dem Grunde nach also auch versicherbar sind. Während eine Satzungsregelung, die eine Haftung der Vorstandsmitglieder für leicht fahrlässige Pflichtverletzungen ausschließt, dem Grunde nach zum Ausschluss eines Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft führte, setzt eine D&O-Versicherung erst an der Geltendmachung eines solchen an, sodass neben den Risiken einer berechtigen Leistungsverweigerung des Versicherers auch eine die Versicherungsdeckung übersteigende Schadenssumme in Betracht kommt. Unter diesem Gesichtspunkt kann eine D&O-Versicherung mithin nicht dasselbe Schutzniveau gewährleisten wie eine Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs in der Satzung, sodass erhöhte Haftungsrisiken für die Mitglieder des Vorstands bei Wegfall einer solchen Regelung entstünden. Ferner ergibt sich bei einer Satzungsregelung, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fällt291 und dem Einfluss von Vorstand und Aufsichtsrat damit entzogen ist,292 gegenüber der D&O-Versicherung der Unterschied, dass eine solche bei Abschluss des Anstellungsvertrags den Vorstandsmitgliedern nicht zugesichert werden könnte, sodass bei ihrem Fehlen kein aufrechnungsfähiger Schadensersatzanspruch gegenüber der Gesellschaft aufgrund Vertragsverletzung in Betracht käme.293 Einem Erlass von einer D&O-Versicherung nicht gedeckter Beträge bei Wegfall einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung stünde das Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entgegen. Im Ergebnis stellte der Wegfall einer haftungsbeschränkenden Satzungsregelung die Mitglieder des Vorstands hinsichtlich ihrer Haftungsrisiken erheblich schlechter, ohne dass der Gesellschaft rechtlich die Möglichkeit eröffnet wäre, die entstehenden Nachteile auszugleichen. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob das nachträgliche Entfallen einer im Zeitpunkt der Bestellung wirkenden, gegenüber dem gesetzlichen Haftungsregime milderen Satzungsregelung einen wichtigen Grund zur Amtsnie290

Dafür E. Vetter, NZG 2014, 921, 925. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG. 292 Vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 369. 293 Vgl. oben 3. Teil C. I. a.E. 291

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derlegung und Kündigung des Anstellungsvertrags294 durch das Vorstandsmitglied darstellte. (2) Voraussetzungen der Amtsniederlegung durch ein Vorstandsmitglied Nach heute herrschender Meinung ist eine Amtsniederlegung zwar analog § 84 Abs. 3 S. 4 AktG zur Vermeidung eines rechtsunsicheren Schwebezustands auch ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes unmittelbar wirksam.295 Unwirksam ist die Amtsniederlegung aber, wenn sie rechtsmissbräuchlich erfolgt, was insbesondere naheliegen soll, wenn die Gesellschaft dadurch in einer Krisensituation handlungsunfähig wird.296 Tatsächlich wäre es einem Vorstandsmitglied daher, vorbehaltlich eines solchen Rechtsmissbrauchs, unabhängig davon, ob hierin ein wichtiger Grund gesehen wird, bei Wegfall einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung, möglich, sich von seinen Vorstandspflichten zu befreien.297 Losgelöst von der Wirksamkeit der Amtsniederlegung ist die Frage nach deren Berechtigung zu beurteilen. Fehlt es an einem wichtigen Grund zur Amtsniederlegung, verletzt das Vorstandsmitglied mangels eines Rechts zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrags seine vertraglichen Pflichten gegenüber der Gesellschaft und macht sich dementsprechend schadensersatzpflichtig.298 Eine Amtsniederlegung und Auflösung des Anstellungsvertrags im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat kommt

294 § 626 BGB; eine ordentliche Kündigung wird, vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung, für ausgeschlossen gehalten, da die organschaftlichen Befugnisse hiervon unberührt bleiben würden, Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 197; Grobys/Littger, BB 2002, 2292, 2293. 295 BGHZ 121, 257, 261 f.; BGH NJW 1995, 2850 (beide zur GmbH); Grobys/Littger, BB 2002, 2292; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 204; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 142; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 84 Rn. 86; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 199; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 45; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 56; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 20 Rn. 56; anders noch BGHZ 78, 82, 84 f. (zur GmbH: zumindest Berufung auf angeblich wichtigen Grund erforderlich); Thüsing, in: HdbVorstR, 2006, § 5 Rn. 35; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 225 f. 296 Vgl. dazu OLG Düsseldorf, DStR 2001, 454; BayObLG, DStR 2000, 290 (Unwirksamkeit der Amtsniederlegung des Gesellschafter-Geschäftsführers in der Einmann-GmbH ohne gleichzeitige Neubestellung in der Unternehmenskrise); Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 78 Rn. 22 (Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung an Eides statt trotz Amtsniederlegung); Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 143; Thüsing, in: HdbVorstR, 2006, § 5 Rn. 37 (Rechtsmissbrauch daneben auch, wenn die Amtsniederlegung angedroht wurde, um Neubestellung unter verbesserten Anstellungsbedingungen zu erwirken); Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 56. 297 Grobys/Littger, BB 2002, 2292 f. 298 BGHZ 78, 82, 85; 121, 257, 262 (beide zur GmbH); Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 204; Grobys/Littger, BB 2002, 2292, 2293; Deilmann, NZG 2005, 54, 55; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 200; Wiesner, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 20 Rn. 56; Weber, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 84 Rn. 87; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 229; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 45.

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dagegen ohne Begründung in Betracht,299 setzt aber dessen Kooperationsbereitschaft voraus. (3) Vorliegen eines wichtigen Grundes Eine der hiesigen ähnliche Fragestellung – ähnlich insoweit, als es um die Zurverfügungstellung eines Enthaftungsinstruments geht, unterschiedlich hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten der Gesellschaft – ist die nach dem Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Amtsniederlegung und Kündigung des Anstellungsvertrags beim Fehlen einer D&O-Versicherung, zu deren Bereitstellung sich die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern verpflichtet hatte.300 Die Bewertung eines Umstandes als wichtiger Grund, der die Vorstandsmitglieder zur Amtsniederlegung und fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrags berechtigt, setzt voraus, dass dem Vorstandsmitglied eine Fortsetzung des Organverhältnisses bis zum regulären Ende des Bestellungszeitraums unzumutbar ist.301 Dabei sind die Interessen des Vorstandsmitglieds an der sofortigen Beendigung des Organ- und Anstellungsverhältnisses gegen die der Gesellschaft an dessen Aufrechterhaltung abzuwägen.302 Einerseits sähe sich das Vorstandsmitglied bei Wegfall einer gegenüber dem gesetzlichen Haftungsregime milderen Satzungsregelung auch bei unmittelbar anschließendem D&O-Versicherungsschutz einer deutlich schärferen Haftung mit größeren Risiken für sein Vermögen gegenüber. Andererseits könnte der die Gesellschaft gegenüber (künftigen) Vorstandsmitgliedern vertretende Aufsichtsrat die Vorgänge, die zum Entfallen eines solchen Haftungsprivilegs geführt hätten, in Gestalt von Zeitablauf oder eines satzungsändernden Beschlusses der Hauptversammlung in keiner beziehungsweise keiner rechtlich zulässigen Weise303 beeinflussen. Der Haftungsausschluss erlangte dann Bedeutung, wenn das Vorstandsmitglied eine Pflichtverletzung beginge, sich also seinerseits gegenüber der Gesellschaft regel299 Allg.M. OLG Karlsruhe, AG 1996, 224, 227; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 205; Kort, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 230, 573; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 84 Rn. 36; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 84 Rn. 56; Thüsing, in: HdbVorstR, 2006, § 5 Rn. 39; vgl. BGHZ 79, 38, 43; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 84 Rn. 47. 300 Dazu ausführlich Deilmann, NZG 2005, 54 aus Anlass der Amtsniederlegung sämtlicher Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der LION bioscience AG einen Tag vor Ablauf der D&O-Versicherung, die aufgrund eines zwischenzeitlich erfolgten NASDAQ-Listings nicht mehr zu vertretbaren Bedingungen abzuschließen war, vgl. zum Fall Matthias Autenrieth, in: Süddeutsche Zeitung v. 17. 05. 2010, „Der freie Fall“, abzurufen unter, http://www.sueddeut sche.de/wirtschaft/management-versicherungen-der-freie-fall-1.592156, zuletzt abgerufen am 28. 01. 2015. 301 Deilmann, NZG 2005, 54, 55; es gelten im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie bei § 626 BGB unter Berücksichtigung der Stellung des Vorstandsmitglieds, Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 198. 302 Deilmann, NZG 2005, 54, 55; zur Vorgehensweise bei § 626 BGB: Preis, in: Staudinger (2011), § 626 Rn. 49 ff.; ErfK/Müller-Glöge, 15. Aufl. 2015, § 626 Rn. 24 ff.; Fuchs, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 11. 2014, § 626 Rn. 7. 303 Vgl. § 136 Abs. 2 AktG.

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widrig verhielte.304 Vergleichbar einer D&O-Versicherung, die neben den Vorstandsmitgliedern aber auch die Gesellschaft im Umfang des Versicherungsschutzes vor fehlender Beitreibbarkeit ihrer Schadensersatzforderung schützt, käme zwar auch einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung grundsätzlich versicherungsähnliche Funktion zu.305 Die Gesellschaft ersparte die Aufwendungen für eine D&OVersicherung, indem die Vorstandsmitglieder anderweitig vor Haftung verschont würden. Anders als bei einer Versicherung wären die später entstehenden Kosten für die Gesellschaft in Gestalt des aufgrund einer haftungsbeschränkenden Satzungsregelung nicht entstandenen Ersatzanspruchs im Voraus nahezu unkalkulierbar306 und die Haftungsfreistellung der Höhe nach umfassend. Daher diente eine solche Satzungsregelung, bezogen auf den konkreten Schadensfall, mehr den Interessen der schädigenden Vorstandsmitglieder als der geschädigten Gesellschaft. Andererseits müsste den angehenden Mitgliedern des Vorstands bei ihrer Bestellung noch deutlicher als bei der vergleichsweise komplexen D&O-Versicherung vor Augen stehen, dass Satzungsänderungen in einer Aktiengesellschaft regelmäßig vorkommen werden; in viel höherem Maße gilt dies für den schlichten Ablauf einer Geltungsfrist.307 Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand einer günstigen Satzungsregelung zur Vorstandshaftung kann vor diesem Hintergrund nicht anzunehmen sein. Gegebenenfalls bestünde zudem für die Vorstandsmitglieder die Möglichkeit, die schärfere Haftung durch eine Vereinbarung im Anstellungsvertrag, die ihnen bei Wegfall der Haftungsmilderung in der Satzung einen gewissen Schutz durch eine D&O-Versicherung zusicherte oder den Abschluss einer eigenen Versicherung, die, angesichts des zunächst vorhandenen Haftungsprivilegs, nicht denselben Bedenken hinsichtlich ihrer Finanzierbarkeit ausgesetzt wäre wie eine persönliche D&O-Versicherung, abzufedern. Dagegen stünde auf Seiten der Gesellschaft ein Interesse an einem nachhaltig funktionsfähigen Leitungsorgan.308 Die Anerkennung eines wichtigen Grundes könnte hier im Extremfall dazu führen, dass der Wegfall einer haftungsmildernden Satzungsregelung regelmäßig die Notwendigkeit der, schlimmstenfalls gerichtlichen, Neubestellung des Vorstands zur Folge hätte.309 Daraus ergäbe sich eine nicht unerhebliche tatsächliche Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Hauptversammlung über eine entsprechende Satzungsänderung zur Verschärfung solcher Regelungen. Angesichts der dargestellten Interessenlage unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache, dass der die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern ver304

Deilmann, NZG 2005, 54, 56 (zur D&O-Versicherung). Dazu Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 24; Davies/Worthington, Gower and Davies‘ Principles of Modern Company Law, Rn. 16 – 209; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844. 306 Diesen Unterschied betonen Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; Davies/Worthington, Gower and Davies‘ Principles of Modern Company Law, Rn. 16 – 209. 307 Ähnl. zur D&O Deilmann, NZG 2005, 54, 56. 308 Deilmann, NZG 2005, 54, 56. 309 Vgl. Deilmann, NZG 2005, 54, 56. 305

D. Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG de lege ferenda

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tretende Aufsichtsrat auf Entstehung und Wegfall haftungsmildernder Satzungsregelungen keinen Einfluss nehmen und die Gesellschaft ohne Mitwirkung der Hauptversammlung keine vergleichbare Haftungsfreistellung bewirken oder gewährleisten könnte, läge im Entfallen einer solchen Regelung, vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten, kein wichtiger Grund zur Amtsniederlegung und Kündigung des Anstellungsvertrags durch die Vorstandsmitglieder.310 cc) Folgen für die Vorstandsmitglieder Der nachträgliche Wegfall einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung berechtigte die Vorstandsmitglieder grundsätzlich nicht, ihr Amt niederzulegen und ihren Anstellungsvertrag fristlos zu kündigen, sodass sie sich den gesetzlichen Regelungen der Vorstandshaftung nicht entziehen könnten. Eine Haftungsverschärfung gegenüber der geltenden Rechtslage läge hierin per se nicht. In diesem Sinne könnte sich eine haftungsmildernde Satzungsregelung aber vor allem dann auswirken, wenn mit ihrem Wegfall innerhalb des Bestellungszeitraums nicht gerechnet wurde, etwa, weil unmittelbar zuvor über eine auf fünf Jahre befristete Regelung entschieden wurde oder langjährig dieselben oder ähnlichen Satzungsregelungen getroffen worden waren. In derartigen Fallgestaltungen erscheint es keineswegs fernliegend, dass sich angehende Vorstandsmitglieder und Aufsichtsrat bei den Verhandlungen der Bedingungen des Anstellungsvertrags in dieser vermeintlichen Sicherheit wiegen und auf Vereinbarungen über eine gegebenenfalls von der Gesellschaft zu stellende D&O-Versicherung, Vergütungsanpassungen oder Kündigungsrechte weitgehend verzichten würden. Zudem dürften Vorstandsmitglieder, die zunächst durch ein vergleichsweise mildes Haftungsregime privilegiert wären und darauf bestünden, Vorsorge für den nach Lage der konkreten Gesellschaft unwahrscheinlichen Fall seiner Aufhebung zu treffen, sich in einer schlechteren Verhandlungsposition befinden als solche, die unter der geltenden Rechtslage auf detaillierte Zusicherungen eines D&O-Versicherungsschutzes bestehen. Aufgrund dieser Unsicherheiten besteht die Gefahr, dass eine den angedachten gesetzlichen Rahmen ausschöpfende, die Vorstandsmitglieder von der Haftung zumindest für leicht fahrlässiges Fehlverhalten freistellende Satzungsregelung sich bei Wegfall während deren Bestellungsdauer aufgrund zunächst fehlender Anreize für eine angemessene anderweitige Risikovorsorge als Fallstrick herausstellte, sodass sich deren Haftungssituation gegenüber der aktuellen Rechtslage sogar verschlechtern könnte.

310 A.A. E. Vetter, NZG 2014, 921, 925; ganz ähnl. wie hier zum Wegfall einer D&OVersicherung Deilmann, NZG 2005, 54, 56.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

7. Nochmals: grobe Fahrlässigkeit als unangemessener Haftungsmaßstab für Vorstandsmitglieder Mindestens ebenso problematisch wie die lediglich vereinzelte Durchsetzung satzungsmäßiger Abmilderungen des für Mitglieder des Vorstands geltenden Sorgfaltsmaßstabs wäre im Hinblick auf die gegen eine entsprechende gesetzliche Regelung vorgebrachten systematischen Unstimmigkeiten eine flächendeckende Verbreitung solcher Regelungen. Es erscheint keineswegs unwahrscheinlich, dass solche Haftungsbeschränkungen, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass damit zunächst keine unmittelbaren Kosten für die Gesellschaft verbunden wären, eine vergleichbare Verbreitung finden könnten wie D&O-Versicherungen.311 Zu erwarten wäre auch, dass, sobald ein führendes Unternehmen seinen Vorstandsmitgliedern entsprechenden Schutz gewährte, eine erdrutschartige Verbreitung stattfinden würde, indem Geschäftsleiter in vergleichbaren Gesellschaften entweder eine deutlich höhere Vergütung, verbesserten Versicherungsschutz und vergleichbare Maßnahmen oder eine ebensolche Satzungsregelung forderten und dadurch ein erheblicher Zugzwang entstünde.312 Ausgehend von einer solchen möglichen Entwicklung wären die aufgezeigten Wertungswidersprüche zur Haftung sonstiger Schuldner im BGB zwar nicht in der gesetzlichen, doch aber in der tatsächlichen, durch entsprechende Satzungsregelungen geschaffenen Rechtslage gegeben. Dagegen ließe sich einwenden, dass es sich eben gerade nicht um eine gesetzliche, sondern eine privatautonome abweichende Regelung handelte, die in derselben Weise anderen Schuldnern, die grundsätzlich jede Fahrlässigkeit zu vertreten hätten, gewährt werden könnte.313 Im rechtlichen Ausgangspunkt ist dieser Einwand freilich zutreffend. Hinsichtlich der Verbreitung entsprechender Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen liegen keine Daten vor, sodass nicht auszumachen ist, ob die Haftungsgrenze grober Fahrlässigkeit für die Verwender solcher Bedingungen den praktischen Regelfall 311 Darauf lässt auch der Vergleich Bachmanns, Gutachten zum 70. DJT, E 24 mit einer Versicherung schließen. 312 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312, 1314 f. erwartet eine solche Entwicklung, wie sie entsprechend in den USA stattgefunden hat, auch für das deutsche Aktienrecht. Zur rechtstatsächlichen Lage in den USA, s. In re Walt Disney Co. Derivative Litigation, 907 A.2d 693 (752) (Del.Ch., 2005): „The vast majority of Delaware corporations have a provision in their certificate of incorporation that permits exculpation to the extent provided by § 102(b)(7).“; Brown/Gopalan, 42 Indiana Law Review (2009), 285, 310: „Our study of the articles of these companies [i. e. the Fortune 100, Ranking of America’s Largest Corporations s. http://fortune. com/fortune500/2009/ (zuletzt abgerufen am 28. 01. 2015), die Internetdokumente, auf die Brown/Gopalan verweisen, sind nicht mehr verfügbar, die Untersuchung bezieht sich auf die 100 größten corporations der USA im Jahr 2009] shows that all waive liability to the maximum extent permitted by law.“. 313 So Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 59 f.; ähnl. Spindler, AG 2013, 889, 896. Eine Grenze solcher Haftungsmilderungen bildet § 276 Abs. 3 BGB für individualvertragliche, § 309 Nr. 7b BGB für solche in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

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bildet.314 Die gesetzlichen Vorschriften zur Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen in §§ 307 ff. BGB tragen den besonderen Umständen, unter denen ein Vertrag bei Verwendung solcher einseitig vorformulierten Bedingungen zustande kommt, Rechnung und bilden damit die äußere Grenze, die der Gesetzgeber solcher durch lediglich eine Vertragspartei in Anspruch genommenen Gestaltungsmacht gewähren will.315 Innerhalb der Schuldverhältnisse, die hinsichtlich der Haftung einer Partei, die für einen anderen eine Tätigkeit erbringt, namentlich des Gesellschafters einer Personengesellschaft, des Beauftragten, des Werkunternehmers und des Dienstleisters, insbesondere des Arbeitnehmers, mit der Haftung der Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft in Wertungseinklang zu bringen sind, ist die Verwendung entsprechender Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch diese Vertragsparteien aber realistischerweise nicht als Regelfall anzunehmen.316 In diesen Vertragsverhältnissen würde sich die Partei, für die die Tätigkeit zu erbringen ist, wohl üblicherweise nicht auf eine individualvertraglich zu vereinbarende Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit oder einen Haftungsausschluss für leicht fahrlässiges Handeln einlassen. Insbesondere beim Auftrag hat der Beauftragte auch keine Anreize für ein Haftungsprivileg in Form einer Herabsetzung der Gegenleistung zu bieten, sodass sich der Auftraggeber kaum gehalten sehen wird, eine solche Vereinbarung zu treffen, solange es ihm möglich ist, einen Anderen mit seiner Geschäftsbesorgung zu beauftragen. Dasselbe wird für den Arbeitnehmer anzunehmen sein, der sich gegenüber seinem (künftigen) Arbeitgeber bei Vertragsverhandlungen typischerweise in der schwächeren Position befindet, weil in aller Regel zumindest eine gewisse Zahl anderer Personen zur Verfügung stehen wird, die bereit sind, die Tätigkeit ohne eine über die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung hinausgehende Haftungsprivilegierung zu übernehmen. Auch erscheint es schwer vorstellbar, dass sich die Mitgesellschafter einer Personen(handels)gesellschaft darauf einlassen würden, einen Gesellschafter über die eigenübliche Sorgfalt hinaus von seiner Innenhaftung freizustellen.317 Zwar wäre es mithin de lege 314 Gem. § 310 Abs. 1 S. 1 BGB findet § 309 BGB keine Anwendungen auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die ggü. einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden; der in § 309 Nr. 7 BGB zum Ausdruck kommende Gedanke, dass eine umfassende Haftungsfreizeichnung mit den Vorstellungen des BGB von vertraglichen Schuldverhältnissen nicht vereinbar ist, kann hier jedoch über § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zum Tragen kommen; BGHZ 174, 1; Grundmann, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 276 Rn. 86, 184. 315 A. Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 11. Aufl. 2011, Vorb. v. § 307 BGB Rn. 1; Coester, in: Staudinger (2013), § 307 Rn. 2 ff.; H. Schmidt, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 11. 2014, § 307 Rn. 1; vgl. auch Begr. RegE AGB-Gesetz, BT-Drs. 7/3919, S. 15. 316 Lediglich bei Dienst- und Werkverträgen dürfte Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Aufträgen größeren Umfangs eine Bedeutung zukommen. Bei solchen Verträgen werden aber entweder auf der Gegenseite ebenfalls Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet werden oder die Gegenpartei zumindest rechtlich beraten sein, sodass eine „stärkere“ und eine „schwächere“ Vertragspartei nicht als typisch zu identifizieren sind. 317 Zur grundsätzlichen Möglichkeit der weiteren Haftungsbeschränkung bei § 708 BGB s. Habermeier, in: Staudinger (2003), § 708 Rn. 15; Schäfer, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 708

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

lata durchaus möglich, dass sich aufgrund privatautonomer Vereinbarungen eine rechtstatsächliche Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit oder eine Haftungsbefreiung für leichte Fahrlässigkeit in einer Vielzahl von Schuldverhältnissen etablierte. Derzeit ist aufgrund der regelmäßig gegebenen Kräfteverhältnisse zwischen den hieran Beteiligten allerdings nicht von einer derartigen Entwicklung auszugehen oder mit ihr zu rechnen. Eine der D&O-Versicherung auch nur annähernd vergleichbare Verbreitung satzungsmäßiger Haftungsbeschränkungen für Mitglieder des Vorstands in Aktiengesellschaften erscheint vor diesem Hintergrund im Vergleich mit den Haftungsregeln des allgemeinen Zivilrechts, von denen rechtstatsächlich in vergleichbaren Schuldverhältnissen wohl keine erheblichen Abweichungen bestehen, kaum weniger bedenklich als eine entsprechende gesetzliche Regelung. Anders als die Schuldner einer Tätigkeit für einen Anderen in den als vergleichbar genannten Schuldverhältnissen werden Vorstandsmitglieder, gerade in den führenden deutschen Unternehmen, wo extreme Haftungsrisiken mit entsprechenden D&O-Prämien gegeben sind, eher über den notwendigen Einfluss und die Verhandlungsposition verfügen, sich eine satzungsmäßige Haftungsprivilegierung zu verschaffen.318 Im Gegensatz zu den Geschäftsführern einer GmbH unterliegen die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft bei ihrer Tätigkeit grundsätzlich keinerlei Weisungen der Hauptversammlung als des für die Schaffung einer solchen Haftungsbeschränkung zuständigen Gesellschaftsorgans, die die systematischen Bedenken relativieren könnten. 8. Vollständige Haftungsfreistellung Eine Absenkung des Haftungsmaßstabs in der Satzung auf mittlere oder grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz hätte eine vollständige Haftungsfreistellung der Vorstandsmitglieder unterhalb dieser Schwelle zur Folge. a) Präventionswirkung Erkennt man eine Präventionswirkung der Vorstandshaftung an, fällt diese durch eine solche Haftungsbeschränkung in weiterem Umfang weg als dies durch eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung de lege lata zulässig ist. Zwar sehen die Reformvorschläge den derzeit geltenden Risikoausschlüssen einer D&O-Versicherung vergleichbare Grenzen der Satzungsautonomie vor, durch die der letztendliche Anwendungsbereich satzungsmäßiger Haftungsprivilegien eng beschränkt bliebe. Innerhalb dieser Tatbestände entfielen jedoch sämtliche mit einer D&O-Versicherung verbundene Risiken für die Vorstandsmitglieder, insbesondere ihnen zuzurechnende Obliegenheitsverletzungen sowie die Aufzehrung einer Maximalsumme, Rn. 3; Schöne, in: Bamberger/Roth, 33. Ed., 01. 11. 2014, § 708 Rn. 3; Müller-Graff, AcP 191 (1991), 475, 494. 318 Vgl. Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312.

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auch durch vorangegangene Schadensfälle. Eine ansatzweise vergleichbare Unsicherheit könnte sich bei satzungsmäßiger Haftungsbeschränkung allenfalls aus der Gefahr des Wegfalls der privilegierenden Regelung ergeben.319 Angesichts des Erfordernisses eines Hauptversammlungsbeschlusses wäre eine solche Entwicklung für die Mitglieder des Vorstands aber wesentlich deutlicher vorhersehbar und transparent als die Leistungsfreiheit eines D&O-Versicherers, die die Beteiligten regelmäßig eher überraschend treffen wird. Über die Präventionswirkung im Bereich leichter und mittlerer Fahrlässigkeit mag man trefflich streiten.320 Deutlich wird in jedem Fall der Wertungswiderspruch zu § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, der für die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung einen verpflichtenden Mindestselbstbehalt der Vorstandsmitglieder vorsieht und ausweislich der Gesetzesbegründung die „in § 76 Absatz 1 AktG normierte persönliche Verpflichtung und Verantwortung des Vorstands, das Unternehmen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu leiten [flankiert]“ und verhaltenssteuernd wirken soll.321 Ausgehend von dieser, hier geteilten Auffassung, dass auch dem Selbstbehalt, dessen gesonderte Versicherung durch die Vorstandsmitglieder selbst zulässig ist, eine präventive Wirkung auf deren Verhalten zukommt,322 wäre in einer entsprechenden Satzungsregelung zumindest ein der Höhe nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG entsprechender Betrag vorzusehen, der von den Vorstandsmitgliedern im Schadensfall selbst zu tragen beziehungsweise gegebenenfalls zu versichern wäre. Ferner sollte eine Formulierung der Satzungsregelung gewählt werden, die allein eine Schadensersatzpflicht, nicht aber das Vorliegen einer Pflichtverletzung ausschließt, sodass die ebenfalls präventiv verhaltenssteuernd wirkenden Folgen wie Abberufung und Entlastungsverweigerung erhalten blieben. b) Schadenskompensation und „Selbstversicherung“ Darüber hinaus unterscheiden sich die satzungsmäßige Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs und eine D&O-Versicherung im Hinblick auf die Kompensationsfunktion der Vorstandshaftung erheblich.

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Zu diesen bereits oben unter 4. Teil D. II. 6. c). Spindler, AG 2013, 889, 895 wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, weshalb bei Arbeitnehmern, die bei leichter Fahrlässigkeit im Grundsatz von jeder Haftung freigestellt sind, eine hinreichende Präventionswirkung angenommen werde, nicht aber bei Vorstandsmitgliedern. 321 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum VorstAG v. 17. 06. 2009, BT-Drs. 16/13433, S. 11. 322 Dazu noch ausführlich unter 4. Teil H. IV. 320

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aa) Unterschiede zwischen „Selbstversicherung“ durch Haftungsausschluss, D&O-Versicherung und Haftungshöchstbeträgen Im Grundsatz ist Bachmann zwar darin zuzustimmen, dass ein Haftungsausschluss eine Art „Selbstversicherung“ der Gesellschaft darstellt.323 Das Argument, die Aktionäre seien aufgrund der grundsätzlichen Möglichkeit der Risikodiversifikation, insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften der „cheapest insurer“,324 führt hier nicht weiter, besagt es doch lediglich, dass die Anteilseigner zur Schadenstragung am ehesten geeignet seien. Bezugspunkt ist dabei aber das Anlagevermögen der Aktionäre, durch dessen Verteilung der dennoch unkompensierte Schaden der einzelnen Gesellschaft, der sich im Anteilswert entsprechend niederschlägt, ausgeglichen wird; der geschädigten Gesellschaft selbst steht gerade kein solcher Ausgleichsmechanismus zur Verfügung.325 Im Gegensatz zum Abschluss einer D&O-Versicherung, unter deren sachliche Risikodeckung die Schadensursachen, hinsichtlich derer satzungsmäßige Beschränkungen des einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabs zugelassen werden sollen, regelmäßig fallen würden, führte eine entsprechende Satzungsregelung dazu, dass ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft mangels Pflichtverletzung nicht entstünde, sodass diese für einen aufgrund leichter oder gegebenenfalls mittlerer Fahrlässigkeit eines Vorstandsmitglieds verursachten Schaden allenfalls in Höhe eines § 93 Abs. 2 S. 3 AktG entsprechenden Betrags eine Kompensation erhielte. Zwar ersparte die Gesellschaft im Vergleich zur D&O-Versicherung aufzuwendende Prämien. Der Schadensfall selbst ist aber im Vorhinein in keiner Form und Weise, die über statistische Wahrscheinlichkeiten hinausgeht, vorhersehbar und damit finanziell einzukalkulieren. Dieser Gesichtspunkt erwiese sich für die Gesellschaft bei einer Reduzierung des Haftungsmaßstabs in der Satzung als deutlicher Nachteil sowohl gegenüber einer D&O-Versicherung als auch einem gesetzlichen oder satzungsmäßigen Haftungshöchstbetrag.326 Hinsichtlich ersterer bestehen zwar die geschilderten Ausfallrisiken, letzterer ist bereits der Bezeichnung nach begrenzt. In beiden Fällen erhielte die Gesellschaft aber grundsätzlich einen im Voraus festgelegten Ersatz, der günstigstenfalls den Schaden vollständig abdeckte. 323

Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 24. von der Crone/Bloch, in: Weber/Isler, Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht VI, S. 83, 111; vgl. auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 24, E 59. 325 Vgl. E. Vetter, Anwbl 2014, 582, 584; Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, Rn. 16-200: „This [i. e. das Verbot von Haftungsbegrenzungen jeglicher Art in s.232(1) des Companies Act] is a very important statutory provision. Subject to its exceptions, the section turns the directors’ duties provisions into mandatory rules. Although the common law may regard those duties as existing for the benefit of the shareholders and thus to be waivable by the shareholders in the articles, the section takes a different view, perhaps reflecting doubt about the reality of the consent expressed in waivers given in advance of the event.“. 326 Vgl. Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; E. Vetter, Anwbl 2014, 582, 584; ders., NZG 2014, 921, 923; Davies/Worthington, Gower and Davies‘ Principles of Modern Company Law, Rn. 16 – 209. 324

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bb) Keine erheblichen Auswirkungen haftungsbeschränkender Satzungsregeln auf die Vorstandsvergütung Es ist nicht anzunehmen, dass sich ein Ausgleich dieser Nachteile aus einer erheblich geringeren Vorstandsvergütung ergeben würde. Gegenüber einer D&OVersicherung böte eine Herabsetzung des Haftungsmaßstabs zwar einen besseren Schutz, sodass zu zahlende Risikoprämien niedriger ausfallen müssten. Angesichts der dargestellten Risiken des Wegfalls einer satzungsmäßigen Haftungserleichterung ist indes zweifelhaft, ob sich dies in erheblicher Weise tatsächlich auswirkte. Zwischen einer betragsmäßigen Haftungsgrenze und einer solchen Abmilderung sind erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Haftungsrisiken, die sich auf die Vergütung auswirken könnten, nicht zu erkennen. Der Vorzug des vollständigen Haftungsausschlusses in ihrem Anwendungsbereich, den eine Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs gegenüber einem Haftungshöchstbetrag hätte, dürfte durch die schwierige Abgrenzung zwischen unterschiedlichen Fahrlässigkeitsgraden, insbesondere zwischen leichter und mittlerer Fahrlässigkeit, weitestgehend aufgehoben werden. cc) Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt Nicht zuletzt dürften sich die dargestellten Unwägbarkeiten satzungsmäßiger Haftungsausschlüsse, sofern solche Haftungsregeln, wie im Schrifttum verbreitet angenommen, vom Markt reflektiert würden,327 wegen der unkalkulierbaren Verlustrisiken im Wert der Anteile niederschlagen. Hinzukommen dürften auch nach der hier vertretenen Auffassung gegenüber der gegenwärtigen Rechtlage deutlich erheblichere Kursverluste bei Bekanntwerden eines möglicherweise in den Anwendungsbereich des Haftungsausschlusses fallenden Schadensereignisses, die es der Gesellschaft wiederum erschwerten, sich über die Kapitalmärkte zu refinanzieren. dd) Zwischenfazit Im Ergebnis bildet damit der Gesichtspunkt des Schadensausgleichs ein gewichtiges Argument. Es macht, gerade in den der Reformdiskussion zugrunde liegenden Fällen exorbitanter Schäden aufgrund leicht fahrlässigen Fehlverhaltens, einen erheblichen Unterschied, ob eine D&O-Versicherung, in die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lediglich ein Bruchteil dieser Summe als Prämie investiert wurde, mit mehreren Millionen Euro einsteht oder die Vorstandsmitglieder selbst, eventuell gemeinsam mit einer Versicherung, oberhalb deren Deckungsgrenze 327 Köndgen, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 96, 97; E. Vetter, Anwbl 2014, 583, 584; ders., NZG 2014, 921, 924; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804; skeptisch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 61; vgl. auch Spindler, AG 1998, 53, 67: unklare empirische Befunde zur Abbildung rechtlicher Gestaltungen am Kapitalmarkt, wobei die dort untersuchten Regelungen Auswirkungen auf das Stimmrecht der Aktionäre hatten, mithin ihre Folgen rechnerisch vorhersehbar waren.

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keine Haftung mehr besteht, zumindest einen gewissen Betrag als Schadensersatz aufbringen oder die Gesellschaft den Schaden selbst zu tragen hat.328 9. Gefahr der Benachteiligung der Aktionäre Aufgrund der mit einer Satzungsregelung, die eine Haftung der Vorstandsmitglieder zumindest für leicht fahrlässiges Fehlverhalten in dem vorgeschlagenen Rahmen ausschlösse, verbundenen Unwägbarkeiten, ergeben sich Zweifel, ob die Hauptversammlung geeignet wäre, über eine Maßnahme mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen, die im Entscheidungszeitpunkt kaum absehbar und in der Folge entsprechend schwierig zu vermitteln sind, eine informierte Entscheidung zu treffen. a) Vergleich mit § 93 Abs. 4 S. 1 AktG Einen ersten Anhaltspunkt gibt § 93 Abs. 4 S. 1 AktG, wonach eine Schadensersatzpflicht der Mitglieder des Vorstands gegenüber der Gesellschaft nicht eintritt, wenn die „an sich“ pflichtwidrige schadensstiftende Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht. Wie eine haftungsbeschränkende Satzungsregelung befasst sich die Vorschrift mit einer vorhergehenden Enthaftung. Ein Unterscheid besteht freilich hinsichtlich der erforderlichen Mehrheit und des Fehlens eines Minderheitenvetos bei § 93 Abs. 4 S. 1 AktG. Voraussetzung der Nichtentstehung eines Ersatzanspruchs aufgrund Billigung der Hauptversammlung ist neben einem gesetzmäßigen Beschluss eine hinreichende inhaltliche Konkretisierung der Maßnahme, die erkennen lässt, auf welches Handeln des Vorstands sich der Hauptversammlungsbeschluss beziehen soll.329 Damit ist der Anwendungsbereich einer Billigung nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auch erheblich geringer als der einer haftungsbeschränkenden Satzungsregelung, die sich auf sämtliche, unvorhersehbare leicht fahrlässige Handlungen des Vorstands in der Zukunft bezöge. Zu beachten ist aber der Zusammenhang zwischen der Enthaftungswirkung eines gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschlusses und der Folgepflicht aus § 83 Abs. 2 AktG, in dem 328 Vgl. Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224: ein genereller Haftungsausschluss unterhalb grober Fahrlässigkeit sei „zu weitgehend und nicht vermittelbar“; vgl. auch E. Vetter, NZG 2014, 921, 923; ders., Anwbl 2014, 582, 584. Selbst wenn, wie in den in diesem Zusammenhang bereits angesprochenen Fällen „Deutsche Bank/Breuer“ und „Siemens“ die angenommenen Versicherungssummen lediglich die Hälfte bzw. ein Viertel der entstandenen Schäden decken, kann deswegen nicht ausgeblendet werden, dass es sich bei mehreren hundert Millionen Euro um substanzielle Beträge handelt, die lediglich angesichts der gegenüberstehenden Schäden, keinesfalls aber absolut, als für die Gesellschaft zu vernachlässigend bewertet werden können. 329 Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 474; Hefermehl, in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 50; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 152; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 241; Bürgers/Körber, in: Bürgers/Israel, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 32; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 298; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 267.

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gewährleistet werden soll, dass die Vorstandsmitglieder soweit sie eine Ausführungspflicht trifft, sie also nicht frei in ihrer Entscheidung waren, nicht haften.330 Die Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit der Maßnahme ist daher vor allem vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Unzuständigkeit der Hauptversammlung für Maßnahmen der Geschäftsführung331 zu verstehen.332 Ein deutliches Indiz für die fehlende Qualifikation der Hauptversammlung, de lege ferenda mit höheren Mehrheitserfordernissen über eine weiter reichende Enthaftung der Vorstandsmitglieder zu entscheiden, ergibt sich mithin aus § 93 Abs. 4 S. 1 AktG nicht. b) Vergleich mit der Inanspruchnahme eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss Als weiteren Fall eines auf künftiges Handeln des Vorstands bezogenen Beschlussgegenstands ist an die Ausübung eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss zu denken, für die § 203 Abs. 1, S. 1, Abs. 2 S. 2 AktG die sinngemäße Anwendung des § 186 Abs. 4 AktG vorschreiben, den die Befürworter der Zulassung satzungsmäßiger Haftungsbeschränkungen de lege ferenda hinsichtlich der Information der Hauptversammlung als Vorbild vorschlagen.333 aa) Die Information der Hauptversammlung bei der Inanspruchnahme eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss Beim genehmigten Kapital, zu dessen Ausnutzung der Vorstand für bis zu fünf Jahre im Voraus ermächtigt werden kann,334 kann ein Bezugsrechtsausschluss entweder in der entsprechenden Ermächtigung durch die Hauptversammlung vorgesehen oder in die Entscheidungsbefugnis des Vorstands im Zeitpunkt der Ausgabe der neuen Aktien gestellt werden. Diese Maßnahmen sind einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung insoweit vergleichbar, als sie eine zukunftsbezogene Entscheidung der Aktionäre voraussetzen, durch die diese sich eines ansonsten bestehenden Anspruchs begeben. Ferner setzen sie, vorbehaltlich nach oben abweichender Erfordernisse in der Satzung, dieselbe Mehrheit wie eine Satzungsänderung nach § 179 Abs. 2 AktG voraus,335 wobei ein Minderheitenveto auch hier nicht 330

Dazu bereits ausführlich im 3. Teil B. III. 4. a). § 119 Abs. 2 AktG. 332 Vgl. Kubis, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 119 Rn. 22; Drinhausen, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 119 Rn. 13; Mülbert, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 1999, § 119 Rn. 47; Göhmann, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hdb. des AktienR, 9. Kap. Rn. 8, 10 (S. 445 f.): grds. freies Ermessen des Vorstands bei der Entscheidung, eine Geschäftsführungsmaßnahme der HV zur Entscheidung vorzulegen, begrenzt aber, wenn durch Vorlage nahezu aller zu treffenden Entscheidungen eine faktische Übertragung der Leitungskompetenz auf die HV stattfände. 333 Siehe oben unter 4. Teil D. II. 2. b). 334 § 202 Abs. 1 AktG. 335 Vgl. §§ 202 Abs. 2 S. 2, 203 Abs. 1 S. 1, 186 Abs. 3 S. 2 AktG. 331

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besteht. Der BGH stellt bei Ausübung der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung und zum Bezugsrechtsausschluss an die Berichtspflicht des Vorstands entsprechend § 186 Abs. 4 S. 2 AktG inhaltlich geringe Anforderungen. Zunächst hatte der BGH hinsichtlich des Berichtsinhalts an die Ermächtigung zur Ausübung eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss im Grundsatz dieselben Anforderungen gestellt wie an den Bezugsrechtsausschluss im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen. Insbesondere sollte der Bericht „die Hauptversammlung zuverlässig in die Lage versetzen, die Interessen der Gesellschaft an einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluß gegenüber anderen Alternativen zu bewerten, die Nachteile für ausgeschlossene Aktionäre zu erkennen und beides gegeneinander abzuwägen.“336 Zur Begründung des Bezugsrechtsausschlusses sollten daher ganz allgemein gehaltene Formulierungen wie „wenn es im Interesse der Gesellschaft notwendig werden sollte“ oder „um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden“ oder die Aufzählung theoretischer Szenarien, die einen Bezugsrechtsausschluss erforderten, deren Eintritt aber nicht erwartet wurde, nicht ausreichen.337 Diese Voraussetzungen hat der BGH in der Entscheidung „Siemens/Nold“338 grundlegend revidiert. Danach reicht es aus, dass im Vorstandsbericht die Maßnahme, zu deren Durchführung die Hauptversammlung den Vorstand ermächtigen soll, allgemein umschrieben wird.339 Ist die Entscheidung der Hauptversammlung lediglich aufgrund der Darstellung abstrakter Umstände erfolgt oder wurde eine Ermächtigung des Vorstands, über den Bezugsrechtsausschluss zu entscheiden, ausgesprochen, obliegt es dem Vorstand, im Zeitpunkt der Realisierung der Maßnahme mit Bezugsrechtsausschluss zu prüfen, ob diese im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt.340 Vor der Ausübung einer erteilten Ermächtigung ist der Vorstand demnach nicht zur gesonderten Berichterstattung gegenüber der Hauptversammlung verpflichtet, ein nachträglicher Bericht auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung reicht aus.341 Bei der Ermächtigung des Vorstands zu einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss, die notwendig die Entscheidung über den Verzicht auf das Bezugsrecht der Aktionäre beinhaltet, kann auf Grundlage der Anforderungen, die der BGH an den Vorstandsbericht stellt, von einer echten informierten Entscheidung in Kenntnis der Gründe, die aus Sicht des Vorstands einen Bezugsrechtsausschluss rechtfertigen, nur in sehr begrenztem Umfang gesprochen werden. Anders als bei der Etablierung satzungsmäßiger Haftungsbeschränkungen trägt diese reduzierte, abstrakte Form der Information der Hauptversammlung der Funktion des genehmigten Kapitals Rechnung, das ein flexibles Instrument zur Ausnutzung sich bietender Marktchancen unter Einsatz von Aktien sein soll und dementsprechend eine rasche Umsetzbarkeit 336 337 338 339 340 341

BGHZ 83, 319, 326. BGHZ 83, 319, 327. BGH II ZR 132/93, Urt. v. 23. 06. 1997, BGHZ 136, 133. BGHZ 136, 133, 139. BGHZ 136, 133, 139. BGHZ 136, 133, 140; 164, 241, 244 („Mangusta/Commerzbank I“).

D. Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG de lege ferenda

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verlangt.342 Ferner ist der Vorstand, der für die Ausübung einer durch die Hauptversammlung erteilten Ermächtigung zuständig ist, grundsätzlich nicht an der diesbezüglichen Entscheidung persönlich interessiert. bb) Die Information der Hauptversammlung im Vorfeld einer haftungsbeschränkenden Satzungsänderung Demgegenüber wäre die Situation beim Beschluss einer Satzungsänderung, die eine Haftungsbeschränkung für die Vorstandsmitglieder enthielte, eine gänzlich andere. Weder setzte eine solche Regelung besondere Flexibilität voraus noch könnte der Vorstand diesbezüglich als neutral angesehen werden. Entsprechende sachliche Notwendigkeiten, die eine lediglich abstrakte Information rechtfertigen würden, wären hier mithin nicht gegeben. Aufgrund der Besonderheiten des genehmigten Kapitals ist der Schluss, dass abstrakte Informationen der Hauptversammlung vor Beschlüssen, die sich auf zukünftige Ereignisse beziehen, ausreichen, in dieser Allgemeinheit unzulässig. Aus der Natur der Sache ergäbe sich aber auch bei der Regelung satzungsmäßiger Haftungsbeschränkungen, dass die Information der Hauptversammlung über die Schilderung abstrakter Umstände, anhand derer das Für und Wider einer solchen Privilegierung der Vorstandsmitglieder verständlich gemacht werden könnte, nicht hinausgehen könnte. Gegenüber einem genehmigten Kapital dürfte die Komplexität der bei der Abwägung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte regelmäßig deutlich höher sein. Ein Bezugsrechtsausschluss kann lediglich zu einer Verwässerung der Beteiligung führen, der Umfang des genehmigten Kapitals muss im ermächtigenden Beschluss enthalten sein und ist durch § 203 Abs. 3 S. 1 AktG begrenzt, sodass sich jeder Aktionär die Folgen der Ausübung des genehmigten Kapitals vor Augen führen kann.343 Dagegen setzte eine informierte Entscheidung über eine Haftungsbeschränkung für die Mitglieder des Vorstands zunächst ein grundlegendes Verständnis der aktienrechtlichen Regeln zur Vorstandsinnenhaftung voraus, das, um die Notwendigkeit einer entsprechenden Satzungsbestimmung sinnvoll beurteilen zu können, auch die unterschiedlichen Pflichtendimensionen, sämtliche unmittelbaren und mittelbaren Haftungserleichterungen sowie die Voraussetzungen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sowie des Verzichts und Vergleichs zu umfassen hat. Daneben wäre eine Aufklärung über alternativ in Betracht kommende Mechanismen zur Haftungsentlastung der Vorstandsmitglieder, insbesondere eine D&O-Versicherung, vonnöten. Weiterhin müsste die Hauptversammlung grundsätzlich über die konkreten Haf342 BGHZ 136, 133, 140; Drygala/Staake/Szalai, § 25 Rn. 31; Bayer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2011, § 202 Rn. 1; v. Dryander/Niggemann, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 202 Rn. 1; Hermanns, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 202 Rn. 1; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 202 Rn. 2; Wamser, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 202 Rn. 3. 343 Dasselbe gilt für eine das Bezugsrecht der Aktionäre ausschließende Satzungsregelung, wie sie Spindler, AG 1998, 53, 72 f. erwägt. Dies sowie das Fehlen eines persönlichen Interesses der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat an einer derartigen Regelung begründen einen entscheidenden Unterschied gegenüber den in Rede stehenden Haftungsregelungen.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

tungsrisiken, die sich in der Gesellschaft ergeben, informiert werden. Zunächst birgt dieser Punkt ein gewisses Missbrauchspotenzial für Vorstand und Aufsichtsrat, deren Mitglieder an einer Haftungsbeschränkung persönlich interessiert wären, indem mögliche Haftungsrisiken verharmlosend dargestellt werden könnten. Im Nachhinein dürfte der Nachweis, dass ein später eingetretenes Schadensereignis entgegen der Einlassungen von Vorstand und Aufsichtsrat abstrakt vorhersehbar war, kaum gelingen. Hinzu kommt, dass mögliche Pflichtverletzungen und daraus folgende Schäden gelegentlich auch in abstrakter Form kaum vorherzusehen sein werden. Wären Vorstand und Aufsichtsrat hier verpflichtet, sämtliche in den Anwendungsbereich der zu beschließenden Satzungsregelung fallenden Schadensereignisse, die es bislang in vergleichbaren Gesellschaften gegeben hat, beispielhaft darzustellen, würde dies zum einen die Lesbarkeit eines entsprechenden Berichts erheblich beeinträchtigen und zum anderen wohl einen deutlichen Abschreckungseffekt für den späteren Beschluss mit sich bringen. Als besonderer Unsicherheitsfaktor käme bei einer Abmilderung des Sorgfaltsmaßstabs der bereits erörterte Gesichtspunkt hinzu, dass die Gesellschaft, soweit der Ausschluss reichte, keinerlei Ersatz beanspruchen könnte, was zu einer erheblichen Entwertung der Aktien führen könnte, die in der Hauptversammlung, anders als bei einem Bezugsrechtsausschluss, mangels Vorhersehbarkeit auch rechnerisch nicht zu veranschaulichen wäre. Die genannten Unwägbarkeiten und Unsicherheiten sind sämtlich durch die fehlende Vorhersehbarkeit sich zukünftig ereignender Schadensfälle bedingt, sodass eine Abhilfe unmöglich ist. cc) Zwischenfazit Nach alldem ergeben sich zunächst unter zwei Gesichtspunkten Bedenken hinsichtlich der Informationsgrundlage der Entscheidung der Hauptversammlung über eine haftungsbeschränkende Satzungsänderung. Zweifel bestehen zum einen bereits daran, dass ein derart kompliziertes rechtliches Gefüge wie das der Vorstandshaftung überhaupt mit der notwendigen Tiefe in den Details, die für eine informierte Abwägung aber zwingend vorauszusetzen wäre, der Hauptversammlung in einer verständlichen Form vermittelt werden könnte. Zum anderen ergeben sich grundsätzliche Bedenken dagegen, eine Entscheidung der Tragweite, die eine satzungsmäßige Haftungsbeschränkung unbestritten hätte, auf der Grundlage der im Zeitpunkt eines entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses verfügbaren Informationen angesichts der fehlenden Vorhersehbarkeit möglicherweise erheblicher Folgen für Gesellschaft und Aktionäre, zuzulassen. Zwar bliebe die Information der Hauptversammlung, vorausgesetzt, eine hinreichende Informationstiefe bei gleichzeitiger Verständlichkeit wird für erreichbar gehalten, nur wenig hinter dem zurück, was der BGH für die Inanspruchnahme eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss durch den Vorstand voraussetzt. Bei der Regelung einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung fehlte es aber, abgesehen von der naturgemäßen Unvorhersehbarkeit künftiger Ereignisse, an ver-

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gleichbaren sachlichen Notwendigkeiten, die eine geringere Informationstiefe beim genehmigten Kapital rechtfertigen. Zugleich sind die Auswirkungen für die Aktionäre bei einer reinen Kapitalmaßnahme wesentlich weniger vielfältig und leichter vorauszusehen. Der Vergleich mit dem genehmigten Kapital liefert damit kein entscheidendes Argument für die Eignung der Hauptversammlung, eine ausreichend informierte Entscheidung über eine haftungsbeschränkende Satzungsbestimmung zu treffen oder für die grundsätzliche Zulässigkeit zukunftsgerichteter Entscheidungen mit Bezug auf weitgehend nicht vorhersehbare Verhältnisse. c) Die Anreizstruktur für die Aktionäre Eine nicht einfach von der Hand zu weisende Gefahr für eine den Interessen der Aktionäre entsprechende Entscheidung über eine satzungsmäßige Haftungsbeschränkung dürfte auch von der Tatsache ausgehen, dass eine derartige Regelung für die Gesellschaft zunächst nicht mit Kosten verbunden wäre, diese im Gegenteil sogar im Anwendungsbereich des Haftungsausschlusses, der grundsätzlich vollständig in den Deckungsschutz einer D&O-Versicherung fallen würde, auf eine solche Versicherung verzichten und damit die diesbezüglichen Prämien einsparen könnte. Ferner könnte durch den gegenüber einer D&O-Versicherung verbesserten Schutz der Vorstandsmitglieder vor persönlicher Haftung eine Reduzierung von Risikoprämien und damit eine weitere Ersparnis bei der Vorstandsvergütung in Betracht kommen.344 Solange kein Schaden aufgrund eines in den Anwendungsbereich des satzungsmäßigen Haftungsausschlusses fallenden Verhaltens einträte, bedeutete eine entsprechende Satzungsregel daher zunächst eine Steigerung des Gewinns der Gesellschaft und damit eine Erhöhung der Dividende für die Aktionäre. Auch hier kommt zwar im Grundsatz das bereits angesprochene Konzept der „Selbstversicherung“ und der Aktionäre als „cheapest insurers“ zum Tragen. Angesichts der Konstellation, dass es durch eine Beschränkung der Vorstandshaftung zunächst zu einer erhöhten Ausschüttung an die Anteilseigner käme und sich, wenn sich nicht unmittelbar zeitnah ein einschlägiger Schaden ereignete, die Frage nach der finanziellen Tragung des Schadens, der den zunächst erzielten erhöhten Dividendengewinn ohne Weiteres übersteigen könnte, erst zu einem späteren Zeitpunkt stellte, wäre die Anreizstruktur für die Aktionäre, eine wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung zu treffen, denkbar ungünstig. Hinzu kommt, dass gerade die engen Grenzen, die einer mit geltendem Recht im Übrigen zu vereinbarenden Satzungsfreiheit zu ziehen wären und der Begriff der leichten Fahrlässigkeit, für den auch im Schrifttum überwiegend von Verständnis für derart handelnde Vorstandsmitglieder geprägte Bezeichnungen verwendet werden,345 den trügerischen Anschein vermitteln könnten, bei den resultierenden Schäden handle es sich ebenfalls um vergleichsweise harmlose. Es liegt keineswegs fern, anzunehmen, dass insbesondere Aktionäre, die kurzfristige Anlageziele verfolgen, aufgrund dieser Verhältnisse sehr geneigt sein würden, ohne 344 345

Dies erscheint indes ungewiss, s. o. unter 4. Teil D. II. 8. b) bb). Bspw. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 59: „verzeihliche Schnitzer“.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

weitere Abwägungen für eine entsprechende Satzungsregelung zu stimmen.346 Der Schutz der Aktionäre durch die Möglichkeit der Veräußerung ihrer Anteile wäre dadurch eingeschränkt, dass ab dem Zeitpunkt, in dem ein unter einen satzungsmäßigen Haftungsausschluss fallender Schaden der Gesellschaft bekannt würde, damit zu rechnen wäre, dass eine Vielzahl von Anteilseignern auf dieselbe Weise versuchen würde, ihre Investition zu retten, sodass aufgrund des zu erwartenden Kurssturzes diese Option nur unter Inkaufnahme erheblicher Vermögenseinbußen bestünde.347 Vorstand und Aufsichtsrat hätten in dieser Situation zunächst keinerlei Interesse daran, die Hauptversammlung von solchen opportunistisch motivierten Entscheidungen abzuhalten. d) Lösungsversuche aa) Einschaltung des Vorstands oder des Aufsichtsrats Anders als beim genehmigten Kapital kommt eine vergleichbare Ermächtigung, die die letztendliche Anwendung einer beschlossenen Haftungsmilderung auf einen konkreten Schadensfall in die Hände des Vorstands legen würde, aufgrund dessen Befangenheit nicht in Betracht. Dasselbe gilt wegen der Möglichkeit wechselseitiger Enthaftung für den Aufsichtsrat.348 bb) Ad hoc-Minderheitenveto Denkbar wäre grundsätzlich ein ad hoc-Vetorecht einer zehnprozentigen Minderheit, angelehnt an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.349 Wie auch Bayer/Scholz, die diese Lösung erwägen, zu Recht anmerken, sind wesentliche Vorteile eines solchen Konzepts gegenüber der geltenden Regelung der Verzichts- und Vergleichsvoraussetzungen sowie de lege ferenda unter dem hier befürworteten Wegfall der Sperrfrist, nicht zu erkennen.350 Die im Hinblick auf die gegebenenfalls sinnvolle Schaffung 346 Ganz ähnl. Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 52; zum britischen Recht Davies/ Worthington, Gower and Davies‘ Principles of Modern Company Law, Rn. 16 – 200: „the section [i. e. s.232(1) des Companies Act, das Verbot von Haftungsbeschränkungen der directors] takes a different view, perhaps reflecting doubt about the reality of the consent expressed in waivers given in advance of the event.“; Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit der Hauptversammlung, hier eine interessengerechte Entscheidung zu treffen räumt auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 60 ein. 347 Vgl. Spindler, AG 1998, 53, 63 f. 348 Vgl. auch den ablehnenden Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 38:45:6 Stimmen (Beschluss I. 3. d)): „Die Satzung sollte dabei [i. e. bei einer Begrenzung der Innenhaftung der Organmitglieder] im Hinblick auf die Vorstandshaftung den Aufsichtsrat zu derartigen Haftungsbeschräkungen ermächtigen können.“). 349 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 932; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 373. 350 Vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 932; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 373 f.

D. Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG de lege ferenda

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anderweitiger Risikovorsorge wünschenswerte Rechtssicherheit für Vorstandsmitglieder und Gesellschaft könnte bei Einräumung eines solchen Vetorechts nicht gewährleistet werden.351 Anstelle eines ad hoc-Vetorechts ein Erfordernis der erneuten Beschlussfassung der Hauptversammlung über jeden Haftungsausschluss unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vorzusehen, führte zu einem vollständigen Wirkungsverlust der satzungsmäßigen Regelung, es handelte sich in der Sache um nichts anderes als eine Entscheidung über einen Anspruchsverzicht. Eine erneut notwendige Hauptversammlungsbeteiligung in jedem Anwendungsfall einer haftungsbeschränkenden Satzungsregelung würde damit die Vorzüge eines solchen Instituts aufheben. Ferner müsste die Hauptversammlung, um die Ausübung eines solches ad hocMinderheitenvetos zu gewährleisten, im Grundsatz über jeden Fall, in dem der Gesellschaft aufgrund leicht fahrlässigen Verhaltens eines Mitglieds des Vorstands ein Schaden entstanden wäre oder entstehen könnte, informiert werden.352 Mit der notwendigen Information der Hauptversammlung, die faktisch zu einer Veröffentlichung des Sachverhalts führte, könnten Interessen der Gesellschaft an Geheimhaltung353 und der Vorstandsmitglieder an Gewissheit über ihre Haftungssituation in Konflikt stehen. Insbesondere wenn nur der Gesellschaft die Inanspruchnahme durch Dritte drohte, derentwegen sie, wenn ein ad hoc-Minderheitenveto nicht zustande käme, keinen Rückgriff bei den Vorstandsmitgliedern nehmen könnte, könnte sich die Geheimhaltung als wirtschaftlich günstiger erweisen. Schützenswert wären solche Interessen der Gesellschaft gerade dann, wenn der erlittene Schaden bei den verursachenden Vorstandsmitgliedern auch bei einem die Haftungsbeschränkung aufhebenden ad hoc-Veto nicht in ergiebiger Form beizutreiben wäre, sodass der Aufsichtsrat ohnehin von einer Geltendmachung absehen dürfte. Durch die Information der Hauptversammlung erwüchsen der Gesellschaft in dieser Konstellation mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Vermögenseinbußen.354 Soweit die Gesellschaft auch bei Bestehen eines Schadensersatzanspruchs von dessen Geltendmachung absehen wollte, hätten in solchen Fallgestaltungen weder die Vorstandsmitglieder noch die Gesellschaft ein Interesse an der Information der Hauptversammlung. Das Minderheitenveto würde mit hoher Wahrscheinlichkeit praktisch darauf hinauslaufen, dass die Hauptversammlung nur bei besonders hohen Schadenssummen und nachdem der Aufsichtsrat bereits eine Entscheidung über die Geltendmachung, falls ein Anspruch bestünde, getroffen hätte, informiert würde. Zwar wäre 351

Ebenso Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 932; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 373 f. 352 Vgl. E. Vetter, NZG 2014, 921, 925 f. Zu beachten ist, dass die zur Ausübung eines ad hoc-Minderheitenvetos notwendigen Informationen wesentlich tiefer ins Detail gehen müssten als die zur Beurteilung der Angemessenheit einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung insgesamt erforderlichen. 353 Vertiefend zu mit einem Informationsrecht der Hauptversammlung konfligierenden Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft Wilsing, FS Maier-Reimer, 2010, S. 889, 893 ff. 354 Vgl. Wilsing, FS Maier-Reimer, 2010, S. 889, 893 f.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

in derartigen Konstellationen von einem Veto der Aktionärsminderheit auszugehen, ein Vorzug gegenüber der geltenden Regelung des Verzichts und Vergleichs ist angesichts des späten Stadiums, in dem eine Einschaltung der Hauptversammlung zu erwarten wäre, dadurch nicht zu erkennen. Im Gegenteil könnte die Gefahr eines für die Vorstandsmitglieder haftungsauslösenden Vetos die Information der Hauptversammlung über Schadensfälle bei der Geschäftsführung aufgrund dieses hinzutretenden Geheimhaltungsinteresses weiter verschlechtern und damit der gegenwärtig praktisch bedeutungslosen Aktionärsklage sowie dem Recht auf Sonderprüfung weiter Boden entziehen. Ein ad hoc-Minderheitenveto erscheint nach alldem nicht empfehlenswert. e) Zwischenfazit Im Ergebnis bestehen deutliche Zweifel an Eignung und Fähigkeit des Organs Hauptversammlung, in Gestalt einer haftungsbeschränkenden Satzungsänderung eine interessengerechte, angemessen informierte Entscheidung zu treffen. Anhand der herangezogenen Vergleichsentscheidungen hat sich gezeigt, dass das Aktiengesetz bislang vergleichbar komplexe, zukunftsgerichtete Hauptversammlungsentscheidungen nicht kennt und der geringe Umfang der Informationspflicht bei der Ausübung eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss durch den Vorstand funktionellen Besonderheiten Rechnung trägt, die bei einem satzungsmäßigen Haftungsausschluss nicht gegeben wären. Ob eine ausreichend umfassende und zugleich verständliche Information der Hauptversammlung über Grundlagen, Alternativen und mögliche Auswirkungen eines Ausschlusses der Vorstandshaftung für leichte Fahrlässigkeit in den dargestellten Grenzen tatsächlich möglich wäre, kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, darf aber wohl bezweifelt werden. Eine diesen Zweifeln Rechnung tragende nochmalige Einschaltung der Hauptversammlung im Schadensfall konterkarierte nach dem Gesagten die Zwecke einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung und erscheint daher nicht empfehlenswert. Es bleibt damit dabei, dass die Aktionäre bei dem Beschluss einer entsprechenden Satzungsregelung ohne ihre Entscheidung hinsichtlich eines konkreten Schadensfalles revidieren zu können über unvorhersehbare zukünftige Entwicklungen zu entscheiden hätten. Die dazu geäußerten Bedenken können nicht ausgeräumt werden, ohne die Vorzüge einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung insgesamt preiszugeben. Ob die in dem diskutierten Reformvorschlag enthaltenen Schutzvorkehrungen in Gestalt von Informations- und Mehrheitserfordernissen sowie der engen Begrenzung der zu gewährenden Satzungsfreiheit den identifizierten Schwachstellen der Hauptversammlung als Entscheidungsträgerin hinreichend abzuhelfen vermögen, ist, insbesondere in Bezug auf die zu vermittelnden Informationen, mithin zweifelhaft.

D. Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG de lege ferenda

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10. Fazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Zulassung einer Herabsetzung des für die Vorstandsmitglieder geltenden Sorgfaltsmaßstabs in der Satzung in dem eng begrenzten Umfang, wie sie der Reformvorschlag vorsieht, mit dem Aktiengesetz im Übrigen lediglich hinsichtlich Sinn und Zweck der Satzungsstrenge ergeben. Die Notwendigkeit der Einsicht des Handelsregisters, um Kenntnis vom Inhalt der Satzung zu erlangen, ist mit der Verkehrsfähigkeit der Aktien unvereinbar. Weder Angaben auf den Geschäftsbriefen noch die Firma wären aber geeignet, den Inhalt einer solchen individuellen Regelung wiederzugeben. Lediglich bei Vorgabe eines oder weniger Satzungsmodelle durch den Gesetzgeber könnte dies gewährleistet werden. Durch eine solche Einschränkung würden aber die Vorteile einer satzungsmäßigen Regelung weitgehend aufgehoben. Die Gewährung von Satzungsfreiheit in Bezug auf die Vorstandshaftung de lege ferenda führte, bedingt durch das Erfordernis des Beschlusses einer entsprechenden Satzungsregelung und der dafür erforderlichen Mehrheiten, nicht zu einer umfassenden Lösung des im Schrifttum verbreitet angenommenen Problems der „existenzvernichtenden“ Vorstandshaftung. Ferner begründete die Unsicherheit über Zustandekommen und Fortbestand solcher Satzungsbestimmungen, insbesondere wenn diese, was zu befürworten wäre, befristet würden, eine Gefahr unangemessener alternativer Risikovorsorge, sodass sich bei ihrem Wegfall die Haftungssituation der Vorstandsmitglieder faktisch verschlechtern könnte. Umgekehrt würde eine weitreichende Verbreitung satzungsmäßiger Haftungsausschlüsse für leichte oder sogar mittlere Fahrlässigkeit dazu führen, dass rechtstatsächlich der als für die Vorstandshaftung nicht nur aus systematischen Gründen unangemessene Haftungsmaßstab mittlerer oder grober Fahrlässigkeit flächendeckend zur Anwendung käme. Haftungsmilderungen können zwar auch in vergleichbaren Schuldverhältnissen vereinbart werden, diese sind aber entweder durch eine Rückbindung des Haftungsprivilegierten an Weisungen des das Haftungsprivileg Gewährenden oder eine Verhandlungsposition des Schuldners, die das Zustandekommen einer solchen Haftungsvereinbarung als unwahrscheinlich erscheinen lässt, gekennzeichnet. Die systematischen Bedenken bestehen daher nicht nur gegenüber einer gesetzlichen, sondern auch einer satzungsmäßigen Regelung. Der durch eine Abmilderung des Sorgfaltsmaßstabs auf mittlere oder grobe Fahrlässigkeit in der Satzung herbeigeführte vollständige Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit führte vorbehaltlich der Regelung eines „Selbstbehalts“ der Vorstandsmitglieder zu einem vollständigen Entfallen einer Präventionswirkung in diesem Bereich. Ferner hätte die Gesellschaft unter den Haftungsausschluss fallende Schäden ohne jede Kompensation selbst zu tragen. Letzteres erscheint aufgrund der fehlenden Vorhersehbarkeit zukünftiger Schadensereignisse nicht ganz unbedenklich. Unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich weiterhin Zweifel an der Eignung des Organs Hauptversammlung, eine interessengerechte, vor allem ausreichend infor-

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

mierte Entscheidung zu treffen. Beschlüsse von vergleichbarer Tragweite auf einer ähnlich dünnen Informationsgrundlage kennt das Aktienrecht bisher nicht. Die dargestellte Anreizstruktur verschärft diese Bedenken. Als Gegengewicht käme allenfalls das erörterte ad hoc-Vetorecht einer zehnprozentigen Minderheit entsprechend § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in Betracht, das, wie die Modellvorgaben zur Gewährleistung der Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge, zu einer nahezu vollständigen Unterhöhlung der Vorzüge und des Zwecks einer solchen Satzungsregelung führte. Insgesamt ist damit festzustellen, dass die Gewährung von Satzungsfreiheit bei der Regelung des für die Vorstandsmitglieder geltenden Sorgfaltsmaßstabs, wie sie der Reformvorschlag vorsieht, um mit Sinn und Zweck des Grundsatzes der Satzungsstrenge vereinbar und für die Hauptversammlung interessengerecht handhabbar zu sein, Einschränkungen erforderte, die dem Regelungszweck, ausgehend von den Vorteilen einer Satzungs- gegenüber einer gesetzlichen Regelung, im Ergebnis weitgehend zuwiderliefen. Angesichts des Fehlens einer umfassenden Lösung und der Gefahren, die mit der Implementierung einer solchen Regelung auch für die Vorstandsmitglieder verbunden wären, stellt sich die Zulassung einer Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs durch die Satzung vor allem als wenig praktikable, mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbundene Strategie zur Lösung des Problems der „existenzvernichtenden“ Vorstandshaftung dar. Insbesondere weist eine solche Regelung, soll sie mit dem Aktiengesetz im Übrigen vereinbar sein, gegenüber einer Streichung der Sperrfrist in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG keine erkennbaren Vorzüge auf. Aufgrund des dargestellten äußerst geringen Umfangs, in dem solche Satzungsregelungen tatsächlich zu einer Haftungserleichterung führten und der möglichen Folgen für Gesellschaft, Aktionäre und Vorstandsmitglieder, überwiegen die Nachteile die Vorteile eines solchen Reformgesetzes. Der Reformvorschlag, eine Herabsetzung des für die Mitglieder des Vorstands geltenden Sorgfaltsmaßstabs hinsichtlich der oben genannten Pflichtendimensionen auf grobe oder mittlere Fahrlässigkeit durch Satzung zuzulassen, ist nach alldem nicht zu befürworten.

E. Haftungshöchstgrenzen I. Gesetzliche Festlegung von Haftungshöchstgrenzen für Vorstandsmitglieder Anstatt einer gesetzlichen Herabsetzung des für die Mitglieder des Vorstands geltenden Sorgfaltsmaßstabs wird die gesetzliche Festlegung einer summenmäßigen Höchstgrenze für deren Haftung vorgeschlagen.355 Auch eine solche Haftungs355 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 361 ff.; Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38; ders., ZHR 178 (2014), 221, 224; Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 592, 598 f.; ders., Dritte Gedächt-

E. Haftungshöchstgrenzen

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obergrenze soll nach überwiegender Auffassung derer, die sie vorschlagen, nicht umfassend gelten, sondern sich lediglich auf einfach fahrlässige Pflichtverletzungen beziehen.356 Dieser Reformvorschlag sieht sich ebenfalls Kritik ausgesetzt357 und hat beim Juristentag keine Mehrheit gefunden.358 1. Haftungshöchstsummen de lege lata Auch gegenüber einer gesetzlichen Haftungsdeckelung werden Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit dem Schadensersatzrecht im Übrigen erhoben. a) Gesetzliche Haftungshöchstbeträge Haftungshöchstbeträge sind bisher vorwiegend im Bereich der Gefährdungshaftung359 gesetzlich geregelt.360 Eine summenmäßige Haftungsbeschränkung, auf nisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 80 f.; Wagner ZHR 178 (2014), 227, 277; ders., in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 86; Semler, AG 2005, 321, 325; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 779 f.; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 325, 333; Clemm/ Dürrschmidt, FS W. Müller, 2001, S. 67, 80, 91; Spindler, AG 2013, 889, 895; Bayer, NJW 2014, 2546, 2548; Krämer, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 171, 173; F. Gaul, AG 2015, 109, 114; nur für Aufsichtsratsmitglieder Götz, AG-Sonderheft 1997, 38, 41; Peltzer, FS HoffmannBecking, 2013, 861, 865; vgl. auch Baums, Gutachten zum 63. DJT, F 237 f. (Haftungshöchstgrenze für Außenhaftung gegenüber den Aktionären erwägenswert). 356 Für eine Haftungsbegrenzung nur für leichte Fahrlässigkeit: Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38; Krämer, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 171, 173; Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 592, 598 f.; ders., Dritte Gedächtnisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 80 f.; wohl auch Bayer, NJW 2014, 2546, 2548 („leichte Pflichtverletzungen“); bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 780; Clemm/Dürrschmidt, FS W. Müller, 2001, S. 67, 80, 91; grobe Fahrlässigkeit als äußerst mögliche Grenze Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224; weitergehend Semler, AG 2005, 321, 325; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 932; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 376 ff., F. Gaul, AG 2015, 109, 114, die lediglich vorsätzliches Handeln ausnehmen wollen; für eine umfassende Haftungsgrenze (unter weiteren Voraussetzungen) Wagner ZHR 178 (2014), 227, 275 ff.; nur auf die Möglichkeit einer Kombination von Haftungsdeckelung und Herabsetzung der einzuhaltenden Sorgfalt weist Spindler, AG 2013, 889, 895 hin; ohne Angabe eines Umfangs Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 325, 333. 357 Namentlich Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312; ders., WM 2005, 909, 915; Paefgen, AG 2014, 554, 569 f.; zurückhaltend auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 64 (allerdings offen gegenüber der Zulassung entsprechender Satzungsregeln); Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 71; keinen Bedarf stellt Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/ Schneider, Corporate Governance, S. 155, 163 vor „ARAG/Garmenbeck“ fest. 358 Ablehnender Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 78:4:4 Stimmen (Beschluss I. 1. a)). 359 Vgl. §§ 9 f. HPflG; § 10 ProdHaftG; § 31 Abs. 1 S. 2 AtomG; § 15 UmweltHG; § 33 GenTG; § 88 AMG; bzgl. § 702 BGB ist str., ob es sich bei dem zugrunde liegenden Haftungstatbestand des § 701 BGB um eine Gefährdungshaftung (h.M.) handelt, dazu Henssler, in:

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

die sich einige der Befürworter einer entsprechenden Regelung für Vorstandsmitglieder ausdrücklich berufen,361 ist für fahrlässig durch den Abschlussprüfer verursachte Schäden in § 323 Abs. 2 HGB vorgesehen.362 Ein an die Gefährdungshaftung nach dem ProdHaftG, UmweltHG, StVG und AMG angelehntes Haftungskonzept wird aktuell im Schrifttum für Ratingagenturen vorgeschlagen.363 b) Gesetzliche Zulassung betragsmäßiger Haftungsbeschränkungen aa) Rechts- und Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung Eine unmittelbare Haftungshöchstsumme sieht das Gesetz zwar für Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht vor, erlaubt aber ausdrücklich Haftungsbeschränkungen durch Individualabrede oder AGB bis zur Höhe eines Vielfachen der Mindestversicherungssumme der entsprechenden Pflichthaftpflichtversicherungen.364 MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 701 Rn. 3 m.w.N.; s. ferner § 431 HGB; § 504 HGB; im Wesentlichen identische Aufzählung bei Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 62 Fn. 231. 360 Vgl. Fleischer, WM 2005, 909, 915; ders., ZIP 2014, 1305, 1312. 361 Namentlich Peltzer, Dritte Gedächtnisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 81; Clemm/ Dürrschmidt, FS W. Müller, 2001, 67, 80; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 325, 333; Götz, AG-Sonderheft 1997, 38, 41; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930 u. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 363, die aber eine Deckelung auf einen absoluten Betrag ablehnen; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116, die sich i.Erg. für die Zulassung vertraglicher Regelungen in einem gesetzlichen Rahmen aussprechen; aus dem Lager der Kritiker Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804. 362 Die Vorschrift entspricht der Kommissionsempfehlung 2008/473/EG v. 05. 06. 2008 betreffend die Beschränkung der zivilrechtlichen Verantwortung von Abschlussprüfern, ABl. EU Nr. L 162/39. Das deutsche Handelsrecht kennt eine Haftungsbegrenzung für die Abschlussprüfer bereits seit der Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. 09. 1931, RGBl. I 1931, S. 493 ff., deren Art. VI in § 262a HGB die verpflichtende Abschlussprüfung in der AG und in § 262g HGB eine Haftungsbegrenzung für Fahrlässigkeit auf insgesamt hunderttausend Reichsmark vorsah (ebd., S. 498 f.). 363 Wagner, FS Blaurock, 2013, S. 467, 491 ff.; Haar, DB 2013, 2489, 2495. Anders nunmehr die Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21. 05. 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, Art. 35a, ABl. EU Nr. L 146/1. 364 Rechtsanwälte: § 52 Abs. 1 S. 1 BRAO: durch schriftliche Individualabrede bis zur Mindestversicherungssumme (Nr. 1), durch AGB für einfache Fahrlässigkeit auf das Vierfache der Mindestversicherungssumme, wenn insoweit Versicherungsschutz besteht (Nr. 2). Diese beträgt gem. § 51 Abs. 4 S. 1 BRAO 250.000 E pro Versicherungsfall, wobei nach S. 2 eine jährliche Begrenzung auf insgesamt das Vierfache dieses Betrags vorgesehen werden kann; der maximale Selbstbehalt liegt nach Abs. 5 bei einem Prozent der Mindestversicherungssumme. In Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung (§ 8 Abs. 4 PartGG) und GmbH beträgt die Mindestversicherungssumme gem. § 51a Abs. 2 S. 1 BRAO bzw. § 59j Abs. 2 S. 1 BRAO 2,5 Mio. E je Versicherungsfall. Dasselbe ergibt sich für Patentanwälte aus §§ 45, 45a, 45b PAO. Ähnlich für Steuerberater: § 67a StBerG sieht dieselben Haftungsgrenzen vor wie die BRAO, die Mindestversicherungssumme für Partnerschaftsgesellschaften mit

E. Haftungshöchstgrenzen

467

bb) Entwurf eines KapInHaG: Vorstandsaußenhaftung am Kapitalmarkt Eine Möglichkeit, die Außenhaftung der Organmitglieder für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen bei unvorsätzlichem Handeln auf mindestens das Vierfache der Bruttovergütung des letzten Jahres zu begrenzen, hatte der später nicht weiter verfolgte Diskussionsentwurf eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes (KapInHaG) des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2004365 in einem § 37a WpHG vorgesehen. Der Höchstbetrag sollte gemäß § 37c Abs. 1 S. 2 WpHG in dieser Entwurfsfassung auch für den Regress der Gesellschaft wegen der Inanspruchnahme durch Anleger gelten. Begründet wird diese Haftungshöchstgrenze damit, dass der Schadenskompensation der Anleger primär die unbeschränkte Haftung des Emittenten diene und die persönliche Außenhaftung der Organmitglieder vor allem Sanktionscharakter haben und darüber hinaus verhaltenssteuernd auf eine präzisere Politik der Kapitalmarktinformation hinwirken solle.366 Daneben wird darauf abstellt, dass es sich bei der Haftung der Organmitglieder gegenüber Anlegern um den Ausnahmefall einer Durchgriffshaftung handle und den Ersatzpflichtigen auch Erklärungen Dritter in ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen seien und sie partiell das Marktrisiko der Geschädigten trügen.367 In der Zusammenschau dieser Gesichtspunkte und der „potentiell exorbitanten“ Schadenshöhe, sei die zur Diskussion gestellte Haftungsgrenze vorzusehen.368

beschränkter Haftung beträgt gem. § 67 Abs. 2 S. 1 StBerG eine Million Euro, im Übrigen entsprechen die Beträge gem. §§ 67 Abs. 1 StBerG, 52 DVStB denen der BRAO, wobei der zulässige Selbstbehalt mit 0,6 Prozent geringer ist. Entsprechendes gilt für Wirtschaftsprüfer nach §§ 54, 54a WPO, wobei sich die Mindestversicherungssumme hier nach § 323 Abs. 2 S. 1 HGB richtet. 365 Abgedruckt in NZG 2004, 1042 ff.; s. dazu Hopt, ZIP 2013, 1793, 1802. 366 Zur Rechtfertigung einer Außenhaftung der Gesellschaftsorgane für falsche Kapitalmarktinformationen s. auch Fleischer, BKR 2003, 608, 612. 367 § 37a Abs. 4 WpHG des Diskussionsentwurfs sieht als zu ersetzenden Schaden den Unterschiedsbetrag zwischen dem Kauf- oder Verkaufspreis und dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenpreis während der ersten 30 Tage nach Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Angabe oder der verschwiegenen Umstände vor; der Nachweis eines geringeren Schadens ist zulässig, ebenso die Geltendmachung darüber hinausgehender Schäden. 368 Diskussionsentwurf KapInHaG, NZG 2004, 1042, 1048; zust. Semler, AG 2005, 321, 325, der zugleich eine entsprechende Begrenzung der Innenhaftung fordert; dagegen den Ausnahmecharakter betonend, dementsprechend gegen eine allgemeine Haftungsgrenze Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312 Fn. 121; vgl. auch die Darstellung bei Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 63.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

c) Folgerungen für die Haftung der Mitglieder des Vorstands aa) Gefährdungshaftung und KapInHaG Weder die Tatbestände der Gefährdungshaftung noch die Ausgangslage einer Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern ist der Vorstandsinnenhaftung vergleichbar. In diesen Fällen entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem erst durch das Schadensereignis, dagegen fügen die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft in Ausübung ihrer Organtätigkeit Schaden zu. Ferner handelt es sich bei der Vorstandsinnenhaftung um Verschuldenshaftung für Pflichtverletzungen, während eine Gefährdungshaftung weder Rechtswidrigkeit noch Verschulden voraussetzt, sondern lediglich an eine besondere Gefahren für Dritte schaffende Situation anknüpft.369 Auch die Vorstandsaußenhaftung gegenüber Anlegern nach § 37a WpHG in der Fassung des KapInHaG wäre eine solche aus einem erst durch das Schadensereignis begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis, in dem die vorgeschlagene Haftungsbeschränkung nicht allein auf eine drohende Schadenssumme, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitglieder des Vorstands weit übersteigen könnte, gestützt würde und daneben der Kompensationsgesichtspunkt deutlich in den Hintergrund gerückt wäre.370 Die in den genannten Fällen die Haftungsbegrenzung tragenden Argumente können mithin nicht für eine entsprechende gesetzliche Beschränkung der Vorstandsinnenhaftung herangezogen werden.371 bb) Die Begrenzung der Haftung des Abschlussprüfers Die heute in § 323 Abs. 2 HGB geregelte Haftungshöchstgrenze für die Abschlussprüfung wurde in einem § 262g HGB aF mit der Regelung der verpflichtenden Prüfung des Jahresabschlusses der Aktiengesellschaft (§ 262a HGB aF) im Jahr 1931

369 Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 64; Wagner, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 1 ProdHaftG Rn. 1; Burmann, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, 23. Aufl. 2014, § 7 StVG Rn. 1; Kohler, in: Staudinger (2010), Einleitung zum Umwelthaftungsrecht, Rn. 105; ders., ebd., § 2 HaftPflG, Rn. 1; Rehmann AMG, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 1; zu § 701 BGB Henssler, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 701 Rn. 1 ff. 370 Dementsprechend sprechen sich auch Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 363, die für eine Aufgabe der Kompensationsfunktion der Vorstandsinnenhaftung de lege ferenda plädieren, für eine gesetzliche Haftungshöchstgrenze aus. 371 Mit derselben Tendenz Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 64; zur Gefährdungshaftung ebenso Fleischer, WM 2005, 905, 915; anders Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1397 (für eine Analogie zu § 10 Abs. 1 ProdHaftG); Spindler, AG 2013, 889, 895; vgl. auch Schmölder, JW 1930, 3687, 3688, der in § 12 KraftfG (heute: § 12 StVG) wegen der Begrenzung des Haftungsumfangs ein „gewisses Vorbild“ der Haftungsbeschränkung des Abschlussprüfers sieht; anders zum KapInHaG Spindler, AG 2005, 321, 325, der sich für eine Angleichung der Außen- und Innenhaftung ausspricht.

E. Haftungshöchstgrenzen

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durch Notverordnung372 eingeführt. Eine Begründung für die Gesetzgebung ist nicht vorhanden.373 Die Regelungen dieser Verordnung stehen aber im Zusammenhang größerer Reformbestrebungen,374 im Zuge derer zwischenzeitlich der Entwurf einer Novelle des Versicherungsaufsichtsgesetzes in § 55h Abs. 2 eine bis auf eine höhere Haftungsgrenze gleichlautende Regelung enthalten hatte,375 auf deren Begründung daher zurückgegriffen werden kann. Als tragender Grund der Haftungsbegrenzung wird das ungewöhnlich große Schadenspotenzial bereits geringfügiger Fehler angeführt, das den Prüfer in Gestalt einer „drückenden Besorgnis“ einer Schadensersatzpflicht bei seiner Arbeit belaste.376 Ferner wird als Vorzug der begrenzten Haftung deren Versicherbarkeit hervorgehoben,377 sodass der Abschlussprüfer wesentlich eher angehalten sei, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, wenn ein solcher Höchstbetrag gegeben und die Versicherung dadurch wirtschaftlich tragbar sei. In der Folge könne die Gesellschaft damit rechnen „wenigstens bis zu dem durch Versicherung gedeckten Betrage einen etwaigen Schaden ersetzt zu erhalten, während bei Nichtfestlegung eines Höchstbetrages zu befürchten wäre, daß ein Ersatz nur in den seltensten Fällen geleistet werden würde.“378 Grundsätzlich dieselben Zwecke verfolgt die geltende Regelung in § 323 Abs. 2 HGB.379 Ähnliche Erwägungen tragen die Empfehlung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2008.380 Deren materielle Erwägungsgründe lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass funktionsfähige Kapitalmärkte eine entsprechende Kapazität qualifizierter Abschlussprüfer sowie einen Markt für Prüfungsleistungen voraussetzten. Die Europäische Kommission stellt eine Steigerung der Haftungsrisiken für Abschlussprüfer sowie eine Beschränkung des Zugangs zu Versicherungsschutz für diese Risiken fest. Um den aufgestellten Anforderungen an den Kapitalmärkten gerecht werdende Kapazitäten hinsichtlich der Abschlussprüfung zu gewährleisten, 372 Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. 09. 1931, RGBl. I 1931, S. 493 ff. 373 Habersack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 16. Kap. Rn. 12. 374 Vertiefend Habersack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 16. Kap. Rn. 9 ff. 375 Dazu Schmölder, JW 1930, 3687. 376 Vgl. dazu auch Klaas, Wpg 2006, 1489, 1491. 377 Auch bei Ebke, Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der wirtschaftsprüfenden, steuerund rechtsberatenden Berufe im internationalen Vergleich, S. 18. 378 Begründung zum Entwurf einer Novelle zum Versicherungsaufsichtsgesetz, so zitiert bei Schmölder, JW 1930, 3687. 379 Vgl. Habersack/Schürnbrand, in: Staub, 5. Aufl. 2010, § 323 Rn. 46; Ebke, Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der wirtschaftsprüfenden, steuer- und rechtsberatenden Berufe im internationalen Vergleich, S. 18; ders., in: MüKoHGB, 3. Aufl. 2013, § 323 Rn. 3 ff.; anders Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 64, der den wesentlichen Sinn und Zweck der Regelung anscheinend darin sieht, „Wettbewerbsverzerrungen auf dem Prüfermarkt zu verhindern und falsche Garantieerwartungen beim Publikum zu vermeiden“. 380 Empfehlung der Kommission v. 05. 06. 2008, 2008/473/EG betreffend die Beschränkung der zivilrechtlichen Verantwortung von Abschlussprüfern, ABl. EU Nr. L 162/39.

470

4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

wird eine Haftungsbeschränkung, wie sie im deutschen Recht § 323 Abs. 2 HGB vorsieht, empfohlen.381 Die Parallelen, insbesondere der für § 262g HGB 1931 herangezogenen Begründung, zu den Aussagen in der gegenwärtigen Reformdiskussion zur Vorstandshaftung sind beträchtlich. Das Argument, die unbeschränkte Vorstands- und vor allem Aufsichtsratshaftung halte qualifiziertes Personal von der Übernahme solcher Stellungen ab, wird auch im aktienrechtlichen Schrifttum vorgetragen.382 Dasselbe gilt für steigende Haftungssummen in Verbindung mit einem der Höhe nach nicht mehr zu gewährleistenden oder durch Risikoausschlüsse sowie die geschilderten Ausfallrisiken beschränkten Schutz durch D&O-Versicherungen.383 Zwar kommt dem Abschlussprüfer keine den Mitgliedern des Vorstands vergleichbare Stellung gegenüber der Gesellschaft zu, doch zeigt § 323 Abs. 2 HGB, dass auch das geltende Recht eine auf der Begründung des hier zur Diskussion stehenden Reformvorschlags vergleichbare Erwägungen gestützte gesetzliche Haftungsbegrenzung außerhalb der Gefährdungshaftung kennt. cc) Privilegierung der Vorstandsmitglieder durch eine gesetzliche Haftungsgrenze? Vergleichbare Bedenken hinsichtlich der Einfügung einer gesetzlichen Haftungshöchstsumme für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft in das System zivilrechtlicher Haftungstatbestände, wie sie gegenüber einer gesetzlichen Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs formuliert wurden,384 ergeben sich nicht. Gesetzliche Haftungsbegrenzungen sind zwar weder für Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder andere vergleichbare Schuldner einer Geschäftsbesorgung für einen Anderen geregelt. Auch für Arbeitnehmer fehlt es hieran. Die Arbeitnehmerhaftung ist aber aufgrund der dargestellten ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung begrenzt. Entsprechende Vereinbarungen zwischen Rechtsanwälten sowie den anderen genannten Berufsgruppen und ihren Mandanten, insbesondere durch AGB, sollen in der Praxis weit verbreitet sein.385 381 Vgl. Empfehlung der Kommission v. 05. 06. 2008, 2008/473/EG betreffend die Beschränkung der zivilrechtlichen Verantwortung von Abschlussprüfern, ABl. EU Nr. L 162/39, Erwägungsgründe 2 – 4. 382 Vgl. Peltzer, Dritte Gedächtnisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 81; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 22, E 63; Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 155, 161; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 230 ff.; für den Aufsichtsrat Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 593, 598 f.; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 863 ff. 383 Dazu oben im 3. Teil, C. II.-IV. 384 Vgl. oben 4. Teil D. I. 385 Vgl. Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116 („ganz selbstverständlich“); Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 62; ähnl. Spindler, AG 2013, 889, 895 („[…] die in anderen

E. Haftungshöchstgrenzen

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Andere Schuldner einer Geschäftsbesorgung oder einer vergleichbaren Leistung, wie der Beauftragte, der Dienstverpflichtete oder der Werkunternehmer, unterliegen zwar einer gesetzlich unbeschränkten Haftung, deren vertragliche Deckelung möglich ist, ebenso wie die Einschränkung der Sorgfaltspflicht aber kaum vorkommen wird.386 Anders als die Mitglieder des Vorstands sowie Rechtsanwälte und die vergleichbaren Berufsgruppen werden diese Schuldner aber auch nur in Ausnahmefällen Schäden verursachen, die in ihrem Ausmaß weitgehend unvorhersehbar und wirtschaftlich kaum zu versichern sind. In aller Regel werden hier Personenoder Sachschäden vorliegen, deren Umfang sich aus der gewährten Möglichkeit, auf Rechtsgüter des Vertragspartners einzuwirken, ergibt. Vergleichbar umfangreiche Vermögensschäden wie Vorstandsmitglieder, Rechtsanwälte und vergleichbare Personen sie verursachen können,387 scheiden hier bereits aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten innerhalb dieser Schuldverhältnisse grundsätzlich aus. Es besteht daher auch kein vergleichbares Bedürfnis nach einer Haftungsdeckelung.388 Eine solche Möglichkeit wie sie Rechtsanwälten oder Steuerberatern zur Verfügung steht, selbst eine Haftungsbegrenzung mit der Gesellschaft zu vereinbaren, ergibt sich für Vorstandsmitglieder wegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht und ist aufgrund der fehlenden Publizität solcher Vereinbarungen auch de lege ferenda nicht erwägenswert. Auch eine satzungsmäßige Regelung ist de lege lata ausgeschlossen,389 de lege ferenda ergeben sich ganz ähnliche Bedenken wie gegen eine Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs.390 Mithin wäre für Vorstandsmitglieder, um eine Haftungsbegrenzung der Höhe nach zu erreichen, eine gesetzliche Regelung nötig. Im Übrigen zeigen § 323 Abs. 2 HGB und § 54a WPO, dass auch eine ausdrücklich gesetzlich geregelte Möglichkeit, vertraglich eine Haftungsdeckelung zu vereinbaren, einer Branchen keineswegs fremde Begrenzung der Haftung auf bestimmte Summen jedenfalls für leichte Fahrlässigkeit“). 386 Vgl. oben 4. Teil D. II. 7. 387 Vgl. etwa den sog. EnBW-Deal der baden-württembergischen Landesregierung, aufgrund dessen nunmehr Schadensersatzforderungen in Höhe von mindestens 780 Mio. E gegen die Kanzlei Gleiss Lutz sowie einen ihrer Partner wegen zu teuer sowie verfassungswidrig erworbener Anteile an dem Energieversorger im Raum stehen, dazu JUVE, Nachricht Kanzleien: „Frontalangriff: Mappus klagt gegen EnBW-Untersuchungsausschuss und will Schadensersatz von Gleiss“, http://www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2014/02/frontal angriff-mappus-klagt-gegen-enbw-untersuchungsausschuss-und-will-schadensersatz-von-gleiss (zuletzt abgerufen am 30. 01. 2015). Ferner kommen z. B. kartell- oder steuerrechtliche Bußgelder aufgrund von Fehlberatungen in Betracht, die, wie für das Kartellordnungswidrigkeitenrecht im 3. Teil E. II. 1. erläutert, ganz erhebliche Ausmaße erreichen können. 388 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 363 führen dagegen das Fehlen entsprechender gesetzlicher Regelungen in anderen Bereichen auf die Kompensationsfunktion der Haftung zurück. Eine befriedigende Erklärung für die ausdrücklich zugelassene Möglichkeit der Haftungsdeckelung durch Vertrag für Rechtsanwälte und die genannten vergleichbaren Berufsgruppen sowie für die Regelung des § 323 Abs. 2 HGB, deren zugrunde liegende Haftung grundsätzlich auch der Schadenskompensation dient, ergibt sich hieraus aber nicht. 389 A.A. Grunewald, AG 2013, 813, 815 f.; Rust, AR 2014, 36 f. 390 Dazu unter 4. Teil E. II.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

zusätzlichen gesetzlichen Haftungshöchstgrenze nicht entgegensteht.391 Nach dem Gesagten läge in einem gesetzlichen Haftungshöchstbetrag für Vorstandsmitglieder im Grundsatz keine Privilegierung gegenüber anderen Berufsgruppen, die entsprechende Haftungsgrenzen entweder mangels vergleichbarer Schadensrisiken nicht benötigen oder sie sich in anderer Weise verschaffen können und daher der Unterstützung des Gesetzgebers nicht bedürften. Im Ergebnis wäre eine summenmäßige gesetzliche Begrenzung der Vorstandsinnenhaftung demnach ohne Wertungswidersprüche in das Gefüge der Schadensersatzvorschriften des geltenden Rechts einzufügen.392 2. Präventions- und Kompensationsfunktion der Haftung Ein weiterer Gesichtspunkt, unter dem Kritik gegen eine gesetzliche Begrenzung der Vorstandshaftung auf einen Höchstbetrag erhoben wird, ist die Wirkung dieser Ersatzverpflichtung sowohl im Sinne der präventiven Verhaltenssteuerung393 als auch des Ausgleichs des Schadens der Gesellschaft.394 Allgemeine Aussagen zu den Folgen einer gesetzlichen Deckelung auf die Präventionswirkung der Vorstandshaftung lassen sich kaum treffen. Problematisch wäre diesbezüglich sicherlich eine sämtliche Fahrlässigkeitsgrade erfassende Begrenzung auf die Höhe des Selbstbehalts bei einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG.395 Insbesondere bestünde die Gefahr, dass in 391 Insbesondere erlaubt § 54a WPO auch individualvertraglich keine unterhalb der Grenze des § 323 Abs. 2 S. 1 HGB liegende Haftungsbegrenzung; vgl. auch § 9 Abs. 1, 2 der Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vom 01. 01. 2002. 392 A.A. Fleischer, WM 2005, 909, 915; ders., ZIP 2014, 1305, 1312. 393 Diesbzgl. krit. Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Paefgen, AG 2014, 554, 569; für den Fall der Begrenzung auf die Deckungssumme einer D&O-Versicherung auch F. Gaul, AG 2015, 109, 116. 394 Vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 363, die de lege ferenda für eine Aufgabe der Kompensationsfunktion der Vorstandshaftung plädieren und in der Folge eine gesetzliche Haftungsgrenze für zulässig halten. 395 Ebenso Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 779; SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 4 (Haftungsbegrenzung für einfache Fahrlässigkeit auf zwei Jahresgehälter); ebenso für eine satzungsmäßige Haftungsdeckelung, vorgeschlagen wird dort das Fünffache einer Jahresvergütung inklusive variabler Bestandteile Grunewald, AG 2013, 813, 817; Rust, AR 2014, 36, 37 (zusätzlich: keine Berufung des D&O-Versicherers auf die Haftungsgrenze; wie dies mangels Anspruch gegen den Vorstand (Versicherungsfall) zu bewerkstelligen sein soll, bleibt dort offen); anders aber Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 365 („Fortentwicklung des Selbstbehalts“); Bayer, NJW 2014, 2546, 2548 f. (Begrenzung auf ein Viertel der Jahresvergütung bei leichter, die Hälfte bei grober Fahrlässigkeit) jeweils unter Aufgabe der Kompensationsfunktion de lege ferenda unter Verbot der Versicherung; ohne weitere Vorgaben mit einer Entwicklung einer Haftungsgrenze anknüpfend an den Selbstbehalt sympathisierend F. Gaul, AG 2015, 109, 116.

E. Haftungshöchstgrenzen

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kleinen und mittleren Gesellschaften die entsprechende Haftungsgrenze unterhalb der des § 323 Abs. 2 HGB läge, was angesichts der unterschiedlichen Stellung und Eigenverantwortlichkeit des Abschlussprüfers und des Vorstands gegenüber der Gesellschaft zu einem Wertungswiderspruch führte.396 Insgesamt gegen eine gesetzliche Haftungsbegrenzung könnte, wie gegen die bereits erörterten Modelle zur Beschränkung der Vorstandshaftung, die eigenverantwortliche Stellung der Vorstandsmitglieder und die damit einhergehende weitreichende Schutzlosigkeit der Gesellschaft gegenüber deren Handeln sprechen. Im Unterschied zu den bisher de lege ferenda diskutierten Begrenzungsmechanismen führte ein Haftungshöchstsumme nicht zum vollständigen Wegfall einer Schadensersatzpflicht, sodass ein Ausfall der Präventionswirkung nicht anzunehmen wäre.397 Ferner ergäben sich hier zwar mit einer Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs vergleichbare Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe, in der die Gesellschaft mit ihrem Ersatzanspruch ausfiele und, falls die Haftungsdeckelung, was anzuraten wäre, nicht Vorsatz und Fahrlässigkeit insgesamt umfassen sollte, des Vorliegens deren Voraussetzungen. Ein deutlich über dem Selbstbehalt des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG liegender Haftungshöchstbetrag, der gegebenenfalls teilweise durch eine D&O-Versicherung gedeckt werden könnte, würde aber eine zumindest substantielle Schadenskompensation gewährleisten. Für die Gesellschaft hätte eine klare gesetzliche Haftungshöchstgrenze zudem den bereits bei der Einführung der Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer in § 262g HGB 1931 erwogenen Vorteil, dass bei Abschluss einer D&O-Versicherung die Ungewissheit bei der Festlegung der Versicherungssumme zumindest erheblich reduziert398 und durch den Höchstbetrag auch überdurchschnittlich große Schadensrisiken zu erschwinglichen Konditionen versicherbar gemacht werden könnten.399

396

Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 273 geht bei den „absoluten Topverdienern“ von einem Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG in Höhe von 20 Mio. E aus, „bei der Masse der Vorstände weit darunter“. Ein Überschreiten der Grenze des § 323 Abs. 2 S. 2 HGB setzte eine feste Vorstandsvergütung von mindestens 2,7 Mio. E pro Jahr voraus. 397 Ebenso Grunewald, AG 2013, 813, 816 (für eine satzungsmäßige Haftungshöchstgrenze); Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 64; am Wegfall der Präventionswirkung zweifelnd auch Spindler, AG 2013, 889, 895. 398 Ebenso Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 325; Peltzer, Dritte Gedächtnisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 81; ders., FS Hadding, 2004, S. 593, 598 (aus dem Blickwinkel eines Schutzes des Organmitglieds); Clemm/Dürrschmidt, FS W. Müller, 2001, S. 67, 80; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 64; in diese Richtung auch Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38; Spindler, AG 2005, 321, 325; BDI/BDA/DIHK/GDV/BdB, Stellungnahme RefE UMAG, S. 4. Die Unwägbarkeiten bei der Bestimmung der Deckungssumme fielen bei der derzeitigen Struktur der D&O-Versicherung, die neben Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern vielfach auch das gehobene Management erfasst, nicht gänzlich weg, da die Anzahl in einem Jahr vorkommender Schadensereignisse nicht vorhergesehen werden könnte. 399 Vgl. nochmals Schmölder, JW 1930, 3687 f. einschließlich der dort zitierten Begründung des Entwurfs einer Novelle zum Versicherungsaufsichtsgesetz.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Des Weiteren könnte von einem gesetzlichen Haftungshöchstbetrag, ähnlich wie von einer D&O-Versicherung, das Phänomen einer „Haftung durch Deckung“400 ausgehen,401 sodass erstens bei einer sinnvollen Eingrenzung des Geltungsbereichs dieses Höchstbetrags von der Gefahr, dass ein Schaden aufgrund eines außerhalb des Schutzes liegenden Sachverhalts eingetreten sein kann, eine gewisse Präventionswirkung zu erwarten wäre und überdies mit einer verbesserten Anspruchsdurchsetzung zu rechnen wäre, wenn Beitreibbarkeitsrisiken in höherem Maße als bisher ausgeblendet werden könnten, was einer möglichen Einbuße an Schadenskompensation durch die Haftungsdeckelung in gewissem Umfang ausgleichend gegenüberstünde. Hinsichtlich der Präventionswirkung der Vorstandshaftung gilt es ferner zu bedenken, dass, wie bereits ausgeführt wurde, eine solche nicht unendlich mit der Höhe einer möglichen Schadensersatzpflicht ansteigt.402 Hinzu kommt unter dem Gesichtspunkt der Schadenskompensation, dass eine der Höhe nach unbegrenzte Vorstandshaftung de lege lata zwar rechtlich besteht, dem Ausgleich extrem hoher Schäden aber tatsächliche Grenzen in Gestalt der maximal zu versichernden Deckungssumme einer D&O-Versicherung sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vorstandsmitglieder selbst gesetzt sind. Oberhalb eines gewissen Betrags findet realiter eine Kompensation nicht mehr statt, sodass gegen eine auf entsprechend hohem Niveau begrenzte Vorstandshaftung die Schadensausgleichsfunktion auch nicht mehr als Argument fruchtbar gemacht werden kann.403 Eine ausreichend hoch angesetzte Haftungshöchstsumme stünde daher auch nicht in Widerspruch zur eigenverantwortlichen Stellung des Vorstands, vor dessen pflichtwidrigem Handeln die Gesellschaft durch eine unbeschränkte Schadensersatzpflicht zu schützen wäre. Umgekehrt wird sie aber dazu führen, dass Vorstandsmitglieder keine deren wirtschaftlichen Verhältnissen unangemessene, also übermäßige, Risikovorsorge auf Kosten der Gesellschaft betreiben404 oder sich im unternehmerischen Bereich, der mit einer entsprechenden Haftungsdeckelung im Interesse der Gesellschaft vor allem abzusichern wäre, zu risikoavers verhalten.405

400 Dazu Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 64 m.w.N.; Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 155, 157; zu diesem Mechanismus bei Bestehen einer D&O-Versicherung 4. Teil H. I. 2. b) sowie die Nachweise in Fn. 594. 401 Ebenso Peltzer, Dritte Gedächtnisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 81; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224; bezogen auf eine satzungsmäßige Haftungsdeckelung Grunewald, AG 2013, 813, 816; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 64; in der Tendenz wohl auch Wagner, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 86. 402 Dazu im 3. Teil E. II. 2. b) aa) (1) (a) sowie nochmals Spindler, AG 2013, 889, 895; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 281. 403 Ganz ähnl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 63; Rust, AR 2014, 36, 37. 404 Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601. 405 Ganz ähnl. Peltzer, Dritte Gedächtnisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 81.

E. Haftungshöchstgrenzen

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In Kauf zu nehmen wäre dabei, dass mit steigender Haftungshöchstgrenze weniger für einen sicheren Schutz der Vorstandsmitglieder vor einer sie wirtschaftlich überfordernden Haftung gesorgt wäre. Angesichts der vorgefundenen Mechanismen, die trotz der denkbar strengen Vorstandshaftung des Aktiengesetzes bereits de lege lata den tatsächlichen Fall einer „Vernichtung“ der wirtschaftlichen Existenz aufgrund einer leicht fahrlässigen Pflichtverletzung verhindern können, ist eine erhebliche Zurückdrängung der präventiven und schadensausgleichenden Wirkungen der Vorstandshaftung nicht geboten. Eine Haftungsgrenze, die vorrangig einen Sozialschutz der Vorstandsmitglieder im Blick hätte, wäre daher nicht zu rechtfertigen. 3. Keine überschießende Regelung Die Kritiker einer gesetzlichen Haftungsbeschränkung der Höhe nach bemängeln, dass eine solche Regelung keine Differenzierung zwischen privilegierungsbedürftigen und nicht privilegierungsbedürftigen Sachverhalten ermöglichte, indem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Vorstandsmitglieder im konkreten Fall nicht berücksichtigt werden könnte.406 Dies träfe in der Sache nur auf eine absolute Höchstsumme zu.407 Der hier verfolgte Ansatz geht überdies nicht vom Schutz der Vorstandsmitglieder vor übermäßiger Haftung aus sozialen Gründen als vorrangig mit einer gesetzlichen Haftungsdeckelung zu verfolgendem Zweck aus, sondern setzt auf Seiten der Gesellschaft an, sodass sich ein dennoch verwirklichter Sozialschutz der Vorstandsmitglieder lediglich als Reflex darstellt. Aus Sicht der Gesellschaft geht es aber weniger um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einzelner Vorstandsmitglieder, sondern vielmehr darum, ex ante übermäßig risikoaverses Verhalten des Managements, vor allem im Bereich unternehmerischen Handelns in Ergänzung zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, einzudämmen, und die Versicherbarkeit der Vorstandsmitglieder durch eine D&O-Versicherung zu erleichtern. Eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des einzelnen Vorstandsmitglieds verlangen diese Zielsetzungen indes nicht. Zwar wird ein vermögenderer Geschäftsleiter grundsätzlich weniger Furcht vor einer Zahlungsverpflichtung haben, andererseits läuft gerade er Gefahr, aufgrund der durch § 93 Abs. 2 S. 1 a.E. AktG vor406

So Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Paefgen, AG 2014, 554, 570; dies bemängeln Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 705 bereits bei einer Begrenzung des Regresses der Gesellschaft angelehnt an die Arbeitnehmerhaftung aufgrund der Fürsorgepflicht. Da in der Abwägung nach der Rspr. zur Arbeitnehmerhaftung auch soziale Kriterien auf Seiten des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden, dürfte dies dort nicht zutreffen. 407 Eine an die Vorstandsvergütung gebundene Haftungsobergrenze berücksichtigte zwar nicht die Vermögensverhältnisse im Übrigen, wäre aber umgekehrt deutlich individueller zugeschnitten als die des § 323 Abs. 2 HGB. Für eine Anknüpfung an die Vergütung Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 361 f.; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224; Krämer, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 171, 173; Spindler, AG 2005, 321, 325; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116; F. Gaul, AG 2015, 109, 116 sowie die darüber hinaus in Fn. 395 Genannten; dies erwägend auch Clemm/ Dürrschmidt, FS W. Müller, 2001, 67, 92.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

gesehenen gesamtschuldnerischen Haftung für einen durch mehrere Vorstandsmitglieder verursachten Schaden, der den praktischen Regelfall bildet, als solventester Schuldner vorrangig in Anspruch genommen zu werden.408 Eine Auswirkung der Vermögensverhältnisse auf die Präventionswirkung der Haftung ist daher kaum zu erwarten. Zudem wird realistischerweise kein Vorstandsmitglied in der Lage sein, Schäden im dreistelligen Millionenbereich aus eigenem Vermögen zu bestreiten, sodass die Vermögensverhältnisse bei den hier zur Diskussion stehenden, extrem hohen Schadenssummen ohne Bedeutung sind. Zur Gewährleistung einer verbesserten Versicherbarkeit empfiehlt sich gerade ein klarer, ex ante feststehender Haftungshöchstbetrag. Die fehlende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des einzelnen Vorstandsmitglieds stellt demnach kein Hindernis für einen gesetzlichen Haftungshöchstbetrag zu den hier angedachten Zwecken dar.409 4. Rechtsvergleichung In anderen Rechtsordnungen sind gesetzliche Höchstgrenzen der Haftung den Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft vergleichbarer Organwalter kaum anzutreffen.410 Fleischer verweist insoweit lediglich auf das Recht des USBundesstaates Virginia.411 Dessen Stock Corporation Act sieht in § 13.1 – 692.1 eine absolute Haftungsgrenze in Höhe des größeren der Beträge von entweder 100.000 US-Dollar oder der Vergütung der letzten zwölf Monate vor dem die Schadensersatzpflicht auslösenden Ereignis vor, von dem die Gesellschaften in ihren articles of incorporation oder bylaws nur nach unten abweichen können.412 Ausgenommen von der Haftungsbegrenzung sind wissentliche Pflichtverletzungen (willful misconduct), wissentliche Verletzungen des Strafrechts, wertpapierrechtlicher Vorschriften sowie die Haftung für rechtswidrigen Insiderhandel und Kapitalmarktmanipulationen. In anderen US-Bundesstaaten würden derartige Begrenzungen als willkürlich, infle408 Vgl. Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 593, 599; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 f.; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 63. 409 Vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 362 f., die darauf hinweisen, dass bereits de lege lata bei Bestehen einer D&O-Versicherung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vorstandsmitglieds außer über den Selbstbehalt keine Berücksichtigung finde. 410 Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 333; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312; ders., WM 2005, 909, 915. 411 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312; ders., WM 2005, 909, 915. 412 Code of Virginia, Virginia Stock Corporation Act, § 13.1 – 692.1: „A. In any proceeding brought by or in the right of a corporation or brought by or in behalf of shareholders of the corporation, the damages assessed against an officer or director arising out of a single transaction, occurrence or course of conduct shall not exceed the lesser of: 1. The monetary amount, including the elimination of liability, specified in the articles of incorporation or, if approved by the shareholders, in the bylaws as a limitation on or elimination of the liability of the officer or director; or 2. The greater of (i) $ 100,000 or (ii) the amount of cash compensation received by the officer or director from the corporation during the twelve months immediately preceding the act or omission for which liability was imposed. […]“, Hervorhebungen durch die Verf.

E. Haftungshöchstgrenzen

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xibel413 oder gar verfassungswidrig abgelehnt.414 Um rechtsvergleichend Schlüsse auf die Zulässigkeit einer solchen Regelung für das deutsche Aktienrecht ziehen zu können, müsste die Ausgangslage in den vergleichend heranzuziehenden Rechtsordnungen aber vergleichbar sein. Dies ist indes im US-amerikanischen Recht, das eine der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG vergleichbare Regelung nicht kennt, im Gegenteil durch die Zulassung weitreichender enthaftender Satzungsregelungen (articles of incorporation und bylaws) gerade durch eine große Freiheit bei der Ausgestaltung der Haftung der directors und officers gekennzeichnet ist415 und in dem auch die Anspruchsverfolgung unter gänzlich anderen Bedingungen abläuft als im deutschen Recht, nicht der Fall.416 Auch § 323 Abs. 2 HGB kennt in anderen Rechtsordnungen wenige vergleichbare Normen, ohne dass hier aus rechtsvergleichender Perspektive für eine Abschaffung plädiert würde,417 vielmehr ist das Gegenteil der Fall, wie die EU-Kommissionsempfehlung aus dem Jahr 2008 zeigt.418 Die vorgebrachten rechtsvergleichenden Argumente gegen eine gesetzliche Haftungsbegrenzung vermögen nach alldem für das deutsche Aktienrecht nicht zu überzeugen.419 5. Grundriss der Ausgestaltung einer gesetzlichen Haftungshöchstsumme Die Ausgestaltung der Regelung einer gesetzlichen Höchstsumme der Vorstandsinnenhaftung hat sich an den gefundenen Ergebnisses zu orientieren, sodass zahlreiche Gesichtspunkte, die wiederum nicht unverbunden nebeneinander stehen, zu berücksichtigen sind. Ohne empirische Daten muss sich ein diesbezüglicher Vorschlag notwendig darauf beschränken, die Grundlinien einer solchen Regelung anhand der zu berücksichtigenden Faktoren aufzuzeigen. 413

Ebenso für das deutsche Recht Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804. Fleischer, WM 2005, 909, 915; ders., ZIP 2014, 1305, 1312 m.w.N.; vgl. Dooley, Fundamentals of Corporation Law, S. 271 f.; Knepper/Bailey, Liability of Corporate Officers and Directors, § 16.08.; Wagner, Courts Consider Caps Constitutionality, National Law Journal, 20. 07. 1987, 23 Spalte 1, so zitiert bei Knepper/Bailey, a.a.O., Fn. 2. 415 Vgl. zu den Rahmenbedingungen der Haftung der directors im US-amerikanischen Recht auch die Darstellung zur business judgment rule im 3. Teil A. III. 5. c) cc) (2) (a). 416 Ebenso Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 364; vgl. auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 65, schwerpunktmäßig bezogen auf satzungsmäßige Haftungshöchstbeträge. 417 Rechtspolitisch ist die Regelung dennoch keineswegs unumstritten; vgl. Habersack/ Schürnbrand, in: Staub, 5. Aufl. 2010, § 323 Rn. 4; Ebke, Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der wirtschaftsprüfenden, steuer- und rechtsberatenden Berufe im internationalen Vergleich, S. 21 ff.; ders., ZVglRWiss 100 (2001), 62, 71 ff.; Klaas, Wpg 2006, 1489, 1491. 418 Vgl. Empfehlung der Kommission v. 05. 06. 2008, 2008/473/EG betreffend die Beschränkung der zivilrechtlichen Verantwortung von Abschlussprüfern, ABl. EU Nr. L 162/39. 419 So i.Erg. auch Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 333; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 64 f.; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 364. 414

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

a) Sachlicher Umfang der Haftungsbegrenzung aa) Verschuldensgrade Zunächst wäre festzulegen, ob eine entsprechende Gesetzesregelung die Haftung für Vorsatz und jede Fahrlässigkeit erfassen oder diesbezüglich begrenzt sein sollte. Aufgrund der unter Kompensationsgesichtspunkten wünschenswerten Verbindung mit einer D&O-Versicherung, aus der sich für die Gesellschaft die Vorteile größerer Berechenbarkeit der Versicherungskosten und einer erleichterten Versicherbarkeit ergäben und die daher eine maßgebliche Rechtfertigung einer gesetzlichen Haftungsdeckelung bildet, sollte eine Höchstsumme für die Haftung wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen nicht geregelt werden. Dasselbe ergibt sich unter Präventionsgesichtspunkten, wird doch der vorsätzlich Handelnde von der Appellwirkung einer Haftungsnorm in besonderem Maße erreicht. Aus diesem Grund erscheint auch eine Ausnahme grob fahrlässiger Pflichtverletzungen vom Geltungsbereich einer Haftungshöchstsumme notwendig.420 Eine Unterscheidung zwischen mittlerer und leichter Fahrlässigkeit, führt, wie bereits ausgeführt wurde, mangels eines bisher über die Arbeitnehmerhaftung hinausgehenden Anwendungsbereichs zu erheblich größerer Rechtsunsicherheit und bietet keine entscheidenden Vorteile.421 Eine Haftungsdeckelung sollte daher allenfalls Fahrlässigkeit, aus Präventionsgründen möglicherweise nur einfache Fahrlässigkeit, erfassen. bb) Anspruchsbegründende Sachverhalte Wesentlicher Hintergrund einer Haftungshöchstsumme in der hier angedachten Form ist die Möglichkeit einer Koppelung mit einer D&O-Versicherung, sodass es sinnvoll erscheint, üblicherweise unter Risikoausschlüsse einer D&O-Versicherung fallende Pflichtverletzungen von der Haftungsdeckelung auszunehmen. Bereits empfohlen wurde der Ausschluss vorsätzlicher Pflichtverletzungen, die zudem auch vom Schutz einer D&O-Versicherung ausgeschlossen wären. Hinsichtlich der übrigen Ausschlüsse wären empirische Daten zur diesbezüglichen gegenwärtigen Lage 420

Dafür auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 65; Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38; Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 592, 598 f.; ders., Dritte Gedächtnisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 80 f.; wohl auch Bayer, NJW 2014, 2546, 2548 (Haftungsgrenze für „leichte Pflichtverletzungen“); Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 780; Clemm/ Dürrschmidt, FS W. Müller, 2001, S. 67, 80, 91; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224; sympathisierend Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1315; a.A. Semler, AG 2005, 321, 325; Grunewald, AG 2013, 813, 816 f.; Rust, AR 2014, 36, 37; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 932; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 376 ff.; F. Gaul, AG 2015, 109, 114 (Ausnahme nur für vorsätzliches Handeln); Wagner ZHR 178 (2014), 227, 275 ff. (umfassende Haftungsgrenze). 421 Eine Haftungsbegrenzung beschränkt auf leichte Fahrlässigkeit fordern aber Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38; Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 592, 598 f.; ders., Dritte Gedächtnisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 80 f.; wohl auch Bayer, NJW 2014, 2546, 2548 („leichte Pflichtverletzungen“).

E. Haftungshöchstgrenzen

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auf dem Versicherungsmarkt erforderlich, um als gängig zu bewertende Risikoausschlüsse zu ermitteln; einen ersten Anhaltspunkt könnten die Musterbedingungen des GDV bilden. Erwägenswert erscheint es ferner, aus Gründen der Präventionswirkung Verletzungen der Legalitätspflicht, der Treupflicht sowie die Sondertatbestände des § 93 Abs. 3 AktG von der Haftungsdeckelung auszunehmen. Hierfür spricht, wenn, wie hier intendiert, eine mit einer D&O-Versicherung zu kombinierende Haftungshöchstsumme geregelt werden soll, die notwendige Präventionswirkung bei diesen besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen. Zwar ergeben sich bei Legalitäts- und Treupflichtverletzungen neben den aktienrechtlichen Möglichkeiten der Abberufung und Entlastungsverweigerung auch ordnungswidrigkeitenrechtliche422 Sanktionen als Mechanismen zur Verhaltenssteuerung. Anders als bei der Vorteilsausgleichung, wo nach hier vertretener Auffassung diese alternativen Sanktionen mit Präventionswirkung als ausreichend angesehen werden, trügen die Vorstandsmitglieder im Fall einer gesetzlichen Haftungsdeckelung keinerlei Beweisrisiken und ergäben sich auf Seiten der Gesellschaft grundsätzlich keine gegen einen Schadensausgleich sprechenden Argumente. Daher sollten zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden Präventionswirkung Verletzungen der Treuund Legalitätspflicht von einer gesetzlichen Haftungsgrenze ausgenommen werden. Verletzungen der Treupflicht werden überdies im Regelfall vorsätzliche Pflichtverletzungen sein, sodass sich bereits deshalb ein Ausschluss ergäbe. Hinzu kommt, dass diese durch ein persönliches finanzielles Interesse des Vorstandsmitglieds gekennzeichnet sind, das aufgrund der gezogenen Vorteile im Grundsatz auch zum vollen Schadensausgleich in der Lage sein wird, sodass hier das Argument, realiter werde der Schaden der Gesellschaft nicht vollständig kompensiert, entfällt.423 Unter Präventionsgesichtspunkten erscheint eine Ausnahme der Sondertatbestände des § 93 Abs. 3 AktG von einer zu regelnden Haftungshöchstgrenze erst recht angebracht, da es hier an ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionen fehlt und eine Untreuestrafbarkeit für fahrlässiges Verhalten ausscheidet.424 cc) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine gesetzliche Haftungsbegrenzung, die nach der hier verfolgten Intention lediglich als Reflex einen Haftungsschutz der Vorstandsmitglieder gewährleisten soll und vorrangig dem Schutz der Gesellschaft vor risikoaversem unternehmerischem Handeln der Vorstandsmitglieder einerseits 422 Strafrechtliche Sanktionen scheiden mangels Fahrlässigkeitsstrafbarkeit der relevanten Wirtschaftsstraftaten für fahrlässige Pflichtverletzungen aus. 423 Für eine Ausnahme der Treupflicht wohl auch Peltzer, Dritte Gedächtnisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 80 („[…] nur so verhalten haben, dass ihre Ehrenhaftigkeit nicht in Zweifel gezogen werden kann“). 424 Ebenso i.Erg. Paefgen, AG 2014, 554, 570; bezogen auf eine satzungsmäßige Haftungsdeckelung Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1315; Grunewald, AG 2013, 813, 817; Rust, AR 2014, 36, 37.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

dienen und zu einer Verbesserung der Versicherbarkeit im Rahmen einer D&OVersicherung andererseits führen soll, sich in ihrem sachlichen Anwendungsbereich in engen Grenzen bewegen muss. Vorgeschlagen wird hier eine Haftungsbegrenzung lediglich für einfach fahrlässige Verletzungen der Sorgfaltspflicht, die weder die Legalitätspflicht noch einen als üblich zu identifizierenden Ausschlusstatbestand einer D&O-Versicherung betreffen noch unter einen der Sondertatbestände des § 93 Abs. 3 AktG fallen. Als praktischer Anwendungsbereich ergeben sich damit im Wesentlichen unternehmerische Entscheidungen, die aus Gründen, die keine Treupflichtverletzung darstellen, nicht unter § 93 Abs. 1 S. 2 AktG fallen, was etwa bei Vorliegen eines Interessenkonflikts eines Vorstandsmitglieds, der die Anwendung der aktienrechtlichen Business Judgment Rule ausschließt, vorkommen kann. Ferner würde eine solche Haftungsbegrenzung in Verbindung mit einer D&O-Versicherung zu einer deutlichen Entschärfung der von Bachmann problematisierten Gefahr von Rückschaufehlern bei der Anwendung der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG425 führen. Im Zusammenspiel mit dem hiesigen Verständnis dieser Regelung als Haftungsprivilegierung bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit ergibt sich für eine Haftungshöchstgrenze als echte Entlastung der Vorstandsmitglieder aber insgesamt ein äußerst schmaler Anwendungsbereich. Sie diente im Wesentlichen dazu, Fälle richterlicher Rückschaufehler oder eine (zu) strenge Handhabung der Anforderungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG aufzufangen, wodurch immerhin eine Erhöhung der Risikobereitschaft im Vorstand zu erwarten sein dürfte. Anders stellte sich dies bei einer abweichenden Auffassung zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG hinsichtlich der Bedeutung von „vernünftigerweise“ oder der an die Informationsgrundlage zu stellenden Anforderungen dar.426 b) Haftungshöchstsumme und D&O-Versicherung Zur Gewährleistung des Schadensausgleichs der Gesellschaft ist, wie erörtert, eine Verbindung von gesetzlicher Haftungshöchstsumme und D&O-Versicherung angezeigt. Dieser Punkt stellt die Gesetzgebung vor die größten Probleme. Zunächst müsste der Höchstbetrag den durch eine D&O-Versicherung zu deckenden Anteil enthalten, andernfalls fehlte es in der entsprechenden Höhe an einem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft und damit am Versicherungsfall. Eine Festlegung unterschiedlicher Grenzen für Gesellschaften, die eine solche Versicherung abgeschlossen haben und solche, die dies nicht getan haben, scheidet aufgrund des mit der Einführung eines Höchstbetrags verfolgten Zwecks, zunächst einen höheren Ersatzanspruch zu schaffen, um diesen auf die Versicherer abzuwälzen, aus.

425 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 59; dort wird als Lösung die Zulassung der Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs durch Satzung befürwortet. 426 Vgl. die Ausführungen unter 4. Teil D. II. 2. a).

E. Haftungshöchstgrenzen

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aa) Bemessung der gesetzlichen Haftungsgrenze Als schwierigster Punkt in der praktischen Umsetzung der Vorgaben für eine gesetzliche Haftungshöchstsumme für Vorstandsmitglieder stellt sich die Bemessung dieses Betrages dar.427 Nach dem Gesagten sollte dieser die Deckungssumme einer für die konkrete Gesellschaft mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand zu finanzierenden D&O-Versicherung zuzüglich des Mindestselbstbehalts des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG betragen.428 Eine Deckelung auf einen absoluten Höchstbetrag, wie sie § 323 Abs. 2 HGB vorsieht, ist nicht zu empfehlen, da sie die wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Gesellschaft unberücksichtigt ließe, sodass entweder in zahlreichen Gesellschaften ein höherer Schaden durch eine D&O-Versicherung hätte ausgeglichen werden können oder umgekehrt die mit der Haftungsbegrenzung angestrebten Wirkungen überwiegend leerliefen, indem keine angemessene Risikovorsorge gewährleistet werden könnte.429 Ob und mit welcher Zuverlässigkeit eine für die Gesellschaft „passende“ D&O-Versicherungssumme sich ausreichend verallgemeinerungsfähig bestimmen lässt, kann hier nicht abschließend beurteilt werden, fehlt es hierzu zunächst an empirischen Daten und hängt die Bemessung dieses Betrags von komplexen betriebswirtschaftlichen und versicherungsmathematischen Überlegungen ab. Nahe läge es, anzunehmen, dass eine entsprechende Formel aus den Unternehmenskennzahlen, namentlich der Bilanzsumme, dem Bilanzgewinn oder der Vorstandsvergütung, die sich nach § 87 Abs. 1 AktG unter anderem an der Lage der Gesellschaft und der Üblichkeit zu orientieren hat, zu erstellen wäre. bb) Problem: Ausfall der D&O-Versicherung Damit ergibt sich die Frage, was geschehen soll, wenn zwar eine D&O-Versicherung besteht, diese jedoch im Einzelfall nicht eingreift. Nach der hier befürworteten Ausnahme der Risikoausschlüsse solcher Versicherungen von der gesetzlichen Haftungsdeckelung kämen als Ursachen eines solchen Ausfalls vor allem Obliegenheitsverletzungen der Gesellschaft, dem Vorstandsmitglied zuzurechnendes Wissen Dritter oder eine Erschöpfung der maximalen Deckungssumme in Betracht.430 Diese Risiken sind der Sphäre der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin

427

Ebenso Paefgen, AG 2014, 554, 569 f. Ganz ähnl. (Begrenzung auf die D&O-Deckungssumme) die „moderate Alternativlösung“ bei Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 279; Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 593, 599; ders., Dritte Gedächtnisvorlesung Max Hachenburg, S. 49, 81; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 64; für Aufsichtsratsmitglieder Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 865. 429 Ebenso mit abweichender Begründung (ohne Orientierung an der Vorstandsvergütung sei die Steuerungsfunktion zu unpräzise) Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 361. 430 Das von Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 367 als Achillesferse identifizierte Problem des Eingreifens eines Ausschlusstatbestandes entfällt damit, soweit es sich bei den tatsächlichen Ausschlüssen um die 428

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

zuzuordnen, sodass es bei einem Ausfall der D&O-Versicherung aus solchen Gründen angemessen erschiene, den ungedeckten Schadensanteil der Gesellschaft zuzuweisen.431 Rechtstechnisch wäre an eine Umsetzung über die Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 BGB zu denken. Dabei gilt es aber zu beachten, dass grundsätzlich keine Pflicht der Gesellschaft zum Abschluss einer D&O-Versicherung besteht und eine solche auch de lege ferenda nicht eingeführt werden sollte.432 Das gänzliche Fehlen einer Versicherung wäre daher nicht der Gesellschaft anzulasten. Weiterhin dürfte eine gesetzliche Haftungsdeckelung erstmals eine umfassende Selbstversicherung der Vorstandsmitglieder unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten diskutabel machen, sodass diesen eine alternative Vorsorge zur Verfügung stünde. Eine Zuweisung des Risikos eines Ausfalls der D&O-Versicherung aus den genannten Gründen an die Gesellschaft wäre in jedem Fall durch die hinreichend bestimmte vertragliche Zusage eines D&O-Versicherungsschutzes, der den gesetzlichen Höchstbetrag deckte, gegenüber dem Vorstandsmitglied zu gewährleisten, auf die bereits in anderem Zusammenhang hingewiesen wurde.433 Ausfälle einer D&O-Versicherung aus nicht von der Gesellschaft zu vertretenden Gründen müssten nach dem hier intendierten Zweck einer gesetzlichen Haftungsgrenze zulasten der Vorstandsmitglieder gehen.434 cc) Der Pflichtselbstbehalt und dessen Versicherung Fraglich ist, ob in Verbindung mit der skizzierten Regelung einer gesetzlichen Höchstgrenze der Vorstandshaftung eine Anhebung des Mindestselbstbehalts einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung oder ein Verbot der Versicherung

von Gesetzgeber als üblich identifizierten handelt. Im Übrigen hätte nach hiesigem Ansatz das Vorstandsmitglied dennoch bis zur Haftungshöchstsumme einzustehen. 431 Zu beachten ist, dass sich daraus eine Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft wegen der zum Ausschluss einer Eintrittspflicht der Versicherung führenden Vorgänge ergeben kann. Zur Zuständigkeit des Vorstands für den Abschluss einer D&O-Versicherung nur Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 58 m.w.N.; a.A. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 173 ff. 432 Anders wohl Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 865, der in anderem Zshg. darauf hinweist, dass bei einem für ein Aufsichtsratsmitglied „existenzvernichtenden“ Schaden aus leicht fahrlässigem Fehlverhalten die Möglichkeit der Gesellschaft, diesen durch eine D&O-Versicherung abzusichern, als Argument für eine Haftungsmilderung aus Billigkeitsgründen zu berücksichtigen sei. Siehe dazu auch noch unter 4. Teil H. III. 433 Siehe oben 3. Teil C. I. a.E. 434 Aufgrund der Folgeprobleme eines Ausfalls der D&O-Versicherung lehnen Bayer/ Scholz, NZG 2014, 926, 930 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 367 f. einen Ansatz, der Haftungsgrenze und D&O-Versicherung kombiniert, insgesamt ab. Gegen eine solche Verbindung auch Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 780; Bayer, NJW 2014, 2546, 2548 f.; anscheinend auch Grunewald, AG 2013, 813, 817 (für satzungsmäßige Haftungshöchstgrenzen; dortiger Vorschlag: Begrenzung auf das Fünffache einer Jahresvergütung inklusive variabler Bestandteile).

E. Haftungshöchstgrenzen

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dieses Betrages435 geboten wäre. Unter Berücksichtigung der bisher gefundenen Ergebnisse unterscheidet sich die Haftungssituation der Vorstandsmitglieder de lege lata nur wenig von der de lege ferenda unter Geltung einer in ihrem Anwendungsbereich eng beschränkten gesetzlichen Haftungsbegrenzung. De lege lata besteht, soweit eine D&O-Versicherung eingreift, eine Einstandspflicht des Versicherers. Gegen einen Ausfall dieser Versicherung kann sich das Vorstandsmitglied, wie auch de lege ferenda, durch eine vorherige Vereinbarung mit der Gesellschaft, die ihm entsprechenden Versicherungsschutz zusichert, absichern. Das Mitglied des Vorstands selbst haftet im Idealfall nur in Höhe des Selbstbehalts, für den es sich wiederum Versicherungsschutz beschaffen kann. Zwischen der Haftungssituation de lege lata und der de lege ferenda besteht bis hierher kein Unterschied.436 De lege lata bestehen Ersatzansprüche der Gesellschaft in Höhe des vollen Schadens, mithin auch über die maximale Deckungssumme einer bestehenden D&O-Versicherung hinaus. Zwar sollte dies, eine ideale Bemessung der gesetzlichen Haftungsgrenze vorausgesetzt, de lege ferenda entfallen, vorbehaltlich einer abweichenden vertraglichen Zusicherung verbliebe für die Vorstandsmitglieder aber das Risiko, dass die Gesellschaft eine Versicherung mit einer niedrigeren als der vom Gesetzgeber angenommenen Deckungssumme abgeschlossen hätte, sodass auch hier die Gefahr einer wirtschaftlichen Überforderung nicht gänzlich ausgeräumt wäre. Allerdings könnte durch die Haftungshöchstgrenze eine Selbstversicherung möglich sein, was für die Vorstandsmitglieder aber mit weiteren, ebenfalls Präventionswirkung entfaltenden, Kosten und Ausfallrisiken verbunden wäre. Besteht keine D&O-Versicherung, haftet das Vorstandsmitglied de lege lata mit seinem Vermögen in unbegrenzter Höhe, de lege ferenda bis zur Haftungshöchstsumme. Angesichts der intendierten Höhe und Bemessung dieses Betrags ist aber vorgesehen und daher davon auszugehen, dass oberhalb dieses Betrags eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitglieder des Vorstands nicht mehr gegeben wäre, die Gesellschaft also bereits de lege lata keinen Schadensersatz in dieser Höhe erhalten könnte, sodass auch eine Anspruchsverfolgung von vornherein nicht zu erwarten wäre. Ein bedeutsamer Unterschied hinsichtlich der Präventionswirkung besteht daher auch hier nicht. Nach der hier vertretenen Auffassung greift daher der Einwand, in Verbindung mit einer D&O-Versicherung erlaube eine gesetzliche Haftungsbegrenzung eine vollständige Freistellung,437 nicht durch, handelt es sich doch um ein bereits de lege lata bestehendes Phänomen. In einer Abschaffung des Selbstbehalts und der Versicherung eines unter der Haftungshöchstsumme liegenden Betrags, wie sie im Schrifttum vorgeschlagen 435

Dies erwägt Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 65. Vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 362 f. 437 Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; vgl. auch den Ansatz bei Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 933; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 379 ff., die unter Aufgabe der Kompensationsfunktion der Vorstandsinnenhaftung eine vergleichsweise niedrige Haftungshöchstgrenze, verbunden mit einem Einstehen allein der Vorstandsmitglieder in Fortentwicklung des Selbstbehalts des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG vorsehen wollen. 436

484

4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

wird, um eine Präventionswirkung für das Vorstandsmitglied aufrecht zu erhalten,438 ist kein entscheidender Vorteil zu sehen. Eine Anhebung des Mindestselbstbehalts oder ein Verbot seiner Versicherung wären aus den genannten Gründen nicht geboten. c) Gläubigerschutz und Schutz der Aktionärsminderheit (Aktionärsklage) Wie bereits zu der erörterten satzungsmäßigen Begrenzung des Sorgfaltsmaßstabs ausgeführt,439 wäre bei Einführung einer gesetzlichen Haftungsdeckelung in dem hier vorgeschlagenen engen Anwendungsbereich mangels Auswirkungen auf die durch Gläubiger nach § 93 Abs. 5 AktG440 und die Aktionärsminderheit des § 148 AktG geltend zu machenden Ansprüche eine Beeinträchtigung deren Stellung nicht gegeben. Dasselbe würde bei der hier vorgeschlagenen, hoch angesetzten Haftungsgrenze für das Klageerzwingungsrecht des § 147 Abs. 1 AktG in der Sache gelten. 6. Fazit Aufgrund der nach den bisher gefundenen Ergebnissen und des Fehlens empirischer Daten unter Berücksichtigung dieser Unklarheit vorsichtig als gering eingeschätzten Gefahr einer tatsächlich die wirtschaftliche Existenz eines Vorstandsmitglied vernichtenden Haftung wegen eines vergleichsweise geringfügigen Pflichtenverstoßes erscheint eine umfassende gesetzliche Haftungsbegrenzung mit den entsprechenden Einbußen an Präventions- und Kompensationswirkung nicht geboten. Daher war zu untersuchen, ob eine solche Haftungshöchstsumme zum Schutz der Gesellschaft vor übermäßiger Risikoaversion des Managements und zur Verbesserung der Versicherbarkeit ihrer Vorstandsmitglieder im Einklang mit geltendem Recht im Übrigen fruchtbar zu machen ist. Einer solchen, hoch angesetzten Haftungshöchstsumme stehen, wie gezeigt, weder Gesichtspunkte der Präventions- noch der Kompensationswirkung der Vorstandshaftung als Ausschlussgründe entgegen. Die fehlende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vorstandsmitglieder im Einzelfall stellt aufgrund eines lediglich als Rechtsreflex zu gewährleistenden Sozialschutzes und der Ausrichtung auf die genannten Zwecke kein Problem dar. Rechtsvergleichend gegen die Einführung einer gesetzlichen Haftungsgrenze vorgebrachte Argumente, vor allem der Verweis auf das US-amerikanische Recht, vermögen wegen der nur partiellen Vergleichbarkeit der Haftungsverhältnisse, insbesondere des Fehlens einer 438 So aber zum damals noch als Empfehlung des DCGK geregelten Selbstbehalt Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 593, 599. 439 Vgl. oben unter 4. Teil D. II. 3. b) cc) u. dd). 440 Vgl. dazu auch Grunewald, AG 2013, 813, 816; Rust, AR 2014. 36, 37.

E. Haftungshöchstgrenzen

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dem Grundsatz der Satzungsstrenge vergleichbaren Regelung, im Ergebnis nicht zu überzeugen. Um die verfolgten Zwecke zu gewährleisten und zugleich eine hinreichende Verhaltenssteuerungswirkung und einen solchen Schadensausgleich der Gesellschaft zu erhalten, wäre eine gesetzliche Haftungsbegrenzung lediglich in einem engen Anwendungsbereich zu regeln. Dieser könnte die Haftung für einfache Fahrlässigkeit mit Ausnahme von Verletzungen der Legalitäts- oder Treupflicht, der Sondertatbestände des § 93 Abs. 3 AktG sowie darüber hinaus im Einzelnen noch festzustellender üblicher Haftungsausschlüsse von D&O-Versicherungen umfassen. Die praktische Umsetzung würde den Gesetzgeber vor einige Herausforderungen stellen. Der als ideal zu bewertende Haftungshöchstbetrag setzte sich zusammen aus der Deckungssumme einer unter den konkreten Verhältnissen der Gesellschaft mit betriebswirtschaftlich sinnvollem Aufwand zu finanzierenden D&O-Versicherung zuzüglich des Mindestselbstbehalts des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG. Die abstrakte Bestimmbarkeit ersterer Position konnte nicht abschließend geklärt werden. Gegen den Ausfall einer bestehenden D&O-Versicherung aus bei der Gesellschaft liegenden Gründen sollten sich Vorstandsmitglieder durch entsprechende vertragliche Zusicherungen im Voraus absichern. Eine Erhöhung des Selbstbehalts oder ein diesbezügliches Versicherungsverbot in Verbindung mit der Einführung der hier umrissenen gesetzlichen Haftungshöchstgrenze ist nicht erforderlich. Der hier skizzierte Reformvorschlag bringt keine wesentlichen Veränderungen der Haftungssituation mit sich, sondern dient vor allem dazu, de lege lata bestehende Unsicherheiten, die die Versicherbarkeit der Vorstandshaftung und damit mittelbar ihre Geltendmachung erschweren441 sowie Anlass zu übermäßigen Risikovorsorgemaßnahmen oder übervorsichtigem Verhalten des Vorstands im Bereich unternehmerischen Handelns geben, zu beseitigen.

II. Zulassung satzungsmäßiger Haftungshöchstgrenzen Anstelle einer gesetzlichen wird im Schrifttum teilweise eine satzungsmäßige Regelung einer Haftungshöchstsumme für die Vorstandsmitglieder für vorzugswürdig gehalten.442 Andere sprechen sich für ein über die Gewährung der entspre441 Auf diese Zwecke stellen auch Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224 und Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 63 ab. 442 So Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 780; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 64; ders., ZIP 2014, 579, 582; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 401; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312, 1314; Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 63:16:6 Stimmen (Beschluss I. 3. b)); wohl auch (als Minus zur dort befürworteten Satzungsfreiheit zum Haftungsausschluss bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit) Paefgen, AG 2014, 554, 570; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803 f.; sympathisierend Koch, AG 2014, 513, 523 f.; grds. beide Konzepte (Gesetz, Satzung) befürwortend Spindler, AG 2013, 889, 895 f.; F. Gaul, AG 2015, 109, 115; auch eine Satzungsre-

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

chenden Satzungsfreiheit hinausgehendes Tätigwerden des Gesetzgebers im Sinne einer gesetzlichen betragsmäßigen Begrenzung der Vorstandshaftung443 oder insgesamt gegen eine Haftungsdeckelung aus.444 Nach dem bisher Gesagten ist der Auffassung, die einer gesetzlichen Regelung den Vorzug geben will, zu folgen. Die gegenüber einer satzungsmäßigen Herabsetzung des für Vorstandsmitglieder geltenden Sorgfaltsmaßstabs formulierten Bedenken geltend hier in ganz ähnlicher Weise. Zwar führte eine Haftungshöchstsumme, wie sie hier skizziert wurde, nicht zum vollständigen Ausfall eines Schadensersatzes der Gesellschaft und erscheint daher als „Selbstversicherung“ geeigneter als eine Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs. Die Unwägbarkeiten hinsichtlich der Ausfallrisiken blieben aber, wenn nicht die hier vorgeschlagene Kombination mit einer D&O-Versicherung erfolgte, ganz vergleichbar. Durchgreifende Zweifel ergeben sich auch hier an den Kapazitäten des Organs Hauptversammlung, ex ante eine sachgerechte, den Interessen aller Beteiligten entsprechende Entscheidung zu treffen sowie an der Gewährleistung der erforderlichen Publizität und der Bewertungsfähigkeit der Kapitalmärkte hinsichtlich solcher Satzungen. Hinzu kommen die Unsicherheit eines Wegfalls einer solchen Satzungsbestimmung sowie das Fehlen einer flächendeckenden Lösung. Insgesamt ist damit zwar auch hinsichtlich eines durch Satzung geregelten Haftungshöchstbetrags bei Gewährung der entsprechenden Satzungsfreiheit de lege ferenda Vereinbarkeit mit geltendem Aktienrecht im Übrigen anzunehmen. Es fehlte aber auch hier einer nur in entsprechend den oben formulierten engen Grenzen zulässigen statutarischen Regelung an Vorzügen, die die aufgezeigten Risiken und Unwägbarkeiten rechtfertigen könnten. Angesichts der entwickelten gesetzlichen Lösung, die nicht mit vergleichbaren Nachteilen verbunden wäre, erscheint hier die Zulassung satzungsmäßiger Regelungen, die nur alternativ zu gesetzlichen in Betracht kommen können, erst recht nicht empfehlenswert.445 Aufgrund der damit einhergehenden Unsicherheit hinsichtlich des Fortbestands eines geltenden Haftungsregimes erscheint auch die Einräumung einer Möglichkeit des „Opt-out“ aus dem vorgeschlagenen gesetzlichen Höchstbetrag durch Satzung nicht angebracht.

gelung halten Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116 für eher zu „starr“; bereits de lege lata halten Grunewald, AG 2013, 813, 815 f.; Rust, AR 2014, 36, 37 die Festlegung einer solchen Haftungsgrenze in der Satzung für zulässig. 443 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 932; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 361 ff.; Bayer, NJW 2014, 2546, 2548. 444 Vgl. Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Fleischer, WM 2005, 909, 915; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 71; keinen Bedarf stellt Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 155, 163 vor „ARAG/Garmenbeck“ fest. 445 Vgl. zum Ganzen Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930 ff.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 361 ff.; Bayer, NJW 2014, 2546, 2548 sowie oben unter 4. Teil D. II.

G. Billigkeitsklausel

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F. Zulassung vertraglicher Haftungsbeschränkungen Mangels Publizität und Einbeziehung der Hauptversammlung sollten (anstellungs-)vertragliche Haftungsbeschränkungen weder in Gestalt einer summenmäßigen Haftungsdeckelung noch einer Reduzierung des Sorgfaltsmaßstabs zugelassen werden.446 Obwohl solche Regelungen freilich wesentlich größere Flexibilität und einen individuellen Zuschnitt auf das einzelne Vorstandsmitglied erlaubten,447 passen sie nicht in die Aktiengesellschaft, deren Binnenstruktur, zu der auch die Organhaftung gehört, für Gläubiger und den Kapitalmarkt hinreichend transparent sein muss.

G. Billigkeitsklausel De lege ferenda wird im Schrifttum in jüngerer Zeit wieder die Einführung einer, bereits im Vorfeld des 43. Deutschen Juristentages 1960 erwogenen, Billigkeitsklausel gefordert, die in Ausnahme vom Grundsatz der Totalreparation, wie er im deutschen Zivilrecht gilt, dem Richter in Extremfällen eine Herabsetzung des zu leistenden Schadensersatzes aus Billigkeitsgründen gestatten soll.448

I. Die Reformdiskussion zur Einführung einer Billigkeitsklausel in den 1950er/60er-Jahren 1. Hintergründe der Reformdiskussion Ausgangspunkt der Reformdiskussion, in deren Rahmen grundlegende Veränderungen des Schadensersatzrechts, insbesondere unter der Fragestellung einer Begrenzung der Ersatzpflicht wie sie heute für die Vorstandshaftung erwogen wird, gefordert wurden, war die Einsicht, dass sich die Verhältnisse, unter denen insbesondere deliktische Schadensersatzansprüche zustande kamen, seit der Einführung 446 Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen unter 4. Teil D. II. 3. a) bb) verwiesen. Ebenso Grunewald, AG 2013, 813, 816; Rust, AR 2014, 36, 37; a.A. Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116 (mit gesetzlichem Rahmen der zulässigen Begrenzung bemessen an der Vorstandsvergütung); F. Gaul, AG 2015, 109, 114, der im Zusammenspiel mit einer gesetzlichen Haftungshöchstgrenze individuelle Vereinbarungen mit den einzelnen Vorstandsmitgliedern auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben vorschlägt; bzgl. einer Abmilderung des Sorgfaltsmaßstabs bereits de lege lata Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395. 447 Auf diese Vorzüge stützen sich Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2116. 448 Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 155, 163; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 32, E 58; Paefgen, AG 2014, 554, 570; sympathisierend Koch, AG 2014, 513, 523. Dagegen Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 11:47:29 Stimmen (Beschluss I. 1. c)), auch hinsichtlich einer speziell auf die Vorstandshaftung bezogenen Regelung ablehnend mit 23:42:23 Stimmen (Beschluss I. 1. d)).

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

des BGB durch den technischen Fortschritt, auch in Gestalt einer Zunahme des motorisierten Straßenverkehrs, und der damit verbundenen neuen und größeren Schadensrisiken, grundlegend gewandelt, die Schadenshergänge sich aber weniger individuell, sondern zunehmend schematisch entwickelt hatten.449 Aufgrund dieser Entwicklungen wurde daran gezweifelt, dass die dergestalt gewandelten Verhältnisse der Schadensentstehung mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln, namentlich der Adäquanztheorie, ausreichend zu bewältigen seien. In der Folge wurden in Rechtsprechung und Schrifttum in Gestalt des allgemeinen Lebensrisikos, des Schutzzweckzusammenhangs sowie als Vorschlag de lege ferenda eben der hier zu untersuchenden Billigkeitsklausel Ansätze zur Ergänzung oder Ablösung der als zu weit und in bestimmten Fallgestaltungen nicht sachgerecht empfundenen Adäquanzformel entwickelt. 2. Die haftungsbegrenzende Funktion der Adäquanz und ihre Grenzen Den Hintergrund der Etablierung des allgemeinen Lebensrisikos im Schadensersatzrecht, das vom BGH und der überwiegenden Literaturauffassung als Ausprägung der Haftungsbegrenzung anhand des Schutzzwecks der Norm verstanden wird, bildet die Erkenntnis, dass die Adäquanztheorie, die die Haftung gegenüber der reinen Ursächlichkeit im Sinne eines Verhaltens als condicio sine qua non für den eingetretenen Schaden einschränken soll,450 dort an Grenzen der argumentativen Begründbarkeit des Ergebnisses stößt, wo es um Folgen geht, die nicht vor allem außerhalb des Vorstellbaren liegen, sondern sich vielmehr als unglückliche Ereignisverläufe darstellen. Über verschiedene Rechtsordnungen hinweg ist man sich darin einig, dass eine Haftung des Verursachers solcher Schäden, die lediglich mittelbare, ganz ungewöhnliche, nach der Lebenserfahrung nicht vorauszusehende Folgen des auslösenden Verhaltens waren, nicht gegeben sein soll.451 Die Begründung des Haftungsausschlusses anhand der Adäquanztheorie bereitet in einigen dieser Fälle allerdings Schwierigkeiten.

449 Vgl. Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 10; Weitnauer, FG Oftinger, 1969, S. 321; RefE eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften II, S. 1; ähnl. v. Caemmerer, FS DJT, 1960, S. 49, 62. 450 Grundlegend zur zunächst für das Strafrecht entwickelten Adäquanztheorie v. Kries, Vierteljahresschrift für wissenschaftl. Philosophie 1888, 179 ff., 287 ff., 393 ff.; Rümelin, AcP 90 (1900), 171 ff., insb. §§ 2 (182 ff., 193 f.), 5 (235 ff.); Enneccerus/Lehmann, § 15 III 2 (S. 66 ff.). 451 Siehe bereits Rümelin, AcP 90 (1900), 171, 306; ausführlich unter 4. Teil G. I. 2. b) aa).

G. Billigkeitsklausel

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a) Die Adäquanztheorie als Begrenzung deliktischer Haftung Es herrscht Einigkeit darüber, dass die Äquivalenztheorie, nach der ursächlich jede Bedingung ist, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass ein Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, als Zurechnungsmechanismus in zivilrechtlichen Haftungsfragen zu weitgehend und damit für sich genommen unzureichend ist.452 aa) Grundlegende Inhalte der Adäquanztheorie Dem versucht die Adäquanztheorie zu begegnen, deren Grundgedanke von Kries so formuliert: „Wo es festgestellt ist, dass ein Moment für einen Erfolg causal war, da unterscheidet man doch noch, ob der Zusammenhang desselben mit dem Erfolge ein zu verallgemeinernder oder nur eine Eigenthümlichkeit des vorliegenden Falls ist, ob das Moment, wie man wohl zu sagen pflegt, allgemein geeignet ist, eine Tendenz besitzt, einen Erfolg solcher Art hervorzubringen oder ob es nur in zufälliger Weise die Veranlassung desselben geworden ist.“453 Ob ein solcher zu verallgemeinernder Zusammenhang vorliegt, soll anhand einer „generalisierenden Betrachtung des Einzelfalles“ zu bestimmen sein, wobei eine sich hierbei ergebende „Unsicherheit und Willkürlichkeit“ bereits von Kries nicht bestreitet.454 Dabei soll „Hauptursache“, also das, was im allgemeinen Sprachgebrauch als ursächlich bezeichnet wird,455 lediglich ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten sein.456 Rümelin will die Adäquanz eines eingetretenen Kausalverlaufs anhand einer „nachträglichen objektiven Prognose“ feststellen, in die „sämtliche zur Zeit der That vorhandenen Umstände, die überhaupt […] bekannt geworden sind“, was die dem Täter bekannten Umstände einschließe, einzubeziehen seien und auf dieser Grundlage fragen, ob die Tat generell geeignet war, den Erfolg herbeizuführen.457 Eine geläufige Fassung der Adäquanztheorie geht auf Traeger zurück, wonach eine „Begebenheit“, die condicio sine qua non für den eingetretenen Erfolg ist, „dann adäquate Bedingung des Erfolgs [ist], wenn sie generell begünstigender Umstand eines Erfolgs von der Art des eingetretenen ist, d. h. wenn sie die objektive Möglichkeit eines Erfolgs von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöht.“458 Als Beurteilungsmaßstab wählt Traeger eine grundsätzlich ob452 Siehe nur BGHZ 3, 261, 265; Lindenmaier, ZHR 113 (1950), 207, 211 f.; Weitnauer, FG Oftinger, 1969, S. 321, 323; Lange/Schiemann, § 3 III, IV 1 (S. 80, 81), Schiemann, in: Staudinger (2005), § 249 Rn. 12. 453 v. Kries, Vierteljahresschrift für wissenschaftl. Philosophie 1888, 179, 200 f. 454 v. Kries, Vierteljahresschrift für wissenschaftl. Philosophie 1888, 179, 203. 455 Zum Begriff v. Kries, Vierteljahresschrift für wissenschaftl. Philosophie 1888, 179, 204, 239. 456 v. Kries, Vierteljahresschrift für wissenschaftl. Philosophie 1888, 179, 208 f., wobei eine Übertragung der Ergebnisse auf das Zivilrecht ausdrücklich nicht unternommen wird, ebd., 239. 457 Rümelin, AcP 90 (1900), 171, 224. 458 Traeger, Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht, S. 159.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

jektive, jedoch durch Sonderkenntnisse des Täters zu erweiternde ex ante-Perspektive.459 Negativ formulieren Enneccerus/Lehmann, dass es an einem adäquaten Kausalzusammenhang fehle, wenn das ursächliche Ereignis bei generalisierender Betrachtung die Gefahr des Schadenseintritts nicht erhöht hat (d. h. bei objektiver Betrachtung indifferent war),460 sondern nur aufgrund „anderer außergewöhnlicher Umstände zu einer Bedingung des Schadens wurde“.461 Ähnliche Formulierungen in Anlehnung an Traeger hat das Kriterium der adäquaten Schadensverursachung in der Rechtsprechung des Reichsgerichts erfahren, wonach „ein ursächlicher Zusammenhang rechtlich dann nicht als gegeben zu erachten ist, wenn der Schade nur unter Mitwirkung eines zweiten Ereignisses zustande gekommen ist, das mit dem ersten keinen Zusammenhang hat, so daß vom Standpunkt eines alle dem Menschen zu Gebote stehenden Erfahrungen und Kenntnisse beherrschenden Beurteilers zur Zeit der die Verantwortung begründenden Handlung eine derartige schadensstiftende Verkettung von Umständen ebenso wahrscheinlich erscheinen mußte, wenn jene Handlung unterblieb als wenn sie erfolgte.“462 Wie das Reichsgericht betont, ist der Begriff der Adäquanz nicht gleichbedeutend mit Voraussehbarkeit, ist aber umgekehrt derjenige Schaden, der nach dem zitierten Maßstab nicht vorausgesehen werden konnte, inadäquate Folge des Ereignisses.463 bb) Die Adäquanz als Abgrenzungsmerkmal in Rechtsprechung und Literatur Überwiegend wird das Adäquanzkriterium in Literatur und Rechtsprechung wesentlich weniger präzise gefasst, was zu den Schwächen als Abgrenzungsmerkmal einen nicht ganz unerheblichen Beitrag geleistet haben dürfte.464

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Traeger, Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht, S. 159: „Um das erforderliche Möglichkeitsurteil zu bilden, ist das gesamte Erfahrungswissen zugrunde zu legen und es sind vorauszusetzen alle zur Zeit der Begehung der Handlung (oder zur Zeit des Eintritts des sonstigen Ereignisses) vorhandenen Bedingungen, die zu diesem Zeitpunkte dem einsichtigen Menschen erkennbar waren, ferner die dem Täter selbst außerdem noch bekannten. Von den übrigen Bedingungen ist zu abstrahieren.“; bedeutungsgleich BGHZ 3, 261; krit. bzgl. einer reinen Betrachtung ex ante Weitnauer, FG Oftinger, 1969, S. 321, 338. 460 Lange/Schiemann, § 3 VI 2 (S. 84). 461 Enneccerus/Lehmann, § 15 III 2 (S. 66). 462 RGZ 81, 359, 360 f.; ähnl. in positiver Formulierung RGZ 133, 126, 127: „Ein solcher [adäquater Kausalzusammenhang] besteht dann, wenn eine Handlung oder Unterlassung im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des eingetretenen Erfolgs geeignet gewesen ist.“. 463 RGZ 81, 359, 360. 464 Ebenso Weitnauer, FG Oftinger, S. 321, 330.

G. Billigkeitsklausel

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Zutreffend ist zwar, dass mittels des Kriteriums der Adäquanz die Haftung für Schäden ausgeschlossen werden soll, deren Eintritt außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt.465 Eine Beschränkung der Adäquanztheorie auf die Ausgrenzung gänzlich unwahrscheinlicher Ereignisverläufe umfasst aber die dargestellten Ansätze nur unvollständig. Adäquat ist nach der Rechtsprechung des BGH ein Kausalverlauf, wenn die eingetretene Folge „im Bereich naheliegender Möglichkeiten“ lag,466 „keinesfalls ganz ungewöhnlich in dem Sinne, daß sie nach der Erfahrung des Lebens vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann“467 oder „vorhersehbar und verhütbar“468 war. Die Ausscheidung dessen, was als unglücklicher Geschehensablauf bezeichnet werden kann und in den älteren Formulierungen des Adäquanzgedankens auch zum Ausdruck kommt, wird hierdurch sprachlich nur begrenzt, in eben jenen Fällen, die so unglücklich verlaufen sind, dass sie als ganz unwahrscheinlich bezeichnet werden können, erfasst. Einigkeit herrscht seit Langem darüber, dass es sich bei der Frage der Adäquanz eines Kausalverlaufs nicht um eine solche nach der Ursächlichkeit eines Ereignisses, sondern um die der Zurechenbarkeit von Schäden zu einem Verursacher handelt.469 Es handle sich, so der BGH, „um die Ermittlung der Grenze, bis zu der dem Setzer einer Bedingung eine Haftung für ihre Folgen billigerweise zugemutet werden kann“.470 Die später insbesondere durch von Caemmerer als Grundlage der Haftungsbegrenzung anhand des Normzwecks herangezogenen Gedanken der Billigkeit der Gewährung eines Anspruchs des Geschädigten und der Zumutbarkeit der Haftung für den Verursacher kommen bereits hier zum Ausdruck.471 Neben der Adäquanz greift der BGH auch immer wieder auf Sinn und Zweck der konkreten

465

Lange/Schiemann, § 3 VI 1 (S. 82). BGH NJW 1964, 650, 651. 467 BGH JZ 1964, 178. 468 BGH NJW 1956, 1276. 469 Siehe nur BGHZ 3, 261, 267; Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 11; Weitnauer, FG Oftinger, 1969, S. 321, 324. 470 BGHZ 3, 261, Hervorhebung durch die Verf.; ähnl. RG HRR 1933 Nr. 498: Der Begriff des adäquaten Kausalzusammenhangs solle „die Möglichkeit schaffen, einzelne Bedingungen, die im naturwissenschaftl. Sinne Ursachen eines Erfolges waren, ohne deren Vorhandensein also der Erfolg nicht eingetreten wäre, für den Kausalzusammenhang im rechtl. Sinne auszuschalten, und zwar sollen die logisch von dem Erfolg entferntesten Bedingungen ausgeschaltet werden, weil die Berücksichtigung auch dieser Bedingungen im R[echts]Leben zu Ergebnissen führen würde, die der Billigkeit widersprächen, weil ihre Berücksichtigung auf alle Fälle ins Uferlose führen würde und bei der Schwäche aller menschl. Erkenntnis praktisch unmögl. wäre.“. 471 Dazu sogleich unter 4. Teil G. I. 2. b) aa). Zum Einfluss von Billigkeits- und Zumutbarkeitserwägungen s. auch BGHZ 8, 325, 329 (Vorteilsanrechnung bei Erbfall durch Tötung des Erblassers); 20, 137, 142 (sog. Rentenneurose). 466

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Schadensersatzpflicht zur Bemessung des Haftungsumfangs zurück,472 ohne dass ein Rangverhältnis oder scharfe Grenzen zwischen beiden ersichtlich werden. Erkennbar werden diese Gesichtspunkte auch in der Frage nach dem Vergleichsmaßstab der Vorhersehbarkeit. Es dürfte aber offensichtlich sein, dass die Auswahl der Fälle, die noch als Generalisierung des auf seine Adäquanz zu beurteilenden Sachverhalts betrachtet werden sollen, von entscheidender Bedeutung für das Adäquanzurteil ist.473 Die von Weitnauer vorgeschlagene „einfache Antwort“ auf die Frage dürfte in der Tat lauten, dass logische Kriterien hierfür nicht existieren, vielmehr „die Abgrenzung ausschließlich nach Gesichtspunkten der praktischen Vernunft, des gesunden Menschenverstandes geschehen [kann]“ und so „manchmal größeren, manchmal kleineren Ermessensspielraum“ lässt.474 Hieran zeigt sich die von Rabel anschaulich herausgearbeitete Problematik der Adäquanz als Haftungsgrenze: Tritt ein als außergewöhnlich zu charakterisierender Ereignisverlauf zum ersten Mal auf, sind durchaus Fallgestaltungen denkbar, in denen sich ernstlich behaupten lässt, das Geschehene sei nach objektiven Maßstäben nicht voraussehbar und eine gänzlich ungewöhnliche Folge gewesen. Geschieht dasselbe ein zweites Mal, fällt diese Begründung deutlich schwerer, ist doch die Erfahrung aus dem ersten Vorfall kaum zu leugnen.475 Ferner stößt die Adäquanztheorie auch mit dem technischen Fortschritt, der immer neue, präzisere Erkenntnisse hinsichtlich der von bestimmten Verhaltensweisen ausgehenden Gefahren ermöglicht und dadurch die Zahl wirklich unvorhersehbarer Ereignisse zunehmend schmälert, an ihre Grenzen. Einen Versuch, diese Grenzen zu überwinden, unternimmt der Ansatz, der die Schadensersatzpflicht anhand des Schutzzwecks der Norm, ausgehend von einem immer bestehenden allgemeinen Lebensrisiko eingrenzen will. 472 So in BGHZ 8, 325, 329 (Vorteilsanrechnung), wo zunächst die adäquate Kausalität der Tötung des Erblassers für den Anfall von Einkünften aus dem ererbten Vermögen als das „wirtschaftlich und nach Treu und Glauben zu erstrebende Ergebnis“ bejaht wurde, um sodann auf Sinn und Zweck der Ersatzpflicht einzugehen; im Anschluss daran BGHZ 10, 107; BGHZ 20, 137, 142 (sog. Rentenneurose) zur Begründung der Verneinung eines Anspruchs trotz adäquatem Kausalzusammenhang: „Wenn die Rechtsordnung dem durch eine Körperverletzung Betroffenen einen Anspruch auf Schadensausgleich gibt, so will sie diesem helfen und seine alsbaldige Genesung tunlichst erleichtern. Diesem Sinn des Schadensersatzanspruches widerspräche es, wenn gerade durch die Tatsache, daß ein anderer Schadensersatz zu leisten hat, die Wiedereinführung in den sozialen Lebens- und Pflichtenkreis erschwert oder gar unmöglich gemacht würde.“ Ferner könne dem Schädiger „nicht zugemutet werden, zu der Verfestigung eines Zustandes beizutragen, der letztlich der körperlichen und seelischen Gesundung des Klägers abträglich ist.“; BGH NJW 1963, 1671, 1672, verneint im Anschluss an BGHZ 25, 86, 91, anders als dort (Adäquanztheorie), aufgrund des Fehlens eines dahingehenden Schutzzwecks von Schadensersatznormen die Haftung für Schäden aus lediglich anlässlich der Behandlung von Unfallfolgen vorgenommenen medizinischen Maßnahmen. 473 v. Kries, Vierteljahresschrift für wissenschaftl. Philosophie 1888, 179, 216 ff.; Lange/ Schiemann, § 3 VI 2 (S. 84 f.) mit anschaulichem Bsp. 474 Weitnauer, FG Oftinger, 1969, S. 321, 336. 475 Rabel, Warenkauf I, S. 489 f.

G. Billigkeitsklausel

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b) Der Schutzzweck der Norm und das allgemeine Lebensrisiko als Grenzen der Schadensersatzpflicht aa) Der Ansatz am Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm Die Grundlagen einer Begrenzung der Schadensersatzhaftung anhand des Schutzzwecks der Norm schufen Rabel476 und von Caemmerer.477 Die Auffassung von Caemmerers, die Grenzen deliktischer Haftung seien von „Schutzzweck und Schutzumfang“478 her „durch die Entfaltung von Sinn und Tragweite“479 der konkret haftungsbegründenden Norm zu bestimmen, basiert auf der Annahme, dass generelle Versuche, die juristisch bedeutsamen Ursachenzusammenhänge, insbesondere bereits auf der Ebene der Kausalität,480 zu erfassen, wegen Unmöglichkeit einer solchen, sämtliche Fallgestaltungen mit zufriedenstellenden Ergebnissen lösenden Bestimmung zum Scheitern verurteilt seien.481 Neben den Bedenken gegen einen solchen abstrakten, umfassenden juristischen Kausalitätsbegriff konstatiert von Caemmerer eine Überbetonung der Kausalitätsebene im Deliktsrecht, auf der man glaube, Probleme lösen zu müssen und zu können, die nicht auf die Frage, ob ein Ereignis notwendige Bedingung einer eingetretenen Folge war, sondern auf normative Fragestellungen zurückzuführen seien.482 Die zu lösenden Probleme stellt von Caemmerer, ähnlich wie bereits Rabel, anhand von Fallbeispielen, auch zum Deliktsrecht ausländischer Rechtsordnungen, dar, in denen es überwiegend darum geht, eine Haftung für über ein zu erwartendes 476

Rabel, Warenkauf I. v. Caemmerer, Kausalzusammenhang; ders., NJW 1956, 569, 570 f. 478 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 402; gleichsinnig ders., NJW 1956, 569, 570. 479 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 403; ders., NJW 1956, 569, 570; vgl. auch die Empfehlung Langes, Gutachten zum 43. DJT, S. 42 ff. 480 Zur Einordnung der adäquaten Kausalität nicht als Ursächlichkeits-, sondern Zurechnungsmaßstab, s. o. 4. Teil G. I. 2. a) bb), die Kritik von Caemmerers bezieht sich jedoch auf die Inhalte der Adäquanzformel, sodass sich aus deren rechtlicher Qualifikation keine Folgen ergeben. 481 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 402 f., 408; zust. Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 44; ganz ähnl. bzgl. einer exakten Bestimmung der Grenze der haftungsrelevanten Folgen Rabel, Warenkauf I, S. 479, 489; ebenso zum englischen und schottischen Recht, das eine Haftung (für Vertragsverletzungen) dann ausschließt, wenn „the loss is too remote a consequence of the breach of contract“ oder wenn der Schaden unmittelbare Folge des „breach of contract“ war, jedoch aufgrund besonderer Umstände, die der vertragsbrüchigen Partei nicht bewusst waren und deren Auswirkungen von ihr nicht vorhergesehen werden mussten, Gloag, The Law of Contract, 1914, S. 812: „It would seem impossible to formulate any exact rule as to the degree of remoteness in the chain of cause and effect which will save the perpetrator of a breach of contract from liability for a consequence of which it may be said, negatively, that it would not have happened if the contract had been duly implemented.“; ähnl. zum US-amerikanischen Recht Bingham, 9 Columbia Law Review (1909), 136, 138. 482 Ähnl. Kritik bereits Rabel, Warenkauf I, S. 478 f. (rechtsvergleichend), 504; ähnl. zum US-amerikanischen Recht Bingham, 9 Columbia Law Review (1909), 136, 145. 477

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Normalmaß hinausgehende Schäden, für die das Verhalten einer in Anspruch genommenen Person notwendige Bedingung war, mit überzeugenden Argumenten zu verneinen. In Betracht kommen hier für das deutsche Schadensersatzrecht die Adäquanz, im französischen und angloamerikanischen Recht die Begrenzungsansätze des dommage certain bzw. direct483 bzw. der proximate causation,484 die auf die Nähe der Schadensfolge zum auslösenden Ereignis und im Fall der proximate cause in uneinheitlicher Formulierung auf die Wahrscheinlichkeit und Vorhersehbarkeit des Schadens als Folge des Verhaltens abstellen.485 Im Ergebnis lehnt von Caemmerer, wie bereits zuvor Rabel,486 einen Ausschluss der Haftung im Wege der Verneinung der adäquaten Kausalität als in der Sache unzutreffend ab und plädiert vor diesem Hintergrund für eine Haftungsbegrenzung anhand des Schutzzwecks der konkreten Anspruchsgrundlage des begehrten Schadensersatzes.487 Die Begrenzung deliktischer Haftung durch den Schutzzweckgedanken finde sich im deutschen Recht bereits im Gesetz,488 sodass der Rückgriff auf die vorgenannten, wenig rechtssicheren Beschränkungsmechanismen einer ausufernden Haftung, deren Wert als Abgrenzungsmechanismen zu Recht in Zweifel gezogen wird,489 anders als in anderen Rechtsordnungen bereits dadurch teilweise entbehrlich sei.490 Ausdrücklich finde sich eine Haftungsbegrenzung, die bereits vor der Etablierung des Schutzzwecks als Haftungsgrenze im Deliktsrecht allgemein anerkannt war, im Tatbestand der Haftung für Schutzgesetzverletzungen, § 823 Abs. 2 BGB.491 Neben 483 Der Begriff stellt auf die Nähe zum Schadensereignis ab und dient der Ausgrenzung „entferntere[r], nicht notwendige[r] Folgen“, Rabel, Warenkauf I, S. 478; Demogue, Tome VI no. 271 (S. 305 f.): „Il n’y a pas de limite précise […] Nous préférions qualifier direct le dommage qui est la suite normale de l‘inexécution.“ [Es gibt keine exakte Grenze [zwischen dommage direct und indirect] […] Wir halten es für vorzugswürdig, den Schaden als „direkt“ zu qualifizieren, der die gewöhnliche Folge des Nichterfüllung ist.]. 484 Dazu Sedgwick, § 111 ff. (S. 192 ff.); Rabel, Warenkauf I, S. 480; krit. zu deren vagen Formulierungen Polemis v. Furness Withy & Co Ltd, [1921] 3 K.B. 560 (576) (Court of Appeal) [Großbritannien]; Bingham, 9 Columbia Law Review (1909), 136, 138 ff.; ähnl. Sedgwick, § 111c. (S. 197). 485 Siehe auch Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 21. 486 Rabel, Warenkauf I, S. 502 ff. 487 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 410; Rabel, Warenkauf I, S. 504 f.; zur Haftungsbegrenzung anhand des Normzwecks in anderen Rechtsordnungen Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 41 f. 488 Siehe auch Rabel, Warenkauf I, S. 503: „Dennoch sind auch alle übrigen Deliktsnormen [außer § 823 Abs. 2 BGB] und die Gefährdungshaftungen durch Merkmale beschränkt, die für den Schadensersatz ein Maß geben.“. 489 Siehe die Nachweise in Fn. 483 f.; Hauptkritikpunkt sind die kaum aussagehaltigen Definitionen, die wenig darüber hinausgehen, den „Normalverlauf“ als das Vorhersehbare und damit hinreichend Ereignisnahe zu qualifizieren. 490 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 404; ähnl. Rabel, Warenkauf I, S. 505; s. auch Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 7. 491 Siehe v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 403; ebenso bereits Rümelin, AcP 90 (1900), 171, 306.

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der bereits im Wortlaut („den Schutz […] bezweckendes Gesetz“) zum Ausdruck kommenden Beschränkung auf Schäden, die sich als Realisierung gerade der Gefahren darstellen, vor denen das Gesetz, gegen welches verstoßen wurde, Schutz gewähren soll,492 ist in § 823 Abs. 2 BGB auch eine weitere, bereits in Absatz 1 enthaltene Grenze deliktischer Haftung formuliert: Der Schutzumfang ist auch in personeller Hinsicht beschränkt, indem lediglich dem „anderen“, also dem Inhaber des verletzten Rechtsguts oder Rechts in § 823 Abs. 1 BGB beziehungsweise dem durch das Gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB Geschützten ein Ersatzanspruch gewährt wird. In Sachverhalten wie in den bei von Caemmerer geschilderten Beispielen, dass etwa ein Arbeitgeber, dessen Arbeitnehmer überfahren wurde, vom Schädiger den Ausfallschaden erlangen könne oder ein Maßschneider, wenn auch wohl erfolglos, Schadensersatz von demjenigen begehrt hatte, der seinen besten Kunden totgefahren habe, ist nach deutschem Recht nicht auf argumentativen Umwegen wie dem dommage certain oder der proximate cause, sondern unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ein Ersatz der mittelbaren Vermögensschäden Dritter ausgeschlossen.493 Für diese personelle Eingrenzung des deliktischen Interessenschutzes seien Kausalitätsüberlegungen per se nicht geeignet, es handle sich nicht um Fragen der Verursachung, sondern um die normative, rechtspolitische Frage, wie weit eine Deliktshaftung hier reichen soll und kann.494

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Rabel, Warenkauf I, S. 502. v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 404 f.; dazu auch ders., FS DJT, 1960, S. 49, 66; Haager, in: RGRKomm, 11. Aufl. 1960, § 823 Anm. 81; anders etwa nach französischem Recht, wo Art. 1382 Code civil [„Tout fait quelconque de l’homme, qui cause à autrui un dommage, oblige celui par la faute duquel il est arrivé à le réparer.“ – „Jede vorsätzliche menschliche Handlung, die einem anderen einen Schaden verursacht, verpflichtet denjenigen, durch dessen Verschulden der Schaden herbeigeführt wurde, diesen wiedergutzumachen.“] allein auf die Schadensverursachung abstellt und ein Ausufern der Schadensersatzhaftung durch weitere, von der Rechtsprechung aufgestellte Erfordernisse zu verhindern versucht wird; dazu v. Caemmerer, ebd.; zur Übersetzung s. die Nachweise bei ders., FS DJT, 1960, S. 49, 50; ebenso § 1295 österr. ABGB: „Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein.“; weitere Rechtsordnung mit allgemeinem Deliktstatbestand nennt v. Caemmerer, FS DJT, 1960, S. 49, 65. 494 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 405; ders., FS DJT, 1960, S. 49, 68; dazu auch Waube v. Warrington, 216 Wis. 603, 258 N.W. 497 (497 f.) (Wis.Supr. 1935) zum Schockschaden einer Mutter, die vom Fenster aus beobachtet hatte, wie ihr Kind überfahren wurde: „The problem must be approached at the outset from the viewpoint of the duty of defendant and the right of plaintiff, and not from the viewpoint of proximate cause. The right of the mother to recover must be based, first, upon the establishment of a duty on the part of defendant so to conduct herself with respect to the child as not to subject the mother to an unreasonable risk of shock or fright, and, second, upon the recognition of a legally protected right or interest on the part of the mother to be free from shock or fright occasioned by the peril of her child. It is not enough to find a breach of duty to the child, follow the consequences of such breach as far as the law of proximate cause will permit them to go, and then sustain a recovery for the mother if a physical injury to her by reason of shock or fright is held not too remote.“. 493

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Auch der Umfang des Schadensersatzes, unter den von Caemmerer zum einen das Erfordernis der Schutzwürdigkeit des beeinträchtigten Interesses und zum anderen die Frage einer Anrechnung aufgrund des Schadensereignisses erlangter Vermögensvorteile einordnet, sei, wie zum Problem der Vorteilsausgleichung auch der BGH495 bereits erkannt habe, „allein aus Sinn und Zweck des Schadensersatzes“496 zu bestimmen und zu begrenzen. Letztendlich gehe es um Zumutbarkeits- und Billigkeitsfragen, anhand derer der deliktischen Haftung Grenzen zu ziehen seien. Deutlich macht von Caemmerer dies am Beispiel der Rentenneurose, also dem Fall, dass ein Geschädigter, trotz verhältnismäßig geringer physischer Unfallfolgen, vermittelt durch die Aussicht auf eine vom Schädiger zu erlangende Geldrente, eine Neurose im Sinne einer „Flucht in die Krankheit“ entwickelt.497 Während die Kausalität des Unfalls für die Neurose im Rechtssinne nicht zu bestreiten sei, sei es, da Grund des Auftretens der Neurose gerade die Aussicht auf die Erlangung einer Geldrente von dem Schädiger sei, sinnwidrig und schadensvertiefend, in solchen Fällen einen Anspruch auf Schadensersatz zu gewähren. Ferner sei die Ersatzleistung dem Unfallverursacher auch nicht zumutbar.498 Anhand der hier teilweise wiedergegebenen Beispiele folgert von Caemmerer, dass zahlreiche Probleme des Deliktsrechts, in denen Einigkeit darüber herrscht, dass eine Haftung des Verursachers im Ergebnis zu einem für die Rechtsgemeinschaft kaum tragbaren Ausufern von Ansprüchen führen würde,499 nicht auf der Ebene der Kausalität, sondern, wenn auch mit ähnlichen Überlegungen, aus dem Schutzzweck der Norm und damit einer Abwägung der in Widerstreit stehenden Interessen anhand von Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu lösen seien.500 Dabei geht von Caemmerer von der graduellen Herausbildung einer Kasuistik zu den Grenzen des Schutzzwecks der konkreten Schadensersatzvorschriften und damit der Haftung aus.501

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Vgl. BGHZ 8, 325, 329; 10, 107, 108; s. auch Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 14 f. v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 406; inhaltlich auch BGH a.a.O. (Fn. 495); ebenso zum vertraglichen Schadensersatz Rabel, Warenkauf I, S. 495 f.; zum englischen tort law Kenny, A selection of cases illustrative of the English law of tort, S. 15 (zum Fall Gorris v. Scott, 1874): „If a statutory duty be imposed solely in order to prevent damage of one particular kind, no action will lie for such a breach of it as only causes damage of a different kind.“. 497 Zum Begriff der Rentenneurose Larenz I, § 31 I c) (S. 545); auch zur rechtlichen Behandlung Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 190; Schiemann, in: Staudinger (2005), § 249 Rn. 40 ff. 498 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 409. 499 Ähnl. für das Vertragsrecht und auch bezogen auf ausländische Rechtsordnungen Rabel, Warenkauf I, S. 492. 500 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 410; ebenso bereits Rabel, Warenkauf I, S. 496 f. 501 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 408; 409; ähnl. bereits Rabel, Warenkauf I, S. 505. 496

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bb) Das allgemeine Lebensrisiko Obwohl zwischen einem Verhalten des in Anspruch Genommenen und einem eingetretenen Schadenserfolg ein Kausalzusammenhang im Sinne der Äquivalenztheorie502 besteht, wird die Zurechenbarkeit des Erfolges verneint, „wenn die Gefahr [,die sich realisiert hat,] nicht über das hinausgeht, was im täglichen Zusammenleben ohnehin unter Billigung der Rechtsordnung hingenommen werden muss.“503 Der Begriff des allgemeinen Lebensrisikos wird überwiegend, wie die Bezeichnung selbst nahelegt, für dem Einzelnen durch seine übliche Lebensweise drohende Gefahren, wie sie allgemein von den jeweiligen Verhaltensweisen ausgehen, verwendet, teilweise aber auch auf „spezielle Schadensanlagen gerade des Geschädigten“504 bezogen, die sich in einer Weise realisiert haben, die eine Schadenstragung durch Dritte nicht begründen soll.505 Schäden, die durch Verwirklichung solcher Gefahren eintreten, sollen rechtliche Verhaltensnormen in Gestalt von Haftungs- oder Strafnormen nicht vermeiden. Dementsprechend besteht in Fällen, in denen sich das allgemeine Lebensrisiko realisiert, nach ganz überwiegender Auffassung, indem der konkret eingetretene Kausalverlauf als nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst eingeordnet wird,506 keine Haftung des Schädigers.507 c) Das allgemeine Lebensrisiko in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs In der höchstrichterlichen Rechtsprechung tritt das allgemeine Lebensrisiko ausdrücklich zum ersten Mal im Urteil vom 22. April 1958, BGHZ 127, 137, in Erscheinung, indem der BGH, der über die Strafverteidigungskosten des Unfallgeschädigten, gegen den anlässlich des Unfallgeschehens ein Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung eingeleitet worden war, in dessen Rahmen er nach Revision freigesprochen wurde, als aus § 823 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Schaden zu entscheiden hatte, ausführt, dass die Gefahr, Beteiligter eines Strafverfahrens zu werden „im Rahmen eines allgemeinen Risikos [liege], das jeden Staatsbürger 502

Dazu im 3. Teil Fn. 842. OLG Stuttgart, NJW-Spezial 2012, 553; nahezu wortgleich Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 194; ähnl. BGHZ 27, 137, 141. 504 Schiemann, in: Staudinger (2005), § 249 Rn. 89. 505 So z. B. in BGH NJW 1968, 2287: Hier war anlässlich einer durch eine unfallbedingte Kopfverletzung veranlassten ärztlichen Untersuchung des Geschädigten eine Erkrankung entdeckt worden, die zu dessen Pensionierung führte, woraufhin dieser den Verursacher der Kopfverletzung erfolglos auf Schadensersatz in Anspruch nahm; dazu allg. Schiemann, in: Staudinger (2005), § 249 Rn. 35. 506 A.A. (Allgemeines Lebensrisiko als eigenständiges Haftungsbegrenzungselement) Mädrich, Das allgemeine Lebensrisiko, S. 89 ff. 507 Siehe BGHZ 27, 137 („Motorrad“); BGH NJW 1968, 2287; Huber, JZ 1969, 677, 681; Kramer, JZ 1976, 338, 343 f.; Oetker, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 194; krit. ggü. dem allg. Lebensrisiko als Haftungsausschlussgrund Larenz I, § 27 III b) 3. (S. 448 f.). 503

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trifft.“508 In Gestalt des eingeleiteten Strafverfahrens hätten sich „durch den Unfall keine Gefahren verwirklicht, die das Gesetz verhüten will.“509 Zu dem Ergebnis, dass eine Haftung für Schäden, in denen sich solche Risiken realisiert haben, nicht in Betracht komme, gelangt der BGH, indem er zunächst die Ergänzungsbedürftigkeit der Adäquanz als Mechanismus zur Haftungsbegrenzung feststellt510 und im Anschluss an von Caemmerer,511 der an Überlegungen Rabels512 anknüpft, die in der Rechtsprechung zu § 823 Abs. 2 BGB513 bereits damals anerkannte Frage, ob „die Tatfolge, für die Ersatz begehrt wird, innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm“514 liege, ins Zentrum stellt und verneint. Unausgesprochen trägt der Gedanke eines allgemeinen Lebensrisikos, das nicht zu den Gefahren gehört, vor deren Realisierung durch die Haftungstatbestände des Deliktsrechts geschützt werden soll, wohl bereits eine frühere Entscheidung:515 Ein zuvor Angefahrener, der infolge des Unfalls eine Beinprothese trug, konnte aufgrund dieser Behinderung einen schützenden Bunker nicht schnell genug erreichen und wurde infolgedessen durch einen Granatsplitter tödlich verletzt. Ehefrau und Sohn des Getöteten begehrten vom Unfallverursacher Schadensersatz. Der BGH lehnte eine Haftung für den im Krieg eingetretenen Verletzungserfolg als inadäquate Folge ab. Dabei stellte er fest, dass eine Gehbehinderung die Gefahr einer Verwundung durch Granatfeuer nicht in beachtlichem Umfang erhöhe, sondern die Möglichkeit, getroffen zu werden, bei Granatfeuer für jedermann gegeben sei.516

508 BGHZ 27, 137, 141; s. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 07. 02. 1957, NJW 1957, 874, wo in einem gleich gelagerten Fall die Ersatzfähigkeit der Verteidigungskosten als reiner Vermögensschaden aus § 823 Abs. 1 BGB verneint, sodann aber i.R.d. Abs. 2 die Unzulänglichkeit der Adäquanztheorie festgestellt und auf den Schutzzweck des konkreten Schutzgesetzes abgestellt wird; zum Kriterium des Schutzzwecks der Norm in der obergerichtlichen Rspr. s. Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 51 ff. 509 BGHZ 27, 137, 141. 510 Siehe bereits BGHZ 8, 325, 329 (zur Vorteilsausgleichung); 10, 107, 108 (dto.); 20, 137, 142 (zu einer sog. Rentenneurose). 511 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang; ders., NJW 1956, 569, 570 f. 512 Rabel, Warenkauf I, S. 473 ff. 513 BGHZ 12, 213, 217; 19, 114, 126; so bereits das RG, s. die bei Haager, in: RGRKomm, 11. Aufl. 1960, § 823 Anm. 111 zitierte Rechtsprechung; ausführlich Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 39 f. 514 BGHZ 27, 137, 140. 515 BGH NJW 1952, 1010. 516 BGH NJW 1952, 1010, 1011. Dieser Gesichtspunkt vermag auch den Unterschied zur Entscheidung des RG in RGZ 119, 204 (Ausgleiten eines Prothesenträgers als adäquate Folge des die Behinderung verursachenden Unfalls) zu erklären, da es sich bei Granatfeuer nicht um eine spezifisch Gehbehinderten drohende Gefahr handelt, s. Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 52 f.

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3. Der 43. Deutsche Juristentag Die Reformdiskussion um die Tatbestände der Verschuldenshaftung wurde mit der von Hermann Lange begutachteten Fragestellung „Empfiehlt es sich, die Haftung für schuldhaft verursachte Schäden zu begrenzen? Kann für den Umfang der Schadensersatzpflicht auf die Schwere des Verschuldens und die Tragweite der verletzten Norm abgestellt werden?“ Thema des 43. Deutschen Juristentages 1960. Grundlage der Diskussion war die Feststellung, dass es seit Erlass des BGB sowohl im Vertrags- als auch im Deliktsrecht zu einer erheblichen Ausweitung der Haftungstatbestände gekommen war. a) Das Gutachten Langes Als Ursachen dieser Entwicklung stellt Lange in seinem Gutachten die Erstreckung der culpa in contrahendo auf Fälle, in denen es nicht zum Vertragsschluss kommt, die Erweiterung des in § 278 BGB einbezogenen Personenkreises sowie die Entwicklung des Vertrags zugunsten Dritter im Vertragsrecht fest.517 Für das Deliktsrecht basiert derselbe Befund auf einer Erweiterung der durch § 823 Abs. 1 BGB absolut geschützten Rechtsgüter,518 dem weiten Schutzgesetzbegriff des § 823 Abs. 2 BGB, der es genügen lässt, dass die als Schutzgesetz zu qualifizierende Norm den Individual- neben dem Allgemeinschutz bezwecke, einem Bedeutungszuwachs des § 826 BGB über dessen „vorgesehene relativ bescheidene Stellung“ hinaus sowie der Statuierung der Organisationspflicht, die die Exkulpation bei § 831 BGB erheblich erschwert habe und nach Auffassung Langes zunehmend an eine Gefährdungshaftung des Geschäftsherrn heranrücke. Dieser erheblichen Erweiterung der Haftungsgründe stehe als nennenswert lediglich die Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung gegenüber.519 Die Ausführungen Langes stellen, wie bereits zuvor die von Caemmerers, die Eignung allein der Adäquanztheorie zur Bewältigung der mit dem technischen Fortschritt einhergehenden Schadensphänomene, die sich, anders als beim Erlass des BGB, eher als Ausprägung bestimmter Fallgruppen sich realisierender Risiken darstellten, während früher „die individuellen Züge der Einzelsituation“ dem Sachverhalt sein Gepräge gegeben hätten, in Frage.520 Mit von Caemmerer stimmt Lange, teilweise über dessen Kritik hinausgehend, darin überein, dass bestimmte Probleme des Schadensersatzrechts, namentlich die Vorteilsausgleichung,521 die 517

Ebenso v. Caemmerer, FS DJT, 1960, S. 49, 56. Dazu ganz ähnl. v. Caemmerer, FS DJT, 1960, S. 49, 64, der die Ausgestaltung des Systems der Deliktstatbestände durch die Rechtsprechung als „grundlegende Umgestaltung“ mit der Folge einer stärksten Annäherung an einen allgemeinen Deliktstatbestand [d. h. einen solchen, der lediglich die Zufügung eines Schadens voraussetzt] beschreibt. 519 Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 8 f. 520 Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 10, 26. 521 Anschaulich und zutreffend Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 14 f. 518

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Erfassung von Drittschäden und die überholende Kausalität mittels der unveränderten Adäquanzformel nicht sachgerecht zu lösen seien und stellt überdies fest, dass einheitliche Rechtsprechungsgrundsätze sich diesbezüglich nie etabliert hätten, mithin erhebliche Rechtsunsicherheiten bestünden. Wo Rechtssicherheit bestehe, gründe sich diese weniger auf ein konsequentes theoretisches Konzept als auf eine ständige Rechtsprechung zu gängigen Problemfällen.522 Neben einer Begrenzung des Schadensersatzes anhand des Schutzzwecks der verletzten Pflicht, wie sie von Caemmerer und Rabel entwickelt haben, empfiehlt Lange auch die Berücksichtigung des Verschuldensgrades bei der Bemessung der Schadensersatzpflicht.523 Ausgehend davon, dass „in jedem Schadensfall neben dem Unrecht auch ein Stück Unglück“524 enthalten sei, soll die vorzunehmende Abstufung der Schadensersatzhaftung die Verteilung dieser beiden Anteile zwischen Schädiger und Geschädigtem abbilden. Dementsprechend soll, so Lange, wie in § 254 BGB eine Schadensteilung möglich sein.525 Es wird empfohlen, diese an ein objektives Kriterium, eines „ein gewisses Maß“ übersteigenden Schadens sowie ein subjektives geringen Verschuldens als Voraussetzungen anzuknüpfen.526 Indes hegt der Gutachter Bedenken gegen eine zu weitreichende richterliche Ermessensfreiheit unter Billigkeitsgesichtspunkten, wie sie etwa das schweizerische Obligationenrecht in Art. 43 f. einräumt und formuliert daher seinen Reformvorschlag zurückhaltend, indem bei einem „außergewöhnlich hohen“ lediglich leicht fahrlässig verursachten Schaden die Ersatzpflicht „nach billigem Ermessen bis zu dem Betrage des Schadens gemindert werden [kann] mit dessen Entstehung bei einem Schadensfall der vorliegenden Art unter gewöhnlichen Umständen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu rechnen war.“527 Für eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners im Sinne einer „ausgesprochenen Billigkeitsentscheidung“ wie sie §§ 829, 847 BGB vorsehen sieht Lange dagegen weder für „den Kern der Ersatzpflicht noch die Masse der Schadensfälle“ Raum.528 b) Beschlussfassung des 43. Deutschen Juristentages Zur Abstimmung gestellt wurde die These „Der Juristentag empfiehlt, das Prinzip der Totalhaftung im Schadensrecht dadurch aufzulockern, daß dem Richter für bestimmte Fälle die Möglichkeit einer Minderung des Umfangs der Ersatzpflicht eingeräumt wird. Dabei soll insbesondere die Schwere des Verschuldens berück-

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Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 26. Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 42 ff.; 33 ff. Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 34. Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 34. Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 35. Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 37. Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 38.

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sichtigt werden.“529 Diese wurde mit 60 zu 8 Stimmen angenommen.530 Eine Abstimmung über die Gutachtenempfehlung, die Schadensersatzpflicht an den Schutzzweck der verletzten Norm anzuknüpfen, erfolgte nicht. 4. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz 1967 Einen denselben Erwägungen wie die Empfehlung des 43. Deutschen Juristentages Rechnung tragenden Referentenentwurf hat im Jahr 1967 das Bundesministerium der Justiz vorgelegt.531 Dessen § 255a BGB enthält eine solche Billigkeitsklausel, wonach, wenn der „Schaden im Hinblick auf die die Ersatzpflicht begründenden Umstände aussergewöhnlich hoch“ ist, „das Gericht die Ersatzpflicht insoweit einschränken [kann], als sie für den Ersatzpflichtigen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gläubigers zu einer schweren Unbilligkeit führen würde.“532 Ausgeschlossen sollte eine solche Einschränkung bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schadensverursachung sein.533

II. Einführung einer Billigkeitsklausel ins geltende Recht Die Einführung einer solchen Billigkeitsklausel könnte, dies erkennen auch die gegenwärtigen Befürworter an, mangels dies rechtfertigender aktienrechtlicher Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Schadensersatzrecht, keine lediglich auf die aktienrechtliche Organhaftung begrenzte Regelung sein, sondern müsste, wie der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums von 1967, für das gesamte Schadensersatzrecht gelten.534 Eine umfassende Begutachtung der Voraussetzungen und Folgen einer solchen Neuregelung würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung ersichtlich sprengen, sodass hierauf lediglich punktuell, insbesondere hinsichtlich zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, eingegangen werden kann. 529

Verhandlungen des 43. DJT, Band II – Sitzungsberichte, C 115. Verhandlungen des 43. DJT, Band II – Sitzungsberichte, C 117. 531 Vgl. RefE eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften II, S. 1 ff. 532 RefE eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften I, § 255a Abs. 1. 533 RefE eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften I, § 255a Abs. 2; dafür bereits Hauss, in: Verhandlungen des 43. DJT, C 23, 39. 534 Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 32; Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/ Schneider, Corporate Governance, S. 155, 163; Paefgen, AG 2014, 554, 570; Koch, AG 2014, 513, 523; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1314; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 843; in seinem Referat beim 43. DJT hält bereits Hauss, in: Verhandlungen des 43. DJT, C 23, C 39 eine Begrenzung auf das Deliktsrecht für unmöglich. 530

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

1. Möglichkeit der Restschuldbefreiung Bereits im Zusammenhang der vom BAG angenommenen verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung wurde auf die erst durch Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 01. Januar 1999 geschaffene Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach Maßgabe deren §§ 286 ff. hingewiesen.535 Die zuvor geltende Konkursordnung sah eine vergleichbare Möglichkeit des Schuldners, ein Konkursverfahren unabhängig von der Zustimmung der Gläubiger bei vorhandener Masse zu beenden, nicht vor.536 Wie zur Arbeitnehmerhaftung ausgeführt, hat die Einführung der Restschuldbefreiung zu einer erheblichen Entschärfung der Haftung dort, wo die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners überschritten ist, geführt, indem dieser gerade nicht mehr auf unabsehbare Dauer auf das durch die Pfändungsfreigrenzen der ZPO vorgegebene Existenzminimum verwiesen ist.537 2. Probleme in der Insolvenz Eine Billigkeitsklausel, die es dem Richter erlaubte, in Extremfällen einen bestehenden Anspruch herabzusetzen, kollidierte mit dem Ziel des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen.538 Eine Herabsetzung aus Billigkeitsgründen käme nur in Betracht, wenn dem Schuldner eine Verurteilung im vollen Schadensumfang nicht zuzumuten wäre. Dies kommt erkennbar auch dann in Betracht, wenn dieser dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit deutlich überstiege, mithin in die Insolvenz des Beklagten führte.539 Handelte es sich bei dieser Herabsetzung um ein einmaliges Ereignis, könnten weitere Gläubiger ohne Weiteres befriedigt werden und es entstünde keine Spannung zum Insolvenzrecht. Was aber, wenn der Schuldner nicht nur einem, sondern mehreren Ansprüchen unterschiedlicher Gläubiger ausgesetzt wäre, die für sich genommen jeweils an die Grenzen seiner finanziellen Belastbarkeit rührten? Eine Verbindung der Gerichtsverfahren um diese Ansprüche käme nur nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, sodass grundsätzlich eine gleichmäßige Herabsetzung sämtlicher dieser Ansprüche ausscheiden müsste. Zwar werden Gläubiger auch nach geltendem Recht 535

Siehe oben 3. Teil E. III. 2. e) bb) (3) (c) (bb). Siehe die §§ 202 ff., insb. § 202 KO. 537 Dazu bereits ausführlich oben im 3. Teil E. III. 2 e) bb) (3) (c). Auf den Schutz durch Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht verweisen auch Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 843. 538 So § 1 S. 1 InsO. 539 Vgl. RefE eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften II, S. 35 f.; Art. 44 Abs. 2 des schweizerischen Obligationenrechts (OR). Andererseits sollten die Vermögensverhältnisse des Schuldners nach der Begründung des Entwurfs von 1967 für die Beurteilung der Außergewöhnlichkeit der Schadenshöhe gerade nicht herangezogen werden, s. RefE eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften II, S. 43, im Rahmen der Billigkeitserwägungen aber doch Berücksichtigung finden. 536

G. Billigkeitsklausel

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bei einer ersichtlich werdenden finanziellen Überlastung eines Schuldners versuchen, möglichst zügig zu ihrem Recht zu kommen, um die Folgen einer Insolvenz zu vermeiden. Es bestehen aber auch Anreize, eine vergleichsweise Einigung anzustreben,540 wenn der einzelne Gläubiger, wie im Regelfall, nicht sicher sein kann, nicht der Letzte zu sein, den die sprichwörtlichen Hunde in Gestalt der Insolvenzquote beißen. Die erwogene Billigkeitsklausel könnte aber dazu führen, dass die Herabsetzung eines oder einzelner Ansprüche ausreichen würde, um die Insolvenz des Schuldners abzuwenden. Problematisch hieran wäre, dass im Ergebnis der Richter zu entscheiden hätte, welchem Gläubiger er einen solchen „Zwangsverzicht“ aufnötigte. Wen hier „die Hunde beißen“ wäre wesentlich weniger ersichtlich als nach geltendem Recht. So könnte es vorkommen, dass ein erster Gläubiger mit seinem Begehren vollständig durchdränge, ebenso ein zweiter, der Anspruch eines dritten aus Billigkeitsgründen zur Abwendung der Insolvenz reduziert werden müsste und ein vierter, der etwas später klagte, wieder zu seinem vollen Recht käme, während de lege lata bereits nach dem dritten Prozess die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingetreten wäre. Das Beispiel zeigt auch, dass eine solche Billigkeitsklausel zu einem bedenklichen „Pendeln“ eines Schuldners zwischen Zahlungsfähigkeit und den Grenzbereichen eines Insolvenzeröffnungsgrundes führen könnte, wo nach geltendem Recht zwar zunächst ein „Abrutschen“ in die Insolvenz gegeben wäre, damit aber auch die Möglichkeit einer geordneten Gläubigerbefriedigung und Restschuldbefreiung, mithin einer mittelfristigen Erledigung des Schuldenproblems verbunden wäre. Es ist daher zu bezweifeln, dass eine solche Billigkeitsklausel den Interessen von Gläubigern und Schuldnern besser gerecht würde als das geltende Recht, das neben der geordneten Insolvenz mit der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung auch die Pfändungsfreigrenzen der ZPO zum Schutz des Schuldners vor übermäßigen und unbilligen Belastungen bereithält. 3. „Existenzvernichtende“ Haftung im allgemeinen Zivilrecht Bezeichnenderweise sind denen zur Vorstandshaftung vergleichbare Klagen über eine existenzvernichtende Schadensersatzhaftung aus den Bereichen des allgemeinen Zivilrechts, namentlich dem Deliktsrecht, auf die eine Billigkeitsklausel, wie sie in den 1950er/60er-Jahren erwogen wurde, zugeschnitten sein sollte, derzeit – soweit ersichtlich – nicht mehr zu vernehmen. Die damals festgestellten Defizite der Adäquanztheorie, den Anforderungen der vor allem durch den technischen Fortschritt und eine Ausweitung der Haftungsgründe veränderten Verhältnisse gerecht zu werden, wurden anscheinend auf anderem Wege kompensiert. Auf mögliche Ursachen soll hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Festzustellen ist allerdings, dass sich die Begrenzungsmechanismen des Schutzzwecks der Norm und damit des allgemeinen Lebensrisikos inzwischen durchgesetzt haben. Vorstellbar erscheint auch, dass eine Verbreitung privater Risikovorsorge, etwa in Gestalt privater Haft540 Ähnl. in einem allgemeinen Zusammenhang Hauss, in: Verhandlungen des 43. DJT, C 23, C 38.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

pflichtversicherungen,541 mithin eine Anpassung der potenziellen Schadensersatzschuldner an die gewandelten Verhältnisse mit ihren erhöhten Schädigungsrisiken, zu einer tatsächlichen Entschärfung der Haftungssituation geführt hat. 4. Versicherung statt Billigkeitsklausel Die Risiken deliktischer Fahrlässigkeitshaftung, um die es der Billigkeitsklausel des Referentenentwurfs von 1967 geht,542 sind, ausgehend von den Musterbedingungen des GDV,543 vollumfänglich im Rahmen einer privaten Haftpflichtversicherung mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand zu versichern.544 Angesichts dessen darf bezweifelt werden, ob eine gesetzliche Regelung, die es dem Richter im Einzelfall erlaubte, einen Ersatzanspruch für einen außergewöhnlich hohen, durch einfache Fahrlässigkeit verursachten Schaden, der zwar die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des unversicherten Schuldners überstiege, im Vorfeld aber mit vergleichsweise geringem Aufwand hätte versichert werden können, unter Billigkeitsgesichtspunkten herabzusetzen, unter den geltenden rechtlichen und rechtstatsächlichen Voraussetzungen eine angemessene Gestaltung des Schadensersatzrechts darstellte.545 541 Zur Definition s. Littbarski, in: MüKoVVG, § 102 Rn. 14. Eine solche war nach den Ergebnissen einer vom GDV zitierten Umfrage aus dem Jahr 2006 in 71,2 Prozent der deutschen Haushalte vorhanden, s. http://www.gdv.de/2007/07/gegenpositionen-sind-die-deutschenfalsch-versichert/ (zuletzt abgerufen am 04. 02. 2015); ähnl. Catrin Gesellensetter/Michaela Hutterer, in: FOCUS vom 12. 07. 2012, wonach ein Drittel der Haushalte über keine solche Versicherung verfüge, s. http://www.focus.de/finanzen/versicherungen/haftpflicht/haftpflichtver sicherung_aid_11175.html (zuletzt abgerufen am 04. 02. 2015); in absoluten Zahlen ist der Bestand an allgemeinen Haftpflichtversicherungsverträgen zwischen 1980 und 2011 kontinuierlich von 21,9 Mio. auf 44,2 Mio. angestiegen, hat sich mithin mehr als verdoppelt, s. GDV, Jahrbuch 2012, S. 7; die Zahl der Versicherungsfälle ist dagegen, nach einem Anstieg zwischen 1990 und 2000, weitgehend konstant um 3 Mio./Jahr geblieben, sodass sich das Fehlen einer tatsächlichen „Existenzvernichtung“ nicht nur mit einer Versicherungsdeckung erklären lässt, s. GDV, Jahrbuch 2012, S. 42; die durchschnittliche Schadenshöhe ist allerdings über die Jahre angestiegen, s. GDV, Jahrbuch 2012, S. 52. 542 Dessen § 255a Abs. 2 BGB schließt die grob fahrlässige und vorsätzliche Schadensverursachung vom Anwendungsbereich der Billigkeitsklausel des Abs. 1 aus. 543 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung (AVB PHV) – Musterbedingungen des GDV (Stand: 25. 08. 2014), abzurufen unter http://www.gdv. de/wp-content/uploads/2014/09/8_AVB-Privathaftpflichtversicherung-2014_AVB-PHV.pdf (zuletzt abgerufen am 04. 02. 2015); die vorherige Fassung (Stand 2008) abgedruckt mit Erläuterungen bei Lücke, in: Prölss/Martin VVG, 28. Aufl. 2010, Teil III, F. IV. Rn. 1 ff. 544 Im Jahr 2011 bestanden 44,2 Mio. Haftpflichtversicherungsverträge mit einem Beitragsvolumen von 6,927 Mrd. E, sodass im Durchschnitt für eine solche Versicherung ein Jahresbeitrag von knapp 157 E aufzuwenden war. Auf 2,9 Mio. Versicherungsfälle wurden dabei 4,608 Mrd. E ausgeschüttet, durchschnittlich etwa 1.589 E; eigene Berechnungen basierend auf den Daten in GDV, Jahrbuch 2012, S. 7, 42, 52. 545 Vgl. auch die im RefE eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften II, S. 37 f. dargestellte Billigkeitsklausel des niederländischen Rechts,

G. Billigkeitsklausel

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a) Berücksichtigung einer Haftpflichtversicherung im Rahmen der Billigkeitsabwägung Eine Minderung des Ersatzanspruchs aus Billigkeitsgründen durch den Richter im Einzelfall hätte zur Folge, dass der Geschädigte, ohne in rechtlich bedeutsamer Weise an der Schadensverursachung beteiligt gewesen zu sein – sonst käme bereits § 254 BGB zur Anwendung – für einen ihm entstandenen Schaden keinen vollständigen Ersatz erhielte. Ob diese leicht oder grob fahrlässig oder gar vorsätzlich herbeigeführt wurde, spielt für die Vermögenseinbuße des Geschädigten, mithin die Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes, keine Rolle. Berücksichtigt man, dass sich der Schädiger, der an der Schadensverursachung in schuldhafter Weise beteiligt war, gegen seine Haftpflicht aufgrund einfacher Fahrlässigkeit zu mit einem im Vergleich zu dem Schadensanteil, den der Geschädigte aufgrund einer Billigkeitsklausel selbst zu tragen hätte, äußerst geringen wirtschaftlichen Aufwand hätte versichern können, erscheint eine so verstandene Billigkeitsklausel, auch angesichts dessen, dass im Rahmen der Haftungsbegründung mit den Gedanken des allgemeinen Lebensrisikos und des Schutzzwecks der Norm bereits Billigkeitsüberlegungen eingeflossen sind, eher unbillig. Eine wertungsmäßige Korrektur läge darin, eine abzuschließende Haftpflichtversicherung fiktiv in die Abwägung einzubeziehen. Die dann zu erzielenden Ergebnisse, die auf der Grundlage, dass die fiktive Versicherung den Schaden in den allermeisten Fällen ohne Weiteres decken könnte, zustande kommen müssten, entsprächen aber der geltenden Rechtslage, da Billigkeitsgesichtspunkte, die für eine Anspruchsminderung sprächen, dann gerade nicht mehr gegeben wären. Im Ergebnis könnte eine Billigkeitsklausel, die weder zu der Billigkeit widernoch dem geltenden Recht entsprechenden Resultaten führte, aufgrund der umfassenden Versicherungsmöglichkeit daher nicht formuliert werden. b) Alternative: Ausgestaltung der Privathaftpflichtals Pflichtversicherung? Empirische Daten hinsichtlich die Deckungssummen einer Privathaftpflichtversicherung übersteigender Schäden sind – soweit ersichtlich – nicht verfügbar. Sollte hier tatsächlich ein Problem vorliegen, worauf keine Hinweise bestehen, wogegen im Gegenteil das Fehlen entsprechender Literaturäußerungen spricht, erschiene eine Ausgestaltung der Privathaftpflichtversicherung als Pflichtversicherung in Verbindung mit einer Deckelung der Deliktshaftung für einfache Fahrlässigkeit erwägenswert. Eine solche Lösung, die hier nicht weiter vertieft werden kann, führte zwar ebenfalls zu einem Ausfall des einzelnen Geschädigten oberhalb dieser Deckungssumme, gewährleistete aber andererseits, im Unterschied zu einer Billigkeitsklausel, die den nachlässigen Schädiger, der vom Abschluss einer Versicherung die bei Fehlen einer verpflichtenden oder üblichen Versicherung eine Herabsetzung des Ersatzanspruchs nicht vorsieht.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

abgesehen hat und deshalb von der Schadenshöhe finanziell überfordert ist, privilegierte, der Billigkeit entsprechende Ergebnisse und eine gewisse Mindestentschädigung. Auf der vorhandenen Informationsgrundlage erscheint ein solcher Eingriff in die Privatautonomie aber ebenso wenig wie eine Billigkeitsklausel angebracht, da derzeit von einer erheblichen wirtschaftlichen Bedrohung durch die Deliktshaftung weder auf Seiten der potenziell Geschädigten noch der Schädiger auszugehen ist. 5. Fazit Angesichts der lediglich schlaglichtartig aufgezeigten Gesichtspunkte, die im geltenden Recht und unter den bestehenden rechtstatsächlichen Verhältnissen aus dem Blickwinkel des allgemeinen Zivilrechts, jedenfalls aufgrund seit den Reformbestrebungen der 1950er/60er-Jahre eingetretener Veränderungen, gegen die Einführung einer allgemeinen Billigkeitsklausel, die dem Richter eine Herabsetzung des Schadensersatzanspruchs ermöglicht, sprechen, kann eine abschließende Würdigung selbstverständlich nicht erfolgen. Es konnte aber gezeigt werden, dass eine Gefahr „existenzvernichtender“ Haftung, insbesondere im Deliktsrecht, die ein Eingreifen des Gesetzgebers erforderlich machte, nach geltendem Recht und unter den gegebenen Voraussetzungen im Übrigen nicht anzunehmen ist. Eine Billigkeitsklausel entsprechend dem Reformvorschlag von 1967 hätte vielmehr das Potenzial, einerseits den Schutzzwecken des Insolvenzrechts mit der Möglichkeit der Restschuldbefreiung, andererseits vorrangig erstrebenswerten privatautonomen Lösungen zuwiderzulaufen, indem auf den Richter als eine Lösung schaffende Instanz vertraut würde. Dies würde, wie anhand der Privathaftpflichtversicherung aufgezeigt, eher zu Fehlanreizen, wie dem Unterlassen des Abschlusses eines wirtschaftlich sinnvollen Versicherungsvertrags, und unbilligeren Ergebnissen führen als sie das geltende Recht unter Ausschöpfung einer wirtschaftlich sinnvollen Risikovorsorge durch Versicherung hervorbringt. Im Vertragsrecht kommen neben Versicherungen auch privatautonome Regelungen der Parteien, die die Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausschließen oder beschränken, in Betracht.546 Auch eine auf Ausnahmefälle beschränkte Billigkeitsklausel würde zunächst, aufgrund der lediglich eingeschränkten Nachprüfbarkeit und Vorhersehbarkeit des Abwägungsprozesses, zu einem Verlust an Rechtssicherheit führen547 und könnte dadurch privatautonome Vorkehrungen zur Vermeidung einer „Existenzvernichtung“ durch Haftung schwächen. Im Einzelfall, wenn es an einer Versicherung fehlt oder deren Deckungssumme überschritten ist und der Schaden ersichtlich bei dem Schädiger nicht beizutreiben ist, wird es die praktische Vernunft dem Geschädigten 546

Vgl. oben 4. Teil E. I. 1. c) cc). Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 843; F. Gaul, AG 2015, 109, 115; vgl. Hauss, in: Verhandlungen des 43. DJT, C 23, C 38. 547

G. Billigkeitsklausel

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in aller Regel gebieten, sich vergleichsweise zu einigen, hat er doch wenig von einer Privatinsolvenz des Schädigers. Entfällt auch diese Lösungsmöglichkeit, gewährleisten die Pfändungsschutzvorschriften der ZPO und die InsO dem Schuldner einen ausreichenden Schutz vor einer echten „Existenzvernichtung“. Dieses Restrisiko dem Schädiger zuzuweisen erscheint angesichts seines Verschuldens an der Schadensherbeiführung nicht unbillig. Die untersuchten Gesichtspunkte begründen gewichtige Zweifel an einem Bedürfnis und der überwiegenden Vorteilhaftigkeit der Einführung einer Billigkeitsklausel im allgemeinen Zivilrecht.

III. Vorstandshaftung und Billigkeitsklausel Fraglich ist auch, ob eine Billigkeitsklausel, angelehnt an den Referentenentwurf von 1967, aus dem Blickwinkel der Vorstandsinnenhaftung notwendig und empfehlenswert erschiene. 1. Die Bewältigung der Vorstandshaftung mit den Abgrenzungsmechanismen des allgemeinen Schadensersatzrechts Zunächst soll verdeutlicht werden, wie die Probleme der Vorstandshaftung bereits derzeit mit den Instrumenten des allgemeinen Schadensersatzrechts, namentlich der Adäquanztheorie, dem Schutzzweckzusammenhang und dem allgemeinen Lebensrisiko als Abgrenzungsansätzen bewältigt werden, um sodann zu untersuchen, inwiefern sich hier spezifische Probleme ergeben, aus denen sich für die Vorstandshaftung entscheidende Vorteile einer Billigkeitsklausel, die für das allgemeine Zivilrecht nicht festgestellt werden konnten, ergeben könnten. a) Grenzen der Adäquanztheorie Indem die Adäquanztheorie, verkürzend zusammengefasst, zwar die Haftung eines Verursachers für das Ergebnis eines unglücklichen Ereignisverlaufs verhindern will, dieser aber dadurch gekennzeichnet sein muss, dass es sich um einen unwahrscheinlichen in dem Sinne, dass die Ursache die Wahrscheinlichkeit des Eintritts gerade des konkreten Ergebnisses bei generalisierender Betrachtung nicht erhöht hat, gehandelt haben muss, ist sie als Mechanismus zur Eingrenzung der Vorstandshaftung nicht geeignet. Es ist schlicht nicht zu bestreiten, dass ein Handeln oder Unterlassen bei der Geschäftsführung durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft aufgrund marktlicher oder sonst nicht ex ante vorherzusehender und zu berechnender Entwicklungen zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten der Gesellschaft führen kann. Ein ungewöhnlicher Verlauf liegt hier nicht vor. Dies zeigt nicht zuletzt die Existenz von Rechtsregeln wie der Business Judgment Rule des § 93

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Abs. 1 S. 2 AktG. Zur Bewältigung unglücklicher Ereignisverläufe im Rahmen unternehmerischen Handelns kann die Adäquanztheorie daher allenfalls in hier nicht zu vertiefenden Ausnahmefällen herangezogen werden. b) Vorstandshaftung, Schutzzweck und allgemeines Lebensrisiko Auch wenn dies durchweg unausgesprochen bleibt, lassen sich die Grundgedanken der business judgment rule, auch in der Ausprägung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, wie auch der neuerdings so genannten Legal Judgment Rule548 bei der Beurteilung einer unsicheren Rechtslage durch den Vorstand, auf Überlegungen zum Schutzzweck der Norm und zum allgemeinen Lebensrisiko, dessen Verwirklichung nicht zu einer Haftung führen soll, zurückführen. Die Idee eines „sicheren Hafens“ für Geschäftsleiter als Schutz vor Haftung, deren Umsetzung die business judgment rule des angloamerikanischen Rechtskreises sowie die Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sich verschrieben haben, fußt in der Annahme, dass unternehmerisches Handeln, um im Bilde zu bleiben, eine „raue See“ von Haftungsgefahren begründet, der sich die Geschäftsleiter aber, wollen sie das ihnen anvertraute Gesellschaftsvermögen optimal mehren, was zwingend die Eingehung gewisser Risiken erfordert, nicht vollständig entziehen können. Ganz Ähnliches gilt für das Handeln auf unsicherer Rechtsgrundlage. Auch dort kann sich ein Geschäftsleiter grundsätzlich nicht in die das Risiko einer Fehlbeurteilung der Rechtslage ausschließende Passivität flüchten und auf ein bewusstes Tun oder Unterlassen schlicht verzichten. Auch der Kerngedanke des allgemeinen Lebensrisikos als Ausschlussgrund für einen Schadensersatzanspruch ist es, dass Risiken im allgemeinsprachlichen Sinne eines möglichen negativen Ausgangs549 kein Ausnahme-, sondern der Regelfall schlechthin sind. Die Gefahr einer unvorhersehbaren negativen Entwicklung ist zwar kennzeichnend für Geschäftsführungshandlungen in Wirtschaftsunternehmen, umgekehrt ist diese aber nicht etwa ein Alleinstellungsmerkmal unternehmerischer Betätigung. Im Gegenteil lässt sich schlicht feststellen, dass leben an sich gefährlich ist.550 Zugegeben mag es verhältnismäßig gefährlichere und weniger gefahrgeneigte Lebensbereiche geben, jedoch lässt sich mitnichten sagen, dass, wer lediglich alltäglichen, sozial üblichen Verrichtungen nachgehe, keinen bedeutenden Risiken ausgesetzt sei. Eine Quelle erheblicher Gefahren, deren soziale Nützlichkeit kaum zu bezweifeln ist und der wir uns im Alltag kaum vollständig entziehen können, bildet beispielsweise der Straßenverkehr. Durch die Teilnahme am Straßenverkehr eröffnet 548

Dazu bereits im 3. Teil A. IV. Duden.de, Stichwort „Risiko“, abzurufen unter http://www.duden.de/rechtschreibung/Ri siko (zuletzt abgerufen am 04. 02. 2015). 550 Weitnauer, FG Oftinger, 1969, S. 321, 340 formuliert als Vergleichsmaßstab für die Gefahrerhöhung im Rahmen der Adäquanzbeurteilung den „gewöhnlichen, normalen Gefahrenzustand, der, wie jeder weiß, uns immer und überall begleitet.“. 549

G. Billigkeitsklausel

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sich einerseits das Potenzial eigener Schädigung, andererseits aber auch ein nicht von der Hand zu weisendes Haftungsrisiko als Verursacher von Schäden Dritter.551 Was selbst im Straßenverkehr mit erheblichen Schwierigkeiten und dem Verzicht auf Annehmlichkeiten verbunden ist, ist schließlich in anderen Lebensbereichen gänzlich unmöglich: sich solchen, mit menschlichem Zusammenleben per se einhergehenden und mit dem technischen Fortschritt sich tendenziell vergrößernden552 Risiken, Lebensrisiken, zu entziehen.553 Wo Menschen aufeinandertreffen ist es schlicht nicht auszuschließen, dass es über kurz oder lang mindestens einseitig zu Beeinträchtigungen von Interessen kommen kann. Dieser Erkenntnis geschuldet formuliert das Recht Schadensausgleichsregeln,554 die mit der Störung bestimmter Interessen verbundene Vermögensnachteile demjenigen zuweisen, der sie verursacht hat. Der weitergehenden Erkenntnis, dass ein Sich-Entziehen hinsichtlich zahlreicher Alltagsgefahren praktisch unmöglich ist und zahlreiche sozial nützliche Verhaltensweisen mit derartigen Gefahren untrennbar verbunden sind, tragen sowohl die Überlegungen zum Schutzzweck der verletzten Pflicht und dem allgemeinen Lebensrisiko als auch, speziell für den Bereich unternehmerischen Handelns, wie es vom Vorstand einer Aktiengesellschaft gefordert wird, die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sowie die Legal Judgment Rule Rechnung. Eine Sonderstellung des Rechts der Vorstandshaftung gegenüber anderen schadensgefährlichen Rechtsbereichen ist nach alldem nicht zu begründen. 2. Risikovorsorge Auch hinsichtlich der Möglichkeiten privatautonomer Risikovorsorge, die, wie zum allgemeinen Zivilrecht ausgeführt, durch die Einführung einer Billigkeitsklausel mit der Folge deren Wertungen gerade widersprechender Ergebnisse beeinträchtigt würden, bestehen für die Vorstandshaftung vergleichbare Voraussetzungen und Bedenken.

551 Dies belegt bereits die Existenz des § 1 PflVG, der Halter von Kraftfahrzeugen und Anhängern, die im öffentlichen Verkehrsraum verwendet werden, zum Abschluss und der Aufrechterhaltung einer Haftpflichtversicherung für aus dem Gebrauch entstehende Schäden verpflichtet sowie der Gefährdungshaftungstatbestand des § 7 StVG; dazu auch v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 397; ders., FS DJT, 1960, S. 49, 63; Weitnauer, FG Oftinger, 1969, S. 321, 340 f.; allgemein zu den Gefahren „moderner Formen des Zusammenlebens“ spricht Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 10 von einer „schematisierenden Dauergefährdung, der der einzelne nach der Aktiv- und Passivseite hin ständig unterworfen ist.“. 552 Lange, Gutachten zum 43. DJT, S. 10; Weitnauer, FG Oftinger, 1969, S. 321; ähnl. v. Caemmerer, FS DJT, 1960, S. 49, 62. 553 Rechtlich schlägt sich diese Erkenntnis u. a. in der Anordnung von Versicherungspflichten für als besonders risikoträchtig eingestufte Berufsgruppen oder Anlagen nieder; Übersicht über Pflichthaftpflichtversicherungen bei Brand, in: MüKoVVG, Vorbemerkung zu §§ 113 – 124 VVG Rn. 19 f. 554 Begriff auch bei Mädrich, Das allgemeine Lebensrisiko, S. 9.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung durch die Vorstandsmitglieder selbst kommt derzeit aus wirtschaftlichen Gründen regelmäßig nicht in Betracht, wobei von der Einführung einer Haftungshöchstgrenze nach dem hier vorgeschlagenen Modell insoweit eine Verbesserung ausgehen könnte. Die „Standardmaßnahme“ ist derzeit der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung mit all ihren Ausschlusstatbeständen und Unsicherheiten bezüglich der Einstandspflicht des Versicherers.555 Dem kann das Vorstandsmitglied aber entgegensteuern, indem es sich durch eine entsprechende Verpflichtung der Gesellschaft, die idealiter im Anstellungsvertrag zu regeln ist, selbst bei dieser eines solchen Deckungsschutzes versichert.556 Auch eine vergleichsweise Erledigung von Ersatzansprüche ist, wenn auch nur unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, möglich und wird sich, ebenso wie ein Absehen von der Geltendmachung nicht beizutreibender Ansprüche durch den Aufsichtsrat, in Fallgestaltungen, die einer Billigkeitsklausel unterfielen, regelmäßig als vernünftige Lösung anbieten. Im Anwendungsbereich einer solchen Billigkeitsklausel bieten daneben de lege lata die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, die Kriterien, unter denen eine Haftung für die Fehleinschätzung einer unsicheren Rechtslage in Betracht kommt, grundsätzlich sämtliche der hier untersuchten „Grenzen“ der Vorstandshaftung sowie de lege ferenda die hier befürwortete Haftungshöchstgrenze einen gewissen Schutz vor „existenzvernichtender“ Haftung durch ein im Verhältnis dazu geringfügiges Fehlverhalten. Dagegen würden durch eine Billigkeitsklausel sowohl der Anreiz für das einzelne Vorstandsmitglied, für die Zusicherung einer angemessenen D&O-Versicherung zu sorgen, indem hilfsweise eine Anspruchsherabsetzung aus Billigkeitsgründen in Betracht käme, als auch die Vergleichsbereitschaft der Gesellschaft voraussichtlich gemindert. Eine Klausel, die dies verhindern wollte, führte, wie zum allgemeinen Zivilrecht, nicht zu gegenüber geltendem Recht abweichenden Ergebnissen. Als Besonderheit der Vorstandshaftung kommt hinzu, dass es sich bei den extrem hohen Schadenssummen nicht um einen „außergewöhnlich“ hohen Schaden handelt. Die bekannt gewordenen „Skandalfälle“ legen vielmehr nahe, dass ein Schaden im dreistelligen Millionen- oder gar im Milliardenbereich, gerade wenn es um am Unternehmensumsatz oder -gewinn orientierte Schadensursachen wie Bußgelder geht, nicht den Ausnahme- , sondern in Gesellschaften mit entsprechenden Unternehmenskennzahlen eher den Regelfall bildet.

555 556

Dazu im Einzelnen oben im 3. Teil C. Siehe oben 3. Teil C. I. a.E.

H. D&O-Versicherung

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3. Fazit Im Ergebnis konnten keine Besonderheiten der Vorstandsinnenhaftung gegenüber der Schadensersatzhaftung nach allgemeinem Zivil-, insbesondere Deliktsrecht, auf das Billigkeitsklauseln der vorgeschlagenen Art ursprünglich zugeschnitten waren, festgestellt werden, die entscheidend für die Einführung einer solchen Klausel sprächen. Vielmehr bestehen für die Haftung der Mitglieder des Vorstands gegenüber der Gesellschaft vergleichbare Möglichkeiten der Risikovorsorge wie dies für Schädiger im allgemeinen Zivilrecht der Fall ist. Hinzu kommt, dass speziell für das Handeln der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft in Gestalt der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und der genannten vergleichbaren „Haftungsentschärfungen“ die Gedanken des Schutzzwecks der Norm und des allgemeinen Lebensrisikos, für das nicht gehaftet werden soll, die ebenfalls auf Billigkeitserwägungen zurückzuführen sind, formuliert wurden. Daher ist zu bezweifeln, ob einer gesetzlichen Billigkeitsklausel, die dem Richter eine Herabsetzung des Ersatzanspruchs aus Billigkeitsgründen im Einzelfall gestattete, ein darüber hinausgehender Anwendungsbereich zukommen dürfte. Möglicherweise entstehende Fehlanreize entsprechen denen im allgemeinen Schadensersatzrecht, sodass diesbezüglich auf das dort Gesagte verwiesen wird.557 Hinsichtlich der Anwendbarkeit einer gesetzlichen Billigkeitsklausel nach dem Vorbild des Reformvorschlags von 1967 ergeben sich speziell für die Vorstandsinnenhaftung ferner Bedenken daraus, dass hier ein aus leichtem Verschulden entstehender exorbitanter Schaden keineswegs den Ausnahmefall bildet, wie dies etwa beim deliktischen Schadensersatz als gedachtem Anwendungsbereich einer solchen Klausel der Fall wäre. Zusammenfassend kann nach alldem speziell für die Vorstandsinnenhaftung, wie bereits im allgemeinen Zivilrecht, kein Bedarf an einer Billigkeitsklausel festgestellt werden, wobei die Entstehung der Billigkeit entsprechender Ergebnisse aus den genannten Gründen in noch höherem Maße als dies für das allgemeine Zivilrecht formuliert wurde, zu bezweifeln wäre. Die Einführung einer solchen Klausel ist daher insgesamt nicht zu empfehlen.

H. D&O-Versicherung Die in der Diskussion im Vorfeld des 70. Deutschen Juristentages angeregten Reformen betreffend die D&O-Versicherung unterscheiden sich diametral. Während die Einen ein Verbot der Fremdversicherung oder wenigstens ein Verbot der Versicherung des Selbstbehalts des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG durch das Vorstandsmitglied selbst für notwendig erachten, fordern die Anderen die gesetzliche Ausgestaltung der D&O als Pflichtversicherung und die Abschaffung des Pflichtselbstbehalts für Vorstandsmitglieder. 557

Dazu bereits unter 4. Teil G. II.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

I. Verbot der Versicherung durch die Gesellschaft Trotz der nach allgemeiner Meinung inzwischen mit Einführung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG durch den Gesetzgeber geklärten Zulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung wird im Schrifttum nach wie vor Kritik an dieser Art der Risikovorsorge geäußert.558 Zur Begründung wird auf die Kompensations- und Präventionsfunktion der Organhaftung verwiesen. 1. Kompensationsfunktion a) Wirtschaftliche Schadenstragung durch die Gesellschaft Unter dem Gesichtspunkt des Schadensausgleichs sei eine solche, von der Gesellschaft als späterer Geschädigter abgeschlossene Versicherung wertlos, trage doch die Versicherungsnehmerin durch die Prämienzahlungen wirtschaftlich selbst ihren Schaden.559 Dieser Einwand trifft insoweit zu, als bei einer gesellschaftsfinanzierten D&OVersicherung die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin die Versicherungskosten zu tragen hat. Daraus abgeleitete Bedenken wären durchgreifend, wenn alternative Modelle der Risikoverteilung mit geringeren Kosten für die Gesellschaft realisierbar wären. In Betracht kommt einerseits die schlichte Nichtversicherung, andererseits der Abschluss einer persönlichen D&O-Versicherung durch die Organmitglieder selbst. Die Nichtversicherung führt zunächst dazu, dass weder Gesellschaft noch Organmitgliedern für die Risikovorsorge unmittelbar Kosten entstehen. Entweder wird das mit dem vollen Haftungsrisiko belastete Organmitglied aber im Ausgleich hierfür eine höhere Vergütung verlangen oder, bei höheren Haftungssummen und, wird die Gesellschaft mit ihrer Schadensersatzforderung mangels Leistungsfähigkeit der Organmitglieder, auf deren Inanspruchnahme sie ohne D&O-Versicherung allein verwiesen ist, teilweise ausfallen.560 Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Verbot, die entsprechenden Risiken, zu bemessen an den Kosten einer Selbstversicherung des Organmitglieds, in die Vergütung einzubeziehen, wirksam überwacht und durchgesetzt werden könnte.561 Ein wirtschaftlich günstigeres Ergebnis für die Gesellschaft folgt aus dieser Gestaltung nur, wenn die an die Organmitglieder zu 558

Vgl. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 242 f.; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927 f.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 254 f.; ders., in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 88; v. Bar, ebd., S. 119; Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510. 559 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 254; ders., in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 88; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 242 f.; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928; ähnl. v. Bar, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 119; Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510. 560 Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 39. 561 Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 39 unter Hinweis auf die erfolgreiche Umgehung durch Aufsichtsrecht gesetzter Vergütungsschranken; vgl. auch Fn. 614.

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zahlende Risikoprämie oder/und die zu erwartende Höhe des nicht beitreibbaren Schadensersatzes die für eine entsprechende D&O-Versicherung zu zahlenden Prämien unterschreiten. Das Verhältnis dieser Kosten ist abhängig vom Einzelfall, kann aber nicht als generelles Argument gegen die Wirtschaftlichkeit des Abschlusses einer D&O-Versicherung für die Gesellschaft geltend gemacht werden. Alternativ wären die Organmitglieder auf den Abschluss persönlicher D&OVersicherungen zu verweisen. Ob solche angesichts der gängigen Begrenzung auf jährliche Höchstbeträge in den üblichen, zumindest sämtliche Organmitglieder erfassenden Firmenpolicen in insgesamt derselben Höhe mit demselben wirtschaftlichen Aufwand zu erhalten wären, ist zu bezweifeln.562 Die Versicherungskosten dürften auch hier, vermittelt durch eine höhere Vergütung, mittelbar von der Gesellschaft zu tragen sein. Ein wirtschaftlicher Vorteil gegenüber der Gesellschaftsfinanzierung ist nicht gegeben,563 das Gegenteil ist, auch aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder,564 zu vermuten.565 Ohnehin wird eine Gesellschaft eine D&O-Versicherung nur dann abschließen, wenn die hierfür zu entrichtenden Prämien unter Berücksichtigung der Verringerung der ohne diese Risikovorsorge zu zahlenden Vergütungsbestandteile der versicherten Personen aller Wahrscheinlichkeit nach geringer sind als Schadensersatzansprüche der Gesellschaft wegen Pflichtverletzungen der betreffenden Personen sein werden.566 Das Argument, eine Kompensationsfunktion der Haftung entfalle bei Tragung der Versicherungskosten durch das „Opfer“567 der versicherten Schäden, überzeugt aufgrund der vorstehenden Erwägungen im Ergebnis nicht. 562 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 39 geht von einer vergleichsweise günstigeren Versicherung durch die Gesellschaft in der üblichen Form aus. 563 Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 39. 564 Siehe Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 161. 565 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 198 f., der zudem auf das Fehlen eines Marktes für solche Eigenversicherungen hinweist, S. 161; Hemeling, in: Verhandlungen des 69 DJT, N 31, N 38; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 507 zweifelt neben der Erhältlichkeit auch an der Finanzierbarkeit solcher Einzelpolicen. 566 Wie hier Ulmer, FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 451, 462, der von einem zu vernachlässigenden „Prämienschaden“ der Gesellschaft ausgeht; Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177, 191 geht, zwischen Unternehmen verschiedener Größe und Ausrichtung differenzierend, von Prämien zwischen einem Promill und 15 Prozent der Deckungssumme aus; anders wohl Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 254 f., der anscheinend von Vorsorgekosten und Schäden in identischer Höhe ausgeht; diese Auffassung ist lediglich aus Sicht eines Versicherers rechnerisch, verteilt über sämtliche Versicherungsnehmer, zutreffend. Zur fehlenden Maßgeblichkeit versicherungsmathematischer Gesichtspunkte für die einzelne Gesellschaft auch E. Vetter, AG 2000, 453, 454. 567 v. Bar, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 119; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 254.

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Die Tragung der Haftpflichtversicherungskosten durch den potenziell Geschädigten begründet daneben kein Alleinstellungsmerkmal der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung und erscheint daher nicht für sich genommen begründungsbedürftig. Bachmann verweist in diesem Zusammenhang auf das Beispiel eines Busfahrers, dessen Versicherungskosten in den Fahrpreis einkalkuliert seien, mithin ebenfalls wirtschaftlich von den Fahrgästen getragen würden.568 Freilich sind die Fahrgäste nicht Versicherungsnehmer, dies scheidet jedoch nicht aus rechtlichen Gründen, sondern aufgrund des ständig wechselnden Bestands dieser Personengruppe, innerhalb deren die tatsächlich einmal geschädigten nicht vorher zu individualisieren sind, aus. Ferner sieht § 1835 Abs. 2 S. 1 BGB ausdrücklich die Kosten einer angemessenen Versicherung unter anderem für Schäden, die dem Mündel durch den Vormund zugefügt werden können, grundsätzlich als zu ersetzende Aufwendungen des Vormunds vor.569 b) Unvereinbarkeit mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Wenngleich aufgrund der gesetzlichen Regelung des Selbstbehalts in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG eine Unvereinbarkeit der D&O-Versicherung mit den Regeln der aktienrechtlichen Organhaftung nicht mehr angenommen werden kann, wird weiterhin auf einen angeblichen Verzichtscharakter des Abschlusses einer solchen Versicherung durch die Gesellschaft hingewiesen.570 Zweck der Regelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in ihrer derzeit geltenden Fassung ist es, eine vorschnelle Erledigung von Schadensersatzansprüchen und die damit verbundene Vereitelung der diesbezüglichen Aktionärsrechte sowie die Bildung eines Vertrauens pflichtwidrig handelnder Vorstandsmitglieder auf die Billigung ihres Tuns durch die aktuelle Hauptversammlungsmehrheit als Anreiz für Pflichtverletzungen zu unterbinden und daneben durch das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung eine unbegründete gegenseitige Verschonung von Vorstand und Aufsichtsrat zu verhindern.571 Der Schutzzweck der Norm ist durch den Abschluss einer D&O-Versicherung nicht berührt. Wie die obigen Erwägungen zur Wirtschaftlichkeit möglicher Risikoverteilungsmechanismen ergeben haben, tritt eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Gesellschaft durch den Abschluss einer solchen Versicherung für ihre Vorstandsmitglieder nicht ein, sodass eine Schmälerung des Gesellschaftsvermögens in Bezug auf möglicherweise entstehende Schadensersatzansprüche nicht gegeben 568

Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 38. Ausnahme: Kosten einer Kfz-Halterhaftpflichtversicherung, § 1835 Abs. 2 S. 1 a.E. BGB; Berufsvormund, § 1835 Abs. 2 S. 2 BGB, hier wird es regelmäßig bereits an der Individualisierbarkeit fehlen, daneben gilt bereits die Vergütung entsprechende Versicherungskosten mit ab, Wagenitz, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 1835 Rn. 38. Dasselbe Bsp. verwendet Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 38. 570 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 254; ders., in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 88 f. 571 Dazu ausführlich im 3. Teil B. I. 1. 569

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ist.572 Auch eine Beschneidung der Aktionärsrechte bezüglich der Anspruchsdurchsetzung ist nicht festzustellen; das Entstehen eines Ersatzanspruchs gegen ein Organmitglied wird durch die D&O-Versicherung nicht beeinflusst. Auch Ulmer, auf den sich Wagner in diesem Punkt beruft,573 sieht eine Unvereinbarkeit der – selbstbehaltslosen – gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung mit § 93 AktG lediglich unter dem Gesichtspunkt als gegeben an, dass die Vorschrift den zwingenden Charakter der Organhaftung unterstreiche, und lässt im Ergebnis offen, ob sich die von ihm angenommene Unzulässigkeit solcher Versicherungen nach damaliger Rechtslage aus § 93 Abs. 2 oder Abs. 4 S. 3 AktG ergebe.574 Auf die Spitze getrieben könnte die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung als das Gegenteil eines Anspruchsverzichts eingeordnet werden,575 beschafft sich die Gesellschaft dadurch doch im Rahmen des Versicherungsschutzes einen angesichts der im Schrifttum genannten Deckungssummen, die die persönliche Leistungsfähigkeit nahezu jedes Organmitglieds deutlich übersteigen dürften,576 wirtschaftlich577 einen weiteren, wesentlich solventeren Schuldner.578

572 Vgl. Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, S. 44 f.; Fleischer, WM 2005, 909, 919; E. Vetter, AG 2000, 453, 454. 573 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 254 Fn. 112. 574 Ulmer, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 451, 464 f. 575 So pointiert Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, Diskussion, S. 90; anders jüngst Bayer, NJW 2014, 2546, 2549: durch eine gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung finde eine [einer gesetzlichen Haftungsdeckelung auf den absoluten Höchstbetrag des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG entsprechende] „verdeckte Enthaftung“ bereits statt. 576 Siehe 3. Teil C. II. 577 Der Anspruch auf Versicherungsschutz steht zunächst unmittelbar den versicherten Personen zu, s. GDV-AVB, Ziff. 10.1; vgl. daneben Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 496; Sieg, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 15 Rn. 30. In Betracht kommt aber eine Abtretung des Freistellungsanspruchs des Organmitglieds gegen den Versicherer. Ein entgegenstehendes Verbot in Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist nach § 108 Abs. 2 VVG unzulässig. 578 Fleischer, WM 2005, 909, 919; E. Vetter, AG 2000, 453, 454; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, Diskussion, S. 90; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 399; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 453; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 233; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 242. An einem „zirkulären Geldumlauf“ zwischen der Gesellschaft, dem Versicherer und den Organmitgliedern, den Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, S. 173 ff., 183 f. als Grund einer analogen Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung heranzieht, fehlt es dementsprechend.

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2. Präventionsfunktion a) Abschwächung der Präventionsfunktion durch eine D&O-Versicherung Die Kritiker der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung verweisen zum einen allgemein auf eine Abschwächung der Präventionswirkung der Vorstandshaftung durch den Abschluss solcher Versicherungen,579 zum anderen auf eine Verstärkung dieses Effekts durch die Gesellschaftsfinanzierung der Risikovorsorge.580 Der auf solche Versicherungen unabhängig von der Kostentragung bezogene Einwand müsste die Zulässigkeit der Haftpflichtversicherung für Vorstandsmitglieder insgesamt in Frage stellen. Indes trifft es zwar zu, dass sich das Vorstandsmitglied, das sich durch eine D&O-Versicherung geschützt weiß, möglicherweise risikogeneigter verhalten wird als dasjenige, das sich allein selbst der Haftung ausgesetzt sieht.581 Es wurde im Rahmen der Untersuchung jedoch bereits verschiedentlich erörtert, dass weder von einem unendlichen Anstieg der Präventionswirkung mit steigender Haftungssumme auszugehen ist582 noch risikoaverses Verhalten des Vorstands für die unternehmerisch tätige Gesellschaft ausschließlich nützlich und erwünscht ist. Ferner kann nach geltendem Recht eine solche Versicherung dem Vorstandsmitglied keinesfalls sämtliche Haftungsrisiken abnehmen.583 Eine Einstandspflicht des Versicherers bei vorsätzlichem Handeln ist bereits nach §§ 81 Abs. 1, 103 VVG ausgeschlossen. Für die gesellschaftsfinanzierte Versicherung schreibt § 93 Abs. 2 S. 3 AktG zwingend einen Selbstbehalt für Vorstandsmitglieder vor. Ferner ist bezahlbarer Versicherungsschutz stets gedeckelt,584 oberhalb der Deckungsgrenze haftet das Vorstandsmitglied de lege lata weiter mit seinem Vermögen. Daneben bleiben die weiteren Folgen einer Pflichtverletzung, insbesondere die Möglichkeit der Abberufung aus wichtigem Grund sowie gegebenenfalls 579 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 242 f.; Bayer/ Scholz, NZG 2014, 926, 927 f.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 255; Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510, der darüber hinaus dem Selbstbehalt verhaltenssteuernde Wirkung abspricht. 580 Wagner, in: Karlsruher Forum Mangerhaftung, S. 88 f.; anscheinend auch Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510: „Es geht nicht an, dass die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung durch eine von der Gesellschaft bezahlte Versicherung unterlaufen wird.“, Hervorhebung durch die Verf. 581 Ulmer, FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 451, 464; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 255. 582 Siehe 3. Teil E. II. 2. b) aa) (1) (a) sowie Spindler, AG 2013, 889, 895 (in anderem Zshg.); ähnl. Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 281. 583 Dies betonen u. a. auch Paefgen, AG 2014, 554, 582; Habersack, ZHR 177 (2013) 782, 796; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115; Spindler, AG 2013, 889, 897; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 399; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 453; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 244; Schiel, AR 2013, 58. Ausführlich dazu im 3. Teil C. II. u. III. Neubürger, S. 4 u. Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 509 weisen daneben auf fehlende Finanzierbarkeit einer vollständigen Absicherung der Tätigkeitsrisiken eines Organmitglieds hin. 584 Vgl. Koch, AG 2014, 513, 520; Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 508.

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ordnungswidrigkeiten- und strafrechtliche Maßnahmen gegen das Vorstandsmitglied persönlich, von einer D&O-Versicherung unberührt.585 Eine bedenkliche Abschwächung der Präventionswirkung ist mithin auch hier nicht festzustellen. Ein Verbot solcher Versicherungen ist de lege lata wegen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ausgeschlossen und nach dem Gesagten de lege ferenda nicht erstrebenswert.586 b) Vergleich von Fremd- und Eigenversicherung Damit ist die Frage aufgeworfen, welche zusätzlichen Einbußen an der Steuerungsfunktion der Vorstandshaftung sich durch die Gesellschaftsfinanzierung des Versicherungsschutzes ergeben. Wagner geht davon aus, dass eine Eigenversicherung der Vorstandsmitglieder, die diese zwingt, sich mit den verhaltenssteuernden Mechanismen der D&O-Versicherungsbedingungen, namentlich der Prämienkalkulation, Selbstbehalten, Verstoßklauseln und Kündigungsrechten des Versicherers auseinanderzusetzen, sich unter Präventionsgesichtspunkten günstiger auf deren Verhalten auswirken würde als der Abschluss einer solchen Versicherung als Firmenpolice der Gesellschaft.587 Zutreffend ist das Vorstandsmitglied bei Abschluss einer persönlichen D&O-Versicherung unmittelbar mit den Auswirkungen einer Risikozunahme oder der Inanspruchnahme der Versicherung in Form einer Prämienerhöhung konfrontiert. Andererseits ist im Rahmen einer Eigenversicherung eine wesentlich bessere Information des Vorstandsmitglieds als Versicherungsnehmer über Art und Umfang des Versicherungsschutzes zu erwarten als die bei den üblichen Firmenpolicen der Fall ist.588 Daneben läuft das Vorstandsmitglied im Fall einer Eigenversicherung weder Gefahr, dass die Deckungssumme bereits durch Versicherungsfälle anderer Versicherter verbraucht wurde noch dass Andere aufgrund von Obliegenheitsverletzungen oder dergleichen seinen Versicherungsschutz „verwirkt“ oder eine neue Versicherung mit geringerem Schutzniveau abgeschlossen haben.589 In seinem Gutachten zum 70. Deutschen Juristentag stellt Bachmann gerade im Bereich der Information der Versicherten590 über den für sie gewährleisteten Schutz durch eine D&O-Versicherung Defizite fest,591 die auch durch die Entwicklung am 585

Dies betont auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 796. Dies erkennt i.Erg. auch Wagner, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 88 an. 587 Wagner, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 88 f.; vgl. auch Spindler, AG 2013, 889, 897. 588 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 39. 589 Vgl. Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 497, 499 ff.; Hendricks, AR 2012, 108, 109; Schiel, AR 2013, 58, 60. 590 Zu Möglichkeiten der Verbesserung der Information der Vorstandsmitglieder über eine D&O-Firmenpolice der Gesellschaft s. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 47; Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 866 f.; ders., in: GesR in der Diskussion, S. 83, 99. 591 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 15 zitiert die nur teilweise (in diesem Punkt un-) veröffentlichte Studie der VOV GmbH aus dem Jahr 2013 „Managerhaftung und D&O-Versicherung“, wonach sich von 200 befragten „Geschäftsleitern“ die meisten „gut“ bis „einigermaßen gut“ (46 bzw. 47 %) über den Deckungsumfang einer für sie geltenden D&O-Ver586

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Versicherungsmarkt, Vorstandsmitgliedern zunehmend (auch) zum Abschluss einer persönlichen D&O-Versicherung zu raten, nahegelegt werden.592 Diese „Unsicherheitsfaktoren“, von denen ebenfalls Präventionswirkung ausgeht,593 dürften durch den Effekt der „Spürbarkeit“ der Folgen des eigenen Risikoverhaltens im Rahmen einer Eigenversicherung weitgehend aufgezehrt werden. Ein weiterer Gesichtspunkt, der zwar auch bei einer Eigenversicherung, in erhöhtem Maße aber bei einer Fremdversicherung, über deren Existenz sämtliche Organmitglieder informiert sind und deren Prämien nebst Erhöhung die Gesellschaft zu finanzieren hat, zum Tragen kommt, ist der einer durch das Bestehen von Versicherungsschutz verbesserten Haftungsdurchsetzung. Es ist anzunehmen, dass die vielbeschworene „Beißhemmung“ des Aufsichtsrats gegenüber den Mitgliedern des Vorstands in wesentlich geringerem Maße gegeben ist, wenn diese einen geltend gemachten Schaden jedenfalls nicht in vollem Umfang aus eigener Tasche zu begleichen haben und sich dadurch unmittelbar der Privatinsolvenz ausgesetzt sehen.594 Auch unter dem Gesichtspunkt der Beitreibbarkeit wird, zumindest bei voraussichtlicher Deckung durch die D&O-Versicherung, in der Tendenz mit vermehrter sicherung informiert fühlen. Eine eigene Befragung Bachmanns (zu den Bedingungen s. o., 3. Teil Fn. 557), zit. ebd., E 17 ergab, dass sich nur ein Drittel der Befragten Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden durch „ihre“ D&O-Versicherung gut abgesichert fühlten und „nicht alle“ ausreichend über deren Bedingungen informiert waren; ebenso Neubürger, S. 4; Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 866; ders., in: GesR in der Diskussion 2013, S. 83, 98 f.; Schiel, AR 2013, 58; Hendricks, AR 2012, 108, 109; Gruber/Mitterlechner/Wax, D&O-Versicherung, § 5 Rn. 46 ff, § 9 Rn. 77 f.; Albers, CCZ 2009, 222, 226 weist darauf hin, dass die Firmenpolice von den Gesellschaften häufig als „Tresorpolice“ behandelt werde; Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 508 sieht bereits aufgrund der Struktur der üblichen D&OVersicherungen „zahlreiche Unsicherheiten und Unbekannte“ für die Versicherten; vgl. auch Handelsblatt v. 10. 10. 2008, „Zehn Ausreden der D&O-Versicherer, um nicht zahlen zu müssen“, abzurufen unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/strategie/ma nager-versicherung-zehn-ausreden-der-dundampo-versicherer-um-nicht-zahlen-zu-muessen/3 034024.html, zuletzt abgerufen am 05. 02. 2015. 592 Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 39; zu der beschriebenen Entwicklung vgl. Hendricks, AR 2012, 108, 109; Schiel, AR 2013, 58, 60; zum Bedürfnis nach solcherlei Risikovorsorge Neubürger, passim. 593 So zur fehlenden Information über den Umfang der D&O-Versicherung Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 47 (allerdings wird der Gedanke einer „Abschreckung durch Ungewissheit“ zu Recht als „wenig überzeugend“ bewertet). 594 So ohne Differenzierung zwischen Fremd- und Eigenversicherung Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 39; Spindler, AG 2013, 889, 896; Paefgen, AG 2014, 554, 582; vgl. Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 64, 327 ff.; Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 155, 157; darüber hinausgehend befürchten Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2121 einen Missbrauch der D&O als „Kaskoversicherung“ der Gesellschaft, indem diese versuchen würde, Vermögenseinbußen grundsätzlich als Schäden aufgrund pflichtwidrigen Vorstandshandelns zu deklarieren, sodass eine Einstandspflicht der Versicherung bestehe. Angesichts des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, der begrenzten Versicherungssumme sowie der entstehenden Nachteile durch die entsprechend höhere Bemessung der Versicherungsprämie für nachfolgende Jahre erscheint ein solches Szenario eher wenig realitätsnah; vgl. auch Koch, AG 2014, 513, 519.

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Geltendmachung von Ersatzansprüchen zu rechnen sein. Davon ausgehend kann sich aus dem Abschluss einer D&O-Versicherung neben einer Verbesserung der Haftungsdurchsetzung auch ein positiver Präventionseffekt für die Vorstandsmitglieder ergeben, die sich im Fall einer häufigeren Inanspruchnahme auch vermehrt dem Risiko, in Höhe des Selbstbehalts persönlich zu haften oder erhöhte Prämien für eine Selbstbehaltsversicherung aufwenden zu müssen, ausgesetzt sehen. Daneben besteht bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen immer die Möglichkeit, dass der betreffende Schadensgrund vom Versicherungsschutz ausgenommen ist595 oder der geltend gemachte Anspruch die Deckungssumme der Versicherung übersteigt.596 Diesen Gefahren sehen sich die Vorstandsmitglieder bei vermehrter Inanspruchnahme auch vermehrt ausgesetzt. Vorteile einer Eigenversicherung sind demnach unter dem Gesichtspunkt der Präventionswirkung der Vorstandshaftung nicht zu erkennen. Im Gegenteil ist aufgrund der anzunehmenden Reduzierung der Hemmungen des Aufsichtsrats, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, eher von einer besseren Verhaltenssteuerung im Fall der Fremdversicherung auszugehen.597 3. Fazit Im Ergebnis ist aus den im Einzelnen ausgeführten Gründen ein Verbot der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung de lege ferenda weder unter dem Gesichtspunkt der Kompensations- noch der Präventionsfunktion der Organhaftung geboten.598 Im Hinblick auf letztere sind von einer Fremdversicherung sogar positivere Anreizwirkungen zu erwarten als von der Eigenversicherung der Vorstandsmitglieder, sodass ein entsprechendes Verbot auch nicht empfehlenswert erscheint.

II. Verbot der Versicherung des Selbstbehalts durch das Vorstandsmitglied § 93 Abs. 2 S. 3 AktG sieht für die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung der Vorstandsmitglieder zwingend einen Mindestselbstbehalt vor. Der Begriff des „Selbst-behalts“ darf allerdings nicht ganz wörtlich genommen werden. Eine Versicherung durch die Gesellschaft ist zwar ausgeschlossen, eine durch das einzelne Vorstandsmitglied selbst abgeschlossene Versicherung wird aber de lege lata all595

Dies gesteht auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 255 zu. Spindler, AG 2013, 889, 896; Paefgen, AG 2014, 554, 582. 597 Ähnl. aus diesem Grund Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38 zur Wirkung einer D&O-Versicherung insgesamt: „Es wird häufig beklagt, die D&O-Versicherung würde die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung eliminieren. Dabei ist in gewisser Weise das Gegenteil richtig.“. 598 Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 39. 596

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gemein für zulässig gehalten.599 Zur Begründung wird zum einen darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber des VorstAG, der durch mehrere Stellungnahmen600 auf die Problematik hingewiesen war, eine Verbotsregelung unterlassen hat, woraus im Umkehrschluss die Zulässigkeit der Selbstbehaltsversicherung gefolgert wird.601 Daneben werden verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG602 auf der Grundlage formuliert, dass es sich bei dem verfolgten Zweck der Verhaltenssteuerung durch ein solches Verbot um nicht mehr als eine Wirkungsvermutung handle,603 die nicht ausreiche, um eine derart gravierende Folge zu rechtfertigen.604 Dennoch fordern Stimmen im Schrifttum, wiederum im Hinblick auf die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung, ein Verbot solcher Selbstbehaltsversicherungen de lege ferenda.605 Auch hier ist zutreffend, dass ein Vorstandsmitglied, das zwingend in Höhe des Selbstbehalts haftet, sich vermutlich risikoaverser verhalten 599 Bosse, BB 2009, 1650, 1652; Albers, CCZ 2009, 222, 225; van Kann, NZG 2009, 1010, 1012; ders./Keiluweit, DStR 2009, 1587, 1589; Dauner-Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555, 1557; Spindler, NJOZ 2009, 3282, 3288; ders. AG 2013, 889, 897; Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659, 1662; Lingemann, BB 2009, 1918, 1922; O. Lange, VersR 2010, 1011, 1022; Kerst, WM 2010, 594, 601 f.; Thüsing/Traut, NZA 2010, 140, 142 f.; Fleischer, NZG 2009, 801, 806; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 254; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 64; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 406; Bürgers/Körber, in: Bürgers/Israel, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 40b; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 59; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 248; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 39; Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 796; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 235, 247. 600 Namentlich Thüsing, Stellungnahme VorstAG, S. 13 f.; Goette, Stellungnahme VorstAG, S. 7. 601 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 235; Spindler, AG 2013, 889, 897; Thüsing/Traut, NZA 2010, 140, 142 f.; Thüsing, AG 2009, 517, 527; Albers, CCZ 2009, 222, 225; Dauner-Lieb/ Tettinger, ZIP 2009, 1555, 1557; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 64; a.A. Gädtke, VersR 2009, 1565, 1568 f. 602 Kerst, WM 2010, 594, 602; O. Lange, VersR 2009, 1011, 1022 f.; Spindler, AG 2013, 889, 897. 603 Ähnl. auch Semler, FS Goette, 2011, 499, 510; Hohenstatt/Naber, DB 2010, 2321; Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659, 1662; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 406. 604 Gädtke, VersR 2009, 1565, 1569 ff., insb. 1570; O. Lange, VersR 2009, 1011, 1022 f.; vgl. auch Hirte, Stellungnahme VorstAG, der ein Verbot der Selbstbehaltsversicherung ebenfalls „aus verfassungsrechtlichen Gründen“ für grds. ausgeschlossen hält; ganz ähnl. Olbrich/ Kassing, BB 2009, 1659, 1662; Albers, CCZ 2009, 222, 225; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801. 605 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 247, 272 f.; Thüsing/Traut, NZA 2010, 140, 142; Thüsing, AG 2009, 517, 526 f.; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 5 (Versicherung des Selbstbehalts sei „rechtspolitisch wenig wünschenswert“); im Zusammenhang einer gesetzlichen Haftungsdeckelung bei einem entsprechend reduzierten Selbstbehalt von einem Viertel bzw. der Hälfte der festen Jahresvergütung für leichte bzw. grobe Fahrlässigkeit auch Bayer, NJW 2014, 2546, 2549; im Zusammenhang mit einer satzungsmäßigen Festsetzung von Haftungserleichterungen auch Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 58:20:9 Stimmen (Beschluss I. 3. c)).

H. D&O-Versicherung

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wird als eines, dem eine Versicherung zur Seite steht. Weder ist damit aber eine vollständige Aufhebung der Präventionswirkung der Haftung gegeben noch fehlt es an weiteren Verhaltenssteuerungsmechanismen. Wenn auch in erheblich geringerem Umfang,606 bleibt das Haftungsrisiko in Bezug auf den Selbstbehalt für das Vorstandsmitglied doch insoweit spürbar, als es eine Versicherungsprämie zu entrichten hat, der eine Risikoberechnung zugrunde liegt und es daneben der Gefahr einer versichererseitigen Kündigung bei übermäßig häufigen Eintrittsfällen ausgesetzt ist, mithin auch im eigenen Interesse dafür sorgen wird, dass eine solche Situation nicht eintritt.607 Weiterhin besteht stets die Möglichkeit, dass ein geltend gemachter Ersatzanspruch der Gesellschaft die Deckungssumme einer D&O-Versicherung insgesamt übersteigt, wofür keinerlei Versicherungsschutz besteht608 sowie dass es sich um eine vom Versicherungsschutz ausgeschlossene Schadensursache handelt. Daneben bleiben auch hier die übrigen Folgen einer Pflichtverletzung vom Vorhandensein einer Versicherung unberührt.609 Ob es sich angesichts dessen in der Tat bei der Erwägung eines Verbots der Versicherung des Selbstbehalts durch das Vorstandsmitglied selbst um eine „Glaubensfrage“ handelt oder ein solches vielmehr von Verfassungs wegen ausgeschlossen ist,610 indem es sich bei der zusätzlichen Steuerungswirkung tatsächlich um nicht mehr als eine Vermutung handelt, kann hier nicht vertieft werden. Die aufgezählten verbleibenden Haftungs- und sonstige Folgerisiken einer Pflichtverletzung gewährleisten nach hier bereits in anderen Zu606 Informationen zum Verhältnis der Prämien zur Deckungssumme einer solchen Versicherung sind nicht verfügbar. Einen groben Anhaltspunkt dürften wegen desselben Eintrittsrisikos die Verhältnisse bei der D&O-Versicherung abgeben, dazu oben, Fn. 566. 607 So auch Spindler, AG 2013, 889, 897; van Kann/Keiluweit, DStR 2009, 1587, 1589; dagegen hält Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 273 solche Elemente des „Werkzeugkastens der versicherungsrechtlichen Steuerungselemente“ aufgrund der weitaus geringeren Deckungssummen, die auch bei „absoluten Topverdienern“ 20 Mio. E nicht überstiegen, indes für weitgehend wirkungslos; ähnl. R. Koch, AG 2009, 637, 645 f.: „nur eine sehr geringe verhaltenssteuernde Wirkung“; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2122: „entfällt die durch § 93 Abs. 2 S. 3 AktG bezweckte verhaltenssteuernde Wirkung“; an einer verhaltenssteuernden Wirkung des Selbstbehalts insgesamt zweifelnd Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510; R. Fischer, DStR 2007, 1083 f. Zur Präventionswirkung beim Bestehen von Versicherungsschutz in allg. Zshg. s. Lange/Schiemann, Einleitung, III. 2. b) (S. 11). 608 Dies räumt auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 235 ein. Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38 bewertet das „Haftungsexposure“ oberhalb des Selbstbehalts insgesamt als „in hohem Maße unberechenbar“; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 40 weist darauf hin, dass hiervon typischerweise „die risikoreichen, weil immens schadensträchtigen Entscheidungen betroffen“ seien. 609 Paefgen, AG 2014, 554, 582; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 796; Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 867. 610 Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 800 f. weist in diesem Zusammenhang auf die durch § 8 Abs. 4 PartGG zugelassene Vermögensschadenshaftpflicht für die Partner einer Partnerschaftsgesellschaft sowie die Möglichkeit der Freistellung des Gesellschafters einer OHG von der Haftung aus § 128 HGB hin und gibt vor diesem Hintergrund zu bedenken, dass es sich bei einem Verbot der Selbstbehaltsversicherung um einen überschießenden Eingriff in die Privatautonomie der Organmitglieder und Versicherer handeln könnte; ähnl. u. zust. Spindler, AG 2013, 889, 897.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

sammenhängen vertretener Auffassung eine hinreichende Präventionswirkung. Ein Verbot der Selbstbehaltsversicherung sollte, dürfte möglicherweise gar, nicht geschaffen werden.611 Nach dem Gesagten ist aber die Tragung der Versicherungskosten durch das Vorstandsmitglied, mithin ein echter „Selbst-behalt“,612 im Hinblick auf die Präventionswirkung geboten.613 Ein Verbot, entsprechende Vergütungsanteile festzusetzen, wird aber aus praktischen Gründen kaum durchsetzbar sein.614

III. Ausgestaltung als Pflichtversicherung Eine gesetzliche Verpflichtung der Gesellschaft zum Abschluss einer D&OVersicherung für ihre Vorstandsmitglieder besteht de lege lata nach allgemeiner Meinung nicht,615 insbesondere sollte eine solche nicht durch die Einführung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG durch das VorstAG begründet werden;616 aus einer vertraglichen Vereinbarung kann sich freilich eine entsprechende Pflicht ergeben.617 Gelegentlich wurde die Einführung einer Versicherungspflicht, insbesondere für börsennotierte 611 Ebenso Paefgen, AG 2014, 554, 582; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 801; Spindler, AG 2013, 889, 897; implizit auch Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 406; offenlassend Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 40; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 75. 612 Vgl. van Kann, NZG 2009, 1010, 1012. 613 Vgl. Goette, Stellungnahme VorstAG, S. 7; Seibert, FS Goette, 2011, S. 487, 496 Fn. 33; Lingemann, BB 2009, 1918, 1922; Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659, 1162; van Kann, NZG 2009, 1010, 1012; ders./Keiluweit, DStR 2009, 1587, 1589; R. Koch, AG 2009, 637, 646; Dauner-Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555, 1557; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 64; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 254; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 39; Kerst, WM 2010, 594, 602; Thüsing/Traut, NZA 2010, 140, 143; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 800; dagegen hält Spindler, NJOZ 2009, 3282, 3288 eine insgesamt erhöhte Vergütung, ohne gesonderte Ausweisung der Aufwendungen für die Versicherungsprämien für zulässig; auch mit offener Ausweisung: ders., AG 2013, 889, 897; so wohl auch Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801. 614 Ähnl. Thüsing/Traut, NZA 2010, 140, 143; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 800; Hirte, Stellungnahme VorstAG, S. 4; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 64. 615 BGH NZG 2009, 550, 552 Rn. 23 (zu Mitgliedern des Aufsichtsrats); Bosse, BB 2009, 1650, 1652; Kerst, WM 2010, 594, 599; Hohenstatt/Naber, DB 2010, 2321; Ihlas, D&O, S. 56; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 162 f.; Hölters, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 404; Spindler, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 195; Bürgers/ Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 40a; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 57; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 58; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 243; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 235 ff. 616 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum VorstAG v. 17. 06. 2009, BT-Drs. 16/13433, S. 11. 617 Dazu 3. Teil C. I. a.E.

H. D&O-Versicherung

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Gesellschaften, erwogen,618 im Ergebnis aber abgelehnt.619 Angesichts der flächendeckenden Verbreitung von D&O-Versicherungen gerade in börsennotierten Gesellschaften, handelt es sich nicht um ein dringlich vom Gesetzgeber zu behandelndes Problem.620 Gegen eine Ausgestaltung der D&O als Pflichtversicherung wird eingewandt, dass sie, indem die Versicherungspflicht nicht, wie bei anderen gesetzlichen Pflichtversicherungen, zum Schutz des Geschädigten, sondern (auch) des Schädigers eingeführt würde, systemwidrig sei.621 Daneben würde eine solche Versicherungspflicht zu erheblichen Einbußen der Gesellschaft an unternehmerischer Freiheit hinsichtlich ihrer Risikovorsoge führen.622 Ob sich eine D&O-Versicherung als günstigster Mechanismus für die Gesellschaft herausstellt, ist von zahlreichen Faktoren abhängig, die bei Kodifizierung einer Versicherungspflicht notwendig (nahezu) unberücksichtigt bleiben müssten. Weiterhin könnte eine gesetzliche Versicherungspflicht in Unternehmen, die sich mit hochgradig schadensträchtigen Geschäften oder Tätigkeiten befassen, aufgrund der entsprechend hohen Versicherungsprämien zu einer erheblichen finanziellen Belastung führen oder könnten gewisse Risiken im Extremfall überhaupt nicht versicherbar sein, weil die Prämien von der Gesellschaft nicht zu finanzieren oder die Versicherer zur Risikotragung schlicht nicht in der Lage wären. Was in solchen Fällen die Folge sein 618 Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 235, 238; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 76; Schnyder, FS Rey, 2003, S. 319, 328 (für die Schweiz). 619 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 76; Ihlas, D&O, S. 56; Bender/Vater, VersR 2003, 1376; Fleischer, WM 2005, 909, 920, ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 238; Peltzer, in: GesR in der Diskussion 2013, S. 83, 99; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 46 f. 620 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 46. 621 Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 46 f.; zum Schutzzweck einer Pflichtversicherung, s. Brand, in: MüKoVVG, Vorbemerkungen zu §§ 113 – 124 Rn. 6 m.w.N.; am Bsp. der Kfz-Halterhaftpflicht Feyock, in: Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu § 1 PflVG Rn. 15. Das Argument der Systemwidrigkeit trifft im Grundsatz zu, lediglich § 8 Abs. 3 Krankenpflegeverordnung, aufgehoben durch das Gesetz über die weitere Bereinigung von Bundesrecht, Art. 13 (BGBl. I 2010, S. 1864), schrieb eine durch den Träger einer Krankenpflegeschule abzuschließende Pflichtversicherung für die Schüler vor, die im Ergebnis den Regress des Schulträgers wegen Ansprüchen Dritter sichern sollte; dasselbe gilt noch für bestimmte Beliehene, bspw. Prüfingenieure für Bautechnik (Versicherungspflicht in BW aus § 1 Abs. 10 BauPrüfVO) die allerdings selbst zum Abschluss einer Versicherung verpflichtet sind, die ebenfalls den Regress des beleihenden Verwaltungsträgers sichern soll; dazu vertiefend, Dallwig, Deckungsbegrenzungen in der Pflichtversicherung, S. 29 ff.; zum Ganzen Brand, in: MüKoVVG, Vorbemerkungen zu §§ 113 – 124 Rn. 9 m.w.N. Im Ergebnis kennt das geltende Recht damit keinen Fall (mehr), in dem ein durch Drittansprüche Geschädigter verpflichtet ist, seinen Regress bei dem Schädiger zu versichern; eine Pflichtversicherung auch für unmittelbare Eigenschäden ist dem deutschen Recht der Pflichtversicherung insgesamt fremd. Diese atypischen Fälle führen daher für die Systemwidrigkeit einer D&O-Versicherungspflicht nicht zu einem abweichenden Ergebnis. 622 Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 24; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 76.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

sollte, ist ungeklärt. Eine der gesetzlichen Krankenversicherung ähnliche, auf dem Solidarprinzip basierende Ausgestaltung, in der die Beiträge der einzelnen Gesellschaft nicht an ihrem Risikoprofil, sondern der Unternehmensgröße, gemessen etwa am Jahresumsatz, bemessen wären, würde wiederum Gesellschaften mit „gutem“ Risikoprofil benachteiligen, die wesentlich höhere Risiken anderer Unternehmen mitzutragen hätten. Unter Marktbedingungen nicht versicherbare Risikoprofile könnten auch hier zu extrem hohen Beiträgen für sämtliche am System Beteiligte führen.623 Gefragt sind und bleiben damit die Vorstandsmitglieder selbst, die im eigenen Interesse bei den Verhandlungen ihrer Anstellungsverträge auf eine möglichst konkrete Vereinbarung zu ihrem Schutz durch eine D&O-Versicherung bestehen sollten,624 sodass ihnen bei Fehlen einer solchen Versicherung im „Ernstfall“ ein aufrechnungsfähiger Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft zusteht. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Überlegungen wäre aber zu erwägen, den Vorschlag Fleischers aufzugreifen, in Ziff. 3.8 des Deutschen Corporate Governance Kodex eine Empfehlung zum Abschluss einer D&O-Versicherung aufzunehmen.625 Eines Eingriffs des Gesetzgebers bedarf es nach derzeitigem Stand nicht.626

IV. Streichung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG Vereinzelt wird dem Selbstbehalt des Vorstandsmitglieds im Rahmen einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung eine verhaltenssteuernde Wirkung abgesprochen und dementsprechend seine Abschaffung de lege ferenda gefordert.627 Die Gesichtspunkte, aufgrund deren in der Erörterung eines Verbots der Selbstbehaltsversicherung eine von dem gesetzlichen Selbstbehalt des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – selbst, wenn dieser durch das Vorstandsmitglied eigenständig versichert wird – ausgehende, wenngleich gegenüber einer vollumfänglichen Haftung erheblich ab623 Ähnl. Bedenken äußern zum Ganzen Fleischer, WM 2005, 909, 920; ders., in: Spindler/ Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 238; Finch, 57 Modern Law Review (1994), 880, 911 f.; vgl. auch Schnyder, FS Rey, 2003, S. 319, 328 Fn. 17, der auf die Notwendigkeit, den „Angebotsmarkt […] mit in Betracht zu ziehen“, hinweist. 624 Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Hemeling, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 491, 507; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 235 ff.; Ihlas, D&O, S. 56. 625 Vgl. Fleischer, WM 2005, 909, 920. 626 Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 24, 46 f.; Peltzer, in: GesR in der Diskussion 2013, S. 83, 99; Fleischer, WM 2005, 909, 920; ders., in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 93 Rn. 238; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 76.; Ihlas, D&O, S. 56; Bender/Vater, VersR 2003, 1376. 627 Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 867; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2122; zweifelnd, aber ohne Reformforderung Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 38; R. Fischer, DStR 2007, 1083 f.; aus einer insgesamt kritischen Haltung gegenüber der D&O-Versicherung hinsichtlich der Präventionswirkung der Vorstandshaftung auch Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510.

H. D&O-Versicherung

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geschwächte, verhaltenssteuernde Wirkung angenommen wurde, sprechen auch gegen eine Abschaffung dieses Selbstbehalts de lege ferenda. Selbst wenn man den Selbstbehalt angesichts der Möglichkeit seiner Versicherung628 als „eher symbolisch“ bedeutsam ansieht, ist Bachmann darin zuzustimmen, dass er in dieser Eigenschaft ein Bewusstsein der Vorstandsmitglieder aufrecht erhält, dass Haftungsgefahren nicht nur im Gesetz, sondern auch in der Rechtswirklichkeit gegeben sind.629 Angesichts der Begrenzung des gesetzlichen Mindestselbstbehalts auf das Eineinhalbfache der festen jährlichen Vergütung wird sich aus der Vorschrift des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG auch kaum eine die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Vorstandsmitglieds übersteigende Haftung ergeben. Auch in diesem Punkt ist ein gesetzgeberischer Eingriff aus den dargelegten Gründen nicht angezeigt.630

V. Fazit Hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen betreffend die Zulässigkeit und Ausgestaltung der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung ist weder in verschärfender noch mildernder Richtung ein gesetzgeberischer Eingriff erforderlich. Eine bedenkliche Abschwächung der Präventionswirkung der Vorstandshaftung konnte weder durch die Gesellschaftsfinanzierung einer solchen Versicherung noch die Zulässigkeit der Versicherung des gesetzlichen Selbstbehalts durch das einzelne Vorstandsmitglied festgestellt werden. Umgekehrt ist eine Ausgestaltung als Pflichtversicherung mit Blick auf die bereits bestehende Verbreitung von D&OVersicherungen und die mit einer solchen Pflicht verbundenen Einschnitte in die Entscheidungsfreiheit der Gesellschaft in Bezug auf die Risikovorsorge derzeit ebenfalls nicht angezeigt. Nach hier vertretener Ansicht kommt auch dem eigenständig versicherten gesetzlichen Selbstbehalt eine, wenngleich schwache, verhaltenssteuernde Wirkung auf die Mitglieder des Vorstands zur Einhaltung ihrer Pflichten gegenüber der Gesellschaft zu, sodass kein Grund besteht, den Satz 3 des § 93 Abs. 2 AktG aus dem Gesetz zu streichen. Eine Möglichkeit, mit den Mitteln der Gesetzgebung den Hürden bei der Inanspruchnahme von Leistungen aus einer D&O-Versicherung zu begegnen, ist nicht ersichtlich und aufgrund der wirt-

628 Zu berücksichtigen bleibt aber, dass sich auch bei der Selbstbehaltsversicherung teilweise vergleichbare Ausfallrisiken wie bei der D&O-Versicherung selbst ergeben können; eine vollständige Entsprechung dieser Risiken besteht, wenn die Selbstbehaltsversicherung an eine Leistung aus einer D&O-Versicherung als Versicherungsfall anknüpft, so R+V Allgemeine Versicherung AG, Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Absicherung des persönlichen Selbstbehalts von Unternehmensleitern und Aufsichtsräten, Ausgabe Januar 2010 (ULLA-SBMEK), Ziff. 3, der Verf. freundlicherweise zur Verfügung gestellt. 629 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 47; a.A. Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2122. 630 I.Erg. ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 47; Paefgen, AG 2014, 554, 581.

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4. Teil: Grenzen der Vorstandshaftung de lege ferenda

schaftlichen Hintergründe des Claims made Prinzips auch nicht als sinnvoll zu bewerten.631

J. Juristische Person als Vorstandsmitglied Abzulehnen ist die Zulassung juristischer Personen als Vorstandsmitglieder, was durch Streichung des § 76 Abs. 3 AktG umzusetzen wäre. Anders als in der Kapitalgesellschaft & Co. KG könnte die Zulassung juristischer Personen in den Vorstand der Aktiengesellschaft nicht mit einem Wegfall der Haftung für unternehmerische Risiken begründet werden, da eine solche verschuldensunabhängige Haftung für Vorstandsmitglieder, anders als für den Komplementär einer Kommanditgesellschaft nicht gegeben ist.632 Die Verschuldenshaftung des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG könnte durch die Einsetzung einer GmbH als Vorstandsmitglied zwar bis zu einem gewissen Grad, indes aufgrund der Grenzen der Zulässigkeit haftungsbeschränkender Vereinbarungen für GmbH-Geschäftsführer auch nicht vollständig, ausgeschlossen werden.633 Entscheidend ist letztendlich aber, dass eine Besetzung des Vorstands mit juristischen Personen den Anforderungen an die Auswahl der Vorstandsmitglieder und die Vorstandstätigkeit nicht gerecht werden könnte. Zum einen wird ein Vorstandsmitglied vom Aufsichtsrat idealiter aufgrund seiner Eignung und Befähigung für das ihm zugedachte Amt ausgewählt und bestellt. Die Bestellung einer juristischen Person wäre mit dem Risiko eines Wechsels der Gesellschafter und des Austauschs der Organwalter behaftet, sodass schlussendlich die Aktiengesellschaft keinen Einfluss darauf hätte, welche natürlichen Personen mit ihrer Leitung betraut wären.634 Eine Beteiligung der Aktiengesellschaft an den juristischen Personen, die ihren Vorstand bildeten, müsste, nicht zuletzt aus Haftungsgründen, nämlich ausgeschlossen sein. Die Bestellung bestimmter Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat verkäme durch die Zulassung juristischer Personen zur Farce. Ferner bereitete die Umsetzung der betrieblichen Mitbestimmung in diesem Modell Probleme. Zum anderen stünden die Willensbildungsprozesse innerhalb der „Vorstandsgesellschaften“, außer wenn es sich um Einmanngesellschaften handelte, den Anfor631

Ähnl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 48; insgesamt skeptisch gegenüber einem gesetzgeberischen Eingriff bei der D&O-Versicherung Ihlas, D&O, S. 57: „Wenn sich der deutsche Gesetzgeber der D&O-Versicherung jemals widmen müsste, wird dabei nichts Gutes herauskommen können. Das Thema ist international und es geht um Unternehmensgewinne, Aktienkurse und Verluste. Das Wahlvolk hingegen ist national und arbeitnehmerfreundlich.“. 632 Vgl. dazu 3. Teil E. V. 1. a). 633 Zum Umfang zulässiger Haftungsbeschränkungen des GmbH-Geschäftsführers s. o. 3. Teil B. III. 5. bei Fn. 515. 634 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, S. 238 f.; Fleischer, AcP 204 (2004), 502, 532; Brandes, NZG 2004, 642, 647 f.; vgl. BGH DB 2013, 2439 Rn. 8 ff. (zum Insolvenzverwalter).

J. Juristische Person als Vorstandsmitglied

527

derungen an Vorstandsmitglieder, auf geschäftliche Entwicklungen rasch reagieren zu können, entgegen.635 Auch hier könnte sich zudem die fehlende Kontinuität durch die Möglichkeit eines personellen Wechsels in den Organen einer „Vorstandsgesellschaft“ negativ auswirken. Ferner würde sich auch die vergleichsweise geringe Mindestkapitalausstattung, insbesondere der GmbH, die aus Haftungsgründen als besonders geeignete Rechtsform einer „Vorstandsgesellschaft“ erscheint und die weitgehende Haftungsbeschränkungen ihrer Geschäftsführer zulässt, negativ auf den Schutz des Gesellschaftsvermögens durch die Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder auswirken,636 zumal gegenüber der Aktiengesellschaft lediglich die „Vorstandsgesellschaft“ als Vorstandsmitglied haftete.637 Hier wäre jedenfalls eine Übertragung der Rechtsprechung des BGH zur GmbH & Co. KG, wonach der GmbH-Geschäftsführer auch der KG gegenüber haftet,638 geboten.639 Weiterhin sprechen die gegen die Zulassung satzungs- oder vertragsmäßiger Haftungsbeschränkungen vorgebrachten Erwägungen der Transparenz der Organhaftung in der Aktiengesellschaft gegen die Zulassung juristischer Personen als Vorstandsmitglieder.640 Nach alldem erscheint die Zulassung juristischer Personen als Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft nicht als interessengerechte Lösung zur Begrenzung der Vorstandshaftung de lege ferenda.641

635

Vgl. BGH DB 2013, 2439 Rn. 17 ff. (zum Insolvenzverwalter). Vgl. BGH DB 2013, 2439 Rn. 26 f. (zum Insolvenzverwalter). 637 Siehe Fleischer, AcP 204 (2004), 502, 532 f.; Brandes, NZG 2004, 642, 646. 638 BGHZ 75, 321, 323 f.; 76, 326, 337 f.; 197, 304 Rn. 16 ff. 639 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, S. 238 (notwendig, aber nicht hinreichend); Fleischer, AcP 204 (2004), 502, 532 f.; Brandes, NZG 2004, 642, 646 f. 640 Siehe 4. Teil D. II. 3. a) bb); in diesem Sinne auch Fleischer, AcP 204 (2004), 502, 532. 641 Ebenso i.Erg. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, S. 236 ff.; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 66 f.; Fleischer, AcP 204 (2004), 502, 529 ff.; vgl. BGH DB 2013, 2439 (zur Nichtzulassung juristischer Personen als Insolvenzverwalter); a.A. Brandes, NZG 2004, 642. 636

5. Teil

Die Durchsetzung der Vorstandshaftung Neben der materiell-rechtlichen Regelung der Vorstandshaftung im Aktiengesetz und der sie prozessrechtlich ausgestaltenden Beweislastverteilung sind für ein realistisches Bild von der Schärfe der Vorstandshaftung im deutschen Recht auch die Bedingungen, unter denen Schadensersatzansprüche vom Aufsichtsrat geltend gemacht werden müssen und von den Aktionären geltend gemacht werden können, von erheblicher Bedeutung.1 Die tatsächliche Durchsetzung der Vorstandshaftung entscheidet schlussendlich darüber, ob die materiell-rechtlich scharfe Ausgestaltung ein Papiertiger bleibt oder die Vorstandsmitglieder sich einer realen Haftungsgefahr auch außerhalb der Insolvenz der Gesellschaft ausgesetzt sehen. Auf die Haftungsdurchsetzung in der Insolvenz, wo der Insolvenzverwalter nach einhelliger Auffassung verpflichtet ist, Ansprüche der Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen, wenn günstige Erfolgsaussichten gegeben sind und die Prozessführung wirtschaftlich zu vertreten ist,2 soll hier nicht näher eingegangen werden. Festzuhalten ist, dass aufgrund der von denen des Aufsichtsrats, auf die sogleich einzugehen ist, abweichenden Pflichten des Insolvenzverwalters in der Insolvenz der Gesellschaft mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit eine Durchsetzung auch exorbitant hoher Schadensersatzforderungen zu erwarten ist. Indes wirken die vorgefundenen „Grenzen“ der Vorstandshaftung, anders als dies für die abzulehnende Beschränkung des Schadensersatzes aufgrund der Fürsorgepflicht gelten müsste, grundsätzlich auch hier. Dasselbe gilt für die soweit ersichtlich praktisch nicht bedeutsame Klageerzwingung durch Hauptversammlungsbeschluss nach § 147 Abs. 1 AktG.3

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat Außerhalb der Insolvenz der Gesellschaft bildet die Anspruchsverfolgung durch die Gesellschaft selbst, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG), im deutschen Recht den Regelfall der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder. Die Voraussetzungen, unter denen der Aufsichtsrat berechtigt, vor allem aber verpflichtet ist, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Mitglieder ihres 1

So auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 111. Siehe nur BGH NJW 1994, 323, 324; dazu auch Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 115. 3 Siehe dazu Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 113 f. 2

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat

529

Vorstands geltend zu machen, wirken sich daher maßgeblich auf die tatsächliche Schärfe der Vorstandshaftung aus.

I. Ausgangspunkt: Die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH Zu einer ganz erheblichen Bedeutungsaufwertung, um nicht zu sagen überhaupt zu einer praktischen Bedeutung der Vorstandshaftung, hat die bereits zur Business Judgment Rule als maßgeblich herausgestellte „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH vom 21. April 19974 geführt.5 Die Frage der Freiheit und Bindung des Aufsichtsrats bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands bildete, eingebettet in eine Feststellungsklage der Aufsichtsratsminderheit, gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit eines die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstandsvorsitzenden ablehnenden Aufsichtsratsbeschlusses, den eigentlichen Gegenstand dieser Entscheidung. Dazu führt der BGH zunächst aus, dass den Aufsichtsrat als Teil seiner Überwachungstätigkeit gemäß § 111 Abs. 1 AktG, die sich auch auf abgeschlossene Geschäftsvorgänge beziehe,6 die Pflicht treffe, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Mitgliedern des Vorstands aus deren Organtätigkeit zu prüfen und gegebenenfalls aufgrund der Vertretungszuständigkeit des § 112 AktG geltend zu machen. Diese Verpflichtung bestehe insbesondere unabhängig von den Möglichkeiten der Aktionäre, eine solche Rechtsverfolgung zu erzwingen.7 Die Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder hat der Aufsichtsrat nach den Entscheidungsgründen des BGH in einem zweistufigen Vorgehen zu behandeln. Auf einer ersten Stufe seien Feststellungen zu dem Sachverhalt, aus dem sich ein möglicher Schadensersatzanspruch ergeben soll, in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu treffen sowie die Risiken eines Prozesses und die Beitreibbarkeit der Forderung einzuschätzen. In diesem Zusammenhang stehen die Ausführungen zum „weiten Hand4

BGHZ 135, 244. Vgl. Raiser, NJW 1996, 552; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 318; ders., FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 451, 452: „Dornröschenschlaf“; Goette, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 153; ders., ZHR 176 (2012), 588, 590 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 618 f.; Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 909; Thümmel, DB 1997, 1117; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 116 Rn. 6. 6 Siehe BGHZ 114, 127, 129. 7 In der für die Entscheidung maßgeblichen Fassung sah § 147 Abs. 1 AktG aF [zuletzt geändert durch das BeurkG v. 28. 08. 1969, (BGBl. I 1969, S. 1513)] neben einem Mehrheitsbeschluss eine Verfolgungspflicht auch auf Verlangen einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit vor. Eine eigene Klagemöglichkeit der Aktionäre, wie sie nunmehr § 148 AktG vorsieht, war noch nicht gegeben. 5

530

5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

lungsspielraum“ des Vorstands, den der Aufsichtsrat bei der Feststellung pflichtwidrigen Handelns zu berücksichtigen habe und die später maßgeblich die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG prägen sollten. Ausdrücklich ablehnend äußert sich der BGH zu der vom OLG Düsseldorf im Berufungsurteil angenommenen „Entscheidungsprärogative“ des Aufsichtsrats, die die gerichtliche Überprüfbarkeit seiner Ergebnisse einschränke,8 auf dieser Stufe. Vielmehr komme im „Erkenntnisbereich“, wo es um Bestehen und Durchsetzbarkeit eines Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft gehe, „allenfalls die Zubilligung eines begrenzten Beurteilungsspielraums“ in Betracht. Eine zweite Stufe, auf der die eigentliche Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen oder das Absehen hiervon zu treffen sei, komme zum Tragen, wenn eine sorgfältige Prüfung des Aufsichtsrats auf der dargestellten ersten Stufe zu dem Ergebnis geführt habe, dass der Gesellschaft „voraussichtlich“ Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder ihres Vorstands zustünden; Gewissheit könne hier, so der BGH, nicht verlangt werden. Bereits die Einleitung in den Entscheidungsgründen, es könne sich die Frage eines Absehens von einer Anspruchsverfolgung stellen, zeigt, dass der BGH im Grundsatz davon ausgeht, dass bestehende und beitreibbare Ersatzansprüche auch geltend zu machen seien. Auch auf dieser Stufe soll dem Aufsichtsrat „kein autonomer unternehmerischer Ermessensspielraum“ zustehen. Die „unternehmerische Handlungsfreiheit“, die der BGH zuvor dem Vorstand als schlechterdings unverzichtbar für dessen Leitungsaufgabe zugesprochen hatte, sei „Teil und notwendiges Gegenstück“ eben dieser Aufgabe, an der der Aufsichtsrat nur insoweit Anteil habe, wie ihm unternehmerische Aufgaben, wozu insbesondere die „präventive Kontrolle“ im Sinne einer Mitgestaltung der Vorstandstätigkeit, etwa durch die Bestimmung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, gehöre, vom Gesetz zugewiesen würden. Für die nachträgliche Kontrolltätigkeit, der der BGH nicht nur die Prüfung des Bestehens und der Durchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen, sondern auch die Frage deren Geltendmachung zuordnet, könne der Aufsichtsrat kein solches „unternehmerisches Ermessen“ für sich reklamieren. Vielmehr sei die Entscheidung allein dem Unternehmenswohl verpflichtet, das „grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Vermögens“ verlange. Nur ausnahmsweise könne daher von einer Geltendmachung voraussichtlich bestehender und beitreibbarer Ansprüche abgesehen werden, wenn „gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft“ dafür sprächen, „den entstandenen Schaden ersatzlos hinzunehmen“. Diese Voraussetzung werde im Allgemeinen nur vorliegen, wenn diese Interessen und Belange gegenüber denen, die für eine Rechtsverfolgung sprächen, überwiegend oder „annähernd gleichwertig“ seien. 8 Siehe OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 1183, 1190, das ein Ermessen des Aufsichtsrats angelehnt an § 114 VwGO annimmt.

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat

531

„Durchaus Bedeutung erlangen“ können dabei nach Auffassung des BGH die vom OLG Düsseldorf in der Berufungsentscheidung herangezogenen Kriterien wie „negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung des Betriebsklimas“.9 Außerhalb des Unternehmenswohls liegenden Argumenten gegen eine Anspruchsverfolgung, namentlich der „Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds oder dem Ausmaß der mit der Beitreibung für das Mitglied und seine Familie verbundenen sozialen Konsequenzen“ dürfe der Aufsichtsrat dagegen „nur in Ausnahmefällen“ Gewicht beimessen. Als Beispiel einer solchen Ausnahmesituation benennt der BGH eine „nicht allzu schwerwiegende“ Pflichtverletzung, die „einschneidende Folgen“ für das betreffende Vorstandsmitglied nach sich zu ziehen drohe. Aus alldem folgert der BGH dass „die Verfolgung der Schadensersatzansprüche gegenüber einem Vorstandsmitglied die Regel“ sein müsse und eine Abweichung von dieser Regel, die der BGH als einem Anspruchsverzicht seitens der Gesellschaft nahe kommend bewertet, nur eine mit „gewichtigen Gegengründen“ zu rechtfertigende Ausnahme hiervon darstellen könne. Lediglich innerhalb dieser, wie der BGH selbst ausführt, „engen Grenzen“ könne dem Aufsichtsrat ein „Entscheidungsermessen“ in Bezug auf das Absehen von der Geltendmachung voraussichtlich erfolgreich durchsetzbarer Ersatzansprüche zuzusprechen sein. Dieses könne aber erst nach der Feststellung der in die Abwägung einzubeziehenden Umstände einsetzen.10

II. Resonanz der Entscheidung in der Literatur 1. Meinungsstand Während in der Kommentarliteratur zur Frage der Verpflichtung des Aufsichtsrats, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands geltend zu machen, überwiegend in nahezu wörtlicher Übernahme der Entscheidungsbegründung des BGH die Anspruchsverfolgungspflicht als, auch unter Geltung des UMAG, rechtlich gesicherter Regelfall dargestellt wird,11 hat sich außerhalb „schleichend“12 9

Siehe OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 1183, 1192; BGHZ 135, 244, 255. So im Ganzen BGHZ 135, 244, 252 ff.; unlängst erneut bestätigt durch BGH ZIP 2014, 1728 Rn. 19; dazu auch Mayer, NZG 2014, 1208 f. 11 Ebenso Mertens, FS K. Schmidt, 2009, S. 1183 u. Fn. 2; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1800: Die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH sei „ein Datum für den Aufsichtsrat, das dieser strikt beachten muss, will er nicht riskieren, selbst schadensersatzpflichtig zu werden.“; vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 116 Rn. 47; Habersack, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 111 Rn. 35 ff.; Henssler, in: Henssler/Strohn, 2. Aufl. 2014, § 111 Rn. 9; HamblochGesinn/Gesinn, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 116 Rn. 29; unter Hinweis auf die einschränkenden Auffassungen Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 111 Rn. 7 ff.; krit. Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2005, § 111 Rn. 353 ff., 361 f. 10

532

5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

eine teils erhebliche Beschränkungen dieser Verfolgungspflicht, die die Bezeichnung als Regelfall kaum noch zulassen dürften, annehmende Auffassung etabliert. Aus dem dogmatischen Blickwinkel kann allerdings nicht von einer Auffassung gesprochen werden, vielmehr handelt es sich im Ausgangspunkt um zwei unterschiedliche Ansätze nebst den üblichen Schattierungen in den Details bei den einzelnen Vertretern, die im Ergebnis zu einer tatsächlichen Beschränkung der Regelverfolgungspflicht des Aufsichtsrats führen.13 Paefgen gelangt zu diesem Ergebnis, indem er die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands im Gegensatz zum BGH in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung als unternehmerische im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG einordnet.14 Goette erreicht eine wohl gleichwertige Einschränkung der in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH formulierten Regel auf Grundlage einer weiten Lesart der Entscheidungsbegründung, die vor allem die dem Aufsichtsrat eingeräumten Freiheiten betont und den notwendigen Kontrast zum Berufungsurteil des OLG Düsseldorf, das von ganz erheblich weiteren Entscheidungsfreiräumen des Aufsichtsrats bei der Entscheidung über die Anspruchsverfolgung ausgegangen war als der BGH, als Begründung der demnach vermeintlich engen Bindung des Aufsichtsrats bei dieser Entscheidung in dem Urteil des BGH anführt.15 12 So der Titel des Beitrags von Koch, NZG 2014, 934: „Die schleichende Erosion der Verfolgungspflicht nach ARAG/Garmenbeck“. 13 Koch, NZG 2014, 934, 935 benennt das Phänomen als „Konsensbildung unter kontroverser Oberfläche“; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 81 geht insgesamt, unter Einbeziehung auch der „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze, von einer „akademischen Frage“ aus; i.Erg. ebenso Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 225. 14 Paefgen, AG 2008, 761 ff.; ders., AG 2014, 554, 571; Kocher, CCZ 2009, 215, 219 f.; Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 224 ff.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 7 Rn. 449; Krieger, in: Krieger/U. H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rn. 48; Cahn, WM 2013, 1293, 1296 f.; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 845; Hopt; ZIP 2013, 1793, 1797; für die über die Prozessrisiken hinausgehenden Abwägungsgesichtspunkte auch Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 768; für einen „Spielraum“ „entsprechend der Business Judgment Rule“ Spindler, AG 2013, 889, 898; ähnl. Mertens, FS K. Schmidt, 2009, S. 1183, 1186 ff., 1193, der ebenfalls die Notwendigkeit der Unterscheidung der Anforderungen an den Aufsichtsrat und der Voraussetzungen einer Haftung der Aufsichtsratsmitglieder, die diese verfehlen, betont; a.A. hinsichtlich der Einordnung als unternehmerische Entscheidung LG Essen, NZG 2012, 1307, 1309; Hüffer, NZG 2007, 47, 48; Lutter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 747, 751 f.; Koch, AG 2009, 93; ders., AG 2014, 934; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 111 Rn. 11; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636; Dauner-Lieb, FS Röhricht, 2005, S. 83, 95; Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 923; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 113 f.; Raiser, NJW 1996, 552, 554; Fischer, BB 1996, 225, 227, 228; Thümmel, DB 1997, 1117, 1118; Redeke, ZIP 2008, 1549, 1557; Habersack, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 111 Rn. 35; Spindler, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 116 Rn. 47 [vgl. aber auch ders., AG 2013, 889, 898]; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 81; Röhricht, in: RWS-Forum 10, S. 191, 204. 15 Goette, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 153 ff.; ders., ZHR 176 (2012), 588 ff.; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 377 ff.

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat

533

Eine Besonderheit des Meinungsstands zu den Aufsichtsratspflichten hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder ist es, dass die beiden dargestellten Auffassungen überwiegend ausdrücklich abgelehnt werden, ihnen aber sodann von einer überwiegenden Auffassung entweder inhaltlich oder im Ergebnis einer Einschränkung der vom BGH angenommenen Verfolgungspflicht doch gefolgt wird.16 2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ansichten Ausgehend von den Ergebnissen stellt sich das in Literatur und Rechtsprechung vertretene Meinungsspektrum weitaus weniger breit dar als dies zunächst den Anschein haben mag. Eine unbedingte Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats betreffend Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Mitglieder ihres Vorstands wird nirgendwo erkennbar vertreten. Der wesentliche Unterschied zwischen den vertretenen Auffassungen liegt in der Betonung der Bindungen und Freiheiten des Aufsichtsrats bei dieser Entscheidung sowie der dogmatischen Begründung der Pflichtgemäßheit eines Absehens von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den Aufsichtsrat.17 Während der BGH in seiner „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung wiederholt betont, dass die Anspruchsverfolgung den Regelfall und ein Absehen hiervon die Ausnahme darstelle,18 gelangt er zu diesem Ergebnis auf Grundlage der Bindung des Aufsichtsrats an das Unternehmenswohl, das, so die Entscheidungsbegründung 16 Vgl. LG Essen, NZG 2012, 1307, 1309, das zwar die Einordnung der Aufsichtsratsentscheidung als unternehmerische ausdrücklich ablehnt, inhaltlich aber von einer nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren „Prognoseentscheidung“ ausgeht und im Ergebnis, ähnl. der „Ision“-Entscheidung des BGH (Urt. v. 20. 09. 2011 – II ZR 234/09, DB 2011, 2284 Rn. 18), jedoch an weniger strengen Maßstäben, die an § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erinnern, ein Verschulden ablehnt; Habersack, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 111 Rn. 38: gerichtliche Überprüfung der Aufsichtsratsentscheidung ausgeschlossen, soweit die maßgeblichen Erwägungen „unmittelbar Ausfluss eines ihm anderweitig eingeräumten Ermessens“ seien, wobei als Bsp. das Interesse der Gesellschaft am Verbleib eines Vorstandsmitglieds als Ausfluss der Personalkompetenz genannt wird; Goette u. Paefgen i.Erg. ausdrücklich zust. Reichert, ZHR 177 (2012), 756, 762 ff.; in der Sache auch Spindler, AG 2013, 889, 898: „gewisser Spielraum“ des Aufsichtsrats auf der zweiten Stufe nach „ARAG/Garmenbeck“ „entsprechend der Business Judgment Rule“; ganz ähnl. Hüffer, 10. Aufl. 2012, § 116 Rn. 8; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636: „weites Ermessen“ des Aufsichtsrats auf der zweiten Stufe nach „ARAG/Garmenbeck“, das lediglich auf „grobe“ Fehler überprüft werden könne; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 12: Risikoabwägung, aber „i. d. R. keine unternehmerische Entscheidung“; Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 922 f.; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 113 f.; für eine Berücksichtigung der Unsicherheiten einer Abwägungsentscheidung auf Verschuldensebene Koch, AG 2009, 93, 100 ff., ders., AG 2014, 934, 940 f.; ders., in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 111 Rn. 11; Lutter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 747, 752 f., der aber selbst davon ausgeht, dass sich schlussendlich „kein großer Unterschied“ zur Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ergebe. Ebenso dazu Koch, NZG 2014, 934, 936 u. Fn. 21 – 24. 17 Vgl. Mertens, FS K. Schmidt, 2009, S. 1183, 1185. 18 BGHZ 135, 244, 4. Leitsatz, 252, 255, 256.

534

5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

„grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens“ verlange.19 Die Differenzierung zwischen der Anspruchsverfolgung, mithin der Schadenskompensation, und dem Unternehmenswohl ist bereits in der Urteilsbegründung selbst enthalten.20 An der Aussage des BGH, eine Wiederherstellung des Gesellschaftsvermögens sei „grundsätzlich“ geboten, kann kein Zweifel bestehen.21 „Grundsätzlich“ meint, auch nach den Entscheidungsgründen selbst, nichts anderes als „wenn keine gegen eine Geltendmachung des Ersatzanspruchs sprechenden Gründe vorhanden sind, die jene, die für die Rechtsverfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen annähernd gleichwertig sind“.22 Dadurch verbleibt, wie neben Goette nunmehr auch Bachmann hervorhebt, in der Tat bereits auf Grundlage der „ARAG/ Garmenbeck“-Grundsätze ein ganz erheblicher Handlungsspielraum für den Aufsichtsrat.23 Zu demselben Ergebnis gelangt Paefgen durch die Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, der den Blickwinkel der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder für eine im Ergebnis nicht dem Wohl der Gesellschaft entsprechende Entscheidung über die Anspruchsverfolgung beleuchtet und sich dadurch von der Entscheidung des BGH, die die Haftungsfrage nicht zum Gegenstand hatte, und der davon ausgehenden Ansicht Goettes unterscheidet. Hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit außerhalb des Unternehmenswohls, das als begrifflich weitgehend identisch mit dem Wohl der Gesellschaft in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG verstanden wird,24 liegender Gründe wie der Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds führt die Einordnung als unternehmerische Entscheidung sogar zu einem strengeren Maßstab: wussten die Aufsichtsratsmitglieder, dass sie Kriterien, die nicht zum Wohl der Gesellschaft gehörten, berücksichtigten, handelten sie nicht unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, indem sie nicht ohne grobe Fahrlässigkeit angenommen haben, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Letztendlich werden aber Erwägungen wie eben die Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds, die wirtschaftlichen Folgen einer erheblichen Inanspruchnahme für den Betroffenen und dergleichen auch bei Anwendung der Business Judgment Rule Berücksichtigung finden können. In Fällen eines im Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schädigers exorbitanten Schadens wird es regelmäßig bereits auf der ersten Stufe an der voraussichtlichen Beitreibbarkeit fehlen, soweit keine D&O-Versicherung eingreift oder werden jedenfalls die erheblichen Verfahrenskosten bei unsicherem Ausgang einen gegen die Anspruchsverfolgung sprechenden Belang der Gesellschaft begründen. 19

BGHZ 135, 244, 255. Ebenso Goette, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 153, 159; ders., ZHR 176 (2012), 588, 593 f.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 7 Rn. 449; anders Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 763: der BGH „verenge“ das Interesse der Gesellschaft auf die Schadenskompensation; Paefgen, AG 2008, 761, 764: „Gegensätzlichkeit“ von Bindung an das Gesellschaftsinteresse und „unternehmerischen Ermessens“ beim BGH. 21 Goette, ZHR 176 (2012), 588, 593 f. Pointiert formuliert fehlt es eben an einem Grund, von der Anspruchsverfolgung abzusehen, wenn es hierfür an einem Grund fehlt. 22 Vgl. BGHZ 135, 244, 255. 23 Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 81. 24 Siehe 3. Teil A. III. 2. 20

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat

535

Weiterhin können die vom BGH als außerhalb des Unternehmenswohls stehend bewerteten Gesichtspunkte grundsätzlich auch vermittelt durch die Öffentlichkeitswirkung oder gesellschaftsinterne Interessen wie eine effektive Vorstandsarbeit einschließlich hinreichender Möglichkeiten, neue Vorstandsmitglieder zu rekrutieren, als Belange des Unternehmenswohls eingeordnet werden.25 Die Inanspruchnahme eines verdienten Managers wird nämlich, wenn dieser tatsächlich eine vergleichsweise geringfügige Pflichtverletzung begangen hat, möglicherweise zu einem negativen Medienecho, bei der derzeitigen gesellschaftlichen Grundstimmung gegenüber Managern aber eher zum Gegenteil, wahrscheinlich aber dazu führen, dass künftige Vorstandsmitglieder schwieriger zu finden sein und höhere Anforderungen an ihre eigene Absicherung vor Haftung stellen werden. Ob sich dies, insbesondere angesichts der Schnelllebigkeit und dementsprechenden Vergänglichkeit medial aufbereiteter Skandale jeglicher Art, im Ergebnis zu einem für ein Absehen von der Geltendmachung von Ersatzansprüchen hinreichenden Grund verdichtet, muss anhand des Einzelfalles beurteilt werden. Bei ganz erheblichen Schäden wird aus derartigen Erwägungen im Grundsatz kein Absehen von der Verfolgung bestehender Ersatzansprüche, soweit diese voraussichtlich beizutreiben sind, zu rechtfertigen sein.26 Zu bedenken gilt es aber, dass durch die bereits ausführlich dargestellten Mechanismen, durch die nach geltendem Recht die Haftungsgefahren für Vorstandsmitglieder oder die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft eingeschränkt werden, in zahlreichen haftungsträchtigen Bereichen, namentlich dem unternehmerischen Handelns und dem der Vorteilsausgleichung zugänglicher kartellrechtlicher Fallgestaltungen, gewisse Schutzmechanismen zur Verfügung stehen und im Ergebnis keine Gründe ersichtlich sind, weshalb Vorstandsmitglieder grundsätzlich besser zu stellen wären als andere Schuldner, die ebenfalls bis an die Pfändungsfreigrenzen und gegebenenfalls in die Privatinsolvenz haften. Diesbezüglich bietet keine der zur Verfolgungspflicht im engeren Sinne vertretenen Auffassungen Abhilfe.27 Auch in diesem Ergebnis, das als Folge sowohl des Fehlens vom Aufsichtsrat zu berücksichtigender Belange des Gesellschaftswohls im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als auch der Anspruchsverfolgung entgegenstehender Gründe nach den „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätzen eintreten kann, entsprechen sich die dargestellten Ansichten.

25

Ebenso Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 765; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 60. Skeptisch auch Götz, NJW 1997, 3275, 3277; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 119 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 633; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 845; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 60; großzügiger Fabisch, ZWeR 2013, 91, 114 f. 27 Anders etwa die „dritte Stufe“ der Prüfung der Anspruchsverfolgung nach „ARAG/ Garmenbeck“, als die Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 ff. die namentlich von Koch vertretene Regressbegrenzung qua Fürsorgepflicht einordnen will. Dazu bereits ausführlich im 3. Teil E. III. 26

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

Es ist daher Bunz, Bachmann und Koch darin beizupflichten, dass zur Frage der Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats ein „Konsens unter kontroverser Oberfläche“28 gegeben ist, der die Einordnung der Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands auf eine im Wesentliche aus der theoretischen, akademischen Sicht interessante Fragestellung reduziert.29

III. Stellungnahme Aufgrund der im Kern theoretischen Bedeutung der dogmatischen Einordnung der Geltendmachungsentscheidung des Aufsichtsrats und der Bedeutung im Zusammenhang der vorliegenden Untersuchung im Sinne einer Rahmenbedingung für die tatsächliche Durchsetzung der Vorstandshaftung muss sich die diesbezügliche Stellungnahme auf die Einordnungsfrage, von der die Anforderungen, die an den Aufsichtsrat bei seiner Entscheidungsfindung zu stellen sind, abhängen, beschränken. 1. Unternehmerische Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands a) „ARAG/Garmenbeck“ und überwiegende Auffassung im Schrifttum Der BGH unterscheidet in seiner „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung deutlich zwischen dem unternehmerischen Handeln des Vorstands, bei dem diesem weite Handlungsspielräume zuzugestehen seien, und der der nachträglichen Überwachung der Vorstandstätigkeit zuzuordnenden Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder. Demnach handelt es sich bei letzterer nicht um eine unternehmerische Entscheidung, für die dem Aufsichtsrat eine der des Vorstands bei der Geschäftsleitung entsprechende Freiheit zuzugestehen wäre.30 Dem hat sich die überwiegende Literaturauffassung angeschlossen.31

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Ausdruck nach Koch, NZG 2014, 934, 935. So das Ergebnis bei Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 81; gleichsinnig Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 225. 30 Vgl. BGHZ 135, 244, 254 f. 31 Vgl. die Nachweise in Fn. 14. 29

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat

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b) Die Bedeutung des UMAG: Maßgeblichkeit der gesetzlichen Rechtslage anstelle der „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze des BGH Die Auswirkungen des UMAG auf diese vom BGH aufgestellten Grundsätze werden im Schrifttum lediglich am Rande und überwiegend mit dem Ergebnis, dass sich jedenfalls keine unmittelbaren Änderungen aus der Neuregelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ergeben sollen, thematisiert.32 Diese Annahme ist bereits im Ausgangspunkt unzutreffend. Maßgeblich für das Vorliegen der Voraussetzungen der dort kodifizierten Business Judgment Rule deutscher Prägung kann nicht mehr die Einschätzung des BGH, die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Anspruchsverfolgung sei mit dem Handeln des Vorstands bei der Geschäftsleitung nicht zu vergleichen und daher rechtlich unterschiedlich zu behandeln, sein; vielmehr kommt es auf den Begriff der „unternehmerischen Entscheidung“ als Tatbestandsmerkmal des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG an.33 Nach der hier vertretenen Definition dieser Voraussetzung liegt eine solche dann vor, wenn der Entscheidungsträger eine Auswahl aus mehreren, rechtlich zulässigen und tatsächlich möglichen Verhaltensalternativen zu treffen hat und diese im Sinne einer bewussten Entschließung trifft.34 aa) Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf Mitglieder des Aufsichtsrats Festzuhalten ist zunächst, dass die Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG aufgrund des insoweit nicht einschränkenden Verweises des § 116 S. 1 AktG auf Mitglieder des Aufsichtsrats entsprechend anzuwenden ist. An der Verweisung des § 116 S. 1 AktG wurde durch das UMAG nichts geändert. Die Ausnahme lediglich des § 93

32 Vgl. Redeke, ZIP 2008, 1549, 1557; Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 923; ausführlich, aber mit demselben Ergebnis Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 139 ff., der als Beleg die Entscheidung des BGH, NZG 2009, 550 Rn. 30 heranzieht, dabei aber übersieht, dass sich die Entscheidung auf einen Sachverhalt aus den Jahren 2001/2002 bezieht, mithin das UMAG nicht anzuwenden war. 33 A.A. anscheinend Redeke, ZIP 2008, 1549, 1557; Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 923; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1800; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 139 ff., der zwar auf Koch Bezug nimmt, indes die Rechtsprechung des BGH und die „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze maßgeblich zur Auslegung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG heranzieht; wie hier Koch, AG 2014, 934, 939 f., ders., AG 2009, 93, 94, der hinsichtlich des Vorliegens einer unternehmerischen Entscheidung i.S.d. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dennoch von den Befunden der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH ausgeht; Lutter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 747, 748, 751, der dieses „offene Scheunentor“ allerdings i.Erg. einschränken will und insoweit ebenfalls von der Auslegung des BGH ausgeht; implizit Paefgen, AG 2008, 761, 762 f.; Kocher, CCZ 2009, 215, 219; Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 224. 34 Zur Definition s. 3. Teil A. III. 1 c).

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

Abs. 2 S. 3 AktG erfolgte erst später, mit dessen Einführung durch das VorStAG.35 Sowohl die Einführung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG als auch die daraus folgende Änderung des § 116 AktG wurden allerdings erst in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses aufgenommen.36 Die Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum VorStAG37 lässt ebenso wenig wie die Gesetzesbegründung zum UMAG erkennen, dass sich der Gesetzgeber mit der Frage der Geltung des Haftungsprivilegs des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG für die Mitglieder des Aufsichtsrats auseinandergesetzt hat. Angesichts der diesbezüglichen Inhalte der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH, auf die sich die Gesetzesbegründung zum UMAG für den Vorstand ausdrücklich bezieht,38 und der lebhaften Diskussion der Verfolgungspflicht im Schrifttum ist aber anzunehmen, dass dem Gesetzgeber die Problematik bekannt war und wäre dementsprechend ein ausdrücklicher Ausschluss der Anwendbarkeit der neu geregelten Business Judgment Rule auf den Aufsichtsrat zu erwarten, wenn es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte, die „ARAG/ Garmenbeck“-Grundsätze auch insoweit zu kodifizieren.39 Indes fehlt ein solcher Ausschlusstatbestand. Die entsprechende Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist soweit ersichtlich auch im Schrifttum unbestritten.40 Dass es sich bei der vergangenheitsbezogenen Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats nicht um eine un35 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung v. 31. 07. 2009, BGBl. I 2009, S. 2509. 36 Vgl. BegrE VorStAG, BT-Drs. 16/12278, S. 3; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum VorStAG, BT-Drs. 16/13433, S. 4. 37 Siehe Begr. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum VorStAG, BT-Drs. 16/ 13433, S. 11 f. 38 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 39 Ähnl. Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 224; a.A. hinsichtlich der Anwendbarkeit auf die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 144 f.; Lutter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 747, 751; Koch, AG 2009, 93, 94, die anscheinend im Gegenteil eine ausdrückliche Klarstellung des Gesetzgebers, dass auch die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen unter den neu geregelten § 93 Abs. 1 S. 2 AktG fallen sollte, erwartet hätten. 40 Vgl. Kropff, FS Raiser, 2005, S. 225, 228 ff.; Göppert, Die Reichweite der Business Judgment Rule bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, S. 106; Lutter, ZIP 2007, 841, 846 f.; Ihrig, WM 2004, 2098, 2106; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 13 Rn. 989; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 251; Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 208; Cahn, WM 2013, 1293; Hopt; ZIP 2013, 1793, 1797; Hoffmann-Becking, in: MüHdbAG, 3. Aufl. 2007, § 33 Rn. 60; Hüffer, NZG 2007, 47, 48; Fonk, ZGR 2006, 841, 861; Habersack, in: Karlsruher Forum Managerhaftung, S. 5, 15 f.; ders., in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 116 Rn. 39; Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2013, § 116 Rn. 67; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 116 Rn. 11; Hopt/Roth, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2005, § 116 Rn. 105 ff.; Spindler, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 116 Rn. 37; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 116 Rn. 5; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 116 Rn. 26.

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat

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ternehmerische Entscheidung handle,41 ist daher unter Geltung des UMAG nicht mehr als eine These, die, wie im Folgenden ausgeführt wird, in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend ist. bb) Die Entscheidung über die Anspruchsverfolgung als unternehmerische Entscheidung Zwar handelt es sich bei der Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands durch den Aufsichtsrat und damit auch bei der vergangenheitsbezogenen Kontrolle, zu der die Prüfung und Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gehört, um eine in § 111 Abs. 1 AktG gesetzlich geregelte Pflichtaufgabe des Aufsichtsrats. Hinsichtlich der Ausgestaltung dieser Überwachung im Einzelnen enthält das Gesetz jedoch keine Vorgaben, sodass die Entscheidung über das „Wie“ grundsätzlich dem Aufsichtsrat überlassen ist.42 Kennzeichnend für eine rechtlich gebundene Entscheidung, auf die § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht anzuwenden wäre, ist aber, dass rechtlich lediglich eine Handlungsmöglichkeit als zulässig zu bewerten ist. Eine gesetzliche Pflicht zur Anspruchsverfolgung ist dem Aktiengesetz indes nicht zu entnehmen43 und wird im Übrigen auch vom BGH in seiner „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung, die eine Abwägung gebunden an das Unternehmenswohl vorsieht, nicht angenommen. Die Treupflicht oder eine sonstige Rechtspflicht, die eine unternehmerische Entscheidung ausschließen würde, wird bei der Entscheidung des Aufsichtsrats über die Verfolgung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder nicht berührt. Auch der Umstand, dass der dem möglichen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft zugrunde liegende Sachverhalt in dem Zeitpunkt, in dem der Aufsichtsrat über Prüfung und Geltendmachung eines solchen Anspruchs zu befinden hat, vollständig in der Vergangenheit liegt und absehbar ist, dass bei Nichtgeltendmachung Verjährung eintreten wird, kann eine unternehmerische Entscheidung nicht ausschließen.44 Das zur unternehmerischen Entscheidung des Vorstands Ausgeführte gilt auch hier: Es gibt keine rein vergangenheitsbezogenen Entscheidungen, die 41

So neben BGHZ 135, 244, 254 f. u. a. Hüffer, NZG 2007, 47, 48; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 252; Göppert, Die Reichweite der Business Judgment Rule bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, S. 107; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 143; Raiser, NJW 1996, 552, 553 f.; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 111 Rn. 6; noch weitergehend Ihrig, WM 2004, 2098, 2106; krit. Casper, ZHR 176 (2012), 617, 630. 42 Anders anscheinend Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 143: Einordnung der Entscheidung über die Anspruchsverfolgung unter die „Beachtung gesetzlicher Pflichten ohne tatbestandlichen Beurteilungsspielraum“. 43 Dies ohne konkreten Anknüpfungspunkt im AktG erwägend, i.Erg. aber ablehnend Lutter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 747, 750. 44 So aber Koch, AG 2009, 93, 96; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 143; dagegen Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 224; wie hier auch Paefgen, AG 2008, 761, 763.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

zugleich haftungsrelevant für den Entscheidungsträger sein können. Anknüpfungspunkt einer Haftung sind die Folgen der Entscheidung. Diese treten vom Entscheidungszeitpunkt aus betrachtet in Gegenwart und Zukunft ein. So verhält es sich auch in der sich dem Aufsichtsrat stellenden Frage der Prüfung und Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder: Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, im Interesse der Gesellschaft zu handeln. In dem Zeitpunkt, in dem er sich entschließen muss, einen Anspruch geltend zu machen oder dies zu unterlassen, ist unabsehbar, wie sich die Entscheidung auf die Gesellschaft auswirken wird, ob beispielsweise Prozessrisiken zutreffend eingeschätzt wurden oder die Gesellschaft schlussendlich höhere Verfahrenskosten zu tragen hat, als Schadensersatz von dem Vorstandsmitglied zu erlangen ist, ob sich die Entscheidung, von einer Anspruchsverfolgung Abstand zu nehmen, in ihrer Öffentlichkeitswirkung negativ für die Gesellschaft auswirken wird oder ob im Gegenteil der Gesellschaft ein bisher erfolgreiches Vorstandsmitglied verbleibt, das sie später erfolgreich durch eine Krise leiten wird, die ein anderer kaum gemeistert hätte. In diesem Sinne liegt bei der Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat mitnichten ein abgeschlossener Sachverhalt vor.45 Weder aus diesem Vergangenheitsbezug noch aus der angeblich mit unternehmerischen Vorstandsentscheidungen nicht vergleichbaren Komplexität der Entscheidung des Aufsichtsrats ergibt sich ein durchgreifender Einwand gegen die Einordnung als unternehmerische Entscheidung.46 § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist auf die Mitglieder des Aufsichtsrats nur „entsprechend“, mithin unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den beiden Organen, insbesondere der Tatsache, dass die Geschäftsleitung in den Händen des Vorstands liegt, anzuwenden. Ferner unterscheiden sich grundsätzlich auch unternehmerische Entscheidungen des Vorstands hinsichtlich der Anforderungen, die sie an den Entscheidungsträger stellen, ganz erheblich. Auch ganz einfach strukturierte Fragen, beispielsweise, ob die Dienstwagen der Vorstandsmitglieder in Unternehmensfarbe oder schlicht schwarz sein sollen, sind als unternehmerische Entscheidung einzuordnen. Den Gegebenheiten des Einzelfalls ist hier unter anderem durch die Anforderungen an die Angemessenheit der Informationsgrundlage Rechnung zu tragen. Im Vorfeld der Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wird wegen des abgeschlossenen schadensstiftenden Sachverhalts im Grundsatz umfassende Information zu erwarten sein,47 während bei einer vom Vorstand zu beschließenden Einführung eines völlig neuartigen Produkts derart verlässliche Tatsacheninformationen gar nicht verfügbar sind. Die Business Judgment Rule deutscher Prägung ist auf solche Unterschiede der Entscheidungssituationen zugeschnitten, sodass mangelnde Komplexität, solange

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Ähnl. zum Ganzen Mertens/Cahn, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2013, § 111 Rn. 46; Goette, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 153, 163; Paefgen, AG 2008, 761, 763. 46 Anders anscheinend Koch, AG 2009, 93, 96 f. 47 Dies entspricht i.Erg. der Auffassung des BGH zur ersten Prüfungsstufe nach den „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätzen, s. BGHZ 135, 244, 254.

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat

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mehrere Verhaltensalternativen mit unabsehbaren Folgen zur Verfügung stehen, keinen Tatbestandsausschluss begründet. Nach alldem handelt es sich bei der Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands um eine unternehmerische im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.48 cc) Kein Einwand aus § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG Ein Gegenargument ergibt sich auch nicht, wie im Schrifttum teilweise angenommen wird, aus § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG, wonach das Gericht eine Aktionärsklage zulässt, wenn keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen.49 Aus diesem Norminhalt wird darauf geschlossen, dass der Gesetzgeber des UMAG davon ausgegangen sei, dass Gerichte durchaus in der Lage seien, das Gesellschaftswohl in der Frage der Geltendmachung von Ersatzansprüchen zu konkretisieren und dementsprechend nicht nur die Entscheidung einer Aktionärsminderheit, solche mittels Aktionärsklage zu verfolgen, sondern auch die des Aufsichtsrats, namens der Gesellschaft Klage zu erheben, nachvollziehen könnten. Daher scheide eine Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf die Aufsichtsratsentscheidung aus.50 Diese Schlussfolgerung verfehlt aus mehreren Gründen das Problem.51 Zunächst sind die Kläger in § 148 AktG zwar Aktionäre der Gesellschaft, mithin keine ganz außerhalb stehenden Dritten. Anders als Vorstand und Aufsichtsrat sind die Aktionäre aber bei ihrer Entscheidung, eine Aktionärsklage zu erheben, nicht allein dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet. Weiterhin droht ihnen im Fall einer voreiligen oder gar missbräuchlichen Klageerhebung, soweit keine Schädigungsabsicht nachzuweisen ist, keine Haftung. Mithin ergeben sich für eine klagende Aktionärsminderheit keine Anreize, Interessen und Belange der Gesellschaft, die gegen eine Klageerhebung sprechen, in ihre dieser vorausgehenden Überlegungen 48

Zu den im Rahmen der Beurteilung des Wohls der Gesellschaft speziell bei der Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch die Aufsichtsratsmitglieder abzuwägenden Gesichtspunkten ausführlich Goette, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 153, 161 ff.; ders., ZHR 176 (2012), 588, 609 ff. 49 Vgl. dazu Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 22. 50 Koch, AG 2014, 934, 940; ders., AG 2009, 93, 96, 98 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 143 f.; a.A. Reichert, FS Hommelhoff, 2012, 907, 923 f.; ders., ZHR 177 (2013), 756, 769; Cahn, WM 2013, 1293, 1297; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 599 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 629 f.; Paefgen, AG 2014, 554, 574; Habersack, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 111 Rn. 36 (mit gegenteiliger Auffassung noch ders., in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 111 Rn. 36). 51 Ebenso in anderem Zshg., sachlich aber übertragbar Goette, Liber Amicorum Winter, 2011, S. 153, 165: „Weder die Frage einer Entscheidungsprärogative noch die Anerkennung oder Verneinung unternehmerischen Ermessens […] identifizieren das maßgebliche Problem [nach Auffassung Goettes, im dortigen Zshg. auch zutreffend, die Frage des Unternehmenswohls] zutreffend.“.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

einzubeziehen.52 Hinzu kommt, dass nach § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG der Klagezulassung eine erfolglose Aufforderung an die Gesellschaft, selbst Klage zu erheben, vorausgegangen sein muss, mithin der Aufsichtsrat bereits eine von der der Aktionäre abweichende Einschätzung getroffen hat. Demnach steht außer der staatlichen Gerichtsbarkeit keine weitere Instanz zur Verfügung, die die Beurteilung, die § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG verlangt, vornehmen könnte, sollen nicht die Gesellschaftsorgane selbst, wie dies im US-amerikanischen Recht weitgehend der Fall ist,53 über die Zulassung einer Aktionärsklage entscheiden.54 In diesem Zusammenhang „überprüft“ das Gericht freilich die abweichende Entscheidung des Aufsichtsrats. Daraus auf das Nichtvorliegen einer unternehmerischen Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu schließen bedeutete aber, die Fragen, unter welchen Voraussetzungen der Aufsichtsrat einen Anspruch der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands geltend zu machen hat und unter welchen seine Mitglieder für eine Fehlentscheidung haften, in unzulässiger Weise zu vermengen.55 Die Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG betrifft nur die letztere Frage. Diese ist aber gerade nicht Gegenstand des § 148 Abs. 1 AktG, der die Voraussetzungen regelt, unter denen eine Aktionärsklage zuzulassen ist, nicht diejenigen, unter denen die Mitglieder des Aufsichtsrats für ihre möglicherweise fehlerhafte Bewertung des Gesellschaftswohls haften. Das Argument des „hindsight bias“ und der unterstellten Unfähigkeit der Gerichte, unternehmerisches Handeln angemessen nachzuvollziehen, auf das sich die Gegenauffassung zu der hier vertretenen bezieht,56 kommt in § 148 Abs. 1 AktG nicht zum Tragen, sodass hieraus kein Widerspruch entsteht. Auch dies ist der Unterscheidung zwischen den Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch geltend zu machen ist und denen, die zur Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats führen, geschuldet, von denen § 148 Abs. 1 AktG allein die ersteren betrifft. Zudem setzt der „Zugang“ des Gerichts zu einer Prüfung des Gesellschaftswohls zunächst den auf Tatsachen gegründeten Verdacht einer qualifizierten Pflichtverletzung des in Anspruch zu nehmenden Organmitglieds voraus (§ 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG).57 Im Unterschied zu einer Klage der Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, wo die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG gilt, müssen die 52 Für eine Funktion des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG im Sinne eines Korrektivs auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 629; Paefgen, AG 2008, 761, 767 f.; ders., AG 2014, 554, 574. 53 Dazu 3. Teil A. III. 5. c) cc) (2) (a) (bb). 54 Gleichsinnig Koch, AG 2014, 934, 940; ders., AG 2009, 93, 99. 55 Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 924; Paefgen, AG 2014, 554, 574; vgl. auch Mertens, FS K. Schmidt, 2009, S. 1183, 1194 f., der für die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH diesen Unterschied betont. Die Differenzierung fehlt bei Koch, AG 2014, 934, 940; ders., AG 2009, 93, 98 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 628; Raiser, NJW 1996, 552, 554. 56 Implizit Koch, AG 2014, 934, 940. 57 Darauf abstellend Reichert, FS Hommelhoff, 2012, S. 907, 924; ders., ZHR 177 (2013), 756, 769; Cahn, WM 2013, 1293, 1297; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 599; Habersack, in: MüKoAktG, 4. Aufl. 2014, § 111 Rn. 36.

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat

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klagewilligen Aktionäre das Vorliegen solcher Verdachtstatsachen beweisen, wodurch der mögliche Schädiger besser steht als bei einer Anspruchsverfolgung durch die Gesellschaft selbst.58 Anders als im Schadensersatzprozess der Gesellschaft gegen Organmitglieder dient die gerichtliche Überprüfung der Voraussetzungen des § 148 Abs. 1 S. 2 AktG mithin zunächst dem Schutz der unternehmerischen Sphäre der Gesellschaft, nicht ihrer Begrenzung. Nach alldem lässt die Vorschrift des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG keine Schlussfolgerungen auf die Einordnung der Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch den Aufsichtsrat als unternehmerische zu und begründet diesbezüglich insbesondere keinen Einwand. 2. Fazit und Folgenbetrachtung Es konnte festgestellt werden, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands als unternehmerische Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG einzuordnen ist, sodass eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder für eine Fehlentscheidung erst in Betracht kommt, wenn sie nicht mehr ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durften, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Schlussendlich werden sich daraus gegenüber der Auffassung Goettes und der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH aber keine erheblichen Unterschiede ergeben. Der Haftungsmaßstab erscheint auch im Hinblick auf die Durchsetzung der Vorstandshaftung sachgerecht. Es ist zuzugeben, dass die Einordnung der Aufsichtsratsentscheidung als unternehmerische den Interessenkonflikt des Aufsichtsrats, der sich bei einer Inanspruchnahme des Vorstands mittelbar selbst dem Vorwurf einer unzureichenden Kontrolle dessen Tätigkeit aussetzt, nicht zu beseitigen oder auszublenden vermag. Dies trifft indes auf keine der zu den Pflichten des Aufsichtsrats bei der Anspruchsverfolgung vertretenen Auffassungen, insbesondere nicht auf die „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze, zu.59 Lediglich eine, häufig nicht im Interesse der Gesellschaft liegende, unbedingte Verfolgungspflicht könnte hier eine gewisse Abhilfe schaffen, indem anschließend auch der Vorstand nicht mehr gehemmt wäre, seinerseits die Aufsichtsratsmitglieder, die etwa durch verspätetes Einschreiten zu einer Schadensvertiefung beigetragen haben, in Anspruch zu nehmen. Es wäre aber auch dann nicht davon auszugehen, dass der Vorstand Mitglieder des Aufsichtsrats wegen unterlassener Anspruchsverfolgung seinerseits namens der

58 59

Siehe Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 773. In diesem Sinne auch Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 768.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

Gesellschaft aus eigener Initiative haftbar machen würde.60 Eine umfassend sinnvolle Verhaltensanreize schaffende Lösung ist hier durch die Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft in bestimmten Punkten schlicht ausgeschlossen.61 Dies erscheint aber angesichts der Alternativen, Außenstehende zur Klagedurchsetzung zu berufen oder umfassende staatliche Eingriffe zuzulassen,62 der Tatsache, dass in der Insolvenz der Gesellschaft in Gestalt des Insolvenzverwalters eine unabhängige Instanz zur Anspruchsverfolgung zur Verfügung steht und der rechtlichen Möglichkeit der Klage einer Aktionärsminderheit als hinnehmbar. Umgekehrt könnten ein Verfolgungszwang oder eine strenge Haftung der Aufsichtsratsmitglieder für Fehlentscheidungen in Bezug auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft dazu führen, dass der Aufsichtsrat aus Furcht seiner Mitglieder vor Haftung vom Überwachungsorgan zum Bremsklotz für die Vorstandstätigkeit würde, indem wo immer möglich von Vetorechten Gebrauch gemacht würde, vorschnell Untersuchungen eingeleitet und Ansprüche geltend gemacht würden, um sich selbst nicht dem Vorwurf eines auch nur verspäteten Eingreifens auszusetzen.63 Dementsprechend sollte auch nicht bereits die Zustimmung des Aufsichtsrats zu einer Maßnahme des Vorstands für die daran beteiligt gewesenen Mitglieder wegen der daraus drohenden eigenen Haftung ein die Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausschließendes Sonderinteresse begründen.64 Erhebliche Unsicherheiten entstünden für die Mitglieder des Aufsichtsrats zudem dadurch, dass zu Unrecht in Anspruch genommene Vorstandsmitglieder sicherlich geneigt wären, ihrerseits namens der Gesellschaft wegen der dadurch entstandenen Schäden, namentlich der Prozesskosten, gegen die Mitglieder des Kontrollorgans vorzugehen, wodurch eine konstruktive Zusammenarbeit der Organe in der bestehenden Besetzung zunächst als ausgeschlossen zu betrachten sein dürfte. Denkbar erscheint auch die umgekehrte Entwicklung, dass der Aufsichtsrat von der Bestimmung von Zustimmungsvorbehalten so weit wie möglich absähe, von Informationsrechten äußerst zurückhaltend Gebrauch machte und so bildlich gesprochen den Kopf in den Sand steckte, um sich anschließend auf gerade noch vertretbares Unwissen hinsichtlich Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder berufen zu können.

60 Vgl. Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 225; ders., in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 39; Peltzer, WM 1981, 346, 348. 61 Ähnl. in anderem Zshg. Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 154. 62 Dazu noch unter 5. Teil B. II. 1. e). 63 Ebenso Bunz, Der Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S. 224; vgl. auch Goette, ZHR 176 (2012), 588, 596 f. 64 Anders Lutter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 747, 748 f.; dagegen, auch unter Hinweis auf das als Vorbild der Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG dienende US-amerikanische Recht Paefgen, AG 2008, 761, 767 u. Fn. 60 (s. auch Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (814) (Del. 1984); dazu Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 160 ff.).

A. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat

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Beides läge nicht im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre. Daneben bietet die Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, zu dem sich anhand der wesentlich häufigeren Fälle der Vorstandshaftung in absehbarer Zeit eine umfassende gefestigte Rechtsprechung entwickeln wird, gegenüber inhaltlich unklaren „Ermessens-„ und „Beurteilungsspielräumen“, „Einschätzungsprärogativen“ und dergleichen den Vorteil vergleichsweise rechtssicherer, vorhersehbarer Haftungsbedingungen.65 Den Aktionären steht im Übrigen zum einen die Erhebung einer Aktionärsklage offen, zum anderen bestellt die Hauptversammlung, soweit nicht andere Vorschriften, insbesondere solche des Mitbestimmungsrechts, eingreifen, die Mitglieder des Aufsichtsrats, sodass auch bereits bei deren Auswahl sowie gegebenenfalls Abberufung eine gewisse Einwirkung auf den Stil, in dem innerhalb der Gesellschaft mit Schadensersatzansprüchen umgegangen wird, möglich ist. Die Gesellschaftsgläubiger sind vor fehlender Klagebereitschaft des Aufsichtsrats durch § 93 Abs. 5 AktG sowie die Möglichkeit der Pfändung und Überweisung von Ansprüchen mit den Maßnahmen des Zwangsvollstreckungsrechts ausreichend geschützt. Nach dem Gesagten bestehen nach wie vor keine erheblichen Anreize für den Aufsichtsrat, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand geltend zu machen. Die von den Gerichten entschiedenen Fälle, auch bereits „ARAG/Garmenbeck“ selbst, zeigen aber, dass deutsche Aufsichtsräte zumindest bei erheblich schädigendem Verhalten anscheinend ausreichend geneigt sind, den Rechtsweg gegen Vorstandsmitglieder zu beschreiten.66 Insbesondere in öffentlich gewordenen Fällen von Verstößen gegen die Legalitäts- oder Treupflicht durch die Vorstandsmitglieder dürfte kein Aufsichtsrat umhin kommen, sich zumindest intensiv mit der Frage einer Anspruchsverfolgung auseinanderzusetzen und sich einigem Begründungsaufwand für eine negative Entscheidung67 neben dem möglichen strafrechtlichen Vorwurf der Untreue68 ausgesetzt sehen. Dies erscheint angemessen, räumt doch das Gesetz selbst den Mitgliedern des Vorstands außerhalb solcher Pflichtenbindungen in Gestalt des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG erhebliche (Haftungs-)Freiheiten ein. Aus dem Blickwinkel der Durchsetzung der Vorstandshaftung in daher auch kein Bedarf für ein Eingreifen des Gesetzgebers festzustellen.69 65

Ähnl. Goette, ZHR 176 (2012), 588, 597; vgl. auch Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 768. Bsp. LG München I, Urt. v. 10. 12. 2013 5HK O 1387/10, AG 2014, 332 („Siemens/ Neubürger“); BGH, DB 2013, 507 („Hypothekenbank“); „Deutsche Bank/Breuer“, wo nach Medienberichten nunmehr ein Regress gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden, nachdem eine Einigung in der Sache „Kirch/Deutsche Bank“ erzielt werden konnte, geprüft wird, s. manager magazin online v. 02. 08. 2014, abzurufen unter http://www.manager-magazin.de/unter nehmen/banken/kirch-affaere-deutsche-bank-will-breuer-in-regress-nehmen-a-984181.html (zuletzt abgerufen am 05. 02. 2015). 67 Ähnl. Mertens, FS K. Schmidt, 2009, S. 1183, 1191; vgl. Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 771. 68 Vgl. SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 7. 69 Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 81; Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT („Der Gesetzgeber sollte regeln, dass der Aufsichtsrat im Zusam66

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

B. Aktionärsklage I. Ausgangslage Die Regelung der Aktionärsklage in § 148 AktG wurde 2005 durch das UMAG eingeführt.70 Eine praktische Bedeutung hat die Aktionärsklage im deutschen Recht bis heute nicht.71 § 148 AktG gestattet es Aktionären, deren Anteile zusammen ein Prozent des Grundkapitals oder einen Nennbetrag von 100.000 E erreichen, nach erfolgreichem Durchlaufen eines Klagezulassungsverfahrens die in § 147 Abs. 1 S. 1 AktG bezeichneten Ansprüche der Gesellschaft, also namentlich Schadensersatzansprüche aus § 93 AktG (i.V.m. § 116 S. 1 AktG), im eigenen Namen geltend zu machen. Die Zulassung einer solchen Aktionärsklage setzt voraus, dass die Aktionäre nachweisen, dass sie die Anteile vor dem Zeitpunkt erworben hatten, in dem sie von den behaupteten Pflichtverstößen oder dem behaupteten Schaden aufgrund einer Veröffentlichung Kenntnis erlangen mussten. Ferner müssen sie nachweislich die Gesellschaft bereits erfolglos unter angemessener Fristsetzung zur Klageerhebung aufgefordert haben. Weiterhin müssen Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung ein Schaden entstanden ist und dürfen der Geltendmachung des Ersatzanspruchs keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen. menhang mit der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder über einen weiten Ermessensspielraum verfügt.“), abgelehnt mit 8:63:9 Stimmen (Beschluss II. 11. a)). 70 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts v. 22. 09. 2005, Art. 1 Nr. 15, BGBl. I 2005, S. 2802, 2804. 71 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 17: keine erfolgreichen Klagezulassungsverfahren im elektronischen Bundesanzeiger (Bekanntmachungspflicht aus § 149 Abs. 1 AktG); mit demselben Ergebnis: eigene Recherche am 29. 09. 2014; ders., AG 2012, 565, 577; Schmolke, ZGR 2011, 398, 399 f. („weitgehend ,totes Recht‘“), 402 Fn. 16: juris-Recherche vom 27. 06. 2011 mit dem Befund, dass §§ 148 f. AktG in lediglich drei Fällen eine Rolle gespielt hätten; dabei ist es bis dato geblieben: identisches Ergebnis eigener juris-Recherche vom 29. 09. 2014 (in der Sache handelt es sich um zwei Fälle, eine Fundstelle bezieht sich auf die sofortige Beschwerde gegen eine andere Entscheidung); Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 765; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 747, 754; Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 954 f.; Seibert, NZG 2007, 841, 842 (Hinweis auf zwei Aufforderungen an Mitaktionäre im elektronischen Aktionärsforum (§ 127a AktG), die aber bisher nicht zur Klageerhebung geführt hätten); Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 654 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 790; Paefgen, AG 2014, 554, 576; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 241; Brommer, AG 2013, 121; Spindler, AG 2013, 889, 899; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 35; Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 9. Das mögliche Dunkelfeld, auf das J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1319, der i.Erg. auch praktische Bedeutungslosigkeit des § 148 AktG annimmt, aufgrund der Bekanntmachung lediglich erfolgreicher Klagezulassungsverfahren nach § 149 AktG hinweist, ist durch die o.g. juris-Recherche weitestgehend erhellt, da kaum anzunehmen wäre, dass derartige Entscheidungen unveröffentlicht blieben.

B. Aktionärsklage

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II. Reformüberlegungen Zur Effektivierung der Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen der Gesellschaft durch Aktionäre werden unterschiedliche Reformvorschläge unterbreitet, die die Attraktivität der Aktionärsklage des § 148 AktG steigern sollen. Einige dieser Überlegungen sollen im Folgenden eingehender untersucht werden. Bei der Bewertung der einzelnen Vorschläge gilt es vor allem im Hinterkopf zu behalten, dass ein problematisches Defizit bei der Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen in Deutschland derzeit nicht festzustellen ist und dass die Erhöhung der Zahl von Aktionärsklagen keinesfalls Selbstzweck ist,72 sondern Änderungen des § 148 AktG das Wohl der Gesellschaft im Blick haben müssen.73 1. Die Klagezulassungsvoraussetzungen a) Das Quorum des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG Eine Möglichkeit einer Aktionärsminderheit, die Durchsetzung von Ansprüchen der Gesellschaft zu erwirken, war bereits im Zuge der Aktienrechtsreform 1884 in Art. 223 Abs. 1 ADHGB eingeführt worden,74 der, wie die heutige Fassung des § 147 Abs. 1 AktG dies nur noch als Mehrheitsrecht vorsieht, einer Minderheit, deren Anteile zusammen zwanzig Prozent des Grundkapitals erreichten, ein entsprechendes Klageerzwingungsrecht einräumte. Es folgten eine Absenkung auf zehn Prozent im HGB von 189775 und schließlich fünf Prozent, wenn im Bericht des Sonderprüfers Tatsachen festgestellt wurden, aus denen sich Ersatzansprüche, bezüglich derer ein Klageerzwingungsrecht bestand, ergaben, im Jahr 1931.76 Diese Regelung übernahm das AktG 1937 in § 122 Abs. 1.77 Im AktG 1965 betrug das Quorum zehn Prozent des Grundkapitals, eine spezielle Regelung für den Fall, dass sich aus einer Sonderprüfung anspruchsbegründende Tatsachen ergaben, wurde nicht übernommen.78 Bei dem Minderheitserfordernis von zehn Prozent blieb es bis zum Inkrafttreten des UMAG.79 Daneben gestattete § 147 Abs. 3 S. 1 AktG in der Fassung 72

So ausdrücklich J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1338. In diesem Sinne auch K. Schmidt, NZG 2005, 796, 798. 74 Vgl. Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften. Vom 18. Juli 1884. RGBl. I 1884, S. 123; dazu Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 469 f. 75 Vgl. § 268 HGB 1897, HGB 1897 v. 10. 05. 1897, RGBl. I 1897, S. 219. 76 Vgl. Art. VII (§ 268 Abs. 1 a.E. HGB) Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. 09. 1931, RGBl. I 1931, S. 493. 77 Vgl. § 122 Abs. 1 S. 1 AktG 1937, abgedruckt bei Klausing, S. 107 f. 78 Vgl. Begr. RegE AktG 1965, § 147, Kropff, S. 214. 79 Vgl. Art. 1 Nr. 14 UMAG, BGBl. I 2005, S. 2802, 2804. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte K. Schmidt, NZG 2005, 796, 796 f.; Raiser, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 14. Kap. Rn. 68 ff.; Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 4 ff. 73

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

des KonTraG80 einer Minderheit von zusammen fünf Prozent des Grundkapitals oder eines Nennbetrags von 500.000 E, besondere Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen zu bestellen, wenn der Anspruch nicht nach Absatz 1 geltend gemacht wurde und Tatsachen vorlagen, die den dringenden Verdacht rechtfertigten, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung Schaden zugefügt worden war. Auch diese Regelungen waren „totes Recht“81 geblieben,82 weshalb das UMAG unter weiterer Verringerung des Quorums auf das des heutigen § 148 Abs. 1 S. 1 AktG einer Aktionärsminderheit die Durchsetzung von Ansprüchen der Gesellschaft im eigenen Namen gestattete.83 Demnach führt eine Absenkung des Quorums nach den bisherigen Erfahrungen anscheinend nicht zu einem Bedeutungszuwachs der Haftungsdurchsetzung auf Aktionärsinitiative, sodass inzwischen erwogen wird, das Quorum des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG weiter abzusenken84 oder, wie in § 309 Abs. 4 S. 1 AktG im Konzernrecht, unter Aufgabe eines Quorums dem Einzelaktionär eine entsprechende Klagebefugnis einzuräumen.85 Ob von einer weiteren Absenkung oder Aufgabe des Quorums des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG ein Bedeutungszuwachs der Aktionärsklage bei gleichzeitig zu gewährleistendem Missbrauchsschutz, ohne daneben andere, möglicherweise prohibitiv wirkende Beschränkungen zu etablieren, ausgehen kann, ist zu bezweifeln. Im Konzernrecht räumen § 309 Abs. 4 S. 1, 2 AktG jedem Aktionär die Befugnis ein, bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags Ersatzansprüche der Gesellschaft 80 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich v. 27. 04. 1998, BGBl. I 1998, S. 768. 81 Schmolke, ZGR 2011, 398, 400; bedeutungsgleich Lutter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 747, 754; Peltzer, ebd., S. 861, 869. 82 So neben den in Fn. 83 Genannten Flume, Grundfragen der Aktienrechtsreform, S. 18. 83 Vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 20; Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 660; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 35. 84 J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1331 (Absenkung auf 50.000 E „noch vertretbar“); Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 207, 210 (70.000 E); Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 225; Lotz, Die Haftung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, S. 165; „erwägenswert“ Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 90. 85 Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 660; Schmolke, ZGR 2011, 398, 425; Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 94; krit. auch Siems, ZVglRWiss 104 (2005), 376, 385; bereits vor Schaffung des § 148 AktG für eine Klage des einzelnen Aktionärs für die Gesellschaft Lutter, JZ 2000, 837, 841; ähnl. ders., ZHR 159 (1995), 287, 306: Antragsbefugnis jedes Aktionärs auf Einsetzung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus §§ 93, 116 AktG; Bayer, NJW 2000, 2609, 2618 f.; ähnl. Flume, Grundfragen der Aktienrechtsreform, S. 18: Individualrecht, „eine Gerichtsentscheidung darüber herbeizuführen, ob ein Prozeß gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats zu führen ist“ (für die Durchführung einer Aktionärsklage werden fünf Prozent oder eine Million DM vorgeschlagen); nach damaliger Rechtslage (1989) bereits de lege lata für die actio pro socio in der AG Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der AG, S. 49 f.; vgl. aber Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 21, wo ein zusätzliches Anzahlquorum (z. B. 200 Aktionäre) erwogen wird.

B. Aktionärsklage

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gegen die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens aus § 309 Abs. 2 AktG im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft geltend zu machen.86 Eine gesonderte Kostenregelung wie in § 148 Abs. 6 AktG ist für diese konzernrechtliche Aktionärsklage nicht vorhanden, sodass der klagende Aktionär grundsätzlich dem vollen Kostenrisiko ausgesetzt ist.87 Darauf, sowie auf fehlende Information über mögliche Ersatzansprüche, wird die geringe praktische Bedeutung der konzernrechtlichen Aktionärsklage zurückgeführt.88 Auch wenn die Kostenrisiken bei der Aktionärsklage nach § 148 AktG wegen dessen Absatz 6 wesentlich geringer sind, ist allein von einer Absenkung oder Aufgabe des Quorums, insoweit herrscht anscheinend Einigkeit, keine bedeutende Zunahme solcher Verfahren zu erwarten.89 Ansatzpunkt müssten daher zumindest auch die weiteren Voraussetzungen der Klagezulassung sein. Diese dienen aber, wie das Minderheitenerfordernis, dem Schutz vor missbräuchlichen Klagen.90 Daher weist Bachmann zu Recht darauf hin, dass eine Herabsetzung oder Streichung des Quorums im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen, die die Aktionärsklage attraktiver gestalten sollen, zu einer „professionellen oder anwaltsgetriebenen“ deutlichen Zunahme solcher Klagen führen könnte, die aber neben einer präventiven Abschreckungswirkung auf die Organmitglieder zu unerwünschten Nebenwirkungen führen könnte.91 Zwar könnte eine Klagebefugnis des Einzelaktionärs in der Tat eine psychologische Signalwirkung im Sinne einer „schlagkräftigen CorporateGovernance“ zeitigen,92 allerdings ist die Frage berechtigt, welches Interesse ein 86 Es handelt sich damit nach h.M. um einen gesetzlich geregelten Fall der Prozessstandschaft, s. nur Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 7. Aufl. 2013, § 309 Rn. 49; Leuering/ Goertz, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 309 Rn. 47; Altmeppen, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2010, § 309 Rn. 122 m.w.N. 87 Die Belastung mit einem Kostenrisiko ist als solche unstr., str. ist lediglich deren Umfang. Nach h.M. soll § 247 Abs. 2 AktG entsprechend anzuwenden sein, so Emmerich, in: Emmerich/ Habersack, 7. Aufl. 2013, § 309 Rn. 49a; Leuering/Goertz, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 309 Rn. 48; Altmeppen, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2010, § 309 Rn. 127; Veil, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 309 Rn. 35; Hirte, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2005, § 309 Rn. 43; Koppensteiner, in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2004, § 309 Rn. 50 f.; Kropff, FS Bezzenberger, 2000, S. 233, 241 ff.; weitergehend Langenbucher, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 309 Rn. 33: § 148 Abs. 6 S. 5, 6 AktG analog; a.A. Begr. RegE AktG 1965, § 309, Kropff, S. 405; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 309 Rn. 22 (unter Verweis auf Abhilfe durch § 3 ZPO); tendenziell auch Mertens, AcP 168 (1968), 225, 227. 88 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 106; Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 95; vgl. Bachmann, AG 2012, 565, 577. 89 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 90; ders., AG 2012, 565, 577; Schmolke, ZGR 2011, 398, 425; Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 94 f. 90 Vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 20; Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 39. 91 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 90; ähnl. Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 39; ders., ZHR 178 (2014), 221, 225; Lotz, Die Haftung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, S. 165. 92 So Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 90.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

einzelner Aktionär an einer Klage haben soll, die lediglich auf Leistung an die Gesellschaft gerichtet ist, das eine einprozentige Minderheit nicht ebenso haben müsste.93 Ausgehend davon, dass eine Aufgabe des Quorums des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG für sich genommen nicht hinreichen würde, die Aktionärsklage zu einem wirksamen Haftungsdurchsetzungsinstrument, von dem eine entsprechende Präventionswirkung ausginge, auszubauen, dass vielmehr auch eine Herabsetzung der Anforderungen an die Klagezulassung im Übrigen erforderlich wäre und keine Interessen ersichtlich sind, die lediglich einen einzelnen, nicht aber eine Minderheit von Aktionären zur Klage anreizen könnten, erscheint eine vollständige Aufgabe nicht empfehlenswert.94 Die konzernrechtliche Erfahrung hat gezeigt, dass das Fehlen eines Quorums ohne Einbettung in eine umgebende Struktur, wie sie die Kostenregelung des § 148 Abs. 6 AktG grundsätzlich bietet, anscheinend nicht in der Lage ist, die Attraktivität einer Aktionärsklage von der der Kläger wirtschaftlich „nichts hat“ zu steigern. Daher erscheinen die Anforderungen des § 148 Abs. 1 S. 2 AktG als „Stellschrauben“ wesentlich hoffnungsvoller und können diese, wenn ein Quorum als Missbrauchsschutz bestehen bleibt, großzügiger betätigt werden als dies unter Wegfall dieser Hürde der Fall wäre.95 Ob von einer weiteren Reduzierung der erforderlichen Minderheit eine signifikant höhere Anreizwirkung ausgehen würde, erscheint angesichts der bisherigen Erfahrungen mit der Anspruchsdurchsetzung auf Initiative von Aktionären im deutschen Recht auch dem Grunde nach zweifelhaft. Gegen eine mäßige Absenkung des Quorums bis zur Hälfte der derzeit geltenden Werte wären aber keine durchgreifenden Einwände zu erheben. b) „Stufenlösung“ unter teilweiser Aufgabe des Klagezulassungsverfahrens Durchaus erwägenswert erscheint das von Bachmann in Anlehnung an die Regelung des AktG 1937, die der des HGB von 1931 entspricht und der des KonTraG ähnelt,96 und des § 315 AktG zur Sonderprüfung im Konzern vorgeschlagene „Stufenmodell“. Oberhalb eines gewissen Schwellenwertes, als den Bachmann zehn Prozent vorschlägt, soll eine Aktionärsminderheit befugt sein, selbst oder durch einen besonderen Vertreter ohne weitere Zulassungsvoraussetzungen im eigenen

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Ähnl. Bachmann, AG 2012, 565, 577; K. Schmidt, NZG 2005, 796, 799. Gegen einen Verzicht auf das Quorum auch die Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT, ablehnender Beschluss mit 6:54:14 Stimmen (Beschluss II. 12. a)); gegen eine Einzelklagebefugnis bereits Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 63. DJT (Beschlüsse III. 2. A., B., C.). 95 Vgl. Hemeling, in: Verhandlungen des 69. DJT, N 31, N 39; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 90. 96 Vgl. zu den historischen Regelungen der Klageerzwingung durch Aktionärsminderheiten unmittelbar zuvor im 5. Teil B. II. 1. a). 94

B. Aktionärsklage

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Namen auf Leistung an die Gesellschaft Schadensersatzansprüche einzuklagen.97 Eine Minderheit, deren Anteile zusammen zehn Prozent des Grundkapitals erreichen, hat gegenüber einem von Aufsichtsrat und Hauptversammlungsmehrheit gewollten Verzicht auf oder Vergleich über Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder auch das nicht an Sachgründe gebundene Vetorecht des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG und kann gemäß § 147 Abs. 2 S. 2 AktG die Einsetzung eines besonderen Vertreters, auch abweichend von der Wahl der Hauptversammlungsmehrheit, unter der weiteren Voraussetzung, dass dies dem Gericht für die gehörige Geltendmachung von Ersatzansprüchen zweckmäßig erscheint, verlangen.98 Im Übrigen soll das bisherige Quorum des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG fortgelten. Eine Absenkung soll eintreten, wenn sich aus einem Sonderprüfungsbericht „handfeste Indizien“ für eine Pflichtverletzung ergäben.99 Würde aus dem Bericht eine grobe Pflichtverletzung erkennbar, will Jänig eine Befugnis des Einzelaktionärs, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen zu erzwingen, einräumen.100 Derart abgestufte Anforderungen haben Einiges für sich: Ein entsprechend hohes Minderheitserfordernis für eine Aktionärsklage unter Wegfall weiterer Zulassungsvoraussetzungen schützte einerseits vor Missbrauch, höbe andererseits aber das komplexe, möglicherweise prohibitiv wirkende und mit Kostenrisiken verbundene Klagezulassungsverfahren als zu nehmende Hürde auf. Die entsprechende Minderheit sollte allerdings, gerade im Einklang mit §§ 93 Abs. 4 S. 3, 147 Abs. 2 S. 2 AktG, die jeweils das Hinzutreten des Handelns eines weiteren Akteurs (Aufsichtsrat bzw. Gericht) voraussetzen, oberhalb von zehn Prozent angesetzt werden, da die Erhebung einer Aktionärsklage ohne weitere Zwischenschritte erfolgen könnte, die Anspruchsdurchsetzung mithin allein in die Hände der Aktionäre gelegt würde. Eine Absenkung des Quorums, wenn sich eine Pflichtverletzung stützende Tatsachen bereits aus einem Sonderprüfungsbericht ergeben haben, ist dem deutschen Aktienrecht, wie oben ausgeführt, keineswegs fremd101 und ist sachlich durch den erforderlichen Inhalt eines Sonderprüfungsberichts gerechtfertigt, der Missbrauchsrisiken weitestgehend ausschließt, sodass hier mit Jänig der Verzicht auf ein Quorum zu empfehlen ist. Darüber hinaus sollte der Inhalt des Sonderprüfungsberichts hinsichtlich der Voraussetzung des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG Bindungswirkung entfalten. 97 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 90; Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479, 1480; zust. Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 51:21:9 Stimmen („Verzicht auf das Erfordernis der ,groben‘ Pflichtverletzung bei Eintreten eines außerordentlichen Verlusts, bei Vorliegen eines eingeschränkten Prüfervermerks oder bei Antrag durch eine Aktionärsminderheit von 10 % oder mehr“) (Beschluss II. 14. b)); ähnl. zum US-amerikanischen Recht Thompson/Thomas, 57 Vanderbilt Law Review (2004), 1747, 1750: Wegfall des demand-Erfordernisses beim derivative suit, wenn dieser von einem Anteilseigner mit einer Beteiligung von einem Prozent oder mehr betrieben wird. 98 Auf diese Minderheiten verweist Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 90 f. 99 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 91; Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 209 (Halbierung); Jänig, Die aktienrechtliche Sonderprüfung, S. 412. 100 Jänig, Die aktienrechtliche Sonderprüfung, S. 412. 101 Vgl. die unter 5. Teil B. II. 1. a) beschriebenen historischen Regelungen.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

c) Abschaffung des Klagezulassungsverfahrens Weitergehend wird im Schrifttum die Abschaffung des Klagezulassungsverfahrens erwogen.102 Dieses der eigentlichen Aktionärsklage vorgeschaltete Verfahren verzögere den Prozess und wirke prohibitiv.103 Auch im Konzernrecht, wo eine verfahrensmäßige Entsprechung nicht gegeben ist, komme es nicht zu massenhaften missbräuchlichen Klagen, sodass eine Erhaltung des Klagezulassungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Missbrauchsverhinderung nicht erforderlich sei.104 Andere Literaturvertreter betrachten das vorgeschaltete Zulassungsverfahren dagegen nicht als „gravierende Hürde“.105 Daneben wird darauf hingewiesen dass, falls nicht, was auch hier nicht intendiert ist, sämtliche Voraussetzungen der Klagezulassung de lege ferenda abgeschafft werden sollten, diese ohnehin geprüft werden müssten.106 Das Klagezulassungsverfahren als eine Art abgespaltene Zulässigkeitsprüfung könnte damit, vergleichbar der Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe, eine Signalwirkung dahingehend entfalten, dass das Klageverfahren Aussicht auf Erfolg hat. Dadurch könnte die Bereitschaft der Gesellschaft, die bisher nicht geneigt war, selbst Klage zu erheben, sich etwa um eine vergleichsweise Erledigung zu bemühen und dadurch eine interessengerechte Lösung zu befördern, deutlich erhöht werden.107 Ferner ist nach geltendem Recht ein erfolgreiches Durchlaufen des Klagezulassungsverfahrens grundsätzlich Voraussetzung eines Kostenerstattungsanspruchs gegen die Gesellschaft, sodass, soll den klagenden Aktionären nicht jede Kostenbelastung abgenommen werden, was aufgrund des damit gesetzten Anreizes, es mit einer Aktionärsklage ohne Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft „eben einmal zu versuchen“, nicht wünschenswert erscheint, im Ergebnis dieses vorgeschaltete Verfahren mit seiner Filterfunktion Bedingung der Kostenentlastung der Kläger ist.108

102

Dafür Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 95; ders., ZHR 177 (2013), 782, 790 f., 793; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 267 f. 103 Vgl. Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 267 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 790; Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 765 f.; Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 954 ff. 104 Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 95; ders., ZHR 177 (2013), 782, 793 f.; zust. Kahnert, AG 2013, 663, 670; ebenso ohne den Hinweis auf das Konzernrecht Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 268, der aber den Klägern das volle Kostenrisiko auferlegen und im Gegenzug eine Erfolgsbeteiligung schaffen will. 105 Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 91; Schmolke, ZGR 2011, 398, 424. 106 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 91. 107 So im Ganzen Becker, FS Mestmäcker, 2006, S. 25, 35; dagegen bewertet Schmolke, ZGR 2011, 398, 424 die Abspaltung der Klagezulassung als indifferent. 108 J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1328; Kahnert, AG 2013, 663, 670; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 91.

B. Aktionärsklage

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Es sprechen daher gute Gründe für die Beibehaltung eines der eigentlichen Aktionärsklage vorgeschalteten Zulassungsverfahrens, sodass dessen Abschaffung nicht Teil einer Reform des § 148 AktG sein sollte.109 d) Zuständigkeit für das Klagezulassungsverfahren Zur Vereinfachung und Verkürzung des Aktionärsklageverfahrens ist vorgeschlagen worden, für das Klagezulassungsverfahren eine Zuständigkeit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung110 zu schaffen, die zugleich befugt sein soll, die notwendigen Ermittlungen bei der Gesellschaft vorzunehmen.111 Dadurch würde ein Zulassungsantrag im Verfahren nach § 148 AktG zugleich mit einer Art Sonderprüfung verbunden.112 Unter diesem Gesichtspunkt wäre zwar eine Verbesserung der Sachverhaltsaufklärung und damit der Beweislage im späteren Klageverfahren zu erwarten.113 Eine Zuständigkeit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung für das einem solchen Verfahren zwingend vorgehende Klagezulassungsverfahren bedeutete aber, einer Stelle, die weder Gesetzgeber noch Gericht ist, die Entscheidung über den Zugang zu einem staatlichen Gerichtsverfahren zu überantworten. Abgesehen davon, dass es sich dabei um ein Novum im deutschen Recht handelte, erscheint dies auch unter dem Blickwinkel der Rechtsstaatlichkeit sicherlich nicht bedenkenfrei.114 Daneben wird im Schrifttum auch die juristische Kompetenz dieser Prüfstelle hinsichtlich der notwendigen Beurteilung komplexer Fragen der Organhaftung bezweifelt.115 Ob mit der Einschaltung der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung letztendlich über eine verbesserte Tatsachenerkenntnis hinaus eine Verkürzung des Verfahrens verbunden wäre, ist unklar, liegen doch nach geltendem Recht Klagezulassungs- und Klageverfahren in der Zuständigkeit desselben Gerichts116 und ist angesichts der kurzen Frist zur Klageerhebung des § 148 Abs. 4 S. 1 AktG damit zu rechnen, dass dieses nach einem Zulassungsverfahren für ein an109 Für eine Beibehaltung auch J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1328; Kahnert, AG 2013, 663, 670; Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 965; Bezzenberger/ Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 58; Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT gegen einen Verzicht auf das Klagezulassungsverfahren mit 0:64:11 Stimmen (Beschluss II. 12. b)); in der Tendenz auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 91 f. 110 § 342b HGB. 111 Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 965 ff.; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 869 f.; zust. Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 96 (für den Fall der Beibehaltung des Klagezulassungsverfahrens, dessen Abschaffung dort befürwortet wird); „als Ultima Ratio“ ders., ZHR 177 (2013), 782, 793; sympathisierend Wagner, ZHR 177 (2014), 227, 263. 112 Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 92. 113 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 92. 114 Ebenso J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1328. 115 J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1328 f.; zust. Kahnert, AG 2013, 663, 672; wohl auch Spindler, AG 2013, 889, 900. 116 § 148 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1 AktG.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

schließendes Verfahren zur Anspruchsgeltendmachung bereits deutlich in die Materie „eingearbeitet“ wäre. Dieser Aspekt entfiele, wenn das Klagezulassungsverfahren auf eine andere Institution verlagert würde. Ferner erscheint zweifelhaft, ob Aktionäre, wenn das Klagezulassungsverfahren mit einer Untersuchung durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung verbunden würde, überhaupt in der Lage wären, die daraus gewonnenen Erkenntnisse innerhalb der Dreimonatsfrist des § 148 Abs. 4 S. 1 AktG in eine Klageschrift umzusetzen.117 Diese wäre gegebenenfalls de lege ferenda zu verlängern, sodass es sich hierbei nicht um ein gewichtiges Gegenargument handelt. Eine Verlagerung der Zuständigkeit für das Klagezulassungsverfahren auf eine Stelle, die nicht Gericht ist, würde aber nach dem Gesagten wohl nicht zu erheblichen Vorteilen gegenüber der derzeitigen Regelung führen; insbesondere würden dadurch keine Anreize geschaffen, ein solches Verfahren zu betreiben, träte die Verbesserung der Sachverhaltserkenntnis doch erst nach der Prüfung durch die Bundesprüfstelle ein. Angesichts der erheblichen Bedenken vor allem unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist eine Änderung der Zuständigkeit nach § 148 Abs. 2 S. 1 AktG daher nicht als sinnvoll zu erachten. e) Klagebefugnis außerhalb der Gesellschaft stehender Institutionen oder Personen Weitergehend wird erwogen, der BaFin, der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung oder einem Ombudsmann, mithin außerhalb der Gesellschaft stehenden Instanzen, ein unmittelbares eigenes Klagerecht einzuräumen.118 Abgesehen davon, dass unklar wäre, mit welchen Prüfbefugnissen eine solche Institution die notwendigen Informationen zu beschaffen hätte und unter welchen Voraussetzungen sie zum Eingreifen möglicherweise verpflichtet wäre, handelte es sich dabei um einen erheblichen gesetzgeberischen Eingriff sowohl in Rechte der Aktionäre als auch der Gesellschaft. Durch vorschnelles Eingreifen einer staatlichen, mithin an der Gesellschaft in keiner Weise finanziell oder organisatorisch beteiligten Stelle könnten, ähnlich wie bei der Einführung einer Billigkeitsklausel zur richterlichen Herabset117

Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 92. Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 769 f.; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 747, 754; Hellwig, FS Maier-Reimer, 2010, S. 201, 215 (für eine Klagebefugnis der BaFin bei börsennotierten Gesellschaften in Einzelfällen, wobei an „Fälle von grundsätzlicher und systematischer Bedeutung“ gedacht ist); sympathisierend, mit dem Alternativvorschlag, eine „Bundesanstalt für Unternehmensangelegenheiten“ eigens für diese Zwecke neu zu gründen, i.Erg. aber die Rechtsdurchsetzung durch privatrechtliche Instanzen vorziehend Wagner, ZHR 177 (2014), 227, 263; zurückhaltend, vorbehaltlich eines endgültigen Marktversagens privatrechtlicher Lösungen, was „noch lange nicht“ der Fall sei Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 965; ähnl. Paefgen, AG 2014, 554, 577; Baums, Gutachten zum 63. DJT, F 32 f.; Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 96; ders., ZHR 177 (2013), 782, 793; abgelehnt von der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 7:70:6 Stimmen (Beschluss II. 9. b)), auch für regulierte Unternehmen, dort mit 8:63:4 Stimmen (Beschluss III. 17. a)). 118

B. Aktionärsklage

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zung einer Ersatzanspruchs, gesellschaftsinterne Tendenzen, im wirtschaftlichen Ergebnis für alle Beteiligten sinnvolle Vergleiche zu schließen, untergraben werden. Ferner würde das Instrument einer klagebefugten staatlichen Instanz wesentlich mehr Gefahr laufen, im Hinblick auf seine Präventionswirkung über das Ziel hinauszuschießen und damit eine unerwünschte Risikoaversion sowohl der Mitglieder des Vorstands als auch des Aufsichtsrats zu fördern, da einer staatlichen Stelle keine völlige oder einem „unternehmerischen Ermessen“ entsprechende Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden könnte, sodass mit einer Klageerhebung in einer Vielzahl von Fällen, insbesondere wenn die Voraussetzungen des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG weiter gesenkt werden sollten,119 zu rechnen wäre.120 Unabhängig davon, ob dies wünschenswert erscheint, sind keine sachlichen Gründe für einen derart schwerwiegenden gesetzgeberischen Eingriff ersichtlich.121 Gefährdet eine Gesellschaft durch Gesetzesverstöße das Gemeinwohl, ist die Möglichkeit der Auflösung nach § 396 AktG gegeben. Führt sie die Nichtgeltendmachung von Ersatzansprüchen in die Insolvenz, ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, die entsprechenden Ansprüche gegenüber Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern geltend zu machen. Im Wesentlichen dieselben Bedenken bestehen gegen die von Lutter vorgeschlagene Einrichtung eines Ombudsmanns, der von den börsennotierten Gesellschaften gewählt und durch eine Umlage finanziert werden sollte.122 Zwar handelte es sich dabei nicht um eine staatliche Stelle, die Einrichtung müsste aber, um zu einer Klagebefugnis zu gelangen, wohl gesetzlich vorgeschrieben werden.123 Angesichts des Interesses der eingesetzten Person am Erhalt ihrer vergüteten Stellung wäre auch hier von einer Zunahme der Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen auszugehen,124 ohne dass der Ombudsmann dabei selbst auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet wäre. Unklar wäre auch, wie der Ombudsmann einer Gesellschaft für eine nicht in deren Interesse liegende Anspruchsverfolgung haftete, woher er die notwendigen Informationen erhielte und wie die Verfahrenskosten zu verteilen wären. All dies gilt entsprechend für das von Semler vorgeschlagene „gerichtlich begleitete Verfahren“, in dem ein besonderer Vertreter, der nur für Vorsatz und grobe 119

Siehe Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 769 Fn. 30: Streichung des „grob“. Anders Wagner, ZHR 177 (2014), 227, 263 f., der mangels wirtschaftlichen Eigeninteresses der klagebefugten Instanz keine Verbesserung der Anspruchsdurchsetzung erwartet. Ein wirtschaftliches Eigeninteresse zumindest der zuständigen Amtswalter läge jedoch insoweit vor, als ggf. deren Stelle vom Vorliegen eines ausreichenden Aufgabenbereichs abhinge. 121 Gleichsinnig J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1329; Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 769; Wagner, ZHR 177 (2014), 227, 264; zu „größter Zurückhaltung“ gegenüber Verfolgungs- und Mitwirkungsrechten staatlicher oder halbstaatlicher Stellen mahnt auch Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 226. Vgl. auch oben 5. Teil A. III. 2. 122 Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 770. 123 Implizit J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1329. 124 Anders Wagner, ZHR 177 (2014), 227, 265, der unterstellt, der Ombudsmann habe die Verfahrenskosten selbst zu tragen. 120

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

Fahrlässigkeit haftete, Ersatzansprüche der Gesellschaft auf Antrag einer § 148 Abs. 1 S. 1 AktG entsprechenden Aktionärsminderheit geltend machte, wobei die vorrangige Klagebefugnis der Gesellschaft dann ausgeschlossen wäre.125 Die Einräumung der weitreichenden Befugnisse, die für eine effektive Anspruchsdurchsetzung erforderlich wären, für eine vollständig außerhalb der Gesellschaft stehende Person außerhalb der Insolvenz erscheint nach alldem ebenso wenig zu rechtfertigen wie eine staatliche Eingriffsbefugnis durch ein Klagerecht der BaFin oder der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung.126 f) Das Vorbesitzerfordernis des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG Nach § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG ist nur eine Klage von Aktionären zulässig, die ihre Anteile nachweislich vor dem Zeitpunkt erworben haben, in dem sie von den behaupteten Pflichtverstößen oder dem behaupteten Schaden aufgrund einer Veröffentlichung Kenntnis erlangen mussten. Die Voraussetzung soll Missbrauch verhindern, indem ausgeschlossen ist, dass Aktien ausschließlich zum Zwecke des Betreibens einer Aktionärsklage kurzfristig erworben oder auch nur geliehen werden.127 Angesichts der Möglichkeit, dass auch später hinzugetretene Aktionäre ein legitimes Interesse an einer Anspruchsverfolgung haben könnten, wird das Erfordernis von Einigen als problematisch angesehen.128 Zum einen könnten die Aktien nach Bekanntwerden einer möglichen Pflichtverletzung oder eines Schadens der Gesellschaft in der Hoffnung erworben worden sein, der Anspruch werde vom Aufsichtsrat beziehungsweise Vorstand geltend gemacht werden,129 zum anderen wirke eine Aktionärsklage auch verhaltenssteuernd für die Zukunft und hätten neu hinzugetretene Aktionäre an der Einhaltung der Organpflichten dasselbe Interesse wie die bereits vor einer ersten Pflichtverletzung vorhandenen.130 Hinsichtlich der Missbrauchsrisiken, denen das Vorbesitzerfordernis begegnen will, bestehe gegenüber der Anfechtungsklage131 der entscheidende Unterschied, dass die Aktionärs125

Vgl. Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510 ff. I.Erg. ebenfalls gegen einen Ombudsmann J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1329; Wagner, ZHR 177 (2014), 227, 265. 127 Vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs, 15/5092, S. 21. 128 Namentlich SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 7 f.; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 203; J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1331 f.; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 93 f.; Koch, ZGR 2006, 769, 773 f. („sachlich nicht unbedingt geboten“). 129 Diesbzgl. wendet Koch, ZGR 2006, 769, 774 ein, dass bei einem Beteiligungserwerb nach öffentlichem Bekanntwerden eines Schadens dieser bereits beim Anteilserwerb eingepreist werde, sodass bei Geltendmachung des Anspruchs zu Unrecht von der daraus folgenden Wertsteigerung profitiert würde. Zu demselben Ergebnis führte aber auch die Anspruchsverfolgung durch das zuständige Gesellschaftsorgan, sodass ein „zu Unrecht“ erlangter Vorteil nicht vorliegt; ähnl. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 203. 130 J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1331 f. 131 Vgl. § 245 Nr. 1 – 3 AktG. 126

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klage der Beitreibung von Schadensersatz zugunsten der Gesellschaft diene, die klagenden Aktionäre mithin keine eigenen Ziele verfolgten.132 Ferner entstünden durch den von den klagewilligen Aktionären zu erbringenden Beweis des Anteilserwerbs vor dem Kennenmüssen der Pflichtverstöße oder des Schadens aufgrund einer „Veröffentlichung“, worunter solche in „Breitenmedien, der Wirtschaftspresse oder weit verbreiteten Online-Diensten“133 fallen sollen, Unsicherheiten.134 Die Klagebefugnis bei Vorliegen einer solchen Bekanntmachung vor dem Anteilserwerb erfordert, dass die Aktionäre darlegen und beweisen, dass sie dennoch keine Kenntnis erlangen konnten.135 Diese Anforderungen entfalteten eine angesichts der geringen Missbrauchsgefahr unangemessene Abschreckungswirkung, sodass unter der Voraussetzung der auch hier befürworteten Beibehaltung eines Quorums für eine Streichung des Vorbesitzerfordernisses plädiert wird.136 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.137 Die Missbrauchsgefahren bei der Aktionärsklage sind in der Tat, insbesondere unter Beibehaltung des Quorums und eines Klagezulassungsverfahrens, äußerst gering. Ferner setzt auch die Sonderprüfung, die nach § 142 Abs. 2 S. 1 AktG mit demselben Quorum wie die Aktionärsklage eingeleitet werden kann und sicherlich in ihrem Lästigkeitswert für die Gesellschaft vergleichbar ist, kein an die zugrunde liegenden Vorgänge anknüpfendes Vorbesitzerfordernis, sondern lediglich Inhaberschaft der Aktien seit mindestens drei Monaten vor der Hauptversammlung sowie bis zur Entscheidung über den Antrag auf Bestellung der Sonderprüfer, voraus (§ 142 Abs. 2 S. 2 AktG). Dieses verhindert nur bei erst in einem Dreimonatszeitraum vor der Hauptversammlung bekannt gewordenen eine Sonderprüfung rechtfertigenden Vorgängen, dass sich Aktionäre bewusst zur Beantragung einer Sonderprüfung „einkaufen“.138 Sollte eine gewisse Missbrauchsschranke in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG weiter für erforderlich gehalten werden, erscheint eine Angleichung an § 142 Abs. 2 S. 2 AktG, aus dem sich keine der Festlegung des Zeitpunkts eines 132 SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 8; „deutlich geringere“ Missbrauchsgefahren sieht auch J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1331. 133 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 21. 134 Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 168; Koch, ZGR 2006, 769, 773 f.; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94. 135 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 21; anders Schröer, ZIP 2005, 2081, 2084, der lediglich auf den Kenntnisstand des „durchschnittlichen Anlegers“ abstellen will. 136 Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 203; Schmolke, ZGR 2011, 398, 428; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94; Spindler, AG 2013, 889, 902; zu einer vergleichbaren Regelung des österreichischen Rechts ebenso Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 221. 137 Anders Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 18:46:11 Stimmen gegen die Beseitigung des Vorbesitzerfordernisses (Beschluss II. 12. e)). Ablehnend auch Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 225. 138 Auf das Fehlen eines dem § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG vergleichbaren Vorbesitzerfordernisses weisen auch J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1132; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94 hin.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

Kennenmüssens und des gegebenenfalls erforderlichen Nachweises eigener, nicht zu vertretender Unkenntnis vergleichbaren Schwierigkeiten ergeben, sinnvoll. g) Erfordernis der Aufforderung der Gesellschaft zur Klageerhebung, § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 4 S. 1 AktG Die gemäß § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG notwendige vergebliche Aufforderung der klagewilligen Aktionäre an die Gesellschaft, selbst Klage zu erheben, wird als „bloße Formsache“139 bezeichnet und es wird davon ausgegangen, dass auch ohne die ausdrückliche Regelung Aktionäre zunächst diesen Weg wählen würden, wäre mit einer Klageerhebung durch die Gesellschaft selbst doch ihr Ziel erreicht.140 Dementsprechend empfiehlt sich die Beibehaltung des Erfordernisses. Dafür spricht zunächst einmal, dass es sich um einen Anspruch der Gesellschaft handelt, für dessen Geltendmachung eine interne Zuständigkeit des Aufsichtsrats beziehungsweise Vorstands gegeben ist und insoweit durch die Regelung der Aktionärsklage keine Parallelzuständigkeit begründet wurde, sondern dieser vielmehr eine subsidiäre Auffangfunktion zukommt.141 Weiterhin kann die Gesellschaft nach geltendem Recht jederzeit den Anspruch selbst geltend machen oder ein anhängiges Klageverfahren von den Aktionären übernehmen, wodurch die Zulässigkeit eines von Aktionären betriebenen Zulassungs- oder Klageverfahrens entfällt, § 148 Abs. 3 S. 1, 2 AktG. Das Erfordernis der vergeblichen Aufforderung der Gesellschaft zu einer eigenen Klage schützt daher auch die Aktionäre vor vergeblichem Aufwand, der entstünde, wenn die Gesellschaft erst durch die Beiladung (§ 148 Abs. 2 S. 9 AktG) von dem Klagezulassungsverfahren erführe, sich aber möglicherweise bereits von der drohenden Aktionärsklage hätte beeindrucken lassen. Die Gefahr einer eigenen Klageerhebung oder der Übernahme eines von Aktionären betriebenen Verfahrens durch die Gesellschaft um dieses „im Sande verlaufen zu lassen“142 kann, solange man die Gesellschaft für vorrangig prozessführungsbefugt hält, nie vollständig ausgeschlossen werden. Zwar ist eine Klagerücknahme nach § 148 Abs. 6 S. 4 AktG, der nach herrschender Meinung auch den Prozessvergleich umfasst, nur unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG mit Ausnahme der Sperrfrist zulässig,143 eine absichtlich mangelhafte Prozessführung durch das zuständige Gesellschaftsorgan kann durch die klagebefugte Aktionärsminderheit aber nicht ver-

139

Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94; vgl. Seibert, NZG 2007, 841, 842; SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 7. 141 Siehe Begr. RegE UMAG v. 14.03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 21; Fleischer, NJW 2005, 3525, 3526; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 169; Seibert, NZG 2007, 841, 842; SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 7; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 21; Ihlas, D&O, S. 239. 142 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94. 143 Vgl. dazu oben im 3. Teil bei Fn. 399 u. 4. Teil Fn. 43. 140

B. Aktionärsklage

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hindert werden und führt lediglich zu einem weiteren Ersatzanspruch der Gesellschaft. Ob von dem Erfordernis einer nochmaligen Aufforderung zur eigenen Klageerhebung der Gesellschaft nach erfolgreichem Zulassungsverfahren nach § 148 Abs. 4 S. 1 AktG tatsächlich eine „entmutigende“ Wirkung ausgeht,144 ist zu bezweifeln, erreichen doch die Aktionäre, wenn das zuständige Organ selbst den Anspruch verfolgt, bei ordnungsgemäßer Prozessführung gerade ihr Ziel. Als überflüssig145 ist die nochmalige Klageaufforderung schon deshalb nicht zu qualifizieren, weil sie die Gesellschaft, anders als die notwendige Beiladung und die Bekanntmachung nach § 149 AktG, nicht nur von dem erfolgreichen Klagezulassungsverfahren in Kenntnis setzt, sondern ihr auch vor Augen führt, dass die Aktionäre innerhalb der Dreimonatsfrist des § 148 Abs. 4 S. 1 AktG wirklich „Ernst machen“ werden und so der Druck auf die vorrangig zur Anspruchsverfolgung zuständigen Organe gegenüber der Aufforderung vor dem Klagezulassungsverfahren nochmals erhöht wird. Daher sollten beide Aufforderungen als erforderlich beibehalten werden.146 Zielführend, da die Aktionäre zur Sachverhaltsermittlung, die die Gesellschaft möglicherweise erst zur Klageerhebung veranlassen wird, anhaltend, erscheint dagegen der Vorschlag einer Kostenersatzpflicht der Gesellschaft für die erforderlichen Auslagen der Aktionäre, wenn aufgrund einer Aufforderung nach § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG Klage erhoben wird.147 h) Verdacht der Unredlichkeit oder groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung, § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG Die Klagebefugnis einer Aktionärsminderheit nach § 148 AktG besteht nicht hinsichtlich jeglicher schadensstiftenden Pflichtverletzung, sondern setzt das Vorliegen von Tatsachen voraus, die den Verdacht der Unredlichkeit oder einer groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung als Schadensursache rechtfertigen. Inwieweit diese Voraussetzung ein Hindernis für Aktionärsklagen darstellt, ist im Schrifttum umstritten. Bachmann hält mit einer überwiegenden Literaturauffassung das Erfordernis für das „Nadelöhr der Klagezulassung“,148 während Einzelne aus der 144

So Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94. Ebenfalls Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94. 146 A.A. bzgl. § 148 Abs. 4 S. 1 AktG Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94. 147 So der Vorschlag bei Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94. 148 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 94; in diesem Sinne auch Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 983; Bezzenberger/Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 127; Ulmer, DB 2004, 859, 863; Seibt, WM 2004, 2137, 2142; Thümmel, DB 2004, 471, 473 f.; ders., Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 316 f.; Diekmann/Leuering, NZG 2004, 249, 250; Wilsing, ZIP 2004, 1082, 1088: grob pflichtwidriges Verhalten sei in der Praxis selten anzutreffen; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 148 Rn. 8; Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 74; noch stärker Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 958: „Die Hürde ist zu hoch“; J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 145

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

Erfahrung bei der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen davon ausgehen, dass ein entsprechender Tatsachenvortrag in aller Regel möglich sei oder dies notfalls durch entsprechende Gutachten gemacht werde.149 Mangels praktischer Fälle hat sich bisher nicht zeigen können, wie hoch die Gerichte die Anforderungen an den einen Verdacht im Sinne des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG rechtfertigenden Tatsachenvortrag ansetzen.150 Im aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten notwendig theoretisch verankerten Schrifttum zur Aktionärsklage wird die Forderung erhoben, die Voraussetzung der Unredlichkeit oder groben Gesetzes- oder Satzungsverletzung zu streichen, mithin die Aktionärsklage auch für einfach fahrlässige pflichtwidrige Schädigungen der Gesellschaft sowie Pflichtverletzungen außerhalb der Treu- und Legalitätspflicht zu eröffnen.151 Einzelne Kritiker der Beschränkung der Aktionärsklage auf „grobes“ Fehlverhalten weisen zudem darauf hin, dass gerade diese de lege lata aus dem Anwendungsbereich der Aktionärsklage herausfallenden Schadensfälle durch eine vorhandene D&O-Versicherung gedeckt seien.152 aa) Unklare Bedeutung der „Unredlichkeit“ oder „groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ Unklar ist bereits die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals der Unredlichkeit oder groben Verletzung von Gesetz oder Satzung, wodurch eine erhebliche, klagewillige Aktionäre abschreckende Rechtsunsicherheit besteht.153 Während hinsichtlich der „Unredlichkeit“ aus der Gesetzesbegründung deutlich wird, dass damit, wie auch

1332; zu den Anforderungen der Aktionärsklage insgesamt in diesem Sinne Brommer, AG 2013, 121. 149 Linnerz, NZG 2004, 307, 309; Duve/Basak, BB 2006, 1345, 1349. 150 Vgl. Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 765; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 316 f. 151 Paefgen, AG 2014, 554, 577; Schmolke, ZGR 2011, 398, 429 f.; Seibt, WM 2004, 2137, 2142; Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479, 1482; SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 8; DSW, Stellungnahme zum RefE UMAG, S. 14 f.; für eine Ausdehnung auf sämtliche grob fahrlässige Pflichtverletzungen, die aufgrund von Interessenkonflikten nicht verfolgt wurden J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1332; für eine Streichung des Erfordernisses einer groben Gesetzes- oder Satzungsverletzung auch Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 169; krit. auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 238; Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 765; Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 958 f.; Thümmel, DB 2004, 471, 473 f.; Wilsing, ZIP 2004, 1082, 1088. 152 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 95; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 316. 153 Krit. auch Kahnert, AG 2013, 663, 667; Jänig, BB 2005, 949, 951; Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 766; Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 984 f.; Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 765; Schmolke, ZGR 2011, 398, 420; Siems, ZVglRWiss 104 (2005), 376, 390 f.; Seibt, WM 2004, 2137, 2140; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 95; Mock, in: Spindler/ Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 75.

B. Aktionärsklage

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schon der Begriff nahelegt, Treupflichtverletzungen gemeint sind,154 ist in Bezug auf andere Pflichtverletzungen sowohl offen, ob eine Verletzung von Gesetz oder Satzung nur Legalitätspflichtverstöße bezeichnet, als auch, wo die Grenze einer „groben“ Verletzung verlaufen soll. Zur Voraussetzung einer „Unredlichkeit“ als Schadensursache führt die Gesetzesbegründung aus, dass hierfür die Einschränkung auf „grobe“ Verletzungen nicht zu machen sei, da es sich dabei „stets um ins Kriminelle reichende Treupflichtverstöße“155 handle. Das „Ins-Kriminelle-Reichen“ ist demnach anscheinend nicht als zusätzliche Qualifikation des Treupflichtverstoßes gemeint,156 sodass, sollte eine Einschränkung beibehalten werden, zu empfehlen ist, das Merkmal der „Unredlichkeit“ durch die gebräuchlichere und daher klarere Formulierung „Verletzung der Treupflicht“ zu ersetzen.157 Hinsichtlich der „groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ führt auch die Gesetzesbegründung zu § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG nur zu einer unwesentlichen Erhellung. Die Voraussetzung einer „groben“ Verletzung soll demnach ausschließen, dass die „kleine Minderheit“ des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG der „schweigenden oder andersdenkenden Mehrheit“ bei „leichtesten oder leichten Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung mit Schadensfolge“ ihren Wunsch nach Anspruchsverfolgung aufdrängen könne.158 Nach Zulassung der Klage soll aber das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, wenn sich herausstellt, dass lediglich leichte oder mittlere Fahrlässigkeit vorgelegen hat.159 Undeutlich bleibt, ob mit „grob“ demnach „grob fahrlässig“ im Sinne eines Verschuldensmaßstabs gemeint ist160 oder 154

Vgl. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 22. Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 22. 156 Ebenso Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 201; Spindler, NZG 2005, 865, 867; Bezzenberger/Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 127; Schröer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 148 Rn. 31; a.A. LG München I, NZG 2007, 477, 478; Jänig, BB 2005, 949, 951: „irgendein sittlicher Mangel“, das Merkmal entziehe sich i.Erg. einer Klärung; Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 769 f.; Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 75; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 142 Rn. 53; Hirschmann, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 142 Rn. 36; Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 988 unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung: auch „Unredlichkeiten“ müssten „gröblich“ sein; für eine nicht näher bestimmte Qualifikation anscheinend auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96; Bordt, Sonderprüfung, S. 99, so zit. in Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 767 Fn. 12 will unter „Unredlichkeiten“ vorsätzliche Pflichtverletzungen verstehen. 157 Für eine Streichung Jänig, BB 2005, 949, 951. 158 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 22. 159 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 22. 160 So J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1332; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 316; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 169; Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1780; trotz zusätzlicher Bedeutung weiterer Kriterien lässt Schröer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 148 Rn. 36 jedenfalls einen grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verstoß als „grob“ ausreichen; ähnl. Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 74, der sich für die Berücksichtigung über das Verschulden hinausgehender Ge155

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

ob die Gesetzes- oder Satzungsverletzung besonders schwerwiegend sein muss.161 Der zuerst zitierte Ausschnitt der Gesetzesbegründung legt Ersteres, der zweite Letzteres nahe.162 Was mit „grob“ gemeint ist, ist damit letztlich nicht aufzuklären, insbesondere erlaubt der Wortlaut der Norm beide Bedeutungen. Bereits angesichts dieser Unklarheit ist eine zumindest klarstellende Reform des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG dringend geboten. Zu der Frage, ob eine „Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ einen Verstoß gegen die Legalitätspflicht bezeichnen soll, äußert sich die Gesetzesbegründung nicht explizit. Nahegelegt werden könnte dies durch die Unterscheidung von der „Unredlichkeit“ und nicht der Verwendung des Oberbegriffs der Pflichtverletzung. Andererseits erfordert der Verdacht einer solchen Treupflichtverletzung keine Qualifikation, sodass eine sprachliche Differenzierung zwischen Pflichtverletzungen, die „grob“ sein müssen, um zu einer Klagezulassung zu führen und solchen, die dies nicht erfordern, vonnöten war. Dies hätte aber auch durch „Unredlichkeit oder grobe Verletzung anderer Pflichten“ zum Ausdruck gebracht werden können. Zudem besteht zwar bei unbefangener Betrachtung kein Zweifel an der Eigenschaft des § 93 Abs. 1 AktG als „Gesetz“, der Satzungsverstoß als Alternative in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG liefe aber leer, wenn dort jede Pflichtverletzung gemeint wäre.163 Für ein Verständnis der „Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ als Legalitätspflichtverstoß spricht auch, dass nach der Gesetzesbegründung „vor allem solche Fälle einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden [sollen], in denen wegen der besonderen Schwere der Verstöße, die nicht im Bereich unternehmerischer Fehlentscheidungen liegen, […] eine Nichtverfolgung unerträglich wäre und das Vertrauen in die gute Führung und Kontrolle der deutschen Unternehmen und damit in den deutschen Finanzplatz erschüttern würde.“164 Es ist demnach davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Klagebefugnis der Aktionärsminderheit auf Verletzungen

sichtspunkte ausspricht, um auch Fälle einfach fahrlässiger Schadensverursachung erfassen zu können. 161 So auch Schmolke, ZGR 2011, 398, 420. Im Schrifttum wird vertreten, es müsse eine besonders „krasse“ Verletzungshandlung vorliegen, die eine Nichtverfolgung „für das Rechtsgefühl unerträglich mache“, wobei es weder allein auf den Verschuldensgrad noch den Schadensumfang ankommen soll, Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 770; ähnl. Jänig, BB 2005, 949, 951; Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 989; Bezzenberger/Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 127, 133 ff.; Schröer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 148 Rn. 33 ff.; Hirschmann, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 142 Rn. 36; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 148 Rn. 8; Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 77; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 142 Rn. 54; für eine „besondere Schwere“ auch ders., NZG 2005, 865, 867; für eine begriffliche Anleihe bei § 84 Abs. 3 S. 2 AktG und § 93 Abs. 5 S. 2 AktG Fleischer, NJW 2005, 3525, 3526. 162 Unklar auch Begr. RegE KonTraG v. 28. 01. 1998, BT-Drs. 13/9712, S. 21: „Grobe Pflichtverletzungen sind z. B. grobe Treupflichtverletzungen.“. 163 Ähnl. Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 771. 164 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 22.

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der Treupflicht sowie „grobe“ Verletzungen der Legalitätspflicht165 begrenzen wollte. bb) Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als Gegengewicht zu § 148 AktG Diese Beschränkung des Aktionärsklagerechts erscheint vor dem Hintergrund inkonsequent, dass die Regelung einer Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausdrücklich „[m]it Blick auf die vorgesehene Verschärfung des Verfolgungsrechts der Aktionärsminderheit (§ 148 AktG-E)“ eingeführt wurde und nach der Gesetzesbegründung zu dieser Norm ein „sicherer Hafen“ für „illegales Verhalten“ ausgeschlossen sein soll.166 Gegen den Vorwurf eines Widerspruch der Regelung des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG zum Ausschluss eines „sicheren Hafens“ für Legalitätspflichtverletzungen kann zwar eingewandt werden, dass damit lediglich gemeint ist, dass eine Pflichtverletzung nicht tatbestandlich ausgeschlossen sein sollte. Der Aufsichtsrat und der Insolvenzverwalter können, anders als die Aktionäre, auch leicht fahrlässig verursachte Schäden gegenüber den Vorstandsmitgliedern geltend machen, sodass ein haftungsfreier „sicherer Hafen“ für diese hier nicht besteht.167 Inwieweit § 93 Abs. 1 S. 2 AktG „mit Blick auf“ die Aktionärsklage des § 148 AktG eingeführt worden sein soll, bleibt aber unverständlich, schließt die Business Judgment Rule eine Haftung doch nur für unternehmerische Entscheidungen und bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit aus, während eine Aktionärsklage wegen solcher Entscheidungen ohnehin ausscheidet und, sofern „grob“ als Verschuldensmaßstab zu verstehen ist, die Klagezulassung erst bei grob fahrlässigem Verhalten, das durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch nicht mehr geschützt wäre, möglich ist. Diese Unschlüssigkeit ist wohl aus der Entstehungsgeschichte des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG zu erklären. Das Erfordernis einer „Unredlichkeit oder groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ als Voraussetzung der Aktionärsklage168 geht zurück auf 165 In diesem Sinne verstehen auch Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 770; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 95 den Begriff der „Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“; lediglich im Sinne einer besonders gravierenden Verletzung der Sorgfaltspflicht Seibt, WM 2004, 2137, 2140; Bezzenberger/Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 127; Schröer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 148 Rn. 32; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 26. 166 Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479, 1481 f.; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 169: es werde durch die Beschränkung der Aktionärsklage auf Unredlichkeit und grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung gerade dort ein „sicherer Hafen“ geschaffen, wo dies der Gesetzgeber in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausschließen wollte; Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 77; vgl. auch Kahnert, AG 2013, 663, 667; SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 8; zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 167 Schröer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 148 Rn. 37; ähnl. Kahnert, AG 2013, 663, 667. 168 Im Recht der Sonderprüfung war das Erfordernis bereits seit der Aktienrechtsnovelle 1884 enthalten, vgl. Art. 222a HGB 1884: „Auf Antrag von Aktionären, deren Antheile zu-

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

eine Verschärfung des Klageerzwingungsrechts der Aktionäre in Gestalt des damals in § 147 Abs. 3 AktG aF geregelten Rechts einer Aktionärsminderheit von fünf Prozent oder eines anteiligen Betrags von einer Million DM (500.000 E), Ersatzansprüche durch einen besonderen Vertreter geltend machen zu lassen, durch das KonTraG,169 das diesbezüglich noch einen dringenden Verdacht voraussetzte. Dadurch sollte ein „weiter Ermessensspielraum“ der Gesellschaftsorgane im Bereich unternehmerischer Entscheidungen gesichert werden.170 Demselben Zweck sollten die entsprechenden Einschränkungen in den Regelungsvorschlägen Ulmers, Baums‘ sowie im Grundsatz auch der Regierungskommission Corporate Governance, die sich lediglich auf ein erforderliches Gegengewicht zu den übrigen Erleichterungen der Anspruchsverfolgung durch Aktionäre bezieht, dienen.171 Diese Funktion wurde, indem § 93 Abs. 1 S. 2 AktG für unternehmerische Entscheidungen bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des „sicheren Hafens“ eine Haftung für Fehlverhalten unterhalb grober Fahrlässigkeit ohnehin nicht vorsieht, durch die Business Judgment Rule übernommen, sodass sie, wie Bachmann zutreffend feststellt, für § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG hinfällig ist.172 sammen den zehnten Teil des Grundkapitals darstellen, kann das Landgericht, in dessen Bezirke die Gesellschaft ihren Sitz hat, zur Prüfung eines Herganges bei der Gründung oder eines nicht mehr als zwei Jahre zurückliegenden Herganges bei der Geschäftsführung oder Liquidation der Gesellschaft Revisoren ernennen, sofern ein in der Generalversammlung gestellter Antrag auf Prüfung abgelehnt ist und dem Gerichte glaubhaft gemacht wird, daß bei dem Hergange Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrages stattgefunden haben.“. Zu einer Begriffsklärung hat die Regelung kaum beigetragen, Jänig, BB 2005, 949, 951; Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 766; Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 984 f., der darauf hinweist, dass es sich dabei bislang um „totes Recht“ gehandelt habe; vgl. nur die Kommentierung von Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 142 Rn. 24 sowie die Gesetzesbegründung zu Art. 222a HGB 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 404, 471: „Eine nähere Spezialisirung der Fälle kann das Gesetz nicht geben; es ist ausreichend, aber auch erforderlich, daß die Wahrscheinlichkeit, wenn nicht einer Unredlichkeit, so doch einer groben Gesetz- oder Statutwidrigkeit vorliegt, und es bleibt hiernach dem freien Ermessen des Handelsgerichts überlassen, den zu prüfenden Hergang zu bestimmen und den Umfang der Prüfung zu begrenzen.“. 169 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich v. 27. 04. 1998, BGBl. I 1998 S. 786. 170 Begr. RegE KonTraG, ZIP 1997, 2061, 2066 (die entsprechende Passage ist nicht enthalten in BT-Drs. 13/9712). 171 Vgl. Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 331 f.; Baums, Gutachten zum 63. DJT, F 260, der ausdrücklich auf Ulmer Bezug nimmt; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 73. 172 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 95; gleichsinnig Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 200 f.; Ulmer, DB 2004, 859, 863; in der Tendenz auch Duve/Basak, BB 2006, 1345, 1349; sachlich auch Seibt, WM 2004, 2137, 2140, der bereits de lege lata sämtliche „groben“ Sorgfaltspflichtverletzungen als von § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG erfasst ansieht und daher lediglich Klarstellung hinsichtlich § 93 Abs. 1 S. 2 AktG fordert; anders anscheinend Bezzenberger/Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 129, ohne § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG hinsichtlich ihrer Schutzwirkung zu vergleichen.

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Zwar muss das Verfolgungsrecht der Aktionäre nicht zwingend dort einsetzen, wo der unternehmerische Freiraum, den § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gewährleistet, endet.173 Vorteile eines durch die Rechtsprechung auszufüllenden „Spielraums“ zwischen „grober“174 Pflichtverletzung und „vernünftiger“ Entscheidung175 sind indes nicht erkennbar, vielmehr dürfte ein solcher zu weiterer Rechtsunsicherheit176 und damit Verunsicherung klagewilliger Aktionäre beitragen. Vorzugswürdig erscheint daher ein Verständnis von „grob“ als „ohne grobe Fahrlässigkeit“, wodurch solche, von einer wahrscheinlich auch zukünftig dünn bleibenden Rechtsprechung auszufüllende „Grauzonen“177 vermieden werden. Einer Klage entgegenstehende Interessen der Gesellschaft werden bei bereits bekannt gewordenen Schädigungen durch grob fahrlässiges Organhandeln nur in Ausnahmefällen, die durch § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG sachgerecht behandelt werden können, gegeben sein. Der Schutz der unternehmerischen Freiheiten der Gesellschaftsorgane gebietet mithin nach geltendem Recht keine über § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, der eine Pflichtverletzung und damit eine Anspruchsvoraussetzung ausschließt, hinausgehenden Einschränkungen der Möglichkeiten von Minderheitsaktionären, Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend zu machen. cc) Stellungnahme und eigener Reformvorschlag Zwar ist die Begrenzung der Klagebefugnis auf „Unredlichkeit und grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung“ in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG angesichts der Regelung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht mehr zum Schutz der unternehmerischen Freiheit der Gesellschaftsorgane erforderlich.178 Allerdings bleibt das Regelungsziel, zu verhindern, dass eine einprozentige Aktionärsminderheit der möglicherweise mit gutem Grund schweigenden oder andersdenkenden Mehrheit179 eine Klage aufzwingen kann, weiterhin legitim180 und wird ein entsprechender Schutz 173

So auch Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 988. Das Problem stellt sich nur, wenn „grob“, anders als hier aus Gründen der Rechtssicherheit befürwortet, nicht ausschließlich als Verschuldensmaßstab verstanden wird. 175 Einen solchen nehmen Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 988; Seibert, FS Priester, 2007, S. 763, 772 ff.; Spindler, NZG 2007, 865, 867; Duve/Basak, BB 2006, 1345, 1349 an. 176 Siehe Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 988: „[…] ein Spielraum, den man begrifflich nicht definieren, sondern der nur von der Rechtsprechung von Fall zu Fall umschrieben werden kann.“. 177 Spindler, NZG 2007, 865, 867. 178 Für eine Absenkung der materiellen Voraussetzungen des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG (ohne nähere Eingrenzung) auch Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT (Beschluss II. 12. c)) mit 27:26:20 Stimmen. 179 Siehe Begr. RegE KonTraG v. 28. 01. 1998, BT-Drs. 13/9712, S. 21. 180 Ebenso Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 984; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 201; J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1332; Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 215 f.; Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 510; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 95; in diesem Sinne auch bereits Großfeld, Aktiengesellschaft, Unterneh174

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auch nicht bereits durch andere Normen gewährleistet. Zur Erreichung dieses Zwecks brauchen aber die Pflichtverletzungen, derentwegen eine Aktionärsklage zuzulassen ist, nicht eingegrenzt zu werden – die unternehmerische Freiheit der Gesellschaftsorgane bleibt bereits durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausreichend geschützt. Erwägenswert erscheint aber die Beibehaltung des Erfordernisses einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG,181 wobei für Treupflichtverletzungen weiter bereits einfache Fahrlässigkeit ausreichen sollte, wird es dort doch in aller Regel an Gründen, die gegen eine Klageerhebung sprechen, fehlen.182 Für solche steht gegebenenfalls § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG auffangend zur Verfügung. Die voranzustellende Gretchenfrage lautet hier, ob es der Aktionärsminderheit gestattet sein soll, gegen den Willen der Gesellschaft und zumindest ohne den Willen der Aktionärsmehrheit, lediglich eingeschränkt durch entgegenstehende überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls (§ 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG) sämtliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen Organmitglieder geltend zu machen.183 Das Vorliegen solcher Gründe wäre vom mit dem Klagezulassungsverfahren befassten Gericht festzustellen. Dies hätte für sich, dass nicht lediglich, wie nach geltendem Recht, abstrakte Indikatoren festzulegen wären, bei deren Vorliegen eine Klage regelmäßig im Sinne der Gesellschaft sein wird, sondern das Gesellschaftswohl im Einzelfall geprüft würde.184 Zwar würde der Gesellschaft, die jederzeit selbst Klage erheben oder das Verfahren von den Minderheitsaktionären übernehmen könnte, nicht die schlussendliche Geltendmachung des Ersatzanspruchs aufgenötigt. Eine Klagerücknahme der Gesellschaft ist aber durch § 148 Abs. 6 S. 4 AktG an die Zustimmung der Hauptversammlung mit einem Vetorecht einer zehnprozentigen Aktionärsminderheit entsprechend § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gebunden. Der Lästigkeitswert, den eine solche Klage für die Gesellschaft hätte, ist mithin nicht unerheblich, was grundsätzlich Missbrauchsgefahren seitens der Aktionärsminderheit mit sich bringt. Zudem wäre die Gesellschaft durch § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG genötigt, die überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls öffentlich zu erörtern, was nicht zwingend in ihrem Interesse läge.185 Daneben bedeutete ein solches uneingeschränktes Klagerecht der Aktionärsminderheit einen nicht unerheblichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit des zur Verfolgung von Ansprüchen gegen menskonzentration und Kleinaktionär, S. 299; krit. ggü. diesem Regelungszweck, der sich nicht mit dem Ziel einer Verstärkung des Anlegerschutzes decke Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479, 1481. 181 Diese müsste insbesondere klarstellend so bezeichnet werden. 182 So auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96; bereits de lege lata Bezzenberger/ Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 132. 183 Vgl. Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96; Schmolke, ZGR 2011, 398, 432; Kahnert, AG 2013, 663, 667 f. 184 Siehe Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96 f. 185 Vgl. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 201; Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, S. 299.

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Vorstandsmitglieder zuständigen Aufsichtsrats, der sich ansonsten für seine Entscheidung nur in den Grenzen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu rechtfertigen hat. Zwar geht es dort um die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder und hier um die Klagebefugnis einer Aktionärsminderheit. Dennoch würde ein unbegrenztes Klagerecht der Aktionäre die Abwägung des Für und Wider einer Klageerhebung, die nunmehr durch § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG gerichtsöffentlich vorzunehmen und durch das Gericht zu bestätigen wäre, übermäßig verrechtlichen.186 Auch angesichts des hier befürworteten Stufenmodells auf Grundlage des von Bachmann vorgeschlagenen, wonach eine zehnprozentige Aktionärsminderheit ohne weitere Voraussetzungen klagebefugt ist, was der Vetominderheit in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entspricht, erscheint es nicht geboten, durch ein unbeschränktes Klagerecht der Aktionäre in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG, die Gesellschaft in Zugzwang zu setzen, die Klage einer kleineren Minderheit zu verhindern oder zu übernehmen und zu erledigen. Durch das Initiativrecht einer hinreichend großen Minderheit sind ausreichende Klagemöglichkeiten der Aktionäre gegeben, die kein vergleichbares querulatorisches Potenzial aufweisen. Dies entspricht auch der lediglich subsidiären Funktion der Aktionärsklage.187 Sollte, wie Bachmann annimmt, ein mit dem „schwarzen Peter“ der Feststellung des Gesellschaftswohls belastetes Gericht dazu neigen, die Einschätzung des Aufsichtsrats, wie dies im US-amerikanischen Recht für die litigation committees des board der Fall ist, zu teilen,188 drohte die wohlmeinende Aufgabe einer qualifizierten Pflichtverletzung in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG sich ins Gegenteil zu verkehren. Auch die Unabsehbarkeit der Haltung, die die Gerichte in diesem Punkt einnehmen würden, spricht dafür, es bei einer lediglich auffangenden Funktion des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG zu belassen. Es sollte nach dem Gesagten in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG für die Klagebefugnis der Minderheit des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG eine gewisse Hürde bestehen bleiben.189

186

A.A. Schmolke, ZGR 2011, 398, 432, der die Flexibilität der gerichtlichen, lediglich an einen Missbrauchsschutz gebundenen Entscheidung unter Hinweis auf das englische Recht betont; Seibt, WM 2004, 2137, 2142; Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 74, der den Schutz der Gesellschaft durch § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG für ausreichend hält; inkonsequent aber ggü. ebd. Rn. 25, wo gerade diese Regelung als „zweifelhaft“ beurteilt wird, da regelmäßig keine entgegenstehenden Gründe des Gesellschaftswohls gegeben seien, und gerade die übrigen Anforderungen an die Klagezulassung als Ausgleich hierfür bewertet werden. 187 Vgl. Bezzenberger/Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 128; Hirschmann, in: Hölters, 2. Aufl. 2014, § 148 Rn. 12; Koch, in: Hüffer, 11. Aufl. 2014, § 148 Rn. 8; Schröer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 148 Rn. 30; sowie die Nachweise in Fn. 141. 188 So die Einschätzung bei Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96 f. 189 So i.Erg. auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 201; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96 f.; Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 25; grds. auch Kahnert, AG 2013, 663, 667 f.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

Als Alternativmodell zu der Voraussetzung einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung, die zwar insoweit eine sinnvolle Einschränkung darstellt, als bei grober Fahrlässigkeit das Argument einer Existenzvernichtung durch leicht fahrlässiges Fehlverhalten der Vorstandsmitglieder entfällt und überwiegend insgesamt weniger Gründe gegen ein Absehen von der Geltendmachung von Ersatzansprüchen sprechen werden, andererseits aber die Beitreibung von einfach fahrlässig verursachten, ganz erheblichen Schäden durch Minderheitsaktionäre blockiert, wird ein Vetorecht der Hauptversammlung in Anlehnung an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vorgeschlagen. Demnach soll die Hauptversammlung das Recht erhalten, die Aussetzung einer Anspruchsverfolgung für bis zu drei Jahre zu beschließen, wobei, wie in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, dem Widerspruch einer zehnprozentigen Minderheit Blockadewirkung zukommen soll.190 Dieses Konzept erscheint, auch im Zusammenspiel mit der von Bachmann vorgeschlagenen Stufenlösung zum Quorum des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG, wonach ebenfalls eine zehnprozentige Minderheit ohne weitere Voraussetzungen klagebefugt sein soll,191 mit weiterer Ausgestaltung stimmig und sachlich vorzugswürdig. Auch hier erscheint eine abgestufte Lösung zielführend. Liegen Tatsachen vor, die den Verdacht einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung oder einer Treupflichtverletzung rechtfertigen, sollten die Voraussetzungen für die Klagebefugnis einer Aktionärsminderheit ohne Weiteres erfüllt sein. Wo es hieran fehlt, mithin lediglich eine einfach fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, sollte das Verfahren bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung ausgesetzt werden, der Gelegenheit zum Widerspruch unter den genannten, an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG angelehnten Voraussetzungen zu geben wäre. Der Zeitraum, für den dadurch weitere, auf demselben Sachverhalt beruhende Aktionärsklagen ausgeschlossen würden, sollte aber aufgrund der hier befürworteten Abschaffung der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf das Intervall bis zur nächsten Hauptversammlung abgekürzt werden. Zugegeben entstünde durch diese Widerspruchsmöglichkeit wiederum eine deutliche Hürde für klagewillige Aktionäre. Diese beträfe aber lediglich Ansprüche aus einfach fahrlässigen Sorgfaltspflichtverletzungen. Im Gegenzug eröffnete das hier in Fortentwicklung der Überlegungen Jochen Vetters vorgeschlagene Modell, ohne im Übrigen eine über das Notwendige hinausgehende Einschränkung mit sich zu bringen, überhaupt erst die Aktionärsklage wegen einfach fahrlässiger Schädigungen der Gesellschaft durch Organmitglieder. Zwar ist und bleibt das Kriterium grober Fahrlässigkeit für die Frage, wann sich eine Aktionärsminderheit mittels Klage über den Willen des verfolgungszuständigen Organs und der Mehrheit hinwegsetzen können soll, sachfremd.192 Ein besseres, ausreichend rechtssicher festzustellendes Merkmal ist aber nicht zu erkennen, insbesondere scheidet hierfür die Schadenshöhe mangels sinnvoller Bemessungskriterien für einen hinreichend gra-

190

So die Überlegung bei J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1332. Siehe oben unter 5. Teil B. II. 1. b). 192 Vgl. Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, S. 299. 191

B. Aktionärsklage

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vierenden Schaden der konkreten Gesellschaft aus.193 Daher ist die hier vorgeschlagene Lösung zwar bei Weitem nicht ideal, verwirklicht aber die Ziele, einerseits die Aktionärsklage zu stärken, ohne andererseits der klagewilligen Aktionärsminderheit übermäßige Befugnisse gegenüber Gesellschaft und Aktionärsmehrheit einzuräumen, so gut wie unter den gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen möglich und zumindest besser als die geltende Regelung. § 142 Abs. 2 S. 1 AktG wäre im Sinne einer Folgeänderung zur Sicherstellung der Informationsbeschaffung durch eine klagebefugte Aktionärsminderheit entsprechend anzupassen. i) Keine entgegenstehenden überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls, § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG Das Fehlen der Geltendmachung des Ersatzanspruchs durch die Aktionäre entgegenstehender Gründe des Gesellschaftswohls soll nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich Auffangfunktion haben; in der Regel sei eine Haftungsklage bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 148 Abs. 1 S. 2 AktG zuzulassen. Es sei, abgesehen von sehr geringen Schadenssummen und Mehrfachklagen, schwer vorstellbar, dass bei Unredlichkeit oder einer groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls gegen eine Anspruchsverfolgung sprächen.194 Daran ändert auch die hier vorgeschlagene Aufhebung der Beschränkung der Aktionärsklage auf Treu- und Legalitätspflichtverletzungen nichts. Es bleibt im Grundsatz dabei, dass Ansprüche der Gesellschaft lediglich bei Verstößen gegen die Treupflicht oder grob fahrlässigen anderen Pflichtverletzungen ohne Einschaltung der Hauptversammlung verfolgt werden können. Die Streichung dieser Grenze wird 193

Zweifelnd an einer Relation zwischen der Schadenshöhe und der Schwere der Verfehlung Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 989. Ein Verständnis des „grob“ i.S.v. „schwerwiegend“ erscheint mangels rechtssicherer Kriterien, wann eine solche Pflichtverletzung vorliegt, nicht vorzugswürdig, vgl. zu Gesichtspunkten, aus denen sich eine derartige Qualifikation ergeben soll, die Nachweise in Fn. 161. 194 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 22; in diesem Sinne auch Kahnert, AG 2013, 663, 668; Brommer, AG 2013, 121, 127; Linnerz, NZG 2004, 307, 310; Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1780; Zieglmeier, ZGR 2007, 144, 152; Spindler, NZG 2007, 865, 867; J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1333; Fleischer, NJW 2005, 3525, 3526; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96; in der Sache auch Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 318, der aber daran zweifelt, dass unter diesem Kriterium, wie vom Gesetzgeber intendiert, Mehrfachklagen oder solche wegen geringer Schadenssummen ausgeschlossen werden könnten; krit. Lotz, Die Haftung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, S. 165, 182; Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 508: „Blankoscheck, der jede Inanspruchnahme verhindern kann“; außerhalb der Verhinderung von Mehrfachklagen ähnl. Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 957 f., 961; anders Happ, FS Westermann, 2008, S. 971, 990, der entgegen der Gesetzesbegründung „gewichtig“ (vgl. BGHZ 135, 244, 255; Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 22) und „überwiegend“ für bedeutungsgleich hält.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

in ihrer Wirkung durch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausgeglichen. Entgegenstehende Gründe des Gesellschaftswohls werden bei bereits öffentlich gewordenen (sonst käme es nicht zur Aktionärsklage) mindestens grob fahrlässigen Pflichtverletzungen ebenso selten vorliegen wie bei Treu- und qualifizierten Legalitätspflichtverstößen. Bei weniger schwerwiegenden Pflichtverletzungen steht das vorgeschlagene Widerspruchsrecht der Hauptversammlung einer missbräuchlichen Klageerhebung entgegen. Auch die Einführung einer an keinerlei weitere Voraussetzungen gebundenen Aktionärsklage einer über zehnprozentigen Minderheit195 führt nicht zu Unstimmigkeiten. Zwar entfällt hier die Möglichkeit, dass ein Gericht die „Notbremse“196 des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG ziehen kann. Bei Vorliegen der weiteren Zulassungsvoraussetzungen, hinsichtlich derer der zu § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG formulierte Änderungsvorschlag keine wesentliche Abschwächung der Voraussetzungen mit sich bringt, ist bereits de lege lata in der Regel von einer zulässigen Klage auszugehen. Das erhöhte Minderheitserfordernis wirkt als Gegengewicht zum Wegfall des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG bei Klagen einer über zehnprozentigen Minderheit zur Verhinderung missbräuchlicher Klagen. Zur sicheren Vermeidung in niemandes Interesse liegender Mehrfachklagen wegen desselben Sachverhalts sollte hier an eine Sperrwirkung einer ersten zugelassenen Klage für weitere Minderheitsaktionäre bis zum Abschluss des Verfahrens gedacht werden.197 Bereits de lege lata dürfte aber mit dem Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses weiterer Kläger Abhilfe möglich sein.198 Dafür, dass der Gesetzgeber einer zehnprozentigen Minderheit eine gewisse Entscheidungsbefugnis für die Gesellschaft zutraut, spricht auch § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, der ebendieser Minderheit ein nicht an Sachgründe gebundenes Veto gegenüber einem Verzicht oder Vergleich in Bezug auf Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Organmitglieder einräumt. Ein solches ergibt sich durch den Verweis in § 148 Abs. 6 S. 4 AktG auch gegen die Rücknahme einer von der Gesellschaft übernommenen Aktionärsklage, sodass diese Minderheit auch in den Stand gesetzt wird, die Gesellschaft zur Weiterverfolgung des Anspruchs zu zwingen. Nach alldem sollte § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG in der geltenden Fassung, weiterhin als Notanker verstanden, bestehen bleiben.199 195

Siehe oben unter 5. Teil B. II. 1. b). Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96. 197 Dies schlägt Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 961 anstelle des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG für die Aktionärsklage insgesamt vor. 198 In diesem Sinne Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 318. 199 Dafür i.Erg. auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96; J. Vetter, FS HoffmannBecking, 2013, S. 1317, 1333; Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT (Beschluss II. 12. d)), die Beseitigung des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG mit 3:64:7 Stimmen ablehnend; Schmolke, ZGR 2011, 398, 430 f., der einen stärkeren Niederschlag des Ausnahmecharakters des Fehlens überwiegender Gründe des Gesellschaftswohls im Wortlaut befür196

B. Aktionärsklage

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2. Das Selbsteintrittsrecht der Gesellschaft, § 148 Abs. 3 AktG Weder die Einleitung eines Klagezulassungsverfahrens noch die Klageerhebung durch eine Aktionärsminderheit hebt die Prozessführungs- und Klagebefugnis der Gesellschaft selbst auf. Diese kann vielmehr gemäß § 148 Abs. 3 AktG jederzeit selbst Klage erheben oder ein anhängiges Verfahren von Aktionären in jedem Stadium übernehmen (§ 148 Abs. 3 S. 2 AktG). Eine eigene Klage der Gesellschaft führt zur Unzulässigkeit der Aktionärsklage (§ 148 Abs. 3 S. 1 AktG a.E.). Die Klagebefugnis der Aktionäre ist danach keine Parallel-, sondern eine gegenüber der Gesellschaft nachranginge Ersatzzuständigkeit.200 Die antragstellenden oder klagenden Aktionäre sind nach eigener Klage oder Verfahrensübernahme durch die Gesellschaft beizuladen (§ 148 Abs. 3 S. 3 AktG), die Gesellschaft trägt die bis dahin entstandenen Kosten der Minderheitsaktionäre und kann die Klage nicht ohne Weiteres, sondern nur noch unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG mit Ausnahme der Sperrfrist zurücknehmen (§ 148 Abs. 6 S. 4 AktG). Diese weitgehende Verdrängung klagewilliger Aktionäre aus dem Verfahren wird im Schrifttum als einer der Gründe für die fehlende praktische Bedeutung der Aktionärsklage angenommen.201 Die jederzeit mögliche Übernahme durch die Gesellschaft bringe die Aktionäre um die ideellen Früchte ihrer bisherigen Bemühungen und wirke daher entmutigend.202 Außerdem schaffe die Regelung Missbrauchspotenzial auf Seiten der Gesellschaft, die ein als erfolgreich vorherzusehendes Verfahren übernehmen und wenn auch nicht ohne Zutun der Hauptversammlung die Klage zurücknehmen, so doch den Prozess erheblich nachlässiger führen könne, als dies die Aktionäre getan hätten, und dadurch im Ergebnis eine Verurteilung ihrer Organmitglieder (teilweise) verhindern könne.203 Ferner hätte sich ein Organmitglied in dem Fall, dass zunächst eine Aktionärsklage geführt wird und in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium die Gesellschaft selbst Klage erhebt, im Ergebnis in wortet; für eine Verschärfung, indem nicht erst „überwiegende“, sondern, wie in der „ARAG/ Garmenbeck“-Entscheidung des BGH (BGHZ 135, 244) bereits „gewichtige“ Gründe ausreichen sollen Linnerz, NZG 2004, 307, 310; krit. ggü. dem Erfordernis Lotz, Die Haftung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, S. 182; Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479, 1482; Semler, FS Goette, 2011, S. 499, 508; Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 957 f., 961; Mock, in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 148 Rn. 25; wenig überzeugend SdK, Stellungnahme zum UMAG, S. 8 („Wieso ist es für eine Gesellschaft schlecht, Schadensersatz zu erhalten?“). 200 Siehe die Nachweise in Fn. 141, 187. 201 Neben den in Fn. 202 f. Genannten Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 93; Ihlas, D&O, S. 239, der aber der Aktionärsklage insgesamt eher krit. gegenübersteht. 202 Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 963; Bachmann, AG 2012, 565, 578; ders., Gutachten zum 70. DJT, E 97. 203 Vgl. Brommer, AG 2013, 121, 125 f.; Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 766; Zieglmeier, ZGR 2007, 144, 156; Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1783; Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 964; krit. unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes auch Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 169.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

zwei Prozessen gegen den Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens zu verteidigen. Dies wäre dann nachteilig, wenn die erste Beweisaufnahme für den Beklagten günstig verlaufen war.204 Abgesehen davon, dass dieser Fall äußerst unwahrscheinlich sein dürfte, könnte ebenso gut die Beweisaufnahme im Rahmen der Aktionärsklage ungünstig verlaufen sein und die Gesellschaft durch eine eigene Klageerhebung ihr Organmitglied vor dem resultierenden Urteil „retten“.205 Eine missbräuchlich nachlässige Prozessführung wird der Gesellschaft aber bereits aufgrund der Öffentlichkeitswirkung, zu der eine Aktionärsklage führen wird, nur unter deutlich erschwerten Bedingungen möglich oder sogar ausgeschlossen sein, sodass in Verbindung mit der Hürde der §§ 148 Abs. 6 S. 4, 93 Abs. 4 S. 3 AktG ein ausreichender Schutz der Aktionärsinteressen an einer Anspruchsverfolgung gewährleistet wird.206 Aus Gründen des Schutzes des beklagten Organmitglieds, das im Ergebnis nur einmal verurteilt werden kann, erscheint eine Abschaffung des Selbsteintritts- und Wahlrechts der Gesellschaft nicht geboten. Das Argument, die Aktionäre würden durch eine Verfahrensübernahme der Gesellschaft darum gebracht, selbst die von ihnen angestrebte Verurteilung der pflichtvergessenen Organmitglieder zu bewirken, verfängt allenfalls aus psychologischer Sicht. Ein schutzwürdiges rechtliches Interesse der Aktionäre, die Schädiger selbst „zur Strecke zu bringen“ ist nicht zu erkennen.207 Zwar handelt es sich bei § 148 AktG um einen Fall gesetzlicher Prozessstandschaft. Diese ist jedoch bereits vom Gesetzgeber ausdrücklich als subsidiär gedacht.208 Eine Vergleichbarkeit mit dem Insolvenzverwalter, der ebenfalls als Prozessstandschafter auftritt, ist nicht gegeben. Zwar sind die Fälle des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG auch nach der hier vorgeschlagenen Änderung solche, in denen ein besonderes Interesse an einer Klageerhebung besteht. Anders als in der Insolvenz handelt es sich dabei aber 204

Siehe Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1783. Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1783. 206 Kahnert, AG 2013, 663, 669; Schmolke, ZGR 2011, 398, 436, der zusätzlich in Erwägung zieht, nach dem Vorbild einer Regelung des britischen Rechts, unter strengen Anforderungen nach gerichtlicher Zulassung bei missbräuchlich nachlässiger Prozessführung eine Verfahrensübernahme durch die Aktionäre zuzulassen; vgl. dazu Sec. 262 (2) des britischen Companies Act 2006: „A member of the company may apply to the court for permission to continue the claim as a derivative claim on the ground that (a) the manner in which the company commenced or continued the claim amounts to an abuse of the process of the court, (b) the company has failed to prosecute the claim diligently, and (c) it is appropriate for the member to continue the claim as a derivative claim.“; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 97; zur Öffentlichkeitswirkung ebenso, aber §§ 148 Abs. 6 S. 4, 93 Abs. 4 S. 3 AktG weniger Vertrauen entgegenbringend Brommer, AG 2013, 121, 125 f.; ähnl. J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1334; die erschwerte Verfahrensbeendigung lassen Lutter, FS U. H. Schneider, 2011, S. 763, 766; Zieglmeier, ZGR 2007, 144, 156 f.; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 169; Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1783 unberücksichtigt. 207 Zutreffend J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1334; Kahnert, AG 2013, 663, 669. 208 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 21 f.; vgl. Kahnert, AG 2013, 663, 668. 205

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grundsätzlich um ein solches vorrangig der Gesellschaft und der wirtschaftlich betroffenen Aktionäre, während die Gläubiger durch die Nichtgeltendmachung nicht unmittelbar betroffen werden. Ferner sind die zuständigen Gesellschaftsorgane, auch hinsichtlich der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen und dem Zugang zu weiteren Erkenntnissen in Bezug auf den schadensstiftenden Sachverhalt, besser in der Lage209 und vorrangig zuständig, Ansprüche der Gesellschaft geltend zu machen.210 Anders als im US-amerikanischen one-tier-system mit seinem eingliedrigen board of directors211 ist im deutschen zweigliedrigen System in Gestalt des Aufsichtsrats auch ein eigenes Organ zur Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands einschließlich des Eingreifens im Falle einer Pflichtverletzung vorhanden. Ist die Gesellschaft selbst willens, die von den Minderheitsaktionären angestrebte Klage zu betreiben, sind mithin weder strukturelle noch sonstige Mängel auf Seiten der Gesellschaft vorhanden, die durch eine Klagefortführung durch die Aktionäre ausgeglichen werden müssten. Umgekehrt bedeutete ein Ausschluss der Klagebefugnis der Gesellschaft für die Dauer des Aktionärsklageverfahrens einen erheblichen, nach dem Gesagten nicht zu rechtfertigenden Eingriff in deren Befugnisse, über den Ersatzanspruch zu verfügen, insbesondere das Verfahren mit Zustimmung der Hauptversammlung auf andere Weise als dies die Minderheitsaktionäre getan hätten, etwa durch Vergleich, zu beenden, oder im Rahmen einer eigenen Klageerhebung neue Erkenntnisse in das Verfahren einzubringen.212 Zwar erscheint es nicht unplausibel, dass der psychologische Anreiz, selbst bis zum Urteil für die Geltendmachung eines Anspruchs gegen pflichtvergessene Organmitglieder gesorgt zu haben, die Klagebereitschaft von Minderheitsaktionären steigern könnte. In der Sache geht es aber nicht darum, dass Aktionäre klagen, sondern dass Ansprüche, deren Durchsetzung im Interesse der Gesellschaft liegt, gerichtlich geltend gemacht werden. Dies ist aber auch und inhaltlich nach dem Gesagten möglicherweise sogar besser erreicht, wenn die Gesellschaft eine Aktionärsklage übernimmt und weiter betreibt.213 Als Begründung eines Entzugs des Selbsteintrittsrechts der Gesellschaft verbleibt damit nur der lediglich vermutete psychologische Anreiz für klagewillige Aktionäre, der zu einer Zunahme von Aktionärsklagen führen soll. Der Preis, der Gesellschaft außerhalb einer wirtschaftlichen Notlage die Verfügungsbefugnis über einen Ersatzanspruch zugunsten einer kleinen Aktionärsminderheit zu entziehen, die hier zwar Gesellschaft und Aktionärsmehrheit keine Klage, aber doch ihre Prozessfüh209 J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1334; Kahnert, AG 2013, 663, 668, 669; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 97 f. 210 Der Hinweis Bachmanns, Gutachten zum 70. DJT, E 98 auf den besonderen Vertreter als Alternative für die Aktionäre verfängt daher bereits aufgrund der Subsidiarität nicht. 211 Zum Aufbau der corporation im US-amerikanischen Recht Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 609 ff. 212 Vgl. Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1783, die diesbzgl. Bedenken hinsichtlich eines ausreichenden Schutzes der Beklagten formulieren. 213 Dies räumt auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 97 ein.

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rung aufzwingen kann, erscheint dafür nicht gerechtfertigt.214 Parallel betriebene Klagen der Gesellschaft und einer Aktionärsminderheit aufgrund desselben Sachverhalts erscheinen weder zielführend noch praktikabel; eine fortbestehende Klagebefugnis der Aktionäre scheidet daher als sinnvolle Alternative aus. Es sollte somit hinsichtlich des Selbsteintrittsrechts der Gesellschaft bei der geltenden Regelung bleiben.215 3. Kostentragung a) Die Kostenregelung des § 148 Abs. 6 AktG Hinsichtlich der Tragung der Verfahrenskosten enthält § 148 Abs. 6 AktG für die Aktionärsklage einige besondere Regelungen. Die Kosten eines erfolglosen Klagezulassungsverfahrens hat danach die klagewillige Aktionärsminderheit zu tragen (§ 148 Abs. 6 S. 1 AktG).216 Eine Ausnahme von dieser Regel sieht Satz 2 vor, wenn die Abweisung des Zulassungsantrags aus überwiegenden Gründen des Gesellschaftswohls erfolgte, die die Gesellschaft vor Antragstellung hätte mitteilen können, aber nicht mitgeteilt hat. In diesem Fall steht den Antragstellern ein Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Gesellschaft zu. Im Klageverfahren ist ein solcher Anspruch der Kläger auch dann gegeben, wenn die Klage ganz oder teilweise abgewiesen wird. Die Aktionäre haben ihre Kosten nur dann selbst zu tragen, wenn die Klagezulassung durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen Vortrag erwirkt wurde. Die Regelung der Kosten der Aktionärsklage wird im Grundsatz als ausgewogen bewertet.217 Dem ist, auch darin, dass klagewilligen Aktionären nicht von vornherein

214 Anders für das Klageverfahren Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 98, der dem psychologischen Aspekt nach erfolgreicher Klagezulassung den Vorzug gibt; ohne Eingrenzung auf das Zulassungsverfahren ders., 2012, 565, 578. 215 So i.Erg. auch Kahnert, AG 2013, 663, 668 f.; Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT mit 20:41:16 Stimmen gegen eine Beseitigung des Selbsteintrittsrechts (Beschluss II. 12. f)). 216 Eine detaillierte Kostenberechnung findet sich bei Peltzer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 16 Rn. 85 ff. Demnach betragen die Kosten des Klagezulassungsverfahrens ungefähr 12.000 E, bei Stellungnahme eines anwaltlich vertretenen Antragsgegners 21.000 E; Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1786 u. Fn. 68; ohne detaillierte Kostenaufschlüsselung geht J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1336 von etwa 12.500 E aus. Diese Beträge dürften für Aktionäre, die zusammen ein Prozent des Grundkapitals einer größeren AG halten, keineswegs abschreckend wirken; a.A. Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 956. 217 J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1336; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 98; dagegen sieht Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 956, 960 eine übermäßige Belastung der Minderheitsaktionäre.

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jegliches Kostenrisiko abgenommen werden sollte,218 zuzustimmen. Der pauschale Einwand gegen die geltende Kostentragungsregelung, die fehlende praktische Bedeutung der Aktionärsklage zeige, dass diese nicht zu Missbrauch anhalte,219 überzeugt nur begrenzt. Die Ursachen der Bedeutungslosigkeit der Aktionärsklage im deutschen Aktienrecht liegen weitestgehend im Dunkeln, diesbezügliche Stellungnahmen basieren wesentlich auf Schlussfolgerungen aus anderen Bereichen, psychologischen Erkenntnissen und zu einem gewissen Grad schlicht auf Mutmaßungen. Angesichts des geringen Kostenrisikos für redliche Aktionäre, die den Sachverhalt sorgfältig ermittelt haben, ist meines Erachtens kaum anzunehmen, dass die Kostenverteilung einer der Hauptgründe für das Unterbleiben eines Klagezulassungsantrags ist. Vereinzelt wird bereits zur geltenden Regelung angenommen, dass die Kostenverteilung für die Aktionäre ein derart geringes Risiko beinhalte, dass wirtschaftliche Anreize zum Missbrauch vorhanden seien.220 b) Reformvorschläge des Schrifttums aa) Teilschuld mehrerer Antragsteller oder Kläger Es wird vorgeschlagen, dass mehrere klagende Aktionäre nicht mehr als Gesamtschuldner, sondern lediglich pro rata, mithin als Teilschuldner, haften sollten.221 Dieser Vorschlag führte indes dazu, dass in den wenigen Fällen, in denen eine Kostentragung durch die Minderheitsaktionäre vorgesehen ist, bei Ausfall eines Kostenschuldners die Staatskasse dessen Kostenanteil zu tragen hätte. Eine Kostentragung der zu Unrecht mit einem Klagezulassungsantrag oder einer Klage überzogenen Organmitglieder als sekundäre Kostenschuldner träte nicht ein, eine Rechtsvorschrift, die dem obsiegenden Antragsgegner eine Ausfallhaftung zuweist, ist nicht vorhanden.222 Die Fälle, in denen § 148 Abs. 6 AktG eine Kostentragung durch die Aktionäre vorsieht, setzen deutliche Unzulänglichkeiten des Antrags oder der Klage voraus, sodass die an einem solchen Verfahren beteiligten Minderheitsaktionäre hinsichtlich der Kosten gerade nicht schutzwürdig erscheinen.223 Ferner

218 Begr. RegE UMAG v. 14. 03. 2005, BT-Drs. 15/5092, S. 23; J. Vetter, FS HoffmannBecking, 2013, S. 1317, 1335, 1336; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 98; ebenso bereits zum Klageerzwingungsrecht einer Aktionärsminderheit nach dem KonTraG Sünner, ZHR 163 (1999), 364, 371; a.A. Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 957 unter Verweis auf fehlendes Missbrauchspotenzial. 219 So Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 99; eine Abschreckungswirkung der Kostenregelung nimmt auch Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 93 an. 220 Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1786. 221 Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 957, 960 f.; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 870; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 99. 222 Vgl. §§ 22, 29 GVG, § 91 ZPO. 223 In diesem Sinne auch J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1336, allerdings auf Grundlage der unzutreffenden Annahme einer sekundären Kostenlast der Organmitglieder:

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

hatten die Aktionäre die Möglichkeit, sich ihre Mitstreiter sowie den einzuklagenden Betrag auszusuchen und damit auf die drohende Kostenlast Einfluss zu nehmen. Eine teilschuldnerische Haftung mehrerer antragstellender oder klagender Minderheitsaktionäre ist zudem unter systematischen Gesichtspunkten nicht zu begründen. Die Gesamtschuld ergibt sich aus der Qualifikation von Aktionären, die sich zum Zweck der Erhebung einer Aktionärsklage zusammengeschlossen haben, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 705 BGB, auf die § 735 Abs. 2 BGB unmittelbar anzuwenden ist sowie §§ 128 ff. HGB entsprechend anzuwenden sind.224 Eine abweichende Beurteilung speziell einer aus mehreren Aktionären bestehenden Minderheit nach § 148 Abs. 1 S. 1 AktG müsste durch lediglich auf diese „an sich“ Gesellschaft bürgerlichen Rechts bezogene Besonderheiten gerechtfertigt sein. Andernfalls müsste die Ausnahme aus systematischen Gründen auch auf vergleichbare Fälle von Zusammenschlüssen, in denen Haftungsrisiken drohen, mithin auf eine Vielzahl von an sich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts einzuordnenden Personenmehrheiten, insbesondere nicht in einer anderen Rechtsform organisierte Immobilienfonds und Investmentgesellschaften, Anwendung finden. Ein Alleinstellungsmerkmal, das die Aktionärsminderheit des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG von solchen Zusammenschlüssen abheben könnte, ist nicht ersichtlich. Angesichts der weitreichenden Folgen einer solchen unbegründeten Ausnahme ist eine teilschuldnerische Haftung, die nur in Betracht kommt, wenn das Vorliegen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verneint wird, auch aufgrund der Gesetzessystematik nicht tragbar. Eine gesamtschuldnerische Haftung entfaltet demnach keine unerwünschte Abschreckungswirkung, erscheint sachlich angemessen und aus systematischen Gründen geboten. bb) Streitwertverringerung Nachgedacht wird im Schrifttum über eine Streitwertverringerung zur weiteren Kostenentlastung der Aktionärsminderheit.225 Eine solche soll im Wege der analogen Anwendung des § 247 Abs. 2 AktG erreicht werden.226 Dieser sieht für die Anfechtungsklage vor, dass gegenüber einer Partei, die glaubhaft macht, dass die BeDie Ausfallhaftung der Antragsgegner sei „noch weniger gerechtfertigt“ als eine gesamtschuldnerische Haftung klagender Aktionäre. 224 Ebenso Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 957 Fn. 20. 225 Sympathisierend Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 98; unter weiteren Voraussetzungen (s. Fn. 232) Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 96; im Rahmen einer als Einzelklagebefugnis ausgestalteten aktienrechtlichen actio pro socio ohne Zulassungsverfahren und umfassende Kostentragungspflicht der Gesellschaft Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 658 f.; für das Klageerzwingungsrecht einer Aktionärsminderheit nach dem KonTraG Sünner, ZHR 163 (1999), 364, 371. 226 Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 96; Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 658; J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1336 (ablehnend).

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lastung mit den Prozesskosten nach dem vom Gericht nach Absatz 1 bestimmten Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, die Verpflichtung zur Zahlung der Gerichts- und weiterer Kosten nach einem ihrer Wirtschaftslage angemessenen Streitwert bemessen werden kann. Für die Anfechtungsklage ist der Streitwert, wie für das Klagezulassungsverfahren des § 148 AktG durch § 53 Abs. 1 Nr. 4 GKG,227 vorbehaltlich einer höheren Bewertung der Bedeutung der Sache für den Kläger, durch § 247 Abs. 1 S. 2 AktG auf zehn Prozent des Grundkapitals, höchstens aber 500.000 E gedeckelt. Aus der Streitwertdeckelung, die mit einer entsprechenden Kostenbegrenzung einhergeht, lässt sich daher kein Argument gegen eine analoge Anwendung des § 247 Abs. 2 AktG auf das Klagezulassungsverfahren der Aktionärsklage gewinnen. Im Gegenteil ist das Missbrauchsrisiko, wie sich auch praktisch gezeigt hat, bei der Beschlussanfechtung durch Aktionäre wesentlich höher zu bewerten als bei der Aktionärsklage, sodass, falls man die mögliche Kostenbelastung des Klagezulassungsverfahrens als abschreckend hoch beurteilt,228 was angesichts des erforderlichen Quorums in § 148 AktG im Gegensatz zur Einzelklagebefugnis des § 245 Nr. 1, 2 AktG für die Aktionärsklage zumindest weit weniger realistisch als für die Beschlussanfechtung durch einen Einzelaktionär erscheint, ein Rückgriff auf § 247 Abs. 2 AktG in Betracht kommt.229 Für das Klageverfahren ist eine entsprechende Anwendung des § 247 Abs. 2 AktG aber abzulehnen. Das vorgeschaltete Zulassungsverfahren sichert eine hinreichende Erfolgsaussicht und durch den Kostenerstattungsanspruch des § 148 Abs. 6 S. 5 AktG, der nach hier vertretener Auffassung de lege ferenda in eine unmittelbare Kostenhaftung der Gesellschaft umzuwandeln ist,230 besteht eine Kostenbelastung der Aktionärsminderheit nur noch dann, wenn die Klagezulassung durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen Vortrag erwirkt wurde. Der redliche Kläger ist mithin umfassend geschützt, der unredliche sollte zur Verhinderung von Missbrauch gerade nicht durch eine Streitwertspaltung entsprechend § 247 Abs. 2 AktG in seinem Klagebegehren auf Staatskosten wirtschaftlich unterstützt231 und vor den (im Klageverfahren ungedeckelten) Verfahrenskosten geschützt werden.232 227

Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 216. So Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 956. 229 Eine entsprechende Anwendung des § 247 Abs. 2 AktG auf eine als Einzelklagebefugnis ausgestaltete aktienrechtliche actio pro socio (ohne § 146 Abs. 6 S. 5 AktG entsprechende Kostenregelung, ein vergleichbares Rückgriffsrecht, wenn die Klage der Gesellschaft trotz Unterliegens des Klägers „nützlich“ war, nur erwägend) befürwortet auch Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 658 f. 230 Dazu noch unter 5. Teil B. II. 3. b) ff). 231 Mit dieser Erwägung gegen eine Streitwertverringerung zulasten der Staatskasse insgesamt, dafür für eine Kostentragung durch die Gesellschaft Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, S. 306; vgl. J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1336. 232 Gegen eine „generelle und ausnahmslose“ Streitwertbegrenzung, wobei sich aus dem Zshg. ergibt, dass eine über das Klagezulassungsverfahren hinausgehende gemeint ist, und die 228

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

cc) Kein Kostenersatz durch die Gesellschaft bei Scheitern an § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG Abzulehnen ist auch der Vorschlag, den Minderheitsaktionären in Erweiterung des § 148 Abs. 6 S. 2 AktG de lege ferenda einen Kostenersatzanspruch gegen die Gesellschaft auch dann einzuräumen, wenn die Klagezulassung am Fehlen einer „groben“ Verletzung des Gesetzes oder der Satzung scheitert. Mit einer solchen Änderung wäre, anders als Bachmann in seinem Gutachten annimmt, die Möglichkeit eines kostenlosen „Austestens“ im Sinne einer „ins Blaue“ angestrengten Klagezulassung verbunden.233 Hieran änderte auch eine Umsetzung des hiesigen Reformvorschlags zu Nr. 3 nichts. Weder von § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 noch Nr. 2 AktG geht eine erhebliche inhaltliche Filterwirkung aus, sodass durch den Wegfall der Nr. 3 als Hürde, die eine Kostentragung durch die Aktionäre begründen könnte, missbräuchlichen Klagezulassungsgesuchen, die durchaus Lästigkeitswert für die Gesellschaft entfalten und möglicherweise übermäßig risikoaverses Verhalten des Vorstands hervorrufen würden, Tür und Tor geöffnet würde. Dementsprechend sollte es im Übrigen auch für den hier unterbreiteten Reformvorschlag bei einer Kostentragung durch eine Aktionärsminderheit von weniger als zehn Prozent des Grundkapitals, deren Zulassungsantrag an einem Widerspruch der Hauptversammlung gescheitert ist, belassen werden. dd) Unwiderlegliche Vermutungswirkung des Sonderprüfungsberichts Kein einer weiteren Verengung der Kostentragungsgründe der Aktionäre vergleichbares Missbrauchspotenzial beinhaltet dagegen der Vorschlag, einem Sonderprüfungsbericht, der eine Pflichtverletzung als „grob“ bzw. nach dem hiesigen entsprechende Anwendung des § 247 Abs. 2 AktG J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1336, wobei unklar bleibt, weshalb dies über die geltende Deckelung hinaus eine „Subventionierung von Klagezulassungsverfahren durch die Allgemeinheit“ bedeutete; Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 96 befürwortet eine entsprechende Anwendung des § 247 Abs. 2 AktG lediglich unter der Voraussetzung weiterer Reformen, namentlich der Abschaffung des Zulassungsverfahrens und damit einhergehend des § 148 Abs. 6 S. 5 AktG, womit sich ein wesentlich höheres Kostenrisiko der Kläger ergäbe; wertungsmäßig ebenso zum Klageerzwingungsrecht einer Aktionärsminderheit nach dem KonTraG Sünner, ZHR 163 (1999), 364, 371; ablehnend auch Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 69. DJT (Beschluss IV. 22. d): „Im Hinblick auf die Durchsetzung von Ansprüchen sollte die Möglichkeit von Aktionären zur Verfolgung von Organhaftungsansprüchen nach § 148 AktG verbessert werden durch eine Reduktion des Kostenrisikos der klagenden Aktionäre, z. B. durch die Möglichkeit der Streitwertspaltung entsprechend § 247 Abs. 2 AktG“) mit 27:40:12 Stimmen; Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJT (Beschluss II. 12. g): „Im Hinblick auf die Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sollte die Möglichkeit von Aktionären zur Verfolgung von Organhaftungsansprüchen verbessert werden durch eine Senkung des Kostenrisikos der klagenden Aktionäre“) abgelehnt mit 25:39:13 Stimmen. 233 Abweichend Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96 unter Hinweis auf die weiteren Zulassungsvoraussetzungen.

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Reformvorschlag als grob fahrlässig bewertet, insoweit die Wirkung einer unwiderleglichen Vermutung zukommen zu lassen.234 Auch in umgekehrter Richtung, wenn nämlich Unregelmäßigkeiten, die eine Pflichtverletzung begründeten, in der Sonderprüfung nicht festgestellt wurden, sollte konsequent dieselbe Vermutung für ein späteres Aktionärsklageverfahren gelten. ee) Kostentransparenz Als für klagewillige Aktionäre abschreckend bemängelt wird auch die angeblich fehlende Kostentransparenz, die darin gesehen wird, dass sich Aktionäre mangels einer entsprechenden Regelung im Aktiengesetz oder eines Verweises auf die anwendbaren Vorschriften nicht ohne sachkundige Hilfe darüber informieren könnten, welchem Kostenrisiko sie sich mit dem Klagezulassungsantrag aussetzten.235 Dieser Einwand erscheint zum einen systematisch problematisch und ist zum anderen auch sachlich nicht überzeugend. Vergleichbare Regelungen oder Verweise auf Kostenregelungen, die auch für juristische Laien unmittelbar zu Kostentransparenz führen, sind dem geltenden Recht, auch über das Aktiengesetz hinaus, bisher fremd. Die Einführung solcher Vorschriften speziell für die Aktionärsklage würde zu wertungsmäßigen Brüchen gegenüber anderen am Rechtsverkehr teilnehmenden Personengruppen führen. Insbesondere im Verbraucherschutzrecht, das neben zwingenden Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers auch umfassende Belehrungen über diesem zustehende Rechte vorsieht, müsste, wenn eine solche Kostentransparenzregelung für die Aktionärsklage eingeführt würde, erst recht eine vergleichbare Regelung geschaffen werden. Es lässt sich nämlich nicht weniger überzeugend argumentieren, dass nicht nur klagewillige Aktionäre, sondern auch Verbraucher, die ihre speziellen Rechte durchsetzen wollen, wissen sollten, wie die zu erwartenden Verfahrenskosten etwa im Verhältnis zu streitigen Zahlungsverpflichtungen oder dergleichen stehen. Für das Verbraucherrecht könnte ein solches Bedürfnis sachlich besser begründet werden als für die Aktionärsklage, die ohne anwaltliche Unterstützung überhaupt nicht in Betracht kommt. Bereits im Zulassungsverfahren vor dem Landgericht, das sich nach den Vorschriften der ZPO richtet, besteht nach der allgemeinen Regel des § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO Anwaltszwang.236 Früher oder später, jedenfalls aber vor Stellung eines Klagezulassungsantrags muss mithin ohnehin ein Anwalt hinzugezogen werden, der die Aktionäre auch umfassend über die drohenden Kosten aufklären kann. Mit einer gesetzlichen Regelung, die notwendig nicht im Sinne eines festen Betrages „X“ ausfallen könnte, sondern entweder eine Kostentabelle enthalten oder auf eine solche verweisen müsste,237 wäre, auch angesichts deren Komplexität, die sich aus der notwendigen Berücksichtigung verschiedener 234

Dafür auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 96. Peltzer, FS U. H. Schneider, S. 953, 961; Bachmann, AG 2012, 565, 577; ders., Gutachten zum 70. DJT, E 99. 236 Siehe nur Schröer, in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2013, § 148 Rn. 47. 237 Dies räumt auch Bachmann, AG 2012, 565, 577 ein. 235

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Positionen bei der Kostenberechnung ergibt,238 im Ergebnis nichts gewonnen. Möglicherweise würde eine solche Lösung klagewillige Aktionäre, die die Berechnung zunächst selbst vornähmen und dabei von unzutreffenden, zu hohen Werten ausgingen, mehr abschrecken als die geltende Regelung, die durch einen Anwalt zu erläutern ist. ff) Unmittelbare Kostenhaftung der Gesellschaft statt Erstattungsanspruch Begrüßenswert erscheint es, die Aktionäre hinsichtlich der nach § 148 Abs. 6 AktG im Ergebnis von der Gesellschaft zu tragenden Kosten nicht im Wege eines Ersatzanspruchs, sondern indem die Kostenschuld unmittelbar der Gesellschaft zugewiesen wird, von der Kostenlast zu befreien.239 Diesbezüglich erscheint die Vorstellung, dass sich redliche klagewillige Aktionäre durch die Perspektive, erhebliche Verfahrenskosten zunächst selbst zu schulden, abschrecken lassen, durchaus realistisch. 4. Erfolgsbeteiligung der Aktionärskläger („Fangprämie“) Nach geltendem Recht können die klagenden Aktionäre lediglich in den in § 148 Abs. 6 AktG geregelten Fällen Kostenerstattung von der Gesellschaft verlangen, ein über die keinesfalls garantierte Wertsteigerung ihrer Anteile240 hinausgehender Gewinn im Sinne eines unmittelbaren finanziellen Vorteils durch eine irgendwie geartete Beteiligung am Erfolg ihrer Schadensersatzklage ist de lege lata nicht vorgesehen. Einige Schrifttumsvertreter versprechen sich von einer solchen Prämie eine sinnvolle Anreizwirkung zur Einleitung eines Aktionärsklageverfahrens.241 a) Ausgestaltung des finanziellen Anreizes In Betracht gezogen wird zum einen eine substanzielle Beteiligung der Kläger am der Gesellschaft zugesprochenen Schadensersatz, die auf einen einstelligen Mil-

238

Vgl. die Berechnung bei Peltzer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 16 Rn. 85 ff.; „vergleichsweise berechenbar“ findet J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1336 die Kosten des Zulassungsverfahrens, ob sich diese Einschätzung auch auf juristische Laien bezieht, bleibt dort offen. 239 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 99; bereits vor der Regelung des § 148 Abs. 6 S. 5 AktG Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, S. 306 f. 240 Siehe Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 193 f. 241 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 270 ff.; Schmolke, AR 2010, 145; ders., ZGR 2011, 398, 433 ff.; Ch. Fischer, Der Konzern 2005, 67, 73; Adams, AG-Sonderheft 1997, 9, 10; Wenger, AG-Sonderheft 1997, 57, 59; für das österreichische Recht Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 218 ff.

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lionenbetrag gedeckelt werden könnte.242 Zum anderen könnte sich die finanzielle Prämierung der klagenden Aktionäre als eine Art Aufwandsentschädigung an Streitwert oder Prozesskosten orientieren, mithin von der tatsächlich erstrittenen Summe unabhängig bemessen werden.243 Als Alternative zum derzeitigen Konzept der Aktionärsklage als prozessstandschaftlicher Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft wird zum schweizerischen Recht vorgeschlagen, den Aktionären stattdessen zu gestatten, ihren Reflexschaden aus der Pflichtverletzung eines Organmitglieds selbst geltend zu machen.244 Zwar ist ersichtlich, inwiefern Aktionäre, die unmittelbar „in die eigene Tasche“ klagen dürften und aufgrund des weitaus geringeren Schadens und damit Streitwerts auch summenmäßig deutlich geringeren Kostenrisiken ausgesetzt wären, dadurch zur Klageerhebung motiviert würden. Der Gesellschaft würde hier aber kein Schadensersatz zufließen, sodass eine so ausgestaltete Aktionärsklage nicht dem Interesse der Gesellschaft an Schadensausgleich, sondern aus deren Sicht allein der präventiven Einwirkung auf das Verhalten der Organmitglieder diente. Zudem würden Aktionäre, die bereits ihren Reflexschaden eingeklagt hätten, im Falle einer späteren eigenen Klage der Gesellschaft doppelt „entschädigt“ und damit die Organmitglieder im Extremfall mit der doppelten Schadenssumme belastet. Unter diesen Bedingungen wäre mit einer erheblichen Neigung zur Vermeidung jeglicher Risiken durch den Vorstand zu rechnen. Um diese Auswirkung der Aktionärsklage auszugleichen, könnte der Aufsichtsrat gehalten sein, den Anspruch der Gesellschaft gerade nicht geltend zu machen, um die Vorstandsmitglieder nicht mit einer schlimmstenfalls verdoppelten Schadensersatzleistung zu belasten. Abgesehen von der möglicherweise über ein sinnvolles Maß hinaus gesteigerten Verhaltenssteuerungswirkung hätte die Gesellschaft unter diesen Umständen keinen Vorteil aus der Aktionärsklage. Aus wirtschaftlicher Sicht erscheint dieses Konzept daher in seinem Nutzen für die Gesellschaft äußerst zweifelhaft. Eine so ausgestaltete Aktionärsklage ist daher für das deutsche Recht abzulehnen.245

242 Dafür Wenger, AG-Sonderheft 1997, 57, 59: Ein Viertel des Überschusses, d. h. der eingeklagten Summe abzüglich der Kosten, mit der Erwägung einer solchen Deckelung; für einen anteiligen Betrag der Klagesumme auch Schmolke, AR 2010, 145; ders., ZGR 2011, 398, 435; Adams, AG-Sonderheft 1997, 9, 10. 243 Für eine Bemessung als Vielfaches, wobei das Drei- bis Fünffache der Gesamtkosten des Rechtsstreits für angemessen erachtet wird, Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271 f.; für eine Orientierung am Streitwert in Anlehnung an die Ausgestaltung des Anwaltshonorars zum österreichischen Recht Kalss/Schauer, Gutachten zum 16. ÖJT, S. 219. 244 Kunz, Rechtsnatur und Einredeordnung der aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsklage, S. 113 f.; dazu auch Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 101. 245 I.Erg. auch Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 73; Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 63. DJT mit 48:2:4 Stimmen (Beschluss III. 6 b): „Die Klage sollte sich gegen die betroffenen Organmitglieder richten und auf Schadensersatzzahlung an die AG abzielen; eine ,Prämien‘-Zahlung an die Kläger sollte ausgeschlossen sein.“.

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b) Auswirkungen einer Erfolgsbeteiligung der Aktionärskläger Der Grundgedanke, dass ein finanzieller Anreiz für die Minderheitsaktionäre der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 148 AktG die bislang nicht vorhandene praktische Bedeutung verschaffen könnte, ist unbestreitbar schlüssig.246 aa) Verbesserte Prüfung der Beitreibbarkeit? Weiterhin erscheint es plausibel, dass sich Aktionäre, falls eine solche „Prämie“ im Sinne einer prozentualen Beteiligung an dem eingeklagten Betrag ausgestaltet würde, mehr als bisher Gedanken über die Beitreibbarkeit des eingeklagten Betrages machen könnten.247 Mindestens ebenso einleuchtend erscheint es aber, dass versucht würde, eine möglichst hohe Summe einzuklagen, um nicht auch für die Kläger wertvolle finanzielle Leistungsfähigkeit der beklagten Organmitglieder ungenutzt zu lassen.248 bb) Kein drohender problematischer Bedeutungszuwachs der Aktionärsklage nach dem Vorbild des derivative suit in den USA Die Entwicklung einer Art „Klageindustrie“, die vorwiegend von professionellen Klägern, die sich der Durchsetzung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft widmeten, getragen würde, wäre, wie Bachmann in seinem Gutachten zu Recht bemerkt, nicht per se anstößig.249 Die von Kritikern einer Erfolgsbeteiligung der klagenden Aktionäre beschworenen „amerikanischen Verhältnisse“,250 mit dem durch „räuberische Aktionäre“ missbrauchsanfälligen derivative suit als nahezu ausschließlichem Modus der Geltendmachung von Ersatzansprüchen,251 dem die geltende Beweislastverteilung, auch hinsichtlich der Voraussetzungen der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, kaum gerecht werden könnte, drohen bei Beibehaltung 246 Bachmann, AG 2012, 565, 567 f., ders., Gutachten zum 70. DJT, E 99 f.; Spindler, AG 2013, 889, 901 f.; Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 964; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 193 ff.; in diesem Sinne auch Bezzenberger/Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 42. 247 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 100. 248 Spindler, AG 2013, 889, 902; in anderem Zshg. Brommer, AG 2013, 121, 127. 249 Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 100; Spindler, AG 2013, 889, 902; MellerHannich, in: Brömmelmeyer, Die EU-Sammelklage, S. 33, 53, 56; kritischer Baums, Gutachten zum 63. DJT, F 255 f.: Folgen „sozial nicht wünschenswert“; Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, S. 305, vor allem hinsichtlich einer Anreizstruktur für die Anwälte der Klägerseite; Stadler, in: Brömmelmeyer, Die EU-Sammelklage, S. 91, 107. 250 Diesen ggü. krit. Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, S. 305; Stadler, in: Brömmelmeyer, Die EU-Sammelklage, S. 91, 107. 251 Zu den Missbrauchsgefahren der Aktionärsklage des US-amerikanischen Rechts Schmolke, ZGR 2011, 398, 412 f.; Bainbridge, Corporation Law and Economics, S. 365, der die Erfolgsbeteiligung der klägerischen Anwälte als das wesentliche Problem ansieht.

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des Klagezulassungsverfahrens wie hier befürwortet, im deutschen Recht nicht.252 Dem stehen neben dem Zulassungsverfahren mit seinen nicht unerheblichen Anforderungen und der Möglichkeit, entgegenstehende Gründe des Gesellschaftswohls zu berücksichtigen, auch die grundsätzliche Kostentragungspflicht der Aktionäre für ein gescheitertes Klagezulassungsverfahren (§ 148 Abs. 6 S. 1 AktG)253 sowie die Unzulässigkeit anwaltlicher Erfolgshonorare254 entgegen. Dennoch haben die Regelungen zur Abmahnung bei Urheberrechts- und Wettbewerbsverstößen auch im deutschen Recht gezeigt, dass die Schaffung von Möglichkeiten, gewinnbringend rechtliche Schritte zu ergreifen, nicht durchgehend zu interessengerechtem Vorgehen führt.255 Grundsätzliche sachliche Bedenken bestehen gegen wirtschaftliche Anreize für klagende Aktionäre unter Beibehaltung gewisser Klagehürden in § 148 Abs. 1 AktG indes nicht. cc) Sondervorteil der klagenden Aktionäre Zwar durch eine entsprechende Anpassung der bestehenden Regelungen de lege ferenda zu lösen, aber vor der Einführung einer Erfolgsbeteiligung der Aktionärskläger zu bedenken, wären auch die entstehenden Reibungen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG, insbesondere vor dem Hintergrund, dass nachfolgend klagenden Aktionären entweder ein Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen wäre oder entgegenstehende überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls nach § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG festzustellen wären.256 Ferner wäre auch die umfassende Vermögensbindung in der Aktiengesellschaft, zumindest wenn die Gesellschaft die „Prämie“ zu tragen hätte, was praktisch der am ehesten gangbare Weg wäre,257 insoweit anzupassen.258 252 Ebenso Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 101. Auf Missbrauchsgefahren weisen aber Peltzer, FS Hadding, 2004, S. 593, 597; ders., FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 964; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 869; Kahnert, AG 2013, 663, 670; Spindler, AG 2013, 889, 902; Paefgen, AG 2014, 554, 579; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 196 hin. 253 Problematisch würde eine Erfolgsbeteiligung unter diesem Gesichtspunkt dann, wenn diese derart hoch ausfiele, dass es sich, auch verteilt über mehrere Verfahren, überwiegend auszahlen könnte, ggf. den Verlust dieser gesetzlich begrenzten Kosten (s. Fn. 216 sowie oben unter 5. Teil B. II. 3. b) bb)) in Kauf zu nehmen; vgl. Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 964; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 101; von diesem Szenario ausgehend Baums, Gutachten zum 63. DJT, F 255 f.; Kahnert, AG 2013, 663, 670. 254 § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO; zu den Ausnahmen s. § 4a RVG; zur Kostenregelung im USamerikanischen Recht Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 307. 255 Auf die Abmahnung im Wettbewerbsrecht als Negativbeispiel verweist auch J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1338. 256 Vgl. oben unter 5. Teil B. II. 1. i). 257 Siehe sogleich unter 5. Teil B. II. 4 b) dd). 258 Zum Ganzen Schmolke, AR 2010, 145; zur Kapitalerhaltung J. Vetter, FS HoffmannBecking, 2013, S. 1317, 1337 f.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

dd) Ausgestaltung der Kostenhaftung für die „Prämie“ Problematisch wäre aber zunächst die Ausgestaltung einer solchen Regelung angesichts des Selbsteintrittsrechts der Gesellschaft, die dann die Möglichkeit hätte, die Aktionäre nicht nur um ideelle Früchte ihrer Bemühungen, sondern um handfeste finanzielle Vorteile zu bringen. Abzustellen wäre mithin zwingend auf den schlussendlichen Erfolg der Klage. Weiterhin wäre fraglich, wer für die „Erfolgsprämie“ haftete. Gegen eine Heranziehung der Staatskasse sprechen die bereits zur Teilschuld und Streitwertverringerung vorgetragenen Gründe.259 Für eine Haftung der Vorstandsmitglieder ließe sich zwar ins Feld führen, dass diese durch ihr pflichtwidrig schädigendes Verhalten den Anlass für die Aktionärsklage zu vertreten hätten. Auf die Art und Weise der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs, entweder durch den Aufsichtsrat namens der Gesellschaft oder im Wege der Aktionärsklage, haben die Schädiger aber keinen Einfluss, sodass ihnen diesbezüglich keine weiterer Vorwurf gemacht werden kann. Eine Pflicht, den Aufsichtsrat gegebenenfalls zur Vermeidung einer Zahlungspflicht für eine „Erfolgsprämie“ zur Anspruchsverfolgung anzuhalten, dürfte als offensichtlich unzumutbar ausscheiden. Eine Rechtfertigung für die zusätzliche Belastung der Vorstandsmitglieder mit einer solchen Prämie wäre daher nicht vorhanden.260 Denkbar erschiene es, diese den Aufsichtsratsmitgliedern, die bei einer erfolgreichen Aktionärsklage angesichts der an diese zu stellenden Anforderungen in aller Regel selbst zur Klageerhebung verpflichtet gewesen wären, aufzuerlegen. Hierbei wären aber die Grenzen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu beachten, sodass es Fälle geben könnte, in denen eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder auf die Kosten einer Erfolgsbeteiligung der Aktionäre nicht begründbar wäre. Ferner wäre eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats im Verfahren um die Haftung des Vorstands zu prüfen, wodurch dieses deutlich befrachtet würde. Dadurch könnte es wiederum zu einer Abschreckung von Klagewilligen und damit einer Aufhebung der positiven Anreizwirkung der „Prämie“ kommen. Es bleibt die Gesellschaft als Schuldnerin einer solchen Zahlung an die erfolgreichen Kläger. Dadurch würde aber ihr erstrittener Schadensersatz im Ergebnis vermindert, sodass eine Erfolgsbeteiligung der Aktionäre wirtschaftlich nur dann im Interesse der Gesellschaft läge, wenn die Zunahme erfolgreicher Klagen die auszukehrenden Prämienzahlungen kompensierte. Dies ist nicht abzusehen.261 ee) Fehlendes praktisches Bedürfnis vs. Gefahr problematischer Verhaltenssteuerungswirkung Ferner, und dies ist im Ergebnis das entscheidende Argument, führte eine auf finanziellen Anreizen beruhende Aktionärsklage dazu, dass Minderheitsaktionäre, 259 260 261

Vgl. oben 5. Teil B. II. 3. b) aa) bzw. bb). Ebenso Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 196. Ebenso Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 195 f.

B. Aktionärsklage

585

die weit weniger das Wohl der Gesellschaft als vielmehr eigene wirtschaftlichen Interessen im Blick hätten,262 deren Ansprüche aufgrund dieser Interessen geltend machten und sich in der Folge insbesondere Vorstandsmitglieder zum Nachteil der Gesellschaft übermäßig risikoscheu verhielten263 und auch der Aufsichtsrat zur Vermeidung einer Haftung seiner Mitglieder eher vorschnell geneigt wäre, Ersatzansprüche gegen Geschäftsleiter geltend zu machen. Dem steht ein angebliches, empirisch unbelegtes Durchsetzungsdefizit bei der Vorstandshaftung gegenüber, dem durch die Schaffung wirtschaftlicher Anreize für klagewillige Aktionäre begegnet werden soll. Angesichts der Tatsache, dass es bislang keinen öffentlich bekannt gewordenen264 Fall erheblicher Pflichtverletzungen im Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft gegeben hat, in dem nicht ebenso öffentlichkeitswirksam versucht wurde, Schadensersatz von den Beteiligten zu erlangen,265 ist ein solches mit hoher Wahrscheinlichkeit auch real nicht in bedenklicher Weise vorhanden. Die zur Zeit gegebenen tatsächlichen Verhältnisse erfordern eine solche Regelung nicht, sodass einstweilen von der Einräumung finanzieller Vorteile für erfolgreich klagende Aktionäre abgesehen werden sollte.266 5. Zusammenfassung des Reformvorschlags zur Aktionärsklage Der hier unterbreitete Reformvorschlag zur Aktionärsklage des § 148 AktG beinhaltet lediglich geringfügige Änderungen des geltenden Rechts. Neben einer zu erwägenden moderaten Absenkung des Quorums des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG sollte einer Aktionärsminderheit, deren Anteile einen noch konkret festzulegenden, oberhalb von zehn Prozent liegenden Anteil des Grundkapitals erreichen, ohne weitere Voraussetzungen eine Klagebefugnis eingeräumt werden. Zudem sollte das Quorum, nicht aber das Klagezulassungsverfahren, entfallen, wenn sich aus einem Sonderprüfungsbericht, dem insoweit die Wirkung einer unwiderleglichen Vermu262 Vgl. Bezzenberger/Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 42; Brommer, AG 2013, 121, 127. 263 Bachmann, AG 2012, 565, 577 f. 264 Dies wäre auch tatsächliche Voraussetzung für die Kenntniserlangung der Aktionäre und damit die Einleitung eines Klagezulassungsverfahrens. 265 Siehe auch die beispielhaft bereits zur Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats genannten Fälle in Fn. 66. 266 Ebenso i.Erg. Paefgen, AG 2014, 554, 576, 579; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, E 101; J. Vetter, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1317, 1337; Kahnert, AG 2013, 663, 670 f.; Habersack, Gutachten zum 69. DJT, E 96 (Gefahr, „das Kind mit dem Bade auszuschütten“); Peltzer, FS U. H. Schneider, 2011, S. 953, 964; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 869; Baums, Gutachten zum 63. DJT, F 255 f.; ders., Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 72 f.; Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 63. DJT mit 48:2:4 Stimmen ablehnend (Beschluss III. 6 b)); noch deutlicher Beschluss der Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. DJTablehnend mit 0:71:6 Stimmen (Beschluss III. 12. h)); tendenziell auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 192 ff.; vgl. auch Bezzenberger/Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 4. Aufl. 2008, § 148 Rn. 43.

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5. Teil: Die Durchsetzung der Vorstandshaftung

tung zukommen sollte, Tatsachen ergeben, die eine zur Aktionärsklage berechtigende Pflichtverletzung begründen. Das Vorbesitzerfordernis des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG sollte ersatzlos gestrichen, hilfsweise durch eine § 142 Abs. 2 S. 2 AktG entsprechende Regelung ersetzt, werden. Die Beschränkung der zur Aktionärsklage berechtigenden Pflichtverletzungen auf „Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung“ in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG sollte aufgegeben werden. Eine Aktionärsklage sollte grundsätzlich wegen Treupflichtverletzungen und grob fahrlässigen Sorgfaltspflichtverletzungen in Betracht kommen. Im Übrigen sollte eine bedingte Klagebefugnis der Minderheitsaktionäre geregelt werden, die durch Widerspruch der Hauptversammlung vorbehaltlich eines Minderheitenvetos entsprechend § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung aufgehoben werden könnte. Die Kostentragungsregeln sollten weitgehend in der bisherigen Form belassen werden, es wird lediglich vorgeschlagen, die Verpflichtung der Gesellschaft zur Kostenerstattung gegenüber den klagenden Aktionären durch eine unmittelbare Kostenschuld der Gesellschaft zu ersetzen. Eine Streitwertverringerung in entsprechender Anwendung des § 247 Abs. 2 AktG ist, sofern die dort drohende Kostenlast als prohibitiv beurteilt wird, was nach hier vertretener Auffassung nicht der Fall ist, (nur) für das Klagezulassungsverfahren in Betracht zu ziehen. Finanzielle Anreize für erfolgreiche Aktionärskläger wären grundsätzlich zulässig und sehen sich keinen grundsätzlichen Bedenken ausgesetzt, sollten indes aufgrund damit verbundener ungünstiger Verhaltensanreize derzeit nicht eingeführt werden.

6. Teil

Abschließendes Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen A. Abschließendes Fazit Die Untersuchung der „Grenzen der Vorstandshaftung“ hat gezeigt, dass trotz der umfassenden Pflichtenbindung der Vorstandsmitglieder deren Haftung für schadensstiftende Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft sowohl aufgrund speziell aktienrechtlicher Vorschriften wie der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und für eine Kapitalgesellschaft typischer Enthaftungsmechanismen wie der D&O-Versicherung als auch der allgemeinen Regeln der Schadensberechnung und der Vorteilsausgleichung in einigen Bereichen ganz ausgeschlossen, in anderen zumindest in vielen Fällen erheblich eingeschränkt wird. Indes kommen nach geltendem Recht privatautonome Einschränkungen der Vorstandshaftung weder durch Satzung noch durch Vertrag in Betracht. Dabei sollte es auch de lege ferenda bleiben, soll nicht das „Produkt Aktiengesellschaft“ in der bekannten Form insgesamt überholt werden. Eine gesetzliche Haftungsbeschränkung ergibt sich de lege lata weder aus kartellrechtlichen Vorschriften, die, wie festgestellt wurde, keine Auswirkungen auf die Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder haben, noch aus der Fürsorgepflicht der Gesellschaft in Anlehnung an die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung, die auch unmittelbar nicht auf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft anzuwenden sind. Indes besteht für eine solche Haftungsbeschränkung weder aus systematischer noch verfassungsrechtlicher Sicht ein Bedürfnis. Auf dieser Grundlage einer grundsätzlich ausgewogenen und angemessenen Vorstandsinnenhaftung werden lediglich moderate Reformvorschläge, namentlich in Gestalt der Streichung der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, die Raum für sinnvolle vergleichsweise Lösungen im allseitigen Interesse eröffnen kann, von Sonderregelungen der Darlegungs- und Beweislast und der Verjährung für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder sowie einer gesetzlichen Haftungshöchstgrenze, die indes anders als die überwiegenden Reformvorschläge nicht in erster Linie dem Schutz der Vorstandsmitglieder, sondern der Setzung sinnvoller Verhaltensanreize sowie der Verbesserung der Versicherbarkeit der Vorstandshaftung im Rahmen einer D&O-Versicherung dienen soll, unterbreitet. Der Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 AktG sollte unbedingt unangetastet bleiben und die Zulassung privatautonomer Lösungen sollte, soll die Aktiengesellschaft in der bekannten Form Bestand haben, insgesamt unterbleiben. Im Sinne der vorgeschlagenen Änderungen sollte ein wei-

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6. Teil: Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

terer Versuch unternommen werden, der Aktionärsklage des § 148 AktG in einem sinnvollen Umfang Leben einzuhauchen. Einzelheiten sowie die entsprechenden Fundstellen innerhalb der Untersuchung sind der folgenden thesenartigen Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse zu entnehmen.

B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen I. Grenzen der Vorstandshaftung de lege lata Die unbeschränkbare Vorstandshaftung ist bereits de lege lata in vielfältiger Weise, teils durch speziell aktienrechtliche Mechanismen, teils durch allgemeine Grundsätze des Schadensersatzrechts, begrenzt. 1. Business Judgment Rule, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG a) Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG schließt eine Pflichtverletzung und damit Haftung eines Vorstandsmitglieds aus, wenn dieses bei einer unternehmerischen Entscheidung ohne grobe Fahrlässigkeit angenommen hat (im Gesetz: „vernünftigerweise annehmen durfte“), auf Grundlage angemessener Information und zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, und begründet somit, anders als von einer verbreiteten Literaturauffassung angenommen, ein Haftungsprivileg der Vorstandsmitglieder bei der Vornahme unternehmerischer Entscheidungen.1 b) Eine unternehmerische Entscheidung liegt vor, wenn eine bewusste Auswahl aus mehreren, rechtlich zulässigen und tatsächlich möglichen Verhaltensalternativen getroffen wird.2 c) Das Vorliegen eines Interessenkonflikts eines Vorstandsmitglieds schließt die Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf die übrigen im Grundsatz nicht aus.3 d) Die Angemessenheit der einer solchen Entscheidung zugrunde gelegten Information ist anhand des Einzelfalls zu bestimmen. Keinesfalls ist stets die Ermittlung sämtlicher potenziell verfügbarer Informationen zu verlangen.4 Die fehlerhafte Einschätzung einer konkreten Informationsgrundlage begründet nur dann eine Pflichtverletzung, wenn diese mindestens grob fahrlässig getroffen wurde.5 Die 1 2 3 4 5

3. Teil A. III. 5. 3. Teil A. III. 1. c). 3. Teil A. III. 3. b). 3. Teil A. III. 4. a). 3. Teil A. III. 4. b).

B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

589

Schaffung einer solchen Grundlage ist indes selbst keine unternehmerische Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.6 e) Es bedarf keiner speziellen gesetzlichen Regelung der Haftung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft für Rechtsverstöße. Zwar kommt eine (analoge) Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht in Betracht. Indes fehlt es an einer Pflichtverletzung, nicht erst dem Verschulden des Vorstandsmitglieds, wenn dieses im Sinne der „Ision“-Rechtsprechung des BGH alles ihm zumutbar Mögliche zur Aufklärung einer unklaren oder unsicheren Rechtslage unternommen und auf dieser Grundlage nach Abwägung der Chancen und Risiken eine vertretbare Entscheidung getroffen hat.7 2. Verzicht und Vergleich a) § 93 Abs. 4 S. 3 AktG statuiert in den ersten drei Jahren nach Entstehung eines Ersatzanspruchs der Gesellschaft ein umfassendes, nicht nur Verzicht und Vergleich im engeren Sinne erfassendes Verbot, einen Anspruch der Gesellschaft durch ihr Handeln oder aufgrund ihres Handelns zu mindern. Unter das Verbot fällt insbesondere auch die Abtretung eines Anspruchs, ohne dass zugleich eine mindestens dessen tatsächlichem Wert entsprechende Gegenleistung in das Gesellschaftsvermögen gelangt, zum Zwecke der Enthaftung durch Dritte in Umgehung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Nicht erfasst werden lediglich Prozesshandlungen, die nur ein Nachgeben der Gesellschaft in der Sache, ohne dass dadurch eine tatsächliche Minderung des Gesellschaftsvermögens eintritt, bedeuten.8 b) Aufgrund des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG sowie der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG scheiden privatautonome Beschränkungen der Vorstandshaftung sowohl durch die Satzung der Gesellschaft als auch durch Vertrag mit den Vorstandsmitgliedern als Mittel zu deren Enthaftung aus.9 3. D&O-Versicherung a) Trotz struktureller Schwächen und notwendig begrenzter Deckungssummen bieten D&O-Versicherungen zwar keinen „Vollkasko“-, jedoch einen durchaus wirksamen Schutz der Vorstandsmitglieder vor einer „existenzvernichtenden“ Haftung.10 b) Es besteht die Möglichkeit der Absicherung der Vorstandsmitglieder durch die hinreichend bestimmte Vereinbarung der Gewährung eines D&O-Versicherungs6

3. Teil A. III. 4. c). 3. Teil A. IV. 8 3. Teil B. I. 9 3. Teil B. II. u. III. 10 3. Teil C. 7

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6. Teil: Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

schutzes mit der Gesellschaft, aus der sich im Falle eines von der Gesellschaft zu vertretenden Ausfalls der Versicherung ein aufrechnungsfähiger Anspruch des Vorstandsmitglieds aus vertraglicher Pflichtverletzung ergibt.11 c) Entgegen der nahezu einhelligen Auffassung im Schrifttum sind bereits derzeit und in Zukunft wohl vermehrt D&O-Versicherungspolicen erhältlich, die den Regress der Gesellschaft wegen aufgrund pflichtwidrigen Handelns der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft verhängter Bußgelder abdecken. Indes begründen Bußgelder gegen die Vorstandsmitglieder selbst keinen Versicherungsfall, sodass hierfür kein Schutz besteht.12 4. Vorteilsausgleichung a) Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind auf die Vorstandsinnenhaftung uneingeschränkt, d. h. auch in Bezug auf Ansprüche aus Verletzung der Legalitätspflicht, anwendbar.13 b) Vermögensverluste der Gesellschaft aufgrund von Maßnahmen, die der Abschöpfung aufgrund rechtswidrigen Handelns erlangter Vermögensvorteile dienen, begründen keinen Schaden der Gesellschaft im Sinne der Differenzhypothese.14 Daraus ergibt sich namentlich im Bereich des Ordnungswidrigkeiten-, insbesondere des Kartellbußgeldrechts mit seinen in erheblichem Umfang der Gewinnabschöpfung dienenden, exorbitant hohen Bußgeldern eine erhebliche Haftungserleichterung.15 c) Die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung führt, auch im Falle einer Legalitätspflichtverletzung, aufgrund der vorhandenen alternativen Sanktionen, namentlich Abberufung sowie straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Folgen für die Vorstandsmitglieder persönlich, nicht zu einer bedenklichen Schwächung der Präventionswirkung der Haftung. Im Gegenteil werden Fehlanreize für die Aktionäre, die aus dem wirtschaftlichen Belassen rechtswidriger Gewinne im Gesellschaftsvermögen entstehen könnten, durch die Vorteilsausgleichung vermieden.16 d) Eine vom BGH in seiner „Hypothekenbank“-Entscheidung (auch: „Corealkredit“-Entscheidung) vorgeschlagene erweiterte Verrechnung von Vor- und Nachteilen in entsprechender Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung bei mehreren gleichartigen, in engem zeitlichem Zusammenhang stehenden Pflichtverletzungen ist mangels überzeugender Begründung abzulehnen. Allenfalls 11 12 13 14 15 16

3. Teil C I. a.E. 3. Teil C. III. 2. 3. Teil D. II. 3. Teil D. II. 2. Vgl. das Bsp. im 3. Teil D. IV. 3. Teil D. II. 3.

B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

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in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen kann unter strengen Voraussetzungen, wenn zwar sachlich trennbare pflichtwidrige Verhaltensweisen vorliegen, diese aber im Rechtsverkehr als einheitlicher Vorgang betrachtet werden, unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit eine Betrachtung als einheitliche Pflichtverletzung in Frage kommen.17 5. Begrenzung des geltend zu machenden Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft a) Aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens der Vorstandsmitglieder gegen die Gesellschaft verhängte Kartellbußgelder begründen einen Schadensersatzanspruch in der vollen Höhe der Geldbuße, soweit diese einen Schaden begründet. Weder der Schutzzweck des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG noch Sinn und Zweck der kartellrechtlichen Bußgeldvorschriften gebieten einen Regressausschluss. Es ergibt sich auch keine Regressgrenze aus dem Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB, der für die Vorstandsmitglieder persönlich gelten würde.18 b) Die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit sind auf die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, insbesondere aufgrund des Fehlens eines der Gesellschaft diesen gegenüber zuzurechnenden Betriebsrisikos und deren umfassender Einwirkungsbefugnisse auf Rechtspositionen der Gesellschaft, nicht anzuwenden.19 c) Eine Begrenzung der Vorstandsinnenhaftung aufgrund einer Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern könnte entweder im Sinne einer Einwendung, die den Schadensersatzanspruch selbst oder die Möglichkeit seiner Geltendmachung ohne das Erfordernis einer Berufung des Schuldners auf wirtschaftliche Überforderung begrenzte, oder einer rechtshemmenden Einrede ausgestaltet sein.20 d) Eine Dogmatik der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern, die eine Haftungsbeschränkung, wie sie namentlich Koch vorschlägt, zu tragen imstande wäre, ist nicht vorhanden.21 Etablierte Alternativen, an die eine solche Haftungsbeschränkung anknüpfen könnte, fehlen.22 e) Die geltende Regelung der Vorstandsinnenhaftung benachteiligt Vorstandsmitglieder nicht unbillig gegenüber anderen Personengruppen, namentlich unbegrenzt persönlich haftenden Unternehmern sowie dauerhaft in fremdem Interesse

17 18 19 20 21 22

3. Teil D. III. 3. Teil D. II. 2. b) u. c). 3. Teil E. III. 3. 3. Teil E. III. 4. 3. Teil E. III. 5. 3. Teil E. IV.

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6. Teil: Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

tätig werdenden Schuldnern wie Arbeitnehmern, Dienst- und Werkunternehmern sowie GmbH-Geschäftsführern.23 f) Aus Sicht des Verfassungsrechts bestehen keine Bedenken gegen die geltenden Regeln der Vorstandsinnenhaftung, insbesondere erscheint die möglicherweise bessere Fähigkeit der Aktionäre, einen Schaden der Gesellschaft wirtschaftlich zu tragen, nicht als ausreichender Schadenszurechnungsgrund. Eine verfassungsrechtliche Begründung eines Gebots, die Vorstandshaftung zu beschränken, müsste auf allgemeine Mängel des geltenden Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts, auf die im Rahmen der Untersuchung nicht eingegangen werden konnte, gestützt werden.24 g) Es konnte mithin keine Notwendigkeit einer Begrenzung der Vorstandsinnenhaftung festgestellt werden.25

II. Reform der Vorstandsinnenhaftung 1. Verzicht und Vergleich26 a) Es konnte gezeigt werden, dass die vom Gesetzgeber mit der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG verfolgten Zwecke in einer Vielzahl von Fällen nicht erreicht werden können, während schutzwürdige Interessen namentlich der Gesellschaft und der Vorstandsmitglieder an der Möglichkeit eines Verzichts oder Vergleichs in Bezug auf Ersatzansprüche aus § 93 AktG gegeben sein können. De lege ferenda ist daher eine ersatzlose Streichung der Dreijahresfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu empfehlen.27 b) Besondere Vorkehrungen zum Schutz der Rechte der Minderheitsaktionäre, namentlich zur Einleitung einer Sonderprüfung und zur Erhebung einer Aktionärsklage, sind daneben nicht erforderlich und aufgrund drohenden Missbrauchs auch nicht zu empfehlen.28 c) Die Abschaffung der Dreijahresfrist hat nicht die Zulässigkeit vertraglicher Haftungsbeschränkungen zur Folge.29

23 24 25 26 27 28 29

3. Teil E. V. 1. 3. Teil E. V. 2. 3. Teil E. V. 3. 4. Teil A. 4. Teil A. I. 1 u. 2. 4. Teil A. I. 3. 4. Teil A. II.

B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

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d) Die Regelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zum nicht an Sachgründe gebundenen Widerspruchsrecht einer Aktionärsminderheit, deren Anteile zusammen mindestens zehn Prozent des Grundkapitals erreichen, sollte unverändert bleiben.30 2. Darlegungs- und Beweislast31 a) Eine Änderung der Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG erscheint für amtierende Vorstandsmitglieder angesichts deren größerer Sachnähe und der damit einhergehenden Möglichkeiten der Dokumentation beweiserheblicher Tatsachen sowie der Handhabung der Beweislastregeln durch die Gerichte nicht angezeigt.32 b) Nach dem Ausscheiden aus dem Vorstand treffen die die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG tragenden Erwägungen nicht mehr in demselben Maße zu, wie dies für amtierende Vorstandsmitglieder der Fall ist.33 c) Einer teleologischen Reduktion des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder ist indes aufgrund damit verbundener Fehlanreize und unverhältnismäßiger Nachteile für die Gesellschaft ebenso wenig zuzustimmen wie einer entsprechenden Regelung de lege ferenda.34 d) Eine satzungsdispositive Beweislastregelung, auch begrenzt auf ausgeschiedene Vorstandsmitglieder, erscheint nicht als sinnvolle Lösung der Beweisproblematik.35 Dasselbe gilt für eine Verkürzung der Verjährungsfristen.36 e) Eine Erleichterung der Beweisschwierigkeiten ehemaliger Vorstandsmitglieder durch die Gewährleistung erweiterter, gesetzlich verankerter Einsichtsrechte begegnet zum einen in Bezug auf entgegenstehende Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft, zum anderen hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit erheblichen Bedenken.37 f) Eine abweichende Beweislastverteilung für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder ist grundsätzlich zu befürworten. Zur Vermeidung von Fehlanreizen wird vorgeschlagen, den Eintritt der Beweislastverteilung nach allgemeinen Regeln nicht unmittelbar an das Ausscheiden aus dem Vorstand, sondern den Ablauf einer anschließenden Karenzfrist zu knüpfen. Als solche wird ein Zeitraum von drei Jahren vorgeschlagen.38 30 31 32 33 34 35 36 37 38

4. Teil A. III. 4. Teil B. 4. Teil B. II. 1. 4. Teil B. II. 2. a). 4. Teil B. II. 2 b) aa). 4. Teil B. II. 2 b) bb) (1). 4. Teil B. II. 2 b) bb) (2). 4. Teil B. II. 2 b) bb) (3). 4. Teil B. II. 2 b) cc).

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6. Teil: Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

3. Verjährung39 a) Die Geltung der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB ist wegen des Verjährungsbeginns des § 199 Abs. 1 BGB und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit nicht zu empfehlen.40 b) Insbesondere aufgrund der regelmäßig gegebenen „Beißhemmung“ des Aufsichtsrats gegenüber den Mitgliedern des Vorstands im Zusammenspiel mit der Bestellungsdauer der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder spricht die Verbesserung der Anspruchsdurchsetzung gegenüber Vorstandsmitgliedern für eine Verlängerung der Verjährungsfrist.41 c) Gegen eine Verlängerung der Verjährungsfrist sprechen die bereits zur Beweislastverteilung dargestellten Beweisschwierigkeiten nach Ausscheiden aus dem Vorstand.42 d) Im Sinne eines angemessenen Interessenausgleichs und im Zusammenspiel mit der vorgeschlagenen Reform der Beweislast für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder wird in Anlehnung an den Ansatz Baums‘ eine fünfjährige Sonderverjährungsfrist, beginnend mit dem Ausscheiden aus dem Vorstand, im Übrigen eine Zehnjahresfrist, beginnend mit der Entstehung des Ersatzanspruchs vorgeschlagen. Erstere trägt den bereits durch die vorgeschlagene Änderung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG erheblich verringerten Beweisschwierigkeiten ausgeschiedener Vorstandsmitglieder, letztere der regelmäßig vorhandenen Verfolgungshemmung gegenüber amtierenden Vorstandsmitgliedern und der fortbestehenden Sachnähe Rechnung.43 e) Abweichende Regelungen für börsennotierte Gesellschaften erscheinen nicht gerechtfertigt.44 f) Einer laufenden Sonderprüfung sollte verjährungshemmende Wirkung zukommen.45 4. Der Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 AktG de lege ferenda46 a) Ein gesetzlicher Haftungsausschluss für Vorstandsmitglieder ist weder bis zu Grenze grober noch mittlerer Fahrlässigkeit systematisch mit den zivilrechtlichen

39 40 41 42 43 44 45 46

4. Teil C. 4. Teil C. III. 1. 4. Teil C. III. 4. 4. Teil C. III. 4. 4. Teil C. III. 4; zu dem Ansatz Baums‘ 4. Teil C. III. 2. 4. Teil C. III. 4. 4. Teil C. III. 4. 4. Teil D.

B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

595

Haftungstatbeständen im Übrigen vereinbar und daher im Sinne eines Reformvorschlags abzulehnen.47 b) Die Einräumung von Satzungsfreiheit in Bezug auf Haftungsbeschränkungen für leichte oder mittlere Fährlässigkeit mit Ausnahme der Sondertatbestände des § 93 Abs. 3 AktG sowie von Treupflichtverletzungen und bewussten Legalitätspflichtverletzungen, wie sie in der Reformdiskussion vorgeschlagen wird, ist grundsätzlich mit der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG im Übrigen zu vereinbaren.48 c) Probleme entstünden indes im Hinblick auf die nach dem gesetzlichen Leitbild der Aktiengesellschaft als börsenfähiger Publikumsgesellschaft erforderliche Publizität des Haftungsregimes, die weder durch die Firma noch Angaben auf Geschäftsbriefen in ausreichender Form gewährleistet werden kann.49 d) Soll das bisherige Leitbild der Aktiengesellschaft beibehalten werden, müsste der Gesetzgeber ein Modell oder wenige Modelle satzungsmäßiger Haftungsbeschränkungen vorgeben, für die sich Aktiengesellschaften entscheiden könnten.50 e) Ausgehend von der hier befürworteten Streichung der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG de lege ferenda wäre die Zulassung satzungsmäßiger Haftungsbeschränkungen mit der Regelung des Verzichts- und Vergleichsverbots vereinbar.51 f) Abgesehen von einer möglicherweise erforderlichen differenzierenden Regelung zur D&O-Versicherung wäre keine differenzierende Gesetzgebung für Aktiengesellschaften mit und solche ohne satzungsmäßige Regelungen der Organhaftung erforderlich.52 g) Aufgrund des Erfordernisses einer Satzungsregelung, die entsprechende Hauptversammlungsmehrheiten voraussetzt, könnte der Reformvorschlag das Problem einer „existenzvernichtenden“ Vorstandshaftung nicht flächendeckend lösen.53 h) Verhaltensanreize im Hinblick auf die Verhinderung unangemessen risikoaversen Verhaltens der Vorstandsmitglieder wären aufgrund der unsicheren Differenzierung zwischen unterschiedlichen Fahrlässigkeitsgraden kaum zu erwarten.54 i) Aufgrund der Risiken eines nachträglichen Wegfalls, der keinen wichtigen Grund zur Niederlegung des Vorstandsmandats begründete, könnten satzungsmäßige Haftungsmilderungen Anreize zu einer unangemessenen Risikovorsorge setzen.55

47 48 49 50 51 52 53 54 55

4. Teil D. I. 4. Teil D. II. 3. 4. Teil D. II. 3. a) bb). 4. Teil D. II. 3. a) aa) u. 4. Teil D. II. 3. d). 4. Teil D. II. 4. 4. Teil D. II. 5. 4. Teil D. II. 6. a). 4. Teil D. II. 6. b). 4. Teil D. II. 6. c).

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6. Teil: Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

j) Die flächendeckende Verbreitung haftungsmildernder Satzungsregelungen führte zu einer im Hinblick auf die Haftungssystematik des Zivilrechts einer gesetzlichen Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs vergleichbar bedenklichen Lage.56 k) Um eine hinreichende Präventionswirkung der Haftung zu gewährleisten, sollte ein § 93 Abs. 2 S. 3 AktG entsprechender Selbstbehalt auch in der Satzung zwingend vorzusehen sein und daneben kein Ausschluss der Pflichtverletzung, sondern nur der Haftpflicht geregelt werden.57 l) Aufgrund des Ausfalls eines Schadensersatzes im Anwendungsbereich eines satzungsmäßigen Haftungsausschlusses erscheint eine solche Regelung im Hinblick auf die Kompensationsfunktion der Haftung bedenklich und ist weder mit einer D&O-Versicherung noch einer betragsmäßigen Haftungsgrenze in der Wirkung vergleichbar.58 m) Es bestehen Zweifel an der tatsächlichen Eignung der Hauptversammlung, in Bezug auf eine die Organhaftung betreffende Satzungsregelung eine interessengerechte Entscheidung zu treffen. Diese entspringen zum einen dem Umfang und der Tiefe der erforderlichen Information und zum anderen den durch die zunächst gegebene Ersparnis von Vorsorgeaufwendungen gesetzten Anreizen zu opportunistischem Verhalten der Aktionäre. Ferner würde sich eine entsprechende Entscheidung in ihrer Tragweite nicht in die Systematik der bestehenden Entscheidungszuständigkeiten der Hauptversammlung einfügen.59 n) Eine Lösung der vorgenannten Probleme durch Einräumung eines ad hocWiderspruchsrechts einer § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entsprechenden Aktionärsminderheit erscheint nicht zielführend.60 o) Die Gewährung begrenzter Satzungsfreiheit in Bezug auf den Grad der zur Haftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft führenden Sorgfalt erscheint aufgrund des eng begrenzten Umfangs einer mit geltendem Recht im Übrigen vereinbaren Regelung und der damit verbundenen Unwägbarkeiten im Ergebnis nicht empfehlenswert.61 5. Haftungshöchstgrenzen a) In der gesetzlichen Festlegung einer summenmäßigen Haftungsbegrenzung für Vorstandsmitglieder läge keine nicht zu rechtfertigende Privilegierung gegenüber vergleichbaren Schuldnern.62 56 57 58 59 60 61 62

4. Teil D. II. 7. 4. Teil D. II. 8. a). 4. Teil D. II. 8. b). 4. Teil D. II. 9. 4. Teil D. II. 9. d) bb). 4. Teil D. II. 10. 4. Teil E. I. 1. c) cc).

B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

597

b) Hinsichtlich der Präventionswirkung der Vorstandshaftung erscheint ein Haftungshöchstbetrag gegenüber einer Absenkung des einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabs vorzugswürdig.63 c) Die Kompensationswirkung lässt sich in Bezug auf sehr hohe Schäden dort, wo eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Vorstandsmitgliedern nicht mehr zu erwarten ist, nicht mehr als Argument gegen eine Haftungsgrenze fruchtbar machen.64 d) Eine Haftungsgrenze sollte sich vorrangig an den Interessen der Gesellschaft orientieren, mithin vor allem die Versicherbarkeit der Vorstandsinnenhaftung im Rahmen einer D&O-Versicherung verbessern sowie übermäßig risikoaversem Verhalten der Geschäftsleiter entgegenwirken.65 e) Daher sollte ein Höchstbetrag in Verbindung mit einer D&O-Versicherungsdeckung geregelt werden.66 f) Im Hinblick auf die Präventionswirkung der Vorstandshaftung erscheint eine Ausnahme vorsätzlicher und grob fahrlässiger Pflichtverletzungen, der Sondertatbestände des § 93 Abs. 3 AktG sowie von Treu- und Legalitätspflichtverletzungen angezeigt. Aufgrund der Verbindung mit einem D&O-Versicherungsschutz sollten auch übliche Deckungsausschlüsse ausgenommen werden.67 g) Vorgeschlagen wird eine an den Verhältnissen der einzelnen Gesellschaft orientierte, formelhaft auszudrückende Haftungsgrenze aus der Summe einer als wirtschaftlich den Verhältnissen der Gesellschaft angemessen zu beurteilenden D&O-Versicherungsdeckung und dem Selbstbehalt des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG.68 h) Im Fall des Ausfalls einer bestehenden D&O-Versicherung aus von der Gesellschaft zu vertretenden Gründen sollte eine Haftung der Vorstandsmitglieder lediglich in der durch § 93 Abs. 2 S. 3 AktG vorgegebenen Höhe, im Übrigen, auch bei Fehlen einer D&O-Versicherung, bis zur Höhe der Haftungsgrenze bestehen.69 i) Eine Folgeänderung der Regelung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG oder der Versicherbarkeit dieses Selbstbehalts ist nicht erforderlich.70 j) Eine Beeinträchtigung der Interessen von Gesellschaftsgläubigern oder Aktionären ergibt sich aus der vorgeschlagenen Regelung nicht.71

63 64 65 66 67 68 69 70 71

4. Teil E. I. 2. 4. Teil E. I. 2. 4. Teil E. I. 2. u. 3. 4. Teil E. I. 2., 3. u. 5. b). 4. Teil E. I. 5. a). 4. Teil E. I. 5. b) aa). 4. Teil E. I. 5. b) bb). 4. Teil E. I. 5. b) cc). 4. Teil E. I. 5. c).

598

6. Teil: Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

6. Zulassung vertraglicher Haftungsbeschränkungen Aufgrund der fehlenden Publizität solcher Regelungen sollte eine gesetzliche Zulassung vertraglicher Haftungsbeschränkungen noch weniger als eine Zulassung entsprechender Satzungsregelungen erfolgen.72 7. Billigkeitsklausel Die Einführung einer allgemeinen Billigkeitsklausel wird aufgrund der fehlenden Notwendigkeit einer solchen Klausel, die über das Recht der Vorstandshaftung hinaus Geltung beanspruchte, der damit verbundenen Fehlanreize hinsichtlich privatautonomer Lösungen der Parteien eines Schuldverhältnisses sowie der Versicherung von Schadensrisiken und der vorhandenen schuldnerschützenden Vorschriften weder für erforderlich noch für empfehlenswert gehalten.73 8. D&O-Versicherung a) Ein Verbot der Gesellschaftsfinanzierung des D&O-Versicherungsschutzes der Vorstandsmitglieder erscheint weder unter dem Gesichtspunkt der Präventions- noch der Kompensationsfunktion der aktienrechtlichen Organhaftung angezeigt. Vielmehr erscheint eine gesellschaftsfinanzierte Versicherung aus Präventionsgründen eher vorzugwürdig. Ferner ist anzunehmen, dass eine Versicherung im üblichen Zuschnitt der D&O-Firmenpolicen für die Gesellschaft die kostengünstigste Form des Versicherungsschutzes darstellt.74 b) Auch ein Verbot der Versicherung des gesetzlich vorgeschriebenen Selbstbehalts der Vorstandsmitglieder bei einer gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung sollte nicht geregelt werden. Aufgrund der trotz D&O-Versicherungsschutzes verbleibenden Haftungsrisiken wird trotz Selbstbehaltsversicherung von einer hinreichenden Präventionswirkung der Vorstandshaftung ausgegangen. Wegen der unklaren Ausmaße dieser Wirkung insgesamt erscheint es zudem nicht ausgeschlossen, dass ein solches Verbot auch verfassungsrechtlich unzulässig wäre.75 c) Jedoch sollte eine Tragung der Kosten einer Selbstbehaltsversicherung durch die Gesellschaft ausgeschlossen werden, was indes praktisch kaum zu verhindern sein wird.76 d) Die D&O-Versicherung sollte für die Aktiengesellschaft nicht als Pflichtversicherung ausgestaltet werden. Zum einen fügte sich eine solche Versicherungs72 73 74 75 76

4. Teil F. 4. Teil G. II. u. III. 4. Teil H. I. 4. Teil H. II. 4. Teil H. II. a.E.

B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

599

pflicht des potenziell Geschädigten zugunsten auch des Schädigers nicht in die bestehende Systematik ein. Zum anderen könnten die Umstände, die für und gegen den Abschluss einer solchen Versicherung in der konkreten Gesellschaft sprechen, in einer gesetzlichen Regelung nicht zureichend berücksichtigt werden. Ferner stellte die praktische Ausgestaltung eines solchen Versicherungssystems angesichts ganz unterschiedlicher Schadensrisiken den Gesetzgeber vor erhebliche, kaum interessengerecht zu lösende Probleme der Kostenverteilung. Daneben bestehen angesichts der flächendeckenden Verbreitung solcher Versicherungen auch nachhaltige Zweifel an einem Regelungsbedarf.77 e) Eine Empfehlung zum Abschluss einer D&O-Versicherung im DCGK erscheint indes sinnvoll.78 f) Eine Streichung des Selbstbehalts des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist aufgrund dessen nach hier vertretener Auffassung verhaltenssteuernder, zumindest aber „symbolischer“ Wirkung im Sinne einer Erinnerung an die reale Gegebenheit einer Haftung der Vorstandsmitglieder nicht zu befürworten.79 9. Juristische Personen als Vorstandsmitglieder Die Zulassung juristischer Personen als Mitglieder des Vorstands der Aktiengesellschaft würde zwar zu einer Enthaftung der geschäftsleitenden natürlichen Personen beitragen, juristische Personen könnten aber weder den Anforderungen, die die Organisationsverfassung an Vorstandsmitglieder stellt, gerecht werden, noch wäre ein hinreichender Schutz des Gesellschaftsvermögens durch die Haftung solcher „Vorstandsgesellschaften“ gewährleistet. Eine entsprechende Reform wäre daher nicht sinnvoll.80

III. Die Durchsetzung der Vorstandshaftung 1. Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat Die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder ist eine unternehmerische im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Ein bedenkliches Durchsetzungsdefizit hinsichtlich Organhaftungsansprüchen konnte nicht identifiziert werden.81

77 78 79 80 81

4. Teil H. III. 4. Teil H. III. a.E. 4. Teil H. IV. 4. Teil J. 5. Teil A.

600

6. Teil: Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

2. Aktionärsklage a) Es wäre nicht zu erwarten, dass allein von einer Aufhebung oder weiteren Absenkung des Quorums des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG ein erheblicher Bedeutungszuwachs der Aktionärsklage ausginge. Daher sollte im Hinblick auf das Erfordernis eines Schutzes vor Missbrauch und die Möglichkeit der Erleichterung anderer, als prohibitiv beurteilter Klagevoraussetzungen keine Aufhebung, sondern allenfalls eine moderate Absenkung auf die Hälfte der de lege lata geltenden Werte erfolgen.82 b) Zusätzlich zur an das Quorum des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG gebundenen Aktionärsklage sollte einer Minderheit, deren Anteile einen noch festzulegenden, oberhalb von zehn Prozent liegenden Anteil des Grundkapitals erreichen, ein nicht an die weiteren Voraussetzungen des § 148 Abs. 1 S. 2 AktG gebundenes Klagerecht eingeräumt werden.83 c) Zudem sollte, wenn sich aus einem Sonderprüfungsbericht Tatsachen ergeben, die auf eine Pflichtverletzung hindeuten, das Quorum des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG, nicht aber das Klagezulassungsverfahren, entfallen. Hinsichtlich der Voraussetzung des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG sollte dem Sonderprüfungsbericht die Wirkung einer unwiderleglichen Vermutung zukommen.84 d) Das einer Aktionärsklage vorausgehende Klagezulassungsverfahren sollte zum einen wegen der von einer erfolgreichen Klagezulassung ausgehenden Signalwirkung, zum anderen als Bedingung für die Kostenentlastung der Aktionäre nicht abgeschafft werden. Auch eine erhebliche Ökonomisierung des Verfahrens wäre wegen der ohnehin erforderlichen Zulässigkeitsprüfung von einem Wegfall dieses Vorverfahrens nicht zu erwarten.85 e) Eine abweichende Regelung der Zuständigkeit für das Klagezulassungsverfahren, insbesondere die Verlagerung auf eine nicht gerichtliche Stelle wie die Bundesprüfstelle für Rechnungslegung, wäre nicht mit verfahrensökonomischen Vorteilen verbunden und sieht sich zudem erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken ausgesetzt.86 f) Außerhalb der Gesellschaft stehenden Instanzen sollte keine Klagebefugnis zur Verfolgung von Organhaftungsansprüchen eingeräumt werden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass damit günstigere Verhaltensanreize für die Organmitglieder gesetzt würden, vielmehr könnte eine Klagebefugnis insbesondere staatlicher Stellen, die einer strikteren Bindung als die Gesellschaftsorgane oder Aktionäre unterliegen, zu einer nicht im Interesse der Gesellschaft liegenden Klagehäufung führen. Verfolgungsdefizite, die einen derart weitreichenden gesetzgeberischen Eingriff, wie 82 83 84 85 86

5. Teil B. II. 1. a). 5. Teil B. II. 1. b). 5. Teil B. II. 1. b). 5. Teil B. II. 1. c). 5. Teil B. II. 1. d).

B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

601

er in der Einräumung einer solchen Klagebefugnis läge, rechtfertigen könnten, konnten nicht identifiziert werden.87 g) Die Abschreckungswirkung der sich aus dem Vorbesitzerfordernis des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG, das an Kenntnis oder Kennenmüssen der behaupteten Pflichtverletzung oder des behaupteten Schadens aufgrund einer Veröffentlichung anknüpft, ergebenden Beweisschwierigkeiten steht in keinem hinnehmbaren Verhältnis zu einem dadurch zu gewährleistenden Missbrauchsschutz, sodass die geltende Regelung gestrichen werden sollte. Der durch das Quorum sowie die übrigen Klagezulassungsvoraussetzungen zu gewährleistende Schutz der Gesellschaft vor missbräuchlichen Klagen wird für ausreichend gehalten, hilfsweise wird ein § 142 Abs. 2 S. 2 AktG entsprechendes Vorbesitzerfordernis, das nicht mit vergleichbaren Beweisproblemen verbunden wäre, vorgeschlagen.88 h) Die verpflichtenden Aufforderungen der Gesellschaft zur Klageerhebung durch die Aktionäre in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 4 S. 1 AktG sollten beibehalten werden. Es wäre ohnehin mit einem entsprechenden Verhalten klagewilliger Aktionäre zu rechnen, ist doch die Anspruchsverfolgung, gleich durch wen, ihr Ziel. Weiterhin wird eine solche Aufforderung der Gesellschaft den Ernst der Absichten ihrer Aktionäre vor Augen führen und kann daher einen sinnvollen Anreiz zur eigenen Klageerhebung schaffen.89 i) Im Hinblick auf eine Förderung der Sachverhaltsermittlung sollte indes eine Kostenerstattungspflicht der Gesellschaft im Fall der Erhebung einer Schadensersatzklage gegen Organmitglieder im Anschluss an eine Aufforderung nach § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG geschaffen werden.90 j) Das Erfordernis des Verdachts einer Schädigung durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung ist inhaltlich mit erheblichen Unklarheiten besetzt und zudem seit der Einführung der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zum Schutz der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Gesellschaftsorgane nicht mehr erforderlich.91 k) Um zu verhindern, dass eine einprozentige Minderheit der Gesellschaft und der Aktionärsmehrheit eine nicht interessengerechte Klage aufzwingen kann, sollte dennoch grundsätzlich an einem qualifiziert pflichtwidrigen Fehlverhalten als Klagezulassungsvoraussetzung festgehalten werden. Diesbezüglich wird das Vorliegen einer Treupflichtverletzung oder eines grob fahrlässigen Sorgfaltspflichtverstoßes vorgeschlagen; eine Differenzierung zwischen Legalitäts- und sonstigen Sorgfaltspflichtverletzungen sollte nicht erfolgen.92 87 88 89 90 91 92

5. Teil B. II. 1. e). 5. Teil B. II. 1. f). 5. Teil B. II. 1. g). 5. Teil B. II. 1. g). 5. Teil B. II. 1. h) aa), bb). 5. Teil B. II. 1. h) cc).

602

6. Teil: Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

l) Fehlt es an einer derart qualifizierten Pflichtverletzung, sollte eine Aktionärsklage in Anlehnung an ein in der Literatur entwickeltes Konzept nur möglich sein, wenn die Hauptversammlung nicht widerspricht, wobei in Anlehnung an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG eine zehnprozentige Sperrminorität bestehen sollte. Ein Widerspruch sollte die Anspruchsverfolgung durch Aktionäre für den Zeitraum bis zur nächsten Hauptversammlung unzulässig machen.93 m) § 142 Abs. 2 S. 1 AktG wäre an die genannten Klagevoraussetzungen zur Sicherstellung der Informationsbeschaffung im Sinne einer Folgeänderung anzupassen.94 n) Das Zulassungserfordernis des Fehlens entgegenstehender überwiegender Gründe des Gesellschaftswohls in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG sollte in der gegebenen Form belassen werden.95 o) Die Befugnis der Gesellschaft, ein Aktionärsklageverfahren in jedem Stadium zu übernehmen oder unter Fortfall der Prozessführungsbefugnis der Aktionäre eine eigene Schadensersatzklage zu erheben, sollte unangetastet bleiben. Es konnten, abgesehen von einem möglichen psychologischen Anreiz für klagewillige Minderheitsaktionäre, der zur Rechtfertigung eines derart weitreichenden Eingriffs in die Verfügungsbefugnis der Gesellschaft nicht als ausreichend beurteilt wird, keine Gründe gefunden werden, die dafür sprächen, der Gesellschaft die Prozessführungsbefugnis während einer laufenden Aktionärsklage zu entziehen.96 p) Die Kostentragung sollte grundsätzlich wie bisher geregelt werden. Eine Teilschuld mehrerer Antragsteller oder Kläger kommt nicht in Betracht.97 Eine Streitwertverringerung könnte, sofern der hier nicht geteilten Auffassung, die die Kostenbelastung im Klagezulassungsverfahren als prohibitiv bewertet, gefolgt würde, nur für diesen Verfahrensabschnitt entsprechend § 247 Abs. 2 AktG vorgenommen werden.98 Die Voraussetzungen, unter denen die Gesellschaft die Kosten der Aktionärskläger zu tragen hat, sollten unverändert bleiben, es sollte lediglich der Feststellung der Voraussetzungen des § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG im Sonderprüfungsbericht in positiver wie negativer Richtung unwiderlegliche Vermutungswirkung zukommen.99 Die Kostentragung durch die Gesellschaft sollte im Sinne einer unmittelbaren Kostenschuld, nicht lediglich eines Erstattungsanspruchs, geregelt werden.100

93

5. Teil B. II. 1. h) cc). 5. Teil B. II. 1. h) cc). 95 5. Teil B. II. 1. i). 96 5. Teil B. II. 2. 97 5. Teil B. II. 3. b) aa). 98 5. Teil B. II. 3. b) bb). 99 5. Teil B. II. 3. b) dd). 100 5. Teil B. II. 3. b) ff).

94

B. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

603

q) Eine Erfolgsbeteiligung klagender Aktionäre sollte trotz des Fehlens grundsätzlicher Bedenken gegen eine solche „Fangprämie“ wegen der damit verbundenen problematischen Verhaltensanreize derzeit nicht eingeführt werden.101

101

5. Teil B. II. 4.

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Stichwortverzeichnis 43. Deutscher Juristentag (1960)

499

Abschlussprüfer 466, 468 Abtretung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder 183 Adäquanztheorie 488 Aktionäre siehe Hauptversammlung Aktionärsklage 546 – Abschaffung des Klagezulassungsverfahrens de lege ferenda 552 – Beziehung zur Business Judgment Rule 563 – Erfolgsbeteiligung der Kläger („Fangprämie“) 580 – Gesellschaftswohl 569 – Haftungshöchstgrenzen de lege ferenda 484 – Klageaufforderung an die Gesellschaft 558 – Klagebefugnis für Personen außerhalb der Gesellschaft 554 – Kosten 574 – praktische Bedeutungslosigkeit 546 – Prozessstandschaft 571 – qualifizierte Pflichtverletzung 559 – Quorum 547 – Reform 547 – Schutz durch die Sperrminorität des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 389 – Selbsteintrittsrecht der Gesellschaft 571 – Sonderprüfung 550 – Stufenmodell 550 – Subsidiarität 572 – USA siehe US-amerikanisches Recht – Aktionärsklage – Vorbesitzerfordernis (§ 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG) 556 – Zuständigkeit im Klagezulassungsverfahren 553 allgemeines Lebensrisiko 497

– Business Judgment Rule 508 Anspruchsverfolgungspflicht (Aufsichtsrat) 529 ARAG/Garmenbeck (BGH-Entscheidung) 98, 529 – als Vorbild der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG 120, 152, 537 Arbeitnehmerbegriff 293 Arbeitnehmerhaftung 292, 355 siehe auch Innerbetrieblicher Schadensausgleich – als „Referenzmodell“ einer Begrenzung der Vorstandsinnenhaftung 288 – Anwendung auf Vorstandsmitglieder 313 – Anwendungsvoraussetzungen 295 – Ausgestaltung 297 – Betriebsrisiko 303 – Beweislast 298 – „Dogmatik“ 298, 312 – Fürsorgepflicht siehe Fürsorgepflicht – Grundgedanke des innerbetrieblichen Schadensausgleichs 295 – Verfassungsrecht 307 Aufsichtsrat – Anspruchsverfolgung 528 – Business Judgment Rule 537 – D&O-Versicherung 213 – Pflichten beim Vergleich über Ansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder 377 – unternehmerische Entscheidung (Anspruchsverfolgung) 536 Bayer, Walter 286 Begrenzung der Vorstandshaftung – Alternative Begründungen zur Fürsorgepflicht 343 – Analogie zu § 254 BGB 344 – Billigkeitserwägungen 343 – Notwendigkeit 347

652

Stichwortverzeichnis

– Rechtsfortbildung praeter legem 346 – Schutzbereich des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG 345 – verfassungsrechtliche Gebotenheit 359 Begrenzung der Vorstandshaftung qua Fürsorgepflicht – Begrenzung des Schadensersatzanspruchs 331 – Beschränkung (nur) der Geltendmachung von Ersatzansprüchen 330 – Einrede 330 – rechtliche Ausgestaltung 329 Betriebsrisiko – § 254 BGB 304 – Aktiengesellschaft 317, 324, 344 – Arbeitnehmerhaftung 303 Billigkeitsklausel 487 – 43. Deutscher Juristentag (1960) 499 – Einführung ins geltende Recht 501 – Referentenentwurf § 255a BGB (1967) 501 – Reformdiskussion in den 1950er/60erJahren 487 Bundesverfassungsgericht – Anforderungen an zwingendes Privatrecht 364 – Bürgschaftsentscheidung 360 – Richterlicher Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse 360 Bürgschaftsentscheidung (BVerfG) 360 Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) 97 siehe auch US-amerikanisches Recht – angemessene Informationsgrundlage 114 – Darlegungs- und Beweislast 390 – Kollektiventscheidungen des Vorstands 107 – Regelungsanliegen 97, 122 – Tatbestandsmerkmal „vernünftigerweise“ 128 – unternehmerische Entscheidung – Definition 104 – US-amerikanisches Vorbild 153 Claims made Prinzip 227 Corealkredit siehe Hypothekenbank (BGHEntscheidung)

Darlegungs- und Beweislast 390 – amtierende Vorstandsmitglieder 393 – ausgeschiedene Vorstandsmitglieder 396 – Beschlüsse des 70. Deutschen Juristentags 391 – Grundgedanke des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG 392 – Kritik an der gesetzlichen Regelung 391 – Rechtsprechung 395 – Reformvorschläge 398 DCGK siehe Deutscher Corporate Governance Kodex derivative suit siehe US-amerikanisches Recht – Aktionärsklage Deutsche Bank (Fall Kirch) 215 Deutscher Corporate Governance Kodex – D&O-Versicherung 213 – Treupflicht 55 D&O-Versicherung – Abschlusspflicht 522 – Aufsichtsrat 213 – Auswirkungen auf die Funktion der Vorstandshaftung 45, 516 – Claims made Prinzip 227 – Deckungsausschlüsse 217 – Geldbußen 218, 220, 223 – Haftungshöchstgrenzen de lege ferenda 480 – Inanspruchnahme 226 – Reform 511 – Selbstbehalt 213, 519, 524 – Verbot der Finanzierung durch die Gesellschaft 512 – Versicherungsfall 220, 227 Dreher, Meinrad 271 duty of care 57 duty of loyalty 58 efficient breach of law siehe nützliche Rechtsverletzungen Erfolgshaftung, unternehmerisches Risiko 349 Existenzvernichtende Haftung – allgemeines Zivilrecht 503 – Deliktsrecht 363 – Pfändungsschutzvorschriften 309 – Rechtsprechung des BVerfG 360 – Restschuldbefreiung 310, 502

Stichwortverzeichnis – satzungsdispositive Vorstandshaftung als Lösungsansatz 440 – Verfassungsrecht 311 Fürsorgepflicht – Aktiengesellschaft 331, 333 – Aktionäre und Vorstandsmitglieder 340 – als Schadenszurechnungsgrund 300, 334 – des Arbeitgebers 299 – inhaltliche Unbestimmtheit 300 – keine Erweiterung des rechtlichen Könnens 335 – „Synallagma“ 302 Fürsorgepflicht der Aktiengesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern 331 – Anwendungsfälle 332 – inhaltliche Unbestimmtheit 331 Gefährdungshaftung 465 Gefahrgeneigte Tätigkeit 295 Geldbußen – D&O-Versicherung siehe D&O-Versicherung – Kartellrecht siehe Kartellbußgelder – Verzicht und Vergleich bzgl. Schadensersatzansprüchen als Anreiz zur Kooperation 372 GmbH – Geschäftsleiterhaftung 357 – Vermögensbindung 202 – Verzicht und Vergleich 202 Haftung in anderen Rechtsverhältnissen 347 – Abschlussprüfung 466 – Arbeitnehmer 355, 418 – Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit 415 – Bürgschaft 361 – Delikt 357, 363 – Dienstleister 355 – Gefahr der „Existenzvernichtung“ 503 – GmbH-Geschäftsführer 357 – Haftungshöchstgrenzen 465, 470 – leitende Angestellte 355 – Ratingagenturen 466 – Rechtsanwälte 355

653

– Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten 416 – Steuerberater 355 – unbeschränkt haftende Unternehmer 348 – Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit 448 – Werkunternehmer 355 – Wirtschaftsprüfer 355 Haftungsbeschränkung – Adäquanz 488 – allgemeines Lebensrisiko 497 – durch Satzung 171, 419 – durch Vertrag 171, 487 – Schutzzweck der Norm 493 Haftungshöchstgrenzen de lege ferenda 464 – Auswirkungen auf die Funktion der Vorstandshaftung 472 – D&O-Versicherung 480 – gesetzliche Regelung 464 – Reformvorschlag 477 – satzungsmäßige Regelung 485 Hauptversammlung 339 – Eignung zum Beschluss satzungsmäßiger Haftungsregelungen 454 – Entscheidung über die corporate governance 420 – Haftungsfreistellung nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG 75, 196, 378 – Zustimmung als Instrument zur Enthaftung des Vorstands 378 Hindsight bias siehe Rückschaufehler Hypothekenbank (BGH-Entscheidung) 231, 256, 590 Innerbetrieblicher Schadensausgleich siehe auch Arbeitnehmerhaftung – Art. 2 GG 307 – Art. 12 GG 307 – Grundgedanke 295 – Inhalt 297 – Kriterien 305 – Kritik an verfassungsrechtlicher Begründung 309 – Sozialstaatsprinzip 307 – Unanwendbarkeit auf Vorstandsmitglieder 313 – Voraussetzungen 295 Ision (BGH-Entscheidung) 233, 256, 589

654

Stichwortverzeichnis

Juristentag – Beschlüsse des 70. DJT – Aktionärsklage – Erfolgsbeteiligung der klagenden Aktionäre 585 – Gesellschaftswohl 570 – klagebefugter Personenkreis 554 – Klagezulassungsverfahren 553 – Kosten 577 – Pflichtverletzung 565 – Quorum 550 – Selbsteintrittsrecht 574 – Stufenmodell 551 – Vorbesitzerfordernis 557 – Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat 545 – Billigkeitsklausel 487 – Darlegungs- und Beweislast 391, 396 – gesetzliche Haftungshöchstgrenzen 465 – gesetzliche Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs 415 – Satzungsdispositivität des Sorgfaltsmaßstabs 420, 425, 460 – satzungsmäßige Haftungshöchstgrenzen 485 – Sperrfrist (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG) 371 – Sperrminorität (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG) 390 – Verbot der Versicherung des Selbstbehalts (D&O-Versicherung) 520 – Verjährung (§ 93 Abs. 6 AktG) 406, 409 f. Juristische Personen als Vorstandsmitglieder 526 KapInHaG siehe Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz 467 Kartellbußgelder 271 – Bußgeldrahmen 272 – deutsches Recht 272 – Europarecht 271 – Regress 275 – Regressausschluss 277 – Regressbegrenzung auf den Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 S. 1 GWB 283

– Regressbegrenzung qua Fürsorgepflicht (Bayer) 286 – Schadensverursachung durch Vorstandsmitglieder bei Einigung zwischen Gesellschaft und Behörde 275 – Verhaltenssteuerung 278 – Vorstandsmitglieder als Adressaten 273 Kartellrecht – Bußgelder siehe Kartellbußgelder – Rechtsunsicherheit siehe Legalitätspflicht Koch, Jens 288 Kompensationsfunktion 40, 43, 46, 83, 433, 451, 472, 480, 512, 581 KonTraG 548, 550, 564 Legalitätspflicht 73 siehe auch nützliche Rechtsverletzungen – Begriff 74 – Begründung 75 – Business Judgment Rule 78 – Grenzen 79 – Legal Judgment Rule 86, 168 – Rechtsunsicherheit im Kartellrecht 274 – unklare oder unsichere Rechtslage 85 – vertragliche Pflichten 88 Minderheitenschutz – Haftungshöchstgrenzen de lege ferenda 484 – Missbrauchsgefahr 385, 389 – satzungsmäßige Haftungsregelungen de lege ferenda 460 – Verzicht und Vergleich 383, 389 Minderheitsaktionäre 383, 389, 460 – Aktionärsklage (§ 148 AktG) 547 – Anspruchsdurchsetzung (Geschichte) 547 – Gefahr des Missbrauchs von Minderheitenrechten 389 – Missbrauch von Minderheitenrechten 385 Notwendigkeit einer Haftungsbegrenzung 347 nützliche Pflichtverletzungen siehe nützliche Rechtsverletzungen nützliche Rechtsverletzungen 75, 80, 82, 105, 245, 248

Stichwortverzeichnis Ordnungswidrigkeiten siehe auch Geldbußen siehe auch Kartellbußgelder – keine Enthaftung durch Zustimmung der Hauptversammlung 379 Organisations- und Überwachungspflichten 91 – § 91 Abs. 2 AktG 95 – Anforderungen 93 f. – horizontal 91 Präventionsfunktion 40, 43 f., 46, 83, 170, 218, 224, 246, 249, 280, 433, 450, 472, 476, 478 f., 483, 516, 521, 549, 555, 581 Prinzipal-Agent-Konflikt 60, 349 Ratingagenturen 466 Rechtsanwälte – Haftung 355 – Zulässigkeit vertraglicher Haftungsbeschränkungen 466 Referenzmodell Arbeitnehmerhaftung siehe Arbeitnehmerhaftung Reform 370 siehe auch Juristentag – Aktionärsklage 547 – Billigkeitsklausel 487 – Darlegungs- und Beweislast 390, 398 – D&O-Versicherung 511 – Enthaftungsvereinbarungen 388 – Haftungshöchstgrenzen 464 – satzungsmäßige Haftungshöchstgrenzen 485 – Sorgfaltsmaßstab 414 – Sperrfrist (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG) 370 – Sperrminorität 389 – Verjährung 408 – Verzicht und Vergleich 370 Rückschaufehler 69, 98, 480 Satzungsdispositivität des Sorgfaltsmaßstabs de lege ferenda 419 – Folgeregelungen 434 – Gefahr der Benachteiligung der Aktionäre 454 – gesetzlicher Rahmen 421 – Publizitätsanforderungen 427 – Schaffung neuer Haftungsgefahren 442

655

– Vereinbarkeit mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 438 Schadensausgleichsfunktion siehe Kompensationsfunktion Schutzzweckzusammenhang 493 Siemens – Klage gg. Neubürger 216 – Korruptionsaffäre (Schaden) 268 Siemens/Nold (BGH-Entscheidung) 456 Sorgfaltsmaßstab 414 – gesetzliche Herabsetzung de lege ferenda 414 – Herstellung von Satzungsdispositivität de lege ferenda 419 Steuerberater – Haftung 355 – Zulässigkeit vertraglicher Haftungsbeschränkungen 466 Treupflicht 51 – Abgrenzung zur Sorgfaltspflicht – Inhalt 52 – US-amerikanisches Recht 57

72

UMAG 78, 152 f., 389, 537, 546 – Referentenentwurf 160 unternehmerisches Ermessen 130, 530 – Verwaltungsrecht 131 – Zivilrecht 137 unternehmerisches Risiko 349 – Begrenzung durch Gründung einer Kapitalgesellschaft 350 US-amerikanisches Recht – Aktionärsklage 66, 156, 158, 551, 582 – Begriff der business decision 103 – business judgment rule 121, 154 – Anwendungsbereich 157 – Entstehung des „safe harbor“ 155 – duty of care vs. duty of loyalty 56 – Haftungsgrenzen 476 Verfassungsrecht 359 – Kritik an der Regelung der Vorstandshaftung 365 Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats siehe Anspruchsverfolgungspflicht (Aufsichtsrat) Vergleich Arbeitnehmer/Vorstand – Anspruchsverzicht 325

656 – – – – – – – –

Stichwortverzeichnis

Anstellungsbedingungen 322 Arbeitgeberfunktion 314 gesetzliche Regelung der Haftung 327 Gläubigerschutz 326 Risikobeherrschung 317 Risikoverteilung 324 Schadensprävention und -folgen 319 Vergütung im Verhältnis zur Schadenshöhe 321 – Weisungsbindung 314 Vergleich zwischen AG & GmbH – Geschäftsleiterhaftung 357 – Vermögensbindung 202 Verhaltenssteuerung – Ordnungswidrigkeitenrecht siehe Kartellbußgelder Verhaltenssteuerung siehe Präventionsfunktion Verjährung 403 – Begründung der Sonderverjährung des § 93 Abs. 6 AktG 405 – Kritik an § 93 Abs. 6 AktG 406 – Reformüberlegungen 408 – Vergleich Regelverjährung vs. § 93 Abs. 6 AktG 403 Vermögensbindung 341 – im Vergleich zur GmbH 202 Verzicht und Vergleich siehe auch Verzichts- und Vergleichsverbot (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG) – Abtretung 183 – als Anreiz zur Kooperation der Vorstandsmitglieder in Ordnungswidrigkeitenverfahren 372 – Anerkenntnis im Prozess 177 – Anforderungen an den Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats 377 – de lege ferenda 370 – geltendes Recht 171 – GmbH 202 – Interesse an einer Anspruchserledigung 371 – Klagerücknahme 177 – Minderheitenschutz 383, 389 – Nichtgeltendmachung von Ansprüchen 180

– – – – – –

Prozessvergleich 173 Sperrminorität 389 Stillhalteabkommen 182 Versäumnisurteil 178 Verzicht nach § 306 ZPO 176 Zweck der gesetzlichen Regelung 172, 380 Verzichts- und Vergleichsverbot (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG) 171, 514 – vs. Begrenzung der Vorstandshaftung 335 VorstAG 213, 241, 520, 522, 538 Vorstandshaftung – Arbeitnehmerhaftung 288 – Darlegungs- und Beweislast 390 – Durchsetzung 528 – Enthaftung durch Zustimmung der Hauptversammlung nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG 378 – Funktion 40 – Notwendigkeit der Begrenzung 347 – privatautonome Regelungen 171 – Reform 370 – Risikoaversion 67 – Sorgfaltsmaßstab 49 – Treupflicht 334 – Verfassungsrecht 359, 365 – Vergleich mit Haftung in anderen Rechtsverhältnissen 347 – Verjährung 403 – Vorteilsausgleichung siehe Vorteilsausgleichung Vorteilsausgleichung 231 – erweiterte („Hypothekenbank“-Entscheidung des BGH) 256 – Grundlagen 231 – Vorstandshaftung 233 Wirkungen der Vorstandshaftung siehe auch Präventionsfunktion, Kompensationsfunktion – Sorgfalts- und Treupflicht 42 Wirtschaftsprüfer – Haftung 355, 466, 468 – Zulässigkeit vertraglicher Haftungsbeschränkungen 466