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German Pages 356 Year 2005
Schriften zum Umweltrecht Band 141
Die Koordinierung der internationalen Bemühungen zum Schutz der Umwelt Von
Marcus Schroeder
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
MARCUS SCHROEDER
Die Koordinierung der internationalen Bemühungen zum Schutz der Umwelt
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin
Band 141
Die Koordinierung der internationalen Bemühungen zum Schutz der Umwelt
Von
Marcus Schroeder
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der VolkswagenStiftung Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-11841-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für Solenne
Vorwort „I am certainly not an advocate for frequent changes in laws and constitutions. But laws and institutions must go hand in hand with the progress of the human mind.“ Thomas Jefferson
Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen ist eine der drängendsten Aufgaben unserer Zeit. Ein Großteil der Umweltprobleme stellt sich uns dabei als globale Herausforderung dar. Nur zusammen können die Staaten dieser Erde diese Probleme lösen. Angesichts dessen entwickelt sich das Umweltvölkerrecht und seine Institutionen überaus dynamisch. Die vorliegende Arbeit analysiert kritisch das Erreichte und gibt einen Ausblick auf das Erreichbare. Im Mittelpunkt stehen dabei die so zahlreichen internationalen Institutionen. Der Text wurde im Sommersemester 2004 von der juristischen Fakultät der Humblodt-Universität zur Dissertation angenommen und ist eingebettet in ein Forschungsprojekt der Volkswagen-Stiftung entstanden. Die großzügige Förderung der Volkswagenstiftung, der hiermit gedankt sei, ermöglichte auch die Diskussion verschiedener Teilaspekte dieser Arbeit in einer Vortragsreihe mit namhaften Wissenschaftlern und Praktikern und die Veröffentlichung dieses Werkes. Danken möchte ich meinem Doktorvater Professor Dr. Dr. h.c. Christian Tomuschat für die Betreuung der Arbeit sowie eine außergewöhnlich spannende und lehrreiche Arbeitszeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl. Auch die äußerst rasche Erstellung des Erstgutachtens möchte ich nicht unerwähnt lassen. Dem Zweitgutachter Professor Kloepfer sei hiermit ebenso gedankt. Mein besonderer Dank gilt freilich meinem PACS Solenne Guennegues. Sie hat mich und meine arbeitsbedingte Abwesenheit mit unsagbarer Geduld ertragen und mir doch stets Kraft gegeben, diese Arbeit fortzusetzen. Ihr sei dieses Buch gewidmet. Für redaktionelle Hilfe schulde ich Dank: Rico Kassmann, Stephan Bredt, meinen Brüdern Michael und Matthias Schroeder. Ralph Czarnecki, der mir zudem ein geduldiger und äußerst kompetenter und kritischer Ge-
8
Vorwort
sprächspartner in der fachlichen Diskussion war, möchte ich hier gesondert erwähnen. Schließlich schulde ich Dank meinen Eltern, die mich in Studium und Promotion stets ermutigt und vorbehaltlos unterstützt haben. Berlin, Februar 2005
Marcus Schroeder
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung I.
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Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
II. Stand des vertraglichen Umweltvölkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einteilung der vertraglichen Umweltschutzbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vom einzelstaatlichen Interesse zum gemeinsamen Umweltschutz. . . . . . . . 3. Effektivitätsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18 18 20 22
III. Regelungsstrategien im Umweltvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Einzelproblem-Ansatz (piece meal approach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vom Einzelproblem zum umfassenden Umweltschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25 25 26 28
Teil 2 Akteure der Rechtsetzung und Rechtsentwicklung im Umweltvölkerrecht I.
37
Besonderheiten der Rechtsetzung im Umweltvölkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
II. Die Akteure im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Einzelstaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das System der Vereinten Nationen im internationalen Umweltschutz . . . . a) Kompetenz der UNO zur Gestaltung des Umweltvölkerrechts . . . . . . . . b) Handlungsträger/Organe der UNO im Umweltbereich . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Generalversammlung der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Völkerrechtskommission der UNO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Sicherheitsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Treuhandrat der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). . . . . . . . . . (1) Gründung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. . . . (2) Die Struktur des Umweltprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Mandat des UNEP und seine Rechtsetzungsbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Rolle des UNEP bei der Entwicklung des Umweltvölkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38 38 40 40 43 43 46 47 49 51 51 57 59 63
10
Inhaltsverzeichnis (a) Förderung von Vertragsabschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausarbeitung von „Soft Law“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Commission on Sustainable Development (CSD) . . . . . . . . . . . . . . . (1) Aufgaben/Mandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Aufgabenteilung zwischen UNEP und CSD . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Internationale Organisationen im Umweltvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Welternährungsorganisation (FAO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Organisationsstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mandat der FAO und die graduelle Integration von Umweltund Naturschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Normative Arbeit der FAO im Umweltvölkerrecht. . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO). . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mandat und Integration von Umweltschutzaufgaben in die Arbeit der IMO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beitrag der IMO zum Umweltvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (UNESCO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mandat und Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umweltschutzaktivitäten der UNESCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weltorganisation für Meteorologie (WMO). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mandat und Struktur der WMO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umweltschutzaktivitäten der WMO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Welthandelsorganisation (WTO). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Organisationsstruktur und Mandat der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umweltschutzbezüge im Mandat der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Umweltarbeit der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Arbeit des Committee on Trade and Environment (CTE) . . . . (2) Weichenstellung im Streitbeilegungssystem der WTO . . . . . . . (3) Ergebnis der Rechtsprechungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verhältnis zu Multilateralen Umweltabkommen (MEAs) . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Weitere internationale Organisationen mit Umweltschutzbezug . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Rolle der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligung der NGOs bei der Rechtsetzung im Umweltschutz . . . . . . .
63 71 72 73 73 78 83 85 87 87 88 89 97 99 100 101 104 106 107 107 108 110 111 111 112 116 116 117 118 121 121 122 127 129 132 133 138 139 141
Inhaltsverzeichnis
11
b) Beteiligung bei der Implementierung, Durchsetzung und Erfüllungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Koordinierung der Umweltschutzbemühungen durch die NGOs. . . . . . . 145 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6. Moderne vertragliche Umweltregime (MEAs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Die Vertragsstaatenkonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Sekretariate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 c) Technische Unterorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 d) Status der modernen Umweltübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 e) Bedeutung der modernen Umweltregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
Teil 3 Koordinierung der Aktivitäten der verschiedenen Akteure I.
183
Koordinierungsgremien in den Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. United Nations System Chief Executives Board for Coordination (CEB). 183 2. UNEP und Global Ministerial Environmental Forum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Intergouvernementale Koordinierungsmechanismen zum Schutz des Waldes innerhalb der UNO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
II. Gemeinsame Projekte der internationalen Organisationen im traditionellen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Süßwasser, Wasser und Hygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Ozeane und Küstenregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3. Klima und Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 4. Nachhaltiger Konsum und Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 5. Biodiversität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 6. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Zusammenarbeit der multilateralen Umweltverträge (Fallstudien) . . . . . . . . . . . 208 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Das Ozon-Regime und das Klimaregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Die untersuchten Vertragsregime. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Wiener Ozonvertrag und Montrealer Protokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Das Klimaregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Verbindung Kraft Natur der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) In Konflikt stehende Lösungsansätze im Klima- und Ozonschichtschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 d) Koordinierung und Zusammenarbeit beider Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 aa) Vertragliche Auflösung der Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 bb) Institutionalisierte Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) Informelle Zusammenarbeit auf wissenschaftlich-technischem Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
12
Inhaltsverzeichnis dd) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Biodiversitätskonvention und Ramsar-Konvention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die untersuchten Vertragsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ramsar-Konvention zum Schutz der Feuchtgebiete . . . . . . . . . . . . . bb) Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) . . . . . . . . . . . b) Zusammenhang von Feuchtgebietsschutz und Schutz der Biodiversität aa) Zusammenarbeit der Ramsar-Konvention mit der Biodiversitätskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Formalisierung der Zusammenarbeit in einem Memorandum of Cooperation (MoC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Praktische Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der erste gemeinsame Arbeitsplan (JWP-1, 1998–1999) . (b) Zweiter gemeinsamer Arbeitsplan (JWP-2, 2000–2001) . . (c) Dritter gemeinsamer Arbeitsplan (JWP-3, 2002–2006). . . bb) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Klimaregime und der Schutz der Feuchtgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Zusammenhang Kraft Natur der Sache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammenarbeit der Ramsar-Konvention und des Klimaregimes . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
222 224 224 224 227 229 231 232 233 233 240 246 252 253 253 256 257 258
Teil 4
I.
Förderung der Koordination der Umweltschutzbemühungen de lege ferenda
260
Ideen zur Reform des Institutionengefüges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertikale Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neues Hauptorgan der UNO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Aufgaben für den Treuhandrat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bedenken und Machbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schaffung einer Weltumweltorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriffe und Namen, WEO oder GEO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufwertungsmodelle (separate Sonderorganisation) . . . . . . . . . . . . . (1) Die Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Argumente für eine Weltumweltorganisation . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Ausgestaltung einer internationalen Umweltorganisation. (a) Das WHO-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) ILO-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Inhaltliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
261 261 263 264 265 269 273 274 275 275 278 288 288 289 292 294 297
Inhaltsverzeichnis
13
cc) Das Zentralisierungs- und Integrationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 dd) Hierarchisches Modell mit Durchsetzungskompetenzen . . . . . . . . . . 304 ee) Rein marktorientiertes Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3. Horizontale Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Stärkung des UNEP ohne Organisationsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 b) Clustering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Zusammenfassung/Schlussbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
Teil 1
Einleitung I. Vorüberlegung Die Menschheit steht im 21. Jahrhundert einer neuen Herausforderung gegenüber. Wir lernen jetzt, dass die Industriepolitik, Landwirtschaftspolitik und Energiepolitik, die in den letzten 100 Jahren ein enormes Wirtschaftswachstum geschaffen haben, zugleich ernste Auswirkungen auf den Naturkreislauf und die Ökosysteme zeigen, von denen jedes Leben auf der Erde abhängt. Wissenschaftler in der ganzen Welt läuten die Alarmglocken wegen der vom Menschen verursachten potenziell schädlichen Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen: Abbau der stratosphärischen Ozonschicht, Treibhauseffekt und Klimawandel, weltweite Zerstörung der Wälder und anderer Lebensräume, massenhaftes Artensterben und Verlust der biologischen Vielfalt, zunehmende Wüstenbildung und Landerosion, Meeresverschmutzung, Zerstörung der Korallenriffe, ernsthafte Dezimierung der Fischbestände und steigende Nachfrage nach Trinkwasser. Gandhis Ausspruch: „Earth provides enough to satisfy everyone’s need but not anybody’s greed“,1 kann als Ausdruck der Hoffnung verstanden werden. Es ist noch nicht zu spät zu handeln. Noch kann der Planet Erde die Bedürfnisse der Menschen erfüllen. Damit er das auch in Zukunft kann, muss der Mensch handeln. Die Völkerrechtsordnung hat in der Gegenwart eine bisher nicht gekannte Breite und Tiefe erreicht. Viele Gebiete, die nach klassischem Verständnis zum Kernbestand staatlicher Souveränität gehörten, sind heute mit einem dichten Netz internationaler Regelungen überzogen. Umweltfragen werden neben Sicherheit und ökonomischen Fragen hierbei bereits als dritte Säule des internationalen Systems gesehen.2 Die Verschmutzung der Umwelt und die Schädigung der natürlichen Lebensgrundlagen werden als eines der dringendsten Probleme der Menschheit angesehen, welches immer neue Herausforderungen auch an das Völ1 National Wildlife Federation (NWF), Thoughts from Gandhi, Internetdokument abrufbar unter: , Stand: 29.2.2004. 2 Schon von Moltke, International Commissions and Implementation of International Environmental Law (1988).
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Teil 1: Einleitung
kerrecht stellt.3 Diese bestehen vor allem in der großen Zahl regelungsbedürftiger Sachverhalte, etwa der Erhaltung und dem Schutz der Tier- und Pflanzenwelt, dem Schutz der biologischen Vielfalt, dem Schutz bestimmter Umweltmedien wie Feuchtgebiete, Flüsse und Meere oder dem Schutz der Atmosphäre.4 Dazu gehören aber auch die Mannigfaltigkeit der kollidierenden Interessen der Ökologie und Ökonomie. Die Bemühungen zum internationalen Schutz der Umwelt haben eine derart rasante Entwicklung erfahren wie sonst kein anderes Gebiet des Völkerrechts.5 Auf der Ebene der Rechtsetzung sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden. So ist es in den letzten Jahrzehnten zu einer zunehmenden Komplexität und Intensität völkerrechtlicher Regelungen zum Schutze der Umwelt gekommen, die nur noch eingeweihten Fachleuten verständlich ist. Das moderne Völkerrecht dringt dabei immer stärker in Bereiche ein, die traditionell als ausschließlich nationaler Zuständigkeit unterliegend betrachtet wurden. Vielfach müssen völkerrechtliche Regeln „gegen“ die eigenen Völker durchgesetzt werden.6 Mit diesem gesteigerten Geltungsanspruch des Völkerrechts wächst seine Anfälligkeit. Im Folgenden soll untersucht werden, wie die bisherigen zahlreichen Bemühungen auf dem Gebiet des internationalen Schutzes der Umwelt koordiniert werden, um einen möglichst umfassenden, effektiven und konsentierten Schutz der menschlichen Umwelt zu gewährleisten. Es soll aufgezeigt werden, ob die bisherigen völkerrechtlichen Bemühungen einen Paradigmenwechsel in der allgemeinen Völkerrechtsentwicklung erkennen lassen, der durch ein kooperatives Völkerrecht und eine echte Gemeinschaft der Staaten geprägt ist. Besonderes Augenmerk soll dabei den bestehenden internationalen Organisationen, Initiativen und deren bisheriger Arbeit beigemessen werden. Die Analyse der bestehenden Tendenzen und Ansätze in Rechtslehre und Praxis sollen Zeugnis darüber ablegen, ob sich die Staatengemeinschaft zu einer universellen Wertegemeinschaft in Bezug auf den Umweltschutz entwickelt. Durch die verstärkte Zusammenarbeit der Staaten in internationalen Organisationen und die Koordinierung dieser Zusammenarbeit könnte eine neue Qualität der Staatengemeinschaft in der Entwicklung begriffen sein. Unlängst ist in der Literatur ein Überfluss und ein Stau an Verträgen im Bereich des Umweltschutzes beanstandet worden, der der Durchsetzung ih3 Rublack, Der grenzüberschreitende Transfer von Umweltrisiken im Völkerrecht (1993), S. 19. 4 Ott, Umweltregime im Völkerrecht (1998). 5 Kiss, Journal du Droit International 118 (1991), S. 263. 6 Stoll spricht von der Vorgabe, bei den eigenen Bürgern und Unternehmen, eine Verhaltensänderung zu bewirken: Stoll, Friedens-Warte 74 (1999) S. 194.
I. Vorüberlegung
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rer hehren Ziele eher hinderlich sei7. „What is needed now is less the adoption of new instruments than more effective implementation of the existing ones.“8 Dies ist indes kein Phänomen des Umweltvölkerrechts, sondern wurde auch schon im allgemeinen Rechtsetzungsprozess der internationalen Gemeinschaft beobachtet. Deutlich auf den Punkt gebracht hat es die australische Regierung in ihrer Stellungnahme im Rahmen der Reformdebatte innerhalb der Vereinten Nationen, in der sie Bezug nimmt auf: „. . . the international community’s unrestrained appetite for new international instruments, which it then has difficulties in digesting nationally“.9
Beklagt wird allgemein, dass viele Verträge des modernen Umweltvölkerrechts die Stufe der Umsetzung nur ansatzweise erreicht haben.10 Die traditionellen Methoden der Rechtsdurchsetzung seien hier unzulänglich.11 Über die Effektivität der Umsetzung übernommener Umweltschutzverpflichtungen gibt es kritische Untersuchungen auch neueren Datums.12 Danach gilt es zunehmend zu berücksichtigen, dass der Vollzug komplizierter und gleichzeitig sehr konkreter Regelungen, die in immer größerer Zahl verabschiedet werden, die Verwaltungen vieler ärmerer Staaten vor schier unlösbare Probleme stellt. Vollzugsdefizite treten hier nicht aus Unwilligkeit, den normativen Standard zu erreichen, auf, sondern können sich zunehmend als ein direktes Resultat mangelnder Ressourcen in der nationalen Administration darstellen.13 Hinzu kommt, dass insbesondere einige Entwicklungsländer Schwierigkeiten haben, die Kosten und das spezialisierte Personal aufzubringen, das notwendig ist, um eine aktive Rolle im Entwick7
Weiss, Georgetown Law Journal 81 (1993), S. 697–702. Koskenniemi, YbIEL 3 (1992), S. 123; vgl. auch Handl, Colorado Journal of International Environmental Law and Policy 5 (1994), S. 331. Bei Sand findet sich der Ausdruck: „The Research on the Effectiveness of International Environmental Regimes has only just begun.“, Sand, The Effectiveness of International Environmental Agreements (1992), S. 1 (Preface). 9 United Nations Review of the Multilateral Treaty-Making Process, Statement of Austria, UN Doc. A/35/312, Add. 1, p. 2. 10 Ehrmann, Erfüllungskontrolle im Umweltvölkerrecht (2000), S. 24. 11 Ehrmann, Erfüllungskontrolle im Umweltvölkerrecht (2000), S. 34, insbes. S. 60. 12 Sand, The Effectiveness of International Environmental Agreements (1992); Ehrmann, Erfüllungskontrolle im Umweltvölkerrecht (2000); Bothe, The Evaluation of Enforcement Mechanisms in International Environmental Law, An Overview (1996) S. 13–38; Goote, Middle Way Between Diplomacy and Law, (1999), S. 82– 89; Alexandre, Compliance with international and European environmental obligations, HYIL 9, (1996), S. 45–54. 13 Zu infrastrukturellen Problemen als Ursache für Erfüllungsdefizite siehe die Studie von Chayes/Chayes, New Sovereignty (1995), S. 13 ff.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 663, S. 335. 8
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Teil 1: Einleitung
lungsprozess neuer Normen zu spielen.14 Durch die internationale Koordinierung der vielen Einzelbemühungen kann möglicherweise Abhilfe dadurch erreicht werden, dass Vorarbeiten und Erfahrungen anderer Staaten besser nutzbar gemacht werden oder einige Bemühungen wegen Überschneidungen mit anderen gar gänzlich überflüssig werden. Zunehmend wird gerade für den Bereich des internationalen Umweltschutzes ein Wandel des Völkerrechts zu einem Völkerrecht der Kooperation beschrieben,15 der sich aus der Notwendigkeit zur ständigen positiven Zusammenarbeit ergebe. Ist aber ein umfassender Umweltschutz gewollt, kann ein solcher Wandel nur mit einem gewissen Maß an Koordination und Informationsaustausch zu seiner Vollendung gelangen. Ob hierfür ausreichende Möglichkeiten in Theorie und Praxis bestehen und die Staaten auch gewillt sind, solche Einrichtungen zu nutzen, soll hier untersucht werden.
II. Stand des vertraglichen Umweltvölkerrechts 1. Einteilung der vertraglichen Umweltschutzbemühungen Besonders auf dem Gebiet des Umweltvölkerrechts haben internationale Bindungen materieller Art zugenommen und sind Gremien eingesetzt worden, die in unterschiedlicher Form an der Durchsetzung der bestehenden Verpflichtungen und der Rechtsetzung mitwirken. Diese Entwicklung fußt auf der Notwendigkeit einer aktiven Zusammenarbeit.16 Das gilt angesichts der Natur der Umweltprobleme in besonderem Maße: „Dauerhafte internationale Kooperation ist unabdingbar, um die transnationalen Umweltprobleme zu lösen“.17 Schon die Vielzahl der Vertragsabschlüsse auf diesem Gebiet verdeutlicht diesen dynamischen Prozess der Aushandlung und Setzung neuer Normen, denen sich die Staaten unterwerfen. Die Zahl der völkerrechtlichen Verträge, die zumindest auch Umweltschutzbestimmungen enthalten, wird zur14
Zumindest für die Mitarbeit in internationalen Organisationen so schon Morgenstern (1986), S. 102. 15 Ott, Umweltregime im Völkerrecht (1998), S. 33; Friedmann, The Changing Structure of International Law (1964), S. 60–62, jüngst siehe Churchill/Ulfstein, Autonomous Institutional Arrangements, AJIL 94 (2000), S. 659. 16 Friedmann, The Changing Structure of International Law (1964), S. 61: „To this traditional sphere of diplomatic existence and the corresponding rules of international law, modern needs and developments have added many new areas expressing the need for positive cooperation which has to be implemented by international treaties and in many cases permanent international organisations.“ 17 Greene, Environmental Regimes (1996), S. 198.
II. Stand des vertraglichen Umweltvölkerrechts
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zeit auf etwa 1000 geschätzt,18 wovon etwa die Hälfte primär dem Umweltschutz dient.19 Der Großteil der umweltrechtlich relevanten multilateralen Abkommen lässt sich medialen (Wasser/Boden/Luft), stoffbezogenen (gefährliche Stoffe/Abfall) oder vitalen (Flora/Fauna) Bezugspunkten zuordnen.20 Daneben lassen sich aber auch Instrumente finden, die gemeinsame Institutionen mit weit gefächertem Umweltschutzauftrag gründen,21 sowie Verträge, die sich vom umweltmedienbezogenen Ansatz lösen und den Umweltschutz als ganzes anvisieren. Dies geschieht durch die Begründung von Kooperationspflichten, die den Umweltschutz als solchen betreffen und nicht nach Umweltmedien differenzieren. Als Beispiele lassen sich hier die folgenden Abkommen nennen:22 Nordische Konvention zum Schutz der Umwelt (1974), in Kraft seit 5.10.197623, Übereinkommen über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen (1986), in Kraft seit 27.10.198624, Übereinkommen über Hilfeleistung bei nuklearen Unfällen oder radiologischen Notfällen, in Kraft seit 26.02.198725, Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen26, ECE-Übereinkommen über die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Industrieunfällen, noch nicht in Kraft.27 Grob gesehen lässt sich eine Kategorisierung der bisherigen multilateralen Bemühungen zum Schutze der Umwelt in 13 zweckbezogene Bereiche ableiten: (1) Klima und Energie, (2) Schutz der Ozonschicht, (3) Schutz vor gefährlichen Stoffen, (4) nachhaltige Abfallwirtschaft, (5) Schutz vor ge18 BMZ/BMU, Beantwortung der Fragen der Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und Liberalisierung“, anlässlich der öffentlichen Anhörung am 19.11.2001, S. 3 f. 19 BMZ/BMU, Beantwortung der Fragen der Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und Liberalisierung“, anlässlich der öffentlichen Anhörung am 19.11.2001, S. 3 f.; Greene, Environmental Regimes (1996), S. 196 geht von 120 multilateralen Verträgen mit aktueller Relevanz aus; UNEP schätzt die Zahl auf 502 internationale Verträge, von denen 323 regionale Verträge sind, UN Doc. UNEP/IGM/INF/1 Abs. 5. 20 Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 448, S. 222 in Anlehnung an: Breuer in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht (1995), S. 454 ff.; ders. in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht (1999), S. 484 ff. 21 Nachweis bei Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 448, Fn. 604. 22 Aufzählung in Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 448–459. 23 Text in UNTS 1092, 279. 24 Text in ILM 25 (1986), S. 1370. 25 Text in ILM 25 (1986), S. 1377. 26 Text in ILM 30 (1991), S. 800. 27 Text in ILM 31 (1992), S. 1330.
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Teil 1: Einleitung
fährlichen Anlagen, (6) Erhaltung der biologischen Vielfalt, (7) Schutz von Landschaften, (8) Bekämpfung der Wüstenbildung, (9) Schutz der Meere, (10) Schutz und umweltverträgliche Nutzung der grenzüberschreitenden Binnengewässer, (11) Schutz vor grenzüberschreitender Luftverschmutzung, (12) nukleare Sicherheit, (13) Sonstiges (Umweltverträglichkeitsprüfung, Beteiligung der Öffentlichkeit etc.). Innerhalb dieser Kategorien lassen sich die Verträge nach Regionen unterteilen, soweit sie nicht auf Universalität angelegt sind. 2. Vom einzelstaatlichen Interesse zum gemeinsamen Umweltschutz In den frühen 90er Jahren untersuchte man, inwiefern das vorwiegend vertraglich ausgestaltete Umweltvölkerrecht einem grundlegenden Wandel unterworfen sei.28 War anfangs das Ziel umweltrechtlicher Beschränkungen vornehmlich der Artenschutz zur Erhaltung der nutzbaren Ressourcen29 sowie der Interessenausgleich unter Nachbarn30 und nicht der Schutz der Umwelt31, löst jetzt eine Tendenz den Umweltschutz von den Interessen der unmittelbar betroffenen Staaten. Erste Ansätze hierfür wurden schon in der Formulierung des Prinzips 21 der Stockholmer Erklärung von 1972 gesehen32, die auf die Schädigung der Umwelt anderer Staaten und nicht bloß der Staaten selbst abstellt und darüber hinaus auch die Umwelt außerhalb staatlicher Jurisdiktion einbezieht.33 Zunehmend wurden einzelne globale Rechtsgüter unabhängig von einzelstaatlichen Interessen einem völkerrechtlichen Schutz unterstellt.34 Nut28
Vogelsang, UPR 1992, S. 419; Hohmann, Präventive Rechtspflichten (1992). Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht (2001), 5. Abschnitt, Rdn. 89; Für eine Kategorisierung in 3 historische Entwicklungsstufen (Artenschutz – Nachbarrecht – genuiner Umweltschutz): Randelzhofer, JURA 1992, S. 1, 3 f., ihm folgend Kunig, BDGVR 32 (1992), S. 9, 11 ff. 30 So Lang, BDGVR 32 (1992), S. 57, 62; auch in der neuesten Auflage noch darauf bezugnehmend, Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht (2001), 5. Abschnitt, Rdn. 98 („Prokusbett des Nachbarrechts“); Kloepfer, Umweltrecht (1998), § 6, Rdn. 201; Randelzhofer/Simma, Das Kernkraftwerk an der Grenze (1973), S. 389; Zehetner, Das Internationale Umweltschutzrecht (1991), Bd. 1, Rdn. 1792. 31 Siehe nur Kloepfer/Kohler, Kernkraftwerk und Staatsgrenze (1981), S. 28; Kloepfer, Umweltrecht (1998), § 6, Rdn. 54; für einen kurzen Abriss der Entwicklungsgeschichte siehe auch Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 8 ff., Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht (1999), S. 856. 32 Feist, JuS 1997, 490, 492, ihm folgend: Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln (2001), S. 358. 33 Prinzip 21: „. . . damage to the environment of other states or of areas beyond the limits of national jurisdiction . . . .“, wie hier Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln (2001), S. 358. 34 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 451. 29
II. Stand des vertraglichen Umweltvölkerrechts
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zungsbeschränkungen folgten danach zunehmend nicht aus dem Gebot der Rücksichtnahme, sondern aus einer Betrachtung der Umwelt als schützenswertes Gut, das es im gemeinsamen Interesse mit Zurückhaltung zu verwerten gelte.35 Der Wandel im Völkerrecht bestehe somit in einer Auswechselung des Schutzgutes. Die Rücksichtnahme auf den Nachbarn tritt an Bedeutung zurück, die Umwelt selbst rückt in den Vordergrund.36 Dieser Ansatz, der sich im völkerrechtlichen Schrifttum37 durchgesetzt hat, hat somit den Schutz der Umwelt als ein Staatengemeinschaftsinteresse zum Ziel.38 Ein so verstandenes Umweltschutzrecht, wenn es umfassend sein soll, ist umso mehr auf ständigen Informationsaustausch, Kooperation und Koordination der verschiedenen Bemühungen angewiesen. Es bleibt zu untersuchen, inwieweit die Chance, die das so verstandene Umweltvölkerrecht für die Herausbildung einer wahrhaft universellen Staatengemeinschaft bietet, auch genutzt wird. Im Folgenden soll dazu untersucht werden, welche Kriterien bei der Untersuchung der Effektivität des Umweltvölkerrechts angelegt werden müssen. In einem weiteren Abschnitt wird aufgezeigt werden, wie sich der angesprochene Paradigmenwechsel auch organisatorisch niederschlägt, das heißt, welche Richtung das Umweltvölkerrecht mit seiner eigenen Institutionenbildung eingeschlagen hat.
35 Vogelsang, UPR 1992, S. 419; vgl. dazu auch das Prinzip des „Common Concerns“ in Durner, Common Goods (2000), S. 239, der ein „common concern als Leitmotiv des internationalen Klimaschutzes“ ansieht; Mickelson, YbIEL, 11 (2000), S. 52–81 bezeichnet diesen Ansatz in anderem Zusammenhang bereits als „conventional understanding of environmental international law as being driven primarily by concerns for the environment . . .“. 36 So schon Vogelsang, UPR 1992, S. 419; zur Argumentation siehe Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln (2001), S. 356–360. 37 Nachweise bei Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln (2001), S. 358, Fn. 338; Brunnée, ZaöRV 49 (1989), S. 792 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 451, Hailbronner, AVR 30 (1992), S. 2 (5); Simma, in: Delbrück, The Future of International Law Enforcement, 125 (134); Hohmann, Präventive Rechtspflichten (1992), S. 406; Kiss/Shelton (2000), S. 144; Weiss, Future Generations, AJIL 84 (1999), S. 198 ff.; Delbrück/Kühne, Blauhelme in einer turbulenten Welt (1993), S. 113; Delbrück, Indiana Journal of Global Legal Studies 1 (1993), S. 9, 27 f.; Tietje, AVR 33 (1995), S. 282 f.; Tomuschat, RdC 241 (1993), S. 237; Riedel, A Law to Serve the Public (1997), S. 61 ff.; Reimann, Süßwasserressourcen im Umweltvölkerrecht (1999), S. 160 ff.; Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse (1983), S. 223, 229: a. A. wohl noch Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht (2001), 5. Abschn., Rdn. 98, 99. 38 Kloepfer, Umweltrecht (1998), § 6, Rdn. 201; Randelzhofer/Simma, Das Kernkraftwerk an der Grenze (1973), S. 389, Zehetner, Das Internationale Umweltschutzrecht (1991), Rdn. 1792; Sands, Compliance (1996), S. 59 ff.
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3. Effektivitätsüberlegungen Trotz des dargestellten Interessenwandels kann nicht geleugnet werden, dass die Beeinträchtigung der Umwelt durch den Menschen weiter fortschreitet: „The overall state of the global environment continues to deteriorate at an alarming rate.“39
Bei der Untersuchung der Effektivität des Umweltvölkerrechts hat sich inzwischen der Begriff des Regimes oder des Vertragsregimes durchgesetzt.40 Die im Völkerrecht entwickelten umweltrechtlichen Abkommen und Vertragsregime geben den wesentlichen Handlungsrahmen für internationale und nationale Akteure, die Wissensträger und die beteiligten Interessengruppen vor.41 Das Umweltvölkerrecht lässt sich demnach als Institutionalisierung der Staatenkooperation beschreiben. Die Effektivität des Umweltvölkerrechts wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Eine Gesamtanalyse dieser Faktoren ist ein gesondertes Thema, das den Rahmen dieser Bearbeitung sprengen würde. Insoweit kann hier nur ein kurzer Überblick über den bisherigen vor allem politikwissenschaftlichen Stand der Forschung gegeben werden. Die meisten Arbeiten über die Effektivität im Umweltvölkerrecht haben bisher die Interaktion verschiedener Vertragsregime untereinander außer Acht gelassen. Dies ist nicht verwunderlich, da im Mittelpunkt der Untersuchungen jeweils die einzelnen Vertragsregime mit ihren selbst gesetzten Zielen standen. In der Regimeliteratur bildeten sich mehr oder weniger ausgeprägt vier Kriterien heraus, anhand derer die Effektivität einzelner Umweltregime gemessen werden könne: 1. Umsetzung, 2. Compliance, 3. Monitoring, 4. Erfüllungskontrolle (verification).42 Nach Haas, Keohane und Levy43 hängt die Entwicklung und Umsetzung von Umweltschutzverpflichtungen von drei wesentlichen Faktoren ab. Dies sind der Grad der Besorg39
French (1992), S. 157. Umfassend zum Regimebegriff: Ott, Umweltregime im Völkerrecht (1998), S. 37–46 m. w. N. 41 Greene, Environmental Regimes (1996), S. 198. 42 So zusammenfassend: Cioppa/Bruyninckx, The Effectiveness of International Environmental Regimes (2000), S. 3; Young, The Effectiveness of International Governance Systems (1996) nennt 6 Variablen, die die Effektivität beeinflussen: 1. Lösung des Problems, weswegen das Vertragsregime gegründet wurde, 2. werden die durch das Regime festgesetzten Ziele erreicht, 3. bewirkt das Vertragsregime direkte Verhaltensänderungen bei den Mitgliedern (Verhaltenskomponente), 4. Grad der Implementation in das jeweilige nationale Recht, 5. die Aufwendungen in Zeit, Energie und Ressourcen des einzelnen Mitgliedsstaates, 6. produziert das Regime effiziente, billige und nachhaltige Resultate. 43 Haas/Keohane/Levy, Institutions for the Earth (1994). 40
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nis, die Entwicklung und Unterhaltung von angemessenen Verträgen sowie die Übernahme entsprechender Verpflichtungen und die Fähigkeit, die übernommenen Verpflichtungen umzusetzen. Cioppa und Bruyninckx44 weisen demgegenüber darauf hin, dass eine so verstandene Effektivitätsuntersuchung zwar die institutionalisierte Arbeit der einzelnen Regime untersucht, nicht aber das umweltrelevante Ergebnis (environmental outcomes). Was fehlte, sei die Bewertung des ökologischen Einflusses, der ökologischen Wirkung eines Vertragsregimes. Anders gewendet muss institutionelle Effektivität (institutional effectiveness) von der ökologischen Effektivität (environmental effectiveness) getrennt werden45. Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag bisher auf den institutionellen Phänomenen des internationalen Umweltschutzes46. Cioppa und Bruyninckx entwickeln das Konzept der „environmental effectiveness“ weiter und erstellen ein 5-stufiges Konzept zur Untersuchung der Effektivität von Umweltregimen (Negotiation and Adoption of Agreement; Statutory Content of Agreement; Implementation of Agreement; Compliance with Agreement; Outcomes: Evidence Regarding environmental effectiveness). Hinzukommt ein zeitliches Problem. Oftmals liegen zwischen Identifizierung eines Umweltproblems, Erzielung einer Einigung, Unterzeichnung und Ratifikation eines Abkommens und dessen Umsetzung lange Zeiträume. Eine Lösung, die zu Beginn des Prozesses noch für gut gehalten wurde, kann am Ende der Verhandlungen schon nicht mehr ausreichen, um das Problem zu lösen.47 Damit muss auch der Zeitfaktor zu einem entscheidenden Teil der Effektivitätsuntersuchung eines Umweltregimes werden.48 Für das Ergebnis im Sinne der „environmental effectiveness“ ist die Frage, wie flexibel und wie schnell ein Umweltregime auf veränderte Bedingungen und neue Erkenntnisse reagieren kann, von zentraler Bedeutung. Hinter diesem neuen Ansatz steckt letztlich die Erkenntnis, dass es nicht genügt, dass ein bestimmtes Vertragsregime verhaltensändernd wirkt, also die Frage: „do regimes matter?“49 beantwortet wird, sondern dass die Erhaltung der natürlichen Ressourcen und die Abwendung von Gefahren für die 44 Cioppa/Bruyninckx, The Effectiveness of International Environmental Regimes (2000). 45 Cioppa/Bruyninckx, The Effectiveness of International Environmental Regimes (2000), S. 3. 46 Cioppa/Bruyninckx, The Effectiveness of International Environmental Regimes (2000), S. 2. 47 Susskind, Environmental Diplomacy (1994), S. 14. 48 Kutta, Assessing the Effectiveness of International Environmental Agreements (1998), S. 9. 49 Bei dieser Frage geht es in der politikwissenschaftlichen Diskussion lediglich darum, ob Vertragsregime verhaltensändernd wirken.
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Umwelt gewährleistet wird. Es ist also stets auch zu fragen, ob die Vertragsregime den Zustand der Umwelt verbessern. Rückt man so den Zustand der Umwelt in den Vordergrund, dann ist es nur noch ein kleiner Sprung, auf die Koordination der Arbeit der verschiedenen Sektoren im internationalen Umweltschutz hinzuweisen. Wenn sich ein Rechtssystem herausgebildet hat, dessen übergeordnetes Ziel die Erhaltung der natürlichen Ressourcen darstellt, dann sind Zusammenarbeit und Informationsaustausch zwischen den einzelnen Untereinheiten des Rechtssystems geboten, um das übergeordnete Ziel zu erreichen. Die Anknüpfung an „environmental effectiveness“ vermochte sich bisher jedoch in der Literatur (noch) nicht durchzusetzen. Es bleibt abzuwarten, wie die Politikwissenschaft auf diese Innovation reagiert. Aber auch aus einem anderen Grund ist eine Koordinierung der Bemühungen zum Schutze der Umwelt geboten. Geht man davon aus, dass „dauerhafte internationale Kooperation [. . .] unabdingbar [ist], um die transnationalen Umweltprobleme zu lösen“,50 so liegt auf der Hand, dass mit wachsender Anzahl der Umweltschutzverträge und der damit verbundenen Zunahme der Vertragsinstitutionen auch der Arbeitsaufwand der beteiligten Staaten sowohl bei der Partizipation an der Normsetzung und Umsetzung als auch an der Erfüllungskontrolle wächst. Besonders kleinere Staaten könnten hier an ihre administrative Leistungsgrenze stoßen. Es geht dabei nicht um die Frage, wie „teuer“ Umweltschutz allgemein ist und inwieweit etwa die Entwicklungsländer auf Technologietransfer oder finanzielle Unterstützung bei der Erreichung der Umweltschutzziele und Standards angewiesen sind. Dies ist ein Aufwand, der „gewollt“ ist, da er notwendig mit der Erreichung der Umweltschutzziele verbunden ist. Gemeint ist vielmehr die Frage, ob es auch einen vermeidbaren Aufwand gibt, der nur deshalb besteht, weil mittlerweile eine Vielzahl multilateraler Abkommen auf dem Gebiet des Umweltschutzes geschlossen wurden, die mehr oder weniger unabhängig voneinander zur Entstehung gelangt sind. Es ist also zu untersuchen, ob die Vielzahl der internationalen Organisationen, völkerrechtlichen Initiativen und Abkommen sich untereinander vernetzen, sich gegenseitig ergänzen und aufeinander aufbauen, an einem Strang ziehen, oder weiterhin nebeneinander her an Spezialproblemen arbeiten. Eine verstärkte Koordination und Zusammenarbeit könnte auch zu einer Entlastung derjenigen nationalen Administrationen führen, die durch die große Zahl von Vertragsverhandlungen, Vertragsstaatenkonferenzen und durch die Tätigkeit in den verschiedenen internationalen Organisationen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen. Um hier Klärung zu schaffen, ist zunächst notwendig zu ermitteln, wie der internationale völkerrechtliche Umweltschutz organisiert ist. 50
Greene, Environmental Regimes (1996), S. 198.
III. Regelungsstrategien im Umweltvölkerrecht
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III. Regelungsstrategien im Umweltvölkerrecht Hierfür erscheint es sinnvoll, die Regelungsstrategien der Bemühungen zum Schutz der Umwelt einmal genauer zu beleuchten. 1. Der Ursprung Die Geschichte des Umweltvölkerrechts von den Anfängen über die Konferenzen von Stockholm 1972 und Rio 1992 bis in die heutige Zeit ist bereits vielfach beschrieben und diskutiert worden.51 Hier sei nur noch einmal darauf hingewiesen, dass die ersten völkerrechtlichen Normen mit Umweltbzw. Naturschutzcharakter in der Mehrzahl solche waren, die primär ein „utilitaristisches Regelungsziel“52 verfolgten. Im Mittelpunkt der Regelungen standen der Ausgleich konkurrierender Nutzungsinteressen im Verhältnis zu den Nachbarstaaten53 oder ökonomische Interessen54. In vielen Fällen verriet schon der Name des Abkommens das Motiv für dessen Abschluss.55 Das ist zum Beispiel der Fall bei den folgenden Abkommen: „International Convention for Protection of Birds Useful to Agriculture“ von 190256, „Convention destinée à assurer la conservation des diverses espèces animales vivant à l’état sauvage en Afrique qui sont utiles à l’homme ou inoffensives“ vom 19. Mai 190057. Auch das Internationale Übereinkommen zur Regelung des Walfangs vom 24. September 193158 diente ursprünglich dem Zweck, die Wale besser nutzen zu können. Wo die Staaten Nutzungskonflikte wahrnahmen oder wo ökonomische Erwägungen es erforderten, haben die interessierten Staaten also die ersten bilateralen und multilateralen Abkommen mit Bezug zum Umweltschutz abgeschlossen, selbst wenn die Umweltschutzwirkung nur als „Nebeneffekt“ 51 Für einen kurzen aktuellen Abriss siehe: Sax, California Law Review 88 (2000), S. 2375–2402; Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 27–47; Kiss/Shelton (2000), S. 55–78; ausführlicher in: Carlson, The Silent Spring (1992); Caldwell, International Environmental Policy: Emergence & Dimensions (1984); ders., 2. Aufl. (1990); Barnes, Columbian Journal of Environmental Law 13 (1988), 389–396; Worster, The Ends of the Earth (1988); Weiss, Georgetown Law Journal 81 (1993), S. 675 ff.; Sands, Greening International Law (1993); Sands, Principles of International Environmental Law (1995), S. 25 ff. 52 Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 29. 53 Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 9. 54 „[S]hort term utility“: Kiss/Shelton (2000), S. 56. 55 Vertiefend, Kiss/Shelton (2000), S. 57 f. 56 Vom 19. März 1902, 30 Martens (2. Aufl.), S. 686. 57 Text in Rüster, IPE 2nd. Series (1990), Bd. IV, S. 214. 58 UNTS 161, 193.
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bezeichnet werden kann.59 Ein wissenschaftlich fundiertes Umweltbewusstsein bildete sich in der Staatengemeinschaft erst später heraus.60 Fest steht jedenfalls, dass diese ersten Verträge mit Umweltschutzbezug allenfalls vereinzelt und sporadisch abgeschlossen wurden. Ein Plan oder Muster war nicht erkennbar. Ein erster umfassender Plan, der den Umweltschutz als solchen in den Mittelpunkt stellt, wurde erst mit der Konferenz von Stockholm 1972 sichtbar.61 Bei der Entstehung von multilateralen und bilateralen Verträgen blieb es aber bei einem sporadischen Fortschreiben von Normen von Fall zu Fall. 2. Der Einzelproblem-Ansatz (piece meal approach) Dieses fragmentarische Fortschreiben der Normen des Umweltvölkerrechts wird allgemein als „piece meal approach“62 beschrieben. Dieser Ansatz ist dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Einzelprobleme isoliert behandelt werden und ihren Niederschlag in Ad-hoc-Verhandlungen und letztlich Verträgen über einzelne Segmente finden.63 Kennzeichnend ist, dass nur ein Teil des Gesamtproblems isoliert angegangen wird. Als Beispiel mögen hierfür die Regeln des Schutzes der marinen Umwelt gelten. Hier entstanden zunächst spezielle Rechtsregeln, bevor allgemeine Regeln verabschiedet wurden. Das Übereinkommen vom 29.12.1972 über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen (Londoner Konvention)64 und das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL)65 sind beides spezielle Konventionen, die den Schutz der maritimen Umwelt vor verschiedenen Verschmutzungsquellen zum Inhalt haben. Ein allgemeiner Rahmen wurde erst später mit Teil XII des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) von 198266 geschaffen. Der Begriff des „piece meal approach“ kann allerdings auch in die Irre führen. Das englische Wort „approach“ suggeriert, dass hinter dem Vorge59
Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 9. Zum wachsenden Umweltbewusstsein in der Staatengemeinschaft siehe Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 27–47. 61 Zu den Ergebnissen der Konferenz von Stockholm statt vieler: Kiss/Sicault, La Conférence des Nations Unies sur l’Environnement, AFDI 18 (1972), S. 603–628; Sohn, Harvard International Law Journal 14 (1973), S. 423–515. 62 Adede, Environmental Policy and Law 22/2 (1992), S. 90 f. und 100. 63 Sjöstedt, Critical Attributes (1994), S. 119 f. 64 Convention on the Prevention of Marine Pollution by Dumping of Waste and Other Matter, Text in: BGBl. 1977 II, S. 180. 65 BGBl. 1982 II, S. 2. 66 BGBl. 1994 II, S. 1799. 60
III. Regelungsstrategien im Umweltvölkerrecht
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hen ein Plan oder jedenfalls ein bewusstes Herangehen steckt. So verstehen ihn wohl auch Beyerlin/Marauhn, wenn sie sagen, „States should make use of the „piecemeal approach“ when a particular need for regulation must be urgently met [. . . .]“ Das Hauptproblem in den Geburtsjahren des Umweltvölkerrechts war aber nicht ein planmäßiges Außerachtlassen größerer Zusammenhänge, sondern zu allererst fehlendes Umweltbewusstsein im Allgemeinen. Bis zur Konferenz von Stockholm 1972 war dieses in der Staatengemeinschaft kaum vorhanden.67 Als Indiz dafür spricht die Tatsache, dass in der Charta der Vereinten Nationen von 1945 der Umweltschutz oder auch nur die Erhaltung der natürlichen Ressourcen der UNO nicht als Aufgabe zugewiesen wurde. Diesem fehlenden Bewusstsein entspricht auch die Art und Weise, in der das Umweltvölkerrecht als Rechtsmaterie entwickelt wurde. Da ein systematischer Überbau fehlte, wurden einzelne Verträge nach Bedarf ausgehandelt und zumeist bilateral geschlossen. Der Umweltschutzgedanke musste sich erst nach und nach und im Zuge wachsender naturwissenschaftlicher Erkenntnisse durchsetzen. So haben auch die Nationalstaaten selbst erst spät angefangen, eigene Umweltministerien einzurichten. Aber trotz wachsenden Umweltbewusstseins blieb es bei sporadischen und fragmentarischen Lösungen verschiedener Umweltprobleme. Wie auch im nationalen Recht üblich wurden Regeln zum Umweltschutz für gewöhnlich dann erarbeitet, wenn ein konkretes Umweltproblem zu Tage trat.68 Heute ist ein solches fragmentarisches Herangehen weniger Folge von Unkenntnis, sondern von Praktikabilitätserwägungen. Einer kleinen möglicherweise besonders betroffenen Gruppe von Staaten kann es eher gelingen, Konsens über ein gemeinsames Vorgehen zu erzielen. Diese fragmentarische Art der Rechtserzeugung ist Erfolg versprechend, wenn in einem bestimmten Segment des Umweltschutzes eine kleinere homogene Staatengruppe in der Lage ist, ein begrenztes Problem schneller und effektiver zu lösen als in einem allumfassenden Vertrag, der ein komplexes Umweltproblem mit allen Aspekten zu lösen versucht69. Als erfolgreiche Beispiele dieser Methode nennen Beyerlin/Marauhn das Internationale Übereinkommen vom 2. Dezember 1946 zur Regelung des Walfangs70 und die Konvention über das Verbot des Fischens mit Treibnetzen vom 67
Fitzmaurice, RdC 293 (2001), S. 28–33. Gehring, YbIEL 1 (1990), S. 35 ff.; dem folgend: Loibl, The Proliferation of International Institutions (2001). 69 So etwa Beyerlin/Marauhn (1997), S. 27. 70 BGBl. 1982 II, S. 558. Einzelheiten zur Walfangkonvention: Toennessen/ Jolensen, The History of Modern Whaling (1982); Rose, Verification and Enforcement (1993); Maffei, IJMCL 12 (1997), S. 287–305; zum Walfang allgemein: Aron/ Burke/Freeman, Marine Policy 24 (2000), S. 179–191. 68
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Teil 1: Einleitung
24. November 1989.71 Beide Vertragswerke haben ein begrenztes Anwendungsgebiet und wiesen ursprünglich eine begrenzte Anzahl von Vertragsparteien auf. Dennoch sind sie erfolgreich, weil sie verbindliche Pflichten zum Schutze der Wale bzw. des Tunfischbestandes enthalten und über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinaus wirken. Der Einfluss der Konvention über das Fischen mit Treibnetzen ging durch seine Signalwirkung sogar weit über seinen eigentlichen Anwendungsbereich im südlichen Pazifik hinaus. 1991 verabschiedete die UNO-Generalversammlung eine Resolution, in der sie alle Staaten aufforderte, bis 1992 das Fischen mit Treibnetzen in allen Weltmeeren drastisch zu reduzieren.72 Mit Beyerlin/Marauhn kann man diesen „piece meal approach“ sogar dort als notwendig ansehen, wo besondere Eile für die Regelung eines Sachverhaltes geboten ist und es wenigen Staaten gelingt, eine Pionieroder Vorreiterrolle zu spielen und sich auf verbindliche Pflichten zu einigen.73 Ein erheblicher Schwachpunkt der fragmentarischen Ad-hoc-Rechtsetzung liegt aber in der zunehmenden Diversifikation des Vertragsrechts, welches der Effektivität abträglich ist. Komplexe globale Umweltprobleme, wie etwa die Erwärmung des Erdklimas, der Abbau der Ozonschicht, die Reinhaltung der Erdatmosphäre oder die Wüstenbildung, können mit diesem Ansatz freilich nicht gelöst werden. Diese Probleme lassen sich Kraft Natur der Sache nicht im engsten Kreis der „Willigen“ lösen. Hier muss zunächst ein breiter Konsens über die Notwendigkeit internationaler Regelungen erreicht werden. Das setzt die Schaffung eines Grundstocks allgemein anerkannter naturwissenschaftlicher Erkenntnisse voraus. Hinzu kommt, dass eine Vielzahl wirtschaftlicher aber auch sozialer Faktoren berücksichtigt werden müssen, will man zu wirksamen Instrumenten kommen. 3. Vom Einzelproblem zum umfassenden Umweltschutz Die internationale Gemeinschaft hat einen Weg gefunden, wie auch komplexe, alle Staaten betreffende Umweltprobleme angegangen werden können, wie medienübergreifende möglichst universelle Lösungen gefunden werden können. Dieser Weg lässt sich als „Framework Convention and Pro71 Convention for the Prohibition of Fishing with Long Driftnets in the South Pacific, in Kraft seit 17.5.1991, Text in: ILM 29 (1990), S. 1449. Zur Geschichte des Kampfs gegen das Fischen mit Treibnetzen siehe: Miller, in: Crawford, The Law of the Sea in the Pacific Region (1995), S. 155–170. 72 UNGA Res. A/Res/46/215, vom 20.12.1991, para. 3; Vorgänger waren UNGA Res. A/Res/44/225, vom 15.3.1990 und UNGA Res. A/Res/45/197 vom 21.12. 1990. 73 Beyerlin/Marauhn (1997), S. 28; Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 85.
III. Regelungsstrategien im Umweltvölkerrecht
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tocol approach“74 oder Rahmenvertrag-Protokoll-Ansatz beschreiben. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht durchweg die Erkenntnis, dass ein gesamter Problemkomplex einer umfassenden und universellen Regelung bedarf. Da es in der internationalen Gemeinschaft keine echte Legislative gibt, müssen diese Probleme durch Verträge gelöst werden. Es liegt auf der Hand, dass mit der Komplexität und der Universalität der Probleme auch die Verhandlungen schwieriger werden, weil immer mehr Interessen von immer mehr Staaten betroffen sind.75 Das Endziel soll dabei nicht auf einen Schlag (unu actu), sondern in verschiedenen Etappen nacheinander mittels „hintereinander geschalteter Instrumente“76 erreicht werden. Die besondere Bedeutung des Rahmen-Ansatzes liegt darin, dass er einen Prozess der Informationsbeschaffung und der Institutionalisierung eines regelmäßigen Informationsaustausches der beteiligten Akteure etabliert.77 Der Rahmenansatz dient letztlich der Verschiebung von schwierigen Verhandlungsproblemen, ohne den Versuch sie zu lösen, ganz aufzugeben.78 Dieser Rahmenvertrag-Protokoll-Ansatz realisierte sich im Umweltvölkerrecht erstmalig bei der Konvention von Barcelona zum Schutz der marinen Umwelt und der Küstenregionen im Mittelmeerraum vom 16. Februar 1976 (Barcelona-Konvention)79. Nach Art. 4 Abs. 2 Barcelona-Konvention sollen die Parteien bei der Formulierung und Annahme von Ergänzungsprotokollen zusammenarbeiten: „The Contracting Parties shall cooperate in the formulation and adoption of Protocols, in addition to the protocols opened for signature at the same time as this Convention, prescribing agreed measures, procedures and standards for the implementation of this Convention.“
Artikel 15 ergänzt hierzu: Abs. 1: „The Contracting Parties, at a diplomatic conference, may adopt additional Protocols to this Convention pursuant to paragraph 2 of Article 4.“ 74 Als „convention-cum-protocol approach“ schon beschrieben bei Sand, Marine Environment Law (1988), S. 1 ff.; Röben, Institutional Developments (2000), S. 369; vgl. auch Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 88. 75 Zu den Schwierigkeiten der Vertragsverhandlungen im Ozon-Regime siehe Benedick, Ozone Diplomacy (1998). 76 Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 88. 77 Brunnée, Leiden Journal of International Law 15 (2002), S. 7 f. 78 Brunnée, Leiden Journal of International Law 15 (2002), S. 8. 79 Convention for the Protection of the Marine Environment and the Coastal Region of the Mediterranean (Barcelona Convention) vom 16.2.1976, in Kraft seit 12.2.1978, Text im Internet verfügbar unter: , Stand: 28.5.2003; mit Protokollen von 1980 und 1982.
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Teil 1: Einleitung
Eine diplomatische Konferenz zur Ausarbeitung entsprechender Protokolle soll auf Antrag von zwei Dritteln der Mitgliedstaaten einberufen werden (Art. 15 Abs. 2). Besonders eindrucksvoll wird die Hintereinanderschaltung von Instrumenten am Beispiel des Klimaschutzes deutlich. Die Erwärmung des Erdklimas ist ein komplexes und zugleich globales Umweltproblem, welches sich auch nur universell lösen lässt.80 Die Erforschung der Auswirkung verschiedener Faktoren auf das Erdklima ist in ihrer Komplexität nach wie vor eine wissenschaftliche Herausforderung. Sind einzelne Ursachen für die Erderwärmung erst einmal erkannt, dann bedarf es globaler Lösungen. Die Reduktion der Treibhausgasemissionen kann sich nur dann positiv auswirken, wenn sich zumindest ein Großteil der Emittenten beteiligt. Auf dem globalisierten Markt spielen auch Wettbewerbsverzerrungen eine entscheidende Rolle, die dadurch entstehen können, dass strengere Umweltauflagen auch höhere Produktions- und Entwicklungskosten bedeuten. Ein wirksamer Schutz ist mit hohen Kosten für alle teilnehmenden Länder verbunden, da ganze Produktionsverfahren umgestellt werden müssen. Demnach erscheint nur ein globales Vorgehen sinnvoll. Das erste soft law Instrument, welches direkt auf den Klimaschutz hinarbeitet, ist die Haager Erklärung über die Umwelt von 24 Staaten81 vom 11. März 198982, die einer Resolution der Generalversammlung vom 6. Dezember 1988 folgte. Bereits in der Resolution stellte die Generalversammlung fest: „that necessary and timely action should be taken to deal with climate change within a global framework“.83
Die Haager Deklaration erkennt an, dass es sich bei dem Problem der Klimaerwärmung um eine globale („planet-wide in scope“84) und dringende („vital, urgent and global“85) Frage handelt. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich deshalb, Verhandlungen zu fördern: 80 Zu den wissenschaftlichen Voraussetzungen des Klimaschutzes: IPCC, Climate Change 2001, The Scientific Basis (2001). 81 Ägypten, Australien, Brasilien, Bundesrepublik Deutschland, Kanada, (damals) Elfenbeinküste, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Jordanien, Kenia, Malta, Norwegen, Neu Seeland, die Niederlande, Schweden, Senegal, Spanien, Tunesien, Ungarn, Venezuela und (damals) Zimbabwe. 82 Hague Declaration on the Environment (Haager Deklaration), 11.3.1989, ILM 28 (1989), S. 1308. 83 UNGA Res. „Protection of global climate for present and future generations of mankind“, A/RES/43/53, para. 2. 84 Haager Deklaration, para. 5. 85 Haager Deklaration, para. 6.
III. Regelungsstrategien im Umweltvölkerrecht
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„[. . .] the signatories acknowledge and will promote the following principles: [. . .] (e) The negotiation of the necessary legal instruments to provide an effective and coherent foundation, institutionally and financially, [. . . .]“86
In der Folge setzte im Dezember 1990 die Generalversammlung der Vereinten Nationen einen Verhandlungsausschuss (INC87) ein.88 Am Ende der Verhandlungen stand am 9. Mai 1992 das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (Klimarahmenabkommen, UNFCCC)89, das auf der Konferenz von Rio von 154 Staaten und der Europäischen Union unterzeichnet wurde.90 Heute zählt die UNFCCC bereits 188 Ratifizierungen.91 Dem Rahmenübereinkommen folgten lange Zeit keine verbindlichen Pflichten. Die Vertragsparteien beschlossen 1995 auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz der UNFCCC nicht das erwartete Protokoll mit konkreten Rechtspflichten, sondern lediglich das rechtlich unverbindliche „sehr enttäuschende“92 „Berliner Mandat“93, welches einen Verhandlungsprozess einleiten sollte, der binnen zwei Jahren zu einem Protokoll mit konkreten Reduktionspflichten für Treibhausgase führen sollte94. Abermals folgte den Bemühungen ein Dokument des soft law. Durch die Schaffung eines konkreten Verhandlungsgremiums wurde aber die Unverbindlichkeit des „Berliner Mandats“ ein Stück weit „abgefangen“. Deshalb konnte es trotz aller Kritik als ein „wichtiger Teilerfolg“95 angesehen werden. Am 10. Dezember 1997 folgte dann nach langen Verhandlungen auf der dritten Vertragsstaatenkonferenz in Kyoto das Kyoto-Protokoll zum Klimarahmenabkommen.96 Die86
Haager Deklaration, para. 10 (e). International Governmental Negotiation Committee for a Framework Convention on Climate Change. 88 UNGA Res. A/RES/45/212. 89 Framework Convention on Climate Change, BGBl. 1993 II, S. 1784; ILM (1992), S. 849. 90 In Kraft seit: 21.3.1994. 91 Stand: 17.2.2003; den aktuellen Ratifikationsstand der UFCCC findet man auf der Internetseite des Abkommens unter: , Stand: 24.5.2003. 92 WBGU, Jahresgutachten 1995, S. 103. 93 Vom 7.4.1995, UN Doc. FCCC/CP/1995/L.14, Text im Internet: , Stand 24.5.2003. 94 Zum Berliner Mandat vgl.: WBGU, Jahresgutachten 1995, S. 103–162; ders., WBGU, Sondergutachten 1997. 95 WBGU, Jahresgutachten 1995, S. 104. 96 Text in ILM 37 (1998), S. 22; Nach Art. 55 Kyoto-Protokoll tritt es in Kraft, wenn 55 Annex I-Staaten Partei geworden sind, wobei diese Mitglieder für mindestens 55% des Kohlendioxidausstoßes im Jahr 1990 verantwortlich gewesen sein müssen. Zur Zeit zählt das Abkommen 146 Ratifikationen (davon 37 Annex-I-Staa87
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Teil 1: Einleitung
ses legt erstmalig seit den ersten Schritten zum Klimaschutz verbindliche Reduktionspflichten fest. Das Beispiel des Klimarahmenabkommens verdeutlicht die Wirkungsweise des Rahmenvertrag-Protokoll-Ansatzes. Diese Form der Rechtsentwicklung kann auch als gestuftes Rechtsetzungsverfahren bezeichnet werden, da der Rechtsetzungsprozess schon vor dem eigentlichen Abschluss eines Rahmenübereinkommens beginnt und verschiedene Stufen durchläuft. Wie das Beispiel der Klimarahmenkonvention zeigt, bereiten Soft-Law-Instrumente den Weg zu verbindlichen Rechtspflichten sowohl vor als auch nach Abschluss eines Rahmenübereinkommens. Unverbindliche Normen verdichten sich über einen kontinuierlichen Verhandlungszeitraum hinweg zu immer mehr verbindlichen Regeln. Das Erfolgsrezept dieses Ansatzes liegt in der Institutionalisierung des spezifischen Verhandlungsprozesses. Die vereinbarte Rahmenkonvention gibt dabei Intensität und Geschwindigkeit der Verhandlungen vor. Die Klimarahmenkonvention ist in dieser Hinsicht eher als zurückhaltend einzustufen. Im entsprechenden Art. 17 der Konvention heißt es: „1. The Conference of the Parties may, at any ordinary session, adopt protocols to the Convention“.
Zwar bietet eine solche Formulierung keine „rechtliche Gewähr“97 dafür, dass das Abkommen durch nachfolgende Rechtsinstrumente (Protokolle) weiterentwickelt wird. Es bleibt aber die Funktion der Institutionalisierung und Kanalisierung des Verhandlungsprozesses. So gibt die Klimarahmenkonvention zumindest das regelmäßige Treffen der Mitgliedstaaten auf den Vertragsstaatenkonferenzen vor. Art. 7 Abs. 4 legt einen jährlichen Rhythmus für die Vertragsstaatenkonferenzen fest, und Abs. 5 erlaubt auch Sondersitzungen entweder, wenn die Vertragsstaatenkonferenz es selbst beschließt oder auf Antrag eines Mitgliedstaates, wenn binnen sechs Monaten mindestens ein Drittel der Mitglieder zustimmt. Im Allgemeinen legen die bisherigen Rahmenabkommen des Umweltvölkerrechts die Intensität der Verpflichtungen sehr unterschiedlich fest. Grob lassen sich zunächst zwei Gruppen feststellen. Die erste Gruppe von Rahmenübereinkommen eröffnet – wie das Klimarahmenübereinkommen – lediglich die Möglichkeit einer weiteren Konkretisierung durch nachfolgende Rechtsinstrumente. Verbindliche Pflichten für das tatsächliche Aushandeln solcher Instrumente werden bei dieser Gruppe noch nicht festgelegt. Der Sinn solcher Vereinbarungen liegt im Konsens über die Anerkennung einer ten mit 61,6% Anteil an der Treibhausgasemission von 1990. Das Protokoll ist seit 16.2.2005 in Kraft, Stand: 23.3.2005. 97 Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 90.
III. Regelungsstrategien im Umweltvölkerrecht
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Materie als international regelungsbedürftig und die Äußerung der Bereitschaft, in Zukunft auch verbindliche Instrumente folgen zu lassen. Für die praktische Seite bedeutsam ist die Schaffung eines institutionellen Rahmens (Vertragsstaatenkonferenzen), der den Verhandlungsprozess durch seine Regelmäßigkeit beschleunigt. Zu dieser Gruppe gehört neben dem Klimarahmenabkommen auch das Genfer Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung von 1979 (LRTAP)98. Dessen Art. 10 Abs. 2 lautet: „The Executive Body shall establish, as appropriate, working groups to consider matters related to the [. . .] development of the present Convention and to this end to prepare appropriate studies and other documentation and to submit recommendations to be considered by the Executive Body.“
Weiter als die erste Gruppe von Rahmenverträgen geht eine zweite, die man als pacta de negotiando99 bezeichnen kann.100 Diese Rahmenübereinkommen schreiben eine Pflicht zum Aushandeln eines oder mehrerer Folgeinstrumente fest, wobei sich die Verpflichtung auf die Durchführung ernst gemeinter Vertragsverhandlungen bezieht.101 Hierunter fällt etwa das Wiener Ozonschutz-Übereinkommen von 1985.102 In dessen Art. 2 Abs. 2 (c) heißt es: „[. . .] the Parties shall, [. . .] Co-operate in the formulation of agreed measures, procedures and standards for the implementation of this Convention, with a view to the adoption of protocols and annexes“.
und Art. 6 Abs. 4 h fügt hinzu: „The Conference of the Parties shall keep under continuous review the implementation of this Convention, and, in addition, shall: [. . .] consider and adopt, as required protocols in accordance with article 8.“ 98 Convention on Long-range Transboundary Air Pollution, BGBl. 1982 II, S. 374, ILM 18 (1979), S. 1422. 99 Allgemein zum pactum de negotiando: Beyerlin, ZaöRV 36 (1976), S. 406– 443; Ipsen, Völkerrecht (1999) S. 97; vgl. auch Kron, Pactum de contrahendo im Völkerrecht (1971). 100 So ausdrücklich für das Übereinkommen über die biologische Vielfalt: Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 90: „völkerrechtlich verbindliches pactum de negotiando“. 101 Zum Inhalt von Verhandlungspflichten siehe: Arbitral Tribunal for the Agreement on German External Debts, Kingdom of Greece v. Federal Republik of Germany vom 26.1.1972, ILR 47, S. 418–462, para. 62: „a pactum de negotiando is also not without legal consequences. It means that both sides would make an effort, in good faith, to bring about a mutually satisfactory solution by way of a compromise, even if that meant the relinquishment of strongly held positions earlier taken.“ Dazu auch North Sea Continental Shelf Cases vom 20.2.1969, ICJ Rep. 1969, S. 47, 85. 102 BGBl. 1988 II, S. 902; ILM 26 (1987), S. 1516, 1529.
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Teil 1: Einleitung
Hierher gehört auch das Übereinkommen über die biologische Vielfalt103 (CBD, Biodiversitätskonvention), in dessen Art. 28 Abs. 1 es heißt: „The contracting parties shall cooperate in the formulation and adoption of protocols to this Convention.“
Weitergehende Pflichten als das ernst gemeinte und regelgerechte Verhandeln können darin aber nicht gesehen werden. Rahmenabkommen, die in der Intensität der Verpflichtungen über diese zweite Gruppe hinausgehen, sind bisher noch nicht ersichtlich. Denkbar wäre noch eine Ausgestaltung als pactum de contrahendo. Ein solcher Vertrag enthielte neben der Verhandlungspflicht auch die Pflicht, ein Rechtsinstrument tatsächlich abzuschließen104. Ein Rahmenabkommen könnte ferner einen festen Zeitrahmen für die Vertragsstaatenkonferenzen vorgeben, in dem entsprechende ergänzende Rechtsakte zu verabschieden sind. Die Art des Rahmenabkommens hängt schließlich von der Konsenfähigkeit der Parteien ab. Wie das Klimarahmenabkommen beweist, bedeutet ein in dieser Hinsicht „schwaches“ Rahmenabkommen nicht zugleich dessen endgültigen Misserfolg. Auch das Genfer Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung von 1979 enthielt „nur“ eine vage Vorschrift über dessen Konkretisierung durch Folgerechtsakte. In der Folgezeit konnten sich die Parteien dennoch auf beachtliche acht verbindliche Protokolle einigen105 und verliehen diesem Abkommen nachträglich „Zähne“106. 103
BGBl. 1993 II, S. 1742; ILM 31 (1992), S. 818. „[T]his term should be reserved to those cases in which the parties have already undertaken a legal obligation to conclude an agreement“, Greece v. F.R.G., ILR 47, S. 418, 453. 105 Protokoll betreffend die langfristige Finanzierung des Programms über die Zusammenarbeit bei der Messung und Bewertung der weiträumigen Übertragung von luftverunreinigenden Stoffen in Europa (EMEP vom 28.9.1984, BGBl. 1988 II, S. 421; Helsinki-Protokoll betreffend die Verringerung von Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses um mindestens 30% vom 8.7.1985, BGBl. 1986 II, S. 1116; Sofia-Protokoll betreffend die Bekämpfung von Emissionen von Stickstoffoxiden oder ihres grenzüberschreitenden Flusses vom 31.10.1988, BGBl. 1990 II, S. 1278; Genfer Protokoll betreffend die Bekämpfung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses vom 18.11.1991, BGBl. 1994 II, S. 2558; Oslo-Protokoll betreffend die weitere Reduktion von Schwefelemissionen vom 14.6.1994, BGBl. 1998 II, S. 131; Protokoll zum Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend dauerhafte organische lutfverunreinigende Stoffe (persistent organic pollutants (POPs)) vom 24.6.1998 (Arhus), ILM 37 (1998), S. 505; Protokoll zum Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung über Schwermetalle vom 24.6.1998, im Internet: , Stand: 26.5.2003; Protocol to Abate Acidification, Eutriphication and Grund-Level Ozone vom 30.11.1999 (Gothenberg), Text im Internet: , Stand: 26.5.2003. 104
III. Regelungsstrategien im Umweltvölkerrecht
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Angesichts der Dringlichkeit der globalen Umweltprobleme sind freilich verbindliche Rahmenabkommen mit klar abgesteckten Zielen und Zeitplänen wünschenswert. Die internationale Gemeinschaft konnte sich dazu aber noch nicht durchringen. Das Verfahren der gestuften Rechtsetzung beziehungsweise der Rahmenvertrag-Protokoll-Ansatz ist ein Weg, die Rechtsetzung zu beschleunigen und zu kanalisieren. Die Institutionalisierung des Verhandlungsprozesses, die einen einmal gefundenen Grundkonsens im Rahmenabkommen festschreibt, stellt einen wesentlichen Vorteil gegenüber dem „piecemeal approach“ dar. Auf den im Rahmenvertrag festgelegten Grundkonsens können die weiteren Rechtsakte aufbauen. Dieses gestufte Herangehen und die zunehmende Institutionalisierung im Rahmen eines „aktiven Vertragsmanagements“107 führen freilich zu erhöhtem diplomatischen Aufwand der Staaten der internationalen Gemeinschaft. Hinzukommt die Arbeit in den ohnehin bestehenden internationalen Organisationen und Institutionen, über die im Anschluss berichtet wird.108 Durch Koordination der Arbeiten der verschiedenen Vertragsstaatenkonferenzen könnte jedenfalls dort Abhilfe geschaffen werden, wo sich Regelungsbereiche überschneiden oder die Gefahr von Doppelarbeit droht. Kritisch könnte man aber behaupten, dass dieser gestufte Ansatz der Rechtsentwicklung lediglich den Beweis darüber führe, dass in der internationalen Gemeinschaft nur das Fehlen von Konsens über grundlegende Fragen überdeckt werde. In diesem Fall sei eben nur das Ausarbeiten eines allgemeinen Rahmens mit allgemeinen Prinzipien möglich. Der Abschluss eines Rahmenabkommens wäre dann „nur“ der erste machbare Schritt auf dem Weg zu konkreten und verbindlichen Vorschriften im Rahmen von Ergänzungsprotokollen.109 Dieses Verständnis des gestuften Rechtsetzungsverfahrens greift indes zu kurz, weil es den Wert der Institutionalisierung und Verfestigung des Verhandlungsprozesses sowie die festgeschriebene Erkenntnis über die globale Regelungsnotwendigkeit verkennt. Wie Stoll erkennt, besteht in der rechtlichen Anerkennung eines gemeinsamen Interesses oder einer gemeinsamen Besorgnis bereits ein wesentliches Element des Umweltvölkerrechts.110 Das gilt umso mehr, wenn sich aus dieser Besorgnis Pflichten zur Zusammenarbeit ergeben. Zudem kann die Staatengemeinschaft so auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse reagieren, ohne jedes Mal erneut einen Verhandlungsrahmen schaffen zu müssen. 106 107 108 109 110
Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 90. Mit diesem Terminus: Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 44. Teil 2, II. dieser Arbeit. So ähnlich: Adede, Environmental Policy and Law 22/2 (1992), S. 92. Stoll, Friedens-Warte 74 (1999), S. 191.
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Teil 1: Einleitung
Der gestufte Rechtsetzungsansatz kann freilich auch die Vorteile von piecemeal approach und Rahmenvertrag-Protokoll-Ansatz kombinieren. Soweit schon zur Zeit der Aushandlung des Rahmenabkommens ein entsprechender Konsens besteht, kann ein Rahmenabkommen in einem Annex bereits Detailregelungen treffen. Insofern schließen sich beide Ansätze nicht gegenseitig aus.111 Unabdingbar ist aber dieser Ansatz überall dort, wo sich die Notwendigkeit von multilateralen Lösungen abzeichnet und die Staaten, sei es wegen fehlender wissenschaftlicher Grundlagen oder wegen ungeklärter ökonomischer oder sonstiger Auswirkungen, nicht bereit sind, konkretere Rechtsverpflichtungen einzugehen. Die Erlangung dieser Erkenntnis und eines international anerkannten Grundwissens über Umweltfragen verlangt aber nach einem Institutionengefüge in der internationalen Gemeinschaft, welches in der Lage ist, Lücken aufzuspüren und entsprechende Anstöße für die Aushandlung von Rechtsakten zu geben. Es bedarf handlungsfähiger Akteure in Rechtsetzung und Rechtsentwicklung, die in gegenseitigem Informationsaustausch stehen und die ihre Ziele untereinander absprechen und ihre Planung in Bezug auf Rechtsetzung und Entwicklung koordinieren. Im Folgenden wird ein kurzer Abriss über den Stand der Institutionen auf dem Gebiet der Rechtsetzung und Rechtsentwicklung des Umweltvölkerrechts gegeben und deren Zusammenarbeit beschrieben.
111
Adede, Environmental Policy and Law 22/2 (1992), S. 91.
Teil 2
Akteure der Rechtsetzung und Rechtsentwicklung im Umweltvölkerrecht I. Besonderheiten der Rechtsetzung im Umweltvölkerrecht Nach wie vor sind die Nationalstaaten als geborene Völkerrechtssubjekte die Hauptakteure, wenn es um Rechtsetzung und Rechtsentwicklung im Völkerrecht geht. Mittlerweile agieren sie aber im Bereich des Umweltschutzes nicht ausschließlich isoliert als Einzelstaaten. Im Umweltvölkerrecht, wie auf anderen Gebieten auch, organisieren die Staaten zunehmend ihre Aktivitäten gemeinsam. Diese Tendenz lässt sich in den Aktivitäten der internationalen Organisationen ablesen. Mehr und mehr übernehmen internationale Organisationen zumindest auch Umweltschutzaufgaben. Zumeist stehen diese in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zweck, für den die betreffende Organisation gegründet wurde. Im folgenden Abschnitt werden Fragen der Rechtsetzung und Rechtsentwicklung gemeinsam betrachtet. Dies lässt sich vor allem damit begründen, dass die Grenzen zwischen Rechtsetzung und Rechtsentwicklung oftmals fließend verlaufen. Gerade im Umweltschutzrecht sind es zunehmend unverbindliche Prinzipien, Richtlinien und Beschlüsse, die den Ausgangspunkt für eine Verrechtlichung der Regelungsmaterie bilden.1 Der eigentliche Rechtsetzungsakt, wie etwa die Ratifikation eines völkerrechtlichen Vertrages, ist nur der krönende Abschluss eines langwierigen Prozesses, an dem viele unterschiedliche Akteure beteiligt sind. Zunehmenden Anteil haben hierbei organisierte Institutionen der Staatengemeinschaft. Möglicherweise können diese Institutionen ein objektives Gemeininteresse zum Schutze der Umwelt als Gegengewicht zum „mehr oder weniger egoistischen Zugriff der Staatenwelt“2 bilden. Wenn das so ist und diese Institutionen sich untereinander vernetzen, kann man von einer integrierenden Kraft des Umweltvölkerrechts sprechen. 1 Zum „soft law“ im Umweltbereich vgl. Rauschning, Europa-Archiv 27 (1972), S. 567 f. 2 Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 27.
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Teil 2: Akteure der Rechtsetzung und Rechtsentwicklung
Dies gilt umso mehr, da Umweltschutz und nachhaltige Umweltnutzung Querschnittsmaterien sind, die vielfältige Auswirkungen auf weitere Rechtsgebiete haben. Es soll hierbei nicht argumentiert werden, dass etwa das Umweltvölkerrecht im Begriff sei, die Souveränität der Staaten zu überwinden. „Sovereignty remains the legal cornerstone of the environmental order“3. Aber gerade das Umweltvölkerrecht ist auf grenzüberschreitende Kooperation angewiesen. Globale Umweltprobleme wie etwa die Frage des Klimawandels lassen sich nur global lösen. Der Zeitfaktor spielt bei dieser Entwicklung hin zu Institutionalisierung und Integration eine entscheidende Rolle. Mehr noch als auf anderen Rechtsgebieten des Völkerrechts ist die Bekämpfung von Umweltgefahren ein Wettrennen gegen die Zeit. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse müssen gesammelt und dann rasch in entsprechende Taten umgesetzt werden, da viele Degradationsprozesse der Umwelt irreversibel sind. Dabei wächst die Bedeutung derjenigen Institutionen am stärksten, denen es gelingt, den größtmöglichen Konsens und die größtmögliche Akzeptanz unter den Staaten zu erreichen. Nach Kilian kommt den internationalen Organisationen eine Schlüsselstellung im Bereich der weltweiten Umweltthematik zu4. Die Vernetzung der Institutionen untereinander spielt bei knapper werdenden Ressourcen eine entscheidende Rolle. Einer Institution, die sich mit den anderen Organisationen und Institutionen vernetzt, Informationen austauscht, Erkenntnisse aufnimmt und in die eigene Arbeit integriert, wird es eher gelingen, die größtmögliche Akzeptanz in der Staatengemeinschaft zu erhalten. Durch Vernetzung der Institutionen könnte man den auf einem Sektor gefundenen Konsens in einen anderen Sektor übertragen und damit die Akzeptanz beider Institutionen stärken.
II. Die Akteure im Einzelnen 1. Die Einzelstaaten Die Entstehung der Nationalstaaten als „souveräne“ Staaten war Grundvoraussetzung für die Entstehung einer Völkerrechtsordnung im heutigen Sinne5. Es ist nicht verwunderlich, dass die Nationalstaaten als einzige „geborene“ Völkerrechtssubjekte nach wie vor die primären Akteure auf dem Gebiet der Rechtsetzung sind. Das gilt auch für den jungen Zweig des Umweltvölkerrechts als Teilgebiet der Völkerrechtsordnung. Die Staaten können ihre Beziehungen zueinander in den Grenzen der Völkerrechtsord3 4 5
Birnie/Boyle, International Law and the Environment (2002), S. 70. Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 27. Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), Rdn. 56.
II. Die Akteure im Einzelnen
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nung frei regeln. Innerhalb dieser Grenzen obliegt den Staaten auch die Wahl der Mittel, mit denen sie das Zusammenleben in der internationalen Gemeinschaft regeln. Zur Regelung ihrer Beziehungen können die Staaten als Völkerrechtssubjekte rechtlich verbindliche Verträge abschließen. Diese Art der Rechtsetzung hat den Vorteil, dass anders etwa als beim Gewohnheitsrecht detailreiche Regelungen geschaffen werden können. Zudem können Verträge sehr schnell geschlossen werden. Die Geschwindigkeit, mit der eine Norm geschaffen wird, hängt im Prinzip einzig vom Willen der vertragsschließenden Parteien ab. Im Bereich des Umweltschutzes kommt es je nach Gefahrenlage auf ein rasches Eingreifen an. Es können (theoretisch) binnen kurzer Zeit fein austarierte Vertragsregime mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten geschaffen werden. Wie gezeigt, setzt sich im Umweltvölkerrecht im Bereich der globalen Umweltprobleme zunehmend ein abgestuftes Rechtsetzungsverfahren durch, welches oftmals mit Instrumenten des soft law beginnt, später zum Abschluss von Rahmenverträgen führt und letztlich in verbindlichen Pflichten in Folgeinstrumenten seinen Höhepunkt findet. Staaten tragen durch ihr Verhalten aber auch entscheidend zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht als Quelle des Völkerrechts6 bei. Das geschieht auf allen Gebieten staatlichen Handelns in der internationalen Gemeinschaft mithin auch auf dem Gebiet des Umweltvölkerrechts. Der Gedanke des Umweltschutzes als drängendes Problem des Zusammenlebens auf der Erde ist allerdings erst relativ spät in das Bewusstsein der Staaten und ihrer Handlungsträger geraten. Das Völkergewohnheitsrecht kann also nur eine begrenzte Rolle bei der Bewältigung von Umweltproblemen spielen. Hinzu kommt, dass die meisten Umweltprobleme von sehr komplexer Natur sind, deren Lösung umfangreicher Regelungen mit vielen technischen Details bedarf. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sich solche komplexen Lösungen gewohnheitsrechtlich herausbilden. Auf der anderen Seite können sich aber allgemeine Prinzipen im Umweltschutzrecht gewohnheitsrechtlich herausbilden und so einen groben Rahmen innerhalb der Umweltvölkerrechtsordnung vorgeben.
6 Siehe Art. 38 I b IGH-Statut, der allgemein als Katalog der Völkerrechtsquellen angesehen wird.
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2. Das System der Vereinten Nationen im internationalen Umweltschutz a) Kompetenz der UNO zur Gestaltung des Umweltvölkerrechts Die UNO ist wohl die bedeutendste und mächtigste internationale Organisation der Völkerrechtsordnung mit weitreichenden Befugnissen7. Der Schutz der Umwelt als eines der meistdiskutierten Probleme unserer Zeit wird in der Charta der Vereinten Nationen allerdings gar nicht erwähnt8 und erscheint im wesentlichen9 erst in den späten 60er Jahren in der Arbeit dieser internationalen Organisation10. Wie schon aus der Präambel und Art. 1 Nr. 1 der UNO-Charta deutlich wird, diente die Gründung der UNO in erster Linie dem Schutz und der Förderung des Friedens11 und fundamentaler Menschenrechte. Um diese Aufgabe zu erfüllen, stattete die Charta die UNO mit weitreichenden Befugnissen aus, die Auswirkungen auf die unterschiedlichsten menschlichen Lebensbereiche haben können.12 Besonders hervorzuheben ist der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC). Gemäß Art. 62 (1) UNO-Charta kann er über internationale Angelegenheiten auf den Gebieten der Wirtschaft, des Sozialwesens, der Kultur, der Erziehung, der Gesundheit und auf verwandten Gebieten Untersuchungen durchführen und auch entsprechende Empfehlungen abgeben. Methodisch gesehen sind verschiedene Wege denkbar, eine Zuständigkeit der UNO für Umweltfragen zu begründen. Damit ist nicht die Befugnis gemeint, Rechtsakte zu setzen, sondern das Recht der UNO als internationale Organisation sich überhaupt mit der Frage des Umweltschutzes zu befassen. 7
Robert, United Nations, Divided World (1993), S. 1: „a central institution in the conduct of international relations“. 8 Mahmoudi, AYIL 3 (1995), S. 175 weist auf die Parallele zum Vertrag von Rom von 1957 hin. Auch in diesem Vertrag wird das Wort Umweltschutz zunächst an keiner Stelle erwähnt. 9 Als vereinzelte Vorläuferin im Umweltbereich vgl. schon die Conference on the Conservation and Utilization of the World’s Natural Resources“ von 1949 (UNSCCUR). 10 Etwa in Form der Förderung der Veranstaltungen des Internationalen Geophysikalischen Jahrs 1957–58 und des Internationalen Biologischen Programms 1964– 1974; „Man and the Biosphere“ Programm der UNESCO 1966. 11 Aus der Präambel: „WE THE PEOPLES OF THE UNITED NATIONS DETERMINED to save succeeding generations from the scourge of war, which twice in our lifetime has brought untold sorrow to mankind, and to reaffirms faith in fundamental human rights, . . . .“ 12 Mahmoudi, AYIL 1995, S. 176 spricht von „a number of broadly formulated competencies which would permit the Organisation to act in virtually any field of human well-being“.
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Zum einen lassen sich die weit gehaltenen Formulierungen (insbesondere Artt. 1 (3), 55, 62 (1) UNO-Charta) entsprechend interpretieren13 (effet utile). Schon die umfassende Aufgabenzuweisung für wirtschaftliche, soziale, kulturelle und humanitäre Probleme in Art. 1 (3) der UNO-Charta bietet eine ausreichende Grundlage, um die komplexen Fragen der internationalen Umweltprobleme in die Arbeit der UNO einzubeziehen14. Auch der Begriff der „Wohlfahrt“ in Art. 5515 kann dahingehend ausgelegt werden, dass zu einem umfassend verstandenen Wohlfahrtsbegriff auch eine intakte oder zumindest lebenswerte Umwelt gehört. Dahingehend lässt sich auch die in Art. 55 (a) erwähnte Verbesserung des Lebensstandards interpretieren. Schließlich findet sich auch in Art. 55 (b) ein Ansatzpunkt für eine Zuständigkeit für den Umweltschutz. Die „Lösung internationaler Probleme wirtschaftlicher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art“ lassen sich ebenfalls mit dem Gedanken an eine lebenswerte Umwelt verbinden.16 Neben dieser allgemeinen Aufgabenzuweisung dient Art UNO-Charta als Kompetenzgrundlage. Der Umweltschutz lässt ser Vorschrift aufgrund seiner mannigfaltigen Beziehungen und gen auf sämtliche Lebensbereiche des Menschen unter den wandte Gebiete“ subsumieren.17
62 (1) der sich in dieAuswirkunTerm „ver-
Unter Anwendung der Implied-Powers-Doktrin18 gelangt man zu demselben Ergebnis.19 Nach dieser Lehre hat eine internationale Organisation 13 „[B]road interpretation“ Birnie/Boyle, International Law and the Environment (2002), S. 48. 14 Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 124. 15 Art 55 UNO-Charta: „Um jenen Zustand der Stabilität und Wohlfahrt herbeizuführen, der erforderlich ist, damit zwischen den Nationen friedliche und freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen herrschen, fördern die Vereinten Nationen a) die Verbesserung des Lebensstandards, die Vollbeschäftigung und die Voraussetzungen für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und Aufstieg; b) die Lösung internationaler Probleme wirtschaftlicher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art sowie die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und der Erziehung; c) die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion. 16 Auf Art. 55 (a) und (b) stellt wohl auch Wolfrum, in: Simma, The Charter of the United Nations (2002), Art. 55 (a) und (b), Rdn. 61 ab. 17 So Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 126. 18 Zur Interpretationsfigur der „implied powers“ Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge (1963), S. 102 ff.; Ress, ZaöRV 36 (1976), 227–279, S. 246 und S. 262; Als Auslegungsfigur bereits 1949 durch den IGH in Bezug auf die
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neben den ausdrücklich im Gründungsdokument genannten Kompetenzen auch diejenigen, die zur Erfüllung der vertraglich festgelegten Aufgaben der Organisation notwendig sind20. Ipsen bezeichnet diese Figur deshalb als eine Lehre, die zur völkerrechtlichen Verselbständigung der internationalen Organisationen beitragen kann.21 Im vorliegenden Fall ist genau das eingetreten. Zur Zeit der Gründung der UNO hatte man die Dringlichkeit der Umweltprobleme noch nicht wahrgenommen.22 Heute ist eine menschliche Entwicklung hin zu Wohlstand und besserem Lebensstandard ohne den gleichzeitigen Gedanken an die Erhaltung der natürlichen Ressourcen und einer lebenswerten Umwelt kaum vorstellbar. Auf Grund der Ausrichtung der Konferenz von Stockholm 1972 (United Nations Conference on the Human Environment) befasste sich die UNO erstmalig eingehend mit den drängenden Problemen des globalen Umweltschutzes.23 Am Ende der Konferenz stand jedenfalls fest, dass die Vereinten Nationen die von keiner Seite angefochtene allgemeine Zuständigkeit für den internationalen Umweltschutz innehaben.24 Mit der Resolution 2994 (XXVII) der Generalversammlung vom 15. Dezember 1972 übertrug die Konferenz von Stockholm der UNO die grundsätzliche Kompetenz zur Wahrnehmung der internationalen Umweltkontrolle und zur Durchführung jeglicher praktischer Umweltmaßnahmen.25
UNO bestätigt: „Bernadotte-Fall“, ICJ Rep. 1949, 174, 182 f.; vgl. auch ICJ Rep. 1954, 56 ff.; 1962, 167 f. 19 Auf eine Mischung aus „effet utile“ und implied powers stellt Birnie, 1993, S. 335 ab; Bei Birnie/Boyle, International Law and the Environment (2002), S. 48 heißt es: „[this power] has to be derived from a broad interpretation [. . .] and of the implied powers of the organization.“ 20 ICJ Rep. 1949, 182: „Under international law, the Organization must be deemed to have those powers which, though not expressly provided in the Charter, are conferred upon it by necessary implication as being essential to the performance of its duties“. 21 Ipsen, Völkerrecht (1999), S. 74, Rdn. 10. 22 So Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), S. 29, Rdn. 61; mit Hinweis auf andere Prioritäten in der Politik der Nachkriegszeit; Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 124 mit weiteren möglichen Gründen wie bestehende Gruppenspaltungen und Differenzen aufgrund des Nord-Süd-Gegensatzes. 23 Zu den Ergebnissen der Konferenz von Stockholm im Einzelnen siehe statt vieler: Kiss/Sicault, La Conférence des Nations Unies sur l’Environnement, AFDI 18 (1972), S. 603–628; Sohn, Harvard International Law Journal 14 (1973), S. 423– 515, für eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse von Stockholm mit Schwerpunkt auf dem institutionellen Gefüge: Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 233–254. 24 Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 253.
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b) Handlungsträger/Organe der UNO im Umweltbereich Die UNO als internationale Organisation handelt durch ihre Organe. Art. 7 UNO-Charta nennt die sechs Hauptorgane der UNO: Generalversammlung, Sicherheitsrat, Wirtschafts- und Sozialrat, Treuhandrat, Gerichtshof und das Sekretariat. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Aufgaben nehmen nicht alle an Rechtsetzung und Rechtsentwicklung im Umweltvölkerrecht teil. aa) Die Generalversammlung der Vereinten Nationen Mit ihrem umfassenden Erörterungsrecht26 ist die Generalversammlung im Organisationsgefüge der Vereinten Nationen das primäre Organ der politischen Willensbildung27, in dem alle Mitgliedsstaaten (Art. 9 (1) UNCharta) mit gleichem28 Stimmrecht (Art. 18 (1)) vertreten sind. Die Beschlüsse und Resolutionen der Generalversammlung haben aus sich heraus keinen rechtsverbindlichen Charakter.29 Die Generalversammlung ist somit kein Rechtsetzungsorgan im eigentlichen Sinn. Aufgrund ihres politischen Gewichts nimmt die Generalversammlung aber indirekt Einfluss auf die Rechtsetzung. Zunächst wird in der Generalversammlung oder auf einer von der Generalversammlung veranstalteten Konferenz das Problem erörtert und ein Konsens über die Notwendigkeit weiteren Handelns der internationalen Gemeinschaft gesucht. Der eigentliche Rechtsetzungsakt ist dann zumeist die Unterzeichnung eines Vertrages, der zunächst auf einer von der Generalversammlung eingeleiteten Konferenz vorbereitet oder ausgehandelt wurde. Über die Aufgabe solcher Konferenzen stellt die Generalversammlung schon in Vorbereitung der Konferenz von Stockholm fest: „Reaffirmed that it should be the main purpose of the Conference to serve as a practical means to encourage, and to provide guidelines for, action by Govern25 Siehe Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 247, der schreibt: „Seit Stockholm kann die UNO insgesamt als internationale Umweltorganisation gelten.“; vgl. auch Simma, The Charter of the United Nations (2002), Art. 55 (a) und (b), Rdn. 61. 26 Art. 10 UN-Charta: „alle Fragen und Angelegenheiten [. . .], die in den Rahmen dieser Charta fallen oder Befugnisse und Aufgaben eines in dieser Charta vorgesehenen Organs betreffen.“ 27 Birnie/Boyle, International Law and the Environment (2002), S. 50: „. . . the UN’s most important political body“. 28 „One State One Vote“. 29 Art. 10 und 13 der UN-Charta spricht jeweils von Empfehlungen; Allgemein zu den Befugnissen der Generalversammlung. Etwas anderes kann freilich gelten, wenn sie Gewohnheitsrecht reflektieren.
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ments and international organizations designed to protect and improve the human environment and to remedy and prevent its impairment, by means of international cooperation, [. . .]“.30
Aber auch durch Resolutionen kann die Generalversammlung Einfluss auf die (spätere) Rechtsgestaltung nehmen. Das gilt insbesondere bei normsetzenden Resolutionen oder solchen, die allgemeine Prinzipien aufstellen. Bei dieser Art von Resolution kann es sich um einen Ausgangspunkt für Völkergewohnheitsrecht handeln. Es bleibt dabei, dass die Resolution als solche unverbindlich ist. Nur das nachträgliche Verhalten der Staaten kann später das entsprechende Gewohnheitsrecht herstellen. Die Resolution wird dann aber richtungweisend für spätere Entwicklungen. Nach Ipsen können Entschließungen internationaler Organisationen im Einzelfall zur „Umkehr des gewöhnlichen Entstehungsprozesses völkergewohnheitsrechtlicher Normen (Übung ! Rechtsüberzeugung) führen31. Das heißt, zuerst wird durch eine entsprechende (unverbindliche) Entschließung eine Rechtsüberzeugung formuliert und anschließend eine entsprechende Übung entwickelt. Als Beispiel führt Ipsen Sachlagen an, bei denen sich Rechtsüberzeugungen zu Verhaltensweisen entwickeln, die technisch noch gar nicht realisiert werden können.32 Das war etwa der Fall bei den Erklärungen in den 60er Jahren zum Verhalten im Weltraum und auf Himmelskörpern. Eine Parallele zur Umweltschutzproblematik drängt sich auf. Gerade der Umweltschutz ist abhängig von den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Zusammenhänge in der Natur und die verschiedensten Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur, die bei weitem noch nicht hinreichend erforscht sind. Auch der technische Fortschritt spielt eine entscheidende Rolle. Ein Beispiel für eine normsetzende Resolution aus diesem Bereich ist die Meeresbodenprinzipienerklärung vom 17.12.1970,33 die den Meeresboden unter Rückgriff auf das Konzept des „gemeinsamen Erbes der Menschheit“ einem Aneignungs- und Verfügungsverbot unterstellt. Die III. UN-Seerechtskonferenz übernimmt dieses Konzept und unterstellt den Meeresboden in Art. 136 SRÜ34 dem gemeinsamen Erbe der Menschheit. Der Einfluss der ursprünglichen Resolution ist unverkennbar. 30
GA Res. 2581 (XXIV), para. 2. Ipsen, Völkerrecht (1999), S. 190, Rdn. 23. 32 Ipsen, Völkerrecht (1999), S. 190, Rdn. 23 mit Hinweis auf die „Erklärung, weder Gegenstände mit Kernwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen in Erdumlaufbahnen zu bringen noch Himmelskörper mit derartigen Waffen zu bestücken; UN GA Res. 1884 (XVIII) vom 17.10.1963 und „Erklärung über die Rechtsgrundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums“ vom 13.12.1963, UN GA Res. 1962 (XVIII). 33 GA Res. 2749 (XXV). 31
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Als weitere Beispiele können die Resolutionen der Generalversammlung zu den natürlichen Ressourcen und die Resolutionen zum globalen Klima (global climate) gesehen werden. Letztere haben mit dem Klimarahmenabkommen und dem Montrealer (Ozon-)Protokoll ihren krönenden und rechtlich verbindlichen Abschluss gefunden. Diese Resolutionen haben die Entwicklung sowohl des Vertragsrechts als auch des Völkergewohnheitsrechts auf den entsprechenden Gebieten entscheidend beeinflusst.35 Besonders erwähnenswert sind hier auch noch einige weitere soft law-Instrumente36 wie das bereits erwähnte Moratorium für den Fischfang mit Treibnetzen37 und die World Charter for Nature38. Insbesondere die World Charter for Nature vermittelt ein ökozentrisches Weltbild. Sie betont den Schutz der Natur als solches: „the principles set forth in the present Charter shall be reflected in the law and practice of each State, as well as at the international level.“39
Insgesamt hat die Generalversammlung einen entscheidenden Beitrag zur Rechtsentwicklung auf dem Gebiet des Umweltvölkerrechts geleistet und wird dies auch in Zukunft tun. Insbesondere die Entscheidungen der Generalversammlung, die Konferenzen von Stockholm und Rio einzuberufen sowie deren Schlussdokumente zu verabschieden, dürfen in ihrer Konsens bildenden Wirkung nicht unterschätzt werden. Wichtig war in diesem Sinne auch die Einberufung der Seerechtskonferenz 1973 durch die Generalversammlung.40 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Generalversammlung keinerlei Rechtsetzungsbefugnisse im Umweltvölkerrecht hat. Sie ist aber das Hauptorgan der Vereinten Nationen für Politik und Politikbeurteilung.41 Aufgrund ihrer politischen Bedeutung kann sie entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Umweltvölkerrechts nehmen, insbesondere kann sie sich weiterhin als Forum zur (ersten) Konsensbildung und Annäherung an globale Umweltthemen anbieten und so neues Problembewusstsein schaffen.
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Siehe auch Art. 311 Abs. 6 SRÜ. So Birnie/Boyle, International Law and the Environment (2002), S. 50. 36 Zu Soft law im Allgemeinen statt vieler: Shelton, Commitment and Compliance (2000), mit vielen weiterführenden Nachweisen. 37 UNGA Res. 46/215 (1991). 38 Mit (nur) empfehlendem Charakter: UNGA Res. 37/7 vom 28.10.1982; abgedruckt in: ILM 22 (1983), S. 455. 39 UNGA Res. 37/217 (1982). 40 Birnie/Boyle, International Law and the Environment (2002), S. 50. 41 Agenda 21, Chapter 38.9: „the principal policy-making and appraisal organ“. 35
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bb) Die Völkerrechtskommission der UNO Im Zusammenhang mit der Bedeutung der Generalversammlung für die Entwicklung des Umweltvölkerrechts sind auch die Bemühungen der Völkerrechtskommission (International Law Commission) als „subsidiäres Organ der Generalversammlung“42 zu nennen. Die Völkerrechtskommission der UNO wurde durch Resolution 174/(II) vom 21. November 1947 zu dem Zweck gegründet, die Kodifikation, aber auch die progressive Weiterentwicklung des Völkerrechts voranzutreiben. Innerhalb ihres Mandats hat die Völkerrechtskommission sich auch mit umweltvölkerrechtlichen Problemen, insbesondere auf dem Gebiet des Seerechts, auseinandergesetzt.43 Bereits das Arbeitsprogramm von 1971 zeigt ein aufkeimendes ökologisches Bewusstsein in diesem Expertengremium und stellt ausdrücklich fest, dass in Zukunft dem internationalen Umweltschutz mehr Beachtung geschenkt werden müsse.44 Es dauerte allerdings bis in die 90er Jahre, ehe eine Vielzahl von Umweltbelangen ihren Weg in die Arbeit der Völkerrechtskommission fanden. 1996 nahm die Völkerrechtskommission den Text des Draft Code of Crimes Against the Peace and Security of Mankind an. Kurze Zeit später legte sie der Generalversammlung einen Konventionsentwurf zu Non-navigational Uses of International Watercourses vor. Die Generalversammlung nahm diesen Entwurf am 21. Mai. 1997 an,45 und die Convention on the Non-navigational Uses of International Watercourses46 wurde abgeschlossen, die einen Großteil des relevanten Rechts kodifiziert.47 Hinzukommt das ILC-Projekt zur Kodifizierung des Rechts für grenzüberschreitende Schädigungen48, das schon seit 1978 unter dem Titel: „Liability for Injurious Consequences of Acts not prohibited by International Law“49 geführt wurde. Nach langen Arbeiten und Kontroversen50 ent42
So Ipsen, Völkerrecht (1999), § 16, Rdn. 50, S. 197. Dazu: McCaffrey, ELQ 11 (1983), S. 189. 44 A/CN.4/245, II-2 Yearbook of the International Law Commission 1100 (1971). 45 UN Doc. A/51/869 vom 11. April 1997, ILM 36 (1997), S. 700. 46 Vom 27.4.1997; Text im Internet abrufbar unter: , Stand: 21.2.2004. Zur Konvention im Einzelnen: Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293 ff.; McCaffrey/Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 100 ff.; Bourne, CYIL 35 (1997), S. 222 ff. 47 Zu Einzelheiten siehe: Wouters, GYIL 42 (1999), S. 293 ff.; McCaffrey/ Sinjela, AJIL 92 (1998), S. 100 ff.; Bourne, CYIL 35 (1997) ff. 48 „Law relating to the prevention of transboundary harm“. 49 ILC, YbILC (1980) Nr. 1, S. 160, paras. 138–139; ILC, YbILC (1981), S. 224, para. 10. 43
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standen schließlich die Draft Articles on Prevention of Transboundary Harm from Hazardous Activities51, die 2001 angenommen52 und als Empfehlung an die Generalversammlung weitergeleitet wurden. Die Generalversammlung hat daraufhin die ILC gebeten, die Überlegungen zur Haftung fortzuführen und dabei die Beziehung zwischen Vermeidung und Haftung herauszuarbeiten.53 Im selben Jahr beendete die ILC die Arbeiten zum Entwurf einer Konvention zur Staatenverantwortlichkeit und legte sie der Generalversammlung vor.54 Lange Zeit hat die ILC zwischen Staatenverantwortlichkeit für völkerrechtswidriges Verhalten (wrongful conduct) und der Haftung (liability) der Staaten für schädliche Folgen von erlaubtem staatlichen Handeln55 unterschieden. Dieser letzte Teil fand sich in den bereits angesprochenen Draft Articles on Prevention of Transboundary Harm from Hazardous Activities wieder. Abgesehen von diesen durchaus beachtlichen Bemühungen um die Integration von Umweltfragen und Umweltschäden in den Bereich der Staatenverantwortlichkeit spielt die ILC im Umweltvölkerrecht eher eine untergeordnete Rolle. Dies kann daran liegen, dass Spezialnormen von anderen spezielleren Institutionen entwickelt werden. Die allgemeinen Prinzipien (z. B. das Vorsorgeprinzip) des Umweltvölkerrechts sind sehr neu, und es ist äußerst umstritten, welche davon bereits zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt sind. Es ist kaum denkbar, dass die ILC auf diesem Gebiet mit konsensfähigen Vorschlägen aufwarten kann. cc) Der Sicherheitsrat Der Sicherheitsrat hat zwar mehr Macht in Bezug auf die Durchsetzung und Bindungswirkung seiner Beschlüsse. Dafür ist aber auch der Kompetenzbereich des Sicherheitsrates enger gefasst als der der Generalversammlung und umfasst mit Kapitel VII der UNO-Charta die Feststellung und Be50 Zu den Einzelheiten siehe Boyle, International Law and Sustainable Development (1999), Chapter 4. 51 ILC Report, UN Doc. A/56/10 (2001). 52 Report of the ILC (2001), GAOR A/56/10, Text der Draft Articles ab S. 370 im Internet abrufbar unter: , Stand: 20.10.2003. 53 UNGA Res. 56/82 vom 12. Dezember 2001: „. . . bearing in mind the interrelationship between prevention and liability, and taking into account the developments in international law and comments by Governments“. 54 Zur Geschichte des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit siehe aktuell: Crawford, The ILC Articles on State Responsibility (2002). 55 Siehe hierzu: ILC, A/CN.4/450, vom 5. April 1993.
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seitigung einer Bedrohung oder eines Bruchs des Friedens oder einer Angriffshandlung (Art. 39 UNO-Charta). Zunehmend scheinen aber auch nicht-militärische Gründe für Instabilität aus dem sozialen und humanitären Bereich in Überlegungen des Sicherheitsrats aufgenommen zu werden: „the non-military sources of instability in the economic, social, humanitarian, and ecological fields have become threats to the peace and security“.56
Darin kann möglicherweise ein erster Hinweis darauf gesehen werden, dass die Mitglieder des Sicherheitsrates tatsächlich gewillt sind, auch die Nichteinhaltung gewisser essentieller Umweltvorschriften unter den Anwendungsbereich von Art. 39 UNO-Charta fallen zu lassen.57 Obgleich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht für die Durchsetzung von Umweltschutzinteressen geschaffen wurde, ist es dennoch denkbar, dass auch ein schwerer Verstoß gegen eine die Umwelt schützende Norm eine Gefahr für den Frieden darstellen kann. Als Beispiel ließe sich ein Inhaber eines Atomkraftwerkes denken, der dicht an der Grenze zu einem Nachbarstaat ein Atomkraftwerk betreibt und dabei sämtliche Sicherheitsvorschriften gänzlich außer Acht lässt. Hier könnte ein Tätigwerden des Sicherheitsrates notwendig werden, um einer möglichen präventiven Intervention des gefährdeten benachbarten Staates zuvorzukommen. Dieses konstruierte Beispiel zeigt aber schon, dass im Normalfall, Umweltschutzprobleme nicht in den Kompetenzbereich des Sicherheitsrates fallen. Die Idee, den Sicherheitsrat stärker in den Problembereich des Umweltschutzes einzubinden, konnte sich deshalb auch nicht durchsetzen. Zwar wurde vereinzelt der Begriff der „environmental security“ in die Diskussion eingeführt,58 dieser wurde aber weitgehend abgelehnt, um die klare Aufgabe, die der UN Sicherheitsrat in Bezug auf die Sicherung des Friedens innehat, nicht zu verwässern.59 Einer solchen Ausdehnung der Befugnisse des Sicherheitsrates widerspricht insbesondere der klare Wortlaut von Kapi56 Bericht des Präsidenten des Sicherheitsrates vom 31.1.1992, UN Doc. A/47/ 253; abgedruckt in Yearbook of the United Nations 46 (1992), S. 33. 57 So zumindest für den Schutz der „common concerns of humankind“: Biermann, Common Concern of Humankind: The Emergence of a New Concept of International Law, AVR 34 (1996), S. 479 f. 58 Am stärksten vertreten von Timoshenko, Ecological Security (1992), Chapter 13. Zum Konzept der „environmental security“: Mann-Borgese, Ocean Governance (1996), S. 165, die den Sicherheitsbegriff noch weiter definiert und bereits den Übergang von militärischer Sicherheit („military security“) zur „umfassenden Sicherheit („comprehensive security“) sieht, die sowohl die wirtschaftliche als auch die Umweltsicherheit umfasst. Die Mitgliedschaft des Sicherheitsrates als „Herz des UN-Systems“ müsse deshalb neu durchdacht werden. 59 Szasz, Restructuring the International Organizational Framework (1992), S. 359–361.
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tel VII.60 Es müssen andere Wege gefunden werden, dem Umweltvölkerrecht zu mehr Geltung in der internationalen Gemeinschaft zu verhelfen. Teilweise wird in der neueren Literatur der Gedanke der „environmental security“ auch nur benutzt, um das Bewusstsein für die globalen Umweltprobleme zu schärfen und dem Umweltrecht ein stärkeres Gewicht in den nationalen Politiken zu verleihen.61 Letztlich ist festzuhalten, dass der Sicherheitsrat kein Rechtsetzungsorgan ist. Er ist auch kein allgemeines politisches Organ wie die Generalversammlung. Er dient der Erfüllung einer eng umgrenzten Aufgabe, nämlich der Aufrechterhaltung und gegebenenfalls Wiederherstellung der internationalen Sicherheit. Umweltrelevante Maßnahmen wären allenfalls als Nebenprodukt oder Mittel zum Zweck der Erreichung des vorgenannten Ziels denkbar. dd) Der Treuhandrat der Vereinten Nationen Seit am ersten Oktober 1994 die Republik Palau als letztes Treuhandgebiet der Vereinten Nationen ihre Unabhängigkeit erlangte und der Sicherheitsrat im November die Beendigung des Treuhandsystems in diesem Gebiet beschloss,62 war der Treuhandrat faktisch funktionslos geworden. Dennoch wurde er nicht aufgelöst, sondern seine Arbeit nur suspendiert.63 Der Vorschlag des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, den Treuhandrat durch Änderung der Charta gänzlich abzuschaffen,64 konnte sich wegen verschiedener Überlegungen über ein neues Mandat mit Bezug zum gemeinsamen Erbe der Menschheit nicht durchsetzen.65 Der Treuhandrat wurde im Rahmen des internationalen Treuhandsystems (Art. 75–86 UNO-Charta) durch die UNO-Charta gegründet (Art. 86–91 UNO-Charta). Seine Hauptaufgabe ist nach Art. 76 UNO-Charta die Förderung des politischen, ökonomischen sowie des sozialen Fortschritts in den Treuhandgebieten der Vereinten Nationen sowie die Förderung der Entwick60 Szasz, Restructuring the International Organizational Framework (1992), S. 359 spricht von: „the language of the Charter, not to speak of the clear record of the original meaning, does not easily lend itself to such an interpretation“. 61 In diese Richtung geht wohl Cioppa, The Sovereign State System (1999). Für eine Neudefinition des Konzepts der internationalen Sicherheit: Handl, YbIEL 1 (1990), S. 3–33. 62 Resolution des Sicherheitsrates vom 10.11.1994 Res. 956/1994. 63 Geiger, in: Simma, The Charter of the United Nations (2002), Art. 86, Rdn. 1. 64 UNYB 1994, S. 8. 65 Geiger, in: Simma, The Charter of the United Nations (2002), Art. 86, Rdn. 2. Auf die Überlegungen über ein neues Mandat des Treuhandrates wird an anderer Stelle eingegangen, da diese noch nicht in Taten umgesetzt wurden. Siehe Teil 4, I. 1. b).
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lung dieser Gebiete zu Selbstverwaltung und Unabhängigkeit. Nach dem Treuhandsystem der Vereinten Nationen setzt die UNO-Charta den allgemeinen Rahmen, der durch die einzelnen Treuhandabkommen ausgefüllt wird. Art. 76 nennt die Zwecke der Treuhandschaft. Umweltbelange werden nicht ausdrücklich genannt, können aber möglicherweise in ausdrücklich genannte Zwecke hineingelesen werden. Der Abschlussbericht der United Nations University und des Advanced Study Center interpretieren die Vorschriften über den Schutz des Heimatlandes und seiner Ressourcen im Interesse der ursprünglichen Einwohner und kommen so dazu, dass auch die Umwelt dieser Einwohner zu schützen ist.66 Der Treuhandrat besteht gem. Art. 86 aus den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates, (Art. 86 (b)) denjenigen UN-Mitgliedstaaten, die ein Treuhandgebiet verwalten (Art. 86 (a)), und so vielen weiteren gewählten Mitgliedern, bis der Treuhandrat je zur Hälfte von Verwaltungsmächten und Nichtverwaltungsmächten besetzt ist (Art. 86 (c)). Der Treuhandrat selbst hat die Aufgabe, die Einhaltung der Treuhandabkommen zu überwachen. Dazu kann er Berichte der Verwaltungsmächte überprüfen (Art. 87 (a)), Treuhandgebiete bereisen (Art. 87 (b)) und „sonstige Maßnahmen in Übereinstimmung mit den Treuhandabkommen treffen“ (Art. 87 (c)). Die Hauptaufgabe des Treuhandrates besteht in der Überprüfung der jährlichen Berichte der Verwaltungsmächte (Art. 88). Zwischen dem Treuhandrat und verschiedenen Umweltregimen bestehen durchaus Parallelen. So setzt die Erfüllungskontrolle des Treuhandrates ebenso wie die vieler vertraglicher Umweltregime auf ein Staatenberichtssystem. Ferner erlaubt Regel 4 der Verfahrensregeln des Treuhandrates die Teilnahme von Beobachtern ohne Stimmrecht bei seinen Sitzungen sowie von Repräsentanten des ECOSOC und der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen. Diese Offenheit teilt der Treuhandrat mit vielen Gremien des internationalen Umweltschutzes. Er ist daher besonders geeignet, die Verbindung der UNO mit der Zivilgesellschaft zu fördern. Bisher steckt der Treuhandrat aber trotz vielfältiger Überlegungen seiner Reaktivierung noch im postkolonialen Winterschlaf. Auf die Bemühungen den Treuhandrat für den Umweltschutz nutzbar zu machen, wird daher an anderer Stelle vertiefend einzugehen sein.67 Vorerst hat der Treuhandrat beschlossen, erst wieder zusammenzutreten, wenn dies verlangt wird.68 66 UNU/IAS Report, International Sustainable Development Governance, The Question of Reform: Key Issues and Proposals, Final Report, August 2002, S. 20. 67 Zu den Reformüberlegungen siehe unten Teil 4, I. 1. b). 68 Entscheidung des Treuhandrates vom 25.5.1994, UNYB (1994), S. 216.
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ee) Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat sich seit seiner Entstehung zu einer zentralen Figur im internationalen Umweltschutz entwickelt69. Das gilt nicht nur für praktische Umweltschutzmaßnahmen, sondern auch für die Entwicklung des Umweltvölkerrechts. Diese Rolle wird hier kurz in ihrer Entwicklung nachgezeichnet. Über aktuelle Entwicklungen des UNEP bei der Koordinierung der Umweltpolitik wird in einem späteren Abschnitt zurückzukommen sein.70 (1) Gründung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen Mit dem UNEP wurde die erste weltweit tätige und für alle Umweltfragen zuständige internationale Institution geschaffen.71 Es ist bis heute auch die einzige Körperschaft im System der Vereinten Nationen mit dem Mandat, sich primär dem internationalen Umweltschutz zu widmen.72 Seine Funktion und Wandlung im Laufe der Zeit erschließen sich nur, wenn man seine Entstehung in ihren historischen Kontext setzt. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen ist das Ergebnis der Konferenzdiplomatie der Vereinten Nationen zu einer Zeit des weltweit wachsenden Umweltbewusstseins. Bereits in den 70er Jahren gab es innerhalb der Vereinten Nationen Überlegungen, wie die sich eher planlos entwickelnde Umweltarbeit,73 insbesondere der UN-Sonderorganisationen, bündeln ließe.74 Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre wuchs im Bewusstsein der am meisten entwickelten westlichen Industriestaaten das Bedürfnis nach gemeinsamen Schritten im internationalen Umweltschutz. Hier hatten sich die Auswirkungen der jahrzehntelang intensiv betriebenen Nutzung natürlicher Ressourcen durch Industrie und Landwirtschaft am auffälligsten gezeigt.75 Hinzu kam der Einfluss moderner Massenmedien und damit einhergehend der Druck eines wachsenden Umweltbewusstseins in breiten Bevölkerungskreisen.76 So ist nicht verwunderlich, dass gerade Schweden als hoch entwickeltes Land im Dezember 1967 der UN-Generalversamm69
Weiss/McCaffrey/Magraw/Szasz/Lutz (1998), S. 227. Teil 3, I. 2. 71 Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 246. 72 Mandat des UNEP. 73 Mit diesen Worten: Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 234. 74 Johnson, The United Nations System and the Human Environment (1971), Hill, UNITAR-Studie (1976). 75 Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 234. 76 Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 234. 70
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Teil 2: Akteure der Rechtsetzung und Rechtsentwicklung
lung (dem ECOSOC) vorschlug, eine UN-Konferenz zu diesen Themen einzuberufen.77 Am 30. Julie 1968 nahm der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) diesen Vorschlag auf und verabschiedete eine Resolution, die die UNO aufforderte, eine solche Konferenz für Menschliche Umwelt einzuberufen78. Die Generalversammlung stimmte dem zu und verabschiedete einstimmig am 3. Dezember desselben Jahres eine entsprechende Resolution79. Man einigte sich darauf, die erste UNO Konferenz für Menschliche Umwelt im Juni 1972 in Stockholm durchzuführen. Die Berichte des Generalsekretärs vom Mai 1969,80 die die umweltrelevanten Aktivitäten der UN-Körperschaften untersuchten, wiesen schon damals deutlich auf die sektorale Entwicklung der bisherigen Umweltschutzbemühungen hin.81 Dieser sektorale Ansatz sollte auf der Stockholmer Umweltschutzkonferenz durch einen ganzheitlichen, holistischen Ansatz ersetzt werden. So formulierte man in der Resolution die Hauptaufgabe der Konferenz: „. . . to provide a framework for comprehensive consideration within the United Nations of the problems of the human environment in order to focus the attention of Governments and public opinion on the importance and urgency of this question and also to identify those aspects of it that can only or best be solved through co-operation.“82
Aber bereits hier taten sich schwerwiegende Widersprüche zwischen den industrialisierten Ländern des Nordens und den Entwicklungsländern auf. Die führenden Industriestaaten hatten die verheerenden Folgen einer überhasteten wirtschaftlichen Entwicklung für die Umwelt erkannt und setzten sich deshalb für den Umweltschutz ein.83 Ein Großteil der Entwicklungsländer betrachtete das aufkeimende Umweltbewusstsein wegen der absehbaren immensen Kosten mit Skepsis. Einige befürchteten gar: „a colonialist conspiracy to thwart development by imposing upon them extra costs and prohibitions that developed states had not faced in the nineteenth and early twentieth centuries in implementing their pollution-generating, resource consuming industrial revolutions“.84 77
Siehe Caldwell, International Environment Policy, (1984), S. 43. ECOSOC Resolution 1346 (XLV). 79 UNGA Resolution 2398 (XXIII). 80 Report of the Secretary-General, Problems of the Human Environment, UN doc. E/4667, und UN doc. E/4553. 81 So Mahmoudi, AYIL 3 (1995), S. 178. 82 UNGA Resolution 2498 (XXIII), letzter Absatz der Präambel. 83 So Mahmoudi, AYIL 3 (1995), S. 178. 84 Birnie, The UN and the Environment (1993), S. 338. 78
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In den Worten: „let me die polluted“,85 eines Delegationsmitgliedes auf der Konferenz von Stockholm soll diese diffuse Furcht ebenfalls ihren Ausdruck gefunden haben. Um diesen Befürchtungen entgegenzuwirken, arrangierte die Vorbereitungskommission der Konferenz von Stockholm ein Treffen von Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen in Founex in der Schweiz 1971 zu einer umwelt-entwicklungspolitischen Konferenz.86 Am Ende dieses Treffens stand als Ergebnis fest, dass Umweltprobleme nicht zwangsläufige Folge des Entwicklungsprozesses sind, sondern auch vom Fehlen wirtschaftlicher Entwicklung stammen können.87 Diese Einsicht bewegte letztlich auch die Entwicklungsländer zur Teilnahme an der Konferenz von Stockholm. Dennoch prägte dieser Konflikt die Konferenz und Ihre Ergebnisse. Deutlich konnte man diese Spannungen an der viel beachteten Haltung Chinas auf der Konferenz ablesen. Die Volksrepublik China betonte vor allem die Unabhängigkeit beim Aufbau eigener Industrien.88 Ihr gelang es schließlich, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die die Stockholmdeklaration noch einmal unter dem Gesichtspunkt der Entwicklungsproblematik überarbeiten sollte. Wesentliche Änderungen erreichte die Arbeitsgruppe indes nicht. Auch die Wahl des Standortes für die neu zu gründende Umweltinstitution89 wies Konfliktpotenzial auf. Für das UNEP kristallisierten sich zuletzt fünf Standorte heraus: Österreich, Indien, Kenia, die Schweiz und die USA. Die Entwicklungsländer fürchteten, dass wenn sie sich über ihren Kandidaten uneinig wären, es dazu kommen würde, dass das UNEP schließlich in Europa oder in den USA angesiedelt würde. In den politischen Verhandlungen ließ deshalb Kenia die indischen Vertreter wissen, dass Kenia alle Inder von kenianischem Territorium verweisen werde, wenn Indien nicht seine Kandidatur um den Sitz des UNEP zurückziehe. Indien nahm diese Drohung ernst und zog seine Kandidatur zurück.90 Auf Initiative einiger neuer unabhängiger Staaten Afrikas gelang es dann mit der Resolution 3004 (XXVII), den Sitz des UNEP vom geplanten Genf nach Nairobi in Kenia zu verlegen91, da bisher keine der UN-Körperschaften in einem Entwick85
Zitiert bei: Kiss, Droit International (1989), S. 36. Für eine eingehende Besprechung dieses Treffens siehe Caldwell, International Environmental Policy (1990), S. 52; Birnie, The UN and the Environment (1993), S. 338. 87 Founex-Report: „Development and Environment“, abgedruckt in: In Defence of the Earth, UNEP 1981, S. 1 ff.; Mahmoudi, AYIL 3 (1995), S. 178; Details über Founex bei: Caldwell (1984), S. 55; Birnie, The UN and the Environment (1993), S. 338. 88 Skupnik, VN 1972, S. 114. 89 Aus Sicht eines Entwicklungslandes siehe: Adede, Renewing International Governance (2002), S. 11–13. 90 Downie/Levy, UNEP at a Turning Point (2000), FN 28. 86
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lungsland angesiedelt war. Dadurch sollten in erster Linie die Entwicklungsländer motiviert werden, sich an der Arbeit im Umweltschutz zu beteiligen. Es sollte deutlich gezeigt werden, dass die Entwicklungsländer bei der Arbeit des UNEP eine entscheidende Rolle spielen würden.92 Die Ansiedlung des UNEP in einem Entwicklungsland wurde als politische Notwendigkeit erkannt, zugleich aber stark kritisiert. Sie bedeute eine Verkomplizierung der Koordinierungsfunktion und der Zusammenarbeit mit anderen UN-Körperschaften.93 Wegen der Notwendigkeit, gerade im Umweltschutzbereich die Entwicklungsländer in die Bemühungen der Staatengemeinschaft zu integrieren, hält aber die Staatengemeinschaft an diesem Standort fest und fordert seine Aufwertung durch eine stabile Finanzierung.94 Einen Schatten auf die anvisierte Universalität der Konferenz warf das Fernbleiben der damaligen Sowjetunion und vieler sogenannter „Ostblockstaaten“.95 Die Gründe für die Abwesenheit dieser Staaten lagen allerdings nicht in der internationalen Umweltpolitik, sondern im Ost-West-Konflikt. Viele sozialisitschen Staaten96 lehnten eine Teilnahme aus Solidarität mit der damaligen DDR ab, die sich nicht als vollwertiges Mitglied an der Konferenz beteiligen durfte.97 Dieser „Boykott“ wurde jedoch dadurch abgeschwächt, dass sich nicht der „kommunistische Block“ schlechthin daran beteiligte98. Insbesondere die Volksrepublik China war mit einer äußerst kompetenten und großen Delegation vertreten99 und konnte sich sogar als „Wortführer“100 der Entwicklungsländer etablieren. Auch Rumänien und Jugoslawien partizipierten als 91 Caldwell (1990), S. 69. Aus afrikanischer Sicht vgl. Adede, Renewing International Governance (2002), S. 11–13. 92 Mahmoudi, AYIL 3 (1995), S. 180. 93 Caldwell (1990), S. 71. 94 UNGA Resolution 53/242 para. 2 vom 10.8.1999, Report of the SecretaryGeneral on environment and human settlement, UN Doc. A/RES/53/242. 95 Zusammenfassend Kiss/Sicault, La Conférence des Nations Unies sur l’Environnement, AFDI 18 (1972), S. 608 f. 96 Albanien, Bulgarien, Kuba, Polen, Tschechoslowakai und UdSSR. 97 Die Generalversammlung entschied sich mit 104 Ja- und neun Neinstimmen bei sieben Enthaltungen für die Anwendung der sogenannten „Wiener Formel“, wonach nur Mitglieder der UNO sowie ihrer Sonderorganisationen teilnahmeberechtigt waren. Die sozialistischen Staaten setzten sich für die „Allstaatenformel“ ein, die es auch der DDR erlaubt hätte, teilzunehmen. Vgl. Skupnik, VN 19972, S. 111; Kiss/ Sicault, La Conférence des Nations Unies sur l’Environnement, AFDI 18 (1972), S. 608 f. 98 Böhme, VN 1992, S. 77. 99 Kiss/Sicault, La Conférence des Nations Unies sur l’Environnement, AFDI 18 (1972), S. 609. 100 So ausdrücklich Skupnik, VN 1972, S. 113.
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Verbündete der damaligen Sowjetunion an der Konferenz. Insgesamt nahmen trotz dieses Boykotts 113 Staaten an der Konferenz von Stockholm teil.101 Angesichts der politschen Verhältnisse in den 70er Jahren kann das nur als Erfolg für die internationale Umweltpolitik gewertet werden.102 Die Konferenz hat eine neue Etappe in der internationalen Umweltpolitik eröffnet und das internationale öffentliche Bewusstsein für den Umweltschutz geschärft.103 Am Ende der Konferenz der Vereinten Nationen über die menschliche Umwelt standen ein Aktionsplan („Action Plan“), eine Deklaration von rechtlich unverbindlichen Umweltschutzprinzipien und die Empfehlung, neben einem Umweltfonds (Environmental Fund) schließlich auch einen neuen UN-Mechanismus mit Sitz in Nairobi einzurichten, der das Umweltprogramm der Vereinten Nationen verwalten und lenken würde. Die Idee des Umweltprogramms der Vereinten Nationen war geboren. Der Gedanke an ein einheitliches Umweltprogramm bei den Vereinten Nationen setzte sich dabei gegen drei entgegengesetzte Ansichten104 durch. Der zentralistische Ansatz des „Laisser-faire“ ging davon aus, dass die bisherigen Kapazitäten der Zusammenarbeit innerhalb der überstaatlichen Ebene für den Umweltbereich noch ausreichten. Es sei keine neue Querschnittsorganisation notwendig. Nach dem Motto „one body one job“ hätte sich der Umweltschutzbereich auch als „Annexkompetenz“ in die bestehenden Kompetenzen anderer Akteure integrieren lassen.105 Auf der anderen Seite standen die Befürworter einer „starken“ Umweltbehörde mit eigenen Rechtsetzungskompetenzen und politischen Zuständigkeiten.106 Eine Form der „Supranationalität“ des internationalen Umweltschutzrechts sei angesichts der „Umweltzerstörungskapazitäten der Menschheit“ notwendig, da es andernfalls für ein wirksames Eingreifen zu spät sei. Gerade das Unvermögen einer Gesamtschau über alle Eingriffe in die Natur bilde die Wurzel der gegenwärtigen Umweltkrise. Es gehe nicht nur um Koordination bestimmter Aktivitäten, sondern um die Bündelung des gesamten Potentials und des Wissens der Menschheit.107 101
Skupnik, VN 1972, S. 111. In diesem Sinne positiv auch Kiss/Sicault, La Conférence des Nations Unies sur l’Environnement, AFDI 18 (1972), S. 626–628. 103 Ähnlich Kiss/Sicault, La Conférence des Nations Unies sur l’Environnement, AFDI 18 (1972), S. 626. 104 Für eine kurze Zusammenfassung dieser Ansichten siehe: Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 242–245. 105 Johnson, The United Nations System and the Human Environment (1971), S. 19. 106 Johnson, The United Nations System and the Human Environment (1971), S. 21. 102
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Hätte man damals dieser „pessimistischen und radikalen Gruppe“108 folgen wollen, hätte dies einer umfänglichen Reform des Systems der Vereinten Nationen bedurft. Nicht zuletzt wegen der befürchteten weitreichenden Eingriffe in das Gefüge der UNO konnte sich diese Ansicht nicht durchsetzen. Zu diesen Extrempositionen gab es verschiedene vermittelnde Ansätze, die teils ebenfalls einer Ergänzung der UNO-Charta bedurft hätten,109 teils aber auch ohne eine solche auskamen. Hier wäre die vorgeschlagene Errichtung eines Umweltrats (Earth Council) durch eine Resolution der Generalversammlung nach Art. 59 der UN-Charta zu nennen.110 Die gesamte Diskussion um die Ausgestaltung des UNEP sprach also zugleich auch die Verfassung der Weltorganisation insgesamt an.111 Die Schaffung einer neuen Untereinheit der UNO steht dabei in der Tradition der Problembehandlung in den Vereinten Nationen. Schon Standke erkannte dieses alte Phänomen, dass neue Lücken im Aufgabenfeld der Weltorganisation regelmäßig nur durch immer neue Organisationen, nicht aber durch Kompetenzausdehnung bereits bestehender Organisationen „gestopft“ würden.112 Schließlich verabschiedete am 15. Dezember 1972 die Generalversammlung der Vereinten Nationen die entscheidende Resolution unter dem Titel „institutionelle und finanziellen Arrangements für internationale Kooperation in Umweltfragen.113 Zwar betont diese Resolution, dass konkrete Umweltschutzmaßnahmen zunächst im Verantwortungsbereich der Staaten und Regionen liegen, sagt aber ausdrücklich, dass weitreichende internationale Umweltprobleme in den Kompetenzbereich des UNO-Systems fallen.114 Unter Bezugnahme auf die Aussagen des UN- Generalsekretärs zum dringenden Bedarf für eine institutionelle Einrichtung zum Schutze der Umwelt 107
Johnson, The United Nations System and the Human Environment (1971),
S. 20. 108 So bezeichnete Johnson, The United Nations System and the Human Environment (1971), S. 21 die Anhänger einer „starken Umweltschutzorganisation“. 109 Wie der Vorschlag der USA zur Einrichtung eines „Rates der Vereinten Nationen für die Umwelt“ ähnlich dem Wirtschafts- und Sozialrat, der dem ECOSOC als besondere Kommission nachgeordnet sein sollte. 110 Ähnlich der UNICEF, UNDP oder UNIDO, UNITAR. 111 Johnson, The United Nations System and the Human Environment (1971), S. 21. 112 Standke, VN 24 (1976), S. 8 ff.; siehe auch Johnson, The United Nations System and the Human Environment (1971), S. 21. 113 Institutional and financial arrangements for international environmental cooperation, UNGA Resolution 2997 (XXVII), als eine von insgesamt 11 Resolutionen, die auf den Empfehlungen der Konferenz von Stockholm basieren (Resolutionen 2994–3604 (XXVII)). 114 UNGA Resolution 2997 (XXVII), Präambel.
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innerhalb der Vereinten Nationen gründete diese Resolution das UNEP, seinen Verwaltungsrat (Governing Council, GC)115, das kleine („small“) Sekretariat116 und den Umweltfonds (Environment Fund)117. Die heutige Form des UNEP entspricht somit einer Lösung, die ohne eine Veränderung der Charta auskam, der dafür aber auch einiges an Schlagkraft fehlt. Da das Umweltprogramm auf der Grundlage einer Resolution der Generalversammlung der UNO gegründet wurde und es keinen völkerrechtlichen Gründungsvertrag gibt, fehlt ihm die Völkerrechtspersönlichkeit. Es entstand eine dem UNDP ähnlich strukturierte, von ihm aber völlig unabhängige Umweltkoordinationseinrichtung als effektivster der möglichen organisatorischen Kompromisse.118 Bei der Besetzung des Verwaltungsrats des UNEP wurde der Bedeutung der Entwicklungsländer beim globalen Umweltschutz Rechnung getragen. Ihnen wurde ein Übergewicht in diesem Entscheidungsgremium gegeben.119 Die anfänglichen Befürchtungen, dass dadurch und durch die Sitzverlagerung des UNEP nach Nairobi ein weiteres Forum entstehen würde, in dem die Entwicklungsländer und ehemaligen Kolonien ihren allgemeinen Unmut über ihre Situation zum Ausdruck bringen würden und lediglich ein weiteres Forum für Forderungen nach Entwicklungshilfe gefunden würde, haben sich nicht bewahrheitet. Die Entwicklungsländer haben die Ernsthaftigkeit der Umweltprobleme erkannt und im UNEP ein geeignetes Instrumentarium gefunden, um sie anzugehen.120 Die allgemeine Akzeptanz des UNEP bei den Entwicklungsländern führte Caldwell schon 1990 darauf zurück, dass es UNEP gelungen sei, der Umweltschutzbewegung eine gewisse Universalität, Akzeptanz und Legitimität zu verleihen.121 (2) Die Struktur des Umweltprogramms Oberstes „Organ“ des Umweltprogramms der Vereinten Nationen ist der Verwaltungsrat (Governing Council (GC)). Die Anzahl seiner Mitglieder ist auf 58 beschränkt,122 die von der Generalversammlung der Vereinten Natio115
UNGA Resolution 2997 (XXVII), Abschnitt I. UNGA Resolution 2997 (XXVII), Abschnitt II. 117 UNGA Resolution 2997 (XXVII), Abschnitt III. 118 Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen (1987), S. 246. 119 Mahmoudi, AYIL 3 (1995), S. 180 mit Hinweis auf UNGA Resolution 2997 (XXVII), part I, para. 2 (f). 120 Mahmoudi, AYIL 3 (1995), S. 180; Caldwell (1990), S. 71. 121 Caldwell (1990), S. 83. 122 Für die Diskussion um die Erweiterung des Verwaltungsrates siehe unten: Teil 3, I. 2. 116
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nen für vier Jahre gewählt werden. Wegen des regionalen Verteilungsschlüssels verfügen die Entwicklungsländer über eine deutliche Mehrheit.123 Der UNEP-Verwaltungsrat tritt alle zwei Jahre zusammen. In der Zwischenzeit wird der Verwaltungsrat durch zwei Unterorgane unterstützt. Dem Verwaltungsrat ist das High-Level Committee of Ministers and Officials (HLCOMO)124 untergeordnet. Es wurde gegründet, um die Entwicklungen im Umweltschutz in der Staatengemeinschaft zu beobachten und Reformvorschläge für die Struktur der internationalen Zusammenarbeit auszuarbeiten. Das HLCOMO besteht aus 36 Staaten, die von der Generalversammlung aus allen UNO-Mitgliedsstaaten auf zwei Jahre gewählt werden. Das Committee of Permanent Representatives125, das zweite Unterorgan des Verwaltungsrats, ist offen für alle ständigen Vertretungen („Permanent Representatives“), die beim UNEP akkreditiert sind. Es hat die Aufgabe, die Umsetzung der Entscheidungen des UNEP-Verwaltungsrates zu beobachten und dem UNEP Empfehlungen zu unterbreiten. Bisher ist dieses Unterorgan jedoch noch nicht maßgeblich in Erscheinung getreten.126 Die Verwaltungsarbeit nimmt das Sekretariat in Nairobi war. Insgesamt arbeiten im Hauptbüro (Nairobi) 167 hauptberufliche und 179 Hilfskräfte. Hinzu kommen 257 hauptberufliche und 233 Hilfskräfte in den Regionalbüros.127 Damit verfügt das UNEP gemessen an seinen Aufgaben über ein recht kleines Büro. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland beschäftigte im Jahr 2003 im Vergleich dazu 885 Mitarbeiter.128 Das sind 49 Mitarbeiter mehr als alle Mitarbeiter der UNEP-Regionalbüros und des Hauptsitzes zusammen. An der Spitze des UNEP-Sekretariats steht der Exekutivdirektor.129 Er beaufsichtigt acht Abteilungen, die für die praktische Arbeit des UNEP zuständig sind.130 123 Nach dem regionalen Verteilungsschlüssel entfallen 16 Sitze auf Afrika, 13 auf Asien, 10 auf Lateinamerika, 6 auf Osteuropa und 13 Sitze auf „Westeuropa, Nordamerika und andere“. 124 Als Unterorgan des Verwaltungsrats gegründet durch Entscheidung 19/32 vom 4.4.1997. 125 Gegründet durch Entscheidung des Verwaltungsrats GC 13/2, II (B) 24.5. 1983. 126 So auch Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), S. 68. 127 Insgesamt 836 Mitarbeiter, Stand: 31.3.2003. Zahlen aus Yearbook of International Co-operation on Environment and Development 4 (2003), S. 289. 128 Auskunft des Personalreferats übermittelt per e-Mail vom 5.3.2003. 129 Seit Februar 1998 Klaus Töpfer. Seine zweite vierjährige Amtszeit begann im Februar 2002. 130 Division of Early Warning and Assessment (DEWA), Division of Policy Development and Law (DPDL), Division of Environmental Policy Implementation
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Finanziert wird das UNEP aus dem regulären Haushalt der Vereinten Nationen und dem zusammen mit dem UNEP gegründeten Umweltfonds (Environment Fund), der aus freiwilligen Beiträgen der Mitglieder gespeist wird. Der Anteil der UN-Mittel betrug 2002 ca. 3,9% des Gesamtfinanzvolumens des Umweltprogramms.131 Davon finanziert das UNEP einen Teil seiner Personalkosten. Der Rest der Personalkosten sowie die Programmarbeit des UNEP werden durch den Umweltfonds getragen. Im Jahr 2002 konnten durch freiwillige Beiträge 46,5 Mio. US$ für diesen Umweltfonds aufgebracht werden.132 Diese Haushaltsmittel werden durch projektgebundene Sonderfonds und Einzelspenden ergänzt.133 Nicht zu den Organen des UNEP gehören die Vertragsstaatenkonferenzen derjenigen multilateralen Umweltabkommen, deren Sekretariate unter dem Dach des Umweltprogramms zusammengefasst sind.134 Hier übernimmt das UNEP zwar formal Sekretariatsfunktion. Die Sekretariate sind aber rechtlich unabhängig von den Entscheidungen des UNEP und nur den jeweiligen Vertragsstaatenkonferenzen bzw. den Mitgliedstaaten der entsprechenden Konventionen verantwortlich. (3) Das Mandat des UNEP und seine Rechtsetzungsbemühungen Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen selbst sieht seine Aufgabe darin: „To provide leadership and encourage partnership in caring for the environment by inspiring, informing and enabling nations and peoples to improve their quality of life without compromising that of the future generations“.135 (DEPI), Division of Technology, Industry and Economics (DTIE), Division of Regional Co-operation and Representation (DRCR), Division of Environmental Conventions (DEC), Division of Global Environmental Facility (GEF), Division of Communications and Public Information (DEPI). Zu den Aufgaben der einzelnen Abteilungen siehe Yearbook of International Co-Operation on Environment and Development 2003/04, S. 289–291. 131 In Zahlen waren es 4,5 Mio. US$. Quelle: Internetseite des UNEP unter , Stand: 26.2.2004. 132 Mit ca. 5 Mio. US$ war Deutschland der drittgrößte Geber hinter den USA (6,5 Mio.) und Groß Britannien (6,5 Mio.). Quelle: UNEP-Jahresbericht 2002, S. 61. 133 Für eine Übersicht der Anteile der einzelnen Finanzquellen an der Arbeit des UNEP für die Jahre 1994–1999 siehe UNEP’s Budget and Programme Priorities, Preparatory Meeting of Experts, UN Doc. UNEP/LAC – IGWG.XI/3/Rev.1, S. 2. 134 Das sind die Sekretariate der Biodiversitätskonvention, der Basler Konvention, CITES, CMS, Wiener Ozonvertrag, Multilateraler (Ozon-)Fonds, Rotterdam Konvention, POP. 135 Mission Statement auf der Internet-homepage des UNEP: , Stand: 10.09.2002.
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Sein Gründungsdokument verleiht dem Umweltprogramm die Aufgabe: „to promote international co-operation in the field of the environment, and to recommend, as appropriate, policies to this end, [and] to provide general policy guidance for the direction and coordination of environmental programmes within the United Nations system.“136
Daraus wird die koordinierende und katalytische Funktion des UNEP sichtbar. Das Umweltprogramm soll die Kooperation der Staaten untereinander und die verschiedenen Umweltschutzbemühungen innerhalb des Systems der UNO fördern. An keiner Stelle enthält dieses Mandat einen Hinweis auf supranationale Rechtsetzungsbefugnisse. Dieser Wortlaut allein enthält auch keinen Hinweis auf eine eigenständige Teilnahme an der Rechtsentwicklung. Es scheint, als hatten die Gründer des UNEP dem Programm nicht zugetraut, eigene Konzepte auf dem Gebiet des Umweltvölkerrechts zu entwickeln. Dies wurde den anderen Institutionen überlassen, deren Arbeit durch UNEP schließlich (nur) koordiniert werden sollte. Nun ist auch verständlich, warum das UNEP nur ein kleines Sekretariat erhalten sollte. Allerdings haben es die bisherigen Direktoren unter Zuhilfenahme des Drucks in der Öffentlichkeit vermocht, den Tätigkeitsbereich des UNEP auch über die grammatikalische Interpretation des Mandates hinaus zu erweitern.137 Trotz des anfänglichen Fehlens von Befugnissen des UNEP im Bereich der Entwicklung und Ausarbeitung völkerrechtlicher Normen im Bereich des Umweltvölkerrechts begann diese Ausdehnung der Befugnisse schon frühzeitig nach der Gründung des Programms. Bereits 1973 nahm das UNEP indirekt seine erste Funktion im Bereich der Rechtsentwicklung wahr. Die Unterhändler des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES138) betrauten das UNEP mit der Funktion des Depositars für dieses völkerrechtliche Abkommen. Das kann als erster Vertrauensbeweis für das UNEP im Bereich des Umweltvertragsrechts gewertet werden.139 Damit hat sich das Umweltprogramm schon sehr frühzeitig an das Vertragsmanagement eines Umweltvertrages in Übereinstimmung mit Art. 77 der Wiener Vertragsrechtskonvention (1969) herangeführt.140 Dieses Vertrauen, welches die verhandelnden Staaten dem Umweltprogramm der 136
UNGA Resolution 2997 (XXVII), part I, para. 2(a) und (b). Mahmoudi, AYIL 3 (1995), S. 181 mit Hinweis auf: Birnie, The UN and the Environment (1993), S. 347–348. 138 Übereinkommen vom 3.3.1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzübereinkommen), in Kraft getreten am 1.07.1975, Text in BGBl. 1975 II, S. 773. 139 Adede, Renewing International Governance (2002), S. 25. 140 Adede, Renewing International Governance (2002), S. 25. 137
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Vereinten Nationen entgegengebracht haben, konnte als Ermutigung verstanden werden, sich fortan intensiver mit dem Umweltvölkerrecht zu befassen. Allerdings stimmten die Staatenvertreter kurze Zeit später auf der zweiten Versammlung des UNEP-Verwaltungsrats in einer Entscheidung141 gegen ein Mandat des UNEP zur Entwicklung des Umweltvölkerrechts142. Folglich konnten auch die anstehenden Vorbereitungsarbeiten für das Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention (CMS))143 nicht vom UNEP durchgeführt werden. Stattdessen übernahm eine Nichtregierungsorganisation144 die Vorbereitungsarbeiten. Der Durchbruch in Sachen Beteiligung an der Rechtsentwicklung gelang mit der dritten Sitzung des UNEP-Verwaltungsrats in Nairobi 1975. Der damalige Exekutivdirektor Maurice Strong beschwor die Vertreter der Regierungen, eine stärkere Rolle des UNEP im Bereich des Umweltrechts anzuerkennen. In seinem Report zum Verwaltungsrat nannte er eine ganze Reihe von Zielen, darunter auch die Mitwirkung bei der Entwicklung eines „new body of international legal instruments with today’s environmental concerns“145. Viele Delegierte begrüßten diesen Vorstoß.146 Auch der deutsche Vertreter Peter Menke-Glückert stimmte dem zu: „The normal and necessary last step in a chain of successive steps, starting with the definition of the environmental problem, followed by scientific and economic analysis, and finally coming to the point of preparing an agreement on necessary measures to be taken. When there is a consensus on necessary environmental action, then there is always a need for formalization and codification.“147
Seither hat das UNEP kontinuierlich seinen Zuständigkeitsbereich ausgebaut und damit seinen Einfluss auf Rechtsentwicklung und Rechtsetzung er141 UNEP Governing Council Decision Nr. 8 (II) A. III. 5 Doc. UNEP/GC/26, Annex 1, 18 (1974); vgl. hierzu das Interview von Dr. Hassan Ahmed, (damals Senior Legal Officer bei UNEP) in Environmental Policy and Law (1997), S. 50– 53. 142 Vgl. Adede, Renewing International Governance (2002), S. 26. 143 Convention on Migratory Species of Wild Fauna (CMS) vom 23.6.1979, in Kraft seit 1.11.1983, Text in BGBl. 1984 II, S. 569. 144 International Union for Nature Conservation (IUCN). 145 Siehe UN Doc. UNEP/GC/31 (1975), para. 211. 146 Vgl. etwa die Aussage des australischen Vertreters: „More than anything else, many member countries of the UN need guidance in the design of adequate laws to protect their national environments and for the development of approaches which are complimentary with those of other nations, particularly other nations in their region. We cannot have adequate environmental management without adequate environmental law.“ D. F. McMichaeil zitiert in Environmental Policy and Law 2 (1975), S. 50. 147 Zitiert in Environmental Law and Policy 2 (1975), S. 50.
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Teil 2: Akteure der Rechtsetzung und Rechtsentwicklung
weitert. Mit der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 (Konferenz von Rio) und der Agenda 21 wurde das Mandat des UNEP noch einmal dadurch erweitert, dass dem Umweltprogramm Bereiche besonderer Priorität (Priority areas) zugesprochen wurden.148 Dazu gehört insbesondere auch die Aufgabe, das Umweltvölkerrecht weiterzuentwickeln: „[to] further development of international environmental law, in particular conventions and guidelines, promotion of its implementation, and coordinating functions arising from an increasing number of international legal agreements [. . . .]“149
Damit wurden dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen ganz offiziell neben der ursprünglichen katalytischen und koordinierenden Funktion auch Aufgaben im Bereich der Rechtsentwicklung eingeräumt, die im ursprünglichen Mandat nicht enthalten waren. Auf dem Earth Summit +5 im Jahre 1997150 wird von den Aufgaben des UNEP innerhalb des Systems der UNO ein emanzipierteres Bild gezeichnet, das auf die Nairobi Declaration on the Role and Mandate of the United Nations Environment Programme151 zurückgeht: „. . . the Programme is to be the leading global environmental authority that sets the global environmental agenda, promotes the coherent implementation of the environmental dimension of sustainable development within the United Nations system, and serves as an authoritative advocate for the global environment.“152
Die Zusammenschau dieser Entwicklung macht deutlich, dass die Aufgaben des UNEP dynamisch sind. Durch Auslegung der Gründungsdokumente ließ sich die Funktion des Umweltprogramms der Vereinten Nationen an die Erfordernisse in der Staatengemeinschaft anpassen. Eine Grenze bleibt dabei aber bestehen. Aufgrund der fehlenden Rechtsfähigkeit des UNEP 148
Agenda 21, Kapitel 38, para. 22. Agenda 21, Kapitel 38, para. 22 (h). im Internet: ; übersichtlicher bei: . 150 Sondersitzung der Generalversammlung (Earth Summit +5, Special Session of the General Assembly to Review and Appraise the Implementation of Agenda 21) vom 23.–27. Juni 1997. 151 Die Nairobi Declaration wurde von den Umweltministern der teilnehmenden Staaten auf der 19. Sitzung des UNEP-Verwaltungsrats angenommen durch UNEP Governing Council Resolution GC 19/1/1997, im Internet unter: , Stand: 13.1.2003. Der vollständige Text der Nairobi Declaration findet sich unter: