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German Pages 301 Year 1993
Schriften zum Völkerrecht Band 106
Die rechtliche Struktur der Sicherungsmaßnahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation Von
Torsten Lohmann
Duncker & Humblot · Berlin
TORSTEN LOHMANN
Die rechtliche Struktur der Sicherungsmaßnahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation
Schriften zum Völkerrecht Band 106
Die rechtliche Struktur der Sicherungsmaßnahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation
Von Dr. Torsten Lohmann
Duncker & Humblot * Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Lohmann, Torsten: Die rechtliche Struktur der Sicherungsmassnahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation / von Torsten Lohmann. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum Völkerrecht ; Bd. 106) Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07642-7 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 3-428-07642-7
Vorwort An dieser Stelle möchte ich Herrn Professor Dr. Michael Bothe für die engagierte und persönliche Unterstützung danken, die er meiner wissenschaftlichen Arbeit hat angedeihen lassen. Ohne sie wäre dieses Buch nicht geschrieben worden. Herrn Professor Dr. Brun-Otto Bryde möchte ich für die kritisch-wohlwollende Zweitbegutachtung der diesem Buch zugrunde liegenden Dissertation danken. Dank schulde ich auch Herrn Thomas Kurzidem für wertvolle Literaturhinweise und Herrn Ass. jur. Christian Schmidt für fruchtbare Diskussionen. Meiner Frau Vera gilt mein besonderer Dank für die unermüdliche Unterstützung bei der Endfassung des Manuskripts. Widmen möchte ich die Arbeit meinen Eltern.
Frankfurt, im Oktober 1992
Torsten Lohmann
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel: Einführung
21
A. Untersuchungsanlaß
21
B. Untersuchungsgegenstand
23
C. Stand der rechtswissenschaftlichen Forschung
24
D. Fragestellung
24
E. Gang der Untersuchung
25
2. Kapitel: Das Organisationsrecht der IAEO
29
A. Vorgeschichte
29
B. Zielsetzung
30
C. Kontrollzuständigkeiten
30
I. II. III. IV.
Überwachung Überwachung Unterstützung Kontrolle der
von Vereinbarungen zur friedlichen Kernenergienutzung eigener Nuklearmaterialbestände des UN-Sicherheitsrates Einhaltung von Umwelt- und Sicherheitsstandards
30 32 32 33
D. Kontrollbefugnisse I. Art. XII.A IAEO-Statut II. Das Sicherungssystem der IAEO (INFCIRC/66/Rev. 2) III. Das Musterabkommen (INFCIRC/153)
34 34 35 37
E. Rechtsstellung in den Mitgliedsstaaten
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F. Interne Verfassung I. Gouvemeursrat 1. Zusammensetzung 2. Arbeitsweise 3. Kompetenzen a) Allgemeines b) Verfahrensgestaltung
40 40 40 40 41 41 42
8
Inhaltsverzeichnis
c) Kontrolle der Verfahrensdurchführung d) Entscheidung über Sanktionen e) Unterorgane aa) Safeguards Committee (1970) bb) Standing Advisory Group on Safeguards Implementation (SAGSI) . . . . IL General-Konferenz III. Sekretariat unter Leitung des Generaldirektors 1. Zusammensetzung 2. Kompetenzen 3. Gewährleistung der persönlichen Unabhängigkeit 4. Sicherung der Verschwiegenheit IV. Optionales Schiedsgericht
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G. Beziehungen zu anderen Internationalen Organisationen I. Vereinte Nationen 1. Berührungspunkte 2. Koordination II. Oberprüfungskonferenzen des NV-Vertrages III. EURATOM IV. OPANAL V. Konsultativausschuß des Vertrages von Rarotonga VI. Informelle staatliche Zusammenschlüsse 1. Zangger-Committee 2. London-Suppliers Club
48 48 48 48 49 50 51 52 52 52 53
3. Kapitel: Die Begründung des Kontrollmandates der IAEO
55
A. Allgemeines
55
B. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen I. Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NV-Vertrag) 1. Allgemeines 2. Materielle Verpflichtungen 3. Verpflichtung zur Annahme von IAEO-Kontrollen a) Beschränkung auf die Nichtverschaffungsverpflichtung der Nichtkemwaffenstaaten b) Beschränkung auf die Feststellung der Nichtabzweigung von Kemmaterial . aa) Objektivierung für Verfahrenszwecke bb) Beschränkung auf Kemmaterial cc) Ausnahme für Nuklearmaterial in nicht-explosiven militärischen Aktivitäten dd) Beschränkung auf die Feststellung von Abzweigungen ee) Vollständigkeit der Erfassung des Nuklearmaterials c) Verpflichtung zum Abschluß von Sicherungsabkommen II. Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen in Lateinamerika (Vertrag von Tlatelolco) 1. Allgemeines 2. Materielle Verpflichtungen
56 56 56 57 58 58 59 59 60 61 61 62 62 63 63 63
Inhaltsverzeichnis
3. Verpflichtung zur Annahme von IAEO-Kontrollen 64 III. Vertrag über die Errichtung einer kernwaffenfreien Zone im Südpazifik (Vertrag von Rarotonga) 65 1. Allgemeines 65 2. Materielle Verpflichtungen 66 3. Verpflichtung zur Annahme von IAEO-Kontrollen 66 IV. Zwischenstaatliche Nuklearkooperationsverträge 66 1. Bedeutung 66 2. Steuerung durch Exportbeschränkungsverpflichtungen 67 3. Vorgaben durch Exportbeschränkungsverpflichtungen 67 a) Entwicklung 67 b) Völkerrechtliche Verpflichtungen 68 aa) Art. III.2 NV-Vertrag 68 bb) Art. 4 a) des Vertrages von Rarotonga 69 cc) Nuklearkooperationsverträge 70 c) Politische Verpflichtungen 70 4. Materielle Verpflichtungen 71 5. Verpflichtung zur Annahme von IAEO-Kontrollen 72 a) Grundsatz: Beschränkung auf den Kooperationsgegenstand 73 b) Erweiterungen durch Art III.2 NV-Vertrag 73 c) Erweiterungen durch den Vertrag von Rarotonga 75 d) Erweiterungen durch die London Suppliers Guidelines 75 V. Projektvereinbarungen zwischen der IAEO und Mitgliedstaaten 76 VI. Bilaterale Kontrollunterstellungsverpflichtungen 76 VII. Unilaterale Unterstellung 77 C. Sicherungsabkommen der IAEO mit den Staaten I. Abschluß und Inkrafttreten II. Arten von Sicherungsabkommen 1. Sicherungsabkommen mit Nichtkernwaffenstaaten aufgrund multilateraler Verträge 2. Sicherungsabkommen mit Kemwaffenstaaten 3. Sicherungsabkommen mit Nichtkernwaffenstaaten aufgrund bilateraler Verträge III. Geltungsdauer
78 78 79 79
4. Kapitel: Die rechtliche Kontrolle des Verfahrens
81
A. Allgemeines
81
B. Verfahrensrechtliche Instrumente I. II. III. IV. V. VI.
Sicherungsabkommen Ergänzungsabkommen IAEO-Statut Kausalverträge Sicherungssysteme Innenrecht der IAEO
C. Einigungsvorbehalte
77 77 78
81 82 83 85 85 86 87 87
10
Inhaltsverzeichnis
I). Gestaltung s rechte I. Gestaltungsrechte der IAEO II. Gestaltungsrechte des überwachten Staates E. Verfahrensgrundsätze I. Steuerungsfunktion der Verfahrensgrundsätze II. Quellen für Verfahrensgrundsätze III. Einzelne Verfahrensgrundsätze 1. Objektivitätsverpflichtung 2. Tatsachenfeststellungsmodus a) Allgemeines b) Deklarationsprinzip c) Verifikationsprinzip d) Inquisitionsprinzip e) Kontradiktionsprinzip 3. Grundsatz des Vorranges der kooperativen Verfahrensdurchführung 4. Grundsatz des rechtlichen Gehörs 5. Grundsatz der Mitwirkung des überwachten Staates 6. Grundsatz der Beachtung der nationalen Souveränität 7. Gleichbehandlungsgrundsatz S.Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 9. Grundsatz des Schutzes legitimer Geheimhaltungsinteressen a) Beschränkung auf die Gewinnung der unbedingt erforderlichen Informationen b) Beschränkung auf die notwendige Informationsproliferation innerhalb der Agentur c) Summarische, genehmigte und konsentierte Infonmationsweitergabe an die Öffentlichkeit 10. Grundsatz der Verfahrensökonomie 11. Grundsatz der Ausnutzung der technischen Entwicklung 12. Grundsatz der Spaltmaterialkontrolle an strategischen Punkten bei den Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/153 13. Grundsatz der internationalen Überprüfung nationaler Kontrollen bei den Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/153 F. Durchsetzung und Streitbeilegung in Verfahrensfragen I. Durchsetzungsmittel der Agentur 1. Allgemeines 2. Verhandlungen 3. Verfahrensgestaltung 4. Information des Gouvemeursrates 5. Anordnungen des Gouverneursrates 6. Veröffentlichungen 7. Mitwirkungslastfeststellungen II. Rechtsschutzmittel des Staates 1. Verhandlungen 2. Beschwerde beim Gouverneurs rat der IAEO 3. Schiedsgerichtliches Verfahren 4. Beendigung der Verfahrensunterwerfung
89 89 90 90 90 91 92 92 92 92 94 94 95 95 96 96 97 97 98 99 99 100 101 101 102 102 103 104 104 105 105 106 106 106 107 108 108 108 109 109 110 110
Inhaltsverzeichnis
III. Verfahrensrechte dritter Staaten 1. Keine Beteiligungsrechte bei den Sicherungsmaßnahmen 2. Wahrnehmung der Mitgliedschafts rechte 3. Regionale Verfahren 4. Befassung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
111 111 111 112 112
5. Kapitel: Der Inhalt des Mandates der IAEO
113
A. Allgemeines
113
B. Aufgaben der Sicherungsmaßnahmen I. II. III. IV. V.
Verifikation Prävention Ermöglichung internationaler Reaktionen Normative Präferenzen? Funktion von Sicherungsmaßnahmen in Kernwaffenstaaten
C. Sicherungsmaßnahmen zu unterstellende Gegenstände I. Begrenzungsfunktion der gegenständlichen Bestimmung II. Bestimmung des zu überwachenden Kernmaterials 1. Basis-Definition 2. Bestimmung des im Einzelfall dem Verfahren zu unterstellenden Nuklearmaterials a) Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 b) Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 c) Sicherungsabkommen mit Kemwaffenstaaten aa) Anwendungsbereich bb) Auswahl durch die IAEO 3. Eintritt von Nuklearmaterial in die Sicherungsmaßnahmen a) Abgrenzung zu Erzen und Vorprodukten aa) INFCIRC/153 bb) INFCIRC/66/Rev. 2 b) Import von Nuklearmaterial 4. Behandlung von Nuklearmaterial im Transit 5. Modifikation von Sicherungsmaßnahmen 6. Suspendierung von Sicherungsmaßnahmen a) Verwendung für erlaubte nichtfriedliche Tätigkeiten (INFCIRC/153) b) Ersetzung (INFCIRC/66/Rev.2) 7. Befreiung von der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen a) Geringe Mengen von Kemmaterial (INFCIRC/153) b) Kemmaterial in geringen Mengen in bestimmten Verwendungen (INFCIRC/ 153) c) Kemmaterial in Kleinanlagen 8. Beendigung von Sicherungsmaßnahmen a) Verbrauch oder Verdünnung b) Verwendung für nicht-nukleare Tätigkeiten c) Export des Kemmaterials aa) INFCIRC/153
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12
Inhalt s verzei chni s
bb) INFCIRC/66/Rev.2 d) Ablauf des Sicherungsabkommens aa) INFCIRC/153 bb) INFCIRC/66/Rev.2 cc) Sicherungsabkommen mit Kemwaffenstaaten III. Andere Gegenstände
135 136 136 137 137 137
I). Durch Sicherungsmaßnahmen festzustellende Vorgänge 139 I. Begrenzungsfunktion der vorgangsbezogenen Bestimmung 139 II. Verifikationsauftrag 139 1. INFCIRC/153 139 a) Sicherstellung der Erfassung sämtlichen Nuklearmaterials 139 b) Nachprüfung der Nichtabzweigung von Nuklearmaterial 140 2. INFCIRC/66/Rev.2 141 a) Nichtabzweigung von Nuklearmaterial für militärische Zwecke oder Kemsprengkörper 141 b) Kein Mißbrauch für militärische Zwecke 142 3. Sicherungsabkommen mit Kemwaffenstaaten 142 4. Umsetzung des Verifikationsauftrages in Arbeitshypothesen 142 III. Entdeckungsauftrag 143 1. Versuch der Objektivierung durch normative Festlegungen 143 2. Einzelheiten 143 a) Entdeckung der Abzweigung signifikanter Mengen für unbekannte Zwecke . 143 b) Rechtzeitigkeit der Entdeckung 144 3. Entdeckungsziele in der Praxis der IAEO 145 a) Arbeitshypothesen 145 b) Festzustellende Indizien 147 aa) Anomalien 147 bb) Diskrepanzen 148 c) Widerlegbarkeit der Indizwirkung 149
6. Kapitel: Die Informationslieferung durch den überwachten Staat
151
A. Allgemeines
151
B. Funktion im Verfahren
151
C. Vorbereitung durch nationale Aufzeichnungen I. Funktion der nationalen Aufzeichnungen II. Aufzeichnungssystem nach INFCIRC/153
152 152 153
D. Berichts- und Notifikationspflichten in den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 . 155 I. Allgemeines 155 II. Informationen über Nuklearanlagen 156 III. Informationen über Nuklearmaterial 158 1. Anfangsberichte 158 2. Buchhaltungsberichte 158 3. Informationen über Nuklearmaterial außerhalb von Anlagen 160
Inhaltsverzei clini s
4. Notifikation grenzüberschreitender Transfers 5. Sonderberichte IV. Verpflichtungen zur Information der IAEO über Urankonzentrat E. Berichts- und Notifikationspflichten in den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/ Rev.2 I. Importnotifikationen II. Notifikation der Errichtung von Anlagen unter Verwendung transferierter Informationen III. Notifikation der Herstellung von Nuklearmaterial unter Verwendung von Sicherungsmaßnahmen unterliegenden Gegenständen IV. Routine-Berichte V. Sonder-Berichte VI. Notifikation des Transfers in Drittstaaten
13
160 161 162
162 163 163 164 164 165 165
F. Frage- und Klärungsrecht der IAEO
165
G. Informationslasten
166
H. Implementation
167
7. Kapitel: Die Informationslieferung durch andere Staaten
169
A. Notwendigkeit der Informationsergänzung
169
B. Verpflichtungen zur Notifikation des Exports von Nuklearmaterial
170
I. II. III. IV.
Kausalverträge Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 Vereinbarungen der NV-KernwaffenStaaten mit der IAEO Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 1. Exporte in den Empfängerstaat 2. Exporte in Drittstaaten V. Weitere Informationspflichten anderer Staaten
170 170 171 172 172 172 173
C. Verpflichtungen zur Notifikation des Exports von Nuklearanlagen und Ausrüstungsgegenständen I. Art. III.2 NV-Vertrag II. Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 III. Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2
173 173 175 175
I). Verpflichtungen zur Notifikation der Weitergabe technologischer Informationen
175
E. Verpflichtungen zur Lieferung weiterer Informationen
176
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
179
A. Allgemeines
179
14
Inhaltsverzei chni s
Β. Kategorien I. Routine-Inspektionen IL Ad-hoc-Inspektionen III. Sonderinspektionen IV. Inspektionen zur Überprüfung von Informationen über Anlagen
180 180 181 182 183
C. Unterstützende Maßnahmen (Containment & Surveillance)
184
I). Inspektionseinleitung I. Modell des Art. XII.A.6 IAEO-Statut II. Initiative der IAEO und Zustimmung des überwachten Staates III. Antrag des überwachten Staates IV. Besondere Mitteilungen des Staates V. Kontingentierung des Initiativrechtes der IAEO 1. Allgemeines 2. INFCIRC/66/Rev.2 a) Höchstwerte für einzelne Anlagen b) Kriterien für die Einzelfallentscheidung der IAEO c) Anfangsinspektionen von Hauptkernanlagen 3. INFCIRC/153 a) Höchstwerte für Kategorien von Anlagen b) Kriterien für die Einzelfallentscheidung der IAEO aa) Allgemeines bb) Eigenschaften des Nuklearmaterials und der Nuklearanlagen cc) Eigenschaften des nuklearen Brennstoffkreislaufs eines Staates dd) Entwicklung der Überwachungstechniken ee) Internationale Verflechtung ff) Effektivität der nationalen Kontrollen gg) Kooperation im Verfahren hh) Entdeckungsziele ii) Vereinbarungen jj) Beanstandungsrecht des Staates kk) Probleme VI. Initiative der Agentur 1. Allgemeines 2. Inspektion großer Anlagen nach INFCIRC/66/Rev.2 3. Ad hoc-Inspektionen nach § 71 b) INFCIRC/153 4. Sonderinspektionen nach § 53 INFCIRC/66/Rev.2 5. Sonderinspektionen nach §§ 73 b), 77 INFCIRC/153 a) Allgemeines b) Ausschöpfung der sonstigen Informationsmittel c) Anhörung des Staates d) Inadäquanz der vorliegenden Informationen zur Aufgabenerfüllung aa) Feststellung einer signifikanten Materialbilanzdifferenz bb) Anhaltspunkte für die Nicht-Deklaration von Nuklearmaterial e) Verfahren f) Praxis VII. Antrag eines anderen Staates VIII. Weigerungsrechte der Staaten
184 184 185 185 186 187 187 187 187 188 189 189 189 190 190 191 191 192 192 192 193 194 194 194 195 197 197 197 198 198 199 199 199 199 199 200 200 201 202 203 204
Inhaltsverzeichnis
E. Inspektionsdurchführung I. Örtliche Beschränkungen 1. INFCIRC/66/Rev.2 und Inspectors' Document 2. INFCIRC/153 a) Allgemeines b) Normalfall der Sicherungsmaßnahmen aa) Strategische Funkte in Anlagen und Aufzeichnungen bb) Absende- und Empfangsorte bei Ex- und Importen cc) Vereinbarte Orte für die Überprüfung der Anlagedaten c) Erweiterte Zugangsrechte wegen fehlender Ergänzungsvereinbarungen d) Erweiterte Zugangsrechte bei Sonderinspektionen II. Zeitliche Beschränkungen 1. Allgemeines 2. Avisierung des allgemeinen Inspektionsprogramms 3. Notifikation der konkreten Inspektionsabsicht a) INFCIRC/66/Rev.2 b) INFCIRC/153 4. Überraschungs-Inspektionen 5. Permanente Inspektionen III. Funktionale Beschränkungen (Prüfungsbefugnisse) 1. Allgemeines 2. Inspectors' Document 3. INFCIRC/153 a) Allgemeines b) Überprüfung der Aufzeichnungen c) Überwachung von Messungen d) Unabhängige Messungen e) Installation von Beobachtungsinstrumenten und Versiegelungen f) Anwendung weiterer Maßnahmen g) Befragung von Personen h) Stationierung von Inspektoren IV. Persönliche Beschränkungen 1. Staatliches Vetorecht 2. Ernennung 3. Abberufung
204 204 204 205 205 205 206 207 207 . . . . 207 209 209 209 210 210 210 210 212 213 213 213 214 214 214 215 215 216 216 217 218 218 219 219 220 220
F. Implementation durch die überwachten Staaten
221
G. Inspektionsergebnisse
222
9. Kapitel: Die Evaluierung der Informationen
223
A. Allgemeines
223
B. Kompetenzverteilung innerhalb der IAEO
224
C. Verteilung der Feststellungslast
225
16
Inhaltsverzeichnis
I). Technische Evaluierung durch das Sekretariat I. Verfahren II. Negative Verifikation 1. Materialbilanzdifferenzen a) Feststellung b) Bewertung 2. Diskrepanzen und Anomalien 3. Bericht an den Gouverneursrat III. Positive Verifikation 1. Allgemeines 2. Inhalt der Verifikationsaussage a) Funktion b) Das "Safeguards Statement" der IAEO c) Bewertung der Effektivität der Sicherungsmaßnahmen aa) Allgemeines bb) Entdeckungswahrscheinlichkeit cc) Rechtzeitigkeit
226 226 227 227 227 228 230 231 231 231 232 232 232 233 233 234 235
E. Politische Evaluierung durch den Gouverneurs rat I. Verfahren II. Feststellungen 1. Nichterfüllung des Sicherungsabkommens (INFCIRC/66/Rev.2)
236 236 237 238
2. Non-liquet Feststellung (INFCIRC/153)
238
III. Praxis
239
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
241
A. Allgemeines
241
B. Sanktionen der IAEO
242
I. II. III. IV. V. VI.
Rechtsgrundlagen Kompetenzen Berichte an die Vereinten Nationen und die Mitgliedstaaten der IAEO Veröffentlichung Aufforderung zur Korrektur Weitergehende Sanktionen 1. Allgemeines 2. Beendigung der Kooperation a) Beendigung der Kooperation mit der Agentur b) Anordnung der Beendigung der Kooperation durch Mitgliedsstaaten 3. Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte 4. Nichtanwendung von Sicherungsmaßnahmen
(7. Sanktionen der Vereinten Nationen I. Rechtsgrundlagen 1. Sicherheitsrat 2. Generalversammlung II. Keine Bindung an Entscheidungen der IAEO
..
242 242 243 244 244 245 245 245 245 245 247 247 248 248 248 249 250
Inhaltsverzeichnis
III. Maßnahmen des Sicherheitsrates 1. Allgemeines 2. Auslösung der Maßnahmen gegenüber Irak 3. Rechtsgrundlagen des Sanktionsregimes 4. Verpflichtungen des Irak zur Unterlassung bestimmter nuklearer Aktivitäten . . 5. Verpflichtung des Irak zur Unterstellung sämtlichen waffentauglichen Nuklearmaterials unter die ausschließliche Kontrolle der IAEO zur Verwahrung und Beseitigung 6. Verpflichtung des Irak zur Duldung der Vernichtung sämtlicher zur Herstellung von Kernwaffen geeigneter Gegenstände 7. Verpflichtung anderer Staaten, jegliche nukleare Unterstützung des Irak zu verhindern 8. Verfahrensregelungen a) Allgemeines b) Mandat c) Anwendungsbereich der Kontrollen d) Mitteilungspflichten des Irak e) Pflicht zur Duldung von Inspektionen f) Mitteilungspflichten anderer Staaten g) Ergebnisse und Konsequenzen 9. Präzedenzwirkung des Sanktionsregimes im Falle Irak?
250 250 251 252 252 254 255 255 256 256 256 257 257 259 260 261 261
D. Sanktionen anderer Internationaler Organisationen
262
E. Verschärfung der nationalen Nuklearexportkontrollen als Gegenmaßnahme I. Allgemeines II. Kooperationsverpflichtungen 1. Art. IV NV-Vertrag 2. Bilaterale Kooperationsverplichtungen III. Berechtigung zu Gegenmaßnahmen IV. Sicherungsmaßnahmen der IAEO als "self-contained régime"? 1. Rechtslage 2. Rechtspolitische Beurteilung a) Ani aß b) Bindung an multilaterale Sanktionsentscheidungen c) Bindung an die positive Verifikation durch die IAEO aa) Materialorientierung der Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/153 . . . bb) Beschränkter Anwendungsbereich der Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 cc) Nachträgliche Ausrichtung dd) Eingeschränkte Sicherung der vollständigen Materialerfassung bei INFCIRC/153 ee) Unzureichende Information von Drittstaaten ff) Unzureichende Informationspflichten und fehlende Beteiligungsrechte der Drittstaaten gg) Fehlende Schutzklausel
264 264 265 265 265 266 266 266 268 268 269 270 270
2 Lohmann
271 271 271 272 272 273
18
Inhaltsverzeichnis
11. Kapitel: Zusammenfassung und Folgerungen
275
A. Funktionale Aufteilung der Aufgaben zwischen Organisationen und Organen
275
B. Aufspaltung der Rechtsgrundlagen
275
C. Die Strukturmerkmale der Sicherungsmaßnahmen
276
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.
Fragmentarischer Charakter der Kontrolle 276 Asymmetrie der Kontrolle 277 Kontinuierliche Verfahrensdurchführung 277 Routineverfahren und besonderes Verfahren 277 Formalisierung 278 Verifikation 278 Sanktionsanknüpfung 279 Schiedsgerichtliche Beilegung von Verfahrensstreitigkeiten 279 Grundsätzliche Bestimmtheit der Verfahrenspflichten und Kompetenzen 279 Subsidiäre Erweiterung der staatlichen Kooperationspflichten beim Vorliegen bestimmter Indizien 280 XI. Subsidiäre Erweiterung der Kompetenzen der IAEO bei Nichtkooperation des überwachten Staates 280
I). Der Stellenwert der "rule of law" im Verfahren
280
E. Bedingungen für die Akzeptierung der Kontrollen
281
F. Bedingungen für die Bindung anderer Staaten an die Verfahrensergebnisse
283
G. Funktionen der Sicherungsmaßnahmen
283
I. Durchsetzung der staatlichen Verpflichtungen 1. Objektive Funktionsbedingungen 2. Subjektive Funktionsbedingungen 3. Prävention von Verstößen 4. Korrektur von Verstößen II. Konfliktprävention III. Konflikttransformation
284 284 285 286 287 287 288
H. Modellcharakter?
288
I. Ausblick
290
Literaturverzeichnis
291
Abkürzungsverzeichnis ABl.
Amtsblatt
Aust. T. S.
Australian Treaty Series
BGBl.
Bundesgesetzblatt
EG
Europäische Gemeinschaft
EURATOM
Europäische Atomgemeinschaft
GATT
General Agreement on Tariffs and Trade
GOV/1621 of 1973
The Formulation of Certain Provisions in Agreements Under the Agency's Safeguards System (1965, As previously Extended in 1966 and 1968)
GOV/INF/500
Provisonal Rules of Procedure of Board of Governors as Amended up to January 1986
IAEO
Internationale Atomenergie-Organisation
IAEO-Statut
Statut der Internationalen Atomenergie-Organisation
IGH-Statut
Statut des Internationalen Gerichtshofs
ILM
International Legal Materials
INFCIRC
Information Circular
INFCIRC/66/Rev.2
The Agency's Safeguards System (1965, Provisionally Extended in 1966 and 1968)
as
INFCIRC/153
The Structure and Content of Agreements Between the Agency and States Required in Connection with the Treaty on the Non-Prolifération of Nuclear Weapons
INFCIRC/209
Communications Received from Members Regarding the Export of Nuclear Material and of Certain Categories of Equipment and Other Material (ZanggerList)
INFCIRC/254 2*
Communications Received From Certain Member States Regarding Guidelines for the Export of Nuclear
20
Abkürzungsverzeichnis
Material, Equipment or Technology Richtlinien für den Nuklearexport)
(Londoner
INFORC/288
Agreement Between the United States of America and the International Atomic Energy Agency for the Application of Safeguards in the United States of America
Inspectors' Document
The IAEA Inspectors' Document, GC(V)INF/39 of 1961
kg
Kilogramm
Ν V-Sicherungsabkommen
Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153
NV-Sicherungsmaßnahmen
Sicherungsmaßnahmen in Durchführung von NVSicherungsabkommen
NV-Vertrag
Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Atom waffen sperrvertrag )
OPANAL
Organización para la Proscripción de las Armas Nucleares en la América Latina y el Caribe
Relationship Agreement
Agreement (with Exchange of Letters) Concerning the Relation s ship Between the United Nations and the International Atomic Energy Agency
SIR
Safeguards Implementation Report
IJN-Charta IJNTS Verifikationsabkommen
Charta der Vereinten Nationen United Nations Treaty Series Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen AtomenergieOrganisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen
1. Kapitel
Einführung Α. Untersuchungsanlaß Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO)1 führt umfassende Kontrollen der zivilen Kernenergienutzung in nahezu allen Staaten der Erde durch. Die zivile Anwendung der Kernenergie birgt nicht nur erhebliche Risiken für die Umwelt, sondern auch für den Frieden, da die für die friedliche Nutzung verwandten Einrichtungen und Materalien auch für die Herstellung von Kernsprengkörpem genutzt werden können. Mit den Sicherungsmaßnahmen (safeguards, garanties) überprüft die IAEO2, ob Staaten ihre Verpflichtungen zur friedlichen Kernenergienutzung erfüllen.
1
Die IAEO wurde im Jahre 1957 als internationale Organisation gegründet. Der deutsche Text ihrer Satzung findet sich im BGBL 1957 II, S. 1357, 1958 II, S.4. Internationale Fundstelle: IINTS 276, S. 4 ff.. Eine Einführung zur IAEO gibt Szasz, International Atomic Energy Agency, in: Encyclopedia (5(1983)], S. 52-58, von dem auch das Standardwerk über die IAEO stammt: The Law and Practice of the International Atomic Energy Agency (1970). Etwas veraltet ist die Darstellung von Seyerstedt, Die Internationale Atomenergie-Organisation. Ihre rechtlichen Aufgaben und Funktionen (1966). Einen recht aktuellen politischen Überblick gibt Scheinman, The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987). 2 Während die Sicherungsmaßnahmen eine eingehende Bearbeitung in der politikwissenschaftlichen Literatur gefunden haben, ist die Zahl der umfassenderen rechtlichen Untersuchungen begrenzt: Kimminich, Die internationale Kontrolle der europäischen Atomindustrie. Vorgeschichte und Funktion des Verifikationsabkommens vom 5. April 1973, ZaöRV 1973, S. 636-671; Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73-141; von Pander , Die Sicherungskontrolle nach dem Nichtverbreitung svertrag in den EG-Staaten (1978); von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kernmaterial für Kernsprengkörper (1983); Blix, Aspects juridiques des garanties de l'Agence international de l'énergie atomique, AFDI 1983, S. 37-58; Edwards: International Legal Aspects of Safeguards and the Non-proliferation of Nuclear Weapons, ICLQ 1984, S. 1-21; Grossmann, Supervision within the International Atomic Energy Agency, in: van Dijk (ed.), Supervisory Mechanisms in International Economic Organisations (1984), S. 489-514; Hasselmann, Do we need new IAEA-Safeguards? GYIL 1984, S. 259-302; Politi , Diritto intemazionale e non-proliferazione nucleare (1984); Deiseroth , Atomwaffenverzicht der Bundesrepublik Deutschland-Reichweite und Grenzen der Kontrollsysteme, ArchVR 1990, S. 113-144.
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1. Kapitel: Einführung
Im Jahre 1995 wird gem. Art. X.2 des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NV-Vertrag) vom 1. Juli 19683 eine Konferenz seiner Vertragsparteien stattfinden, bei der über seine weitere Geltung und damit auch über die Anwendung der aufgrund dieses Vertrages durchgeführten Sicherungsmaßnahmen entschieden werden wird. Seit längerer Zeit und insbesondere nachdem im Irak, dessen zivile Nuklearindustrie Sicherungsmaßnahmen der IAEO aufgrund des NV-Vertrages unterstellt war, ein vertragswidriges Nuklearprogramm festgestellt worden ist, wird vielerseits die Frage nach der Wirksamkeit der Sicherungsmaßnahmen der IAEO und möglichen Verbesserungen gestellt.4 Eine Bestandsaufnahme und Analyse ihrer rechtlichen Wirkungsbedingungen könnte daher für die aktuelle Diskussion hilfreich sein.5 In den seit vielen Jahren geführten Verhandlungen über eine weltweite Konvention über das Verbot der Herstellung und des Besitzes von chemischen Waffen spielt das zu schaffende Kontrollsystem des Vertrages eine zentrale Rolle.6 Da auch hier einer noch zu errichtenden internationalen Organisation die Kontrolle der Einhaltung des Vertrages übertragen werden soll, könnten die Erfahrungen mit den Sicherungsmaßnahmen der IAEO Anhaltspunkte für Regelungskonzepte geben.7 Bei den Sicherungsmaßnahmen der IAEO handelt es sich um ein relativ weit in die staatliche Souveränität eingreifendes Aufsichtsverfahren. 8 Daher könnte die Diskussion ihres Verfahrensrechts von Interesse auch für andere Gebiete des Völkerrechts sein. Auch wenn spezifische Probleme aus den politischen und tatsächlichen Besonderheiten des Verfahrensgegenstandes
3 BGBl. 1974 II, S. 785. Siehe hierzu die umfassende Darstellung von Shaker , The NonProliferation Treaty, origin and Implementation 1959-1979 (1980). Zur aktuellen Diskussion siehe Fischerl Müller, The fourth review of the Non-proliferation Treaty, SIPRI Yearbook 1991: World Armaments and Disarmament, S. 554-582; Häckel, Die Bundesrepublik Deutschland und der Nichtverbreitungsvertrag (1989). 4 Vgl. zur Diskussion vor dem "Irak" Fall: Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 42-45. 5 Vgl. zu den politischen Aspekten die Beiträge bei Aga Khan (ed.), Non-proliferation in a Disarming World: prospects for the 1990's (1990); Brito/IntrilligatorlWick (eds.), Strategies for Managing Nuclear Proliferation: Economic and Political Issues (1984); Dunn, Controlling the Bomb, Nuclear Proliferation in the 1980's (1982). 6 Vgl. zum gegenwärtigen Verhandlungsstand den aktuellen "rolling text", CD1108. 7 Zur Übertragbarkeit der Konzepte der IAEO-Sicherungsmaßnahmen siehe: Fischer, Safeguards-a model for general arms control? IAEA-Bulletin 1982/2, S. 45-49. ElBaradei , The Role of the Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures, (1991). 8 Dahm - Wolf rum , Völkerrecht, Bd. 1, (1988), S. 96.
Β. llntersuchungsgegenstand
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resultieren, könnten die verfahrensrechtlichen Konzepte der Sicherungsmaßnahmen und ihre Anwendungsprobleme Anhaltspunkte für die Lösung der mit einer weiteren Intensivierung multilateraler Aufsicht über staatliche Verpflichtungen verbundenen Probleme geben.
B. Untersuchungsgegenstand
Der Begriff "Sicherungsmaßnahmen" bezeichnet die von der IAEO in 105 Staaten9 aufgrund bilateraler Nuklearkooperationsabkommen, Projektvereinbarungen von Staaten mit der IAEO oder multilateraler Rüstungskontrollverträge10 durchgeführten Kontrollen der zivilen Kernenergienutzung. Erstere werden als "satzungsmäßige", letztere als "NV-" Sicherungsmaßnahmen bezeichnet. Bei den satzungsmäßigen Sicherungsmaßnahmen, die nach dem in dem IAEO-Dokument INFCIRC/66/Rev.2 enthaltenen Sicherungssystem ausgestaltet sind,11 handelt es sich um auf einzelne Gegenstände bezogene Kontrollen. Die NV-Sicherungsmaßnahmen basieren auf dem neueren Sicherungssystem INFCIRC/153, das sich auf den gesamten zivilen Nuklearkreislauf eines Staates bezieht.12 Hiervon zu unterscheiden ist die Inspektionstätigkeit der IAEO im Irak, die sie aufgrund der Resolution 687 (1991) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen durchführt. 13 Zwar sieht das IAEOStatut auch die Kontrolle der Einhaltung von Sicherheits- oder Gesundheitsstandards vor, doch ist es bislang noch nicht zur Einführung von obligatorischen Kontrollverfahren gekommen, die den Sicherungsmaßnahmen vergleichbar wären.14
9
IAEA Bulletin 1991/2, S. 41. Eine umfassende Zusammenstellung dieser Verträge geben: Muntzing (ed.). International Instruments for Nuclear Technology Transfer (1978), und Fahl, Internationales Recht der Rüstungsbeschränkung (Loseblattsammlung); Miatello, International Nuclear Agreements (1988). " Siehe unten 2. Kapitel, D. II. 12 Siehe unten 2. Kapitel, D. III. 13 Diese wird als ein Teil der bei Verstößen gegen die Sicherungsmaßnahmen möglichen Konsequenzen gesondert untersucht werden. Siehe unten 10. Kapitel 3.3. 14 Vgl.: Szasz, International Atomic Energy Agency, Encyclopedia [5(1983)], S. 52 (56). Siehe auch Ipsen, Prävention oder Reaktion? Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitsstandards im Rahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation und die Konvention über kemtechnische Unfälle vom 26.9.1986, FS Fabricius (1989), S. 357 (364). Grossmann, Supervision within the International Atomic Energy Agency, in: van Dijk (ed.), Supervisory Mechanisms in International Economic Orgaisations (1984), S. 489 (493 f.); Siehe auch Scheinman , The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 103-105; Clayton , The International Atomic Energy Agency: an Expanding Role in the Post-Chernobyl World, in: N.C.J. Int'l L. & Com. 10
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1. Kapitel: Einführung
C. Stand der rechtswissenschaftlichen Forschung
Verschiedene Aspekte der Sicherungsmaßnahmen der IAEO wurden schon einer rechtlichen Analyse unterzogen. Hier sind zunächst die Untersuchungen von Szasz zu nennen, der als früherer Leiter der Rechtsabteilung der IAEO im Jahre 1970 die wohl umfassendste Darstellung des Rechts dieser Organisation vorlegte, von der ein Kapitel den Sicherungsmaßnahmen gewidmet ist.15 Durch von Pander 16 wurde eingehend die historische Entwicklung des NVVertrages und des zu seiner Kontrolle geschaffenen Kontrollsystems untersucht. In der durch von Ρ reuschen" vorgelegten Arbeit wurden ebenfalls die NV-Sicherungsmaßnahmen untersucht, wobei besondere Schwerpunkte auf dem Prinzip der Spaltmaterialkontrolle an strategischen Punkten und den Implikationen für die EG-Staaten lagen. Weitere Arbeiten befaßten sich mit der Effektivität der Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf ihre Funktion, Abzweigungen von Kernmaterial zu entdecken.18 Der Versuch, die Sicherungsmaßnahmen als internationales Aufsichtsverfahren dogmatisch zu analysieren, wurde, soweit dies aus der verfügbaren Literatur ersichtlich ist, noch nicht vorgenommen.
D. Fragestellung
Zweck der vorliegenden Untersuchung ist weniger die Bewertung der Wahrscheinlichkeit der Entdeckung von Rechtsverstößen durch die Sicherungsmaßnahmen als vielmehr die Systematisierung und Einordnung der vorgefundenen komplexen Rechtsmaterie, auf der die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen beruht. Die Regelungsprobleme eines internationalen Aufsichts-
Reg. 1987, S. 269-275; Adede , The IAEA Notification and Assistance Conventions in Case of a Nuclear Accident (1987). 15 The Law and Practice of the IAEA (1970). Zu nennen ist weiterhin die ergänzende Darstellung der NV-Sicherungsmaßnahmen: International Atomic Energy Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73-141. 16 Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978). 17 IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kemsprengkörper (1983). 18 Siehe hierzu insbesondere Hasselmann, Do we need new IAEA-safeguards, GYIL 1984, S. 259-302; Deiseroth , Atomwaffenverzicht der Bundesrepublik Deutschland-Reichweite und Grenze der Kontrollsysteme, ArchVR 1990, S. 113 (127-143); Politi , Safeguards against nuclear proliferation: the need for greater effectiveness, Ital. Yb. of Int'l law 1985, S. 85-95.
E. Gang der Untersuchung
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Verfahrens sollen exemplarisch anhand der Sicherungsmaß-nahmen diskutiert werden.
E. Gang der Untersuchung
Im folgenden soll ein kurzer Überblick den Ordnungsrahmen der Untersuchung verdeutlichen, der sich nicht an den einzelnen rechtlichen Instrumenten, sondern an den notwendingen Elementen eines rechtlich geordneten multilateralen Aufsichtsverfahrens orientiert.
- Das Organisationsrecht der IAEO Als ein von der IAEO, einer intergouvernementalen Organisation, durchgeführtes Verfahren wird die rechtliche Ausgestaltung der Sicherungsmaßnahmen von der internen Verfassung dieser Organisation und der rechtlichen Ordnung ihrer Außenbeziehungen bestimmt. Daher beginnt die Untersuchung mit dem internen und externen Organisationsrecht der IAEO.
- Die Begründung des Kontrollmandates der IAEO Die mit einem internationalen Aufsichtsverfahren verbundenen Eingriffe in die staatliche Souveränität bedürfen einer rechtlichen Grundlage, die die Kompetenzen des Kontrollorgans begründet und ausgestaltet. Staaten sind nur in Ausnahmefällen bereit, sich einseitig internationalen Kontrollen zu unterwerfen ohne hierzu verpflichtet zu sein.19 Grundsätzlich werden Kontrollen nur als Bestandteil umfassenderer Regelwerke akzeptiert, aufgrund derer den zu kontrollierenden Staaten Vorteile für die Akzeptierung von Überwachungsmaßnahmen zufließen. Daher stellen die rechtlichen Instrumente, mit denen sich Staaten zur Unterwerfung ihrer Nuklearindustrie unter die Kontrolle der IAEO verpflichtet haben, die "causa" des Verfahrens dar und bedürfen als mandatbegründende Regelungen der Untersuchung. Sie enthalten die materiellen Verpflichtungen der Staaten, die das Mandat der IAEO zur Kontrolle ihrer Nuklearaktivitäten determinieren.
,Q
Zu den Ausnahmen siehe unten 3. Kapitel, B. VII.
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1. Kapitel: Einführung
- Die rechtliche Kontrolle des Verfahrens Ein Aufsichtsverfahren ist ein dynamischer Prozeß, der nur bedingt direkt durch rechtliche Instrumente gesteuert werden kann. Nicht antizipierbare Regelungsprobleme, politische Kompromisse, tatsächliche Veränderungen und andere Faktoren machen es erforderlich, daß Verfahrensakteuren Gestaltungsspielräume zugestanden werden. Wenn einzelnen Akteuren Gestaltungsspielräume zugebilligt werden, die nicht im einzelnen rechtlich determiniert werden können, gewinnt die Frage nach Verfahrensgrundsätzen, die bei der Entscheidungsgewinnung zu beachten sind, an Bedeutung. Inwieweit das Verfahren der "rule of law" unterliegt, hängt weiterhin von den den Verfahrensbeteiligten zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Kompetenzen und Verfahrensrechte ab.
- Der Inhalt des Mandates der IAEO Die Verfahrenspflichten der Staaten und die Kompetenzen der IAEO werden durch das der IAEO übertragene Mandat determiniert. Daher ist anhand der normativen Vorgaben und der Praxis der IAEO zu bestimmen, worin der Verfahrensgegenstand der Sicherungsmaßnahmen besteht. - Die Informationslieferung durch den überwachten Staat Die primäre Informationsquelle der IAEO stellen die Berichte der überwachten Staaten dar, so daß zu untersuchen ist, auf welche Weise die Informationsbedürfnisse der IAEO und die Geheimhaltungsinteressen der Staaten in Einklang gebracht werden sollen.
- Die Informationslieferung durch andere Staaten Andere Staaten verfügen über eigene Informationen, die von erheblicher Relevanz für die Kontrolltätigkeit der IAEO sein können. Daher ist danach zu fragen, inwieweit sie dazu verpflichtet sind, Informationen an die IAEO zu liefern.
E. Gang der Untersuchung
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Die Inspektionen durch die IAEO Den am weitesten gehenden Eingriff in die staatliche Souveränität nimmt die IAEO vor, wenn sie die ihr übertragenen Inspektionsrechte wahrnimmt. Die der IAEO um der Akzeptanz der überwachten Staaten willen aufzuerlegenden Beschränkungen stellen ein zentrales Regelungsproblem des Verfahrens dar, da hiervon wiederum die möglichen Wirkungen des Verfahrens abhängen.
- Die Evaluierung der Informationen Das Gegenstück zur Konkretisierung des Mandats für die Bestimmung der Informationslieferungsrechte der Staaten und die Durchführung der Inspektionen stellt die Evaluierung dar. Anhand der gewonnenen Informationen sind die dem Verfahren unterfallenden Sachverhalte zu bewerten.
- Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO Die Bedeutung eines Kontrollverfahrens hängt zwar nicht nur, doch sehr wesentlich von den Wirkungen ab, die durch die am Ende eines Kontrollzyklus vorgenommenen Feststellungen entstehen können. Dabei geht es sowohl um die an festgestellte Verstöße geknüpften Sanktionen als auch um die rechtlichen Wirkungen der Verifikation staatlicher Verpflichtungserfüllung. Das vom Sicherheitsrat im Irak installierte Kontrollrégime wird als bislang einziger Fall international koordinierter Reaktionen auf einen Verstoß gegen die zu überwachenden Verpflichtungen untersucht werden.
- Zusammenfassung und Folgerungen Abschließend werden die wesentlichen Strukturelemente des Verfahrens der IAEO-Sicherungsmaßnahmen zusammengefaßt und bewertet.
2. Kapitel
Das Organisationsrecht der IAEO Sofern, wie im Falle der IAEO-Sicherungsmaßnahmen, eine internationale Organisation ein Kontrollverfahren durchführt, werden die Regelungserfordernisse und Durchführungsprobleme des Verfahrens durch die ihr zugewiesenen Aufgaben, Zuständigkeiten und Kompetenzen, ihre innere Verfassung und ihre Außenbeziehungen determiniert.
A. Vorgeschichte
Unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkriegs sah der von den Vereinigten Staaten in die Eröffnungssitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingebrachte Vorschlag ("Baruch-Plan") zur Schaffung einer internationalen Atomenergie-Behörde vor, daß diese monopolistisch weltweit sämtliche friedlichen Nuklearaktivitäten durchführen sollte. Diese ambitionierten Pläne wurden jedoch ein Opfer des aufkommenden kalten Krieges. Die Schaffung der heutigen IAEO geht zurück auf die bekannte "Atoms for Peace" Rede des damaligen amerikanischen Präsidenten Eisenhower vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen1 im Jahre 1953.2 Der sich anschließende Verhandlungsprozeß im Rahmen der Vereinten Nationen führte schließlich zu dem am 26. Oktober 1956 von einer besonderen Konferenz verabschiedeten Statut der IAEO,3 das am 29. Juli 1957 gem. Art. XXI IAEO-Statut nach Hinterlegung der erforderlichen Ratifikationsurkunden in Kraft trat.4
1 Siehe hierzu Bechhoefer, Negotiating the Statute of the International Atomic Energy Agency, International Organisation 1959, S. 38-59. 2 GOAR, 8th session, 470th Plenaiy Meeting, p. 450. 3 UNTS, Vol. 276, p. 4. 4 Die Bunderepublik Deutschland ist der IAEO zum 1. Oktober 1957 beigetreten. Gesetz vom 27.9.1957, BGBl. II, S. 1357.
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2. Kapitel: Das Organi sation s recht der IAEO
B. Zielsetzung
Allgemein werden die Ziele der Organisation in Art. II IAEO-Statut umschrieben: Sie soll einerseits zur friedlichen Nutzung der Kernenergie in der Welt beitragen, andrerseits dabei im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicherstellen, daß ihrer Überwachung unterstehende Gegenstände nicht zur Förderung militärischer Zwecke verwandt werden. Zur Erreichung dieser Ziele wurden der Organisation durch Art. III A. IAEO-Statut Förderungs- und Kontrollaufgaben zugewiesen. Die direkten Förderungsaktivitäten der IAEO, die in den Anfangsjahren noch eine gewisse Rolle gespielt hatten, traten mehr und mehr gegenüber der Kontrollfunktion zurück, deren Erfüllung heute die zentrale Aktivität darstellt. Zu erwähnen ist noch die Rolle der IAEO als Intermediär des internationalen Informationsaustausches und als Moderator internationaler Abkommen etwa zur zivilrechtlichen Haftung im Nuklearbereich.5
C. Kontrollzuständigkeiten
I. Überwachung von Vereinbarungen zur friedlichen Kernenergienutzung Die Überwachungsaufgaben der IAEO werden in Art. III.A IAEO-Statut, der mit "Functions" überschrieben ist, konstitutiv geregelt. Unterschieden wird dabei zwischen der Kontrolle der friedlichen Verwendung der Nukleartechnologie durch Sicherungsmaßnahmen6 und der Gewährleistung der Einhaltung von Sicherheitsstandards zum Schutz gegen die mit der Kernenergie verbun-
5
Vgl. Szasz, International Atomic Energy Agency, in: Encyclopedia [5 (1983)], S. 53 (55f.); Siehe auch Beinhauer, Feuer des Verderbens, Feuer der Hoffnung - Vereinte Nationen, IAEA und die umstrittene Rolle der Kernenergie in der Weltenergieversorgung, Vereinte Nationen 1988, S. 41-46. 6 Art. III.A.5 IAEO-Statut. Danach ist die IAEO ermächtigt, "...to establish and administer safeguards designed to ensure that special fissionable and other materials, services, equipment, facilities, and information made available by the Agency or at its request or under its supervision or control are not used in such a way as to further any military purpose; and to apply safeguards at the request of the parties, to any bilateral or multilateral arrangement, or at the request of a state, to any of that state's activities in the field of atomic energy."
C. Kontrollzuständigkeiten
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denen Gefahren. 7 Letztere Funktion wurde von der Agentur bislang lediglich in geringem Umfang erfüllt. 8 In Art. III.A.5 IAEO-Statut sind die alternativen Voraussetzungen genannt, unter denen die IAEO autorisiert ist, Sicherungsmaßnahmen durchzuführen: - die Gewährung nuklearer Unterstützung durch die Agentur oder unter ihrer Kontrolle, - das Ersuchen der Parteien eines zwei- oder mehrseitigen Vertrages oder - die einseitige Unterwerfung eines Staates. Sofern die IAEO direkt oder indirekt nukleare Aktivitäten von Staaten unterstützt, ist sie gem. Art. XI.F.4 IAEO Statut verpflichtet, Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. 9 Eine ausdrückliche Verpflichtung der Agentur, Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, sofern sie von den Parteien eines Vertrages oder von einem Staat darum ersucht wird, enthält die Satzung nicht. Bei ihrer Entscheidung über die Durchführung wird sie jedoch Art. III.B.l IAEO-Statut10 zu berücksichtigen haben, wonach sie in Übereinstimmung mit internationalen Vereinbarungen, die der Förderung des Friedens und der internationalen Zusammenarbeit dienen, ihre Aufgaben erfüllen soll. Sofern zwischenstaatliche Verträge im Einklang mit der UN-Charta oder einer UNPolitik zur Förderung einer überwachten weltweiten Abrüstung stehen, darf die IAEO ihr angetragene Überwachungsaufgaben somit grundsätzlich nicht ablehnen. Dies dürfte auch für einseitige Unterwerfungen gelten, die als vertrauensbildende Maßnahmen friedens- und zusammenarbeitsfördernd sind. Aus Art. II IAEO-Statut, der Aufgaben der IAEO einzig im Bereich der friedlichen Kernenergienutzung vorsieht, werden Bedenken gegen die Zuweisung von Kompetenzen an die IAEO zur Ermittlung verbotener
7
Art. III.A.6. IAEO-Statut. Vgl. Ipscn, Prävention oder Reaktion? Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitsstandards im Rahmen der Internationalen Atomernergie-Organisation und die Konventionen über kerntechnische Unfälle vom 26.9.1986, in: FS Fabricius (1989), S.357 (365). Q Szasz, The Law of International Atomic Energy Agency Safeguards, RBDI 1967, S. 196 (201). 10 Dieser lautet: "In carrying out its functions, the Agency shall: 1. Conduct its activities in accordance with the purposes and principles of the United Nations to promote peace and international cooperation, and in conformity with policies of the United Nations furthering the establishment of safeguarded world-wide disarmament and in conformity with any international agreements entered into pursuant to such policies". 8
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2. Kapitel: Das Organi sation s recht der IAEO
Nuklearwaffenprogramme abgeleitetet.11 Demnach wäre es ausgeschlossen, im Rahmen von Sicherungsabkommen der IAEO das Recht einzuräumen, den Zugang zu Orten zu verlangen, für die der Verdacht besteht, daß nicht gemeldete Nuklearmaterialien für militärische Zwecke verarbeitet werden. Zwar ist im IAEO-Statut die Beteiligung der IAEO an der Verifikation der nuklearen Abrüstung nicht vorgesehen, doch steht die Beschränkung auf die Verifikation friedlicher Nutzungen umfassenden Ermittlungskompetenzen nicht entgegen, wenn diese gerade der Feststellung dienen, daß ein Staat seinen Verpflichtungen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie nachkommt.12
II. Überwachung eigener Nuklearmaterialbestände Eine weitere Zuständigkeit der IAEO für die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen findet sich in Art. III.B.2 IAEO-Statut für Nuklearmaterial, das sich in ihrem Besitz befindet. Diese Aufgabenstellung wird nunmehr praktisch durch die Übertragung des irakischen Nuklearmaterials auf die IAEO.13
III. Unterstützung des UN-Sicherheitsrates Nicht unmittelbar aus dem IAEO-Statut ergibt sich die Zuständigkeit der IAEO für die Inspektionstätigkeit im Irak aufgrund der Resolution 687 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 3. April 1991. Durch diese Resolution, mit der der Sicherheitsrat die Bedingungen für einen Waffenstillstand festlegte, wurden dem Irak einseitig Kontrollen auferlegt, die, soweit das irakische Nuklearprogramm betroffen ist, durch die IAEO durchgeführt werden.14 Sicherungsmaßnahmen nach Art. III.A.5 IAEO-Statut erfordern jedoch immer die freiwillige Unterwerfung eines Staates. Wenn die IAEO auch nicht selbst einseitig Staaten Kontrollen auferlegen kann, so wird sie doch durch Art. XVI.B.2 IAEO-Statut verpflichtet, Resolutionen des Sicherheitsrates zu berücksichtigen. In einem "Relationship-Agreement", das die Zusammenarbeit zwischen der IAEO und den Vereinten Nationen regelt, hat sich die IAEO insbesondere zur Unterstützung des Sicherheitsrates bei der Durchführung von
11 Vgl. Dolzcr, International Nuclear Cooperation: Obligations, Conditions and Options, IJIL 1980, S. 366 (385). 12 Zu den Sonderinspektion s rechten der IAEO siehe unten: 8. Kapitel B. II., I). VI. 5. 13 Ziffer 12 Resolution 687 (1991) des Sicherheitsrates. Siehe 10. Kapitel C. III. 3. 14 Zu den Einzelheiten siehe unten 10. Kapitel C. III. 8.
C. Kontrollzuständigkeiten
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Maßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta verpflichtet. 15 Die Resolution 687 (1991) wird vom Sicherheitsrat auf Kapitel VII der UN-Charta gestützt, so daß die IAEO zur Kooperation mit dem Sicherheitsrat berechtigt und verpflichtet ist. Die IAEO bleibt jedoch auch dann, wenn sie "in Amtshilfe" für den Sicherheitsrat tätig wird, an ihr Statut gebunden.16 Da dieses in Art. II und III einzig Aufgaben im Bereich der zivilen Nuklearenergienutzung vorsieht, könnte die Zuständigkeit der IAEO für die Verifikation der Vernichtung der für militärische Zwecke bestimmten Gegenstände, die durch Ziff. 12 der Resolution 687 (1991) vorgesehen ist, fraglich sein.17 Diese Zuständigkeitsbedenken erklären die Verwendung der Formel "mit Unterstützung und Zusammenarbeit der Sonderkommission" in Ziff. 12 und 13 der Resolution 687 (1991). Für die Verifikation der Vernichtung eines atomaren Sprengkopfes bedeutet dies, daß die Sonderkommission der Vereinten Nationen für die Überwachung der Zerstörung des Sprengskopfes selbst und die IAEO für die Überwachung des enthaltenen spaltbaren Materials zuständig ist.18
IV. Kontrolle der Einhaltung von Umwelt- und Sicherheitsstandards Zwar ist im IAEO-Statut die Kontrolle der Einhaltung von Sicherheits- und des Gesundheitsschutzstandards vorgesehen,19 doch gibt es keine Verfahren, die den Sicherungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Normen, die militärische Nutzungen verbieten, vergleichbar wären.20 Vor diesem Hintergrund ist die Befugnis der IAEA, jährlich die Betriebssicherheit in den Nuklearanlagen der Mitgliedsstaaten als zufriedenstellend zu bezeichnen, zumindest zweifelhaft. Versuche, nach der Katastrophe von Tschernobyl hier verbindliche Kontroll verfahren einzuführen, scheiterten am Widerstand der meisten
15 "Agreement concerning the Relationship between the United Nations and the International Atomic Energy Agency" 281 U.N.T.S 369 = IAEA doc. INCIRC/11, pt. I.A. Siehe eingehend unten G. I. 2. 16 Art. XVI.B.2 IAEO-Statut: "in accordance with this Statute". 17 Siehe hierzu Chauvistré , Bomben auf Atomanlagen sind kein anerkanntes Mittel der Politik - Kann die Wiener Energiebehörde die Produktion und Weitergabe von Nuklearwaffen verhindern? Frankfurter Rundschau vom 1. April 1992, S. 15; derselbe, The Implications of IAEA Inspections under Security Council Resolution 687 (1992), S. 8. 18 Zur Durchführung der Kontrollen im Irak siehe unten 10. Kapitel C. III. 8. 19 Vgl. Art. III.A.6, XII.A.2 IAEO-Statut. Siehe auch Szasz, The Law and the Practice of the International Atomic Energy Agency (1970), S. 570. 20 Szasz, International Atomic Energy Agency, in: Encyclopedia [5(1983)] spricht von "minimal attempts" der Agentur in diese Richtung.
3 Lohmann
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2. Kapitel: Das Organisationsrecht der IAEO
Mitgliedsländer.21 Diese Bemühungen führten lediglich zu einem Abkommen über die frühzeitige Benachrichtigung bei kerntechnischen Unfällen und einem Übereinkommen über die Hilfeleistung bei kerntechnischen Unfällen oder radiologischen Unfällen. 22 Mit den dort bestimmten Notifikations- und Informationspflichten wird lediglich die nationale Tatsachenfeststellung erleichtert, jedoch kein internationales Kontrollregime geschaffen. 23 Auf Einladung von Regierungen führt die IAEO jedoch im Rahmen ihres "Assessment of Safety Significant Events Team (ASSET)"-Programmes Kontrollen von Nukleareinrichtungen durch und gibt Empfehlungen zur Verbesserung der Betriebssicherheit ab. So wurden im Rahmen dieses Programmes Missionen nach Deutschland (Greifswald), in die Tschechoslowakei und nach Bulgarien entsandt.24
D. Kontrollbefugnisse
Unmittelbar durch das Statut werden der IAEO keine Kontrollrechte gegenüber den Staaten eingeräumt, sondern dieses enthält lediglich Vorgaben für den Inhalt der von der IAEO mit Staaten zu treffenden Vereinbarungen über die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen.
I. Art. XII.A IAEO-Statut Art. XII.A IAEO-Statut legt fest, welche Kompetenzen die IAEO bei der Durchführung von Sicherungsmaßnahmen haben soll. Es handelt sich jedoch nicht um eine zwingende Vorgabe für den Inhalt der Sicherungsabkommen, sondern die dort bestimmten Kompetenzen sollen lediglich "to the extent relevant to the project or arrangement" vereinbart werden. Weiterhin werden
21
Vgl. hierzu Ipsen, Prävention oder Reaktion? Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitsstandards im Rahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation und die Konventionen über kemtechnische Unfälle vom 36.9.1986, in: FS Fabricius (1969), S. 357 (367). Siehe auch: Clayton , The International Atomic Energy Agency: An Expanding Role in the Post Chernobyl World (1989), S. 269-275. 22 Vgl. hierzu: Hafner, Das Übereinkommen über Hilfeleistungen bei nuklearen Unfällen oder strahlungsbedingten Notfällen, ÖZöffRVR 1988, S. 19-39. 23 Vgl. zu den Einzelheiten: Adede, The IAEA Notification and Assistance Conventions in Case of a Nuclear Accident (1987); Lang, Frühwarnung bei Nuklearunfällen, ÖZöffRVR 1988, S. 9-18. 24 IAEA Bulletin 1991/2, S. 45.
I). Kontrollbefugnisse
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durch Art. XII.A IAEO-Statut lediglich Strukturen für Sicherungsabkommen, nicht jedoch detaillierte Einzelregelungen vorgegeben. Welche Kompetenzen relevant für das den Sicherungsmaßnahmen zugrunde liegende Instrument sind, war daher schon bei den Verhandlungen für das erste Sicherungsabkommen,25 das die Lieferung von drei Tonnen Natururan für einen Forschungsreaktor in Japan betraf, kontrovers.26
II. Das Sicherungssystem der IAEO (INFCIRC/66/Rev. 2) Das IAEO-Statut räumt den Organen der Agentur keine legislativen Kompetenzen ein, die zur verbindlichen Konkretisierung der offenen Satzungsbestimmung des Art. XII.A IAEO-Statut hätten dienen können.27 Aus der durch Art. VI.F IAEO-Statut begründeten Generalzuständigkeit des Gouverneursrates der IAEO folgt jedoch seine Kompetenz, die Bedingungen festzulegen, unter denen die IAEO bereit ist, Sicherungsabkommen mit den Staaten zu vereinbaren. In verschiedenen, vom Gouverneursrat beschlossenen Dokumenten hat der Gouverneursrat festgelegt, unter welchen Bedingungen er bereit ist, Sicherungsabkommen mit den Staaten abzuschließen. Schon bei den Verhandlungen zum ersten Sicherungsabkommen der Agentur im Jahre 1959 wurde das Sekretariat beauftragt, einen Mustervertrag auf Basis der Vorgaben des Art. XII.A IAEO-Statut vorzulegen. Der daraufhin ausgearbeitete Entwurf erfaßte sowohl die Kontrollen zur Einhaltung von Gesundheitsschutz- und Sicherheitsvorschriften als auch die Sicherung der friedlichen Verwendung der Kernenergie, fand jedoch nicht das Wohlwollen des Gouvemeursrates. Daraufhin wurden im Jahre 1961 besondere Dokumente für die Kontrolle von Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften 28 und die Überwachung der friedlichen Verwendung29 verabschiedet. Ergänzt werden diese durch ein besonderes Dokument, das Vorgaben für die Regelung der Kompetenzen und Rechtsstellung der Inspektoren enthält.30
25
INFCIRC/3, Teil II. Siasi , The Law of International Atomic Energy Agency Safeguards, in: RBDI 1967, S. 196 (201). 27 Dagegen sieht der Euratom-Vertrag in den Art.77 ff. unmittelbar anwendbare Überwachung s Vorschriften vor, die durch Sekundärrecht näher ausgestaltet werden können. Vgl. hierzu Hewlett , EURATOM and Nuclear Safeguards (1990). 28 "The Agency's Health and Safety Measures" INFCIRC/18. 29 "The Agency's Safeguards System" INFCIRC/26. 30 "Inspectors' Document" GC (V)/INF/39. 26
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2. Kapitel: Das Organi sation s recht der IAEO
Das Sicherungssystem INFCIRC/26 aus dem Jahre 196131 wurde in den Folgejahren noch mehrfach modifiziert und um Vorschriften für die Überwachung von großen Reaktoren, Wiederaufarbeitungs- und Konversionsanlagen ergänzt. Die bis heute maßgebliche Fassung des Sicherungsystems, die in dem Dokument INFCIRC/66/Rev.232 niedergelegt ist, stammt aus dem Jahre 1968. Durch diese Revisionen werden die Regelungen des Inspectors' Document aus dem Jahre 1961 teilweise modifiziert. 33 Eine weitere Ergänzung erfolgte im Jahre 1973, als der Gouverneursrat besondere Regelungen für die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen auf Folgegenerationen von kontrolliertem Nuklearmaterial beschloß.34 Sowohl das Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2 als auch das Inspectors' Document sind nicht als Musterverträge für Sicherungsabkommen gefaßt, sondern stellen vor allem Leitlinien für den Inhalt der auszuhandelnden Sicherungsabkommen auf. Ein Teil der enthaltenen Regeln ist aber auch operativ formuliert, so daß eine Inkorporierung in Sicherungsabkommen durch Verweisung erfolgen kann.35 Dem Sekretariat der IAEO, das auf Seiten der Agentur die Verhandlungen führt, und dem betreffenden Staat werden durch das Sicherungsystem inhaltliche Anforderungen für die Sicherungsabkommen vorgegeben. Sofern das Sekretariat von den Vorgaben des Sicherungssystems abweichen will, hat es den Gouverneursrat hierauf besonders hinzuweisen.36 Für Sicherungsabkommen, die Staaten aufgrund des NV-Vertrages oder der Verträge von Tlatelolco und Rarotonga abzuschließen verpflichtet sind, findet das Sicherungssystem keine Anwendung, sondern das noch darzustellende Dokument INFCIRC/153. INFCIRC/66/Rev. 2 ist jedoch nach wie vor maßgeblich für die Sicherungsabkommen mit Staaten, die diesen Verträgen nicht beigetreten sind. Diese werden auf der Grundlage bilateraler Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen, um die friedliche Verwendung exportierter Nukleartechnologie zu gewährleisten.
31 Vgl. hierzu und zur weiteren Entwicklung: Scheinman, The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 128 f.. 32 "The Agency's Safeguards System (1965, as provisionally extended in 1966 and 1968)". 33 Szasz, The Law and Practice of the International Atomic Energy Agency (1970), S. 561. 34 GOV/1621 (1973). 35 Vgl. § 4 INFCIRC/66/Rev.2 und § 3 Inspectors' Document. 36 Edwards , International Legal Aspects of Safeguards and Non-Prolifération of Nuclear Weapons, in: ICLQ 1984, S. 1 (13).
I). Kontrollbefugnisse
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Problematisch ist, daß der Hauptteil des Systems inzwischen veraltet ist.37 Es enthält keine Vorgaben für die technischen Ergänzungsabkommen und die anlagenspezifischen Anhänge und für die Überwachung von Anreicherungsanlagen. Soweit das Sicherungssystem keine Vorgaben macht, hängt der Inhalt der Sicherungsabkommen entscheidend von der relativen Verhandlungsmacht des betreffenden Staates ab und von dem Ausmaß der Unterstützung des IAEO-Sekretariats durch den an dem zugrundeliegenden Kooperationsabkommen beteiligten Exportstaat.38 Ohne daß sich dies in entsprechenden Änderungen der vom Gouverneursrat verabschiedeten Dokumente niedergeschlagen hätte, ist eine stillschweigende Modifikation des Sicherungssystems vorgenommen worden. Dies geschah durch Einzelfallentscheidungen des Gouverneursrates, die als Präzedenzfälle wirken und die Verhandlungsposition des Sekretariats auf diese Weise stärken. Es werden dem Gouverneursrat keine Sicherungsabkommen mehr vorgeschlagen, die hinter den durch diese Präzendenzfälle geschaffenen Anforderungen zurückbleiben.39 Entsprechend der Vorgabe des Art. III.A.5 IAEO-Statut dienten die Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 der Kontrolle, daß die überwachten Gegenstände nicht zur Förderung militärischer Zwecke verwandt werden. Angesichts der von den USA und der Sowjetunion in den sechziger Jahren durchgeführten Programme zur friedlichen Nutzung von Kernsprengungen wurde von vielen Staaten geltend gemacht, daß Kernsprengungen allein noch keine militärische Nutzungen darstellten. Seit 1975 wird daher in alle Sicherungsabkommen die Verpflichtung zur friedlichen Nutzung der überwachten Gegenstände ergänzt um die Verpflichtung, sie nicht für die Herstellung von Kernsprengkörpern zu verwenden.40
III. Das Musterabkommen (INFCIRC/153) Durch den NV-Vertrag wurde der IAEO die Rolle zugewiesen, bei den Vertragsparteien, die Nichtkernwaffenstaaten sind, Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. Einige der Nichtkernwaffenstaaten, insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, Italien, Japan und Schweden, waren nicht bereit,
37 Buechler , The Future of Safeguards under INFCIRC/66/Rev.2, in: IAEA-Bulletin 1988, S. 25 (26). 38 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 78. 39 Szasz y The Law and Practice of the International Atomic Energy Agency (1970), S. 579; Herron , A Lawyer's View of Safeguards and Non-Proliferation, in: IAEA-Bulletin 1982, S. 34 (34). 40 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 76.
38
2. Kapitel: Das Organisationsrecht der IAEO
Kontrollen nach dem bisherigen Sicherungssystem zu akzeptieren, da sie Nachteile für ihre Nuklearindustrie befürchteten. 41 Zudem war das bisherige Sicherungssystem der IAEO entwickelt worden, um die friedliche Verwendung von einem Staat importierter konkreter Nuklearmaterialien oder -anlagen zu überwachen. Gem. Art. III. 1 NV-Vertrag sollten sich die Sicherungsmaßnahmen jedoch nunmehr auf den gesamten Nuklearkreislauf eines Staates erstrecken. Für die Überwachung war in der Präambel des NV-Vertrages festgelegt worden, daß sie sich an dem Prinzip der Spaltmaterialkontrolle an strategischen Punkten orientieren sollte. Daher war es erforderlich, ein neues Sicherungssystem zu entwickeln. Während das bisherige Sicherungssystem vom IAEO-Sekretariat unter der Direktive des IAEO-Gouverneursrates ausgearbeitet worden war, wurde nun durch den Gouvemeursrat ein besonderer Ausschuß, das Safeguards Committee, eingesetzt. In diesem Gremium, das allen interessierten Mitgliedsstaaten offenstand, nahmen 48 Staaten an den von Oktober 1970 bis März 1971 dauernden Verhandlungen teil.42 Die Verhandlungen führten schließlich zu einem Modellabkommen, das am 20. April 1971 vom Gouverneursrat gebilligt und unter dem Titel "The Structure and Content of Agreements between the Agency and States Required in Connection with the Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons" als IAEO-Dokument INFCERC/153 veröffentlicht wurde. ι'
Das Dokument INFCIRC/153 ist im Gegensatz zu dem in dem Dokument INFCIRC/66/Rev.2 niedergelegten Sicherungssystem der IAEO als vollständiges Modellabkommen formuliert, so daß für die Vereinbarung der Sicherungsabkommen selbst grundsätzlich kein Spielraum mehr bleibt. Dadurch wird die Verhandlungsposition des Sekretariats erheblich gestärkt.43 Nicht nur die Sicherungsabkommen mit Nichtkernwaffenstaaten aufgrund des NV-Vertrages, sondern auch die von Kernwaffenstaaten freiwillig vereinbarten Kontrollen und Sicherungsabkommen aufgrund der Verträge von Rarotonga und Tlatelolco basieren auf diesem Modellabkommen.
41
Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 80. Siehe hierzu von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 92-97. 43 Edwards , International Legal Aspects of Safeguards and the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, ICLQ 1984, S. 1 (12). 42
E. Rechtsstellung in den Mitgliedsstaaten
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E. Rechtsstellung in den Mitgliedsstaaten
Ebenso wie ihre Kontrollbefugnisse werden die Rechtsstellung der IAEO und ihre Privilegien und Immunitäten nicht unmittelbar durch das IAEO-Statut geregelt, sondern gemäß Art. XV IAEO-Statut besonderen Vereinbarungen mit den Mitgliedsstaaten vorbehalten. So wurde nach dem Vorbild der Konvention über die Privilegien und Immunitäten der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen,44 jedoch an die besonderen Erfordernisse der Agentur angepaßt, am 1. Juli 1959 vom Gouverneursrat der Inhalt für diese Vereinbarungen zwischen der IAEO und Mitgliedsstaaten beschlossen und den Mitgliedsstaaten zur Annahme vorgelegt.45 Da nicht alle Staaten dieser Vereinbarung beigetreten sind46 und Section 39 der Vereinbarung eine Kündigung durch Mitgliedsstaaten ermöglicht, wird grundsätzlich in alle Sicherungsabkommen ihr Inhalt durch Verweisung inkorporiert. 47 Der Vereinbarung über die Privilegien und Immunitäten der Agentur kommt damit eine ähnliche rechtliche Funktion wie dem Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2 der Agentur zu, so daß es für die Rechtsstellung der Inspektoren nicht darauf ankommt, ob der betreffende Staat diese Vereinbarung akzeptiert hat.48 Eine Besonderheit gilt für die USA, die weder die Vereinbarung über die Privilegien und Immunitäten der Agentur akzeptiert haben, noch durch eine entsprechende Verweisung hieran gebunden sind. Die Rechtsstellung der Inspektoren richtet sich hier nach dem International Organizations Immunities Act,49 der jedoch bei weitem hinter den Regelungen der Vereinbarung zurückbleibt.50
44
33 IJNTS 261. "Agreement on the Privileges and Immunities of the Agency" INFCIRC/9/Rev. 1 ; 374 UNTS 147. 46 Am 1. Mai 1987 hatten es 59 Mitgliedsstaaten akzeptiert. INFCIRC/9/Rev.2/ Add.6. Unter den NichtUnterzeichnern finden sich Staaten wie die USA, Frankreich und Österreich. In der Bundesrepublik wird das Agreement implementiert durch die Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die IAEA vom 30.7.1960, BGBl. II 1960, 1993, 2010. 47 Vgl. § 13 Inspectors' Document und § 10 INFCIRC/153. 49 Szasz, The Law of International Atomic Energy Agency Safeguards, RBDI 1967, S. 196 (206). 4g Vgl. Art. 10 des Agreement between the United States of America and the International Atomic Energy Agency for the Application of Safeguards in the United States of America vom 17.9.1976, abgedruckt in: XVI ILM 22. 50 Szasz, The Law of International Atomic Energy Agency Safeguards, RBDI 1967, S. 196 (206). 45
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2. Kapitel: Das Organi sation s recht der IAEO
F. Interne Verfassung
Durch das IAEO-Statut werden drei Organe geschaffen, die Generalkonferenz, der Gouverneursrat und das Sekretariat unter der Leitung des Generaldirektors. Diesen Organen werden in unterschiedlichem Ausmaß verfahrensbezogene Aufgaben zugeordnet.
I. Gouverneursrat 7. Zusammensetzung Der Gouverneursrat setzt sich aus Staatenvertretern zusammen, die in einem komplizierten Verfahren bestimmt werden.51 Ein Teil der Mitglieder wird vom vorhergehenden Rat kooptiert, der Rest durch die Generalkonferenz bestimmt. Im Ergebnis sind die Länder mit der fortgeschrittensten Atomtechnologie permanent vertreten, während die anderen Sitze wechselnd auf breiter geographischer Grundlage bestimmt werden. Durch verschiedene Änderungen von Art. VI des Statuts, zuletzt in 1989, wurde der Anteil der Entwicklungsländer durch Vergrößerung der Sitzanzahl stetig erhöht. Zur Zeit besteht der Gouverneursrat aus Vertretern von 35 Mitgliedsstaaten.52
2. Arbeitsweise Obwohl durch die Geschäftsordnung des Rates eigentlich eine kontinuierliche Tätigkeit vorgesehen ist,53 beschränkt sich seine Tätigkeit in der Praxis auf vier bis fünf Sitzungen pro Jahr,54 die am Sitz der Agentur in Wien abgehalten werden. Sofern ein Konsens über eine Frage nicht erzielt werden kann, werden Entscheidungen durch Abstimmung getroffen, bei der jedes Mitglied eine
51
Art. VI. Α-D IAEO-Satut. ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Prolifération Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 8. 53 Board of Governors Rules of Procedure 11 ( GOV/INF/60). 54 Szasz, International Atomic Energy Safeguards, in: Willrich (ed.). International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (122). 52
F. Interne Verfassung
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Stimme hat. Zwei Drittel der Mitglieder bilden ein Quorum. Grundsätzlich genügt die einfache Mehrheit.55 Für die Budgetfestlegung, die Ernennung des Generaldirektors und einige prozedurale Fragen sind Zweidrittel-Mehrheiten erforderlich. Die Praxis wurde jedoch nicht durch Abstimmungen, sondern durch Konsensentscheidungen geprägt,56 wenn auch in den achtziger Jahren die Bedeutung der Abstimmungsregeln wieder zunahm.57 Im Gegensatz zu den Anfangsjahren der Agentur, in denen der Gouverneursrat als technisches Exekutivorgan funktionierte, wurden in der jüngeren Vergangenheit vermehrt politische Nord-Süd-Auseinandersetzungen ausgetragen, die sich nachteilig auf das Arbeitsklima auswirkten.58 Der Abstimmungsmodus differiert damit in entscheidender Weise von dem des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Wenn auch die Großmächte als quasi-ständige Mitglieder des Gouverneursrates über besonderen Einfluß verfügen, so steht ihnen, jedenfalls formal, kein Vetorecht zu. Daher wurde zugunsten des Sicherheitsrates das Recht der IAEO zur Sanktionierung von Verstößen beschränkt und durch entsprechende Berichts- und Kooperationspflichten dessen Rolle Rechnung getragen.59
3. Kompetenzen a) Allgemeines Der Gouverneursrat ist gem. Art. VI.F IAEO-Statut ermächtigt, "to carry out the functions of the Agency". Sofern das Statut nicht anderen Organen bestimmte Befugnisse zuweist, ist er zuständiges Organ. Mit Ausnahme der Festsetzung des Budgets und der Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte eines Staates kann er über alle mit den Sicherungsmaßnahmen zusammenhängenden Gegenstände entscheiden.60 Er bestimmt über das Budget der Agentur, das er, nachdem er es mit Zweidrittelmehrheit beschlossen hat,61 der Generalkonferenz vorschlägt, die kein Änderungsrecht, sondern lediglich ein
55
Art. VI E IAEO-Statut. Szasz, International Atomic Energy Agency, in: EPIL [5(1983)] S. 52 (54). 57 Vgl. hierzu: Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 89. 58 Fischer , The International Non-Proliferation-Régime 1987 (1987), S. 10 f.; Scheinman , The Non-Prolifération Role of the IAEA (1985), S. 34 ff.. 50 Siehe unten G. I. 2. 60 Fischer , The International Non-proliferation Régime 1987 (1987), S. 9. 61 Art. VI.E IAEO-Statut. 56
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2. Kapitel: Das Organi sation s recht der IAEO
Ablehnungsrecht besitzt.62 Die Aussetzung der Rechte und Privilegien eines Mitglieds kann ebenfalls auf Vorschlag des Gouverneursrates durch eine Zweidrittelmehrheit von der Generalversammlung beschlossen werden. b) Verfahrensgestaltung Oben63 wurde schon dargestellt, daß der Gouverneursrat durch die Verabschiedung der Sicherungssysteme der IAEO eine Konkretisierung der Satzungsbestimmungen für die Ausgestaltung der Sicherungsmaßnahmen vorgenommen hat, die dem die Verhandlungen mit den Staaten durchführenden Sekretariat und den Staaten als Leitlinie für die Verhandlungen dient. Zwar hat der Gouverneursrat dem Sekretariat das Führen der Verhandlungen übertragen, er behält sich jedoch die Kontrolle des Inhalts durch das Erfordernis seiner Genehmigung vor.64 Demgegenüber erfolgt die Vereinbarung der Ergänzungsvereinbarungen zu den Sicherungsabkommen, die auch die anlagenspezifischen Anhänge enthalten, zwischen dem Sekretariat der IAEO und den Regierungen der betreffenden Staaten.65 Zu einer Beteiligung des Gouverneursrates kommt es hier nur, wenn eine Einigung nicht erzielt werden kann.
c) Kontrolle der Verfahrensdurchführung Bei der Verfahrensdurchführung beschränkt sich die Rolle des Gouverneursrates primär auf die Kontrolle der Tätigkeit des Sekretariats anhand von diesem erstellter Berichte.66 Ein besonderes Kontrollrecht hat sich der Gouverneursrat für die Ernennung von Inspektoren und die Besetzung der Leitungsfunktion des "Safeguards Department" der IAEO vorbehalten. Diese erfolgt durch den Generaldirektor der IAEO, nachdem seine Vorschläge vom Gouverneursrat genehmigt wurden.67 Sofern es zwischen dem IAEO-Sekretariat und dem Staat zu einem Konflikt über Verfahrensfragen kommt, können
62
Art. Art. XIV.A, V.E 5 IAEO-Statut. * Siehe D. II., D. III. 64 Szasz, International Atomic Energy Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (120); Edwards, International Legal Aspects of Safeguards and the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, ICLQ 1984, 1 (4). 65 Szasz, The Law of International Atomic Energy Agency Safeguards, RBDI 1967, S. 196 (215). 66 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 11. 67 § 2 Inspectors' Document.
F. Interne Verfassung
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beide den Gouverneursrat mit der Sache befassen und eine Entscheidung herbeiführen. 68
d) Entscheidung über Sanktionen Zwar erfolgt die Bewertung der Ergebnisse des Verfahrens zunächst durch das Sekretariat, doch setzen Maßnahmen gegen einen Staat eine Überprüfung der Feststellungen des Sekretariats durch den Gouverneursrat voraus.69
e) Unterorgane aa) Safeguards Committee (1970) Zur Ausarbeitung eines Konzeptes für die Sicherungsmaßnahmen nach dem NV-Vertrag wurde vom Gouvemeursrat entsprechend seiner DelegationsKompetenz aus Art. VI.I IAEO-Statut ein Ausschuß eingesetzt, in dem auch Mitgliedsstaaten, die nicht im Rat vertreten waren, mitarbeiten konnten.70 Durch die Beteiligung nicht im Gouverneursrat vertretener Staaten Staaten konnte so die Akzeptabilität des Verfahrens erhöht werden.
bb) Standing Advisory Group on Safeguards Implementation (SAGSI) Vom Gouverneursrat wurde die Aufgabe der Administration der Sicherungsmaßnahmen zwar nicht dem Safeguards Committee übertragen, doch wurde zurückgehend auf japanische Vorschläge eine Gruppe von Regierungsexperten der Kernwaffenstaaten, der Bundesrepublik Deutschland und Japan als der am meisten von Sicherungsmaßnahmen betroffenen Staaten, der Tschechoslowakei als einem osteuropäischen Land,71 Kanada und Australien als den Haupt-Uran-Exporteuren und Jugoslawien, Indien und Brasilien als führenden Nuklearstaaten der Dritten Welt, gegründet. Die heutige Bedeutung dieses Gremiums könnte angesichts der stetigen Vergrößerung und Politisierung des
68
Siehe §§ 18, 21 INFCIRC/153 und §§ 8 a), 11 c) Rules of Procedure des Gouverneursrates. Siehe eingehend unten 4. Kapitel F. 60 Art. XII IAEO-Statut, § 19 INFCIRC/153. Siehe unten 10. Kapitel Β. II. 70 Von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 91 f.. 71 Dieser Platz wurde während der ersten Zeit von der DDR besetzt.
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2. Kapitel: Das Organi sation s recht der IAEO
Gouverneursrates darin liegen, ein Forum für technische Erörterungen zu bilden.72
II. General-Konferenz Die General-Konferenz, in der alle Staaten vertreten sind, tagt jährlich einmal für fünf bis zehn Tage und stellt das relativ machtlose "Parlament" der Agentur dar. Alle Staaten haben eine Stimme. Bis auf die in Art. V.E IAEOStatut enumerativ genannten Befugnisse kommt der General-Konferenz lediglich ein allgemeines Beratungsrecht und das Recht, Empfehlungen an die Mitgliedsländer und den Gouvemeursrat auszusprechen, zu.73 Entscheidungen können zumeist mit einfacher Mehrheit getroffen werden, lediglich für besondere Entscheidungen ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. 74 Das Vetorecht bei der Budgetfestlegung gibt der Generalversammlung die Möglichkeit, indirekt Einfluß auf die Sicherungsmaßnahmen zu nehmen. So hängt etwa das mögliche Inspektionsvolumen der Agentur untér anderem von ihren finanziellen Ressourcen ab. Direkt am Verfahren beteiligt ist die General-Konferenz nur dann, wenn ihr vom Gouverneursrat gem. Art. XIX IAEO-Satut die Frage der Suspendierung von Mitgliedschaftsrechten als Sanktion der Nichterfüllung vorgelegt wird. Ihre Funktion besteht daher vor allem darin, den nicht im Gouverneursrat vertretenen Staaten als Forum zu dienen.75
III. Sekretariat unter Leitung des Generaldirektors
1. Zusammensetzung An der Spitze der Verwaltung der IAEA steht gem. Art. VII.B IAEO-Statut der Generaldirektor, der für die Anstellung, Organisation und die Tätigkeit des Personals76 verantwortlich ist. Diese Aufgabe wird seit 1982 von dem 72 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 68; zu den jüngsten Aktivitäten vgl.: IAEA, Annual Report 1988, S. 57. 73 Art. V.D IAEO-Statut. 74 Art. V.E IAEO-Statut. 75 Scheinman , The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 83. 76 Ende 1988 waren 2079 Personen bei der IAEO beschäftigt. IAEA, Annual Report 1988, S. 5.
F. Interne Verfassung
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Schweden Hans Blix erfüllt. 77 Der Generaldirektor wird vom Gouverneursrat für eine erneuerbare Vierjahresperiode ernannt.78 Das Sekretariat der IAEO setzt sich aus internationalen Beamten zusammen. Diese sind gemäß Art. VII.D IAEO-Statut primär aufgrund ihrer fachlichen und persönlichen Kompetenz auszuwählen. Als sekundäre Auswahlkriterien sind gleichwertig die finanziellen Beiträge der Mitgliedsstaaten für die IAEO und eine möglichst weite geographische Basis zu berücksichtigen. Schon durch Art. XII.B IAEO-Statut ist die Einrichtung eines besonderen Inspektorenstabes vorgesehen. Bei der Ernennung der im Safeguards Department zusammengefaßten Inspektoren, deren Zahl zur Zeit ungefähr 200 beträgt,79 unterliegt der Generaldirektor der Kontrolle des Gouverneursrates. Von ihrer allgemeinen Ernennung zum IAEO-Inspektor ist die Designierung für ein konkretes Land zu unterscheiden, die sich nach dem jeweiligen Sicherungsabkommen bestimmt und bei der den betroffenen Staaten ein Vetorechte eingeräumt werden.80
2. Kompetenzen Vom Sekretariat, das dem Generaldirektor untersteht, sind die meisten praktischen Entscheidungen bei der Durchführung der technischen Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Seine Kompetenzen beruhen auf der Delegation von Aufgaben durch den Gouverneursrat. 81 Hierzu zählen die Festlegung des Inhalts der Ergänzungsabkommen, die Festlegung von Inspektionen im Einzelfall, das Ersuchen zur Durchführung von Spezialinspektionen und die Entscheidung, den Gouverneursrat über das Bestehen eines Abzweigungsverdachtes zu informieren. 82
77 Seine Vorgänger waren Sterling Cole (U.S.A., 1957-1961) und Sigward E kl und (Schweden, 1961-1982). 78 Art. VII.A IAEO-Statut. 79 ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 18. 80 Siehe unten 8. Kapitel E. IV. 81 Mißverständlich daher Clayton , The International Atomic Energy Agency: an Expanding Role in the Post-Chernobyl World, N.C.J. Int'l L. & Com. Reg. 1987, S. 270, der aus diesen abgeleiteten Kompetentenzen auf das Bestehen originärer Entscheidungsrechte im Verhältnis zum Gouverneurs rat schließt.
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2. Kapitel: Das Organi sation s recht der IAEO
Bei seiner Tätigkeit ist der Generaldirektor an die vom Gouverneursrat getroffenen Anordnungen gebunden.83 In der Erfüllung seiner Aufgaben ist der Generaldirektor daher nicht völlig unabhängig. Wenn auch keine formelle Absetzungsprozedur existiert, so ist doch eine effektive Amtsführung gegen den Gouverneursrat nicht möglich. Er muß daher versuchen, zwischen den verschiedenen Staatengruppen die Balance zu wahren, etwa zwischen überwachten Staaten, die eine möglichst lockere Überwachung wünschen, und Nuklearwaffen-Staaten, die auf einer strikteren Überwachung bestehen.84 Neben der Weisungsbefugnis steht den politischen Organen der IAEO mit clem Budgetrecht ein effektives Steuerungsmittel der Aktivitäten des Sekretariats zur Verfügung. 85
3. Gewährleistung
der persönlichen Unabhängigkeit
Der Gewährleistung der persönlichen Unabhängigkeit des Sekretariats und des Generaldirektors von äußeren Einflüssen dient Art. VII F. IAEA-Statut. Ihnen wird verboten, Instruktionen von außerhalb der Agentur zu suchen oder zu befolgen. Für das Sekretariat wird hierdurch noch einmal betont, daß allein der Generaldirektor bzw. die jeweiligen Dienstvorgesetzten weisungsbefugt sind. Dem Generaldirektor darf einzig der Gouverneursrat Weisungen zu erteilen.86 Die persönliche Verpflichtung der Beamten der IAEO allein ist nicht ausreichend, die erforderliche persönliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Denn Staaten könnten durch die Druckmittel, über die sie etwa gegenüber ihren Staatsangehörigen verfügen, diese einem erheblichen Loyalitätskonflikt aussetzen. Der genannten Verpflichtung des Personals korrespondiert daher die ebenfalls in Art. VII.F IAEO-Statut geregelte Verpflichtung der Staaten, den internationalen Charakter der Verantwortlichkeiten des Personals zu respektieren und sich der Einflußnahme zu enthalten.
82 Szasz, International Atomice Energy Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (119). 83 Art. VII.B IAEO-Statut. M Szasz, International Atomic Energy Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (120). β5 Vgl. Art. XIV IAEO-Statut. 86 Art. VII.B IAEO-Statut.
F. Interne Verfassung
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4. Sicherung der Verschwiegenheit Wenn eine internationale Organisation zur Erfüllung ihrer Aufgaben sensitive Informationen von Staaten erhalten soll und zu ihrer Überprüfung Einblick in grundsätzlich geheimgehaltene Einrichtungen erhalten soll, ist die Sicherung der Vertraulichkeit dieser Informationen ein wichtiges Akzeptanzerfordernis. Durch Art. VII.F IAEO-Statut wird Generaldirektor und Sekretariat verboten, industrielle Geheimnisse und andere vertrauliche Informationen, von denen sie im Rahmen ihrer Aufgaben Kenntnis erhalten haben, zu offenbaren. Die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, den internationalen Charakter der Verantwortlichkeiten von Sekretariat und Generaldirektor zu respektieren, dürfte auch eine Pflicht beinhalten, sich jeglicher Versuche zu enthalten, vertrauliche Informationen von Beamten zu erhalten. Damit dürfte es kaum zu vereinbaren sein, wenn ein Staat einen früheren Inspektor der IAEO zur Aussage vor einem parlamentarischen Ausschuß veranlaßt.
IV. Optionales Schiedsgericht Das IAEO-Statut selbst enthält keine Vorschriften über die Einsetzung eines Schiedsgerichts zur verbindlichen Streitentscheidung. Es sieht vielmehr in Art. XVII.A die Verweisung von Streitigkeiten über die Anwendung und Auslegung des Statuts an den Internationalen Gerichtshof vor. Dieser kann jedoch schon wegen Art. 34 IGH-Statut, der nur Staaten die Parteifähigkeit im Streitverfahren verleiht, Streitigkeiten zwischen der Agentur und Staaten nicht entscheiden. Die Sicherungsabkommen enthalten Schiedsklauseln, die für verfahrensrechtliche Streitigkeiten, die nicht durch Konsultationen und die Befassung des Gouverneursrates der Agentur beigelegt werden können, die Einsetzung eines Schiedsgerichts vorsehen.87 Bislang ist es noch nicht zur Durchführung eines solchen Schiedsverfahrens gekommen.
87
Vgl. § 22 INFCIRC/153.
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2. Kapitel: Das Organisationsrecht der IAEO
G. Beziehungen zu anderen Internationalen Organisationen
I. Vereinte Nationen 7. Berührungspunkte Das universelle Mandat der Vereinten Nationen für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erfaßt auch Friedensbedrohungen aufgrund militärische Nutzungen der Kernenergie.88 Daher kann derselbe Sachverhalt sowohl zur Feststellung der Nichterfüllung im Sinne von Art. XII.C IAEO-Statut durch den Gouverneursrat der IAEO führen als auch vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als Bedrohung des Friedens gem. Art. 39 UN-Charta gewertet werden.89
2. Koordination Die Konzeption der IAEO erfolgte im organisatorischen Kontext der Vereinten Nationen. Daher war es möglich, durch entsprechende Regelungen eine Koordination beider Organisationen vorzunehmen. So wird durch Art. III.B.4 IAEO-Statut anerkannt, daß der UN-Sicherheitsrat das Organ ist, das die "Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" trägt. Durch Art. III.B.l IAEO-Statut wird die IAEO verpflichtet, ihre Aktivitäten in Übereinstimmung mit den Politiken der Vereinten Nationen zur Förderung der Einführung einer überwachten weltweiten Abrüstung durchzuführen. Durch Art. III.B.4, 5, Art. XII.C und Art. XVI. B.2 IAEO-Statut werden der IAEO Berichtspflichten gegenüber den Vereinten Nationen auferlegt. Wie in Art. XVI IAEO-Satut vorgesehen, wurde zwischen der IAEO und den Vereinten Nationen im Jahre 1957 ein "Relationship Agreement" abgeschlossen.90 Da die Spezialorganisationen mit den Vereinten Nationen über den Wirtschafts- und Sozialrat kommunizieren und eine direkte Berichterstattung der Agentur an Generalversammlung und Sicherheitsrat gewollt war, wurde die IAEO nicht eine Sonderorganisation der Vereinten
88
Vgl. allgemein Poulose, United Nations and Nuclear Proliferation (1988). Siehe unten 10. Kapitel C. "Agreement concerning the Relationship between the United Nations and the International Atomic Energy Agency" 281 U.N.T.S 369 = IAEA doc. INFCIRC/11, pt. I.A.. 89
G. Beziehungen zu anderen Internationalen Organisationen
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Nationen, sondern es wurde ein besonderes Abkommen geschlossen.91 In dieser Vereinbarung erkennen die Vereinten Nationen ihrerseits die besonderen Verantwortlichkeiten der IAEO für die friedliche Kernenergienutzung an.92 Das Relationship Agreement regelt entsprechend den Vorgaben des Art. XVI.B IAEO-Statut die Arbeitsbeziehungen93 zwischen beiden Organisationen. Dies betrifft u.a. den Informationsaustausch, 94 die gegenseitige Vertretung bei Sitzungen95 und die Koordinierung der Aktivitäten96. Mitgliedern des Sekretariats der IAEO wird das Recht eingeräumt, Laisser-passers der Vereinten Nationen als Reisedokumente benutzen.97 Die IAEO wird durch Art. IX des Relationship Agreements zur Kooperation mit dem Sicherheitsrat bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach Kapitel VII. der UN-Charta verpflichtet.
II. Überprüfungskonferenzen des NV-Vertrages Durch den NV-Vertrag wurde keine Organisation geschaffen, sondern es wurde die IAEO mit der Überwachungsaufgabe betraut. Eine gewisse organisatorische Verstetigung findet aber statt durch die gem. Art. VIII.3 NVVertrag im Fünfjahresturnus stattfindenden Überprüfungskonferenzen. 98 Die
91 Grossman , Supervision within the International Atomic Energy Agency, in: van I)ijk (ed.), Supervisory Mechanisms in International Economic Organisations (1984), S. 489 (495). 92 Art. I Relationship Agreement. Während der Entwurf der Vereinbarung zunächst noch eine Anerkennung der primären Verantwortlichkeit der IAEO seitens der Vereinten Nationen vorgesehen hatte, wurde das Wort "primarily" schließlich doch auf Wunsch der Vereinten Nationen gestrichen. In einem Schriftwechsel zwischen dem Präsidenten der Vorbereitungskommission für die IAEO und dem UN-Generalsekretär wurde jedoch festgehalten, daß trotz dieser Streichung Einverständnis darüber erzielt worden war, daß die IAEO "the leading position" auf dem Gebiet der friedlichen Kemenergienutzung haben sollte. 281 IJNTS 388. 93 Art. II Relationship Agreement. 04 Art. III, IV, VI Relationship Agreement. 95 Art. VII Relationship Agreement. 96 Art. XI Relationship Agreement. 97 Art. XIX. 1 Relationship Agreement. 98 Vgl.: Szasz, International Atomic Energy Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (125); Corradini , The Second Review Conference of the Parties to the Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, Disarmament 1980, S. 5-28; Golob, Third Review Conference of the Parties to the Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons: A Test of Obligations, Disarmament 1985, S. 40-44; Shaker , The Third Non-Proliferation Review Conference: An Opportunity for Strengthening the Non-Proliferation Régime, Disarmament 1985, S. 62-67; Fischerl Müller, The Fourth Review of the NonProliferation Non-Proliferation Treaty, SIPRI-Yearbook 1991, S. 554-581. Preisinger , Die 4. Überprüfungskonferenz des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen: Verlauf, Ergebnisse, Bewertung, atom Wirtschaft, 1991, S. 23-27; Power , The mixed state of nonproliferation: the NPT Review Conference and beyond, International Affairs 1986, S. 477-491.
4 Lohmann
50
2. Kapitel: Das Organisationsrecht der IAEO
letzte Überprüfungskonferenz fand vom 20.8. bis 14.9.1990 in Genf statt. Dort wurde u.a. eine veränderte Anwendung des Rechts zur Durchführung von Sonderinspektionen im Sinne der §§ 73, 77 INFCIRC/153 durch die IAEO vorgeschlagen und diese gebeten, eine Studie hierzu vorzulegen." Zwar bestehen keine formellen Beziehungen zwischen den Überprüfungskonferenzen des NV-Vertrages und der IAEO, jedoch besteht in der Praxis ein enger Zusammenhang, da sich die jeweilige Mitgliedschaft nahezu überschneidet. Besondere Relevanz für die von der IAEO aufgrund des NVVertrages durchgeführten Sicherungsmaßnahmen kommt der nächsten Überprüfungskonferenz im Jahre 1995 zu, da diese über die Weitergeltung des Vertrages und damit über das Weiterbestehen der Rechtsgrundlage cles weitaus überwiegenden Teils der Verifikationsaktivitäten der IAEO entscheidet.100
III. EURATOM Durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM/EAG) aus dem Jahre 1957 wurde ein regionales Kontrollsystem101 geschaffen, das sich grundsätzlich auf sämtliches Nuklearmaterial in den Hoheitsgebieten der Mitgliedsstaaten erstreckt. Eine Ausnahme gilt für solches Nuklearmaterial, das für Zwecke der Verteidigung bestimmt ist.102 Die Nichtkernwaffenstaaten der EG übernahmen durch ihren Beitritt zum NVVertrag die Verpflichtung, ihre Nuklearaktivitäten den Sicherungsmaßnahmen der IAEO zu unterstellen. Mit dem Argument, daß ihre Nuklearaktivitäten schon einer intensiven internationalen Kontrolle unterstellt seien, die IAEO-Sicherungsmaßnahmen daher zu Doppelkontrollen führten, wurde von den EURATOM-Staaien verlangt, daß sich die IAEO-Sicherungsmaßnahmen auf die Überprüfung der von EURATOM durchgeführten Kontrollen beschränken sollten.103 Diese
NPT/CONF.IV/DC71 Add.3 (1). Vgl. Art. X.2 NV-Vertrag. 101 Die Regelung dieses Kontrollsystems erfolgt durch die Art. 77-85 EURATOM-Veri rag und die EURATOM-Verordnung Nr. 3227 vom 19.10. 1976 (Amtsbl. L 263 Dezember 1976). 102 Art. 84 EURATOM-Vertrag. 103 Vgl. zu den Diskussionen um die Behandlung der EIJRATOM-Staaten im Rahmen der Sicherungsmaßnahmen aufgrund des NV-Vertrages: Pelzer, Rechtsfragen der Sicherheitsüberwachung, in: Deutsches Atomforum (Hrsg.), Sicherheitsüberwachung und Nichtverbreitung (19^9), S. 46-62. 100
G. Beziehungen zu anderen Internationalen Organisationen
51
Forderungen waren für die anderen Staaten und die IAEO nicht akzeptabel.104 Als Kompromiß wurde eine Regelung in den NV-Vertrag aufgenommen, die es erlaubt, die erforderlichen Sicherungsabkommen "gemeinsam mit anderen Staaten" abzuschließen.105 Ferner wurde in einem ergänzenden Protokoll zu dem von EURATOM und ihren Mitgliedsstaaten, die keine Kernwaffenstaaten sind, mit der IAEO abgeschlossenen Sicherungsabkommen106 vereinbart, daß die IAEO ihre Routine-Inspektionen grundsätzlich im Wege der Beobachtung von EURATOM-Inspektionen vornimmt.107
IV. OPANAL Durch den Vertrag von Tlatelolco wurden nicht nur staatliche Verpflichtungen zur Unterlassung militärischer Nutzungen der Kernenergie begründet, sondern es wurde auch eine Organization para la Proscripción de las Armas Nucleares en la América Latina y el Caribe" (OPANAL) geschaffen" 108 Deren Überwachungsfunktion überschneidet sich jedoch nicht mit den Aufgaben der IAEO, da die Vertragsparteien gem. Art. 13 des Vertrages zum Abschluß von Sicherungsabkommen mit der IAEO verpflichtet sind. OPANAL sind Kopien aller ihrer Berichte an die IAEO zu übermitteln.109 Die Inspektionsrechte von OPANAL sind als Verdachtsinspektionen komplementär zu den Sicherungsmaßnahmen der IAEO ausgestaltet. Sie können nur durchgeführt werden, wenn ein entsprechender Antrag von einer der Vertragsparteien gestellt wird. 110 Bislang sind jedoch von der Generalkonferenz von OPANAL noch nicht einmal die gem. Art. 16.3 des Vertrages erforderlichen Verfahrensregeln ausgearbeitet worden.
104
Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 71. Siehe Art. III.4 NV-Vertrag. 106 Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Verifikationsabkommen), BGBl. 1974 II, S. 795. 107 Artikel 10 und 14 des Protokolls zum Verifikationsabkommen. Vgl. zu den praktischen Problemen: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 72 f.. 108 Art. 7-11 Vertrag von Tlatelolco. Vgl. zu den Aktivitäten von OPANAL die eingehende Analsyse von Mirek, Voraussetzungen, Entwicklung und Probleme regionaler Konfliktfreiheit in Lateinamerika (1986). ,0Q Art. 13.2 Vertrag von Tlatelolco. 1,0 Art. 16 Vertrag von Tlatelolco. 105
4*
52
2. Kapitel: Das Organi sation s recht der IAEO
V. Konsultativausschuß des Vertrages von Rarotonga Durch den Vertrag über die Errichtung einer kernwaffenfreien Zone im Südpazifik (Vertrag von Rarotonga) vom 6. August 1985111 wird zwar keine eigenständige Organisation gegründet, doch es wird ein Konsultativausschuß eingesetzt,1,2 der einerseits ähnliche Funktionen wie die Überprüfungskonferenzen des NV-Vertrages erfüllen soll,113 andrerseits im Rahmen des Beschwerdeverfahrens für die Durchführung von Verdachtsinspektionen auf Antrag einer der Vertragsparteien zuständig sein soll.114 Die Vertragsparteien sind gem. Art. 8 in Verbindung mit Anhang 2 des Vertrages zum Abschluß von Sicherungsabkommen mit der IAEO verpflichtet. VI. Informelle staatliche Zusammenschlüsse 1. Zangger-Committee Gem. Art. III.2 NV-Vertrag sind dessen Vertragsparteien verpflichtet, Nuklearmaterial und "Ausrüstungen und Materialien, die eigens für die Verarbeitung, Verwendung oder Herstellung von besonderem spaltbaren Material vorgesehen oder hergerichtet sind," nur noch dann an Nichtkernwaffenstaaten zu exportieren, wenn die exportierten Gegenstände Sicherungsmaßnahmen der IAEO unterliegen. Sofern der importierende Nichtkemwaffenstaat als Vertragspartei des NV-Vertrages ein Sicherungsabkommen mit der IAEO geschlossen hat, ist dies Erfordernis erfüllt. Ist allerdings ein Export an einen Nichtkernwaffenstaat beabsichtigt, der nicht Vertragspartei des NVVertrages ist, ist anhand Art. III.2 NV-Vertrag zu bestimmen, welche Gegenstände nur unter der Bedingung der Akzeptierung von IAEO-Sicherungsmaßnahmen seitens des Importstaates exportiert werden dürfen. Die international abgestimmte Konkretisierung dieser auslegungsbedürftigen Vertragsbestimmung erfolgte weder durch Organe der IAEO noch durch die im NV-Vertrag vorgesehenen Überprüfungskonferenzen, sondern durch informelle Zusammenschlüsse der wichtigsten Exportländer. Die Länder der dritten Welt als wichtige Importeure von Nukleartechnologie waren hieian
1,1
Vgl. hierzu allgemein Findlay , Le Traité de Rarotonga (1985), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991). 112 Anhang 3 des Vertrages von Rarotonga. 1.3 Vgl. Art. 10 und 11 des Vertrages von Rarotonga. 1.4 Vgl. Anhang 4 des Vertrages von Rarotonga.
G. Beziehungen zu anderen Internationalen Organisationen
53
nicht beteiligt. In den frühen siebziger Jahren wurde von einem Komitee der wichtigsten Lieferländer unter der Leitung des Schweizers Claude Zangger eine "Trigger-List" aufgestellt, die die Gegenstände enthielt, die nach Auffassung der beteiligten Staaten unter die Exportkontrollverpflichtung nach Art. III. 2 NV-Vertrag fallen. Im August 1974 teilten die beteiligten Lieferländer dem Generaldirektor der IAEO ihre gemeinsame Auslegung von Art. III.2 NV-Vertrag unter Beifügung der Liste der Gegenstände mit.115
2. London-Suppliers Club Da sich das Zangger-Komitee nur aus Vertragsparteien des NV-Vertrages zusammensetzte, war Frankreich, das dem NV-Vertrag nicht beigetreten war, nicht mit einbezogen. Am 18. Mai 1974 gelang Indien die Zündung eines Kernsprengkörpers, wodurch viele Staaten sich veranlaßt sahen, ihre Nuklearexporte politish zu überprüfen. 116 Verschiedene Exportländer, insbesondere Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland, verhandelten mit nuklearen Schwellenländern über die Lieferung von Wiederaufarbeitungs- und Anreicherungsanlagen. Von diesen Entwicklungen aufgeschreckt, begannen auf Vorschlag des damaligen US-Außenministers Henry Kissinger 1975 Gespräche in London über eine restriktivere Nuklearexportpolitik, die bis 1977 dauern sollten.117 Schließlich wurde eine Einigung erzielt, die in Form der "Richtlinien für den Nuklearexport" dem IAEO-Generaldirektor zur Veröffentlichung mitgeteilt wurde.118 Im Gegensatz zu den im Zangger-Komitee getroffenen Vereinbarungen werden die in diesen Richüinien erhaltenen Restriktionen nicht nur auf die Nichtkernwaffenstaaten, die nicht Vertragspartei des NV-Vertrages sind, angewandt, sondern unterschiedslos auf alle Nichtkernwaffenstaaten. 119 Sie inkorporieren die Trigger-Liste des Zangger-Komitees, die um Fabriken zur Herstellung schweren Wassers ergänzt wurde.120 Während die Zangger-Liste ganz im Sinne von Art. III.2 NV-Vertrag Exportbeschränkungen vorsieht, sofern IAEO-Sicherungsmaßnahmen angewandt werden, wurde nun vereinbart,
115 "Communications received from members regarding the export of nuclear material and of certain categories of equipment and other material", INFCIRC/209. 1.6 Brilliant , Pakistan: a Test Case for United States Non-Proliferation Laws, American University Journal of International Law and Policy, 1989, S. 91 (103). 1.7 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 102. 1.8 INFCIRC/254. 119 Ziffer 1 INFCIRC/254. 120 Siehe Ziffer 2.6.1 Annex A INFCIRC/254.
54
2. Kapitel: Das Organi sation s recht der IAEO
"sich bei der Weitergabe von sensitiven Anlagen, sensitiver Technologie und waffengrädigem Material zurückzuhalten"121. Damit wurden gegenseitig zwar nicht rechtlich-verbindliche, jedoch politisch maßgebliche Exportbeschnmkungsverpflichtungen 122 begründet, durch die das Modell des NV-Vertrages, das unter der Voraussetzung der Akzeptierung von IAEO-Sicherungsmaßnahmen allen Vertragsparteien freien Zugang zu nuklearen Technologien einräumte,123 faktisch erheblich modifiziert wurde. Die praktische Wirkung der Londoner Richtlinien ist die eines rechtlichen Instruments.124 Die Überwachung der Einhaltung der so begründeten Exportbeschränkungsverpflichtungen geschieht durch Konsultationen zwischen den Mitgliedern cles sog. "London Suppliers Clubs"125, der den in ihm zusammengeschlossenen Exportstaaten seitdem als Forum für die Koordinierung ihrer Nuklearexpcrtpolitik dient. Die Richtlinien enthalten weiterhin Vereinbarungen zur Unterstützung der IAEO bei der Durchführung der Sicherungsmaßnahmen.126
121
Ziffer 7 INFCIRC/254. Vgl. hierzu Potier , The Emerging Suppliers and Non-Proliferation: An Overview, in: Potter (ed.), International Nuclear Trade and Non-Proliferation - The Challenge of the Emerging Suppliers (1990), S. 3 (6), der von einem "multilateral statement of national policies" spricht. 123 Vgl. hierzu neben der Präambel Art. III.3 und IV.2 NV-Vertrag. 124 Dolzer, International Nuclear Cooperation: Obligations, Conditions and Options, IJIL 1980, S. 366 (379). 125 Dies sind Belgien, Kanada, Tschechoslowakei, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland (früher auch die DDR), Italien, Japan, Niederlande, Polen, Schweden, Schweiz, Großbritannien, USA und Rußland. Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 223. 126 Ziffern 8, 12 INFCIRC/254. Einen Überblick über die der IAEO gewährte Assistenz gibt Kurihara, Role of Support Programmes in Safeguards, IAEA-Bulletin 1988, S. 13-17. m
3. Kapitel
Die Begründung des Kontrollmandates der IAEO
A. Allgemeines
Wegen der aus der staatlichen Souveränität abzuleitenden grundsätzlichen FreiheitsVermutung1 setzen die mit der Durchführung von Kontrollen verbundenen Eingriffe 2 voraus, daß sie durch entsprechende Rechtsgrundlagen gedeckt sind. Das IAEO-Statut begründet lediglich eine "Mantel-Organisation", enthält jedoch keine direkten materiellen Verpflichtungen der Staaten bei der Nutzung der Möglichkeiten nuklearer Technologie und unterwirft sie selbst auch keiner Kontrolle.3 Eine Vielzahl völkerrechtlicher Instrumente verpflichtet Staaten, sich nichtfriedlicher Nutzungen der Kernenergie zu enthalten. Dabei reicht die Bandbreite entsprechender Verpflichtungen von einseitigen Verpflichtungserklärungen bis zu nahezu globalen multilateralen Verträgen. Doch auch die anderen Staaten gegenüber übernommenen materiellen Verpflichtungen allein begründen noch kein Kontrollmandat der IAEO. Dieses setzt voraus, daß die materielle Verpflichtung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie um eine prozedurale Verpflichtung zur Unterstellung von nuklearen Aktivitäten unter die Kontrolle der IAEO ergänzt wird. Die Verknüpfung der der IAEO durch ihr Statut übertragenen Aufgabenstellung mit den staatlichen Verpflichtungen erfolgt schließlich durch einzelne mit der IAEO geschlossene Sicherungsabkommen, die deren Kontrollmandat unmittelbar begründen.
1 Vgl. hierzu die Ausführungen des StIGH im Lotus Case: "Restrictions upon the independence of States cannot be presumed", StIGH: Series A, No. 10, S. 18. 2 Vgl.: Dahm-Wolfrum , Völkerrecht, Bd. 1 (1988), S. 96. 3 Szasz, The Law and Practice of the International Atomic Energy Agency (1970), S. 327, nennt dies "perhaps the principle legal fact about the Agency".
56
3. Kapitel: Die Begründung des Kontrollmandates der IAEO
B. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
Zunächst sollen die völkerrechtlichen Instrumente untersucht werden, die zur Unterstellung nuklearer Aktivitäten unter die Kontrolle der IAEO verpflichten.
I. Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NV-Vertrag)
7. Allgemeines Der NV-Vertrag 4 ist angesichts seiner nahezu globalen Geltung das wichtigste völkerrechtliche Verbot militärischer Nutzungen der Kernenergie. Sein Ziel ist zunächst die Erhaltung des nuklearen Status quo. Die horizontale Verbreitung von Kernwaffen, d.h. die Erweiterung des Kreises der Nuklearmächte soll verhindert werden. Verpflichtungen zur Vermeidung vertikaler Proliferation, d.h. der Vergrößerung der Nuklearwaffenarsenale der existierenden Atommächte, oder gar zu ihrem Abbau werden nicht übernommen. Diese sind lediglich verpflichtet, hierüber in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen. 5 Die "Gegenleistung" für diesen einseitigen Verzicht der Nichtkernwaffenstaaten besteht in einer für alle Staaten, also auch für die Nuklearmächte geltenden Kooperationsverpflichtung für die friedliche Nutzung der Kernenergie.6 Der "underlying deal" des Vertrages besteht in dem Versprechen der Unterstützung friedlicher nuklearer Aktivitäten derjenigen Staaten, die sich zu einem überwachten Atomwaffenverzicht bereitfinden. Außerhalb des Vertrages haben die Atommächte weiterhin den Nichtkernwaffenstaaten gegenüber negative Versicherungen, d.h. die Verpflichtung zur Unterlassung der Drohung oder des Einsatzes von Kernwaffen, und positive Versicherungen, d.h. die Verpflichtung zum Beistand im Falle einer nuklearen Bedrohung, abgegeben.7
4 Siehe hierzu eingehend, insbesondere zur Entstehungsgeschichte: Shaker , The NonProliferation Treaty, Origin and Implementation 1959-1979, 1980. Eine knappe, instruktive Einführung in die Anwendungsprobleme gibt Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 14-25. Siehe auch BellanylBlackerlGallacher (ed.), The Nuclear Non-Proliferation Treaty (1985); Delbrück, Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, in: Blohm (Hrsg.), Abschreckung und Entspannung (1977), S. 623-682. 5 Art. VI NV-Vertrag. 6 Art. IV.2 NV-Vertrag. 7 Vgl. Kohler, Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und das Problem der Sicherheitsgarantien (1972).
Β. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
57
Der Vertrag wurde nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen, es wurde aber auch keine Befristung vereinbart. Der Vertrag sieht die Einberufung einer Konferenz fünfundzwanzig Jahre nàch Inkrafttreten vor, die über die weitere unbegrenzte Gültigkeit oder eine beifristete Weitergeltung entscheiden soll, die im Jahre 1995 stattfinden wird.8 In jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen, daß der NV-Vertrag universelle Geltung erlangen könnte. Mit der Volksrepublik China ist ein weiterer Kernwaffenstaat im Sinne von Art. IX.3 NVVertrag beigetreten.9 Südafrika ist dem NV-Vertrag am 10. Juli 1991 beigetreten, nachdem es zuvor das erforderliche Sicherungsabkommen geschlossen hatte.10 Frankreich hat im Juni 1991 sein grundsätzliches Einverständnis mit dem NV-Vertrag bekundet.11
2. Materielle
Verpflichtungen
Dem Vertrag liegt die Aufteilung der Staatengemeinschaft in zwei Kategorien zugrunde. Gem. Art. IX.3 NV-Vertrag gilt als Kernwaffenstaat jeder Staat, der vor dem 1. Januar 1967 eine Kernwaffe oder einen sonstigen Kernsprengkörper hergestellt hat. Dabei handelt es sich um die USA, Rußland,12 Großbritannien, Frankreich und die Volksrepublik China. Alle übrigen Staaten gelten als Nichtkernwaffenstaaten. Diese Unterscheidung ist zunächst für den materiellen Verpflichtungsgehalt des Vertrages von Bedeutung. So werden durch Art. II NV-Vertrag die Nichtkernwaffenstaaten dazu verpflichtet, sich keine Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörper zu verschaffen. Komplementär hierzu werden durch Art. I NV-Vertrag die Kernwaffenstaaten dazu verpflichtet, Kernwaffen nicht an andere Staaten weiterzugeben oder sie auf andere Art und Weise dabei zu unterstützen, sich Kernsprengkörper zu verschaffen. Von diesem Verbot unberührt bleibt die Stationierung von Kernwaffen durch die Atommächte auf dem Territorium dieser Staaten, sofern der betreffende Kernwaffenstaat die alleinige Kontrolle über diese Waffen behält.13
8
Ait. X.2 NV-Vertrag. Am 9.3.1992 wurde die Ratifikationsurkunde hinterlegt. Siehe Frankfurter Rundschau vom 10.3.1992 "China tritt offiziell dem Atomwaffensperrvertrag bei". 10 Gegenwärtig wird über die Ergänzungsvereinbarungen zum Sicherungsabkommen vom 16.9.1991 verhandelt. Siehe IAEA Bulletin 1991/4, S. 44: "South Africa: Safeguards Agreement". 11 Siehe: IAEA Bulletin 1991/2, S. 40: "NPT-related developments: French initiative". 12 Als Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion. Auf die Konsequenzen, die sich aus der Auflösung der Sowjetunion für die anderen auf ihrem Territorium entstandenen Staaten ergeben, kann in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden. 9
58
3. Kapitel: Die Begründung des Kontrollmandates der IAEO
Der NV-Vertrag regelt nicht nur die Frage der Berechtigung zur Erlangung von Kernwaffen, sondern trifft neben diesen sicherheitsbezogenen auch wirtschafts- und technologiebezogene Regelungen. Art. IV.2 NV-Vertrag enthält eine umfassende Kooperationsverpflichtung der Vertragsparteien für das Gebiet der zivilen Nutzung der Kerntechnologie. Ferner folgt aus Art. III.2 NV-Vertrag die Verpflichtung der Vertragsparteien zur Einführung von Exportkontrollen, die gewährleisten, daß Nuklearmaterial und die zu seiner Verarbeitung erforderlichen Einrichtungen nur dann in Nichtkernwaffenstaaten exportiert werden, wenn sie dort den Sicherungsmaßnahmen der I^EO unterliegen. Art. III.2 und IV.2 NV-Vertrag liegt die Grundkonzeption zugrunde, daß proliferationsrelevante Gegenstände nur in solche Länder geliefert werden sollen, die sich durch die IAEO überwachen lassen, daß andrerseits diese Länder aber auch in den Genuß einer möglichst umfassenden Zusammenarbeit kommen sollen.14
3. Verpflichtung
zur Annahme von IAEO-Kontrollen
Zwar sind aufgrund Art. III. 1 NV-Vertrag Staaten verpflichtet, Kontrollen der IAEO zu akzeptieren, doch zeigt eine eingehendere Betrachtung, daß diese Verpflichtung vielfachen Beschränkungen unterliegt.
a) Beschränkung auf die Nichtverschaffungsverpflichtung der Nichtkernwaffenstaaten Der materiell-rechtlichen Asymmetrie des NV-Vertrages entspricht die verfahrensrechtliche Asymmetrie. Nur die Nichtkernwaffenstaaten haben sich über Art. III.2 NV-Vertrag, der sie zur Annahme von Sicherungsmaßnahmen verpflichtet, einem ihre Souveränität einschränkenden Verfahren unterworfen.
13
ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 5. 14 Diese hochgesteckte Ziel konnte nur beschränkt erreicht werden. Vgl. Wilmshurst, Der Spenvertrag und die friedliche Nutzung der Kernenergie - ein Weg zur Überwindung der Spannungen zwischen Liefer- und Empfängerländem, EuArch 1983. Siehe unten 10. Kaptel E. III.
Β. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
59
Die Erfüllung der Verpflichtungen der Kernwaffenstaaten unterliegt lediglich einer politischen Bewertung im Rahmen der gem. Art. VIII.3 NV-Vertrag im Fünfjahresrythmus abgehaltenen Überprüfungskonferenzen. Dies gilt auch für die Erfüllung der wirtschafts- und technologiebezogenen Kooperationsverpflichtung aus Art. IV.2 NV-Vertrag. Die Handhabung der Exportkontrollen, zu denen die Vertragsstaaten gem. Art. III.2 NV-Vertrag verpflichtet sind, unterliegt nur in den Nichtkernwaffenstaaten bezüglich des Kernmaterials selbst einer indirekten Aufsicht durch Sicherungsmaßnahmen.15
b) Beschränkung auf die Feststellung der Nichtabzweigung von Kernmaterial Die von der IAEO durchzuführenden Sicherungsmaßnahmen ermöglichen keine vollständige Überprüfung der Verpflichtungen der Nichtkernwaffenstaaten aus Art. II NV-Vertrag, sondern sind auf einem Ausschnitt beschränkt.
aa) Objektivierung für Verfahrenszwecke Anders als die in Art. III. 1 NV-Vertrag 16 gewählte Formulierung "die Erfüllung seiner Verpflichtungen" zunächst nahelegt, soll die Aufsicht der IAEO sich nicht auf die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen der Nichtkernwaffenstaaten erstrecken. Sondern durch die Sicherungsmaßnahmen soll lediglich verhindert werden, "daß Kernenergie von der friedlichen Nutzung abgezweigt und für Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper abgezweigt
15 Vgl. Müller , Nuclear Trade Régime: A Case für Strengthening the Rules, in: Fry/Keatinge/ Rotblat (eds.), Nuclear Non-Proliferation and the NPT (1990), S. 19 (21). Siehe auch Wilmshurst , Reforming the Non-Proliferation Safeguards in the 1980's, in: Simpson/Mc Grew (eds.), The International Non-Proliferation System (1984), S. 137 (160), der darauf hinweist, daß dies auch für die Verpflichtung der Kernwaffenstaaten aus Art. I NV-Vertrag gilt. 16 Art. III. 1 NV-Vertrag lautet: "Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Sicherungsmaßnahmen anzunehmen, wie sie in einer mit der Intematonalen AtomenergieOrganisation nach Maßgabe ihrer Satzung und ihres Sicherungssystems auszuhandelnden und zu schließenden Übereinkunft festgelegt werden, wobei diese Sicherungsmaßnahmen ausschließlich dazu dienen, die Erfüllung seiner Verpflichtung aus diesem Vertrag nachzuprüfen, damit verhindert wird, daß Kernenergie von der firedlichen Nutzung abgezweigt und für Kernwaffen oder sonstige Kemsprengkörper verwendet wird. Die Verfahren für die nach diesem Artikel erforderlichen Sicherungsmaßnahmen werden in bezug auf Ausgangs- und besonderes spaltbares Material durchgeführt, gleichviel ob es in einer Hauptkernanlage hergestellt, verarbeitet oder verwendet wird oder sich außerhalb einer solchen Anlage befindet. Die nach diesem Artikel erforderlichen Sicherungsmaßnahmen finden Anwendung auf alles Ausgangs- und besondere spaltbare Material bei allen friedlichen nuklearen Tätigkeiten, die im Hoheitsgebiet dieses Staates, unter seiner Hoheitsgewalt oder unter seiner Kontrolle an irgendeinem Ort durchgeführt werden.
60
3. Kapitel: Die Begründung des Kontrollmandates der IAEO
wird". Zwar wird damit auf die Nichtverschaffungsverpflichtung aus Art. II. NV-Vertrag bezug genommen, doch auch diese Verpflichtung 17 soll nicht in jeder Hinsicht überprüft werden, sondern es wird ein engerer Bewertungsmaßstab festgelegt. Ohne daß dieses explizit im NV-Vertrag definiert würde, wird der Verpflichtung der Nichtkernwaffenstaaten zur Annahme von Sicherungsmaßnahmen ein spezifisches "Abzweigungsdelikt" zugrunde gelegt, das als lex specialis zu Art. II NV-Vertrag begriffen werden könnte. Verboten durch Art. II NV-Vertrag ist jegliches Verhalten, das darauf gerichtet ist, sich Kernsprengkörper zu verschaffen. Im Nuklearbereich sind vielfach Materialien, Anlagen und Technologien sowohl für friedliche als auch für militärisch-explosive Zwecke geeignet. Eine objektive Unterscheidung ist angesichts der weiten Vorverlegung der Völkerrechtswidrigkeit durch Art. II NV-Vertrag nicht möglich, wenn das Recht der Nichtkernwaffenstaaten zur umfassenden friedlichen Kernenergienutzung, wie in Art. IV NV-Vertrag bestimmt, gewahrt bleiben soll. Im Rahmen des Art. II NV-Vertrag kann daher die Abgrenzung zwischen zulässigen und verbotenen Verhaltensweisen nicht nach objektiven, sondern nur nach subjektiven Kriterien erfolgen. Wäre Art. II NV-Vertrag als Bewertungsmaßstab für die Sicherungsmaßnahmen der IAEO gewählt worden, hätte dies die Unterstellung sowohl von Kernmaterial und Anlagen als auch der für die Herstellung von Kernsprengkörpern erforderlichen Technologie erfordert. Ferner hätte dies die Gewährung eines erheblichen Beurteilungsspielraums für die IAEO impliziert. Für die Zwecke der Sicherungsmaßnahmen legt der NV-Vertrag daher eine spezifische "Nichtabzweigungshypothese" zugrunde, die durch die nachfolgend dargestellten Merkmale charakterisisiert ist.
bb) Beschränkung auf Kernmaterial Gegenstand der Sicherungsmaßnahmen ist lediglich das "Ausgangs- ocler spaltbare Material".18 Das Verfahren erfaßt somit weder Ausrüstungsgegenstände noch Technologie direkt. Verfahrensgegenstand ist lediglich clie Verwendung nuklearen Materials innerhalb eines Staates. 17 Art. II NV-Vertrag lautet: "Jeder Nichtkemwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kemsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen, Kernwaffen oder sonstige Kemsprengkörper weder herzustellen noch sonstwie zu erwerben und keine Unterstützung zur Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern zu suchen oder anzunehmen." ,e Vgl. zu der für die Sicherungsmaßnahmen maßgeblichen Definition 5. Kapitel C. II.
Β. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
61
Dies hat zur Folge, daß ein Staat sich nukleartechnische Ausrüstungen verschaffen kann, die einzig und allein dem Zweck dienen, ein Atombombenprogramm zu fördern, ohne daß dies Gegenstand der Sicherungsmaßnahmen wäre. Unberührt hiervon bleibt die Frage, ob er hierdurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. II NV-Vertrag verstößt. Nur eine Bewertung solcher Beschaffungsaktionen durch die IAEO ist nicht vorgesehen. Dieser Ausschluß gilt auch für die nukleare Technologie. Ein Staat kann sich demnach das für die Herstellung von Kernsprengkörpem erforderliche know-how verschaffen, ohne daß dies Gegenstand der Sicherungsmaßnahmen werden könnte. Eine Folge dieser Beschränkung war, daß Mitte der siebziger Jahre nach intensiven Auseinandersetzungen die nuklearen Lieferländer sich darauf einigten, sich bei dem Export von Nuklearanlagen und Technologien, die für die Herstellung waffenfähigen Materials geeignet sind, zurückzuhalten.19
cc) Ausnahme für Nuklearmaterial in nicht-explosiven militärischen Aktivitäten Die Nichtkernwaffenstaaten sind aufgrund Art. II NV-Vertrag lediglich verpflichtet, explosive militärische Anwendungen der Nukleartechnologie zu unterlassen. Nicht-explosive militärische Anwendungen der Kernenergie sind daher erlaubt. Hierbei geht es in erster Linie um nuklear angetriebene Unterseeboote. Diese Festlegung ging vor allem auf italienische Wünsche zurück. Das kanadische Vorhaben, einen unkontrollierten Nuklearkreislauf für den Betrieb von U-Boote aufzubauen, wurde zwar schließlich aus Kostengründen gestoppt, schuf aber einen Präzedenzfall für entsprechende Pläne von Argentinien, Brasilien und Indien.20 Von den Vertragsparteien des NVVertrages wurde dieses Recht bislang nicht wahrgenommen.
dd) Beschränkung auf die Feststellung von Abzweigungen Gem. Art. III. 1 NV-Vertrag soll durch die Sicherungsmaßnahmen überprüft werden, daß kein Nuklearmaterial von der friedlichen Nutzung abgezweigt wird. Während im Hinblick auf Art. II NV-Vertrag das Horten spaltbaren Materials oder seine Anreicherung dann illegal ist, wenn es mit dem Ziel
19 Vgl. hierzu: Scheinman, The Non-Proliferati on Role of the IAEA (1985), S. 16. Siehe oben 2. Kapitel G. VI. 2. 20 Müller , Prospects for the Fourth Review of the Non-Proliferation Treaty, in: SIPRIYearbook 1990, S. 553 (562).
62
3. Kapitel: Die Begründung des Kontrollmandates der IAEO
geschieht, daraus Kemsprengkörper herzustellen, dienen die Sicherungsmaßnahmen nicht der Beurteilung dieses Verhaltens. Solange sich das spaltbare Material in den "friedlichen Nuklearaktivitäten" befindet, liegt keine Abzweigung vor. Diese Beschränkungen stellten einen Grund für die Mitte der siebziger Jahre ausgehend von den Vereinigten Staaten beginnende Einführung besonderer Kontrollen dar, die insbesondere verhindern sollte, daß Nichtkernwaffenstaaten in den Besitz von hochangereichertem Uran oder Plutonium gelangten.21
ee) Vollständigkeit der Erfassung des Nuklearmaterials Weiterhin könnte "Abzweigung" dahingehend verstanden werden, daß lediglich der Mißbrauch von zuvor für friedliche Zwecke verwandtem und deklariertem Nuklearmaterial hiervon erfaßt würde.22 Unter Zugrundelegung dieser Auffassung ist es konsequent, auf der Ebene der Sicherungsmaßnahmen die Berechtigung der IAEO, ihre Inspektionskompetenzen zur Suche nach nicht deklariertem Material zu nutzen, abzulehnen.23 Art. III. 1 NV-Vertrag verpflichtet die Nichtkernwaffenstaaten jedoch, sämtliches Nuklearmaterial in allen friedlichen Aktivitäten den Sicherungsmaßnahmen zu unterwerfen. Ausgenommen ist somit lediglich die Verwendung von Nuklearmaterial für die zugelassenen deklarierten militärischen nicht-explosiven Nutzungen. Für die Reichweite der Kontrollen kommt es daher auf eine vorherige Deklaration durch den Staat nicht an.
c) Verpflichtung zum Abschluß von Sicherungsabkommen Aus der durch Art. III. 1 NV-Vertrag begründeten Verpflichtung zur Annahme von Sicherungsmaßnahmen der IAEO folgt jedoch nicht unmittelbar deren Anwendbarkeit durch die IAEO. Sondern hierfür ist gem. Art. III. 1 und 4 NV-Vertrag der Abschluß besonderer Sicherungsabkommen nötig. 80 der 132 Vertragsparteien des NV-Vertrages hatten Ende 1990 mit der Agentur Sicherungsabkommen geschlossen. Von den verbleibenden 51 Staaten
21
Vgl. hierzu: Scheinman, The Non-Proliferation Role of the IAEA (1985), S. 16. So von Ρ reuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kernmaterial für Kemsprengkörper (1983), S. 15. 23 Von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kemsprengkörper (1983), S. 101. Siehe hierzu unten 8. Kapitel D. VI. 5. d) bb). 22
Β. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
63
verfügen jedoch nur drei über signifikante nukleare Aktivitäten, die durch Sicherungsmaßnahmen auf einer anderen Rechtsgrundlage überwacht werden.24
II. Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen in Lateinamerika (Vertrag von Tlatelolco)
1. Allgemeines Der ein Jahr vor dem NV-Vertrag in Mexico unterzeichnete Vertrag von Tlatelolco25 schuf die erste kernwaffenfreie Zone der Welt.26 Beschränkt auf den lateinamerikanischen Subkontinent27 geht er über den NV-Vertrag hinaus, indem sich die Vertragsparteien verpflichten, Nuklearwaffen auf ihrem Territorium nicht zuzulassen. Es bestehen keine Sonderrechte für einzelne Staaten, auch ist eine Stationierung von Kernwaffen durch die Kernwaffenstaaten in Nichtkernwaffenstaaten, wie sie nach dem NV-Vertrag zulässig ist, ausgeschlossen.28
2. Materielle
Verpflichtungen
Die Verpflichtungen zur Unterlassung militärischer nuklearer Anwendungen ergeben sich aus Art. 1 und 5 des Vertrages. Ihnen stehen keine den Regelungen des NV-Vertrages vergleichbaren Kooperationsverpflichtungen für die friedliche Nutzung der Kernenergie gegenüber. Im Gegensatz zum NVVertrag, der den Nichtkernwaffenstaaten jegliche explosive Anwendung der Kernenergie verbietet, sind aufgrund Art. 18 des Vertrages Kernexplosionen zu friedlichen Zwecken zugelassen. Möchte ein Staat eine derartige friedliche Nuklearexplosion29 durchführen, hat er jedoch die IAEO und OPANAL von
24 Von Baeckmann , Le Traité sur la non-prolifration (TNP) (1968), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques, S. 165 (171). 25 Text bei Fischer , The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 68-73. 26 Siehe hierzu: Estrada Oyuela , Le Traité de Tlatelolco (1967), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 145-163. 27 Art. 4 II des Vertrages nimmt eine präzise geographische Bestimmung des Anwendungsbereiches des Vertrages vor. 28 Vgl. zu der politischen Bedeutung des Vertrages Scheinman, The Non-Proliferation Role of the IAEA (1985), S. 13-14. 20 Vgl. Findlay , Nuclear Dynamite: The Peaceful Nuclear Explosives Fiasco (1990).
64
3. Kapitel:
ie Begründung des Kontrollmandates der IAEO
seiner Absicht im voraus zu unterrichten.30 Die IAEO hat Richtlinien für die Beobachtung solcher Nuklearexplosionen entwickelt.31
3. Verpflichtung
zur Annahme von IAEO-Kontrollen
Der Vertrag enthält in den Artikeln 12 bis 18 eine umfassende Regelung eines Kontrollsystems, das der IAEO und der regionalen Organisation OPANAL unterschiedliche Überwachungsaufgaben zuweist. Durch Art. 13 werden die Vertragsparteien zur Vereinbarung von Sicherungsmaßnahmen mit der IAEO verpflichtet. Die Funktion des Kontrollsystems ist in Art. 12 geregelt. Im Gegensatz zum NV-Vertrag, der das Mandat der IAEO auf die Verhinderung von Abzweigungen beschränkt, soll sich gem. Art. 12.1 des Vertrages das Kontrollsystem insgesamt auf die Verifikation der Erfüllung der in Art. 1 enthaltenen Verpflichtungen erstrecken. Durch Art. 12.2 werden lediglich bestimmte Verpflichtungen hervorgehoben. So soll das Kontrollsystem u.a. insbesondere der Überprüfung der Verpflichtungen, Gegenstände, die zur friedlichen Verwendung bestimmt sind, nicht für die Herstellung von Kernwaffen zu nutzen, dienen. Zwar wird durch den Vertrag von Tlatelolco einerseits jegliche militärische Nutzung der Kernenergie verboten während der NV-Vertrag sie zuläßt, und andererseits die Durchführung driedlicher Nuklearexplosionen erlaubt, während nach dem NV-Vertrag jegliche explosive Anwendung der Kernenergie unzulässig ist, doch werden auch mit den Vertragsparteien dieses Vertrages Sicherungsabkommen entsprechend dem Modellabkommen INFCIRC/153 geschlossen. Sie werden ergänzt durch Protokolle, die bestimmen, daß die Sicherungsmaßnahmen auch auf die Verpflichtungen aus dem Vertrag von Tlatelolco Anwendung finden. 32
30
Art. 18.3 Vertrag von Tlatelolco. Guidelines for the International Observation by the Agency of Nuclear Explosions for Peaceful Purposes under the Provisions of the Treaty on the Non-proliferation of Nuclear Weapons or Analogous Provisions in Other International Agreements, INFCIRC/16Ç v. 16.1.1979/31.10.1974. 32 Szasz, International Atomic Energy Safeguards, in: Willrich , (ed.) International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73, (85). 31
Β. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
65
Von den 23 Vertragsparteien 33 haben 19 Sicherungsabkommen mit der IAEO geschlossen. Bis auf das Sicherungsabkommen mit Kolumbien,34 das allein auf dem Vertrag von Tlatelolco basiert, erfüllen alle diese Abkommen auch die Verpflichtungen der Staaten aus dem NV-Vertrag. Von den Unterzeichnern des Zusatzprotokolls des Vertrages für Staaten mit Gebieten innerhalb der Zone haben die Niederlande und die USA SicherungsVereinbarungen abgeschlossen.35
III. Vertrag über die Errichtung einer kernwaffenfreien Zone im Südpazifik (Vertrag von Rarotonga)
1. Allgemeines Dieser Vertrag, 36 der am 11. Dezember 1986 in Kraft trat, stellt das modernste multilaterale Instrument, das die Verhinderung militärischer Nutzung der Kernergie bezweckt, dar.37 Ebenso wie durch den Vertrag von Tlatelolco wird durch ihn eine territorial begrenzte nuklearwaffenfreie Zone geschaffen. Die Kontrolle der Vertragserfüllung wird weder allein der IAEO zugewiesen, noch wird eine neue regionale Organisation gegründet. Kontrollfunktionen werden der IAEO,38 einem neu gebildeten Konsultativausschuß,39 dem Direktor des Südpazifik-Büros für wirtschaftliche Zusammenarbeit40 sowie dem Südpazifik-Forum 41 zugewiesen.
33 Gem. Art. 28 I des Vertrages erfordert sein Inkrafttreten u.a. die Ratifikation durch alle lateinamerikanischen Staaten und den Abschluß von Sicherungsabkommen mit der IAEO. Auf das Vorliegen der Erfordernisse des Art. 28 I können Staaten gem. Art. 28 II durch eine Erklärung verzichten, so daß für sie der Vertrag schon in Kraft treten kann. Brasilien und Chile haben den Vertrag zwar ratifiziert, jedoch nicht die in Art. 28 II des Vertrages geregelte Deklaration abgegeben, Argentinien hat bislang lediglich gezeichnet. Für diese wichtigen Staaten ist der Vertrag von Tlatelolco daher noch nicht in Kraft getreten. IAEA, Annual Report 1988, S. 66 Fn. a. 34 INFCIRC/306. 35 IAEA, Annual Report 1988, S. 66. 36 Text bei Fischer, The International Non-Proliferati on Régime 1987 (1987), S. 75-80. 37 Vgl. Findlay , Le Traité de Rarotonga (1985), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 289-299; Fry t The South Pacific Nuclear Weapon Free-Zone, in: SIPRI Yearbook 1986, S. 499-508. 38 Art. 8 II c) und Anhang 2 des Vertrages. w Art. 8 II b), 10 und Anhang 3 des Vertrages. 40 Art. 9 I des Vertrages. 41
Art. 9 III des Vertrages.
5 Lohmaim
66
3. Kapitel:
ie Begründung des Kontrollmandates der IAEO
2. Materielle
Verpflichtungen
Der Umfang der von den Vertragsparteien übernommenen Verpflichtungen geht weit über den NV-Vertrag und den Vertrag von Tlatelolco hinaus. Neten dem Art. II NV-Vertrag vergleichbarem Verbot, Kernsprengkörper zu erwerben, sind Verpflichtungen enthalten, die sich auf Nuklearexporte, die Verhinderung von Versuchen mit Kernsprengkörpern sowie ihre Stationierung und ihren Transport durch Dritte beziehen. Darüberhinaus wird auch die Versenkung von Nuklearabfall in das zum Vertragsgebiet gehörige Meer verboten.42
3. Verpflichtung
zur Annahme von IAEO-Kontrollen
Für die gem. Art. 8.2.c) des Vertrages von der IAEO durchzuführenden Sicherungsmaßnahmen ist in Anhang 2 § 3 bestimmt, daß sie "den Zweck der Überwachung der Nicht-Abzweigung von Kernmaterial von friedlichen nuklearen Tätigkeiten für Kernsprengkörper" haben. Damit entspricht die passive Kontrollverpflichtung Art. III.l NV-Vertrag. Für zehn der elf Signatarstaaten des Vertrages sind Sicherungsabkommen mit der IAEO aufgrund des NV-Vertrages in Kraft, doch nur in einem der Staaten, Australien, werden aufgrund der dort vorhandenen zivilen Kernenergienutzung Sicherungsmaßnahmen durchgeführt. 43
IV. Zwischenstaatliche Nuklearkooperationsverträge
1. Bedeutung Zwar werden die meisten Nichtkernwaffenstaaten durch die dargestellten multilateralen Instrumente zur Unterwerfung ihrer friedlichen Nuklearaktivitäten unter Sicherungsmaßnahmen der IAEO verpflichtet, doch gerade einige Staaten, bei denen der rein friedliche Charakter ihrer nuklearen Aktivitäten bezweifelt wird, sind diesen Instrumenten bislang ferngeblieben. Der Umfang,
42
Vgl. Papadimitropoulos, The Rarotonga Treaty: A Regional Approach to Non-Proliferation in the South Pacific, in: IAEA-Bulletin, 1988, S. 29 (31). 43 Findlay , Le Traité de Rarotonga (1985), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 289 (290). Siehe auch: IAEA, Annual Report 1988, S. 55.
Β. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
67
in dem diese Staaten zur Annahme von Sicherungsmaßnahmen der IAEO verpflichtet sind, hängt davon ab, inwieweit sie sich im Zusammenhang mit Importen gegenüber anderen Staaten verpflichtet haben, die friedliche Verwendung der importierten Gegenstände durch die IAEO überprüfen zu lassen. Sofern bei der 1995 stattfindenden Überprüfungskonferenz des NVVertrages keine Weitergeltung dieses Instrumentes beschlossen wird, werden für die Nichtkernwaffenstaaten, die weder Vertragspartei des Vertrages von TCatelolco noch des Vertrages von Rarotonga sind, bilaterale Kooperationsverträge wieder die einzige Verpflichtung zur Unterstellung nuklearer Aktivitäten unter IAEO-Kontrollen darstellen.
2. Steuerung durch Exportbeschränkungsverpflichtungen Zwar folgt aus der Mitgliedschaft in der IAEO noch keine Pflicht, Lieferungen in andere Staaten nur dann zuzulassen, wenn dort Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, doch sind viele Staaten völkerrechtlich oder politisch zu entsprechenden Exportkontrollen verpflichtet. Diese Verpflichtungen werden durch bilaterale Nuklearkooperationsverträge mit den Importstaaten umgesetzt. Sie enthalten die Verpflichtungen des Empfängerlandes, die bezogenen Lieferungen nur für friedliche Zwecke zu verwenden und die Einhaltung dieser Verpflichtung durch Sicherungsmaßnahmen der IAEO überprüfen zu lassen. Da es sich bei den Kooperationsverträgen um jeweils bilaterale Instrumente handelt, ist ihre Reichweite durch die Exportpolitik der Lieferländer bestimmt. Damit kommt dem Umfang, in dem die Lieferländer ihrerseits zu Exportkontrollen verpflichtet sind, entscheidende Bedeutung zu. Aus diesem Grunde werden als "Vorfrage" zunächst einmal die Verpflichtungen dargestellt, aufgrund derer Exportländer Lieferungen nur unter der Voraussetzung von Sicherungsmaßnahmen der IAEO zulassen.
3. Vorgaben durch Exportbeschränkungsverpflichtungen a) Entwicklung Die erste internationale Vereinbarung, nukleare Informationen für industrielle Zwecke nur dann weiterzugeben, wenn effektive und durchsetzbare Sicherungsmaßnahmen gegen ihre Verwendung für zerstörerische Zwecke 5*
68
3. Kapitel:
ie Begründung des Kontrollmandates der IAEO
gegeben sind, wurde zwischen Kanada, Großbritannien und den USA am 15. November 1945 geschlossen.44 Nachdem die USA in den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg eine Politik der Geheimhaltung und Nichtkooperation mit anderen Staaten verfolgt hatten, wurden sie durch die erfolgreichen zivilen und militärischen Programme anderer Staaten Anfang der fünfziger Jahre dazu veranlaßt, diese Politik zu ändern.45 Präsident Eisenhowers "Atoms for Peace" Vorschlag vom 8.12.1953, der das Angebot der USA zur überwachten nuklearen Kooperation enthielt, markiert diesen Wechsel.46 In den fünfziger Jahren führten die USA die Überwachungsmaßnahmen selbst durch. Erst 1962 wurde die Politik dahingehend geändert, daß nunmehr entsprechend Art. III.A.5 IAEO-Statut die IAEO die Kontrollen durchführen sollte. Entsprechend wurde in die amerikanischen Kooperationsverträge eine Klausel aufgenommen, die die Akzeptierung von IAEO-Sicherungsmaßnahmen zur Voraussetzung der Zusammenarbeit machten.47 Eine ähnliche Politik wurde von den meisten anderen Lieferländern auch verfolgt.
b) Völkerrechtliche Verpflichtungen
aa) Art. III.2 NV-Vertrag Vor der Schaffung des des NV-Vertrages fehlte es an einem internationalen verbindlichen Instrument zur Koordinierung der Exportkontrollpolitik der Lieferländer. Erst durch Art. III.2 NV-Vertrag 48 werden die Vertragsstaaten verpflichtet, Exporte bestimmter nuklearer Gegenstände an Nichtkernwaffenstaaten nur unter der Voraussetzung von IAEO-Sicherungsmaßnahmen
44 "Three Nations Declaration on Nuclear Energy", nach Scheirunan , The Non-Proliferation Role of the IAEA (1985), S. 7. 45 Vgl. Goldschmidt, Le complex atomique (1980), S. 136 ff. 46 Scheirunan, The Non-Proliferation Role of the IAEA (1985), S. 9. 47 Viele der Kooperationspartner der USA waren in den ersten Jahren mit der Übertragung der KontroUaufgaben auf die IAEO nicht einverstanden, da Unsicherheit über die An der Durchführung einer solchen Aufgabe durch eine internationale Behörde herrschte unci die Befürchtung von Spionage durch die Inspektoren bestand. Siehe: Scheinman, The NonProliferation Role of the IAEA (1985), S. 28. 49 Art. III.2 N W lautet: "Jeder Staat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, a) Ausgangsund besonderes spaltbares Material oder b) Ausrüstungs- und andere Materialien, die eigens für die Verarbeitung, Verwendung oder Herstellung von besonderem spaltbarem Material vorges ehen oder hergerichtet sind, einem Nichtkernwaffenstaat für friedliche Zwecke nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn das Ausgangs- oder besondere spaltbare Material den nach diesem Artikel erforderlichen Sicherungsmaßnahmen unterliegt."
Β. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
69
vorzunehmen. Nichtkernwaffenstaaten, die Vertragspartei des NV-Vertrages sind, müssen aufgrund Art. III.l dieses Vertrages ohnehin ihren gesamten Nuklearkreislauf Sicherungsmaßnahmen der IAEO unterstellen, so daß dieses Erfordernis erfüllt ist, sobald das erforderliche Sicherungsabkommen mit der IAEO geschlossen und durchgeführt wird. Die Regelung zielt daher auf Staaten, die dem NV-Vertrag (noch) nicht beigetreten sind oder die nach Art. III.l NV-Vertrag erforderlichen Sicherungsabkommen noch nicht abgeschlossen oder, falls erforderlich, ratifiziert haben.49 Wie oben schon dargestellt,50 erfolgte eine Konkretisierung dieser Verpflichtung durch die wichtigsten Importländer in Form einer Trigger-Liste, die die Gegenstände enthält, die nach Ansicht dieser Staaten nur unter der Voraussetzung von IAEO-Sicherungsmaßnahmen exportiert werden sollen.51 Grundsätzlich erfolgt die Beurteilung der Erfüllung der durch Art. III.2 NV-Vertrag begründeten Verpflichtung durch die Exportstaaten selbst. Eine Überwachung durch die IAEO findet nicht statt.Auch Entwicklungsländer, die dem ZanggerKomitee nicht angehören, befolgen zum Teil stillschweigend dessen Richtlinien.52
bb) Art. 4 a) des Vertrages von Rarotonga Die weitestgehendsten Exportbeschränkungsverpflichtungen in völkerrechtlich verbindlicher Formim Nuklearbereich enthält der Vertrag von Rarotonga in seinem Art. 4 a).53 Er wiederholt hinsichtlich der Sicherungsmaßnahmen erfordernden Lieferungen den Inhalt von Art. III.2 NV-Vertrag, dehnt jedoch dieses Erfordernis gegenüber dem NV-Vertrag auf die Kernwaffenstaaten aus, und verlangt vollabdeckende Sicherungsmaßnahmen im Sinne von Art III.l
49
Eine Übersicht gibt der Annual Report der IAEO 1988, S. 67-69. Siehe oben 2. Kapitel G. VI. 1. 51 Vgl. zur Entstehungsgeschichte dieser Liste: Sanders, Safeguards against Nuclear Proliferation (1975), S. 17-19. 52 Vgl. Stahl, Neue Exportstaaten von Kerntechnologie in der dritten Welt, in: Eisenbarth/ Ehrenstein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 451. 53 Gem. Art. 4 a) sind die Vertragsparteien verpflichtet, "(a) kein Ausgangs- oder besonderes spaltbares Material oder Ausrüstungen und Materialien, die eigens für die Verarbeitung, Verwendung oder Herstellung von besonderem spaltbarem Material vorgesehen oder hergerichtet sind, zu friedlichen Zwecken zur Verfügung zu stellen: (I) einem NichtkemwaffenStaat, es sei denn unter den nach Art. III.l N W erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, oder (II) einem Kemwaffenstaat, es sei denn unter anwendbaren Sicherungsübereinkünften mit dem Internationalen Atomergie-Organi sation. Jede derartige Bestimmung soll mit strengen Maßnahmen der Nichtweiterverbreitung zur Gewährleistung der ausschließlich friedlichen, nicht-explosiven Nutzung übereinstimmen." 50
70
3. Kapitel: I)ie Begründung des Kontrollmandates der IAEO
NV-Vertrag. Durch Sicherungsabkommen, die sich entsprechend dem Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2 lediglich auf die exportierten Gegenstände beziehen, wird diese Anforderung nicht erfüllt.
cc) Nuklearkooperationsverträge Auch Staaten, die weder dem NV-Vertrag oder dem Vertrag von Rarotonga beigetreten sind noch der London Suppliers Group angehören, sind verpflichtet, Nuklearexporte nur unter der Bedingung von Sicherungsmaßnahmen der IAEO vorzunehmen. Denn Nuklearkooperationsverträge regeln nicht nur die Verwendung der exportierten Gegenstände im Empfängerland, sondern verpflichten die Empfängerstaaten, Exporte nur unter der Bedingung von IAEO-Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. 54 Derartige "verlängerte Sicherungsmaßnahmen-Vorbehalte" basieren auf den Absprachen im ZanggerKomitee55 und den Londoner Richtlinien für den Nuklearexport. 56 Diese Exportbeschränkungsverpflichtungen bestehen allerdings nur bezüglich der unter einem "verlängerten Sicherungsmaßnahmen-Vorbehalt" empfangenen Gegenstände.
c) Politische Verpflichtungen I
Von einem informellen Zusammenschluß aus Lieferländern nuklearer Technologie, dem "London Suppliers Club"57 wurden 1977 "Guidelines for nuclear transfers" 58 vereinbart. Hierbei handelt es sich um einen Kompromiß der beteiligten Staaten über die zukünftige gemeinsame Exportpolitik. Dieser Kompromiß wurde nicht in einem Vertrag fixiert, sondern lediglich in Form von Richtlinien59 vereinbart, die veröffentlicht und der IAEO zugeleitet wurden. Ende 1976 sicherten sich die beteiligten Staaten die Befolgung der Richtlinien durch einen Notenwechsel zu.60 Inzwischen haben auch Staaten, die
54 Vgl. Art. 4 (1) des deutsch-brasilianischen Nuklearkooperationsabkommens vom 27.6.1975, BGBl. 1976 II, S. 334 ff.. 55 Siehe Ziff. 5 (Retransfers) INFCIRC/209, Appendix. 56 Siehe Ziff. 10 INFCIRC/254. 57 Siehe dazu oben 2. Kapitel 7.6.2. 51 INFCIRC/254. 59 Das Instrument ist mit "Guidelines" überschrieben und die vereinbarten Handlungsweisen werden durch ein "should" ausgedrückt. 60 Fahl, Internationales Recht der Rüstungsbeschränkung (1975ff.), Bd.2, 5.1.3.4.6.1.
Β. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
71
dem Zusammenschluß nicht angehören, wie China und Südafrika, 61 erklärt, bei ihrer Exportpolitik den Richtlinien folgen zu wollen.62 Diese Vereinbarungen führen praktisch zu einer Modifikation der Regelungen des NV-Vertrages. Gem. Art. III.2 NV-Vertrag sind alle Nuklearexporte erlaubt, sofern nur die exportierten Gegenstände IAEOSicherungsmaßnahmen unterstellt werden. Andrerseits verpflichtet Art. IV.2 NV-Vertrag zu umfassender internationaler Kooperation, d.h. verbietet Exportkontrollen gegenüber NV-Vertragsparteien, die sich Sicherungsmaßnahmen unterworfen haben. Es ist daher umstritten, ob die von den betreffenden Exportländern gegenüber NV-Vertragsstaaten verfolgte Politik mit Art. IV.2 NV-Vertrag vereinbar ist.63
4. Materielle
Verpflichtungen
Die von den Empfängerländern in den Nuklearkooperationsabkommen übernommenen Verpflichtungen hinsichtlich der Verwendung der gelieferten Gegenstände hängen von den durch die Lieferländer gestellten Anforderungen ab. Diese wiederum werden durch die dargestellten internationalen Exportbeschränkungsverpflichtungen und die nationale Nichtverbreitungspolitik bestimmt. Zunächst orientierten sich die Staaten an der Vorgabe des IAEO-Statuts, das die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen auf Verpflichtungen zur Unterlassung militärischer Nutzungen vorsieht.64 Zivile explosive Anwendungen der Kernenergie wären demnach zulässig. Die Vertragsparteien des NV-Vertrages sind jedoch gem. Art. III.2 NVVertrag verpflichtet, Nuklearexporte nur dann vorzunehmen, wenn die gelieferten Gegenstände Sicherungsmaßnahmen "nach diesem Artikel unterliegen", d.h. der Überprüfung dienen, daß sie nicht für die Herstellung von Kernsprengkörpern dienen. Umgesetzt wurde diese Verpflichtung von den Mitgliedern des Zangger-Komitees für Exporte an Nichtkernwaffenstaaten, die
61
INCIRC/314. Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 18; Vgl. zum chinesischen Standpunkt: Chin , An Analysis of the U.S.-China Nuclear Energy Cooperation Agreement, Maryland Journal of Int'l Law and Trade 1986, S. 321 (326). 63 Vgl. Brilliant , Pakistan: A Test Case for United States Non-Proliferation Laws, American University Journal of International Law and Policy 1989, S. 91 (105). 64 Vgl. Art. III.A.5 IAEO-Statut: "not to further any military purpose". 62
72
3. Kapitel:
ie Begründung des Kontrollmandates der IAEO
nicht Vertragspartei des NV-Vertrages sind, durch die Vereinbarung, als eine Bedingung für Lieferungen zu verlangen, daß das gelieferte Nuklearmaterial, bzw. bei Lieferungen von Anlagen das in ihnen verarbeitete Nuklearmaterial, nicht für Kernwaffen oder Kernsprengkörper abgezweigt wird. 65 Die Empfängerländer dürfen daher auch keine friedlichen Kernsprengungen durchführen. Diese Auffassung wurde noch einmal durch die London Suppliers Guidelines bestätigt.66 Seitdem enthalten Nuklearkooperationsverträge, die die Anwendung von IAEO-Sicherungsmaßnahmen vorsehen, die Verpflichtung, die gelieferten Gegenstände weder zur Förderung militärischer Zwecke noch für die Herstellung von Kernsprengkörpern zu verwenden.67 Parteien des Vertrages von Rarotonga müssen gem. Art. 4 a) bei Exporten von den Empfängerländern verlangen, daß die gelieferten Gegenstände nur für friedliche Zwecke verwandt werden. Damit wird an die satzungsmäßige Vorgabe der Art. II. und III.A.5 IAEO-Statut angeknüpft, die ein Verbot jeglicher militärischer Verwendung vorsehen. Dies bedeutet nun aber nicht, daß die Verwendung gelieferter Gegenstände für friedliche Kernsprengungen erlaubt sein soll. Denn es soll die ausschließlich friedliche, nicht-explosive Nutzung verlangt werden. Wegen dieser unterschiedlichen Anforderungen der Exportstaaten enthalten ältere Nuklearkooperationsabkommen die Verpflichtung zur Unterlassung des Mißbrauchs für militärische Zwecke, während neuere Kooperationsabkommen die Herstellung jeglicher Kemsprengkörper verbieten. Friedliche explosive Nutzungen werden von Kooperationsabkommen in keinem Fall zugelassen.
5. Verpflichtung
zur Annahme von IAEO-Kontrollen
Ebenso wie der NV-Vertrag durch Art. II.l verpflichten die bilatenüen Nuklearkooperationsverträge zum Abschluß von Sicherungsabkommen mit der
65
Siehe INFCIRC/209 vom 3.9.1974 Appendix, Memorandum A, Pkt. 3 und Memorandum B, Punkt 3. 66 INFCIRC/254 vom 21.9. 1977, Pkt. 2. 67 Art. V des "Agreement Between the Government of Canada and the Government of the Argentine Republik for Co-operation in the Development and Application of Atomic Energy for Peaceful Purposes" vom 30.1.1976, abgedruckt bei Muntzing (ed.), International Instruments for Nuclear Technology Transfer, American Nuclear Society (1978), S. 331.
Β. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
73
IAEO. Vom Abschluß eines solchen Sicherungsabkommens hängt die Durchführung der beabsichtigten Kooperation ab.68
a) Grundsatz: Beschränkung auf den Kooperationsgegenstand Die durch die Nuklearkooperationsabkommen begründeten Verpflichtungen zur friedlichen Nutzung sind grundsätzlich auf die gelieferten Gegenstände beschränkt. Ebenso wie die von den Empfängerländern übernommenen materiellen Verpflichtungen wird auch der Umfang, in dem sie nukleare Aktivitäten Sicherungsmaßnahmen der IAEO zu unterwerfen haben, durch die Politik des Lieferlandes bestimmt, das sich seinerseits gegenüber anderen Staaten verpflichtet hat, Sicherungsmaßnahmen zu verlangen. Die Beschränkung auf die gelieferten Gegenstände führt einerseits zu einer Verkleinerung des Anwendungsbereiches der Sicherungsmaßnahmen, da etwa selbst produziertes Nuklearmaterial des Empfängerstaates nicht erfaßt wird, andrerseits ist die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen nicht auf Nuklearmaterial beschränkt, sondern kann sich je nach dem Inhalt des Kooperationsabkommens auch auf Anlagen und nicht-nukleare Materialien sowie Technologie erstrecken.
b) Erweiterungen durch Art ΠΙ.2 NV-Vertrag Umstritten ist, ob Art. III.2 NV-Vertrag die Vertragsparteien verpflichtet, Lieferungen davon abhängig zu machen, daß der gesamte Nuklearkreislauf Sicherungsmaßnahmen der IAEO unterstellt wird, oder ob es ausreicht, daß lediglich die gelieferten Gegenstände überwacht werden. Gem. Art. ΙΠ.2. NVVertrag müssen Lieferungen den "nach diesem Artikel erforderlichen Sicherungsmaßnahmen" unterliegen. Hieraus könnte zu folgern sein, daß die Empfängerländer, auch wenn sie nicht Vertragsparteien des NV-Vertrages sind, Sicherungsabkommen im Sinne von Art. II.l. NV-Vertrag abschließen müssen. Dies wären dann vollabdeckende Sicherungsmaßnahmen nach dem Muster des Dokuments INFCIRC/153. Dagegen spricht jedoch, daß sich die Sicherungsmaßnahmen gem. Art. III.2. NV-Vertrag lediglich auf die gelieferten Gegenstände beziehen müssen. In solchen Fällen werden jedoch die Siche-
61 Vgl. Art 3 (2) des deutsch-brasiliani sehen Nuklearkooperationsabkommens vom 27.6.1975, BGBl. 1976 II, S. 334 ff..
74
3. Kapitel:
ie Begründung des Kontrollmandates der IAEO
rungsabkoiTimen nach dem Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2 konzipiert.69 Die uneindeutige Fassung von Art. III.2 NV-Vertrag wird auch darauf zurückgeführt, daß in einer Entwurfsfassung von Art. III.l. NV-Vertrag ursprünglich auf das "alte" safeguards system, also auf den anlagenbezogerien Ansatz von INFCIRC/66/Rev.2 verwiesen wurde.70 Ein Motiv des Beitritts zum NV-Vertrag war für viele Entwicklungsländer die Erwartung gewesen, einen erleichterten Zugang zu Nuklearexporten zu erhalten. Sie mußten allerdings feststellen, daß außerhalb des NV-Vertrages bleibende Länder nicht vom Zugang zu nuklearer Technologie ausgeschlossen wurden, sondern sensitive Technologie geliefert bekamen, obwohl sie lediglich Sicherungsmaßnahmen im Sinne von INFCIRC/66/Rev.2 akzeptierten. Diese Staaten machten daher geltend, daß Art. III.2 NV-Vertrag die Anwendung von vollabdeckenden Sicherungsmaßnahmen nach dem Muster von INFCIRC/153 erfordere. 71 Demgegenüber waren einige Lieferländer, insbesondere Frankreich und die Bundesrepublik, und die nicht dem NV-Vertrag beigetretenen Staaten der Ansicht, daß Art. III.2 NV-Vertrag mit Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 genüge getan sei.72 Die Frage, ob durch Art. III.2 N W full-scope-Sicherungsmaßnahmen gefordert sind, ist nach wie vor umstritten.73 Das Bundeskabinett beschloß im Juni 1990, zukünftig Nuklearexporte nur noch dann zuzulassen, wenn sich das betreffende Empfängerland vollabdeckenden Sicherungsmaßnahmen (full-scope safeguards) nach dem Muster von Art. III.l NV-Vertrag unterwirft. 74 Die japanische Exportpolitik geht mittlerweile noch weiter. Japan macht die Mitgliedschaft im NV-Vertrag, aus der sich entsprechende Kontrollen ergeben, nicht nur für Nuklearexpoirte, sondern auch für Entwicklungshilfe zur Bedingung.75
** Vgl. Shaker , The Nuclear Non-Proliferation Treaty, Origin and Implementation 1959-1979 (1980), Bd. 2, S. 734. 70 Imai, Nuclear Safeguards (1972), S. 10. 71 Scheinman , The Non-Proliferation Role of the IAEA (1985), S. 12. 72 Shaker , The Nuclear Non-Proliferation Treaty, Origin and Implementation 1959 - 1979 (1980), Bd. II, S. 664. 73 Müller, Prospects for the Fourth Review of the NPT, in: SIPRI Yearbook 1990: World Armaments and Disarmament, S. 553 (568). Vgl. zur Diskussion in den siebziger Jahren Kubbig, Nuklearenergie und nukleare Proliferation. Die inneramerikanische Auseinandersetzung um die Grundsätze der US-Non-Proliferationspolitik, 1974-1980 (1980); Künzcl, Die politischen Kontroversen in der Bundesrepublik Deutschland um den NV-Vertrag in den Jahren 1966-1974 (1984). 74 Müller, Gescheiterte Prüfung. Der Vertrag nur Nichtverbreitung von Kernwaffen nach der Genfer Überprüfungskonferenz, in: EuArch 1990, S. 671 (675). 75 Frankfurter Rundschau vom 15. März 1991.
Β. Verpflichtungen zum Abschluß von Sicherungsabkommen
75
Auf der 4. Überprüfungskonferenz des NV-Vertrages im Jahre 1990 in Genf hat sich inzwischen eine große Mehrheit der Lieferländer dafür ausgesprochen, zukünftig vollabdeckende Sicherungsmaßnahmen zur Bedingung für Nuklearexporte zu machen.76
c) Erweiterungen durch den Vertrag von Rarotonga Durch den Vertrag von Rarotonga erfolgt gegenüber dem NV-Vertrag eine inhaltliche Präzisierung, da Art. 4 a) für Lieferungen an Nichtkernwaffenstaaten fordert, daß Sicherungsabkommen im Sinne von Art. III. 1 NV-Vertrag, d.h. den gesamten Nuklearkreislauf eines Staates erfassende Kontrollen, vereinbart werden. d) Erweiterungen durch die London Suppliers Guidelines Die Londoner Richtlinien für den Nuklearexport von 1977 verlangen nicht, daß sich die Sicherungsmaßnahmen auf sämtliche Nuklearaktivitäten der belieferten Staaten erstrecken müssen. Ausreichend sind grundsätzlich Sicherungsmaßnahmen, die sich auf die gelieferten Gegenstände beziehen. Dies folgt aus der Bezugnahme auf das IAEO-Dokument GO V/1621 aus 1973, das die Dauer und Beendigung von nach INFCIRC/66/ Rev.2 gestalteten Sicherungsabkommen regelt.77 Die Empfängerstaaten sollen jedoch nicht nur die unmittelbar gelieferten Gegenstände Sicherungsmaßnahmen unterwerfen, sondern im Falle der Lieferung bestimmter sensitiver Technologie, insbesondere "Anlagen zur Wiederaufarbeitung, Anreicherung oder Schwerwasserproduktion", sollen Sicherungsmaßnahmen alle Anlagen dieses Typs und weitere Anlagen, die auf gelieferter Technologie basieren, im Empfängerland erfassen. Engagierte nationale Maßnahmen zur Beschränkung von Nuklearexporten sind im Hinblick auf das Ziel der Verhinderung der Verbreitung von Kernwaffen sicher zu begrüßen. Sofern dabei aber über die Erfordernisse von Art. III.2 NV-Vertrag hinausgegangen wird, d.h., falls mehr als die Unterwerfung unter
76
Fischer!Müller, The Fourth Review of the Non-Proliferation Treaty, in: SIPRI Yearbook 1991, S. 555 (564, 573). 77
§ 4 INFCIRC/254.
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3. Kapitel:
ie Begründung des Kontrollmandates der IAEO
NV-Sicherungsmaßnahmen verlangt wird, ist wegen Art. IV NV-Vertrag die Vereinbarkeit solcher Maßnahmen mit dem NV-Vertrag fraglich. 78 V. Projektvereinbarungen zwischen der IAEO und Mitgliedsstaaten Durch Art. XI.F. IAEO-Statut ist bestimmt, daß die Gewährung von Unterstützungsleistungen durch die Agentur den Abschluß einer Vereinbarung voraussetzt, die gemäß Art. XI.F.4 IAEO-Statut eine Verpflichtung des unterstützten Staates zu enthalten hat, die gewährte Unterstützung nicht zu militärischen Zwecken zu nutzen und das Projekt Sicherungsmaßnahmen cler Agentur zu unterwerfen. Es bestehen 30 mit 23 Staaten abgeschlossene Projektvereinbarungen, die zwischen 1959 und 1986 in Kraft getreten sind.79 Die meisten dieser Staaten sind jedoch inzwischen dem NV-Vertrag beigetreten und haben die entspiechenden Sicherungsabkommen abgeschlossen, durch die die Regelungen betreffend Sicherungsmaßnahmen der Projektvereinbarungen suspendiert werden, so daß heute die Projektvereinbarungen nur noch für drei dieser Staaten80 eine Rechtsgrundlage darstellen.
VI. Bilaterale Kontrollunterstellungsverpflichtungen Für einige Staaten ist weniger die globale Verbreitung von Kernwaffen oder die Verwendung exportierter Nukleargegenstände von Interesse als vielmehr die von bestimmten Nachbarstaaten verfolgte Nuklearpolitik. Dies gilt etwa für das Verhältnis Süd-Nordkorea, Pakistan-Indien oder den Nahen Osten.81 Hier hängt die Begründung des Kontrollmandates der IAEO von bilateralen oder regionalen Einigungen ab. Brasilien und Argentinien, deren nukleare Aktivitäten bislang nur zum Teil von der IAEO überwacht werden, haben sich in einer gemeinsamen Erklärung dazu verpflichtet, mit der IAEO ein gemeinsames Sicherungsabkommen zu schließen, das auf der Basis eines gemein-
78
Vgl. Goldblat, The NPT: Status of Implementation and the Treatening Developments, in: Fry/Keatinge/Rotblat (eds.), Nuclear Non-Proliferation and the NPT (1990), S. 2 (5). Siehe 2ur begrenzenden Funktion von Art. IV NV-Vertrag auch: Dotier, International Nuclear Cooperation: Obligations, Conditions and Options, IJIL 1980, S. 372 (374). 79 IAEA, Annual Report 1988, S. 67. 80 Argentinien, Chile, Pakistan, Annual Report 1988, S. 67. 81 Siehe zur Situation im Nahen Osten Karem, A Nuclear-Weapon-Free Zone in the Middle East: Problems and Prospects (1988).
C. Sicherungsabkommen der IAEO mit den Staaten
77
samen Kontroll- und Buchführungssystems ihre gesamten Nuklearaktivitäten erfassen soll.82
VII. Unilaterale Unterstellung Art. III.A.5 IAEO-Statut sieht auch die Möglichkeit vor, daß Staaten unilateral ihre zivilen Nuklearaktivitäten ganz oder teilweise den Sicherungsmaßnahmen der IAEO unterstellen. Eine solche freiwillige Unterstellung kann auf politischen Druck zurückzuführen sein oder auch erfolgen, um nach außen die Friedlichkeit des eigenen Nuklearprogramms zu demonstriegen. Ohne sich hierzu verpflichtet zu haben, haben die fünf Atomwaffenstaaten Teile ihrer nuklearen Aktivitäten den IAEO-Sicherungsmaßnehmen unterstellt.83 Von Albanien wurde vor seinem Beitritt zum NV-Vertrag im Jahre 1990 ein freiwilliges Sicherungsabkommen mit der IAEO geschlossen, das sämtliche friedlichen Nuklearaktivitäten des Landes umfaßt. 84
C. Sicherungsabkommen der IAEO mit den Staaten
Die Erfüllung der in den dargestellten Kausalverträgen enthaltenen Verpflichtungen, bestimmte nukleare Aktivitäten den Kontrollen der IAEO zu unterwerfen, erfolgt durch den Abschluß von Sicherungsabkommen mit der IAEO. Erst diese begründen unmittelbar die Berechtigung der IAEO, Sicherungsmaßnahmen in den Staaten durchzuführen.
I. Abschluß und Inkrafttreten Nachdem erfolgreiche Verhandlungen zwischen dem IAEO-Sekretariat und dem betreffenden Staat geführt worden sind, wird das Sicherungsabkommen dem Gouverneursrat zur Annahme vorgelegt85 und dann vom Generaldirektor,
n
"Argentine Brazilian Deklaration on Common Nuclear Policy" v. 28.11.1990, INFCIRC/388. 83 Siehe unten C. II. 2. M INFCIRC/359 (1988). 85 Edwards , International Legal Aspects of Safguards and the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, ICLQ 1984, S. 1 (4).
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3. Kapitel:
ie Begründung des Kontrollmandates der IAEO
der hierzu vom Gouverneursrat üblicherweise bevollmächtigt wird, 86 und den staatlichen Repräsentanten unterzeichnet. Die Sicherungsabkommen werden ;ils internationale Verträge gem. Art. XXII IAEO-Statut in Verbindung mit Art. 102 UN-Charta beim Sekretariat der Vereinten Nationen registriert und veröffentlicht. Sie treten in Kraft, sobald die Agentur von den Staaten informiert wird, daß die innerstaatlichen Erfordernisse für das Inkrafttreten erfüllt sind. Hiervon werden alle Mitgliedsstaaten der IAEO informiert. 87 II. Arten von Sicherungsabkommen Die Unterschiedlichkeit der Kausalverträge für Sicherungsabkommen spiegelt sich in unterschiedlichen Kategorien von Sicherungsabkommen88 wieder.
1. Sicherungsabkommen mit Nichtkernwaffenstaaten aufgrund multilateraler Verträge Die weitaus überwiegende Mehrzahl der Sicherungsabkommen der IAEO basiert heute auf den multilateralen Instrumenten, mit denen sich die Staaten zur friedlichen Kernenergienutzung verpflichtet haben. Der Inhalt dieser Sicherungsabkommen entspricht dem Modellabkommen, das in dem Dokument INFCIRC/153 enthalten ist. Zwar wurde es zunächst für den NV-Vertrag entwickelt, es stellt aber auch die Grundlage für die Sicherungsabkommen aufgrund der Verträge von Tlatelolco und Rarotonga dar.
2. Sicherungsabkommen mit Kernwaffenstaaten Alle Kernwaffenstaaten im Sinne von Art. IX.3 NV-Vertrag haben inzwischen Sicherungsmaßnahmen akzeptiert, die sich auf Teile ihrer
86 ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 4 Fn. 9. 87 Vgl. § 25 INFCIRC/153. 88 Am 31.12.1990 bestanden 177 Sicherungabkommen mit 105 Staaten. Siehe IAEA Bulletin 1991/2, S. 40.
C. Sicherungsabkommen der IAEO mit den Staaten
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friedlichen Nuklearaktivitäten beziehen.89 Der Inhalt dieser Sicherungsabkommen folgt, abgesehen von den erforderlichen Modifikationen, weitgehend dem Dokument INFCIRC/153.
3. Sicherungsabkommen mit Nichtkernwaffenstaaten aufgrund bilateraler Verträge In einigen Staaten basieren auch heute noch die von der IAEO durchgeführten Sicherungsmaßnahmen auf bilateralen Kooperationsabkommen oder Projektvereinbarungen mit der IAEO.90 Ihr Inhalt basiert auf dem Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2 und dem Inspectors' Document. Wegen der Unvollständigkeit dieses Sicherungssystems bestehen erheblichen Unterschiede zwischen diesen Sicherungsabkommen, die vom Zeitpunkt ihres Abschlusses und den von den Lieferländern gestellten Anforderungen abhängen. Vertragsparteien dieser Sicherungsabkommen sind grundsätzlich die IAEO und das Empfängerland, es gibt aber auch "trilaterale" Sicherungsiabkommen, bei denen auch das Lieferland Vertragspartei ist. Vertragsparteien des aufgrund des bilateralen Nuklearkooperationsabkommens vom 18. Juli 1991 zwischen Brasilien und Argentinien geschlossenen Sicherungsabkommens sind die beiden Staaten, die IAEO und die neugeschaffene gemeinsame Kontrollorganisation dieser beiden Staaten, die "Brazilian-Argentine Agency for Accounting and Control of Nuclear Material (ABACC)".91
III. Geltungsdauer Sofern es sich um Sicherungsabkommen mit Nichtkernwaffenstaaten nach INFCIRC/153 handelt, ist ihre Geltung akzessorisch zur Geltung des multilateralen Kausalvertrages für den betreffenden Staat.92 Nichtkernwaffenstaaten, die Parteien des NV-Vertrages sind, können somit die Anwendung von
89 Vgl. hierzu INFCIRC/263 (Großbritannien, 1978), INFCIRC/288 (Vereinigte Staaten, 1981), INFCIRC/290 (Frankreich), INFCIRC/327 (Sowjetunion, 1985), INFCIRC/369 (China, 1989). 90 Hierbei handelt es sich derzeit noch um Argentinien, Brasilien, Chile, Kuba, Indien, Israel und Pakistan. 91 Das nach dem Muster von INFCIRC/153 konzipierte Sicherungsabkommen wurde am 13.12.1991 unterzeichnet und bedarf zu seinem Inkrafttreten noch der Ratifikation durch die beiden Staaten. Vgl. IAEA Bulletin 1991/4, S. 34: "Argentina and Brazil sign IAEA safeguards agreement". 92
§ 26 INFCIRC/153.
80
3. Kapitel:
ie Begründung des Kontrollmandates der IAEO
Sicherungsmaßnahmen einseitig beenden, in dem sie vom NV-Vertrag unter Einhaltung der Frist von drei Monaten zurücktreten.93 Ähnliche Kündigungsklauseln sehen die Verträge von Tlatelolco94 und Rarotonga95 vor. Während die Geltung des NV-Vertrages weiterhin von dem Ausgang der Überprüfungskonferenz im Jahre 1995, auf der über die Fortsetzung des NV-Vertrages zu beschließen ist, abhängt, sind die Verträge von Tlatelolco und Rarotonga von unbegrenzter Geltungsdauer.96 Die Kemwaffenstaaten haben sich für die von ihnen geschlossenen Sicherungsabkommen ein Recht zur Kündigung innerhalb einer sechsmonatigen Frist vorbehalten.97 Die ersten von der IAEO abgeschlossenen Sicherungsabkommen waren noch befristet, wobei sich die Befristung nach dem zugrundeliegenden Kooperationsabkommen richtete.98 Heute hängt die Geltungsdauer von Sicherungsabkommen, die nicht aufgrund des NV-Vertrages abgeschlossen wurden, von der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen ab, die ihrerseits an die Benutzung dieser Gegenstände durch den betreffenden Staat geknüpft ist.99 Sofern entsprechend den in den Abkommen festgelegten Regeln100 keine Sicherungsmaßnahmen mehr angewendet werden können, endet die Geltungsdauer der Sicherungsabkommen. Besonderheiten ergeben sich, sofern Gegenstand der Sicherungsabkommen transferierte technologische Informationen sind. Eine endgültige Beendigung des Gebrauchs durch den Empfängerstaat kann in diesen Fällen nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Daher leben diese Sicherungsabkommen wieder auf, sofem ein erneuter Gebrauch der transferierten Informationen festgestellt wird. 101
* Vgl. Art. X.2 NV-Vertrag. 94 Art. 30 Vertrag von Tlatelolco. 05 Art. 13 Vertrag von Tlatelolco. ** Art. 30 Vertrag von Tlatelolco, Art. 13 des Vertrages von Tlatelolco. 97 Vgl. Art. 26 INFCIRC/288. 98 Szasz, The Law of International Atomic Energy Agency Safeguards, RBDI 1CJ67, S. 196 (219). w GO V/1621 (1973). 100 Siehe dazu unten 5. Kapitel C. II. 8. d) bb). 101 Vgl. Art. 28.2 des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO.
4. Kapitel
Die rechtliche Kontrolle des Verfahrens A. Allgemeines
Verfahren zur Überwachung der Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen sind dynamische Prozesse, deren Verlauf durch die Handlungen der am Verfahren teilnehmenden Akteure bestimmt wird. Dem Verfahrensrecht kommt die Aufgabe zu, dieses Geschehen so zu steuern, daß es den vorgesehenen Verlauf nimmt. Es ist jedoch nicht möglich, eindeutige abstrakte Lösungen für jede erdenkliche Konfliktsituation vorzusehen. Dies kann auf politische Kompromisse bei der Schaffung eines Verfahrens oder auch den Regelungsgegenstand selbst zurückzuführen sein. Die rechtliche Steuerung kann daher nicht nur durch unmittelbar operative Normen erfolgen, sondern muß, zumindest zum Teil, mittelbar vorgenommen werden. Eine mittelbare rechtliche Steuerung erfolgt, wenn die Akteure zu bestimmten Fragen eine einverständliche Lösung finden müssen oder einem von ihnen ein Gestaltungsrecht zugeordnet wird, dadurch, daß einerseits materielle Grundsätze für die Entscheidungsfindung vorgegeben werden und andrerseits subjektive Verfahrensrechte die Durchsetzung der Einhaltung dieser Grundsätze ermöglichen.
B. Verfahrensrechtliche Instrumente
Wie bei allen Verfahren der Überprüfung von Rüstungskontrollverpflichtungen sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Verfahrensbeteiligten in einem starken Maße durchnormiert. Im folgenden werden die den Verfahrensverlauf gestaltenden rechtlichen Instrumente vorgestellt.
6 Lohmann
82
4. Kapitel:
ie rechtliche Kontrolle des Verfahrens
I. Sicherungsabkommen Durch die zwischen der IAEO und dem überwachten Staat1 abgeschlossenen Sicherungsabkommen werden die Gegenstände festgelegt, die der IAEOÜberwachung unterliegen, und der Zweck der Kontrolltätigkeit der IAEO bestimmt.2 Die Sicherungsabkommen konstituieren die verfahrensbezogenen Rechte und Pflichten der IAEO und des Staates. Sie legen die Verpflichtungen des Staates zur Informationslieferung an die IAEO fest 3 und begründen das Recht der IAEO zur Durchführung von Inspektionen in den Staaten.4 Sie enthalten femer die Ermächtigung der IAEO, unter bestimmten Voraussetzungen Sanktionen gegen den Staat zu ergreifen, 5 und Regelungen über «lie Beilegung von Streitigkeiten.6 Auch die Verteilung der Kosten des Verfahrens ist in den Sicherungsabkommen geregelt.7 Zwischen den grundsätzlich möglichen Alternativen - der Kostentragung durch die das Verfahren mit ihren nuklearen Einrichtungen verursachenden Staaten und der Kostentragung durch die durch das Verfahren begüstigte Staatengemeinschaft, repräsentiert durch die IAEO - wurde ein Kompromiß gewählt, der vorsieht, daß jede Vertragspartei ihre eigenen Kosi en trägt.8 Die Kostenaufteilung im Einzelfall führt jedoch immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der IAEO und den Staaten.9 Auf Seiten der IAEO stellen die Aufwendungen für Sicherungsmaßnahmen einen Teil ihres regulären Budgets dar. Für die Entwicklungsländer wurde allerdings ihr Anteil an den Aufwendungen für die Sicherungsmaßnahmen durch eine besondere Formel eingefroren. 10
1 Im Falle sogenannter trilateraler Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 sind auch die Lieferländer Vertragspartei des Sicherungsabkommens. 2 Siehe unten 5. Kapitel. 3 Siehe hierzu 6. Kapitel. 4 Siehe unten 8. Kapitel. 5 Siehe unten 10. Kapitel. 6 Siehe unten 6. Kapitel. 7 Siehe allgemein Szasz, The Law and Practice of the International Atomic Energy Agency (1970), S. 615-617. 8 § 15 INFCIRC/153. Siehe hierzu die sehr detaillierte Darstellung bei von Prcuschen, IAEASicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kern Sprengkörper (1933), S. 164-175. 9 Wilmshurst , The Adequacy of IAEA Safeguards for the 1990's, in: Fry/Keatinge/Rotblat (eds.), Nuclear Non-Proliferation and the NPT (1990), S. 13 (15). 10 Siehe hierzu: Scheinman , The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 85.
Β. Verfahrensrechtliche Instrumente
83
Zur Regelung der Haftung für durch die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen hervorgerufene Schäden verweisen die Sicherungsabkommen auf die allgemeinen Regelungen des Völkerrechts. 11 Auch hier kommt es gelegentlich zu Auseinandersetzungen zwischen der IAEO und den Staaten.12 Die Sicherungsabkommen aufgrund des NV-Vertrages folgen bis auf wenige Ausnahmen inhaltlich dem in dem Dokument INFCIRC/153 niedergelegten Modellabkommen, an dem sich die Darstellung daher auch orientieren wird. Sicherungsabkommen aufgrund bilateraler Nukleakooperationsabkommen orientieren sich an dem Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2, können jedoch im Einzelfall hiervon auch abweichen. Die Darstellung wird daher grundsätzlich von diesem Dokument ausgehen und lediglich bei besonderen Erweiterungen oder dem Fehlen von Vorgaben in diesem Dokument auf einzelne Abkommen eingehen.
II. Ergänzungsabkommen Die Sicherungsabkommen werden als internationale Verträge im Sinne des Art. 102 UN-Charta publiziert. Sie sind in vielen Staaten ratifikationsbedürftig und auf Seiten der IAEO bedarf ihr Abschluß einer Zustimmung des Gouverneursrates. 13 Für die Regelung der technischen Einzelheiten werden daher Ergänzungsabkommen zwischen dem IAEO-Sekretariat und der betreffenen Regierung geschlossen, die den Vorteil haben, nicht publiziert zu werden und leichter geändert werden zu können, da weder die Zustimmung des Gouverneursrates noch ein Ratifikationsverfahren erforderlich sind.14 In der Praxis werden sie kontinuierlich angepaßt.15 Bei der Ausarbeitung dieser Anhänge werden private Betreiber beteiligt.16
" Siehe: § 17 INFCIRC/153. Vgl. auch Art. 21.2 des trilaterales Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237. 12 Wilmshurst, The Adequacy of IAEA Safeguards for the 1990's, in: Fry/Keatinge/Rotblat (eds.), Nuclear Non-Proliferation and the NPT (1990), S. 13 (15). Siehe im einzelnen hierzu die Darstellung bei von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 365-404. 13 Szasz, The Law of International Atomic Energy Agency Safeguards, RBDI 1967, S. 196 (213). Siehe auch oben 3. Kapitel, C. I. 14 Vgl.: § 39 INFCIRC/153. 15 Hasselmann , Do we need new IAEA Safeguards?, GYIL 1986, S. 259 (273). 16 Von Preuschen , IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kern Sprengkörper (1983), S. 102. 6*
84
4. Kapitel: Die rechtliche Kontrolle des Verfahrens
Schon bei den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 hatte sich die Praxis der Vereinbarung von Ergänzungsabkommmen herausgebildet,17 durch INFCIRC/153 wird ihr Abschluß vorgeschrieben18 und der Inhalt festgelegt. 19 Für die NV-Sicherungsabkommen hat die IAEO ein Modell entwickelt, das als Ausgangspunkt für die Verhandlungen mit dem Staat genommen wircl.20 In den anlagenspezifischen Anhängen der Ergänzungsabkommen werden mit dem Inhalt und der Frequenz der von den Staaten zu erstellenden Berichte und Zugangsrechte der Inspektoren die wichtigsten Details des Verfahrens festgelegt. 21 Während der Inhalt der Sicherungsabkommen im Falle der Sicherurigsmaßnahmen aufgrund des NV-Vertrages durch das Dokument INFCIRC/153 vorgegeben ist, bestehen für den Inhalt der Ergänzungsabkommen keine entsprechenden direkten Vorgaben. Daher kommt es häufig zu erheblichen Verzögerungen bei der Vereinbarung der Ergänzungsabkommen durch Differenzen zwischen der IAEO und den Staaten bei der Festlegung ihres Inhalts.22 Insbesondere die Verhandlungen über die anlagenspezifischen Anhänge bei großen Anlagen, in denen Kernmaterial in loser Form verarbeitet wird (Anreicherungs- und Wiederaufarbeitungsanlagen), bereiten Probleme.23 Die Ergänzungsabkommen sind gegenüber den Sicherungsabkommen nachrangiges Recht, so daß bei Kollisionen die Vorschriften der Sicherungsabkommen Vorrang genießen.24 Sie können der Agentur ebensowenig weitere Kompetenzen verschaffen 25 wie die Verfahrenspflichten des Staates verringern, sondern ihre Funktion besteht in der Regelung von Details.26
17 Szasz, The Law of International Atomic Energy Agency Safeguards, RBDI 1067, S. 196 (215). ,g § 39 INFCIRC/153. 19 Siehe §§ 32, 39 INFCIRC/153. 20 Von Baeckmann , Le Traité sur la non-proliferation (TNP) (1968), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 165 (171). 21 Schcinman , The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 155. 22 Müller , Prospects for the Fourth Review of the Non-Proliferaton Treaty, in: SIPRI Yearbook 1990, S. 553 (560). 23 Herron , A Lawyer's View of Safeguards and Non-Proliferation, IAEA Bulletin 1982, S. 34 (34). 24 Von Preusch.cn, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kern Sprengkörper (1983), S. 104. 25 Hasselmann , Do we need new IAEA Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (273). 26
§ 39 INFCIRC/153
Β. Verfahrensrechtliche Instrumente
85
Durch die Ausgliederung dieser Regelungen in separate Instrumente, die nicht veröffentlicht werden, wird die Geheimhaltung der technischen Einzelheiten verbessert. Lediglich über den Gouverneursrat können die dort vertretenen Staaten Informationen erhalten, da § 5 INFCIRC/153 die Weitergabe von Informationen über die Implementation der Sicherungsmaßnahmen an den Gouverneursrat vorsieht, wenn es für die Erfüllung der Verantwortlichkeiten der Agentur nach dem Sicherungsabkommen erforderlich ist.27 Sofern das Sekretariat in den Verhandlungen mit dem Staat etwa nicht die erforderlichen konkreten Zugangrechte durchsetzen kann, kann es den Gouverneursrat einschalten.
ΠΙ. IAEO-Statut Zwar werden durch das IAEO-Statut unmittelbar keine Kompetenzen für die Verfahrensdurchführung begründet, doch wirken sich die Kompetenzregeln des IAEO-Statuts28 auf die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen aus, da es für den Verfahrensverlauf von erheblicher Bedeutung ist, ob etwa das politische Organ Gouverneursrat Kenntnis von bestimmten Vorgängen erhält. Dies gilt auch für die Aufteilung von Entscheidungskompetenzen zwischen dem Sekretariat und dem Gouvemeursrat.29 Indirekt erlangen die Bestimmungen des IAEO-Statuts über die Sanktionen Bedeutung, indem die Sicherungsabkommen sie durch Verweisung inkorporieren. 30
IV. Kausalverträge Zwar besteht die verfahrensrechtliche Bedeutung der Kausalverträge vor allem in der Verpflichtung von Staaten, nukleare Aktivitäten den Kontrollen der IAEO zu unterwerfen, doch können sie auch unmittelbar für das Verfahren relevant werden, wenn sie etwa anderen Staaten ein Recht auf Mitteilung der von der IAEO getroffenen Feststellungen einräumen. So wird beispielsweise durch § 4 Anhang 2 des Vertrags von Rarotonga den Vertragsparteien ein Recht auf Mitteilung der Schlußfolgerungen der IAEO eingeräumt. Das zwischen Australien und der Europäischen Atomgemeinschaft geschlossene
27 Vgl.: ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 5. n Vgl. hierzu oben 2. Kapitel, F. » Siehe hierzu 2. Kapitel F. I. 3., F. III. 2. 30 Siehe unten 10. Kapitel Β. I.
86
4. Kapitel:
ie rechtliche Kontrolle des Verfahrens
Abkommen über die Lieferung von australischem Nuklearmaterial verpflichtet die Gemeinschaft, Australien über die Schlußfolgerungen der IAEO bezüglich des von Australien gelieferten Nuklearmaterials zu informieren. 31
V. Sicherungssysteme Zwar sind die in den Dokumenten INFCIRC/153 und INFCIRC/66/Rev.2 niedergelegten Sicherungssysteme der IAEO kein unmittelbar anwendbares Recht, doch kommt auch ihnen eine direkte Steuerungsfunktion für clas Verfahren zu.32 Im Falle der NV-Sicherungsmaßnahmen, die nach übereinstimmenden Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 durchgeführt werden, erfolgt eine einheitliche Auslegung der darin enthaltenen Regelungen, die für alle Sicherungsabkommen nach diesem Muster Anwendung findet. Das Dokument INFCIRC/66/Rev.2 erlangt Bedeutung auch durch Klauseln in Sicherungsabkommen, die der IAEO das Recht zur Anpassung des Verfahrens an neuere Versionen des Sicherungssystems ermöglichen. Sofern Sicherungsabkommen aufgrund einer älteren Version des Sicherungssystems abgeschlossen wurden, wird die jeweils aktuelle Version des Dokuments auch zur ergänzenden Auslegung des betreffenden Sicherungsabkommens herangezogen, wenn dieses eine Lücke aufweist, eine formelle Ergänzung aus politischen Gründen at>er nicht erfolgen soll.33 Die Veränderung des Sicherungssystems begegnet großen politischen Widerständen. Zudem wird einer weitere Schwächung der Kompetenzen der IAEO befürchtet. Die stillschweigende Modifikation durch die Akzeptierungspraxis des Gouvemeursrates ist jedoch nicht so autoritativ, wie es eine Kodifizierung in Form einer Aktualisierung des Dokumentes INFCIRC/66Rev.2 wäre.34
31 Art. XIII. des "Agreement between the Government of Australia and the European Atomic Energy Community concerning Transfer of Nuklear Material from Australia to the Europie Meßtechnik muß den neuesten internationalen Standards entsprechen.24 Die Aufbewahrung der Unterlagen ist für die Dauer von 5 Jahren vorgeschrieben.25 Bezugspunkt dieser Aufzeichnungen sind die Materialbilanzzonen. Alile Bestandsänderungen sind aufzuzeichnen, damit jederzeit der Buchbestand festgestellt werden kann.26 Bestandsveränderungen im Sinne der Sicherungsabkommen werden durch § 107 INFCIRC/153 definiert. Zunahmen können auf Importen, Transfers aus anderen Materialbilanzzonen, Produktion oder der Wiederanwendung von ausgesetzten Sicherungsmaßnahmen beruhen. Abnahmen können auf Exporte, Transfers in andere Materialbilanzzonen, Verbrauch oder andere Ursachen zurückzuführen sein. Als "andere Ursachen" nennt § 107 (vii) INFCIRC/153 als Beispiele Betriebsunfälle und Diebstahl. Hierunter wird auch der Fall der durch die Sicherungsmaßnahmen festzustellenden Abzweigungen für verbotene Zwecke zu zählen sein. Auch alle Meßergebnisse, die für die Feststellung des tatsächlichen Bestandes verwendet werden, sind aufzuzeichnen. Diese Buchhaltung ist sehr
18
§ 46 (b) INFCIRC/153. Rainer /Sanders, The IAEA's NPT Safeguards, National Control and International Safeguards, in: SIPRI, Nuclear Proliferation Problems (1974), S. 123 (135). 20 Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (96). 21 § 32 INFCIRC/153. 22 §§ 51-58 INFCIRC/153. Vgl. Me M anus, Keeping Account of Nuclear Materials, in IAEA Yearbook 1989, E7-E12. 25 § 52 INFCIRC/153. 24 § 55 INFCIRC/153. 25 § 53 INFCIRC/153. 26 § 56a) INFCIRC/153. 19
I). Berichts- und Notifikationspflichten nach INFCIRC/153
155
detailliert vorzunehmen. So sind für jede Charge (batch) Nuklearmaterial 27 Informationen aufzuzeichnen. Im Falle von Transfers in andere Materialbilanzzonen hinein oder aus solchen heraus sind die Ursprungs- oder Bestimmungsorte anzugeben.28 Betriebsdaten sind insofern aufzuzeichnen als sie für die Bestimmung des realen Bestandes an Nuklearmaterial in einer Anlage von Belang sind.29 Die genauen Angaben hierzu werden in den Ergänzungsvereinbarungen festgelegt. 30 Sanktioniert werden kann die Erfüllung dieser Pflichten der Verfahrensvorbereitung durch eine entsprechende Ausgestaltung der Inspektionen.31 Nur wenn die Staaten die in den Sicherungsabkommen vorgesehenen nationalen Maßnahmen tatsächlich korrekt durchführen, ist es der IAEO möglich, entsprechend der Vorgabe aus § 31 INFCIRC/153 ihre eigenen Kontrollaktivitäten zu reduzieren.
D. Berichts- und Notifikationspflichten in den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153
I. Allgemeines Die staatlichen Verpflichtungen, die IAEO über zivile nukleare Aktivitäten zu informieren, sind entsprechend der Beschränkung des Verfahrens auf Nuklearmaterial und des Prinzips der Spaltmaterialkontrolle an strategischen Punkten grundsätzlich auf dieses Nuklearmaterial beschränkt. Informationen über Nuklearanlagen und über die verwandte Technologie sind der IAEO nur in dem Ausmaß mitzuteilen, wie es für die Überwachung des Spaltmaterialflusses erforderlich ist.32
27
Vgl. die Definition in § 100 INFCIRC/153. * § 57 INFCIRC/153. 29 Siehe § 58 INFCIRC/513. 30 Von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 234. 31 § 7 S. 3 INFCIRC/153: "The Agency, in its verification, shall take due account of the technical effectiveness of the State's system". 32 § 8 INFCIRC/153.
156
6. Kapitel: Die Informationslieferung durch den überwachten Staat
IL Informationen über Nuklearanlagen In § 8 S. 3 INFCIRC/153 ist der Grundsatz für die Sammlung von anlagenbezogenen Informationen bestimmt: "Information pertaining to facilities shall be the minimum necessary for safeguarding nuclear material subject to safeguards under the Agreement." Der hier zu lösende Konflikt besteht in der Notwendigkeit, einen Ausgleich zwischen dem Erfordernis, der Agentur die nötigen Kenntnisse über den Aufbau und die Funktionsweise dieser Anlagen zu verschaffen, und dem Interesse des Staates und der privaten Betreiber, die verwendete Technologie möglichst geheim zu halten, zu finden. Durch die Regelungen der §§ 42 ff. INFCIRC/153 wird für diese Einrichtungen der Grundsatz aus § 8 S. 3 INFCIRC/153 präzisiert und ein Interessenausgleich versucht. Einen besonderen Schutz der staatlichen Geheimhaltungsinteressen gewährt § 8 S. 4 INFCIRC/153, der dem Staat das Recht gibt, den physischen Transport von Unterlagen außerhalb des Landes zu verweigern, sofem er der Agentur die Einsichtnahme in die betreffenden Unterlagen im Staat selbst anbietet. Materielle Verpflichtungen bezüglich der Gestaltung oder des Betriebs der friedlichen Nuklearanlagen bestehen nicht, obgleich die Konstruktion einer Einrichtung erheblichen Einfluß auf ihre Überprüfbarkeit hat. Im Statut der IAEO33 ist konsequenterweise noch eine Genehmigungspflicht für Nuklearanlagen vorgesehen. Auch das ältere Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2 folgt diesem Ansatz34. Durch INFCIRC/153 werden die Rechte der Ageni:ur demgegenüber erheblich beschränkt.35 Zur Konzeption und Durchführung der Überwachungsmaßnahmen, die in den Ergänzungsvereinbarungen en détail geregelt werden, benötigt die Ageniur bestimmte Informationen über Nuklearanlagen. Durch § 46 INFCIRC/153 wird die Funktion der Mitteilung von Anlageninformationen im einzelnen bestimmt. Grob unterschieden werden kann die Verwendung der Informationen für die Konzeption der Sicherungsmaßnahmen im einzelnen, wie sie dann in den anlagenspezifischen Anhängen der Ergänzungsabkommen festgelegt werderi,36 von der Verwendung dieser Informationen bei der Bestimmung des Buchbe-
33
Art. XII A.l. §§ 30 - 32, 66. 35 Szasz spricht von einem "pale shadow" der in der Satzung vorgesehenen Kompetenzen der Agentur. Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1978), S. 73 (99). 34
36
§ 46 b) - f) INFCIRC/153.
I). Berichts- und Notifikationspflichten nach INFCIRC/153
157
standes.37 Aufgrund der Anlageninformationen wird von der IAEO eine Vielzahl von Festlegungen getroffen, die das weitere Verfahren prägen. So werden die Materialbilanzzonen festgelegt, die strategischen Punkte, auf die sich das Zugangsrecht der Inspektoren im Nonnalfall beschränkt, bestimmt und die Aufzeichnungs- und Berichtspflichten ausgestaltet.38 Für Einrichtungen, die "Anlagen" im Sinne von INFCIRC/153 darstellen,39 sind die in §§ 8, 42 ff. INFCIRC/153 spezifizierten Informationen mitzuteilen, während für andere Orte, an denen sich Nuklearmaterial befindet, lediglich die in § 49 INFCIRC/153 bestimmten Informationen mitzuteilen sind. Die Definition der "Anlage" in § 106 INFCIRC/153 knüpft einerseits an den Nuklearmaterialbestand an, indem jeder Ort, an dem üblicherweise mehr als ein effektives Kilogramm40 verwandt wird, als Anlage angesehen wird, und andrerseits an die Betriebsart, indem u.a. Reaktoren, Konversionsanlagen, Anreicherungs- oder Wiederaufarbeitungsanlagen unabhängig von ihrem Nuklearmaterialbestand als Anlagen angesehen werden. Die der IAEO mitzuteilenden Anlageninformationen sind nach § 43 INFCIRC/153 auf allgemeine Informationen, die der IAEO die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen ermöglichen, beschränkt. § 42 INFCIRC/153 legt den Zeitpunkt für die Mitteilung der Anlageninformationen fest: Für existierende Anlagen sollen die erforderlichen Daten während der Verhandlungen über die Ergänzungsabkommen mitgeteilt werden, bezüglich neuer Einrichtungen sollen in diesen Ergänzungsabkommen Fristen festgelegt werden. Grundsätzlich soll die Mitteilung so früh wie möglich vor der Einbringung von Nuklearmaterial in eine neue Einrichtung erfolgen. Die meisten Ergänzungsvereinbarungen legen als Frist 60 Tage fest. 41 Daher können Staaten etwa Anreichungs- oder Wiederaufarbeitungsanlagen bis zur Betriebsbereitschaft fertigstellen ohne daß sie verpflichtet wären, die IAEO hiervon zu unterrichten. Da die Meldepflicht erst recht kurzfristig vor der Beschickung mit Nuklearmaterial eintritt, bestehen wegen des Materialbezugs der Inspektionrechte42 auch dann keine Kontrollrechte der IAEO, wenn ein heimlicher Anlagenbau vermutet wird. Gem. § 45 INFCIRC/153 sind für die
37
§ 46 a) INFCIRC/ 153. § 46 INFCIRC/153. 3Q § 106 INFCIRC/153. 40 Die Maßeinheit "effektives Kilogramm" wird durch die §§ 104, 105 INFCIRC/153 definiert. Es handelt sich um ein Produkt aus Gewicht und Isotopenanreicherung. Damit werden Materialien, deren Anreicherung mit radioaktiven Isotopen einen bestimmten Schwellenwert nicht überschreitet, ausgeschlossen. 41 Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 14. 38
42
Siehe unten 8. Kapitel B.
158
6. Kapitel:
ie Informationslieferung durch den überwachten Staat
Sicherungsmaßnahmen relevante Veränderungen so früh mitzuteilen, daß gegebenenfalls noch Anpassungen des Verfahrens möglich sind.
III. Informationen über Nuklearmaterial Zunächst benötigt die IAEO Informationen über das in einem Staat vorhandene Nuklearmaterial, um sicherzustellen, daß alles dem Verfahren zu unterstellende Nuklearmaterial 43 tatsächlich erfaßt ist. Weiterhin werden Informationen über dieses Nuklearmaterial für die Feststellung, daß es nicht für die Herstellung von Kernsprengkörpern abgezweigt wird, benötigt. Für die staatlichen Verpflichtungen zur Information der IAEO über das Nuklearmaterial wurden entsprechende Regelungskategorien geschaffen.
1. Anfangsberichte Gem. § 62 INFCIRC/153 ist der IAEO innerhalb von dreißig Tagen nach Inkrafttreten eines Sicherungsabkommens ein Anfangsbericht über das gesamte Kernmaterial, das den Sicherungsmaßnahmen zu unterstellen ist, zu erstatten. Eine Überprüfung dieses Anfangsberichtes erfolgt, sofern nicht schon in den Ergänzungsabkommen die strategischen Punkte der Materialbilanzzonen, auf die die Zugangsrechte der Inspektoren dann beschränkt sind, bestimmt sind, durch Ad-hoc Inspektionen, bei denen die Inspektoren Zugang zu allen Oiten haben, an denen sich Nuklearmaterial befindet oder aufgrund dieser Inspektionen vermutet wird. 44
2. Buchhaltungsberichte Auf der Basis der vom Staat selbst vorzunehmenden Aufzeichnungen 45 sind der Agentur regelmäßig Berichte über das Nuklearmaterial, das Sicherungsmaßnahmen unterliegt, zu liefern. Das Verfahren wurde nicht supranational ausgestaltet, der IAEO verantwortlich sind die Staaten. Die Übermittlung der von den Betreibern angefertigten Berichte über staatliche Stellen führt daher häufig zu Verzögerungen.46 Ebenso wie für die vom Staat anzufertigenden Aufzeichnungen sind die allgemeinen Regelungen für die Buch-
43 44 45 46
Siehe oben 5. Kapitel C. Siehe unten 8. Kapitel E. I. 2. c). § 61 INFCIRC/153 Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 39.
I). Berichts- und Notifikationspflichten nach INFCIRC/153
159
haltungsberichte in den Sicherungsabkommen enthalten, die genauere Ausgestaltung für die einzelnen Materialbilanzzonen erfolgt hingegen durch die anlagenspezifischen Anhänge der ErgänzungsVereinbarungen.47 Die Staaten sind zur Aktualität verpflichtet. Die Berichte müssen auf den zum Berichtszeitpunkt verfügbaren Daten basieren und können gegebenenfalls später korrigiert werden.48 Durch Bestandsveränderungsberichte ist die Agentur spätestens 30 Tage nach der Feststellung von Bestandsveränderungen zu unterrichten.49 Die Gründe für diese Bestandsveränderungen sind gem. § 64 INFCIRC/153 ebenfalls mitzuteilen. Üblicherweise werden diese Berichte der Agentur monatlich zugesandt.50 Durch Materialbilanzberichte ist die Agentur von den Ergebnissen einer physischen Bestandsaufnahme innerhalb von 30 Tagen nach Durchführung zu unterrichten.51 Der Inhalt dieser Berichte wird durch § 67 INFCIRC/153 geregelt. Sie dürfen sich nicht lediglich auf die Mitteilung des Inventurergebnisses beschränken, sondern müssen auch eine Gegenüberstellung zwischen Buchbestand und Inventurbestand enthalten, so daß auch eventuelle Differenzen aufzuführen sind. Halbjährlich ist der Buchbestand an Nuklearmaterial für jede Materialbilanzzone mitzuteilen.52 Die Effektivität der Sicherungsmaßnahmen hängt in starkem Maße von der Rechtzeitigkeit und Vollständigkeit der staatlicherseits zu liefernden Berichte ab. Häufig festzustellende Verzögerungen und fehlende Vollständigkeit belasten daher das System.53 Durch INFCIRC/153 wird kein Standardformat für die staatlicherseits zu liefernden Berichte vorgegeben. Lediglich für die Messungen der den Berichten zugrunde liegenden Daten ist vorgeschrieben, daß sie sich an den neuesten internationalen Standards zu orientieren haben.54 Eine Möglichkeit zur Standardisierung der Berichte bestünde für die Agentur bei der Vereinbarung der Ergänzungsabkommen nach § 39 INFCIRC/153. In
47
Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (100). 48 § 63 INFCIRC/153. * § 63 a) INFCIRC/153. 50 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 28. 51 § 63 b) INFCIRC/153. 52 § 66 INFCIRC/153. 53 Hasselmann , Do we need new IAEA Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (290). 54 § 55 INFCIRC/153.
160
6. Kapitel:
ie Informationslieferung durch den überwachten Staat
der Praxis erschweren uneinheitliche Informationen die Tätigkeit der Agentur jedoch erheblich.55 Die Überprüfung dieser Berichte erfolgt vor allem durch die Routine-Inspektionen.56
3. Informationen
über Nuklear material außerhalb von Anlagen
Buchhaltungsberichte sind nur für das Nuklearmaterial, das sich in "Anlagen" gem. der Definition des § 106 INFCIRC/153 befindet, 57 zu erstellen. Für Nuklearmaterial, das weder die Menge eines effekriven Kilogramms übersteigt noch sich in einer Nuklearanlage im Sinne von § 106 (a) INFCIRC/153 befindet, besteht lediglich eine reduzierte Berichtspflicht. Sie beschränkt sich auf die Mitteilung des Ortes und des Namens und der Adresse des Verwenders und eine allgemeine Beschreibung der Konirollund Buchhaltungsprozeduren. Diese Informationen sind bei Veränderungen zu aktualisieren.58 Grundsätzlich werden diese Informationen nicht überprüft. Es besteht jedoch die Möglichkeit für die IAEO, Nuklearmaterial, das sich außerhalb von Anlagen befindet, in Materialbilanzzonen und so in das normale Berichts- und Inspektionssystem einzubeziehen.59
4. Notifikation
grenzüberschreitender
Transfers
Sofern Nuklearmaterial von einem Staat importiert oder exportiert wird, ändert sich der Bestand des Nuklearmaterials. Diese Veränderungen werden zwar schon durch die für die einzelnen Materialbilanzzonen zu erstellenden Buchhaltungsberichte erfaßt, doch sind weiterhin alle grenzüberschreitenden Transaktionen an die IAEO zu notifizieren. Hierdurch wird ein Abgleich mit den für die einzelnen Materialbilanzzonen gemeldeten Mengen ermöglicht.60 Die Überprüfung dieser Notifikationen kann durch Ad-hoc Inspektionen erfolgen. 61
55
Hasselmann , Do we need new IAEA safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (290). Siehe unten 8. Kapitel Β. I. 57 Siehe oben I). II. 58 § 49 INFCIRC/153. 5Q § 50 INFCIRC/153. 60 Von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kemsprengkörper (1983), S. 148. 61 Siehe unten 8. Kapitel E. I. 2. b) bb). 56
I). Berichts- und Notifikationspflichten nach INFCIRC/153
161
5. Sonderberichte Die oben dargestellten Berichte stellen den Nonnalfall der Informationslieferung durch die Staaten an die IAEO dar. Sofern die Nuklearanlagen wie vorgesehen ohne proliferationsrelevante Störungen arbeiten, werden weitere Infonnationen der Agentur grundsätzlich nicht mitgeteilt. Die Verifikation der Nichtabzweigung ist aber nur dann aufgrund der festgelegten Berichte möglich, wenn die Orte, an denen sich Nukleamiaterial befindet, so gesichert sind, daß unbefugte oder nicht nachprüfbare Entnahmen unmöglich sind. Die Londoner Richtlinien für den Nuklearexport vom 21.9.1977 sehen vor, daß die Lieferländer die Empfängerländer zu wirksamen physischen Schutzmaßnahmen bezüglich der gelieferten Gegenstände verpflichten. 62 Die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen sollen "international recommendations" entsprechen. Die IAEA hat solche Empfehlungen für den Schutz von Nuklearmaterial veröffentlicht. 63 Der physische Schutz des Nuklearmaterials ist auch Gegenstand einer im Kontext der IAEO konzipierten Konvention,64 die am 8. Februar 1989 in Kraft trat, nachdem sie von 21 Staaten ratifiziert worden war.65 Sofern allerdings durch einen Unfall oder ein anderes Vorkommnis die Abschirmung der Materialbilanzzone verändert wurde, kann die formalisierte Verifikation nicht mehr durchgeführt werden. Daher sind die Staaten verpflichtet, im Falle einer unerwarteten Veränderung der Abschinnung, die die unbefugte Entfernung von Nukleamiaterial ennöglicht, der IAEO unverzüglich einen Sonderbericht zu erstatten.66 Sonderberichte sind vom überwachten Staat ferner dann zu erstatten, wenn ungewöhnliche Umstände Anlaß zu der Vennutung geben, daß Nuklearmaterial in einer Menge, die einen in der Ergänzungsvereinbarung festzulegenden Grenzwert überschreitet, verloren geht oder gegangen ist.67 Solche Berichte sind auch dann anzufertigen, wenn während eines internationalen Transfers
02 Ziff. 3 INFCIRC/254. Vgl. Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 106. * "The Physical Protection of Nuclear Material", INFCIRC/225/Rev.l (1977), INFCIRC/225/Rev.2 (1989). 64 "Convention on the Physical Protection of Neclear Material" vom 26.10.1979. 65 Von Baeckmann , Le Traité sur la non-proliferation (TNP) (1968), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armement: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 165 (170). 66 § 68 (b) INFCIRC/153. 67
§ 68 (a) INFCIRC/153.
11 Lohmann
162
6. Kapitel:
ie Informationslieferung durch den überwachten Staat
Unregelmäßigkeiten auftreten, die Nuklearmaterialverluste wahrscheinlich erscheinen lassen. Dies gilt auch für den Fall auffälliger Verspätungen während des Transfers. 68 Soweit bekannt, sind bislang derartige Sonderberichte von Staaten noch nicht erstattet worden.69 Fraglich ist jedoch, ob daraus auf das Nichtvorkommen entsprechender Geschehnisse geschlossen werden kann. So wird etwa der Irak aufgrund der Bombardierungen seiner Installationen durch die Allierten während des Golfkriegs verpflichtet gewesen sein, die Beschädigungen der Abschirmungen mitzuteilen. Die Agentur ist berechtigt, den Inhalt dieser Sonderberichte durch Sonderinspektionen nach §§ 73, 77 INFCIRC/153 nachzu prüfen. 70
IV. Verpflichtungen zur Information der IAEO über Urankonzentrat Aufgrund der Definition von Nuklearmaterial gem. § 112 INFCIRC/153 unterfällt Urankonzentrat (yellow cake) nicht den Sicherungsmaßnahmen. Es kann jedoch in Anreicherungsanlagen zu waffenfähigem Kernbrennstoff verarbeitet werden. Daher sind Importe von Urankonzentrat für die IAEO von erheblichem Interesse. Gem. § 34 b) INFCIRC/153 besteht daher eine Meldepflicht gegenüber der IAEO, sofern Urankonzentrat importiert wird. Diese Meldpflicht besteht nicht, sofern das Urankonzentrat für "spezifisch nicht-nukleare Zwecke" eingeührt wird. Weiterhin ist lediglich die Tatsache des Imports, nicht jedoch der Ort, an den es verbracht wird, zu melden.71
E. Berichts- und Notifikationspflichten in den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2
Da sich Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 nicht ausschließlich auf Nuklearmaterial beziehen, sondern auch der Verifikation der friedlichen Verwendung anderer Gegenstände dienen,72 bestehen weiter gespannte Verpflichtungen des Staates, die IAEO über seine friedlichen Nuklearaktivitäten
68 60 70 71 72
§ 97 INFCIRC/153. Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 40. Siehe unten 8. Kapitel B. III. Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 159. Siehe oben 5. Kapitel C. III.
E. Berichts- und Notifikationspflichten nach INFCIRC/66/Rev.2
163
zu informieren. Andrerseits finden Sicherungsmaßnahmen nur auf die in den Sicherungsabkommen definierten Gegenstände Anwendung, so daß im Gegensatz zu den auf dem NV-Vertrag basierenden Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 eine Information der IAEO über sämtliches Nuklearmaterial im Staat nicht erfolgen muß.
I. Importnotifikationen Den Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 liegen Kooperationsvereinbarungen mit Lieferländern zugrunde, die die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen auf die aufgrund dieser Kooperationsabkommen gelieferten Gegenstände verlangen. Sofern diese Gegenstände aus dem Lieferland transferiert werden, ist die IAEO hiervon zu unterrichten.73 Da in diesen Fällen die IAEO auch durch den Exportstaat von den Transfers unterrichtet wird, 74 kann sie durch cross-checks überprüfen, ob die erforderlichen Notifikationen vorgenommen wurden.
II. Notifikation der Errichtung von Anlagen unter Verwendung transferierter Informationen Nuklearanlagen können außer aufgrund eines Imports auch Gegenstand der Sicherungsmaßnahmen werden, wenn sie auf der Grundlage transferierter technologischer Informationen errichtet werden. Im letzteren Fall ist das Empfängerland des Technologietransfers verpflichtet, die IAEO hiervon zu unterrichten. Zur Durchsetzung dieser Verpflichtung wird auch das Lieferland verpflichtet, die IAEO zu notifizieren, sofern das Empfängerland nicht die erforderliche Mitteilung an die IAEO macht.75 Bei der Errichtung von Nuklearanlagen sind gem. §§ 30-32 INFCIRC/66/Rev.2 Anlagedaten "as early a stage as possible" mitzuteilen. Diese Mitteilungspflichten werden ergänzt durch ein Recht der IAEO, Informationen zu verlangen, "when particular stages in the construction of a principal nuclear facility have been or are to be reached". Im Vergleich zu
73 Vgl. Art. 6.2, 11 des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237. 74 Vgl. Art. 6.1 des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237. 75 Vgl.: Art. 6.2 des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237..
11'
164
6. Kapitel:
ie Informationslieferung durch den überwachten Staat
den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 erhält die IAEO daher sehr viel früher Kenntnis von relevanten Anlagen in einem Staat. Sofern die Notifikation nicht erfolgt, kann die IAEO von ihrem Frage- und Klärungsrecht76 Gebrauch machen oder Inspektionen durchführen. 77
III. Notifikation der Herstellung von Nuklearmaterial unter Verwendung von Sicherungsmaßnahmen unterliegenden Gegenständen Auch Nuklearmaterial kann dadurch Gegenstand der Sicherungsmaßnahmen werden, daß es unter Verwendung von Nuklearmaterial, Anlagen oder Technologie, die den Sicherungsmaßnahmen unterliegen, hergestellt wird. In diesen Fällen ist der Staat verpflichtet, die IAEO von diesem Material zu unterrichten.78
IV. Routine-Berichte Ähnlich den Buchungsberichten nach dem Dokument INFCIRC/153 sind auch unter den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 der IAEO auf der Basis der anlagebezogenen Aufzeichnungen Berichte über den Bestand ;in Nuklearmaterial und Veränderungen dieses Bestandes mitzuteilen. Diese materialbezogenen Informationen werden ergänzt durch die Mitteilung der Betriebsaufzeichnungen, aufgrund derer die Informationen über das Nuklezirmaterial bewertet werden können.79 Diese Berichte sind bei Betriebsbeginn einer Nuklearanlage80 und danach bei Reaktoren je nach Größe mindestens zweimal und höchstens zwölfmal im Jahr mitzuteilen.81 Bei Wiederaufarbeitungs- und Konversionsanlagen ist monatlich ein Routine-Bericht zu erstellen.82
76 77 78 79 80 81 82
Siehe unten F. Siehe unten 8. Kapitel D. V. 2. C), I). VI. 4. Vgl. § 40 INFCIRC/66/Rev.2. § 39 INFCIRC/66/Rev.2. § 40 INFCIRC/66/Rev.2. § 55 INFCIRC/66/Rev.2. § 2 Annex I und § 2 Annex II INFCIRC/66/Rev.2.
F. Frage- und Klärungsrecht der IAEO
165
V. Sonder-Berichte Auch das Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2 sieht die Erstellung von Sonderberichten vor, wenn besondere Umstände die Vermutung nahelegen, daß Nuklearmaterial abhanden kommt oder gekommen ist.83 Einige der zuletzt geschlossenen Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 enthalten Verpflichtungen der Staaten, bestimmte Maßnahmen zum Schutz des Nuklearmaterials zu ergreifen. 84 Weiterhin sind Sonderberichte anzufertigen, wenn Transfers von Nuklearmaterial aus einer Anlage vorgenommen werden, die zuvor vereinbarte Obergrenzen überschreiten.
VI. Notifikation des Transfers in Drittstaaten Sofern der Transfer von Sicherungsmaßnahmen unterstellten Gegenständen in Drittstaaten beabsichtigt ist, ist das Einverständnis der IAEO erforderlich. 85 Daher ist sie zuvor hiervon zu unterrichten.86
F. Frage- und Klärungsrecht der IAEO
Der IAEO wird das Recht eingeräumt, erweiternde oder klärende Ausführungen zu den Berichten der Staaten zu verlangen.87 Dieses Recht stellt aber kein unbeschränktes Fragerecht dar, sondern ist zunächst dadurch beschränkt, daß es an staatliche Berichtspflichten anknüpft. Die Berichtspflichten entfalten somit eine Sperrwirkung für das Fragerecht der Agentur. Ein Staat ist nur verpflichtet, der Agentur Auskünfte über solche Sachverhalte zu erteilen, die Gegenstand von Berichtspflichten sind. Ein allgemeines Auskunftsrecht der IAEA besteht nicht, sondern der Inhalt der von den Staaten zu gebenden Auskünfte ist anhand der einzelnen Regelungen in Sicherungsabkommen und Ergänzungsvereinbarungen für die Berichte und Notifikationen zu bestimmen.
83
§ 42 INFCIRC/66/Rev.2. Von Baeckmann , Le Traité sur la non-proliferation (TNP) (1968), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 165 (169). 85 § 28 c) INFCIRC/66/Rev.2, Siehe oben 5. Kapitel C. II. 8. c) bb). 86 Vgl. Art. 10 des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237. 84
87
§ 44 INFCIRC/66/Rev.2, § 69 INFCIRC/153.
166
6. Kapitel:
ie Informationslieferung durch den überwachten Staat
Problematischer ist der Fall, wenn die Agentur der Ansicht ist, daß ein Sonderbericht88 unvollständig ist. Da diese Regelung selbst nicht eindeutig den Berichtsinhalt festlegt, ist die Reichweite des Frage- und Klärungsrechis insoweit ebenfalls nicht zweifelsfrei. Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Staat inquisitorischen Auskunftsverlangen der IAEO schutzlos ausgeliefert wäre, denn das Auskunftsrecht besteht nur "in so far as relevant for the purpose of safeguards". 89 Die IAEO darf somit nur solche Informationen verlangen, die im Hinblick auf ihre Verifikationsaufgabe erheblich sind. Zur Konkretisierung der Grenzen des Auskunftsrechts ist somit auf das Mandat der IAEO abzustellen.90
G. Informationslasten
Sofern weder die staatlichen Berichte noch die von der IAEO durchgeführten Inspektionen Anhaltspunkte für Vorgänge liefern, die eine Verifikation der Erfüllung der staatlichen Verpflichtungen ausschließen würden, sind die staatlichen Verpflichtungen zur Information der IAEO auf die dargestellten Berichts- und Notifikationspflichten beschränkt. Wenn allerdings die Verifikationsaktivitäten der IAEO zur Feststellung signifikanter Materialbilanzdifferenzen oder anderer Anomalien und Diskrepanzen führen, kann die IAEO, ohne den Nachweis des Vorliegens einer Abzweigung von Nuklearmaterial oder des Mißbrauchs eines anderen Gegenstandes führen zu müssen, Sanktionen gegen einen Staat einleiten, sofern sich dieser nicht durch entsprechende Gegenbeweise entlastet.91 Daraus folgt für die überwachten Staaten eine durch das Vorliegen von Indizien und die Ausschöpfung der Erkenntnismittel der IAEO bedingte Informationslast. 92
88 89 90 91 92
§ 42 INFCIRC/66/Rev.2, § 68 INFCIRC/153. § 69 INFCIRC/153. Siehe oben 5. Kapitel. Siehe unten 9. Kapitel E. Siehe unten 9. Kapitel C.
H. Implementation
167
H. Implementation
Zur Umsetzung der Verpflichtung zur Errichtung eines nationalen Kontrollund Buchführungssystems ist es erforderlich, den privaten Betreibern nuklearer Anlagen durch nationale Regelungen entsprechende Aufzeichnungs- und Mitteilungspflichten aufzuerlegen. Weiterhin erfordert die Vorbereitung der von den Staaten der IAEO mitzuteilenden Berichte eine innerstaatliche Informationserhebung.93 Die von den EG-Nichtkernwaffenstaaten durch das von diesen und der Europäischen Atomgemeinschaft mit der IAEO abgeschlossene Sicherungsabkommen94 übernommenen Verpflichtungen zur Aufzeichnung und zum Bericht von Daten werden umgesetzt durch eine EG-Kommisionsverordnung.95
9
Siehe oben C. * Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königkreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Verifikation sabkommen), BGBl. 1974 II, S. 795. * Verordnung (EURATOM) Nr. 3227/76 der Kommission, ABl.L Nr. 363 vom 19.10.1976 zur Anwendung der Bestimmungen der EURATOM-Sicherungsmaßnahmen.
. Kapitel
Die Informationslieferung durch andere Staaten
A. Notwendigkeit der Informationsergänzung
Das Verfahren der Sicherungsmaßnahmen basiert in erster Linie auf den Berichten der überwachten Staaten und den Inspektionsrechten der IAEO. Angesichts der vielfach beschränkten Zugangsrechte der IAEO-Inspektoren führt dies vor allem hinsichtlich der Vollständigkeit der Erfassung allen nuklearen Materials in einem Staat bei der Durchführung der NV-Sicherungsmaßnahmen zu erhebliche Glaubwürdigkeitslücken. Nicht am Verfahren beteiligte Dritte wie andere Staaten oder internationale Organisationen, aber auch Einzelpersonen oder Nichtregierungsorganisationen, können aufgrund ihrer Erkenntnismittel über verfahrensrelevante Informationen verfügen. 1 Erfährt die IAEO hiervon nicht, geht sie unter Umständen von falschen Tatsachen aus und trifft falsche Verifikationsentscheidungen. In diesem Fall kann das Verfahren seine Alarmfunktion nicht erfüllen. Werden solche nicht überprüften Informationen in die Öffentlichkeit gebracht oder zum Ausgangspunkt politischer Entscheidungen anderer relevanter Akteure, ohne daß gegebenenfalls eine Widerlegung durch die IAEO erfolgt, wird die vertrauensbildende Funktion des Verfahrens geschwächt.2
1
Zu den "national means of verification" als Bestandteil des Nichtverbreitungsrégimes vgl. Fischer, International Non-proliferation Régime 1987 (1987), wS. 3. 2 Vgl. hierzu Szasz, The Law and Practice of the International Atomic Energy Agency, (1970), S. 597.
170
. Kapitel: I)ie Informationslieferung durch
dere Staat
B. Verpflichtungen zur Notifikation des Exports von Nuklearmaterial
Es ist für die IAEO von großer Bedeutung, von Drittstaaten Informationen über die Importe von Nuklearmaterial der von ihr überwachten Staaten zu erhalten. Angesichts der eingeschränkten Ermittlungsrechte bezüglich des durch Sicherungsmaßnahmen zu erfassenden Nuklearmaterials ermöglichen Exportnotifikationen die Überprüfung der staatlichen Buchhaltungsberichte und Importnotifikationen.
I. Kausalverträge Die Vertragsparteien des NV-Vertrages sind aufgrund Art. III.2 NV-Vertrag verpflichtet, sicherzustellen, daß sie Nuklearmaterial an Nichtkernwaffenstaaten nur dann exportieren, wenn dieses im Empfängerland Sicherungsmaßnahmen unterliegt.3 Diese Verpflichtung besteht aufgrund des NV-Vertrages allerdings nur gegenüber den anderen Vertragsparteien, ein Recht der IAEO, diese Informationen von den Staaten zu verlangen, wird hierdurch nicht begründet. Die Erfüllung der in Art. 4 des Vertrages von Rarotonga enthaltenen Verpflichtung, Nuklearmaterial nur dann zu exportieren, sofern es im Empfängerland Sicherungsmaßnahmen der IAEO unterliegt, kann nur erfolgen werden, wenn diese Exporte der IAEO mitgeteilt werden. Diese Verpflichtung gilt auch für Exporte an Kernwaffenstaaten. Auch bilaterale Kooperationsverträge enthalten Verpflichtungen der Empfängerländer von Nuklearmaterial, Exporte in Drittstaaten nur dann vorzunehmen, wenn gesichert ist, daß das Nuklearmaterial in diesen Drittländern Sicherungsmaßnahmen der IAEO unterliegt.4 Damit ist inzident gegenüber dem Lieferland eine Verpflichtung zur Information der IAEO übernommen.
II. Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 Die den anderen Vertragsparteien des NV-Vertrages gegenüber bestehende Verpflichtung der Nichtkernwaffenstaaten zur Notifikation ihrer Nuklear3 4
Siehe oben 3. Kapitel Β. IV. 3. b) aa). Vgl. Art. 4 (1) des deutsch-brasiliani sehen Nuklearkooperationsabkommens vom 27.6.1Ç75.
Β. Notifikation des Exports von Nuklearmaterial
171
materialexporte an die IAEO wird durch die Sicherungsabkommen nach INFCERC/153 durch eine Verpflichtung gegenüber der IAEO ergänzt. Auf diese Weise erhält die IAEO ein eigenes Recht, von den betreffenden Staaten die relevanten Informationen zu verlangen. Die Staaten sind zur Notifikation all ihrer Exporte an die IAEO verpflichtet, sofern der Export ein effektives Kilogramm übersteigt.5 Diese Notifikation hat vor der Lieferung zu erfolgen. Exporte von Urankonzentrat sind gem. § 34 a) INFCIRC/153 nur dann der IAEO zu melden, wenn es für nukleare Zwecke verwandt werden soll. Damit besteht die Gefahr, daß Urankonzentrat für angeblich nicht-nukleare Zwecke exportiert wird, ohne daß die IAEO hiervon Kenntnis erhält.6 Urankonzentrat bedarf zwar noch einer weiteren Verarbeitung, bevor es proliferationsrelevant wird, doch kann die IAEO mit Hilfe der notifizierten Informationen prüfen, ob der Empfängerstaat seinen Berichtspflichten bezüglich des daraus hergestellten, den Sicherungsmaßnahmen unterfallenden Nuklearmaterials nachkommt.7
III. Vereinbarungen der NV-Kernwaffenstaaten mit der IAEO Die Verpflichtung aus Art. III.2 NV-Vertrag, Nuklearmaterial nur dann zu exportieren, wenn es im Empfängerland Sicherungsmaßnahmen unterliegt, gilt auch für die dem NV-Vertrag beigetretenen Kernwaffenstaaten, so daß auch diese gegenüber den anderen NV-Vertragsparteien verpflichtet sind, durch entsprechende Mitteilungen an die IAEO sicherzustellen, daß Sicherungsmaßnahmen angewandt werden können. Die Tatsache, daß die Kernwaffenstaaten nicht zum Abschluß von Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 verpflichtet sind, die eigenständige Mitteilungspflichten gegenüber der IAEO begründen, ändert nichts an der gegenüber den anderen Vertragsparteien des NV-Vertrages bestehenden Pflicht zur Information der IAEO.8 Die USA, die Sowjetunion und Großbritannien haben mit der IAEO Vereinbarungen getroffen, die ihre Verpflichtungen zur Notifikation von Exporten
5
§ 92 INFCIRC/153. Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (92). 7 Siehe dazu Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (91). 8 Mißverständlich daher die Feststellung, daß aus dem Fehlen einer Verpflichtung zum Abschluß von Sicherungsabkommen zu folgern, sei, daß die Kernwaffenstaaten nicht zur Mitteilung ihrer Materialexporte an die IAEO verpflichtet seien. Siehe Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 19. 6
172
. Kapitel:
ie Informationslieferung durch
dere Staat
regeln.9 Auf diese Vereinbarungen wird in den Sicherungsabkommen mit der IAEO Bezug genommen.10
IV. Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 Die Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 basieren zumeist auf bilateralen Lieferbeziehungen. Sofern es sich um trilaterale Sicherungsabkommen handelt, ist zwischen den Verpflichtungen betreffend die Exporte in den anderen Staat und die Exporte in Drittstaaten zu unterscheiden.
1. Exporte in den Empfängerstaat Trilaterale Sicherungsabkommen verpflichten die Lieferländer, alle Exporte von Nuklearmaterial der IAEO zu notifizieren. 11 Sofern es sich bei den Lieferländern um Staaten handelt, die Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 mit der IAEO geschlossen haben, erfolgt auf diese Weise gegenüber § 92 INFCIRC/153 eine Ausdehnung der Notifikationspflicht auf solche Materialexporte, die weniger als ein effektives Kilogramm betragen.
2. Exporte in D ritt Staaten Sofern es sich bei dem Lieferstaat um einen Nichtkemwaffenstaat handelt, der nicht Vertragspartei des NV-Vertrages ist, erhält die IAEO Kenntnis vom Import, sofern es sich bei dem gelieferten Material um solches handelt, das im Lieferstaat Sicherungsmaßnahmen unterlag. Denn Exporte solchen Materials sind unter bestimmten Bedingungen gestattet, die grundsätzlich das Einverständnis der IAEO voraussetzen.12
9
Siehe INFCIRC/207 und INFCIRC/207/Add. 1. Vgl. Art. 89 INFCIRC/288. 11 Vgl. Artikel 6 des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237. 12 § 28 INFCIRC/66/Rev.2. Vgl. auch Art. 10 (2) des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237. 10
C. Notifikation des Exports von Nuklearanlagen
173
V. Weitere Informationspflichten anderer Staaten Aus dem vorhergehenden ergibt sich, daß Verpflichtungen zur Notifikation von Nuklearmaterialexporten für Staaten, die nicht Vertragspartei des NVVertrages sind, nur dann bestehen, wenn es sich um Nuklearmaterial handelt, das Sicherungsmaßnahmen aufgrund von Lieferungen des Materials selbst oder der Anlagen, in denen es verarbeitet wird, unterliegt. Einige Staaten, die nicht Vertragspartei des NV-Vertrages sind, haben Vereinbarungen mit der IAEO getroffen, in denen sie sich verpflichtet haben, die IAEO über ihre Exporte zu informieren. 13 Frankreich hat sich der von den Kernwaffenstaaten, die Vertragspartei des NV-Vertrages sind, getroffenen Vereinbarung mit der IAEO zur Notifikation aller Nuklearmaterialexporte angeschlossen.14 Kürzlich hat auch die Volksrepublik China der IAEO mitgeteilt, daß sie beabsichtigt, die IAEO künftig über ihre Im-und Exporte von Nuklearmaterial zu informieren. 15
C. Verpflichtungen zur Notifikation des Exports von Nuklearanlagen und Ausrüstungsgegenständen
Seitens der IAEO besteht ein erhebliches Interesse daran, Informationen über den Export von Nuklearanlagen mitgeteilt zu bekommen. Derartige Notifikationen erleichtern die Nachprüfung der von den Importstaaten aufgrund der Sicherungsabkommen mitzuteilenden Anlagenbezogenen Informationen.
I. Art. III.2 NV-Vertrag Die in Art. III.2 NV-Vertrag geregelte Verpflichtung der Vertragsparteien, Nuklearexporte an Nichtkernwaffenstaaten nur durchzuführen, wenn der exportierte Gegenstand im Importland Sicherungsmaßnahmen unterliegt,16 gilt nicht nur für Nuklearmaterial, sondern auch für Ausrüstungs- und andere
13
Vgl. Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 18. INFCIRC7207/Add.l. 15 Schreiben vom 15.11.1991 an den Generaldirektor der IAEO. Siehe IAEA Bulletin 1991/4, S. 46: "China: Nuclear material reports". 16 Vgl. auch Art. 4 des Vertrages von Rarotonga. 14
174
. Kapitel:
ie Infomationslieferung durch
dere Staat
Gegenstände, wenn sie für die Verarbeitung von Nukleamiaterial bestimmt sind. Die Erfüllung dieser Verpflichtung setzt voraus, daß die IAEO Kenntnis von entsprechenden Exporten erhält. Es läge daher nahe, von einer umfassenden Notifikationsverpflichtung gegenüber der IAEO bezüglich der Exporte von Nuklearanlagen auszugehen. Bei der Auslegung von Art. III.2 NV-Vertrag ist jedoch die Präambel zu berücksichtigen, in der der "Grundsatz einer wirksamen Sicherungsüberwachung des Flusses von Ausgangs- und besonderem spaltbarem Material" niedergelegt ist.17 Eine Verpflichtung der Notifikation von Anlagenexporten in Staaaten, die Parteien des NV-Vertrages sind, hätte im Ergebnis eine Überwachung des Exports von Anlagen zur Folge. Dies wäre mit dem Prinzip der Spaltmaterial-Kontrolle unvereinbar. Aus diesem Grunde ist zwischen Exporten in Staaten, die Partei des NV-Vertrages sind, und Staaten, die diesem Vertrag nicht beigetreten sind, zu differenzieren. Lieferungen von Anlagen und Ausrüstungsgegenständen an NV-Vertragsparteien sind nicht notifikationspflichtig, während im Falle einer Lieferung an einen Staat, der nicht dem NV-Vertrag beigetreten ist, eine Mitteilung an die IAEO erfolgen muß. So konnte beispielsweise Italien Lieferungen an den Irak vornehmen, ohne daß dies der IAEO mitzuteilen gewesen wäre.18 Dies gilt auch für die deutschen Exporte von Anlagenteilen an den Irak.19 Anders sieht es aus, wenn solche Lieferungen an Staaten erfolgen, die nicht Partei des NV-Vertrages sind. In diesem Fall muß sich der Exportstaat vergewissern, daß Sicherungsmaßnahmen angewendet werden. Dies erfordert entsprechende Mitteilungen an die Agentur. Daher haben die im ZanggerKommittee vertretenen Staaten erklärt, daß sie, bevor sie die in der TriggerList genannten Ausrüstungsgegenstände an Nicht-Vertragsparteien exportieren, sicherstellen, daß IAEO-Sicherungsmaßnahmen angewandt werden.20 Zu beachten ist aber, daß Art. III.2 NV-Vertrag zwar die Staaten zur Information der IAEO verpflichtet, dieser jedoch kein Recht einräumt, von den Staaten diese Informationen zu verlangen.
17
Siehe oben 4. Kapitel E. III. 12. Fischer, The International Non-Proliferati on Régime 1987 (1987), S. 14. 19 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.12.1991: "Eine Liste von dreizehn IrakLieferanten"; tageszeitung vom 23.1.1992: "Bonn genehmigte Atomtechnik für Irak". 20 INFCIRC/209, Memorandum B "Direct Exports". 18
I). Notifikation der Weitergabe von Informationen
175
IL Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 Aufgrund der Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 besteht seitens der Lieferstaaten keine Meldepflicht bezüglich des Exports von Nuklearanlagen. Dies ist, wie soeben gezeigt wurde, eine Konsequenz des in der Präambel des NV-Vertrages niedergelegten Prinzips der Überwachung des Materialflusses. Angesichts der gegenüber den Vertragsparteien des NV-Vertrages übernommenen Verpflichtung, die IAEO von Anlagenexporten zu informieren, sofern diese in Staaten erfolgen, die nicht Vertragspartei des NVVertrages geworden sind, hätte es nahegelegen, in die Sicherungsabkommen zumindes eine Notifikationspflicht aufzunehmen, wie sie etwa gem. § 34 (a) INFCIRC/153 für den Export von Urankonzentrat besteht.
III. Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 In trilateralen Sicherungsabkommen mit der IAEO haben sich Lieferländer verpflichtet, Anlagenexporte an die IAEO zu notifizieren. 21 Die Empfängerländer dürfen Re-Exporte von Nuklearanlagen oder Exporte von Nuklearanlagen, die unter Verwendung transferierter technologischer Information hergestellt wurden, nur nach einer Genehmigung durch die IAEO exportieren, müssen diese also verständigen.22
D. Verpflichtungen zur Notifikation der Weitergabe technologischer Informationen
Die Exportkontrollverpflichtung aus Art. III.2 NV-Vertrag ist gegenstandsbezogen, erfaßt somit Technologietransfers selbst nicht, solange sie nicht mit der Lieferung von Gegenständen verbunden sind. Die Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 sind grundsätzlich materialorientiert und regeln die Überwachung von Technologietransfers nicht.
21 Vgl. Art. 6 des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237. 22 Vgl. Art. 10.1, 7.1 a) des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237.
176
. Kapitel:
ie Informationslieferung durch
dere Staat
Im Falle von Technologietransfers, die trilateralen Sicherungsabkommen unterliegen, kann der Lieferstaat zur Notifikation des Transfers an die IAEO23 und das Empfängerland bei einer Weitergabe an Drittstaaten24 verpflichtet sein.
E. Verpflichtungen zur Lieferung weiterer Informationen
Die bislang geprüften Verpflichtungen dritter Staaten betreffen lediglich die Notifikation von Exporten an die IAEO. Wie bereits ausgeführt, können dritte Staaten aber auch über andere Informationen, etwa über geheime Vorhaben der überwachten Staaten, verfügen, die für die IAEO relevant sind.25 Zwischenstaatliche Rüstungskontrollverträge enthalten Klauseln, die nationale Verifikationsmittel anerkennen und ihre Anwendung durch die Staaten regeln. Die IAEO als internationale Organisation verfügt über keine den nationalen Verifikationsmitteln entprechenden Aufklärungsmittel, sehr wohl aber einige ihrer Mitgliedsländer. Art. VIII.A IAEO-Statut bestimmt, daß "Each member should make available such information as would, in the judgement of the member, be helpful to the Agency". Dies könnte im Sinne einer allgemeinen Informationsverpflichtung der Mitglieder zu verstehen sein. Durch Art. VIII.C IAEA-Statut, der die Agentur verpflichtet, solche Informationen zu sammeln und sie in zugänglicher Form den Mitgliedern zur Verfügung zu stellen, wird jedoch sogleich deutlich, daß es sich bei den betreffenden Informationen nicht um etwaige Verdachtsmomente für Abzweigungsvorgänge handelt, sondern daß naturwissenschaftliche und technische Informationen gemeint sind. Dies gilt auch für Art. X IAEO-Statut, wonach die Mitglieder der IAEO dieser "services, equipment and facilities" zur Verfügung stellen sollen, die ihr bei der Erfüllung ihrer Aufgaben helfen können. Die Generalkonferenz von OPANAL wird durch Art. 20 des Vertrages von Tlatelolco dazu verpflichtet, der IAEO alle Vorgänge mitzuteilen, die ihrer Ansicht nach relevant für diese sind. Sofern diese regionale Organisation über
23
Vgl. Art. 6.1 b) des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237. 24 Vgl. Art. 10.3 des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237. 25 Griimm, Potential Limitations of International Safeguards, IAEA-Bulletin 1982 Suppl., S. 40 (42).
E. Verpflichtungen zur Lieferung weiterer Informationen
177
Anhaltspunkte für Verstöße gegen staatliche Verpflichtungen, deren Einhaltung durch die Sicherungsabkommen überprüft werden soll, verfügt, hat sie diese der IAEO mitzuteilen. Dies dürfte auch für die Resultate von Sonderinspektionen im Sinne von Art. 16 des Vertrages von Tlatelolco gelten. Ein direkter Zugang der IAEO etwa zu nationalen Geheimdiensten existiert bislang nicht. Die IAEO ist darauf angewiesen, daß ein Staat seine Informationen dem Gouverneursrat mitteilt.26 Es wird daher schon seit langem gefordert, eine Verknüpfung herzustellen.27 Aktualität gewannen diese Bestrebungen durch die Tatsache, daß der Irak als Vertragspartei des NV-Vertrages geheime nukleare Kapazitäten aufbaute und möglicherweise nun wieder aufbaut, 28 die jedenfalls zum Teil durch die nationalen Erkenntnismittel der Alliierten entdeckt wurden. Daher wird durch den IAEO-Generaldirektor Hans Blix gefordert, der IAEO Zugang zu nationalen Informationen über Orte, die einer Inspektion durch die IAEO bedürfen, zu gewähren.29 Ein solcher Zugang könnte durch Selbstverpflichtungen der Staaten, ähnlich den von den Kernwaffenstaaten der IAEO gegenüber übernommenen Verpflichtungen zur Notifikation ihrer Nuklearexporte30 institutionalisiert werden.
26
IAEA Safeguards-Aims, Limitations and Achievements (1983), S. 36. Vgl. hierzu schon Szasz, The Law and Practice of the International Atomic Energy Agency (1970), S. 596. 28 Siehe Frankfurter Rundschau vom 11.1.1992: "Irak baut Atomanlagen auf - Satellitenfotos zeigen angeblich unterirdische Produktionsstätten." 29 Rede zum Gouverneurs rat im Juli 1991, IAEA-Bulletin 1991/3, S. 39. 30 Vgl. INFCIRC7207 und INFCIRC/207 Add.l. Siehe oben Β. I. 2. 27
12 Lohmann
8. Kapitel
Die Inspektionen durch die I A E O
Neben den von dem überwachten Staat zu erstellenden Berichten und den von anderen Staaten der IAEO mitgeteilten Informationen kann die IAEO durch Inspektionen in den überwachten Staaten Informationen über die zu überprüfenden Sachverhalte sammeln. Diese geben ihr die Möglichkeit der direkten, unmittelbaren Nachprüfung der von den Staaten erhaltenen Berichte.1
A. Allgemeines
Die Glaubwürdigkeit der Sicherungsmaßnahmen basiert vor allem auf dem Recht der IAEO, Inspektionen in den überwachten Staaten durchzuführen. Die Ausgestaltung von wirksamen Überprüfungsmaßnahmen stellt den politisch schwierigsten und umstrittensten Teil eines internationalen Kontrollverfahrens dar, da Überprüfungsmaßnahmen erheblich in die staatliche Souveränität eingreifen. 2 Ihre Regelung erfordert einen Kompromiß zwischen dem Interesse der überwachten Staaten, in möglichst geringem Umfang und nur in vorhersehbarer Weise durch Kontrollen Eingriffe in ihre Souveränität erdulden zu müssen, und dem Interesse der anderen Staaten, durch möglichst weitgehende Überprüfungsrechte der IAEO die Gewißheit zu erhalten, daß das Verfahrensergebnis mit der Realität übereinstimmt.
1
Edwards , International Legal Aspects of Safeguards and the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, ICLQ 1984, S. 1 (7). 2 Szasz, The International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (103). 12·
180
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
Die Staaten sind grundsätzlich nicht bereit, Inspektoren anderer Staaten unbeschränkte Zugangsrechte zu und in ihren Hoheitsgebieten zu gewähren.3 Dies resultiert in vielfältigen Beschränkungen der Inspektionsrechte. Diese können sich auf die Anforderungen für die Einleitung einer Inspektion beziehen aber auch die Inspektionsdurchführung selbst betreffen, indem unter anderem örtliche oder funktionale Beschränkungen vorgenommen werden.
B. Kategorien
Während im IAEO-Statut nicht zwischen verschiedenen Arten von Inspektionen differenziert wird,4 werden durch die Sicherungsabkommen verschiedene Typen von Inspektionen geschaffen. Sie unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihrer Funktion, Häufigkeit, Ankündigungsfristen und der Zugangsrechte für die Inspektoren. Da in den Sicherungsabkommen an diese Inspektionstypen als Regelungskategorie angeknüpft wird, sollen sie an dieser Stelle mit ihren wichtigsten Merkmalen vorgestellt werden.
I. Routine-Inspektionen Wie es der Name schon andeutet, stellen die Routine-Inpektionen die normale Aktivität der IAEO-Inspektoren dar. Sie finden sich schon im Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2,5 wenn auch noch nicht so detailliert geregelt wie in INFCIRC/153.6 Sofern die IAEO nicht aufgrund besonderer Umstände zur Durchführung von Inspektionen der anderen Kategorien berechtigt ist, stellen allein Routine-Inspektionen die Basis ihrer Inspektionstätigkeit dar. Daher kommt ihrer Ausgestaltung erhebliche Bedeutung für die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz der Sicherungsmaßnahmen zu.7 Die Frequenz ihrer Durchführung richtet sich nach festgelegten Quoten, die der relativen Proliferationsrelevanz der inspizierten Orte Rechnung tragen.8
3
Vgl. Hanski , On-Site Inspektion as a Form of Verification in Arms Control Agreements, in: Hanski/Rosas/Stendahl, Verification of Amis Control Agreements (1991), S. 9 (20). 4 Vgl. Art. XII.A.6 IAEO-Statut 5 Siehe §§ 49, 50, 57, 58, 64 INFCIRC/66/Rev.2, §§ 3-5 Annex I und §§ 3-7 Annex II. 6 Siehe dort insbesondere §§ 72, 78-82, 83 c), 84. 7 Von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 253. 8 Siehe §§ 57, 58, 64, 68 INFCIRC/66/Rev.2, §§ 3, 4 Annex I und §§ 3-5 Annex II; §§ 7882 INFCIRC/153.
Β. Kategorien
181
Gegenüber INFCIRC/66/Rev.2 wurden durch INFCIRC/153 die RoutineInspektionen quantitativ reduziert. Zugleich wurden die Zugangsrechte der Inspektoren beschränkt. Hierdurch sollte ein Anreiz geschaffen werden für Staaten, dem NV-Vertrag beizutreten und entsprechende Sicherungsabkommen mit der IAEO zu schließen.9 Ermöglicht wurde diese Reduktion der RoutineInspektionen der IAEO durch die Verpflichtung der Staaten zur Schaffung eines nationalen Kontrollsystems,10 auf dem das Prinzip der Spaltstoffkontrolle an strategischen Punkten durch die IAEO aufbauen konnte. Auch die Weiterentwicklung der technischen Kontrollmöglichkeiten11 und die Tatsache, daß in den NV-Nichtkernwaffenstaaten der gesamte Nuklearkreislauf Kontrollen untersteht, sprachen für eine Beschränkung der Routine-Inspektionen. Den eingeschränkten Zugangsrechten der IAEO-Inspektoren steht jedoch das Recht der IAEO gegenüber, innerhalb des festgelegten Kontingents ohne das vorherige Einverständnis des überwachten Staates Inspektionen durchführen zu können.
II. Ad-hoc-Inspektionen Bei den Ad-hoc-Inspektionen12 handelt es sich um eine neue Regelungskategorie der NV-Sicherungsabkommen. Ihre Einführung trägt einerseits der Erweiterung des Mandats der IAEO auf den gesamten Nuklearkreislauf eines Staates und andrerseits den Beschränkungen der Routine-Inspektionen Rechnung. Im Gegensatz zu den Routine-Inspektionen ist die IAEO bei ihrer Durchführung nicht durch eine zahlenmäßig bestimmte Obergrenze beschränkt. Sie kann Ad-hoc Inspektionen innerhalb der ihren Aktivitäten allgemein gezogenen Grenzen13 immer dann durchführen, wenn sie sie für erforderlich hält. Auch die für die Routine-Inspektionen geltende Beschränkung der Zugangsrechte der Inspektoren auf die in den Ergänzungsvereinbarungen festgelegten strategischen Punkte gilt bei Ad-hoc Inspektionen nicht.14 Anders als die permanent durchgeführten Routine-Inspektionen können Ad-hoc
Q
Vgl. Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 38; Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (80). 10 § 7 INFCIRC/153. Siehe oben 6. Kapitel C. 11 Von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 93. 12 §§ 71 a), 76 a), 83 a), 93, 96 INFCIRC/153. 13 Siehe oben 3. Kapitel E. 14
§ 76 a) und b) INFCIRC/153.
182
8. Kapitel: I>ie Inspektionen durch die IAEO
Inspektionen jedoch nur in bestimmten Situationen (ad hoc) durchgeführt werden. Sie dienen zunächst der Überprüfung des von dem Staat zu erstellenden Anfangsberichts über das vorhandenen Nuklearmaterial. 15 Bis in den Ergänzungsvereinbarungen die Festlegung von Materialbilanzzonen und damit der strategischen Punkte erfolgt, ersetzen sie die Routine-Inspektionen.16 Mit dem Abschluß der Ergänzungsvereinbarung tritt der Normalfall des Verfahrens ein, so daß diese Art von Ad-hoc Inspektionen nicht mehr durchgeführt werden kann. Bei der Durchführung von Routine-Inspektionen ist die Agentur räumlich auf die in den Ergänzungsvereinbarungen festgelegten strategischen Punkte beschränkt. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen kann sich Nuklearmaterial an Orten befinden, die außerhalb der Materialbilanzzonen liegen, so daß eine Überprüfung der entsprechenden Export- und Importnotifikationen durch Routine-Inspektionen nicht möglich ist. Daher verfügt die Agentur für diesen Zweck über das Recht zur Durchführung von Ad-hoc Inspektionen.17 Im Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2 wird für Inspektionsrechte im Zusammenhang mit Exporten von Nuklearmaterial noch die Bezeichnung Sonderinspektionen verwandt.18
III. Sonderinspektionen Der Inspektionstyp der Sonderinspektionen findet sich schon im Sicherungssystem INFCIRC/66/Rev.2.19 Neben ihrer Funktion im Zusammenhang mit Exporten von Nuklearmaterial sollen sie die Routine-Inspektionen ergänzen, sofern Berichte oder unvorhergesehene Umstände die Durchführung von Inspektionen erfordern. Anknüpfend an die Regelung in INFCIRC/66/Rev.2 ist auch in INFCIRC/153 die Befugnis der IAEO zu Sonderinspektionen vorgesehen.20 Die Kompetenz der Agentur ist jedoch restriktiver gefaßt. Im Gegensatz zu der
15
§ 71 a) INFCIRC/153. §§ 71 b), 76 a) INFCIRC/153. 17 §§ 93, 96 INFCIRC/153. 18 § 54 INFCIRC/66/Rev.2. 19 §§ 53, 54 INFCIRC/66/Rev.2. Siehe auch die Regelungen der §§ 4-12 Inspectors' Document. 16
20
§§ 73, 77 INFCIRC/153.
Β. Kategorien
183
generalklauselartigen Regelung des § 53 INFCIRC/66/Rev.2 werden durch § 73 INFCIRC/153 die Situationen, in denen die Agentur solche Inspektionen durchführen darf, genauer um schrieben. Wichtiger noch sind die Einschränkungen, die sich für das Sekretariat der IAEO bei der Durchführung ergeben. Während durch § 53 INFCIRC/66/Rev.2 die Entscheidung über das Ansetzen einer Sonderinspektion in das Ermessen das Sekretariat gestellt wird, der den Gouverneursrat erst noch einer solchen Inspektion über Gründe und Ergebnisse informieren muß, können Sonderinspektionen nach §§ 73, 77 INFCIRC/153 nur nach Konsultation mit dem Staat oder einer Anordnung des Gouverneursrates erfolgen. Die Souveränitätseinschränkung, die mit den erweiterten Zugangsrechten der IAEO im Rahmen von Sonderinspektionen verbunden ist, wird kompensiert durch erhöhte Anforderungen an ihre Einleitung.
IV. Inspektionen zur Überprüfung von Informationen über Anlagen Zwar wurde für die Inspektionen, die von der IAEO durchgeführt werden können, um die ihr von Staaten zur Verfügung gestellten Informationen über Anlagen zu überprüfen, keine besondere Bezeichnung in die Sicherungsysteme aufgenommen, doch lassen sich diese Inspektionen wegen ihrer besonderen Ausgestaltung als besondere Kategorie begreifen. Gem. §§ 51-52 INFCIRC 66/Rev.2 kann die Agentur Inspektionen durchführen, um die ihr vom Staat mitgeteilten Anlagedaten zu überprüfen. Das Recht hierzu besteht, sofern es in das Sicherungsabkommen aufgenommen worden ist.21 Die weiteren Einzelheiten der Inspektionsdurchführung bestimmen sich dann nach den allgemeinen Regeln. Zwar ist auch in § 48 INFCIRC/153 IAEO das Recht der Agentur vorgesehen, vom Staat bereitgestellte Anlagedaten durch Inspektionen nachzuprüfen, doch ist die Ausübung dieser Befugnis vom Einverständnis des Staates abhängig. Auch die Durchführung wird einverständlich von Staat und IAEO geregelt. Die allgemeinen Regelungen über die Inspektionsdurchführung 22 finden daher keine Anwendung.
21 So in Art. 15 (3.) des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237.
§
7
INFCIRC/153.
184
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
C. Unterstützende Maßnahmen (Containment & Surveillance)
Im Normalfall führt die IAEO in den Staaten lediglich Routine-Inspektionen innerhalb gewisser Zeitabstände durch. Daher stellt sich das Problem der Verhinderung von Abzweigungen in der Zwischenzeit. Dies geschieht heute durch Maßnahmen der räumliche Eingrenzung und durch Beobachtungsinstrumente (Containment and surveillance, C & S).23 Dabei handelt es sich um ein Konzept, das bei der Gestaltung der Sicherungsmaßnahmen für den NV-Vertrag entwickelt wurde, um die Routine-Inspektionen zu beschränken. Durch räumliche Abgrenzungsmaßnahmen und Versiegelungen soll gewährleistet werden, daß zwischen Inspektionen kein Nuklearmaterial unbeobachtet aus einer Materialbilanzzone entfernt wird. In vielen Anlagen läßt sich die Abschirmung des Nuklearmaterials für längere Zeit - die Zeit zwischen den Inspektionen - nicht realisieren. Hier können lediglich Beobachtungsmaßnahmen wie etwa automatische Kameras oder Meßinstrumente installiert werden.24 Je wirksamer C & S-Maßnahmen sind, desto eher kann auf häufige und umfangreiche Inspektionen verzichtet werden. Doch während in älteren Kernreaktoren, in denen lediglich in regelmäßigen längeren Zeitabständen die Brennstäbe ausgetauscht wurden, solche Maßnahmen leicht anzuwenden waren, werfen heute Reaktoren, die kontinuierlich mit Brennstäben be- und entladen werden (on-fuelled reactors), erhebliche Probleme auf. Noch größere Probleme bereiten die Anlagen, in denen Kernmaterial in loser Form verarbeitet wird. 25 Heute enthalten auch Sicherungsabkommen, die auf INFCIRC/66/Rev.2 basieren, Festlegungen über C & S-Maßnahmen.26
D. Inspektionseinleitung
I. Modell des Art XII.A.6 IAEO-Statut Im Gegensatz zu den existierenden Sicherungsabkommen, die das Recht der Agentur zur Einleitung von Inspektionen vielfach beschränken, sieht
23
Siehe § 29 INFCIRC/153. Vgl. IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 248-261. Grossman , Supervision Within the International Atomic Energy Agency, in: van Dijk (ed.), Supervisory Mechanisms in International Economic Organisations (1984), S. 489 (508). 25 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 54 - 56. 26 Scheinman , The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 139. 24
I). Inspektionseinleituiig
185
Art. XII.A.6 IAEO-Statut noch die Vereinbarung des Rechts der Agentur zur jederzeitigen Inspektionsdurchführung vor. Beschränkt wird das der Agentur dadurch eröffnete Ermessen allein dadurch, daß die Inspektionen "notwendig" für die Gewinnung der Entscheidung darüber, ob ein Staat den von ihm übernommenen Verpflichtungen nachkommt, sein müssen. Bei dieser Regelung handelt es sich jedoch lediglich um ein Modell, dessen Vorgaben nur insoweit in Sicherungsabkommen aufzunehmen sind als sie erforderlich sind.27 Bei der Gestaltung der Sicherungssysteme wurde das Recht des jederzeitigen Zugangs nur in sehr begrenztem Ausmaß für erforderlich gehalten. Das Entscheidungsrecht der IAEO über die Notwendigkeit von Inspektionen wird, wie nachfolgend dargestellt, auf unterschiedliche Weise eingeschränkt und stellt nicht die Regel, sondern die Ausnahme28 dar.
II. Initiative der IAEO und Zustimmung des überwachten Staates Hängt die Ausübung eines Inspektionsrechts von dem vorherigen Einverständnis des Staates im Einzelfall ab, bestehen die geringsten Einschränkungen der staatlichen Souveränität. Eine solche Regelung wurde getroffen für Inspektionen, die gem. § 48 INFCIRC/153 der Überprüfung von Anlageninformationen dienen. Die Berechtigung der Agentur zur Entsendung von Inspektoren wird hier durch den Vorbehalt "in co-operation with the State" von dem Einverständnis des überwachten Staates abhängig gemacht. Grundsätzlich ist auch für Sonderinspektionen nach INFCIRC/153 das Einverständnis des betreffenden Staates erforderlich, es kann jedoch durch einen Beschluß des Gouverneursrates ersetzt werden.29
III. Antrag des überwachten Staates Für die Durchführung von Inspektionen besteht auch ein Bedürfnis, wenn ein Staat verdächtigt wird, gegen seine Verpflichtungen aus dem Sicherungsabkommen verstoßen zu haben. So gibt Art. 16 b) (ii) des Vertrages von Tlatelolco Staaten, die verdächtigt werden, den Vertrag verletzt zu haben, das Recht, die Durchführung besonderer Inspektionen zu verlangen.
27 28 29
Art. XII.A. Satz 1 IAEO-Statut. Siehe unten Ε. VI. §§ 18, 77 INFCIRC/153.
186
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
Ein Interesse an solchen Inspektionen kann ein Staat inbesondere dann haben, wenn die Glaubwürdigkeit von Routine-Inspektionen zunehmend bezweifelt wird 30 und ihm aufgrund der Verdachtsmomente politische oder wirtschaftliche Nachteile drohen. Andrerseits ist zu beachten, daß Staaten solche "Inspektionen auf Einladung" auch mißbrauchen können. Derartige Einladungen werden nur ergehen, wenn ein Staat sicher ist, daß die Inspektionen nicht zum Nachweis von Rechtsverstößen führen werden. Da sich ein Staat durch entsprechende Geheimhaltungsmaßnahmen auf solche Inspektionen vorbereiten kann, können sie die Glaubwürdigkeit des Inspektionssystems untergraben, falls sich später herausstellen sollte, daß es dem Staat gelungen ist, verbotene Tatbestände geheimzuhalten. Das Recht der Staaten, besondere Inspektionen der IAEO selbst verlangen zu können, ist in den Sicherungsabkommen nicht ausdrücklich bestimmt. Doch können Sonderinspektionen31 auch auf Initiative der überwachten Staaten eigeleitet werden. Neben der Möglichkeit der Erstattung eines Sonderberichts kann der Staat durch die Einleitung von Konsultationen mit der IAEO auf die Durchführung von Sonderinspektionen hinwirken, wenn Umstände vorliegen, die die Verifikation der Nichtabzweigung durch die IAEO erschweren könnten. Jedoch besteht kein Anspruch auf Durchführung einer solchen Inspektion, sondern die Entscheidung liegt im Ermessen der IAEO, das allerdings unter Beachtung der dem Verfahren zugrundeliegenden Prinzipien, insbesondere des Kooperationsgrundsatzes32, auszuüben ist.
IV. Besondere Mitteilungen des Staates Sofern die Berechtigung der Agentur zur Durchführung von Inspektionen davon abhängt, ob der Staat ihr bestimmte Mitteilungen macht, kann ein Staat die Verwirklichung von Inspektionen durch das Unterlassen dieser Mitteilungen abwenden. Bei den Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/153 können die staatlichen Anfangsberichte und die Notifikationen von Ex- und Importen von Kernmaterial Ad-hoc Inspektionen auslösen.33 Die IAEO kann nicht von sich aus entscheiden, etwa einen Import von Nuklearmaterial, von dem sie etwa durch die komplementäre Notifikation des Exportstaates Kenntnis erhalten hat, durch
30 31 32 33
Vgl. Hasselmann, Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (296). §§ 73, 77 INFCIRC/153, § 53 INFCIRC/66/Rev.2. Siehe oben 4. Kapitel E. III. 3. § 71 a) und c) INFCIRC/153.
I). Inspektionseinleitung
187
Ad-hoc Inspektionen zu überprüfen, sondern das Recht zur Inspektionsdurchführung hängt von der Notifikation des Imports durch den Staat ab. Durch die Erstattung von Sonderberichten gemäß §§68 und 97 INFCIRC/153 erhält die IAEO das Recht zur Durchführung einer Sonderinspektion im Sinne von § 73 a) INFCIRC/153.
V. Kontingentierung des Initiativrechtes der IAEO
1. Allgemeines Bei der wichtigsten Inspektionsaktivität der IAEO, den Routine-Inspektionen wird durch quantitative Obergrenzen ein Ausgleich zwischen dem Interesse der IAEO an möglichst ungehinderten Inspektionsrechten und dem staatlichen Interesse an möglichst wenigen Inspektionen vorgenommen. In den Sicherungsabkommen werden quantitative Obergrenzen festgelegt und Kriterien vorgegeben, nach denen die IAEO dieses Kontingent auszuschöpfen hat. Hierbei unterscheiden sich die beiden Sicherungssysteme erheblich.
2. INFCIRC/66/Rev.2
a) Höchstwerte für einzelne Anlagen In den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 werden für einzelne Nuklearanlagen Höchstwerte für Routine-Inspektionen festgelegt, die sich an der Menge des aus diesen Anlagen abzweigbaren Nuklearmaterials orientieren.34 Die Höchstwerte werden bei Reaktoren nach der Menge des maximal enthaltenen Nuklearmaterials bemessen.35 Solange nicht mehr als ein effektives Kilogramm Nuklearmaterial jährlich durchgesetzt wird, könnnen keine RoutineInspektionen durchgeführt werden. Bei Mengen zwischen einem und 60 effektiven Kilogramm Nuklearmaterial können zwischen einer und zwölf Routine-Inspektionen durchgeführt werden. Wird die Menge von 60 effektiven
34 Szasz, The Law of International Atomic Energy Agency Safeguards, RBDI 1967, S. 196 (223). 35 Vgl. hierzu Scheinman, The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 135.
188
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
Kilogramm überschritten, hat die Agentur jederzeit Zugangsrechte.36 In versiegelten Lagereinrichtungen für Ausgangsmaterial kann jährlich eine Routine-Inspektion vorgenommen werden.37 Dies gilt auch für Nuklearmaterial, das sich nicht in Reaktoren befindet, sofern die Menge von fünf effektiven Kilogramm nicht überschritten wird. 38 Besondere Regelungen wurden für Wiederaufarbeitungs- und Konversionsanlagen getroffen. Auch hier richtet sich das Inspektionsrecht der IAEO nach dem jährlichen Durchsatz von Nuklearmaterial. Sofern dieser fünf Kilogramm nicht überschreitet, dürfen innerhalb eines Jahres zwei Routine-Inspektionen durchgeführt werden. Anderenfalls hat die Agentur jederzeit das Recht zur Inspektion.39
b) Kriterien für die Einzelfallentscheidung der IAEO Die in den Sicherungsabkommen festgelegten Inspektionsfrequenzen stellen lediglich zulässige Höchstwerte für die einzelnen Anlagen dar. Bei der aktuellen Inspektionsfestlegung soll sich die Agentur am Minimalprinzip orientieren. Es sollen nur die für die effektive Durchführung der Sicherungsmaßnahmen unbedingt erforderlichen Inspektionen durchgeführt werden.40 Hierbei handelt es sich um eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.41 Besondere Kriterien werden für die Wahrnehmung der Rechte zur Inspektion von Reaktoren vorgegeben. Sie sollen sich an der Natur des Reaktors und des verwendeten oder produzierten Kernmaterials orientieren. Weiterhin soll berücksichtigt werden, ob der Staat über Wiederaufarbeitungsanlagen verfügt. 42 Anders als bei der Bemessung der Höchstwerte für die Routine-Inspektionen sollen hier somit auch Besonderheiten des Nuklearkreislaufs in einem Staat beachtet werden. Der enge, anlagenbezogene Ansatz wird somit nicht vollständig durchgehalten.
36 § 57 INFCIRC/66/Rev.2. Dies gilt leicht modifiziert auch für Forschungseinrichtungen: § 60 INFCIRC/66/Rev.2. 37 § 64 INFCIRC/66/Rev.2. 38 § 68 INFCIRC/66/Rev.2. 39 INFCIRC/66/Rev.2, Annex I § 3; Annex II § 3. 40 § 47 INFCIRC/66/Rev.2. 41 Siehe oben 4. Kapitel E. III. 8. 42
§ 58 INFCIRC/66/Rev.2.
I). Inspektionseinleitung
189
c) Anfangsinspektionen von Hauptkernanlagen In § 51 INFCIRC/66/Rev.2 ist das Recht der IAEO vorgesehen, eine Anfangsinspektion durchzuführen, um nachzuprüfen, ob die Anlage in Übereinstimmung mit der von der IAEO überprüften Auslegung errichtet worden ist.
3. INFCIRC/153 a) Höchstwerte für Kategorien von Anlagen Bemessen wird die maximale Inspektionsintensität nach der Einheit "manyear of inspection".43 Ein Mann-Jahr besteht aus 300 Mann-Tagen, d.h. Tagen, an denen ein Inspektor acht Stunden Zugang zu einer Einrichtung hat. Die Inspektionsintensität wird nicht für einzelne Anlagen, sondern für Kategorien von Einrichtungen festgelegt. 44 Wie auch bei INFCIRC/66/Rev.2 erfolgt die Festlegung der Höchstwerte für Routine-Inspektionen vor allem anhand der sich in einer Anlage befindlichen oder jährlich durchgesetzten Menge Nuklearmaterials.45 Sofern der Inhalt oder jährliche Durchsatz einer Anlage fünf effektive Kilogramm nicht überschreitet, soll lediglich eine Inspektion pro Jahr durchgeführt werden. Dies entspricht im Falle von Reaktoren der in INFCIRC/66/Rev.2 festgelegten Höchstgrenze, führt dagegen bei Wiederaufarbeitungs- und Konversionsanlagen zu einer Reduzierung von zwei auf eine jährlich mögliche Routine-Inspektion. Wird die Grenze von fünf effektiven Kilogramm überschritten, erhöht sich der Umfang der von der IAEO durchführbaren Inspektionen. Dabei wird zwischen Reaktoren und versiegelten Lagern einerseits und anderen Einrichtungen andrerseits unterschieden. Die erstgenannte Gruppe wird als weniger proliferationsgefährdet erachtet, so daß ein Sechstel eines Mann-Jahres, d.h. 50 Inspektionstage, pro Anlage als Höchstmenge in einem Staat festgelegt wird. 46 Bei den übrigen Anlagen, in denen mehr als fünf effektive Kilogramm
43
§ 109 INFCIRC/153. Rainer!Sanders, The IAEA's NPT Safeguards, National Control and International Safeguards, in: SIPRI, Nuclear Proliferation Problems (1974), S. 133 (139). 45 § 79 INFCIRC/153. 46 § 80 (a) INFCIRC/153. 44
190
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
verarbeitet werden, bestimmt sich das Höchstmaß der möglichen RoutineInspektionen danach, ob Plutonium oder zu mehr als 5% angereichertes Uran verarbeitet wird. Falls dies der Fidi ist, hängt es von dem jährlichen Durchsatz des betreffenden Nuklearmaterials und seinem Anreicherungsgrad ab, beträgt jedoch mindestens 1,5 Mann-Jahre, d.h. 450 Inspektionstage.47 Wird weder Plutonium noch zu mehr als 5% angereichertes Uran verarbeitet, erfolgt die Ermittlung des höchstzulässigen Inspektionsvolumens ausgehend von einem Minimum von einem Drittel eines Mann-Jahres, zu dem der mit 0,4 multiplizierte Bestand oder jährliche Durchsatz von Nuklearmaterial addiert wird. Daraus ergibt sich ein Minimum von 120 Tagen, die für Routine-Inspektionen zur Verfügung stehen. Jederzeitiger Zugang von IAEO-Inspektoren, so wie er unter INFCIRC/66/Rev.2 für bestimmte Anlagentypen vorgesehen ist, wird durch INFCIRC/153 nicht mehr gewährt. Der Berechnungsmodus anhand von MannJahren begrenzt zudem nicht nur die Möglichkeit zur Festsetzung einer Inspektion, sondern auch deren Dauer. Die aufgrund der soeben dargestellten Regelungen ermittelten Höchstwerte können durch eine Vereinbarung zwischen dem Staat und der Agentur geändert werden, sofern der Gouverneursrat einer solchen Modifikation zustimmt.48
b) Kriterien für die Einzelfallentscheidung der IAEO
aa) Allgemeines Aus den Festlegungen in den Sicherungsabkommen läßt sich für jede Anlage in einem überwachten Staat das der IAEO zur Verfügung stehende Kontingent an Routine-Inspektionen ermitteln. Die Summe der der Agentur rechtlich möglichen Routine-Inspektionen übersteigt die Zahl der aufgrund ihrer Ressourcen tatsächlich realisierbaren Inspektionen bei weitem.49 Zudem ist die Agentur gem. § 78 INFCIRC/153 verpflichtet, sich auf das Minimum der für die wirksame Anwendung der Sicherungsmaßnahmen erforderlichen Routine-Inspektionen zu beschränken.50 Das der IAEO eingeräumte Ermessen
47 4g 4Q 50
§ 80 b) INFCIRC/153. § 80 INFCIRC/153. Vgl. Hasselmann , Do we need new IAEA Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (284). Dies entspricht § 47 INFCIRC/66/Rev.2.
I). Inspektionseinleitung
191
bei der Verteilung ihrer Inspektionsressourcen auf einzelne Staaten und Anlagen ist unter Beachtung der nachfolgend dargestellten Kriterien auszuüben.
bb) Eigenschaften des Nuklearmaterials und der Nuklearanlagen Die Verwendungsfähigkeit von Nuklearmaterial für den Bau von Kernsprengkörpern hängt von seiner chemischen Zusammensetzung und seinem Anreicherungsgrad ab. Wenn sich Nuklearmaterial in Form von Brennstäben in einem Reaktor befindet, ist es einfacher, durch Inspektionen nachzuprüfen, ob es sich noch dort befindet, als wenn es sich in loser Form in einer Wiederaufarbeitungs- oder Anreicherungsanlage befindet. Letztere stellen die Punkte des Nuklearkreislaufs dar, an denen Abzweigungen am wahrscheinlichsten sind.51 Der Form, der chemischen Zusammensetzung, dem Anreicherungsgrad und der Zugänglichkeit des Nuklearmaterials sind daher Rechnung zu tragen.52 Die Auslegung einer Nuklearanlage kann die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen erleichtern oder erschweren. Zwar sieht INFCIRC/153 anders als noch Art. XII.Α. 1 IAEO-Statut nicht mehr vor, daß die Auslegung von Anlagen durch die IAEO genehmigt werden muß, doch kann diese sicherungsmaßnahmenfreundliche oder -feindliche Konstruktionsweisen bei der Bemessung von Sicherungsmaßnahmen berücksichtigen.53
cc) Eigenschaften des nuklearen Brennstoffkreislaufs eines Staates Anders als bei den Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 ist der gesamte Nuklearkreislauf eines Staates Sicherungsmaßnahmen unterworfen. Die Proliferationsträchtigkeit eines Nuklearkreislaufs steigt mit der Zahl der Anlagen und dem Grade seiner Vervollständigung. Dies gilt insbesondere dann, wenn Anreicherungs- und Wiederaufarbeitungsanlagen existieren. Die IAEO soll daher die Charakteristik des nationalen Nuklearkreislaufs bei der Bemessung von Routine-Inspektionen berücksichtigen.54
51 52 53 54
Fischer § 81 a) § 81 c) § 81 c)
, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 51. INFCIRC/153. INFCIRC/153. INFCIRC/153.
192
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
In der Praxis wird jedoch dieses Kriterium kaum berücksichtigt. Die IAEO legt die tatsächlich durchzuführenden Inspektionen einheitlich für bestimmte Anlagentypen fest, ohne zu berücksichtigen, wie der Nuklearkreislauf eines Sumtes ausgestaltet ist.55
dd) Entwicklung der Überwachungstechniken Die Verpflichtung der IAEO zur Nutzung verbesserter technischer Möglichkeiten findet sich schon im allgemeinen Teil von INFCIRC/153.56 Sofern neue technische Möglichkeiten die Reduzierung von Routine-Inspektionen ermöglichen, soll die Agentur solche Techniken nutzen.57
ee) Internationale Verflechtung Um so mehr der Nuklearkreislauf eines Staates international verflochten ist, um so mehr kann die IAEO die aus anderen Staaten stammenden Informationen über Ex- und Importe von Nuklearmaterial und die Ergebnisse der dort und im überwachten Staat durchgeführten Ad-hoc Inspektionen zur Nachprüfung der Berichte verwenden. Die damit möglichen Erleichterungen sollen auch bei der Bemessung von Routine-Inspektionen berücksichtigt werden.58
ff) Effektivität der nationalen Kontrollen Die bislang dargestellten Kriterien können als objektiv-technisch bezeichnet werden, während es sich bei den in § 81 b) INFCIRC/153 geregelten um subjektiv-politische Kriterien handelt. Die Staaten werden durch § 32 INFCIRC/153 zur Einrichtung eines nationalen Kontrollsystems verpflichtet. 59 Dessen Effektivität und dabei insbesondere die funktionale Trennung von Betreibern und Kontrolleuren soll gemäß § 81 b) INFCIRC/153 bei der Bemessung von Routine-Inspektionen
55 56 57 58 59
Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 38. § 6 INFCIRC/153. Siehe oben 4. Kapitel E. III. 11. § 81 e) INFCIRC/153. § 81 d) INFCIRC/66/Rev.2. Siehe oben 6. Kapitel C.
I). Inspektionseinleitung
193
berücksichtigt werden.60 Je mehr das nationale Kontrollsystem den Vorgaben des Sicherungsabkommens entspricht, desto stärker kann die Häufigkeit von Routine-Inspektionen beschränkt werden.61 Umstritten war, ob die Effektivität der nationalen Kontrollen als technische oder als politische Wirksamkeit zu verstehen ist. Von japanischer Seite wurde argumentiert, daß es hierbei allein um die technische Effektivität gehe,62 während die EURATOM-Staaten vertraten, daß auch politische Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien.63 Dahinter stand das Bestreben Japans, aufgrund seines ausgefeilten nationalen Kontrollsystems eine Inspektionsreduzierung zu erhalten, während die EURATOM-Staaten sich auf den supranationalen Charakter von EURATOM beriefen, um ebenfalls eine Reduzierung der Routine-Inspektionen durch die IAEO zu fordern. Bei § 81 b) INFCIRC/153 handelt es sich um einen politischen Kompromiß, der in einer technischen Klausel versteckt wurde, um eine differenzierte Behandlung der EURATOM-Länder und Japans zu ermöglichen. Unter Anwendung dieses Kriteriums werden dort weniger Inspektionen als in anderen Staaten durchgeführt. 64 So ist in Art. 11 des Protokolls zum EURATOM-Verifikationsabkommen eine Reduktion der Anzahl der IAEOInspektionen entsprechend den von EURATOM durchgeführten Inspektionen vereinbart.
gg) Kooperation im Verfahren Auch die Kooperation der überwachten Staaten im Verfahren kann von der IAEO bei der Inspektionsbemessung berücksichtigt werden. So ist in § 81 b) INFCIRC/153 geregelt, daß die Pünktlichkeit und Richtigkeit der staatlicherseits zu liefernden Berichte in Rechnung zu stellen ist.
60 Siehe hierzu eingehend Rainerl Sanders, The IAEA's NPT Safeguards, National Control and International Safeguards, SIPRI, Nuclear Proliferation Problems (1974), S. 133-141. 61 Scheinman, The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 158. 62 Imai , Nuclear Safeguards (1972), S. 14. 03 Vgl. Scheinman, The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 160. 64 Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 38.
13 Lohmann
194
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
hh) Entdeckungsziele Aus der in § 28 INFCIRC/153 normierten Funktion der Sicherungsmaßnahmen, die rechtzeitige Entdeckung von Abzweigungen signifikanter Mengen von Nuklearmaterial zu ermöglichen, leitet sich ein wichtiges Kriterium für die konkrete Inspektionsbemessung ab. Anhand von Abzweigungsszenarien hat die IAEO zeitliche Entdeckungsziele und signifikante Mengen berechnet. Diese werden bei der Bemessung der Inspektionshäufigkeit für einzelne Anlagen berücksichtigt.65 Kritiker werfen der IAEO vor, daß es sich bei diesen Entdeckungszielen um Anforderungen handele, die bei großen Anlagen nicht eingehalten könnten. Von der IAEO selbst werden diese Entdeckungsziele als langfristige Zielsetzungen angesehen, die eine vernünftige Ressourcenverteilung ermöglichen sollen.66 Wie oben gezeigt, ist entgegen dem in den § § 2 8 - 3 0 INFCIRC/153 vorgegebenen Modell die Bedeutung der signifikanten Mengen gegenüber den anhand der Abzweigungsszenarien entwickelten Diskrepanzen und Anomalien zurückgetreten.67
ii) Vereinbarungen Auch wenn die IAEO die dargestellten Kriterien bei der Inspektionsbemessung zu berücksichtigen hat, so verbleiben doch noch erhebliche Spielräume. Diese werden in der Praxis durch Vereinbarungen in den Ergänzungsabkommen über die in einzelnen Anlagen durchzuführenden Routine-Inspektionen unter normalen Umständen weiter eingeschränkt.68 In den Ergänzungsvereinbarungen mit EURATOM werden "einvernehmlich festgelegte Schätzungen des tatsächlichen Inspektionsaufwandes" bestimmt, die den "tatsächlichen maximalen Inspektionsaufwand" darstellen.69
jj) Beanstandungsrecht des Staates Sofern ein Staat der Ansicht ist, daß die IAEO sich bei den Inspektionen in unangemessener Weise auf bestimmte Einrichtungen konzentriert, kann er
65
IAEA, IAEA Safeguards: Glossary (1987), Nr. 106. Scheinman , The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 166. 67 Siehe oben 5. Kapitel I). III. 3. 68 Siehe Rainer I Sanders, The IAEA's NPT-Safeguards, National Control and International Safeguards, SIRPI, Nuclear Proliferation Problems (1974), S. 133 (139); Scheinman, The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 162. 60 Art. 13 Protokoll zum EURATOM-Verifikationsabkommen.
I). Inspektionseinleituiig
195
in Konsultationen mit der IAEO eintreten.70 Hierdurch werden einzelne Unternehmen in den Staaten davor geschützt, in wettbewerbsverzerrender Weise durch IAEO-Inspektionen beeinträchtigt zu werden. kk) Probleme Durch Sicherungsmaßnahmen sollen Abzweigungen signifikanter Mengen Kernmaterials rechtzeitig entdeckt werden können.71 Nach diesem Erfordernis hat die IAEO ihre Bemessung von Routine-Inspektionen auszurichten. Die IAEO geht davon aus, daß zur Herstellung eines Kernsprengkörpers 8 Kg Plutonium oder Uran 233 oder 25 Kg Uran 235, das zu mehr als 90 % angereichert ist, erforderlich sind.72 Unter Berücksichtigung dieser Werte hat sich die Praxis herausgebildet, daß Nuklearanlagen durchschnittlich zweimal im Jahr von IAEO-Inspektoren besucht werden. Problematisch an den Festlegungen der signifikanten Mengen ist, daß damit der Fall einer Entnahme kleiner Mengen von Nuklearmaterial an verschiedenen Stellen nicht erfaßt wird. 73 Angesichts neuerer technischer Entwicklungen sind die Annahmen der IAEO über die signifikanten Mengen vermutlich überholt. Sofern die Routine-Inspektionen weiterhin das Rückgrat der Sicherungsmaßnahmen bilden sollen, ist daher eine Erhöhung der Inspektionsfrequenz erforderlich. Da die in den Sicherungsabkommen vereinbarten Höchstgrenzen bei weitem nicht ausgeschöpft werden, stellen diese kein Hindernis hierfür dar. Etwas anderes könnte sich allerdings aus Regelungen in den Ergänzungsabkommen ergeben. Das größte Hindernis für die Erhöhung der Frequenz von Routine-Inspektionen dürfte sich allerdings aus den begrenzten Ressourcen der IAEO ergeben. Das Budget der Agentur ist schon seit einigen Jahren durch "zero-real-growth" gekennzeichnet und es ist keine Bereitschaft der Staaten zu erkennen, es weiter zu erhöhen. Eine allgemeine Erhöhung der Anzahl der von der IAEO durchgeführten Inspektionen ist somit zwar rechtlich möglich, jedoch nicht praktisch durchführbar. Wenn die allgemeine Erhöhung der Zahl der durchgeführten RoutineInspektionen nicht möglich ist, so stellt sich die Frage, ob nicht durch eine
70
§ 82 INFCIRC/153. § 28 INFCIRC/153. 72 IAEA, IAEA Safeguards: Glossary (1987), Nr. 104. 73 Siehe dazu von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kemsprengkörper (1983), S. 95. 71
13*
196
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
Veränderung des Verteilungsmodus die Effektivität der Sicherungsmaßnahmen erhöht werden kann. Aufgrund der oben dargestellten Kriterien für die Bemessung der RoutineInspektionen werden die überaus meisten Routine-Inspektionen in Deutschland, Japan und Kanada durchgeführt. Neben den Kernwaffenstaaten, deren nukleare Aktivitäten nur eingeschränkt Sicherungsmaßnahmen unterliegen, verfügen diese Staaten über die quantitativ bedeutendste Nuklearindustrie. Die primär technischen Kriterien bewirken selbst unter Berücksichtigung des auf § 81 b) INFCIRC/153 basierenden Inspektionsdiscounts für Japan und die EURATOMStaaten, daß auf diese Staaten der größte Teil der Routine-Inspektionen entfällt. Angesichts der relativen politischen Stabilität dieser Staaten und des für sie kaum bestehenden Anreizes, sich Kernwaffen zu verschaffen, 74 stellt sich die Frage nach Möglichkeiten der Modifikation dieser Praxis. Die IAEO ist zur Gleichbehandlung der Staaten verpflichtet. 75 Differenzierungen zwischen den Staaten sind ihr nur in dem Ausmaß erlaubt, indem sie hierzu ermächtigt ist. Die in § 81 INFCIRC/153 angegebenen Kriterien erlauben aber keine Differenzierung danach, ob es für einen Staat Anreize gibt, sich Kernwaffen zu verschaffen. Die Gleichbehandlung der Staaten durch die IAEO im Rahmen der Routine-Inspektionen stellt eine wichtige Akzeptanzbedingung für die Sicherungsmaßnahmen dar. Würde dies Prinzip aufgegeben, würde die Häufung von Routine-Inspektionen in bestimmten Staaten das Vorliegen von Verdachtsmomenten implizieren und so die Akzeptanz des Verfahrens überhaupt beeinträchtigen. Gegen eine Einbeziehung weiterer politischer Kriterien bei der Bemessung der Routine-Inspektionen sprechen auch praktische Überlegungen. Zunächst ist fraglich, ob Routine-Inspektionen angesichts der für die Inspektoren bestehenden Beschränkungen76 überhaupt das geeignete Instrument sind, die relevanten Vorgänge aufzudecken. Durch sie können allenfalls Abzweigungen von schon Sicherungsmaßnahmen unterstelltem Material entdeckt werden. Neuere Entwicklungen sprechen jedoch dagegen, daß ein Staat, der sich Kernwaffen verschaffen will, diesen Weg beschreitet.77 Wahrscheinlicher ist vielmehr der Aufbau separater Anlagen zur Herstellung des für Kernspreng-
74 Vgl. Grümm, Potential Limitations of International Safeguards, IAEA Bulletin 1982 Supp., S. 42 (43). 75 Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 42. 76 Siehe dazu eingehend unten E. 77 Vgl. zu den Ergebnissen der Inspektionstätigkeit der IAEO im Irak 10. Kapitel C. III. 3.
I). Inspektionseinleitung
197
körper geeigneten Materials.78 Derartige Einrichtungen können aber mit Routine-Inspektionen ohnehin nicht entdeckt werden. Den Effektivitätsminderungen, die damit verbunden sind, daß die Agentur nicht nach politischen Kriterien differenzieren darf, könnte jedoch in gewissem Umfang durch eine verstärkte Anwendung des Zufallsprinzips ("Randomisierung") begegnet werden. Die Anwendung von Stichproben ist schon in § 81 e) INFCIRC/153 vorgesehen. Auch im Konsenstext der 4. Überprüfungskonferenz des NV-Vertrages wird die IAEO aufgefordert, dieses Prinzip stärker zu berücksichtigen.79
VI. Initiative der Agentur
1. Allgemeines Bei den bislang dargestellten Gestaltungen hängt das Recht der Agentur zur Inspektionseinleitung vom Einverständnis des überwachten Staates im Einzelfall, einer seitens des Staates erfolgten Mitteilung oder der Nichtausschöpfung eines zuvor in Sicherungsabkommen und Ergänzungsvereinbarung festgelegten Kontingentes ab. Anders sieht es dagegen aus, wenn der Agentur das Recht eingeräumt wird, über die Inspektionsdurchführung selbst zu entscheiden ohne an die Zustimmung des Staates oder quantitative Obergrenzen gebunden zu sein. Das Ausmaß des staatlichen Souveränitätsverzichts bestimmt sich dann nach dem der IAEO durch die entsprechende Regelung eingeräumten Ermessen.
2. Inspektion großer Anlagen nach INFCIRC/66/Rev.2 Die Darstellung der Festlegung der Inspektionskontingente nach INFCIRC/66/Rev.2 hat gezeigt, daß aufgrund der danach konzipierten Sicherungsabkommen die IAEO jederzeit Routine-Inspektionen in größeren
78
Vgl. Goldblat, The NPT: Status of Implementation and the Threatening Developments, in: Fry/Keatinge, Rotblat (eds.), Nuclear Non-Proliferation and the NPT (1990), S. 2 ff.; Kokaski, Laser Isotope Separation: Technological Developments and Political Implications, SIPRI Yearbook 1990, S. 587 ff.. Siehe auch die einzelnen Darstellungen bei Pilat/Penäley (eds.), Beyond 1995: The Future of the NPT Régime (1990) und Simpson (ed.), Nuclear Proliferation: An Agenda for the 1990's (1987). 79 NPT/CONF.IV/DC/1 Add.3 (A) vom 13.9.1990.
198
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
Nuklearanlagen durchführen kann.80 Sie ist hierbei lediglich durch das in § 45 INFCIRC/66/Rev.2 bestimmte Minimalprinzip beschränkt. Damit besteht im Gegensatz zu den NV-Sicherungsmaßnahmen ein erheblich größerer Spielraum der Agentur bei der Festlegung von RoutineInspektionen. 3. Ad hoc-Inspektionen nach § 71 b) INFCIRC/153 Die für die Routine-Inspektionen geltenden Beschränkungen kommen erst dann zum tragen, wenn zwischen der Agentur und dem Staat die erforderlichen Ergänzungsvereinbarungen geschlossen worden sind. Solange dies nicht erfolgt ist, bestimmt sich nach der Abgabe der staatlichen Anfangsdeklarationen im Sinne von § 62 INFCIRC/153 das Recht der IAEO zur Inspektionsdurchführung nach § 71 b) INFCIRC/153. Beschränkungen des hiernach eröffneten Ermessens ergeben sich lediglich aus den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen.81
4. Sonderinspektionen
nach § 53 INFCIRC/66/Rev.2
Die Befugnis nach INFCIRC/66/Rev.2 zur Durchführung von Sonderinspektionen82 geht über §§ 73, 77 INFCIRC/153 hinaus. Dies betrifft zunächst das Recht des Sekretariats, über ihre Einleitung zu entscheiden. Es ist weder die Zustimmung des betroffenen Staates noch eine Anordnung des Gouverneursrates erforderlich. Dieser ist lediglich nach Durchführung der Inspektion über die Gründe und Resultate zu informieren. Da jedoch die Zugangsrechte der Inspektoren nach INFCIRC/66/Rev.2 nicht den für die NV-Sicherungsmaßnahmen geltenden Beschränkungen unterliegen, dürfte ein Bedürfnis für diese Sonderinspektionen nur selten entstehen.
80 81
Siehe oben Ι). V. 2. a).
Vgl. §§ 6, 7, 32 INFCIRC/153. Siehe oben 4. Kapitel E. § 53 INFCIRC/66/Rev.2: "The Agency may make special inspections if: (a) The study of a report indicates that such inspections are desirable; or (b) Any unforeseen circumstance requires immidiate action. The Board shall subsequently be informed of the reasons for and the results of such inspections." 82
I). Inspektionseinleitung
5. Sonderinspektionen
199
nach §§ 73 b), 77 INFCIRC/153
a) Allgemeines Ein besonders weites Ermessen wird der Agentur durch die Berechtigung zur Durchführung von Sonderinspektionen nach § 73 b) INFCIRC/153 eröffnet. Kompensiert wird dies durch das Erfordernis, daß diese Inspektionen nur entweder mit dem Einverständnis des betroffenen Staates oder aufgrund einer Anordnung des Gouverneursrates durchgeführt werden können.
b) Ausschöpfung der sonstigen Informationsmittel Das Recht der IAEO zur Durchführung von Sonderinspektionen besteht nur dann, wenn die "ordentlichen" Kompetenzen zur Erlangung der erforderlichen Informationen ausgeschöpft worden sind. Sonderinspektionen können somit nur subsidiär durchgeführt werden. Die IAEO verfügt über kein Wahlrecht, sondern sie muß die ihr vorliegenden Berichte und die Ergebnisse der Routine-Inspektionen ausgewertet haben bevor sie eine Sonderinspektion durchführen kann. Hierbei handelt es sich um eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips83 und des Kooperationsgrundsatzes.84
c) Anhörung des Staates Sonderinspektionen sollen gem. § 73 b) INFCIRC/153 nur durchgeführt werden, wenn auch von dem Staat gegebene Erläuterungen nicht zu einer Klärung führen. Der betroffene Staat ist somit vorher anzuhören. Von diesem Erfordernis wird nur dann abgewichen werden können, wenn hierdurch der Zweck der Inspektionen vereitelt würde.
d) Inadäquanz der vorliegenden Informationen zur Aufgabenerfüllung Sonderinspektionen können nur dann durchgeführt werden, wenn die IAEO der Auffassung ist, daß sie anhand der ihr vorliegenden Informationen ihre Aufgaben nach dem Sicherungsabkommen nicht erfüllen kann. Es kommt daher entscheidend darauf an, worin die Aufgabe der IAEO gesehen wird.
83 M
Siehe oben 4. Kapitel E. III. 8. Siehe oben 4. Kapitel E. III. 3.
200
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
aa) Feststellung einer signifikanten Materialbilanzdifferenz Die Aufgabe der IAEO besteht gem. § 2 INFCIRC/153 darin, nachzuprüfen, daß von dem Sicherungsmaßnahmen unterstellten Nuklearmaterial keines für die Herstellung von Kernsprengkörpern abgezweigt wird. Sofern die der IAEO vorliegenden Informationen es nicht zulassen, die Aussage mit der erforderlichen Gewißheit zu treffen, daß kein Nuklearmaterial abgezweigt wurde, kommt die Einleitung einer Sonderinspektion in Betracht. Dabei gehtes vor allem um Situationen, in denen signifikante Materialbilanzdifferenz festgestellt werden, für die es keine befriedigende Erklärungen gibt.85 Damit sollte an ein objektives quantitatives Kriterium, durch das subjektive Beurteilungsspielräume der IAEO und Nachweisprobleme ausgeschlossen werden,86 angeknüpft werden. Wie oben gezeigt, kann der Materialbilanzdifferenz heute nicht mehr die ihr ursprünglich zugedachte Schlüsselrolle für die Einleitung von Sonderinspektionen zukommen.87 Aus dem Verzicht auf das Erfordernis der Feststellung einer signifikanten Materialbilanzdifferenz folgt jedoch nicht, daß es der IAEO freistünde, die Inadäquanz der ihr vorliegenden Informationen anzunehmen. Die der IAEO vorliegenden Informationen dürften nur dann inadäaquat für die Feststellung der Nichtabzweigung sein, wenn ein durch das Vorliegen von Diskrepanzen oder Anomalien begründeter Verdacht für Abzweigungsvorgänge vorliegt.88
bb) Anhaltspunkte für die Nicht-Deklaration von Nuklearmaterial Es stellt sich die Frage, ob Sonderinspektionen durchgeführt werden können, sofern der IAEO tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, daß ein Staat seine Verpflichtung zur Mitteilung allen Nuklearmaterials nicht erfüllt hat. Als Informationsquelle kommen etwa Exportnotifikationen anderer Staaten in Betracht. Hierzu wird vertreten, daß Sonderinspektionen nur dann durchgeführt werden können, wenn Nuklearmaterial, das schon Sicherungsmaßnahmen
85
Von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 325. 86 Grossman , Supervision Within the International Atomic Energy Agency, in: van Dijk (ed.), Supervisory Mechanisms in International Economic Organisations (1984), S. 489 (502). 87 Siehe oben 5. Kapitel I). III. 3. 88 Vgl. auch Schleicher, Internationale Kontrolle. Kann die Spaltstoffkontrolle das Proliferationsrisiko verhindern?, in: Eisenbarth/Ehrenstein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 324 (328).
I). Inspektionseinleitung
201
unterstellt war, vennißt wird. 89 Die IAEO sei nicht berechtigt, nach nicht deklarierten Anlagen, in denen sich Nuklearmaterial befinden könnte, zu suchen.90 Diese Auffassung übersieht aber, daß gemäß § 73 b) INFCIRC/153 Sonderinspektionen von der IAEO durchgeführt werden können, sofern die ihr zur Verfügung stehenden Informationen nicht ausreichen, "to fulfil its responsibilities". Bestünde die Aufgabe der IAEO lediglich darin, zu verifizieren, daß das von den Staaten deklarierte Nuklearmaterial nicht abgezweigt wird, ließe es sich vertreten, Sonderinspektionen nur für den Fall zuzulassen, in dem bereits erfaßtes Nuklearmaterial vennißt wird. Gem. § 2 INFCIRC/153 ist die IAEO jedoch verpflichtet, sicherzustellen, "... that safeguards will be applied in accordance with the terms of the Agreement, on all source or special fissionable material in all peaceful nuclear activities ...".91 Folglich können Sonderinspektionen grundsätzlich auch dann durchgeführt werden, wenn die IAEO der Ansicht ist, daß die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen auf alles Nuklearmaterial in einem Staat nicht sichergestellt ist.92 Hierauf hat sich auch die überwiegende Zahl der Teilnehmer der letzen Überprüfungskonferenz des NV-Vertrages geeinigt.93
e) Verfahren Die Einleitung der Sonderinspektionen erfordert entweder das Einverständnis des betroffenen Staates oder einen Beschluß des Gouverneursrates. 94 Der Gouverneursrat darf die Durchführung von Sonderinspektionen nur dann anordnen, wenn ihm vom Generalsekretär unter Darlegung der der Agentur
w
Von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 325; Hasselmann, Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (281); von Preuschen , IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kemsprengkörper (1983), S. 101. 00 Von Baeckmann , Le Traité sur la non-proliferation (TNP) (1968), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 165 (171). 01 Vgl. auch den Hinweis bei ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 12. 92 Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (115); Schleicher , Internationale Kontrolle. Kann die Spaltstoffkontrolle das Proliferati on sri siko verhindern? in: Ei senbarth/Ehren stein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 324 (328). * NPT/CONF.IV/DC/1 Add.3 (1) vom 13.9.1990 * § 77 INFCIRC/153.
202
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
vorliegenden Verdachtsmomente hinreichend überzeugend dargelegt wird, daß die mit Sonderinspektionen verbundenen Rechte erforderlich sind.95 Dies ähnelt der in Art. 16 b) (i) des Vertrages von Tlatelolco bestimmten Verpflichtung des eine Verdachtsinspektion beantragenden Staates, die Gründe für seinen Antrag anzugeben. Auch das Beschwerdeverfahren des Vertrags von Rarotonga, das ähnliche Inspektionen auf Antrag von Vertragsparteien ermöglicht, sieht vor, daß der Antragsteller "an account of evidence of breach of obligations" vorlegen muß.96 In diesen Fällen werden gleichwohl höhere Anforderungen an die vom Antragsteller zu erfüllende Substantiierungspflicht gestellt werden müssen als im Falle der Sonderinspektionen nach §§ 73 b), 77 INFCIRC/153. Dies folgt schon aus der Tatsache, daß hier der Antrag von einem beteiligten Staat und nicht von einem zur Objektivität verpflichteten Sekretariat einer internationalen Organisation gestellt wird.
f) Praxis Bislang hat die Agentur von der Befugnis zur Durchführung von Sonderinspektionen keinen Gebrauch gemacht, da die Voraussetzungen umstritten waren. Die Sonderinspektionen unterscheiden sich erheblich von den sonstigen Inspektionsaktivitäten der IAEO. Sowohl Anlaß als auch Durchführungsmodus der anderen Inspektionstypen sind festgelegt, ein Ermessen der Agentur innerhalb des normativ festgelegten Rahmens besteht lediglich bezüglich einzelner Details. Durch § 73 b) INFCIRC/153 werden dagegen sowohl Einleitung als auch Durchführung von Sonderinspektionen weitgehend in das Ermessen der Agentur gestellt.97 Dies wird lediglich durch die vom Gouverneursrat ausgeübte politische Kontrolle kompensiert. Seit einiger Zeit wird nun verstärkt gefordert, diese Befugnis auch wahrzunehmen. Zunächst schlugen Großbritannien und Kanada den verstärkten Gebrauch dieser Kompetenzen vor,98 inzwischen hat sich auch die überwie-
95
Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (115); Schleicher, Internationale Kontrolle. Kann die Spaltstoffkontrolle das Proliferationsrisiko verhindern?, in: Eisenbarth/Ehrenstein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 324 (328). % Anhang 4, § 2. 97 Nach ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 13 hängt die Einleitung von den "particulars of each situation" ab. 98 Müller, Gescheiterte Prüfung. Der Vertrag zur Nichtverbreitung von Kernwaffen nach der Genfer Überprüfungskonferenz, Eu Arch 1990, S. 671 (676).
. Inspektionseinleitung
203
gende Zahl der Teilnehmer der letzten Überprüfungskonferenz des NVVertrages dafür ausgesprochen, die IAEO aufzufordern, bei Zweifelsfällen diese Kompetenz auszuüben." Da kaum davon auszugehen ist, daß ein Staat, der tatsächlich verbotene geheime Aktivitäten betreibt, für die stichhaltige Hinweise vorliegen, die den Gouverneursrat zu Anordnungen nach § 18 INFCIRC/153 veranlassen, IAEO Inspektoren noch ins Land lassen würde,100 liegt die Bedeutung der Ermächtigung zur Durchführung von Spezial-Inspektionen vermutlich weniger in ihrer tatsächlichen Durchführung, sondern in der Möglichkeit, aus Weigerungen des Staates nach § 19 INFCIRC/153 die Unmöglichkeit der Verifikation der Nichtabzweigung festzustellen und Sanktionen einzuleiten, zu denen die Information der Weltöffentlichkeit gehören kann.101
VII. Antrag eines anderen Staates Sicherungsmaßnahmen werden nicht im Interesse der IAEO selbst, sondern im Interesse der anderen Staaten durchgeführt. Es kommt nicht selten vor, daß Staaten Anschuldigungen gegen andere Staaten erheben, sie kämen ihren Verpflichtungen aus Sicherungsabkommen nicht nach und verfügten entweder über geheime Anlagen oder zweigten Nuklearmaterial aus Sicherungsmaßnahmen unterfallenden Anlagen für die Herstellung von Kernsprengkörpern ab. Die IAEO verfügt über das Know-how und die Inspektionsrechte, um die Richtigkeit solcher Verdachtsmomente nachzuprüfen. Gleichwohl sehen die Sicherungsabkommen nicht vor, daß die IAEO berechtigt ist, solche Anschuldigungen durch besondere Inspektionen zu überprüfen. Hierin liegt ein wichtiger Unterschied zu den den regionalen Kontrollsystemen aufgrund der Verträge von Tlatelolco und Rarotonga, die im Falle von Verdachtsmomenten von den Regionalorganisationen durchzuführende Sonderinspektionen auf Antrag des die Anschuldigung erhebenden Staates102 aber auch auf Antrag des verdächtigten Staates103 vorsehen.
w
NPT/CONF.IV/DC/l Add.3 (1) vom 13.9.1990. Vgl. Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (115). 101 Vgl. Preisinger, Die 4. Überpriifungskonferenz des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen: Verlauf, Ergebnisse, Bewertung, atomwirtschaft 1991, S. 23 (26). 102 Art. 16 b) (i) Vertrag von Tlatelolco, Anhang 4 Vertrag von Rarotonga. 103 Art. 16 b) (ii) Vertrag von Tlatelolco. 100
204
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
VIII. Weigerungsrechte der Staaten Fraglich ist, ob die Staaten berechtigt sind, unter bestimmten Umständen die Durchführung von Inspektionen zu verweigern. In Betracht kommen hier etwa militärische Auseinandersetzungen. So weigerte sich der Irak während des Krieges mit Iran zeitweise, IAEO-Inspektionen zuzulassen, und begründete dieses damit, es bestehe die Gefahr eines iranischen Angriffs auf die Nuklearanlagen.104 Die einseitige staatliche Verweigerung des Zugangs von Inspektoren ist jedoch nicht zulässig. Eine Einschränkung der Inspektionsrechte kann nur mit dem Einverständnis der Agentur erfolgen. Dies bestätigt die Regelung des § 76 d) INFCIRC/153, die als Sonderregelung bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eine einvernehmliche Beschränkung der Zugangsrechte der IAEO ermöglicht. Von solchen Abmachungen hat das Sekretariat den Gouvemeursrat zu unterrichten.
E. Inspektionsdurchführung
L Örtliche Beschränkungen Das IAEO-Statut sieht den Zugang der Inspektoren der Agentur zu "all places" vor. Beschränkt wird dieses Zugangsrecht lediglich durch das Erfordernis der Notwendigkeit eines Besuchs dieses Ortes zur Aufgabenerfüllung. 105 Diese Regelung wurde in den Sicherungsabkommen nicht übernommen, sondern das Zugangsrecht der Inspektoren vielfältigen Beschränkungen unterworfen. Die Staaten sind grundsätzlich nicht bereit, Inspektoren ein örtlich unbegrenztes Zugangsrecht zu gewähren.106
1. INFCIRC/66/Rev.2
und Inspectors'
Document
Gegenstand der Inspektionen nach INFCIRC/66/Rev.2 ist im wesentlichen die Nachprüfung, daß Nuklearmaterial innerhalb bestimmter Anlagen oder diese Anlagen selbst nicht für verbotene Zwecke eingesetzt werden. Folglich ist der Zugang der Inspektoren auf die Sicherungsmaßnahmen unterstellten
104 105 ,0b
Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 18. Siehe Art. XII.A.6 IAEO-Statut. Hasselmann , Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (266).
E. Inspektionsdurchführung
205
"materials, equipment and facilities" beschränkt.107 Innerhalb dieser Anlagen unterliegt das Zugangsrecht der Inspektoren jedoch grundsätzlich keinen Beschränkungen.
2. INFCIRC/153 a) Allgemeines Für die Sicherungsmaßnahmen aufgrund des NV-Vertrages wird das Zugangsrecht der Inspektoren erheblichen Beschränkungen unterworfen. Maßgeblich hierfür ist jedoch nicht das Erfordernis der Gewährleistung eines ordentlichen Betriebes,108 sondern das Bestreben der Staaten, einen umfassenden Geheimschutz zu gewährleisten.109 Im Normalfall wird das Zugangsrecht der Agentur auf in den Ergänzungsvereinbarungen definierte Orte innerhalb der Nuklearanlagen und die Aufzeichnungen beschränkt. Eine Erweiterung dieser Zugangsrechte erfolgt dann, wenn die erforderlichen Ergänzungsvereinbarungen noch nicht geschlossen sind110 oder Indizien für verbotene Vorgänge vorliegen.111
b) Normalfall der Sicherungsmaßnahmen Als Nonnalfall des Verfahrens läßt sich die Situation bezeichnen, in der lediglich Routine-Inspektionen in den festgelegten Materialbilanzzonen und Ad-hoc Inspektionen im Falle grenzüberschreitender Materialtransfers durchgeführt werden. Dann sind die Zugangsrechte der Inspektoren auf die folgenden Punkte beschränkt.
107
§ 9 a) Inspectors' Document. So aber Edwards , International Legal Aspects of Safeguards and the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, ICLQ 1984, S. 1 (7). ,0Q Hasselmann, Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (272); von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 260. 110 Siehe unten E. I. 2. c). 108
111
Siehe unten E. I. 2. d).
206
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
aa) Strategische Punkte in Anlagen und Aufzeichnungen Wenn nach dem Abschluß der Überprüfung der der IAEO von dem Staat zur Verfügung gestellten Anlagedaten und gegebenfalls ihrer Nachprüfung durch die IAEO die strategischen Punkte in den Ergänzungsvereinbarungen bestimmt worden sind,112 beschränkt sich das Zugangsrecht der Inspektoren auf diese Punkte und die von dem Staat zu führenden Aufzeichnungen. 113 Einen Ausgleich für die gegenüber INFCIRC/66/Rev.2 weitgehende Beschränkung der Zugangsrechte soll das der IAEO verbleibende Recht, im Rahmen von Sonderinspektionen erweiterte Zugangsrechte zu verlangen, darstellen.114 Die Beschränkung der Zugangsrechte der Inspektoren in Nuklearanlagen erfolgte vor allem auf Betreiben Deutschlands. Heute hat sich herausgestellt, daß die praktische Realisierbarkeit effektiver Kontrollen an nur wenigen strategischen Punkten zwischen weitgehend den Inspektoren verschlossenen Zonen überschätzt wurde.115 Modifikationen der Anlagen, Veränderungen der Betriebsart oder auch neue Erfahrungen und Technologien im Bereich der Sicherungsmaßnahmen können es angezeigt erscheinen lassen, die strategischen Punkte zu modifizieren. Daher sind die Staaten zur Mitteilung von Veränderungen der Auslegung der Anlagen verpflichtet. 116 Die Agentur hat die genannten Entwicklungen zu berücksichtigen und, sofern erforderlich, eine Modifikation der Ergänzungsvereinbarungen im Einverständnis mit dem Staat vorzunehmen.117 Die Modifikation der Ergänzungsvereinbarungen wirft häufig Probleme auf. Die Staaten versuchen dabei, Auseinandersetzungen mit dem Sekretariat auf den Gouverneursrat zu verlagern, um dort durch die Mobilisierung politischen Drucks Zugeständnisse des Sekretariats zu erreichen. Umstritten ist, ob das Sekretariat bei Modifikationen der Ergänzungsvereinbarungen den Gouverneursrat einschalten muß.118
112 113 114
§ 46 INFCIRC/153. § 76 c) INFCIRC/153. Scheinman, The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987),
S. 156. 115 Schleicher, Safeguards in der Europäischen Gemeinschaft - Grundzüge des Verifikationssystems, in: Eisenbarth/Ehrenstein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 159 (162). 1.6 § 45 INFCIRC/153. 1.7 §§ 39, 46, 47 INFCIRC/153. 118 Scheinman, The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987), S. 140, 155.
E. Inspektionsdurchführung
207
Über die Beschränkung auf die strategischen Punkte hinaus kann unter besonderen Umständen eine weitere Beschränkung des Zugangsrechts der Inspektoren durch eine Vereinbarung zwischen der Agentur und dem Staat erfolgen, die dem Gouverneursrat mitzuteilen ist.119 Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn aufgrund eines Unfalls Teile einer Anlage verseucht sind.120
bb) Absende- und Empfangsorte bei Ex- und Importen Zusätzlich ist den Inspektoren im Falle von Exporten von Nuklearmaterial der Zugang zu den Orten zu gewähren, an denen es für den Versand vorbereitet wird. 121 Bei Importen besteht ein Zugangsrecht am Emfangsort. 122
cc) Vereinbarte Orte für die Überprüfung der Anlagedaten Die Überprüfung der der IAEO von den Staaten mitzuteilenden Anlagedaten erfolgt "in co-operation with the State".123 Daher bestehen grundsätzlich Zugangsrechte nur in dem vereinbarten Ausmaß. Sofern ein Staat sich jedoch nicht bereitfindet, den nach Ansicht der IAEO erforderlichen Zugang zu gewähren, kommt eine zwangsweise Anordnung durch den Gouverneursrat nach § 18 INFCIRC/153 in Betracht.'24
c) Erweiterte Zugangsrechte wegen fehlender Ergänzungsvereinbarungen Sofern noch keine Ergänzungsvereinbarungen zu den Sicherungsabkommen vorliegen, sind die Zugangsrechte der Inspektoren nicht auf bestimmte Punkte innerhalb der Anlagen beschränkt. Dies kann zum einen in der Anfangsphase der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen in einem Staat der Fall sein, kommt aber auch bei Staaten in Betracht, die neue Nuklearanlagen erstellt haben und sich nicht mit der IAEO auf die technischen Einzelheiten der Inspektionsdurchführung einigen konnten.
,1Q
§ 76 d) INFCIRC/153. Von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kernmaterial für Kernsprengkörper (1983), S. 163. 121 §§ 71 c), 76b), 92 c) INFCIRC/153. 122 §§ 71 c), 76 b), 95 c) INFCIRC/153. 123 Vgl. § 48 INFCIRC/153. 124 Siehe oben 4. Kapitel F. I. 120
208
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
Es wird vertreten, daß Ad-hoc Inspektionen nach § 71 a) INFCIRC/153 auf neu errichtete Anlagen, für die noch nicht der anlagenspezifische Anhang einer Ergänzungsvereinbarung vorliegt, nicht angewandt werden könnten.125 Da Routine-Inspektionen in diesen Fällen noch nicht durchgeführt werden können, wäre eine kontinuierliche Kontrolle in diesen Fällen nicht gegeben. Es bliebe lediglich die Durchführung von Sonderinspektionen nach § 73 b) INFCIRC/153. Angesichts der Tatsache, daß es mitunter zu mehrjährigen Verzögerungen bei der Vereinbarung der anlagenspezifischen Anhänge kommt, wäre die Wirksamkeit des Verfahrens erheblich beeinträchtigt. Daher werden in diesen Fällen Ad-hoc Inspektionen durchgeführt. 126 Auch wenn die Inspektoren der Agentur bei Ad-hoc Inspektionen nicht auf besondere Punkte beschränkt sind, so ist ihnen doch nicht erlaubt, an jedem Ort Verdachtsmomenten nachzugehen. Ihre Zugangsmöglichkeiten sind zunächst auf die in den Anfangsberichten angebenenen Orte beschränkt. Sofern eine im Zusammenhang mit dem Anfangsbericht durchgeführte Ad-hoc Inspektion nahelegt, daß sich an einem anderen Ort Nuklearmaterial befindet, kann auch an diesem Ort eine Ad-hoc Inspektion durchgeführt werden.127 Falls ein Staat versucht, der IAEO Nuklearmaterial zu verschweigen, können Orte, an denen die IAEO solches Material vermutet, nur dann inspiziert werden, falls der Verdacht auf bei Ad-hoc Inspektionen gewonnenen Anhaltspunkten beruht. Gem. § 76 (a) INFCIRC/153 endet das Recht zur Durchführung von Adhoc Inspektionen, sobald in den Ergänzungsvereinbarungen die strategischen Punkte, auf die der Zugang der Inspektoren für die Routine-Inspektionen beschränkt ist, festgelegt sind.128 Durch die gleichzeitige Vereinbarung von Sicherungsabkommen und Ergänzungsvereinbarungen können somit Ad-hoc Inspektionen zur Überprüfung der Anfangsberichte ausgeschlossen werden.
125 Von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kernsprengkörper (1983), S. 163. 126 Von Baeckmann , Le Traité sur la non-prolifération (TNP) (1968), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 165 (172). 127 § 76 (a) INFCIRC/153. ,2i Hasselmann, Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (277); von Preuschen , IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kernmaterial für Kernsprengkörper (1983), S. 162.
E. Inspektionsdurchführung
209
d) Erweiterte Zugangsrechte bei Sonderinspektionen Erweiterte Zugangsrechte können den IAEO-Inspektoren für Sonderinspektionen nach §§ 73, 77 INFCIRC/153 eingeräumt werden. Die Festlegung weiterer zu inspizierender Orte wirft keine Probleme auf, sofern sie durch Vereinbarung mit dem Staat erfolgt. Die IAEO hat grundsätzlich zunächst durch Konsultationen mit dem Staat nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen.129 Hierbei können die Orte, zu denen die Inspektoren Zugang erhalten sollen, vereinbart werden.130 Kann keine Einigung mit dem Staat erzielt werden, kann sie durch eine Anordnung mit dem Gouverneursrat gem. § 18 INFCIRC/153 ersetzt werden. Fraglich ist, ob dies nun bedeutet, daß der Gouverneursrat anordnen darf, daß Inspektoren "access to any places" zu gewähren ist. Anordnungen des Gouverneursrates können nur erfolgen, wenn begründete Verdachtsmomente ergeben, daß sich an bestimmten Orten nicht gemeldetes Nuklearmaterial befindet. 131 Sonderinspektionen dürfen folglich nur an diesen zuvor vom Gouverneursrat bestimmten Orten erfolgen. 132
II. Zeitliche Beschränkungen
1. Allgemeines Für die vertrauensbildende Wirkung von Sicherungsmaßnahmen spielt das Überaschungsmoment eine große Rolle. Denn sofern den Staaten der Zeitpunkt einer Inspektion im voraus bekannt ist, können Vertuschungsmaßnahmen ergriffen werden, die den Inspektionszweck vereiteln. Andrerseits ist zu beachten, daß die Inspektionen vornehmlich hochkomplexe Industrieanlagen betreffen, in denen aus technischen Gründen nicht jederzeit der Zugang zu allen Orten möglich ist. Vorankündigungen der Inspektionen erleichtern daher die Vorbereitung der Durchführung seitens des Staates.133 Sie sind weiterhin
129
§ 77 INFCIRC/153. Siehe auch Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (105). 131 Siehe oben I). VI. 5. 132 Schleicher, Internationale Kontrolle. Kann die Spaltstoffkontrolle das Proliferationsrisiko verhindern?, in: Eisenbarth/Ehrenstein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 324 (328); Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (115). 133 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 30. 130
14 Lohmann
210
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
erforderlich, damit Staaten ihr Recht, den Inspektoren Begleiter an die Seite zu stellen, wahrnehmen können.134
2. Avisierung des allgemeinen Inspektionsprogramms Problematisch im Hinblick auf die Wirksamkeit der Inspektionen erscheint § 84 S.3 INFCIRC/153, der die Agentur verpflichtet, wann immer es praktikabel ist, die Staaten über die Zeiträume zu unterrichten, in denen sie Inspektionen durchführen will. Sofern diese Zeiträume genau bestimmt sind, kann sich ein Staat darauf einrichten, so daß der Zweck der relativ kurzen Ankündigungsfristen für die einzelnen Inspektionen vereitelt wird.
3. Notifikation
der konkreten Inspektionsabsicht
a) INFCIRC/66/Rev.2 Bei den Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 sind die RoutineInspektionen grundsätzliche eine Woche im voraus anzukündigen.135 Dies gilt nicht für die Anlagen, zu denen die IAEO jederzeit Zugang hat. Für solche Anlagen werden die Ankündigungsfristen für Inspektoren gesondert zwischen der IAEO und dem Staat vereinbart. 136 Sonderinspektionen sind 24 Stunden im voraus anzukündigen.137 b) INFCIRC/153 Grundsätzlich ist die IAEO verpflichtet, den Staaten die Durchführung von Inspektionen im voraus zu notifzieren. 138 Eine Ausnahme hiervon wird für einen Teil der Routine-Inspektionen gemacht, den die Agentur unangekündigt durchführen darf. 139
134 Schleicher, Safeguards in der Europäischen Gemeinschaft - Grundzüge des Verifikationssystems, in: Eisenbarth/Ehrenstein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 159 (168). 135 § 4 Inspectors* Document. 136 §§ 50, 57 INFCIRC/66/Rev.2. 137 § 4 Inspectors* Document. 138 § 83 INFCIRC/153. 139 § 84 INFCIRC/153.
E. Inspektionsdurchführung
211
Die Anklindigungsfristen werden nach der Abzweigungsrelevanz der zu inspizierenden Anlagen bemessen. Weiterhin sollen kurze Ankündigungsfristen die für Routine-Inspektionen bestehenden Zugangsbeschränkungen ausgleichen, während etwa für die Ad-hoc Inspektionen zur Nachprüfung der Anfangsberichte die Ankündigungsfrist relativ lang bemessen ist. - Eine Woche vorher müssen Inspektionen zur Überprüfung der anlagenbezogenen Informationen angekündigt werden. Dies gilt auch für Ad-hoc Inspektionen, die durchgeführt werden, um den Inhalt des Anfangsberichts und der anschließend erfolgten Veränderungen zu überprüfen. 140 RoutineInspektionen von Anlagen, in denen sich nur Uran, dessen Anreicherungsgrad 5% nicht überschreitet, befindet, sind ebenfalls eine Woche vorher anzukündigen.141 Die umstrittene Praxis der IAEO, den Staaten ihre Inspektionsabsicht schon lange vor den dargestellten Zeitpunkten zu avisieren,142 dürfte mit den Sicherungsabkommen nicht zu vereinbaren sein. Damit wird die Glaubwürdigkeit des Verfahrens unterminiert. - 24 Stunden vor ihrer Durchführung sind Ad-hoc Inspektionen zur Überprüfung von Nukleartransfers anzukündigen.143 Dies gilt auch für Routine-Inspektionen von Einrichtungen, in denen Plutonium oder zu mehr als 5% angereichertes Uran verarbeitet wird. 144 Im Falle von Sonderinspektionen erfolgt die Notifikation der Staaten grundsätzlich durch das Ersuchen der IAEO um Konsultationen.145 Durch solche Konsultationen kann es zwar zu Verzögerungen kommen, die den Zweck der Inspektion gefährden könnten, doch liegt darin keine grundsätzliche Beeinträchtigung der Wirksamkeit von Sonderinspektionen.140 Denn bei Sonderinspektionen, die vom Gouvemeursrat der IAEO angeordnet werden, steht die Bestimmung der Frist im Ermessen der IAEO. Sie hat den Staat "as early as possible" zu informieren 147 und kann daher gegebenfalls eine sehr kurze Frist ansetzen, falls es nach ihrer Ansicht erforderlich ist.
140
§§ 48, 83 INFCIRC/153. §§ 72, 83 c) INFCIRC/153. 142 Herron, Lawyer's View of Safeguards and Non-Proliferation, IAEA Bulletin 1982/3, S. 34 (35). 143 §§ 71 c), 83 a) INFCIRC/153. 144 § 83 c) iVm § 72 INFCIRC/153. 145 §§ 77, 83 b) INFCIRC/153; Siasi , International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich, International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (105). 146 So aber von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 274. 147 § 83 b) INFCIRC/153. 141
14*
212
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
4. Überraschungs-Inspektionen § 84 INFCIRC/153 räumt der Agentur das Recht ein, einen Teil des Kontingents der Routine-Inspektionen ohne vorherige Ankündigung überraschend durchzuführen. Derartige Überraschungs-Inpektionen dürfen wegen des DiskriminierungsVerbots 148 jedoch nicht auf bestimmte Länder konzentriert werden, sondern die Inspektionsorte sind nach dem Grundsatz der Stichprobenauswahl zu bestimmen. Eine Begrenzung der Überraschungsmöglichkeiten könnte sich aus dem Recht der Staaten aus § 89 INFCIRC/153, die Inspektoren während ihrer Inspektoren begleiten zu lassen, ergeben.149 Zu bedenken ist aber, daß dieses Begleitungsrecht nur insoweit besteht als die Inspektoren hierdurch nicht aufgehalten oder auf andere Weise in der Ausübung ihrer Funktionen behindert werden. Die Beeinträchtigung des Überraschungseffektes durch die Notwendigkeit der vorherigen Legitimation des Inspektors150 wird dagegen wohl hingenommen werden müssen. In der Praxis spielten solche Inspektionen lange keine große Rolle. Die erste derartige Inspektion aufgrund eines Sicherungsabkommens nach INFCIRC/153 wurde 1983 in Schweden durchgeführt. 151 Im Gegensatz zur öffentlichen Meinung wird von der IAEO der praktische Nutzen von Überraschungs-Inspektionen nicht besonders hoch eingeschätzt.152 In Nuklearanlagen sind Besuche nur dann sinnvoll, wenn tatsächlich Beobachtungen vorgenommen werden können.153 Dies ist etwa bei Reaktoren nicht jederzeit der Fall. Allerdings werden in jünger Zeit verstärkt die Kompetenzen zur Durchführung von Überraschungs-Inspektionen ausgeschöpft.154 Es wird vorgeschlagen, in bestimmten nicht besonders proliferationsträchtigen Anlagen von der kontinuierlichen Durchführung von Routine-Inspektionen abzugehen und dort nur noch Überraschungs-Inspektionen durchzu-
148
Siehe oben 4. Kapitel E. III. 7. So von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kernmaterial für Kernsprengkörper (1983), S. 55. 150 Von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kernmaterial für Kemsprengkörper (1983), S. 55. 151 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 31. 152 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 33, Fn.16. 153 Herron , A Lawyer's View of Safeguards and Non-Proliferation, IAEO-Bulletin 1982/3, S. 28 (35). 154 Schuricht/Larrimore , Safeguarding Nuclear Cycle Facilities, IAEA Bulletin 1988/1, S. 8 (11). 14Q
E. Inspektionsdurchführung
213
führen um Kosten zu sparen und Ressourcen der IAEO freizusetzen, die für andere Aufgaben benötigt werden.155
5. Permanente Inspektionen Für Anlagen, die sehr große Mengen waffengeeigneten Materials verarbeiten, ist das für Routine-Inspektionen gem. § 80 INFCIRC/153 bestehende Kontingent groß genug, um kontinuierliche Inspektionen durch ständig anwesende Inspektoren zu erlauben.156 Hierbei handelt es sich vor allem um Wiederaufarbeitungs- und Anreicherungsanlagen.157 Bei den Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 besteht für große Wiederaufarbeitungs-, Konversions- und Fabrikationsanlagen das Recht zur jederzeitigen Inspektion,158 so daß auch hier permanente Inspektionen durchgeführt werden können. In der Praxis sind die IAEO-Inspektoren bei der permanenten Inspektion von Nuklearanlagen währen der Tagesschicht in den Anlagen anwesend und während der übrigen Zeit bei wichtigen Betriebsvorgängen zu verständigen.159
III. Funktionale Beschränkungen (Prüfungsbefugnisse)
1. Allgemeines In Art. XII.A.6 IAEO-Statut findet sich noch die Formel, daß die Inspektoren M"access at all times to all places and data and to any person" haben sollen. Diese Regelung impliziert, daß die Inspektoren über die für ihre Aufgaben erforderlichen Prüfungsbefugnisse verfügen. Ausdrückliche Einschränkungen bestehen danach nicht. Ähnlich ermächtig Art. 81 II EURATOM-Vertrag die europäischen Inspektoren zur Vornahme der
155 Müller, Gescheiterte Prüfung. Der Vertrag zur Nichtverbreitung von Kernwaffen nach der Genfer Überprüfungskonferenz, EuArch 1990, S. 671 (676). 156 Fischer , The International Non-Proliferati on Régime 1987 (1987), S. 39; Herron , A Lawyer's View of Safeguards and Non-Proliferation, IAEA-Bulletin 1981, S. 28 (35). 157 Schleicher , Safeguards in der Europäischen Gemeinschaft - Grundzüge des Verifikationssystems, in: Eisenbarth/Ehrenstein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 159 (168). l5e INFCIRC/66/Rev.2, § 3 Annex I, § 3 Annex II. 159 IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 289.
214
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
"erforderlichen Überprüfungsmaßnahmen". 160 In den Sicherungsabkommen erfolgte dagegen eine Einschränkung dieser offenen Prüfungsbefugnis durch enumerative Aufzählungen der Rechte der Inspektoren.161
2. Inspectors'
Document
In den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 sind die Befugnisse der Inspektoren durch Inkorporierung des Inspector's Document162 geregelt. Viele der dort enthaltenen Regelungen werden inhaltlich durch INFCIRC/153 übernommen, Abweichungen gibt es jedoch hinsichtlich der Rolle des nationalen Kontrollsystems. Da INFCIRC/66/Rev.2 die Staaten nicht zu umfassenden nationalen Buchführungs- und Kontrollmaßnahmen verpflichtet, dem nationalen System also keinen eigenen Verfahrenswert beimißt, kommt der unmittelbaren Kontrolle durch die Inspektoren eine größere Rolle zu. Dies zeigt sich daran, daß ihre Kontrollrechte weitaus weniger eingeschränkt sind. Sie können alle die für "physical inspection" erforderlichen Prüfungen vornehmen.163
3. INFCIRC/153 a) Allgemeines Durch INFCIRC/153 erfolgt eine weitaus detailliertere Regelung der Prüfungsbefugnisse der Inspektoren als im Inpectors' Document.164 Die Inspektoren sollen bei ihrer Tätigkeit nicht den Betrieb der inspizierten Anlagen behindern oder deren Sicherheit gefährden. So ist es ihnen insbesondere untersagt, selbst Betriebsvorgänge einzuleiten oder Anordnungen an das Personal zu geben. Sofern sie bestimmte Operationen für erforderlich
itß
Vgl. hierzu Deiseroth, Atomwaffenverzicht der Bundesrepublik Deutschland - Reichweite und Grenzen der Kontrollsysteme, ArchVR 1990, S. 113 (141). 161 Vgl. zur Inspektionsdurchführung: Fremei , Inspektion kemtechnischer Anlagen durch die IAEO, in: Deutsches Atomforum e.V. (Hrsg.), Sicherheitsüberwachung und Nichtverbreitung (1979), S. 134 ff.; Ktik, Field Experience of Safeguards Inspectors, IAEA-Bulletin 1981/4, S. 15 ff. Siehe oben 2. Kapitel D. II. § 10 c) Inspectors* Document. 164 Szasz, Internatinal Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (106).
E. Inspektionsdurchführung
215
halten, haben sie den Betreiber hierum zu ersuchen.165 Die IAEO-Inspektoren haben selbst keinerlei hoheitliche Befugnisse gegenüber den Betreibern von Nuklearanlagen. Sie sind daher auf die "Amtshilfe" nationaler Behörden angewiesen, wenn sich ein privater Betreiber weigert, dem Ersuchen der Inspektoren nachzukommen.166 Die Betreiber sind jedoch zumeist kooperationsbereit, da ihnen anderenfalls durch noch umständlichere Prüfungen die Betriebsführung noch weiter erschwert würde.167
b) Überprüfung der Aufzeichnungen Gem. § 74 (a) INFCIRC/153 dürfen die Aufzeichnungen, die der Staat gem. § 51-58 INFCIRC/153 anzufertigen hat, untersucht werden. Dies erlaubt es den Inspektoren, die Konsistenz von Berichten und Aufzeichnungen zu überprüfen. 168 c) Überwachung von Messungen Grundsätzlich soll die unmittelbare Bestandsaufnahme und Messung des Nuklearmaterials durch den Staat, bzw. den Betreiber selbst erfolgen. Für die NV-Sicherungsmaßnahmen gilt der Grundsatz der größtmöglichen Berücksichtigung der nationalen Kontrollaktivitäten.169 Die Inspektoren können diese Messungen beobachten,170 und die dabei verwendeten Instrumente überprüfen. 171 Sie können dabei überprüfen, ob die Messungen und die entnommenen Proben repräsentativ und die verwendeten Instrumente geeicht sind.172 Sie können verlangen, daß zusätzliche Probenentnahmen und Messungen für Zwecke der Agentur vorgenommen werden und die verwendeten Instrumente eichen.173 Probleme bereitet die physische Bestandsaufnahme des Nuklearmaterials in Forschungseinrichtungen, in denen das Material viel bewegt wird und selten
§ 87 INFCIRC/153. Deiseroth, Atomwaffenverzicht der Bundesrepublik Deutschland - Reichweite und Grenzen der Kontrollsysteme, ArchVR 1990, S. 113 (139). 167 Schleicher, Safeguards in der Europäischen Gemeinschaft - Grundzüge des Verifikationssystems, in: Eisenbarth/Ehrenstein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 159 (167). ,6β Dies ist eine der Funktionen von Routine-Inspektionen. Vgl. § 72 a) INFCIRC/153. ltA §§ 7, 31 INFCIRC/153. 170 § 75 a) INFCIRC/153. 171 § 74 c) INFCIRC/153. 172 § 75 a), b) INFCIRC/153. 173 § 75 c) INFCIRC/153. 166
216
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
direkt zugänglich ist.174 Die IAEO führt in den EURATOM-Staaten ihre Inspektionen grundsätzlich im Wege der Beobachtung von EURATOM-Inspektionen durch.175
d) Unabhängige Messungen Die Inspektoren sind jedoch nicht auf die Beobachtung von Messungen beschränkt, sondern können eigene, unabhängige Messungen durchführen. 176 Hierbei können sie ihre eigenen Meß- und Beobachtungsinstrumente verwenden.177 In jüngerer Zeit werden verstärkt simultane Überprüfungen der physischen Bestandsaufnahmen an allen größeren Einrichtungen, die zum Natur-Uran-Kreislauf eines Staates gehören, durchgeführt. 178 Auch simultane Inspektionen aller Nukleareinrichtungen in bestimmten Ländern werden routinemäßig durchgeführt. 179
e) Installation von Beobachtungsinstrumenten und Versiegelungen In den Ergänzungsvereinbarungen kann vereinbart werden, daß Beobachtungsinstrumente fest in den Anlagen installiert werden.180 Es können auch Versiegelungen angebracht werden, sofern dies in den ErgänzungsVereinbarungen bestimmt ist.181 Damit könnte der Inspektionsaufwand verringert werden.182 Dabei ergeben sich jedoch häufig praktische Probleme. So können betriebliche Zugangserfordernisse der Anbringung von Siegeln oder arbeitsrechtliche Betriebsvereinbarungen einer Anbringung von Kameras entgegenstehen.183
174 Fremei , Inspektionen kerntechnischer Anlagen durch die IAEO, Deutsches Atomforum 1979, S. 134 (148). 175 Art. 14 Protokoll zum EURATOM-Verifikationsabkommen. 176 §§ 7, 74 b) INFCIRC/153. 177 § 75 d) INFCIRC/153. 178 SchurichtlLarrimore , Safeguarding Nuclear Cycle Facilities, IAEA-Bulletin 1988/1, S. 8 (11). 179 Jennekens , IAEA Safeguards: A Look at 1970 - 1990 and Future Prospects, in: IAEABulletin 1990/3, S. 5 (5). Vgl. auch IAEA Safeguards: Glossary (1987) Nr. 288. 180 § 75 d) INFCIRC/153. 181 § 75 e) INFCIRC/153. 182 Vgl. auch §§ 29, 81 c), e) INFCIRC/153. 183 Schleicher, Safeguards in der Europäischen Gemeinschaft - Grundzüge des Verifikationssystems, in: Eisenbarth/Ehrenstein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 159 (168). Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 54.
E. Inspektionsdurchführung
217
Gem. § 29 INFCIRC/153 soll sich die Kontrolltätigkeit der IAEO vornehmlich auf die Überprüfung der Materialbuchführung stützen. Versiegelungs-und Beobachtungsmaßnahmen sollen lediglich komplementär eingesetzt werden.184 Die bei Wiederaufarbeitungs- und Anreicherungsanlagen bestehenden Probleme, durch die Nachprüfung der Materialbuchführung zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen,185 erfordern jedoch zunehmend die direkte Beobachtung von Betriebs Vorgängen. Es ist umstritten, ob die IAEO ihr Verlangen nach der Erweiterung der direkten Beobachtung auf die §§ 30, 75 d), e) INFCIRC/153 stüzen kann. Es wird vertreten, daß die Ermächtigung zum Einsatz von Beobachtungsinstrumenten allein zur Unterstützung der Nachprüfung der Materialbuchführung erfolgt sei, nicht dagegen, um der Agentur eigenständige Erkenntnismittel zu geben.186 Für diese Auffassung spricht, daß gem. § 30 INFCIRC/153 INFCIRC/153 als technische Schlußfolgerung der Verifikationsaktivitäten der IAEO die Materialbilanzdifferenzen pro Materialbilanzzone aufzustellen ist. Dies kann nur auf der Basis der Materialbuchführung geschehen, Beobachtungsmaßnahmen führen dagegen nicht zu quantitativen Ergebnissen. Andererseits schließen Beobachtungs- und Abschirmungsmaßnahmen die Aufstellung von Materialbilanzen nicht aus, sondern ergänzen sie. Das zwischen der Materialbuchführung einerseits und den Beobachtungs- und Abschirmungsmaßnahmen andererseits bestehende Komplementärverhältnisse im Sinne von § 29 INFCIRC/153 ist dahingehend zu verstehen, daß der weitestgehende Gebrauch von materialbuchführungsbezogenen Kontrollmitteln gemacht werden soll, um den Entdeckungsauftrag 187 zu realisieren. Sofern allerdings die relative Aussagekraft der Materialbuchführung aufgrund der technischen Entwicklung sinkt, kommt das Komplementärverhältnis in der Weise zur Geltung, daß nunmehr die verstärkte Anwendung von Beobachtungs- und Abschirmungsmaßnahmen nicht nur zulässig, sondern auch geboten ist.
0 Anwendung weiterer Maßnahmen § 74 e) INFCIRC/153 gibt der Agentur generalklauselartig das Recht, weitere Überprüfungshandlungen vorzunehmen. Sinn dieser Regelungen ist es, den Überprüfungsvorgang für die technische Entwicklung offen zu halten. Gemeint sind hier aber technische Meßmethoden zur Umsetzung des
184 185 186
Siehe oben C. Siehe unten 9. Kapitel D. II. 1. Scheinman, The International Atomic Energy Agency and World Nuclear Order (1987),
S. 163. ,g7
Siehe oben 5. Kapitel D. III.
218
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
existierenden Sicherungssystems und nicht völlig neuartige Kontrollkonzepte.188 Die Erwartungen, die bei der Entwicklung des Kontrollsystems an den Nutzen noch zu entwickelnder technischer Instrumente geknüpft wurden, haben sich nicht erfüllt. 189
g) Befragung von Personen Anders als § 9 des Inspectors' Document trifft INFCIRC/153 keine Regelung des Zugangs der IAEO-Inspektoren zu Personen. Gleichwohl ist die Bedeutung menschlicher Kontakte nicht zu unterschätzen. Insbesondere dann, wenn sich Inspektoren permanent in einem Staat aufhalten, besteht die Möglichkeit, durch Gespräche wichtige Informationen zu erhalten.190 Bei den Inspektionen selbst wird die Möglichkeit, etwa Hinweise auf Abzweigungsvorgänge zu erhalten, dadurch eingeschränkt, daß dem Staat das Recht zusteht, dem Inspektor durch eigene Beamte begleiten zu lassen.191
h) Stationierung von Inspektoren Zunächst in Tokio im Jahre 1980 und dann in Toronto im Jahre 1984 wurden von der IAEO ständige Büros eingerichtet. Sie unterstützen die Inspektoren logistisch und ermöglichen permanente Kontakte zwischen der Agentur und RegierungsVertretern. Weiterhin wird so eine effektive Ausnutzung der personellen Ressourcen ermöglicht. In einem Land "stationierte" Inspektoren können etwa doppelt so viele Mann-Tage an Inspektionen durchführen wie Inspektoren, die erst aus Wien anreisen müssen. Sie erreichen ca. 90 Mann-Tage gegenüber 50 Mann-Tagen, die herkömmlicherweise möglich waren.192 Auch die Durchführung von Inspektionen mit kurzen Ankündigungsfristen, wie sie für bestimmte Anlagen vorgeschrieben sind,193 wird auf diese Weise erleichtert. 194
188
Vgl. von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kernsprechkörper (1983), S. 86. ,8Q Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 15. ig o Szasz, International Atomic Energy Agency Safeguards, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1975), S. 73 (106). 191 § 89 INFCIRC/153. 192 Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 40. Siehe oben Ε. II. 3. m Sc h uri eh t/La rrimore , Safeguarding Nuclear Cycle Facilities, IAEA-Bulletin 1988/1, S. 8 (10).
E. Inspektionsdurchführung
219
IV. Persönliche Beschränkungen Auch wenn es sich bei den Inspektoren der IAEO um Mitarbeiter einer internationalen Behörde handelt, so werden sie doch von vielen Staaten als Repräsentanten ihrer Heimatländer angesehen.195 In den Sicherungsabkommen sind daher Regelungen enthalten, die es den Staaten ermöglichen, auf die Auswahl der konkreten Personen Einfluß zu nehmen.
L Staatliches Vetorecht Bei der Auswahl der individuellen Inspektoren, die die IAEO entsenden will, steht den Staaten ein Vetorecht zu.196 Eine Ablehnung braucht nicht begründet zu werden. Viele Staaten akzeptieren mittlerweile nur noch Inspektoren aus Staaten, die ihre Nuklearanlagen ebenfalls inspizieren lassen. Die Folge sind retaliatorische Maßnahmen anderer Staaten, so daß die Designierung der Inspektoren erhebliche Probleme bereitet.197 Manche Staaten akzeptieren nur noch Inspektoren, die die Sprache des inspizierten Staates sprechen.198 Um dieser Praxis entgegenzuwirken, haben sich einige Staaten inzwischen bereit erklärt, generell die Designationen des Generaldirektors zu akzeptieren.199 Die wiederholte grundlose Weigerung von Staaten stellt allerdings einen Verstoß gegen ihre Kooperationsverpflichtung 200 dar. Daher kann der Generaldirektor sich an den Gouverneursrat wenden, wenn ein Staat wiederholt von seinem Ablehnungsrecht Gebrauch macht.201 Auch die Veröffentlichung der Tatsache häufiger Weigerungen seitens bestimmter Staaten wurde schon als Druckmittel eingesetzt.202
195 196
Fischer, The International Ν on-Proliferati on Régime 1987 (1987), S. 44.
§ 9 INFCIRC/153, § 2 Inspectors' Document. Hasselmann , Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (289); Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 63. ig e ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 15. 199 Vgl. ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 15. 200 Siehe § 3 INFCIRC/153. Vgl. oben 4. Kapitel D. III. 5. 201 § 9 INFCIRC/153, § 2 Inspectors' Document. 202 Hasselmann , Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (300). 197
220
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
2. Ernennung Der formellen Designierung eines Inspektors für einen Staat gehen informelle Konsultationen zwischen IAEO und Staat voraus.203 Danach werden die Inspektoren dem Staat formell vorgeschlagen. Der Staat hat der Agentur innerhalb von 30 Tagen seine Entscheidung über die Akzeptierung oder Ablehnung der vorgeschlagegen Person mitzuteilen.204 Hierbei kommt es häufig zu Verzögerungen.205 Erst wenn ein Inspektor ausdrücklich durch den Staat akzeptiert worden ist, kann er von der IAEO für Inspektionen in den Staat entsandt werden.206 Sofern ein Inspektor für einen Staat designiert wurde, hat dieser die erforderlichen Visa zu erteilen.207 Hierbei entstehen manchmal Probleme, allerdings haben einige Staaten die Inspektoren vom Visaerfordernis befreit und erlauben den mit United Nations Laissez-passer ausgestatteten Inspektoren208 die Einreise.
3. Abberufung Die Staaten können jederzeit ohne Angabe von Gründen die Abberufung eines Inspektors verlangen.209 Auf diese Weise sind die die Staaten gegen Inspektoren, die ihre Befugnisse überschreiten, geschützt.210
203
Szasz, The Law of International Atomic Energy Agency Safeguards, RBDI 1967, S. 196 (224). 204 § 85 INFCIRC/153, § 1 Inspectors' Document. 205 ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 15. 206 § 85 c) INFCIRC/153, § 1 Inspectors' Document. 207 § 86 INFCIRC/153, § 3 Inspectors' Document. 208 Siehe oben 2. Kapitel G. I. 2. 209 § 85 d) INFCIRC/153, § 2 Inspectors' Document. 210 Von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 272.
F. Implementation durch die überwachten Staaten
221
F. Implementation durch die überwachten Staaten
Durch den Abschluß der Sicherungsabkommen mit der IAEO verpflichten sich die Staaten, Inspektionen in dem geregelten Umfang auf ihrem Hoheitsgebiet zu dulden. Doch erschöpfen sich hierin nicht die Pflichten der Staaten. Sie müssen die Inspektoren bei der Beschaffung von Dienstleistungen oder Ausrüstungsgegenständen, die diese für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, unterstützen.211 Die Inspektionen erfordern Aktivitäten in Nuklearanlagen auch privater Betreiber. Da die Sicherungsabkommen nicht self-executing sind, ist es erforderlich, die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten durch innerstaatliche Anwendungsbefehle umzusetzen.212 Innerhalb der Staaten der europäischen Gemeinschaft wäre es möglich gewesen, gestützt auf Art. 203 des Euratom-Vertrages die Verpflichtung der Betreiber, IAEO-Inspektionen zu dulden, zu regeln. Da eine solche Regelung Einstimmigkeit voraussetzt und Frankreich sein Veto einlegte, scheiterte eine europäische Lösung.213 Es wurden daher in den einzelnen europäischen Staaten nationale Ausführungsregelungen getroffen. In Deutschland wurde zu dem Verifikationsabkommen ein Ausführungsgesetz erlassen.214 Durch dieses Gesetz, das inhaltlich die Regelungen des Verifikationsabkommens übernimmt, werden die Verwender von Nuklearmaterial verpflichtet, die Durchführung von Inspektionen seitens der IAEO zu dulden und diese zu unterstützen. Weiterhin wird ihnen auferlegt, die ihnen hierdurch entstehenden Kosten grundsätzlich selbst zu tragen.215
2,1
§ 88 INFCIRC/153, § 6 Inspectors' Document. Pelzer, Rechtsfragen der Sicherheitsüberwachung, in: Deutsches Atomforum e.V. (Hrsg.), Sicherheitsüberwachung und Nichtverbreitung (1979), S. 238 (242). 213 Pelzer, Rechtsfragen der Sicherheitsüberwachung, in: Deutsches Atomforum e.V. (Hrsg.), Sicherheitsüberwachung und Nichtverbreitung (1979), S. 238 (244). 2,4 Ausführungsgesetz zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Inaternationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Verifikationsabkommen) (Ausführungsgesetz zum Verifikationsabkommen-VerifAbkAusfG) vom 7. Januar 1980, BGBl. I, S. 17. 215 § 13 VerifAbkAusfG. 212
222
8. Kapitel: Die Inspektionen durch die IAEO
G. Inspektionsergebnisse
Für die Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/REv.2 bestimmt § 12 Inspectors' Document, daß dem Staat nach der Durchführung einer Inspektion die Resultate mitzuteilen sind. § 90 INFCIRC/153 sieht die Mitteilung der Inspektionsresultate innerhalb in den Ergänzungsvereinbarungen zu vereinbarender Intervalle vor. Die IAEO teilt den Staaten Ort, Zeitpunkt und Dauer der Inspektionen, die durchgeführten Maßnahmen, die festgestellten Diskrepanzen und ihre Signifikanz mit. Ebenfalls mitgeteilt werden ein Status der angewandten Abschirmungs- und Beobachtungsmaßnahmen und festgestellte Anomalien. Die Schlußfolgerungen des Inspektionsberichtes sind bei NV-Sicherungsmaßnahmen nur vorläufiger Natur, da weitere Evaluierungen und gewöhlich mehr als eine Inspektion vorgenommen werden, bis die sog. "technischen Schlußfolgerungen" der IAEO festgestellt werden.216
2,6 § 30 INFCIRC/153. IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 276. Siehe unten 9. Kapitel I). II. 1.
9. Kapitel
Die Evaluierung der Informationen
A. Allgemeines
Die Berichte der überwachten Staaten, die Notifikationen anderer Staaten und die Inspektionsergebnisse müssen von der IAEO ausgewertet werden, um die ihr aufgegebenen Feststellungen zu treffen, die durch die Sicherungsabkommen mit den einzelnen Staaten vorgeben werden. Hierbei handelt es sich im Nonnalfall um die Verifikation der Erfüllung der zu überprüfenden staatlichen Verpflichtungen durch die IAEO.1 Sofern allerdings diese Verifikation nicht möglich sind, ist entweder die Nichtverifizierbarkeit der Verpflichtungserfüllung 2 oder die Nichterfüllung des Sicherungsabkommens festzustellen.3 Doch nicht nur für diese abschließenden Feststellungen ist die Evaluierung der vorliegenden Informationen erforderlich, sondern auch für die Einleitung besonderer Aufklärungsmaßnahmen wie etwa der Sonderinspektionen nach §§ 73 b), 77 INFCIRC/153.4 Weiterhin werden die durchgeführten Sicherungsmaßnahmen selbst daraufhin evaluiert, ob sie ihre Funktionen erfüllen. Gegebenfalls erfolgt dann eine Veränderung der Allokation der der IAEO zur Verfügung stehenden Ressourcen.5
1 2 3 4 5
Siehe § 2 INFCIRC/153. § 19 INFCIRC/153. § 18 INFCIRC/66/Rev.2. Siehe oben 8. Kapitel I). VI. IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 126.
224
9. Kapitel: Die Evaluierung der Informationen
B. Kompetenzverteilung innerhalb der IAEO
Die Aufteilung der Evaluierungskompetenzen innerhalb der IAEO folgt der Verteilung der Entscheidungszuständigkeiten.6 Zwar ist gem. Art. VI.F IAEOStatut der Gouverneursrat das grundsätzlich zuständige Organ der Agentur, doch hat dieser durch Delegation die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich dem Sekretariat übertragen. Auch nach Art. XII.C IAEO-Statut obliegt grundsätzlich dem Sekretariat die Durchführung des Verfahrens, eine Einschaltung des Gouverneursrates soll nur erfolgen, wenn nach Ansicht des Sekretariats eine Fall von "non-compliance" vorliegt. Diese Aufgabenverteilung ist auch eine Konsequenz des bei der Durchführung der Sicherungsmaßnahmen erforderlichen Schutzes der staatlichen Geheimhaltungsinteressen.7 Der aus Staaten Vertretern zusammengesetzte Gouverneursrat soll nur die für die Erfüllung seiner ausschließlichen Verantwortlichkeiten erforderlichen Informationen bei der Durchführung der Sicherungsmaßnahmen erhalten.8 Die Evaluierung der Informationen erfolgt daher nur dann durch den Gouverneursrat, wenn ihm das Entscheidungsrecht zugewiesen ist. Dies besteht grundsätzlich nur dann, wenn das Sekretariat aufgrund der vorliegenden Informationen zu dem Schluß kommt, daß eine positive Verifikation nicht möglich ist oder keine einvernehmliche Klärung einer Verfahrensfrage mit dem Staat herbeigeführt werden kann. Dabei ist die Kompetenz des Gouverneursrates zulasten des Sekretariats in den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 gegenüber den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 ausgeweitet worden. Während bei letzteren das Sekretariat noch allein die Durchführung von Sonderinspektionen anordnen konnte,9 ist für die Sicherungsmaßnahmen aufgrund des NV-Vertrages eine Anordnung des Gouverneursrates erforderlich. 10 Eine erste Informationsauswertung erfolgt jedoch in jedem Fall durch das Sekretariat. Dieses gestufte Verfahren ermöglicht es den Staaten, durch Kooperation mit dem Sekretariat die Gefährdung technologischer Geheimnisse und unerwünschte Publizität zu vermeiden.
6
Siehe oben 2. Kapitel F. Siehe oben 4. Kapitel E. III. 9. 8 Vgl. § 5 INFCIRC/153. 9 § 53 INFCIRC/66/Rev.2. 10 Siehe §§ 18, 77 INFCIRC/153. 7
C. Verteilung der Feststellungslast
225
C. Verteilung der Feststellungslast
Sowohl die Informationslieferungspflichten der Staaten als auch die Inspektionsrechte der IAEO unterliegen vielfältigen Beschränkungen. Auch liegt dem Verfahren der Grundsatz des Schutzes legitimer Geheimhaltungsinteressen und die Verpflichtung der IAEO zur Beachtung der staatlichen Souveränität zugrunde." Dies hat zur Folge, daß die Feststellungen der IAEO regelmäßig auf einer beschränkten Informationsgrundlage zu treffen sind. Daher kommt der Frage, ob die IAEO oder der überwachte Staat die Feststellungslast trägt, zentrale Bedeutung für das Verfahren zu. Wie oben festgestellt, unterliegt das Verfahren nur eingeschränkt dem Inquisitionsgrundsatz.12 Die IAEO ist in erheblichem Umfang auf die Mitwirkung der Staaten angewiesen. Folglich kann nicht aufgrund einer "Unschuldsvermutung" zugunsten der Staaten von der IAEO der Nachweis von Verstößen gegen die staatlichen Verpflichtungen verlangt werden.13 Andererseits wäre es mit dem Grundsatz des Schutzes legitimer Geheimhai tungsinteressen und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz14 unvereinbar, den überwachten Staaten einseitig die Feststellungslast aufzuerlegen. 15 Dies hätte zur Folge, daß die Beschränkungen der staatlichen Informationslieferungspflichten und der Inspektionsrechte der IAEO leerliefen. Erforderlich ist daher eine Verteilung der Feststellungslast, die den begrenzten Erkenntnismitteln der IAEO ebenso Rechnung trägt wie dem staatlichen Interesse an einer möglichst geringen Beeinträchtigung seiner Souveränität. Das Verfahrensrecht der IAEO-Sicherungsmaßnahmen versucht dieses Problem dadurch zu lösen, daß es der IAEO die Feststellungslast für bestimmte Indizien und dem Staat die Feststellungslast für Umstände, die die VermutungsWirkung dieser Indizien widerlegen, auferlegt. In den § § 2 8 - 3 1 INFCIRC/153 wird die signifikanten Materialbilanzdifferenz als ein solches Indiz ausdrücklich bestimmt. Sofern es von der IAEO festgestellt wird, hat der Staat zunächst weitere Aufklärungsmaßnahmen zu dulden16 und muß
11
Siehe oben 4. Kapitel E. III. 6., E. III. 9. Siehe oben 4. Kapitel E. III. 2. d). 13 So aber von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahnien gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kernsprengkörper (1983), S.42. 14 Siehe oben 4. Kapitel E. III. 8. 15 So aber FoxlWillrich, International Custody of Plutonium Stocks (1978), S. 5. 16 Vgl. §§ 18, 73 b), 77 INFCIRC/153. 12
IS Lohmann
226
9. Kapitel: I)ie Evaluierung der Informationen
gegebenenfalls durch weitere Darlegungen und Beweise die Indizwirkung widerlegen.17 Für die Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 ist eine vergleichbare Normierung der Indizien nicht vorgenommen worden. Auch bei der Durchführung der NV-Sicherungsabkommen spielen die in der Praxis der IAEO entwickelten Indizien, die "Anomalien und Diskrepanzen" eine größere Rolle.18 Sofern diese Indizien vom IAEO-Sekretariat festgestellt werden, und auch durch weitere Aufklärungsmaßnahmen der IAEO eine Widerlegung der Indizwirkung nicht erfolgt, tritt eine Umkehr der Feststellungslast ein. Nunmehr ist es Sache des Staates, sich durch geeignete Informationen und Nachweise zu entlasten.19
D. Technische Evaluierung durch das Sekretariat
Oben wurde gezeigt, daß die praktische Umsetzung des Verifikationsauftrages der IAEO durch eine Konkretisierung des Mandates auf bestimmte technische Tatbestände erfolgt. 20 Die von Staaten berichteten Informationen und die Ergebnisse der Inspektionen sind folglich technische Daten, die ausgewertet werden müssen, um Schlüsse auf das Zutreffen der Verifikationshypothese zu ermöglichen. Die Evaluierung der Informationen stellt das Gegenstück zur konkreten Bestimmung des Mandates dar.
I· Verfahren Die technische Evaluierung der Verifikationsergebnisse verläuft grundsätzlich innerhalb des Sekretariates.21 Neben den von Staaten der IAEO zur Verfügung gestellten Informationen wird der "IAEA inspection report" der Inspektoren ausgewertet.22 Die staatlichen Berichte werden zunächst durch 17
Vgl. § 19 INFCIRC/153. Siehe oben: 5. Kapitel D. III. 3. 19 Von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem Nichtverbreitungsvertrag in den EG-Staaten (1978), S. 331. 20 Siehe oben 5. Kapitel. 21 Vgl. von Baeckmann, The Application of Modem Methods and Techniques in Safeguards Operations, IAEA-Bulletin 1981/1, S. 15-19; dell' AcaqualGruelinllssaevlN ardi, The Development and Function of the IAEA Safeguards Information System, IAEA-Bulletin 1981/4, S. 21-25. 22 IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 274. 18
I). Technische Evaluierung durch das Sekretariat
227
statistische Methoden auf ihre innere Plausibilität hin überprüft. 23 Die Inspektoren der IAEO betreuen jeweils bestimmte Regionen.24 Ihre Berichte werden von einer besonderen Abteilung "information handling" noch einmal überprüft. 25 Diese verknüpft die Inspektionsergebnisse mit den der IAEO vorliegenden Informationen. 26 Die von anderen Staaten mitgeteilten Informationen über Nuklearmaterialtransfers werden mit den von den überwachten Staten gelieferten Informationen verglichen. II. Negative Verifikation Die IAEO wird Verstöße gegen die staatlichen Verpflichtungen, kein Nuklearmaterial abzuzweigen oder bestimmte Gegenstände nicht für militärische Zwecke zu mißbrauchen, wohl niemals direkt beobachten, sondern kann nur aus dem Vorliegen bestimmter Indizien auf solche Vorgänge schließen.
1. Materialbilanzdifferenzen Schon durch Art. XII.A.6 IAEO-Statut wird der Materialbuchhaltung die Aufgabe der Vorbereitung der Entscheidung über die "non-compliance" eines Staates zugemessen. Bei den NV-Sicherungsmaßnahmen soll gem. §§ 29, 30 INFCIRC/153 der Materialbuchhaltung eine zentrale Rolle zukommen.
a) Feststellung In den anlagenspezifischen Anhängen wird festgelegt, wie oft physische Bestandaufnahmen des Nuklearmaterials in einer Materialbilanzzone durchzuführen sind.27 In der Praxis erfolgt dies einmal jährlich für jede Materialbilanz-
* Vgl. § 81 d) INFCIRC/153. Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 44; Frenici , Inspektionen kemtechnischer Anlagen durch die IAEO, in: Deutsches Atomforum e.V. (Hrsg.), Sicherheitsüberwachung und Nichtverbreitung (1979), S. 134 (149). 25 Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 40. 26 Frenici , Inspektionen kemtechnischer Anlagen durch die IAEO, in: Deutsches Atomforum e.V. (Hrsg.) Sicherheitsüberwachung und Nichtverbreitung (1979), S. 134 (149). 27 § 46 c) INFCIRC/153. 24
15*
228
9. Kapitel: Die Evaluierung der Informationen
zone.28 Der so ermittelte tatsächlich vorhandene Materialbestand29 (Ist-Wert) wird mit dem Buchbestand (Soll-Wert) verglichen. Die Durchführung der Aufstellung des realen Materialbestandes erfolgt durch die Betreiber der Anlagen oder die Verantwortlichen des Staates.30 Durch die Inspektoren der IAEO können die hierfür erforderlichen Messungen grundsätzlich lediglich an den zuvor definierten strategischen Punkten überwacht werden.31 Wegen der Zugangsbeschränkungen können Inspektoren nur prüfen, ob all das Nuklearmaterial, das sich nach den Angaben des Staates in einer Anlage befinden soll, auch tatsächlich dort befindet, 32 eine Aussage darüber, ob sich noch weiteres Nuklearmaterial in der Anlage befindet, wird so nicht ermöglicht. Der Buchbestand wird, ausgehend von einer früheren physischen Erfassung des Nuklearmaterials, ermittelt, indem die Bestandsänderungen, die auf dem Anlagenbetrieb oder Transfers beruhen, in Ansatz gebracht werden.33 Ob der Buchbestand tatsächlich den in der Materialbilanzzone vorzufindenden Bestand an Nuklearmaterial angibt, hängt von der Effektivität der Abschirmungs- und Beobachtungsmaßnahmen und von der Richtigkeit der Betriebsdaten ab.34 Durch den Vergleich des Buchbestandes mit dem Ist-Bestand wird die Materialbilanzdifferenz ermittelt.35
b) Bewertung Ausgangspunkt der Bewertung festgestellter Materialbilanzdifferenzen sind die festgelegten signifikanten Mengen von Kernmaterial.36 Im Idealfall dürften keine Differenzen auftreten, sofern kein Nuklearmaterial abgezweigt wurde. In der Praxis jedoch führen Meßungenauigkeiten und die Schwierigkeit, bei den Betriebsabläufen genau vorherzusagen, mit welchem Materialausstoß zu rechnen ist, immer zu Materialbilanzdifferenzen. Aus der Existenz einer
28
Von Baeckmann , Le Traité sur la non-proliferation (Τηρ ) (1968), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 165 (172). 29 § 113 INFCIRC/153. 30 § 32 INFCIRC/153. 31 Vgl.: § 75 INFCIRC/153. 32 Von Preuschen , IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kernsprengkörper (1983), S. 129. 33 § 102 INFCIRC/153. 34 Vgl. hierzu eingehend von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kemsprengkörper (1983), S. 130 - 134. 35 § 111 INFCIRC/153. 36 IAEA, IAEA Safeguards: Glossary (1987), Nr. 107, Siehe oben 5. Kapitel D. III. 2. a).
I). Technische Evaluierung durch das Sekretariat
229
Materialbilanzdifferenz allein kann daher noch nicht auf das Vorliegen von Abzweigungen geschlossen werden.37 Bei Leichtwasser-Reaktoren basiert die Materialbuchführung auf der Zählung von Brennelementen, so daß hier die Bestimmung der Materialbilanzdifferenzen mit großer Genauigkeit erfolgen kann.38 Größere Schwierigkeiten werfen schon Reaktoren auf, die kontinuierlich während des Betriebes be- oder entladen werden (on-load fuelled reactors).39 Hierbei handelt es sich aber nicht um die Anlagen mit der größten Proliferationsrelevanz, sondern noch wichtiger sind Anreicherungs- und Wiederaufarbeitungsanlagen, in denen das Kernmaterial in loser Form verarbeitet wird (bulk handling facilities). 40 Hier sind erhebliche Meßungenauigkeiten in Rechnung zu stellen. Die IAEO legt etwa bei der Wiederaufarbeitung von Plutonium Meßungenauigkeiten bis zu 1% des Jahresdurchsatzes zugrunde.41 Für die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf war ein Plutonium-Jahresdurchsatz von ca. 6 Tonnen pro Jahr geplant.42 Für Plutonium wird von einer signifikanten Menge von 8 kg ausgegangen, die erwartete Meßungenauigkeit von 60 kg hätte diesen Wert also um ein Vielfaches überstiegen.43 Wegen der Möglichkeit, Abzweigungen in kleinen Mengen vorzunehmen und zeitlich zu strecken (protracted diversion) kann allein daraus, daß die festgestellten Materialbilanzdifferenzen die signifikanten Werte unterschreiten, nicht darauf geschlossen werden, daß keine Abzweigung vorgekommen ist.44 Allein aufgrund der festgestellten Materialbilanzdifferenzen sind somit Aussagen über das Vorkommen von Abzweigungen nicht zu treffen. Die IAEO nimmt daher durch statistische Aus-
37
IAEA, IAEA Safeguards: Glossary (1987), Nr. 174. Hasselmann , Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (282). 39 IAEA, IAEA Safeguards: Glossary (1987), Nr. 174. 40 Gilinsky , Diversion by National Governments, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1973), S. 159 (168). 41 Eine genaue Aufstellung der Meßungenauigkeiten, die die erwarteten Standardabweichungen für verschiedene Anlagentypen aufschlüsselt, findet sich in: IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 119, S. 28 Tabelle IV. 42 Deutsche Gesellschaft für die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen mbH, Kurzbeschreibung für die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf, (Januar 1988), S. 23. 43 Vgl. auch Deiseroth, Atomwaffenverzicht der Bundesrepublik Deutschland - Reichweite und Grenzen der Kontrollsysteme, ArchVR 1990, S. 113 (138); Hasselmann, Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (284). 44 IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 21. Vgl. auch von Preuschen , IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kemsprengkörper (1983), S. 95; Hasselmann., Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (285); Deiseroth , Atomwaffenverzicht der Bundesrepublik Deutschland - Reichweite und Grenzen der Kontrollsysteme, Arch VR 1990, S. 113 (139). 38
230
9. Kapitel: Die Evaluierung der Informationen
wertungsmethoden eine weitere Analyse der festgestellten Materialbilanzdifferenzen vor.45 Festgestellte Materialbilanzdifferenzen betreffen lediglich das von den Staaten deklarierte Nuklearmaterial. 46 Aussagen darüber, ob das Mandat der IAEO, zu dem auch die grundsätzliche Erfassung allen Nuklearmaterials in einem Staat gehört, erfüllt wurde, können hierauf nicht gestützt werden. Daher ist es erforderlich, weitere Feststellungen der Verifikation zugrunde zu legen.47 Gem. §§ 30, 90 INFCIRC/153 ist die IAEO verpflichtet, den überwachten Staaten bezüglich jeder Materialbilanzzone eine "technische Schlußfolgerung" mitzuteilen, die die festgestellten Materialbilanzdifferenzen unter Angabe der Genauigkeitsgrenzen enthält. Dieses soll gem. § 90 INFCIRC/153 jeweils so bald wie möglich nach einer physischen Bestandsaufnahme des Kernmaterials geschehen.
2. Diskrepanzen und Anomalien Schon wegen der oben geschilderten praktischen Durchführungsprobleme ist es nicht möglich, die Verifikation der Nichtabzweigung oder des Nichtmißbrauchs allein auf die Auswertung der ermittelten Materialbilanzdifferenzen zu stützen. Daher kommt in der Praxis der IAEO für die Gewinnung ihrer Schlußfolgerungen auch bei den Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/153 den Abzweigungsszenarien eine zentrale Rolle zu. Die der IAEO vorliegenden Informationen werden daraufhin überprüft, ob die aus den Abzweigungsszenarien entwickelten "Diskrepanzen" oder "Anomalien" vorliegen. Sofern die Abzweigungshypothesen nicht substantiiert werden können, schließt die IAEO, daß keine Abzweigungen oder Mißbräuche vorgekommen sind.48 Fraglich ist, ob die Abzweigungsszenarien auch nicht-technische Kriterien berücksichtigen dürfen. In Betracht kommen etwa öffentliche Statements führender Politiker eines Staates gegen die Erfüllung des NV-Vertrages oder die fehlende ökonomische Rationalität des Baus proliferationsrelevanter
45
Vgl. IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 225-247. Hasselmann, , Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (281). 47 Siehe unten D. II. 2. 48 E IB aradei, The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Regime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 14. 46
I). Technische Evaluierung durch das Sekretariat
231
Anlagen oder auffällige GeheimhaltungsVorkehrungen.49 Für eine solche Berücksichtigung spricht, daß eine objektive Trennung friedlicher von militärischen Nutzungen nicht möglich ist. Die Entscheidung, Nuklearmaterial abzuzweigen oder überwachte Gegenstände zu mißbrauchen, ist keine technische, sodern eine politische Entscheidung. Andererseits würde so das Mandat der IAEO überschritten, denn eine Berücksichtigung solcher Kriterien würde indirekt eine Erweiterung der von der IAEO zu überprüfenden Verpflichtungen bedeuten.50 Zu beachten ist auch, daß politische Kriterien nicht objektiv festgelegt werden können und daher Probleme im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aufwerfen würden.
3. Bericht an den Gouverneursrat Allein das Vorliegen von Indizien führt nicht zu einem Bericht an den IAEO-Gouverneursrat. Dies wäre mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz51 und dem Grundsatz des Schutzes legitimer Geheimhaltungsinteressen52 nicht vereinbar. Das Sekretariat hat zunächst alle ihm zur Verfügung stehenden Aufklarungsmittel auszuschöpfen.53 Dazu gehört insbesondere die Ausübung des Frage- und Klärungsrechts54 und die Einleitung von Konsultationen mit dem Staat über Sonderinspektionen.55
III. Positive Verifikation 1. Allgemeines Die positive Verifikation, das heißt die Feststellung, daß die Staaten die Verpflichtungen, deren Einhaltung durch die IAEO überprüfte werden soll, einhalten, erfolgt grundsätzlich durch einen Umkehrschluß. Aus der Tatsache, daß die Sicherungsmaßnahmen keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen
49
Vgl. Müller , Prospects for the Fourth Review of the Non-Proliferation Treaty, SIPRI Yearbook 1990, S. 553 (559). 50 Vgl. Fischer , The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 41. 51 Siehe oben 4. Kapitel E. III. 8. 52 Siehe oben 4. Kapitel E. III. 9. 53 Von Baeckmann , Le Traité sur la non-proliferation (TNP) (1968), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 165 (172). 54 Siehe oben 6. Kapitel F. 55
Siehe oben 8. Kapitel Γ). II.
232
9. Kapitel: Die Evaluierung der Informationen
Verstoß ergeben haben, wird geschlossen, daß ein solcher nicht vorgekommen ist.56
2. Inhalt der Verifikationsaussage a) Funktion Anders als für die Voraussetzungen von Sanktionen57 ist der Inhalt der positiv verifizierenden Feststellung durch die Sicherungsabkommen nicht explizit vorgeschrieben, sondern dem Ermessen der IAEO überlassen. An die positive Verifikation sind keine unmittelbaren Rechtsfolgen geknüpft. Wie unten noch zu zeigen sein wird, führt die positive Verifikation der Verpflichtungserfüllung eines Staates nicht zur Unzulässigkeit von Exportbeschränkungen gegenüber diesem Staat, sondern es verbleibt den anderen Staaten ein eigener Entscheidungsspielraum.58 Die IAEO ist nicht verpflichtet, eine binäre Entscheidung zu treffen, d.h. sie muß anders als judizielle Organe nicht unter Anwendung von Beweislastregeln auch bei unzureichender Informationslage eine Wahl zwischen den Alternativen "Vorliegen des Tatbestandes" oder "NichtVorliegen des Tatbestandes" treffen, sondern kann ihre Feststellung mit Einschränkungen versehen.
b) Das "Safeguards Statement" der IAEO Das einzige veröffentlichte Dokument der IAEO, das Auskunft über das Ergebnis der von ihr durchgeführten Sicherungsmaßnahmen gibt, ist der Jahresbericht. Die für die Beurteilung dieser Feststellung so wichtigen Einschränkungen der IAEO werden allerdings nur global genannt, so daß die Öffentlichkeit auf Spekulationen angewiesen ist.59
56
Grümm , Safeguards Verification - It's Credibility and Working Hypothesis, IAEA-Bulletin 1983/4, S. 27 (27). 57 Siehe Ait. XII.C IAEO-Statut und § 19 INFCIRC/153. 58 Siehe unten 10. Kapitel E. III. 59 Hasselmann , Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (294).
I). Technische Evaluierung durch das Sekretariat
233
Der Tenor des "Safeguards Statement" ist grundsätzlich in jedem Jahr identisch. So lautete es beispielsweise für das Jahr 1988: "In 1988, as in previous years, the Secretariat, in carrying out the safeguards obligations of the Agency, did not detect any event which would indicate the diversion of safeguarded nuclear material - or the misuse of facilities, equipment or non-nuclear material subject to safeguards - for the manufacture of any nuclear weapon, or of any other military purpose, or for the manufacture of any other nuclear explosive device, or for purposes unknown(ftL) It is considered reasonable to conclude that the nuclear material under Agency safeguards in 1988 remained in peaceful nuclear activities or was otherwise adequately accounted for. This Statement is based on the latest information available to the Agency, including information derived from safeguards activities conducted in the field and at Headquarters and information provided in reports submitted by States. (Fn.) In the case of voluntary offer agreements with nuclear weapon States, nuclear material to which safeguards were being applied was not withdrawn from safeguards except in conformity with these agreements."60
Auch wenn diese Feststellung keine Rückschlüsse auf die bei der Durchführung der Sicherungsmaßnahmen in einzelnen Staaten aufgetretenen Probleme enthält, so wird doch erkennbar, daß es sich nicht um eine absolute Feststellung, sondern um eine Schlußfolgerung handelt, die vor dem Hintergrund der der IAEO zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel gesehen werden soll. In den Jahren 1981 und 1982 wurde das Safeguards Statement dahingehend eingeschränkt, daß die IAEO in zwei Fällen (es handelte sich um Anlagen in Pakistan und Indien) nicht in der Lage war, Feststellungen zu treffen. In 1984 war es nicht möglich, die friedliche Verwendung einer Lieferung von Luxemburf nach Israel zu bestätigen.61
c) Bewertung der Effektivität der Sicherungsmaßnahmen
aa) Allgemeines Das "Safeguards Statement", so wie es im Jahresbericht der IAEO publiziert wird, basiert auf dem vom Sekretariat dem Gouverneursrat seit
ω 61
IAEA, Annual Report 1988, S. 9 und 54. Fischer, The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 41.
234
9. Kapitel: Die Evaluierung der Informationen
197862 jährlich vorgelegten "Safeguards Implementation Report" (SIR) der an alle Mitgliedsstaaten der IAEO versandt wird. 63 Das "Safeguards Statement" wird in diesem Bericht durch eine Bewertung der Wirksamkeit der Sicherungsmaßnahmen und eine Darstellung aufgetretener Probleme sowie erforderlicher Änderungen ergänzt.64 Doch auch dieser nicht veröffentlichten Bericht65 enthält keine detaillierten Angaben über einzelne Staaten, sondern lediglich globale Aussagen, so daß es nationalen Behörden erschwert wird, ihre Exportkontrollpolitik an den Ergebnissen der IAEOSicherungsmaßnahmen auszurichten.66
bb) Entdeckungswahrscheinlichkeit Die IAEA arbeitet mit dem Ziel einer Wahrscheinlichkeit von 95%, mit der Abzweigungen entdeckt werden sollen.67 Diese Wahrscheinlichkeit wird als ausreichend dafür erachtet* der Staatengemeinschaft die erforderliche "assurance" zu leisten und die überwachten Staaten von der Verletzung ihrer Verpflichtungen abzuschrecken.68 Die Erreichung der "inspection goals" wird in den nicht veröffentlichten Special Inspection Reports (SIR) beurteilt.69 Nicht in allen überwachten Einrichtungen werden diese so gesetzten Gewißheits-Standards erreicht. Aussagen werden hier so ermöglicht, daß im SIR der niedrigere Grad an Sicherheit mitgeteilt wird. 70 Problematisch sind insbesonder Anreicherungs-
62
Grossman , Supervision within the International Atomic Energy Agency, in: van Dijk (ed.), Supervisory Mechanisms in International Economic Organisations (1984), S. 489 (507). 0 Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 84. M IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 127, 128, 278. 65 Es wird gegenwärtig diskutiert, die SIR's zu veröffentlichen; von Baeckmann , Le Traité sur la non-proliferation (TNP) (1968), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 165 (173). 66 Hasselmann , Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (295). Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 84. 67 Grossman , Supervision within the International Atomic Energy Agency, in: van Dijk (ed.), Supervisory Mechanisms in International Economic Organisations (1984), S. 489 (501). 68 ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Agency Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 14. * Schuricht/Larrimore , Safeguarding Nuclear Cycle Facilities, IAEA-Bulletin 1988/1, S. 8 (11). 70 Schuricht/Larrimore , Safeguarding Nuclear Cycle Facilities, IAEA-Bulletin 1988/1, S. 8 (11).
I). Technische Evaluierung durch das Sekretariat
235
anlagen. Für die Verwendung von Uran in Reaktoren ist grundsätzlich eine relativ niedrige Anreicherung erforderlich. Es ist aber möglich, in einer Anreicherungsanlage Uran auch höher anzureichern, so daß es waffentauglich wird. Unter Anwendung von Zugangsbeschränkungen und begrenzten Inspektionskontingenten kann in diesen Anlagen kaum zuverlässig festgestellt werden, ob Abzweigungen vorkommen.71 Die Agentur geht heute davon aus, eine Abzweigung mit 53%iger Wahrscheinlichkeit (gegenüber noch nur 27% in 1979) feststellen zu können. Für waffenfähiges Material stieg diese Zahl von 60% in 1979 auf 71 % im Jahre 1984.72
cc) Rechtzeitigkeit Die Sicherungsmaßnahmen werden nicht nur mit dem Ziel der retrospektiven Bewertung abgeschlossener in der Vergangenheit liegender Sachverhalte durchgeführt. Aus diesem Grunde spielt der Zeitfaktor eine große Rolle bei der Erkenntnisgewinnung und Ergebnisbewertung, so daß auch die Inspektionsfrequenz berücksichtigt wird. 73 Problematisch im Hinblick auf die erforderliche Rechtzeitigkeit der Entdeckung sind vor allem Wiederaufarbeitungs- und Anreicherungsanlagen. Hier werden die besonders für die Herstellung von Kernwaffen geeigneten Materialien Plutonium und hochangereichertes Uran verarbeitet. So können in Wiederaufarbeitungsanlagen bis zu 50 kg Plutonium an einem Tat separiert werden. Die signifikante Menge bei Plutonium wird von der IAEO mit 8 kg bestimmt. Folglich wäre bei einer Entdeckungszeit von 7- 10 Tagen die kontinuierliche Anwesenheit von Inspektoren erforderlich. Hierzu wäre die IAEO aufgrund der Regelungen des § 80 b) INFCIRC/153 auch berechtigt. Aufgrund begrenzter Ressourcen und staatlicher Widerstände wird dieses Kontingent jedoch nur selten ausgeschöpft.74
71 72 73 74
Hasselmann , Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (286). Fischer , The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 42. IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 127. Hasselmann , Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (284).
236
9. Kapitel: Die Evaluierung der Informationen
E. Politische Evaluierung durch den Gouverneursrat
Nur dann, wenn die technische Bewertung der Ergebnisse der Sicherungsmaßnahmen durch das IAEO-Sekretariat ergeben hat, daß eine positive Verifikation der Verpflichtungserfüllung durch den überwachten Staat nicht möglich ist, kommt es durch Berichte des Generaldirektors zur Bewertung durch den Gouverneursrat. 75
I. Verfahren Das Verfahren, in dem der Gouverneursrat entscheidet, richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln seiner Beschlußfassung.76 Da im Gouverneursrat nicht alle Staaten vertreten sind, bestünde die Möglichkeit einer Beschlußfassung ohne Beteiligung des betroffenen Staates. Gem. § 19 INFCIRC/153 soll der Gouveneursrat "afford the State every reasonable opprtunity to furnish the Board with any necessary reassurance". Dies bedeutet, daß der Gouverneursrat dem betroffenen Staat grundsätzlich die Möglichkeit gewähren muß, den entstandenden Abzweigungsverdacht durch Gegenbeweise auszuräumen. Dies soll durch eine Einladung zu der entsprechenden Sitzung des Gouverneursrates geschehen.77 Die Staaten, die im Gouverneursrat vertreten sind, können direkt Einfluß auf die Entscheidungsfindung nehmen. Auf diese Weise fließen die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen aus anderen Quellen, etwa geheimdienstlich erlangte Anhaltspunkte für die Absicht zur Herstellung von Kernsprengkörpern in die Entscheidungsfindung mit ein.78 Der Gouverneursrat ist nicht an die Feststellungen des Sekretariats gebunden, sondern verfügt über ein eigenständiges Feststellungsrecht.79 Der Verfahrensabschnitt vor dem Gouverneursrat wird von einigen Autoren als ein rechtliches Verfahren eingeordnet. Fahl meint, daß dieses Verfahren dem Recht dort wieder Vorrang verschaffe, wo statistische Aussagen
75
Siehe oben I). II. 3. Siehe oben 2. Kapitel F. I. 2. 77 § 21 INFCIRC/153. Vgl. auch von Preuschen, IAEA-Sicherungsmaßnahmen gegen die Abzweigung von Kemmaterial für Kemsprengkörper (1983), S. 74. 78 Vgl. IAEA, Safeguards: Aims, Limitations and Achievements (1983), S. 36. 79 Vgl. § 19 INFCIRC/153, Art. III.C IAEO-Statut. 76
E. Politische Evaluierung durch den Gouverneurs rat
237
unergiebig geblieben seien.80 Aus dem an dieser Stelle notwendigen Eingehen auf konkrete politische und militärische Implikationen wird darauf geschlossen, daß es sich um eine juridische Beendigung der technischen Sicherungsüberwachung handele.81 Diese Auffassung übersieht jedoch, daß Ziel dieses Verfahrens keine rechtliche Feststellungsentscheidung über einen Verstoß gegen Art. III 1. NV-Vertrag ist, sondern eine administrativ politische Entscheidung über weitere Verfahrensschritte oder Sanktionen. Zu beachten ist auch, daß es sich bei dem entscheidenden Gremium um ein politisches Organ handelt, das sich aus weisungsgebundenen Staatenvertretern zusammensetzt. Es erscheint daher sachgerechter, diesen Verfahrensabschnitt als politisches Verfahren einzuordnen.82 Hierfür spricht neben der Besetzung des Entscheidungsorgans auch die Tatsache, daß "der Rechtsweg" gegen Entscheidungen ausdrücklich ausgeschlossen ist.83 Sofern der Gouverneursrat aufgrund der ihm vom Generaldirektor vorgelegten Informationen zu dem Ergebnis kommt, daß durch konrete Maßnahmen des betroffenen Staates die Verifikation ermöglicht werden könnte, kann er dem Staat aufgeben, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. 84 Zwar ist dies explizit nur für die Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/153 geregelt, doch dürfte aus dem für das Verfahren geltenden Verhältnismäßigkeitsprinzip85 auch für die Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 eine entsprechende Verpflichtung zur vorherigen Prüfung von Aufklärungsmöglichkeiten bestehen, bevor die Nichterfüllung des Sicherungsabkommens mit allen damit verbundenen rechtlichen und politischen Implikationen festgestellt wird.
II. Feststellungen Die Anforderungen an den Inhalt der als Voraussetzung für die Einleitung weiterer Maßnahmen zu treffenden Feststellungen differieren bei den beiden Kategorien von Sicherungsabkommen.
80
Fahl y Internationales Recht der Rüstungsbeschränkung, Bd.2, 5.1.3.6.4. Imai , Nuclear Safeguards (1972), S. 16. 82 So auch Grossman , Supervision within the International Atomic Energy Agency, in: van Dijk (ed.), Supervisory Mechanisms in International Economic Organisations (1984), S. 489 (505). 83 Vgl. § 22 INFCIRC/153. Siehe oben 4. Kapitel F. II. 3. 84 § 18 INFCIRC/153. 85 Siehe oben 4. Kapitel E. III. 8. 81
238
9. Kapitel: Die Evaluierung der Informationen
1. Nichterfüllung
des Sicherungsabkommens (INFCIRC/66/Rev.2)
Durch § 2 INFCIRC/66/Rev.2 wird auf die allgemeine Funktionsbestimmung für die von der IAEO durchgeführten Sicherungsmaßnahmen des Art. III.A.5 IAEO-Statut verwiesen.86 Daraus könnte abzuleiten sein, daß die IAEO festzustellen hätte, daß die Sicherungsmaßnahmen unterstellten Gegenstände zur Förderung militärischer Zwecke verwendet werden. Es ist aber äußerst unwahrscheinlich, daß die IAEO jemals direkt den Mißbrauch von Sicherungsmaßnahmen zu unterstellenden Gegenständen für militärische Zwecke beobachten kann.87 Wahrscheinlicher ist es vielmehr, daß sich bei der Verfahrensdurchführung Probleme ergeben, die den Schluß nahelegen, daß die Verwendung von zu überwachenden Gegenständen für verbotene Zwecke geschieht oder geschehen ist. Aus diesem Grunde reicht gem. § 18 INFCIRC/66/Rev.2 die Feststellung von "any non-compliance by a State with a safeguards agreement" als Voraussetzung für Sanktionen aus. Ein Verstoß gegen das Sicherungsabkommen im Sinne von § 18 INFCIRC/66/Rev.2 liegt somit schon dann vor, wenn ein Staat eine einfache Verfahrenspflicht nicht erfüllt. Es wäre jedoch unverhältnismäßig, etwa allein an einen verspäteten Buchungsbericht die in Art. XII.C IAEO-Statut vorgesehenen Sanktionen zu knüpfen. Daher wird § 18 INFCERC/66/Rev.2 einschränkend dahingehend auszulegen sein, daß nur erhebliche Verstöße gegen Sicherungsabkommen, die die Erfüllung des Mandats der IAEO gefährden, Feststellungen begründen können, die Sanktionen auslösen können.88
2. Non-liquet Feststellung (INFCIRC! 153) Auch für die Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/153 besteht das Problem, daß ein Nachweis eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Nichtabzweigung von Kernmaterial nur unter großen Schwierigkeiten zu führen ist.89 Ein Staat könnte schon dadurch, daß er Inspektoren der IAEO den Zugang verweigert, solche Feststellungen vereiteln. Die Anknüpfung von Sanktionsbefugnissen allein an die Feststellung von Verfahrensverstößen führt
86
Siehe oben 2. Kapitel C. Szasz, IAEA Safeguards: Sanctions, in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 135 (135). 88 Vgl. auch Szasz, IAEA Safeguards: Sanctions, in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 135 (136). 89 Fischer , The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 18. 87
E. Politische Evaluierung durch den Gouverneurs rat
239
jedoch, wie eben anhand von § 18 INFCIRC/66/Rev.2 gezeigt, zu dem Problem der Abgrenzung geringfügiger von erheblichen Verstößen. Daher knüpft § 19 INFCIRC/153 für die Sanktionierbarkeit staatlichen Verhaltens an die Nichtverifizierbarkeit der Nichtabzweigung an. Es ist somit weder die positive Feststellung einer Abzweigung noch eines Verstoßes gegen durch das Sicherungsabkommen begründete Verfahrenspflichten erforderlich, sondern der Gouverneursrat kann unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrndsatzes entsprechend der Mitwirkungslast des Staates90 entscheiden.
III. Praxis Die Feststellung von Verstößen gegen Sicherungsabkommen oder der Nichtverifizierbarkeit der Nicht-Abzweigung von Kernmaterial würde erhebliche politische Implikationen nach sich ziehen. Daher ist wohl davon auszugehen, daß der Gouverneursrat erst dann die sanktionseinleitenden Feststellungen treffen wird, wenn er positiv vom Vorliegen des Mißbrauchs für militärische Zwecke oder der Abzweigung für die Herstellung von Kernsprengkörpern überzeugt ist. So wurde eine entsprechende Feststellung im Falle der von Pakistan verweigerten Inspektionen unter Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 nicht getroffen, obwohl das Sekretariat für zwei Jahre nicht imstande war, die erforderlichen Inspektionen vorzunehmen und dem Gouverneursrat mitgeteilt hatte, daß zwei Reaktoren nicht adäquat überwacht würden.91 Erst einmal in der Geschichte der Sicherungsmaßnahmen wurde vom Gouverneursrat der IAEO festgestellt, daß ein Staat gegen seine Verpflichtungen aus einem Sicherungsabkommen verstoßen hat. Die aufgrund der Resolution 687 (1991) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen im Irak von der IAEO durchgeführten Inspektionen92 hatten ergeben, daß dieser geheime Nuklearanlagen betrieben hatte. Die relevanten Passagen der Resolution A/45/1037 des Gouverneursrates vom 18. Juli 1991 lauten wie folgt:
Siehe oben C. Hasselmann , Do we need new IAEA-Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (261); Grümm , Potential Limitations of International Safeguards, IAEA-Bulletin 1982 Suppl., S. 40 (43). 92 Siehe dazu unten 10. Kapitel C. III. 8. e). gi
240
9. Kapitel: Die Evaluierung der Informationen
"The Board of Governors,
1. Finds, on the basis of the report of the Director General in GOV/2530, that the Government of Iraq has not complied with its obligations under the safeguards agreement with the Agency (INF/172); 2. Condems this non-compliance by the Government of Iraq with its safeguards agreement; 3. (^alls upon the Government of Iraq to remedy this non-compliance fortwith, including placing any and all additional source and special fissionable material within Iraq's territory, under its jurisdiction or its control, regardless of quantity and location, under Agency safeguards in accordance with the relevant provisions of INFCIRC/172 and in accordance with the relevant technical determinations of the Agency; 4. Decides, in accordance with Article XII.C of the Statute, to report this non-compliance to all members of the Agency and to the Security Council and General Assembly of the United Nations; 5. Calls upon Iraq to cease all obstruction or interference with the International Agency inspection teams in their efforts to implement Security Council resolution 687 (1991); 6. Requests the Director-General to keep the Board and the General Conference informed of the progress in the implementation of this resolution so that they may consider appropriate action in accordance with Art. XII.C and XIX.Β of the Statute in the event of the Government of Iraq's failing to take fully corrective action; 7. Decides to inscribe an item entitled "Iraq's non-compliance with its safeguards obligations" on the agenda of the September Board of Governors and requests the Director-General to include such an item in the provisional agenda for the thirty-fifth regular session of the General Conference."
Anders als in § 19 INFCIRC/153 vorgesehen, wurde durch den Gouverneursrat der IAEO nicht die Unmöglichkeit der Verifikation der Nichtabzweigung, sondern ein Verstoß gegen das Sicherungsabkommen festgestellt, da nicht eine Abzweigung aus der zivilen Nutzung, sondern die Nichtdeklaration von den Sicherungsmaßnahmen der IAEO unterfallendem Nuklearmaterial festgestellt worden war.93 Während das Verfahrensmodell der Sicherungsmaßnahmen vorsieht, daß durch eine solche Resolution des Gouverneursrates und Berichte an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Sanktionsphase des Verfahrens der Sicherungsmaßnahmen eingeleitet wird, war diese Resolution insoweit lediglich deklaratorisch, da schon zuvor vom Sicherheitsrat Maßnahmen eingeleitet worden waren, bei denen er von der IAEO unterstützt wurde.
* Vgl. Ziffer 3 Resolution A/45/1037.
10. Kapitel
Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO A. Allgemeines
Bei der Untersuchung der möglichen Reaktionen auf nachgewiesenen oder vermuteten Mißbrauch der Kernenergie für verbotene militärische Zwecke soll es im Hinblick auf das Verfahren der Sicherungsmaßnahmen vor allem um zwei Fragestellungen gehen: Welche Reaktionen werden ausgelöst, wenn die IAEO feststellt, daß die Verifikation der Nichtabzweigung oder des Nichtmißbrauchs nicht möglich ist? Werden durch die positive Verifikation der IAEO einzelstaatliche Gegenmaßnahmen ausgeschlossen? Bevor sich im Gefolge des Golf-Krieges 1991 herausstellte, daß der Irak entgegen seinen Verpflichtungen aus dem NV-Vertrag ein geheimes Nuklearprogramm zur Herstellung von Kernwaffen betrieb, und der Sicherheitsrat die unten noch darzustellenden Maßnahmen ergriff, wurden multilaterale Sanktionen als ein lediglich akademisches Problem angesehen. Folglich fand stieß diese Frage in der wissenschaftlichen Diskussion nur auf geringes Interesse.1 Allgemein wurde lediglich darauf verwiesen, daß die IAEO in ihrer bisherigen Praxis noch keine Verstöße festgestellt habe.
1
Lediglich der frühere Leiter der Rechtsabteilung der IAEO, Paul Szasz, widmete sich dieser Frage. Siehe: IAEA-Safeguards: Sanctions, in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 133-151 m.w.N. auf frühere Arbeiten. 16 Lohmann
242
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
B. Sanktionen der IAEO I. Rechtsgrundlagen Durch das IAEO-Statut wird geregelt, welche Sanktionen die IAEO grundsätzlich gegenüber Staaten zu ergreifen berechtigt ist. Während die Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte bei hartnäckigen Verstößen gegen Abkommen zwischen der IAEO und Mitgliedsstaaten auf Vorschlag des Gouverneursrates von der Generalkonferenz mit einer Zweidrittelmehrheit der abgebenen Stimmen unmittelbar aufgrund des Statuts beschlossen werden kann,2 setzen weitere Sanktionen eine besondere Ermächtigung der IAEO in dem jeweiligen Sicherungsabkommen voraus. Im Dokument INFCIRC/66/Rev.2 ist vorgesehen, daß die IAEO die in Art. XII.A.7 und Art. XII.C des Statuts geregelten Sanktionen ergreifen kann. Durch § 19 INFCIRC/153 wird auf die in Art. XII.C IAEO-Statut geregelten Maßnahmen verwiesen.
II. Kompetenzen Multilateral koordinierte Sanktionen im Falle der Verletzung von Sicherungsabkommen werden durch den Gouverneursrat der IAEO oder durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen. Im Entwurf der C-Waffen-Konvention wird dagegen der Konferenz der Vertragsparteien eine Schlüsselrolle bei der Verhängung von Sanktionen zugedacht.3 Die Generalkonferenz der IAEO ist dann an der Verhängung von Sanktionen beteiligt, wenn der Gouverneursrat die Vorteile und Privilegien aus der Mitgliedschaft eines Staates aussetzen möchte. Bei den Verhandlungen zur Gründung der IAEO wurde gefordert, der IAEO weitreichende Sanktionsbefugisse zu geben. Die Sowjetunion sah jedoch hierin eine Beschneidung der exklusiven Kompetenzen des Sicherheitsrates, in dem sie ein Vetorecht besaß. Sie verlangte daher entweder ein Vetorecht im Gouverneursrat der IAEO oder die Verknüpfung der IAEO mit den
2 3
Ait. XIX IAEO-Statut. Vgl. Art. XII des Rolling Text, CD 1108 v. 27.8.1991.
Β. Sanktionen der IAEO
243
Sanktionsbefugnissen des Sicherheitsrates. Im Ergebnis wurden zugunsten des UN-Sicherheitsrates die Kompetenzen der IAEO beschränkt.4
III. Berichte an die Vereinten Nationen und die Mitgliedsstaaten der IAEO Durch Berichte an andere Akteure des internationalen Systems kann die IAEO externe Sanktionen auslösen. Art. XII. C IAEO-Statut, der durch Verweisung für alle Sicherungsabkommen der IAEO gilt, verpflichtet die Agentur, jede festgestellte Nichterfüllung von Sicherungsabkommen dem Sicherheitsrat und der Generalversammlung der Vereinten Nationen und den Mitgliedsstaaten der IAEO mitzuteilen.5 Aus der Formulierung der Verweisungsvorschrift des § 19 INFCIRC/153 ("it may make the reports") wird abgeleitet, daß bei den NV-Sicherungsmaßnahmen die Benachrichtigung der Vereinten Nationen fakultativ sei.6 Zwar wird dem Gouverneursrat durch diese Regelung ein Ermessen eröffnet, doch ist zu berücksichtigen, daß die IAEO gem. Art. III (2.) des UN-IAEO Relationship Agreement verpflichtet ist, jeden Fall eines Verstoßes gegen Sicherungsabkommen den Vereinten Nationen zu notifizieren. Sofern die vom Gouverneursrat der IAEO getroffene Entscheidung also die Feststellung eines Verstoßes gegen Sicherungsabkommen beinhaltet, besteht die Pflicht zur Benachrichtigung der Vereinten Nationen. Eine solche Pflicht besteht gegenüber dem Sicherheitsrat darüberhinaus in jedem Fall, wenn es sich um eine Frage handelt, die dessen Kompetenzbereich betrifft. 7 ( ì Nicht nur den Vereinten Nationen, sondern auch den Mitgliedsstaaten der IAEO sollen die Feststellungen des Gouvemeursrates gem. Art. XII.C IAEOStatut übermittelt werden. Zwar stehen im Falle von Sicherungsabkommen nach INFCIRC/153 diese Mitteilungen im Ermessen des Gouverneursrates, doch werden Mitglieder der Vereinten Nationen in jedem Falle indirekt über den der Generalversammlung der Vereinten Nationen zugestellten Bericht informiert. Sofern es sich um einen Verstoß gegen ein bilaterales Sicherungs-
4 Szasz, IAEA-Safeguards: Sanctions, in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 135 (148); Häfele , NPT Safeguards, in: SIPRI, Nuclear Proliferation Problems (1974), S. 142 (143). 5 Vgl. Punkt 4 der Resolution A/45/1037. 6 Szasz, IAEA-Safguards: Sanctions, in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 135 (138). 7 Art. III.B.4 IAEO-Statut und Ait. III. l.b) UN-IAEO Relationship Agreement.
16φ
244
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
abkommen handelt, ist die IAEO zur Benachrichtigung des Exportlandes verpflichtet. 8 Schon der Feststellung durch den Gouverneursrat, daß die IAEO die friedliche Nutzung der Kernenergie in einem Staat nicht bestätigen kann, dürfte angesichts der politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen erhebliche praktische Bedeutung zukommen.9
IV. Veröffentlichung Zwar findet sich keine Regelung der Veröffentlichung von Feststellungen des IAEO-Gouverneursrates, doch ist davon auszugehen, daß spätestens dann, wenn die erforderlichen Berichte den Vereinten Nationen zugeleitet werden, die Öffentlichkeit von den Feststellungen des Gouverneursrates Kenntnis erlangen würde.10 Angesichts der Tatsache, daß Regierungen nicht gern öffentlich des Verstoßes gegen internationale Verpflichtungen beschuldigt werden, dürfte allein diese Veröffentlichung einen erheblichen Druck auf den betroffenen Staat ausüben.
V. Aufforderung zur Korrektur Der Gouverneursrat der IAEO ist jedoch nicht auf die Feststellung eines Verstoßes gegen Sicherungsabkommen beschränkt, sondern ist gem. Art. XII.C IAEO-Statut auch berechtigt, verbindlich gegenüber dem betroffenen Staat die Korrektur der beanstandeten Vorgänge anzuordnen.11 Zwar verpflichtet Art. III.D. IAEO-Statut die Agentur dazu, in ihrer Tätigkeit die staatliche Souveränität zu beachten, die Begrenzung der völkerrechtlichen Verbindlichkeit ihrer Anordnungen im Sinne von "Empfehlungen" durch Art. V.D. IAEOStatut betrifft aber nur die Tätigkeit der General-Konferenz. 12
8 Vgl. Art. 18 des "Agreement Between the International Atomic Energy Agency, the Government of the French Republic and the Government of the Islamic Republic of Pakistan for the Application of Safeguards" vom 18. März 1976, INFCIRC/239. 9 Von Baeckmann , Le Traité sur la non-proliferation (TNP) (1968), in: Sur (ed.), La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991). 10 Szasz, IAEA-Safeguards: Sanctions, in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 135 (137). 11 Vgl. Punkt 3 Resolution A/45/1037, siehe oben 9. Kapitel E. III. 12 Dies übersieht Ipsen, der alle "aufgabenorientierten Beschlüsse", die an die Mitgliedsstaaten gerichtet sind, als rechtlich unverbindliche "Empfehlungen" qualifiziert. Ipsen, Prävention oder Reaktion? Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitsstandards im Rahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation und die Konventionen über kerntechnische Unfälle vom 26.9.1986, in: FS Fritz Fabricius (1989), S. 357 (360).
Β. Sanktionen der IAEO
245
VI. Weitergehende Sanktionen
1. Allgemeines Weitere Sanktionen der IAEO können ergriffen werden, sofern der Staat nicht innerhalb einer angemessenen Zeit eine Korrektur der beanstandeten Vorgänge vornimmt. Während Art. XII.C IAEO-Statut den Gouverneursrat dazu verpflichtet, die geforderten Mitteilungen vorzunehmen, ist ihm für die Verhängung von Sanktionen ein Ermessen eingeräumt.
2. Beendigung der Kooperation In der ersten Zeit der friedlichen Kernenergienutzung waren alle Staaten mit der Ausnahme der USA und der Sowjetunion auf die Kooperation anderer Staaten angewiesen. Die Aussetzung von nuklearen Lieferungen hätte daher einen erheblichen Eingriff in die Nuklearprogramme der meisten Staaten dargestellt. In der Zwischenzeit hat jedoch zum einen die Zahl der nuklearen Lieferländer erheblich zugenommen, zum anderen sind viele Staaten relativ unabhängig von externen Lieferungen geworden. Dies reduziert die mögliche Druckwirkung von Aussetzungen der Kooperation mit Staaten.13
a) Beendigung der Kooperation mit der Agentur Als die IAEO gegründet wurde, war geplant, ihr die Aufgabe der Gewährung nuklearer Unterstützung zuzuweisen. Während in der Anfangszeit der IAEO eigene Projekte der Agentur noch eine gewisse Rolle spielten, kommt ihnen heute kaum noch Bedeutung zu. Die in Art. XII.A.7 und XII.C. IAEO vorgesehenen Beendigung oder Aussetzung nuklearer Kooperation, mit der die Rückforderung gewährter Hilfe verbunden wäre, ist daher nur noch begrenzt als Sanktionsinstrument wirksam.
b) Anordnung der Beendigung der Kooperation durch Mitgliedsstaaten Gem. Art. XII.C IAEO-Statut kann der Gouverneursrat nicht nur die Beendigung der nuklearen Kooperation seitens der IAEO anordnen, sondern
13 Szasz, IAEA Safeguards: Sanctions, in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 135 (142).
246
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
auch von den Mitgliedsstaaten der IAEO verlangen, daß diese ihre Unterstützung einstellen oder aussetzen: "In the event of failure of the recipient State or States to take fully corrective action within a reasonable time, the Board may take one or both of the following measures: direct curtailment or suspension of assistance being provided by the Agency or by a member, and call for the return of materials and equipment made available to the recipient member or group of members."
Fraglich ist, ob der Gouverneursrat die Mitgliedsstaaten der IAEO verpflichten kann, die nukleare Kooperation mit dem betroffenen Staat auszusetzen. Für die Verbindlichkeit entsprechender Anordnungen des Gouverneursrates spricht die Verwendung des Wortes "direct". Es wird jedoch geltend gemacht, daß sich im IAEO-Statut keine den Art. 25 und 48 der UNCharta entsprechenden Vorschriften finden, die die Mitgliedsstaaten ausdrücklich zur Befolgung der Beschlüsse des Gouverneursrates verpflichten. Eine Anordnung des Gouverneursrates könne daher die Mitgliedsstaaten lediglich ermächtigen, entgegen vertraglichen Verpflichtungen Lieferungen auszusetzen.14 Für die Verbindlichkeit entsprechender Anordnungen des Gouverneursrates spricht jedoch, daß im IAEO-Statut für unverbindliche Maßnahmen die Formulierung "recommandation" verwandt wird. 15 Auch für die Anordnungen des Gouvemeursrates gegenüber dem Staat, in dem die Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, fehlt es an einer besonderen Vorschrift im IAEO-Statut, die zur Befolgung verpflichtet. Es ist daher davon auszugehen, daß die Mitgliedsstaaten der IAEO Anordnungen des Gouverneursrates zur Kürzung oder Aussetzung nuklearer Kooperation zu befolgen haben. Die Verwendung des Begriffs "assistance" könnte dahingehend verstanden werden, daß die vorzunehmenden Beschränkungen nur nicht-kommerzielle Lieferungen betreffen. Dieser Wortlaut ist jedoch historisch zu erklären. Als die IAEO gegründet wurde, waren Gegenstände der friedlichen Kernenergienutzung ausschließlich staatlich bewirtschaftet, so daß rein kommerzielle Kontrakte nicht vorhergesehen wurden.16 Daher ist dieser Begriff heute teleologisch so auszulegen, daß sämtliche Transaktionen nuklearer Art erfaßt werden. Dies bedeutet, daß die Mitgliedsstaaten der IAEO aufgrund einer Anordnung des Gouverneursrates gegebenfalls verpflichtet sind, durch
14 Szasz, IAEA Safeguards: Sanctions, in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 135 (143). 15 Vgl. Art. V.D IAEO-Statut. 16 Szasz, IAEA safeguards: Sanctions, in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 135 (143).
Β. Sanktionen der IAEO
247
geeignete Exportkontrollen sicherzustellen, daß keine nuklearen Gegenstände mehr in den betreffenden Staat geliefert werden. Im Falle des Irak verzichtete der IAEO-Gouverneursrat allerdings auf Anordnungen gegenüber den nuklearen Lieferländern. 17 Diese wären ohnehin nur deklaratorisch gewesen, da zuvor schon vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Exportverbote ausgesprochen worden waren.18
3. Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte Auf Vorschlag des Gouverneursrates kann die Generalversammlung der Agentur mit Zweidrittelmehrheit die Mitgliedschaftsrechte eines Staates aussetzen.19 Für die Verhängung dieser Sanktion ist es erforderlich, daß die Bestimmungen des Sicherungsabkommens hartnäckig verletzt worden sind.20 Implizit wurde die Verhängung dieser Sanktion dem Irak angedroht, indem der Gouverneursrat der Generalversammlung der IAEO die Verletzung des Sicherungsabkommens vorlegte.21 Der Ausschluß eines Mitglieds aus der IAEO ist im IAEO-Statut nicht vorgesehen. 4. Nichtanwendung
von Sicherungsmaßnahmen
Auf den ersten Blick mag es paradox erscheinen, die Aussetzung von Sicherungsmaßnahmen als Sanktion anzusehen. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß sehr viele nukleare Kooperationsabkommen die Anwendung von IAEOSicherungsmaßnahmen zur Bedingung für Lieferungen machen. Sofern die IAEO keine Sicherungsmaßnahmen mehr durchführt und ein adäquater Ersatz nicht möglich ist, werden Lieferländer von ihren vertraglichen Verpflichtungen frei. Vorgesehen ist die Aussetzung von Sicherungsmaßnahmen lediglich in einigen Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2. Sofern allerdings die Verfahrensdurchführung wegen obstruierenden Verhaltens eines Staates nicht mehr möglich ist, besteht auch nach allgemeinen völkerrechtlichen Regeln22
17 18 19 20 21 22
Vgl. Resolution A/45/1037. Siehe unten C. III. 3. Art. XII.C, XIX.B IAEO-Statut. Art. XIX.B IAEO-Statut. Siehe Punkt 7 Resolution A/45/1037. Vgl. Art. 60 Wiener Vertragsrechtskonvention.
248
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
die Möglichkeit, seitens der IAEO die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen auszusetzen.23
C. Sanktionen der Vereinten Nationen Ergänzt werden die der IAEO möglichen Reaktionen auf Verstöße gegen Sicherungsabkommen durch die in der Charta vorgesehenen Kompetenzen der Vereinten Nationen. I. Rechtsgrundlagen
7. Sicherheitsrat Der Sicherheitsrat könnte zunächst nach Kapitel VI der UN-Charta die Sache als "Situation, die zu internationalen Reibungen führen oder eine Streitigkeit hervorrufen könnte,"24 untersuchen und "Verfahren und Methoden für deren Regelung empfehlen". 25 Sofern allerdings Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta ergriffen werden sollen, müssen die Voraussetzungen des Art. 39 UN-Charta erfüllt sein. Der Sicherheitsrat müßte feststellen, daß in einer Verletzung eines Sicherungsabkommens mit der IAEO, die zur Nichtverifizierbarkeit der Nichtabzweigung oder des Nichtmißbrauchs von Kernenergie durch die IAEO führt, eine Friedensbedrohung im Sinne des Art. 39 UN-Charta26 liegt. Der Sicherheitsrat hat diesen Begriff in seiner Praxis weit ausgelegt.27 Daß für derartige Feststellungen nicht unmittelbare Auswirkungen auf andere Staaten
23 Szasz, IAEA Safeguards: Sanctions, in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985),S. 135 (147). 24 Art. 34 UN-Charta. 25 Art. 36 UN-Charta. Vgl. hierzu Beyerlin , Sanktionen, in: Wolfram, Handbuch der Vereinten Nationen (1991), S. 721 (724). 26 Vgl. zur Auslegungsbedürftigkeit dieses Begriffes schon Kelsen, The Law of the United Nations: A Critical Analysis of Its Fundamental Problems (1951), S. 729-731. 27 Vgl. hierzu Arntz , Der Begriff der Friedensbedrohung in Satzung und Praxis der Vereinten Nationen (1975), S. 77-111.
C. Sanktionen der Vereinten Nationen
249
gefordert werden, wird durch die Resolutionen gegen Rhodesien28 und gegen Südafrika 29 verdeutlicht. Eine Friedensbedrohung soll im Falle schwerer Völkerrechtsverletzungen, die bewaffnete Gegenmaßnahmen auslösen können, vorliegen, wobei es auf deren Rechtmäßigkeit nicht ankommen soll.30 Da die Verletzung% eines Sicherungsabkommens militärische Reaktionen provozieren kann, wird man hierin eine Friedensbedrohung sehen können. Angesichts der Notwendigkeit einer ausdrücklichen Feststellung der Friedensbedrohung durch den Sicherheitsrat31 kommt es für die praktische Durchführung dieser Bestimmung insbesondere darauf an, wie dessen ständige Mitglieder eine solche Situation bewerten. Sofern der Sicherheitsrat im Falle einer Verletzung von Sicherungsabkommen gem. Art. 39 UN-Charta eine Gefahrsituation für den Frieden feststellt, sind zunächst die in Art. 41 UN-Charta vorgesehenen ökonomischen und sonstigen gewaltlosen Sanktionen und bei deren Unzulänglichkeit militärische Aktionen nach Art. 42 UN-Charta möglich. Entsprechende Resolutionen des Sicherheitsrates sind für die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen bindend.32
2. Generalversammlung Die Zuständigkeit der Generalversammlung ist gem. Art. 12 UN-Charta in friedensbedrohenden Situationen lediglich eine subsidiäre. Durch die "Unitingfor-Peace" Resolution vom 3.11.1950 wurden Verfahrensregelungen zur Beschleunigung der Befassung der Generalversammlung mit friedensbedrohenden Situationen im Falle der Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrates geschaffen. 33 Die Beschränkung der Kompetenz der Generalversammlung auf die Annahme von Empfehlungen 34 bleibt hiervon jedoch unberührt. Entspre-
28 Resolution 232 (1966) vom 16.12.1966, Resolution 253 (1968) vom 29.5.1968 und Resolution 460 (1979) vom 21.12.1979. Vgl. hierzu Fawcett, Security Council Resolutions on Rhodesia, BYIL (1965/66), S. 103 ff.; Hasse, Wirtschaftliche Sanktionen als Mittel der Außenpolitik. Das Rhodesien-Embargo (1977). 29 Resolution 418 (1977) vom 4. 11.1977. Siehe hierzu eingehend Johnson, Sanctions and South Africa, HILJ 1978, S. 887 ff.. 30 Siehe Frowein, zu Art. 39, Rn. 21, in: Simma, Charta der Vereinten Nationen (1991). 31 Siehe Frowein, zu Art. 39, Rn. 24, in: Simma, Charta der Vereinten Nationen (1991). 32 Art. 25, 48 IJN-Charta. Vgl. hierzu Suy y Some Legal Questions Concerning the Security Council, in: FS Schlochauer (1981), S. 684 ff. 33 Vgl. Bothe, nach Art. 38, Rn. 4, in: Simma, Charta der Vereinten Nationen (1991). 34
Art. 10 UN-Charta.
250
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
chende Resolutionen der Generalversammlung35 allein können Staaten weder zu Maßnahmen gegen einen Staat verpflichten noch berechtigen.36
II. Keine Bindung an Entscheidungen der IAEO Die Möglichkeiten des UN-Sicherheitsrates, Verstöße gegen Sicherungsabkommen zu sanktionieren, bestimmen sich nach der UN-Charta. Er ist dabei nicht an die Entscheidungen der IAEO gebunden. So steht es dem Sicherheitsrat frei, von einer Abzweigung von Kernmaterial auch dann auszugehen, wenn die IAEO keine Feststellungen nach Art. XII.C IAEO-Statut getroffen hat. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die IAEO und die Vereinten Nationen unkoordiniert agieren. Oben wurden schon die Verpflichtungen der IAEO, Berichte an Sicherheitsrat und Generalversammlung der Vereinten Nationen zu liefern, dargestellt.37 Die IAEO soll ihre Aktivitäten an den Zielen der Vereinten Nationen ausrichten38 und mit ihnen kooperieren.39
III. Maßnahmen des Sicherheitsrates
1. Allgemeines Bis zum Beginn der Umgestaltungen in der Sowjetunion war der Sicherheitsrat wegen des Ost-West-Gegensatzes nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. 40 Aus diesem Grunde wurde die praktische Relevanz von Maßnahmen des Sicherheitsrates im Zusammenhang mit Sicherungsmaßnahmen bis zum Golfkrieg 1990/91 für gering erachtet.41 Mit den vom Sicherheitsrat gegenüber Irak ergriffenen Maßnahmen, die auch unmittelbar die nuklearen
35 Zu einer Empfehlung von Zwangsmaßnahmen seitens der Generalversammlung ist es bislang nicht gekommen. 36 VerdrosstSimma, Universelles Völkerrecht (1984), § 246; Szasz, IAEA Safeguards: Sanctions, in: Fischer: Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 135 (149). 37 Siehe oben: 2. Kapitel G. I. 2. 38 Art. III.B.l IAEO-Statut. 3g Art. XVI.B.2 IAEO-Statut. 40 Bothe, nach Art. 38, Rn. 2, in: Simma, Charta der Vereinten Nationen (1991). 41 Siehe Szasz, IAEA Safeguards: Sanctions in: Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical (1985), S. 135 (148).
C. Sanktionen der Vereinten Nationen
251
Aktivitäten dieses Landes betreffen, wurde diese bislang theoretische Option Realität.42 Daher wird sich die Darstellung an diesem bislang einzigartigen Fall orientieren. Art. 39 UN-Charta, der den Sicherheitsrat ermächtigt, Maßnahmen zu treffen, "um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen" wurde hier vom Sicherheitsrat sehr weit ausgelegt.43
2. Auslösung der Maßnahmen gegenüber Irak Nach dem Sanktionsmodell der Sicherungsmaßnahmen werden Maßnahmen der Vereinten Nationen gegen Staaten durch Berichte des Gouverneursrates der IAEO an den Sicherheitsrat ausgelöst. Im Falle des Iraks wurde die grundlegende Resolution 687 (1991) vom Sicherheitsrat schon am 3. April 1991 verabschiedet, während der in Art. XII.C des IAEO-Statuts vorgesehene Bericht des Gouverneursrates der IAEO an den Sicherheitsrat44 erst am 19. Juli 1991 erfolgte. Daher handelt es sich bei den Maßnahmen des Sicherheitsrates bezüglich der nuklearen Aktivitäten des Irak nicht um Sanktionen aufgrund von Sicherungsmaßnahmen im eigentlichen Sinne. Ausgelöst wurden die Maßnahmen des Sicherheitsrates durch "über Mitgliedsstaaten vorliegende Berichte, wonach Irak versucht hat, Material für ein Kernwaffenprogramm zu erwerben, unter Zuwiderhandlung gegen seine Verpflichtungen nach dem Vertrag vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen" 45. Durch den Sicherheitsrat wurde später dann die vom Gouverneursrat der IAEO festgestellte Verletzung des Sicherungsabkommens in einer Resolution bestätigt und festgestellt, daß hierin auch ein Verstoß gegen den NV-Vertrag liege.46
42
Vgl. allgemein zu den Maßnahmen des Sicherheitsrates gegenüber dem Irak: Green , The Gulf "War", the UN and the Law of Armed Conflict, ArchVR 1990, S. 369-405; Pyrich, United Nations, Authorizations of Use of Force - Security Council Resolution 665 and Security Council Resolution 678, HJIL 1991, S. 265-274; ClarklMatthews, Iraq/Kuwait Economic Sanctions: Trade Relations on a War Footing, International Lawyer 1991, S. 391-414; Yoxall , Iraq and Art. 51: A Correct Use of a Limited Authority, International Lawyer 1991, S. 967-994; Rostow , Until What? Enforcement Action or Collective Self-Defense? AJIL 1991, S. 506-516; Weston , Security Council Resolution 678 and Persian Gulf Decision Making: Precarious Legitimacy, AJIL 1991, S. 516-535; FrancklPatel , UN Police Action in Lieu of War: "The Old Order Changeth", AJIL 1991, S. 63-74. 43 Vgl. Schachter , United Nations Law in the Gulf Conflict, AJIL 1991, S. 482 (467). 44 S/22812 v. 19.7.1991. 45 Präambel der Resolution 687 (1991). 46 Ziffer 2 Resolution 707 (1991).
252
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
3. Rechtsgrundlagen des Sanktionsregimes Schon aufgrund der Resolution 661 (1990) vom 6. August 1990 waren die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verpflichtet, Nuklearexporte in den Irak zu unterbinden. Die wichtigsten bezüglich des irakischen Nuklearprogramms des Irak vom Sicherheitsrat ergriffenen Entscheidungen finden sich in der Resolution 687 (1991) vom 3. April 1991. Ergänzt und konkretisiert wurden die in dieser Resolution enthaltenen Regelungen durch die Resolutionen 699 und 700 (1991) vom 17. Juni 1991, die Resolution 707 (1991) vom 15. August 1991 und die Resolution 715 (1991) vom 11. Oktober 1991.47 Die Einzelheiten der Kontrollen wurden zunächst durch einen Schriftwechsel zwischen dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und der irakischen Regierung (6./17. Mai 1991) vereinbart. Eine Ergänzung erfolgte dann durch den Plan,48 den der Generaldirektor der IAEO entsprechend Ziffer 13 der Resolution 687 (1991) am 20. September 1991 dem Sicherheitsrat vorlegte und der durch die Annahme seitens des Sicherheitsrates verbindlich wurde.49 Zwar ist ebenso wie der NV-Vertrag das Sicherungsabkommen zwischen der IAEO und dem Irak weiterhin in Kraft, 50 doch werden die erweiterten Inspektionsrechte der IAEO nicht auf die §§ 73, 77 des Sicherungsabkommens51 gestützt, sondern auf die Anordnungen des Sicherheitsrates.
4. Verpflichtungen des Irak zur Unterlassung bestimmter nuklearer Aktivitäten Gem. Ziffer 12 der Resolution 687 (1991) hat der Sicherheitsrat beschlossen, "daß Irak bedingungslos zustimmen muß, Kernwaffen oder kemwaffenfähiges Material oder Subsysteme oder Komponenten oder damit zusammenhängende Forschungs-, Entwicklungs-, l.Jnterstützungs- oder Produktionseinrichtungen weder zu erwerben noch zu entwickeln"
47 Vgl. hierzu Chauvistré , Bomben auf Atomanlagen sind kein anerkanntes Mittel der Politik Kann die Wiener Energiebehörde IAEO die Produktion und Weitergabe von Nuklearwaffen verhindern? Frankfurter Rundschau vom 1.4.1992, S. 15; Krause, Die Kontrolle der irakischen Rüstung durch Vereinte Nationen und IAEA (1992). 48 S/22872/Rev.l. 49 Ziffer 1 Resolution 715 (1991). 50 Vgl. Ziffer 5 Resolution 707 (1991). 51 Vgl. zu den hiemach möglichen Sonderinspektionen oben 8. Kapitel 2.3.
C. Sanktionen der Vereinten Nationen
253
Damit werden teilweise lediglich bestehende Verpflichtungen des Irak bekräftigt. Dieser ist schon aufgrund des NV-Vertrages verpflichtet, keine Kernwaffen zu erwerben oder zu entwickeln.52 Über Art. II NV-Vertrag hinaus geht allerdings die Verpflichtung des Irak, kein kemwaffenfähiges Material und für die Herstellung von Kernwaffen geeignete Gegenstände zu erwerben oder zu entwickeln. Während es für die Zulässigkeit von nuklearen Aktivitäten nach Art. II NV-Vertrag auf den damit verfolgten Zweck ankommt, stellt der Sicherheitsrat auf die Eignung für Kernwaffen ab, wodurch eine erhebliche Ausweitung des Verbots vorgenommen wird. Da maßgeblich nicht der verfolgte Zweck, sondern die Eignung für die Entwicklung von Kernwaffen ist, ist es dem Irak insbesondere untersagt, die Wiederaufarbeitung und Anreicherung von Kernmaterial zu betreiben.53 Dem Irak ist der Besitz "kernwaffenfähigen Materials" untersagt. Eine Definition wurde vom Sicherheitsrat nicht vorgenommen. Da die IAEO mit der Überwachung betraut wurde, wird die von ihr bislang verwandte Definition verwendet werden können.54 Danach handelt es sich um solches Nuklearmaterial, 55 das für die Herstellung von Kernsprengkörpern ohne weitere Anreicherung oder Umwandlung verwendet werden kann. Dies ist der Fall bei Plutonium, das weniger als 80% Plutonium-238 enthält, hochangereichertem Uran (HEU)56 und Uran-233. Mischoxide (MOX) und Plutonium in abgebrannten Brennstäben fallen grundsätzlich ebenfalls in diese Kategorie. In Anbetracht der Tatsache, daß Irak die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen untersagt ist, soll jedoch der Besitz von Plutonium in abgebrannten Brennstäben zulässig sein.57 Der Irak erfüllte die Resolution 687 (1991) nur unvollständig und verspätet. Daher wurde eine befristete Erweiterung des Verbots nuklearer Aktivitäten vorgenommen. Sie ist enthalten in Ziffer 3 vi) der Resolution 707 (1991), wonach der Sicherheitsrat von Irak verlangt, daß er "sämtliche wie auch immer gearteten Nuklearaktivitäten, mit Ausnahme des Einsatzes von Isotopen für medizinische, landwirtschaftliche oder industrielle Zwecke, so lange einstellt, bis der Sicherheitsrat feststellt, daß Irak diese Resolution und die Ziffern 12 und 13 der Resolution 687 (1991) uneingeschränkt befolgt, und bis die IAEO feststellt, daß Irak daß
52
Vgl. Art. II NV-Vertrag. S/22872, S. 5. 54 Vgl. IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 49. 55 Zur Definition dieses Begriffs siehe oben 5. Kapitel C. III. 1. 56 Dies ist Uran, das zu mehr als 20% mit Uran 235 angereichert ist. Siehe IAEA, Safeguards Glossary (1987), Nr. 43. 57 S/22872, S. 5. 53
254
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
mit ihr geschlossene Abkommen betreffend die Kernmaterialüberwachung 58 uneingeschränkt einhält".
Fraglich ist, ob die unbefristete Verpflichtung des Iraks, keine Gegenstände zu erwerben oder zu entwickeln, die für die Herstellung von Kernwaffen geeignet sind, einschränkend auszulegen ist. Zwar ist diese Verpflichtung angesichts der politischen Lage im Irak und unter Nichtverbreitungsgesichtspunkten sicherlich zu begrüßen, doch ist zu beachten, daß wegen der Unmöglichkeit der ojektiven Unterscheidung rein ziviler von militärisch nutzbaren nuklearen Gegenständen nach dem Wortlaut ein friedliches Kernenergieprogramm nicht mehr möglich wäre. Während die Erweiterung des Verbots auf sämtliche nuklearen Aktivitäten mit der aufschiebenden Bedingung der Kooperation Iraks befristet wurde, ist für die Verpflichtung zur Unterlassung aller "kemwaffentauglichen" Aktivitäten kein Beendigungsgrund vorgesehen. Ein gegen den Irak gerichtetes "ewiges" Verbot der Nutzung der Kernergie etwa für die Stromerzeugung wäre sicher unverhältnismäßig. Deshalb steht das in Ziffer 12 Resolution 687 geregelte Verbot nicht der Verschaffung solcher "dual-use items" entgegen, die für die für die Vornahme der zulässigen Nuklearaktivitäten erforderlich sind.59
5. Verpflichtung des Irak zur Unterstellung sämtlichen waffentauglichen Nuklearmaterials unter die ausschließliche Kontrolle der IAEO zur Verwahrung und Beseitigung Durch Ziffer 12 der Resolution 687 (1991) wurde der Irak verpflichtet, "sein gesamtes kernwaffenfähiges Material zur Verwahrung und Beseitigung der ausschließlichen Kontrolle der IAEO zu unterstellen". Später stellte der Sicherheitsrat fest, "daß Irak keinerlei Eigentumsrechte an den gemäß Ziffer 12 der Resolution 687 (1991) zu vernichtenden, zu beseitigen oder unschädlich zu machenden Gegenständen verbleiben".60 Die IAEO ist gem. Art. III.B.2 ihres Statuts berechtigt, die Kontrolle über Nuklearmaterial zu übernehmen, um zu gewährleisten, daß dieses Material nur für friedlichen Zwecke verwandt wird. 61
58
Gemeint ist das Sicherungsabkommen aufgrund des NV-Vertrages. Vgl. INFCIRC/172. * Vgl. S/22872, S. 6. * Ziffer 4 Resolution 707 (1991). 61 Bei ihrer Gründung war beabsichtigt, der IAEO in weit größerem Ausmaß als dies später geschah, die direkte Kontrolle über Nuklearmaterialien einzuräumen. Vgl. Art. IX IAEO-Statut.
C. Sanktionen der Vereinten Nationen
255
6. Verpflichtung des Irak zur Duldung der Vernichtung sämtlicher zur Herstellung von Kernwaffen geeigneter Gegenstände Zwar wurden die neben dem Kernmaterial für die Herstellung von Kernwaffen geeigneten Gegenstände nicht der ausschließlichen Kontrolle der IAEO überstellt, doch der Irak wurde auch bezüglich dieser Gegenstände verpflichtet, "die Vernichtung, Beseitigung oder gegebenenfalls Unschädlichmachung" zu akzeptieren.62 Auch bezüglich dieser Gegenstände stellte der Sicherheitsrat später fest, daß dem Irak an ihnen kein Eigentum verbleibt.63
7. Verpflichtung anderer Staaten, jegliche nukleare Unterstützung des Irak zu verhindern Schon durch die Resolution 661 vom 6. August 1990 wurden die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen zum Abbruch sämtlicher Wirtschaftsbeziehungen mit dem Irak verpflichtet. 64 Durch Ziffer 24 der Resolution 687 (1991) wird diese Verpflichtung der Mitgliedsstaaten noch einmal bekräftigt und durch eine eigenständige Verpflichtung zur Verhinderung von Exporten oder Transporten von nuklearen Gegenständen in den Irak ergänzt. Die Mitgliedsstaaten werden weiterhin verpflichtet, Technologietransfers und personelle Unterstützungen des Irak im Nuklearbereich zu verhindern. Die in Ziffer 24 generell ausgesprochenen Kontrollverpflichtungen werden durch stetig zu aktualisierende Richtlinien65 konkretisiert. 66 Sowohl die Mitgliedsstaaten als auch internationale Organisationen werden aufgefordert, die erforderlichen Implementationsmaßnahmen zur Umsetzung der Kontrollverpflichtungen zu ergreifen 67 und hierüber dem Generalsekretär zu berichten.68 Die für die Kernwaffenherstellung geeigneten Gegenstände werden gem. Ziffer 28 von der, vorgesehenen regelmäßigen Überprüfung der Boykottmaßnahmen ausgenommen. Zur Umsetzung der Maßnahmen im Irak werden die Mitglieds-
62
Ziffer 12 Resolution 687 (1991). * Ziffer 4 Resolution 707 (1991). 64 Vgl. hierzu Bothe, Die Golfkrise und die Vereinten Nationen, Demokratie und Recht 1991, S. 2 (6 f.). 65 Anlage zum Bericht des Generalsekretärs vom 2. Juni 1991 (S/22660). 66 Ziffer 26 Resolution 687 (1991). 67 Ziffer 27 Resolution 687 (1991). 61 Ziffer 4 Resolution 700 (1991).
256
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
Staaten gebeten, finanzielle oder materielle Unterstützungsleistungen zu gewähren.69
8. Verfahrensregelungen a) Allgemeines Schon durch die Resolution 687 (1991) wurden dem Irak Verpflichtungen zur Deklaration nuklearer Aktivitäten und zur Duldung von Inspektionen auferlegt. Die Einzelheiten wurden in einem Schriftwechsel zwischen dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Irak festgelegt. Mangelnde Kooperation seitens des Irak führte zu weiteren Regelungen in den Resolutionen70 des Sicherheitsrates. Schließlich wurde durch die Resolution 715 (1991) der schon in Ziffer 13 der Resolution 687 (1991) vorgesehene Plan des Generaldirektors der IAEO71 angenommen. Hierdurch wird das Verfahren der Überwachung der Erfüllung der besonderen Verpflichtungen des Irak umfassend geregelt. Die Kosten der aufgrund der Beschlüsse des Sicherheitsrates durchgeführten Kontrollen werden dem Irak auferlegt. 72
b) Mandat Während das Kontrollmandat der IAEO bezüglich des NV-Vertrages nur auf einen Teilbereich der von den Staaten in diesem Vertrag übernommenen Verpflichtungen beschränkt ist,73 wurde für die Überwachung der besonderen Verpflichtungen des Irak ein umfassendes Mandat begründet. Zudem ist die Aufgabe der IAEO nicht darauf beschränkt, das Nichtvorkommen von Verstößen festzustellen, sondern sie soll positiv feststellen, daß der Irak seine Verpflichtungen erfüllt. 74 Weiterhin ist sie nicht auf eine Überwachung des irakischen Vorgehens beschränkt, sondern sie soll über das kernwaffenfähige Nuklearmaterial des Irak die ausschließliche Sachherrschaft übernehmen.75
* Ziffer 4 Resolution 699 (1991) und Ziffer 6 Resolution 715 (1991). 70 Vgl. 699 (1991) und 707 (1991). 71 S/22872/Rev.l. 72 Ziffer 4 Resolution 699 (1991). 73 Siehe oben 3. Kapitel Β. IV. 5. 74 Vgl. Ziffern 12, 13 Resolution 687 (1991). 75 Ziffer 12 Resolution 687 (1991).
C. Sanktionen der Vereinten Nationen
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Die Nutzung und der Import von nuklearen Gegenständen für nach den Resolutionen 687 und 707 (1991) zulässige nukleare Aktivitäten untersteht einem Gehmigungsvorbehalt.76 Für die Genehmigungserteilung sind der Generaldirektor der IAEO, die Sonderkommission der Vereinten Nationen und der gem. § 6 Resolution 661 (1991) geschaffene Sanktionsausschuß zuständig. Sofern der Sicherheitsrat feststellt, daß Irak seinen Verpflichtungen aus den Resolutionen 687 und 707 (1991) nachkommt, und die IAEO die Erfüllung des Sicherungsabkommens aufgrund des NV-Vertrages feststellt, kann Irak in dem durch die Resolution 687 (1991) gesteckten Rahmen wieder nukleare Aktivitäten aufnehmen. Aber auch dieses Recht untersteht einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Erst nach einer ausdrücklichen Genehmigung durch den Sicherheitsrat darf Irak nukleare Aktivitäten aufnehmen.77
c) Anwendungsbereich der Kontrollen Das bereits bestehende Kontrollrecht der IAEO aufgrund des Sicherungsabkommens ist auf das dort festgelegte Nuklearmaterial beschränkt.78 Durch Ziffer 12 der Resolution 687 (1991) wurden zunächst sämtliche für die Kernwaffenherstellung geeigneten Gegenstände einschließlich des waffentauglichen Materials der Kontrolle der IAEO unterworfen. Mit Ziffer. 3 i) der Resolution 707 (1991) wurde eine Erweiterung auf alle sonstigen Nuklearaktivitäten vorgenommen. Der vom Sicherheitsrat genehmigte Plan sieht vor, daß sämtliches Nuklearmaterial und auch alle Einrichtungen und Ausrüstungsgegenstände sowie nicht-nukleare Materialien, die nach Ansicht der IAEO relevant sind, den Kontrollen unterfallen. 79
d) Mitteilungspflichten des Irak Durch Ziffer 12 der Resolution 687 (1991) wurde Irak zunächst verpflichtet, "dem Generalsekretär und dem Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation innerhalb von fünfzehn Tagen nach Verabschiedung
76 77 78 79
Ziffer 25 und 26 S/22872/Rev.l. Ziffer 27 S/22872/Rev. 1. Siehe oben 5. Kapitel C. S/22872, S. 6.
17 Lohmann
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10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
dieser Resolution eine Deklaration der Standorte, Mengen und Arten sämtlicher oben aufgeführter Gegenstände80 vorzulegen". Soweit der Irak aufgrund seines mit der IAEO abgeschlossenen Sicherungsabkommens81 Nuklearmaterial melden muß, ist die Verpflichtung, das kernwaffenfähige Nuklearmaterial der IAEO zu melden, deklaratorisch. Neue Pflichten des Irak werden jedoch dadurch begründet, daß sich die durch die Resolution des Sicherheitsrates begründete Meldepflicht auf sämtliches kernwaffenfähige Material erstreckt, somit anders als die Sicherungsabkommen keine Ausnahmen vorsieht.82 Auch die Verpflichtung zur Deklaration sämtlicher Forschungs-, Entwicklungs-, Unterstützungs- oder Produktionseinrichtungen und Komponenten geht weit über die aufgrund der Sicherungsabkommen bestehenden Meldepflichten hinaus, da diese grundsätzlich erst mit der Einbringung von Nuklearmaterial in solche Anlagen entstehen.83 Die von Irak vorzunehmenden Notifikationen von nuklearen Gegenständen waren unvollständig. Der Irak machte geltend, daß bestimmte Einrichtungen nicht Zwecken im Zusammenhang mit der Herstellung kernwaffenfähigen Materials dienten. Gem. Ziffer 12 Resolution (687) 1991 kommt es jedoch auf die Eignung und nicht auf den Zweck an, wie der Sicherheitsrat in einer späteren Resolution ausdrücklich feststellte. 84 Die Verpflichtung des Irak zur Deklaration nuklearer Aktivitäten wurde schließlich auf "alle sonstigen Nuklearprogramme" ausgedehnt.85 Ergänzend wurde der Irak verpflichtet, alle Fragen der Sonderkommission, der IAEO und ihrer Inspektionsgruppen umgehend und vollständig zu beantworten.86 Weitere Informationspflichten wurden dem Irak durch den Plan des Generaldirektors der IAEO auferlegt. Irak wurde verpflichtet, bis zum 12. November 1991 der IAEO Inventare sämtlichen Nuklearmaterials, sämtlicher Einrichtungen, in denen nukleare Aktivitäten durchgeführt werden können, und weiterer nuklearer Gegenstände vorzulegen und kontinuierlich zu aktualisieren.87 Zusätzlich sind alle Programme für nukleare Aktivitäten in den
80
Dies bezieht sich auf die Gegenstände, deren Erwerb und Entwicklung dem Irak untersagt und die unschädlich gemacht werden sollen. Vgl. oben C. III. 4. - 6. 81 INFCIRC/172. 82 Vgl. oben 5. Kapitel C. II. 6. - 8. 83 Siehe oben 6. Kapitel I). II. 84 Präambel Resolution 707 (1991). 83 Ziffer 3 i) Resolution 707 (1991). 86 Ziffer 3. ix) Resolution 707 (1991). 87 Siehe Annex 2, S/22872/Rev. 1.
C. Sanktionen der Vereinten Nationen
259
nächsten Jahren und ein Inventar aller Einrichtungen, deren Stromverbrauch eine bestimmte Grenze übersteigt, mitzuteilen.88 Sobald das durch die Resolution 707 (1991) ausgesprochene Verbot nuklearer Aktivitäten aufgehoben wird, darf der Irak wieder Nuklearanlagen betreiben. In diesem Fall sind vollständige Angaben über die Auslegung einer Anlage 180 Tage vor dem Baubeginn mitzuteilen.89 Im- und Exporte von nuklearen Gegenständen sind im voraus der IAEO mitzuteilen.90 Die Informationslieferungspflichten wurden gegenüber dem Sicherungsabkommen91 somit erheblich erweitert. e) Pflicht zur Duldung von Inspektionen Auch die Inspektionsrechte der LAEO wurden gegenüber den durch das Sicherungsabkommen gewährten erheblich ausgedehnt. Während diese die IAEO nur zu zeitlich, örtlich, funktional und persönlich beschränkten Inspektionen berechtigen,92 unterliegt das Inspektionsrecht der IAEO im Irak nunmehr grundsätzlich keinen Beschränkungen mehr.93 In der Resolution 687 (1991) wurde mit Ausnahme des Designierungsrechts bezüglich zusätzlicher Orte durch die Sonderkommission keine Regelung der Inspektionsmodalitäten getroffen. Durch einen Schriftwechsel zwischen dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und der irakischen Regierung vom 6./17. Mai 1991 wurden die Einzelheiten geregelt.94 Da die Inspektionstätigkeit der IAEO und der Sonderkommission vom Irak nach Möglichkeit behindert wurde,95 erfolgte in der Resolution 707 (1991) vom 15. August 1991 die Verpflichtung des Irak, der Sonderkommission und der IAEO "bedingungslosen und ununeingeschränkten Zugang zu ausnahmslos allen Gebieten, allen Einrichtungen, allem Gerät, allen Unterlagen und allen
88
Ziffer 22 S/22872/Rev. 1. Ziffer 23 a) S/22872/Rev. 1. 90 Ziffer 23 b) S/22872/Rev. 1. 91 Siehe oben 6. Kapitel. 92 Siehe oben 8. Kapitel E. ® Vgl. die umfassenden Regelungen in Ziffern 31 und 32 S/22871/Rev. 1. 94 Vgl. Ziffer 31 S/22872/Rev. 1. 95 Vgl. hierzu die Berichte des Generalsekretärs vom 26.6.1991 (S/22739), 28.6.1991 (S/22743) und 4.7.1991 (S/22761). 89
17»
260
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
Transportmitteln" zu gewähren, die diese zu inspizieren wünschen. Die Berechtigung zur Verlagerung oder Zerstörung von mit den Nuklearaktivitäten zusammenhängendem Material wurde von der vorherigen Zustimmung der Sonderkommission abhängig gemacht.96 Irak wurde verpflichtet, den Inspektoren der Sonderkommission und der IAEO "zu allen sachdienlichen Zwecken" Flüge über dem gesamten irakischen Hoheitsgebiet zu gestatten und hierfür eigene Flugzeuge und die geeigneten Flugplätze zu benutzen.97 Im Plan des Generalsekretärs erfolgte schließlich eine Kodifizierung der Inspektionsrechte der IAEO.98 Während die Inspektionsrechte der IAEO aufgrund der Sicherungsabkommen nur in sehr eingeschränktem Maße zur unabhängigen Sammlung von Informationen geeignet und bestirnt sind, sondern grundsätzlich nur die Nachprüfung der von den Staaten mitgeteilten Informationen ermöglichen,99 ist der IAEO für den Irak ein umfassendes Instrumentarium zur Ermittlung der zur Erfüllung ihres Mandats festzustellenden Sachverhalte zur Verfügung gestellt worden. Dies erinnert an die ursprünglich einmal in Art. XII.A.6 IAEO-Statut für die Sicherungsmaßnahmen vorgesehenen Inspektionsrechte.
f) Mitteilungspflichten anderer Staaten Die vom Irak mitgeteilten und von der IAEO durch ihre Inspektionen gesammelten Informationen sollen ergänzt werden durch Exportnotifikationen der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen. Zu diesem Zweck werden diese verpflichtet, der IAEO 60 Tage im voraus sämtliche relevanten Exporte zu notifizieren. 100
06
Ziffer 3. ii), Resolution 707 (1991). Ziffer 3. v) Resolution 707 (1991). 98 Siehe Ziffern 31, 32 S/22872/Rev.l. 90 Siehe oben 8. Kapitel. 100 Ziffer 30 S/22872/Rev. 1. 97
C. Sanktionen der Vereinten Nationen
261
g) Ergebnisse und Konsequenzen Über die Ergebnisse ihrer Verifikationstätigkeit 101 berichtet die IAEO dem Sicherheitsrat.102 Von diesem hängt es ab, ob die ökonomischen Sanktionen gegen Irak aufgehoben oder weiter verschärft werden. Damit steht ihm, jedenfalls gegenwärtig, ein relativ wirksames Santkonsmittel gegen den Irak zur Verfügung. Sofern sie bei ihrer Überwachungstätigkeit Gegenstände entdeckt, die Irak nicht besitzen darf, die Irak zu zerstören hat oder nicht erwerben darf, so kann sie diese in Besitz nehmen und für ihre Beseitigung sorgen.103 Sofern die IAEO Tätigkeiten feststellt, die dem Irak aufgrund der Resolutionen verboten sind, kann sie dem Irak diese Aktivitäten untersagen.104
9. Präzedenzwirkung
des Sankîionsrégimes
im Falle Irak?
Es stellt sich die Frage, ob die dargestellten Maßnahmen als ein Präzedenzfall für die Sanktionierung von Verstößen gegen Sicherungsabkommen angesehen werden können. So wurde das Recht des Irak auf friedliche Nutzung der Kemergie in erheblicher Weise eingeschränkt. Andere Staaten wurden verplichtet, jegliche Zusammenarbeit mit dem Irak auf nuklearem Gebiet zu verhindern. Die Kontrollbefugnisse der IAEO wurden gegenüber dem Sicherungsabkommen erheblich ausgeweitet. Andere Staaten wurden zu einer umfangreichen Informationslieferung an die IAEO verpflichtet. Insoweit zeigen die vom Sicherheitsrat in Zusammenarbeit mit der IAEO ergriffenen Maßnahmen eine Struktur möglicher Reaktionen der Staatengemeinschaft auf. 105 Es ist jedoch fraglich, ob in einem anderen Fall eines Verstoßes gegen Sicherungsabkommen ebenso koordinierte und wirksame Regelungen getroffen würden. Die ergriffenen Maßnahmen sind im Zusammenhang mit dem vom Irak verlorenen Golfkrieg zu sehen, durch den der Irak international nahezu isoliert wurde. Dem Sicherheitsrat, in dem zwischen den ständigen Mitgliedern
101
Vgl. IAEA Bulletin 1991/4, S. 35 "IAEA on-site nuclear inspections in Iraq". 102 Ziffern 7, 38, 39 S/22872/Rev.l. Siehe hierzu auch Krause, Die Kontrolle der irakischen Rüstung durch Vereinte Nationen und IAEA (1992), S. 12-17. Ziffer 36 S/22872/Rev.l. 104 Ziffer 37 S/22872/Rev. 1. 105 Vgl. Krause, Die Kontrolle der irakischen Rüstung durch Vereinte Nationen und IAEA (1992), S. 29.
262
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
Einigkeit erzielt wurde, standen wirksame Druckmittel zur Verfügung, ein effektives Inspektionsrégime zu installieren, daß den positiven Nachweis des geheimen Nuklearprogramms erbrachte. Der Irak ist nicht das einzige Land, das verdächtigt wird, entgegen seinen Verpflichtungen aus dem NV-Vertrag danach zu streben, sich Kernwaffen zu verschaffen. 106 Es muß jedoch bezweifelt werden, daß in einem weiteren Fall eine Klärung der Verdachtsmomente und, sofern erforderlich, die anschließende überwachte Vernichtung erfolgen kann. Der zunehmende politsche Druck auf diese Staaten hat jedoch dazu geführt, daß Norkorea im Januar 1992 ein Sicherungsabkommen mit der IAEO unterzeichnet hat, daß jedoch noch der Ratifizierung bedarf. 107 Libyen hat sich bereiterklärt, den Inspektoren der IAEO erweiterte Zugangsrechte einzuräumen.108
D. Sanktionen anderer Internationaler Organisationen
Die Zuständigkeit der IAEO bezüglich der Überwachung der zivilen Nuklearindustrie der Staaten ist keine ausschließliche. Oben wurde schon festgestellt, daß die Vereinten Nationen nicht an die Feststellungen der IAEO gebunden sind. Doch neben den Vereinten Nationen gibt es noch Zuständigkeiten anderer multilateraler Akteure, für die im folgenden untersucht werden soll, ob sie an die Ergebnisse der Sicherungsmaßnahmen gebunden sind. Ebenso wie der EURATOM-Vertrag 109 sehen auch die Verträge von Tlatelolco110 und Rarotonga111 eigenständige Verfahren vor, die unabhängig von den Feststellungen der IAEO Maßnahmen ermöglichen. Neben den sicherheitsbezogenen hat die nukleare Technologie auch handelsbezogene Aspekte. Der Welthandel wird durch das General Agreement on
106 Vgl. Fischerl Müller, The Forth Review of the Non-Proliferation Treaty, SIPRI Yearbook 1991, S. 555 (562) zu Nordkorea und Libyen. Siehe FAZ v. 4.9.1991: "Nordkorea entwickelt Atomwaffen", Frankfurter Rundschau v. 29.1.1992: "Libyen warb Atomforscher an". 107 Frankfurter Rundschau v. 19.2.1992: "Beide Koreas schließen Pakt". m Frankfurter Rundschau v. 4.2.1991: "Libyen erlaubt Inspektionen". 100 Art. 141-151, 192 EURATOM-Vertrag. 110 Art. 16, 20 Vertrag von Tlatelolco. 1,1 Art. 8.2. d) und Anhang 4 des Vertrages von Rarotonga.
I). Sanktionen anderer Internationaler Organisationen
263
Tariffs and Trade (GATT)112 reguliert. Sicherheitspolitisch motivierte Beschränkungen von Nuklearexporten könnten Verstöße gegen das in Art. XI. GATT niedergelegte Verbot der mengenmäßigen Beschränkungen darstellen, so daß die Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens im Sinne des Art. ΧΧΠΙ GATT seitens des hiervon betroffenen Staates in Betracht käme.113 Dann wäre zu prüfen, in welcher Weise ein solches Panel die Feststellungen der IAEO zu berücksichtigen hätte. In Betracht käme etwa eine Verpflichtung zur Akzeptierung der tatsächlichen Feststellungen wie sie bei Währungsfragen gegenüber dem Internationalen Währungsfonds besteht.114 Mögliche Kompetenzkonflikte werden jedoch grundsätzlich durch die "Security Exception" des GATT vermieden, wonach jede Vertragspartei frei ist, jede Maßnahme bezüglich Nuklearmaterials zu ergreifen, die sie für notwendig hält, um ihre Sicherheitsinteressen zu schützen.115 Zu beachten ist aber, daß sich diese Ausnahmeregelung lediglich auf Kernmaterial, nicht aber auf die Nukleartechnologie als solche bezieht. Für Beschränkungen des Handels etwa mit Ausrüstungsgegenständen kommt es gem. Art. XXI.b) ii) GATT darauf an, ob sie für militärische Zwecke bestimmt sind. Da dies wegen des dualen Charakters vieler Ausrüstungsgegenstände im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein kann, sind hier Kompetenzüberschneidungen denkbar. Nicht um eine internationale Organisation im Rechtssinne handelt es sich bei den im London Suppliers' Club zusammengeschlossenen Lieferländern. 116 Doch sehen die Londoner Richtlinien für den Nuklearexport vom 21. September 1977 permanente Konsultationen und abgestimmte Maßnahmen der Lieferländer vor. 117 Unabhängig von Feststellungen der IAEO sollen nach Konsultationen abgestimmte Maßnahmen gegenüber solchen Empfängerländern getroffen werden, die nach Ansicht der Lieferländer ihre Verpflichtungen zur friedlichen Nutzung nicht erfüllt haben, doch soll dies unter Berücksichtigung von Art. XII.C IAEO-Statut geschehen. Weiterhin ist die Verletzung der
1,2
BGBl. 1951 II, S. 173. Vgl. hierzu die umfassende Darstellung von Pescatore , Handbook of GATT Dispute Settlement (1991). 1,4 Art. XV.2 GATT. Vgl. hierzu Roessler, The Relationship Between the World Trade Order and the International Monetary System, in: Hilf/Petersmann (eds.), The New Gatt Round an Multilateral Trade Negotiations, Economics and Legal Aspects (1988), S. 363-368. 115 Art. XXI. GATT. Vgl. allgemein hierzu Whitt, The Politics of Prodedure: An Examination of the GATT Dispute Settlement Panel and the Article XXI Defense in the Context of the USEmbargo of Nicaragua, L & Ρ in Int'l Bus. 1987, S. 605-631. 1.6 Siehe oben 2. Kapitel G. VI. 2. 113
1.7
Ziffer 14 INFCIRC/254.
264
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
Sicherungsmaßnahmen der IAEO explizit als ein maßnahmenauslösender Tatbestand genannt.118
E. Verschärfung der nationalen Nuklearexportkontrollen als Gegenmaßnahme
I. Allgemeines Anders als nationale Rechtssysteme, die das einzelne Rechtssubjekt zur Durchsetzung seiner Rechte auf den Rechtsweg verweisen und nur in sehr eingeschränktem Umfang die Selbsthilfe zulassen, ist das internationale Rechtssystem dadurch gekennzeichnet, daß es den Staaten grundsätzlich selbst überlassen ist, das Völkerrecht durchzusetzen.119 So können rechtmäßige, unfreundliche Handlungen (Retorsionen)120 oder rechtswidrige Maßnahmen (Repressalien) gegenüber einem Staat, dessen Verhalten für rechtswidrig gehalten wird, vorgenommen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ergibt sich durch das Gewaltverbot des Art. 2 Ziffer 4 UN-Charta bezüglich des Mittels der militärischen Gewalt, das allerdings für den Fall des Nichttätigwerdens des Sicherheitsrates gem. Art. 51 UN-Charta wiederum selbst einer Einschränkung durch das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung unterliegt.121 Weitere Einschränkungen des Rechts der Staaten zur Ergreifung von Gegenmaßnahmen können sich aus besonderen Vereinbarungen ergeben. Sofern nicht in die Rechte dritter Staaten eingegriffen wird oder gegen zwingendes Völkerrecht verstoßen wird, steht es den Staaten frei, besondere
118
Ziffer 14 c) INFCIRC/254. Vgl. allgemein Zoller , Peacetime Unilateral Remedies: An Analysis of Countermeasures (1984); Elagab , The Legality of Non-Forcible Counter-Measures in International Law (1988); Allandy International Responsibility and Sanctions: Self-Defence and Countermeasures in the ILC Codification of Rules Governing International Responsibility, in: Spinedi/Simma (eds.), United Nations Codification of State Responsibility (1987). 120 Vgl. hierzu Ρ arts eh, Retorsion, in: Encyclopedia [9(1986)], S. 335. 121 Vgl. zum Einsatz militärischer Mittel im Falle des Verdachts völkerrechtswidriger militärischer Nutzung: Birnberg, The Sun Sets on Tamuz I: The Israeli raid on Iraq's Nuclear Reactor, in: California Western International Law Journal 1983, S. 86 (113 f.); Fischer , Le Bombardement par Israel d'un Reactor Nucléaire Iraquien, AFDI 1981, S. 147-167. 1,9
E. Nationale Exportkontrollen als Gegenmaßnahme
265
Rechtsfolgen und Verfahren für Völkerrechtsverletzungen vorzusehen122 und damit die Anwendbarkeit der nach allgemeinem Völkerrecht zulässigen Maßnahmen abzuschließen.123
II. Kooperationsverpflichtungen Die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Exportkontrollen stellt sich nur dann, wenn Staaten sich zu einer bestimmten Handhabung verpflichtet haben, von der sie abweichen wollen. Wie oben schon ausgeführt, unterliegt die Anwendung des GATT auf den Handel mit nuklearen Gegenständen erheblichen Beschränkungen,124 so daß Beschränkungen des Nuklearexportes nur dann rechtswidrig sein können, wenn sich die Staaten zur Kooperation verpflichtet haben.
1. Art. IV NV-Vertrag Das Recht zur Vornahme von Exportkontrollen könnte durch Art. IV.2 NVVertrag für dessen Vertragsparteien eingeschränkt sein. Dieser verpflichtet zur Erleichterung des größtmöglichen Austausches von Ausrüstung, Materialien und Technologie im Nuklearbereich. 125 Diese Kooperationsverpflichtung unterliegt jedoch der Einschränkung des Art. III.2 NV-Vertrag, der die nukleare Lieferung nur dann zuläßt, wenn Sicherungsmaßnahmen der IAEO angewandt werden.
2. Bilaterale Kooperationsverplichtungen Einschränkungen des staatlichen Rechts zur Beschränkung von Exporten können sich aus bilateralen Verträgen über die Kooperation im Nuklearbereich
122
Vgl. Verdross! Simma, Universelles Völkerrecht (1984), §§ 891, 1309, 1341. Rauschning, Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidriges Verhalten, Berichte DGVR 24 (1984), S. 7 (20 ff.). m Schon frühzeitig wurde durch die Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929 das Respressalienrecht ausgeschlossen. Bei ihrer Selbsthilfe gegen Rechtsverletzungen durch Diplomaten sind die Staaten auf die im Diplomatenrecht vorgesehenen Behelfe beschränkt. Vgl. hierzu United States Diplomatie and Consular Staff in Tehran, ICJ Reports 1980, S. 38 (40). 124 Siehe oben D. 125 Vgl. hierzu Dotier, International Nuclear Cooperation: Obligations, Conditions and Options, IJIL 1980, S. 366 (372 ff.).
266
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
ergeben. Diese Instrumente verpflichten Lieferstaaten zur Kooperation mit Empfängerstaaten. So hat sich die Bundesrepublik Deutschland etwa in dem Kooperationsabkommen mit Brasilien dazu verpflichtet, Exportgenehmigungen für nukleare Lieferungen zu erteilen.126 Bedingung für die Erteilung einer solchen Genehmigung ist der Abschluß eines entsprechenden Sicherungsabkommens mit der IAEO.
III· Berechtigung zu Gegenmaßnahmen Als Rechtsverstöße, die zu zu Repressalien berechtigen könnten, kommt einerseits ein Bruch der durch einen Kausalvertrag begründeten materiellen Verpflichtungen, andrerseits die Nicht- oder Schlechterfüllung der Verpflichtung, sich Sicherungsmaßnahmen der IAEO zu unterwerfen, in Betracht. Bei den von den Nichtkernwaffenstaaten gem. Art. II und III.l NV-Vertrag übernommenen Verpflichtungen handelt es sich um solche, deren Einhaltung allen Vertragsparteien gegenüber (erga omnes) geschuldet wird. 127 Bei schwerwiegenden Verletzungen sind daher grundsätzlich alle Vertragsparteien zur Durchsetzung dieser Verpflichtungen berechtigt.128 In Falle eines Verstoßes gegen ein bilaterales Kooperationsabkommen ist die betroffene Vertragespartei berechtigt, ihre Kooperationsverpflichtung zu suspendieren.129
IV. Sicherungsmaßnahmen der IAEO als "self-contained régime"?
1. Rechtslage Dits Recht der Staaten, auf Verletzungen völkerrechtlicher Verpflichtungen durch nach allgemeinem Völkerrecht zulässige Repressalien oder die Suspendierung ihrer eigenen Verpflichtungen zu reagieren, ist dann ausgeschlossen, wenn besondere Vertragsbestimmungen die Unrechtsfolgen
126
Art. 3 (1.) des deutsch-brasilianischen Nuklearkooperationsabkommens vom 27. Juni 1975. Vgl. Sachariew, Die Rechtsstellung der betroffenen Staaten bei Verletzungen multilateraler Verträge (1986), S. 84. m Siehe Art. 60 2.b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge. Vgl. Frowein, Die Verpflichtungen erga omnes im Völkerrecht und ihre Durchsetzung, FS Mosler, S. 241 ff.; Petersmann, Internationale Wirtschaftssanktionen als Problem des Völkerrechts und des Europarechts, ZVGlRWiss 1981, S. 1 (17); Kewenig, Die Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen im Völkerrecht, Berichte DGVR 22 (1981), S. 31. 129 Siehe Art. 60.1. des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge. 127
E. Nationale Exportkontrollen als Gegenmaßnahme
267
regeln.130 Die Sicherungsmaßnahmen der IAEO stellen ein umfassendes Verfahren zur Überprüfung und Sanktionierung von Verletzungen des NVVertrages dar. Es könnte daher einzelnen Staaten verwehrt sein, außerhalb dieses Vertragssystems individuell Repressalien zu setzen. Der Internationale Gerichtshof hat im Teheraner Geisel-Fall das Konzept des "self-contained régime" entwickelt,131 das den Ausschluß der nach allgemeinem Völkerrecht vorgesehen Unrechtsfolgen unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht. Auch die Arbeiten der International Law Commission gehen von der Existenz völkerrechtlicher Subsysteme aus, die das Repressalienrecht der Staaten einschränken.132 Ein solcher Ausschluß der Unrechtsfolgen nach allgemeinem Völkerrecht erfolgt etwa durch Art. 219 E WG-Vertrag und Art. 193 Euratom-Vertrag, die die Mitgliedsstaaten verpflichten, ihre Streitigkeiten mit den in den Verträgen vorgesehenen Mitteln zu regeln.133 Durch Art. XXIII. 2 GATT ist das Recht der Vertragsparteien des GATT, einseitig Repressalien zu ergreifen, jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn ein Streitbeilegungsverfahren eingeleitet werden kann.134 Das Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds sieht in Art. XXIX die exklusive Entscheidungsbefugnis des Gouverneursrates bei Konflikten vor. Die Akzeptierung des Ausschlusses unilateraler Gegenmaßnahmen wird durch Schutzklauseln, auf die sich die Staaten unter besonderen Voraussetzungen berüfen können, erleichtert. 135 Da dritte Staaten durch die Sicherungsabkommen zwischen der IAEO und dem jeweils überwachten Staat nicht verpflichtet werden, kommt es für die Frage des Ausschlusses unilateraler Repressalien auf den NV-Vertrag und das IAEO-Statut an. Der NV-Vertrag selbst regelt die Frage der Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen nicht. Im Vertrag findet sich allein die Regelung des Kündigungsrechts für den Fall der Gefährdung der nationalen Sicherheit durch
130 Siehe Art. 60 Abs. 4 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge. Vgl. hierzu Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 817. 131 ICJ-Reports 1980, S. 3 (38). 132 Arangio-Ruiz, Special Rapporteur of the International Law Commission, Third Report on State Responsibility, UN doc. A/CN.4/440 vom 19. Juli 1991, S. 1 (45 f.). 133 Vgl. dazu die Entscheidung des EUGH in der Rs. 7/71 (Kommission./.Frankreich) Slg. 1971, S. 1003, in der der EUGH die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Selbsthilfe auch für den Fall der Untätigkeit des Ministerrats ablehnt. Siehe hierzu auch Schwarze, Das allgemeine Völkerrecht in den innergemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen, EuR 1983, S. 1. 134 Vgl. hierzu Meng, Streitbeilegung im GATT, ZaöRV 1981, S. 69 (100). 135 Siehe hierzu Dolzer, Formen der Streitbeilegung im multilateralen Wirtschaftsrecht, in: Glossner (Hrsg.), Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit Bd. 2 (1988), S. 37 (41).
268
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
außergewöhnliche Umstände.136 Die Streitbeilegungsvorschrift des IAEO-Statuts (Art. XVII.A) betrifft nur die Auslegung oder Anwendung des Statuts selbst. Die Nuklearkooperationsabkommen, die die Verpflichtungen von Lieferstaaten zur Gewährleistung von Exporten enthalten, sehen häufig eigenständige Streitbeilegungsverfahren vor. 137 Dies gilt auch für die sog. trilateralen Sicherungsabkommen.138 Regelungen, die ein η Verzicht auf einseitige Repressalien im Hinblick auf die Sicherungsmaßnahmen der IAEO begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Ein solcher Verzicht besteht lediglich zugunsten der vereinbarten obligatorischen Schiedsverfahren. Somit steht der Verpflichtung der Empfängerländer, sich Sicherungsmaßnahmen der IAEO und den potentiell damit verbundenen Sanktionen zu unterwerfen, bislang kein entsprechender Verzicht der Lieferländer auf das Recht zu unilateralen Exportkontrollen gegenüber. Daher verstößt die Exportpolitik der nuklearen Lieferländer 139 nicht gegen ihre Kooperationsverpflichtung aus Art. IV NV-Vertrag.
2. Rechtspolitische Beurteilung
a) Anlaß Wenn auch die Untersuchung des gegenwärtig existierenden Verfahrensrechts ergeben hat, daß Lieferländer zur einseitigen Gestaltung ihrer Exportrégime berechtigt sind, so stellt sich doch die Frage nach der Beurteilung dieser Rechtslage. Das existierende Verfahrensrecht ist mittlerweile mehr als zwanzig Jahre alt. Es wurde geschaffen zu einer Zeit, in der wenige Industriestaaten über ein Oligopol im Nuklearbereich verfügten. Diese Situation hat sich inzwischen vollständig geändert.140 In der internationalen nuklearen Kooperation sind Süd-Süd-Beziehungen keine Seltenheit mehr. Angesichts der im Jahre 1995 anstehenden General-Überprüfung des
136
Art. X.2 NV-Vertrag. Art. 8 (1) des deutsch-brasiliani sehen Nuklearkooperationsabkommens. 138 Siehe Art. 23 des trilateralen Sicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Brasilien und der IAEO, INFCIRC/237. I3Q Siehe oben 3. Kapitel Β. IV. 3. c). 140 Vgl. Stahl, Neue Exportstaaten von Kemtechnologie in der dritten Welt, in: Eisenbarth/ Ehrenstein (Hrsg.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 451-472. Potter, The Emerging Suppliers and Non-Proliferation: An Overview, in: Potter (ed.), International Nuclear Trade and Non-Proliferation -The Challenge of Emerging Suppliers (1990), S. 3-11. 137
E. Nationale Exportkontrollen als Gegenmaßnahme
269
Nichtverbreitungs-Régimes stellt sich die Frage nach vorzunehmenden Modifikationen, um die Staaten, die sich bislang von der IAEO überwachen lassen, dazu zu bewegen, weiterhin innerhalb des Systems zu bleiben, und die Staaten, die bislang nicht zur Teilnahme bereit sind, dazu zu bewegen, sich ebenfalls vollabdeckenden Sicherungsmaßnahmen zu unterwerfen. Die Verhandlungen über den Entwurf einer C-Waffen-Konvention zeigen ebenso wie die bisherigen Überprüfungskonferenzen des NV-Vertrages, daß ein wichtiges Akzeptanzhindernis für viele Staaten die geringe Bindungswirkung positiver Verifikation ist. Die gegenwärtige Lage, in der nicht die Ergebnisse objektiver Sicherungsmaßnahmen die Exportpolitik der Lieferländer bestimmen, sondern außenpolitische Interessen und unbewiesene Verdachtsmomente,141 wirft die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die IAEO-Sicherungsmaßnahmen als ein "self-contained régime" fungieren könnten.
b) Bindung an multilaterale Sanktionsentscheidungen Dem einzelnen Staat wird durch das allgemeine Völkerrecht das Recht zur Selbsthilfe belassen, da multilaterale Durchsetzungsmechanismen bislang grundsätzlich unterentwickelt sind. Sofern allerdings ein solcher Mechanismus zur Verfügung steht und auch seine Funktion erfüllt, fehlt für einzelstaatliche Maßnahmen das Bedürfnis. Dann stellt die von einzelnen Staaten vorgenommene Selbstbeurteilung und -durchsetzung ihrer Rechte und Pflichten ihrerseits eine Gefahr für das Recht dar.142 Dieser Ratio entspricht die Beendigung der Berechtigung der Staaten zur individuellen Selbstbeurteilung und -durchsetzung des in Art. 2 Ziffer 4 UNCharta geregelten Gewaltverbotes gem. Art. 51 UN-Charta, wenn der Sicherheitsrat Maßnahmen nach Art. 39 ff. UN-Charta ergreift. 143 Angesichts der dem IAEO-Gouverneursrat zugewiesenen Kompetenz, die Kooperation mit gegen Sicherungsabkommen verstoßenden Staaten zu
141
Vgl. Müller , Prospects for the Fourth Review of the Non-Proliferation Treaty, in: SIPRI Yearbook 1990, S. 553 (558). 142 Vgl. VerdrosslSimma , Universelles Völkerrecht (1984), § 1343. 143 In den Resolutionen 660 (1990) und 661 (1991) wurde jedoch das Recht der individuellen und kollektiven Selbstverteidigung gegenüber dem Irak aufrechterhalten. Zur Vereinbarkeit dieser Entscheidungen mit der UN-Charta: Bothe, Die Golfkrise und die Vereinten Nationen, Demokratie und Recht 1991, S. 2 (7).
270
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
untersagen, und der Einbeziehung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in die Sanktionierung von Verstößen sollte das Recht, individuelle Repressalien zu setzen, dann ausgeschlossen werden, wenn die genannten Organe Maßnahmen gegen einen Verletzer ergriffen haben. Da es aus den unterschiedlichsten Gründen dazu kommen kann, daß keines der beiden mit der Entscheidung über Sanktionen betrauten politischen Organe die vorgesehenen Maßnahmen trifft, sollte das Recht der Staaten, vorläufig und befristet ihre Kooperationsverpflichtungen auszusetzen, grundsätzlich nicht eingeschränkt werden.
c) Bindung an die positive Verifikation durch die IAEO Die Bewertung der fehlenden Bindung dritter Staaten an die positive Verifikation der Nichtabzweigung oder des Nichtmißbrauchs durch die IAEO hängt davon ab, ob man die Sicherungsmaßnahmen als ein so effektives Erkenntnisverfahren ansieht, so daß es Drittstaaten zugemutet werden kann, auf das Recht zur eigenen Bewertung zu verzichten. Zur Beantwortung dieser Frage sollen einige wichtige Aspekte des Verfahrens diskutiert werden.
aa) Materialorientierung der Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/153 Während es für einen Staat durchaus relevant sein kann, ob sein Nachbarstaat Kapazitäten zur Herstellung von waffentauglichem Nuklearmaterial aufbaut, erfassen die Sicherungsmaßnahmen lediglich das Nuklearmaterial selbst. Der Kontrolle der IAEO unterliegen Anlagen erst dann, wenn Nuklearmaterial in sie eingebracht wird. Angesichts der zunehmenden Möglichkeiten für Staaten, sich heimlich dits für die Herstellung von Kernsprengkörpern erforderliche Nuklearmaterial zu beschaffen, 144 ist die Schlüsselrolle des Nuklearmaterials gesunken. Daher kommt der Kontrolle der friedlichen Verwendung von gelieferter Technologie die entscheidende Bedeutung zu. Da diese als solche von Sicherungsmaßnahmen nicht erfaßt ist, stellt das Bestreben von Lieferländern, sensitive Technologien besonderen Kontrollen zu unterwerfen, ein legitimes Anliegen dar. Die von EURATOM übernommene Materialorientierung der Sicherungsmaßnahmen sollte daher
144 Vgl. Frankfurter Rundschau v. 18.1.1992: "Uran verschwand aus Anlage", Frankfurter Rundschau v. 15.7.1991: "Uran auf dem Schwarzmarkt?".
E. Nationale Exportkontrollen als Gegenmaßnahme
271
aufgegeben werden, um eine Kontrolle aller relevanten Sachverhalte zu ermöglichen.
bb) Beschränkter Anwendungsbereich der Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 Zwar erstrecken sich die Sicherungsmaßnahmen nach INFCIRC/66/Rev.2 auch auf Anlagen, Ausrüstungsgegenstände und Technologie, doch sind sie mit dem Nachteil behaftet, daß sie sich nicht auf sämtliches Nuklearmaterial in einem Staat erstrecken. Der Anwendungsbereich sog. de facto vollabdeckender Sicherungsmaßnahmen wird durch die überwachten Staaten selbst determiniert. Die mit den Sicherungsabkommen nach INFCIRC/66/Rev.2 verbundenen Unzulänglichkeiten könnten durch die Exportstaaten am ehesten vermieden werden, wenn sie den Abschluß von Sicherungsabkommen nach dem NV1 Vertrag zur Bedingung für Exporte machten.
cc) Nachträgliche Ausrichtung Auch wenn gem. § 28 INFCIRC/153 die Sicherungsmaßnahmen präventiv zu gestalten sind und als ein Alarmsystem Verletzungen entdecken sollen, so ist das Verfahren als ganzes grundsätzlich auf eine nachträgliche Verifikation ausgelegt.145 Wegen der begrenzten Inspektionsfrequenz können beträchtliche Zeiträume zwischen einzelnen Inspektionen liegen, in denen Verletzungshandlungen vorgenommen werden können. Die Sicherungsmaßnahmen werden ihre Funktion als Alarmsystem um so besser erfüllen können, je mehr und je überraschender von der IAEO Inspektionen durchgeführt werden können.
dd) Eingeschränkte Sicherung der vollständigen Materialerfassung bei INFCIRC/153 Im Zentrum des Verfahrens steht die Feststellung von Abzweigungen von Nuklearmaterial aus der deklarierten zivilen Nutzung. Die Möglichkeiten der IAEO zur Erfüllung ihres Mandats, zu dem auch die Sicherung der Erfassung sämtlichen Nuklearmaterials in einem Staat gehört,146 sind nur sehr beschränkt.
145
Grimm, Potential Limitations of International Safeguards, in: IAEA-Bulletin. 1982 Suppl., S. 40-43. 146 Siehe oben 5. Kapitel I). II. 1. a).
272
10. Kapitel: Die Konsequenzen der Feststellungen der IAEO
Die Bestrebungen zur Aktivierung der Sonderinspektionen gem. §§ 73, 77 INFCIRC/153 könnten hier für Verbesserungen sorgen.147 ee) Unzureichende Information von Drittstaaten Die Staaten erhalten nur unzureichende Informationen über die Überprüfungsaktivitäten der IAEO. Das Safeguards Statement enthält keine definitiven Feststellungen bezüglich der Vertragstreue einzelner Staaten, sondern lediglich globale Aussagen über die technische Implementation der Sicherungsmaßnahmen, die einer weiteren politischen Beurteilung bedürfen. 148 Durch die allgemeine Fassung des Safeguards Implementation Report (SIR) wird es den Staaten erschwert, sich ein Bild von der tatsächlichen Situation in Importstaaten zu machen.149 Die Bindung der Staaten an die Ergebnisse der Verifikationstätigkeit der IAEO setzt voraus, daß sie umfassend, vollständig und schnell informiert werden. ff) Unzureichende Informationspflichten und fehlende Beteiligungsrechte der Drittstaaten Das Kontrollverfahren der Sicherungsmaßnahmen ist grundsätzlich bilateraler Natur. Beteiligt sind grundsätzlich nur die IAEO und der zu kontrollierende Staat. Drittstaaten wirken lediglich durch die von ihnen vorzunehmenden ExportNotifikationen auf das Verfahren ein. Die Verpflichtungen hierzu sind nicht ausreichend. So ist es insbesondere erforderlich, daß die IAEO auch Kenntnis von allen Exporten von Nuklearanlagen und Technologietransfers an Vertragsparteien des NV-Vertrages erhält. Dies gilt auch für die Notifikation von Exporten von Urankonzentrat. 150
147
Siehe oben 8. Kapitel D. VI. 5. e). Vgl. Schuricht/Larrimore , Safeguarding Nuclear Cycle Facilities, in: IAEA-Bulletin 1988/1, S. 8 (11). 149 Hasselmann, Do we need new IAEA safeguards?, in: GYIL 1984, S. 259 (295). 150 Vgl. Fischer , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 159. 148
E. Nationale Exportkontrollen als Gegenmaßnahme
273
Sofern dritten Staaten aufgrund eigener Informationsquellen Verdachtsmomente gegen einen überwachten Staat vorliegen,151 besteht grundsätzlich keine Möglichkeit, eine Überprüfung solcher Verdachtsmomente im Verfahren der Sicherungsmaßnahmen herbeizuführen. Anders als in den Verträgen von TCatelolco und Rarotonga oder dem Entwurf der C-Waffen-Konvention können Vertragsparteien des NV-Vertrages keine Verdachtsinspektionen herbeiführen. Zwar kann die IAEO Sonderinspektionen gem. §§ 73, 77 INFCIRC/153 durchführen, doch liegt die Entscheidung im Ermessen der IAEO, ein subjektives Recht wird Drittstaaten nicht eingeräumt. Hier könnte durch eine interpretative Entscheidung des Gouverneursrates eine Festlegung der Ermessensausübung bei der Entscheidung über Sonderinspektionen bei von durch Drittstaaten vorgebrachten substantiierten Verdachtsmomenten erfolgen.
gg) Fehlende Schutzklausel Durch das "going nuclear" eines Staates werden in jedem Fall fundamentale Sicherheitsinteressen von anderen Staaten bedoht. Sofern also den Ergebnissen der Sicherungsmaßnahmen eine bindende Wirkung verliehen werden soll, wird auf Schutzklauseln nicht verzichtet werden können. Erstrebenswert wäre eine Lösung, die eine Überprüfung der tatsächlichen Voraussetzungen durch ein Staatengemeinschaftsorgan bei ihrer Geltendmachung vorsieht. Vorläufige Maßnahmen der Staaten bei Vorliegen von Verdachtsmomenten werden ebenfalls zulässig sein müssen.
151 So besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Entdeckung geheimer Anreicherungsanlagen oder Reaktoren durch die sog. "national means of verification". Vgl. Fischer, Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 36.
18 Lohmann
lì. Kapitel
Zusammenfassung und Folgerungen
A. Funktionale Aufteilung der Aufgaben zwischen Organisationen und Organen
Den sich überschneidenden Zuständigkeiten der IAEO und der Vereinten Nationen hinsichtlich des Mißbrauchs ziviler Nukleartechnologie für militärische Zwecke wird für das Kontrollverfahren der Sicherungsmaßnahmen durch eine funktionale Aufgabenverteilung Rechnung getragen, die der IAEO primär die Durchführung des kontinuierlichen Erkenntnisverfahrens zuweist, während die Vereinten Nationen für die Sanktionierung von Verstößen zuständig sind. Die mit der Unterwerfung unter ein multilaterales Kontrollverfahren verbundenen Eigriffe in nationale Geheimhaltungsinteressen werden dadurch begrenzt, daß die Administration des Verfahrens grundsätzlich durch das IAEO-Sekretariat erfolgt und der Gouverneursrat der IAEO, das aus Staatenvertretern zusammengesetzte Organ, nur dann Kenntnis von einzelnen Vorgängen erhält, wenn ein Staat nicht kooperiert oder nach Ansicht des Sekretariats Anhaltspunkte für Verstöße gegen die zu überprüfenden Verpflichtungen vorliegen.
B. Aufspaltung der Rechtsgrundlagen
Die Überwachungstätigkeit der IAEO basiert nicht auf einem einheitlich anwendbaren völkerrechtlichen Instrument, sondern auf miteinander verknüpften unterschiedlichen Regelungen. Durch das IAEO-Statut werden die Zuständigkeit der IAEO für Sicherungsmaßnahmen begründet, die internen Kompetenzen und Außenbeziehungen geregelt und ein Modell für das Verfahren vorgegeben.1 Die zu überwachenden materiellen Verpflichtungen der 18*
276
11. Kapitel: Zusammenfassung und Folgerungen
Staaten dagegen sind in unterschiedlichen bilateralen und multilateralen Instrumenten niedergelegt.2 Diese Kausalverträge enthalten komplementär zu der Ermächtigung der IAEO zur Durchführung von Sicherungsmaßnahmen staatliche Verpflichtungen, sich Kontrollen der IAEO zu unterwerfen. Verknüpft werden die Zuständigkeit der IAEO und die passiven Kontrollverpflichtungen der Staaten durch bilaterale Sicherungsabkommen, die das Mandat der IAEO zur Überwachung der einzelnen Staaten begründen.3 Durch vom Gouverneursrat der IAEO beschlossene Verhandlungsrichtlinien für das Sekretariat werden diese Sicherungsabkommen harmonisiert.4
C. Die Strukturmerkmale der Sicherungsmaßnahmen
Die nachfolgende Übersicht faßt die wichtigsten Strukturmerkmale des Verfahrens zusammen.
I. Fragmentarischer Charakter der Kontrolle Die Sicherungsmaßnahmen werden von der IAEO nicht global auf alle Verpflichtungen ihrer Mitglieder angewandt, sondern die Verfahrensdurchführung basiert auf jeweils einzeln mit den Staaten abgeschlossenen Sicherungsabkommen, die ihrerseits durch bilaterale und multilaterale Verträge bedingt sind. Den unterschiedlichen materiellen Verpflichtungen der Staaten entspricht die verschiedenartige Kontrolldichte. Weiterhin erfaßt das Mandat zur Überwachung der Erfüllung dieser zwischenstaatlichen Verträge jeweils nur einen Teil der in diesen Verträgen übernommenen Verpflichtungen. So ist die Kontrolle der Überwachung der von den Nichtkernwaffenstaaten durch den NV-Vertrag übernommenen Verpflichtung, sich keine Kernwaffen zu verschaffen, 5 auf ihren Umgang mit Kernmaterial beschränkt.
1 1 3 4 5
Siehe oben 2. Kapitel. Siehe oben 3. Kapitel B. Siehe oben 3. Kapitel C. Siehe oben 2. Kapitel I). II. und III. Art. II NV-Vertrag.
(7. Die Strukturmerkmale der Sicherungsmaßnahmen
277
II. Asymmetrie der Kontrolle In den den Sicherungsmaßnahmen zugrunde liegenden Verträgen stehen den Verpflichtungen zur friedlichen Kernenergienutzung Verpflichtungen zur nuklearen Kooperation6 gegenüber, die keiner multilateralen Kontrolle unterliegen. Die zivilen Nuklearaktivitäten der Kernwaffenstaaten unterliegen nur in sehr beschränktem Ausmaß den Sicherungsmaßnahmen der IAEO.7
III. Kontinuierliche Verfahrensdurchführung Die Sicherungsmaßnahmen werden kontinuierlich durchgeführt, sie sind nicht abhängig vom Bestehen eines Verletzungsvorwurfs. 8 Diese kontinuierliche Verfahrensdurchführung ist verbunden mit erheblichen Beschränkungen der Informations- und Inspektionsrechte der IAEO. Lediglich unter besonderen Voraussetzungen, im Falle der NV-Sicherungsmaßnahmen nach einer politischen Kontrolle durch den Gouverneursrat, kann die IAEO das Recht zu erweiterten Aufklärungsmaßnahmen erhalten.9
IV. Routineverfahren und besonderes Verfahren Der Kompetenzverteilung zwischen dem IAEO-Sekretariat und Gouverneursrat entsprechen zwei unterschiedliche Verfahrensniveaus. Den "Normalfall" des Verfahrens stellt ein vom Sekretariat durchgeführtes technisches Kontrollverfahren dar, das anhand objektivierter Kriterien die zivilen Nuklearaktivitäten der Staaten mit in Sicherungsabkommen und technischen Ergänzungsvereinbarungen bis einzelne geregelten Erkenntnismitteln überwacht. Sofern dieses technische Verfahren zu Anhaltspunkten über mögliche Verstöße gegen völkerrechtliche Verpflichtungen führt, wird eine zweite politische Verfahrensphase eingeleitet, die unter der Kontrolle des politischen Organs der IAEO zu einer Erweiterung der Erkenntnismittel der IAEO, insbesondere der Inspektionsrechte, führt und die Entscheidung über Sanktionen beinhaltet. Dies
6 Vgl. Art. IV NV-Vertrag, Art. 1 und 3 des deutsch-brasilianischen Nuklearkooperationsabkommens v. 26.2.1976, INFCIRC/237. 7 Siehe hierzu von Baeckmann , IAEA Safeguards in Nuclear-Weapon States. A Review of Objectives, Purposes and Achievements, IAEA-Bulletin 1988, S. 22 - 25. 8 Dies ist der Fall bei den Beschwerdeverfahren im Rahmen der regionalen nuklearwaffenfreien Zonen. Siehe oben 8. Kapitel D. VII. 9 Zu den Sonderinspektionen siehe im einzelnen oben 8. Kapitel D. VI. 4. und 5.
278
11. Kapitel: Zusammenfassung und Folgerungen
kann über die Information des UN-Sicherheitsrates zudem weitere Sanktionen auslösen.
V. Formalisierung Die technischen Sicherungsmaßnahmen sind in hohem Maße formalisiert. Sowohl die Mitwirkungspflichten der Staaten als auch die Ermittlungsbefugnisse der IAEO sind umfassend normiert. Für die NV-Sicherungsmaßnahmen wurde versucht, auch das Mandat für das kontinuierlich durchgeführte Verfahren objektiv dahingehend festzulegen, daß einheitlich definierte Materialbilanzdifferenzen gefunden werden sollten, deren Abwesenheit eine widerlegliche Vermutung für die Erfüllung der staatlichen Verpflichtungen begründen sollte. Die Feststellung von prädeterminierten Materialbilanzdifferenzen dagegen sollte weitere Maßnahmen auslösen können.10 Die Erwartungen, die in eine solche Objektivierung der Kontrolle gesetzt wurden,11 haben sich jedoch nicht erfüllt, da gerade in den proliferationsrelevantesten Anlagen, den Anreicherungs- und Wiederaufarbeitungsanlagen, der Aussagewert der Materialbuchführung gering ist.12 Die technische und politische Entwicklung vor allem des letzten Jahrzehnts hat gezeigt, daß unter der Formalisierung die Effektivität der Kontrollen leidet.13 Die Möglichkeiten der Formalisierung und Objektivierung eines Verfahrens sind begrenzt, effektive Kontrollen setzen voraus, daß flexibel handhabbare Erkenntnismittel zur Verfügung stehen. Der Schutz der Staaten vor ungerechtfertigten Eingriffen muß statt duch formale Festlegungen durch objektive Verfahrensgrundsätze 14 und subjektive Verfahrensrechte 15 gewährleistet werden, wenn eine effektive Kontrolle gewährleistet sein soll.
VI. Verifikation Die Sicherungsmaßnahmen sollen der Verifizierung staatlicher Verpflichtungserfüllung dienen. Dies wird praktisch umgesetzt, indem aus dem
10
Siehe oben 9. Kapitel I). II. 1. Vgl. hierzu von Pander , Die Sicherheitskontrolle nach dem NV-Vertrag in den EG-Staaten (1978), S. 494. 12 Siehe oben 9. Kapitel D. II. 2. a) bb). 13 Siehe Schleicher, Safeguards in der Europäischen Gemeinschaft-Grundzüge des Verifikationssystems, in: Eisenbarth/Ehrenstein (eds.), Nichtverbreitung von Atomwaffen, Krise eines Konzepts (1990), S. 159 (162). 14 Siehe oben 4. Kapitel E. 11
15
Siehe oben 4. Kapitel F.
C. Die Strakturmerkmale der Sicherungsmaßnahmen
279
Nichtauffinden von Indizien, die anhand von Abzweigungsszenarien entwickelt werden, auf die Erfüllung dieser Verpflichtungen geschlossen wird. 16 VII. Sanktionsanknüpfung Für die Verhängung von Sanktionen gegen einen Staat ist nicht der positive Nachweis eines Verstoßes gegen seine Verpflichtungen erforderlich, sondern es reicht aus, daß die Erfüllung seiner materiellen Verpflichtungen nicht festgestellt werden kann. Wenn die IAEO ihre Ermittlungskompetenzen ausgeschöpft hat, liegt die Feststellungslast bei dem überwachten Staat, der dann versuchen muß, seine Rechtstreue nachzuweisen.17
VIII. Schiedsgerichtliche Beilegung von Verfahrensstreitigkeiten Sofern es zwischen der IAEO und dem überwachten Staat zu einem Konflikt über die gegenseitigen Rechte und Pflichten kommt, der nicht einvernehmlich beigelegt werden kann, kann eine Beilegung des Streits durch das in den Sicherungsabkommen vorgesehene obligatorische Schiedsverfahren erfolgen. Angesichts des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Einleitung eines solchen Verfahrens 18 und des Ausschlusses von Streitigkeiten über die Feststellung der Nichtverifizierbarkeit der Erfüllung der staatlichen materiellen Verpflichtungen 19 dürfte die praktische Relevanz dieses staatlichen Rechts zur Anfechtung von Verfahrensentscheidungen des Gouverneursrates allerdings auch weiterhin gering bleiben. Gleichwohl sollten die Vorwirkungen eines solchen Rechtsbehelfs nicht unterschätzt werden, da die IAEO mit nachträglichen Feststellungen der Rechtswidrigkeit von Verfahrenshandlungen zu rechnen hat, sofern sie ihre Kompentenzen überschreitet.
IX. Grundsätzliche Bestimmtheit der Verfahrenspflichten und Kompetenzen Das Recht der IAEO, Informationen von den Staaten zu verlangen oder Inspektionen in ihrem Hoheitsgebiet durchzuführen, unterliegt grundsätzlich inhaltlichen Beschränkungen. So ist der Inhalt der von den Staaten an die
16
Siehe oben 9. Kapitel D. III. Siehe oben 9. Kapitel C. " Vgl. § 18 INFCIRC/153. 19 Vgl. § 22 INFCIRC/153. 17
280
11. Kapitel: Zusammenfassung und Folgerungen
IAEO zu liefernden Berichte in den Sicherungsabkommen grundsätzlich vorgegeben und wird durch die Ergänzungsabkommen präzisiert. 20 In gleicher Weise unterliegen die Inspektionsrechte der IAEO örtlichen, zeitliche, funktionalen und persönlichen Beschränkungen.21
X. Subsidiäre Erweiterung der staatlichen Kooperationspflichten beim Vorliegen bestimmter Indizien Die staatliche Verpflichtung zur Kooperation mit der IAEO wird erweitert, sofern bestimmte Indizien vorliegen, die Verstöße wahrscheinlich erscheinen lassen. Diese Erweiterung betrifft sowohl die Verpflichtung zu Berichterstattung an die IAEO22 als auch die Verpflichtung zur Duldung von Inspektionen auf Initiative der IAEO.23
XI. Subsidiäre Erweiterung der Kompetenzen der IAEO bei Nichtkooperation des überwachten Staates Eine Erweiterung der Kompetenzen der IAEO kann grundsätzlich nur erfolgen, wenn ein Staat nicht kooperationsbereit ist. Während diese Feststellung bei der Durchführung der satzungsmäßigen Sicherungsmaßnahmen noch vom Sekretariat der IAEO getroffen werden kann, ist die politische Kontrolle bei den NV-Sicherungsmaßnahmen dadurch gestärkt worden, daß dem Gouverneursrat die Entscheidung über die Durchführung von Sonderinspektionen zugewiesen wurde.24
D. Der Stellenwert der
M
rule of law" im Verfahren
Die Akzeptanz der mit einem internationalen Überwachungsverfahren verbundenen Souveränitätseinschränkungen für die überwachten Staaten wird ebenso wie die Bereitschaft anderer Staaten, die Verfahrensergebnisse als
20 21 22 23 24
Siehe oben 4. Kapitel B. Siehe oben 8. Kapitel E. Vgl. § 68 INFCIRC/153. Vgl. §§ 73, 77 INFCIRC/153. Siehe oben 8. Kapitel I). VI. 5. e).
E. Bedingungen für die Akzeptierung der Kontrollen
281
bindend anzusehen, durch die relative Rolle des Rechts bei der Verfahrensdurchführung bestimmt. Es wurde gezeigt, daß der Verfahrensablauf in einem hohem Maße durchnormiert ist. Durch detaillierte Regelungen, die allerdings in unterschiedlichem Ausmaß die Gleichbehandlung der Staaten sichern, sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten der IAEO, des überwachten Staates und anderer Staaten geregelt. Während das die Sicherungsmaßnahmen im wesentlichen durchführende IAEO-Sekretariat zur objektiven Rechtsanwendung verpflichtet ist, stellt der IAEO-Gouverneursrat, der vom Sekretariat zur Durchsetzung seiner Kompetenzen angerufen werden kann, ein aus Staaten Vertretern zusammengesetztes Organ dar, in dessen Entscheidungsprozeß politische Kriterien den Ausschlag geben dürften. In diesem Gremium sind zudem die entwickelten Industrieländer überrepräsentiert, so daß die gleiche Anwendung des Verfahrensrechts auf die Staaten nur eingeschränkt durch politische Kontrollen gewährleistet ist. Zwar wurde es bislang noch nicht praktiziert, doch dürfte das Recht der Staaten, in einem Konflikt eine schiedsgerichtliche Klärung herbeizuführen, präventiv zum Schutz der staatlichen Verfahrensrechte beitragen. Sofern allerdings aus politischen Gründen, die etwa auf der Zusammensetzung des Gouverneursrates beruhen können, von der IAEO die ihr gegenüber einem Staat zustehenden Kompetenzen nicht ausgeübt werden, besteht für andere Staaten kein formelles Beteiligungsrecht, mit dem sie die verfahrensrechtskonforme Anwendung der Sicherungsmaßnahmen durchsetzen könnten. Es besteht auch die Gefahr, daß die Kontrollmaßnahmen nach politischen Selektionskriterien gegenüber unpopulären Staaten mißbraucht werden.
E. Bedingungen für die Akzeptierung der Kontrollen
Für die überwachten Staaten ist ein Kontrollverfahren wie das der Sicherungsmaßnahmen nur in dem Ausmaß akzeptabel, in dem es von ihnen kontrolliert werden kann oder einer antizipierbaren rechtlichen Steuerung unterliegt und ihnen Vorteile bringt, die die mit dem Verfahren verbundenen Souveränitätseinschränkungen überwiegen. Die nuklearen Exportstaaten haben in ihrer Exportpolitik in den siebziger und achtziger Jahren kaum zwischen Staaten, die Vertragspartei des NV-Vertrages sind und solchen, die dem
282
11. Kapitel: Zusammenfassung und Folgerungen
Vertrag ferngeblieben sind, differenziert. Damit bestand für die noch nicht beigetretenen Staaten kein Anreiz, Vertragspartei zu werden und sich den umfassenden Kontrollen zu unterwerfen. Die dem Vertrag beigetretenen Importstaaten waren hingegen enttäuscht von dem geringen Umfang der durch den Beitritt erlangten Vorteile.25 Sowohl die Festlegung der Einzelheiten der Verfahrensdurchführung als auch bestimmte Verfahrensschritte erfordern das Einverständnis der Staaten. Grundsätzlich erfolgt die Verfahrensdurchführung durch das Sekretariat der IAEO, das zur Geheimhaltung und zur objektiven Anwendung des Verfahrensrechtes verpflichtet ist. Im Normalfall sind der tatsächliche Verfahrensgegenstand, die Informationspflichten und die Inspektionsrechte normativ festgelegt. Die Kehrseite dieser Formalisierung des Verfahrens sind Effektivitätsverluste im Hinblick auf die Kontrollintensität, die wiederum die Bereitschaft anderer Staaten, die Verfahrensergebnisse zum Ausgangspunkt ihrer Sicherheits- und Exportkontrollpolitik zu machen, beschränken. Sofern die Formalisierung des Verfahrens zugunsten einer stärkeren Flexibilität der IAEO aufgegeben werden soll, was etwa die Folge der auf der letzten Überprüfungskonferenz des NV-Vertrages geforderten "Aktivierung" der Sonderinspektionen wäre,26 nimmt die Rolle der objektiven Verfahrensgrundsätze27 und der subjektiven staatlichen Verfahrensrechte der Staaten zu ihrer Durchsetzung28 zu. Angesichts der weitreichenden Entscheidungsbefugnisse des Gouverneursrates der IAEO kommt dessen ausgewogener Zusammensetzung dann eine zentrale Rolle für die Akzeptanz des Verfahrens seitens vieler Staaten zu. Die den Staaten aus der Unterwerfung unter das Verfahren erwachsenden Vorteile sind recht unterschiedlich. Die fehlende rechtliche Bindung der Exportstaaten an die Ergebnisse der Sicherungsmaßnahmen stellt ein erhebliches Hindernis für die Akzeptanz des Verfahrens dar. Dies gilt auch für die noch immer fehlende Universalität der NV-Sicherungsmaßnahmen.
25
Vgl. von Baeckmann , Le Traité sur la non-proliferation (TNF) (1968), in: Sur, La vérification des accords sur le désarmement et la limitation des armements: moyens, méthodes et pratiques (1991), S. 156 (175). 26 Siehe oben 8. Kapitel D. VI. 5. f). 27 Siehe oben 4. Kapitel E. 29 Siehe oben 4. Kapitel F.
G. Funktionen der vSicherungsmaßnahmen
283
F. Bedingungen für die Bindung anderer Staaten an die Verfahrensergebnisse
So wie für die überwachten Staaten die Bereitschaft, sich effektiven Kontrollen zu unterwerfen, von den aus diesen Kontrollen erwachsenden Vorteilen abhängt, so wird umgekehrt die Bereitschaft der Staaten, als Adressat der Verfahrensergebnisse die eigene Politik an den Ergebnissen des Verfahrens auszurichten, von der Effektivität der Kontrollen bestimmt. Solange die IAEO-Sicherungsmaßnahmen aufgrund ihres begrenzten Anwendungsbereichs und ihrer starken Formalisierung hinter nationalen Erkenntnismitteln zurückbleiben, sind die Staaten nicht bereit, ihre Politik ausschließlich nach den Ergebnissen der Sicherungsmaßnahmen auszurichten. Die Bindung anderer Staaten an die Verfahrensergebnisse setzt ihre Information voraus. Solange allerdings die anderen Staaten grundsätzlich nur einmal pro Jahr durch einen relativ allgemein gefaßten Bericht des Sekretariats29 informiert werden, kann die Determinierungswirkung des Verfahrens nur gering sein. Auch das Fehlen subjektiver Beteiligungsrechte anderer Staaten im Verfahren steht einer direkten rechtlichen Bindungswirkung entgegen. Solange andere Staaten lediglich Informationen an die IAEO zu liefern haben, jedoch keinen Einfluß auf die Inspektionsdurchführung nehmen können, werden sie nicht bereit sein, ihre Politik ausschließlich durch die Verifikationsergebnisse der IAEO determinieren zu lassen.
G. Funktionen der Sicherungsmaßnahmen
Oben wurden die verschiedenen Funktionen der Sicherungsmaßnahmen, so wie sie ihnen durch ihre Rechtsgrundlagen zugewiesen werden, diskutiert.30 Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche Funktionen tatsächlich erfüllt werden.
29 30
Siehe oben 9. Kapitel I). III. 2. Siehe oben 5. Kapitel B.
284
11. Kapitel: Zusammenfassung und Folgerungen
I. Durchsetzung der staatlichen Verpflichtungen
1. Objektive Funktionsbedingungen Das Ausmaß, in dem ein internationales Kontrollverfahren zur Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen geeignet ist, wird durch seinen tatsächlichen Verfahrensgegenstand bestimmt. Sowohl die zivile als auch die militärische Nutzung der Nukleartechnologie basieren auf einer geringen Anzahl in der Natur selten vorkommender chemischer Elemente, so daß es möglich war, die Materialbuchführung zu einem zentralen Element der Kontrolle zu machen.31 Ihre begrenzte Verfügbarkeit und Schlüsselfunktion waren der Grund dafür, nicht die Technologie, sondern das Kernmaterial zum Gegenstand der Kontrolle der Erfüllung des NV-Vertrages zu machen.32 Da aber in den vergangenen Jahrzehnten das Ausmaß der Stromerzeugung durch Kernenergie erheblich zugenommen hat, hat sich auch insbesondere in Form von Atommüll die Menge proliferationsträchtigen Materials erheblich erhöht.33 So entsteht mitüerweile weltweit so viel Plutonium, daß täglich hieraus zehn Kernsprengkörper hergestellt werden könnten.34 Inzwischen wird zudem weiterhin befürchtet, daß die nukleare Abrüstung der Supermächte, verbunden mit dem Auflösungsprozeß in der ehemaligen Sowjetunion, zur Weitergabe von Nuklearmaterial führen könnte.35 Damit nimmt sowohl die relative Bedeutung der Verfügbarkeit geeigneter Anlagen und Ausrüstungsgegenstände zu als auch die des technologischen Wissens.36 Als 1968 der NVVertrag unterzeichnet wurde, galt die Abzweigung von Nuklearmaterial aus der zivilen Nutzung als der wahrscheinlichste Weg eines Staates zu einer eigenen Nuklearwaffe. Von der Möglichkeit des Aufbaus separater geheimer Nuklearanlagen wurde nicht ausgegangen, so daß den Kompetenzen der IAEO
31 Rainerl Sanders, The IAEA's NPT Safeguards, National Control and International Safeguards, in: SIRPI Nuclear Proliferation Problems (1974), S. 135 (141). 32 Häfele, NPT-Safeguards, in: SIPRI, Nuclear Proliferation problems (1974), S. 142 (150). 33 Herron , A Lawyer's View of Safeguards and Non-prolieration, IAEA Bulletin 1982, S. 34 (34). 34 Edwards , International Legal Aspects of Safeguards and the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, ICLQ 1984, S. 1 (2). Siehe auch: Wilmshurst , The Adequacy of IAEA Safeguards for the 1990's, in: Fry/Keatinge/Rotblat (eds.), Nuclear Non-Proliferation and the NPT (1990), S. 13 (17). 35 Vgl. Frankfurter Rundschau vom 10.2.1991: "Sicherheitspolitiker fürchten jetzt die Nuklear Desperados." 36 Vgl. zur Nutzbarkeit der bei zivilen Anwendungen erworbenen Kenntnisse für militärische Programme die Darstellungen bei WohLstetter (ed.), Swords from Ploughshares: The Military Potential of Civilian Nuclear Energy (1977).
G. Funktionen der Sicherungsmaßnahmen
285
zur Überprüfung der Vollständigkeit der staatlichen Deklarationen wenig Bedeutung zugemessen wurde.37 Mittlerweile ist der Weg zu waffentauglichem Material über geheime Anreicherungsanlagen sehr viel billiger und einfacher als die Abzweigung aus der zivilen Nutzung.38 Die technologische Entwicklung und die Verbreitung der Anreicherungsund Wiederaufarbeitungstechnologie erschweren zunehmend die Arbeit der IAEO.39 Da der Aussagewert der Routine-Inspektionen dadurch immer mehr sinkt, müssen die Maßnahmen der Abschirmung und der permanenten Überwachung ausgeweitet werden.40 Weiterhin muß das Schwergewicht zukünftig auf effektiven Inspektionen in Problemfällen 41 liegen statt auf der kontinuierlichen Routine-Kontrolle, deren Aussagewert immer mehr abnimmt.42 Die IAEO ist weiterhin zunehmend auf ergänzende Informationen anderer Staaten angewiesen.43
2. Subjektive Funktionsbedingungen Die Staaten sind in unterschiedlichem Ausmaß an der Einhaltung materieller Verpflichtungen interessiert. Dies gilt um so mehr, wenn diese asymmetrischer Natur sind. So ist es nicht verwunderlich, wenn die Kernwaffenstaaten das stärkste Interesse an der Einhaltung des NV-Vertrages haben.44 Ähnliches gilt für Staaten, denen durch die Supermächte ein nuklearer Schutzschirm gewährt wird. 45 Dem stehen Staaten gegenüber, die sich wegen tatsächlicher oder angenommener Bedrohungen die nukleare Option offenhalten und sich daher Sicherungsmaßnahmen nicht oder nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß
37
Prawitz, Arguments for Extended NPT Safeguards, in: SIPRI, Nuclear Proliferation Problems (1974), S. 158 (161). 38 Courteix, Le contrôle de la proliferation des armes nucléaires, Mac Gill Law Journal 1983, S. 591 (601). Hasselmann, Do we need new IAEA safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (266). 3Q Wilms hurst, The Adequacy of IAEA Safeguards for the 1990's, in: Fry/Keatinge/Rotblat (eds.) Nuclear Proliferation and the NPT (1990), S. 13 (17). Courteix , Le contrôle de la proliferation des amies nucléaires, in: Mac Gill Law Journal 1983, S. 591 (598). 40 Hasselmann , Ι)ο we need new IAEA Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (289). 41 Siehe oben 8. Kapitel D. VI. 4. - 5. 42 Turrentine , Lessons of the IAEA-Safeguards. Experience for On-Site Inspections in Future Arms Control Régimes, in: Dunn/Gordon (eds.), Arms Control Verification and the New Role of On-Site Inspection (1990), S. 39 (50). 43 Müller , Nuclear Trade Régime: A Case for Strengthening the Rules, in: Fry/Keatinge/Rotblat (eds.). Nuclear Proliferation and the NPT (1990), S. 19 (26). 44 Fischer , The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 7. 45 Fischer , The International Non-Proliferation Régime 1987 (1987), S. 5.
286
11. Kapitel: Zusammenfassung und Folgerungen
unterwerfen. 46 So ist Pakistan nur dann zum Beitritt zum NV-Vertrag bereit, wenn Indien ebenfalls die nukleare Option aufgibt. 47 Staaten, die internationale Beistandsverpflichtungen eingegangen sind und globale Sicherheitsinteressen haben wie die Vereinigten Staaten, haben mehr Interesse an der Effektivität des Verfahrens als Staaten, für die ein möglichst ungehinderter Export im Vordergrund steht.48 Auf Seiten der Nichtkernwaffenstaaten ist die Akzeptanz der Sicherungsmaßnahmen durch die vertikale Proliferation, d.h. den Ausbau der Nuklearwaffenarsenale der Kernwaffenstaaten bedingt. Für Entwicklungsländer ist die Erfüllung der im NV-Vertrag enthaltenen Kooperationsverpflichtung vordringlich. Für Staaten, die selbst über umfangreiche internationale Erkenntnismittel verfügen, seien es technische Mittel der Verifikation oder umfassende nachrichtendienstliche Aktivitäten, stellt ein internationales Überwachungsverfahren primär eine zusätzliche Informationsquelle dar, während kleinere Staaten wegen des Fehlens eigener Erkenntnis- und Sanktionsmittel eher ein Interesse daran haben, daß mit einem solchen Verfahren auch die Sanktionierung von Verstößen verknüpft ist.
3. Prävention
von Verstößen
Die Präventionswirkung des Verfahrens ist einerseits abhängig von dem durch die Sicherungsmaßnahmen geschaffenen Entdeckungsrisiko,49 somit von den soeben dargestellten objektiven Funktionsbedingungen, andrerseits hängt sie von den internationalen Reaktionen, die Staaten zu gewärtigen haben, ab.50 Man könnte aus der Tatsache, daß der Irak seine Verpflichtungen aus dem NV-Vertrag nicht erfüllt hat, nun schließen, daß die Präventionswirkung der Sicherungsmaßnahmen nicht erfüllt wurde. Für eine hohe präventive Wirkung spricht jedoch, daß der Irak kein Nuklearmaterialt aus der zivilen Nutzung abgezweigt, sondern einen separaten Nuklearkreislauf aufgebaut hat. Auch die indische Nuklearexplosion im Jahre 1974 wurde mit Nuklearmaterial
46
ElBaradei , The Role of the International Atomic Energy Safeguards in the Evolution of the Non-Proliferation Régime; Some Lessons for Other Arms Control Measures (1991), S. 12. 47 Cassidy , The Newest Member of the Nuclear Club: Pakistan's Drive for a Nuclear Weapons Capability and United States Nuclear Non-Proliferation Policy, Hastings International and Comparative Law Review 1989, S. 679 (685). 41 Scheinman , The Non-Proliferation Role of the International Atomic Energy Agency A Critical Assessment (1985), S. 5. 49 Vgl. § 28 INFCIRC/153. 50 Griimm , Potential Limitations of International Safeguards, IAEA Bulletin 1982 Suppl., S. 40 (43).
G. Funktionen der Sicherungsmaßnahmen
287
durchgeführt, das nicht den Sicherungsmaßnahmen der IAEO unterlag.51 Daran zeigt sich, daß das Verfahren in der gegenwärtigen Ausgestaltung geeignet ist, Abzweigungen aus der zivilen Nutzung entgegenzuwirken, daß jedoch der Aufbau geheimer separater Anlagen kaum verhindert werden kann.52
4. Korrektur
von Verstößen
Bis auf den Fall des Irak ist bislang vom Gouverneursrat noch kein Fall der Nichterfüllung der zu verifizierenden Verpflichtungen festgestellt worden. Aussagen darüber, ob die zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten ausreichend sind, die Korrektur von festgestellten Verstößen zu ermöglichen, sind daher kaum möglich. Es hat sich aber im Falle des Irak gezeigt, daß entscheidend hierfür die gegenüber einem Staat vorhandenen Druckmittel und die Handlungsfähigkeit des UN-Sicherheitsrates sind. II. Konfliktprävention Angesichts der geringen rechtlichen Bindungswirkung der Feststellungen der IAEO liegt die Bedeutung der Sicherungsmaßnahmen wohl vor allem in ihrer vertrauensbildenden Wirkung.53 Diese wiederum ist abhängig von der Perzeption der Effektivität der Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf ihre Funktion der Entdeckung von Verstößen gegen die von den Staaten übernommenen Verpflichtungen zur friedlichen Kernenergienutzung. Die vertrauensbildende Wirkung der NV-Sicherungsmaßnahmen wird dadurch beschränkt, daß sie sich ausschließlich auf Nuklearmaterial beziehen, dessen relative Bedeutung für die Fähigkeit zur Erlangung eines Kernsprengkörpers gegenüber der Nukleartechnologie stetig nachläßt. Weiterhin sind die örtlichen Zugangsrechte der Inspektoren erheblichen Beschränkungen unterworfen und die Inspektionsfrequenzen sehr niedrig. Zudem wird Urankonzentrat, das zu waffentauglichem Kernmaterial umgewandelt werden kann, vom Verfahren nicht erfaßt. Die vertrauensbildende Wirkung der satzungsmäßigen Sicherungsmaßnahmen leidet daran, daß sie immer nur die von den überwachten Staaten deklarierten nuklearen Aktivitäten erfassen, während die Staaten daneben weitere nicht deklarierte Aktivitäten betreiben
51
Grümm, Potential Limitations of International Safeguards, IAEA Bulletin 1982, S. 40 (42). Vgl. hierzu schon: Gilinski, Diversion by National Governments, in: Willrich (ed.), International Safeguards and Nuclear Industry (1973), S. 159 (171). 53 Hasselmann , Do we need new IAEA Safeguards?, GYIL 1984, S. 259 (263). 52
288
11. Kapitel: Zusammenfassung und Folgerungen
können ohne zu ihrer Deklaration verpflichtet zu sein. Schließlich ist auf die nicht ausreichende Information der Staaten über die Ergebnisse der Sicherungsmaßnahmen hinzuweisen, die begrenzend wirkt. 54
III. Konflikttransformation Der konflikttransformierenden Funktion des Verfahrens wurde bei der Ausgestaltung der Sicherungsmaßnahmen nur untergeordnete Bedeutung beigemessen. Dies zeigt sich daran, daß anderen Staaten keine Beteiligungsrechte im Verfahren eingeräumt werden.55 Damit hängt im Falle eines Konflikts die mögliche Konfliktprävention allein vom Ermessen der zuständigen Organe der IAEO ab, die durch die Einleitung von Sonderinspektionen56 Verdachtsmomente entweder bestätigen oder entkräften können.
H. Modellcharakter?
Angesichts der Beendigung des Ost-West-Gegensatzes wird in Zukunft mit Ausnahme regionaler zweiseitiger Konfliktkonstellationen die Bedeutung multilateraler regionaler und globaler Verifikation gegenüber der bilateralen Verifiktion von Rüstungskontrollvereinbarungen zunehmen. Fraglich ist, ob die Sicherungsmaßnahmen der IAEO für solche Verfahren ein Modell sein können.57 Dies gilt insbesondere für die Konzipierung der Verfahren der Kontrolle des Verbotes der Herstellung von chemischen Waffen aufgrund der geplanten Chemiewaffenkonvention, denn auch hier geht es darum, zu überprüfen, ob Technologien, die für die Herstellung von Waffen geeignet sind, ausschließlich für friedliche Zwecke genutzt werden. Im Verfahren der Sicherungsmaßnahmen ist der Materialbuchführung eine zentrale Rolle zugedacht. Angesichts der zunehmenden Menge und Verbreitung von Kernmaterial und der Nukleartechnologie hat jedoch sowohl die relative Rolle von Nuklearmaterial selbst als auch der Aussagewert der Materialbuchführung abgenommen. Von weitaus größerer Relevanz ist heute die Verfügbarkeit von Ausrüstungsgegenständen oder auch persönlichem Know-
54 55 56 57
Siehe oben Siehe oben Siehe oben Vgl. hierzu
9. Kapitel I). 4. Kapitel F. 8. Kapitel D. auch Fischer
III. 2. III. VI. , Safeguarding the Atom: A Critical Appraisal (1985), S. 127-132.
H. Modellcharakter?
289
how, wie die Bemühungen um die Nuklearwissenschaftler der früheren Sowjetunion58 zeigen. Wenn schon im Nuklearbereich eine solche Einschrän^ kung des Verfahrensgegenstandes nur um den Preis erheblicher Effektivitätsminderungen möglich ist, dürfte sie in anderen Bereichen, wo es um eine Vielzahl von Stoffen geht, ausscheiden. Die Trennung eines kontinuierlichen Verfahrensniveaus unter der Direktion eines objektiv agierenden Sekretariats, das gekennzeichnet ist durch eine relativ geringe Inspektionsintensität und einen weitgehenden Geheimschutz, von einem besonderen Verfahrensniveau, in dem erweiterte Zugangsrechte der Inspektoren und Mitwirkungslasten der Staaten bestehen, dürfte auch für andere Verfahren sinnvoll sein. Die Erfahrungen mit den NV-Sicherungsmaßnahmen, bei denen versucht wurde, diese Niveaus anhand eines formalen Kriteriums, der signifikanten Materialbilanzdifferenz, zu trennen,59 spricht jedoch dafür, die Umkehr der Feststellungslast nicht an zu enge Kriterien zu binden, sondern dem überwachenden Organ ein Ermessen einzuräumen. Die Effektivität des Verfahrens bei gleichzeitiger Wahrung der Rechte der überwachten Staaten kann langfristig nur durch objektive Verfahrensgrundsätze und subjektive Verfahrensrechte gesichert werden. Die Tatsache, daß die ersten Sicherungsmaßnahmen der IAEO akzeptiert wurden, weil sie von nuklearen Lieferländern zur Bedingung von Exporten gemacht worden waren, weist darauf hin, daß die zentrale Akzeptanzbedingung für Kontrollverfahren die Ausgewogenheit der von den Staaten übernommenen Souveränitätseinschränkungen und der hierdurch erlangten Vorteile darstellt. Neben dem sicherheitspolitischen Gewinn, der dadurch entsteht, daß sich auch andere Staaten überwachen lassen, spielen für viele Staaten wirtschaftliche Gesichtspunkte eine wichtige Rolle. Die Asymmetrie der auf die NVSicherungsabkommen gestützten Kontrollen, die sich nicht auf die "Gegenleistungen" der nuklearen Lieferländer erstreckt, vermindert die Akzeptanz des Verfahrens. Neben der Kontrolleffektivität eines Verfahrens, die von den Informationspflichten der überwachten Staaten und ihren Verpflichtungen zur Duldung von Inspektionen abhängt, kommt den Rechten der Verfahrensadressaten auf Information über die Verfahrensergebnisse und Einwirkung auf den Verfahrensablauf eine zentrale Rolle zu.
58 Siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9.2.1991: "Länder der Dritten Welt werben Atomfachleute an." 59 Siehe oben 8. Kapitel I). VI. 5. d) aa).
19 Lohmann
290
11. Kapitel: Zusammenfassung und Folgerungen
Das Recht des überwachten Staates, eine schiedsgerichtliche Klärung von verfahrensrechtlichen Konflikten mit der IAEO herbeizuführen, stärkt die "rule of law" im Verfahren.
I. Ausblick Im Jahre 1995 werden die Vertragsparteien des NV-Vertrages darüber entscheiden, ob dieser Vertrag und damit das auf ihn gestützte Kontrollsystem weiter fortgesetzt werden. Zur Zeit kann von der positiven Einstellung der meisten Staaten ausgegangen werden, so daß die IAEO weiterhin NVSicherungsmaßnahmen durchführen können wird. 60 Durch weitere Beitritte zum NV-Vertrag könnte sich die Zahl der außerhalb des Vertrages stehenden Staaten weiter vermindern, so daß sich die NV-Sicherungsmaßnahmen zu einem quasi-universalen Kontrollsystem entwickeln könnten. Für die Bedeutung der Sicherungsmaßnahmen wird es darauf ankommen, daß einerseits ihre Effektivität erhöht wird, indem die Kontrollrechte der IAEO gestärkt werden und der Informationsfluß von anderen Staaten zur IAEO verbessert wird, und andrerseits die Exportstaaten den Ergebnissen der Sicherungsmaßnahmen bei ihrer nationalen Exportkontrollpolitik größere Bedeutung zumessen.
40 Fischerl Müller, The Fourth Review of the Non-Proliferation Treaty, in: SIPRI Yearbook 1991, S. 555 (569).
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