Landesverteidigung: Struktur, Reichweite und Entscheidungskompetenzen der Einsatzbefugnisse der Streitkräfte zum Schutz der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.] 9783428586639, 9783428186631

Elementare Pfeiler der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland stellen die Streitkräfte dar. Deren Einsatz

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German Pages 424 [423] Year 2023

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Landesverteidigung: Struktur, Reichweite und Entscheidungskompetenzen der Einsatzbefugnisse der Streitkräfte zum Schutz der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.]
 9783428586639, 9783428186631

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Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit

Band 21

Landesverteidigung Struktur, Reichweite und Entscheidungskompetenzen der Einsatzbefugnisse der Streitkräfte zum Schutz der Bundesrepublik Deutschland

Von

Maximilian Orthmann

Duncker & Humblot · Berlin

MAXIMILIAN ORTHMANN

Landesverteidigung

Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, Münster

Band 21

Landesverteidigung Struktur, Reichweite und Entscheidungskompetenzen der Einsatzbefugnisse der Streitkräfte zum Schutz der Bundesrepublik Deutschland

Von

Maximilian Orthmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 2199-3475 ISBN 978-3-428-18663-1 (Print) ISBN 978-3-428-58663-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit wurde im Sommersemester 2021 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Die Arbeit wurde im Wesentlichen im Mai 2021 fertiggestellt, danach konnten vereinzelte Aktualisierungen vorgenommen werden. An erster Stelle gilt mein herzlichster Dank meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Philipp Reimer. Seine außerordentliche Unterstützung, seine wertvollen Ratschläge und seine vertrauensvolle und wohlwollende Betreuung haben mich stets bei der Erstellung der Arbeit begleitet, wofür ich diesen im großen Maße danke. Durch seine Förderung und die Gewährung der nötigen wissenschaftlichen Freiheit ermöglichte er die Verfassung der Arbeit. Die Zeit an seinem Lehrstuhl hat mich hinsichtlich meines wissenschaftlichen Denkens wesentlich geprägt, wofür ich diesen aufrichtig danke. Ferner danke ich Herrn Prof. Dr. Heiko Sauer für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Außerdem möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Dr. Markus Thiel für die Aufnahme in die Schriftenreihe des Rechts der inneren und äußeren Sicherheit bedanken. Zudem danke ich dem Bildungswerk des Deutschen BundeswehrVerbandes für ihre finanzielle Unterstützung. Ein besonderer Dank für ihre Unterstützung, etwa durch tolle gemeinsame Zeiten, unermüdlich positive Zusprachen sowie mehr und weniger kluges Bier und Wein trinken, gilt Dr. Friederike Kunzendorf, Tilman Wörz, Oliver Jans, Benjamin Vandelaar, Pia Breidenbach und Vincent Schnell. Größter Dank gilt meinen Eltern Carla und Dr. Reinhard Orthmann und meiner Schwester Dr. Natalie Orthmann, die durch ihre vorbehaltslose Unterstützung ein immerwährender Rückhalt sind und mir stets Motivation in anstrengenden Zeiten geben konnten. Bonn, im Juli 2022

Maximilian Orthmann

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung

23

A. Cyberangriffe als „neue“ gefahrenabwehrrechtliche Aufgabe für die Streitkräfte . . . . 23 B. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Methodischer Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 D. Anstoß zur erneuten Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Teil 2 Die Struktur der Wehrverfassung

30

Kapitel 1 Grundlagen zur Wehrverfassung

30

A. Überblick über die Wehrverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I.

Relevante wehrverfassungsrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

II. Überblick über die historische Entwicklung wehrverfassungsrechtlicher Normen 32 1. Aufstellung der Streitkräfte 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Notstandsnovelle 1968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Der Kerngehalt des Verteidigungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I.

Der Verteidigungsbegriff als zentraler Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

II. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Notwendigkeit eines Angriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Normauslegung von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 c) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 d) Auslegung durch das Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 e) Normstrukturelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Bestätigung durch weitere Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

8

Inhaltsverzeichnis IV. Anforderungen an einen Angriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Gemeinsamkeit der Beschreibung von Angriffsanforderungen . . . . . . . . . . . . . 49 2. Bestehen von besonderen Anforderungen an den Angriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Keine besonderen Anforderungen bei rein gefahrenbezogenem Verständnis 50 b) Argumentativer Bezug auf eine fehlende Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Widerspruch zur Kompetenzwertung des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG . . . . . . . . 52 d) Keine Verdrängung durch teleologische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Bestehen einer angeblichen gefahrenabwehrrechtlichen Schutzlücke . . 54 bb) Bedeutung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum LuftSiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 cc) Historischer Vergleich zur Entstehung des Art. 35 Abs. 2, 3 S. 1 GG a. F. 57 dd) Gesellschaftliches und internationales Verständnis der Bundesrepublik zur Entstehungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Völkerrechtliche Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Literaturstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Die Reichweite des Gebotes völkerrechtsfreundlicher Auslegung . . . . . . . . 64 c) Übertragung der Rechtsprechung zum wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 d) Einordnung in ein (wehr-)verfassungsrechtliches System . . . . . . . . . . . . . . . 67 e) Vergleich zur Etatbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 f) Zirkelschluss einer völkerrechtlichen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 g) Auswirkungen völkerrechtlicher Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5. Verfassungsrechtliche Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 aa) Die Berücksichtigung von Art. 73 Nr. 1 GG a. F. bei der Bestimmung von „militärischer Verteidigung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 bb) „Militärische Verteidigung“ als Inhalt des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 cc) Bedeutung von „militärischer Verteidigung“ für die Anforderungen an einen Angriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Systematisches Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Systematik gegenseitiger Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Negativer Bestimmungsgehalt des Art. 35 Abs. 2 S. 2 1. Alt.; Abs. 3 S. 1 1. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 cc) Negative Bestimmung durch Sonderbefugnisse im Verteidigungs- und Spannungsfall und schweren staatsgefährdenden Notstand . . . . . . . . . . 81 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 VI. Auswirkungen kumulativer Angreifer bzw. Angegriffener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Mögliche Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

Inhaltsverzeichnis

9

2. Keine Addition zu einem Angriff/Trennung in verschiedene Angriffe . . . . . . . 84 3. Auswirkungen auf und Subsidiarität der Kompetenzbereiche . . . . . . . . . . . . . . 85 C. Sperrwirkung des Art. 87a Abs. 2 GG (In- und Auslandsbezug) . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Kapitel 2 Verhältnis wehrverfassungsrechtlicher Normen zueinander

90

A. Das Dreiecksverhältnis von Verteidigung zum Verteidigungsfall und zum Schutz Ziviler vor Zivilen im Verteidigungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 I.

Das Verhältnis von Verteidigung zu den Sonderbefugnissen nach Art. 87a Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II. Das Verhältnis von Verteidigung zum Verteidigungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 III. Das Verhältnis der Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG zum Verteidigungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 IV. Annex: Das Verhältnis zum Spannungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 B. Das Verhältnis von Verteidigung zum schweren staatsgefährdenden Notstand und Katastrophennotstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 C. Das Verhältnis zu Art. 24 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I. Kerngehalt des Art. 24 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Verhältnis zum Verteidigungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 III. Trennung der Regelungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 IV. Beachtung der Wertungen des Art. 87a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Teil 3 Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

108

Kapitel 1 Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

108

A. Die innere Struktur des Verteidigungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. Ausgangsüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Internes Stufenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 III. Strukturierung konkreter Problematiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 B. Das Verhältnis von Verteidigungslage und Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . 111 I. Verständnisweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Auswirkung des internen Stufenverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 III. Bestimmung des Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

10

Inhaltsverzeichnis

C. Das Verhältnis von Verteidigung zu anderen Begriffen und dogmatischen Mustern I.

119

Verhältnis zu anderen Verfassungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Art. 26 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Art. 87b GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3. Verteidigung nach Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

4. Verteidigung in Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Verhältnis zu dogmatischen Mustern und Begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Verhältnis zum strafrechtlichen Verteidigungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Verhältnis zum Gefahrenabwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Verhältnis zu grundrechtlichen und institutionellen Schutzpflichten . . . . . . . . . 126

Kapitel 2 Die Verteidigungslage

131

A. Der Angriffsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 I.

Angriffsobjekt/Verteidigungsschutzgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Abstraktes Schutzgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Bestand des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Einführung des Verteidigungsbegriffs in das Grundgesetz . . . . . . . . . . . 133 bb) Fortführung durch die Notstandsnovelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 cc) Aufgreifen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Eigenschutz der Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Konkreter Bezug auf einzelne Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Bestand des Bundes und der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Freiheitliche demokratische Grundordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 c) Eigenschutz der Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 d) Unterschied der abstrakten Schutzgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Mögliche Einschränkung durch außerstaatlichen Territorialbezug . . . . . . . . . . 145 a) Innerhalb deutschen Territoriums (Territorial-/Landesverteidigung) . . . . . . . 146 b) Außerhalb deutschen Territoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Einbeziehung deutscher Staatsangehöriger (Personalverteidigung) . . . . 147 (1) Eingeschränkter Schutzbereichsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (2) Uneingeschränkter Schutzbereichsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (a) Strukturverhältnis zum materiellen Verteidigungsfall . . . . . . . . . 148 (b) Einschränkendes Potential auf anderen Ebenen . . . . . . . . . . . . . 150 (c) Wehrverfassungsrechtliche Schutzpflicht im Verhältnis zur grundrechtlichen Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

Inhaltsverzeichnis

11

(d) Widersprüchlichkeit des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 bb) Fremde Staatsangehörige bzw. Staatenlose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (1) Intervention zum Schutz von fremden Staaten und fremden Staatsangehörigen bzw. Staatenlosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (2) Sonderstatus von verbündeten Drittstaaten bzw. Drittstaatsangehörigen (Bündnisverteidigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (a) Argumentation in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (b) Keine direkte Einbeziehung von Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . 155 (c) Indirekte Einsatzbefugnis durch Gefährdungspotential . . . . . . . . 160 4. Zwischenergebnis zum Angriffsobjekt/Verteidigungsschutzgut . . . . . . . . . . . . . 163 II. Der Angriffserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Gefahr als Angriffserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Kerngehalt des Gefahrenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Bestätigung des Gefahrenverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 aa) Bestätigung durch das abstrakte Schutzgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 bb) Betroffenheit sachlicher Güter/des konkreten Schutzgutes . . . . . . . . . . . 167 cc) Richtungsweisende Tendenz durch Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 dd) Auflösung mittelbarer Verursachungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Funktionale Perspektive der Gefahrenschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Zeitliche Perspektive der Gefahrenschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Vergangenheitsgerichtete Perspektive (ex post) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Zukunftsgerichtete Perspektive (ex ante) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 d) Vorzugswürdige Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Notwendigkeit einer zukunftsgerichteten Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Gefahrenabwehr anstatt Gefahrenhinnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 cc) Keine Befugnis zu unmöglichen Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 dd) Verständnis als „Abwehr eines Angriffs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 ee) Bestimmbarkeit des Endes einer Einsatzbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 gg) Indirekte Auswirkung des Schadensausmaßes als Indikator der Wahrscheinlichkeit neuen Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (1) Schadensverhinderung gegenüber Schadensbeseitigung . . . . . . . . . . 179 (2) Bedeutung eines eingetretenen Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Überschreiten der Gefahrenschwelle auf Grund gesamtstaatlicher Auswirkung und gesellschaftlicher Intensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Militärischer Eigenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Rückschluss aus dem militärischen Eigenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Gesellschaftliche Wertung als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

12

Inhaltsverzeichnis d) Einordnung im wehrrechtlichen Gesamtkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 5. Zwischenergebnis: Gefahrenbegriffsorientierung des Angriffserfolgs . . . . . . . . 187 III. Angriffshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Kerngehalt: Hervorrufen eines Angriffserfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Umfang der notwendigen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Notwendigkeit einer menschlichen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Vermeintliche Grenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Keine Notwendigkeit eines subjektiven Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 d) Keine Notwendigkeit eines hinreichend qualitativen Grads an Rückführbarkeit zu einem bestimmten Angreifer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. (Verfassungs-)Rechtswidrigkeit der Angriffshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Notwendigkeit einer Rechtswidrigkeitsanforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) (Verfassungs-)Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Einwilligung durch den deutschen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 bb) Fremde Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4. Zwischenergebnis zur Angriffshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 IV. Zwischenergebnis zum Angriffsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

B. Die militärische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I.

Kerngehalt des militärischen Bezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Ausgangsüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Militärischer Angegriffener bzw. Angegriffenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3. Militärischer Angreifer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Annäherung durch das Gegenstück des zivilen Personenstatus . . . . . . . . . . . 201 b) Verfassungsrechtlicher Rückschluss aus Art. 65a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Verfassungsrechtlicher Rückschluss aus Art. 87a Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . 202 d) Verfassungsrechtlicher Rückschluss aus Art. 87a Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . 202 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 f) Weiteres hinzukommendes Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 aa) Gefahrenherkunftsort außerhalb deutschen Territoriums . . . . . . . . . . . . 204 bb) Fremdstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 cc) Verhältnis der möglichen zusätzlichen Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 dd) Eigene Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

II. Das Merkmal der Bewaffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Abstrakter Bedeutungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Technisches Verständnis durch den Wortlaut von „militärisch bewaffneter“ 213 b) Untechnisches Verständnis durch systematischen Ausgangspunkt . . . . . . . . 214 c) Verhältnis der Verständnisweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 d) Modifizierung des Angriffserfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Inhaltsverzeichnis

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2. Konkreterer Bedeutungsgehalt und Überschreiten der Intensitätsschwelle . . . . 219 a) Umfassende territoriale und personelle Schutzwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Ausgrenzung einzelner Schutzgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 aa) Ausschluss durch fehlende Relevanz selbst bei höchster Intensität . . . . 220 bb) Umkehr der Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 cc) Relevanz bei höchster Intensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (1) Funktionalität grundlegender staatlicher Institutionen . . . . . . . . . . . 222 (2) Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (3) Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (4) Fortbewegungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (5) Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (6) Allgemeines Persönlichkeitsrecht bzw. informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (7) Weitere Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (8) Folgebetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 c) Beachtung der Vulnerabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 d) Überschreiten der entsprechenden Intensitätsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 e) Kumulation mehrerer Angriffe („Nadelstichtaktik“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 III. Das Merkmal der Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Konkretisierung durch Art. 65a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Bedeutung für den militärischen Angreifer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Modifizierung der Angriffshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 IV. Das Merkmal der (Fremd-)Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Notwendigkeit einer Zwischenstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Staatlichkeit durch Zurechnung der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 b) Angriffshandlung als Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 c) Abstraktheit des Zurechnungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Zurechnung durch hierarchisch höchste staatliche Stelle der Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Art. 65a GG als (teilweiser) Zurechnungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Übertragung auf den militärischen Angreifer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Zurechnung ohne höchste staatliche Befehls- und Kommandostelle . . . . . . . . . 237 a) Der „Unwilling-or-unable“-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) „Unwillen“ oder „Unfähigkeit“ als verfassungsrechtlicher Zurechnungsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 aa) Verankerung im Bund-Länder-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 bb) Verankerung durch Schutzpflicht des deutschen Staates im internationalen Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (1) Grundprinzip der Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

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Inhaltsverzeichnis (2) Schutzpflichtdimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (3) Schutzpflichtdimension des Art. 26 Abs. 1 GG und der Präambel

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(4) Übertragbarkeit der Schutzpflichtdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Keine Modifikation des Angriffshandlungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 V. Verhältnis der verschiedenen Merkmale der militärischen Dimension . . . . . . . . . 248 1. Ausgangsüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Vermutung einer Organisation und Staatlichkeit bei militärischer Bewaffnung 248 3. Vermeintliches Potential verfassungswidriger Einsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4. Organisation und Staatlichkeit durch Bewaffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 C. Zusammenfassung zur Verteidigungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Kapitel 3 Die Verteidigungshandlung

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A. Grundlagen zur Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Notwendigkeit einer Verteidigungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 II. Einsatzqualität der Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 III. Funktionale Ausrichtung einer Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 IV. Adressat der Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Kein Kriterium der Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Maßnahmen gegen Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 V. Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 B. Einschränkung von Verteidigungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 I. Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Unmittelbar geltendes (humanitäres) Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Geltung von Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Ius in bello . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 III. Einschränkungsgründe mit Auslegung durch und Verweis auf Völkerrecht . . . . . 262 1. Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker nach Art. 26 GG . . . . . . 263 2. Allgemeine Regeln des Völkerrechts nach Art. 25 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 3. Völkervertragsrecht nach Art. 59 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 4. Europäische Integration nach Art. 23 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 5. Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach Art. 24 Abs. 2 GG . . . . . . . 265 6. Schiedsgerichtsbarkeit nach Art. 24 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 IV. Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Grundrechtsschutz Betroffener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Grundrechtlicher Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Inhaltsverzeichnis

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b) Besonders herauszustellende Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Betroffenheit eines militärischen Angegriffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Identitätsunklarheit des Angreifers und Belastung Dritter . . . . . . . . . . . 271 2. Grundrechtsschutz der eingesetzten Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 V. Rechtsstaatlicher Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 C. Entscheidung über eine Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I.

Trennung zwischen Vornahme und Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 II. Vornahme einer Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. Inzidente Wertung über das Vorliegen einer Verteidigungslage . . . . . . . . . . . . . 275 a) Entscheidung hinsichtlich des Vorliegens einer Verteidigungslage . . . . . . . . 275 b) Anforderungen an eine behördliche Annahme einer Verteidigungslage . . . . 275 c) Entscheidungszuständigkeit über Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen . . . 277 d) Nachträgliche Veränderung einer Schadenspotentialbewertung . . . . . . . . . . 278 aa) Nachträgliches Herausstellen einer Verteidigungslage . . . . . . . . . . . . . . 278 bb) Nachträgliches Herausstellen keiner Verteidigungslage . . . . . . . . . . . . . 279 2. Entscheidung des Inhabers/der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt 281 3. Legislativvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 a) Abgrenzung zum Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Systematische Begründung eines Legislativvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Legislative Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 bb) Einbeziehung des Bundesrates in den Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (1) Unzureichender Rückschluss des Bundesverfassungsgerichts . . . . . 286 (2) Heranziehung des Wesentlichkeitsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (3) Vergleichbarkeit zum Gesetzgebungs- und Transformationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (4) Vergleichbarkeit zu durch den Bundesrat zustimmungspflichtigen Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (5) Zwischenergebnis eines einheitlichen Vorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . 292 cc) Umfang der Beteiligung des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 c) Voraussetzungen des Legislativvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 aa) Vorhersehbarkeit bewaffneter Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 294 (1) Qualifizierte Erwartung an eine bewaffnete Unternehmung . . . . . . . 294 (2) Entscheidungszuständigkeit bezüglich bewaffneter Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 bb) Keine Eilbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 cc) Keine Notwendigkeit eines Auslandsbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 dd) Notwendigkeit einer Wesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (1) Legislativvorbehalt als Ausfluss der Wesentlichkeitstheorie . . . . . . 299

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Inhaltsverzeichnis (2) Wesentlichkeit bei zwischenstaatlicher Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . 299 d) Überlagerung durch Feststellung des Verteidigungsfalls nach Art. 115a GG 301 aa) Inzidente Entscheidung zur Vornahme von Verteidigungshandlungen 301 bb) Rechtsfolge einer fehlenden Feststellung des Verteidigungsfalls . . . . . . 302 cc) Auswirkungen einer Fiktion nach Art. 115a Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . 303 (1) Notwendigkeit einer Bewertungskompetenz als Merkmal . . . . . . . . 303 (2) Bewertungskompetenz der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4. Regierungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 5. Gerichtliche Überprüfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 III. Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

D. Zusammenfassung zur Verteidigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Teil 4 Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

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Kapitel 1 Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall nach Art. 87a Abs. 3 GG

312

A. Grundlagen zu den Sonderbefugnissen im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall . . . . . . 312 I. Eigenständige Einsatzbefugnis oder Modifizierung der Verteidigungsbefugnis . . 313 II. Einsatzbefugnisse des Art. 87a Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 III. Das Dreiecksverhältnis von Verteidigungsfall, Verteidigungsbegriff und den Sonderbefugnissen nach Art. 87a Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 B. Verteidigungsakzessorische Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG . . . . . . . 316 I.

Die Einsatzlage verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 1. Verteidigungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Notwendigkeit eines formellen Verteidigungsfalls für Art. 87a Abs. 3 GG 317 b) Merkmale des materiellen Verteidigungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 aa) Angriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (1) Gleichsetzen der Angriffsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (2) Folge der Gleichsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 bb) Sachliches Merkmal („Waffengewalt“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 (1) Untechnisches Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 (2) Waffengewalt als besonders qualifizierter Angriffserfolg . . . . . . . . . 324

Inhaltsverzeichnis

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(3) Konkretisierung der besonders qualifizierten Relevanzschwelle . . . 325 (a) Übertragungen aus der „zweiten“, „qualifizierten“ Relevanzschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (b) Besonders schwerwiegende Staatsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . 326 (c) Ausschluss militärisch schwacher Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (d) Notwendigkeit einer Feststellung des Verteidigungsfalls . . . . . . 329 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 cc) Räumliches Merkmal („Bundesgebiet“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 dd) Zeitliches Merkmal („wird“/„droht“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 c) Feststellung des Verteidigungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 aa) Verteilung der Feststellungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 bb) Feststellungskompetenz als tatbestandliche Bewertungskompetenz . . . . 334 cc) Beschlussunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 dd) Fiktionale Feststellung und Bewertungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . 336 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 2. Spannungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 a) Notwendigkeit eines formellen Spannungsfalls für Art. 87a Abs. 3 GG . . . . 340 b) Materieller Spannungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 c) Feststellung des Spannungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 3. Gefahr für ein verteidigungsrelevantes ziviles Objekt durch einen Zivilen (Var. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 a) Gefahrenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 b) Verteidigungsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 c) Objektbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 d) Begriff des Zivilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 e) Zivile Gefahrenbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 II. Einsatzhandlungen verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 1. Allgemeines zu beiden möglichen Einsatzhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 a) Einschränkungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 b) Erforderlichkeit für den Verteidigungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 2. Maßnahmen zum Schutz ziviler Objekte (Var. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 a) Zweiphasigkeit der Schutzhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 b) Doppelte Funktionalität und Umfang der Einsatzhandlungen . . . . . . . . . . . . 347 3. Verkehrssicherungsmaßnahmen (Var. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 III. Feststellungskompetenz hinsichtlich Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 349 1. Vornahme einer Einsatzhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2. Art und Weise der Ausführung der Einsatzhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

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Inhaltsverzeichnis

C. Übertragung verteidigungsunabhängiger Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 I.

Synonymität hinsichtlich der Einsatzlage und Einsatzhandlung zu Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

II. Besonderheiten der verteidigungsunabhängigen Sonderbefugnis . . . . . . . . . . . . . . 352 1. Kein Erforderlichkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 2. Einsatzhandlungen als Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 3. Notwendigkeit einer Überforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 4. Befugnis durch Übertragungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 a) Notwendigkeit eines Übertragungsaktes als Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . 354 b) Entscheidungskompetenz einer Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

Kapitel 2 Der schwere staatsgefährdende Notstand

356

A. Die Einsatzlage des schweren staatsgefährdenden Notstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. Allgemeine Voraussetzungen der Einsatzlagen des schweren staatsgefährdenden Notstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 1. Drohende Gefahr für den Bestand des Bundes, eines Landes oder dessen freiheitlicher demokratischer Grundordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 a) Bezugspunkte des Gefahrenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 b) Konkretisierung des Schadensausmaßes (schwere Staatsgefährdung) . . . . . . 359 c) Konkretisierung der Eintrittswahrscheinlichkeit (drohend) . . . . . . . . . . . . . . 361 d) Quantitative und qualitative Gefahrenbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 2. Gefahrenkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 a) Zivile Konstellation/Subsidiarität gegenüber dem Verteidigungsbegriff . . . . 363 b) Widerlegung der Vermutung einer Staatlichkeit/Organisation . . . . . . . . . . . . 364 3. Subsidiarität gegenüber Art. 91 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 4. Rückschluss für den Begriff der Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 II. Besonderheit der Einsatzlage zum Schutz ziviler Objekte (Var. 1) . . . . . . . . . . . . 365 1. Gefahr für ein ziviles Objekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 2. Keine Gefahrenbegründung in organisierter Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 3. Keine Notwendigkeit einer Inlandsherkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 III. Besonderheit des Aufruhrnotstands (Var. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 1. Vorliegen militärischer und organisierter Aufständischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 2. Notwendigkeit einer Inlandsherkunft der Aufständischen . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 B. Einsatzhandlungen des schweren staatsgefährdenden Notstands . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 I. Objektiver Funktionalbezug der Einsatzhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 II. Einsatzhandlung als Unterstützung der Polizeikräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 III. Auslöser und Reichweite defensiver Schutzmaßnahmen (Var. 1) . . . . . . . . . . . . . . 371

Inhaltsverzeichnis

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IV. Auslöser und Reichweite von Kampfhandlungen (Var. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 C. Feststellungskompetenzen hinsichtlich des Aufruhrnotstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

Kapitel 3 Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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A. Verhältnis zum schweren staatsgefährdenden Staatsnotstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 B. Bundeslandbezogene Hilfseinsätze nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 I. Einsatzlage des Katastrophennotstands nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . 377 1. Gefahrenauslöser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 a) Naturkatastrophe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 b) Besonders schwerer Unglücksfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 c) Einfluss menschlicher Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 2. Gefahrenintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 a) Mindestgefahrenintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 b) Maximale Gefahrenintensität bei besonders schweren Unglücksfällen . . . . . 383 c) Auswirkung auf den wehrverfassungsrechtlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . 384 3. Bundeslandbezogener Gefahrenbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 4. Anforderung durch ein Bundesland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 II. Einsatzhandlungen des Katastrophennotstands nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG . . . . 388 1. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 2. Territorialer Zweckbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 3. Keine territoriale Ausführungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 4. Weitere Einschränkungen von Einsatzhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 III. Entscheidungskompetenzen hinsichtlich Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . 390 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 C. Bundesländerübergreifende Hilfseinsätze nach Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG („Bundesintervention“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 I. Grundsätzliche Übertragbarkeit der Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 II. Besonderheiten des bundesländerübergreifenden Hilfseinsatzes gegenüber einem bundeslandbezogenen Hilfseinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 1. Territoriale Betroffenheit mehrerer Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 2. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 3. Verfahrensvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 4. Entscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

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Inhaltsverzeichnis Teil 5 Zusammenfassung der Thesen und Prüfungsschemata

398

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Befugnisse bei kumulativen Angriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Abbildung 2: Dreieckverhältnis von Art. 87a, 80a und 115a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Abbildung 3: Teilung des Verteidigungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Abbildung 4: Strukturierung des Verteidigungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Abbildung 5: Verhältnis der Verteidigungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Abbildung 6: Übersicht der Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Abbildung 7: Vergleich der konkretisierten Schutzgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Abbildung 8: Intensitätsschwelle eines Angriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Abbildung 9: Intensitätsschwelle der militärischen Bewaffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Abbildung 10: Schutzpflichtdimension aus den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Abbildung 11: Schutzpflichtdimension aus Art. 26 GG und der Präambel . . . . . . . . . . . 244 Abbildung 12: Entscheidungskompetenz zur Vornahme einer Verteidigungshandlung . . 311 Abbildung 13: Verständnismöglichkeiten des Verteidigungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Abbildung 14: Intensitätsschwelle der Waffengewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Abbildung 15: Intensitätsschwelle der schweren Staatsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Abbildung 16: Intensitätsschwelle für Naturkatastrophen und besonders schwere Unglücksfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Abbildung 17: Übersicht der Intensitätsschwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 Abbildung 18: Dreieckverhältnis von Art. 87a, 80a und 115a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Abbildung 19: Übersicht über die Einsatzbefugnisse Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Abbildung 20: Übersicht über die Einsatzbefugnisse Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Abbildung 21: Übersicht über die Einsatzbefugnisse Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Abbildung 22: Simplifiziertes Prüfungsschema der Einsatzbefugnisse Teil 1 . . . . . . . . . 403 Abbildung 23: Simplifiziertes Prüfungsschema der Einsatzbefugnisse Teil 2 . . . . . . . . . 404 Abbildung 24: Übersicht über die Entscheidungskompetenzen Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . 404 Abbildung 25: Übersicht über die Entscheidungskompetenzen Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . 405 Abbildung 26: Übersicht über die Entscheidungskompetenzen Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . 405

Teil 1

Einleitung A. Cyberangriffe als „neue“ gefahrenabwehrrechtliche Aufgabe für die Streitkräfte Das Thema der Digitalisierung und deren Folgen beschäftigt unsere Gesellschaft in vielerlei Facetten. Ein Teil der Digitalisierung ist das mit dieser einhergehende Schadenspotential durch die damit korrespondierenden Cyberangriffe.1 Dass es sich bei Gefahren auf Basis von Cyberangriffen nicht nur um theoretisches „Neuland“ handelt, sondern praktische Begebenheiten vorliegen, belegen Statistiken und fundierte Nachrichten. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verzeichnete im Jahre 2020 über 117,4 Millionen verschiedene neue Schadprogrammvarianten, die permanent, wenn auch überwiegend ohne Erfolg, Computersysteme angreifen.2 Darüber hinaus steigern sich die Angriffe in Koordination und Intensität. Die Liste der Cyberangriffe, etwa die von der Literatur häufig benannten Cyberangriffe auf Estland 20073, Georgien 20084, iranische Kernkraftwerke 20105, medial weit ausgerollte Cyberangriffe auf Sony im Jahre 20146, den Deutschen

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Exemplarisch: Friederichs, Gehackt: Cyberangriffe auf die Wirtschaft, 06. 09. 2019, ZEIT Online, https://www.zeit.de/2019/03/datenschutz-cyberangriffe-unternehmen-digitalisierung-ri siken-datendiebstahl-hacker. 2 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Die Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2020, S. 19, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentli chungen/2020/bsi-lagebericht-cybersicherheit-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=5. 3 Exemplarisch: Cyber-Angriffe auf Estland alarmieren EU und Nato, 17. 05. 2007, Spiegel Online, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/russland-unter-verdacht-cyber-an griffe-auf-estland-alarmieren-eu-und-nato-a-483416.html; näheres dazu: Tikk/Kaska/Vihul, International Cyber Incidents: Legal Considerations, 15. 4 Vgl. Tikk/Kaska/Rünnimeri/Kert/Talihärm/Vihul, Cyber Attacks Against Georgia: Legal Lessons Identified, 4. 5 Hinsichtlich des dort verwendeten Stuxnet-Wurms: Rosenbaum, The Triumph of Hacker Culture, 21. 01. 2011, Slate, http://www.slate.com/id/2281938/. 6 Vgl. Van Der Werff/Lee, The 2014 Sony hacks, explained, 03. 06. 2015, VOX, https://www. vox.com/2015/1/20/18089084/sony-hack-north-korea.

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Teil 1: Einleitung

Bundestag 20157 bis hin zu länderübergreifenden Angriffen auf Krankenhäuser Ende Juni 20178, das Datennetz der Bundesverwaltung (IVBB) 2017 bzw. 20189, das österreichische Außenministerium 201910 oder Cyberangriffe 2020 durch die Software Goldenspy, vor dem etwa das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt explizit warnen11, ist die Liste an Cyberangriffen lang und wächst kontinuierlich an. Zumal die hier exemplarisch benannten Angriffe lediglich einen Bruchteil darstellen, da nur die öffentlich bekannt gemachten Angriffe als Basis dienen. Denn Cyberangriffe sind verglichen mit anderen „klassischen“ Gefahren ohne breite Öffentlichkeitswirksamkeit durchzuführen. Dass es sich hierbei nicht um Einzelfallphänomene handelt, sondern die Wahrscheinlichkeit von Cyberangriffen vergleichsweise hoch ist, verdeutlicht bspw. der Kommentar der Bundeskanzlerin Merkel im Bundestag bezüglich eines Cyberangriffs auf die Deutsche Telekom im November 2016: „Solche Cyberangriffe, auch solche wie es […] heißt, hybride Auseinandersetzungen, gehören zum Alltag. Wir müssen lernen damit umzugehen.“12

Ähnlich über die Relevanz von Cyberangriffen, jedoch bezogen auf das Schadenspotential von Cyberangriffen, äußerte sich der damalige US-amerikanische Verteidigungsminister Panetta bereits im Jahre 2012: „A cyber attack perpetrated by a nation states or violent extremists groups could be as destructive as the terrorist attack on 9/11.“13

Aus technischer und praktischer Sicht stellt sich dabei als ein wesentliches Problem bei Cyberangriffen die teils schwierige und langandauernde Rückverfol7

Exemplarisch: Beuth/Biermann/Klingst/Stark, Merkel und der schicke Bär, 10. 05. 2017, ZEIT Online, https://www.zeit.de/2017/20/cyberangriff-bundestag-fancy-bear-angela-merkelhacker-russland. 8 Exemplarisch: Briegleb, WannaCry: Was wir bisher über die Ransomware-Attacke wissen, 13. 05. 2017, Heise Online, https://www.heise.de/newsticker/meldung/WannaCry-Waswir-bisher-ueber-die-Ransomware-Attacke-wissen-3713502.html. 9 Vgl. Beuth/Gruber, Das steckt hinter dem Hackerangriff aufs Regierungsnetz, 01. 03. 2018, Spiegel Online, https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/regierungsnetz-gehackt-wersteckt-dahinter-und-was-passiert-jetzt-a-1195914.html. 10 Vgl. Österreichisches Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Cyberangriff auf das Außenministerium ist beendet, 13. 02. 2020, https://www. bmeia.gv.at/das-ministerium/presse/aussendungen/2020/02/cyberangriff-auf-das-aussenministe rium-ist-beendet/. 11 Bundesamt für Verfassungsschutz/Bundeskriminalamt, Mögliche Cyberspionage mittels der Schadsoftware GOLDENSPY, 21. 08. 2020, https://www.bka.de/SharedDocs/Kurzmeldun gen/DE/Warnhinweise/200821_Cyberspionage.html. 12 Bundesregierung, Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Premierminister der Republik Malta Joseph Muscat, 29. 11. 2016; abrufbar unter: https://www.bundeskanz lerin.de/bkin-de/aktuelles/pressekonferenz-von-bundeskanzlerin-merkel-und-dem-premierminis ter-der-republik-malta-joseph-muscat-843576. 13 U.S. Department of Defense, Defending the Nation from Cyber Attack, 11. 10. 2012, https://www.hsdl.org/?view&did=723712.

Teil 1: Einleitung

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gung dar.14 Wenn festgestellt wird, dass man angegriffen wird bzw. wurde, ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht klar, wer hinten dem Angriff steht.15 Rückverfolgungsmöglichkeiten sind sowohl begrenzt als auch langwierig. Die Verursacher eines Cyberangriffs können durch Verschleierung ihrer Angriffe oder das Hinterlassen falscher Spuren eine Rückverfolgung auf sich selbst verhindern.16 Eine Rückverfolgung ist, aus praktischer Sicht meist, wenn überhaupt, auf Regionen oder enger begrenzte Orte beschränkt. Die wirklichen Identitäten der Angreifer herauszufinden gestaltet sich aufwands- und zeitintensiv mit nur geringer Erfolgswahrscheinlichkeit.17 Eine mit an überragender Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Rückverfolgung ist insoweit gehemmt. Dieses Zurechnungsproblem wird in Anlehnung an die Psychologie als Attributionsproblematik beschrieben.18 Hinzu kommt, dass Cyberangriffe vergleichsweise geringe Kosten für einen Angreifenden verursachen. Kombiniert mit der teils schwierigen Attribution steht einem Gegner eine Möglichkeit zur Verfügung mit geringem finanziellem und technischem Aufwand und limitiertem Risiko einen großen Schaden zuzufügen. Dies lässt eine Intensivierung dieses Angriffsmodus und ein vermehrtes Auftreten von Cyberangriffen annehmen. Teil der deutschen Sicherheitsarchitektur und Behörde zur Gefahrenabwehr sind die Streitkräfte. Cyberangriffe und ihre Abwehr können Aufgabe der Streitkräfte sein.19 Eine vorgenommene Aufrüstung der Bundeswehr im cyberoperativen Bereich durch Einrichtung des Kommando Cyber- und Informationsraum (KdoCIR) bezieht dies ein und reagiert hierauf.20 Die Einrichtung des Organisationsbereichs zum Einsatz gegen Cyberangriffe fokussiert ebenso die Frage, wann überhaupt die Streitkräfte eingesetzt werden können.21 Hierzu trifft das Grundgesetz an verschiedenen Stellen eine Aussage. 14 Ein Überblick über die technischen Herausforderungen: Karies/Venter, Taxonomy of Challenges for Digital Forensics, Journal of Forensic Science, Vol. 60 (2015), 887 ff.; Schulze, Cyber-„War“ – Testfall der Staatenverantwortlichkeit, S. 36; generell die technischen Grenzen aufzeigend: Chaikin, Network investigations of cyber attacks: the limits of digital evidence, Crime Law Society Change, Vol. 46 (2006), 239, insbesondere: 254; aus völkerrechtlicher Sicht: Krieger, Krieg gegen anonymous, AVR 50 (2012), 1 (4); Gayken, in: Schmidt-Radefeldt/ Meissler (Hrsg.), Automatisierung und Digitalisierung des Krieges, Die vielen Plagen des Cyberwar, S. 89 ff. 15 Schulze, Cyber-„War“ – Testfall der Staatenverantwortlichkeit, S. 38. 16 Bezüglich der Verschleierung von IP-Adressen: Hollis, An e-SOS for Cyberspace, Harvard International Law Journal, Vol. 52 (2011), 398. 17 Krieger, Krieg gegen anonymous, AVR 50 (2012), 1 (4). 18 Dazu: Johnigk/Nothdurft, Attributierung von Cyberangriffen, Dossier 79, Wissenschaft und Frieden 03/2015. 19 Vgl. Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 64 ff. 20 Exemplarisch: Bundesministerium für Verteidigung, Entwicklung des Organisationsbereichs bei der Bundeswehr, https://www.bmvg.de/de/themen/cybersicherheit/cyber-verteidi gung/entwicklung-des-org-bereich-bei-der-bw. 21 Zur europäischen Cybersicherheit: Leuschner, Sicherheit als Grundsatz, S. 206 ff.

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Teil 1: Einleitung

Diese Aussagen lassen sich unter dem Begriff der Wehrverfassung oder wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse zusammenfassen. Diese Befugnisse bestimmen die Einsatzszenarien, -möglichkeiten und -formen der Streitkräfte.

B. Ziel der Arbeit Ziel dieser Abhandlung ist es durch Beleuchtung der wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse sowie durch Herausarbeiten von Merkmalen und Auslegung der Normen zu einer umfänglich umschreibenden Definition der Einsatzbefugnisse zu gelangen, unter welche einzelne Anwendungsszenarien, wie etwa ein Cyberangriff, zu subsumieren sind. Relevanz hat in diesem Kontext auch das Problem der Entscheidungskompetenzen hinsichtlich möglicher Einsatzbefugnisse. Nicht nur die Frage, wann ein Einsatz angeordnet werden kann, sondern auch wer darüber entscheidet, hat große Auswirkungen. Die nachfolgende Arbeit soll auf die Struktur der Wehrverfassung, die Reichweite der jeweiligen Einsatzbefugnisse und die dazugehörigen Entscheidungskompetenzen eingehen. Die Ausführungen beschränken sich auf Einsatzbefugnisse zum Schutz der Bundesrepublik Deutschland und deren Staatsangehörigen. Ausgeklammert sind Einsätze zum Schutz fremder Drittstaaten und deren Angehörigen. Hierfür stellt zwar Art. 24 Abs. 2 GG eine eigene Einsatzbefugnis dar,22 doch diese bestimmt sich im Wesentlichen nach dem jeweiligen System kollektiver Sicherheit.23 Durch Art. 24 Abs. 2 GG besteht somit eine verfassungsrechtliche Verankerung, deren Inhalt sich jedoch durch entsprechendes Völker(vertrags)recht definiert. Aus einer verfassungsrechtlichen Sichtweise sind daher vor allem Einsätze auf Grundlage des Art. 87a GG und des Art. 35 GG relevant, auf die der Fokus gelegt werden soll.

C. Methodischer Gang der Untersuchung Das Ergebnis der Auslegung ist die Definition. Eine solche hinsichtlich der wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse herauszuarbeiten ist das Ziel dieser Arbeit. Unter diese Definition können dann sämtliche Anwendungsszenarien, so auch etwa ein Cyberangriff, subsumieren werden. Vorangestellt werden soll, dass sich das Ergebnis der Auslegung und der hierbei herausgearbeiteten Definition nicht durch die gegebene oder nicht gegebene Ein22 BVerfGE 90, 286 (1. Leitsatz); Heintschel von Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 24 GG, Rn. 40. 23 Bspw. die NATO und ihr Begriff von Verteidigung in Art. 5, 6 Washingtoner Vertrag.

Teil 1: Einleitung

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zelfallanwendung modifiziert.24 Ob eine Einzelfallanwendung notwendig oder sinnvoll ist, ist eine politische Wertungsfrage. Diese bedingt kein rechtswissenschaftliches Ergebnis. Eine rechtswissenschaftliche Analyse führt zu einer Definition, unter der sich ein einzelner Anwendungsfall subsumieren oder nicht subsumieren lässt. Ein Missfallen einer Subsumierbarkeit bzw. Nicht-Subsumierbarkeit eines Einzelfalls stellt eine subjektive und politisch motivierte Bewertung der Norm dar, welche in der Regel zu der Ansicht führt, dass die rechtliche Norm durch Änderung anzupassen sei. Methodisch ist es daher nicht überzeugend, eine Definition anhand der typischen juristischen Auslegungscanones herauszuarbeiten, meist als „klassisches“ Verständnis beschrieben, jedoch dieses Ergebnis einer Definition wegen fehlender Praktikabilität zu verändern, meist „modernes“ Verständnis genannt.25 Denn die Gründe für solch ein „modernes“ Verständnis sind in der Regel mögliche Anwendungsdefizite. Solche durch subjektive und politische Motivation getragene Bewertungen legen nahe, sofern sie überzeugend sind, die grundgesetzlichen Normen zu ändern. Diese Bewertungen sind eine – sekundär – politische, nicht jedoch – primär – rechtswissenschaftliche. Solche Bewertungen können gegebenenfalls für eine Grundgesetzänderung im wehrverfassungsrechtlichen Bereich sprechen. Eine Modifikation eines rechtswissenschaftlichen durch methodisches Vorgehen herausgearbeiteten Auslegungsergebnisses bedingen sie nicht. Neuere Gefährdungslagen – sei es Terrorismus26, Seepiraterie27 oder Cyberangriffe28 – modifizieren entsprechend nicht ein Auslegungsergebnis. Sie geben da24

Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 2; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 3. 25 Vgl. Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 171, nach dem auf Grund fehlender deskriptiver Rückführbarkeit von Angriffen, somit Anwendungsdefiziten, das normative Merkmal des militärischen Angreifers als Auslegungsergebnis des Verteidigungsbegriffs nicht heranzuziehen ist. Aus einer wissenschaftlich ergebnisoffenen Betrachtung erscheint ein Verständnis, welches mit einem Ergebnis – umfängliche Anwendbarkeit des Verteidigungsbegriffs bei Cyberangriffen – argumentiert und damit ein Auslegungsergebnis begründet, schwer vereinbar mit einer prinzipiell ergebnisoffenen wissenschaftlichen Analyse. Ähnlich auch Rehage, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, S. 48 ff., 75 ff., die zunächst den Verteidigungsbegriff auslegt, um daraufhin das Auslegungsergebnis und sogar den Verteidigungsbegriff selbst unter dem Schlagwort des „modernen“ Verständnisses zu erweitern, da sonst das schon im Vornherein angenommene Ergebnis einer Anwendbarkeit nicht erreicht werden könne. 26 Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern; Pawlik, Der Terrorist und sein Recht; Middel, Innere Sicherheit und präventive Terrorismusbekämpfung; Horn, Verfassungsgemäßheit präventiver Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen; Thiele, Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus; Rehage, Der Einsatz deutscher Streitkräfte; Wiefelspütz, Die Abwehr terroristischer Anschläge und das Grundgesetz. 27 Vgl. Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See; Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz; Pross, Die deutschen Streitkräfte im Einsatz gegen Seeräuber.

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Teil 1: Einleitung

gegen Anlass zur Überprüfung, ob das Verständnis einer Norm korrekt war. Eine solche durch neuere Gefährdungslagen bedingte Betrachtung kann dadurch zum Ergebnis führen, dass das bisherige Verständnis einer Norm nicht vollständig korrekt war, und so zu einer Modifizierung des aktuellen Verständnisses führen. Diese Modifizierung beinhaltet jedoch stets die Aussage, dass das vorhergehende Verständnis unvollständig und inkorrekt war. Die Erkenntnis über eine neuartige Gefahr modifiziert nicht den Inhalt einer Norm und schafft somit keinen neuen Norminhalt, sondern offenbart und verdeutlicht einen schon vorher bestehenden Norminhalt.

D. Anstoß zur erneuten Betrachtung Ebenso verhält es sich bei dieser Ausarbeitung. Das durch Cyberangriffe bedingte neuartige Gefahrenpotential erfordert es, die wehrverfassungsrechtlichen Normen einer erneuten Analyse zu unterziehen.29 Die neuartige Gefährdungslage, in diesem Fall das Phänomen der Cyberangriffe, ist somit lediglich Anlasspunkt für eine erneute rechtliche Bewertung des auch zuvor bestehenden Norminhalts. Ebenso ist sie Anlass, die wehrverfassungsrechtlichen Normen, welche die Streitkräfte zu Einsätzen rechtlich befähigen, einer erneuten, ergebnisoffenen Prüfung und Bewertung zu unterziehen. Ziel dieser Abhandlung ist es, wie oben ausgeführt, eine Definition herauszuarbeiten, die für eine Vielzahl an Einzelfallbeispielen anwendbar ist. Durch die digitale Gefährdungslage erfahren die „mannigfachen Meinungsverschiedenheiten“30 und Diskussionen um die Reichweite der wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse eine, an sich nie verlorene, Aktualität, die in einer revidierten Analyse der wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse resultiert. Denn wenn auch bis jetzt eine Vielzahl an Arbeiten über die wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse publiziert wurde, so bleibt unter Berücksichtigung dieser Beiträge und ausgelöst durch die Neuartigkeit des Gefahrenpotentials von Cyberangriffen zu klären, durch welchen Auslöser und inwiefern die wehrverfassungsrechtlichen Einsatzgrundlagen in dem System der wehrverfassungsrechtlichen Sicherheitsarchitektur und gegenseitiger Abhängigkeiten Maßnahmen der Streitkräfte zulassen.31 Zur Klärung des anvisierten Ziels wird zunächst in Teil 2 auf die Struktur der wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse eingegangen. Dies erlaubt die einzelnen Befugnisse in Einsätze aufgrund eines Angriffs mit militärischer Dimension (Teil 3) und Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension (Teil 4) zu gliedern.

28 29 30 31

Vgl. Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe. Vgl. Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (382). BVerfGE 90, 286 (355). Vgl. Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (376).

Teil 1: Einleitung

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Die Ausführungen zu den jeweiligen Einsatzbefugnissen in Teil 3 und 4 lassen sich dabei jeweils in drei Unterpunkte aufteilen. Diese trennen sich auf in Ausführungen: • zum jeweiligen Tatbestand, also eine entsprechende Einsatzlage; • zur Rechtsfolge, also die jeweilig entsprechende Einsatzhandlung; • zu den Entscheidungskompetenzen, also wer überhaupt entscheidet, ob der Tatbestand erfüllt ist bzw. Einsatzlage vorliegt, eine Rechtsfolge eintreten bzw. eine Einsatzhandlung vorgenommen werden soll und auf welche Art und Weise die Ausführung der Rechtsfolge bzw. Einsatzhandlung vorgenommen werden soll. In Teil 5 werden die erarbeiteten Ergebnisse und aufgestellten Thesen in einer Schlussbetrachtung zusammengefasst.

Teil 2

Die Struktur der Wehrverfassung Der inhaltliche Normgehalt der einzelnen Einsatzbefugnisse ergibt sich durch Auslegung der jeweiligen Begriffe. Hierbei soll in der folgenden Arbeit ein besonderer Schwerpunkt auf die systematische Auslegungsmethode gelegt werden, um hierdurch, neben natürlich der historischen und teleologischen Auslegungsmethode, eine Gesamtstruktur der Wehrverfassung beschreiben zu können. Kapitel 1

Grundlagen zur Wehrverfassung A. Überblick über die Wehrverfassung I. Relevante wehrverfassungsrechtliche Normen Der Begriff der Wehrverfassung ist keiner aus dem konkreten Text des Grundgesetzes. Er beschreibt vielmehr die Gesamtheit aller im wehrrechtlichen Kontext stehenden Normen. Entsprechend umschreibt der Begriff der Wehrverfassung die Gesamtheit der das Militärwesen der Bundesrepublik betreffenden Verfassungsnormen und die sich daraus ergebende Militärordnung.1 Im Kontext der Streitkräfte, somit der Wehrverfassung zurechenbar, bietet das Grundgesetz eine Fülle an Normen an. Hierbei seien Art. 12a, 17a, 24 Abs. 2 und 3, 26, 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, 45a, 45b, 65a, 73 Abs. 1 Nr. 1, 79 Abs. 1 S. 2, 80a, 87a, 87b, 96 Abs. 2, 115a bis 115l GG erwähnt. Für die hier aufgeworfene Forschungsfrage der Bestimmung der wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse sind primär nur diese relevant. Solche wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse sind auf Grund von Art. 87a Abs. 2 GG notwendig. Der hierin normierte Verfassungsvorbehalt verbietet Streitkräfteeinsätze, die nicht auf einer ausdrücklichen Zulassung im Verfassungstext beruhen.2 Diese 1 Kunkel, Duden – Deutsches Universalwörterbuch, „Wehrverfassung, die“; vgl. Alpmann/ Krüger/Wüstenbecker (Hrsg.), Alpmann Brockhaus, Studienlexikon Recht, „Bundeswehreinsatz“. 2 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 41.

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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ausdrücklichen Zulassungen – im Weiteren wehrverfassungsrechtliche Einsatzbefugnisse genannt – stellen für einen verfassungskonformen Streitkräfteeinsatz notwendige Rechtsgrundlagen dar. Zur Bestimmung ihres Normgehalts sind die weiteren wehrverfassungsrechtlichen Normen und deren Reichweite relevant. Die Rechtsgrundlage für einen Streitkräfteeinsatz stellen jedoch nur die Einsatzbefugnisse dar. Explizit sind diese in Art. 87a und 35 GG normiert. Zentralnorm der Einsatzbefugnisse ist Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG.3 Demnach sind die Streitkräfte zum Einsatz „zur Verteidigung“ befugt.4 Daneben ermöglichen innerhalb des Art. 87a Abs. 3 GG sowohl S. 1 als auch S. 2 als Sonderbefugnisse im Verteidigungs- oder Spannungsfall einen Streitkräfteeinsatz.5 Die Bezeichnung in der Literatur als äußerer Staatsnotstand wird nicht verwendet, da sie wenig abgrenzungsstark und irreführend erscheint.6 Weitere Einsatzbefugnisse normiert Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG im Falle eines schweren staatsgefährdenden Notstands.7 Der in der Literatur verwendete Begriff des inneren Staatsnotstandes für Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG – auch in Abgrenzung zum dort benannten äußeren Staatsnotstand nach Art. 87a Abs. 3 GG – wird ebenfalls nicht verwendet.8 Neben Art. 87a GG bestehen im Falle einer Naturkatastrophe oder eines besonders schweren Unglücksfalls in Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG zwei Einsatzbefugnisse der Streitkräfte.9 Auch

3

Zum Verhältnis von Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG und Art. 87a Abs. 2 GG: Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrr 2003, 101 (107), nachdem sowohl Abs. 1 S. 1 als auch Abs. 2 eine Einsatzbefugnis beinhalten, Abs. 2 jedoch als jüngerer Absatz speziellere Befugnisnorm sei. 4 Vgl. BVerfGE 90, 286 (355); Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 10; Einsatzbefugnis nur aus Abs. 2: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 126; a. A. Depenheuer, in: Dürig/Herzog/ Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 82, der eine Rechtsgrundlage für einen Verteidigungseinsatz aus dem Wesen des Staatsbegriffs herleitet, im Verteidigungsbegriff jedoch eine verfassungsrechtliche Selbstbeschränkung dessen sieht; zum Umfang des Verteidigungsbegriffs vgl. Teil 2 Kapitel 2; Teil 3. 5 Vgl. Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 169; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 57, 60; Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, 71 ff. 6 Vgl. Teil 4 Kapitel 1 A. und dort Fn. 2; denn der Begriff des äußeren Staatsnotstandes erscheint in Abgrenzung zum Szenario der Verteidigungslage, ebenfalls unter anderem ein Szenario einer von außen herkommenden Gefahr für den deutschen Staat, welche diesen in eine Notstandslage versetzen kann, sprich äußeren Staatsnotstandes, nicht abgrenzend. 7 Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 175; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 62; Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 153; vgl. Teil 4 Kapitel 2. 8 Vgl. Teil 4 Kapitel 2; denn der Bezug zum „inneren“ ist unpassend, da sich weder die Herkunft der die Einsatzlage ausmachenden schweren Staatsgefahr noch die Ausführung von Einsatzhandlungen auf Inneres, somit deutsches Territorium beschränkt. 9 Dederer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 148; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 232.

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

hier erscheint eine Bezeichnung als Hilfseinsätze im Katastrophennotstand treffender als eine in der Literatur übliche Bezeichnung als innerstaatlicher Notstand.10 Weniger ausdrücklich, doch mittlerweile durch Rechtsprechung anerkannt ist die Streitkräfteeinsatzbefugnis in Art. 24 Abs. 2 GG.11 Wie in der Einleitung dargestellt, liegt diese Einsatzbefugnis zum Schutz von Drittstaaten außerhalb der verfassungsrechtlichen Forschungsfrage der Einsatzbefugnisse zum Schutze der Bundesrepublik, sprich der Art. 87a und 35 GG. Denn Art. 24 Abs. 2 GG stellt hierbei lediglich eine verfassungsrechtliche Verankerung für entsprechendes Völkerrecht dar.12 Inhaltlich bedingen sich solche Einsätze dagegen wesentlich durch entsprechendes Völker(vertrags)recht. Das Bundesverfassungsgericht sprach dies deutlich aus, indem es ausführte, dass „Art. 24 Abs. 2 GG […] zugleich die verfassungsrechtliche Grundlage für die Beteiligung der Bundeswehr an Einsätzen […] nach den Regeln eines solchen Systems [bildet].“13 Der Umfang solchen Völkerrechts und die Reichweite des Rechts von Systemen gegenseitiger, kollektiver Sicherheit wären eine eigene, separat zu behandelnde Forschungsfrage. Im Anwendungsbereich wehrverfassungsrechtlicher Normen wurde daneben eine Reihe einfachgesetzlicher Normen erlassen.14 Diese haben auf Grund der Normenhierarchie keine unmittelbare Wirkung auf die Auslegung der hier relevanten wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse.15

II. Überblick über die historische Entwicklung wehrverfassungsrechtlicher Normen Zur Bestimmung des Normgehalts der Einsatzbefugnisse ist neben der systematischen Auslegungsmethode auch eine historische Auslegungsmethode heranzuziehen. Hierzu ist die Entstehungsgeschichte der wehrverfassungsrechtlichen 10 Vgl. Teil 4 Kapitel 3; denn eine Bezeichnung als innerstaatlicher Notstand impliziert, vergleichbar zu Fn. 8, eine notwendige Innerstaatlichkeit. Einsatzhandlungen nach Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG können jedoch auch außerhalb des anfordernden Bundeslandes und im Ausland ausgeführt werden. 11 BVerfGE 90, 286 (1. Leitsatz); Heintschel von Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 24 GG, Rn. 40; vgl. Teil 4 Kapitel 3. 12 Vgl. Calliess, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 2 GG, Rn. 72. 13 BVerfGE 90, 286 (345 ff.), bestätigt durch BVerfGE 121, 135 (157). 14 Exemplarisch sei hier verwiesen auf etwa Gesetze mit Handlungsbefugnis: Bundesleistungsgesetz (BLG), Schutzbereichsgesetz (SchBerG), Landbeschaffungsgesetz (LBG), Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw); Gesetze über den Rechtsstatus: Soldatengesetz (SG), Reservistengesetz (ResG), Wehrpflichtgesetz (WPflG), Kriegsdienstverweigerungsgesetz (KDVG); interne Maßnahmen: Wehrdisziplinarordnung (WDO); Wehrbeschwerdeordnung (WBO); bei Auslandseinsätzen: Parlamentsbeteiligungsgesetz (ParlBG). 15 Vgl. bspw. Lepsius, Normenhierarchie und Stufenbau der Rechtsordnung, JuS 2018, 950.

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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Normen zu beachten.16 Bezogen auf die Einsatzbefugnisse der Wehrverfassung konkretisiert sich dies auf das Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 27. März 1954,17 das Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 19. März 195618 und das Siebzehnte Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 196819. 1. Aufstellung der Streitkräfte 1956 Das Grundgesetz in seiner ersten Fassung vom 23. Mai 1949 enthielt nur einen geringen Teil der heutigen Wehrverfassung. Lediglich Art. 24 Abs. 2 GG und Art. 26 GG bestehen als wehrverfassungsrechtliche Normen der Ursprungsfassung noch heute. Konkrete Aussagen zur Wehrverfassung traf die Ursprungsfassung des Grundgesetzes insbesondere auf Grund der Proklamation Nr. 2 vom 20. September 1945 und des Besatzungsstatuts vom 12. Mai 1949 nicht.20 Ausdrücklich besagte die Proklamation Nr. 2 in Abschnitt I Nr. 2, dass „[a]lle deutschen Streitkräfte […] vollständig und endgültig aufzulösen“ seien.21 Die durch das Besatzungsstatut aufgelöste Reichswehr bzw. Wehrmacht fand ihre damalige rechtliche Stütze in Art. 79 S. 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV).22 Eine Wiederbewaffnung und Aufstellung deutscher Streitkräfte setzte somit eine Aufhebung des Besatzungsstatuts voraus. Diese erfolgte durch Art. 2 Gesetz Nr. A-37 der Alliierten Hohen Kommission vom 05. Mai 1955.23 Der Aufhebung des Besatzungsstatuts ging die damals strittige Frage voraus, ob überhaupt eine Grundgesetzänderung möglich und notwendig sei, um deutsche Streitkräfte aufzustellen.24 Nach der Debatte wurde sowohl eine Notwendigkeit als auch eine Möglichkeit einer Verfassungsänderung angenommen.25 16

Zur Entstehung allgemein: Tönnies, Der Weg zu den Waffen – Die Geschichte der deutschen Wiederbewaffnung; Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 2 ff.; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 55 ff.; Dau, Die Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZWehrr 2011, 1 f.; die Entstehung zusammenfassend darstellend: Wieland, Die Entwicklung der Wehrverfassung, NZWehrr 2006, 133 ff. 17 BGBl. 1954 I, S. 45 ff. 18 A. a. O., S. 111 ff. 19 BGBl. 1968 I, S. 709. 20 Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 2. 21 Kontrollratsproklamation Nr. 2, Zusätzliche an Deutschland gestellte Forderungen vom 20. September 1945. 22 Art. 79 S. 1 WRV: „Die Verteidigung des Reichs ist Reichssache.“ 23 Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission, S. 3267. 24 Vgl. hierzu die Äußerungen von MdB Dr. Merkatz, BT-PlProt II/17 vom 26. Februar 1954, S. 553 f. und MdB Ehler, BT-PlProt II/17 vom 26. Februar 1954, S. 560. 25 Vgl. Aussage MdB Dr. Merkatz BT-PlProt II/17 vom 26. Februar 1954, S. 553 (A): „Die Koalitionsparteien, d. h. die Mehrheit auch des Ausschusses, sind sich darüber einig, daß […]

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

Die vorgesehene Verfassungsänderung und Gestaltung einer Wehrverfassung fanden ihren Anfang im Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 27. März 1954. Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer Verfassungsänderung wurde die Grundgesetzänderung durch das Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 26. März 1954 mit der Einleitung „Zur Klarstellung von Zweifeln über die Auslegung des Grundgesetzes“ versehen.26 Im Rahmen dieser ersten Änderung des Grundgesetzes wurde Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG dahingehend abgeändert, dass der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über „die Verteidigung“ innehat.27 Diese Gesetzgebungskompetenzmodifizierung regelte nicht nur eine föderale Zuständigkeitsverteilung. Mit der Benennung des Kompetenzbereichs „Verteidigung“ wurde „ein Ermächtigungsgesetz für eine Wehrverfassung“28 bzw. die „Schaffung einer später auszuarbeitenden Wehrverfassung“29 beschlossen. Mit Annahme dieser ersten Grundgesetzänderung am 26. März 1954 wurde somit die politische Grundsatzentscheidung hinsichtlich einer Aufstellung von deutschen Streitkräften getroffen, welche durch weitere Grundgesetzänderungen erfolgen sollte.30 Diese Ermächtigung zur Aufstellung von Streitkräften mündete – beschrieben als „zweite Phase“31 – im Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 19. März 1956, welches eine erste Version der auszuarbeitenden Wehrverfassung schuf.32 Hierbei wurde neben Art. 17a und 65a GG vor allem mit Art. 87a GG (mittlerweile a. F.) die noch heute zentrale Norm der Wehrverfassung geschaffen. Die Formulierung des damaligen Art. 87a GG erschien dabei auf den ersten Blick als innerstaatliche Haushaltsnorm.33 Mit der Bestimmung, dass die „aufgestellten Streitkräfte“ „zur Verteidigung“ bestehen, lag jedoch auch eine normative Regelungsgrundlage und dadurch Einsatzbefugnis für einen Streitkräfteeinsatz vor, welche die damaligen materiellrechtlichen Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte beschrieb.34 Besonders zu [die] Schaffung einer später auszuarbeitenden Wehrverfassung einer ausdrücklichen Regelung in der Verfassung bed[arf].“ 26 Vgl. BGBl. I 1954, S. 45; BT-Drucks. II/275, S. 2. 27 BT-Drucks. II/275, S. 2. 28 Aussage MdB Ehler BT-PlProt II/17 vom 26. Februar 1954, S. 561 (A): „Bei dem Artikel, der sich nicht auf die Verträge bezieht, nämlich Art. 73 Nr. 1 GG, wonach die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung […] nun Bundessache werden, handelt es sich […] um ein Ermächtigungsgesetz für eine Wehrverfassung.“ 29 Aussage MdB Dr. Merkatz BT-PlProt II/17 vom 26. Februar 1954, S. 553 (B). 30 Vgl. Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 2. 31 Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 2. 32 Vgl. BT-Drucks. II/2150, BT-Drucks. II/2187, welche die Änderungen in der Plenardebatte zusammenfassen, BT-PlProt II/132 vom 06. März 1956, S. 6848 f. 33 Art. 87a GG a. F. (22. März 1956 bis 28. Juni 1968) lautete: „Die zahlenmäßige Stärke der vom Bunde zur Verteidigung aufgestellten Streitkräfte und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.“ 34 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 33. Da ebenso durch die Notstandsnovelle 1968 keine inhalt-

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erwähnen ist hierbei, dass schon die Verfassungsänderung 1956 Begriffe wie „Wehrpflicht“ in Art. 17a GG oder „Verteidigungsfall“ in Art. 59a35 und 65a GG a. F.36 enthielt, die mit der darauffolgenden Grundgesetzänderung näher konkretisiert und ausgearbeitet wurden. 2. Notstandsnovelle 1968 Die 1956 in das Grundgesetz eingefügten wehrverfassungsrechtlichen Aspekte wurden in einer „dritte[n] Phase“37 überarbeitet und in die heutige Fassung gebracht. Dies erfolgte durch das Siebzehnte Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968, die sogenannte Notstandsnovelle bzw. -novellierung.38 Die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Wehrverfassung wurde dabei nicht nur in der 5. Wahlperiode, in welcher die Notstandsnovellierung letztlich angenommen und verkündet wurde, gesehen, sondern schon vorher in der 4. Wahlperiode. Der Vorschlag einer ersten Überarbeitung der Wehrverfassung lag bereits 1963 vor.39 Hierbei stand insbesondere eine Einführung eines „Zustand[s] der äußeren Gefahr“ im Zentrum.40 Dieser Gesetzesvorschlag mündete jedoch erst über zwei Jahre später in dem schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses vom 30. Mai 1965.41 Eine Verabschiedung einer Grundgesetzänderung innerhalb der 4. Wahlperiode, welche bis zum 17. Oktober 1965 dauerte, fand wohl auf Grund der Langwierigkeit des Prozesses und der politischen Brisanz des Themas im andauernden Wahlkampf zum Ende der Wahlperiode nicht mehr statt. Vielmehr wurden innerhalb der 5. Wahlperiode 1967 zwei erneute Anläufe einer Grundgesetzänderung gewagt.42 Die beiden Änderungsvorschläge wurden nach erster Lesung dem Rechtsausschuss überstellt, welcher die beiden Gesetzesvorschläge miteinander verband und sowohl inhaltlich als auch sprachlich modifizierte.43 Im Rahmen der zweiten Lesung innerhalb des Bundestages wurden zudem kleinere Änderungen an dem nun verbundenen Gesetliche Änderung des Begriffs der Verteidigung folgte (vgl. Teil 2 Fn. 101) und der Begriff der Verteidigung in Art. 87a n. F. eine materiellrechtliche Einsatzmöglichkeit beinhaltet (vgl. Teil 2 Fn. 46), beinhaltete Art. 87a a. F. ebenso eine materiellrechtliche Einsatzmöglichkeit. 35 Art. 59a Abs. 1 GG (22. März 1956 bis 28. Juni 1968) lautete: „Die Feststellung, daß der Verteidigungsfall eingetreten ist, trifft der Bundestag. Sein Beschluß wird vom Bundespräsidenten verkündet.“ 36 Art. 65a Abs. 2 GG (22. März 1956 bis 28. Juni 1968) lautete: „Mit der Verkündung des Verteidigungsfalles geht die Befehls- und Kommandogewalt auf den Bundeskanzler über.“ 37 Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 28. 38 Die Entstehung zusammenfassend: Dreist, Der Inneneinsatz der Bundeswehr – eine zentrale Frage des Gemeinwohls, BWV 2011, 4 (9). 39 BT-Drucks. IV/891. 40 A. a. O., S. 2. 41 BT-Drucks. IV/3494 und BT-Drucks. IV/3494zu. 42 BT-Drucks. V/1879 und BT-Drucks. V/2130. 43 Vgl. BT-Drucks. V/2873.

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

zesvorschlag vorgenommen.44 Der Gesetzesvorschlag zur Modifizierung der Wehrverfassung, auch Notstandsnovelle bzw. -novellierung genannt, wurde am 30. Mai 1968 im Bundestag angenommen und trat nach Verkündung am 24. Juni 1968 am 27. Juni 1968 in Kraft.45 Da diese Modifizierung den bis heute aktuellen Stand der wehrverfassungsrechtlichen Regelungen bedingt und hierbei der Rechtsausschuss der 5. Wahlperiode wesentlichen Einfluss auf die inhaltliche und sprachliche Gestalt dessen hat, ist der Rechtsausschuss als ein wesentlicher Verfasser der heutigen Wehrverfassung zu verstehen. Die Ausführungen im Schriftlichen Bericht sind für eine historische Auslegung somit besonders zu berücksichtigen.

B. Der Kerngehalt des Verteidigungsbegriffs Die Analyse der Struktur der Wehrverfassung beginnt als Ausgangspunkt beim inhaltlichen Kerngehalt der Zentralnorm der Wehrverfassung – dem Begriff der Verteidigung in Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG.

I. Der Verteidigungsbegriff als zentraler Ausgangspunkt Von den oben genannten wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse ist der Begriff der „Verteidigung“ nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG zentral für die Wehrverfassung.46 Die Zentralität des Verteidigungsbegriffs innerhalb der Wehrverfassung folgt nicht nur daraus, dass chronologisch betrachtet dies die erste Einsatzbefugnis innerhalb der Wehrverfassung war.47 Auch durch die Formulierung „Außer“ in Art. 87a Abs. 2 GG wird deutlich, dass die Kernkompetenz der Streitkräfte die Verteidigung ist.48 Weitere Befugnisse grenzen sich von dieser primären Aufgabe ab.49 Sie stellen somit sekundäre Befugnisse dar, die anwendbar sind, wenn der Verteidigungsbegriff nicht einschlägig ist.50 44

Vgl. BT-Drucks. V/2917. BT-PlProt V/178 vom 30. 05. 1968, S. 9653; BGBl. 1968 I, S. 709. 46 Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 59; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 7; Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (383). 47 Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 7. 48 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 33. 49 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 236 ff. 50 Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 236: „Daß diese durch die genannten Normen gemäß Art. 87a GG Abs. 2 GG ausdrücklich zugelassen werden, spricht dafür, daß mit der Verteidigung in Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG nicht […] [dies] gemeint ist. Denn dann wären Verwendungen in von Art. 87a Abs. 4, 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 erfaßten Situationen schon nach Art. 87a Abs. 1 [S. 1], Abs. 2 GG zulässig und bedürften keiner weiteren Normierung.“ 45

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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Diese neben dem Verteidigungsbegriff bestehenden Befugnisse mit eigenem Anwendungsbereich lassen dadurch einen teilweisen Rückschluss auf den inhaltlichen Umfang des Verteidigungsbegriffs zu.51 Um weder zu einem Widerspruch mit den Wertungen anderer Streitkräftebefugnisse noch zu einer Redundanz der dortigen Normierung zu gelangen, sind diese bei der Auslegung des Verteidigungsbegriffs zu beachten.52 Eine umfassende Betrachtung der wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse ist daher nur im Gesamtsystem der verschiedenen Streitkräftebefugnisse möglich. Das systematische Verhältnis zu allen anderen Einsatzbefugnissen ist daher zu berücksichtigen, um den Normgehalt jeder einzelnen Einsatzbefugnis zu beschreiben.53 Als Zentralnorm der Wehrverfassung und strukturell primäre Kernkompetenz der Streitkräfte ist der Verteidigungsbegriff zentraler Ausgangspunkt der wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse.54 Anhand des Kerngehalts des Verteidigungsbegriffs ergibt sich ein strukturelles Verhältnis der verschiedenen Einsatzbefugnisse. Daher ist es für eine Klärung der Struktur unerlässlich, zumindest im Groben den inhaltlichen Umfang von Verteidigung zu bestimmen. Eine Ausdifferenzierung der einzelnen Abgrenzungsmerkmale ist dabei noch nicht notwendig.55 Der Begriff der Verteidigung in den ersten beiden Absätzen des Art. 87a GG ist dabei synonym zu verstehen.56

II. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Eine feststehende Definition des Verteidigungsbegriffs und eine eindeutige Abgrenzung zu den anderen wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnissen hat das Bundesverfassungsgericht bisher nicht vorgenommen.57 Vielmehr wird die Recht51 Dieses Muster der Abgrenzung wiederholt sich ebenso bei der Bestimmung, welche Anforderungen an einen Angriff zu stellen ist: Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. b) aa). 52 Vgl. Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 129 f., „Das Postulat der Nichtredundanz“; Schopohl, Der Außeneinsatz der Streitkräfte im Frieden, S. 88. 53 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 236 ff. 54 Vgl. Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 59; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 7; Rehage, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, S. 37: „Schlüsselnorm, Art. 87a Abs. 2 GG“. 55 Hierzu Teil 3 Kapitel 2. 56 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 47; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 55; Bülow, Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 163. 57 Die Rechtsprechung kurz zusammenfassend: Wieland, Die Entwicklung der Wehrverfassung, NZWehrr 2006, 133 (136 ff.); umfassend zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zur Wehrverfassung: Stock, Verfassungswandel in der Außenverfassung, S. 105, 112, 119, 133 und insbesondere 143: „Eine abschließende Beurteilung ist bei dem offenen Begriff der Verteidigung bislang nicht gelungen und wurde auch vom Bundesverfassungsgericht nicht vorgenommen“; ebenso: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grund-

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

sprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verteidigungsbegriff aus Art. 87a GG als interpretationsoffen beschrieben.58 Diese Interpretationsoffenheit folgt daraus, dass sich das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des inhaltlichen Regelungsgehalts des Verteidigungsbegriffs weithin bedeckt hält. Besonders exemplarisch ist dabei die Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung.59 Darin heißt es zum inhaltlichen Regelungsgehalt des Verteidigungsbegriffs: „Die mannigfachen Meinungsverschiedenheiten darüber, wie in diesem Zusammenhang die Begriffe ,Verteidigung‘ und ,Einsatz‘ auszulegen sind […], bedürfen im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Denn wie immer dies zu beantworten sein mag […].“60

Auch wenn hierdurch der inhaltliche Regelungsgehalt nicht konkretisiert wird, ergeben sich unterschwellig aus einer konsistenten Verfassungsrechtsprechung im Kontext des Art. 87a GG insbesondere strukturelle Rückschlüsse. Verdeutlicht wird dies zeitlich zum ersten Mal in der Wehrpflichtnovelle-Entscheidung61 von 1978. Darin schneidet das BVerfG im Kontext der Wehrpflichtverweigerung und Änderung des Wehrpflichtgesetzes auch den militärischen Hintergrund des Art. 87a GG an. Diesbezüglich formuliert es, „daß die Streitkräfte der Verteidigung gegen bewaffnete Angriffe dienen sollen“.62 Hierbei wird der Begriff des bewaffneten Angriffs eingeführt, welcher (noch) an den Begriff „Verteidigung“ angeknüpft wird. Eine wortgleiche Bestätigung des Begriffs „der Verteidigung gegen bewaffnete Angriffe“ liegt in der Kriegsdienstverweigerung-II-Entscheidung63 vor. Hierbei führt das BVerfG mit Verweis aus, „daß die Streitkräfte der Verteidigung gegen bewaffnete Angriffe dienen sollen (vgl. BVerfGE 48, 127 [159 f.])“64. Sprachlich setzen diese Entscheidungen „Verteidigung“ mit „Verteidigung gegen bewaffnete Angriffe“ gleich.

gesetz, Art. 87a GG, Rn. 4; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 17; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 23; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 13; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 12. 58 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 4; Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 50; Gramm, Glaubwürdigkeitsdefizite der Wehrverfassung, NZWehrr 2007, 221. 59 BVerfGE 90, 286. 60 A. a. O., 286 (326). 61 BVerfGE 48, 127 (160). 62 Ebd. 63 BVerfGE 69, 1. 64 A. a. O., 1 (22).

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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Die Nuance der sprachlichen Begriffsdopplung von „Verteidigung“ wurde indirekt mit der Lagerung-chemischer-Waffen-Entscheidung65 korrigiert. Dort führte das Bundesverfassungsgericht zur Pflicht eines Bürgers, die Lagerung chemischer Waffen in seiner näheren Umgebung zu dulden, aus: „Zwar können staatliche Maßnahmen zur Abwehr eines bewaffneten Angriffs von außen mit Gefahren für die eigene Zivilbevölkerung verbunden sein […], wenn eine wirkungsvolle Landesverteidigung, die gerade dem Schutz der freiheitlichen – auch die Grundrechte verbürgenden – Ordnung dient, gewährleistet bleiben soll. Mit der Entscheidung für die militärische Landesverteidigung (Art. 24 Abs. 2, 87a, 115a ff. GG) […].“66 Dass die Lagerung chemischer Waffen in den Zuständigkeitsbereich der Streitkräfte fällt und somit auf Art. 87a GG beruht, wurde dabei vorausgesetzt. Ohne direkt auf die Aufgaben der Streitkräfte im Konkreten einzugehen, setzt das Bundesverfassungsgericht die „militärische Landesverteidigung“ bzw. Verteidigung aus Art. 87a GG mit der Abwehr bewaffneter Angriffe gleich. Hierbei wird abermals das Merkmal des bewaffneten Angriffs bestätigt, jedoch sprachlich an den Begriff der „Abwehr“ gekoppelt. In der chronologisch folgenden Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung stellt das Bundesverfassungsgericht vornehmlich auf Art. 24 Abs. 2 GG ab.67 Zum Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG heißt es lediglich, wie bereits ausgeführt, dass die „mannigfachen Meinungsverschiedenheiten darüber […] keiner Entscheidung“68 bedürften. Eine Konkretisierung des Verteidigungsbegriffs wurde offenkundig nicht vorgenommen. Auch wenn dabei der inhaltliche Regelungsgehalt offengehalten wird, widerspricht dies nicht der vorher vorgenommenen Gleichsetzung von Verteidigung zur „Abwehr von bewaffneten Angriffen“. Als alternative Einsatzbefugnis zum Schutz von Drittstaaten in Systemen gegenseitiger, kollektiver Sicherheit69 steht die Einsatzbefugnis des Art. 24 Abs. 2 GG inhaltlich in engem Verhältnis zum Verteidigungsbegriff, da beide Rechtsgrundlage für einen Streitkräfteeinsatz sind.70 Hierbei bestätigt die Rechtsprechung zur Einsatzbefugnis aus Art. 24 Abs. 2 GG das Verständnis der Rechtsprechung, dass bewaffnete Angriffe für eine Einsatzbefugnis der Streitkräfte notwendig sind. Hinsichtlich der Einsatzbefugnis aus Art. 24 Abs. 2 GG stellte das Bundesverfassungsgericht dabei fest: „Sowohl die NATO als auch die WEU sind gemäß den Gründungsverträgen Verteidigungsbündnisse. Sie richten sich mit dem Versprechen des gegenseitigen Beistands gegen

65 66 67 68 69 70

BVerfGE 77, 170. A. a. O., 170 (221). BVerfGE 90, 286. A. a. O. (355 f.). Vgl. Teil 2 Kapitel 2 C. Vgl. Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 80.

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung bewaffnete Angriffe auf eines oder mehrere ihrer Mitglieder (Art. V des WEU- und Art. 5 des NATO-Vertrags).“71

Der Nordatlantikpakt (NATO) und die Westeuropäische Union (WEU) sind nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit.72 Die Einsatzbefugnis aus Art. 24 Abs. 2 GG richtet sich somit zumindest hinsichtlich des Washingtoner Vertrages (im folgenden NATO-Vertrag) bzw. des WEU-Vertrages gegen „bewaffnete Angriffe“. Diese Überlegung bestätigte es bspw. in der Entscheidung über die deutsche Beteiligung an der International Security Assistance Force (ISAF), der sogenannten Afghanistan-Entscheidung.73 Hierbei wurde ausgeführt, dass „[m]it dem Zweck der NATO als System mehrerer Staaten zur gemeinsamen Abwehr militärischer Angriffe von außen“74 wiederum ein Angriffsund Abwehrelement ausschlaggebend für einen Streitkräfteeinsatz sind. Durch die inhaltliche Nähe von Art. 24 Abs. 2 GG und Art. 87a GG als den Streitkräfteeinsatz normierende Regelungen liegt eine Verknüpfung der Normen vor, wodurch sich das Verständnis als „Abwehr bewaffneter Angriffe“ zumindest bedingt auf den Verteidigungsbegriff übertragen lässt. Eine weitere Bestätigung der zumindest teilweisen Gleichsetzung von Verteidigung zu „Abwehr bewaffneter Angriffe“ findet sich im Rahmen einer historischen Betrachtung zum Parlamentsvorbehalt in der Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung. Hierzu führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass im Rahmen des Art. 45 Abs. 2 WRV75 „[z]ur Abwehr eines gegenwärtigen Angriffs auf das Reichsgebiet […] die Abgabe einer Kriegserklärung nicht erforderlich [war]“.76 Hierbei „knüpfte [die Wehrverfassung] mit der Regelung des Art. 59a Abs. 1 GG an diese Bestimmung der Weimarer Reichsverfassung an“.77 Ein Rückschluss auf eine Bestimmung des Verteidigungsbegriffs besteht, denn „[e]rst eine gemäß Art. 59a Abs. 1 GG grundsätzlich vom Bundestag zu treffende Feststellung des ,Verteidigungsfalls‘ sollte die rechtliche Voraussetzung schaffen, die vom Bund zur Verteidigung aufgestellten Streitkräfte (Art. 87a GG) einzusetzen.“78 Das Verständnis als „Abwehr eines gegenwärtigen Angriffs“ übertrug sich demnach von Art. 45 Abs. 2 WRV auf Art. 59a GG a. F., welcher einen Verteidigungseinsatz ermöglichen sollte. Dadurch 71

BVerfGE 90, 286 (372); Art. 5 NATO-Vertrag lautet: „Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird“; Art. V WEU-Vertrag lautet: „Sollte einer der Hohen Vertragschließenden Teile das Ziel eines Angriffs in Europa werden […].“ 72 Vgl. Röben, Der Einsatz der Streitkräfte nach dem Grundgesetz, ZaöRV 63 (2003), 585 (590). 73 BVerfGE 118, 244. 74 A. a. O. (264). 75 Art. 45 Abs. 2 WRV lautete: „Kriegserklärung und Friedensschluß erfolgen durch Reichsgesetz.“ 76 BVerfGE 90, 286 (384). 77 Ebd. 78 Ebd.

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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besteht eine direkte Verbindung vom Verständnis der „Abwehr eines gegenwärtigen Angriffs“ i. S. d. Art. 45 Abs. 2 WRV über Art. 59a GG a. F., heutzutage im wesentlichen Art. 115a GG, zu Art. 87a GG.79 Diese historische Verknüpfung bestätigt sich zudem, da die Folge des Art. 45 Abs. 2 WRV eine Einschlägigkeit von „Verteidigung“ nach Art. 79 WRV war.80 Art. 79 WRV stellt die Vorgängernorm zu Art. 87a GG dar. Auch wenn diese Normen nicht identisch zueinander sind, besteht, da beide Normen sich des Begriffs der „Verteidigung“ bedienen, eine gewisse Übertragbarkeit.81 Da Verteidigung i. S. v. Art. 79 WRVals Abwehr eines Angriffs zu verstehen war, ist auch Verteidigung i. S. v. Art. 87a GG jedenfalls strukturell als Abwehr eines Angriffs zu verstehen. Weitere im wehrverfassungsrechtlichen Kontext stehende Urteile bzw. Entscheidungen des BVerfG verändern das dargestellte Rechtsprechungsbild nicht.82 Hinsichtlich der Rechtsprechung des BVerfG zum Verteidigungsbegriff aus Art. 87a GG ist festzustellen, dass Ergänzungen oder Ähnliches, wie „bewaffnet“, „militärisch“ und „von außen“, je nach zeitlichem und inhaltlichem Kontext variieren.83 Alle Entscheidungen und Aussagen des Bundesverfassungsgerichts haben jedoch ein gemeinsames Begriffsverständnis inne: Verteidigung ist jedenfalls die Abwehr eines Angriffs.

III. Notwendigkeit eines Angriffs Dieses Begriffsverständnis der Rechtsprechung – ein Verständnis von Verteidigung als Abwehr eines Angriffs – setzt die Notwendigkeit eines Angriffs voraus. 1. Normauslegung von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG Durch Auslegung des in Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG normierten Begriffs „Verteidigung“ soll überprüft werden, ob das Begriffsverständnis der Rechtsprechung, dass es sich bei Verteidigung um die Abwehr eines Angriffs handelt, überzeugt. 79

Zum Verhältnis vom Verteidigungsfall i. S. d. Art. 115a GG zur Verteidigung i. S. d. Art. 87a GG: Teil 2 Kapitel 2 A. II. 80 Art. 79 WRV lautete: „Die Verteidigung des Reichs ist Reichssache. Die Wehrverfassung des deutschen Volkes wird unter Berücksichtigung der besonderen landsmannschaftlichen Eigenarten durch ein Reichsgesetz einheitlich geregelt.“ 81 Vgl. Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 4; Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 55. 82 Vgl. BVerfGE 115, 118; 89, 38; 100, 266; 104, 151; 108, 34. 83 Einen Überblick über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes liefert: Dau, Die Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZWehrr 2011, 1 ff.

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

a) Wortlaut Betrachtet man den Wortlaut von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG gibt es keine Legaldefinition des Begriffs „Verteidigung“. Sprachlich beinhalte der Wortlaut von „Verteidigung“ primär „gegen Angriffe schützen; Angriffe von jemandem, etwas abwehren versuchen“.84 Auch neben der inhaltlichen Teilidentität von Art. 115a und Art. 87a GG85 besteht eine sprachliche Teilgleichheit der Begriffe „Verteidigung“ und „Verteidigungsfall“. Verteidigungsfall nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG bezieht sich inhaltlich und sprachlich auf den Begriff des Angriffs. Dies wird in Art. 115a GG an mehreren Stellen betont, bspw. in Art. 115a Abs. 1 S. 1 „angegriffen“ bzw. „Angriff“, Abs. 4 und Abs. 5 „angegriffen“. Ein Angriff stellt das Regelungsobjekt des Art. 115a GG dar.86 Der Verteidigungsbegriff soll hierbei Handlungsbefugnisse verleihen, gegen solche Angriffe vorzugehen. Aus der inhaltlichen und sprachlichen Teilidentität von Verteidigungsfall und Verteidigung folgt, dass auch Verteidigung sich daher auf das Regelungsobjekt des Angriffs richtet.87 b) Historische Auslegung Mit Blick auf die Entstehungsmaterialien des Art. 87a GG fällt auf, dass bei Einführung des Art. 87a GG die Streitfrage im Wesentlichen nur war, ob eine Militarisierung stattfinden solle.88 Dies macht insbesondere die Plenardebatte zur dritten Lesung des den Art. 87a GG einfügenden Änderungsgesetzes deutlich.89 In dieser am 06. März 1956 geführten Sitzung beschäftigten sich die Abschlusserklärungen der Sprecher der verschiedenen Fraktionen einzig mit der Frage, ob eine Wiederbewaffnung vorgenommen werden soll.90 Dies geschah sowohl in der an dem Tag stattgefundenen zweiten als auch dritten Lesung des Änderungsgesetzes. Eine Beschäftigung mit der Frage, wozu rechtlich die Streitkräfte aufgestellt werden sollen, erfolgte nicht. Ein „Wozu“ der Streitkräfte wird nur aus politischer Sicht angesprochen.91 Eine Debatte des inhaltlichen Begriffs der „Verteidigung“ im Art. 87a GG a. F.92 bestand nicht. 84

Vgl. Teil 2 Fn. 1. Zum Verhältnis von Art. 87a GG und Art. 115a GG vgl. Teil 2 Kapitel 2 C. II. 86 Vgl. Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 35. 87 Ebenso: Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 212. 88 Ebenso: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 7; vgl. zur Entstehungsgeschichte: Kutscha, Verteidigung – vom Wandel eines Verfassungsbegriffs, KJ 2004, 228 (229 ff.). 89 BT-PlProt II/17 vom 26. Februar 1954, S. 561. 90 Vgl. BT-PlProt II/132 vom 06. März 1956, S. 6819 ff. 91 Bspw.: Aussage Fraktionssprecher der SPD Mellies, BT-PlProt II/132, vom 06. März 1956, S. 6848 (A): „Da gegen uns eine Wiederbewaffnung beschlossen ist, sehen wir es jedoch als unsere Pflicht an, für die Demokratie innerhalb und außerhalb der in der Entstehung be85

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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Auch in den der Plenardebatte vorgegangenen Ausschusssitzungen zu den eingebrachten Entwürfen zur Einführung des Art. 87a GG93 wurde im Wesentlichen nur die Frage, ob überhaupt eine Wiederbewaffnung vorgenommen werden solle, thematisiert.94 Der stets verwendete Begriff „Verteidigung“, sei es im Kontext des einberufenen Verteidigungsausschusses oder in der sprachlichen Fassung des Art. 87a GG, wurde nicht näher betrachtet oder diskutiert. Vielmehr schien es, als ob sich der wortähnliche Verteidigungsbegriff des Art. 79 WRV zumindest in seiner Grundstruktur fortsetzte. Art. 79 S. 1 WRV normierte wehrverfassungsrechtliche Fragen in der WRVund ging in seinem Wortlaut ebenso wie Art. 87a GG vom Begriff „Verteidigung“ aus.95 Dies legt den Schluss nahe, dass das Verständnis von „Verteidigung“ nach Art. 79 WRV der Schaffung des Art. 87a GG mit dem wortgleichen Begriff „Verteidigung“ zu Grunde gelegt wurde. Nach Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind zudem die legislativen Mitwirkungsrechte in Bezug zur Verteidigung in einem Nachfolgeverhältnis zu Art. 79 WRV zu sehen.96 „Verteidigung“ nach Art. 79 WRV wurde dabei als „Abwehr gegenwärtiger Angriffe“ aufgefasst.97 Das Verständnis von „Verteidigung“ beinhaltete ein Abwehrelement und ein Angriffselement. Somit lagen bei der Schaffung des Art. 87a GG in gleicher Weise ein Abwehrelement und ein Angriffselement zu Grunde. Dass Verteidigung nach Art. 87a GG sich inhaltlich der Abwehr von Angriffen widmet, spiegeln auch Entstehungsmaterialien zur Notstandsnovelle, welche Art. 87a GG in seine heutige sprachliche Fassung änderte, wider.98 Der Entwurf der Bundesregierung zum Änderungsgesetz der Notstandsnovelle führt im Rahmen eines allgemeinen Teils aus, dass die Einführung des Wehrwesens, somit die oben angesprochene Grundgesetzänderung von 1956, sich auf „den Fall einer Bedrohung der Bundesrepublik durch einen bewaffneten Angriff von außen“ bezieht.99 Dieser Regierungsentwurf wurde mit dem Entwurf eines Änderungsgesetzes der FDPgriffenen Bundeswehr Sorge zu tragen.“ Obwohl der Fraktionssprecher prinzipiell gegen eine Wiederbewaffnung sei, spricht er sich deshalb für eine Wiederbewaffnung aus, weil in der DDR eine solche vorgenommen wurde. 92 Art. 87a GG a. F. lautete: „Die zahlenmäßige Stärke der vom Bunde zur Verteidigung aufgestellten Streitkräfte und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.“ 93 BT-Drucks. II/124; BT-Drucks. II/125. 94 BT-Drucks. II/2150. 95 Zum historischen Kontext der Reichswehr in der Weimarer Zeit: Di Fabio, Die Weimarer Verfassung, G, S. 157 ff. 96 BVerfGE 90, 286 (384); vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 3. 97 Vgl. BVerfGE 90, 286 (384); hierzu vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, S. 423 f.; Anschütz/Thoma/Bilfinger (Hrsg.), Handbuch des deutschen Staatsrechts Bd. I, § 19, S. 234. 98 Vgl. Siebzehntes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968, BGBl. 68, S. 709 ff. 99 BT-Drucks. V/1879, S. 6.

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Fraktion zusammen im Ausschuss beraten. Auch dieser Gesetzesentwurf der FDPFraktion beinhaltete als „wichtigstes Merkmal […], daß er die Möglichkeit der Änderung der Rechtslage nur für den Fall eines kriegerischen Angriffs einer bewaffneten Macht von außerhalb des Bundesgebietes auf die Bundesrepublik Deutschland vorsieht.“100 Eine sprachliche Anpassung des Art. 87a GG war zwar in diesen beiden Entwürfen nicht vorgesehen, folgt aber aus den Ausschusssitzungen bezüglich der Grundgesetzänderungsentwürfe. Wie der Bericht zu den Ausschusssitzungen verdeutlicht, sollten zwar sprachliche Anpassungen des Art. 87a GG, jedoch keine inhaltliche Änderung der Begriffe vorgenommen werden.101 Das Verständnis von „Verteidigung“ sollte dasselbe bleiben, welches bei der Einführung des Art. 87a GG vorlag. Diesen letztlich erfolgreichen Gesetzesanträgen ging zudem ein nicht erfolgreicher Entwurf in der 4. Wahlperiode voraus.102 Auf diesen Entwurf wurde bei der Beratung zur Notstandsnovellierung verwiesen.103 Der abgelehnte Entwurf wirkt durch den Verweis als gedankliche Grundlage für die später umgesetzten Entwürfe. Auch dieser gedankliche „Grundlagenentwurf“ bezog Verteidigung auf den „Zustand der äußeren Gefahr, d. h. de[n] Angriff auf das Bundesgebiet mit Waffengewalt oder [die] Drohung eines solchen Angriffs“.104 Aus historischer Sicht verdeutlicht sich, dass das ursprüngliche Verständnis von „Verteidigung“ ein Abwehr- und ein Angriffselement beinhaltet hat. Dieses Verständnis von „Verteidigung“ als „Abwehr eines Angriffs“ sollte weiter fortgeführt werden. c) Systematische Auslegung Auch im Rahmen einer systematischen Auslegung bestätigt sich die Notwendigkeit eines Angriffs- und eines Abwehrelements. Dabei lässt sich Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG heranziehen. Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG setzt dabei ein Szenario des Art. 91 Abs. 2 GG und ein solches des Art. 91 Abs. 1 GG voraus.105 Die sprachliche Form des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG beginnt dabei, wie beim Verteidigungsbegriff, mit der Präposition „zur“. Der hierdurch begründete Funktionalbezug bezieht sich auf eine „Abwehr …“. Ebenso begründet die Präposition 100

BT-Drucks. V/2130, S. 6. BT-Drucks. V/2873, S. 13: „Zu Artikel 87a Abs. 1: Ohne wesentliche sachliche Änderung wird der Inhalt der geltenden Fassung des Artikels 87 a, um ihn systematisch der Neuregelung einzufügen, in zwei Sätze aufgelöst, von denen Satz 1 nunmehr als Kompetenzvorschrift ausgestaltet wird, während Satz 2 haushaltsrechtliche Maßgaben aufnimmt.“ 102 BT-Drucks. IV/891; dazu: BT-Drucks. IV/3494. 103 BT-Drucks. V/2873, S. 2: „Es wird insoweit ausdrücklich auf den Bericht des Rechtsausschusses des 4. Deutschen Bundestages (Drucksache IV/3494) […] verwiesen.“ 104 Vgl. BT-Drucks. IV/3494zu, S. 4. 105 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 90. 101

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„zur“ in Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG einen Funktionalbezug.106 Durch Normierung innerhalb des Art. 87a GG sind die Einsatzbefugnisse systematisch ähnlich zu verstehen.107 Eine Ähnlichkeit von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 und Abs. 4 S. 1 GG bedingt sich auch durch deren systematisches Verhältnis zueinander. Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG stellt eine Ausnahmebefugnis zur grundsätzlichen Zentralbefugnis der Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG dar.108 Wegen des systematischen Verhältnisses als Grundsatz/Ausnahme einer Streitkräfteeinsatzbefugnis ist eine gleiche grundlegende Struktur anzunehmen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet dies, dass, ebenso wie bei Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG, der Verteidigungsbegriff sich funktional auf ein Abwehrelement bezieht. Dieser Rückschluss verstärkt sich, beachtet man die Entstehungsgeschichte der aktuellen sprachlichen Fassung des Art. 87a GG. Die aktuelle sprachliche Fassung wurde durch die Notstandsverfassungsnovelle begründet.109 Gleichzeitig mitgeformt wurde dabei der in dieser Form noch bestehende Art. 91 GG.110 Auch dieser Artikel folgt aus dem Gesamtkonstrukt der Notstandsnovelle und beschäftigt sich in Abs. 1 mit den Handlungsmöglichkeiten der Länder im Falle eines Notstands sowie in Abs. 2 mit den Handlungsmöglichkeiten des Bundes.111 Ebenso formuliert Art. 87a GG Handlungsmöglichkeiten für den Bund im Falle eines staatlichen Notstands.112 Sowohl Art. 87a, 91 Abs. 2 GG – für den Bund – als auch Art. 91 Abs. 1 GG – für ein Land – beschreiben Notstandshandlungsmöglichkeiten, wodurch diese unter den Oberbegriff der Notstandshandlungen des Staates zusammenzufassen sind.113 Infolgedessen besteht eine systematische Verknüpfung zwischen Art. 91 GG und Art. 87a GG.114 Die Verknüpfung ergibt sich zudem auch dadurch, dass beide aktuell gültigen Fassungen aus der Notstandsnovelle folgen.115 In 106 Exemplarisch: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 8. 107 Vgl. zur systematischen Auslegung und zum Verhältnis der Absätze einer Norm: Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4 Rn. 118. 108 Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 40, 44. 109 Vgl. Siebzehntes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968, BGBl. I 1968, S. 709 ff. 110 Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 1. 111 Vgl. Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 2, 5. 112 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 59; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 6 ff. 113 Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 1, der zwischen „innerem“ und „äußerem Notstand“ unterscheidet. 114 Vgl. Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 3. 115 Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 2, 5.

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der sprachlichen Fassung des Art. 91 Abs. 1 GG wiederholt sich dabei als Umschreibung der Handlungsmöglichkeit die Formulierung „Zur Abwehr …“.116 Hier wird wieder innerhalb der Wehrverfassung durch die Präposition „zur“ ein funktionaler Bezug auf ein Abwehrelement festgeschrieben. Entsprechend ist daher auch der Funktionalbezug innerhalb des Verteidigungsbegriffs auf ein Abwehrelement zu verstehen. Hinzu kommt, dass bereits vor Einführung des Art. 87a GG in Art. 26 GG das Verbot des Angriffskriegs bestand.117 Da durch Art. 26 GG angreifende, aggressive Maßnahmen ausgeschlossen sind, verbleiben einzig denkbar friedensfördernde defensive Maßnahmen deutscher Streitkräfte.118 Defensive Maßnahmen beinhalten ein Abwehrelement.119 Semantisch setzt dieses Abwehrelement selbst einen Angriff voraus, da sonst die Abwehrmaßnahme selbst Angriff wäre.120 Aus dem systematischen Zusammenhang zu Art. 26 GG, der lediglich defensive, abwehrende Maßnahmen der Streitkräfte erlaubt, folgt, dass „Verteidigung“ i. S. d. Art. 87a GG als Abwehr eines Angriffs zu verstehen ist. Auch der schon vor Entstehung des Grundgesetzes und des Art. 87a GG durch § 53 StGB a. F. bestehende Begriff der „Vertheidigung“ beschreibt eine Maßnahme, „welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren“.121 Hierbei geht der Wortlaut hinsichtlich eines – zwar nicht im Verfassungsrecht verorteten – Verteidigungsbegriffs gleichermaßen von einer Abwehr eines Angriffs aus. Auch wenn aus dem einfachen Recht keine inhaltliche Konkretisierung folgt, so lässt sich doch eine strukturelle Parallele feststellen. d) Auslegung durch das Telos Für eine Auslegung nach einem Telos stellt sich zunächst die Frage, was Sinn und Zweck von „Verteidigung“ nach Art. 87a GG sein soll.122 Im Rahmen einer objek116 Art. 91 Abs. 1 GG lautet: „Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder sowie Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen und des Bundesgrenzschutzes anfordern.“ 117 Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 1. 118 Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 33. 119 Vgl. Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 11, der von „Störungsabwehr“ schreibt. 120 Vgl. Teil 2 Fn. 1. 121 Der bis zum 01. Januar 1975 gültige § 53 StGB a. F. lautete: „Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Anderen abzuwenden“; vgl. zur historischen Entwicklung: Erb, Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 32 StGB, Rn. 10. 122 Vgl. Hufeld, in: Kube (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, Band 1, § 44, Rn. 4 ff., der unter anderem Notwehr als wesentlichen Leitgedanken der Verteidigung beschreibt.

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tiven Normauslegung bestimmt sich das Telos durch Auslegung.123 Hierzu sind im Wesentlichen die Kriterien der Historie und der Systematik heranzuziehen.124 Historisch ist im Kontext der Wehrverfassung die Aussage Dr. Jaegers in der Abschlussdebatte zur dritten Lesung des Einführungsgesetzes zu Art. 87a GG besonders beachtenswert. Dieser verdeutlichte als Schlusswort, dass die Aufstellung der Streitkräfte „nur dem einen Ziel dienen möge: den inneren und den äußeren Frieden unseres Volkes zu fördern.“125 Dieser eindeutig benannte Zweck als Friedensförderung ist als defensiver Zweck zu verstehen.126 Wie im Rahmen des systematischen Arguments aus Art. 26 GG dargestellt, bedeutet ein Defensive die Abwehr eines Angriffs. Hierdurch ergibt sich aus dem Wesen als friedensfördernde Maßnahme im Zusammenhang mit dem Verbot des Angriffskrieges aus Art. 26 GG, dass als Sinn und Zweck von Verteidigung die defensive Reaktion, sprich die Abwehr eines Angriffs, anzusehen ist. Ein weiteres Argument für solch ein Verständnis des Sinns und Zwecks von Verteidigung liefert der Bericht des Rechtsausschusses hinsichtlich des Entwurfs zur Notstandsnovelle.127 Während mit der Ausführung „Mit ,Verteidigung‘ ist hier nur die militärische Verteidigung (einschließlich der Ausbildung dafür) gemeint“128 Verteidigung mit Verteidigung erklärt wird, sind Überlegungen zu Art. 87a Abs. 3 GG von besonderer Bedeutung. Bei der Abgrenzung der Handlungsbefugnisse der Streitkräfte gegenüber der Polizei wird wiederholt als Teil von Verteidigung die Abwehr von Angriffen beschrieben.129 Der Verteidigungsauftrag umfasst demnach den „Schutz militärischer Objekte gegen Angriffe Dritter“130 oder den „Schutz gegen Angriffe der Angehörigen fremder Streitkräfte“131. Als Gedanke hinter der Verteidigung wird dabei die mehrfach erwähnte Abwehr von Angriffen benannt. Dies führt wiederum einerseits zur Handlungsbefugnis „Zur Abwehr …“ und andererseits zum Regelungsobjekt „Angriff“. Kombiniert bedeutet dies für einen Zweck des Art. 87a GG, dass Verteidigung vom Sinn und Zweck her als „zur Abwehr eines Angriffs“ zu verstehen ist.

123 Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 17 f.; Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 146. 124 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 41. 125 BT-PlProt II/132 vom 06. März 1956, S. 6847 (A). 126 Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 11. 127 BT-Drucks. V/2873. 128 A. a. O., S. 13. 129 Ebd. 130 Ebd. 131 Ebd.

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e) Normstrukturelle Überlegungen Normstrukturelle Überlegungen sind zwar keine klassischen Methoden im Normauslegungskanon132, verdichten jedoch das hier aufgeworfene Verständnis von Verteidigung als „zur Abwehr eines Angriffs“. Da die Normierung des Verteidigungsbegriffs den Streitkräften entsprechende Handlungsmöglichkeiten einräumt, ist Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG unter anderem als Befugnisnorm zu verstehen.133 Dies beinhaltet typischerweise einen Tatbestand und eine Rechtsfolge.134 Versucht man den Verteidigungsbegriff in Tatbestand und Rechtsfolge zu trennen, bestätigt sich ein Verständnis hinsichtlich eines Angriffs als Tatbestand und der hierauf bezogenen Abwehr als Rechtsfolge.135 2. Bestätigung durch weitere Literatur Das Ergebnis der Rechtsprechungsanalyse und der Normauslegung, dass Verteidigung als Abwehr eines Angriffs zu verstehen ist, wird zudem in der rechtswissenschaftlichen Literatur nahezu einheitlich vorausgesetzt. So sei „nach herkömmlichem Verständnis von Verteidigung die Abwehr militärischer Angriffe“136 oder die „Verteidigung gegen sonstige bewaffnete Angriffe“137 Regelungsgegenstand des Art. 87a GG. „Verteidigung“ ist nach anderer Ansicht gegeben, wenn das Verteidigungsziel eingehalten wurde, welches wiederum die „Abwehr eines Angriffs“ sei.138 Vergleichbar wurde Verteidigung als „Abwehr vom Ausland her geführter bewaffneter Angriffe“ beschrieben.139 Nach anderer, vergleichbarer Ansicht bedeutet „Verteidigung zunächst einmal die Abwehr oder Abschreckung eines Aggressors“.140 Ähnlich wurde Verteidigung als „die Abwehr oder Abschreckung eines […] bewaffneten Angriff[s]“141 beschrieben. Im Rahmen eines funktionalen Verständnisses des Begriffs „Verteidigung“ bestimme sich dieser als zum „defensiv-[angriffs]ab-

132 Zu den klassischen Auslegungsmethoden: Möllers, Juristische Methodenlehre, Teil 2, §§ 4 – 6; Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 117 ff. 133 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 10. 134 Vgl. Vesting, Rechtstheorie, Rn. 37. 135 Zum Verständnis des Angriffs als Tatbestand und Abwehr als Rechtsfolge vgl. Teil 3 Kapitel 1 A. I. 136 Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 36. 137 Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 9. 138 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 51. 139 Hömig, in: Hömig/Wolff, Art. 87a, Rn. 3. 140 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 17. 141 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 11.

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wehrende[n] Zwecke“.142 Ebenso wurde „Verteidigung“ angenommen, wenn „zum Zweck […] Verteidigung zur Abwehr von Angriffen“143 erfolge. Den Literaturmeinungen zum Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG ist gemein, dass ein Abwehrbezug gegenüber einem angreifenden, aggressiven Element besteht.144 3. Zwischenergebnis Auf Grund dessen lässt sich festhalten, dass sich das Begriffsverständnis der Rechtsprechung bestätigt. Maßnahmen „zur Verteidigung“ sind daher jedenfalls als Maßnahmen „zur Abwehr eines Angriffs“ zu verstehen und setzen dadurch notwendigerweise einen, noch näher zu bestimmenden, Angriff voraus.

IV. Anforderungen an einen Angriff 1. Gemeinsamkeit der Beschreibung von Angriffsanforderungen Soweit sich Rechtsprechung und Literatur einig sind, dass Verteidigung ein Abwehr- und Angriffselement voraussetzt, so uneinig und unterschiedlich sind die gestellten Anforderungen an den Angriffsbegriff. Insbesondere ist umstritten, wie der Angriff ausgestaltet sein muss und welche konkreteren Umstände für einen Angriff i. S. d. Art. 87a GG vorliegen müssen. Hierbei wird durch unterschiedlichste Anforderungen an einen Angriff der Anwendungsbereich des Verteidigungsbegriffs entsprechend begrenzt bzw. erweitert. Betrachtet man diese „mannigfachen Meinungsverschiedenheiten“145 zum Verteidigungsbegriff unter Einbeziehung dieses Zwischenschritts, so scheinen all diese vorwiegend Literaturmeinungen im Kern nur zu beschreiben, ob und welche Anforderungen an einen entsprechenden Angriff zu stellen sind. 2. Bestehen von besonderen Anforderungen an den Angriff Zunächst ist zu klären, ob besondere Anforderungen an einen Angriff notwendig sind. Solche bestehen nicht, sofern man hinsichtlich des Verteidigungsbegriffs eine rein gefahrenbezogene Ansicht vertritt.146 142

Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 15. Fassbender, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XI, § 244, Rn. 50. 144 Dies greifen ebenso Ausführungen zu inhaltlich nahen Artikeln auf: bspw. Schenke, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a, Rn. 21 f. 145 BVerfGE 90, 286 (355). 146 Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 1 ff. 143

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a) Keine besonderen Anforderungen bei rein gefahrenbezogenem Verständnis Versteht man einen Angriff rein gefahrenbezogen, bedeutet dies, dass keine besonderen Anforderungen an den Angriff bestünden, sondern dass allein das Vorliegen eines entsprechend intensiven Angriffs ausreichen solle.147 Anforderungen wie ein militärischer Bezug und sich hieraus ableitende Merkmale seien nicht notwendig.148 Insbesondere komme es bei dem Begriff der Verteidigung nicht auf Merkmale wie die Gefahrenherkunft oder die Staatlichkeit an.149 Denn auf Grund der „inneren Logik […] stellt [der Verteidigungsbegriff] aber tatsächlich und zutreffend auf die Intensität der Gefahrenlage ab. Nicht die Gefahrenquelle ist maßgeblich, sondern die Gefahrenintensität, die eine militärische Reaktion erfordert.“150 Je größer die Gefahr, umso eher führt dies zu einer Streitkräftebefugnis aus dem Verteidigungsbegriff. Eine solche Befugnis ist einschlägig, „wenn die polizeilichen Mittel der Gefahrenabwehr nicht mehr ausreichen, um die ihr anvertraute Aufgabe, den Staat gegen Angriffe von welcher Seite auch immer zu verteidigen, zu erfüllen.“151 Erwähnt wird hierbei die Grundlage des geltenden Verfassungsrechts, die sich in ihrem „Telos aller Bemühungen um eine angemessene Antwort des Rechtsstaats auf kriegerische oder terroristische Gefährdungslagen [auf] das Prinzip der Abwehr von Gefahren für die staatlich verfasste Gemeinschaft“ verdichtet.152 Folge dessen sei, dass „[h]erkömmliche und die Zuständigkeitsregeln tragende Unterscheidung[en] – Gefahr von ,innen‘ oder ,außen‘, staatlicher oder privater Aggressor, politischer oder krimineller Angriff, Störer oder Feind – […] aus dieser Perspektive ihre konstitutive Bedeutung [verlieren]. Sie erweisen sich sämtlich nur als – historisch kontingente – Konkretisierungen der gemeinsamen Aufgabe ,Gefahrenabwehr‘ in Ansehung bestimmter historisch überkommener Gefährdungslagen.“153 Dieser Verweis auf den Normzweck verhindere das letztliche Auslegungsergebnis, dass eine Schutzlücke im Rahmen der Gefahrenabwehr bspw. hinsichtlich kriegerischer oder terroristischer Bedrohungen bestehe. Die Notwendigkeit, dies durch telosorientierte Verfassungsauslegung zu erreichen, ergäbe sich, da „Aufgabe der Verfassungsinterpretation […] vor diesem Hintergrund sein [muss], auf der Grundlage des geltenden Verfassungsrechts die sicherheitspolitischen Herausforderungen der Gegenwart sachadäquat zu bewältigen. […] Dies ist in erster Linie eine Aufgabe der Verfassungsinterpretation. […] Zwar muss auch der verfassungsändernde Gesetzgeber seinen Beitrag für eine zeitgemäße Wehrverfassung leisten; wenn dies aber aus politischen 147 148 149 150 151 152 153

A. a. O., Rn. 89. A. a. O., Rn. 92 ff., 95. Ebd. A. a. O., Rn. 64. A. a. O., Rn. 39. A. a. O., Rn. 15. Ebd.

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Gründen nicht möglich ist, muss Interpretation das gegebene Verfassungsrecht gemäß dem effet utile-Grundsatz im Sinne effektiver Verteidigung auslegen.“154 Dieser Gedanke setzt voraus, dass das Auslegungsergebnis des Verteidigungsbegriffs auf Grund des Zwecks der Gefahrenabwehr nicht zu einer möglicherweise bestehenden Schutzlücke führen dürfe.155 Hinter dieser gefahrenabwehrbezogenen Auslegung steht das Verständnis, dass die Befugnis zum Streitkräfteeinsatz letztlich nicht aus Art. 87a GG folge, sondern „genuine Staatsaufgabe“156 bzw. „naturgegebenes Recht“157 ist und „die Verteidigung des Gemeinwesens […] keiner verfassungsrechtlichen Anerkennung [bedarf], um ausgeübt zu werden“158. b) Argumentativer Bezug auf eine fehlende Praktikabilität Insbesondere das Merkmal der Staatlichkeit159 wird für moderne Gefährdungslagen als „unangemessen und in Grenzsituationen geradezu kontraproduktiv“160 bezeichnet. Ausgangspunkt solcher Wertungen sind praktische Anwendungsdefizite bei der Bestimmung der Merkmale, insbesondere des Merkmals der Staatlichkeit.161 Nichtstaatliche Gefährdungen wie ein internationaler Terrorismus stehen staatlichen Gefährdungen in kaum einer nennenswerten qualitativen Weise nach.162 Auch stellt sich hierbei die zu Beginn erläuterte Grundproblematik der Attribution.163 Bei vielen Angriffsszenarien ist es schlicht im Rahmen einer effektiven Abwehr nicht möglich, eindeutig eine Staatlichkeit des Angreifers zu klären.164 Zuständigkeitsfragen, die sich an eine Identität des Angreifer koppeln, bleiben dadurch offen. 154 Ebd.; ebenso: ders., Zwischen polizeilicher Gefahrenabwehr und militärischer Verteidigung, ZG 2008, 1 (8). 155 Zudem wird vorausgesetzt, dass die Schließung einer Schutzlücke innerhalb eines gewaltengeteilten Staates nicht zwangsweise durch den normsetzenden Gesetzgeber, sondern auch durch den normauslegenden Gesetzesanwender geschlossen werden könne und solle; dies ablehnend vgl. Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 101. 156 Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39; ders., Zwischen polizeilicher Gefahrenabwehr und militärischer Verteidigung, ZG 2008, 1 (3). 157 A. a. O., Rn. 4. 158 A. a. O., Rn. 8. 159 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3. f). 160 Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 26. 161 Vgl. hierzu konkretisierend: Teil 3 Kapitel 2 B. IV. 162 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15. 163 Krieger, Krieg gegen anonymous, AVR 50 (2012), 1 (4). 164 Vgl. Spiecker Döhmann, Staatliche Entscheidungen unter Unsicherheit, S. 40.

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Hinsichtlich der Begegnung solcher verglichen mit 1956 bzw. 1968 „neuartigen“ Gefährdungsformen wird hierbei unter dem Schlagwort „offener Verteidigungsbegriff“165 versucht, alternative Auslegungsergebnisse zu etablieren. Denn der Verteidigungsbegriff sei überaus wandelbar und passe sich den Gegebenheiten der Zeit an.166 Diese Wandlungsfähigkeit spreche für ein rein gefahrenbezogenes Verständnis von Verteidigung. c) Widerspruch zur Kompetenzwertung des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG Problematisch an dieser möglicherweise praktisch teilweise sinnvoll erscheinenden Auslegung ist die Wertung des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG. Bei einer drohenden Gefahr für den Bestand des Staates kann demnach ein Streitkräfteeinsatz bei Überforderung der primär zuständigen Polizeikräfte erfolgen.167 Nicht unberücksichtigt sollte bei einer Einschlägigkeit von Verteidigung auch die kompetenzrechtliche Dimension bleiben. Denn eine Einschlägigkeit von Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG ordnet dem Bund die Verbandskompetenz und innerhalb des Bundes den Streitkräften die Organkompetenz zu.168 Ausschlaggebend gegen eine rein gefahrenbezogene Auslegung des Verteidigungsbegriffs spricht das staatsorganisationsrechtliche Grundprinzip der abgrenzenden, alleinigen Zuständigkeit im Bereich der Gefahrenabwehr. Wenn die Streitkräfte zuständig sind, sind andere mit der Gefahrenabwehr betraute behördliche Stellen, meist Bundes- oder Landespolizei, es entsprechend nicht.169 Dies verdeutlicht Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG, der für den Fall von Verteidigung den Streitkräften ohne besondere Einschränkungen die Zuständigkeit einräumt. Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG ordnet für die Situation der Gefahr für den Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an, dass erst nach Einschlägigkeit von Art. 91 Abs. 2 GG eine Streitkräftebefugnis vorliegen kann.170 Dies setzt voraus, dass die primär zuständigen Landespolizeikräfte und gegebenenfalls angeforderten Bundespolizeikräfte nicht bereit oder in der Lage sind, die schwerwiegende Gefahr für den Staat effektiv abzuwehren.171 Art. 91 165

Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39. 166 Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 2. 167 Bspw.: Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 66 f. 168 Exemplarisch: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 5; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 6 ff. 169 Vgl. zum Trennungsgebot zwischen Militär und Polizei: Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See, S. 119 ff. 170 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 156; Teil 4 Kapitel 2 A. I. 3. 171 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 48; vgl. ebenso: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 12.

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Abs. 2 GG setzt dabei denklogisch voraus, dass Bundes- oder Landespolizei primär zuständig sein müssen, damit der Zustand des „Nicht-bereit-oder-in-der-LageSeins“ überhaupt eintreten kann.172 Eine entsprechend bestehende Zuständigkeit der Streitkräfte nach Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG würde aber eine, von Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG vorausgesetzte, primäre Zuständigkeit der Landes- und Bundespolizei gerade ausschließen. Ein rein gefahrenbezogenes Verständnis von Verteidigung würde im Falle einer schweren Staatsgefährdung eine ausschließliche Zuständigkeit des Bundes und dessen Streitkräften begründen. Dies widerspräche der Wertung des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG, der für das Szenario einer schweren staatsgefährdenden Gefahr eine primäre Zuständigkeit der Landespolizei und der gegebenenfalls angeforderten Bundespolizei vorsieht, jedoch nur subsidiär eine Zuständigkeit der Streitkräfte des Bundes. Hierbei ließe sich einwenden, dass Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG diesbezüglich die Wertung enthält, dass bis zu einer Gefahrenintensität, die einer Gefahr für den Bestand des Staates oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gleichkommt, eine Polizeizuständigkeit – und somit keine Streitkräftezuständigkeit und keine Einschlägigkeit von Verteidigung – bestünde. Alles, was im Rahmen der Gefahrenintensität jedoch darüber hinausgehe, sei nicht durch die Wertung des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG gesperrt.173 Der Verteidigungsbegriff wäre für Fälle direkt anwendbar, in denen eine Gefahrenintensität besteht, die deutlich über einer Gefahr für den Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung liegt. Einer solchen vermeintlichen Wahrung der Wertung des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG steht aber das Hindernis entgegen, dass sich auf einer vorgestellten Intensitätsskala eine Gefahrenintensität, welche einer drohenden Gefahr für den Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gleichkommt, als wohl letzte Stufe herausstellt. Bezogen auf die Gefahrenintensität stellt die Gefahr für den Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung quasi die „Endstufe“ dar. Für eine Abgrenzung sind daher weitere Merkmale notwendig, die neben einer Gefahrenintensität bestehen.174 Wenn die drohende Gefahr für den Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auf einer skalierten Gefahrenintensität die letzte Stufe darstellt, verhindert Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG grundsätzlich eine rein am Merkmal der Gefahrenintensität bezogene Auslegung des Verteidigungsbegriffs 172

Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 63. Vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 37. 174 Ansatzweise denkbar wäre, entsprechend der Systematik des Grundgesetzes, welches anders als die WRV nicht zunächst die Rechte und Pflichten des Staates, sondern die Rechte der Menschen und Bürger normiert, und auf Grund der Präambel mit der Formulierung „Verantwortung vor […] den Menschen“ eine Art Stufenfolge zu konstruieren. Über dem Staat ständen daher die Menschheit bzw. das Staatsvolk. Auf einer gedachten Skala der Gefahrenintensität ständen der Bestand des Staats und die freiheitliche demokratische Grundordnung als vorletzte Stufe, worüber die existenzielle Bedrohung der Menschheit bzw. eines erheblichen Teils des Staatsvolkes zu sehen wäre. Die Anhaltspunkte für eine solche Annahme sind jedoch derart vage, dass dies nicht überzeugt. 173

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nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG.175 Bis zu einer drohenden Gefahr für den Bestand des Bundes oder Landes und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind zunächst Landes- (und nachrangig Bundes-)polizeikräfte zuständig. Neben dieser Zuständigkeitszuordnung besteht kein Raum für eine rein gefahrenbezogene Auslegung des Verteidigungsbegriffs, die nicht gegen die Kompetenzwertung des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG verstößt. Dabei verbleibt es auch, wenn man die Befugnis zum Streitkräfteeinsatz aus ungeschriebenem genuinem Naturrecht ableitet, denn auch hierbei bleibt die Möglichkeit, dass „ein Staat auf seine Selbstverteidigung verzichten und entsprechend verfassungsrechtliche Restriktionen und Verbote normieren“176 kann. Hierbei ist unweigerlich die Zuständigkeitsverteilung des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 4 und 91 Abs. 2 GG als solch eine Restriktion für die Streitkräfte aufzufassen. d) Keine Verdrängung durch teleologische Erwägungen Dieses durch systematische Erwägungen aus Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG und dessen Kompetenzwertung gefundene Ergebnis wird nicht durch Rekurs auf das Telos der Gefahrenabwehr und ein mögliches Bestehen einer Schutzlücke überlagert. Der Einwand, eine gefahrenabwehrbezogene Auslegung sei notwendig, damit keine Schutzlücken hinsichtlich bspw. kriegerischer oder terroristischer Bedrohungen bestünden, kann nicht überzeugen.177 aa) Bestehen einer angeblichen gefahrenabwehrrechtlichen Schutzlücke Hierbei scheint die Existenz einer zu verhindernden Schutzlücke bereits fraglich.178 Zunächst ist dabei zu beachten, dass die noch zu erörternden zusätzlichen Anforderungen an einen Angriff auch zueinander in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Insbesondere die Vermutungsregel hin zu einer Staatlichkeit und entsprechenden Organisation bei Vorliegen einer militärischen Bewaffnung, somit hinreichender Gefahrenintensität, ist diesbezüglich anzuführen.179 Hinzu kommt, dass, auch wenn mangels evident festgestellter Staatlichkeit der Verteidigungsbegriff nicht einschlägig ist, in Art. 87a Abs. 4 und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG weiterhin 175 Vgl. Schmidt-Jortzig, Verfassungsänderung für Bundeswehreinsätze im Innern Deutschlands?, DÖV 2002, 773 (775); Fischer, Terrorismusbekämpfung durch die Bundeswehr im Inneren Deutschlands?, JZ 2004, 376 (380). 176 Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 8. 177 Vgl. Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15. 178 Ebenso: Rehage, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, S. 80 f.; Depenheuer, Zwischen polizeilicher Gefahrenabwehr und militärischer Verteidigung, ZG 2008, 1 (8), nachdem „derzeit [eine] scheinbar bestehende verteidigungspolitische Lücke – die tatsächlich nur eine Lücke durch Verfassungsinterpretation ist –“ bestehe. 179 Teil 3 Kapitel 2 B. V. 1.; vgl. Gayken, in: Schmidt-Radefeldt/Meissler (Hrsg.), Automatisierung und Digitalisierung des Krieges, Die vielen Plagen des Cyberwar, S. 86 ff.

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ausreichende staatliche Reaktionsmöglichkeiten und genügendes Einsatzpotential bestehen.180 Wenn wegen einer evident fehlenden Staatlichkeit des Angriffs auf eine zivile Person der Verteidigungsbegriff nicht greift, wird unterstellt, dass die Einsatzmöglichkeiten der Art. 87a Abs. 4 und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG nicht ausreichend schützen. Weshalb durch diese Einsatzkompetenzen kein ausreichender Schutz gewährleistet sein soll, bleibt unbeantwortet. Die alleinige Fokussierung auf den Verteidigungsbegriff des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG misst der wehrverfassungsrechtlichen Gesamtstruktur nicht genügend Bedeutung bei. Entsprechend bleibt mehr als fraglich, inwiefern durch das Merkmal der Staatlichkeit überhaupt eine Schutzlücke besteht. bb) Bedeutung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum LuftSiG Hinsichtlich der Möglichkeit einer Schutzlücke sind die vielfach besprochenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum LuftSiG, insbesondere § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F., anzuführen.181 Im Rahmen des § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F. stellte sich (und stellt sich immer noch) die Frage des verfassungsrechtlichen Umgangs mit sogenannten Renegade-Fällen. Die von der damaligen Bundesregierung eingebrachte Regelung des § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F. erlaubte den Waffengebrauch von Streitkräften gegen meist von Terroristen gekaperte Flugzeuge. Das ursprünglich behauptete Verbot der Verwendung von militärischen Waffen182 korrigierte das Bundesverfassungsgericht in einer Plenarentscheidung.183 Nicht erlaubt bleibt jedoch „die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt [mangels] Eingriffsgrundlage“184. Hierbei tenorierte das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der damaligen Eingriffsbefugnis des § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F., dass dies zu einer Nichtigkeit im Sinne von § 78 BVerfGG führt.185 Alternativ hätte man daran denken können § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F. lediglich für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären, wenn durch Nichtigkeitserklärung ein Zustand vorgelegen hätte, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt gewesen wäre.186 Die durch die Nichtigerklärung hervorgerufene fehlende Eingriffsbefugnis und somit bestehende Schutzlücke wurde jedoch nicht als solch ein 180

Teil 4 Kapitel 2 A. II. 2. und III. 1.; Teil 4 Kapitel 3 B. I. 2. c). BVerfGE 115, 118; 132, 1; BVerfGE 133, 241; vgl. vertiefend Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum. 182 BVerfGE 115, 118 (146). 183 BVerfGE 133, 241 (262). 184 A. a. O. (267); eine Bestätigung dieser Rechtsprechung findet sich explizit in BVerfGE 126, 55 (72). 185 BVerfGE 115, 118 (139): „§ 14 Abs. 3 LuftSiG ist mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 87a Abs. 2 und Art. 35 Abs. 2 und 3 sowie in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig.“ 186 Vgl. Zuck, in: Lechner/Zuck (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 78 Rn. 9. 181

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Zustand interpretiert. Vielmehr wurde schon in der Entscheidung zu § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F. die folgende Schutzlücke wohl vorsätzlich in Kauf genommen. Besonders deutlich wird hierbei die Plenarentscheidung zum LuftSiG 2012. Dass durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F. kein umfassender Schutz gewährt wird, schwebte dem Bundesverfassungsgericht ausdrücklich vor, wenn es formulierte: „wenngleich Schutzlücken offen bleiben“.187

Die explizit angesprochene Schutzlücke rechtfertigt für das Bundesverfassungsgericht kein anderes Auslegungsergebnis.188 Schutzlücken können demnach eindeutig bestehen und sind – zumindest für die Judikative – hinzunehmen. Eine Verfassungsauslegung, die sämtliche Schutzlücken beseitigt, ist auch aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts nicht notwendig. Ein Auslegungsdogma hin zu einem lückenlosen Schutz besteht nicht. Auch mögliche Schutzlücken setzten nicht die Grenzen einer verfassungsmäßigen Auslegung durch die Judikative aus.189 Damit möchte das Bundesverfassungsgericht das Bestehen von Schutzlücken nicht fördern oder gar positiv bewerten. Vielmehr soll eine Begrenzung der Verfassungsauslegung durch die Judikative gesetzt werden, welche einhergeht mit einem Auftrag an die Legislative, solchen möglichen Schutzlücken zu begegnen.190 187

BVerfGE 133, 241 (267). A. A.: Depenheuer, Zwischen polizeilicher Gefahrenabwehr und militärischer Verteidigung, ZG 2008, 1 (3). 189 A. A.: Wolff, Der verfassungsrechtliche Rahmen für den Einsatz der Bundeswehr im lnnern zur Terrorismusbekämpfung und zum Schutz ziviler Objekte, ThürVBl. 2003, 176 (177), nachdem zwar „der Schluss von der Aufgabe bzw. der Fähigkeit auf die Befugnis, die dieser Überlegung zu Grunde liegt, grundsätzlich nicht möglich ist“, aber zur Gewährung „ein[es] effektive[n] Schutz[es] der inneren Sicherheit“ der „Staat mitunter Maßnahmen ergreifen muss [und darf], die er bei formalkorrekter Auslegung aufgrund der sorgfältigen Gliederung der Staatsgewalt in verschiedene Funktionen und der Zuweisung zu verschiedenen Hoheitsträgern eventuell überhaupt nicht, oder zumindest nicht durch dieses Organ vornehmen dürfte.“ 190 Wohl am wenigsten überzeugend erscheint es, auf Grund politischer Differenzen im Bundestag eine Erweiterung der judikativen Auslegungsbefugnis anzunehmen; vgl. Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14: „Zwar muss auch der verfassungsändernde Gesetzgeber seinen Beitrag für eine zeitgemäße Wehrverfassung leisten; wenn dies aber aus politischen Gründen nicht möglich ist [bspw. wegen Zerstrittenheit innerhalb der Legislative], muss Interpretation das gegebene Verfassungsrecht gemäß dem effet utile-Grundsatz im Sinne effektiver Verteidigung auslegen.“ [vgl. dies wiederholend: ders., Zwischen polizeilicher Gefahrenabwehr und militärischer Verteidigung, ZG 2008, 1 (3)]. Wenn der Gesetzgeber durch politische Differenzen sich nicht auf eine Änderung einigen kann, ergibt dies keine Kompetenz zu einer erweiterten Reichweite der Verfassungsauslegung. Andernfalls würde für den Kernbereich legislativer Funktionszuweisung eine subsidiäre Kompetenz der Judikative angenommen. Wenn der Gesetzgeber sich entscheidet, etwas nicht zu regeln, kann sich nicht die Rechtsanwendung mit ihren Mitteln darüber hinwegsetzen. Eine solche Annahme ist nicht mit dem Prinzip der Gewaltenteilung vereinbar; vgl. Grzeszick, in: Dürig/Herzog/ Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 101. Ebenso ändert sich nicht der normative Gehalt der Verfassung, wenn der Gesetzgeber nichts unternimmt. Die Möglichkeit einer Verfassungsänderung zur Schließung möglicher Schutzlücken spricht das Bundesverfassungsge188

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cc) Historischer Vergleich zur Entstehung des Art. 35 Abs. 2, 3 S. 1 GG a. F. Auch ein Vergleich zur Auslegung des Verteidigungsbegriffs aus Art. 87a GG a. F. und Einführung des Art. 35 Abs. 2, 3 S. 1 GG a. F. bestätigt die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts.191 Die Relevanz der Auslegung des Verteidigungsbegriffs aus Art. 87a GG a. F. für den Art. 87a GG n. F. besteht darin, dass bei der Neufassung der Verteidigungsbegriff „[o]hne wesentliche sachliche Änderung“192 gleichermaßen bestehen blieb. Der Verteidigungsbegriff von 1956 ist somit im Wesentlichen der heutige nach 1968 geltende Verteidigungsbegriff.193 Der Hintergrund der Einführung des Art. 35 Abs. 2, 3 S. 1 GG a. F. und der Schaffung einer Einsatzkompetenz für eine Streitkräfteverwendung bei Naturkatastrophen durch die Notstandsnovelle 1968 war unter anderem die Hamburger Flutkatastrophe von 1962.194 Dort bestand ein Zustand von Gefährdungen oder Schädigungen von Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder Sachgütern von bedeutendem Wert oder existenzieller Bedeutung, die durch die für die Gefahrenabwehr ordentlich zuständigen Kräfte nicht abgewehrt werden konnten.195 Nach damaligem (und wohl entsprechend auch heutigem) Verfassungsverständnis war eine Verwendung der Streitkräfte 1962 verfassungswidrig.196 Dies belegen nicht nur Aussagen des damaligen Ersten Bürgermeisters der Stadt Hamburg Schmidt, der sein eigenes Vorgehen „grundgesetzwidrig“ nannte,197 sondern wird auch durch das Verständnis der Bundesregierung untermauert.198 Eine Vergleichbarkeit der damaligen Situation einer Naturkatastrophe mit einer heutigen fiktiven Situation einer Naturkatastrophe besteht darin, dass auch vor 1968 richt zudem explizit in der G8-Heiligendamm-Entscheidung [BVerfGE 126, 55 (69)] an: „Im Fall einer Überschreitung der Grenzen des Art. 87a Abs. 2 GG wäre zur Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes vielmehr eine Verfassungsänderung erforderlich gewesen.“ 191 Art. 35 Abs. 2, 3 S. 1 GG a. F. ist im Wesentlichen der aktuelle Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG. Lediglich Satz 1 kam zum damaligen Art. 35 Abs. 2 GG a. F. hinzu, wodurch sich der Inhalt des Abs. 2 a. F. in den heutigen Abs. 2 S. 2 verschob; vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/ Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 39. 192 BT-Drucks. V/2873, S. 13. 193 Vgl. zur historischen Entwicklung vertiefend: Tönnies, Der Weg zu den Waffen; Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 1 ff. 194 Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 37. 195 Sattler, Gefahrenabwehr im Katastrophenfall, S. 26; ebenso: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 260. 196 Vgl. Dederer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 101; zur Notwendigkeit des Einsatzes: Bericht des vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg berufenen Sachverständigenausschusses zur Untersuchung des Ablaufs der Flutkatastrophe, 1962, S. 45. 197 Schmidt, BT-PlProt V/175, vom 16. 5. 1968, S. 9444: „Damals allerdings gaben wir jedenfalls im Bewußtsein der Grundgesetzwidrigkeit Weisungen, von denen ich sprechen will.“ 198 Vgl. BT-Drucks. V/1879, S. 7: „Sondervorschriften für den Fall von Naturkatastrophen enth[ie]lt das Grundgesetz überhaupt nicht.“

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das Gefahrenpotential von Naturkatastrophen, wie Fluten, bekannt war. Eindeutig führte jedoch das Vorliegen einer Gefahrensituation durch die drohende Flut nach damaligem Verständnis des Verteidigungsbegriffs nicht dazu, dass aus dem Verteidigungsbegriff eine Einsatzkompetenz folgte. Die von Ersten Bürgermeister Schmidt – sicherlich angebrachte – angeordnete Einsatzverwendung der Streitkräfte war nicht verfassungsgemäß. Dadurch wurde eindeutig eine damalige rechtliche Schutzlücke festgestellt, welche im Rahmen der Notstandsnovelle 1968 durch den Gesetzgeber mit Einführung des Art. 35 Abs. 2, 3 S. 1 GG a. F. geschlossen wurde. Wenn sich nun der Verteidigungsbegriff im Jahre 1962 nicht wesentlich zum heutigen geändert hat und eine (damals) nicht erfasste Gefahrensituation und dadurch bestehende Schutzlücke nicht zu einer umfassenden Auslegung des Verteidigungsbegriffs geführt hat, so drängt sich der Schluss auf, dass auch heute der fortbestehende Verteidigungsbegriff nicht zwangsweise alle Gefahrensituationen erfasst, sondern Schutzlücken offenlassen kann bzw. offenlässt.199 Das Grundgesetz erfasste damals „neuartige“ bzw. nicht explizit geregelte Gefahrenerscheinungen nicht automatisch. Auch wenn der Verteidigungsbegriff sich interpretationsoffen200 darstellt, sind daher nicht sämtliche „neuartigen“ und nicht explizit geregelten Gefahrenerscheinungen, wie internationaler Terrorismus, automatisch und zwangsläufig erfasst.201 dd) Gesellschaftliches und internationales Verständnis der Bundesrepublik zur Entstehungszeit Zudem ist das entstehungshistorische Grundtelos der Wehrverfassung zu berücksichtigen. Zur Bedeutung entstehungsgeschichtlicher Motive für eine methodische Auslegung bestehen teils diametral auseinanderliegende Bewertungen. Die Problematik lässt sich hierbei zusammenfassen als Abwägung, ob bei der Methode der Verfassungsauslegung und beim Verstehen der Verfassung eher auf den Willen des ursprünglichen Verfassungsgebers und des verfassungsändernden Gesetzgebers oder eher auf objektive Erfordernisse der Gegenwart (Verfassung als „living instrument“) abzustellen ist.202 Möchte man methodisch die historischen Entstehungsmaterialien nicht für obsolet erklären und zugleich jegliche „neuartige“ Gefahrensituation miteinbeziehen können, müsste man eine sehr weite und offene Interpretation des historischen Verteidigungsbegriffs von 1968 vertreten. Dies würde 199

Vgl. ebenso: Schoch, Verfassungsrechtliche Anforderungen an den Einsatz der Streitkräfte im Inland, JURA 2013, 255 (266); Ladiges/Glawe, Eine dramatische Vorstellung: Zum bewaffneten innerdeutschen Einsatz der Streitkräfte bei Terrorgefahr, DÖV 2011, 621. 200 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 4; Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 50. 201 Hierzu Fn. 190. 202 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 3; vgl. vertiefend: Herdegen, Verfassungsinterpretation als methodische Disziplin, JZ 2004, 873.

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jedoch einem historisch bedingten restriktiven Verständnis des Verteidigungsbegriffs widersprechen.203 Die wehrverfassungsrechtlichen Normen entstammen einem Zeitgeist, der von den Folgen des Zweiten Weltkrieges gezeichnet und geprägt war.204 Sowohl im Jahre 1956 als auch noch im Jahre 1968 bestand ein weitreichendes gesellschaftliches und internationales Misstrauen deutschen Streitkräften gegenüber.205 Entsprechend restriktiv sind daher die Einsatzmöglichkeiten der deutschen Streitkräfte zu verstehen.206 Sollte das deutsche Wehr- und militärische Selbstverständnis der 1950er und 1960er knapp siebzig Jahre später zu Anwendungsdefiziten führen, so nivelliert dies nicht das zu Grunde liegende wehrverfassungsrechtliche Verständnis.207 Das wehrverfassungsrechtliche Verständnis der 1950er und 1960er Jahre und dadurch auch der Verteidigungsbegriff, dessen Entstehung in diese Zeit fällt, war, historisch bedingt durch zwei Weltkriege, restriktiv. Würde jedoch ein weites und offenes Wehrverständnis unterstellt, würde dies zu weitreichenden Einsatzszenarien und relativ unbestimmten Kriterien, wie „ausreichend intensive Gefahr“, führen. Ein solches Verständnis lässt sich nicht mit dem gesellschaftlichen und politischen Verständnis der damals neu gegründeten Bundesrepublik, insbesondere im internationalen Kontext, vereinbaren. Auch wenn sich das gesellschaftliche und internationale (Selbst-)Verständnis der Bundesrepublik gewandelt hat, vermag dies dennoch nicht derart weit reichen, um das normative Wesen der Wehrverfassung gleichermaßen zu verändern.208 Vielmehr wäre die Folge, dass, unterstellt die Ein-

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A. A. Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14, der sich vielmehr für eine dynamische Verfassungsinterpretation ausspricht. 204 Tönnies, Der Weg zu den Waffen, S. 134 ff.; vgl. zur Entstehungsgeschichte: Kutscha, Verteidiung- vom Wandel eines Verfassungsbegriffs, KJ 2004, 228 (229 ff.). 205 Barth/Pfau/Streif, Sicherheitspolitik und Bundeswehr, S. 155 f.; vgl. die ausführliche und hitzige Diskussion im Bundestag hinsichtlich der Wiederbewaffnung: BT-PlProt II/17, vom 26. Februar 1954, S. 552 (A) ff.; BT-PlProt II/132, vom 06. März 1956, S. 6819 (A) ff. und BTPlProt V/178, vom 30. Mai 1968, S. 9606 (D) ff.; Dau, Die Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZWehrr 2011, 1 (3 ff.). 206 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 71; a. A. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 2; Depenheuer, in: Dürig/Herzog/ Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14. 207 Hierbei stellt sich wiederum die methodische Frage der Relevanz historischer Auslegungsmaterialien für einen Verfassungsbegriff. In der Luftsicherheitsgesetz-Entscheidung des BVerfG stellte dieses bei der Auslegung des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG explizit auf die „Entstehungsgeschichte“ ab; BVerfGE 115, 118 (147 und 151). 208 Vgl. zur grundlegenden Auslegungsproblematik: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 3; ebenso: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 2.

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satzmöglichkeiten des Verteidigungsbegriffs seien zu beschränkt und zu begrenzt, eine Handlung des Gesetzgebers erforderlich ist.209 e) Zwischenergebnis Ein Auslegungsergebnis hin zu einer rein gefahrenabwehrbezogenen Auslegung rechtfertigt sich nicht dadurch, dass andernfalls Schutzlücken bestehen könnten. Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind diese – wenn auch nicht wünschenswert – explizit möglich. Gleiches ergibt sich aus dem hier vertretenen Auslegungsergebnis, welches die historischen Materialien berücksichtigt. Bei Annahme einer möglichen Schutzlücke ist ein normsetzendes Handeln des Gesetzgebers essentiell; eine Verfassungsauslegung kann hier nicht eine potentielle Lücke schließen.210 Zudem würde eine rein gefahrenbezogene Auslegung des Verteidigungsbegriffs gegen die kompetenzrechtliche Wertung des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG sprechen, die selbst bei einer drohenden Gefahr für den Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine primäre Zuständigkeit bei den Landes- und gegebenenfalls angeforderten und eingesetzten Bundespolizeikräften sieht. Hierdurch lässt sich Verteidigung konkretisieren als Abwehr eines Angriffs, der bestimmte besondere Anforderungen erfüllt. Zwar kann auch ohne diese besonderen Anforderungen ein Angriff existieren. Verteidigungsfähig ist dieser jedoch erst, wenn er auch die notwendigen Anforderungen erfüllt. 3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die Notwendigkeit besonderer Anforderungen unterstellt auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Diese Anforderungen variieren je nach zeitlichem und inhaltlichem Kontext zwischen „bewaffnet“211, „militärisch“212 und 209 Vgl. hierzu im Überblick: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren, WD 2-3000-023/15, S. 14 ff.; verdeutlicht werden soll durch dieses Zwischenergebnis generell, dass der objektive Norminhalt sich nicht durch eine praktische Anwendbarkeit bedingt. Die Frage der praktischen Anwendbarkeit des festgestellten objektiven Norminhalts ist eine Frage der subjektiven Bewertung der Norm. Eine Beeinflussung des objektiven Normgehalts durch subjektive Wertung besteht dogmatisch nicht. Dies bedeutet, wenn der Norminhalt des Verteidigungsbegriffs festgestellt wurde, schließt sich hier die subjektive Wertungsfrage der Praktikabilität an. Ergibt sich hierbei eine eingeschränkte Praktikabilität, ändert dies nicht den objektiven Norminhalt, sondern ergibt einen Auftrag an den normsetzenden Gesetzgeber, tätig zu werden. Die Frage der Praktikabilität ist somit strikt von der Normauslegung zu trennen. Bei der Bestimmung des objektiven Norminhalts der Wehrverfassung spielen Aspekte der Praktikabilität keine Rolle. Sie sind bei der Normauslegung grundsätzlich nicht zu beachten, sondern einzig bei der anschließenden Bewertung des Norminhalts. 210 Vgl. Fn. 190. 211 Bspw.: BVerfGE 48, 127 (160); 69, 1 (22); 77, 170 (221).

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„von außen“213. Hierbei lässt sich jedoch keine einheitliche Linie erkennen. Vielmehr wurde durch das explizite Offenhalten in der Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung deutlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht gerade nicht diesbezüglich positionieren möchte.214 Die Rechtsprechung lässt daher keine Rückschlüsse auf die Anforderungen, die sie an den Angriff i. S. d. Art. 87a GG stellt, zu. 4. Völkerrechtliche Bestimmung a) Literaturstimmen In der Literatur werden teils völkerrechtliche Normen für die Bestimmung der Anforderung an einen Angriff und hierdurch mittelbar die Bestimmung des Verteidigungsbegriffs für maßgeblich gehalten.215 Wann ein Angriff vorläge, bestimme sich inhaltlich durch Völkerrecht, wobei meist Art. 51 VN-Charta herangezogen wird.216 Der Verteidigungsbegriff sei daher letztlich eine Verweisnorm auf Völkerrecht. In der Striktheit und dem Umfang der Verweisung bestehen Varianzen. Dies liege daran, dass das Völkerrecht bezogen auf wehrrechtliche Szenarien einfach „offener oder klüger“217 sei. Da das Völkerrecht besser in der Lage sei auf neuartige wehrrechtliche Bedrohungslagen einzugehen, sei der Verteidigungsbegriff völkerrechtlich auszulegen. Am deutlichsten positioniert sich dahingehend Hernekamp, der Verteidigung als „eine ausschließlich völkerrechtskonforme Verwendung deutscher Streitkräfte“ beschreibt.218 Der „Verteidigungsbegriff [sei] von seiner traditionellen Fixierung auf militärische Angriffe im Staatenkrieg zu lösen und interpretatorisch weiterzuent212

Bspw.: BVerfGE 77, 170 (221); 118, 224 (264). Bspw.: BVerfGE 118, 224 (264). 214 BVerfGE 90, 286 (355). 215 Vgl. bspw.: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 61, Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24, wonach „sämtliche Konstellationen der Verteidigung nach Art. 51 UN-Charta“ erfasst seien, Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 11, nach dem Verteidigung „im Regelfall die Abwehr oder Abschreckung eines Aggressors im Sinne der UNDefinition von 14. 12. 1974“ sei, Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 10; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 4 m. w. N. 216 So explizit bspw.: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 61; auch: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 6; im Ergebnis ebenso: Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrr 2003, 101 (109), der einen Kombattantenstatus der Angreifenden für erforderlich hält und diese durch das Erste Zusatzprotokoll der Genfer Konvention vom 12. 08. 1949 oder das Dritte Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen vom 12. 08. 1949 konkretisiert. 217 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 11. 218 Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 4. 213

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wickeln, [dies] gebiete[n] globalisierte Bedrohungspotentiale nicht erst seit 9/11“.219 Demnach seien die Anforderungen an einen Angriff sowie der Verteidigungsbegriff rein völkerrechtlich zu verstehen. Neben der Ansicht Hernekamps lässt sich eine Vielzahl ähnlicher Bestimmungen des Verteidigungsbegriffs durch völkerrechtliche Normen feststellen. Auch wenn Autoren sich vermeintlich unmittelbar auf den Verteidigungsbegriff beziehen, werden hierdurch, sofern ein Angriff vorausgesetzt wird, letztlich nur Anforderungen an einen Angriff beschrieben. Diese Ansichten rekurrieren hinsichtlich der Angriffsanforderungen und dadurch der Reichweite des Verteidigungsbegriffs im Wesentlichen auf Art. 51 VN-Charta.220 Nach Heun muss ein Angreifender ein „Aggressor […] im Sinne der UN-Definition vom 14. 12. 1974“ sein.221 Auch wenn ein das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 VN-Charta auslösender Angriff vorliege, sei Verteidigung gegeben.222 Epping sieht als „Gegenstand des Art. 87a […] allein die Abwehr von Angriffen im vordefinierten Sinne“.223 Dieser vordefinierte Sinn von Angriffen ergebe sich aus Art. 51 VN-Charta.224 Verteidigung sei als „die Verteidigung im Rahmen des Art. 51 UN-Charta einschließlich des sog. Bündnisfalls“225 zu verstehen. Vergleichbar beschreibt auch Ladiges Verteidigung. Sie sei „maßgeblich nach den Grundsätzen des Selbstverteidigungsrechts gemäß Art. 51 UN-Charta auszulegen“.226 Demnach könne „ein bewaffneter Angriff im Sinne des Art. 51 UN-Charta auf Grundlage des Verteidigungsauftrages bekämpft werden“.227 Gleichermaßen äußert sich Herdegen, nach dem „sich ein Gleichlauf mit dem Völkerrecht in dem Sinne an[bietet], dass das verfassungsrechtliche Mandat der Verteidigung zumindest alle im Rahmen der UNCharta (Art. 51 UN-Charta) stehenden Maßnahmen der Selbstverteidigung deckt.“228 Hierdurch sei „eine dynamische Anpassung des grundgesetzlichen Verteidigungs-

219 Ebd. m. w. N. auf Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 11; Wiefelspütz, Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland, AöR 132 (2007), 44; ders., Verteidigung und Terrorismusbekämpfung durch die Streitkräfte, NZWehrr 2007, 12. 220 Art. 51 VN-Charta lautet: „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.“ 221 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 11. 222 A. a. O., Rn. 13. 223 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 8. 224 Ebd. 225 A. a. O., Rn. 6. 226 Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 61. 227 A. a. O., S. 119. 228 Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 87.

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begriffs an sich verändernde internationale Konfliktlagen gesichert.“229 Mit vergleichbarer, wenngleich auch genereller gehaltener Argumentation äußert sich Wolff, nach dem Angriffe, die „die individuelle und kollektive Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta“ auslösen, von Verteidigung nach Art. 87a GG erfasst seien.230 Eine Notwendigkeit der Beachtung völkerrechtlicher Normen bei den Angriffsanforderungen sehen auch Baldus/Müller-Franken, da „Auslegung und Anwendung des Verteidigungsbegriffs […] in besonderer Weise durch das Gebot der völkerrechtskonformen Auslegung“ bestimmt seien.231 Denn „[b]ei Auslegung im Lichte der Art. 51 UN-Charta und Art. 5 NATO-Vertrag hand[le] es sich bei der Abwehr solcher Attacken um Verteidigung i. S. v. Art. 87a Abs. 2“.232 Auch Pieroth sieht einen weitergehenden Bestimmungsgehalt aus dem Gebot der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und der völkerrechtsfreundlichen Interpretation des nationalen Rechts.233 „Der Angriff […] [und somit die] Verteidigung umfasst danach über die Landesverteidigung hinaus die Bündnisverteidigung gem. Art. 5 NATO-Vertrag, Art. 5 WEU-Vertrag und die individuelle und kollektive Selbstverteidigung gem. Art. 51 UN-Charta.“234 Krieger scheint ebenso eine jedenfalls teilweise Bestimmung durch völkerrechtliche Normen vorauszusetzen, da nach dieser die Abwehr terroristischer Angriffe, die „das Ausmaß eines bewaffneten militärischen Angriffs“ und eine Ausübung des Selbstverteidigungsrechts nach Art. 51 VNCharta begründen, Verteidigung sei.235 Auch Kokott sieht unter dem Ausgangspunkt der kollektiven Verteidigung eine notwendige Beachtung des Art. 51 VN-Charta.236 So könne bspw. „ein Angriff auf einen Bündnispartner […] demnach Grundlage für einen Einsatz der Streitkräfte ,zur Verteidigung‘ sein.“237 Ähnlich sieht auch Hillgruber Verteidigung als gegeben an, wenn ein Angriff „die Ausübung des völkerrechtlichen Nothilferechts nach Art. 51 SVN außerhalb eines Bündnissystems“ ermögliche.238 Würde ein Angriff einen „Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung im Rahmen des NATO-Bündnisses unter Art. 24 II [rechtfertigen], so […] [sei ebenso die] Verteidigungskompetenz nach Art. 87a I 1“ gegeben.239 229

Ebd. Wolff, in: Hömig/Wolff/Seifert u. a. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 12. 231 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 41. 232 A. a. O., Rn. 51. 233 Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 10. 234 A. a. O., Rn. 11. 235 Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 13. 236 Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 25. 237 Ebd. 238 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 23. 239 A. a. O., Rn. 22. 230

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Im Zusammenhang mit einer völkerrechtlichen Auslegung des Verteidigungsbegriffs ist auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu berücksichtigen.240 Hinsichtlich eines möglichen Dienstpflichtverstoßes eines Soldaten wurde mit Verweis auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des Art. 87a GG ausgeführt: Auf Grund von Wortlaut und Entstehungsgeschichte sei „davon auszugehen, dass ,Verteidigung‘ alles das umfassen soll, was nach dem geltenden Völkerrecht zum Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen (UN-Charta), der die Bundesrepublik Deutschland wirksam beigetreten ist, zu rechnen ist.“241 Der Einsatz der Bundeswehr „zur Verteidigung“ [sei] mithin stets nur als Abwehr gegen einen ,militärischen Angriff‘ (,armed attack‘ nach Art. 51 UNCharta) erlaubt.“242 Demnach sollen sich die Anforderungen an einen Angriff i. S. d. Art. 87a GG nach Art. 51 VN-Charta richten. b) Die Reichweite des Gebotes völkerrechtsfreundlicher Auslegung Die Heranziehung völkerrechtlicher Normen, insbesondere des Art. 51 VNCharta, zur Auslegung des Verteidigungsbegriffs beruht, wie Baldus/Müller-Franken es explizit anführen, auf dem im Grundgesetz verankerten „Gebot völkerrechtskonformer Auslegung“.243 Die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes verankert sich dabei in verschiedenen Stellen der Verfassung.244 Zur normativen Begründung der Völkerrechtsfreundlichkeiten werden neben der Präambel des Grundgesetzes, auf die Art. 1 Abs. 2, 23 Abs. 1, 24 Abs. 1 bis 3, 25, 26, 59 Abs. 2 und 100 Abs. 2 GG verwiesen.245 Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu an: „Das Grundgesetz ordnet den von ihm verfassten Staat in eine freiheits- und friedenswahrende Völkerrechtsordnung ein. […] es ordnet [jedoch] nicht die Unterwerfung der deutschen Rechtsordnung unter die ,Völkerrechtsordnung‘ und den unbedingten Geltungsvorrang von Völkerrecht vor dem Verfassungsrecht an, sondern will den Respekt vor friedens- und freiheitswahrenden internationalen Organisationen und dem Völkerrecht erhöhen, ohne die letzte Verantwortung für die Achtung der Würde des Menschen und die Beachtung der Grundrechte durch die deutsche öffentliche Gewalt aus der Hand zu geben […]. [Es verbleibt die sich aus der] Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ergebende Pflicht, das Völkerrecht zu respektieren.“246

240

BVerwGE 127, 302. A. a. O., Rn. 107. 242 Ebd. 243 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 41. 244 Vertiefend hierzu: Knop, Völker- und Europarechtsfreundlichkeit als Verfassungsgrundsätze; Abend, Grenzen der Völkerrechtsfreundlichkeit; Payandeh, Grenzen der Völkerrechtsfreundlichkeit, NJW 2016, 1279. 245 Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 24. 246 BVerfGE 112, 1 (25 f.). 241

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Ein starrer Verweis im Verteidigungsbegriff auf das Völkerrecht, wie bspw. zum völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrecht aus Art. 51 VN-Charta gefordert247, lässt sich aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes nicht ableiten.248 Der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG kann nicht mit dem (Selbst-)Verteidigungsbegriff des Art. 51 VN-Charta gleichgesetzt werden.249 Die Anforderungen an einen Angriff bemessen sich dadurch nicht an bspw. Art. 51 VN-Charta. Dagegen spricht nicht nur die Normenhierarchie der Verfassung, sondern auch der eigentliche Inhalt der Völkerrechtsfreundlichkeit.250 Denn Völkerrechtsfreundlichkeit bedeutet zwar eine Respektierung des Völkerrechts, aber kein Gleichsetzen.251 Vielmehr stehen grundsätzlich die Normen des Völkerrechts nach Art. 25 S. 2 GG rangmäßig unterhalb der Verfassung.252 Eine Respektierung des Völkerrechts mag zwar tendenzielle Hinweise zu einem Verfassungsverständnis eines Angriffs liefern, ersetzt diese jedoch nicht. Hierdurch wird zwar nicht jegliche Orientierung aus dem Völkerrecht ausgeschlossen, jedoch ist eine Verweisung bezüglich des Inhalts des Verteidigungsbegriffs auf Art. 51 VN-Charta nicht möglich. c) Übertragung der Rechtsprechung zum wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbegriff Eine inhaltliche Bestimmung der Anforderungen an einen Angriff und somit des Verteidigungsbegriffs durch Verweis auf völkerrechtliche Normen widerspricht zudem den Auslegungsquellen der Wehrverfassung. Ausschlaggebend ist hierbei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Einsatzbegriff des Art. 87a GG. Der ebenso in Art. 87a GG verankerte Einsatzbegriff steht mit dem Verteidigungsbegriff in engem Konnex. In der AWACS-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beschäftigte sich dieses mit dem Einsatzbegriff des Art. 24 Abs. 2 GG. Hierbei führte das Bundesverfassungsgericht explizit aus, dass ein „,Einsatz bewaffneter Streitkräfte‘ ein

247

Rn. 4. 248

Vgl. Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG,

Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 46, welche dies als „dynamische Verweisung“ verstehen und ablehnen. 249 Vgl. Talmon, Die Grenzen der Anwendung des Völkerrechts im deutschen Recht, JZ 2013, 12 (17). 250 Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 25 GG, Rn. 27. 251 Vgl. Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 25, Rn. 8; Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24, Rn. 9. 252 Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 25 GG, Rn. 27; Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 78.

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verfassungsrechtlicher Begriff [ist], dessen Konkretisierung von der völkerrechtlichen Grundlage des konkreten Einsatzes nicht unmittelbar abhängt“.253 Die Aussage verdeutlicht, dass der Einsatzbegriff verfassungsrechtlich zu verstehen ist.254 Der inhaltliche Gehalt dieser Aussage ist dabei auf den Verteidigungsbegriff übertragbar. Sowohl der Verteidigungsbegriff als auch der Einsatzbegriff sind explizit, insbesondere in Art. 87a Abs. 2 GG, benannte Begriffe. Gemeinsam bilden der Einsatz- und der Verteidigungsbegriff die zentrale Einsatzbefugnis der Wehrverfassung.255 Entsprechend stehen sie in enger Konnexität, wie schon die gegenseitige Bezugnahme und Juxtaposition in Art. 87a Abs. 2 GG verdeutlicht.256 Wegen dieser Verbundenheit der Begriffe ist die Aussage des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des Einsatzbegriffs auch auf den Verteidigungsbegriff zu übertragen.257 Denn andernfalls würde durch eine völkerrechtliche Bestimmung des Verteidigungsbegriffs der verfassungsrechtliche Bestimmungsgehalt des Einsatzbegriffs mittelbar „vervölkerrechtlicht“. Zwar wird im Rahmen der erwähnten AWACS-Entscheidung auf eine völkerrechtliche Grundlage für einen Einsatz abgestellt258, jedoch nur auf die hierbei herangezogene Grundlage des Art. 24 Abs. 2.259 Ein Rückschluss, dadurch eine völkerrechtliche Bestimmung des Verteidigungsbegriffs vorzunehmen, ist nicht möglich. Denn die Einsatzbefugnisse aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und Art. 24 Abs. 2 GG haben getrennte Anwendungs- und Regelungsbereiche.260 Würden sich der Verteidigungsbegriff ebenso wie Art. 24 Abs. 2 GG inhaltlich durch identische völkerrechtliche Normen bestimmen, so läge eine Deckungsgleichheit der Anwendungsbereiche von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und Art. 24 Abs. 2 GG vor.261 Dies würde jedoch dem Prinzip der Trennung der Anwendungs- und Regelungsbereiche als Idee einer systematischen Auslegung widersprechen.262 253

BVerfGE 121, 135 (156). Vgl. Dreist, AWACS-Einsatz ohne Parlamentsbeschluss?, ZaöRV 64 (2004), 1001 (1021 ff.). 255 Vgl. Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 59. 256 Ebenso: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30; Rehage, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, S. 45 ff. 257 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39, welche von einem „Verfassungsbegriff“ sprechen. 258 BVerfGE 121, 135 (156). 259 Vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 16. 260 Teil 2 Kapitel 2 C. III.; Calliess, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 2 GG, Rn. 75, 98. 261 Vgl. zur Trennung von Art. 87a GG und Art. 24 Abs. 2 GG: Fink, Verfassungsrechtliche und verfassungsprozeßrechtliche Fragen in Zusammenhang mit dem Kosovo-Einsatz der Bundeswehr, JZ 1999, 1016 (1018). 262 Vgl. Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 129: „Das zweite Postulat [der Nichtredundanz] der systematischen Auslegung besagt, dass es im Gesetz keine Norm gibt, die deshalb überflüssig ist, weil ihr gesamter Anwendungsbereich bereits in einer anderen Norm enthalten ist, die die gleiche Rechtsfolge anordnet.“ Sowohl Art. 87a GG als auch Art. 24 254

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Die unterschiedliche Bestimmung des Inhalts der Einsatzbefugnisse, Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG verfassungsrechtlich und Art. 24 Abs. 2 GG völkerrechtlich, verdeutlicht auch einen wesentlichen Unterschied zwischen den Einsatzgrundlagen. Während Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG einen ausdrücklichen, abschließenden („Verteidigungs“-)Begriff als inhaltlichen Umfang definiert, ist in Art. 24 Abs. 2 GG dagegen kein expliziter Begriff zur Bestimmung des inhaltlichen Umfangs der Einsatzgrundlage genannt. Die Einsatzgrundlage des Art. 24 Abs. 2 GG kann sich dadurch nur durch Verweis ergeben.263 Der Verweis auf völkerrechtliche Grundlagen ist der fehlenden Aussage des Grundgesetzes geschuldet. Anders verhält sich dagegen Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, welcher mit dem Begriff der Verteidigung einen ausdrücklichen Begriff voraussetzt. Im Gegensatz zu Art. 24 Abs. 2 GG ist dadurch kein Verweis auf völkerrechtliche Normen, wie die Regeln eines Systems gegenseitiger, kollektiver Sicherheit, zur Bestimmung des inhaltlichen Umfangs der Einsatzgrundlage notwendig.264 d) Einordnung in ein (wehr-)verfassungsrechtliches System Für eine verfassungsrechtliche und gegen eine völkerrechtliche Bestimmung der Anforderungen an einen Angriff spricht zudem die Systematik der Wehrverfassung. Da jede Norm innerhalb der Verfassung einen eigenständigen Anwendungsbereich hat, damit diese nicht redundant ist, lässt sich ein Norminhalt durch Abgrenzung zu anderen Normen negativ bestimmen.265 Der Anwendungsbereich der Einsatzbefugnisse der Art. 87a Abs. 3, 4 S. 1 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG darf entsprechend nicht vollständig unter den Anwendungsbereich des Verteidigungsbegriffs fallen.266 Andernfalls wäre die jeweilige Einsatzbefugnis inhaltsleer und es hätte in der Notstandsnovelle 1968 keiner Einführung dieser Befugnisse bedurft. Zudem normiert Art. 87a Abs. 2 GG eine Subsidiarität anderer Einsatzbefugnisse zum Verteidigungsbegriff.267 Nur wenn der Verteidigungsbegriff nicht einschlägig ist, können somit andere, subsidiäre Einsatzbefugnisse einschlägig sein.268 Hinsichtlich der Inhaltsbestimmung des Verteidigungsbegriffs liefern somit Abs. 2 GG ermöglichen als identische Rechtsfolge den Streitkräfteeinsatz. Daher müssen demnach unterschiedliche Anwendungsbereiche vorliegen. 263 Das Bundesverfassungsgericht umschreibt dies als „im Rahmen und nach den Regeln eines solchen Systems“, BVerfGE 121, 135 (157); vgl. Calliess, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 2 GG, Rn. 70 ff. 264 Vgl. Calliess, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 2 GG, Rn. 19, der sogar „System kollektiver Sicherheit“ aus Art. 24 Abs. 2 GG als rein verfassungsrechtlichen Begriff auslegt. 265 Vgl. Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 129 f. 266 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 236. 267 Depenheuer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 168 f. 268 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 69.

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

die Einsatzbefugnisse der Art. 87a Abs. 3, 4 S. 1 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG eine negative Bestimmung bezüglich der Anforderungen eines Angriffs.269 Das, was unter diese fällt, ist demnach kein tauglicher Angriff und somit nicht „Verteidigung“ i. S. d. Art. 87a GG. Diese weiteren Einsatzbefugnisse, insbesondere bspw. Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG, bestimmen sich rein durch Verfassungsrecht.270 Diese verfassungsrechtlichen Begriffe legen durch negative Abgrenzung den Verteidigungsbegriff und somit auch die Anforderungen an einen Angriff fest. In diesem System der wehrverfassungsrechtlichen Normen und Begriffe wäre eine völkerrechtliche Auslegung ein Fremdkörper. Die Zentralnorm der Wehrverfassung und die hierdurch definierten Anforderungen sind wegen der Wechselwirkung des Verteidigungsbegriffs zu anderen verfassungsrechtlichen Einsatzbefugnissen gleichermaßen rein verfassungsrechtlich auszulegen.271 e) Vergleich zur Etatbestimmung Eine systematische Bestätigung einer verfassungsrechtlichen Auslegung liegt darin, dass die Etatbestimmung des Art. 87a Abs. 1 S. 2 GG nicht völkerrechtlich bedingt wird.272 So bindet bspw. eine NATO-Vorgabe zur Rüstungsausgabenhöhe nicht den deutschen Haushalt und die Parlamentsautonomie.273 Da Art. 87a Abs. 1 S. 2 sich nicht völkerrechtlich bestimmt, liegt es systematisch nahe, auch den Verteidigungsbegriff in Art. 87a Abs. 1 S. 1 und dessen Anforderungen nicht rein völkerrechtlich zu bestimmen. f) Zirkelschluss einer völkerrechtlichen Auslegung Zudem erscheint die Logik, auf Grund derer sich eine rein völkerrechtliche Auslegung des Verteidigungsbegriffs und der Anforderungen an einen Angriff ergebe, zirkelschlüssig. Eine völkerrechtliche Auslegung wird exemplarisch deshalb angenommen, weil „[d]er Einsatz der Streitkräfte außerhalb des staatsinternen Gesetzesvollzugs […] indes nicht mehr allein den Bereich des nationalen Rechts, sondern vielmehr auch 269 Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. b) aa); vgl. Teil 4 Kapitel 1 A. III.; Teil 4 Kapitel 2 A. I. 4.; Teil 4 Kapitel 3 B. I. 2. c). 270 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 12; Dederer, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 106 f. 271 Vgl. bspw.: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 46, die von einen „Selbstbestand“ der Verfassung sprechen. 272 Vgl. Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 21. 273 Ebd.

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den Bereich des Völkerrechts [betreffe], weshalb der Begriff der Verteidigung über das im GG bereits angelegte Gebot der völkerrechtskonformen Auslegung zu bestimmen“ sei.274 Würde man diese annehmen, da Verteidigung nur „eine Reaktion auf staatsexterne militärische Gewaltanwendung“275 sei, ließe sich auf den ersten Blick eine Anwendung außerhalb staatsinterner Bereiche annehmen. An einen Angriff würde völkerrechtlich die Anforderung der Staatsexternität gestellt. Weil ein staatsexterner Angriff vorliegen müsse, läge zwangsweise eine Zwischenstaatlichkeit vor, welche eine völkerrechtliche Auslegung begründe. Die Anforderung an den Angriff als eine „staatsexterne militärische Gewaltanwendung“ ergäbe sich aus einer „völkerrechtskonformen Auslegung“.276 Eine völkerrechtliche Auslegung bedeute somit, dass ein staatsexterner Angriff vorliegen müsse. Dies führe zu einer Zwischenstaatlichkeit des Verteidigungsszenarios, was wiederum die völkerrechtliche Auslegung begründe. Die Folgen einer völkerrechtlichen Auslegung, die Notwendigkeit einer Staatsexternität und Zwischenstaatlichkeit des Angriffs, sollen hiernach die Anwendung der völkerrechtlichen Auslegung begründen. Diese Logik ist zirkelschlüssig, da sie ihre Anwendung nur durch ihre selbst zu bestimmenden Voraussetzungen begründet. Einen klaren, expliziten, konkreten Anknüpfungspunkt für solch eine völkerrechtliche Auslegung kann weder im Wortlaut des Art. 87a GG noch an anderer Stelle im Grundgesetz geliefert werden. Verweise auf eine „Gesamtschau der Präambel und Art. 24 bis 26 GG“277 wirken allenfalls noch als gut gemeinte, aber nicht überzeugende Versuche die Völkerrechtsfreundlichkeit zu verorten. Vielmehr scheint es, dass, auf Grund vermeintlicher Unklarheit des Inhalts und Interpretationsoffenheit des Verteidigungsbegriffs, versucht wird diesen, basierend einzig auf dem Argument der Völkerrechtsfreundlichkeit, durch Völkerrechtsbegriffe auszukleiden.278 g) Auswirkungen völkerrechtlicher Normen Eine rein völkerrechtliche Bestimmung der Anforderungen an einen Angriff und dadurch eine Bestimmung des Verteidigungsbegriffs, bspw. anhand Art. 51 VNCharta, kann nicht vorgenommen werden.279 Diese grundsätzliche Loslösung des verfassungsrechtlichen Begriffs der Verteidigung nach Art. 87a GG soll jedoch nicht 274

Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 106 f. A. a. O., Rn. 5. 276 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 5 f. 277 Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 60. 278 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 45; der wiederum teilweise von Art. 51 VN-Charta abrückt, ebenso: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 60, dem die Komponente der Eigensicherung der Streitkräfte fehlt. 279 So im Ergebnis auch: Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 194 f. 275

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

bedeuten, dass völkerrechtliche Verständnisweisen keine Auswirkung haben können.280 Denn die gerade angeführte Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes soll zwar nicht überbewertet, aber gleichermaßen auch nicht unterbewertet werden.281 Primär ergeben sich eine Auslegung des Verteidigungsbegriffs und eine Zulässigkeit eines Verteidigungseinsatzes durch verfassungsrechtliche Auslegung.282 Erst auf sekundärer Ebene ist Völkerrecht zu beachten.283 Das bedeutet, dass Völkerrecht bei der Bestimmung des Verteidigungsbegriffs und der Struktur der Wehrverfassung nicht das durch verfassungsrechtliche, insbesondere historische und systematische, Auslegung sich ergebende Merkmal der militärischen Dimension überlagert.284 Die Völkerrechtsfreundlichkeit ist vielmehr als Ergänzung heranzuziehen, wenn das Verfassungsrecht keine weiteren Anhaltspunkte mehr liefert.285 Etwa bei der Bestimmung der militärischen Dimension286, insbesondere der des Merkmals „staatlich“,287 lässt sich Völkerrecht heranziehen. Ebenso kann sich Völkerrecht bei der Zulässigkeit eines Einsatzes auswirken. Aus der verfassungsrechtlichen Struktur des Verteidigungsbegriffs ergibt sich eine Trennung in Verteidigungslage, wozu der Angriff gehört, und Verteidigungshandlung – Tatbestand und Rechtsfolge.288 So kann gerade eine Völkerrechtswidrigkeit eines Streitkräfteeinsatzes bedeuten, dass dieser auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht vorgenommen werden darf.289 Dies stellt strukturell einen Einschränkungsgrund für eine Verteidigungshandlung dar290, bestimmt jedoch nicht, wann überhaupt eine Verteidigungslage vorliegt, also materiell eine Verteidigungshandlung vorgenommen werden darf.

280 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30, 30c. 281 Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 60; Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 25 GG, Rn. 8. 282 Vgl. Talmon, Die Grenzen der Anwendung des Völkerrechts im deutschen Recht, JZ 2013, 12 (17). 283 Vgl. BVerfGE 111, 307 (323). 284 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 285 Vertiefend hierzu: Abend, Grenzen der Völkerrechtsfreundlichkeit, S. 89 f.: „Die völkerrechtsfreundliche Ausgestaltung sollte dementsprechend auch nur begrenzte Ausmaße annehmen“. 286 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 287 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. IV. 288 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 A. I. 289 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30c. 290 Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 16.

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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5. Verfassungsrechtliche Bestimmung Ausschlaggebend für eine Bestimmung der Angriffsanforderungen und ein grundlegendes Verständnis des Verteidigungsbegriffs ist somit primär eine verfassungsrechtliche Auslegung. Verteidigung ist ein „verfassungsrechtlicher Begriff“291, wodurch die üblichen Auslegungsmethoden heranzuziehen sind.292 Hierdurch soll ein Normgehalt ermittelt werden. Ob einzelne Anwendungsfälle hiervon erfasst werden, bestimmt nicht den Normgehalt, sondern ist eine sich daran anschließende nicht juristische, sondern politische Bewertung. Da sich der Wortlaut von Verteidigung als uneindeutig darstellt,293 liegt im Rahmen der Auslegung der Anforderungen an den Angriff der Schwerpunkt auf den Kriterien der Historie und der Systematik. Wenn sich durch Historie und Systematik schon ein eindeutiger Rückschluss auf einen Kerngehalt des Verteidigungsbegriffs ergibt, kann eine teleologische Auslegung dahinter zurücktreten.294 a) Historische Auslegung Das inhaltliche Defizit der Rechtsprechung295 lässt sich durch historische Auslegung ausgleichen. Denn historische Materialien zu Art. 87a GG liefern bei der Auslegung des Verteidigungsbegriffs ein überraschend konkretes Ergebnis hinsichtlich der Anforderungen an einen Angriff.296 Hierbei sind wesentlich die Materialien zur Novellierung des Art. 87a GG im Jahre 1968 heranzuziehen. In diesem Zusammenhang sind jedoch auch die Materialien zur Einführung des Art. 87a GG a. F. im Jahre 1956 bzw. 1954 zu beachten. aa) Die Berücksichtigung von Art. 73 Nr. 1 GG a. F. bei der Bestimmung von „militärischer Verteidigung“ Chronologisch betrachtet folgen die ersten Materialien hinsichtlich des Verteidigungsbegriffs und der Anforderungen an einen Angriff aus der Einführung der ausschließlichen Bundesgesetzgebungskompetenz zur „Verteidigung“ aus Art. 73

291

BVerfGE 121, 135 (156); vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30. 292 Vgl. bspw. Möllers, Juristische Methodenlehre, Teil 2 §§ 4 – 6. 293 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 215; zur Wortlautauslegung: Möllers, Juristische Methodenlehre, S. 113. 294 Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 17 f.; Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 146; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 725 ff., der sogar eine teleologische Auslegung für überflüssig hält; zum Streitstand: Möllers, Juristische Methodenlehre, S. 154 f. 295 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 3. 296 A. A. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 228.

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

Nr. 1 GG a. F.297 Im Rahmen der historischen Auslegung des Begriffs Verteidigung ist dabei nicht einzig der Art. 87a GG a. F., sondern auch der Verteidigungsbegriff in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG miteinzubeziehen.298 Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass beide Normen – Art. 73 Nr. 1 GG a. F. und Art. 87a GG a. F. – auf denselben Anträgen zur Ergänzung des Grundgesetzes beruhen.299 Die Einführung des Art. 73 Nr. 1 GG a. F. sollte dem Bundesgesetzgeber ausdrücklich die Gesetzgebungskompetenz einräumen, um im Bereich der Wehrverfassung einfachgesetzliche Normen erlassen zu können.300 Streitfrage 1954 war, wie in selber Weise zwei Jahre später bei Einführung des Art. 87a GG a. F., ob und wie die Aufstellung von deutschen Streitkräften zu erfolgen habe.301 Jedoch ließ sich 1954 lediglich ein Konsens zum generellen „Ob“ des Aufstellens von Streitkräften finden, welches durch die Ergänzung des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG manifestiert wurde.302 Eine Einigung hinsichtlich einer konkreteren Ausgestaltung fand sich erst zwei Jahre später 1956.303 Die damaligen Anträge zu Art. 73 Nr. 1 GG a. F. sowie Art. 87a GG a. F. enthielten in ihrer Formulierung durchgängig den Annex „militärische“ zum Begriff „Verteidigung“.304 Den Anträgen zu Art. 73 Abs. 1 S. 1 GG nach war Verteidigung „militärische Verteidigung“.305 Hinsichtlich des letztlichen Entfallens von „militärische“ beim Begriff Verteidigung in Art. 73 Nr. 1 GG a. F. ist die Plenardebatte vom Freitag, den 26. Februar 1954, zu beachten. Hierbei erläuterte Dr. von Merkatz als Berichterstatter des ersten Berichts des Rechtsausschusses zu Art. 73 Nr. 1 GG a. F. die einzufügenden Gesetzesanträge:

297

Vgl. Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 73 GG, Rn. 29. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG ist deckungsgleich zu Art. 73 Nr. 1 GG a. F. 299 Die Einführung des Art. 73 Abs. 1 S. 1 GG und die des Art. 87a GG a. F. beruhen gleichermaßen auf dem Gesetzesvorschlag zur Ergänzung des Grundgesetzes durch die Fraktionen CDU/CSU, des GB/BHE und der DP, BT-Drucks. II/124, sowie dem Gesetzesvorschlag zur Ergänzung des Grundgesetzes durch die Fraktion der FDP, BT-Drucks. II/125 und BT-Drucks. II/171. Hinsichtlich des Art. 87a GG a. F. wurden die Anträge BT-Drucks. II/124, BT-Drucks. II/125 und BT-Drucks. II/171 in der BT-Drucks. II/2187 zusammengefasst. 300 Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 73 GG, Rn. 29. 301 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 A. II. 1.; BT-PlProt II/17 vom 26. Februar 1954, S. 561. 302 Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 7. 303 Ebd. 304 Beide Anträge (Gesetzesvorschlag zur Ergänzung des Grundgesetzes durch die Fraktionen CDU/CSU, des GB/BHE und der DP; BT-Drucks. II/124 sowie Gesetzesvorschlag zur Ergänzung des Grundgesetzes durch die Fraktion der FDP, BT-Drucks. II/125) gleichermaßen: „Artikel 73 Nr. 1 erhält folgende Fassung: 1. die auswärtigen Angelegenheiten sowie die militärische Verteidigung und den zivilen Luftschutz“, „Artikel 87a Gesetze, die zur Durchführung der militärischen Verteidigung …“. 305 Ebd. 298

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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„Man war sich weiterhin darüber klar, daß der Begriff ,Verteidigung‘ umfassend sei und alles decke, was zu einer Verteidigung notwendig sei. Daher wurde der im Entwurf vorgeschlagene Begriff ,militärische Verteidigung‘ fallengelassen.“306

Diese Aussage bezieht sich direkt auf den Begriff Verteidigung in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG a. F. Daher überrascht es nicht, dass in dem zweiten schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses von Dr. Schwarzhaupt bezüglich der Einführung des Art. 87a weder das Begriffspaar „militärische Verteidigung“ angeführt wurde noch eine eingehende Erläuterung, was Verteidigung sei, bestand.307 Bei der Einführung des Art. 87a GG a. F. wurde schlicht der Begriff des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG a. F. weiterverwendet. Trotz des letztlichen Entfallens stand dabei das in den Anträgen eingebrachte Begriffspaar „militärische Verteidigung“ Pate. Somit lag schon bei Einführung des Verteidigungsbegriffs ein inhaltlicher Bezug auf eine „militärische Verteidigung“ vor. Ein erster Versuch der Novellierung der Wehrverfassung erfolgte in der vierten Legislaturperiode.308 Hierbei wurde jedoch nicht auf Art. 87a GG a. F. eingegangen, sondern eine Trennung von äußeren und inneren Gefahren vorgeschlagen.309 bb) „Militärische Verteidigung“ als Inhalt des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG Die letztliche Novellierung der wehrverfassungsrechtlichen Normen geschah durch die Notstandsnovellierung von 1968, welche auch eine Änderung des Art. 87a GG a. F. in die aktuell geltende neue Fassung beinhaltete.310 Hierbei ist zu beachten, dass der letztlich umgesetzte Wortlaut der Änderung des Art. 87a GG nicht auf die Anträge der Bundesregierung311 oder der Fraktion der FDP312 zurückgeht, sondern auf eine Empfehlung des Rechtsausschusses.313 Diese Zusammenfassung des Rechtsausschusses entspricht dem Art. 87a GG in seiner aktuellen Fassung. Als federführender Verfasser ist die Erläuterung des Rechtsausschusses zu dem von diesen vorgeschlagenen und in dem Wortlaut angenommenen Art. 87a GG gerade von großer Bedeutung. Hinsichtlich des historischen Verhältnisses führt der Bericht

306

BT-PlProt II/17 vom 26. Februar 1954, S. 555 (A). BT-Drucks. II/2150; vgl. die wörtliche Vorstellung der Berichterstattung von Dr. Schwarzhaupt in BT-PlProt II/132, vom 6. März 1956, S. 6819 ff. Hierbei wird auch mündlich nicht auf das Begriffspaar „militärische Verteidigung“ oder den Inhaltsgehalt von Verteidigung eingegangen. 308 BT-Drucks. IV/891; hierzu auch: BT-Drucks. IV/3494 und BT-Drucks. IV/zu 3494. 309 Vgl. BT-Drucks. IV/891, S. 2; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 225 ff. 310 BGBl. I 1968, S. 709 ff. 311 BT-Drucks. V/1879. 312 BT-Drucks. V/2130. 313 Hierzu: BT-Drucks. V/2873, S. 26. 307

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

zu Art. 87a Abs. 1 GG a. F. aus, dass „[o]hne wesentliche sachliche Änderung […] der Inhalt […] in zwei Sätze aufgelöst“314 wird. Das inhaltliche Verständnis von Verteidigung sollte nicht wesentlich neu interpretiert werden. Vielmehr setze sich das vorherige Verständnis von Verteidigung des Art. 87a GG a. F. weiter fort. Dadurch sei „[m]it ,Verteidigung‘ […] hier nur die militärische Verteidigung (einschließlich der Ausbildung) gemeint“.315 Im Rahmen dessen überrascht es nicht, dass hierbei wiederum auf das Begriffspaar „militärische Verteidigung“ rekurriert wurde. Denn dieses Begriffspaar bestand, wie bereits erläutert, auch bei Einführung des vorherigen Art. 87a GG a. F. und Art. 73 Abs. 1 S. 1 GG a. F.316 Methodisch ist hierbei zu beachten, je eindeutiger und klarer eine Erklärung in den Gesetzesmaterialien besteht, umso mehr muss diese berücksichtigt werden.317 Dass Verteidigung „militärische Verteidigung“ sei, führt der Schriftliche Bericht überaus eindeutig aus.318 Zwischenergebnis einer historischen Auslegung ist hierdurch, dass „Verteidigung“ nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG „militärische Verteidigung“ bedeutet.319 cc) Bedeutung von „militärischer Verteidigung“ für die Anforderungen an einen Angriff Hierbei mag zwar auf den ersten Blick der knappe Zusatz „militärische“ zu „Verteidigung“ unklar sein für die Klärung des Angriffsbegriffs.320 Jedoch liefert hierzu der Schriftliche Bericht des Rechtsausschusses eine Begriffserklärung zum Zusatz „militärische“ zu „Verteidigung“. In Zusammenhang mit Art. 87a Abs. 3 GG stellt der Rechtsausschuss folgende grundsätzliche – überaus relevante und deutlich unterbewertete – Bemerkungen an: „Hierzu ist folgendes zu bemerken: 1. Der Schutz militärischer Objekte gegen Angriffe Dritter, gleichgültig, ob diese Angehörige der gegnerischen Streitkräfte oder sonstige Störer sind, gehört zum Verteidigungsauftrag der Streitkräfte. 314

BT-Drucks. V/2873, S. 13. Ebd. 316 Vgl. BT-Drucks. II/124, BT-Drucks. II/125 und BT-Drucks. II/171. 317 Hierzu: Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 347 ff., insbesondere Rn. 355. 318 BT-Drucks. V/2873, S. 13. 319 So auch: Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 228, der hierin jedoch keinen inhaltlichen Mehrwert sieht; ebenso: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 112; vgl. Schultz, Die Auslandsentsendung von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz zum Zwecke der Friedenswahrung und Verteidigung, S. 191; Baldus, Streitkräfteeinsatz zur Gefahrenabwehr im Luftraum, NVwZ 2004, 1278 (1281). 320 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 228; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 112, demnach sei unklar „[g]egen wen verteidigt werden soll“. 315

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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2. Der Schutz gegen Angriffe der Angehörigen fremder Streitkräfte ist die Aufgabe der Bundeswehr, gleichgültig, ob das Ziel eines solchen Angriffes ein militärisches oder ziviles Objekt ist. Die Abwehr gegnerischer Streitkräfte ist niemals die Aufgabe der Polizei. 3. Der Schutz von zivilen Objekten gegen Störungen von dritter ,ziviler‘ Seite ist das Amt der Polizei […].“321

Hierbei wird eine eindeutige Aufteilung der Einsatzbefugnisse der Streitkräfte gegeben. Dass die Ausführungen unter der Überschrift „Zu Art. 87a Abs. 3 GG“ stehen, ist nicht schädlich. Unter „Zu Artikel 87a Abs. 2“ wird explizit auf diese Ausführungen verwiesen: „(vgl. die Ausführungen zu Absatz 3)“322. Zudem werden die Aussagen zu Art. 87a Abs. 3 GG in der Bemerkung unter Nr. 3 getroffen. Wenn Aussagen zu Art. 87a Abs. 3 in Nr. 3 erfolgen, so beziehen sich die Aussagen unter Nr. 1 und Nr. 2 entsprechend nicht auf Abs. 3. Vielmehr scheinen Nummern und Absätze gleichläufig verwendet worden zu sein, sodass die Ausführungen in Nr. 1 und Nr. 2 sich wohl auf die Abs. 1 und Abs. 2 des Art. 87a GG beziehen. Diese Grundsatzbemerkung des Rechtsausschusses beschreibt recht deutlich und klar, dass „militärische Verteidigung“ dann vorliegt, wenn entweder a) militärische Objekte Angriffsziel sind (Nr. 1 der Bemerkung) oder b) ein (fremder) militärischer Angriff vorliegt (Nr. 2 der Bemerkung).323 Notwendig dafür, dass Verteidigung „militärische Verteidigung“ ist, ist somit, dass der Angriff militärischen Bezug hat.324 Besteht dieser nicht, wie in Nr. 3 die grundsätzlichen Bemerkungen des Rechtsausschusses verdeutlichen, sei die Aufgabe der Gefahrenabwehr „das Amt der Polizei“.325 Für einen Streitkräfteeinsatz nach Art. 87a Abs. 3 GG muss als Angriffskonstellation ein Angriff eines Zivilen auf 321

S. 13. 322

Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses vom 9. Mai 1968, BT-Drucks. V/2873,

BT-Drucks. V/2873, S. 13. Ebenso: Erkens, Neues Spiel – Alte Regeln, BWV 4-2019, 73 (76); gleiches Verständnis scheint vorzuliegen bei Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 40: „Schutz militärischer Objekte [ist] Gegenstand des Verteidigungsauftrags der Streitkräfte, [Art. 87a Abs. 3 bezieht sich auf] den Schutz ziviler Objekte gegenüber Störungen von ziviler Seite“; ebenso Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 14, der für Abs. 3 einen Angriff eines Zivilen auf einen Zivilen voraussetzt, da hinsichtlich aller anderen Konstellationen schon die Kompetenz aus Abs. 1 vorläge; auch: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 123, nach dem die Abwehr von „Angriffen von militärischen Kräften“ direkt aus Abs. 1 folge, mit Verweis auf Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 53 ff., insbesondere Rn. 56; ebenso bei: Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VII, 2. Auflage, § 170 (Vorbearbeitung 1992), Rn. 16, demnach „fällt der Schutz militärischer Objekte (z. B. Kasernen, Truppenübungsplätze, NATO-Pipelines) nicht unter Art. 87a Abs. 3 GG; er wird von den Streitkräften bereits als Annex zur Verteidigungsaufgabe (Art. 73 Nr. 1; Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG) wahrgenommen“. 324 Auch bspw.: Lenz, Notstandsverfassung des Grundgesetzes, S. 112. 325 BT-Drucks. V/2873, S. 13. 323

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

einen anderen Zivilen bzw. ein anderes Ziviles vorliegen.326 Nur dann kann als Ziel der „Schutz von zivilen Objekten gegen Störungen von dritter ,ziviler‘ Seite“327 erreicht werden. Gleiches gilt entsprechend für die Ausführungen zu Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG.328 Dies bestätigt sich auch aus einem Umkehrschluss. Denn Art. 87a Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 GG setzen gerade voraus, dass keine Verteidigung einschlägig ist.329 Andernfalls wäre sonst der Regelungsgehalt schon im Verteidigungsbegriff enthalten und die Eröffnung durch Art. 87a Abs. 2 GG „Außer zur Verteidigung“ läge nicht vor.330 Eine Normierung der Wertungen der Art. 87a Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 GG wäre inhaltsleer, wodurch solch eine Auslegung gegen das Postulat der Nichtredundanz verstieße.331 Hierdurch liefert der Rechtsausschuss als Urheber des Art. 87a GG in seiner aktuellen Form nicht nur eine Klärung, welche Anforderungen an einen Angriff zu stellen sind – somit Begriffsbestimmung des Verteidigungsbegriffs –, sondern gleichzeitig auch das relevante strukturelle Abgrenzungskriterium zu den wehrverfassungsrechtlichen Befugnissen. Entscheidend ist demnach eine militärische Dimension des Angriffs. Dieser liegt bei einem militärischen Angreifer oder militärischen Angegriffenen bzw. militärisches Angegriffenes vor. Auf Grund dieser historischen Materialien ergibt sich als Kerngehalt des Verteidigungsbegriffs – mit einem Verständnis als „militärischer Verteidigung“ als logischem Zwischenschritt – eine Abgrenzung durch das Kriterium des „militärischen“ bezogen auf Angreifer und Angegriffenen bzw. Angegriffenes. Verteidigung ist der Angriff auf deutsches bzw. durch ein fremdes Militär. Was als konkreter Bedeutungsgehalt des Merkmals „militärisch“332 zu verstehen ist, wird an späterer Stelle dargestellt.333 Die wehrverfassungsrechtlichen Normen lassen sich aus historischer Sicht somit nach folgender Übersicht strukturieren:

326 Vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 53 ff.; Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 40. 327 BT-Drucks. V/2873, S. 13. 328 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 48. 329 Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 236. 330 Vgl. Schopohl, Der Außeneinsatz der Streitkräfte im Frieden, S. 88. 331 Vgl. Fn. 265. 332 Dies auch als Kerngehalt voraussetzend: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 48; Epping, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 5; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 11; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 228, der hierin jedoch keinen Erkenntnisgewinn sieht; hinsichtlich des Parlamentsvorbehalts: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 19. 333 Teil 3 Kapitel 2 B.

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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Militärischer Angreifer Ziviler Angreifer Militärischer oder Militärisches angegriffen

Ziviler oder Ziviles angegriffen

Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

[grundsätzlich Zuständigkeit der Polizei. Streitkräfteeinsatz ausnahmsweise möglich, wenn:] Einsatzbefugnis nach Art. 87a Abs. 3, Abs. 4 S. 1 GG; Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 Alt. 2, Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GG (besonders schwerer Unglücksfall)

b) Systematisches Argument Auch durch ein systematisches Argument lässt sich den Anforderungen eines Angriffs und dem Kerngehalt von Verteidigung näherkommen. aa) Systematik gegenseitiger Abgrenzung Systematisch werden durch Art. 87a Abs. 2 GG und dessen Formulierung „Außer zur Verteidigung …“ getrennte Geltungsbereiche gewertet.334 Der Anwendungsbereich anderer ausdrücklicher Befugnisnormen muss nach Art. 87a Abs. 2 GG außerhalb des Anwendungsbereichs des Verteidigungsbegriffs liegen.335 Dies bestätigt sich auch durch Anwendung des Postulats der Nichtredundanz336, wonach die Art. 87a Abs. 3, 4 S. 1 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG einen eigenen Regelungsbereich haben,337 der entsprechend neben dem Regelungsgehalt des Verteidigungsbegriffs liegt.338 334 Vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 35, hierbei nimmt das Bundesverfassungsgericht ebenso eine systematische Abgrenzung im Bereich der Wehrverfassung vor; Hillgruber, in: Umbach/ Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 47. 335 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 69; ebenso: Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (383). 336 Vgl. Fn. 262. 337 Vgl. Depenheuer, Zwischen polizeilicher Gefahrenabwehr und militärischer Verteidigung, ZG 2008, 1 (5), nachdem es sich hierbei um staatliche Instrumente in einer Ausnahmesituation handelt. Trennender Gedanke zwischen Einsatzbefugnissen nach Art. 35 GG und Art. 87a GG sei, ob die Gefahr aus politischen Motiven begründet wurde oder die Abwehr der Gefahr aus politischen Motiven erfolge. 338 Ebenso: Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 236; vgl. Reimer, in: Kahl/ Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 263, nach dem eine negative Abgrenzung jedenfalls im Verhältnis von Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG zu Art. 87a Abs. 4 GG besteht und der hierbei eine „Sperrwirkung“ des Art. 87a Abs. 4 GG sieht; vgl. Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

Selbiger Rückschluss ergibt sich auch aus der zeitlichen Entwicklung der Streitkräftebefugnisse. Chronologisch gehen der Verteidigungsbegriff und dessen Einsatzbefugnis den Einsatzbefugnissen aus Art. 87a Abs. 3, 4 S. 1 und 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG voraus.339 Wenn mit Einführung dieser Befugnisse eine ausdrückliche Einsatzbefugnis geschaffen wurde, setzt dies voraus, dass die Einsatzbefugnis vorher entsprechend nicht bestand. Andernfalls hätten alle im Rahmen der Notstandsnovelle 1968 eingeführten Absätze innerhalb des Art. 87a bzw. des Art. 35 GG340 lediglich deklaratorische Bedeutung, nicht jedoch eigenen Inhalt.341 Der Verteidigungsbegriff hätte nach dieser Logik die Befugnis zu den entsprechenden Einsatzszenarien des Art. 87a Abs. 3, 4 und 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG schon seit seiner Schaffung 1956 innegehabt.342 1968 wären demnach diese bereits innerhalb des Verteidigungsbegriffs bestehenden Befugnisse lediglich besonders verdeutlicht worden.343 Dies erscheint widersprüchlich, berücksichtigt man, dass das Einsatzszenario des Art. 87a Abs. 3 GG an die Voraussetzungen des Verteidigungsfalls geknüpft ist. Der Verteidigungsfall nach Art. 115a GG wurde aber erst mit der Notstandsnovelle 1968 eingeführt.344 Zudem wurden Maßnahmen, die unstreitig in den Anwendungsbereich des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG fallen und somit heute verfassungsgemäß wären, vor Einführung des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG eindeutig als verfassungswidrig angesehen.345 Dies widerspricht dem Wesen der Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG als rein deklaratorisch, und spricht vielmehr für einen eigenen Regelungsgehalt der Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG.346

2004, 1286 (1290); Winkler, Die Systematik der grundgesetzlichen Normierung des Bundeswehreinsatzes unter Anknüpfung an die Regelung des LuftSiG, DÖV 2006, 149 (156); ebenso Bäumerich/Schneider, Terrorismusbekämpfung durch Bundeswehreinsätze im Innern, NVwZ 2017, 189 (194). 339 Epping, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, R. 3. 340 Der damals eingeführte Art. 35 Abs. 2 GG a. F. entspricht im Wortlaut dem heutigen Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 35; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 1. 341 A. A. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 66, nach dem die „Wehrhoheit deklaratorisch im Grundgesetz“ sei; ebenso deklaratorischen Charakter hinsichtlich Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG annehmend: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 25. 342 A. A., wonach Art. 87a Abs. 3, 4 S. 1 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG eigenständige Einsatzgrundlagen sind, bspw.: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 40. 343 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 25. 344 Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 12. 345 Vgl. Fn. 197, 198. 346 Auch bspw. Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 151.

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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Dadurch wird deutlich, dass sowohl Art. 87a Abs. 3, 4 GG als auch Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG einen eigenständigen Anwendungsbereich haben, der außerhalb von Verteidigung liegt. Das entsprechende Einsatzszenario der Art. 87a Abs. 3, 4 GG bzw. Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG war und ist somit nicht Teil von Verteidigung.347 Dadurch wird der heutige Verteidigungsbegriff systematisch negativ abgegrenzt. bb) Negativer Bestimmungsgehalt des Art. 35 Abs. 2 S. 2 1. Alt.; Abs. 3 S. 1 1. Alt. GG Zur Begegnung eines Naturkatastrophenszenarios wurde mit Art. 35 Abs. 2 GG a. F. bzw. Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG eine Einsatzbefugnis eingefügt.348 Diese Einführung des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG begründete sich insbesondere als Reaktion auf die Erfahrungen der Sturmflut 1962, die in Hamburg Todesopfer forderte.349 Die Einführung des Art. 35 Abs. 2 (a. F.), Abs. 3 S. 1 GG im Jahre 1968 für Fälle von Naturkatastrophen verdeutlicht, dass vor Einführung des Art. 35 Abs. 2 (a. F.), Abs. 3 S. 1 GG eine Kompetenz der Streitkräfte aus dem Verteidigungsbegriff nicht bestand.350 Dies bestätigt auch der erste Entwurf zur Grundgesetzänderung aus dem Jahre 1967, welcher ursprünglich in Art. 91 GG eine Einsatzkompetenz der Streitkräfte bei Naturkatastrophen vorsah. Dieser führte aus, dass „Sondervorschriften für den Fall von Naturkatastrophen […] das Grundgesetz überhaupt nicht [enthält].“351 Da zu dieser Zeit der Verteidigungsbegriff in Art. 87a GG schon existierte, bedeutet dies, dass der Verteidigungsbegriff, damals wie heute wesentlich gleich zu verstehen352, Naturkatastrophen nicht erfasst. Für Naturereignisse stellt Art. 35 Abs. 2 (a. F.) bzw. Abs. 2 S. 2 (n. F.), Abs. 3 S. 1 GG eine ausschließliche Einsatzbefugnis dar.353 Auch eine Betroffenheit der Streitkräfte durch eine Naturkatastrophe begründet keine eine Verteidigungshandlung ermöglichende Verteidigungslage. Zum einen setzt ein für eine Verteidigungslage notwendiger Angriff i. S. d. Art. 87a GG 347 Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 40. 348 BT-Drucks. V/2873, S. 9 f.; vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 35; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 1. 349 Vgl. BT-PlProt V/175, vom 16. 5. 1968, S. 9444; Überblick zur Flutkatastrophe bspw.: Heßler/Kehrt (Hrsg.), Die Hamburger Sturmflut von 1962. 350 Bspw. vgl. Fn. 347; Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 101. 351 BT-Drucks. V/1879, S. 7. 352 Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13. 353 Vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 46; Kloepfer, Zur Vermeidung von Naturkatastrophen durch Recht, DVBl. 2017, 141 (146); Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 263.

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

menschliches Verhalten voraus.354 Zum anderen würde die praktische Existenz von Streitkräften in jedem Bundesland zu einer Unterwanderung der Entscheidungskompetenzen der Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG führen. Bei Annahme einer Verteidigungslage würde sowohl nach Art. 87a GG als auch nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 bzw. Abs. 3 S. 1 GG ein Einsatz zur Verringerung der Gefahr durch die Naturkatastrophe zulässig sein. Die Entscheidungskompetenz über die Vornahme einer (Streitkräfte-)Handlung würde jedoch bei Annahme einer Verteidigungslage nach Art. 87a GG jedenfalls auch bei dem/der Inhaber/-in der Befehls- und Kommandogewalt (IBuK), sprich dem/der Bundesminister/-in für Verteidigung (BMVg) liegen. Da Streitkräfte sich praktisch in jedem Bundesland befinden, würden bei einer Naturkatastrophe quasi immer auch Streitkräfte betroffen sein, wodurch der/die BMVg die Entscheidungskompetenz über die Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes zur Verringerung der Gefahr durch die Naturkatastrophe jedenfalls mit innehätte. Dies würde zu einem Widerspruch zu den explizit angeordneten Entscheidungskompetenzen der Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG führen.355 Nicht ausgeschlossen sind Handlungen der Streitkräfte, die keine Einsatzqualität erreichen. Der Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG bezieht sich nur auf Einsätze der Streitkräfte.356 Maßnahmen zur Eigensicherung, die keine Einsatzqualität erreichen, bedürfen für ihre Verfassungskonformität keiner Stütze auf eine verfassungsrechtliche Einsatzbefugnis.357 Unabhängig davon, ob ein ziviler oder militärischer Betroffener bzw. „Angegriffener“ vorliegt, ist bei einem Naturereignis Art. 35 Abs. 2 S. 2 1. Alt., Abs. 3 S. 1 1. Alt. GG anzuwenden. Dies schließt die Konstellation des „besonders schweren Unglücksfalls“, in dem die Natur gerade nicht „Angreifer“ ist, sondern menschliches Verhalten ursächlich ist, gerade nicht mit ein.358 Für die Anforderungen an den Angriff bedeutet dies, dass Naturereignisse nicht miteinzubeziehen sind. Ist die Natur „Angreifer“, sind die Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG wehrverfassungs-

354 Vgl. ebenso menschliches Verhalten voraussetzend: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 52; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 13. 355 vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 2. 356 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 C. 357 Maßnahmen zur Eigensicherung der Streitkräfte, wie bspw. Dichtung von Deichen mit Sandsäcken zur Verhinderung einer Überflutung einer Kaserne oder anderer Gebäude, erreichen in der Regel keine Einsatzqualität. Auch die Verwendung von technischen Geräten erreicht in der Regel keine Einsatzqualität, wenn diese nicht in typisch militärischer Weise erfolgt, bspw. Verwendung eines unbewaffneten Helikopters oder unbewaffnete Fahrzeuge zu Aufräum- oder Bergungsarbeiten. Zu beachten in diesem Zusammenhang wäre mögliches Drohpotential durch die Verwendung von militärisch aussehenden Geräten, wodurch die Schwelle zum Einsatz überschritten werden könnte. Dies offenlassend: BVerfGE 126, 55 (76). 358 Teil 4 Kapitel 3 B. I. 1. b); vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 263.

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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rechtlich Lex specialis gegenüber den restlichen wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnissen.359 Bezogen auf die tabellarische Übersicht bedeutet dies: Natur als „Angreifer“ Militärischer oder Militärisches angegriffen

Unterstützung nach Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG (Naturkatastrophe)

Ziviler oder Ziviles angegriffen

Unterstützung nach Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG (Naturkatastrophe)

cc) Negative Bestimmung durch Sonderbefugnisse im Verteidigungs- und Spannungsfall und schweren staatsgefährdenden Notstand Ein negativer Bestimmungsgehalt ergibt sich neben Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG auch aus Art. 87a Abs. 3, 4 S. 1 GG. Die Einführung des Art. 87a Abs. 3 GG bestätigt systematisch das aus einer historischen Auslegung stammende Verständnis des Verteidigungsbegriffs hinsichtlich einer notwendigen militärischen Dimension. Der Normtext bezieht sich explizit auf den Schutz ziviler Objekte. Hierdurch wird das strukturelle Abgrenzungskriterium des „militärischen“ bzw. „zivilen“ umgesetzt. Das Einsatzszenario des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG koppelt sich an die Voraussetzung einer rein zivilen Dimension.360 Zum einen setzt dies die Existenz einer militärischen Dimension als gegenläufiges Abgrenzungskriterium voraus. Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG verweist auf den Schutz ziviler Objekte. Neben den Einsatzbefugnissen der Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 GG besteht sonst einzig die Einsatzbefugnis des Verteidigungsbegriffs nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG. Das zur zivilen Dimension gegenläufige Abgrenzungskriterium der militärischen Dimension ist daher im Rahmen des Art. 87a GG im einzig verbleibenden Verteidigungsbegriff nach Abs. 1 S. 1, Abs. 2 zu verorten. Zum anderen bezieht sich das Einsatzszenario des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG darauf, dass Zivile angegriffen werden.361 Hierbei wird ein Angriff eines anderen Zivilen vorausgesetzt. Denn läge kein Ziviler vor, müsste es sich um ein fremdes Militär handeln, dessen Angriffe jedoch unter den Verteidigungsbegriff fallen.362 359

Zur Abgrenzung zwischen natürlichem und menschlichem Gefahrenursprung, somit Naturkatastrophe und besonders schwerem Unglücksfall: Teil 4 Kapitel 3 B. I. 1. c); Kloepfer, Zur Vermeidung von Naturkatastrophen durch Recht, DVBl. 2017, 141 (149 f.). 360 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 23. 361 Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 57. 362 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 123, 145: „Maßnahmen zum Schutz ziviler Objekte im Zusammenhang mit der Abwehr militärischer Angriffe ergehen. Sie unterliegen dem für den Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung geltenden Regeln des Art. 87a Abs. 2, nicht denen des Art. 87a Abs. 3 S. 1.“ Ebenso: Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 16, der den Verteidigungsbegriff bei Vorliegen des

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

Gleichermaßen verweist auch Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG auf den Schutz ziviler Objekte. Hierdurch bestätigt sich wiederum das strukturelle Abgrenzungskriterium der militärischen Dimension sowie, dass der Angriff auf Zivile ein Einsatzszenario ist, welches der Verteidigungsbegriff nicht umfasst.363 Die Konstellation des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG beschreibt hierbei zusätzlich einen potentiellen Angreifer als organisierte und militärisch bewaffnete Aufständische. Hierbei wird auf einen Zivilen als Gefährder von anderen Zivilen abgestellt.364 Hinsichtlich der Anforderungen an einen Angriff bestätigt dies die Notwendigkeit eines militärischen Bezuges des Verteidigungsbegriffs.

V. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis zum Kerngehalt des Verteidigungsbegriffs verbleibt somit: • „Verteidigung“ nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG beschreibt die Abwehr eines Angriffs. • Der Angriff muss einen militärischen Bezug aufweisen. • Der militärische Bezug liegt vor, wenn eine militärische Dimension des Angriffs besteht. • Gegenstück zur militärischen Dimension ist eine rein zivile Dimension. • Ist entweder der Angreifer oder der bzw. das Angegriffene militärisch, liegt eine militärische Dimension des Angriffs und somit ein verteidigungsfähiger Angriff vor. • Das Merkmal der militärischen Dimension ist strukturelles Abgrenzungskriterium der verschiedenen Einsatzbefugnisse aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 3, 4 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG. • Hat sowohl der Angreifer als auch der oder das Angegriffene einen zivilen Status, fehlt es an einer militärischen Dimension. In diesem Fall kommt eine Einsatzbefugnis aus Art. 87a Abs. 3, 4 S. 1 GG oder Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG in Betracht. • Begründet ein Naturereignis eine Gefahr, ist somit die Natur der „Angreifer“, ist einzig Art. 35 Abs. 2 S. 2 1. Alt., Abs. 3 S. 1 1. Alt. GG anwendbar. Dies ist Kombattantenstatus für einschlägig erachtet; vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 53 ff. 363 BT-Drucks. V/2873, S. 13; Bäumerich/Schneider, Terrorismusbekämpfung durch Bundeswehreinsätze im Innern, NVwZ 2017, 189 (194); vgl. Teil 4 Kapitel 2 A. II. 2. 364 Vgl. Teil 4 Kapitel 2 A. I. 2. a); ebenso: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44; Kersten, Ausnahmezustand?, JuS 2016, 193 (198); Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 169.

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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unabhängig davon, ob zivile oder militärische Betroffene bzw. ziviles oder militärisches Betroffenes vorliegen und ob ein katastrophales Ausmaß erreicht wird. • Tabellarisch – als Zusammenschnitt der Tabellen der historischen und systematischen Auslegung – lässt sich dies folgendermaßen darstellen:

Militärischer oder Militärisches angegriffen

Ziviler oder Ziviles angegriffen

Militärischer Angreifer

Ziviler Angreifer

Natur als „Angreifer“

Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Unterstützung nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 1. Alt., Abs. 3 S. 1 1. Alt. GG (Naturkatastrophe)

Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Einsatzbefugnis nach Art. 87a Abs. 3 oder Abs. 4 S. 1 GG; Unterstützung nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 2. Alt., Abs. 3 S. 1 2. Alt. GG (besonders schwerer Unglücksfall)

Unterstützung nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 1. Alt., Abs. 3 S. 1 1. Alt. GG (Naturkatastrophe)

VI. Auswirkungen kumulativer Angreifer bzw. Angegriffener 1. Mögliche Szenarien In der exemplarisch in der Tabelle dargestellten Schematisierung wird jeweils ein singulärer Angreifer bzw. Angegriffener unterstellt. Möglich ist jedoch weiterhin auch die Kumulation von Angreifer und Angegriffenen. Hierbei könnten wiederum verschiedene Status in letztlich drei Szenarien vorliegen. Denkbar sind somit drei Szenarien einer Kumulation: 1. Ein ziviler Angreifer (Z) greift zeitgleich einen Militärischen bzw. etwas Militärisches sowie einen Zivilen bzw. etwas Ziviles an (M/Z); 2. Sowohl ein militärischer als auch ein ziviler Angreifer (M/Z) greifen einen Zivilen bzw. etwas Ziviles (Z) an; 3. Sowohl ein militärischer als auch ein ziviler Angreifer (M/Z) greifen zeitgleich einen Militärischen bzw. etwas Militärisches sowie einen Zivilen bzw. etwas Ziviles (M/Z) an. Dies ist letztlich nur eine Addition des ersten und zweiten Szenarios.

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

2. Keine Addition zu einem Angriff/Trennung in verschiedene Angriffe Bei solch einer Kumulation mehrerer Angreifer und/oder mehrerer Angegriffener bzw. Angegriffenen mit gegebenenfalls verschiedenen Status ist zwischen den einzelnen additiven Angriffsrichtungen zu trennen. Der Angriff, welcher eine militärische Dimension aufweist, unterfällt dem Verteidigungsbegriff, während der Angriff, welcher keine Dimension aufweist, entsprechend nur unter Art. 87a Abs. 3, 4 GG oder Art. 35 Abs. 2 S. 2 2. Alt., Abs. 3 S. 1 2. Alt. GG fallen kann. Bei einer Kumulation ist daher durch die verschiedenen Angegriffenen bzw. Angreifer nicht von einem, sondern von (mindestens) zwei Angriffen auszugehen. Auch wenn eine Kumulation aus praktischer Sicht sich wie ein Angriff darstellen könnte, liegen hierbei rechtlich zwei bzw. gegebenenfalls mehrere Angriffe vor (siehe Abbildung 1). Ein kumulatives Handeln eines militärischen und zivilen Angreifers bzw. ein kumulatives Betroffensein eines militärischen und zivilen Angegriffenen bedeutet somit lediglich ein kumulatives Auftreten von verschiedenen Angriffen, jedoch keine Addition zu einem singulären Angriff. Eine besondere Auswirkung hinsichtlich einer Subsidiarität der wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnisse besteht nicht. Zwar schließen sich die einzelnen Einsatzkompetenzen der Wehrverfassung gegenseitig aus, stehen in einem subsidiären Verhältnis zueinander und verhindern dadurch, dass bei einem Angriff mehrere Einsatzbefugnisse einschlägig sein können.365 Dies betrifft jedoch nur jeden Angriff einzeln. Das kumulative Auftreten von Angriffen wird hierdurch gerade nicht durch, hierfür gar nicht taugliche, Rechtsnormen ausgeschlossen. Sowohl Streitkräfte als auch Polizei können unabhängig voneinander ihre Abwehrmaßnahmen hinsichtlich ihres jeweils kompetenzmäßig zufallenden Angriffs treffen.366

365 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 168 f.; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 69; vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR VI, § 133, Rn. 90. 366 Dass in einer Gefahrensituation sowohl Streitkräfte als auch Polizeikräfte praktisch nebeneinander tätig werden, belegen schon Art. 87a Abs. 4 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG, wonach die Streitkräfte jeweils „zur Unterstützung“ oder „Hilfe“ der Polizeikräfte tätig werden. Die Streitkräfte übernehmen daher nicht jeglichen Schutz ziviler Objekte, sondern nur solche, die „für den Verteidigungsauftrag erforderlich“ sind (vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 57). Der Aufgabenbereich der Polizeikräfte zur Abwehr von Angriffen von Zivilen auf Zivile bleibt dabei prinzipiell bestehen. Gerade in solchen Situationen ist ein gleichzeitiges Vorliegen einer Abwehrmaßnahme der Streitkräfte und einer Abwehrmaßnahme der Polizeikräfte, jeweils bezogen auf ihre abzuwehrende Gefahr, denkbar.

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

Szenario 1: Z→M Zivil

greift an

Z→Z

Verteidigung Art. 87a Abs. 1 S. 1, Militärisch Abs. 2 GG (und)

Zivil

M→Z greifen an

(und)

Zivil

Zivil

Z→Z

Szenario 3: M→ M Militärisch (und)

Zivil

M→ Z greifen an

Art. 87a Abs. 3, 4 S. 1 GG Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG Verteidigung Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Szenario 2: Militärisch

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Militärisch

Art. 87a Abs. 3, 4 S. 1 GG Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG Verteidigung Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

(und)

Zivil

Z→M

Militärisch

Z→Z

Zivil

(und)

Art. 87a Abs. 3, 4 S. 1 GG Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG

Abbildung 1: Befugnisse bei kumulativen Angriffen

3. Auswirkungen auf und Subsidiarität der Kompetenzbereiche Sollte sich eine Abwehrhandlung auf den anderen abzuwehrenden Angriff auswirken, ist dies grundsätzlich nicht hinderlich. Würde eine zulässige Abwehrmaßnahme der Streitkräfte als Nebeneffekt eine Gefahr beseitigen, dessen Beseitigung Polizeiaufgabe wäre, stellt dies keine Kompetenzverletzung dar. Denn ein Aus-

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

schluss bzw. eine Begrenzung einer Verteidigungshandlung würde einen Anspruch der Polizeikräfte auf die jeweilige Gefahrenabwehr, somit inzident auch einen Anspruch auf das Vorliegen bzw. Fortbestehen einer Gefahr, bedeuten. Es besteht jedoch lediglich eine Kompetenz auf Beseitigung solcher Gefahren, nicht jedoch auf Existenz solcher Gefahren.367 Wird die Gefahr durch einen anderen, kompetenzmäßigen Vollzug einer zulässigen Maßnahme beseitigt, wird durch diese faktischen Auswirkungen nicht in die Kompetenz eingegriffen.368 In solch einem Fall handeln die Streitkräfte auf Grund eigener Kompetenz, zwar mit Auswirkung, nicht jedoch an Stelle der Polizeikräfte.369 Ausnahmsweise kann sich eine Abwehrmaßnahme auf einen anderen abzuwehrenden Angriff dann auswirken, wenn sich die Maßnahmen der Streitkräfte und der Polizei gegenseitig in der Abwehrtauglichkeit behindern. In diesem Fall greift der Gedanke der effektiven Gefahrenabwehr.370 Je schwerwiegender die Gefahr, desto notwendiger wird deren Abwehr.371 Die Behörde, welche die geringere Gefahr abwehrt, muss sich in ihrem Auswahlermessen beschränken. Eine Abwägung ist in jedem Einzelfall gesondert zu treffen. Den Streitkräften kommt durch Art. 87a GG als Träger militärischer Bewaffnung höheres Gefahrenabwehrpotential zu als verglichen mit diesen weniger bewaffneten Polizeikräften.372 Dies verdeutlichen ebenso Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG und Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG, nach denen ein (Unterstützungs-)Einsatz der Streitkräfte erst dann erfolgen kann, wenn die zunächst zuständigen Polizeikräfte die Abwehr der Gefahr nicht umfänglich alleine stemmen können.373 Da den Streitkräften abstrakt mehr Gefahrenabwehrpotential zukommen soll als Polizeikräften, scheint den durch die Streitkräfte zu begegnenden Gefahren prinzipiell eine höhere Gefahrenintensität zugeschrieben zu werden als den in Polizeizuständigkeit fallenden Gefahren. Auf Grund des angenommenen hohen Gefahrenpotentials, welches einen Streitkräfteeinsatz überhaupt erst begründet, geht in 367 Vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG (Bearbeitung 1971), Rn. 46; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 125. 368 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR VI, § 133, Rn. 97; vgl. zur Bundeskompetenz: Stern/Sachs/Dietlein, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 861. 369 Vgl. auch hinsichtlich Art. 87a Abs. 4 GG: Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 49. 370 Zur Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr: Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 72, Rn. 37; Götz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 85, Rn. 32; bezogen auf den Verteidigungsbegriff: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 26 ff. 371 Vgl. bezogen auf den Verteidigungsbegriff: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 32. 372 Vgl. Ladiges, Verfassungsrechtliche Grundlagen für den Einsatz der Streitkräfte, JuS 2015, 598 (600 f.). 373 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 63.

Kap. 1: Grundlagen zur Wehrverfassung

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der Regel die Abwehrhandlung der Streitkräfte der Abwehrhandlung der Polizei vor.374 Insbesondere im Bereich der Eigensicherung der Streitkräfte sind jedoch Fälle denkbar, in denen eine Gefahrenabwehr durch die Polizeikräfte einer Gefahrenabwehr durch die Streitkräfte vorgeht.375 Handelt es sich bei der Gefahr, welche durch den zivilen Angreifer auf einen Zivilen oder ein Ziviles ausgeht, um eine gravierende, schwerwiegende Gefahr für den Staat – die dementsprechend nicht hinnehmbar ist –, ist zu beachten, dass hierbei eine Einsatzkompetenz der Streitkräfte durch Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG besteht.376 Dadurch läge in dem Fall eine Konzentration der Einsatzkompetenz auf Seiten der Streitkräfte vor, welches ein antagonistisches Handeln von Polizei- und Streitkräften verhindert.

C. Sperrwirkung des Art. 87a Abs. 2 GG (In- und Auslandsbezug) Mittlerweile als widerlegt lässt sich die These ansehen, dass Art. 87a Abs. 2 GG einzig Sperrwirkung hinsichtlich Inlandseinsätzen habe und daher Auslandseinsätze ohne Einschränkung möglich seien.377 Auch im Ausland ist eine einschlägige verfassungsrechtliche Einsatzbefugnis für die Streitkräfte notwendig.378 Solch eine Befugnis bieten der Begriff der Verteidigung, welcher eine militärische Dimension voraussetzt, die Einsatzbefugnisse ohne 374

II.

Das ergibt sich insbesondere aus dem Merkmal der Bewaffnung, vgl. Teil 3 Kapitel 2 B.

375 Da bei einem Angriff auf die Streitkräfte nur minimale Anforderungen an die Gefahrenschwelle bestehen (vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 4.), sind hierbei auch überaus geringe Gefahren erfasst, gegen welche jedoch keine Verteidigungshandlung zulässig sein kann (vgl. Teil 3 Kapitel 3 D. V.). 376 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 29. 377 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 19; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 72 ff.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 16; Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See, S. 135; Epping, Die Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland als neues Kapitel der Bundeswehrgeschichte ohne rechtliche Grundlage?, AöR 124 (1999), 423 (435); umfassend auch die Gegenmeinung darstellend: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24; a. A. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 58; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 12; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 13; Oeter, Einsatzarten der Streitkräfte außer zur Verteidigung, NZWehrr 2000, 89 (93); dies zumindest überzeugend findend: Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 83. 378 Die Argumentation zusammenfassend: Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (397); zum historischen Hintergrund des Argumentes und der Diskussion: Kutscha, Verteidigung – vom Wandel eines Verfassungsbegriffs, KJ 2004, 228 (231 f.).

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

militärische Dimension und die Einsatzbefugnis des Art. 24 Abs. 2 GG im Rahmen Systeme kollektiver Sicherheit.379 Die im Rahmen von Art. 87a Abs. 2 GG beschriebene Sperrwirkung verdeutlicht eine verfassungsrechtliche Beschränkung. Diese gilt sowohl im In- als auch im Ausland.380 Betrachtet man das Konstrukt der Einsatzbefugnisse ohne militärische Dimension, sprich die Einsatzbefugnisse der Art. 87a Abs. 3, 4 und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG, scheint auf Grund der inhaltlichen Nähe eine vergleichbare Grundstruktur vorzuliegen. Mit Grundstruktur sei hierbei die Trennung in Einsatzlage und Einsatzhandlung gemeint.381 Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einsatzbefugnisse vorliegen, ist als Rechtsfolge eine Einsatzhandlung erlaubt. Hinsichtlich der Einsatzlagen der Einsatzbefugnisse ohne militärische Dimension (Art. 87a Abs. 3, 4 und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG) ist hierbei der wiederkehrende Inlandsbezug auffällig.382 Die Einsatzbefugnis nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG setzt einen festgestellten Verteidigungsfall voraus.383 Dieser Verteidigungsfall nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG setzt wiederum einen Angriff auf das Bundesgebiet der Bundesrepublik voraus.384 Daher besteht zwangsläufig durch den Angriff auf das Bundesgebiet ein territorialer Inlandsbezug. Einen solchen Inlandsbezug setzt auch eine Einsatzbefugnis nach Art. 87a Abs. 4 GG voraus.385 Denn sollte eine schwere Staatsgefährdung von außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes stammen, so geht diese von fremdem, ausländischem Staatsgebiet aus. Dadurch würde durch die Anwendung des „Unwilling-or-unable“-Tests eine staatliche Zurechnung erfolgen, die wiederum zu einer (vermuteten) Verteidigungslage führen würde.386 Eine schwere Staatsgefährdung, die vom Ausland ausgeht, ergibt somit primär eine Verteidigungslage, sodass kein Anwendungsraum für Art. 87a Abs. 4 GG besteht. Ebenso setzen die Einsatzbefugnisse der Art. 35 Abs. 2 S. 2,

379

Vgl. Teil 2 Kapitel 1 A. I. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 72 ff.; a. A.: Limpert, Auslandseinsatz der Bundeswehr, S. 20, nach dem „Verteidigung […] ferner nicht Einsätze im Inneren“ meint. Ein Angriff auf die Bundesrepublik muss aber nicht ausschließlich im Ausland, sondern kann auch im Inland abgewehrt werden. Sollten etwa fremde Streitkräfte in das Territorium der Bundesrepublik eindringen, so dürften diese selbstverständlich durch die Bundeswehr in Bezug auf den Verteidigungsbegriff zurückgedrängt werden. 381 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 A. 382 Vgl. Teil 4 Kapitel 2 A. II. 3., Teil 4 Kapitel 3 B. I. 3. 383 Exemplarisch: Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 9. 384 Exemplarisch: Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 10, 12. 385 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 146; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44. 386 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V. 380

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Abs. 3 S. 1 GG einen Inlandsbezug voraus.387 Denn sofern ein Bundesland oder „das Gebiet mehr als eines Landes“ betroffen sein müssen, besteht gerade hierdurch zwangsläufig ein Inlandsbezug.388 Auch wenn die Einsatzlagen der Einsatzbefugnisse ohne militärischen Personenbezug somit einen deutschen Territorialbezug voraussetzen, bedeutet dies jedoch strukturell nicht, dass auch Einsatzhandlungen zwangsweise einen innerdeutschen Territorialbezug aufweisen müssen. Als gefahrenabwehrrechtliche Normen steht hierbei gerade teleologisch die Gefahrenabwehr im Vordergrund. Die jeweilige Einsatzhandlung muss somit die in der Einsatzlage beschriebene Gefahr verringern bzw. auflösen. Da die Einsatzlagen, wie beschrieben, einen innerstaatlichen Bezug voraussetzen, wird hierdurch vielfach praktisch eine Einsatzhandlung auch notwendigerweise innerhalb deutschen Territoriums vorgenommen werden müssen. Dies schließt andersrum jedoch nicht aus, dass Einsatzhandlungen zwangsweise im Inland vorgenommen werden müssen. Sollte bspw. eine Einsatzhandlung zur Abwehr einer schweren Staatsgefährdung nach Art. 87a Abs. 4 GG im Ausland vorzunehmen sein und sollten hierbei keine weiteren Einschränkungsgründe bestehen, lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb diese Einsatzhandlung nicht vorgenommen werden sollte.389 Vielmehr verdeutlichen der Charakter als gefahrenabwehrrechtliche Norm und die strukturelle Trennung von Einsatzlage und Einsatzhandlung, dass Einsatzhandlungen bei Einsatzbefugnissen ohne militärischen Personenbezug auch im Ausland prinzipiell möglich sind.390 Die Doktrin der Effektivität der Gefahrenabwehr, welche den wehrverfassungsrechtlichen Gefahrenabwehrnormen inhärent ist, unterscheidet gerade nicht, wo eine Gefahrenabwehr vorgenommen werden muss. Die recht apodiktisch anmutende Aussage des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich möglicher Auslandsverwendungen der Streitkräfte, nämlich dass „[d]er Auslandseinsatz der Streitkräfte […] außer im Verteidigungsfall nur in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit erlaubt (Art. 24 Abs. 2)“391 sei, ist auf Grund

387 Exemplarisch: Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 38. 388 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 271. 389 Vgl. Teil 4 Kapitel 2. 390 Beispielhaft seien hierbei Gefährdungsszenarien angeführt, die sich im näheren territorialen Umfeld zur Bundesrepublik abspielen. Droht bspw. eine Kernschmelze im Atomkraftwerk in Tihange, Belgien, und bedroht das Land Nordrhein-Westfalen, schlössen sich Einsatzhandlungen nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG nicht deshalb aus, weil diese im Ausland stattfinden würden. Ebenso sind Einsatzhandlungen wegen eines mehrere Bundesländer bedrohenden Naturereignisses, wie bspw. einer Pandemie, auch außerhalb deutschen Territoriums denkbar. 391 BVerfGE 123, 267 (361).

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

einer Systeminkohärenz allenfalls als eine erste Annäherung an die Auslandsverwendungsmöglichkeiten der Streitkräfte zu verstehen.392 Kapitel 2

Verhältnis wehrverfassungsrechtlicher Normen zueinander Zum dargestellten Kerngehalt des Verteidigungsbegriffs, konkretisiert in der notwendigen militärischen Dimension des Angriffs, lassen sich weitere wehrverfassungsrechtliche Normen in ein Verhältnis setzen.393

A. Das Dreiecksverhältnis von Verteidigung zum Verteidigungsfall und zum Schutz Ziviler vor Zivilen im Verteidigungsfall Durch dynamischen Verweis der Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG auf den Verteidigungsfall nach Art. 115a GG besteht eine grundlegende Konnexität dieser beiden Normen zueinander.394 Ein Einsatz nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG setzt zwangsweise voraus, dass der Verteidigungsfall nach Art. 115a GG festgestellt oder fingiert ist. Entsprechend ist bei einer Verhältnisbestimmung des Verteidigungsbegriffs zu den Sonderbefugnissen auch der Verteidigungsfall zu berücksichtigen. Es

392 Dies begründet sich in der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht nicht nachvollziehbarerweise Verteidigungsfall und Verteidigung anscheinend gleichsetzt. Nach der Aussage im Lissabon-Urteil wären entweder Verteidigungshandlungen auf Grund einer Verteidigungslage nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG im Ausland unzulässig oder es müsste der Begriff der Verteidigung mit dem Begriff der Verteidigungslage gleichgesetzt werden. Denn der Begriff des Verteidigungsfalls ist in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG legaldefiniert. Wenn das Bundesverfassungsgericht diesen Begriff verwendet, rekurriert es automatisch auf den legaldefinierten Fall. Beide Verständnisweisen der Aussage des Lissabon-Urteils, entweder keine Verteidigungseinsätze im Ausland bei nicht gleichzeitigem Vorliegen des Verteidigungsfalls oder Gleichsetzen von Verteidigung und Verteidigungsfall, sind jedoch inkohärent mit jeglicher eigenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und dem Verfassungstext. Problematisch ist hierbei der abschließende Charakter der Aussage. Die Verwechslung der Begriffe hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Entscheidung zum Evakuierungseinsatz in Libyen korrigiert (BVerfGE 140, 160 (187 f.)); vgl. Sauer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, Rn. 320. 393 Zur Abgrenzung von verwandten Begriffen und zum Verhältnis zu dogmatischen Mustern vgl. Teil 3 Kapitel 1. C. 394 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 172; zum Prinzip der dynamischen Verweisung: Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4 Rn. 104.

Kap. 2: Verhältnis wehrverfassungsrechtlicher Normen zueinander

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folgt daraus ein Dreiecksverhältnis des Verteidigungsbegriffs zum Verteidigungsfall sowie zum Schutz Ziviler vor Zivilen im Verteidigungsfall.

I. Das Verhältnis von Verteidigung zu den Sonderbefugnissen nach Art. 87a Abs. 3 GG Die Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG395 setzen als Einsatzszenario einen zivilen Angreifer wie einen zivilen Angegriffenen bzw. ein ziviles Angegriffenes voraus.396 Unter der Voraussetzung eines Verteidigungsfalls nach Art. 115a GG oder des Spannungsfalls nach Art. 80a GG besteht daher eine besondere Befugnis der Streitkräfte zum Schutz ziviler Objekte und zur Verkehrsregelung.397 Grundlegend für das Verständnis der Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG ist der Nebensatz in S. 1: „soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist“.398 Der „Verteidigungsauftrag“ beschreibt die staatliche Aufstellungs- und Schutzverpflichtung des Verteidigungsbegriffs in Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG.399 Durch den Nebeneinschub „zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages“ wird impliziert, dass die Einschlägigkeit des Verteidigungsauftrages, somit die des Verteidigungsbegriffs, vorausgesetzt ist.400 Ein Einsatz nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG „zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages“ bzw. zur Verteidigung ist nur dann möglich, wenn das Einsatzszenario von Verteidigung überhaupt besteht.401 Nur dann kann die dort genannte Erforderlichkeit gewahrt werden. Daneben wird eine logische Verknüpfung zwischen der Maßnahme im Rahmen der Sonderbefugnisse und dem Verteidigungsauftrag vorausgesetzt. Der Schutz Ziviler vor zivilen Angriffen soll einen positiven Effekt für die Verteidigungsmaßnahmen der Streitkräfte haben bzw. soll einen negativen Effekt verhindern.402 Wie die Gesetzesmaterialien vorsehen, scheint hier der Fall angedacht zu sein, in dem „zivile Einrichtungen von den Streitkräften zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages 395 Im Folgenden wird nicht zwischen Art. 87a Abs. 3 S. 1 und S. 2 GG unterschieden, da beide gleiche Einsatzvoraussetzungen begründen. Zur Darstellung der Unterschiede zwischen Art. 87a Abs. 3 S. 1 und S. 2 GG vgl. Teil 4 Kapitel 1 A. III. 396 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. V. 397 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 126 f.; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 172. 398 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 129, 135. 399 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 10. 400 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 129. 401 Vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG (Bearbeitung 1971), Rn. 53. 402 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24.

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

mitbenutzt werden“ bzw. später mitbenutzt werden sollen.403 Bei der Einführung des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG durch die Notstandsnovelle 1968 ist zu beachten, dass das Bundesleistungsgesetz aus dem Jahre 1956404 und das Verkehrssicherstellungsgesetz aus dem Jahre 1965405 schon existierten.406 Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG schützt daher solche zivilen Objekte, die bei Vorliegen des Verteidigungsfalls gegenwärtig oder nachfolgend für militärische Zwecke, insbesondere unter Anwendung des Bundesleistungsgesetzes407, verwendet werden bzw. werden sollen.408 Gerade zivile Verkehrswege, bspw. Bahnschienen, Flughäfen etc., sind für eine militärische Logistik im Kriegsfall eminent wichtig und sehen sich in Ausnahmezuständen zivilen Angreifern ausgesetzt.409 Den Stellenwert der Logistik für eine effektive Ausführung des Verteidigungsauftrags verdeutlichen auch die Gesetzesmaterialien zur Einräumung der Befugnis zur Verkehrssicherung.410 Insbesondere haben „Angehörige der Streitkräfte, die an Verkehrswegen eingesetzt sind […], die Aufgabe […], die Bewegungsfreiheit militärischer Einheiten und Verbände zu sichern“.411 Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass „die Verkehrswege von den Streitkräften […] in Anspruch genommen werden.“412 Eine solche Inanspruchnahme kann sogar exklusiv für die Streitkräfte auf Grund der Rechtsverordnungsbefugnis des Verkehrssicherstellungsgesetzes bestehen.413 Hierbei führen die Gesetzesmaterialien aus, dass dadurch „vermieden werden [soll], daß neben den zur militärischen Verkehrsregelung abgestellten Soldaten auf diesen Straßen noch zivile Polizeibeamte zur Regelung des zivilen Verkehrs Dienst tun müssen.“414 Dies besteht 403

BT-Drucks. V/2873, S. 13. BGBl. 1956 I, S. 815. 405 BGBl. 1965 I, S. 927; Neufassung: BGBl. 1968 I, 1082. 406 Vertiefende zum Bundesleistungsgesetz: Grau, Bundesleistungsgesetz. 407 Vgl. §§ 1, 2 Bundesleistungsgesetz (BLG); zur Anwendung des BLG: Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 62. 408 Vgl. Wolff, in: Hömig/Wolff/Seifert u. a. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 12, der dies als „verteidigungswichtige Objekte“ beschreibt; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 56, der dies als „Schutz – militärisch bedeutsamer und daher gefährdeter – ziviler Objekte gegen zivile Störer“ beschreibt. 409 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 56. 410 BT-Drucks. V/2873. 411 A. a. O., S. 13. 412 A. a. O., S. 13 f. 413 Nach §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 Verkehrssicherstellungsgesetz (BGBl. 1968 I, 1082) kann die Bundesregierung Rechtsverordnungen zur Sicherstellung des Verkehrs treffen. Dies tat sie durch Verordnung vom 23. September 1980 – Verordnung zur Sicherstellung des Verkehrs (StrVerkSiV) (BGBl. 1980 I, 1795). Ein quasi exklusiver Benutzungsanspruch der Verkehrswege für die Streitkräfte kann durch die unteren Straßenverkehrsbehörden nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StrVerkSiV angeordnet werden. In diesem Zusammenhang stehen auch die Sonderrechte der Straßenverkehrsordnung (StVO), nach denen die Streitkräfte nicht an die StVO bei Erfüllung hoheitlicher Aufgaben gebunden sind; § 35 Abs. 1 StVO. 414 BT-Drucks. V/2873, S. 14. 404

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auch „für die Zeitabschnitte […], in denen die Verkehrswege von den Streitkräften nicht in Anspruch genommen werden.“415 Wenn somit schon Soldaten anwesend sind, wäre es unnötig noch zusätzlich Polizeibeamte abzustellen, da davon ausgegangen wird, dass die anwesenden Soldaten der Streitkräfte die Verkehrsüberwachung schon gewährleisten.416 Für das Verhältnis zur Verteidigung ist zu beachten, dass die Sonderbefugnisse nicht nur auf Grund des Rückschlusses aus dem Nebensatz des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG voraussetzen, dass ein Verteidigungsauftrag vorliegt. Auch der Verteidigungsfall nach Art. 115a GG wird als Tatbestandsmerkmal vorausgesetzt. Die Feststellung des Verteidigungsfalls nach Art. 115a GG setzt wiederum auf Grund der – im folgenden Teil417 – festgestellten Teilidentität von Verteidigungslage und materiellem Verteidigungsfall gleichermaßen eine Befugnis aus dem Verteidigungsbegriff nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG voraus.418 Die Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG erweitern somit bei Vorliegen des Verteidigungsfalls oder des Spannungsfalls innerhalb einer eigenen Befugnis die Handlungsmöglichkeiten aus dem Verteidigungsauftrag nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG.419 Im Verteidigungsfalle fällt auch der Schutz ziviler Personen und Sachen vor Angriffen anderer Ziviler in den Aufgabenbereich der Streitkräfte, soweit diese für eine militärische Verwendung erforderlich sind.420 Die Erforderlichkeit ergibt sich insbesondere dann, wenn auf Grund des Bundesleistungsgesetzes oder des Verkehrssicherstellungsgesetzes eine Verwendung durch die Streitkräfte erfolgen soll.421 Strukturell handelt es sich bei den Sonderbefugnissen somit um eine eigenständige Erweiterung der Einsatzbefugnis aus dem Verteidigungsbegriff bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen.422 Die beiden Befugnisse stehen strukturell nebeneinander, wobei die Sonderbefugnisse die Existenz einer Verteidigungslage bzw. Einschlägigkeit von Verteidigung voraussetzen. 415

A. a. O., S. 13 f. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 60, der dies als „qualitative Zweckdienlichkeit“ umschreibt. 417 Vgl. Teil 2 Kapitel 2 A. II. 418 Vgl. auch: Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. b) aa) (1). 419 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 3; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 40; a. A. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 25, der keine Befugnis in Art. 87a Abs. 3 GG erkennt. 420 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 55. 421 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 133; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 62. 422 Denkbar – aber letztlich abzulehnen – wäre es Art. 87a Abs. 3 GG als lediglich Modifizierung des Umfangs der Einsatzbefugnis aus dem Verteidigungsbegriff zu verstehen. Hierzu: Art. 87a Abs. 3 „Eigenständige Einsatzbefugnis oder Modifizierung der Verteidigungsbefugnis“; vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 25. 416

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

II. Das Verhältnis von Verteidigung zum Verteidigungsfall Der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG ist nicht mit dem Begriff des Verteidigungsfalls aus Art. 115a GG inhaltlich gleichzusetzen.423 Dies liegt insbesondere daran, dass der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG eine Zuständigkeitskompetenz und Einsatzbefugnis beinhaltet424, während Art. 115a GG primär den „Übergang von der Normal- zur Notstandsverfassung“ regelt.425 Zusätzlich wird eine notwendige inhaltliche Abgrenzung aus dem unterschiedlichen Wortlaut von Verteidigung und Verteidigungsfall426 sowie aus systematischen Erwägungen her geschlossen.427 Zwischen Verteidigung und Verteidigungsfall liege „keine [vollständige] Bedeutungsidentität“428 bzw. „Gleichstellung der Begriffe“429 vor. Betrachtet man die Rechtsfolge des Verteidigungsfalls aus Art. 115a GG, bestätigen sich zwar die oben genannten Ausführungen, ergeben jedoch darüber hinaus einen differenzierteren Rückschluss auf ein Strukturverhältnis. Grundlage des hier vertretenen Strukturgedankens zwischen Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und dem Verteidigungsfall nach Art. 115a GG ist, dass der Verteidigungsfall nach Art. 115a GG keine unmittelbare Einsatzbefugnis beinhaltet430, aber aus sachlogischen Gründen zwangsweise eine solche voraussetzt.431 Dass Art. 115a GG keine Einsatzbefugnis beinhaltet, folgt aus dem Wortlaut, der Formulierungen wie „befugt“, „ermächtigt“ oder Ähnliches nicht beinhaltet. Eine den Wortlaut des Art. 115a GG erweiternde Auslegung ist durch Art. 87a Abs. 2 GG, 423

Grundlegend: Riedel, Die Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte als Ausübung der auswärtigen Gewalt, NZWehrr 1989, 45 (48 f.); Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 53; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 128 ff.; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 47; Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 27; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 16; a. A. noch Coridaß, Der Auslandseinsatz von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee, S. 42 f.; Arndt, Bundeswehreinsatz für die UNO, DÖV 1992, 618 f. 424 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 10. 425 Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 28. 426 Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 60, m. w. N. auf Ipsen, Sicherheitspolitik, 615 (617). 427 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 15. 428 Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 53. 429 Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 60. 430 Zu den Rechtswirkungen der Feststellung des Verteidigungsfalls bspw.: Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Vor. Art. 115a ff. GG, Rn. 9. 431 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 22.

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wonach eine Befugnis „ausdrücklich“ vorliegen muss, sowie dem daraus folgenden „Gebot strikter Texttreue“432 gesperrt.433 Jedoch ergibt sich eine Notwendigkeit einer vorliegenden Einsatzbefugnis im Szenario des festgestellten Verteidigungsfalls aus einem argumentum ad absurdum:434 Wenn der Bundestag bzw. der Gemeinsame Ausschuss einen Verteidigungsfall nach Art. 115a GG festgestellt hat, erscheint es widersprüchlich und absurd, wenn in solch einem Fall die Streitkräfte nicht eingesetzt werden dürften. Dass bei Erklärung des Kriegszustandes die Bundeswehr kaserniert bleibe mangels einschlägiger Einsatzgrundlage, kann kein sinnvolles Auslegungsergebnis sein. Vielmehr soll durch Modifizierung der Staatsstruktur zusätzliches Abwehrpotential für die einzusetzenden Streitkräfte geschaffen werden.435 Ähnliche Gedanken scheinen dem Bundesverfassungsgericht vorzuschweben, wenn dieses konstatiert: „Soweit allerdings Bundestag und Bundesrat bereits gemäß Art. 115a GG den Verteidigungsfall festgestellt haben, schließt diese Entscheidung die Zustimmung des Parlaments zu einem Einsatz bewaffneter Streitkräfte ein.“436 Hierbei indiziert das Bundesverfassungsgericht, dass auch materiellrechtlich eine Einsatzbefugnis bei Feststellung des Verteidigungsfalls bestehe. Damit nicht potentielles Ergebnis ist, dass bei Feststellung des Verteidigungsfalls ein Streitkräfteeinsatz mangels einschlägiger Einsatzbefugnis unterbleibt, soll somit bei Erklärung des Verteidigungsfalls eine der bestehenden ausdrücklichen Einsatzbefugnisse einschlägig sein.437 Ein zwangsweiser Rückschluss durch einen formell festgestellten Verteidigungsfall auf eine materiell vorliegende Verteidigungslage besteht jedoch nicht. Sollte ein Verteidigungsfall fälschlicherweise formell festgestellt werden, ohne dass materiell ein Verteidigungsfall gegeben ist,438 bedeutet dies nicht, dass dadurch eine materielle nicht gegebene Verteidigungslage begründet wird.439 Die Feststellung eines Verteidigungsfalls stellt jedoch für die eine materielle Verteidigungslage bewertende Stelle ein starkes Indiz zur Annahme einer materiellen Verteidigungslage dar. 432

BVerfGE 90, 286 (357); 132, 1 (9). Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 38. 434 Zu Argumentationsweise vertiefend: Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 190. 435 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 24. 436 BVerfGE 90, 286 (387). 437 Ausdrückliche Einsatzbefugnisse folgen aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, Art. 87a Abs. 3 GG, Art. 87a Abs. 4 GG oder Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG; vgl. Teil 2 Kapitel 1 A. I. 438 Formeller Verteidigungsfall ist der durch Bundestag und Bundesrat festgestellte Verteidigungsfall, während der materielle Verteidigungsfall beschreibt, ob die Voraussetzungen eines (unmittelbar bevorstehenden) Angriffs auf das Bundesgebiet mit Waffengewalt vorliegen; vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. a). 439 In diesem Fall dürfte, trotz Feststellung einer Verteidigungslage, materiell ein Streitkräfteeinsatz nicht erfolgen. 433

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Zusätzlich ist Folge der Feststellung des Verteidigungsfalls der Übergang der Befehls- und Kommandogewalt von dem/der BMVg auf den/die Bundeskanzler/-in nach Art. 115b GG. Diese Folge der Feststellung des Verteidigungsfalls scheint auch eine Einsatzbefugnis vorauszusetzen.440 Die Befehls- und Kommandogewalt bezieht sich auf die Ausführung eines Streitkräfteeinsatzes.441 Ein Übergang einer solchen Befehls- und Kommandogewalt ergibt jedoch nur dann Sinn, wenn überhaupt ein Streitkräfteeinsatz besteht bzw. die Streitkräfte zu einem Einsatz berechtigt sind. Nur intra-organisatorische Maßnahmen erscheinen nicht derart relevant für eine „Einheitlichkeit von politischer und militärischer Staatsleitung“.442 Ohne Streitkräfteeinsatz erscheint ein Verschieben der Befehls- und Kommandogewalt nicht erforderlich. Entsprechend wird eine Einschlägigkeit einer Einsatzbefugnis vorausgesetzt, welche überhaupt eine Befehls- und Kommandogewalt über die Ausführung dieser notwendigerweise vorliegenden Einsatzbefugnis und damit Möglichkeit der Übertragung dessen rechtfertigt. Da der Verteidigungsfall einen menschengemachten Angriff von außerhalb deutschen Territoriums mit Waffengewalt voraussetzt443, scheidet ein Gleichlauf und gleichzeitige Einschlägigkeit des schweren staatsgefährdenden Notstands nach Art. 87a Abs. 4 GG und des Katastrophennotstands nach Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG aus.444 Auch eine Einsatzbefugnis aus Art. 87a Abs. 3 GG bietet keine 440 Vgl. Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115b GG, Rn. 6. 441 Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115b GG, Rn. 10, der dies als „politisch-militärische Gesamtleitung“ beschreibt; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 1, welcher eine „Konzentration der militärischen Entscheidungsbefugnisse“ annimmt; hinsichtlich Friedenszeiten: Müller-Franken/Uhle, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 13 f. 442 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115b GG, Rn. 1; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 1. 443 Bspw.: Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 38; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 12; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 49. 444 Dies ergibt sich aus der Gesamtsystematik der Wehrverfassung: Art. 35 Abs. 2 S. 2 1. Alt., Abs. 3 S. 1 1. Alt. GG (Naturkatastrophe) entfällt mangels menschlichen Angriffs. Die Befugnisse des Art. 87a Abs. 4 S. 1 2. Alt. GG (organisierte und militärisch bewaffnete Aufständische) und Art. 35 Abs. 2 S. 2 2. Alt., Abs. 3 S. 1 2. Alt. GG (besonders schwerer Unglücksfall) setzen einen reinen Inlandsbezug voraus und entfallen mangels außerstaatlicher Gefahrenherkunft (vgl. Teil 4 Kapitel 2 A. III. 2.; Teil 4 Kapitel 3 B. I. 3.). Art. 87a Abs. 4 S. 1 1. Alt. GG (Schutz Ziviler vor Angriffen Ziviler) erfasst zwar auch außerstaatliche Gefahrenherkünfte, ist aber beim Verteidigungsfall nicht anwendbar, da hierbei das Merkmal der Waffengewalt zwangsweise erfüllt sein muss und dies wiederum ein Organisationsmerkmal indiziert (vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V. 2.). Bei Auslandsherkunft eines Angriffs mit Waffengewalt gilt dieser nicht als ziviler, sondern als staatlicher und dadurch militärischer Angriff. Der dadurch anzuwendende Verteidigungsbegriff verdrängt die Einsatzbefugnis des schweren staatsgefährdenden Notstands (vgl. Teil 4 Kapitel 2 A. I. 4.).

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umfängliche Einsatzbefugnis für die Konstellation des Verteidigungsfalls, da lediglich der Schutz vor Angriffen Ziviler auf andere Zivile erfasst wird.445 Zudem impliziert der Nebensatz des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG selbst, dass bei diesem Einsatzszenario ein Verteidigungsauftrag vorliegt.446 Vielmehr scheint die Einsatzbefugnis aus dem Verteidigungsbegriff als miterfüllt zu sein. Dies bedingt sich zunächst durch die Nähe der jeweiligen Wortlaute.447 Dass Verteidigung einschlägig ist, wenn der Verteidigungsfall erklärt wurde, drängt sich auf. Auch die inhaltliche Nähe der Regelung des Verteidigungsfalls, der einen Angriff voraussetzt, überlagert sich mit dem inhaltlichen Bereich des Verteidigungsbegriffs aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG. Ebenso scheint auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zumindest angedeutet selbiger Gedanke zu bestehen. In den historischen Erwägungen der Out-of-Area-EinsätzeEntscheidung führte das Bundesverfassungsgericht aus: „Erst eine gemäß Art. 59a Abs. 1 GG grundsätzlich vom Bundestag zu treffende Feststellung des ,Verteidigungsfalls‘ sollte die rechtliche Voraussetzung schaffen, die vom Bund zur Verteidigung aufgestellten Streitkräfte (Art. 87a GG) einzusetzen.“448 Art. 59a GG ist die Vorgängerregelung zum aktuellen Art. 115a GG. Wenn die Feststellung des Verteidigungsfalls nach Art. 59a GG a. F. einen Verteidigungseinsatz ermöglichen sollte und Art. 115a GG bzw. Art. 59a GG a. F. den Begriff des Verteidigungsfalls inhaltsgleich aufgreift449, lassen sich diese historischen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von Art. 87a GG und Art. 59a GG a. F. auch auf das Verhältnis von Art. 87a und Art. 115a GG übertragen. Für das Verhältnis von Verteidigung zum Verteidigungsfall bedeutet dies, dass, wenn der Verteidigungsfall materiell feststellbar ist, auch materiell eine Verteidigungslage einschlägig ist.450 Dies bedeutet nicht, dass umgekehrt Verteidigung nur dann vorliegt, wenn materiell der Verteidigungsfall feststellbar ist. Der Verteidigungsbegriff geht über den Begriff des Verteidigungsfalls hinaus.451 Denn der Verteidigungsfall nach Art. 115a GG enthält explizit besondere Voraussetzungen, die 445

Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. V. Vgl. zum Verhältnis von Verteidigungsbegriff und Sonderbefugnissen im Verteidigungsoder Spannungsfall: Teil 2 Kapitel 2 A. I. 447 Vgl. Coridaß, Der Auslandseinsatz von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee, S. 62 f., der jedoch zu weitreichend daher eine Gesamtidentität annimmt; zur Ablehnung: Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 53; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 128 ff.; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 47; Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 27; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 16. 448 BVerfGE 90, 286 (384). 449 Vgl. BVerfGE 90, 286 (383 f.). 450 Fassbender, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XI, § 244, Rn. 50. 451 Vgl. Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 52 f. 446

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der Verteidigungsbegriff nach Art. 87a GG nicht vorschreibt. Daher ist der materielle Verteidigungsfall ein Spezialfall von Verteidigung. Wenn ein Verteidigungsfall materiell feststellbar ist, ist auch eine materielle Verteidigungslage einschlägig. Ist eine materielle Verteidigungslage einschlägig, kann ein Verteidigungsfall materiell feststellbar sein, muss dies aber nicht zwangsweise.452 Ebenso beinhaltet die formelle Feststellung eines Verteidigungsfalls eine formelle Entscheidung über die Vornahme einer Verteidigungshandlung.453 Es besteht somit eine strukturelle Teilidentität auf materieller und formeller Ebene.454

III. Das Verhältnis der Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG zum Verteidigungsfall Einsatzhandlungen im Rahmen der Sonderbefugnisse setzen einen formellen Verteidigungsfall455 voraus.456 Der Verteidigungsfall ist somit Merkmal der Einsatzlage des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG und somit Tatbestandvoraussetzung dessen. Reziprok ist für den Verteidigungsfall die Einsatzbefugnis aus Art. 87a Abs. 3 GG eine von mehreren Rechtsfolgen.457 Für den Fall, dass der Verteidigungsfall festgestellt wurde, erweitern die Sonderbefugnisse mit ihrer Befugnis den Einsatzspielraum der Streitkräfte.458

452 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 15. 453 BVerfGE 90, 286 (387). 454 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 22; SchmidtRadefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 14, der dies jedoch nur hinsichtlich des Verteidigungsobjektes annimmt. Die Teilidentität lässt sich in der Literatur zudem vielfach inzidieren, wenn im Kontext der Begriff des Art. 87a GG auf Kommentierungen zu Art. 115a GG verwiesen wird. Hierbei wird eine synonyme Verwendungsweise der Begriffe vorausgesetzt: exemplarisch verweist bspw. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, in Fn. 127 begrifflich auf Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 44. 455 Zur Abgrenzung eines formellen Verteidigungsfalls gegenüber einem materiellen Verteidigungsfall: Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. a). 456 Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 54. 457 Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 46; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 24. 458 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 123.

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IV. Annex: Das Verhältnis zum Spannungsfall Die Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG benennen nicht nur den Verteidigungsfall als Tatbestandsvoraussetzung, sondern lässt hierzu auch alternativ den Spannungsfall zu. Der Spannungsfall nach Art. 80a Abs. 1 GG beschreibt eine Vorstufe zum Verteidigungsfall.459 Diese besteht in zeitlicher oder qualitativer Hinsicht. Nur der Spannungsfall nach Art. 80a Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG ermöglicht eine Einsatzlage im Rahmen der Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG.460 Innerhalb des Art. 80a GG gliedern sich dabei die einzelnen Fälle nach dem Umfang der Rechtsfolge. Der Zustimmungsfall nach Art. 80a Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG als „kleiner Spannungsfall“ ermöglicht dem Bundestag einzelne verteidigungsvorbereitende Vorschriften des einfachen Notstandsrechts freizusetzen.461 Der Spannungsfall dagegen ermöglicht die Entsperrung aller Rechtsvorschriften, die im Grundgesetz oder in Bundesgesetzen mit einem diesbezüglichen Anwendungs-Junktim versehen sind.462 Der Bündnisfall nach Art. 80a Abs. 3 GG ermöglicht nach vorheriger genereller Zustimmung der Bundesregierung zu dessen Entscheidungsermessen einem internationalen Organ innerhalb eines Bündnisvertrages die Freisetzung bzw. Entsperrung im Zustimmungs- oder Spannungsfall herbeizuführen.463 Für das strukturelle Verhältnis ist dabei zu beachten, dass die Möglichkeiten des Art. 80a GG „jede für sich eine Reaktion staatlicher Organe im Vorfeld der Konfliktverschärfung zwischen Normallage und Verteidigungsfall“ sind.464

V. Zwischenergebnis Zusammengefasst lässt sich das Dreiecksverhältnis von Verteidigung nach Art. 87a GG, Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG und Verteidigungsfall nach Art. 115a GG folgendermaßen darstellen:

459 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 13. 460 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 126. 461 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 70. 462 Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 80a GG, Rn. 2. 463 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 74. 464 A. a. O., Rn. 6.

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Verteidigung (Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG) Notwendig für Befugnis (Tatbestandsmerkmal)

Erweitert Handlungsmöglichkeiten (als eigenständige Befugnis)

Sonderbefugnisse im Verteidigungs/Spannungsfall (Art. 87a Abs. 3 GG)

Ermöglicht (Rechtsfolge) Setzt voraus (Tatbestandsmerkmal)

Setzt voraus (Tatbestandsmerkmal)

Ermöglicht (Rechtsfolge)

Teilidentität auf formeller und materieller Ebene

Verteidigungsfall (Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG)

Spannungsfall (Art. 80a Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG)

Abbildung 2: Dreieckverhältnis von Art. 87a, 80a und 115a GG

Das Merkmal der Verteidigung für die Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG als Tatbestandsmerkmal ist dabei durch dessen Teilidentität zum materiellen Verteidigungsfall gegeben, wenn der materielle Verteidigungsfall vorliegt. Die formelle Feststellung des Verteidigungsfalls indiziert dabei das Vorliegen eines materiellen Verteidigungsfalls.

B. Das Verhältnis von Verteidigung zum schweren staatsgefährdenden Notstand und Katastrophennotstand Ausgehend von dem dargestellten Kerngehalt beziehen sich der schwere staatsgefährdende Notstand nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG und der Katastrophennotstand nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 Alt. 2, Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GG (besonders schwerer Un-

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glücksfall) auf die Konstellation eines Angriffs auf einen Zivilen bzw. etwas Ziviles durch einen zivilen Angreifer.465 Überschneidungen mit der Einsatzbefugnis aus dem Verteidigungsbegriff, welcher dagegen entweder einen militärischen Angreifer oder Angegriffenen voraussetzt, sind dadurch nicht möglich. Unmittelbare Überschneidungen sind durch das Abgrenzungskriterium des Personenstatusbezugs ausgeschlossen.466 Entsprechend stehen die Einsatzbefugnisse aus dem schweren staatsgefährdenden Staatsnotstand nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG und dem Katastrophennotstand nach Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG in einem Alternativverhältnis neben der Einsatzbefugnis aus dem Verteidigungsbegriff. Dies deckt sich einerseits auch mit dem Prinzip negativer Abgrenzung der Befugnisse aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, Art. 87a Abs. 3, Abs. 4 S. 1 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG, welches eine Alternativität voraussetzt.467 Andererseits folgt dies auch aus dem Wortlaut des Art. 87a Abs. 2 GG und der dortigen Formulierung „Außer zur Verteidigung …“. Diese Formulierung legt nahe, dass andere ausdrücklich zugelassene Einsatzbefugnisse nur dann anwendbar sind, wenn kein Fall von Verteidigung vorliegt.468 Andernfalls wäre der negative Abgrenzungsgehalt des Wortes „Außer …“ entleert.469

C. Das Verhältnis zu Art. 24 Abs. 2 GG Neben den, durch die Grundgesetzänderungen von 1956 und 1968 eingefügten, Einsatzbefugnissen der Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG sowie Art. 87a Abs. 3, Abs. 4 S. 1 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG besteht nach expliziter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Art. 24 Abs. 2 GG eine eigen-

465

Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13; Teil 2 Kapitel 1 B. V. Einzig denkbare mittelbare Überschneidungskonstellationen wären Fälle, in denen sowohl eine Einsatzbefugnis aus den Sonderbefugnissen nach Art. 87a Abs. 3 GG als auch eine Einsatzbefugnis aus dem schweren staatsgefährdenden Staatsnotstand nach Art. 87a Abs. 4 GG oder dem Katastrophennotstand nach Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG vorliegen. In dem Fall folgt jedoch die Befugnis, trotz Erforderlichkeit für diese, nicht aus dem Begriff der Verteidigung, sondern aus der Einsatzbefugnis des Art. 87a Abs. 3 GG. Diese stellt eine eigenständige Befugnisgrundlage dar; vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 40. 467 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 2. b) und c); Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 236. 468 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 47; Wolff, in: Hömig/Wolff/Seifert u. a. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 6. 469 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 6. 466

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ständige Einsatzbefugnis.470 Unter dieser Prämisse stellt sich die Frage, inwiefern sich die Anwendungsbereiche der Art. 87a GG und Art. 35 GG zum Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 2 GG verhalten und abgrenzen.471

I. Kerngehalt des Art. 24 Abs. 2 GG Um das strukturelle Verhältnis näher zu beleuchten, ist, wie beim Verteidigungsbegriff, der Kerngehalt der Einsatzbefugnis aus Art. 24 Abs. 2 GG heranzuziehen. Dieser wurde vom Bundesverfassungsgericht in der Out-of-Area-Einsatz-Entscheidung472 verdeutlicht und weiterführend bestätigt.473 Hierbei wird klargestellt, dass Art. 24 Abs. 2 GG eine eigenständige Befugnis zum Streitkräfteeinsatz beinhalte.474 Diese stellt – auch heute noch – die Einsatzbefugnis für einen Streit470 BVerfGE 90, 286 (1. Leitsatz); zur Herleitung vgl. Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 127 ff.; Fink, Verfassungsrechtliche und verfassungsprozeßrechtliche Fragen in Zusammenhang mit dem Kosovo-Einsatz der Bundeswehr, JZ 1999, 1016 (1018). 471 Einzelne Ansichten darstellend: Stock, Verfassungswandel in der Außenverfassung, S. 62 ff.; vgl. Sauer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, Rn. 256, 320, der von einen „komplementären Verhältnis“ ausgeht. 472 BVerfGE 90, 286. 473 Bspw. BVerfGE 121, 135 (156). 474 Kritisch hinsichtlich des Urteils ist anzumerken, dass die Proklamation Nr. 2 und das Besatzungsstatut der Alliierten erst 1956 aufgehoben wurden. Diese Proklamation, welche vom 20. 09. 1945 bis zum 30. 05. 1956 galt, besagte nicht nur eine „vollständige“ Auflösung deutscher Streitkräfte, sondern auch deren „endgültige“ Auflösung. Als Art. 24 Abs. 2 GG mit Geltung des Grundgesetzes am 23. 05. 1949 in Kraft trat, waren deutsche Streitkräfte durch die Alliierte Hohe Kommission „vollständig und endgültig“ aufgelöst. Zu unterstellen, Art. 24 Abs. 2 GG hätte schon damals, 1949, die Zulässigkeit eines Streitkräfteeinsatzes beinhaltet, widerspricht dem damals geltenden Besatzungsstatut, welches gerade „vollständig und endgültig“ keine deutschen Streitkräfte vorsah. Denn die Zulässigkeit eines Streitkräfteeinsatzes setzt logischerweise Streitkräfte voraus, die jedoch nicht existierten und nach damaliger Rechtslage „endgültig“ auch in der Zukunft nicht mehr existieren sollten. Eine Regelung im Grundgesetz im Jahre 1949 über einen Streitkräfteeinsatz würde direkt dem damals geltenden Besatzungsstatut widersprechen. Sehr fragwürdig erscheinen daher Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, dass die „schon im ursprünglichen Text des Grundgesetzes zugelassene Mitgliedschaft in einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit [somit Art. 24 Abs. 2 GG] […] die damit mögliche Teilnahme deutscher Streitkräfte an bewaffneten Einsätzen im Rahmen eines solchen Systems“ erlauben sollte, wenn doch aus damaliger Sicht deutsche Streitkräfte „vollständig“ und vor allem für die Zukunft betrachtet „endgültig“ aufgelöst waren. Daher scheint indirekt das Bundesverfassungsgericht zu behaupten, dass der Herrenchiemseer Konvent und die ursprüngliche Fassung des Grundgesetzes vom 23. 05. 1949 gegen das Besatzungsstatut verstießen, was überaus kritisch zu sehen ist; vgl. Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 24 GG, Rn. 252; Fink, Verfassungsrechtliche und verfassungsprozeßrechtliche Fragen in Zusammenhang mit dem Kosovo-Einsatz der Bundeswehr, JZ 1999, 1016 (1018).

Kap. 2: Verhältnis wehrverfassungsrechtlicher Normen zueinander

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kräfteeinsatz zur Erfüllung einer Pflicht aus einem System kollektiver gegenseitiger Sicherheit bzw. einer Bündnispflicht, wie Art. 5 NATO-Vertrag, dar. Wesentliches Merkmal eines Status als verbündeter Staat ist die Beistandspflicht im Falle eines Angriffs.475 Das Bundesverfassungsgericht verwies hierbei auf die NATO bzw. die Westeuropäische Union, die eine Beistandspflicht im Falle eines Angriffs durch einen Nicht-Mitgliedstaat beinhalten. Solche „Bündnisse kollektiver Selbstverteidigung können […] Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit i. S. d. Art. 24 Abs. 2 GG sein, wenn und soweit sie strikt auf die Friedenswahrung verpflichtet sind.“476 Hierdurch wird verdeutlicht, dass eine Verteidigung von Rechtsgütern von Drittstaaten bzw. Verbündeten nach Art. 24 Abs. 2 GG möglich ist, soweit sich die Bundesrepublik Deutschland mit dem entsprechenden Staat innerhalb eines Bündnisses kollektiver Selbstverteidigung befindet.477 Nicht Bündnis kollektiver Selbstverteidigung, sondern ein erfasstes System kollektiver gegenseitiger Sicherheit stellen nach dem Bundesverfassungsgericht die Vereinten Nationen mit deren VNCharta dar.478 Somit ist auch eine staatliche Nothilfe, die auf den Begriff der kollektiven Selbstverteidigung des Art. 51 VN-Charta beruht, als Regelungsnorm der VN-Charta Teil eines Systems kollektiver gegenseitiger Sicherheit. Maßnahmen nach Art. 51 VN-Charta sind somit integrativer Teil innerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit und finden eine Einsatzermächtigung in Art. 24 Abs. 2 GG.479 Dadurch beinhaltet Art. 24 Abs. 2 GG Regeln hinsichtlich des umfassenden Bereichs des Streitkräfteeinsatzes zur Verteidigung von fremden bzw. verbündeten Drittstaaten.

II. Verhältnis zum Verteidigungsauftrag Dieser Regelungsbereich des Art. 24 Abs. 2 GG hinsichtlich der Verteidigung fremder bzw. verbündeter Drittstaaten ist vom Regelungsbereich des Verteidigungsbegriffs nach Art. 87a GG abzugrenzen.480 Hinsichtlich der Trennung der Regelungsbereiche des Art. 87a GG zu Art. 24 Abs. 2 GG traf das Bundesverfassungsgericht die Aussage, dass „Art. 87a GG […] der Anwendung des Art. 24 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Grundlage für den Einsatz bewaffneter 475 Exemplarisch: Heintschel von Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 24 GG, Rn. 31; Sauer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, Rn. 317. 476 BVerfGE 90, 286 (349). 477 Sauer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, Rn. 317 ff. 478 BVerfGE 90, 286 (349): „Die Vereinten Nationen sind ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne von Art. 24 Abs. 2 GG.“ 479 Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24 GG, Rn. 52. 480 Vgl. Fink, Verfassungsrechtliche und verfassungsprozeßrechtliche Fragen in Zusammenhang mit dem Kosovo-Einsatz der Bundeswehr, JZ 1999, 1016 (1018).

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Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

Streitkräfte im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nicht entgegen[steht].“481 Die Formulierung des Nicht-Entgegenstehens impliziert, dass keine Sperrwirkung des Art. 87a GG gegenüber einem Einsatz nach Art. 24 Abs. 2 GG besteht.482 Dies setzt voraus, dass der Regelungsbereich des Art. 87a GG sich nicht für die Fälle eröffnet, in denen ein Regelungsbereich des Art. 24 Abs. 2 GG besteht.483 Dadurch wird eine notwendige Trennung der Regelungsbereiche von Art. 24 Abs. 2 GG und Art. 87a GG verdeutlicht. Diese Trennung bestätigt sich systematisch durch die getrennte Anordnung in Titel II. und Titel VIII. des Grundgesetzes. Zudem ist mithin durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass Art. 24 Abs. 2 GG als Öffnungsklausel zu völkerrechtlichen Streitkräfteeinsatzgrundlagen dient.484 Da jedoch auch nach übertragbarer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Verteidigungsbegriff sich nicht völker-, sondern verfassungsrechtlich bestimmt, setzt dies eine Abgrenzung des Regelungsbereichs des Verteidigungsbegriffs zur Einsatzgrundlage des Art. 24 Abs. 2 GG voraus.485 Hieraus ergibt sich eine strukturelle Unabhängigkeit der alternativ zueinanderstehenden Regelungsbereiche der Normen.486

III. Trennung der Regelungsbereiche Da die Regelungsbereiche unabhängig und alternativ zueinanderstehen, muss mindestens ein Kriterium der Trennung der Regelungsbereiche bestehen. Dies ist notwendig, um den jeweils eigenständigen, exklusiven Regelungsbereich der unterschiedlichen Befugnisnormen zu bestimmen. Das soll nicht bedeuten, dass ein strenges Konkurrenzverhältnis vorliegen muss. Es können Szenarien vorliegen, in denen sowohl Verteidigung nach Art. 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG als auch Art. 24 Abs. 2 GG i. V. m. den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit einen Streitkräfteeinsatz zulässt.487 Es muss jedoch 481 BVerfGE 90, 286 (355); hierzu zusammenfassend: Heun, Anmerkung zu BVerfGE 90, 286, JZ 1994, 1073. 482 Vgl. Heun, Anmerkung zu BVerfGE 90, 286, JZ 1994, 1073. 483 Vgl. verallgemeinert grundsätzlich ebenso: Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 136 f. 484 Vgl. BVerfGE 121, 135 (156); Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24, Rn. 56 ff.; vgl. Calliess, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Rn. 8 ff. 485 Vgl. Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 24 GG, Rn. 249 ff. 486 Calliess, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 2 GG, Rn. 75, 98.; vgl. Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 24 GG, Rn. 56; Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 24 GG, Rn. 74. 487 Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 24 GG, Rn. 58.

Kap. 2: Verhältnis wehrverfassungsrechtlicher Normen zueinander

105

ein Regelungsbereich bestehen, der sich nur im Rahmen des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG bzw. Art. 24 Abs. 2 GG ergibt. Im Hinblick auf ein mögliches Trennungskriterium zwischen Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und Art. 24 Abs. 2 GG fällt auf, dass die Einsatzgrundlage des Art. 24 Abs. 2 GG meist ausschließlich hinsichtlich Auslandseinsätzen der Streitkräfte diskutiert wird.488 Dies drängt sich durch die Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung auf, die sich auf einen Auslandseinsatz der Bundeswehr bezog.489 Eine Trennung der Anwendungsbereiche von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und Art. 24 Abs. 2 GG durch den Einsatzort vorzunehmen scheitert schon daran, dass Auslandseinsätze sowohl nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG als auch nach Art. 24 Abs. 2 GG zulässig sind.490 Ferner sind Einsätze im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit auch innerhalb der Bundesrepublik möglich.491 Eine Unterteilung nach uni- und multilateraler Einsatzvornahme scheitert am Kontext der Verteidigungshandlung.492 Denn Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG bzw. Art. 24 Abs. 2 GG beschreiben gerade nicht, wie eine Verteidigungshandlung vorgenommen werden darf, sondern unter welchen Umständen.493 Zu beachten ist jedoch die, im weiteren Teil dargestellte,494 Trennung der Schutzgüter zwischen Art. 24 Abs. 2 GG und Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG.495 Diese Trennung der Schutzgüter stellt das Abgrenzungskriterium für das Verhältnis dieser Normen dar. Während Art. 24 Abs. 2 GG gerade ein formalisiertes Kriterium für die Einbeziehung von Drittstaaten in die Schutzverpflichtung des deutschen Staates vorschreibt, würde dieses formalisierte Kriterium bei Einbeziehung von Drittstaaten in das Schutzgut des Verteidigungsbegriffs unterlaufen werden.496 Betrachtet man die Entstehung des Art. 87a GG, fällt der Faktor der „Landesverteidigung“ auf.497 Auch würde systematisch bei einer Einbeziehung von Drittstaaten die

488

Vgl. bspw.: Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 24 GG, Rn. 72. Vgl. BVerfGE 90, 286. 490 Vgl. BVerfGE 123, 267 (360): „Der Auslandseinsatz der Streitkräfte ist außer im Verteidigungsfall nur in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit erlaubt.“ 491 Vgl. Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 24 GG, Rn. 72. 492 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 81. 493 Hierbei sei insbesondere auf besondere Kooperationen der deutschen Streitkräfte, wie bspw. die deutsch-französische Brigade oder das deutsch-niederländische Korps verwiesen; zu ihrer Zulässigkeit vgl. Dau, Rechtliche Rahmenbedingungen einer deutsch-französischen Brigade, NZWehrr 1989, 177. 494 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 3. b) bb) (2). 495 Im Ergebnis ebenso: Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 74 ff.; vgl. Sigloch, Auslandseinsätze der deutschen Bundeswehr, S. 110 ff.; vgl. Franzke, Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für den Außeneinsatz der Bundeswehr?, NJW 1992, 3075; Bülow, Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 180 ff. 496 Vgl. Sigloch, Auslandseinsätze der deutschen Bundeswehr, S. 111 ff. 497 Vgl. BVerfGE 48, 127 (159); BVerfGE 69, 1 (21). 489

106

Teil 2: Die Struktur der Wehrverfassung

mit dem Gedanken der nationalen Souveränität widersprüchliche „aufgedrängte Verteidigung“ ermöglicht.498

IV. Beachtung der Wertungen des Art. 87a GG Auch wenn die Anwendungsbereiche der Einsatzbefugnisse des Art. 24 Abs. 2 GG bzw. Art. 87a GG alternativ und getrennt durch separate Schutzgüter nebeneinander stehen, können Wechselwirkungen der verschiedenen Wertungen der Normen bestehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch Einsätze im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit innerhalb der Bundesrepublik vorgenommen werden können. Insbesondere in den ersten Dekaden der NATO waren Einsätze mit Deutschland als (atomarem) Kriegsschauplatz nicht nur ein abstraktes theoretisches Gedankenspiel. Hierbei ist zu beachten, dass (jedenfalls) bei einem Inlandseinsatz nach den Regeln eines Systems kollektiver Sicherheit über Art. 24 Abs. 2 GG nicht die Wertungen der Art. 87a, 35 GG unterlaufen werden dürfen.499 Es wäre widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber durch Einführung des Art. 87a GG bzw. Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG die Einsatzszenarien des Inlandseinsatzes zum Schutz der Bundesrepublik beschriebe und hierdurch die nicht genannten Szenarien inzident ausschließe, die Wertung der Einsatzszenarien der Art. 87a GG und Art. 35 GG jedoch durch einen Einsatz innerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit untergraben werden könnte.500 Sind bspw. die Voraussetzungen für Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG für einen Einsatz der Streitkräfte innerhalb Deutschlands nicht erreicht, so können die deutschen Streitkräfte nicht für exakt dasselbe Einsatzszenario unter Berufung auf Art. 24 Abs. 2 i. V. m. bspw. Art. 5 NATO-Vertrag eingesetzt werden. Würde ein Einsatz im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit im Inland die Wertung der Art. 87a, 35 GG unterwandern, so sind die Beiträge deutscher Streitkräfte einzustellen.501 Anzudenken wäre hierbei auch eine Reduktion der materiellen Grenzen angelehnt an die Solange-I- bzw. -II-Rechtsprechung.502 Da sowohl die NATO als auch die Europäische Union mittlerweile als System kollektiver Sicherheit angesehen wer498

Vgl. Teil 3, Fn. 267. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 59, 81. 500 Vgl. Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24 GG, Rn. 53; a. A. Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 132 f. 501 Dies widerspricht auch nicht der Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass „Art. 87a GG […] der Anwendung des Art. 24 Abs. 2 GG […] nicht entgegen[steht]“ (BVerfGE 90, 286 (355)). Denn diese bezieht sich lediglich auf die Auslandsverwendung nach Art. 24 Abs. 2 GG; zum Rückruf deutscher Truppen aus NATO-Missionen: Ipsen, Rechtsgrundlagen und Institutionalisierung der atlantisch-westeuropäischen Verteidigung, S. 208. 502 Vgl. BVerfGE 37, 271; BVerfGE 73, 339. 499

Kap. 2: Verhältnis wehrverfassungsrechtlicher Normen zueinander

107

den, besteht eine Vergleichbarkeit bzw. teilweise Deckungsgleichheit der europäischen Integration zur Integration Deutschlands in Systeme kollektiver Sicherheit.503 Einsätze der NATO zur „Verteidigung“ nach Art. 5 NATO-Vertrag oder der Europäischen Union nach Art. 42 Abs. 7 EUV würden demnach im Regelfall mit der Wertung der Einsatzkompetenz des Art. 87a GG übereinstimmen, solange keine eklatante Abweichung der Wertungen gegeben ist. Prinzipiell ist dadurch von einer Vereinbarkeit eines Inlandseinsatzes auf Grundlage des Art. 24 Abs. 2 GG auszugehen. Erst bei evidenter Abweichung gegenüber der Wertung des Art. 87a GG ist eine deutsche Beteiligung am Einsatz innerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit einzustellen.504

503 Vgl. Röben, Der Einsatz der Streitkräfte nach dem Grundgesetz, ZaöRV 63 (2003), 585 (590); Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 33.3; zum Überblick: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Die EU als System gegenseitiger kollektiver Sicherheit, WD 2-3000-022/15, S. 5. 504 Sollten nach Auslegung des Begriffs der Verteidigung nach Art. 5 NATO-Vertrag auch Präventivmaßnahmen erlaubt seien und solche unter Berufung darauf ausgeführt werden, könnte ein Verstoß gegen die Wertung des Art. 87a GG vorliegen. Für einen Angriff i. S. d. Art. 87a GG müsste eine Gefahr hinreichend wahrscheinlich sein. Wenn eine Präventivmaßnahme nach Art. 5 NATO-Vertrag i. V. m. Art. 24 Abs. 2 GG vorgenommen wird, diese sich jedoch nicht gegen einen hinreichend wahrscheinlichen Angriff i. S. d. Art. 87a GG richtet, würde ein Streitkräfteeinsatz, beruhend auf Art. 24 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 5 NATO-Vertrag, gegen die Wertung des Art. 87a GG verstoßen.

Teil 3

Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension Aus dem dargestellten Kerngehalt des Verteidigungsbegriffs und der Strukturierung der wehrverfassungsrechtlichen Normen ergibt sich eine Unterteilung in Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension und Einsätze auf Grund eines Angriffs ohne militärische Dimension. Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG ist dabei ein Einsatz auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension.1 Eine militärische Dimension liegt vor, wenn entweder der Angreifer oder der Angegriffene bzw. das Angegriffene militärisch ist.2 Kapitel 1

Die Struktur des Verteidigungsbegriffs A. Die innere Struktur des Verteidigungsbegriffs I. Ausgangsüberlegung Der Begriff der Verteidigung als „Abwehr eines Angriffs“ verdeutlicht eine grundlegende Struktur.3 Den Ausführungen von Fiebig ist insofern beizupflichten, dass aus dem Komplementärbegriff „Angriff“ zum Grundbegriff „Verteidigung“ ein Erkenntnisgewinn folgt.4 Diese „Gleichung mit zwei Unbekannten“5 begründete eine Aufteilung in zwei Bereiche, welche die Grundstruktur des Verteidigungsbegriffs verdeutlichen: 1

Teil 2 Kapitel 1 B. IV. a) cc). Teil 2 Kapitel 1 B. V.; vgl. exemplarisch: BVerfGE 48, 127 (160); 69, 1 (22); Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 59; a. A. Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 172, der ein „klassisches Angriffsverständnis“ erkennt, welches auch bei einem „militärischen“ Angriff vorläge, jedoch das Verständnis wegen fehlender Praktikabilität nicht anwendet. 3 Da „Verteidigung“ die „Abwehr eines Angriffs“ ist, ist entsprechend „Verteidigen“ „Abwehren eines Angriffs“. 4 Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 212. 5 Ebd. 2

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

109

• Mit „Abwehr“ bzw. „abwehren“ wird eine Handlung beschrieben. Im Kontext der Verteidigung wird dadurch eine Verteidigungshandlung angeführt. • Mit „Angriff“ wird ein funktionaler Bezugspunkt für die Verteidigungshandlung beschrieben. Dieser Bezugspunkt ist komplementär zur hieran anknüpfenden Verteidigungshandlung die Verteidigungslage. Dabei stellt die Verteidigungslage (= „Angriff“) das „Ob“ eines Verteidigungseinsatzes dar; die Verteidigungshandlung (= „Abwehr“) das „Wie“. Eine solche Betrachtungsweise bestätigt sich, führt man sich vor Augen, dass der Verteidigungsbegriff aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG eine Einsatzbefugnis beinhaltet.6 Hierdurch wird strukturell durch die Einsatzbefugnis den Streitkräften die Erlaubnis gegeben, Verteidigungshandlungen vorzunehmen.7 Dies ist von einem entsprechenden Tatbestand abhängig.8 Versucht man den Verteidigungsbegriff in Tatbestand und Rechtsfolge zu trennen, wiederholt sich das bereits dargestellte Ergebnis. Entsprechend ist daher der Angriff bzw. die Verteidigungslage als Tatbestand und die Erlaubnis zur Abwehr bzw. Verteidigungshandlung als Rechtsfolge aus dem Verteidigungsbegriff zu verstehen. Als Schaubild lässt sich dies folgendermaßen darstellen: Verteidigung = ABWEHR eines ANGRIFFS Verteidigungshandlung (= Abwehr) Rechtsfolge von Verteidigung

Verteidigungslage (= Angriff) Tatbestand von Verteidigung

Abbildung 3: Teilung des Verteidigungsbegriffs

6

Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 10. Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 10. 8 Vgl. Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 106 ff.; Pieroth, Materiale Rechtsfolgen grundgesetzlicher Kompetenz- und Organisationsnormen, AöR 114 (1989), 422 (425). 7

110

Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

II. Internes Stufenverhältnis Ausgehend von der Trennung in Verteidigungshandlung und Verteidigungslage folgt ein internes Abhängigkeitsverhältnis. Eine Verteidigungshandlung („Abwehr“) bezieht sich auf die Verteidigungslage („Angriff“). Dies bedeutet, dass ein Einsatz zur Verteidigung nur zulässig ist, wenn ein Angriff als Verteidigungslage gegeben ist. Ein Verteidigungseinsatz muss als Handlung zu seiner Abwehr erfolgen.9 Eine Verteidigungshandlung knüpft an eine Verteidigungslage an und setzt dadurch diese voraus.10 Nur wenn ein Angriff vorliegt, kann auch ein solcher abgewehrt werden. Dadurch besteht eine interne Abhängigkeit der Verteidigungshandlung – strukturell der Rechtsfolge – von einem Vorliegen einer Verteidigungslage – strukturell dem Tatbestand.

III. Strukturierung konkreter Problematiken In Bezug auf den materiellen Gehalt einer Verteidigungshandlung oder -lage besteht keine Eindeutigkeit durch die Rechtsprechung.11 Wann genau eine Abwehr bzw. ein Angriff vorliegt, ist im Speziellen unklar und strittig.12 Indem unter dem Oberbegriff Verteidigung die beiden Unterbegriffe Verteidigungshandlung und Verteidigungslage fallen, lässt sich eine grundsätzliche Schematisierung konkreter Streitigkeiten und Anwendungsproblematiken bilden. Weitere Unterbegriffe lassen sich unter dem Begriff der Verteidigungshandlung bzw. -lage bilden. Die Unterbegriffe Verteidigungshandlung bzw. -lage werden dadurch selber zu Oberbegriffen. Solche Unterbegriffe für die Verteidigungshandlung sind insbesondere die Fragen des Handlungsinhalts, des Handlungsadressaten und der Handlungseinschränkung.13 Für die Verteidigungslage gilt dies entsprechend. Der Oberbegriff Verteidigungslage lässt sich insbesondere in die Untergriffe Verteidigungsschutzgut bzw. Angriffsobjekt, Angriffserfolg und Angriffshandlung unterteilen.14 Schaubildhaft dargestellt bedeutet dies bspw.:

9 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 25; Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 26 ff. 10 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 10 f. 11 Vgl. BVerfGE 90, 286 (326); Teil 2 Kapitel 1 B. II. 12 Vgl. bspw.: Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 1049 ff.; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 11. 13 Vgl. Teil 3 Kapitel 3. 14 Vgl. Teil 3 Kapitel 2.

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

111

Verteidigung = Rechtsfolge

ABWEHR eines ANGRIFFS

Verteidigungshandlung (= Abwehr)

Tatbestand

Verteidigungslage (= Angriff)

Handlungsvoraussetzungen

Angriffshandlung Angriffserfolg

Handlungsadressat

Militärische Dimension

Funktionale Ausrichtung

Entscheidungskompetenz

Handlungseinschränkung

Angriffsobjekt / Verteidigungsschutzgut

Entscheidungskompetenz

Abbildung 4: Strukturierung des Verteidigungsbegriffs

Unter diesen jeweiligen Unterbegriffen lassen sich strukturell wieder bestimmte Unterbegriffe bilden. Dadurch wird entsprechend wiederum der Unterbegriff im Verhältnis zu seinem Unterbegriff ein Oberbegriff.

B. Das Verhältnis von Verteidigungslage und Verteidigungshandlung Die Rechtsfolge der Verteidigungshandlung ist die Befugnis zur Vornahme eines Einsatzes der Streitkräfte. Zu untersuchen ist, wie diese beiden Begriffe der Verteidigungslage und Verteidigungshandlung zueinanderstehen.

I. Verständnisweisen In der Literatur wird das Verhältnis von Verteidigungslage zur Verteidigungshandlung unter dem Verhältnis von Verteidigung zu Verteidigungseinsätzen diskutiert. Die Überlegungen lassen sich übertragen, da die Verteidigungseinsätze inhaltlich mit Verteidigungshandlungen gleichzusetzen sind. Die Ansichten der Literatur zum Verhältnis differieren im Wesentlichen dahingehend, welche Bedeutung der Präposition „zur“ innerhalb des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG eingeräumt

112

Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

wird.15 Unterschieden wird zwischen einem Verständnis von Verteidigung als substanziellem Rechtsbegriff und als funktionaler Zweckbestimmung.16 Ein Verständnis als substanzieller Rechtsbegriff umschreibt, dass der Verteidigungsbegriff einen materiellrechtlichen Gehalt habe.17 Die Einsatzmöglichkeiten, sprich Verteidigungshandlungen, seien durch den Begriff der Verteidigung beschränkt.18 Ein Verteidigungseinsatz sei nur dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn die materiellrechtlichen Voraussetzungen von Verteidigung als Rechtsbegriff feststellbar vorliegen. Dem wird als – vermeintliche – Gegenmeinung ein funktionales Verständnis gegenübergestellt.19 Die Streitkräfte müssten zum Zwecke der „Verteidigung“ handeln.20 Hierbei besteht der Kernpunkt in der Bestimmung des Zwecks „Verteidigung“. Alle Einsätze, die funktional einer Verteidigung dienen, seien durch Art. 87a GG verfassungsrechtlich zunächst zulässig.21 Zwar bestehen daneben Einschränkungen von möglichen Verteidigungseinsätzen. Diese folgten jedoch nicht aus dem Verteidigungsbegriff selbst, sondern aus weiteren im Grundgesetz verankerten Normen und Beschränkungen.22 Ein Verständnis als Zweckbegriff fußt auf einer engen Wortlautauslegung.23 Indem, sowohl in Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG als auch in Art. 87a Abs. 2 GG, Verteidigung die Präposition „zur“ vorangestellt wird, folge hieraus ein funktionales Verständnis.24 Die Präposition „zur“ stellt als allgemein zweckbindende Verknüpfung ein eindeutiges Indiz dar.25 Dass es sich bei der Präposition um lediglich eine 15 Vgl. hierauf besonders deutlich abstellend: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 25. 16 Darstellend: Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 28 f. 17 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 85; Bülow, Der Verteidigungsauftrag der Streitkräfte, NZWehrr 1984, 237 (240 f.). 18 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 50 ff. 19 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 8; Badura, Der Verfassungsauftrag der Streitkräfte im Grundgesetz, ZSE 2007, 358 (362); Schopohl, Der Außeneinsatz der Streitkräfte im Frieden, S. 89; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 11; Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 27 Fn. 82 m. w. N. 20 So aber auch Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 50, der eine „Zweckbindung“ voraussetzt. 21 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 48: „Dabei ergibt sich aus der Zweckbestimmung ,zur Verteidigung‘ keine materielle Begrenzung für nicht-aggressive Einsätze der Streitkräfte.“ 22 Hierbei wird insbesondere auf Art. 26 GG und die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes abgestellt. 23 Insbesondere: Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 42. 24 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 25. 25 Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 41.

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

113

nicht zu beachtende redaktionelle Unachtsamkeit handelt, scheint als Entkräftung des funktionalen Verständnisses fernliegend. Entsprechend erfülle ein Verteidigungseinsatz die verfassungsrechtlichen Anforderungen, wenn dieser dem Zweck einer Verteidigung diene. Im Rahmen dessen stringent erscheint es, wenn daraus auch auf eine Möglichkeit eines präventiven Handelns geschlossen wird. Verfassungsrechtlich zulässig seien dadurch auch Handlungen, die den Zweck verfolgen zukünftige Angriffe abzuwehren.26 Gegen dieses Ergebnis argumentiert die – vermeintliche – Gegenansicht des substanziellen Rechtsbegriffs. Bei einer Zweckbindung wäre recht unbestimmt, welcher Zweck verteidigungsfähig sei.27 Durch entsprechende Unbestimmtheit bestünde die Gefahr „jeden beliebigen Zweck zu ,verteidigen‘. […] Damit verlöre die Bindung des Streitkräfteeinsatzes an den Verteidigungsauftrag ihre rechtspraktische Bedeutung.“28 Eine funktionale Betrachtung sei schlicht zu unspezifisch und schwammig. Sie führe dazu, dass keine einschränkende Regelungswirkung mehr bestünde. Insbesondere in Bezug auf präventive Maßnahmen werde dies besonders deutlich.29 In Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG solle ein aggressives Auftreten Deutschlands in der Weltpolitik stets vermieden werden.30 Präventive Maßnahmen lägen jedoch einem aggressiven, machtpolitischen Handeln derart nahe, dass dies nicht durch den Verteidigungsauftrag gedeckt sein könne.31 Betrachtet man den Wortlaut des Verteidigungsbegriffs, wird zudem eine systematische Vergleichbarkeit aus der Notstandsnovelle sinnfällig.32 Denn die im historischen Kontext zur aktuellen Fassung des Verteidigungsbegriffs ebenso eingefügten Art. 87a Abs. 4 GG und Art. 91 GG beginnen im Wortlaut gleichermaßen mit der Präposition „zur“. Ein materiellrechtliches Verständnis im Rahmen der Art. 87a Abs. 4 GG und Art. 91 GG ist dabei unstrittig.33

26 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 8; hinsichtlich der Zulässigkeit von Präventionsmaßnahmen: a. a. O., Rn. 31. 27 Insbesondere: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 86. 28 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 98. 29 Ebd. 30 Vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 1 ff.; Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 16. 31 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 98. 32 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. III. 1. c). 33 Vgl. bspw. hinsichtlich Art. 87a Abs. 4 GG: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 147, durch „materiellrechtlich drei Voraussetzungen“ kann kein funktionales Verständnis bestehen; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 47. Hinsichtlich Art. 91 GG bspw.: Brede/Geis, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 91 GG, Rn. 15 ff.; Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 12 ff., hierbei werden stets Tatbestandsvoraussetzungen als materiellrechtliche Voraussetzungen angesprochen.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Entsprechend enthalte auch der Verteidigungsbegriff materiellrechtliche Beschränkungen.

II. Auswirkung des internen Stufenverhältnisses Betrachtet man die dargestellten Meinungen im Hinblick auf die dargestellte Strukturierung, so erscheint eine Gegenläufigkeit nur vermeintlich vorzuliegen.34 Dass letztlich die Meinungen nicht gegenläufig sind, erschließt sich aus der Aufteilung in Verteidigungshandlung und -lage sowie dem daraus folgenden internen Stufenverhältnis.35 Verteidigung ist als Abwehr eines Angriffs zu verstehen.36 Dies belegt insbesondere die systematische Vergleichbarkeit zu Art. 87a Abs. 4, 91 GG.37 Beschrieben werden dabei Maßnahmen „zur Abwehr von …“. Wie auch der Verteidigungsbegriff aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG wurden diese Normen durch die Notstandsnovelle in das Grundgesetz eingefügt. Im Rahmen der eingefügten möglichen Maßnahmen in Bezug auf einen staatlichen Notstand wiederholt sich das Muster der Maßnahmen „zur Abwehr von …“. Auch „Verteidigung“ nach Art. 87a GG ist im Wortlaut durch die Notstandsnovelle geformt. Selbstverständlich bezieht sich der Wortlaut des „zur“ in Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG auf den Begriff „Verteidigung“. „Verteidigung“ ist dabei als Zweiklang von Verteidigungshandlung (Abwehr) und -lage (Angriff) zu verstehen. Entsprechend ist „zur Verteidigung“ aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG als „zur Abwehr eines Angriffs“ zu verstehen.38 Ersetzt man gedanklich Verteidigung mit „Abwehr eines Angriffs“, bezieht sich aus dieser Sichtweise die Präposition „zur“ auf die „Abwehr“, sprich die Verteidigungshandlung, nicht jedoch direkt auf die Verteidigungslage. Dies bestätigt sich zudem durch zwei weitere Überlegungen. Erstens geht die Präposition „zur“ als Zweckbindungsgegenstand in Art. 87a Abs. 2 GG von einem Einsatz aus. Der Einsatz müsse „zur Verteidigung“ erfolgen.39 Ein Einsatz beschreibt die Verwendung von staatlichen Streitkräften, sprich eine staatliche Handlung.40 Diese Einsatzhandlung wird durch „zur“ mit dem Verteidigungsbegriff in Art. 87a Abs. 2 GG verbunden. Die Präposition „zur“ in Art. 87a Abs. 2 GG stellt somit eine 34

Zum Streitstand: Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 26 ff. 35 Teil 3 Kapitel 1 A. II. 36 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. III. 3. 37 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. III. 1. c). 38 Vgl. bspw.: Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 9; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44. 39 Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 11. 40 Vertiefend zum Meinungsstreit um den Einsatzbegriff: Ladiges, Die Bekämpfung nichtstaatlicher Angreifer im Luftraum, S. 34 ff.; Linke, Innere Sicherheit durch die Bundeswehr?, AöR 129 (2004), 489 (508).

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

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Kopplung an eine (Verteidigungs-)Handlung dar. Diese (Verteidigungs-)Handlung sind Maßnahmen der Streitkräfte mit Einsatzqualität.41 Die Präposition bezieht sich somit auf Grund der Struktur des Art. 87a Abs. 2 GG lediglich auf die korrespondierende Verteidigungshandlung. Gleiches gilt für den synonym zu verstehenden Verteidigungsbegriff in Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG.42 Zweitens können semantisch nur Verwendungen, somit Handlungen, zweckgebunden erfolgen.43 Ein Zweck beschreibt entweder eine subjektive Zweckbindung, sprich ein Wollen, oder eine objektive Zweckbindung, sprich eine Geeignetheit. Sowohl eine subjektive als auch eine objektive Zweckbindung setzen hierbei gedanklich eine Handlung voraus.44 Ein Wollen bezieht sich als subjektives Element mindestens teilweise auf den Bezugsgegenstand der Handlung. Der Wille manifestiert sich in einer Handlung. Ohne Handlung mangelt es an einer entsprechenden Willensbetätigung. Auch bei einer objektiven Zweckbindung, somit einer Geeignetheit, ist begrifflich eine Handlung notwendig. Geeignetheit als Merkmal ist kein abstrakt feststellbares Merkmal, sondern ergibt sich aus der jeweiligen An- bzw. Verwendung, beschreibt somit eine Handlung. Folglich ist, unabhängig davon, ob eine Zweckbindung subjektiv oder objektiv verstanden wird, Bezugsgegenstand der Zweckbindung zwangsweise eine Handlung. Hinsichtlich der Zweckbindung des Verteidigungsbegriffs bedeutet dies einzig einen Bezug auf die Verteidigungshandlung. Für das Verhältnis von Verteidigungslage zur Verteidigungshandlung bedeutet dies, dass die Präposition „zur“ eine Zweckbindung der Verteidigungshandlung bedingt. Das heißt, dass eine Verteidigungshandlung nur dann verfassungsmäßig zulässig ist, wenn sie funktional dem Zwecke der Abwehr eines Angriffs dient. Hiervon unabhängig ist eine Verteidigungslage. Denn aus dem dargestellten Verständnis von Verteidigung und dem daraus folgenden Stufenverhältnis zwischen Abwehr und Angriff ergibt sich, dass Abwehr begrifflich nur existiert, wenn ein Angriff vorliegt. Die Verteidigungshandlung bezieht sich auf die Verteidigungslage und setzt diese voraus.45 Eine Zweckbindung der Verteidigungslage selbst besteht nicht. Indem die Verteidigungslage begrifflich Voraussetzung für die funktionale Verteidigungshandlung ist, ist diese als substanzieller Rechtsbegriff materiellrechtlich zu verstehen. Die Verteidigungslage („Angriff“) stellt die tatbestandliche Voraussetzung für die mögliche Existenz der Verteidigungshandlung („Abwehr“) 41 Vertiefend zum Einsatzbegriff: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 34 ff. 42 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 48. 43 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 25, der auf den „Zweck der Verwendung“ abstellt; ebenso: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 86. 44 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 50; Bülow, Der Verteidigungsauftrag der Streitkräfte, NZWehrr 1984, 237 (241). 45 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 A. I.

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dar. Nur wenn eine Verteidigungslage bzw. ein Angriff besteht, ist die (Verteidigungs-)Handlung überhaupt eine Abwehr. Eine abwehrende Verteidigungshandlung ist ohne vorgehende Verteidigungslage (Angriff) keine Abwehr, sondern selbst ein Angriff. Entsprechend ist die Verteidigungslage ein substanzieller Rechtsbegriff. Als Schaubild dargestellt bedeutet dies: zur Verteidigung = zur ABWEHR eines ANGRIFFS zur Abwehr = Verteidigungshandlung Funktional (Zweckbestimmung)

Angriff = Verteidigungslage Substanziell (materiellrechtlicher Begriff)

Abbildung 5: Verhältnis der Verteidigungselemente

Die Gegenläufigkeit der Ansichten besteht daher nur vermeintlich. Beide Ansichten beschreiben überzeugend das Verhältnis von Verteidigungslage und Verteidigungshandlung; jedoch beide nur teilweise. Sie beziehen sich innerhalb des Verteidigungsbegriffs auf verschiedene strukturelle Teile. Der Tatbestand des Verteidigungsbegriffs, der Angriff bzw. Verteidigungslage, ist als substanzieller Rechtsbegriff materiellrechtlich zu verstehen, während die Rechtsfolge, die Abwehr bzw. Verteidigungshandlung, eine funktionale Zweckbestimmung voraussetzt. Daher stellen die Ansichten keine Antipole dar, sondern ergänzen sich und geben gemeinsam das Verhältnis von Verteidigungslage zur Verteidigungshandlung umfassend wieder.

III. Bestimmung des Zwecks Der Zweck einer einem funktionalen Wirkungsverhältnis unterliegenden Verteidigungshandlung kann sich subjektiv oder objektiv bestimmen. Eine subjektive Zweckbestimmung läge dann vor, wenn es bei einer Verteidigungshandlung einzig auf ein voluntatives Element ankommt, mit welchem der Staat eine Verteidigungshandlung vornimmt. Bei einer objektiven Zweckbestimmung ist dagegen eine objektive Geeignetheit der Zweckerreichung, somit der Angriffsabwehr, ausschlaggebend. Die Folge einer subjektiven Zweckbestimmung wäre, dass neben die Verteidigungslage und -handlung zusätzlich ein Verteidigungswille als voluntatives Element treten würde. Für eine solche subjektive Zweckbestimmung – dadurch Annahme

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

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eines Verteidigungswillens – könnte eine sachgerechte Abgrenzung zu Art. 26 GG sprechen. Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG knüpft die Führung eines Angriffskrieges ausdrücklich an die Absicht des Handelnden.46 Um eine Kohärenz des Verteidigungsbegriffs zum Angriffskrieg aus Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG zu schaffen, könnte ein dazu im Exklusivitätsverhältnis stehender Verteidigungswille nötig sein.47 Dadurch könnte vermieden werden, dass eine vorgenommene Verteidigungshandlung, welche in der Absicht bestünde einen Angriffskrieg zu führen, nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG verfassungsgemäße Verteidigung wäre, aber nach Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG verfassungswidrig wäre. Solch eine Notwendigkeit des Aufgreifens der Regelungswirkung des Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG direkt in den Verteidigungsbegriff aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG besteht jedoch nicht. Eine Geltung des Art. 26 GG muss nicht durch im Exklusivitätsverhältnis stehenden Verteidigungswillen gewahrt werden, sondern besteht unabhängig davon als verfassungsimmanente Schranke für eine Verteidigungshandlung.48 Eine Verfassungswidrigkeit läge durch Art. 26 GG direkt vor und ist nicht abhängig von einer Verfassungsmäßig- bzw. -widrigkeit bedingt durch Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG. Vielmehr spricht gegen eine subjektive Zweckbestimmung der objektive Charakter der Verteidigung. Dieser objektive Charakter folgt aus der Schutzpflicht des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG. Die Schutzpflicht des Staates Verteidigungsmaßnahmen im entsprechenden Fall vorzunehmen besteht objektiv.49 Eine Schutzpflicht muss unabhängig davon sein, wie viel ein Staat weiß bzw. wie umfangreich ein Staat handeln möchte.50 Denn angenommen, es würde ein Verteidigungswille gefordert, hätte ein fehlender Verteidigungswille fehlende Einsatzbefugnisse zur Folge. Der Staat würde, indem er nicht handeln möchte, mangels Verteidigungswillen die Voraussetzungen von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG nicht erfüllen. Es läge kein Verteidigungsauftrag vor. Mangels Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG bzw. Einschlägigkeit des Verteidigungsauftrags könnte der Staat seine Einsatzbefugnisse aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG ausschließen. Er könnte sich damit seiner Schutzpflicht entledigen und durch subjektiven (Verteidi46

Zum Umfang des subjektiven Elements in Art. 26 Abs. 1 GG: Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 28; Heintschel von Heinegg, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 28; Hernekamp, in: von Münch/ Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 19. 47 Vgl. Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 58, wonach „Verteidigung […] das Gegenstück zu dem nach Art. 26 GG verbotenen Angriffskrieg“ sei. Hierbei wird jedoch wohl die Zweckbestimmung objektiv verstanden: ders., S. 79: „Der Verteidigungseinsatz dient der Abwehr.“ 48 Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 27; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 70. 49 Vgl. Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 72, Rn. 25. 50 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 113; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 5.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

gungs-)Willen die verfassungsrechtliche Reichweite seiner (Verteidigungs-) Schutzpflicht bestimmen.51 Dass jedoch der an die Verfassung gebundene Staat die Reichweite seiner Rechtsbindung und der (Verteidigungs-)Schutzpflicht selbst bestimmen kann, widerspricht dem Wesen der Verfassung als objektiver Werteordnung. Da kein entsprechender Widerspruch vorliegen darf, kann keine subjektive Funktionalbestimmung vorliegen. Der Verteidigungsbegriff hat entsprechend einen objektiven Charakter. Der objektive Charakter bestätigt sich bei Grenzfällen zwischen Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und Hilfsleistungsfällen nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 Var. 2 GG. So wäre das Szenario denkbar, in welchem nicht erkannt wird, dass objektiv eine Verteidigungslage nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG gegeben ist, sondern dieses Gefahrenszenario als bundeslandbezogene Hilfseinsatzlage eines Katastrophennotstands nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 Var. 2 GG verstanden wird.52 Würden die Streitkräfte zur angeforderten Hilfsleistung i. S. d. Art. 35 Abs. 2 S. 2 Var. 2 GG eingesetzt, jedoch der staatliche Entscheidungsträger nachträglich erkennen, dass objektiv eine Verteidigungslage zum Zeitpunkt des Hilfsleistungseinsatzes doch vorlag, würde eine Verfassungsmäßigkeit als Hilfsleistungseinsatz nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 Var. 2 GG ausscheiden.53 Denn ein Hilfsleistungseinsatz nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 Var. 2 GG setzt nämlich gerade voraus, dass keine Verteidigungslage bestand.54 Nur in diesem Fall würden nach Art. 87a Abs. 2 GG andere Einsatzbefugnisse anwendbar sein.55 Würde nun auf Grund subjektiven Funktionszusammenhangs ein Verteidigungswille vorausgesetzt werden, läge diese Voraussetzung mangels Faktenkenntnis zum Zeitpunkt des Einsatzes nicht vor. Obwohl objektiv eine Verteidigungslage vorgelegen hätte, wäre die sich darauf beziehende objektive Verteidigungshandlung mangels Faktenkenntnis und Verteidigungswillen verfassungswidrig. Diese hypothetische Verfassungswidrigkeit würde jedoch dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr widersprechen. Denn die Notwendigkeit einer Gefahrenabwehr bedingt sich nicht nach dem Kenntnisstand des Staates, 51

Vgl. zur Staatsaufgabe: Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 73, Rn. 12. Denkbar wäre hier ein Szenario, in welchem der Staat ein Gefahrenpotential geringer einschätzt, als sich nachträglich herausstellt. Objektiv lag eine gesamtgesellschaftliche Relevanz vor, die zu einer Annahme einer militärischen Bewaffnung ausreicht. Dies würde eine Verteidigungslage begründen, sofern nicht die Vermutung gegen eine Staatlichkeit oder Organisation widerlegt wäre; vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V. 2. 53 Vgl. zur Trennung der Anwendungsbereiche: Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 236; vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. b) aa). 54 Teil 4 Kapitel 3 B. I. 2. c); dies bestätigt sich auch durch die Zuständigkeitskompetenzen und die Entscheidungskompetenzen. Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG geht von einem Zustand einer Landeszuständigkeit zur Gefahrenabwehr aus, die jedoch bei Vorliegen einer Verteidigungslage nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und einer Bundeszuständigkeit zur Gefahrenabwehr nicht mehr gegeben wäre. Ebenso räumt Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG die Entscheidungskompetenz der Landesregierung ein. Bei Vorliegen einer Verteidigungslage läge die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Vornahme einer Verteidigungshandlung jedoch bei dem/der BMVg. 55 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 71. 52

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

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sondern danach, ob objektiv eine abzuwehrende Gefahr für den Staat und dessen Bürger besteht.56 Auf Grund des objektiven Charakters des Verteidigungsbegriffs ist das funktionale Verhältnis der Verteidigungshandlung zur Verteidigungslage nicht subjektiv, sondern objektiv zu verstehen. Eine Verteidigungshandlung ist dann verfassungsgemäß, wenn sie objektiv geeignet ist einen vorliegenden Angriff abzuwehren und somit eine Verteidigungslage zu verringern oder zu beseitigen.57

C. Das Verhältnis von Verteidigung zu anderen Begriffen und dogmatischen Mustern Eine inhaltliche Bestimmung des Begriffs der Verteidigung erfolgte unter anderem durch negative Abgrenzung zu anderen Einsatzbefugnissen. Ebenso ist, insbesondere für eine systematische Bestimmung, eine Abgrenzung und Verhältnisbestimmung zu anderen Begriffen und Normen der Wehrverfassung notwendig, um eine vollständige Bestimmung des Begriffs der Verteidigung vorzunehmen. Eine Bestimmung des Verhältnisses zu dogmatischen Mustern kann darüber hinaus Rückschluss auf ein einzelnes Merkmal des Begriffs der Verteidigung liefern.

I. Verhältnis zu anderen Verfassungsbestimmungen 1. Art. 26 GG Der Verteidigungsbegriff nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG ist primär unabhängig vom Verbot des Angriffskrieges aus Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG zu verstehen. Es bestehen jedoch innerhalb einzelner Unterpunkte des Verteidigungsbegriffs Auswirkungen. Da Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG sich explizit auf „Handlungen“ bezieht, wirkt sich das Verbot des Angriffskrieges auf Handlungen des Staates aus und beschränkt diese. Gleichlaufend zum Verteidigungsbegriff und dessen Strukturierung besteht daher ein Bezug auf mögliche Verteidigungshandlungen. Ein materieller Bestimmungsgehalt hinsichtlich der Verteidigungslage lässt sich daraus nicht ableiten.58 56 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15, 88 ff.; Ebert, Entwicklungen und Tendenzen im Recht der Gefahrenabwehr, LKV 2017, 10 (13); hierbei ist hinsichtlich der Objektivität von keiner „ontologischen Objektivität“ (Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 204) auszugehen. 57 So auch bspw.: Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 79. 58 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 48; Tomuschat, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz,

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Das Verbot aus Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG schränkt somit die Auswahl möglicher Verteidigungshandlungen ein, welche nach Vorliegen einer Verteidigungslage vorgenommen werden dürfen. Auslegungen in der Literatur, die den gesamten Begriff der Verteidigung durch Art. 26 GG bestimmen, greifen daher zu weit.59 Da Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG sich auf das Regelungsobjekt einer Handlung bezieht, besteht auch nur hinsichtlich (Verteidigungs-)Handlungen ein Einschränkungspotential. Diese Einschränkung fällt in den Gesamtkontext von Verteidigung. Das in Art. 26 GG zu Grunde liegende Verbot der Vornahme eines Angriffskriegs beschränkt oder definiert daher nicht den gesamten Verteidigungsbegriff, sondern nur Verteidigungshandlungen. 2. Art. 87b GG Der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG wird durch den Regelungsbereich von Art. 87b GG beschränkt.60 Art. 87b GG normiert eigenständig die Bundeswehrverwaltung und stellt eine Institutionsgarantie diesbezüglich dar.61 Hierdurch wird eine Trennung der Bereiche der Art. 87a und 87b GG deutlich.62 Maßnahmen, die materiell in den Zuständigkeitsbereich der Bundeswehrverwaltung fallen, stellen keine Verteidigungshandlung dar. Art. 87b GG grenzt sich somit von Art. 87a GG ab.63 Eine Überschneidung der Regelungsbereiche besteht nicht. 3. Verteidigung nach Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG In der Verfassung wird außer in Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG in Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG „Verteidigung“ erwähnt. Der Begriff „Verteidigung“ in Art. 73 Nr. 1 2. Alt. GG umfasst dabei weitreichend alle Belange der Bundeswehr, der Bundeswehrverwaltung, des militärischen Abschirmdienstes und der dazugehörigen Wehrpflicht.64 Bereits mit seiner Einführung im Jahre 1954 durch Art. 73 GG a. F. sollte dieser dem

Art. 24 GG (Fassung 1985), Rn. 173; a. A. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 86. 59 Bspw.: Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14, 18. 60 Zum Verhältnis von Art. 87a GG zu Art. 87b GG: Voigt/Seybold, Streitkräfte und Wehrverwaltung, S. 30 ff. 61 Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87b GG, Rn. 3. 62 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87b GG, Rn. 4; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 37. 63 Vertiefend zur Bundeswehrverwaltung: Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (387 ff.). 64 Uhle, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 73 GG, Rn. 44.

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

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Bund schon damals die Aufstellung von Streitkräften ermöglichen.65 Der verwendete Begriff der „militärischen Verteidigung“ wurde im Kontext des Art. 73 Nr. 1 GG a. F. aufgeworfen66 und bei der Schaffung des Art. 87a GG a. F. weiterverwendet.67 Aus der Entstehungsgeschichte wird deutlich, dass der Begriff „Verteidigung“ in Art. 87a GG a. F. weiter fortgeführt wurde. Die Fortführung mündete jedoch nicht einzig in Art. 87a GG a. F. Denn in der Grundgesetzänderung von 1956 wurde nicht nur Art. 87a GG a. F. eingeführt, sondern gleichermaßen auch Art. 87b GG, insbesondere Art. 87b Abs. 1 Nr. 1 GG, in seiner noch heute gültigen Form. Auch die Einrichtung einer Bundeswehrverwaltung, wie sie Art. 87b GG anordnet, knüpfte an der im Jahre 1954 mit Art. 73 Nr. 1 GG a. F. getroffenen Entscheidung der Aufstellung von Streitkräften an.68 Der Verteidigungsbegriff aus Art. 73 Nr. 1 GG a. F. wurde somit sowohl in Art. 87a GG als auch in Art. 87b GG fortgeführt. Der Verteidigungsbegriff in Art. 73 Abs. 1 S. 1 GG und die dort normierte Gesetzgebungskompetenz erfassen die voneinander getrennten Regelungsbereiche der Art. 87a und 87b GG.69 Daher geht der Verteidigungsbegriff des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. GG über den Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG hinaus.70 Der Verteidigungsbegriff des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG steht im Zusammenhang mit der Aufstellungspflicht und der Einsatzbefugnis. Der Verteidigungsbegriff des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. GG erfasst dagegen nicht nur den Bereich der Streitkräfte, die im Zusammenhang mit einem Streitkräfteeinsatz stehen, sondern auch die Bereiche darüber hinaus, wie z. B. den ausdrücklich erwähnten Zivilschutz und die Bundeswehrverwaltung nach Art. 87b Abs. 1 S. 1 GG.71 4. Verteidigung in Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG Wie auch der Verteidigungsbegriff in Art. 73 Nr. 1 GG a. F. wurde der Verteidigungsbegriff in Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG durch Grundgesetzänderung im Jahre 1954

65 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 71; Uhle, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 73 GG, Rn. 7; Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. a) aa). 66 Vgl. BT-Drucks. II/124, S. 1; BT-Drucks. II/125, S. 1. 67 BT-PlProt II/17, vom 26. Februar 1954, S. 555. 68 Vgl. Umbach, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 73 GG, Rn. 23. 69 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 73 GG, Rn. 15. 70 So auch: Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 232; a. A. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 6, wonach die Begriffe der Verteidigung identisch seien. 71 Vgl. BVerwGE 84, 247 (250); Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 73 GG, Rn. 16; Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Rn. 23.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

eingefügt.72 Der Verteidigungsbegriff in Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG ist somit auch weiter als der Verteidigungsbegriff in Art. 87a GG.73 Er umfasst zwar den Verteidigungsbegriff aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG. Jedoch geht dieser auch dahingehend weiter, dass auch hier wiederum Regelungsgebiete der Bundeswehrverwaltung nach Art. 87b GG umfasst sind. Dies bestätigt sich durch den unterschiedlichen Regelungsbereich.74 Der Verteidigungsbegriff nach Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG steht im wörtlichen Zusammenhang mit völkerrechtlichen Verträgen. Verteidigung bezieht sich somit auf Vereinbarungen, die sich auf eine Integration in einem Verteidigungs- und Bündnissystem beziehen.75 Ob dies vorliegt, richtet sich dabei nach dem jeweiligen Völkerrechtsvertrag. Dadurch bestimmt sich der Verteidigungsbegriff in Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG nach dem jeweiligen Völkerrechtsvertrag. Der Verteidigungsbegriff in Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG bestimmt sich jedoch nicht durch Völkerrecht.76 Aus dieser Kopplung an den jeweiligen völkerrechtlichen Vertrag folgt ein unterschiedlicher Bedeutungsinhalt des Begriffs „Verteidigung“ in Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG.77 Dass eine Klarstellung nach Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG hinsichtlich des am 6. Mai 1955 ratifizierten NATO-Vertrages nicht besteht, widerspricht Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG nicht.78 Vergleichbar erscheint hierbei die Formulierung des Bundesver72

Vgl. BT-Drucks. II/275, S. 2. Vgl. Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 70. 74 Vgl. ebd. 75 Dietlein, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 79 GG, Rn. 12; vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 4. 76 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 4; Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 77 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 235, der hierin eine Wortlautverengung sieht. 78 Nach gängiger Auffassung ist die NATO ein Verteidigungs- und Bündnissystem und dient der Verteidigung der Bundesrepublik. Eine Klarstellung, wie sie Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG fordert, in welcher verdeutlicht wird, dass das Grundgesetz dem Abschluss und Inkrafttreten des NATOVertrages nicht entgegensteht, besteht nicht. Nach Art. 79 Abs. 1 S. 2 GG ist jedoch eine Klarstellung nicht Pflicht. Sie kann erfolgen, um eine Kompatibilität mit dem Grundgesetz zu verdeutlichen, welche notwendigerweise schon vorliegen muss; vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 6; Hain, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 79 GG, Rn. 17: Die Rechtsfolge der Klarstellung als Feststellung der Verfassungsmäßigkeit durch die Legislative erscheint zwar im Lichte einer gewaltengeteilten Demokratie i. S. d. Art. 20 GG etwas fragwürdig. Eine „Klarstellung“ scheint sehr nah an der Entscheidungskompetenz i. S. d. Art. 93 GG zu liegen. Die Feststellung der Verfassungsmäßig- bzw. -widrigkeit obliegt nach Art. 20 Abs. 2 S. 2, 93 GG grundsätzlich der Judikative. Auf Grund einer verfassungskonformen Auslegung scheint es jedoch angebracht anzunehmen, dass eine Klarstellung konkludent eine Anpassung des übrigen Verfassungsinhalts hinsichtlich einer Konformität mit dem völkerrechtlichen Vertrag bedeutet. Sollte ein Norminhalt dem völkerrechtlichen Vertrag widersprechen, so wäre er mit der 73

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

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fassungsgerichts in der Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung, wonach der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG der Anwendung des NATO-Vertrages über Art. 24 Abs. 2 GG nicht entgegensteht.79

II. Verhältnis zu dogmatischen Mustern und Begriffen 1. Verhältnis zum strafrechtlichen Verteidigungsbegriff Vorangestellt werden soll, dass der einfachgesetzliche Begriff der Verteidigung in § 32 Abs. 2 StGB80 selbstverständlich nicht den Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG determiniert. Vergleichend ist festzustellen, dass der Verteidigungsbegriff des § 32 StGB deutlich älter ist als der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG (a. F.) oder Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG.81 § 32 StGB geht auf § 53 S. 2 des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund82 zurück. Regelungsfolge ist eine Ausnahme vom staatlichen Gewaltmonopol.83 Strukturell fällt bei den wortgleichen Begriffen auf, dass hierbei ein Abwehrelement eines Angriffselements vorgesehen ist. Dadurch gliedert sich der einfachgesetzliche Verteidigungsbegriff, ebenso wie der verfassungsrechtliche Verteidigungsbegriff, in eine Verteidigungslage und eine Verteidigungshandlung.84 Hieraus lässt sich eine strukturelle Vergleichbarkeit annehmen. Dies bestärkt sich dadurch, dass beide Verteidigungsbegriffe Notstandsrechte – zumindest im überKlarstellung angepasst. Hierbei besteht wiederum eine Einschränkung durch Art. 79 GG, insbesondere Abs. 3 GG. Eine Klarstellung, dass ein völkerrechtlicher Vertrag nicht gegen das Grundgesetz verstößt, kann nicht die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Rechtsgüter – im Wesentlichen Art. 1, 20 GG – umfassen. Somit kann – unter Einhaltung bspw. des notwendigen Quorums – möglicherweise klargestellt werden, dass ein völkerrechtlicher Vertrag nicht gegen bspw. Art. 87a GG verstößt, jedoch niemals, dass kein Verstoß gegen Art. 1 oder 20 GG vorliegt; hierzu vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 699; Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 79 GG, Rn. 21. 79 BVerfGE 90, 286 (2. Leitsatz). 80 § 32 Abs. 2 StGB lautet: „Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“ 81 Die ursprüngliche Fassung des StGB stammt vom 15. Mai 1871 bzw. die des Norddeutschen Bund StGB vom 31. Mai 1870. 82 § 53 S. 2 StGB des Norddeutschen Bundes lautete: „Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Anderen abzuwenden.“ Dieser übernahm inhaltsgleich den § 41 S. 2 des preußischen StGB von 1851, welches lautete: „Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich selbst oder Anderen abzuwenden.“ 83 Vgl. Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 32 StGB, Rn. 1, 7 ff.; Erb, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 32 StGB, Rn. 1 ff. 84 Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 32 StGB, Rn. 1.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

tragenen Sinne – darstellen.85 Der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG bezieht sich auf den staatlichen Notstand86, während der Verteidigungsbegriff des § 32 StGB einen individuellen Notstand beschreibt.87 Auch wenn der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG mit das staatliche Gewaltmonopol manifestiert88 und der Verteidigungsbegriff des § 32 StGB hierzu eine Ausnahme darstellt, liegen strukturelle Parallelen der beiden Begriffe vor. 2. Verhältnis zum Gefahrenabwehrrecht Der hier verwendete Begriff des Gefahrenabwehrrechts fasst verschiedene rechtliche Bereiche der staatlichen Gewährung von Sicherheit zusammen, da „der Staat als Sicherheitsgarant zu Maßnahmen effektiver Gefahrenabwehr verpflichtet“ ist.89 Die Gewährung von Sicherheit wird als originäre Staatsaufgabe beschrieben.90 Die staatliche Aufstellung von Streitkräften erfolgt dabei abstrakt zu solcher Sicherheitsgewährung. Denn die Aufstellungsverpflichtung des Bundes beinhaltet eine Schutzverpflichtung des Staates gegen Angriffe i. S. d. Art. 87a GG.91 Der Staat muss durch Aufstellung und Einsatz der Streitkräfte einen Schutz gegen entsprechende Schädigungen gewähren.92 Hierdurch fügt sich der in Art. 87a GG festgelegte Verteidigungsauftrag in das staatliche System der Gefahrenabwehr ein.93 Zudem beinhaltet der Begriff der Verteidigung hinsichtlich der Verteidigungshandlung einen Abwehrbezug, ebenso wie das Gefahrenabwehrrecht.94 Auch systematische Erwägungen führen zu einem Gefahrenabwehrbezug. Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG weist ausdrücklich die „Abwehr einer […] Gefahr“ als Regelungsziel aus. Da es sich bei Art. 87a Abs. 4 GG ebenso wie beim Verteidigungsbegriff in Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG um ein Notstandsrecht handelt und diese Notstandsrechte im 85 Ebenso und grundlegend hierzu: Hufeld, in: Kube (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, Band 1, § 44, Rn. 4 ff., nachdem „die rechtliche Begründung der Wehrhoheit [auf den] […] Leitgedanken der Notwehr zurück[geht]“. 86 Ebd., nachdem der angegriffene deutsche Staat „seine Wehrkraft nicht in der Notwehrlage um seinetwillen, sondern als Nothelfer für seine Bürgerschaft“ auszuüben habe. Der fremdstaatliche Angriff begründet demnach ebenso eine Notwehrlage. 87 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 32 StGB, Rn. 3. 88 Vgl. Walter, Einsatz der Streitkräfte aus polizeirechtlicher Sicht, NZWehrr 2010, 101 (102). 89 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 17 ff. 90 Vgl. Korioth, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 30 GG, Rn. 12, 13; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 3. 91 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 10. 92 Ebd. 93 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 17 ff. 94 Bspw.: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 17; vgl. BVerfGE 115, 118 (142, 146).

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

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selben Artikel des Grundgesetzes zusammengefasst wurden, ergibt sich hierdurch auch eine Wesensgleichheit.95 Sowohl durch den vergleichbaren Abwehrbezug als auch aus systematischen Erwägungen zu Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG ist der Verteidigungsbegriff in Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG gefahrenabwehrrechtlich zu verstehen. Ebenso um gefahrenabwehrrechtliche Normen handelt es sich bei den polizeirechtlichen Befugnisnormen.96 Zwischen militärrechtlichen und polizeirechtlichen Befugnissen ist auf Grund des Art. 87a Abs. 2 GG zu trennen.97 Dieses Trennungsgebot zwischen Polizei- und Streitkräften bezieht sich hierbei insbesondere auf die unterschiedliche technische Ausrüstung und streng voneinander abzugrenzende Zuständigkeitsbereiche.98 Die Notwendigkeit für eine solche strikte Trennung folgt neben historischen Motiven aus der Nähe der beiden Maßnahmenbereiche.99 Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG befugt zu einer militärischen Gefahrenabwehr zur Unterstützung polizeilicher Gefahrenabwehr. Hierbei liegt dem Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG, ebenso wie dem innerhalb des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG verwiesenen Art. 91 Abs. 2 GG, ein Gefahrenbegriff zu Grunde, der durch dem polizeilichen Gefahrenbegriff geprägt ist.100 Ein polizeirechtliches Verständnis des Gefahrenbegriffs in Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG folgt aus der Konnexität zu den vorhergehenden polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen. Im Szenario des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG wehren, nach Überforderung der Polizeikräfte und der dadurch resultierenden Notwendigkeit des Streitkräfteeinsatzes, die Streitkräfte eine zunächst polizeiliche Gefahr ab. Durch Involvierung der Streitkräfte soll die abzuwehrende Gefahr, welche primär durch die Polizei abgewehrt werden soll, sekundär durch die Streitkräfte abgewehrt werden, nicht jedoch im Umfang oder Verständnis des Gefahrenbegriffs modifiziert werden. Indem die abzuwehrende (polizeirechtliche) Gefahr dieselbe bleibt, ist der militärrechtliche Gefahrenbegriff in Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG entsprechend wie der polizeirechtliche Gefahrenbegriff zu verstehen. Da auch der Verteidigungsbegriff in den Kanon der militärischen Gefahrenabwehr fällt, sind auch bei der Bestimmung des Begriffs der Verteidigung Erwägungen zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr übertragbar. Verfassungsrechtlich besteht von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG über

95

Vgl. zu Art. 87a Abs. 4 GG als Gefahrenabwehrnorm: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 31. 96 Vertiefend zum Verhältnis polizeirechtlicher und militärischer Befugnisse: Walter Einsatz der Streitkräfte im Inneren – Anmerkungen aus polizeirechtlicher Sicht, NZWehrr 2010, 101; ders., Annäherungen an die Realitäten – neue Einsichten des BVerfG zum Einsatz von Streitkräften im Inneren, NZWehrr 2013, 221. 97 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 72 ff. 98 Vgl. Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See, S. 119 ff. 99 Ebd. 100 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 154.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG zu Art. 91 Abs. 1, 2 GG eine Normenkette vom Verteidigungsbegriff zum polizeilichen Gefahrenbegriff.101 Auswirkungen solcher Übertragungen verdeutlichen sich exemplarisch bei der Konkretisierung des Angriffsbegriffs, insbesondere beim Angriffserfolg und bei der Bestimmung des Gefahrenbegriffs.102 Ebenso lassen sich bei der Einschränkung von Verteidigungshandlungen bei Identitätsunklarheit eines Angreifers Rückschlüsse aus dem polizeilichen Prinzip der Inanspruchnahme sogenannter Nichtstörer ziehen. 3. Verhältnis zu grundrechtlichen und institutionellen Schutzpflichten Der Begriff der Verteidigung aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG richtet als gefahrenabwehrrechtliche Norm einen Schutzauftrag an den Staat.103 Dieser Schutzauftrag lässt sich als wehrverfassungsrechtliche Schutzpflicht beschreiben.104 Während innerhalb des Wehrverfassungsrechts eine Schutzpflicht aus dem Begriff der Verteidigung und dem damit verbundenen Verteidigungsauftrag folgt, lässt sich aus den übrigen Einsatzbefugnissen der Art. 87a Abs. 3, Abs. 4 S. 1 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG keine Schutzverpflichtung des Staates annehmen. Denn anders als der Begriff der Verteidigung wird in den übrigen wehrrechtlichen Einsatzbefugnissen lediglich die Möglichkeit eines Handelns, welche unter staatlichem Ermessen liegt, begründet. Durch diese übrigen wehrrechtlichen Einsatzbefugnisse werden staatliche Handlungsmöglichkeiten erweitert, um die an anderer Stelle im Grundgesetz begründeten Schutzverpflichtungen zu erfüllen, nicht jedoch um eine eigene Schutzverpflichtung zu begründen. Die wehrrechtliche Schutzpflicht steht im Kontext der grundrechtlichen Schutzpflicht und der Institutsgarantie staatlicher Einrichtungen. Gemeinsam mit diesen wird ein Geflecht staatlichen Schutzes gebildet. Grundrechtliche Schutzpflichten, insbesondere hergeleitet aus der Abwehrfunktion der Grundrechte, beschreiben, wie der Name verdeutlicht, die Verpflichtung des Staates zur Gewährung eines grundrechtlich vermittelten Mindestgehalts und 101

Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 47, welcher auf Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 2 verweist und wonach die Gefahrenbegriffe synonym zu verstehen sind. Der Gefahrenbegriff des Art. 91 GG versteht sich wie der polizeiliche Gefahrenbegriff, vgl. exemplarisch Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 14. 102 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1. 103 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 13; vgl. Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 202 ff. 104 Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 26; denkbar aber im Ergebnis wohl abzulehnen wäre eine Schutzpflicht aus weiteren wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnissen. Denn während eine Schutzpflicht aus dem Begriff der Verteidigung und dem damit verbundenen Verteidigungsauftrag besteht (Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 125), überwiegen Bedenken hinsichtlich einer Schutzpflicht folgend aus Art. 87a Abs. 3, Abs. 4 S. 1 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG.

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

127

damit eines Untermaßverbotes. Der Schutz staatlicher Einrichtungen vermittelt vergleichbar zur grundrechtlichen Schutzpflicht einen verfassungsrechtlichen Schutz eines Mindestgehalts der Einrichtung der jeweiligen Institution. Ihren Ursprung finden diese in durch explizite Benennung begründeten Institutionsgarantien.105 Hinzu kommt der „Verfassungsauftrag zum Schutz von Staat und Verfassungsordnung“.106 Der Schutz seiner staatlichen Einrichtungen ist dabei „genuine Staatsaufgabe“.107 Zur Bestimmung der Verhältnisse der Schutzpflichten zueinander ist dabei eine Schnittmengenbetrachtung der Schutzvermittelten, somit wer oder was von der jeweiligen Schutzpflicht erfasst wird, ausschlaggebend. Sowohl grundrechtliche Schutzpflichten als auch Institutionsgarantien staatlicher Einrichtungen beziehen sich auf das den Schutzvermittelnden abgrenzende Begriffspaar Bürger/Staat.108 Dem steht bezogen auf eine wehrrechtliche Schutzpflicht aus dem Kerngehalt des Begriffs der Verteidigung das Begriffspaar „militärisch/zivil“ gegenüber.109 Nach hier vertretener Ansicht setzt „militärisch“ eine Staatlichkeit voraus.110 Mangels Staatlichkeit der Bürger können diese nicht „militärisch“ sein. Somit gelten Bürger bzw. diesem zugeordnete Objekte stets als „zivil“. Hieraus ergibt sich eine Teilmengenbeziehung der Begriffspaare Bürger/Zivile. Wenn ein Bürger vorliegt, ist jedenfalls ein Ziviler gegeben. Personen in staatlicher Funktion, staatliche Objekte oder staatliche Einrichtungen können auch als zivil gelten, wenn sie die Merkmale des Organisationsgrades und der Bewaffnung nicht erfüllen.111 Grundrechtliche Schutzpflichten eröffnen sich persönlich für alle Grundrechtsberechtigte. Nach der dargestellten Schematisierung umfasst dies Bürger. Der Schutz staatlicher Einrichtungen dagegen bezieht sich auf die jeweilige staatliche Einrichtung. Eine wehrrechtliche Schutzpflicht ist dagegen einschlägig bei Eröffnung des Verteidigungsauftrags, somit wenn ein militärischer Angreifer oder militärischer Angegriffener bzw. militärisches Angegriffenes vorliegt.112 Eine wehrrechtliche Schutzpflicht besteht bei Vorliegen eines militärischen Angreifers, unabhängig davon, ob der Angegriffene deutscher Staatsbürger ist bzw. das Angegriffene einem deutschen Staatsbürger zugeordnet werden kann oder ob der Angegriffene bzw. das 105

Vgl. vertiefend: Mainzer, Die dogmatische Figur der Einrichtungsgarantie. Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 28; vgl. Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Zum „Grundrecht auf Sicherheit“, WD 3-3000180/08, S. 13 ff. 107 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 3; rechtsgeschichtlich: Glaeßner, Sicherheit als Staatsziel und Verfassungsauftrag – verfassungsgeschichtliche Reflektionen zur Schutzfunktion der staatlichen Ordnung. 108 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IX, § 191, Rn. 2, 5. 109 Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13; Teil 2 Kapitel 1 B. V. 110 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3. f). 111 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3. e). 112 Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13. 106

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Angegriffene staatlich ist bzw. als zivil oder militärisch gilt.113 Zivile Personen und Objekte sind somit im Falle eines militärischen Angriffs mit militärischen Mitteln zu verteidigen. Bezogen auf die dargestellte Schematisierung bedeutet dies: Angegriffener / Angegriffenes Bürger Zivil

Staat Zivi

Militärisch Militärischer Angreifer Ziviler Angreifer

= Wehrrechtliche Schutzpflicht = Institutsgarantie staatlicher Einrichtungen = Grundrechtliche Schutzpflicht Abbildung 6: Übersicht der Schutzpflichten

Die wehrrechtliche Schutzpflicht überschneidet sich, wie dargestellt, mit der Institutsgarantie staatlicher Einrichtungen und einer grundrechtlichen Schutzpflicht, sofern ein militärischer Angreifer vorliegt. Im Verhältnis der wehrrechtlichen Schutzpflicht gegenüber einer grundrechtlichen Schutzpflicht ist hierbei zu beachten, dass grundrechtliche Schutzpflichten anders als die wehrrechtliche Schutzpflicht subjektive Rechte, sprich Ansprüche, des Bürgers gegenüber dem Staat begründen.114 Weiterer elementarer Unterschied sind die Schutzberechtigten. Der Staat kann sich auf Grund des Art. 1 Abs. 3 GG nicht auf grundrechtliche Schutzansprüche berufen, wodurch die grundrechtliche Schutzpflicht keinen Schutz für den Staat vermittelt.115 Dagegen liegt eine wehrrechtliche 113

Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 10. Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Vor Art. 1 GG, Rn. 35; vertiefend: Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IX, § 191, subjektive Rechte bzw. Ansprüche eines Bürgers folgend aus der wehrrechtlichen Schutzpflicht sind bisher nicht wesentlicher Diskussionsgegenstand gewesen oder gar anerkannt. 115 Zur Grundrechtsbindung der deutschen Streitkräfte vertiefend: Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 87. 114

Kap. 1: Die Struktur des Verteidigungsbegriffs

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Schutzpflicht folgend aus dem Verteidigungsauftrag vor, wenn die deutschen Streitkräfte betroffen sind.116 Anders als grundrechtliche Schutzpflichten umfasst die wehrrechtliche Schutzpflicht auch den deutschen Staat.117 Der Staat ist auf Grund des Verteidigungsauftrags verpflichtet, sich selbst gegen fremde Streitkräfte ebenso wie seine eigenen Streitkräfte zu schützen.118 Dazu kann er sich wiederum seiner eigenen Streitkräfte bedienen. Gemeinsamkeiten der grundrechtlichen und wehrverfassungsrechtlichen Schutzpflicht bestehen dabei im vermittelten Schutz und dessen Zielrichtung. Eine wehrrechtliche Schutzpflicht aus dem Begriff der Verteidigung begründet sich mit Einführung des Begriffs der Verteidigung und Art. 87a GG im Jahre 1956, modifiziert durch Novellierung des Wehrverfassungsrechts 1968. Dieser gehen grundrechtlich begründete Schutzpflichten, auch wenn diese aus rechtshistorischer Betrachtung noch nicht anerkannt waren, voraus.119 Gerade um diese für den Staat bestehende damals noch allgemein genannte Schutzverpflichtung auszuführen, folgte die Entscheidung des Staates, Streitkräfte aufzustellen und diese im Zweifel einsetzen zu können.120 Bei der Aufstellung der Streitkräfte sollten die grundrechtlichen Schutzpflichten auch in außergewöhnlich schwerwiegenden – insbesondere militärischen – Fällen gewährleistet werden können. Bezogen auf die Statuslehre Jellineks vermitteln die wehrrechtlichen Schutzpflichten somit insbesondere Schutz durch den Staat und beziehen sich dadurch hauptsächlich auf den status positivus.121 Durch die wehrrechtlichen Schutzpflichten wird der, wie auch durch grundrechtliche Schutzpflichten vermittelte, Schutz durch den Staat bzw. status positivus des Einzelnen bestärkt. Diese Argumentation scheint auch dem BVerfG vorzuschweben, wenn dieses ausführt, dass „Landesverteidigung […] gerade dem Schutz der freiheitlichen – auch die Grundrechte verbürgenden – Ordnung dient“.122 Hierbei wird durch „auch“ die teilweise bestehende Deckungsgleichheit verdeutlicht. Die in der „wirksame[n] militärische[n] Landesverteidigung“123 liegende wehrrechtliche Schutzpflicht be116

So auch: Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern,S. 298; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 136. 117 BVerfGE 69, 1 (21 f.), dies folgt aus dem Begriff „wirksame militärische Landesverteidigung“, aus dem „die gemeinschaftsbezogene Pflicht der Bürger, zur Sicherung dieser Verfassungsordnung beizutragen“ folgt. 118 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 22. 119 Vertiefend zu den grundrechtlichen Schutzpflichten: Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten. 120 Hierbei als Entscheidung zur Inanspruchnahme der Wehrhoheit ausgeführt: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 8, 14; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 8; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 20. 121 Vgl. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 394 ff., 406 ff., 427 ff. 122 BVerfGE 77, 170 (221). 123 BVerfGE 69, 1 (21).

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

zieht sich auch auf die Grundrechte, somit die staatliche Gewährung grundrechtlicher Schutzpflichten. Jedoch ist sie nicht beschränkt auf den Umfang der grundrechtlichen Schutzpflicht oder damit gleichzusetzen, sondern kann über diese hinausgehen, da auch der Eigenschutz des Staates und der Streitkräfte miterfasst ist.124 Grundrechtliche und wehrverfassungsrechtliche Schutzpflichten stehen somit nebeneinander, insbesondere da eine grundrechtliche Schutzpflicht anders als eine wehrverfassungsrechtliche Schutzpflicht subjektive Rechte und Individualansprüche begründet. Auch zwischen der Institutionsgarantie staatlicher Einrichtungen und einer wehrverfassungsrechtlichen Schutzpflicht besteht eine Deckungsgleichheit bei Vorliegen eines militärischen Angreifers. Unterschiede der Schutzpflicht existieren jedoch insbesondere im Umfang der Schutzverpflichtung. Während eine Institutionsgarantie staatlicher Einrichtungen sich auf einen Mindestgehalt des Bestands der Einrichtung bezieht, schützt eine wehrverfassungsrechtliche Schutzpflicht umfassend gegen sämtliche Angriffe eines militärischen Angreifers. Entsprechend geht das durch die wehrverfassungsrechtliche Schutzpflicht vermittelte Schutzniveau deutlich über die Institutionsgarantie staatlicher Einrichtungen hinaus. Gemeinsam haben dagegen wehrverfassungsrechtliche Schutzpflicht und Institutionsgarantie staatlicher Einrichtungen, dass beide, anders als grundrechtliche Schutzpflichten, staatliche Organe und Behörden schützen. Das bedeutet: • Die grundrechtliche Schutzpflicht umfasst gänzlich den Bürger, welcher gleichermaßen als zivil anzusehen ist. • Die Institutionsgarantie staatlicher Einrichtungen schützt staatliche Organe und Behörden, auch wenn diese insbesondere mangels Bewaffnung bei einem Angriff als zivile Angegriffene zu verstehen sind. • Der militärische Teil des deutschen Staates ist umfänglich von der wehrrechtlichen Schutzpflicht umfasst. Zusätzlich erfasst die wehrrechtliche Schutzpflicht den Bürger ebenso wie die nichtmilitärischen Teile des Staates, soweit ein militärischer Angreifer vorliegt. 124 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 298; a. A. Isensee, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IX, § 191, Rn. 209, nach dem es „einen wesentlichen Unterschied [ausmacht], ob ein Privater handelt, der der deutschen Staatsgewalt unterliegt und seinerseits grundrechtsfähig ist, oder ein ausländischer Staat, der außerhalb der deutschen Rechtsordnung steht und, auch nicht mittelbar an die deutschen Grundrechte gebunden“ ist. Dies vermag nicht zu überzeugen, da es hinsichtlich der Schutzpflicht primär auf den Schutzberechtigten ankommt. Für diesen macht es keinen Unterschied, ob er von einem Privaten oder von einem ausländischen Staat in seinen Rechtsgütern verletzt wird. Der deutsche Staat kann sich nicht auf eine Verringerung seiner Schutzverpflichtung berufen, nur weil diese anstatt von Privaten von fremden Staaten begründet wird – vgl. hinsichtlich der wehrrechtlichen Schutzverpflichtung und einer „Opferperspektive“: Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Art. 87a GG, Rn. 4.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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• Eine wehrrechtliche und eine grundrechtliche Schutzpflicht bzw. eine wehrrechtliche Schutzpflicht und eine Institutionsgarantie staatlicher Einrichtungen überschneiden sich, wenn ein militärischer Angreifer und ein Bürger bzw. eine zivile staatliche Einrichtung Angegriffener sind. In diesem Fall stehen der grundrechtliche und der wehrrechtliche Schutzanspruch bzw. der wehrverfassungsrechtliche Schutzanspruch und die Institutionsgarantie staatlicher Einrichtungen nebeneinander.

Kapitel 2

Die Verteidigungslage Wie im Rahmen des Kerngehalts des Verteidigungsbegriffs ausgeführt, definiert sich Verteidigung im Zwischenschritt als Abwehr eines Angriffs.125 Dieser Angriff muss darüber hinaus militärischen Bezug aufweisen, welcher bei einem militärischen Angreifer oder einem militärischen Angegriffenen vorliegt.126 Die Verteidigungslage – der Angriff – setzt daher nur zwei Punkte voraus: 1. Ein Angriff i. S. d. Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG. 2. Ein militärischer (Personen-)Bezug des Angriffs. Diese beiden Punkte verästeln sich. Sie strukturieren die Verteidigungslage. Gemeinsam ergeben sie als Angriff mit militärischer Dimension durch militärischen (Personen-)Bezug eine Verteidigungslage i. S. d. Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und ermöglichen eine Einsatzgrundlage für Verteidigungshandlungen.

A. Der Angriffsbegriff Der Verteidigungsbegriff weist eine gewisse strukturelle Parallelität mit dem Verteidigungsbegriff aus § 32 StGB als Notstandsrechte auf. Dort ist eine Verteidigungslage notwendig.127 Auf Ebene der Verteidigungslage lassen sich dabei die prinzipiellen Strukturmerkmale gleichermaßen anführen. Vor diesem Hintergrund lässt sich der Angriffsbegriff in drei Unterpunkte trennen:

125

Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. III. 3. Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. V. 127 Vgl. Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 32 StGB, Rn. 25. 126

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

1. das Angriffsobjekt, welches dadurch entsprechend das Schutzgut des Verteidigungsbegriffs darstellt,128 2. der Angriffserfolg sowie129 3. die Angriffshandlung.130 Diese drei Punkt sind miteinander verbunden. Eine Angriffshandlung ruft den entsprechenden Angriffserfolg beim Angriffsobjekt hervor. Die Hervorrufung des Angriffserfolgs durch die Angriffshandlung beim Angriffsobjekt ergibt insgesamt einen Angriff i. S. d. Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG.

I. Angriffsobjekt/Verteidigungsschutzgut Ein Angriff muss sich gegen ein Verteidigungsschutzgut richten.131 Was der Verteidigungsbegriff des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG schützt, ist taugliches Angriffsobjekt bzw. Verteidigungsschutzgut. Dadurch kann ein abzuwehrender Angriff i. S. d. Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG nur dann vorliegen, wenn dasjenige angegriffen wird, was durch Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG geschützt wird.132 Was vom Schutzbereich des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG als Schutzgut erfasst wird, wird mit verschiedenen an das Suffix „-verteidigung“ gekoppelten Begriffen umschrieben. Gängig sind hierbei Kombinationen wie „Landesverteidigung“133, „Ter-

128

Auch explizit auf das Verteidigungsobjekt abstellend: Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 50; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43. 129 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 50 ff. 130 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 49; a. A. Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 84, der lediglich die Verteidigungshandlung normiert sieht. 131 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 50; Baldus/MüllerFranken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43; Bähr, Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen, S. 72 f., der hieraus fünf verschiedene Bestimmungen des Verteidigungsbegriffs ableitet; differenziert: Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 84, der einen Angriff auf ein Schutzgut voraussetzt, jedoch keine Beschränkung des Verteidigungsbegriffs durch ein gegenständliches Schutzgut sieht. 132 Vgl. zum Schutzauftrag: Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 11; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 26. 133 Bspw.: BVerfGE 69, 1 (21); 77, 170 (3.b. Leitsatz); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/ Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 107; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 7.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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ritorialverteidigung“134, „Personalverteidigung“135 oder „Bündnisverteidigung“136. Diese Ausführungen sollen im Wesentlichen auch hier aufgegriffen werden. Allerdings erscheint ein direktes Abstellen auf einzelne Schutzgüter voreilig. Diese Begriffe beschäftigen sich mit konkreten Rechtsgütern und hinterfragen, ob diese vom Verteidigungsbegriff erfasst werden. Diese konkreten Rechtsgüter beschreiben hierbei, wie sich das generelle abstrakte Schutzgut des Verteidigungsbegriffs auswirkt. Eine Klärung der konkreten Schutzgüter ergibt sich aus einer Subsumption des abstrakten Schutzgutes des Verteidigungsbegriffs. Um somit die konkreten Rechtsgüter bestimmen zu können, muss zunächst das abstrakte Schutzgut des Verteidigungsbegriffs geklärt werden. Hieraus lassen sich Rückschlüsse auf einzelne konkrete Rechtspositionen ziehen. 1. Abstraktes Schutzgut a) Bestand des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aa) Einführung des Verteidigungsbegriffs in das Grundgesetz Für die Bestimmung des abstrakten Schutzgutes von Verteidigung sind die historischen Materialien zur Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen. Historisch beachtenswert ist die, der Einführung des Art. 87a GG a. F. vorgehende, Einführung der Bundeskompetenz für „Verteidigung“ in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG.137 Im Rahmen dessen wurde die Frage einer Notwendigkeit und Begrifflichkeit von „Verteidigung“ diskutiert.138 In der entsprechenden Plenardebatte zur zweiten und dritten Lesung hieß es dazu vom Vertreter Dr. Gerstenmaier der Regierungsfraktion: „Was wir tun, tun wir vielmehr deshalb, weil wir die Verteidigung unserer eigenen, teuer erworbenen Freiheit und den Schutz unserer deutschen rechtsstaatlichen Ordnung nicht von 134

Bspw.: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 38; vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 13a; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44. 135 Bspw.: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 10; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, Art. 87a, Rn. 14. 136 Bspw.: Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 9; Wolff, in: Hömig/Wolff/Seifert u. a. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a Rn. 3; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), GG, Art. 87a, Rn. 11; vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 17; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43. 137 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 6. 138 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 A. II. 1.

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den Söhnen anderer Völker verlangen können und wollen, ohne nach dem Maße unserer Kraft das Unsere dafür zu tun.“139

Daneben relevant erscheinen insbesondere die Aussprachen im Bundestag im Rahmen der dritten Lesung zur Änderung des damaligen Grundgesetzes und zur Einführung des Art. 87a GG.140 Aus den Aufschriften der Redebeiträge ist die Aussage der Berichterstatterin Dr. Schwarzhaupt zu beachten: „Für die Erklärung des Verteidigungszustandes ging man von dem Gedanken aus, daß die schicksalhafte politische Entscheidung über Krieg und Frieden des ganzen Volkes […] von der obersten Vertretung des ganzen Volkes, um dessen Schicksal es geht, also von dem Parlament, getroffen werden soll.“141

Auch wenn die Aussage durch Bezug auf eine „Erklärung“ sich wohl auf die Feststellung des Verteidigungsfalls bezieht, ist dies auch auf den Begriff der Verteidigung zu übertragen. Denn zwischen materiellem Verteidigungsfall und Verteidigungslage besteht eine Teilidentität. Die Frage einer Verteidigungslage, welche als Verteidigungszustand beschrieben wurde, ist demnach jedenfalls teilweise ebenso eine essentielle, die den Grundbestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gefährdet. Noch deutlicher diesbezüglich ist die Aussage Dr. Arndts als Sprecher der oppositionellen SPD, der Folgendes ausführte: „Diese auf uns zurollende Lage einer Bewaffnung […] macht es notwendig, nun in dem Grundgesetz wenigstens ein Mindestmaß an Vorsorge dafür zu treffen, daß diese neue Erscheinung im politischen Leben […] nicht die freiheitliche demokratische Grundordnung sprengt. Das ist der Sinn dieser Verfassungsergänzung, bei der es sich um Notmaßnahmen und um ein Mindestmaß an Vorsorge um der freiheitlich-demokratischen Grundordnung willen […] handelt.“142

Im selben Zusammenhang mit der Einführung des Art. 87a GG a. F. wurden über die Rechtsstellung der für die Streitkräfte rekrutierten Soldaten Regelungen getroffen. Dieses Soldatengesetz traf Regelungen gegenüber Soldaten, die damals einzig für „Verteidigung“ nach Art. 87a GG a. F. zuständig waren. Im Rahmen der Erwägungsgründe zum entsprechenden Gesetz hieß es, dass „Grundpflicht des Soldaten zu treuem Dienst, der Verteidigung von Recht und Freiheit des deutschen Volkes, zu Tapferkeit, zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung“143 ist. Betrachtet man den Kanon der historischen Äußerungen, fällt das 139

Dr. Gerstenmaier, BT-PlProt II/17, vom 26. Februar 1954, S. 557 (A). BT-PlProt II/132, vom 6. März 1956. 141 Dr. Schwarzhaupt, BT-PlProt II/132, vom Dienstag, den 6. März 1956, S. 6820 (A). 142 Dr. Arndt, BT-PlProt II/132, vom 6. März 1956, S. 6824 (B); auch wenn Dr. Arndt hierbei darauf anspielt, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung auch vor dem damaligen neuen Phänomen „Bundeswehr“ geschützt werden sollte, so ist auch nach dessen Ansicht Schutzgut der damaligen Verfassungsänderung die freiheitlich demokratische Grundordnung. 143 BT-Drucks. II/2140, S. 4. 140

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stets wiederkehrende Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ins Auge. Dies legt nahe, dass es bei der Einführung um den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ging.144 bb) Fortführung durch die Notstandsnovelle Der bei der Einführung des Verteidigungsbegriffs nach Art. 87a GG a. F. bestehende Gedanke des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wurde im Rahmen der Notstandsnovelle aufgegriffen und fortgeführt. Die Notmaßnahme des militärischen Verteidigungseinsatzes wurde hierbei im Rahmen der Notstandsnovelle und Einführung einer Notstandsverfassung aufgegriffen.145 Systematisch wird dies insbesondere dadurch deutlich, dass Art. 87a GG a. F. um weitere Absätze erweitert wurde und im selben Abschnitt weitere Vorschriften hinzugekommen sind. Wie bei der Strukturierung des Verteidigungsbegriffs ausgeführt, ist hierbei gerade das systematische Verhältnis von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG zu Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG und Art. 91 GG relevant. Diese weisen eine enge systematische Konnexität auf, da diese mit der Formulierung „Zur Abwehr“ beginnen sowie durch dieselbe Grundgesetzänderung eingeführt wurden.146 Ziel der Einführung des Art. 87a Abs. 4 S. 1 und 91 GG war eine Regelung des Staatsnotstands, hierbei konkreter eines inneren Notstands.147 Selbiges grundlegendes Regelungsziel – Regelung eines Notstands und Ermöglichung von Notstandsmaßnahmen – war bei Schaffung des Verteidigungsbegriffs in Art. 87a GG gegeben.148 Sowohl Art. 87a Abs. 4 und 91 GG als auch Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG ermöglichen Notstandsmaßnahmen. Ein solcher Notstand wird sowohl im Wortlaut des Art. 87a Abs. 4 als auch des Art. 91 GG als „drohende […] Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“ beschrieben. Schutzgut des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG und des Art. 91 GG sind dadurch der Bestand und die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes.149 Insbesondere die Verortung von Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG in derselben Norm drängt eine Vergleichbarkeit zu Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG auf. Ein Streitkräfteeinsatz auf Grund eines inneren Notstands soll das Schutzgut des Bestandes des Bundes oder eines Landes oder dessen freiheitlicher 144

So auch: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43, Schutzziel sei „sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die vom Grundgesetz verfasste und legitimierte staatliche Ordnung“. 145 Dies legt gerade die Bezeichnung der Verfassungsänderung als Notstandsnovelle bzw. Notstandsnovellierung nahe. 146 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. III. 1. c). 147 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 146; Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 71. 148 Vgl. Dr. Arndt, BT-PlProt II/132, vom 6. März 1956, S. 6824 (B). 149 Vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 66.

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demokratischer Grundordnung bewahren. Gleichermaßen ist auch bei einem Verteidigungseinsatz, welcher gerade einen äußeren Notstand beschreibt, der Bestand des Bundes oder eines Landes oder dessen freiheitlicher demokratischer Grundordnung zu Grunde liegendes abstraktes Schutzgut bzw. Schutzziel.150 cc) Aufgreifen in Rechtsprechung und Literatur Dass Schutzgut der Verteidigung die freiheitliche demokratische Grundordnung ist, bestätigt indirekt das Bundesverfassungsgericht durch die Entscheidung zur Lagerung chemischer Waffen. Hierbei wurde ausgeführt, dass „Landesverteidigung, […] dem Schutz der freiheitlichen – auch die Grundrechte verbürgenden – Ordnung dient.“151 Auch im weiteren Kontext der Verteidigung wiederholt sich dies. Im Hinblick auf § 31 EGGVG führt das BVerfG aus, dass die „Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung“ zu Sicherheitsmaßnahmen führen, die den Schutz „der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ bewirken.152 Vergleichbar wird als Verteidigungsobjekt, somit als Schutzgut des Verteidigungsbegriffs, „die Bundesrepublik Deutschland [beschrieben]. Darin ist sowohl das gesamte Gemeinwesen als auch der Staat mit seiner Staatsgewalt, seinem Territorium und dem Staatsvolk einbezogen.“153 Dem ähnlich wird als Schutzziel des Verteidigungsbegriffs beschrieben „die Bundesrepublik Deutschland, also die vom Grundgesetz verfasste und legitimierte staatliche Ordnung, […] mit militärischen Mitteln verteidigen zu können“154, denn „Verteidigungsobjekt [ist] die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland.“155 Gleichermaßen wird auch als „Aufgabe der Streitkräfte [beschrieben], Gefahren (nur) für den ,Bestand oder die freiheitliche Grundordnung des Bundes‘ abzuwehren“.156 b) Eigenschutz der Streitkräfte Betrachtet man die historischen Materialien zum Art. 87a GG sowie die sich hieraus ableitende Strukturierung der verschiedenen Einsatzbegriffe, besteht neben dem Schutzgut des Bestandes des Bundes, der Länder und der freiheitlichen de150 So auch: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 115. 151 BVerfGE 77, 170 (221). 152 BVerfGE 49, 24 (56). 153 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 51. 154 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43. 155 A. a. O., Rn. 47. 156 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 87.

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mokratischen Grundordnung noch ein weiteres Schutzgut. Denn eine Verteidigungslage ergibt sich nicht ausschließlich bei Vorliegen eines Angriffs durch einen militärischen Angreifer, sondern auch sofern ein militärischer Angegriffener durch einen Zivilen angegriffen wird. Somit befähigt der Verteidigungsbegriff auch zur Abwehr von Angriffen auf die Streitkräfte. Die Streitkräfte dürfen demnach grundsätzlich Verteidigungshandlungen zum Schutze ihrer selbst vornehmen.157 Hierdurch wird, wie auch im Rahmen der wehrverfassungsrechtlichen Schutzpflicht angeführt, ein umfassender Eigenschutz der Streitkräfte vermittelt.158 Dieser Eigenschutz der Streitkräfte versteht sich als zweites abstraktes Schutzgut des Begriffs der Verteidigung.159 Der Eigenschutz der Streitkräfte als abstraktes Schutzgut des Begriffs der Verteidigung bestätigt sich durch die in Art. 87a GG begründete Funktionsfähigkeit der Streitkräfte. Hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte führte das Bundesverfassungsgericht aus: „Die Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr haben […] verfassungsrechtlichen Rang, da Art. 12a Abs. 1, Art. 73 Nr. 1 und Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG […] eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die militärische Verteidigung getroffen haben.“160

Die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte ist als Schutzgut mit verfassungsrechtlichem Rang zu erhalten. Dieser Erhalt der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte mündet wiederum in einem Eigenschutz der Streitkräfte und verdeutlicht das abstrakte Schutzgut des Eigenschutzes der Streitkräfte im Begriff der Verteidigung. c) Zwischenergebnis Zusammengefasst ergibt sich aus historischen und systematischen Erwägungen, dass Verteidigungsmaßnahmen Notstandsmaßnahmen sind. Somit ist eine Verteidigungslage eine staatliche Notstandslage. Notstandsmaßnahmen sind aufgeführt, um als Schutzgut den Bestand des Bundes oder eines Landes und die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen.161 Dies ergibt, dass Verteidigungsmaßnahmen auch das abstrakte Schutzgut der Sicherung des Bestandes des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verfolgen, insbesondere wenn ein militärischer Angreifer vorliegt. Daneben besteht bestärkt durch den 157

(105).

Ebenso: Dreist, Terroristenbekämpfung als Streitkräfteauftrag, NZWehrr 2004, 89

158 Brunkow, Rechtliche Probleme des Einsatzes der Bundeswehr auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 87a GG, S. 32 ff. 159 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 298 ff.; Krings/Burkiczak, Bedingt abwehrbereit?, DÖV 2002, 501 (510); Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 136. 160 BVerfGE 28, 243 (261); fortgesetzt in: BVerfGE 44, 197 (202); 69, 1 (21); 77, 120 (221). 161 Im Ergebnis ebenso: Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 219 ff., 224 ff.

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verfassungsrechtlichen Rang der Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Streitkräfte das abstrakte Schutzgut des Eigenschutzes der Streitkräfte. Dies bezieht sich insbesondere auf die Konstellation eines militärischen Angegriffenen. Abstraktes Schutzgut des Verteidigungsauftrages aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG ist somit sowohl der Bestand des Bundes oder der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als auch der Eigenschutz der Streitkräfte. 2. Konkreter Bezug auf einzelne Rechtsgüter Betrachtet man den Bestand des Bundes oder eines Landes und die freiheitliche demokratische Grundordnung als abstraktes Schutzgut, ist dieses Schutzgut als abstrakter übergeordneter Begriff nicht direkt (an-)greifbar. Der Bund, ein Land oder die freiheitliche demokratische Grundordnung definieren sich durch den Bestand einzelner Bürger oder staatlicher Institutionen.162 So ergibt sich der Begriff des Bundes, des Landes oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus einem Zusammenschluss verschiedener einzelner Rechtsgüter.163 Die Verletzbarkeit des abstrakten Staates bzw. der freiheitlichen demokratischen Grundordnung besteht somit durch dessen Konkretisierung. Eine hierzu vergleichbare Ausgestaltung findet sich auf einfachgesetzlicher Ebene des StGB wieder. Sowohl § 81 Abs. 1 StGB als auch § 82 Abs. 1 StGB schützen den Bestand der Bundesrepublik bzw. eines Landes und die verfassungsmäßige Ordnung. Diese abstrakten Begriffe des Bestandes des Bundes, eines Landes und der verfassungsmäßigen Ordnung werden durch § 92 StGB konkretisierend bestimmt. Folge der Konkretisierung ist die Benennung einzelner angreifbarer Rechtsgüter, die bei entsprechend qualitativer intensiver Verletzung eine Verletzung des dahinterstehenden abstrakten Schutzgutes bedeutet. Eine Angreifbarkeit des Bestandes des Bundes, des Landes oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfolgt daraus, dass einzelne Rechtsgüter betroffen werden und dass dies einer Gefährdung des übergeordneten Begriffs des Bestandes des Bundes, eines Landes oder dessen freiheitlicher demokratischer Grundordnung gleichkommt.164 Dieselbe Ausformung besteht bezüglich des Eigenschutzes der Streitkräfte. Das abstrakte Schutzgut konkretisiert sich in den einzelnen Rechtsgütern der Streitkräfte.

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Doehring, Allgemeine Staatslehre, S. 25 ff., 37 ff. Vertiefend hierzu: Schöbener/Knauff, Allgemeine Staatslehre, S. 73 ff.; Doehring, Allgemeine Staatslehre, S. 18 ff. 164 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 47; Doehring, Allgemeine Staatslehre, S. 56. 163

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a) Bestand des Bundes und der Länder Der Bestand des Bundes oder eines Landes schützt andockend an die Drei-Elemente-Lehre Jellineks die Unversehrtheit des deutschen Staatsgebietes, das Staatsvolk als permanente Bevölkerung und die Staatsgewalt, welche als effektive Regierung das Innehaben innerer und äußerer Souveränität sowie politischer Unabhängigkeit ausmacht.165 Die innere Souveränität umfasst die Staatsgewalt als effektive Ordnungsmacht in ihrem elementaren rechtlichen und faktischen Substrat.166 Eine Gefährdung der Elemente des Staatsgebietes und des dortigen Staatsvolkes geht dabei mit einer Anfechtung des Souveränitätsanspruchs über diese einher.167 Hierbei werden über das Merkmal des Staatsvolkes und des Staatsgebietes umfangreich und konkret individuelle Rechtspositionen von deutschen Staatsangehörigen und Personen, sowie Sachen innerhalb deutschen Territoriums erfasst.168 Denn das Staatsvolk setzt sich durch Kumulation einzelner Individuen zusammen; das Staatsgebiet durch territorialen Sachbezug auf örtliche Begebenheiten. Indem der Einzelne Teil eines überordneten Ganzen ist, ist durch Betroffenheit des Einzelnen ebenfalls das übergeordnete Ganze betroffen. Ein Angriff auf Rechtsgüter einzelner Individuen, die Teil des deutschen Staatsvolks sind, stellt somit gleichermaßen einen Angriff auf das deutsche Staatsvolk dar. Hierdurch konkretisiert sich das Merkmal des Staatsvolks in Rechtsgütern einzelner Individuen, 165 Ebenso: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 35; vgl. Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 56; Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 14. 166 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 8. 167 Praktisch bedeutet dies, dass eine Negierung des Souveränitätsanspruchs als Element der Staatsgewalt, etwa durch nicht durch den deutschen Staat eingewilligten Durchmarsch fremdstaatlicher Streitkräfte durch deutsches Territorium, eine Gefährdung des abstrakten Schutzgutes des Bestandes des Staates bedeuten kann. Ob solch ein Durchmarsch jedoch genügend Relevanz für einen Angriffserfolg aufweist und ob aus einer dadurch begründeten Verteidigungslage auch zulässige Verteidigungshandlungen folgen, benötigt eine darüberhinausgehende Einzelfallbetrachtung. 168 Ebenso: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 35; vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 35: nach diesem reicht jedoch die Betroffenheit eines einzelnen Staatsbürgers nicht aus um eine Betroffenheit des Attributs Staatsvolk anzunehmen. Sofern jedoch eine große Vielzahl an Staatsbürgern betroffen ist, etwa durch Tötung dieser, ist recht eindeutig von einer Betroffenheit des Staatsvolks auszugehen. Ein Angriff auf das deutsche Staatsvolk liegt evident auch dann vor, wenn nicht jeder einzelne deutsche Staatsbürger oder Person auf deutschen Staatgebiet bedroht wird, sondern eine hinreichend große Zahl. Droht etwa ein Angriff die Hälfte des deutschen Staatsvolks auszulöschen ist dies klar ein Angriff auf das Staatsvolk, auch wenn nicht Teile dessen nicht unmittelbar betroffen sind. Hierbei scheint eine Erheblichkeit dem Gedanke Pate gestanden zu haben, dass die Betroffenheit nur eines Einzelnen nicht ausreichend sei. Solch eine Erheblichkeit jedoch auf Ebene des Angriffsobjekts und des Schutzbereichs weder dogmatisch tragfähig noch nötig; vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 3. b) aa) (2) (b). Denn hierfür bestehen in weiteren Merkmalen des Angriffs und der militärischen Dimension, sowie in der Verteidigungshandlung ausreichende Korrektive, um zu einen praktikablen Ergebnis zu gelangen.

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die Teil des Staatsvolks sind, wie bspw. deren Leben, körperliche Unversehrtheit und Fortbewegungsfreiheit.169 Gleichermaßen ist das Staatsgebiet betroffen, wenn natürliche Begebenheiten modifiziert werden oder Sachen und Sachwerte, welche ebenfalls eine Betroffenheit des Staatsvolks begründen kann, beschädigt oder zerstört werden.170 Der Bestand des Bundes und der Länder konkretisiert sich neben den typischen staatsbegründenden Elementen in einzelne Rechtsgüter, die dem Staat und dessen Einrichtungen zuzuordnen sind. Dies sind insbesondere Eigentums- und Besitzrechte an staatlichen Gegenständen sowie das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Personen in staatlicher Funktion. b) Freiheitliche demokratische Grundordnung Die freiheitliche demokratische Grundordnung ist betroffen, wenn einzelne sie ausmachende Rechtsgüter betroffen sind. Dies verdeutlichte bereits das Bundesverfassungsgericht in einer seiner ersten Entscheidungen, der SRP-Verbot-Entscheidung, und beschrieb hierbei, welche Rechtsgüter dies sein können.171 Hierbei führte es aus: „So läßt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“172

Wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, ist hierbei eine Betroffenheit einer Vielzahl an unterschiedlichen Rechtsgütern möglich.173 Diese Formel des

169 Zum Begriff des Staatsvolks: Grzeszick, in: Maunz/Düring/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 79. 170 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 30 171 BVerfGE 2, 1. 172 BVerfGE 2, 1 (11 f.). 173 BVerfGE 2, 1 (11 f.), dabei wurden genannt: „Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Bundesverfassungsgerichts ist nicht abschließend.174 Bspw. führte das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur Lagerung chemischer Waffen darüber hinaus aus, dass „Landesverteidigung, […] dem Schutz der freiheitlichen – auch die Grundrechte verbürgenden – Ordnung dient.“175 Ebenso unterfallen unter den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung jedenfalls die in Art. 79 Abs. 3 GG und in Art. 1, 20 GG verankerten Grundprinzipien einer rechts- und sozialstaatlichen demokratischen Ordnung ohne sich auf diese zu beschränken.176 Was somit von der freiheitlichen Ordnung geschützt ist, ist demnach konkret zu verteidigen. Dies sind jedenfalls auch die Grundrechte. Hierbei lässt sich auf grundlegende Prinzipien des Grundgesetzes und den Inbegriff der Grundordnung der Bundesrepublik verweisen, wie es das Bundesverfassungsgericht in entsprechender Weise getan hat.177 Umgekehrt folgt hieraus, dass, wenn jedenfalls das Grundgesetz ein Rechtsgut nicht schützt, es entsprechend kein Teil der grundlegenden Prinzipien des Grundgesetzes und der konkret zu verteidigenden Rechtsgüter ist.178 Exemplarisch seien hierbei die Rechtsgüter des Lebens, des Körpers, das Eigentum, die allgemeine Handlungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht genannt.179 Gleichermaßen nicht geschützt sind zwar vom Grundgesetz geschützte, aber jedenfalls offensichtlich nicht grundlegende, elementare Rechtsgüter, deren Gefährdung sich entsprechend nicht auf den Bestand des Bundes oder eines Landes durchschlagen kann. Hierbei sind exemplarisch der Schutz von wirtschaftlichen Aspekten und stabilen Handelsströmen180 oder abstrakte allgemeinpolitische Interessen, wie Sicherheit, Wohlstand, Frieden oder Menschenrechte, anzuführen.181

174 Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 14; Brede/ Geis, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 91 GG, Rn. 20. 175 BVerfGE 77, 170 (221). 176 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 8; vgl. BVerfGE 144, 20 (202 f.). 177 Vgl. BVerfGE 2, 1 (11 f.); Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 17. 178 Entsprechend sind humanitäre Interventionen nicht erfasst, da allgemeine Menschenrechte von Dritten Staatsbürgern in deren Ländern nicht vom Grundgesetz geschützt werden; vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30a; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 50; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 9a. 179 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. b) cc). 180 Oldiges, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, § 23, Rn. 18; Stehr, Bucerius Law Journal, Bd. 3, 2009, 124 (131). 181 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30a; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 47; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 18.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Diese Rechtsgüter, sofern sie vom Grundgesetz geschützt werden, stellen jedenfalls offensichtlich keine grundlegenden, elementaren Rechtsgüter dar.182 Zusammengefasst beinhaltet die freiheitliche, demokratische Ordnung staatliche Institutionen sowie grundlegende Individualrechtsgüter183, wie „vor allem […] [das] Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung“.184 Eine solche Sichtweise verdeutlicht dabei das Wesen des Verteidigungsauftrages als Schutzpflicht des Staates.185 Indem der Staat zum Schutz des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verpflichtet ist, diese sich wiederum in einzelnen, durch das Grundgesetz geschützten, grundlegenden Rechtsgütern konkretisiert, ist dadurch der Staat zum Schutz dieser einzelnen grundlegenden Rechtsgüter verpflichtet.186 Dies führt zu einem grundsätzlich weiten Schutzbereich des Art. 87a GG. Ein solch weiter Schutzbereich führt jedoch nicht zu einer weiten Einsatzbefugnis.187 Denn durch weitere notwendigerweise vorliegende Faktoren werden Einsatzbefugnisse eingeschränkt.188 Vielmehr verdeutlicht ein grundsätzlich weiter Schutzbereich mit Einschränkung durch weitere Begriffe189 das Schutzsystem des Staates gegenüber seinen Bürgern, wie es im grundrechtlichen Bereich üblich ist.190 Hierbei ermöglicht ein prinzipiell weiter Schutzbereich dem Staat seinen gegebenenfalls bestehenden Verteidigungsauftrag auszuführen und auf neuartige Gefährdungslagen eingehen zu können. c) Eigenschutz der Streitkräfte Der Eigenschutz der Streitkräfte konkretisiert sich in allen Rechtsgütern und -positionen, die den Streitkräften nach Art. 87a GG zuzuordnen sind.191 Diese umfassen insbesondere das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Personen, die 182 Möglich bleibt, dass durch allgemeinen gesellschaftlichen Wandel und/oder durch Verfassungsänderung eine Steigerung der Bedeutung dieser Rechtspositionen eintritt. Sollten diese Rechtsgüter derart an Bedeutung gewinnen, dass sie als grundlegend zu betrachten sind, so unterfallen diese in dem Moment dem Schutzbereich des Verteidigungsauftrags. 183 Hierzu vertiefend: Warg, Nur der Kern des demokratischen Rechtsstaats – die Neujustierung der fdGO im NPD-Urteil vom 17. 1. 2017, NVwZ-Beilage 2017, 42. 184 BVerfGE 2, 1 (11). 185 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 11. 186 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 85. 187 Vgl. a. a. O., Rn. 111. 188 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. 189 Insbesondere die Notwendigkeit eines militärischen Bezuges, somit bei Betroffenheit Ziviler eines militärischen Angriffs, schränkt in der Regel eine Verteidigungslage im Einzelfall erheblich ein. 190 Vgl. exemplarisch: Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 280 ff. 191 Zum Begriff der Streitkräfte i. S. d. Art. 87a GG: Ladiges, Die Bekämpfung nichtstaatlicher Angreifer im Luftraum, S. 158 f.; Dau, Die Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZWehrr 2011, 1 (10 f.) vgl. Voigt/Seybold, Streitkräfte und Wehrverwaltung, S. 103 ff.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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sich in Funktion der Streitkräfte befinden, sowie Eigentums- und Besitzrechte an Gegenständen der Streitkräfte.192 d) Unterschied der abstrakten Schutzgüter Hinsichtlich der Unterschiede der abstrakten Schutzgüter ist zu beachten, dass das abstrakte Schutzgut des Bestands des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bei einem militärischen Angreifer einschlägig ist, während das abstrakte Schutzgut des Eigenschutzes der Streitkräfte einen militärischen Angegriffenen, sprich die Streitkräfte, voraussetzt. Diese Konstellationen weisen Schnittmengen auf und stehen in keinem Exklusivitätsverhältnis zueinander. Zudem lässt der Begriff des Bestandsschutzes neben einer Konkretisierung auf einzelne Rechtsgüter auch auf ein qualitatives Relevanzmerkmal rückschließen.193 Qualitatives Relevanzmerkmal bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein wehrhafter Staat und eine standfeste freiheitliche demokratische Grundordnung nicht bei jeglicher Rechtsgüterverletzung Gefahr laufen zu kollabieren. Notwendig für eine Bestandsgefährdung sind nicht nur sämtliche, noch so geringen Rechtsgüterverletzungen, sondern solche, welche ein derartig gravierendes Ausmaß annehmen.194 Diese Notwendigkeit einer Relevanz wirkt sich in einer strukturierten Darstellung nicht innerhalb der Bestimmung des Angriffsobjekts aus. Denn eine solche Relevanzschwelle besteht im Angriffserfolg modifiziert durch das Merkmal der Bewaffnung der militärischen Dimension.195 Eine Einschränkung auf Ebene des Angriffsobjekts besteht insofern nicht innerhalb dieses Merkmals, sondern im Merkmal des Angriffserfolgs. Auf Ebene des Angriffserfolgs verdeutlicht sich dabei der Unterschied zwischen dem abstrakten Schutzgut des Bestandes des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie dem Schutzgut des Eigenschutzes der Streitkräfte. Das abstrakte Schutzgut des Bestands des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung setzt einen militärischen Angreifer voraus. Hierdurch besteht die Notwendigkeit einer militärischen Dimension, welche wiederum das Merkmal einer Bewaffnung voraussetzt. Aus dem Merkmal der Bewaffnung, welches im untechnischen Sinne und als Modifikation des Angriffserfolgs zu verstehen ist, wird eine Erheblichkeitsanforderung hinsichtlich des Angriffserfolgs begründet. Das gravierende Ausmaß, welches für eine Bestandsgefährdung notwendig ist, wird 192 Vgl. Dau, Die Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZWehrr 2011, 1 (11): „Streitkräfte in Sinne der Wehrverfassung ist daher die Gesamtheit aller in einem Wehrdienstverhältnis befindlichen deutschen Soldaten.“ 193 Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 14; Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 60. 194 Zur Bestimmung eines solchen Ausmaßes vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 195 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

im Rahmen der Konstellation des militärischen Angreifers, welcher wiederum notwendig ist, damit das abstrakte Schutzgut des Bestandsschutzes des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung überhaupt greift, durch das Merkmal der Bewaffnung und der dieser immanenten Erheblichkeitsschwelle ausgedrückt. Anders besteht dagegen hinsichtlich des Eigenschutzes der Streitkräfte keine mit der Erheblichkeitsschwelle des Bestandsschutzes vergleichbare Relevanzanforderung. Der Eigenschutz der Streitkräfte, einschlägig bei einem militärischen Angegriffenen, ist zu wahren, sobald einzelne die Streitkräfte konkretisierend ausmachende Rechtsgüter betroffen sind.196 Zwar kann auch hierbei eine Erheblichkeitsschwelle im Rahmen einer De-minimis-Schwelle innerhalb des Angriffserfolgs Bagatellen herausfiltern. Die hierdurch notwendige Relevanz des Angriffserfolgs muss hierbei jedoch nicht bestandsgefährdend sein, sondern muss lediglich nicht bagatellhaft sein. e) Zwischenergebnis Die abstrakten Schutzgüter des Bestands des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung konkretisieren sich durch einzelne, diese ausmachende, Rechtsgüter. Sind diese Rechtsgüter angegriffen, so liegt hierdurch auch ein Angriff auf die abstrakten Rechtsgüter vor. Angriffe militärischer Angreifer betreffen insbesondere das abstrakte Schutzgut des Bestandes des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, während sich Angriffe auf einen militärischen Angegriffenen auf das Schutzgut des Eigenschutzes der Streitkräfte beziehen. Durch die bei Angriff eines militärischen Angreifers notwendige Bewaffnung, welche den Angriffserfolg modifiziert, besteht hierbei eine Relevanzschwelle, welche auch das Schutzgut des Bestandsschutzes gleichermaßen impliziert. Hinsichtlich eines Eigenschutzes der Streitkräfte ist dies nicht notwendig, da ein Angriff auf einen militärischen Angegriffenen nicht das Merkmal der Bewaffnung erfüllen muss. Hierbei bestehen keine größeren Relevanzanforderungen an einen Angriffserfolg im Rahmen eines Angriffs auf einen militärischen Angegriffenen. Innerhalb eines Schaubilds lässt sich dies wie folgt darstellen:

196 So handelt es sich bei einem Cyberangriff dann um einen Angriff, wenn dieser jedenfalls physische Auswirkungen bewirkt, vgl. Ladiges, Der Cyberraum – ein (wehr-)verfassungsrechtliches Niemandsland?, NZWehrr 2017, 221; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 38; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

Bei militärischen Angreifer

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Bei militärischen Angegriffenen/ Angegriffenes Abstraktes Schutzgut

Bestand des Bundes / der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung

Eigenschutz der Streitkräfte

Konkretisiert in durch das Grundgesetz geschützten elementaren, grundlegenden Rechtsgütern

Konkretisiert in Rechtsgütern der Streitkräfte

Mit Relevanzschwelle im Merkmal der Bewaffnung (durch Notwendigkeit eines militärischen Angreifers)

Ohne höhere Relevanzschwelle (lediglich De-minimisSchwelle)

Abbildung 7: Vergleich der konkretisierten Schutzgüter

3. Mögliche Einschränkung durch außerstaatlichen Territorialbezug Teilweise wird vertreten, dass aus dem internationalen Zusammenhang des Verteidigungsauftrages und der Gesamtschau verfassungsrechtlicher Bestimmungen eine Einschränkung der konkret geschützten Rechtsgüter zu folgen habe.197 Ausgehend von dem dargestellten abstrakten Schutzgut – Bestand des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung – würde dies bedeuten, dass sich dieses nicht umfänglich in allen grundlegenden, elementaren einzelnen Rechtsgütern konkretisiert, sondern bei der konkretisierenden Subsumption bestimmte Rechtsgüter aus dem Schutzbereich auszuklammern sind. In diesem Zusammenhang fallen in der Literatur Begriffe wie Personalverteidigung, Bündnisverteidigung, Landesverteidigung oder Territorialverteidigung.

197 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 10; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

a) Innerhalb deutschen Territoriums (Territorial-/Landesverteidigung) Unter dem Begriff der Territorialverteidigung198 oder Landesverteidigung199 wird allgemein angenommen, dass das deutsche Hoheitsgebiet ein konkretisiertes verteidigungsfähiges Schutzgut ist.200 Dies bedeutet, dass innerhalb des deutschen Hoheitsgebietes sämtliche einzelnen Rechtsgüter erfasst sind. Der Verteidigungsauftrag schützt hierbei das komplette Staatsgebiet.201 Eine Einschränkung der erfassten konkretisierten Rechtsgüter besteht innerhalb deutschen Territoriums nicht.202 Unabhängig von einer Staatsangehörigkeit eines Einzelnen sind dessen Rechtsgüter sowie staatliche Institutionen erfasst. Ebenso besteht umfassender Eigenschutz der Streitkräfte im Inland. Das deutsche Hoheitsgebiet umfasst die geltenden Land-, See- und Luftgrenzen.203 Nicht Teil des Hoheitsgebietes sind Bereiche, in denen nur besondere nationale Rechte bestehen, wie bspw. ausschließliche Wirtschaftszonen nach Art. 55 SRÜ oder ein Festlandsockel nach Art. 76 SRÜ.204 Schiffe und Flugzeuge, die unter deutscher Flagge verkehren, unterfallen weder der Personal- noch Territorialhoheit der Bundesrepublik.205 Indem aus einer Beflaggung keine territorialen Hoheitsbefugnisse folgen, sind diese nicht als partielle Territorien zu verstehen.206 Andernfalls würde die Bundesrepublik Deutschland sich zumindest kurzzeitig den Teil, der von einem Schiff bzw. Flugzeug bedeckt ist, in fremden Küstenmeeren, inneren Gewässern, internationalen Gewässern und fremden Lufträumen aneignen bzw. in selber Weise von fremden Staaten in ihrem vergleichbaren Territorium verkleinert werden.207 198

Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 38; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14; Wiefelspütz, Landesverteidigung gegen den grenzüberschreitenden internationalen Terrorismus, BWV 2006, 49 (50); vgl. hinsichtlich Einsätze im Rahmen der NATO die Stellungnahme der Bundesregierung: BVerfGE 104, 151 (172). 199 So in BVerfGE 77, 170; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 107. 200 Vgl. Deiters, Der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch das Strafrecht, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, S. 312; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 38. 201 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 52. 202 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 14. 203 Umfassend darstellend: Graf Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR II, § 18, Rn. 10. 204 Graf Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR II, § 18, Rn. 33. 205 Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Ausübung von Hoheitsgewalt auf Schiffen und Flugzeugen, WD 2-3000-078/18, S. 1. 206 Vgl. Lagoni, Merchant Ships, Encyclopedia of Public International Law, EPIL Bd. III. 207 Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Ausübung von Hoheitsgewalt auf Schiffen und Flugzeugen, WD 2-3000-078/18, S. 1 f.

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b) Außerhalb deutschen Territoriums Die im Zusammenhang zum Schutzbereich bestehenden Begriffe, wie Personalverteidigung208 oder Bündnisverteidigung209, sind dagegen ausgehend vom abstrakten Schutzgut als Schlagworte hinsichtlich einer einschränkenden Konkretisierung zu sehen. Solche Einschränkungen setzen zunächst einen Erfolgsort der Rechtsgutgefährdung im außerstaatlichen Territorium voraus. Läge dies vor, so seien betroffene Rechtsgüter je nach Staatsangehörigkeit der Person bzw. des Inhabers bei Gegenständen oder der staatlichen Zuordnung vom Schutzbereich des Begriffs der Verteidigung nicht erfasst. aa) Einbeziehung deutscher Staatsangehöriger (Personalverteidigung) Unter dem Schlagwort der „Personalverteidigung“ wird diskutiert, ob einzelne Rechtsgüter deutscher Staatsangehöriger außerhalb deutschen Territoriums vom Verteidigungsauftrag und dessen Schutzbereich erfasst sind.210 Nähme man dies an, wäre die Folge, dass das abstrakte Schutzgut sich diesbezüglich einschränkend konkretisiert. Eine Gefahr für den Bestand des Bundes, eines Landes oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bestünde in solchen Fällen nicht. Fraglich ist, ob nach Konkretisierung ein eingeschränkter oder uneingeschränkter Schutzbereichsumfang verbleibt. Die Erwägungen zu den Rechtsgütern deutscher Staatsangehöriger sind hierbei auch auf staatliche Institutionen übertragbar.

208 Bspw.: BVerfGE 69, 1 (21); 77, 170 (3.b. Leitsatz); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/ Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 107; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 7. 209 Bspw.: Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 9; Wolff, in: Hömig/Wolff/Seifert u. a. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a Rn. 3; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), GG, Art. 87a, Rn. 11; vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 17; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43. 210 Dies annehmend: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 17; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a, Rn. 47; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a, Rn. 108; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 26; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 52; a. A. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 10; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14; Schenke, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a, Rn. 31.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

(1) Eingeschränkter Schutzbereichsumfang Zur Begründung einer Einschränkung hinsichtlich einzelner Rechtsgüter außerhalb deutschen Territoriums wird ein Unterlaufen der Einsatzsperre des Art. 87a Abs. 2 GG angeführt.211 Der Ausnahmecharakter des Verteidigungseinsatzes würde leerlaufen, sollten solche Verteidigungseinsätze möglich sein.212 Denn sollte ein uneingeschränkter Schutzbereichsumfang und damit umfänglicher Anwendungsbereich der Schutzpflichten angenommen werden, würde der Verteidigungsbegriff derart erweitert, dass dieser einer Konturlosigkeit unterfiele. Letztlich könnte dadurch „nicht nur das Eigentum […], sondern in letzter Konsequenz sogar die gesamte Rechtsordnung“213 erfasst werden. Neben dem Ausnahmecharakter eines Verteidigungseinsatzes würde solch ein weiter Schutzbereichsumfang dem Verteidigungseinsatz als staatliches Ultima-Ratio-Mittel nicht gerecht werden.214 Nur bei völkerrechtlich gravierenden und evidenten Bedrohungen läge, wenn überhaupt, eine Erfüllung des Ausnahmecharakters vor, die einen Verteidigungseinsatz als UltimaRatio-Mittel ermögliche.215 Dies führe zu einem Ausschluss eines territorial unabhängigen, umfassenden Verteidigungsschutzes und mache eine einschränkende Konkretisierung nötig. (2) Uneingeschränkter Schutzbereichsumfang Gegen eine Einschränkung des Schutzbereichsumfangs auf Grund eines extraterritorialen Erfolgsortes lassen sich unter dem Begriff des uneingeschränkten Schutzbereichsumfangs folgende Hauptargumente anführen: (a) Strukturverhältnis zum materiellen Verteidigungsfall Strukturell verhält sich der Verteidigungsfall bzw. der materielle Verteidigungsfall zur Verteidigung bzw. zur Verteidigungslage als ein Spezialfall.216 Die

211 Bspw.: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 10; ders., AöR 129 (2004), 423 (440 ff.). 212 Vgl. Brunner, Militärische Auslandsrettung, ZRP 2011, 207 (208); Payandeh, Evakuierungseinsätze der Bundeswehr und Parlamentsbeteiligung, DVBl. 2011, 1325; ebenso: Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (394 f.). 213 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 10. 214 Ebd.; ebenso: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14. 215 Vgl. Wiefelspütz, Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland, AöR 132 (2007), 44 (62); Gramm, Die Aufgaben der Bundeswehr und ihre Grenzen in der Verfassung, NZWehrr 2005, 133 (139 f.). 216 Vgl. Teil 2 Kapitel 2 A. II.; Fassbender, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XI, § 244, Rn. 50; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 14, der dies jedoch nur hinsichtlich des Verteidigungsobjektes annimmt.

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ausdrücklich benannten Kriterien in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG grenzen diesen durch dessen Ausdrücklichkeit vom vorausgesetzten Verteidigungsfall ab.217 Die Tatsache, dass in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG ein räumliches Kriterium mit „Bundesgebiet“ vorliegt, welches als Abgrenzungskriterium zur Verteidigung besteht, bedeutet, dass ein solches räumliches Kriterium gerade nicht bei der vorausgesetzten Verteidigungslage besteht.218 Denn sollte auch in der von Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG vorausgesetzten Verteidigungslage schon eine räumliche Begrenzung einzig auf das Bundesgebiet bestehen, dann hätte das räumliche Kriterium in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG keine eigene inhaltliche Funktion mehr und wäre obsolet.219 Die besondere Klarstellung des „Bundesgebiet[es]“, welche in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG vorgenommen wird, hätte keinen Inhalt. Dies ist unabhängig davon, dass die Kriterien des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG kumulativ vorliegen müssen. Ein abgrenzender Charakter kann nur dann bestehen, wenn es im Abzugrenzenden nicht gleichermaßen vorliegt. Die inhaltliche Bedeutung des räumlichen Merkmals des Verteidigungsfalls ist dabei zu wahren und die Bedeutung nicht nur auf einen rein klarstellenden Charakter zu reduzieren. Eine Reduktion der Bedeutung des räumlichen Merkmals auf lediglich klarstellenden Charakter hätte nämlich eine Redundanz der Merkmale innerhalb des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG zur Folge, die weder im Wortlaut noch aus sonstigen Gründen anzunehmen ist. Ein darüberhinausgehendes reduktives Verständnis der inhaltlichen Merkmale des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG auf lediglich darstellenden Charakter würde zu einer Gleichsetzung von Verteidigungsfall und Verteidigung führen, da kein inhaltlicher Unterschied mehr bestünde. Dies würde jedoch dem Wortlaut der Begriffe und der Struktur des Art. 87a Abs. 1, 3 GG widersprechen.220 Entsprechend kann daher aus diesen strukturellen Erwägungen bei der Verteidigung bzw. der Verteidigungslage keine räumliche Eingrenzung auf das Bundesgebiet bestehen, da diese einzig beim speziellen Verteidigungsfall des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG besteht. 217

Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 15; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 53. 218 Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 53: „Er [Der Verteidigungsbegriff] ist per se nicht auf die bestimmten Szenarien des Art. 115a ff. GG begrenzt“; vgl. Grote, in: von Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 9. 219 Vgl. Postulat der Nichtredundanz: Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 136. 220 Vgl. Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 53; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 128 ff.; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 47; Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 27; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 16; a. A. Coridaß, Der Auslandseinsatz von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee, S. 42 f.; Arndt, Bundeswehreinsatz für die UNO, DÖV 1992, 618 f.

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(b) Einschränkendes Potential auf anderen Ebenen Der Ansicht zum eingeschränkten Schutzbereichsumfang ist insofern zuzustimmen, dass ein Streitkräfteeinsatz Ausnahmecharakter hat221, Ultima-Ratio-Mittel des Staates ist222 und hinsichtlich Verteidigungseinsätzen einschränkende Korrektive bestehen.223 Dass solch ein einschränkendes Korrektiv jedoch im Verteidigungsschutzgut liegt, weshalb ein umfassender Verteidigungsschutzbereich nicht bestehen solle, überzeugt nicht. Denn eine Einschränkung der Verteidigungsermächtigung liegt nicht auf Schutzbereichsebene vor, sondern vielmehr im Merkmal der notwendigen Bewaffnung bzw. auf Ebene des Angriffserfolgs.224 Indem der Streitkräfteeinsatz strukturell einen Grad der Bewaffnung und einen entsprechenden Angriffserfolg voraussetzt, besteht gerade hierbei ein einschränkendes Korrektiv. Der Bewaffnungsgrad bzw. der Angriffserfolg beinhalten zwei Relevanzschwellen.225 Diese Relevanzschwellen sind in ihrer Funktion unter anderem gerade einschränkendes Korrektiv der Handlungsermächtigung folgend aus der Verteidigungslage. Eine Einschränkung auf Schutzbereichsebene ist schlicht nicht notwendig. Hinzu kommen noch die Einschränkungen möglicher Verteidigungshandlungen, die sich entsprechend auch auf eine Zulässigkeit eines Streitkräfteeinsatzes auswirken.226 (c) Wehrverfassungsrechtliche Schutzpflicht im Verhältnis zur grundrechtlichen Schutzpflicht Wehrrechtliche und grundrechtliche Schutzpflichten überschneiden sich, wenn ein militärischer Angriff auf einen Bürger vorliegt. Die grundrechtliche und die wehrverfassungsrechtliche Schutzpflicht stehen somit in einem teilweisen Deckungszusammenhang.227 Bezüglich grundrechtlicher Schutzpflichten führte in Rückgriff auf das Leben das Bundesverfassungsgericht exemplarisch auf, dass „[d]ie [grundrechtliche] Schutzpflicht des Staates […] umfassend [ist]. […] [Sie] gebietet dem Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen, das heißt vor allem, es auch vor 221

Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 71. 222 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 28; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 66; hinsichtlich eines Streitkräfteeinsatzes im Rahmen des Art. 24 Abs. 2 GG: BVerfGE 90, 286 (345). 223 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 96; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 10. 224 Teil 3 Kapitel 2 B. IV.; Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1. 225 Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. d); Teil 3 Kapitel 2 A. II. 4. 226 Teil 3 Kapitel 3 B.; vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 111. 227 Teil 3 Kapitel 1 C. II. 2.

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rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren. An diesem Gebot haben sich die einzelnen Bereiche der Rechtsordnung, je nach ihrer besonderen Aufgabenstellung, auszurichten. Die Schutzverpflichtung des Staates muß um so ernster genommen werden, je höher der Rang des in Frage stehenden Rechtsgutes innerhalb der Wertordnung des Grundgesetzes anzusetzen ist.“228 Eine Begrenzung der grundrechtlichen Schutzpflicht auf einen innerstaatlichen Bereich besteht nicht.229 Die grundrechtliche Schutzverpflichtung begrenzt sich nicht durch fremde territoriale Souveränität.230 Auch wenn Anlass des Urteils des BVerfG zunächst die Schutzverpflichtung des Staates hinsichtlich des Rechtsguts Leben war, so begrenzt das BVerfG den Umfang der grundrechtlichen Schutzverpflichtung des Staates nicht nur auf das Leben.231 Dass solche grundrechtlichen Schutzpflichten „grundsätzlich unbestimmt“232 sind und der Staat „in eigener Verantwortung zu entscheiden“233 hat, wie er seine Schutzpflichten erfüllt, ändert nichts daran, dass die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates sich prinzipiell auf alle Rechtsgüter des Grundgesetzes bezieht.234 Die grundrechtliche Schutzpflicht besteht auch gegenüber deutschen Staatsangehörigen außerhalb deutschen Hoheitsgebietes.235 Da sich diese mit der wehrrechtlichen Schutzpflicht zumindest teilweise überlagert, scheint entsprechend auch die wehrrechtliche Schutzpflicht – zumindest für den Überlagerungsteil – außerhalb deutschen Hoheitsgebietes zu bestehen. Somit existiert der Schutzbereich des Art. 87a GG in selber Weise extraterritorial und entsprechend uneingeschränkt. 228

BVerfGE 39, 1 (42). Bspw.: Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 2 GG, Rn. 55; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Vor Art. 1 GG, Rn. 19; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 115, Rn. 77; Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 55. 230 BVerfGE 154, 152 (1. Leitsatz; Rn. 91 f.); Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 44; Talmon, Die Geltung deutscher Rechtsvorschriften bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr mit Zustimmung des Aufenthaltsstaates, NZWehrr 1997, 221 (227). 231 BVerfGE 39, 1 (42); 96, 56 (64); 115, 118 (160); 152, 154 (Rn. 104): „Die umfassende Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte lässt unberührt, dass sich die aus den Grundrechten konkret folgenden Schutzwirkungen danach unterscheiden können, unter welchen Umständen sie zur Anwendung kommen.“ Wenn bereits die in Art. 5 und 10 GG genannten Abwehrfunktion Schutz entfaltet, dann – unter Rückgriff auf BVerfGE 39, 1 (42), wonach dem Recht auf Leben ein enorm hoher Schutzrang einzuräumen ist – erst Recht bei Gefährdungen von Leib und Leben deutscher Staatsangehöriger. 232 BVerfGE 96, 56 (64); 115, 118 (160). 233 BVerfGE 96, 56 (64); 115, 118 (160). 234 Schwarz, in: Blaschke/Förster/Lumpp u. a. (Hrsg.), Sicherheit statt Freiheit?, S. 34 ff., insbesondere 40; Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, S. 151 ff.; vgl. Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 79; Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, S. 86. 235 Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, S. 151 ff. 229

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Dies bestätigt besonders die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Auslandsaufklärung.236 Schutzgut des Verteidigungsauftrags ist der Bestand des Staates, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Eigenschutz der Streitkräfte. Dieser konkretisiert sich unter anderem in grundlegenden, elementaren Individualrechtsgütern und Rechtsgütern der staatlichen Einrichtungen. Da diese derartig hochrangig sind, muss die Schutzverpflichtung entsprechend „ernst […] genommen werden“237, was eine territoriale Beschränkung oder gar einen Ausschluss der Schutzverpflichtung nicht möglich macht.238 (d) Widersprüchlichkeit des Ergebnisses Betrachtet man einen eingeschränkten Schutzbereich im Hinblick auf das abstrakte Schutzgut, erscheint zudem eine solche Einschränkung kaum tragfähig. Denn wenn eine Gefährdung einzelner Rechtsgüter innerhalb deutschen Territoriums eine Gefahr für den Bestand des Bundes, eines Landes oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung darstellen kann, würde ein einschränkender Schutzbereich bedeuten, dass außerhalb deutschen Territoriums keine Gefahr für den Bestand des Bundes, eines Landes oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung möglich sei. Dies impliziert, dass der Bund, ein Land oder die freiheitliche demokratische Grundordnung nur innerhalb deutschen Hoheitsgebietes gefährdet werden können.239 Dass jedoch durch im Ausland begangene Taten eine Gefahr gerade für den Bestand des Bundes, eines Landes oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung möglich ist, verdeutlicht bspw. die Existenz des § 129b Abs. 1 S. 1, 2 StGB.240 Hierbei sieht der Staat gerade ein Gefährdungspotential, auch wenn sich deutsche Staatsangehörige im Ausland befinden.241 Weshalb das aus einfachgesetzlicher Sicht bestehende Gefährdungspotential aus wehrverfassungsrechtlicher Sicht gerade nicht bestehen sollte, erschließt sich nicht. Vielmehr scheint ein Gefährdungspotential für einen Staatsbestand und die freiheitliche demokratische Grundordnung auch zu bestehen, wenn einzelne deutsche Staatsangehörige sich im Ausland befinden.242 Dadurch erscheint eine Auslegung hin zu einem eingeschränkten Schutzbereich widersprüchlich. 236

BVerfGe 154, 152 (1. Leitsatz). BVerfGE 39, 1 (42). 238 Vgl. Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 78. 239 So würde bspw. ein Angriff auf den deutschen Bundespräsidenten/die deutsche Bundespräsidentin oder den/die Bundeskanzler/-in im Ausland keine Staatsgefährdung bedeuten. Ebenso würden Angriffe auf diplomatische Vertretungen im Ausland demnach keinen Angriff auf den Staatsbestand und die freiheitliche demokratische Grundordnung bedeuten. 240 Vgl. hierzu: Talmon, Die Geltung deutscher Rechtsvorschriften bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr mit Zustimmung des Aufenthaltsstaates, NZWehrr 1997, 221 (224 f.). 241 Exemplarisch sei hier eine beispielhafte Tötung des deutschen Bundespräsidenten/der deutschen Bundespräsidentin oder des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin angeführt, welche recht eindeutig eine Gefährdung des Staates darstellt. 242 Allein der hypothetische Fall, dass sich fast alle deutschen Staatsangehörigen, bspw. 90 % der deutschen Staatsangehörigen, im Ausland befinden und diese Ziel eines Angriffs 237

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(e) Zwischenergebnis Zusammenfassend verbleibt, dass keine überzeugenden Gründe für einen eingeschränkten territorialen Schutzbereichsumfang hinsichtlich deutscher Staatsangehöriger bestehen.243 Unabhängig davon, ob sich ein deutscher Staatsangehöriger oder diesem zugeordnete Gegenstände im Inland oder im Ausland befinden, konkretisiert sich das abstrakte Schutzgut – Bestand des Bundes, des Landes und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung – in dessen einzelnen grundlegenden, elementaren Rechtsgütern. Selbiges gilt für staatliche Institutionen. Der Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs ist daher umfassend. Jedoch folgen Einsatzbefugnisse erst dann, wenn sowohl eine relevante Angriffshandlung und ein Angriffserfolg als auch ein militärischer Bezug vorliegen. Wo sich ein Angegriffener befindet, somit der Angriffsort, kann sich unter Umständen einschränkend auf eine Verteidigungshandlung auswirken, nicht jedoch auf den Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs. bb) Fremde Staatsangehörige bzw. Staatenlose (1) Intervention zum Schutz von fremden Staaten und fremden Staatsangehörigen bzw. Staatenlosen Hinsichtlich fremder Staatsangehöriger bzw. Staatenloser oder fremder staatlicher Institutionen wird durch das abstrakte Schutzgut deutlich, dass diese nicht vom Verteidigungsauftrag erfasst sind.244 Soweit Verteidigung den Schutz des Bestands des Bundes, des Landes und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bezweckt, ist ein Unterfallen unter eines der abstrakten Schutzgüter notwendig. werden, stellt offensichtlich eine schwerwiegende Gefahr für das Merkmal des Staatsvolkes dar. Dies verdeutlicht, dass durch Gefährdung des Lebens von deutschen Staatsangehörigen prinzipiell eine Staatsgefährdung und Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung möglich ist. Hierbei ein quantitatives Merkmal einzufügen, wie bspw. eine Gefährdung des Lebens von 10 % der deutschen Staatsbevölkerung, welche sich im Ausland befinden, oder gar höheren bzw. geringeren Quoten, wäre mit der Schutzpflicht des Lebens aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht vereinbar. Denn Folge wäre, dass das Leben des Einzelnen nicht geschützt wäre. Sollte jedoch eine Gefährdung des Lebens eines größeren Kollektivs deutscher Staatsangehöriger vorliegen, wäre das Leben des Einzelnen erfasst. 243 So auch: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 17; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a, Rn. 47; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a, Rn. 108; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 26; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 52; Herdegen, in: Herdegen/ Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 88. 244 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 119; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 53; auch hinsichtlich fremder Staatsangehöriger, nicht jedoch hinsichtlich fremdstaatlicher Institutionen: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30a; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 18; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 12, 17; a. A.: vgl. Fn. 255.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Drittstaatsangehörige, ihre Gegenstände oder drittstaatliche Institutionen bzw. Staatenlose unterfallen jedoch nicht dem Begriff des Bundes, des Landes oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, soweit sie sich nicht innerhalb deutschen Hoheitsgebietes befinden.245 Andernfalls fehlt es hierbei an einer wesentlichen Verknüpfung und Einflussnahme auf das benannte abstrakte Schutzgut.246 Das abstrakte Schutzgut konkretisiert sich dahingehend, dass einzelne Rechtsgüter außerhalb deutschen Territoriums befindlicher fremder Staatsangehöriger, Staatenloser oder fremder staatlicher Institutionen nicht vom Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs erfasst sind. Dies hat zur Folge, dass humanitäre Interventionen, somit Verteidigungseinsätze zum Schutz von Rechtsgütern fremder Drittstaatsangehöriger in Drittstaaten, nicht vom Verteidigungsauftrag erfasst sind.247 Auch eine mögliche Einladung eines Drittstaates zur (humanitären) Intervention oder eine Resolution des VN-Sicherheitsrats modifiziert die Einschränkung der verfassungsrechtlichen Grenzen des Art. 87a GG nicht, auch wenn hierdurch jedenfalls zu einer Völkerrechtskonformität beigetragen wird. Denn humanitäre Interventionen im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit, wie bspw. der Vereinten Nationen, insbesondere Art. 51 VN-Charta, fußen nach der Out-of-Area-Entscheidung des BVerfG nicht auf Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, sondern auf Art. 24 Abs. 2 GG.248 Dies ist eine eigenständige und vom Verteidigungsbegriff unabhängige Einsatzgrundlage.249 Auch eine Nothilfe zugunsten jeglicher Drittstaaten aufgrund von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG scheidet aus.250 Dies folgt zudem einerseits daraus, dass schon „verbündete Drittstaaten“ nicht vom Schutzbereich des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG erfasst sind, somit erst recht nicht Drittstaaten, mit denen nicht mal eine „Verbündung“ besteht.251 Andererseits legt dies auch die Wertung des Art. 24 Abs. 2 GG nahe, der explizit eine Gegenseitigkeit voraussetzt. Der Schutz von Drittstaaten ist nach der Wertung des Art. 24 Abs. 2 GG nur dann zulässig, wenn 245

Vgl. Territorial-/Landesverteidigung: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 38, 107. 246 Ebenso: Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 74, der sich auf eine Bündnisverteidigung bezieht und diese überzeugend ausschließt. Dadurch sind erst recht auch Rechtsgüter anderer beliebiger Drittstaaten ausgeschlossen. 247 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30a; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 18; Krieger, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 12, 17; Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 88. 248 BVerfGE 90, 286 (345). 249 BVerfGE 90, 286 (355); Calliess, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 2 GG, Rn. 75, 98. 250 Ebenso: Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 88; a. A.: Wiefelspütz, Landesverteidigung gegen den grenzüberschreitenden internationalen Terrorismus, BWV 2006, 49 (50). 251 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 3. b) bb) (2) (b).

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diese Staaten auch im Gegenzug die Bundesrepublik im Angriffsfall schützen würde. Bei jeglichen Drittstaaten ist dies jedoch gerade nicht anzunehmen. (2) Sonderstatus von verbündeten Drittstaaten bzw. Drittstaatsangehörigen (Bündnisverteidigung) (a) Argumentation in der Literatur In der Literatur wird vielfach ein Sonderstatus von verbündeten Drittstaaten hinsichtlich deren staatlicher Institutionen und Staatsangehörigen angenommen. Unter dem Begriff der Bündnisverteidigung zusammengefasst seien die Abwehr von Angriffen und die Unterstützung bei der Abwehr von Angriffen eines „verbündeten Drittstaates“252 Teil des Verteidigungsbegriffs.253 Hierbei wird bei der Begründung vielfach auf die Entstehungsgeschichte abgestellt. Denn „die Aufstellung von Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland […] erfolgte unter der Voraussetzung ihrer Einbeziehung in das NATO-Bündnis und wäre anders nicht oder zumindest nicht zum damaligen Zeitpunkt möglich gewesen.“254 (b) Keine direkte Einbeziehung von Drittstaaten Solch eine Argumentation fußt auf der Notwendigkeit einer Einsatzbefugnis der Streitkräfte im Rahmen eines NATO-Bündnisfalls. Hierbei scheint von den Vertretern dieser Ansicht jedoch übersehen zu werden, dass nach der Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Art. 24 Abs. 2 GG eine entsprechende Einsatzbefugnis bestand, welche nicht durch die Einführung des Art. 87a GG beeinträchtigt wurde.255 Das bedeutet, dass das entstehungsgeschicht252

Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 23. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 10; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24; Krieger, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 11; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44 f., der jedoch nur Mitglieder der NATO bzw. WEU als verteidigungsfähige Verbündete ansieht; Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsRHdB, § 27 Rn. 87; Fink, Verfassungsrechtliche und verfassungsprozeßrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Kosovo-Einsatz der Bundeswehr, JZ 1999, 1016 (1018); Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte, S. 300; Limpert, Auslandseinsatz der Bundeswehr, S. 20; Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (383); Wiefelspütz, Landesverteidigung gegen den grenzüberschreitenden internationalen Terrorismus, BWV 2006, 49 (50). 254 Wiefelspütz, Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland, AöR 132 (2007), 44 (61); mit Verweis auf: Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24; ebenso: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 24. 255 BVerfGE 90, 286 (356): „Art. 24 Abs. 2 GG gehört zu denjenigen Vorschriften, die von Beginn an Bestandteil des Grundgesetzes waren. Wie dargelegt (oben I.), bietet die Bestimmung auch die Grundlage für eine Verwendung der Bundeswehr zu Einsätzen, die im Rahmen 253

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liche Argument nicht überzeugend erscheint, da entstehungsgeschichtlich in Art. 24 Abs. 2 GG für den Fall der NATO-Bündnispflicht schon immer eine entsprechende Einsatzgrundlage bestand, die nicht von Art. 87a GG beeinflusst wurde.256 Zu argumentieren, Art. 87a GG müsse so verstanden werden, dass eine Bündnispflicht inkludiert ist, da sonst keine Einsatzgrundlage der Streitkräfte bestanden hätte, übersieht, dass chronologisch Art. 24 Abs. 2 GG schon 1949 Teil des Grundgesetzes war, somit bereits „im ursprünglichen Text des Grundgesetzes“257 eine Einsatzgrundlage für die Bündnispflichten bestand.258 Zudem ist zu beachten, dass die Einsatzbefugnisse des Art. 24 Abs. 2 GG und Art. 87a GG unabhängig nebeneinander stehen.259 Unabhängigkeit bedeutet, dass beide Normen einen jeweils voneinander getrennten Anwendungsbereich haben.260 Diese getrennten Anwendungsbereiche grenzen sich durch das jeweilige Schutzgut der Einsatzkompetenz voreinander ab. Denn würde Angriff auf verbündete Drittstaaten vom Verteidigungsbegriff erfasst werden, so hätte Art. 24 Abs. 2 GG keinen eigenen Anwendungsbereich mehr. Sämtliche Streitkräfteeinsätze im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit könnten gleichermaßen auf den Verteidigungsbegriff gestützt werden.261 Dieses als „zweites Standbein“262 deklarierte Verständnis reduund nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit [der NATO] stattfinden. Daß der verfassungsändernde Gesetzgeber daran, insbesondere bei Gelegenheit der Ergänzungen des Grundgesetzes durch die Gesetze vom 26. März 1954 (BGBl. I S. 45), vom 19. März 1956 (BGBl. I S. 111) und vom 24. Juni 1968 (BGBl. I S. 709), etwas geändert hätte, ist nicht ersichtlich“; vgl. hierzu die Kritik an der Auslegung des Art. 24 Abs. 2 GG als eigenständige Einsatzgrundlage: Teil 2, Fn. 474. 256 Besonders deutlich wird hier der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages; WD 23000-238/14, S. 10: „die Ausdehnung des Verteidigungsbegriffs (Art. 87a Abs. 2 GG) auf die sog. Bündnisverteidigung (Art. 5 NATO-Vertrag) […], anderenfalls hätte ja der mit der Wehrverfassung 1956 eingefügte und mit der Notstandsverfassung 1968 geänderte Art. 87a Abs. 2 GG die Erfüllung der bestehenden NATO-Bündnispflichten Deutschlands konterkariert.“ Nach eindeutiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehen die Einsatzbefugnisse aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und Art. 24 Abs. 2 GG nebeneinander. Der Verteidigungsbegriff schränkt Art. 24 Abs. 2 GG nicht ein. Eine Konterkarierung, wie exemplarisch verdeutlicht (vgl. auch Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24), kann auf Grund dieses Strukturverhältnisses nicht vorliegen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 24 Abs. 2 GG hebelt das entstehungsgeschichtliche Argument komplett aus. 257 BVerfGE 90, 286 (356). 258 Vgl. Fink, Verfassungsrechtliche und verfassungsprozeßrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Kosovo-Einsatz der Bundeswehr, JZ 1999, 1016 (1018). 259 Vgl. BVerfGE 90, 286 (355); Calliess, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 2 GG, Rn. 75, 98; Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 24 GG, Rn. 56. 260 Calliess, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 2 GG, Rn. 75. 261 So aber bspw.: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 122. 262 Blumenwitz, Der Einsatz deutscher Streitkräfte nach der Entscheidung des BVerfG vom 12. Juli 1994, BayVBl. 1994, 641 (645).

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ziert dadurch jedoch den eigenständigen Anwendungsbereich der Einsatzbefugnis des Art. 24 Abs. 2 GG auf null. Zudem würde dadurch eine Institutionalisierung bzw. Notwendigkeit einer verfestigten Organisationsform, welche Art. 24 Abs. 2 GG durch die Notwendigkeit eines „Systems“ beschreibt und welche durch Art. 80a Abs. 3 GG bestätigt wird, untergraben werden.263 Durch nicht institutionalisierte Erklärung und Status als verbündeter Staat könnte die Notwendigkeit des Aufbauens eines institutionalisierten Systems umgangen werden.264 Problematisch an einer Einbeziehung von verbündeten Drittstaaten in den Verteidigungsbegriff ist zudem das Szenario einer aufgedrängten Verteidigung. Mit aufgedrängter Verteidigung sind Szenarien gemeint, in welchen ein angegriffener Drittstaat keine Verteidigungshandlungen vornehmen möchte, die Bundesrepublik jedoch auf Grund der Einbeziehung von Drittstaaten in den Verteidigungsbegriff eine Einsatzgrundlage sieht und von dieser Gebrauch macht.265 Die Selbstverteidigung eines Staates ist Ausfluss seiner Souveränität.266 Ob und wie sich daher ein angegriffener Staat verteidigt, unterfällt dessen staatlicher Entscheidungshoheit.267 Würde die Bundesrepublik militärische Handlungen zur Verteidigung des Drittstaates vornehmen, die dieser jedoch gar nicht möchte, so würde hierdurch die 263

Zur Notwendigkeit einer Institutionalisierung und Organisationsform: BVerfGE 90, 286 (348): „Das System gegenseitiger kollektiver Sicherheit begründet durch ein friedenssicherndes Regelwerk und den Aufbau einer eigenen Organisation für jedes Mitglied einen Status völkerrechtlicher Gebundenheit“; Calliess, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 2 GG, Rn. 29; Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 24 GG, Rn. 68, der eine „Dauerhaftigkeit“ und „verfestigte Struktur“ als Voraussetzung sieht; Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24 GG, Rn. 83; zur Notwendigkeit einer Institutionalisierung aus Art. 80a Abs. 3 GG: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 80a GG, Rn. 13; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 80a GG, Rn. 22. 264 Die Bundesrepublik könnte nach dieser Logik aus der NATO austreten, jedoch alle verbleibenden Mitgliedsstaaten als ihre Verbündeten deklarieren, ohne dass dadurch die Einsatzbefugnisse der Streitkräfte ausgeschlossen wären. Hierdurch könnte banal und einfach die Notwendigkeit der Institutionalisierung nach Art. 24 Abs. 2 GG umgangen werden. 265 Szenarien, in welchen ein angegriffener Staat nicht militärisch handeln möchte, sind vielfach denkbar. Am eingängigsten ist die Überlegung, dass der angegriffene Drittstaat keine Eskalation der Gewalt möchte, sondern lieber durch nichtmilitärische Handlungen reagieren möchte. 266 Bspw.: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 5. 267 Bothe, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, Achter Abschnitt, Rn. 19; vgl. Kau, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, Dritter Abschnitt, Rn. 83 ff.; Epping, in: Epping/ Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, § 7, Rn. 137 ff.; Herdegen, Völkerrecht, § 33, Rn. 1, § 34 Rn. 22. Hierzu verdeutlicht Art. 2 Abs. 7 VN-Charta: „Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, […] nicht abgeleitet werden“. Zur historischen Herleitung vertiefend: Kleinschmidt, Legitimität, Frieden, Völkerrecht; vergleichend hierzu die Entscheidungshoheit der Bundesrepublik: Schröder, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 6.

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fremdstaatliche Souveränität verletzt. Um diese Verletzungsmöglichkeit der Bundesrepublik zu nehmen, sind Drittstaaten als nicht vom Schutzbereich erfasst anzusehen. Hinzu kommt als schwerwiegendstes Argument gegen einen Sonderstatus von verbündeten Drittstaaten die Unklarheit und gegebenenfalls Verfassungswidrigkeit der Bestimmung eines Verbündetenstatus eines Drittstaates.268 Bei der Bestimmung sind zwei Möglichkeiten denkbar. Eine davon wäre, dass die Erklärung des Status als „verbündet“ eine politische Entscheidung der Bundesregierung bzw. des/der BMVg ist. Die andere Möglichkeit wäre, einen Staat dann als „verbündet“ anzusehen, wenn die Bundesrepublik sich mit diesem innerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit befindet.269 Die Bestimmung per System kollektiver Sicherheit würde jedoch die erwähnte Eigenständigkeit der Anwendungsbereiche untergraben. Denn in diesem Falle hätte Art. 24 Abs. 2 GG als Einsatzgrundlage keinen eigenen Anwendungsbereich, da stets auch der Verteidigungsbegriff als Einsatzgrundlage in Frage käme.270 Vielmehr wäre die Einbeziehung von verbündeten Drittstaaten in den Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs komplett überflüssig. Nimmt man jedoch an, dass die Frage der Annahme einer Verteidigungslage und Vornahme einer Verteidigungshandlung bei dem/der BMVg und gegebenenfalls beim Bundestag und Bundesrat liegt, so scheint vielfach die Bestimmung des Verbündetenstatus eines Drittstaates als politische Entscheidung der Gubernative bzw. der Legislative aufgefasst zu werden.271 Jedoch erscheint eine politische Entscheidungsbefugnis über einen Verbündetenstatus nicht dogmatisch haltbar. Denn aus dem Wortlaut „zur Verteidigung“ und dem dort festgehaltenen Verteidigungsbegriff folgt die verfassungsrechtliche Reichweite des Verteidigungsbegriffs. Würden je268

Auffällig in der Literatur ist, dass stets offengelassen wird, wann ein Drittstaat als „verbündet“ gilt oder nicht. Wie eine Bestimmung des Verbündetenstatus vorzunehmen ist, wird in keiner Literaturstelle klar thematisiert. Hierbei einzig bemüht: Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24: „Mögliche Abgrenzungskriterien wären die Berührung deutschen Sicherheitsinteresses oder das Vorhandensein mehrerer fester Bündnispartner.“ Letztlich wird hierbei der Begriff des Verbündeten lediglich mit Bündnispartner umschrieben, ohne hierbei einen konkreteren Mehrwert zu schaffen. Was verteidigungsfähiges deutsches Sicherheitsinteresse sein soll oder was einen festen Bündnispartner ausmache, wird nicht bestimmt. Ein Erkenntnisgewinn folgt hieraus nicht. 269 So etwa: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44. 270 A. A. und gleichzeitig eine doppelte Einsatzgrundlage annehmend: Blumenwitz, Der Einsatz deutscher Streitkräfte nach der Entscheidung des BVerfG vom 12. Juli 1994, BayVBl. 1994, 641 (645); Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 22; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 128. 271 So wohl: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 23 f.: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 12; Oeter, Einsatzarten der Streitkräfte außer zur Verteidigung, NZWehrr 2000, 89 (91); zum Legislativvorbehalt: Teil 3 Kapitel 3 C. II. 3.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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doch verbündete Drittstaaten in den Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs aufgenommen werden und würde über den Verbündetenstatus eines Drittstaates die Regierung bzw. in einfacher Mehrheit das Parlament entscheiden, so würde die Gubernative bzw. das Parlament in einfacher Mehrheit über die inhaltliche Reichweite der Verfassung entscheiden. Wenn die Gubernative bzw. die Legislative in einfacher Mehrheit aus politischen Motiven entscheiden könnte, dass ein Drittstaat mit der Bundesrepublik verbündet sei bzw. solch eine getroffene Entscheidung revidierbar sei, wäre der Schutzbereichsumfang des Verteidigungsbegriffs, somit die Reichweite der Verfassung, durch die Gubernative bzw. die Legislative in einfacher Mehrheit steuerbar und je nach politischer Motivation eingrenz- bzw. erweiterbar. Eine solche dynamische Verweisung des Regelungsgehalts würde einen sehr flexiblen und vor allem politisierten Schutzbereich bedeuten. Das Bundesverfassungsgericht schließt jedoch aus Art. 87a Abs. 2 GG das Prinzip strikter Texttreue, welches gerade das Gegenteil einer variablen und flexiblen Auslegung, insbesondere durch politische Motive, bedeutet.272 Hinzu kommt, dass die historischen Materialien nahelegen, dass die Streitkräfte gerade nicht als politisches Machtmittel der Außenpolitik aufgestellt werden sollten.273 Ein solches würde jedoch vorliegen, sollten die Gubernative bzw. die Legislative in einfacher Mehrheit den Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs nach politischem Ermessen modifizieren können. Zudem ist zu beachten, dass grundsätzlich die Verfassung die Reichweite der Handlungsmöglichkeiten des Staates bestimmt.274 Auch hierzu läge bei einer Modifizierbarkeit des Schutzbereichs durch die Gubernative bzw. Legislative in einfacher Mehrheit ein Widerspruch vor. Dadurch verbleibt einzig die Möglichkeit einen Verbündetenstatus durch Eintritt in ein System kollektiver Sicherheit zu begründen, was jedoch eine Einbeziehung von Drittstaaten in den Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs obsolet macht. Denn der Schutz solcher Drittstaaten unterfällt dem eigenständigen Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 2 GG. Es bestehen daher keine überzeugenden Begründungsansätze für einen Sonderstatus von Drittstaaten mit Verbündetenstatus, weil sonst dem normsystematischen Verhältnis von Art. 24 Abs. 2 GG zu Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und dem eigenständigen Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 2 GG widersprochen werden würde, da völkerrechtswidrige aufgedrängte Verteidigungsszenarien ermöglicht werden würden und keine Möglichkeit besteht zu klären, wann ein Drittstaat den

272 Vgl. BVerfGE 90, 286 (357); Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 71. 273 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 7. 274 Vgl. Grzeszick, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 17 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR II, § 26, Rn. 43 ff.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Sonderstatus eines Verbündeten innehat.275 Vielmehr spricht die Auslegung des Verteidigungsbegriffs für eine Ausgrenzung von Drittstaaten aus dem Verteidigungsbegriff. Hierbei wurde mehrfach auf den Begriff der „Landesverteidigung“276 abgestellt.277 Der Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs erfasst daher nur Rechtsgüter innerhalb deutschen Territoriums oder solche mit Bezug auf einen deutschen Staatsangehörigen oder deutsche Institutionen.278 Die Möglichkeit eines Streitkräfteeinsatzes zum Schutz eines Drittstaates, mit dem sich die Bundesrepublik innerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit befindet, wird dadurch jedoch nicht ausgeschlossen.279 Eine Verteidigung von Rechtsgütern von Drittstaaten ist verfassungsrechtlich zulässig. Dessen verfassungsrechtliche Legitimation besteht jedoch nicht im Verteidigungsbegriff des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, sondern im unabhängig davon bestehenden Art. 24 Abs. 2 GG.280 (c) Indirekte Einsatzbefugnis durch Gefährdungspotential Diese dogmatisch begründete Ausgrenzung der Rechtsgüter von Drittstaaten wird durch die praktische Realität deutlich abgeschwächt. Denn eine Bestimmung des Angriffserfolgs auf vom Verteidigungsbegriff geschützte Rechtsgüter geschieht gefahrenbezogen.281 Als Norm staatlicher Gefahrenabwehr begründet der Verteidigungsbegriff den staatlichen Stellen eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich des,

275 So auch: Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 74 ff. 276 BVerfGE 69, 1 (21); 77, 170 (Leitsatz 3.b.). 277 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 107; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 7. 278 So auch Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 74, jedoch mit abweichender Begründung. 279 Praktisch verweist die Bundesregierung bei aktuellen Einsätzen der Streitkräfte auf Art. 24 Abs. 2 GG: BT-Drucks. 17/6449, S. 1; BT-Drucks. 18/6866, S. 1; Calliess, in: Maunz/ Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 2 GG, Rn. 77; vgl. Payandeh/Sauer, Die Beteiligung der Bundeswehr am Antiterroreinsatz in Syrien, ZRP 2016, 34 (36) 280 Vgl. BVerfGE 90, 286 (345); ein anderes Auslegungsergebnis könnte sich ergeben, sollte das Bundesverfassungsgericht von seiner Rechtsprechung zur eigenständigen Einsatzbefugnis des Art. 24 Abs. 2 GG abrücken. Denn nur durch diese sprachlich eindeutige und damit apodiktische Feststellung einer Einsatzbefugnis begründet sich ein normsystematisches Verhältnis von Art. 24 Abs. 2 GG zu Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, das einer Einbeziehung von verbündeten Staaten in den Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs keinen Raum lässt. Würde dagegen Art. 24 Abs. 2 GG keine eigenständige Einsatzgrundlage enthalten, so könnte hierzu Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG herangezogen werden, um den mit der Einordnung in ein System kollektiver Sicherheit verbundenen Einsatzverpflichtungen nachkommen zu können. Entsprechend würde in diesem Falle Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG zwangsweise eine Bündnisverteidigung erfassen (müssen). 281 Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1.; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 89 ff.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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die Gefahr mitbegründenden, Schadenspotentials und dessen Eintrittswahrscheinlichkeit.282 Aus gefahrenabwehrrechtlicher Sicht bedeutet dies, dass „bei einem Angriff auf ein Mitglied der NATO regelmäßig auch die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt ist“.283 Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Angreifender, der einen Drittstaat angreift, mit welchem die Bundesrepublik gesellschaftlich, politisch und kulturell enge Verbindungen pflegt, gleichermaßen auch die Bundesrepublik angreifen wird, ist aus praktischer Sicht daher entsprechend gravierend zu bewerten.284 Sollte bspw. ein Anrainerstaat der Bundesrepublik, mit dem die Bundesrepublik freundschaftliche Beziehungen pflegt, von einer fremden Macht erobert werden, so ist praktisch nicht davon auszugehen, dass die fremde Macht vor einer deutschen Grenze automatisch Halt macht und diese unwiderruflich respektiert.285 Dadurch kann – und wird wohl in den meisten praktischen Fällen – ein Angriff auf einen Drittstaat, mit welchem die Bundesrepublik gesellschaftlich, politisch und kulturell enge Verbindungen pflegt, bedeuten, dass solch ein Angriff auch dem deutschen Staat und dessen Staatsangehörigen bevorsteht.286 Dies wird meist eine Steigerung der Eintrittswahrscheinlichkeit bedeuten, welche wiederum eine Gefahr für vom Verteidigungsbegriff geschützte Rechtsgüter begründet, und somit unter Einhaltung der Notwendigkeit eines militärischen Bezugs eine Verteidigungslage hervorrufen. Dogmatisch bezieht sich der Verteidigungsbegriff einzig auf deutsche staatliche Institutionen sowie deutsche Staatsangehörige und schützt Drittstaaten und deren

282 Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 122; Wiefelspütz, Die Abwehr terroristischer Anschläge und das Grundgesetz, S. 17; ders., Der kriegerische terroristische Luftzwischenfall und die Landesverteidigung, RuP 2006, 71 (74); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 91. 283 Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr gegen den grenzüberschreitenden internationalen Terrorismus, ZaöRV 65 (2005), 819 (823). 284 Die Möglichkeit ebenso erkennend: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 17: „Den Fall der unabhängigen Nothilfe für andere Staaten wird man darunter allenfalls dann fassen können, wenn von dem Angriff indirekt auch eine Bedrohung der Bundesrepublik […] ausgeht“, vgl. so auch hinsichtlich „unmittelbar drohenden“ Angriffs i. S. d. Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 41: „Die vorgenannten Befunde schließen es allerdings nicht aus, dass ein bewaffneter Angriff auf einen Bündnispartner oder einen EU-Mitgliedstaat die Tatbestandsvoraussetzungen eines ,unmittelbar drohenden‘ Angriffs auf das Bundesgebiet erfüllt“; ebenso im Kontext des Art. 115a GG: Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 115a GG, Rn. 3; hierzu: Fuchs, Die Entscheidung über Krieg und Frieden, Friedensordnung und Kriegsrecht nach dem Bonner Grundgesetz, S. 243 f. 285 Historisch ist hierbei eine Vielzahl an Szenarien gegeben, bspw. der Einmarsch des nationalsozialistischen Deutschlands in Belgien und sich daran anschließend in Frankreich. 286 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 17; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 41.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Angehörige direkt nicht.287 Indirekt kann – und wird in den meisten Fällen – ein Angriff auf einen Drittstaat, mit welchem die Bundesrepublik gesellschaftlich, politisch und kulturell enge Verbindungen pflegt, eine Verteidigungslage begründen. Durch diese Indirektheit und praktischen Umstände besteht in aller Regel ein Gleichlauf zu den Ansichten, die eine Bündnisverteidigung unmittelbar im Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs verorten.288 287 Für eine solche Ausgrenzung von Drittstaaten aus dem Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs sprechen zudem eine Eindeutigkeit des Normverhältnisses von Verteidigung nach Art. 87a GG zu Art. 24 Abs. 2 GG sowie eine Rechtsklarheit hinsichtlich der Klärung eines „Verbündetenstatus“. Zu beachten ist, dass Einsätze nach Art. 24 Abs. 2 GG nicht gegen Normen des Grundgesetzes verstoßen dürfen (vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 126, 131). Dies umfasst auch die Wertungen des Art. 87a GG bzw. Art. 35 GG über die Verfassungsmäßigkeit eines Streitkräfteeinsatzes. Diese sollen nicht durch Eingliederung in ein System kollektiver gegenseitiger Sicherheit ausgehebelt werden. Ein Inlandseinsatz, welcher nicht die Voraussetzungen der Art. 87a, 35 GG erfüllt, kann nicht auf Art. 24 Abs. 2 GG gestützt werden. Dadurch ist ein zumindest teilweiser Gleichlauf der verschiedenen Einsatzbefugnisse, innerhalb ihres jeweiligen Anwendungsbereichs, anzunehmen. Art. 24 Abs. 2 GG ermöglicht die Verteidigung von Rechtsgütern von Drittstaaten, sofern sich diese mit der Bundesrepublik innerhalb eines Systems kollektiver gegenseitiger Sicherheit befinden. In Abgrenzung zum Regelungs- und Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 2 GG, welcher Rechtsgüter von Drittstaaten erfasst, erfassen Art. 87a GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG diese gerade also nicht. Sind Rechtsgüter der Bundesrepublik betroffen, richtet sich ein Einsatz nach Art. 87a GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG. Sind Rechtsgüter von (verbündeten) Drittstaaten betroffen, richtet sich ein Einsatz nach Art. 24 Abs. 2 GG. Beide Normbereiche haben dadurch einen eigenständigen Anwendungsbereich. Inhaltlich sind die beiden getrennten Anwendungsbereiche dadurch verbunden, dass die Wertungen des einen Anwendungsbereichs, bspw. der Art. 87a GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG, nicht durch den anderen Anwendungsbereich, bspw. Art. 24 Abs. 2 GG, unterlaufen werden dürfen. Eine solche Trennung durch diese verschiedenen Rechtsgüterbereiche ermöglicht, dass nicht eine Einsatzbefugnis die Wertungen der anderen untergräbt. Das Normverhältnis von Art. 87a GG, insbesondere Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, zu Art. 24 Abs. 2 GG und deren Abgrenzungsmerkmal lässt sich hierdurch eindeutig beschreiben. Dies greift die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf, welche im zweiten Leitsatz der Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung gerade eine solche Trennung der Anwendungsbereiche für gegeben erachtet. Zudem besteht durch solch eine Trennung Klarheit, wann ein Verbündetenstatus gegeben ist. Befindet sich der Drittstaat mit der Bundesrepublik innerhalb eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit, so wird dieser dadurch zum Verbündeten im klassischen Sinne und kann nach den Regeln des Systems kollektiver Sicherheit beschützt werden. Aus praktischer, politischer Sicht bestehen hierbei überraschend große Schnittmengen. Alle NATO- und EU-Mitgliedstaaten, aber quasi nur diese, gelten politisch als Verbündete der Bundesrepublik, sodass politisch ein Gleichlauf zwischen einer gemeinsamen Mitgliedschaft innerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit und einem Verbündetenstatus besteht (bspw.: hinsichtlich Frankreichs: BT-Drucks. 18/6866); vgl. hierzu Internetauftritt der Bundeswehr: Bundeswehr und Verteidigung: Was ist Bündnisverteidigung? Abrufbar unter: https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/auftrag-aufgaben-bundes wehr/verteidigung-bundeswehr. 288 Bspw.: Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 9; Wolff, in: Hömig/Wolff/Seifert u. a. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a Rn. 3; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), GG, Art. 87a, Rn. 11; vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.),

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Hierdurch existiert zwar immer noch eine politische Exekutiventscheidung, wann durch Angriff auf den Drittstaat indirekt eine Gefahr für deutsche staatliche Institutionen und Staatsangehörige vorliegt. Dogmatisch werden hierdurch jedoch nicht ein Tatbestandsmerkmal und dessen Reichweite bedingt. Bei einer Lösung über eine indirekte Einbeziehung wird lediglich auf eine zwangsläufig bestehende exekutive Einschätzungsprärogative verwiesen.289 4. Zwischenergebnis zum Angriffsobjekt/Verteidigungsschutzgut Insoweit lässt sich zum Angriffsobjekt/Verteidigungsschutzgut zusammenfassen: • Primäres abstraktes Schutzgut ist der Bestand des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Dies folgt aus historischen Erwägungen zur Einführung des Art. 87a Abs. 1 S. 1 Abs. 2 GG bzw. zu Verteidigungsmaßnahmen als Notstandsmaßnahmen sowie einer Fortführung durch die Notstandsnovelle und der hierbei begründeten systematische Vergleichbarkeit zu Art. 87a Abs. 4, 91 GG. • Dieses abstrakte Schutzgut des Bestandes des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung konkretisiert sich in einzelnen Rechtsgütern. Solche einzelnen Rechtsgüter sind alle Individualrechtsgüter und Rechtsgüter staatlicher Institutionen, soweit das Grundgesetz diese schützt und sofern es sich hierbei um solche von grundlegender, elementarer Bedeutung handelt. Es besteht ein grundsätzlich weiter Schutzbereich. • Einzelne Rechtsgüter, dies sich aus territorialer Sicht innerhalb deutschen Hoheitsgebietes befinden, sind vom Schutzbereich erfasst. • Hinsichtlich deutscher Staatsangehöriger im Ausland besteht zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht und mangels Erforderlichkeit keine Einschränkung des Schutzbereiches, da hierzu der notwendige militärische Bezug eines Angriffs entsprechendes Eingrenzungspotential beinhaltet. • Fremde Drittstaatsangehörige oder staatliche Institutionen fremder Drittstaaten außerhalb deutschen Territoriums sind nicht vom Schutzbereich erfasst. • Ein Sonderstatus hinsichtlich verbündeter Drittstaaten besteht nicht; deren Staatsangehörige oder staatliche Institutionen sind nicht vom Schutzbereich des Art. 87a GG erfasst. Diesbezüglich sind diese von Art. 24 Abs. 2 GG erfasst, sodass in Art. 24 Abs. 2 GG dafür ein Anwendungsbereich besteht. Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG steht dem nicht entgegen. Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 17; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43. 289 Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 122; Wiefelspütz, Die Abwehr terroristischer Anschläge und das Grundgesetz, S. 17; ders., Der kriegerische terroristische Luftzwischenfall und die Landesverteidigung, RuP 2006, 71 (74); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 91.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

• Ein Angriff auf einen Drittstaat oder dessen Staatsangehörige, mit welchem die Bundesrepublik gesellschaftlich, politisch und kulturell enge Verbindungen pflegt, kann bedeuten, dass solch ein Angriff auch dem deutschen Staat und dessen Staatsangehörigen bevorsteht. Hierdurch kann sich indirekt die Gefahr für geschützte Rechtsgüter, welche für einen Angriff notwendig ist, begründen und die dazu bestehende Einschätzungsprärogative lenken. Als Schaubild lässt sich dies folgendermaßen darstellen: Erfassung von individuellen Rechtsgütern vom Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs

Deutsch

Im Inland (deutsches Territorium)

Im Ausland (fremdes Territorium)

Erfasst, wenn grundlegende, elementare Individualrechtspositionen und staatliche Institution betroffen sind

Erfasst, wenn grundlegende, elementare Individualrechtspositionen und staatliche Institution betroffen sind

Erfasst, wenn grundlegende, elementare Individualrechtspositionen Fremdstaatlich und staatliche Institution betroffen sind

Nicht erfasst, unabhängig von einem Verbündetenstatus (jedoch Möglichkeit einer indirekten Gefahrenbegründung)

II. Der Angriffserfolg Das Angriffsobjekt muss einem Angriffserfolg ausgesetzt sein. Der Angriffserfolg ist die notwendige Folge einer Angriffshandlung bezogen auf das Angriffsobjekt.290 1. Gefahr als Angriffserfolg Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG ist eine gefahrenabwehrrechtliche Norm.291 Entsprechend ist auch der Angriffserfolg gefahrenabwehrrechtlich zu verstehen. Die Bedeutung des Verteidigungsbegriffs ist es, Maßnahmen zur Abwehr von bestimmten Gefahren zu erlauben.292 Bezogen auf die Grundstruktur des Verteidigungsbegriffs als Abwehr eines militärischen Angriffs wirkt sich der Gefahrenbegriff im Wesentlichen im Angriffsbegriff bzw. konkreter im Angriffserfolg aus. Der Angriffserfolg ist als Hervorrufen einer Gefahr für das Angriffsobjekt zu verstehen.293 290

Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 90. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 88. 292 Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 256 f. 293 Dies ebenso voraussetzend: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 119. 291

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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a) Kerngehalt des Gefahrenbegriffs Der Begriff der Gefahr gliedert sich in zwei Kriterien:294 – Schadensumfang und – Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Ein „Mehr“ hinsichtlich des Schadensumfangs gleicht hierbei eine geringere Eintrittswahrscheinlichkeit aus.295 Ebenso gleicht eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit einen geringen Schadensumfang aus.296 Für eine Gefahr genügt nicht jeglicher Eintritt eines in irgendeiner Form gelagerten Schadens mit minimaler Wahrscheinlichkeit.297 Die verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit einer minimalen Einwirkung begründet an sich keine Gefahr. Der Angriffsbegriff, somit auch der Verteidigungsbegriff, würde uferlos und konturlos werden. Da die „Verfassung einen Streitkräfteeinsatz […] in bewusster Entscheidung auf äußerste Ausnahmefälle“298 begrenzt, ist der Verteidigungsbegriff prinzipiell restriktiv auszulegen und eine Gefahr nur bei Erreichen eines Mindestmaßes begründet.299 Hierdurch besteht eine Skalierung des notwendigen Gefahrenmaßes. Innerhalb des Gefahrenbegriffs besteht daher eine Gefahrenschwelle. Erst ab Erreichen eines Mindestmaßes an Relevanz liegt eine Gefahr vor.300 Eine Gefahr besteht somit, wenn ein hinreichendes Schadenspotential mit hinreichender Eintrittswahrscheinlichkeit vorliegt.301 294

Bspw.: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 154, nach dem der Gefahrenbegriff vom Polizeirecht geprägt ist; Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 19; ebenso: Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 11 BPolG, Rn. 24; vgl. hinsichtlich des Polizei- und Ordnungsrechts: Krüger, Der Gefahrbegriff im Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 2013, 985 (986); umfassend darstellend: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Der Begriff der „drohenden Gefahr“ im Polizeirecht, WD 3-3000-433/18; Korthe/Dittrich, Schutzgut und Schadenswahrscheinlichkeit im Gefahrenabwehrrecht, JA 2017, 332; Meyer, Subjektiver oder objektiver Gefahrenbegriff, „Gefahrenverdacht“ und Vorfeldbefugnisse, JA 2017, 1259. 295 Meyer, Subjektiver oder objektiver Gefahrenbegriff, „Gefahrenverdacht“ und Vorfeldbefugnisse, JA 2017, 1259 (1260); Leisner, Die polizeiliche Gefahr zwischen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe, DÖV 2002, 326. 296 Ebd. 297 Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 15, der von einer „Schwelle zur Bestandsgefährdung“ spricht; insbesondere ders., Rn. 19: „Dafür bedarf es der Anknüpfung an objektive Merkmale, die entweder vorliegen oder nicht und die Gefahr ihrerseits erst individualisieren; Vermutungen, die nicht hinreichend durch Fakten abgestützt sind, reichen nicht.“ 298 BVerfGE 132, 1 Rn. 26. 299 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 71. 300 Dies bedingt sich auch durch das abstrakte Schutzgut. Nach BVerfGE 77, 170 (221) bedeutet der Schutz des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung den Schutz der Grundprinzipien des Staates. Da entsprechend nur grundlegende, elementare Individualrechtsgüter geschützt sind, muss auch für einen Angriffserfolg ein grundlegendes, elementares Niveau erreicht werden.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Die Merkmale des Schadens und der Eintrittswahrscheinlichkeit sind hierbei objektiv zu bewerten.302 Dabei schließen objektivierte Bewertungskriterien einen subjektiven Bewertungsmaßstab nicht aus.303 Denn auch wenn die Bestimmung der einzelnen Bestandteile des Gefahrenbegriffs aus objektiver Sicht erfolgt, bleiben einzelne subjektive Fehlinterpretationen möglich, insbesondere da eine fehlerfreie Zukunftsprognose nicht möglich ist.304 Eine (subjektive) Annahme einer Gefahr durch den Entscheidungskompetenzinhabenden muss sich dabei auf hinreichende objektive Indizien stützen. b) Bestätigung des Gefahrenverständnisses Der Kerngehalt des Angriffserfolgs als Gefahr bestätigt sich durch folgende weitere Argumente. aa) Bestätigung durch das abstrakte Schutzgut Das Angriffsobjekt ist auf Grund historischer und systematischer Argumente abstrakt als Bestand des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu verstehen.305 Insbesondere der systematische Vergleich zu den Art. 87a Abs. 4 S. 1, 91 Abs. 1 GG legt dies nahe. Art. 87a Abs. 4 S. 1, 91 Abs. 1 S. 1 GG setzen explizit eine Gefahr für das abstrakte Schutzgut des Bestandes des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus.306 Da auf Grund einer Normierung im selben Artikel und inhaltlicher Nähe eine systematische Verbundenheit zwischen Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG und dem Verteidigungsbegriff aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG vorliegt, lässt sich ein Verständnis als Gefahr für das abstrakte Schutzgut übertragen.

301 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 154. 302 Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 19; Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Der Begriff der „drohenden Gefahr“ im Polizeirecht, WD 3-3000-433/18, S. 8. 303 A. A. zum Polizeirecht: Kingreen/Poscher/Pieroth, Polizei- und Ordnungsrecht § 4, Rn. 39 ff.; Poscher, Gefahrenabwehr, S. 105 f. 304 Meyer, Subjektiver oder objektiver Gefahrenbegriff, „Gefahrenverdacht“ und Vorfeldbefugnisse, JA 2017, 1259 (1261). 305 Teil 3 Kapitel 2 A. I. 1. 306 Bspw.: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 31; Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 19; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 10; Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 231.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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bb) Betroffenheit sachlicher Güter/des konkreten Schutzgutes Für ein Verständnis des Angriffserfolgs als Gefahr spricht zudem das innerhalb des Gefahrenbegriffs immanente Merkmal der Gefahrenschwelle. Eine Gefahr ist gegeben, wenn, bezogen auf eine Mindestrelevanz, eine Erheblichkeits- bzw. Relevanzschwelle überschritten wird.307 Diese Mindestgefahrenschwelle ist gegeben, wenn eine Gefahr hinreichend erheblich bzw. relevant genug ist. Dabei lassen sich die Begriffe erheblich bzw. relevant synonym verstehen. Der Begriff der Relevanz ist hierbei zu bevorzugen, um das völkerrechtliche Gewaltverbot nach Art. 2 Abs. 4 VN-Charta widerzuspiegeln.308 Eine Gefahr liegt entsprechend nur bei Überschreiten der Gefahrenschwelle vor, die voraussetzt, dass der möglicherweise eintretende Schaden entsprechend erheblich bzw. relevant ist.309 Gefahrenschwelle und Relevanzschwelle lassen sich hierbei deckungsgleich verstehen. Sofern nun eine Relevanzschwelle notwendig ist, spricht dies ebenso für eine Notwendigkeit einer Gefahrenschwelle, was wiederum ein Argument für ein Verständnis des Angriffserfolgs als Gefahr darstellt. Die Notwendigkeit einer Relevanzschwelle ergibt sich sowohl aus dem abstrakten als auch aus dem konkreten Schutzgut des Verteidigungsbegriffs. Eine solche Relevanzschwelle ist auf Grund des abstrakten Schutzgutes notwendig. Das abstrakte Schutzgut des Schutzes des Bestandes des Bundes, der Länder und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung setzt durch die Notwendigkeit einer Gefährdung des Bestandes eine Erheblichkeit voraus.310 Denn ein wehrhafter Staat ist nicht bei jeglicher Gefährdung oder Verletzung seiner Rechtsgüter bestandsgefährdet. Zudem ergibt sich auch auf Grund des konkreten Schutzgutes eine Relevanzschwelle. Konkrete Schutzgüter des Verteidigungsbegriffs sind einzelne Rechtsgüter, wie Leben, Körper und sachliche Güter.311 Unabhängig davon, ob ein Mensch oder eine Sache betroffen ist, ist konkretes Schutzgut letztlich ein körperlicher Substanzschutz.312 Geschützt wird eine physisch greifbare Substanz. Beim körper307

Vgl. bezüglich des Verteidigungsbegriffs Spanger, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 24; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 4; zur Einbeziehung des Art. 115a GG in den Art. 87a GG: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 35. 308 Bothe, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, Achter Abschnitt, Rn. 3 ff.; Vitzthum, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, Erster Abschnitt, Rn. 52; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 249 ff. 309 Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 52. 310 Vgl. Teil 3 Fn. 167. 311 Teil 3 Kapitel 2 A. I. 1.; vgl. BVerfGE 2, 1 (21): Zu den „grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben“. 312 Teil 3 Kapitel 2 A. I. 2.; vgl. Doehring, Allgemeine Staatslehre, S. 56.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

lichen Substanzschutz ist generell eine Erheblichkeit bzw. Relevanz notwendig. Dies belegen Vergleiche mit anderen (verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen) Normen, die gleichermaßen einen körperlichen Substanzschutz vermitteln. Denn eine Erheblichkeit bzw. Relevanz wird vermehrt im jeweils betroffenen Schutzbereich gesehen.313 Hinsichtlich des körperlichen Substanzschutzes ist etwa insbesondere das in Art. 2 Abs. 2 S. 1 Var. 2 GG normierte Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit zu beachten. Hierzu führte das Bundesverfassungsgericht exemplarisch in einer Entscheidung zur Schutzpflicht des Staates in Bezug auf Fluglärm aus: „[J]edoch ist eine nicht unerhebliche Gefährdung dieses durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Rechtsguts zu befürchten.“314 In selbiger Entscheidung verwies es auf hirnelektronische Untersuchungen, welche „wegen der Harmlosigkeit solcher Untersuchungen“315 nicht in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG fallen. Auch führt das Bundesverfassungsgericht an, dass bei Räumungsklagen diese „als relevant im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG angesehen worden“316 sind. In diesen beispielhaften Entscheidungen verdeutlicht das Bundesverfassungsgericht, dass eine Relevanzschwelle für das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit i. S. d. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG besteht.317 Auch in Bezug auf das Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG als körperlichen Substanzschutz vermittelndem Rechtsgut lässt sich eine Relevanzschwelle feststellen. Eine Eröffnung des Schutzbereichs des Eigentumsrechts treffe bei „faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen zu, sofern sie die Nutzung des Eigentums spürbar behindern.“318 Was nicht spürbar ist, sei daher nicht zu beachten. Auch hierdurch belegt sich eine Erheblichkeitsanforderung bzw. Relevanzschwelle.319 Noch deutlicher wird dies auf einfachgesetzlicher Ebene hinsichtlich der Normen, die körperlichen Substanzschutz vermitteln. Als eine der „klassischen“, einfachrechtlichen Normen zum Schutz des menschlichen Körpers wird § 223 Abs. 1 StGB angesehen. Dieser schützt die körperliche Substanz des menschlichen Körpers. § 223 Abs. 1 StGB gliedert sich auf in körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung.320 Als allgemeine Definition der körperlichen Misshandlung gilt, dass dies eine Handlung ist, „die das körperliche

313

Bspw.: Scherzberger, in: Ehlers/Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 13, Rn. 140; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 252 ff. 314 BVerfGE 56, 54 (77). 315 BVerfGE 56, 54 (74). 316 Ebd. 317 Bspw.: Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 474. 318 Axer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 14 GG, Rn. 69. 319 Bspw.: Wendt, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 14 GG, Rn. 53; vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 14 GG, Rn. 25. 320 Kühl, in: Lackner/Kühl/Heger (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 223 StGB, Rn. 4 f.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt“.321 Diese hierbei bestehende ausdrückliche Erheblichkeit besteht auch in der Gesundheitsverletzung.322 „Der Körperverletzung ist [zusammengefasst] eine Erheblichkeitsschwelle immanent.“323 Zivilrechtlich gilt die deliktsrechtliche Norm des § 823 Abs. 1 BGB als „klassische“ Norm hinsichtlich körperlichen Substanzschutzes.324 Im Bereich des Rechtsgüterschutzes, insbesondere des Schutzes von Körper oder Gesundheit, entfällt auch hier eine Haftung, wenn diese nicht erheblich ist. Es muss dabei „im Interesse angemessener Haftungsbeschränkung eine gewisse Erheblichkeitsschwelle übersprungen werden. Eine Entschädigung kommt deshalb nicht in Betracht, wenn das schädigende Ereignis nur eine Bagatelle ist.“325 Dem unterliegt ebenso das geschützte Rechtsgut des Eigentums. Bei einer Eigentumsverletzung besteht ein „Bereich rechtserheblicher Gebrauchsbeschränkungen“326. Eine nicht haftungsbegründende Berührung eines körperlichen Gegenstandes, die dadurch keinen Schaden hervorruft, unterscheidet sich von einer haftungsbegründenden Rechtsgutverletzung, der Beschädigung des Gegenstandes, einzig in der Relevanz und Erheblichkeit der Krafteinwirkung.327 Sowohl verfassungsrechtliche Normen, exemplarisch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 14 GG, als auch einfachrechtliche Normen, wie § 223 Abs. StGB und § 823 Abs. 1 BGB, setzen als Normen, die körperlichen Substanzschutz vermitteln, eine Erheblichkeit bzw. Relevanz der Einwirkung voraus.328 Da der Verteidigungsbegriff als konkretes Rechtsgut körperlichen Substanzschutz vermittelt, ist auch im Verteidigungsbegriff eine grundsätzliche Erheblichkeitsanforderung bzw. Relevanz321 Bspw.: BGHSt 25, 277 (Leitsatz); Kühl, in: Lackner/Kühl/Heger (Hrsg.), Strafgesetzbuch, § 223 StGB, Rn. 4; Paeffgen/Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), NomosKommentar zum Strafgesetzbuch, § 223 StGB, Rn. 8 in Fn. 37. 322 Vgl. Paeffgen/Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 223 StGB, Rn. 10; Eschelbach, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), BeckOK StGB, § 223 StGB, Rn. 22. 323 Eschelbach, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), BeckOK StGB, § 223 StGB, Rn. 9; BGHSt 36, 1 (6 f.); 36, 262 (265); 43, 346 (354). 324 Vgl. Wagner, in: Rebmann/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 823 BGB, Rn. 177, 199, 231. 325 Förster, in: Bamberger (Hrsg.), BeckOK BGB, § 823 BGB, Rn. 115; so auch: Wagner, in: Rebmann/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 823 BGB, Rn. 177. 326 Förster, in: Bamberger (Hrsg.), BeckOK BGB, § 823 BGB, Rn. 128 f.; vgl. Wagner, in: Rebmann/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 823 BGB, Rn. 228 ff. 327 Wagner, in: Rebmann/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 823 BGB, Rn. 230, ohne entsprechende Erheblichkeit liegt keine „Verletzung der körperlichen Integrität“ vor, denn auch ein banales Berühren eines Gegenstandes vermag auf mikroskopisch kleiner Ebene eine minimale Substanzveränderung herbeizuführen. 328 Vgl. hinsichtlich Cyberangriffe: Dittmar, Angriffe auf Computernetzwerke, S. 158 ff.; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

schwelle anzunehmen. Hierzu bietet der Begriff des Bewaffnungsgrades als Unterpunkt der militärischen Dimension eine Möglichkeit.329 Sollte der Angriff sich jedoch gegen einen militärischen Angegriffenen richten, ist eine direkte Anwendung des Merkmals der Bewaffnung nicht gegeben.330 Eine grundsätzliche Relevanzschwelle lässt sich daher nicht allein im militärischen Bezug verorten, sondern ist im vorgelagerten Begriff des Angriffserfolgs zu sehen. Da auch das konkrete Schutzgut eine Relevanzschwelle voraussetzt und der Gefahrenbegriff in der Lage ist diese Relevanzschwelle mit der immanenten Gefahrenschwelle widerzuspiegeln, ist der Angriffserfolg als Gefahr zu verstehen.331 Hierdurch lässt sich die notwendige Wertung einer Relevanzschwelle verdeutlichen und die notwendigerweise bestehende grundsätzliche Relevanzschwelle332, sowohl für das Szenario eines Angriffs durch militärische Angreifer als auch für das Szenario eines Angriffs auf militärische Angegriffene, rückführbar im Verteidigungsbegriff verorten. cc) Richtungsweisende Tendenz durch Völkerrecht Die im Gefahrenbegriff enthaltene Relevanzschwelle findet weiteren Rückhalt im Völkerrecht. Auch wenn der Verteidigungsbegriff sich nicht rein völkerrechtlich bestimmt333, so sind im Rahmen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung zumindest tendenziell die Wertungen des Völkerrechts zu beachten.334 Eine solche Wertung liefert das Gewaltverbot nach Art. 2 Abs. 4 VN-Charta. Untersagt wird danach die Androhung und Anwendung von (militärischer) Gewalt bzw. des „threat or use of force“.335 In Art. 2 VN-Charta sind nicht nur das allgemeine Gewaltverbot, sondern auch das Interventionsverbot enthalten.336 Das militärische Gewaltverbot grenzt sich zum Interventionsverbot und dieses wiederum zu sonstigen zulässigen Maßnahmen dadurch ab, dass es eine Relevanzschwelle bezüglich der Gewalt bzw. Intervention voraussetzt.337 Es erfolgt eine Abgrenzung „nach unten“ durch Relevanzschwellen. 329

Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. IV. Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. V. 331 Vgl. Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 15, „Schwelle zur Bestandsgefährdung“. 332 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1. a); vgl. ebenso unter Einbeziehung des Trennungsgebotes zu Polizeikräften: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 34. 333 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 3. 334 Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 59 ff. 335 Herdegen, Völkerrecht, § 34, Rn. 15. 336 Herdegen, Völkerrecht, § 35, Rn. 1; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 290 f. 337 Hierzu vertiefend: Berstermann, Das Einmischungsverbot im Völkerrecht, S. 106 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht: Bd. I/3: Die Formen des völkerrechtlichen Handelns; Die inhaltliche Ordnung der internationalen Gemeinschaft § 168; im Kontext des völkerrechtlichen Schädigungsverbotes: Bäumler, Das Schädigungsverbot im Völkerrecht, S. 291 ff. 330

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Gewalt bzw. eine Intervention liegt demnach vor, wenn Maßnahmen eine jeweilige, gewisse Relevanzschwelle überschreiten.338 Überschreitet eine Maßnahme die Relevanzschwelle der Gefahr bzw. Intervention nicht, so besteht entsprechend keine Gewaltanwendung bzw. Intervention. Hierbei enthält Art. 2 Abs. 4 VN-Charta begrifflich eine Nähe zum Verteidigungsbegriff, da militärische Gewaltanwendung reglementiert wird.339 Auch die Aggressionsdefinition der VN-Resolution 3314 (XXIX)340 bestätigt die Notwendigkeit einer Relevanzschwelle bei einer Gewaltanwendung. Kernpunkt der Aggressionsdefinition ist, wie beim Gewaltverbot aus Art. 2 Abs. 4 VN-Charta, die „use of [armed] force“.341 Ebenso wie das Gewaltverbot aus Art. 2 Abs. 4 VN-Charta setzt eine zwischenstaatliche Aggression nach der VN-Resolution eine Relevanzschwelle voraus.342 Begrifflich zeigt auch die Aggressionsdefinition eine deutliche Nähe zum Verteidigungsbegriff auf, welcher sich auf fremde Aggressionen als Angriff bezieht.343 In eine vergleichbare Richtung äußerte sich auch der Internationale Gerichtshof (IGH) in der Nicaragua-Gerichtsentscheidung344 zum völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrecht, indem er feststellte, dass ein bewaffneter Angriff nach dem völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrecht vorliegt, wenn Maßnahmen in „scale and effects […] significant“345sind. Durch den Verweis auf ein bezüglich Schadensausmaß und -effekt notwendigerweise signifikantes Niveau wird eine Relevanzschwelle vorausgesetzt. Maßnahmen, die nicht „significant“ bzw. relevant genug sind, sind folglich keine Angriffe.346 Um ein Mindestmaß an völkerrechtsfreundlicher Auslegung zu gewährleisten, ist die im Völkerrecht angelegte Relevanzschwelle im Verteidigungsbegriff aufzugreifen. Dazu ist es nötig den Angriffserfolg als Gefahr zu verstehen. Denn durch

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Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 258; Bothe, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, Achter Abschnitt, Rn. 10; bspw.: Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle von Cyberspionage: Talmon, Das Abhören der Kanzlerhandys und das Völkerrecht, BRJ 01/2014, 6 (10); Aust, Spionage im Zeitalter von Big Data, AVR 52 (2014), 375 (382). 339 Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 59 ff. 340 Abrufbar unter: https://www.un.org/depts/german/gv-early/ar3314_neu.pdf. 341 In der deutschen Fassung „Anwendung von Waffengewalt“, so etwa in Art. 1 UAbs. 1 A/ RES/3314 (XXIX). 342 Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 257; Heintschel von Heinegg, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, § 55, Rn. 20. 343 Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 71. 344 Vgl. IGH vom 27. Juni 1986, Militärische und Paramilitärische Aktivitäten in und gegen Nicaragua, Nicaragua gegen Vereinigte Staaten von Amerika. 345 IGH vom 27. Juni 1986, Militärische und Paramilitärische Aktivitäten in und gegen Nicaragua, Nicaragua gegen Vereinigte Staaten von Amerika, Rn. 195. 346 Vgl. Krings/Burkiczak, Bedingt abwehrbereit?, DÖV 2002, 501 (505), die auf Art und Ausmaß der Attacke als Kriterium für den Begriff der Verteidigung in Art. 87a GG abstellen.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

das Verständnis des Angriffserfolgs als Gefahr ist eine Relevanzschwelle enthalten.347 dd) Auflösung mittelbarer Verursachungen Durch den Gefahrenbegriff wird zudem das Merkmal der Wahrscheinlichkeit implementiert.348 Durch Verständnis des Angriffserfolgs als Gefahr und Implementierung des Wahrscheinlichkeitsmerkmals erfasst der Verteidigungsbegriff auch mittelbare Schadensverursachungen. Insbesondere im Rückgriff auf Cyberangriffe verdeutlicht sich die Problematik mittelbarer Schädigungen.349 Denn die Problematik bei mittelbaren Schädigungen liegt in einer zu umfangreichen Einbeziehungsmöglichkeit. Eine Handlung könnte eine andere Handlung hervorrufen, die wiederum eine andere Handlung hervorruft, etc. Es ließe sich nahezu uneingeschränkt eine Verteidigungslage durch mittelbare Folgenverkettung von Handlungen annehmen. Dadurch würde quasi jede Handlung zur Angriffshandlung konstruiert werden können.350 Ein eingrenzendes Kriterium ist folglich nötig. Ansonsten würde der Verteidigungsbegriff seine bestimmbaren Grenzen verlieren.351 Die Problematik einer zu ausufernden Einbeziehung von mittelbaren Schädigungen wird im Strafrecht durch einen Zurechnungsmaßstab gelöst.352 Ein eingrenzendes Kriterium hinsichtlich mittelbarer Schadensverursachungen besteht je nach Ansicht bei der Kausalität oder im gesonderten Aspekt der objektiven Zu-

347 Auch hier wäre wieder denkbar, aber letztlich abzulehnen die Relevanzschwelle auf eine eingetretene Rechtsgutverletzung, nicht jedoch auf die Gefahr zu beziehen. Da Abwehr sich jedoch auf zukünftige Schäden und deren Verhinderung bezieht (vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 3. d)), sind zukünftige Gefahren, nicht jedoch eingetretene Rechtsgutverletzungen unmittelbar ausschlaggebend, sodass auch eine Relevanzschwelle nicht auf eingetretene Rechtsgutverletzungen bezogen werden kann. 348 Vgl. Krüger, Der Gefahrbegriff im Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 2013, 985 (986). 349 Bspw.: Stein/Marauhn, Völkerrechtliche Aspekte von Informationsoperationen, ZaöRV 60 (2000), 1 (7 f.): Ein Cyberangriff führt an sich fast nie unmittelbar zum Schaden, bspw. zu Toten. Der Schaden tritt durch Rückkopplung von anderen Endgeräten oder Funktionsmodifikation bzw. Funktionsabschaltung ein. Diese oder damit verbundene andere Endgeräte funktionieren nicht mehr wie erwartet. Nicht durch den Cyberangriff selbst, sondern mittelbar durch andere nicht erwartungsgemäß funktionierende Geräte tritt dadurch der Schaden ein. 350 Beispielhaft sei jegliche auf der Welt vorgenommene Handlung zu nennen, die den Klimawandel beeinflusst. In nicht vertretbar extensiver Lesart wären all diese Handlungen, wie bspw. das Fahren eines Autos, als Angriffshandlung zu verstehen, da durch den Klimawandel Gefahren für Leib und Leben deutscher Staatsangehöriger und Beeinträchtigungen für deutsche staatliche Institutionen mittelbar eintreten könnten. 351 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 86. 352 Hierzu wohl ursprünglich: Roxin, Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten, ZStW 74, 411; vgl. Heger, in: Lackner/Kühl/Heger (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Vorbemerkung zu § 13 StGB, Rn. 10; Heuchemer, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), BeckOK StGB, § 13 StGB, Rn. 23.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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rechnung.353 Anders als das Strafrecht hat der Verteidigungsauftrag jedoch keinen repressiven Charakter.354 Der Verteidigungsauftrag als gefahrenabwehrrechtliche Norm ist vielmehr (gefahren-)präventiv zu verstehen.355 Elementares Ziel der Gefahrenprävention ist nicht die repressive Bestrafung einzelner Handlungen, sondern die, soweit erfasste, Beseitigung einer Gefahr.356 Für das Vorliegen einer Gefahr – generell die Verteidigungslage – ist es daher irrelevant, welche (Angriffs-)Handlung den (Angriffs-)Erfolg hervorgerufen hat.357 Ein Zurechnungsmaßstab, wie im Strafrecht, ist für den wehrverfassungsrechtlichen Bereich abzulehnen. Die staatlich zu gewährende Schutzpflicht aus dem Verteidigungsauftrag bezieht sich auf die Abwehr von Gefahren mit militärischem Bezug.358 Durch welche Art von Verkettungen oder Umständen die Gefahr mit militärischem Bezug eintritt, ist für das Bestehen einer Schutzpflicht unbeachtlich. Auswirkungen entfalten sich jedoch auf Ebene der Verteidigungshandlung. Vergleichbar zur polizeirechtlichen Dogmatik setzt eine Verteidigungshandlung einen Verursacher voraus. Dieses Verursachungsprinzip beschreibt den primären Adressaten einer Verteidigungshandlung. Als Adressat, der jedoch nur allenfalls mittelbar eine Gefahr verursacht, können sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit Einschränkungen ergeben.359 Dieses ist jedoch nicht im Rahmen eines Zurechnungsmaßstabes zu sehen, da der Verteidigungsbegriff präventive Zwecke verfolgt.360 Hierbei entfaltet das Merkmal der Wahrscheinlichkeit Wirkung und löst die Problematik der mittelbaren Schadensverursachung. Denn durch das Merkmal der Wahrscheinlichkeit wird, bezogen auf die jeweilige potentielle Schadensverursachung, eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit notwendig. Hierdurch besteht ein notwendiges einschränkendes Kriterium, wodurch eine Verteidigungslage durch banale, alltagsübliche Handlungen nicht uneingeschränkt angenommen werden kann. Denn je mehr Zwischen353 Heger, in: Lackner/Kühl/Heger (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Vorbemerkung zu § 13 StGB, Rn. 10. 354 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 88; Bäumerich/Schneider, Terrorismusbekämpfung durch Bundeswehreinsätze im Innern, NVwZ 2017, 189 (191); hinsichtlich des Polizei- und Ordnungsrechts: Lisken/Denninger/Rachor u. a. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, Abschnitt D. Polizeiaufgaben. 355 Bspw.: Baldus, Streitkräfteeinsatz zur Gefahrenabwehr im Luftraum, NVwZ 2004, 1278 (1280 f.); Wiefelspütz, ZRP 2003, 140. 356 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 96, der den Begriff der Verteidigung jedoch zu stark auf das einzige Element der Gefahrenabwehr begrenzt. 357 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 92 ff., 95 f. 358 Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13. 359 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. IV. 1. a). 360 Vgl. bspw.: Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr gegen den grenzüberschreitenden internationalen Terrorismus, ZaöRV 65 (2005), 819 (828); Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 256 ff.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

schritte bei der Hervorrufung des Schadens notwendig sind, umso unwahrscheinlicher wird letztlich der Eintritt des Schadenspotentials. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sinkt grundsätzlich, je mehr Zwischenschritte bestehen. Jeder Zwischenschritt bringt die Möglichkeit mit sich, dass kein hinreichend wahrscheinlicher Schaden eintritt. Je mehr mittelbare Zwischenschritte zwischen einem potentiellen Angriffserfolg und der potentiellen Angriffshandlung bestehen, desto niedriger wird in der Regel die Wahrscheinlichkeit, dass die Angriffshandlung auch wirklich den Angriffserfolg herbeiführen wird. Sollte jedoch trotz mehrerer Zwischenschritte die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens hinreichend hoch sein, besteht eine Gefahr. Dies umfasst auch das Szenario kumulativer mittelbarer Angriffshandlungen, die erst durch gemeinsames Vorliegen den Angriffserfolg herbeiführen.361 Durch das Merkmal der Wahrscheinlichkeit werden mittelbare Schadensverursachungen erfasst. Da nur durch ein Verständnis des Angriffserfolgs als Gefahr das notwendige Merkmal der Wahrscheinlichkeit aufgegriffen wird, ist ein solches Verständnis des Angriffserfolgs als Gefahr vorzugswürdig. c) Zwischenergebnis Auf Grund der dargestellten Argumente ist der Angriffserfolg bei einem eine Verteidigungslage auslösenden Angriff als Gefahr zu verstehen. Diese Gefahr setzt sich aus den beiden Faktoren des potentiellen Schadensumfangs und der Eintrittswahrscheinlichkeit zusammen. Die beiden Faktoren müssen in Abhängigkeit zueinander hinreichend gegeben sein, um eine notwendige Mindestgefahrenschwelle bzw. Relevanzschwelle zu überschreiten. 2. Funktionale Perspektive der Gefahrenschwelle Die notwendige Gefahrenschwelle muss überschritten werden, damit ein einen Streitkräfteeinsatz auslösender Angriff vorliegt.362 Diese Gefahrenschwelle ist aus einer funktionalen Perspektive nicht subjektiviert, sondern objektiviert zu verstehen.363 Es kommt nicht darauf an, ob aus subjektiver Sicht die Gefahrenschwelle

361 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. VI.; auch wenn kumulative mittelbare Angriffshandlungen eine Verteidigungslage begründen, sind nicht per se Verteidigungshandlungen gegen diese möglich. Insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist hinsichtlich möglicher Verteidigungshandlungen zu beachten und kann sich hierbei stark begrenzend auswirken. 362 Ähnlich setzt das Völkerrecht eine solche Schwelle voraus, da ein unfreundliches, jedoch hinzunehmendes Verhalten, noch keinen Angriff i. S. d. Art. 51 VN-Charta darstellt. 363 Teil 3 Kapitel 1 B. III.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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überschritten wurde, sondern ob aus einer verobjektivierten Sicht eine hinreichende Gefahr vorliegt.364 Dies folgt aus dem Prinzip der Gefahrenabwehr und der staatlichen Schutzpflicht. Diese bestehen unabhängig vom subjektiven Empfinden des jeweiligen Betroffenen. Staatliche Handlungsbefugnisse und Pflichten sind auf Grund der Verobjektivierung des Verfassungsrechts nicht abhängig vom einzelnen Subjekt.365 3. Zeitliche Perspektive der Gefahrenschwelle Die objektive Gefahrenschwelle und ihr Schadensumfang lassen sich aus verschiedenen zeitlichen Perspektiven bestimmen. Mögliche Perspektiven sind eine Bestimmung des Schadensumfangs und der Gefahrenschwelle durch einen eingetretenen Schaden, eine Bestimmung abstellend auf einen zukünftigen Schaden oder eine Mischform der beiden Perspektiven. a) Vergangenheitsgerichtete Perspektive (ex post) In Teilen der Literatur, meist unterschwellig vorausgesetzt, wird die Gefahrenschwelle vergangenheitsgerichtet interpretiert.366 Ausschlaggebend für die Bestimmung des Gefahrengrades und dessen Überschreiten sei der bereits eingetretene Schaden. Es komme zur Bestimmung der Gefahr auf einen eingetretenen Schaden an. Ob ein Schaden hinreichendes Potential und entsprechenden Umfang hat, sei aus einer Ex-post-Betrachtung zu bewerten, wodurch die Perspektive der Bestimmung der Gefahrenschwelle vergangenheitsgerichtet sei. Wenn ein eingetretenes Schadensausmaß hinreichende Auswirkungen und Intensität habe, läge eine Überschreitung der Gefahrenschwelle vor. b) Zukunftsgerichtete Perspektive (ex ante) Alternativ lässt sich eine Gefahrenschwelle aus zeitlicher Perspektive zukunftsbezogen interpretieren.367 Ausschlaggebend für eine Bewertung sei, ob aus einer Ex-ante-Sicht ein in Zukunft eintretendes Schadenspotential hinreichend 364 Einzig aus dem Verhältnis der Merkmale des militärischen Bezugs und der dortigen Vermutungsumkehr lässt sich gegebenenfalls ausnahmsweise ein subjektives Element herauslesen; vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V. 1. 365 Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IX, § 191, Rn. 210 m. w. N. in Fn. 549 und Verweis auf BVerfGE 66, 39 (61). 366 Bspw.: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15, „wenn weitreichende Schäden an Sachwerten und gerade auch an Leib und Leben hervorgerufen werden.“ 367 So wohl: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 91, mit Verweis auf: Pawlik, Der Terrorist und sein Recht, S. 47.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

erscheine.368 Ob ein Schaden bereits vorläge bzw. eingetreten sei, sei für ein Überschreiten der Gefahrenschwelle zunächst irrelevant. Wenn anzunehmen sei, dass mit hinreichender Eintrittswahrscheinlichkeit ein hinreichender potentieller Schadenseintritt bevorsteht, sei die Gefahrenschwelle überschritten. c) Mischformen Möglich bleibt auch eine Mischform.369 Bei der Bestimmung könne man sowohl vergangenheitsbezogene als auch zukunftsbezogene Aspekte berücksichtigen. d) Vorzugswürdige Perspektive aa) Notwendigkeit einer zukunftsgerichteten Perspektive Betrachtet man die Perspektiven, erscheint die Notwendigkeit einer zukunftsgerichteten Perspektive unvermeidlich. Aus dem Wesen als gefahrenabwehrrechtlichen Norm folgt das unweigerliche Vorliegen des Gefahrenbegriffs.370 Dieser Gefahrenbegriff setzt den wahrscheinlichen Eintritt eines Schadens voraus.371 Hierdurch begründet sich das Merkmal der Eintrittswahrscheinlichkeit. Indem der Gefahrenbegriff von einer Eintrittswahrscheinlichkeit abhängt, ist dieser automatisch zukunftsgerichtet.372 bb) Gefahrenabwehr anstatt Gefahrenhinnahme Für die Notwendigkeit einer zukunftsgerichteten Perspektive spricht, dass eine rein vergangenheitsbezogene Perspektive nicht vorzugswürdig ist. Denn eine rein vergangenheitsbezogene Perspektive würde voraussetzen, dass ein Schaden eingetreten ist. Dieser eingetretene Schaden würde eine Verteidigungslage begründen können. Notwendig wäre dadurch erst eine Schadenshinnahme anstatt einer Gefahrenabwehr. Die Streitkräfte müssten beobachtend zuschauen, wie sich ein ge368 Vgl. Pawlik, Der Terrorist und sein Recht, S. 47, der explizit auf den Begriff „Präventionsrecht“ abstellt. 369 Bspw.: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58: „Der Angriff muss Schäden nicht nur an Sachwerten, sondern auch an Leib und Leben hervorrufen oder hervorrufen können.“ 370 Bspw.: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 119; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 256 ff. 371 Bspw.: Meyer, Subjektiver oder objektiver Gefahrenbegriff, „Gefahrenverdacht“ und Vorfeldbefugnisse, JA 2017, 1259. 372 Das Merkmal der Eintrittswahrscheinlichkeit bedeutet, dass ein Schaden auch nicht eintreten kann. Dies kann sich semantisch nur auf einen in der Zukunft eintretenden Sachverhalt beziehen, da bei vergangenen Sachverhalten ein Eintritt entweder vorlag oder nicht. Das Merkmal des Eintritts wäre binär, daher entweder erfüllt oder nicht erfüllt. Es läge kein Abgrenzungspotential des Merkmals vor, sodass dieses obsolet wäre.

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gebenenfalls schon vor Schadenseintritt abwendbarer Schaden erst realisiert, um erst dann, auf Grund der nun einschlägigen Verteidigungsbefugnis, tätig zu werden. Mit dem Grundcharakter des Verteidigungsbegriffs als gefahrenabwehrrechtlicher Norm ist solch eine Untätigkeit nicht kompatibel.373 Notwendig ist, dass jedenfalls eine zukunftsgerichtete Perspektive angewendet wird. cc) Keine Befugnis zu unmöglichen Handlungen Betrachtet man die vergangenheitsgerichtete Perspektive dagegen genauer, stellt sich heraus, dass diese bezüglich einer Gefahrenschwellenbestimmung überhaupt nicht anwendbar ist. Es ist keine Mischform aus vergangenheitsgerichteter und zukunftsgerichteter Perspektive anzulegen, sondern einzig eine zukunftsgerichtete Perspektive. Der Ursprung dieser Überlegung fußt auf einer Betrachtung der Handlungsmöglichkeiten der Streitkräfte. Der Verteidigungsbegriff soll die Streitkräfte zu Verteidigungshandlungen befugen. Die Verteidigungslage soll Verteidigungshandlungen ermöglichen. Dies setzt voraus, dass Verteidigungshandlungen hinsichtlich einer Verteidigungslage grundsätzlich denkbar und möglich sind. Ziel des Verteidigungsbegriffs ist es nicht, den Streitkräften eine Befugnis einzuräumen, wozu diese niemals eine Handlungsmöglichkeit haben können.374 Von einer generellen Unmöglichkeit, somit fehlender Verteidigungslage, ist eine Einzelfallunmöglichkeit, als Einschränkungsgrund einer einzelnen Verteidigungshandlung, abzugrenzen.375 Sind grundsätzlich Verteidigungshandlungen möglich, jedoch ausnahmsweise eine einzelne Verteidigungshandlung nicht, so ist diese auf Grund von Unmöglichkeit ausgeschlossen, da jedenfalls eine Handlungsalternative besteht. Bezogen auf eine Abwehr eines Schadenspotentials ist zu beobachten, dass die Streitkräfte wohl prinzipiell weder eine Möglichkeit der Schadensbeseitigung besitzen noch einrichten können.376 Dies bestärkt sich, so man sich vergewissert, dass potentiell konkret geschädigte Rechtsgüter das Leben von deutschen Staatsangehörigen sind.377 Würde erst aus dem eingetretenen Schaden eine Handlungsbefugnis angenommen werden, wäre eine Schadensbeseitigung nicht mehr möglich. Denn konkreter Schaden ist vielfach der Tod von Personen, welcher durch die Streitkräfte 373

Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 88 ff. Vgl. hinsichtlich Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 217, 272. 375 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. I. 376 Gerade eine aus dem zivilrechtlichen Deliktsrecht bekannte Naturalrestitution i. S. d. § 249 S. 1 BGB kann nicht als Maßstab für Abwehrhandlungen der Streitkräfte gegen militärische Angriffe taugen. 377 Vgl. BVerfGE 2, 1 (11 f.): „die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben“; Teil 3 Kapitel 2 A. I. 2. a). 374

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

nicht rückgängig gemacht werden kann.378 Eine Annahme einer Streitkräftebefugnis zu Handlungen auf Grund eines eingetretenen Schadens (bspw. Tod), der nicht beseitigt werden kann, hätte dadurch lediglich repressiven Charakter. Ziel einer daraufhin folgenden Gegenmaßnahme wäre nicht eine präventive Schadensbeseitigung379, sondern einzig ein repressiver Charakter; vielfach auch einfacher als Rache oder Vergeltung ausgedrückt.380 Solche Vergeltungsmaßnahmen widersprechen jedoch dem Wesen des Verteidigungsbegriffs als gefahrenabwehrrechtlicher Norm.381 dd) Verständnis als „Abwehr eines Angriffs“ Aus insbesondere einer historischen und systematischen Auslegung folgt ein Verständnis von Verteidigung als Abwehr eines Angriffs.382 Abwehren bedeutet in diesem Kontext, dass sich der zukünftige Schaden gerade nicht realisiert.383 Dies setzt eine rein zukunftsgerichtete Perspektive voraus, da nur hinsichtlich zukünftiger Schäden ein Eintritt verhindert, somit abgewehrt, werden kann. ee) Bestimmbarkeit des Endes einer Einsatzbefugnis Durch das Rechtsstaatsprinzip besteht die Voraussetzung der Bestimmbarkeit tatbestandlicher Einsatzbefugnisse.384 Nicht nur, wann eine Verteidigungslage vorliegt, muss bestimmbar sein, sondern ebenso wann eine Verteidigungslage endet.385 Gerade aus dem Blickwinkel des Endes einer Einsatzbefugnis ist das Merkmal der Wahrscheinlichkeit zwingend notwendig. Hierdurch wird ein klar abgrenzbares Kriterium, ein Maßstab, geschaffen, wann nicht nur ein Angriff vorliegt, sondern wann auch ein Angriff nicht mehr vorliegt. Angenommen es liegt ein Angriff vor, so endet eine Einsatzbefugnis, wenn kein Schaden mehr droht. Hierbei wird deutlich, 378 Dies bezieht sich nicht nur auf den hier aufgeführten Fall des Todes deutscher Staatsangehöriger, den die deutschen Streitkräfte nicht ungeschehen werden lassen können. Auch die sachgüterbezogenen Verletzungen eines großflächig angelegten militärischen Angriffs werden wohl nicht durch die deutschen Streitkräfte naturalrestituiert werden können. 379 Vgl. zur Voraussetzung einer „Gefahrenbeseitigung“ im Rahmen des Art. 91 GG: Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 55. 380 So im zwischenstaatlichen Umfeld hinsichtlich der Tötung von Staatsangehörigen leider zu häufig festzustellen. Hierbei werden teilweise aus politischen Motiven die Getöteten als „Märtyrer“ dargestellt, deren Tod durch militärische Gegenmaßnahmen, meist Todesfälle fremder Staatsangehöriger hervorrufend, ausgeglichen bzw. abgegolten wird. 381 Vgl. Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, II, Rn. 70. 382 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. III. 383 Vgl. Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 22; Leuschner, Sicherheit als Grundsatz, S. 17. 384 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20 GG (Rechtsstaat), Rn. 129 ff.; Roebbers, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 2128 ff. 385 Hierzu schweigt leider unisono die Literatur zum Verteidigungsbegriff; vgl. hinsichtlich Art. 91 GG: Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 55.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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dass dies perspektivisch in die Zukunft gerichtet ist. Dies impliziert eine Prognostizierung und setzt dadurch zwangsläufig das Merkmal der Wahrscheinlichkeit voraus. Wenn kein weiterer Schaden durch Angriffshandlungen mit militärischem Bezug mehr wahrscheinlich ist, endet entsprechend eine Einsatzbefugnis. Bei einer vergangenheitsbezogenen Perspektive des Gefahrenbegriffs fehlt jedoch gerade dieses Merkmal. Ein einmal vorgelegener Angriff würde bei einer vergangenheitsbezogenen Perspektive eine zeitlich unendlich lange Verteidigungslage begründen. Dies würde jedoch die begrenzende Wirkung des Verteidigungsbegriffs konterkarieren. Daher ist auch wegen der Bestimmbarkeit des Endes einer Verteidigungslage eine vergangenheitsbezogene Perspektive abzulehnen und vielmehr rein auf eine zukunftsbezogene Perspektive abzustellen. ff) Zwischenergebnis Insofern lässt sich feststellen, dass es für die Bestimmung der Gefahrenschwelle nur auf eine zukunftsgerichtete Perspektive ankommt. Einzig und allein die hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit eines hinreichenden Schadens ist für die Bewertung, ob die Gefahrenschwelle überschritten wurde, heranzuziehen. Ein eingetretener Schaden begründet an sich unmittelbar nicht, dass eine Gefahrenschwelle überschritten wurde. Ein eingetretener Schaden begründet an sich unmittelbar keine Verteidigungsbefugnis. gg) Indirekte Auswirkung des Schadensausmaßes als Indikator der Wahrscheinlichkeit neuen Schadens Auch wenn ein eingetretener Schaden unmittelbar keine Verteidigungsbefugnis begründet, können ein eingetretener Schaden und das dadurch entsprechend vorliegende Schadensausmaß mittelbar eine solche begründen.386 Denn ein eingetretenes Schadensausmaß ist ein Indikator für ein zukünftiges Schadenspotential und eine entsprechende Eintrittswahrscheinlichkeit. (1) Schadensverhinderung gegenüber Schadensbeseitigung Ausgangsüberlegung ist, dass ein noch nicht eingetretener Schaden verhindert werden kann und ein eingetretener Schaden nur beseitigt werden kann. Dabei bedeutet ein eingetretener Schaden nicht, dass zusätzlicher Schaden noch entstehen kann. Eine solche Unterscheidung zwischen Schadensbeseitigung und Schadensverhinderung ist essentiell für eine Einsatzbefugnis der Streitkräfte.387 Denn eine Einsatzbefugnis der Streitkräfte ergibt sich nur für den Bereich der Schadensver386

Wie auch bei einer Betroffenheit der Schutzgüter von Drittstaaten, mit denen die Bundesrepublik gesellschaftlich, politisch und kulturell enge Verbindungen pflegt, bestehen indirekte Auswirkungen: Teil 3 Kapitel 2 A. I. 2. c) bb) (2) (c). 387 Vgl. Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, II, Rn. 70.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

hinderung, nicht den der Schadensbeseitigung.388 Dies ergibt sich durch das Wesen als gefahrenabwehrrechtliche Norm und daraus, dass der Verteidigungsbegriff nicht zu prinzipiell Unmöglichem befugen soll.389 Ein eingetretener Schaden bedeutet „lediglich“, dass ein bestimmtes Schadensniveau erreicht wurde. Hierbei kann sich ein Schadensniveau weiterhin noch erhöhen und kann somit verhindert werden.390 Dabei kann sich das Schadensniveau qualitativ391 und/oder quantitativ392 intensivieren. Eine Intensivierung eines Schadens ist bspw. bei einer leicht verletzten Person gegeben, wenn sich deren Gesundheitszustand hin zu einer schweren körperlichen Verletzung verschlechtert. Ein höheres Schadensniveau liegt nicht nur bei Qualität des Verletzungsstatus vor, sondern auch bei Quantität des Verletzungsstatus. Quantität bedeutet dabei insbesondere die Länge der andauernden Verletzung. Ein vorgenommener Heilprozess verhindert einen quantitativ intensiveren, neuen Schaden.393

388 Sind bspw. mehrere tausend Personen verseucht oder anders körperlich verletzt, so können die Streitkräfte den Eintritt des ersten Schadensniveaus, Verseuchung oder körperliche Verletzung, praktisch nicht ungeschehen machen. Vielmehr können diese „nur noch“ dafür sorgen, dass kein neuer Schaden in Form eines höheren Schadensniveaus eintritt, sprich eine qualitative Verschlimmerung der Verletzungsgrade oder ein quantitatives Andauern der Verletzungen. 389 Vgl. hinsichtlich Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 217, 272. 390 Das bereits eingetretene erreichte, niedrigere Schadensniveau kann, wenn überhaupt, nur beseitigt werden. Ein höheres Schadensniveau ist bspw. bei Tötung einer Person der Tod einer weiteren Person. 391 So ist, wenn eine Person körperlich leicht verletzt wurde, dieser Schaden eingetreten; eine Intensivierung der Verletzung, bspw. zu mittlerem Verletzungsgrad, schwerem Verletzungsgrad oder als Endstufe zum Tod des Betroffenen, stellt einen noch nicht eingetretenen qualitativ intensiveren Schaden dar, der verhindert werden kann. 392 Ebenso stellt ein zeitliches Andauern eines Schadens eine quantitative Intensivierung dar. Ist bspw. eine Person mittelgradig verletzt, so stellt eine Nichtbeseitigung dieses Schadens bzw. einer Verletzung ein quantitativ intensiveres Schadensniveau dar. Mit quasi jeder Sekunde der Nichterfüllung der staatlichen Schutzpflicht bzw. dem Ausgesetztsein eines Schadenseintritts tritt ein zeitlich intensiveres Schadensniveau ein. 393 Zwar könnte angeführt werden, dass bei einer Körperverletzung die Streitkräfte Heilprozesse vornehmen könnten, die den Schadenseintritt beseitigen bzw. ungeschehen machen würden. Doch dies verfängt insbesondere aus drei Gründen nicht. Erstens ist auch im Rahmen moderner Medizin quasi nie eine Genesungsquote von 100 % möglich. Es verbleibt immer eine Art „Sollbruchstelle“ im behandelten Bereich. Zweitens hat jede Behandlung, unabhängig davon, wie standardisiert diese sein mag, stets ein eigenes Behandlungsrisiko inne. Behandlungsrisiko bedeutet die Chance, dass durch Fehler der Behandelnden ein weiterer körperlicher Schaden eintritt. Auch wenn im Einzelfall nach erfolgreicher Behandlung kein weiterer Schaden durch die Behandelnden eingetreten ist, so führt dies nicht dazu, dass das Risiko vor Vornahme der Behandlung nicht bestand. Drittens ist ein hier vorausgesetzter körperlicher Schaden quasi immer auch mit einem Schmerzempfinden der betroffenen verletzten Person verbunden. Der erlittene Schmerz lässt sich auch durch eine erfolgreiche Behandlung, welche teilweise selbst wiederum schmerzhaft sein kann, nicht ungeschehen machen.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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(2) Bedeutung eines eingetretenen Schadens Soweit nun ein Schaden eingetreten ist, daraus jedoch keine Handlungsmöglichkeiten der Streitkräfte gegenüber dem Verletzen bzw. Toten folgen, führt dies nicht zu einer Irrelevanz eines eingetretenen Schadens. Die Bedeutung des eingetretenen Schadens konkretisiert sich vielmehr darin, dass er einen Rückschluss zulässt, ob ein Schadenseintritt gegenüber einem Unverletzten bzw. nicht derart qualitativ oder quantitativ intensiv Verletzten wahrscheinlich ist. Im Strafrecht indiziert eine Schädigung gegenüber einer Person die Vermutung, dass weitere Schädigungen bevorstehen.394 Gleich ist dies bei Schädigungen durch Angriffe i. S. d. Verteidigungsbegriffs. Ist der Staat einmal von einer Maßnahme einer Person, Gruppierung oder eines fremden Staates betroffen, kann dies auf weitere mehr oder weniger unmittelbare Maßnahmen hindeuten und einen ähnlich gelagerten weiteren Schadenseintritt wahrscheinlich erscheinen lassen. Der eingetretene Schaden kann durch die Streitkräfte nicht ungeschehen gemacht werden; anders der noch nicht eingetretene Schaden, welcher von den Streitkräften verringert bzw. verhindert werden kann. Ein eingetretenes Schadensausmaß ist dadurch ein starker Indikator für eine Eintrittswahrscheinlichkeit von weiteren hinreichenden Schadenseintritten. Hierdurch kann sich indirekt eine Gefahr, sowie bei militärischem Bezug eine Verteidigungslage, begründen.395 4. Überschreiten der Gefahrenschwelle auf Grund gesamtstaatlicher Auswirkung und gesellschaftlicher Intensität Damit ein Angriffserfolg vorliegt, muss eine Gefahrenschwelle überschritten werden. Im Gesamtkontext der Wehrverfassung ist dies eine Relevanzschwelle, durch welche überhaupt erst ein Angriff vorliegt. Dies eröffnet die Einschlägigkeit einer Verteidigungslage. Dadurch handelt es sich um die erste, „hinreichende“ Relevanzschwelle.396

394 Exemplarisch und ausdrücklich hinsichtlich einer Gegenwärtigkeit einer Notwehrlage: Erb, Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 32 StGB, Rn. 104; die Vermutung kann selbstverständlich widerlegt werden. 395 Lässt bspw. eine Regierung eines Staates einen Militärschlag mit erheblichem Schaden ausführen, wenige Stunden bevor dieselbe Regierung durch bspw. putschende Kräfte abgesetzt wird, welche selber friedlich gesinnt sind, liegt zwar durch den eingetretenen Schaden ein Indikator für weitere Schäden vor. Indem jedoch durch Regierungswechsel im angreifenden Staat dieser sich selbst sein Schadenspotential genommen hat, ist eine Wahrscheinlichkeit weiterer Schäden widerlegt. Es drohen keine weiteren Angriffe mehr, wodurch keine Verteidigungslage besteht. 396 Denkbar wäre, diese Relevanzschwelle auch als „notwendige“ zu bezeichnen, weil diese grundlegende Voraussetzung für ein Vorliegen einer Verteidigungslage ist. Zu weiteren Relevanzschwellen: Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. a); Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. b) bb) (3); Teil 4 Kapitel 3 B. I. 2.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Aus dem Schutzgut des Verteidigungsbegriffs – dem Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung – folgt, dass eine solche Relevanz dann anzunehmen ist, wenn eine gesamtstaatliche Auswirkung und eine gesellschaftliche Intensität vorliegen.397 a) Militärischer Eigenschutz Abstraktes Schutzgut des Begriffs der Verteidigung ist unter anderem der Eigenschutz der Streitkräfte. Hierzu vermittelt der Begriff der Verteidigung durch Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG eine Befugnis zum Eigenschutz, sofern ein Angriff auf einen militärischen Angegriffenen, sprich die Streitkräfte, vorliegt.398 Im Kontext des Eigenschutzes ist auf das UZwGBw399 und insbesondere § 9 UZwGBw hinzuweisen. Auch wenn dies nur einfaches Gesetz ist und selbst keinen Verfassungsrang innehat, verdeutlicht dies die eigenständige Zuständigkeit der Streitkräfte zum Eigenschutz.400 Eine Verwendung von Schusswaffen gegen Personen, welche eine Einsatzqualität innehat und somit dem Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG unterfällt,401 ist nach § 15 UZwGBw unter engen Voraussetzungen zugelassen. Wenn jedoch der Schusswaffengebrauch gegen Personen nach § 15 UZwGBw Einsatzqualität aufweist, muss hierbei zur Wahrung des Verfassungsvorbehalts des Art. 87a Abs. 2 GG Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG vorliegen.402 Einsatzszenarien nach Art. 87a Abs. 3, 4 GG oder Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG sind im Szenario des § 15 UZwGBw offensichtlich auszuschließen. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber bei der Normierung des Eigenschutzes mit Einsatzqualität durch das UZwGBw vorausgesetzt hat, dass hierbei eine Verteidigungslage vorliegt. Nur so wäre eine Verfassungsmäßigkeit des Anwendungsbereichs des § 15 UZwGBw gewährleistet. Allein der Bereich der Aufklärung von Straftaten liegt,

397 Vgl. Fn. 300; aus dem abstrakten Schutz des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung folgt, dass für einen Angriffserfolg die Grundprinzipien des deutschen Staates grundlegend und elementar gefährdet werden müssen. 398 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 298 ff.; Krings/Burkiczak, Bedingt abwehrbereit?, DÖV 2002, 501 (510); Spranger, Wehrverfassung im Wandel, S. 105; vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 136. 399 Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen vom 12. August 1965; BGBl. I S. 796. 400 Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, II, Rn. 244. 401 Vgl. Fn. 40; eine Einsatzqualität wird nach h. M. angenommen, wenn die Streitkräfte als Mittel der vollziehenden Gewalt verwendet werden bzw. hoheitlich handeln, vgl. Arndt, Bundeswehr und Polizei im Notstand, DVBl. 1968, 729 (730); Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 15; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 39 ff. 402 Bspw.: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 69.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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mangels Gefahrenabwehrbezug, im originären Zuständigkeitsbereich der Polizeikräfte und somit nicht in dem der Streitkräfte.403 b) Rückschluss aus dem militärischen Eigenschutz Der durch wehrverfassungsrechtliche Normen vermittelte Eigenschutz der Streitkräfte ist umfassend.404 Da die Streitkräfte umfassend durch den Verteidigungsbegriff des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG geschützt werden, sind an eine die Verteidigungslage und den Eigenschutz erst eröffnende Relevanzschwelle des Angriffserfolgs geringe Anforderungen zu stellen. Denn weitere Einschränkungen liegen nicht auf Ebene der Verteidigungslage vor, sondern vielmehr auf sekundärer Ebene der Verteidigungshandlung.405 Bezogen auf die Gefahrenschwelle bzw. erste, hinreichende Relevanzschwelle bedeutet dies, dass keine höheren Anforderungen bestehen. Exkludiert werden sollen lediglich solche Auswirkungen von Handlungen, die derart gering sind, dass diese keine wesentliche Beeinträchtigung der Körper- bzw. Sachsubstanz darstellen.406 Denn konkretes Schutzgut ist der Schutz körperlicher Substanzen.407 Es handelt sich bei der ersten, hinreichenden Relevanzschwelle um eine De-minimis-Schwelle,408 die zu vernachlässigende Bagatellen ausklammert. Eine Schädigung muss sich lediglich physisch bzw. hierzu äquivalent spürbar auswirken, um einen Angriffserfolg zu begründen.409 403

Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, Rn. 246. Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 1. b); Fn. 159. 405 Zu beachten sind hierbei die Einschränkungen von möglichen Verteidigungshandlungen: Teil 3 Kapitel 3 B. 406 Beispielhaft ist hier das Berühren eines Angehörigen der Streitkräfte oder dessen Eigentum anzuführen. Durch jede noch so kraftlose Berührung ließe sich auf mikroskopischer bzw. allenfalls atomarer Ebene eine minimale Substanzveränderung feststellen. Solches bspw. fast kraftlose Berühren eines Soldaten oder eines Panzers stellt keinen Angriff auf Grund vernachlässigbarer Auswirkungen dar. 407 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1. b) bb). 408 Bei dem Begriff der De-minimis-Schwelle handelt es sich um einen Begriff des römischen Rechts. Im Kontext als „de minimis non curat praetor“ oder „de minimis non curat lex“ wird das Rechtsprinzip beschrieben, dass Bagatellen nicht vom Recht erfasst sind oder angeklagt werden. Dieses Rechtsprinzip findet sich bspw. ebenso im europäischen Beihilferecht wieder, vgl. Soltész, in: Montag/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht. Kartellrecht, Missbrauchs- und Fusionskontrolle Bd. 5: Beihilfenrecht, Art. 107 AEUV, Rn. 589 ff. Der Begriff ist auf andere Rechtsbereiche übertragbar und beschreibt dort jeweils, auf Grund zu geringer Intensität, Bedeutung oder Auswirkung, zu vernachlässigende Begebenheiten, vgl. im Kontext des Verteidigungsbegriffs Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 50. 409 Äquivalent spürbar bedeutet in diesem Zusammenhang Schädigungen, die sich nicht physisch auswirken, wie bspw. psychische Belastungen, Persönlichkeitsrechtsverletzungen etc. Hierbei müssen diese zumindest ein spürbares Unwohlsein auslösen, um nicht eine zu vernachlässigende Bagatelle zu sein. 404

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Sind durch solche physischen bzw. äquivalent spürbaren Auswirkungen die Streitkräfte, somit der militärische Angegriffene, betroffen, bedingt dies, sofern taugliches Angriffsobjekt und taugliche Angriffshandlung vorliegen, direkt eine Verteidigungslage. Denn sind die Streitkräfte angegriffen, folgt eine Gefährdung des abstrakten Schutzgutes durch Betroffenheit einer staatlichen Institution. Dies bedingt sich auch auf recht geringintensiven Ebenen, dass die staatliche Institution der Streitkräfte den Schutz von grundlegenden Rechtspositionen bezweckt.410 Die militärische Schutzgewährung durch die Streitkräfte erfasst grundlegende Rechtspositionen. Hierdurch sind die Streitkräfte und ihre Funktionsfähigkeit gleichermaßen umfassend auch gegen geringintensive Gefahren geschützt.411 Eine Gefährdung der Streitkräfte oberhalb der De-minimis-Schwelle stellt stets eine Gefahr für das abstrakte Schutzgut des Eigenschutzes der Streitkräfte und einen Angriffserfolg dar.412 Als die De-minimis-Schwelle beschreibendes Schaubild lässt sich dies wie folgt darstellen:

Angriff i.S.d. Art. 87a GG Intensität der Gefahr

Abbildung 8: Intensitätsschwelle eines Angriffs

Dadurch, dass im Kontext der hinreichenden Gefahrenschwelle keine höheren Anforderungen zu stellen sind, wird auch ein kumulatives Auftreten von Angriffen 410 BVerfGE 28, 243 (261); 44, 197 (202); 69, 1 (21); 77, 120 (221); Krieger, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 62. 411 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 2; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 10; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 21. 412 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 2.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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problemlos erfasst. Schon bei der einzelnen Begebenheit handelt es sich um einen Angriffserfolg, sodass bei kumulativem Vorliegen erst recht mehrere abwehrfähige Angriffserfolge vorliegen. Als Vorgriff zum Folgekapitel sei erwähnt, dass auf eine Verteidigungslage keine exzessive oder besonders intensive bzw. überhaupt eine Verteidigungshandlung als Reaktion folgen kann.413 Anders als bei einer Verteidigungslage bestehen gerade bei möglichen Verteidigungshandlungen umfassende Einschränkungsgründe. Insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist hier zu beachten.414 Hinsichtlich gering einschneidender Beeinträchtigungen und wenig intensiver Angriffserfolge fehlt es wohl meist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit am Unterpunkt der Erforderlichkeit. Gewähren einfachgesetzlich normierte Rechtsverfahren, wie etwa die gefahrenpräventiven, polizeirechtlichen Bestimmungen (des jeweilig örtlich zuständigen Landes), das repressive Strafrecht oder die Möglichkeit einer Restitution durch Deliktsrecht und Schadensersatzansprüche, effektiven und ausreichenden Schutz für die Streitkräfte, so können Verteidigungshandlungen, die eine Einsatzqualität erreichen, als Reaktion auf einen zivilen Angriff unverhältnismäßig sein. Möglich ist, dass durch einen Angriff eine Verteidigungslage gegeben ist und hierzu generell Verteidigungshandlungen möglich sind, jedoch ausnahmsweise keine denkbare nicht unverhältnismäßige Verteidigungshandlung.415 c) Gesellschaftliche Wertung als Tatbestandsmerkmal Indem sich die tatbestandlich notwendigerweise zu überschreitende Intensitätsschwelle anhand gesellschaftlicher Wertung bemisst, ist hierdurch die gesellschaftliche Wertung bestimmendes Merkmal der Verteidigungslage und somit strukturell Teil des Tatbestandes des Verteidigungsbegriffs.416 Die gesellschaftlichen Umstände die zu einer gesellschaftlichen Wertung der Intensität einer Gefahr führen, sind dabei nicht starr. Sollten sich etwa gesellschaftliche Umstände ändern, wie bspw. eine Änderung eines Friedens- zum Kriegszustand innerhalb der Bundesrepublik durch Feststellung des Verteidigungsfalls nach Art. 115a GG, so kann auch bei geringer intensiven Angriffen der 413

Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 111. So ausdrücklich: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 119. 415 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. IV. 1. a). 416 Dies folgt durch Konkretisierungen jeweiliger Begriffe. Auf erster Auslegungsebene ergibt sich, dass Verteidigung die Abwehr eines militärischen Angriffs ist. Auf zweiter Auslegungsebene konkretisiert sich ein Angriff als das Hervorrufen eines Angriffserfolgs durch die Angriffshandlung beim Angriffsobjekt ist. Auf dritter Auslegungsebene bestimmt sich ein Angriffserfolg als eine Gefahr mit hinreichender Relevanz. Auf vierter Auslegungsebene folgt, dass sich eine hinreichende Relevanz anhand gesellschaftlicher Wertung bemisst. Da es sich hierbei stets nur um Konkretisierungen der Verteidigungslage – dem Tatbestand des Verteidigungsbegriffs – handelt, sind all dies Elemente ebenso Teil des Tatbestandes. 414

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Schutz durch Strafrechtsnormen und durch zivilrechtliche Ansprüche nicht ausreichend erscheinen.417 Die gesellschaftliche Bedeutung der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte kann sich durch Notwendigkeit und Unmittelbarkeit eines Kampfeinsatzes drastisch verändern.418 Eine Erklärung des Kriegszustandes durch Feststellung des Verteidigungsfalls nach Art. 115a GG ändert nicht die normative Reichweite des Verteidigungsbegriffs in Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG. Der Begriff der Verteidigungslage erfasst dabei die Besonderheiten, sowohl des Friedenszustandes als auch des Kriegszustandes durch festgestellten Verteidigungsfall. Um diese Besonderheiten aufzugreifen, ist, durch geringe Anforderungen an eine Gefahrenschwelle für einen Angriff und somit eine Verteidigungslage, der Verteidigungsbegriff weit und offen zu verstehen.419 d) Einordnung im wehrrechtlichen Gesamtkontext Im Gesamtkontext der wehrrechtlichen Verfassung stellt die beschriebene erste, „hinreichende“ Relevanzschwelle im Angriffserfolg nur eine von letztlich vier verschiedenen Relevanzschwellen dar. Die weiteren in der Wehrverfassung implementierten Relevanzschwellen beziehen sich ebenso auf die gesellschaftliche Intensität und gesamtstaatliche Auswirkung der jeweiligen Gefahr. Dadurch lassen sich die wehrrechtlichen Relevanzschwellen in einer einheitlichen Intensitätsskalierung darstellen, auch wenn die jeweiligen Relevanzschwellen sich auf verschiedene Konstellationen und Einsatzbefugnisse beziehen.420 Herausgestellt werden soll hier der Zusammenhang der verschiedenen Relevanzschwellen. Da sich die Relevanzschwellen gegenseitig überlagern, ist bei Überschreiten einer intensiveren Relevanzschwelle jedenfalls auch automatisch eine geringer intensive Relevanzschwelle erfüllt. Dies bedeutet natürlich nicht, dass hieraus auch eine entsprechende Einsatzbefugnis folgt. Denn neben der jeweils notwendig zu erreichenden Relevanzschwelle müssen für eine wehrverfassungsrechtliche Einsatzbefugnis noch zusätzliche Voraussetzungen vorliegen. 417 Exemplarisch sei hier auf die Zerstörung oder Sabotage von Einsatzmaterial, bspw. einem Kampfpanzer, abgestellt. In Friedenszeiten scheinen die Streitkräfte vor Sabotage eines einzelnen Kampfpanzers durch strafrechtliche Sanktionen und zivilrechtlichen Ausgleich ausreichend geschützt. In einem Kriegszustand wächst jedoch die Bedeutung von solchem Material, sodass zum Schutze der Funktionsfähigkeit von einzelnen Einsatzmaterialien auch Einsatzqualität besitzende Verteidigungshandlungen angemessen erscheinen können. 418 Zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 11; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 10; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 7. 419 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 4; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 50. 420 Zum Gesamtüberblick: Teil 5.

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Herausgehoben werden soll die Konnexität zwischen erster, „hinreichender“ Relevanzschwelle, dritter, „qualifizierter“ Relevanzschwelle und vierter, „besonders qualifizierter“ Relevanzschwelle. Denn erste und dritte Relevanzschwelle folgen beide aus dem Begriff der Verteidigung, auch wenn sich die erste, „hinreichende“ Relevanzschwelle auf die Konstellation eines militärischen Angegriffenen und die dritte, „qualifizierte“ Relevanzschwelle auf einen militärischen Angreifer bezieht. An eine erste, „hinreichende“ Relevanzschwelle sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Einer zu extensiven Anwendung des Verteidigungsbegriffs steht eingrenzendes Potential durch eine Verteidigungshandlung oder durch die weiteren wehrverfassungsrechtlichen Relevanzschwellen, insbesondere die dritte, „qualifizierte“ Relevanzschwelle, entgegen. Da sich erste, „hinreichende“ und dritte, „qualifizierte“ Relevanzschwelle innerhalb einer Skala befinden, erfasst die dritte, den militärischen Bezug auslösende, „qualifizierte“ Relevanzschwelle die erste, „hinreichende“ Relevanzschwelle. Eine Überschreitung der ersten, „hinreichenden“ Relevanzschwelle ist an sich unmittelbar nicht für den militärischen Angreifer von Bedeutung, da hierfür sowieso die höhere dritte, „qualifizierte“ Relevanzschwelle überschritten werden muss. Ausschlaggebende Bedeutung hat dadurch das Überschreiten der ersten, „hinreichenden“ Relevanzschwelle primär bei einem Angriff auf einen militärischen Angegriffenen. Für einen militärischen Angegriffenen ist die erste, hinreichende“ Relevanzschwelle direktes Abgrenzungskriterium und kann sich unmittelbar auswirken. Abgrenzungspotential besteht neben der dritten, „qualifizierten“ Relevanzschwelle auch durch die zweite, „notstandsnotwendige“ Relevanzschwelle des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG und die vierte, den Verteidigungsfall auslösende, „besonders qualifizierte“ Relevanzschwelle innerhalb des Waffengewaltbegriffs des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG. Deren höhere Anforderungen an eine Relevanz müssen erfüllt sein, um jeweils einen Streitkräfteeinsatz nach der entsprechenden Befugnis zu ermöglichen. 5. Zwischenergebnis: Gefahrenbegriffsorientierung des Angriffserfolgs Zusammengefasst ergibt sich dadurch: • Der Angriffserfolg ist als Gefahr zu verstehen. Dies folgt insbesondere aus seinem Wesen als gefahrenabwehrrechtlichen Norm. • Gefahr ist die hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit eines hinreichenden Schadens. Es besteht dadurch eine Gefahrenschwelle. Diese gliedert sich auf in eine notwendige Schwelle für die Eintrittswahrscheinlichkeit und eine notwendige Schwelle für den potentiellen Schaden. Hierbei besteht ein Je-desto-Verhältnis, sodass ein „Weniger“ bei einem Gefahrenmerkmal durch ein „Mehr“ bei dem anderen Gefahrenmerkmal ausgeglichen werden kann. • Ob die Gefahrenschwelle überschritten wird, ist rein zukunftsbezogen zu bewerten. Ein eingetretener Schaden begründet direkt keine Überschreitung der

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Gefahrenschwelle und somit Verteidigungsbefugnis. Ein eingetretener Schaden ist jedoch ein starker Indikator, dass ein gleicher bzw. ähnlicher Schaden zukünftig eintreten wird. • An eine Überschreitung der ersten, „hinreichenden“ Relevanzschwelle zur Annahme eines Angriffserfolgs sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es handelt sich um eine De-minimis-Schwelle. Diese erste, „hinreichende“ Relevanzschwelle ist überschritten, wenn eine physische bzw. äquivalent spürbare Auswirkung vorliegt. Als Reaktion auf solch eine Verteidigungslage kann es jedoch aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten notwendig sein, keine Verteidigungshandlung mit Einsatzqualität vorzunehmen, sondern strafrechtlichen Schutz oder zivilrechtlichen Schutz und Ausgleich in Anspruch zu nehmen.

III. Angriffshandlung 1. Kerngehalt: Hervorrufen eines Angriffserfolgs Das erläuterte Angriffsobjekt muss durch die Angriffshandlung betroffen sein. Dies ist gegeben, wenn eine Angriffshandlung gerichtet auf ein Angriffsobjekt vorliegt. Dadurch realisiert sich der Begriff der Angriffshandlung in der handlungsbezogenen Verknüpfung von Angriffserfolg und Angriffsobjekt. Eine Angriffshandlung liegt somit vor, wenn durch die Handlung der Angriffserfolg beim Angriffsobjekt hervorgerufen wird. 2. Umfang der notwendigen Handlung a) Notwendigkeit einer menschlichen Handlung Die handlungsbezogene Verknüpfung von Angriffserfolg auf das Angriffsobjekt macht eine Angriffshandlung notwendig. Eine Handlung schafft hierbei ein Mindestmaß an Rückführbarkeit auf einen Angreifer. Dies ist einerseits notwendig, um hinsichtlich eines militärischen Bezugs eines Angriffs auf einen entsprechend militärischen Personenstatus abstellen zu können.421 Denn dieser impliziert die Notwendigkeit einer menschlichen Person beim Angreifer.422 Dessen Status („militärisch“/„zivil“) ist entscheidend für einen militärischen Bezug des Angriffs.423 421 Ebenso menschliches Handeln voraussetzend: bspw. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 52; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 13. 422 In Abgrenzung hierzu stellt eine nichtmenschliche Verursachung ein Szenario für Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG dar: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 263; vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 4. b) bb).

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Gleichermaßen besteht eine Notwendigkeit einer Handlung auch hinsichtlich eines militärischen Bezugs bei einem militärischen Angegriffenen. Der Verteidigungsbegriff setzt auch hierbei in Bezug auf den Angegriffenen einen menschlichen Bezug, somit eine Handlung, voraus.424 Die Natur ist kein tauglicher „Angreifer“, auch nicht hinsichtlich der Streitkräfte. Eine Auslegung des Verteidigungsbegriffs hinsichtlich einer Einschlägigkeit bei Bedrohung der Streitkräfte durch Naturvorgänge ist nicht möglich. Denn durch das eingangs erläuterte Prinzip der gegenseitigen Abgrenzungen der verschiedenen Befugnisnormen würde eine Anwendung der Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG unterlaufen und deren Wertung widersprochen werden.425 Ein Szenario des Art. 35 Abs. 2 S. 2 1. Alt., Abs. 3 S. 1 1. Alt. GG bedeutet eine schwerwiegende Naturkatastrophe.426 Diese zeichnet sich durch dessen räumliche und/oder qualitative Weitläufigkeit aus.427 Die Streitkräfte sind auf Grund ihres Schutzauftrags deutschlandweit, auch im ländlichen Bereich, örtlich vertreten.428 In einem Szenario des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG wird quasi zwangsläufig auch irgendeine Einrichtung der Streitkräfte betroffen. Ein Naturereignis, das sich derart gravierend in einem oder mehreren Bundesländern auswirkt, betrifft nahezu zwangsläufig auch Einrichtungen der Streitkräfte innerhalb dieses oder mehrerer Bundesländer. Dabei stellen Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG hinsichtlich der Zuständigkeit der Einsatzentscheidung eine eigenständige Wertung auf.429 Betrifft die Naturkatastrophe ein Bundesland, kann die entsprechend zuständige Landesregierung einen Streitkräfteeinsatz anfragen.430 Ob ein Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG vorgenommen wird, liegt dadurch zumindest teilweise im Ermessen der Landesregierung.431 Betrifft die Naturkatastrophe mehrere Bundesländer, liegt eine Entscheidung über die Vornahme des Streitkräfteeinsatzes nach Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG zumindest teilweise bei

423

Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13; Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 4. a) cc). Dies ebenso unterschwellig voraussetzend: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 136 ff. 425 Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 4. b) bb). 426 Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG: „Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe …“; Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG: „Gefährdet die Naturkatastrophe …“. 427 Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 262, mit Verweis auf: Sattler, Gefahrenabwehr im Katastrophenfall, S. 26. 428 Vgl. Stationierungskonzept 2018; hierzu Übersichtskarte abrufbar unter: https://www. faz.net/aktuell/politik/inland/standortschliessungen-kritik-an-den-plaenen-de-maizieres-11784 014/infografik-karte-neues-11784494.html. 429 Bspw.: Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 39, 41; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 199, 255; Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 151, 164. 430 Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 199. 431 Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 151. 424

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der Bundesregierung.432 Dem stünde eine Auslegung des Verteidigungsbegriffs bei Einschlägigkeit bei Naturereignissen entgegen. Über die Vornahme einer Verteidigungshandlung entscheidet als IBuK der/die zuständige BMVg433 bzw. bei zu erwartenden „bewaffneten Unternehmungen“ die Legislative.434 Im Falle einer Naturkatastrophe käme es quasi stets zur Einschlägigkeit des Verteidigungsbegriffs, da quasi immer Einrichtungen der Streitkräfte betroffen wären. Somit läge auch quasi stets die Kommandogewalt bei dem/der zuständigen BMVg. Die Wertung der Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG, wer über eine Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes entscheidet, würde dadurch stets unterlaufen werden, sofern Naturkatastrophen eine Einschlägigkeit des Verteidigungsbegriffs hervorrufen könnten. Besonders ausdifferenzierte Auslegungsergebnisse, wie eine teleologische Reduktion der Ermessensstruktur, sind nicht mit dem Gebot der strikten Texttreue im wehrverfassungsrechtlichen Bereich vereinbar.435 Es muss daher im Verteidigungsbegriff ein Merkmal zur Abgrenzung notwendigerweise vorliegen. Dieses ist in einer notwendigen menschlichen Handlung als Angriffshandlung zu sehen. Nur dadurch lässt sich ausschließen, dass durch Auslegung des Verteidigungsbegriffs die Wertungen der Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG unterwandert werden.436 b) Vermeintliche Grenzfälle Problematisch können hierbei Fälle erscheinen, in denen menschliches Verhalten schädigende Naturereignisse auslösen soll.437 Bspw. könnte eine Überschwemmung, welche dadurch hervorgerufen werden soll, dass Personen einen Staudamm sprengen, objektiv einem menschlichen Verhalten – der geplanten Hervorrufung der Sprengung des Staudamms – zurechenbar erscheinen. Demgegenüber könnte ein vermehrter Ausstoß von klimaschädlichen Stoffen, welche den Klimawandel und dadurch intensivere und häufigere Naturkatastrophen verursachen sollen, nicht mehr als genügend unmittelbar objektiv zurechnungsfähig erscheinen. Man könnte das Kriterium des Ausgangspunktes als zu unkonkret ansehen. Zur Lösung dessen könnte man fordern, dass das menschliche Verhalten hinreichend 432

Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 164. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 3. c) aa); Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 122; Wiefelspütz, Die Abwehr terroristischer Anschläge und das Grundgesetz, S. 17; ders., Der kriegerische terroristische Luftzwischenfall und die Landesverteidigung, RuP 2006, 71 (74); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 91. 434 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 3.; BVerfGE 90, 286 (388). 435 Vgl. BVerfGE 90, 286 (357); Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 71. 436 Eine Überschneidung der Befugnis zur Verteidigung aus Art. 87a GG und der Befugnis bezüglich „besonders schwerer Unglücksfälle“ i. S. d. Art. 35 Abs. 2 S. 2 Alt. 2, Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GG besteht nicht, da die Befugnis zur Verteidigung eine militärische Dimension voraussetzt, welche im Rahmen des Art. 35 GG gerade nicht vorliegen darf. 437 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 262. 433

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unmittelbar das schädigende Naturereignis hervorrufen müsste, sodass dieses nicht mehr als mit einem natürlichen, sondern mit einem menschlichen Ursprung anzusehen wäre. Dies würde bedeuten, dass es notwendig wäre eine verfassungsrechtliche Form eines objektiven Verursachungsmaßstabes zur Klärung, wann eine hinreichende Unmittelbarkeit vorläge, herauszustellen. Jedoch erscheint solch ein Verursachungsmaßstab, wie er im Strafrecht besteht, aus verfassungsrechtlicher Sicht für die Bestimmung der Verteidigungslage nicht notwendig. Denn solch ein Zurechnungsmaßstab würde einzig versuchen den Schaden eines Naturereignisses einer menschlichen Handlung zuzurechnen, damit das Naturereignis als solches als Angriffshandlung zu werten sei. Dies erscheint überflüssig, da mit der, das Naturereignis verursachenden, menschlichen Handlung bereits ein qualifizierter Handelnder und eine qualifizierte Angriffshandlung vorliegen. Denn der Verteidigungsbegriff als gefahrenabwehrrechtliche Norm löst gerade durch das Merkmal der Wahrscheinlichkeit solche mittelbaren Verursachungen. Sofern die menschliche Handlung hinreichend wahrscheinlich ein Naturereignis auslöst, welches hinreichend wahrscheinlich ein entsprechend großes Schadensausmaß verursacht, ist es irrelevant, ob die menschliche Handlung unmittelbar das Schadensausmaß verursacht oder mittelbar über ein zwischengeschaltetes Naturereignis. Notwendig ist nur, dass eine menschliche Handlung vorliegt und dadurch hinreichend wahrscheinlich ein Schaden verursacht wird. Bezogen auf die Beispiele bedeutet dies, dass allein das Merkmal der Wahrscheinlichkeit des Schadens in der aufgeworfenen Problematik Relevanz entfaltet. Während die geplante Sprengung eines Damms mit verbundener Überschwemmung recht eindeutig und wahrscheinlich einen Schaden verursacht, stellt sich beim Ausstoßen klimaschädlicher Stoffe die Wahrscheinlichkeit durch den Ausstoß gerade dieser klimaschädlichen Stoffe mittelbar Schäden zu erleiden durch eine Vielzahl an zwischengelagerten Faktoren als nicht entsprechend hinreichend hoch dar.438 c) Keine Notwendigkeit eines subjektiven Merkmals In negativer Abgrenzung lässt sich feststellen, dass keine Notwendigkeit eines subjektiven Merkmals besteht.439 Der Verteidigungsbegriff bestimmt sich objektiv. Entsprechend bestimmt sich auch der Angriffsbegriff und somit die Angriffshandlung objektiv. Für eine Angriffshandlung ist es irrelevant, ob der Handelnde vorsätzlich oder fahrlässig handelte. 438 Dass durch den Ausstoß klimaschädlicher Stoffe Umweltveränderungen eintreten, welche Schäden hervorrufen, ist nicht zu bestreiten. Problematisch ist es, nur in der einzelnen Handlung, wodurch klimaschädliche Stoffe ausgestoßen werden, eine entsprechend hohe Wahrscheinlichkeit der Verursachung des Schädigenden zu sehen. 439 So jedoch wohl Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See, S. 147, nach der Angriffe gegen den deutschen Staat nur solche seien, welche auf Grund einer politischen Motivation begangen worden seien.

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Denn ob die Gefahr vorsätzlich oder fahrlässig begründet wird, ist für das Vorliegen einer Gefahr ohne Bedeutung.440 Entsprechend muss eine Bewältigung der Gefahr von solchen Umständen unabhängig sein.441 Zudem ist ein subjektives Merkmal im zwischenstaatlichen Bereich nicht anwendbar. Wenn auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit eines angreifenden Staates abgestellt werden würde, verkennt dies, dass der Staat zwar durch einzelne Personen handelt, jedoch selbst ein eigenständiges verobjektiviertes Gebilde ist.442 Ein versehentlicher Beschuss stellt hierdurch grundsätzlich keinen Angriff dar.443 Dies folgt jedoch nicht aus einem – meist nicht weiter konkretisierten – angeblichen subjektiven Merkmal, wie einem Vorsatz.444 Vielmehr folgt dies daraus, dass bei einer versehentlichen Schädigung eindeutig die Vermutung widerlegt werden kann, dass weitere Schäden bevorstehen. Mangels einer Wahrscheinlichkeit von zukünftig eintretenden Schäden besteht keine Gefahr. Es mangelt bei versehentlichen Schädigungen an einer zukünftigen Schadenshervorrufung, dadurch an einer Gefahr und somit an einem Angriffserfolg. Maßnahmen, die eine (quantitative) Gefahrenintensität der bereits eingetreten Schädigung eindämmen, bleiben dagegen zulässig.445 Ist indes damit zu rechnen, dass von einem Staat nicht nur einmalig, sondern öfters – mehr oder minder – versehentlich Schädigungen herbeigeführt werden, kann durch Bestehen einer weiteren Eintrittswahrscheinlichkeit eine Gefahr und somit ein Angriffserfolg bestehen.446 d) Keine Notwendigkeit eines hinreichend qualitativen Grads an Rückführbarkeit zu einem bestimmten Angreifer Wie im Rahmen des Angriffserfolgs ausgeführt, sorgt die Bestimmung des Angriffserfolgs als Gefahr dazu, dass die Problematik mittelbarer Verursachungen

440

Vgl. Teil 3 Kapitel 1 C. II. 1. Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 92 ff., 95. 442 Hinzu kommt, dass aus praktischer Sicht die Klärung einer Vorsatz- bzw. Fahrlässigkeitsfrage die Handlungsfähigkeit zu stark einschränken würde. 443 Ebenso: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 48; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 13. 444 Hierbei a. A. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 48; ebenso: Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 13, der ohne Begründung auf eine „Vorsätzlichkeit“ abstellt. 445 Bspw. Rettungsmissionen mit Einsatzqualität bezüglich deutscher Staatsangehöriger als geschädigte Opfer eines versehentlich abgeschossenen Flugzeuges. 446 Bspw.: Schießt ein Staat mehrfach Flugzeuge aus seinem Luftraum ab, wobei jedoch jeder Zwischenfall nur ein fatales Versehen gewesen sein soll, kann ein Angriff vorliegen, wenn davon auszugehen ist, dass solch eine Schädigung wahrscheinlich wieder „versehentlich“ eintreten wird. 441

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durch das Merkmal der Eintrittswahrscheinlichkeit gelöst wird.447 Den ausschlaggebend ist, dass eine Gefahr besteht. Nicht jedoch durch wen diese begründet wird. Es ist daher keine unmittelbare oder kein hinreichend bestimmter Grad an mittelbarer Verursachung und Rückführbarkeit, wie eine Kausalitätsqualifikation, nötig. Anders als im gefahrenabwehrbezogenen Polizeirecht besteht im wehrverfassungsrechtlichen Bereich kein qualitatives Kriterium der Verursachung, wie bspw. eine Störereigenschaft durch Verhalten oder Sachherrschaft.448 Einzig ein minimaler Grad an Rückführbarkeit in Rahmen einer Kausalitätsprognose muss derart vorliegen, dass gesichert davon ausgegangen werden kann, dass menschliches Verhalten und kein Naturereignis die Gefahr darstellt.449 In diesem Fall ist gewährleistet, dass ein menschlicher Angreifer vorliegt. Hierdurch sind die notwendigen Voraussetzungen zur Annahme einer Angriffshandlung gegeben. Die konkrete Identität eines Angreifers ist nicht notwendig, somit auch eine Rückführbarkeit obsolet, da der Begriff der Verteidigung grundsätzlich Verteidigungshandlungen gegen jeden Angreifer zulässt. Es muss lediglich gewährleistet sein, dass ein Angreifer vorliegt, nicht jedoch ein bestimmter. Die konkrete Identität eines Angreifers hat im Rahmen der Verteidigungslage aus rechtlicher Sicht keinerlei Abgrenzungspotential. Eine eingeschränkte Rückführbarkeit wirkt sich nicht auf die Frage aus, ob eine Verteidigungslage gegeben ist und somit ob eine Einsatzbefugnis besteht. Auswirkungen können jedoch bei der Frage der generellen Vornahme und der Ausführung der, auf der Befugnis basierenden, Verteidigungshandlung folgen.450 Denn grundsätzlich soll sich die Verteidigungshandlung gegen den verursachenden Angreifer richten. Hierbei kann sich eine fehlende Rückführbarkeit entscheidend auswirken. Lässt sich ein Angriff gegebenenfalls durch viele mittelbare Zwischenschritte nicht eindeutig auf eine handelnde Person zurückführen, kann sich eine Verteidigungshandlung nicht an den primären Handlungsadressaten richten. Eine Inanspruchnahme bzw. Verteidigungshandlungen gegen Dritte, so gesehen als Art „NichtStörer“, bleiben hierbei prinzipiell möglich. Bei dieser Adressierung von Verteidigungshandlungen – bspw. bei fehlender Rückführbarkeit und Kenntnis des primären Verursachers oder fehlender Gefahrenbeseitigung bei Adressierung des primären Verursachenden – bestehen jedoch besondere Einschränkungen, insbesondere durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, im Umfang der möglichen Verteidigungshandlungen.451 Notwendig bleibt einzig, dass irgendeine Art an Rückführbarkeit auf die Handlung vorliegt, sodass sicher ist, dass eine menschliche Angriffshandlung besteht. Eine konkrete Bestimmung der angreifenden Person ist nicht notwendig, da unab447

Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1. b) dd). Vertiefend zum polizeirechtlichen Störerbegriff: Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 17 BPolG, Rn. 22 ff. 449 Teil 3 Kapitel 2 A. III. 2. a); Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. b) bb). 450 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 111. 451 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. IV. 1. a). 448

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hängig von der konkreten Identität Maßnahmen gegen diese Person(en) zulässig wären. Je mittelbarer die Auswirkungen auf den letztlichen Schadenseintritt jedoch sind, desto geringer wird meist die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit. 3. (Verfassungs-)Rechtswidrigkeit der Angriffshandlung a) Notwendigkeit einer Rechtswidrigkeitsanforderung Neben der notwendigen Rückführbarkeit auf eine menschliche Handlung muss die Angriffshandlung (verfassungs-)rechtswidrig sein. Eine (Verfassungs-)Rechtswidrigkeit liegt vor, wenn der Angreifende selbst kein Recht innehat, welches nach deutschem Verfassungsverständnis die Schädigungshandlung, welche die Angriffshandlung ist, begründen würde. Eine Befugnis für schädigungsbegründendes Verhalten für den deutschen Staat ist die Verteidigungsbefugnis aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG. Eine Angriffshandlung liegt nicht vor, wenn der Angreifende selbst eine Verteidigungshandlung i. S. d. Art. 87a GG vornimmt. Für eine solche Rechtwidrigkeitsanforderung an eine Angriffshandlung spricht bereits die strukturelle Parallele zu § 32 StGB.452 Die strukturelle Untergliederung des Angriffsbegriffs in Angriffsobjekt, -erfolg und -handlung wirkt sich auch innerhalb der Angriffshandlung aus. Ebenso wie im Rahmen des § 32 StGB muss die fremde Angriffshandlung nicht gerechtfertigt, somit rechtswidrig, sein. Hinzu kommt die Wertung staatlicher Selbstverteidigung. Der Aufstellung deutscher Streitkräfte lag unter anderem der Wille staatlicher Selbstverteidigung zu Grunde. Der deutsche Staat ermächtigt sich seiner Wehrhoheit und dem grundlegenden Staatsrecht der Selbstverteidigung. Das grundlegende Recht zur Selbstverteidigung ist dabei kein exklusives Recht des deutschen Staates, sondern auch eines jeden anderen Staates. Exemplarisch sei hierzu die Präambel des Grundgesetzes angeführt, nach der sich die Bundesrepublik als „gleichberechtigtes Glied“ sieht. Aus dieser Gleichberechtigung lässt sich schließen, dass Rechte, die dem deutschen Staat zukommen, wie etwa das Recht zur Selbstverteidigung i. S. d. Art. 87a GG, auch anderen Staaten zustehen. Die Möglichkeit, dass ein fremder Staat selber im Rahmen einer Selbstverteidigung vergleichbar zu Art. 87a GG handelt, war bei der Schaffung des Art. 87a GG präsent. Um die Möglichkeit solcher Umstände aufzugreifen, ist es notwendig, dass eine Angriffshandlung selbst rechtswidrig ist, somit etwa nicht fremdstaatliche Selbstverteidigung ist. Ebenso ist zu beachten, dass die Verfassung zwischen Angriffshandlungen und Verteidigungshandlungen des deutschen Staates trennt. 452 Hierdurch besteht auch ein praktischer Gleichlauf zum Verteidigungsbegriff des § 32 Abs. 2 StGB, der einen „rechtswidrigen Angriff“ voraussetzt, der bei Vorliegen eines Rechtsfertigungsgrundes des Angreifenden nicht mehr vorliegt, vgl. exemplarisch: Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 32 StGB, Rn. 61; Momsen/Savic, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), BeckOK StGB, § 32 StGB, Rn. 22.

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Zwar ließe sich gegen die Notwendigkeit einer solchen (Verfassungs-)Rechtswidrigkeit anführen, dass es sich bei dem Begriff der Verteidigung um eine Norm zur Gefahrenprävention handelt. Entsprechend sei der Unrechtsgedanke des repressiven Strafrechts nicht direkt übertragbar. Denn bei der Befugnis „zur Verteidigung“ sollen nicht, vor allem, fremde Staaten „bestraft“ werden, sondern zukünftige Gefahren für den Bestand des deutschen Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgewehrt werden.453 Für eine Gefährdung des Staatsbestandes und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist insofern irrelevant, unter welchen Umständen diese gefährdet ist. Eine abzuwehrende Gefährdung liege vor, auch wenn diese etwa durch ein völkerrechts- oder verfassungswidriges Verhalten des deutschen Staates, worauf ein Drittstaat mit einer Verteidigungshandlung nach Art. 87a GG vergleichbaren eigenen Verteidigungshandlung reagiert, bedingt wird. Ebenso ist der deutsche Staat zum Eigenschutz nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Eine staatliche Selbstaufgabe im Sinne einer Selbstabschaffung sei verfassungsmäßig nicht zulässig. Hierdurch dürfe der deutsche Staat auch nicht in eine Bestandsgefährdung einwilligen, sondern muss bei Vorliegen einer Bestandsgefährdung hiergegen vorgehen. Dadurch bestünden keine möglichen Gründe, wodurch eine Rechtmäßigkeit eines fremden Angriffs bedingt werden würde. Dieses Argument überzeugt jedoch nicht. Zunächst soll das Notwehrrecht des Strafrechts gerade nur zur Repression, sondern durch Straffreistellung der Prävention dienen. Sollte sich der deutsche Staat einer Verteidigungshandlung eines fremden Staates ausgesetzt sehen, sind hierbei zwei Szenarien denkbar. Entweder der deutsche Staat selbst greift den fremden Staat an. In diesem Fall wäre es erforderlich, die, insbesondere durch Art. 26 GG verbotene, verfassungswidrige Angriffshandlung einzustellen. Dann würde sich der fremde Staat keiner Angriffshandlung mehr ausgesetzt sehen, sodass auch von diesem keine Verteidigungshandlung vorgenommen werden dürfte.454 Der deutsche Staat könnte durch mildere Maßnahmen als eine Verteidigungshandlung die Gefährdung beseitigen. Sollte jedoch der fremde Staat sich eines Angriffs durch einen dritten, nichtdeutschen Staat ausgesetzt sehen und zur Abwehr dessen eine Verteidigungshandlung vornehmen, die von Art. 87a GG geschützte Rechtsgüter betrifft, so müssten zunächst diese Verteidigungshandlungen wiederum verhältnismäßig sein, um selbst nicht als Angriffshandlung klassifiziert werden zu können, und zudem könnten weiterhin Verteidigungshandlungen gegen den Angreifer des fremden Staates vorgenommen werden, um die Angriffshandlungen gegen den dritten, nichtdeutschen Staat zu unterbinden.455 453

Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 86. Sollte trotzdem der fremde Staat eine schädigende Handlung vornehmen, auch wenn deutlich wird, dass durch den deutschen Staat keine weiteren zukünftigen Angriffshandlungen ausgehen, wären diese selbst wiederum rechtswidrig Angriffshandlungen und könnten gegebenenfalls durch Verteidigungshandlungen des deutschen Staates abgewehrt werden. 455 Hieraus folgt kein Schutz von Drittstaaten, auch wenn letztlich in dieser Konstellation ein Vorteil für einen angegriffenen Drittstaat folgt. Geschützt werden einzig die von 454

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Entsprechend folgt die Notwendigkeit einer Rechtwidrigkeitsanforderung an eine Angriffshandlung. b) (Verfassungs-)Rechtfertigungsgründe Als verfassungsmäßige Rechtfertigungsgründe für militärische Angriffshandlungen fremder Staaten kommen solche Gründe in Betracht, die den deutschen Staat selbst befugen sein Militär einzusetzen. Dies sind im Wesentlichen zwei Gründe: eine Einwilligung des deutschen Staates in die militärische Angriffshandlung des fremden Staates und Verteidigungshandlungen des fremden Staates. aa) Einwilligung durch den deutschen Staat Zwischenstaatliches, militärisches Handeln kann trotz grundsätzlich typischen Angriffscharakters ausnahmsweise keine taugliche Angriffshandlung darstellen, sofern der deutsche Staat in die Vornahme der militärischen Handlung des fremden Staates eingewilligt hat. Denn der grundsätzliche Angriffscharakter solcher Handlungen folgt daraus, dass hierdurch das Schutzgut des Bestandes des deutschen Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung betroffen ist. Der Bestandsschutz des deutschen Staates ist Ausfluss der territorialen Souveränität der Bundesrepublik. Diese territoriale Souveränität ist jedoch – in Grenzen456 – disponibel.457 Der deutsche Staat kann teilweise auf seine territoriale Souveränität verArt. 87a GG erfassten Rechtsgüter. Sind diese nicht mehr gefährdet, endet eine Verteidigungslage, unabhängig davon, ob der angegriffene Drittstaat weiterhin angegriffen ist oder nicht. 456 Eine Überschreitung der Grenzen der Disponibilität der territorialen Souveränität ist jedenfalls die Selbstaufgabe im Sinne einer Selbstabschaffung des deutschen Staates. Verzichtet dieser komplett bzw. derart umfassend auf seine territoriale Souveränität, dass dies einem umfassenden Entfall der deutschen Staatsgewalt gleichkäme, wäre die Grenze der Disponibilität erreicht. Denn mangels Staatsgewalt würde ein Kernelement der die Staatlichkeit ausmachenden Voraussetzungen fehlen und kein deutscher Staat mehr existieren. Ein solches Szenario begründet eine Gefahr für den Bestand des Staates. So kann der deutsche Staat etwa unproblematisch vereinzelte Streitkräftebasen fremder Streitkräfte auf deutschem Territorium zulassen und auf die Ausübung seiner Hoheitsrechte über diesen territorialen Bereich verzichten. Hierzu sei etwa auf Streitkräftebasen von NATO-Bündnispartnern verwiesen. Würden jedoch in jedem noch so entlegenen Dorf in Deutschland fremdstaatliche Streitkräfte stationiert, würde hierbei wohl eine derart gravierende Einschränkung der Staatsgewalt vorliegen, dass das Merkmal der Staatsgewalt entfiele. Dieses durch weitreichenden Verzicht des deutschen Staates indizierte Szenario wäre eine beschriebene Selbstaufgabe des Staats. Dies stellt eine Grenze der Disponibilität dar, sodass hierdurch eine absolute Obergrenze – die aktuell praktisch nicht annähernd erreicht wird – hinsichtlich fremdstaatlicher Streitkräfte innerhalb deutschen Hoheitsgebietes besteht. 457 Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 25 GG, Rn. 52, der die Möglichkeit der staatlichen Zulassung beschreibt; vgl. die Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 GG: Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grund-

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zichten, indem er einwilligt. In solchen Fällen besteht mangels Betroffenheit der territorialen Souveränität keine Gefahr für den Bestand des deutschen Staates. Durch Verzicht wird zwar prinzipiell ein tauglicher Angriffserfolg hervorgerufen, jedoch keine taugliche Angriffshandlung vorgenommen.458 So überschreitet bspw. die Besetzung deutschen Hoheitsgebietes durch fremdstaatliche Streitkräfte die „hinreichende“ Relevanzschwelle und hat dadurch grundsätzlich Angriffscharakter.459 Jedoch kann ausnahmsweise durch Verzichtserklärung der Bundesrepublik eine Konstellation vorliegen, in der die Besetzung deutschen Hoheitsgebietes durch fremdstaatliche Streitkräfte keine taugliche Angriffshandlung und somit keine tatbestandliche Verteidigungslage begründet. Solch ein Verzicht ist etwa eine völkerrechtliche Einwilligung des deutschen Staates hinsichtlich der Besetzung460 oder die Ratifizierung des NATO-Truppenstatuts (NTS).461 Verlegt bspw. der US-amerikanische Staat Truppen auf deutsches Hoheitsgebiet, stellt dies ausnahmsweise auf Grund Art. 2 NTS keine Angriffshandlung dar.462

gesetz, Art. 24 GG, Rn. 9 ff.; völkerrechtlich: Epping, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, § 7, Rn. 138 ff. 458 Im Kontext des Art. 115a GG ebenso: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 53; vgl. Dörr, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, § 30, Rn. 35: völkerrechtlich ist zu beachten, dass „Demjenigen, der einwilligt, […] kein Unrecht [geschieht]“. 459 Exemplarisch: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 14. Da es für den Verteidigungsbegriff nicht auf ein subjektives Merkmal des Angriffs ankommt, sondern sich eine Angriffshandlung objektiv bestimmt, lässt sich diesbezüglich nicht anführen, dass bspw. Truppenstationierungen von NATO-Bündnispartnern keine Aggression seien, weil diese keinen Schädigungswillen gegenüber dem deutschen Staat und dessen Bürgern hätten. 460 Dörr, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, § 30, Rn. 35; Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht: Bd. I/3: Die Formen des völkerrechtlichen Handelns; Die inhaltliche Ordnung der internationalen Gemeinschaft § 174, I.2. 461 Amtlicher Text abrufbar unter (in englischer Sprache): https://www.nato.int/cps/en/nato hq/official_texts_17265.htm; zur Geltung innerhalb Deutschlands: Gesetz zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzabkommen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen (Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen), BGBl. 1961 II, S. 1183; zum Rechtsstatus der NATO-Truppen: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, NATO-Truppenstatut, Zusatzabkommen, Verwaltungsvereinbarungen, WD 3-3000-416/08. 462 Demgegenüber würde eine Streitkräfteverlegung von anderen fremdstaatlichen Truppen auf deutsches Hoheitsgebiet ohne Einwilligung oder NATO-Status recht eindeutig einen Angriffserfolg auslösen. Besetzt bspw. ein fremder Staat ohne deutsche staatliche Einwilligung Dörfer in Grenzgebieten, wäre dies als Angriffserfolg und Hervorrufen einer Verteidigungslage zu verstehen.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

bb) Fremde Verteidigungshandlung Einen weiteren verfassungsmäßigen Rechtfertigungsgrund bildet eine Verteidigungslage und hierauf bezogen eine Verteidigungshandlung eines fremden Staates. Wie beschrieben ist das grundlegende Recht zur Selbstverteidigung eines Staates kein exklusives Recht des deutschen Staates. Der fremde Staat muss sich hierzu in einer Verteidigungslage befinden, welche mit der des Begriffs der Verteidigung in Art. 87a GG vergleichbar ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der fremde Staat sich auf Basis des Art. 51 VN-Charta selbstverteidigt.463 Verteidigt sich ein fremder Staat gegen einen Angriff des deutschen Staates, ist dies keine taugliche Angriffshandlung, sondern eine Verteidigungshandlung. Anstelle auf die fremdstaatliche Verteidigungshandlung wiederum mit einer eigenen deutschen Verteidigungshandlung zu reagieren, ist es vielmehr geboten, die deutsche Angriffshandlung, welche überhaupt die fremdstaatliche Verteidigungshandlung begründet, insbesondere auf Grund von Art. 26 GG, einzustellen.464 Ebenso stellt eine Verteidigungshandlung eines fremden Staates, wodurch von Art. 87a GG geschützte Rechtsgüter gefährdet werden, gegen Angriffe eines Dritten keine Angriffshandlung gegenüber dem deutschen Staat oder den deutschen Streitkräften dar. Solche Verteidigungshandlungen müssen dabei verhältnismäßig sein, was praktisch die Tötung oder schwere Verletzung deutscher Staatsangehöriger ausschließt. Dagegen stellt jedoch die Angriffshandlung des dritten Staates gegenüber dem fremden Staat, welcher die Verteidigungshandlung vornimmt, auch eine Angriffshandlung gegenüber dem deutschen Staate und dessen Streitkräfte dar. Denn durch Vornahme der Verteidigungshandlung des primär angegriffenen Staates sind mittelbar auch der deutsche Staat oder dessen Streitkräfte betroffen. Der Angriff auf den fremden Staat ist dadurch mittelbar auch ein Angriff auf den deutschen Staat oder dessen Streitkräfte und damit taugliche Angriffshandlung, die gegebenenfalls durch eine Verteidigungshandlung abgewehrt werden kann. Dieses Prinzip der mittelbaren Verursachung ist auf sämtliche Konstellationen von mehr als zwei involvierten Staaten anwendbar.

463 Hieraus lässt sich ein strukturelles Verhältnis von Verteidigung nach Art. 87a GG zur Selbstverteidigung nach Art. 51 VN-Charta ableiten. Eine mit der Verteidigungslage des Art. 87a GG vergleichbare Lage bedeutet ebenso das Vorliegen einer Verteidigungslage nach Art. 51 VN-Charta. Wenn somit eine Verteidigungslage nach Art. 51 VN-Charta vorliegt, liegt jedenfalls auch eine mit der Verteidigungslage nach Art. 87a GG vergleichbare Lage vor. Umgekehrt kann jedoch eine Verteidigungslage nach Art. 87a GG über eine Verteidigungslage nach Art. 51 VN-Charta hinausgehen, da bspw. auch Eigenschutz der jeweiligen staatlichen Streitkräfte vermittelt wird, welcher von Art. 51 VN-Charta nicht in der weitreichenden Form erfasst wird. Die Verteidigungslage des Art. 51 VN-Charta ist dadurch teilidentisch mit der Verteidigungslage des Art. 87a GG. 464 Exemplarisch: Fink, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 14; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 21 f.

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4. Zwischenergebnis zur Angriffshandlung • Eine Angriffshandlung bedeutet das Hervorrufen des Angriffserfolgs beim Angriffsobjekt. Es verknüpft beide Begriffe durch ein Handlungskriterium. • Um die Wertung des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG nicht zu unterlaufen, setzt eine Angriffshandlung ein menschliches Verhalten voraus. Naturereignisse unterfallen einzig Art. 35 GG und können nicht unter den Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG fallen. • Eine Angriffshandlung setzt weder Vorsatz oder Fahrlässigkeit noch einen besonderen qualitativen Grad an Rückführbarkeit der Angriffshandlung voraus. Einzig ein Mindestmaß an Rückführbarkeit, die es ermöglicht von einer menschlichen Handlung auszugehen, muss gegeben sein. • Eine taugliche Angriffshandlung setzt voraus, dass diese nicht (verfassungs-) gerechtfertigt ist. Solche Rechtfertigungsgründe können bspw. eine Einwilligung, verdeutlicht durch zwischenstaatliche Verträge, oder das Recht zur Selbstverteidigung eines fremden Staates sein.

IV. Zwischenergebnis zum Angriffsbegriff Ein Angriff i. S. d. Verteidigungsbegriffs ist anzunehmen, wenn aus Ex-anteBetrachtung eine menschliche Handlung mit hinreichender Eintrittswahrscheinlichkeit einen hinreichenden zukünftigen Schadensumfang bei einem konkret von der Verfassungsordnung geschützten grundlegenden, elementaren Rechtsgut eines deutschen Staatsangehörigen oder des deutschen Staates hervorruft, welches mit dem abstrakten Schutzziel der Sicherung des Bestandes des Bundes, des Landes und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gleichläuft.

B. Die militärische Dimension Der Angriff muss eine militärische Dimension besitzen. Hierzu muss sich der Angriff entweder gegen einen militärischen Angegriffenen bzw. ein militärisches Angegriffenes richten oder durch einen militärischen Angreifer vorgenommen werden. Hierbei ist zu konkretisieren, wann eine solche militärische Dimension gegeben ist.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

I. Kerngehalt des militärischen Bezugs 1. Ausgangsüberlegung Unter der Voraussetzung, dass ein Angriff stets ein menschliches Verhalten voraussetzt, muss entweder eine militärische Person angreifen oder eine militärische Person, sprich die deutschen Streitkräfte, angegriffen werden.465 Zudem ist bei Untersuchung der historischen Materialien, die einen militärischen Bezug konstituieren, auffällig, dass kein direkter Unterschied zwischen dem Begriff „militärisch“ hinsichtlich des Angegriffenen und des Angreifers vorliegt.466 Entsprechend ist der Begriff „militärisch“ im Bezug zum Angegriffenen gleich zu verstehen wie zum Angreifer und umgekehrt. Merkmale, die einen „militärischen“ Angegriffenen ausmachen, sind entsprechend Voraussetzung für einen „militärischen“ Angreifer bzw. vice versa. 2. Militärischer Angegriffener bzw. Angegriffenes Nach der Grundkonzeption der Wehrverfassung bedeutet „militärischer“ Angegriffener bzw. Angegriffenes eine Betroffenheit der deutschen Streitkräfte.467 Dies umfasst alle Anlagen, Fahrzeuge, Ausrüstungsgegenstände und sonstigen Gegenstände im Besitz der Bundeswehr. Ebenso sind alle Rechtspositionen von Soldaten und Soldatinnen erfasst, sofern diese im Funktionalzusammenhang zur Ausübung der Soldaten- bzw. Soldatinnentätigkeit stehen.468 Zu den deutschen Streitkräften gehört dagegen nicht die Wehrverwaltung nach Art. 87b GG.469 3. Militärischer Angreifer Deutlich unklarer und unbestimmter ist die Bestimmung des militärischen Angreifers. Aus dem gleichlaufenden Verständnis eines militärischen Angegriffenen und eines militärischen Angreifers ergibt sich, dass, wenn mit deutschen Streitkräften vergleichbare fremdstaatliche Streitkräfte angreifen, es sich dann jedenfalls um einen militärischen Angreifer handelt.470 465

Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. V. Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13 f. 467 Zum Streitkräftebegriff: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 10; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 158 f.: Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 99 ff. 468 Hierzu vertiefend: Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 38 ff. 469 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87b GG, Rn. 4. 470 Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13: „Der Schutz gegen Angriffe der Angehörigen fremder Streitkräfte ist die Aufgabe der Bundeswehr.“ 466

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Da es sich bei dem Verteidigungsbegriff um einen „verfassungsrechtlichen Begriff“471 handelt, ist bei einer Auslegung und Bestimmung des militärischen Angreifers verfassungsrechtlichen Anhaltspunkten Vorrang einzuräumen vor möglichen völkerrechtlich ähnlichen Begriffsstrukturen und -verständnisweisen.472 a) Annäherung durch das Gegenstück des zivilen Personenstatus Lediglich zur Abgrenzung gegenüber dem militärischen Personenstatus besteht der zivile Personenstatus. Dieser ist Auffangbestand gegenüber dem Begriff „militärisch“.473 Grundsätzlich ist entsprechend jede Person „zivil“, ausgenommen diese ist „militärisch“. Ein Erkenntnisgewinn hinsichtlich des militärischen Personenstatus folgt daraus nicht.474 b) Verfassungsrechtlicher Rückschluss aus Art. 65a GG Der militärische Angegriffene, die deutschen Streitkräfte, müssen nach Art. 65a GG eine entsprechende Organisationsstruktur aufweisen.475 Aus der Pflicht zur Aufstellung von Streitkräften und dem dortigen Verständnis der Streitkräfte nach Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG sowie der Konkretisierung in Art. 65a GG ist eine hierarchische Organisationsstruktur innerhalb der Streitkräfte beruhend auf Befehl und Kommando einzurichten.476 Die hierin angesprochene Kommando- und Befehlsgewalt institutionalisiert innerhalb der deutschen Streitkräfte eine notwendige Organisation.477 Durch diese organisatorische Struktur muss sichergestellt sein, dass zur Wahrung einer politischen Rückführbarkeit von militärischen Entscheidungen ein entsprechender Befehl bzw. ein Kommando strikt umgesetzt wird.478

471

BVerfGE 121, 135 (156). Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 4. g); ebenso: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30. 473 Vgl. Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 46 f. 474 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 228, der in seiner Konsequenz, dass „keine konkrete Aussage“ enthalten sei, jedoch zu weit zu gehen scheint. 475 Vgl. bspw.: Schröder, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 10; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 2. 476 Dau, Die Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZWehrr 2011, 1 (11); vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 169; exemplarisch hinsichtlich Art. 65a GG: SchmidtRadefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 2. 477 Vgl. Oldiges/Brinktrine, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65a GG, Rn. 7. 478 Busse, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 11; ebenso: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 12. 472

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Entsprechend muss auch ein militärischer Angreifer eine entsprechende Organisationsstruktur haben, die einer Befehls- und Kommandokette ähnlich erscheint. c) Verfassungsrechtlicher Rückschluss aus Art. 87a Abs. 1 S. 2 GG Die Notwendigkeit jedenfalls irgendeiner Organisationsstruktur der deutschen Streitkräfte setzt gleichermaßen auch Art. 87a Abs. 1 S. 2 GG voraus.479 Wenn sich „die Grundzüge der Organisation“ der Streitkräfte aus dem Haushaltsplan ergeben müssen, dann setzt dies notwendigerweise eine entsprechende Organisationsstruktur voraus, auch wenn hierdurch nicht konkretisiert wird, wie diese Organisationsstruktur auszusehen hat. d) Verfassungsrechtlicher Rückschluss aus Art. 87a Abs. 4 GG Der deutlichste Erkenntnisgewinn für die Frage, wann menschliches Angriffsverhalten als „militärisch“ zu verstehen ist, lässt sich aus Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG ziehen. Hintergrundgedanke dessen ist die Nähe des Einsatzszenarios von Art. 87a Abs. 4 GG zum Einsatzszenario des Verteidigungsbegriffs. Entsprechend der systematischen Schematisierung der Wehrverfassung ist das Szenario des Art. 87a Abs. 4 GG keines mit militärischem Personenbezug, sondern ein rein Ziviles, somit zwischen einem zivilen Angreifer und zivilen Angegriffenen.480 Die besonderen Umstände dieses, noch als ziviles Szenario zu verstehenden, Einsatzszenarios erschienen jedoch dem Gesetzgeber derart nah an einem militärischen Einsatzszenario, dass es dem Gesetzgeber sinnvoll erschien hierbei erstens auch einen Streitkräfteeinsatz zuzulassen und zweitens diese Materie systematisch im selben Artikel zu normieren.481 Dies lässt auf eine sehr große Nähe der Einsatzszenarien rückschließen. Der Angreifer i. S. d. Art. 87a Abs. 4 GG gilt zwar (noch) als zivil und erfüllt nicht alle Merkmale eines militärischen Angreifers, enthält jedoch so viele Überschneidungspunkte zum militärischen Angreifer, dass trotzdem ein Streitkräfteeinsatz geboten erscheinen kann. Art. 87a Abs. 4 GG stellt an den – noch – zivilen Angreifer zwei Voraussetzungen. Diese konkretisieren sich auf:

479 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 43. 480 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. V. 481 BT-Drucks. V/2873, S. 14: „[…] hielt es der Rechtsausschuß für unumgänglich, unter gewissen Umständen als äußerstes Mittel zur Aufrechterhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung den Einsatz der Streitkräfte im Innern zuzulassen.“

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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• das Merkmal der militärischen bzw. militärähnlichen Bewaffnung482 und • das Merkmal des Organisationsgrades.483 Hieraus lässt sich rückschließen, dass die beiden Kriterien des Organisationsgrades und der militärischen bzw. militärähnlichen Bewaffnung an sich noch keinen militärischen Personenstatus begründen. Da der militärische Personenstatus durch diese beiden Kriterien noch nicht erfüllt wird, muss noch ein weiteres Kriterium hinzutreten. Erst wenn neben dem Organisationsgrad und der militärischen bzw. militärähnlichen Bewaffnung das dritte Merkmal erfüllt ist, liegt ein militärischer Personenstatus vor. Das in Art. 87a Abs. 4 GG vorausgesetzte Merkmal des Organisationsgrades bestätigt sich durch die dargestellte Wertung des Art. 65a GG hinsichtlich des militärischen Angegriffenen.484 e) Zwischenergebnis Der Kerngehalt eines militärischen Bezugs besteht, wenn drei Merkmale kumulativ erfüllt sind: • das Merkmal der militärischen bzw. militärähnlichen Bewaffnung,485 • das Merkmal des Organisationsgrades486 und • ein drittes notwendigerweise hinzukommendes Merkmal. Liegen diese Merkmale beim Angegriffenen bzw. beim Angreifer vor, bedeutet dies einen militärischen Bezug. Bei Vorliegen eines Angriffs bedingt dies eine Verteidigungslage. f) Weiteres hinzukommendes Merkmal Unter verschiedenen Unterbegriffen finden sich in der Literatur im Wesentlichen zwei Verständnisweisen dieses dritten notwendigerweise hinzukommenden Merk-

482

Bspw.: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 168; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 31. 483 Bspw.: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 167; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 50. 484 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3. b); Teil 3 Kapitel 2 B. III. 4. 485 So auch: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 48; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15. 486 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 51.

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mals. Entweder es ist notwendig, dass der Angriff „von außen“487 bzw. „außerhalb der Landesgrenzen“488 herrührt oder, als Steigerung dessen, sogar „fremdstaatlicher“489 Natur sein muss. Dieses notwendige weitere Merkmal ermöglicht den Verteidigungsbegriff entweder weiter auszulegen, bei lediglich Annahme eines Kriteriums des Handlungsortes, oder enger auszulegen, bei Annahme eines zusätzlichen Kriteriums der Staatlichkeit des Handelnden.490 aa) Gefahrenherkunftsort außerhalb deutschen Territoriums Als zusätzliches Kriterium, welches einen bewaffneten, organisierten – noch zivilen – Angreifer zu einem militärischen Angreifer macht, wird der Gefahrenherkunftsort der Angriffshandlung angeführt. Die Angriffshandlung müsse von außerhalb des deutschen Territoriums kommen.491 Hierbei besteht zudem die Möglichkeit der Zurechnung.492 Eine in Deutschland vorgenommene Handlung hat einen äußeren Gefahrenherkunftsort, wenn die Tatherrschaft der Handlung, somit die Entscheidung über die Vornahme einer Handlung, bei jemandem im Ausland liegt.493 487

Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 5. Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 9. 489 Bspw.: Linke, Innere Sicherheit durch die Bundeswehr?, AöR 129 (2004), 489 (514 f.). 490 A. A. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 92 ff., 95. 491 Bspw.: Brunkow, Rechtliche Probleme des Einsatzes der Bundeswehr auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 87a GG, S. 50; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 134; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 255; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 50; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 9; Windthorst, in: Gröpl/Windthorst/von Coelln (Hrsg.), Grundgesetz – Studienkommentar, Art. 87a GG, Rn. 12; Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 88 f.; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 11; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 53; Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 122 ff.; Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 24; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 49; Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 110; Middel, Innere Sicherheit und präventive Terrorismusbekämpfung, S. 77; Horn, Verfassungsgemäßheit präventiver Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen, S. 58 f.; Wiefelspütz, Landesverteidigung gegen den grenzüberschreitenden internationalen Terrorismus, BWV 2006, 49 (52); a. A. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 92 ff. 492 Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 131 ff.; zur völkerrechtlichen Zurechnung: Kreß, Gewaltverbot und Selbstverteidigungsrecht nach der Satzung der Vereinten Nationen bei staatlicher Verwicklung in Gewaltakte Privater, S. 23 ff.; Schulze, Cyber-„War“ – Testfall der Staatenverantwortlichkeit, S. 54. 493 Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 133; vgl. Paulke, Die Abwehr von Terrorgefahren im Luftraum, S. 124. 488

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Hierfür wird unter anderem die Entstehungsgeschichte zum Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG angeführt. Gedanklicher Vorgänger des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG in seiner durch die Notstandsnovelle von 1968 gebrachten aktuellen Form war der vorhergehende gescheiterte Antrag der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes.494 Hierbei wurde deutlich zwischen dem Zustand der äußeren und inneren Gefahr getrennt und das Merkmal des Handlungsortes impliziert. bb) Fremdstaatlichkeit Dagegen wird als weiteres Kriterium vielfach eine Fremdstaatlichkeit, sprich Zurechnung der Handlung zu einem Staat, als notwendig vorausgesetzt.495 Erst durch Zurechnung zu einem fremden Staat sei die Handlung eines bewaffneten, organisierten Angreifers die eines militärischen Angreifers. Hierfür wird angeführt, dass sich militärische Machtausübung bei Entstehung der wehrverfassungsrechtlichen Normen stets im zwischenstaatlichen Bereich abgespielte habe. Die Aufstellung der Streitkräfte sei als Konsequenz zur Aufrüstung fremder Staaten zu verstehen.496 Nur dies rechtfertige den mit einer Streitkräfte494

Vgl. BT-Drucks. IV/891. Legt man eine völkerrechtliche Bestimmung des Verteidigungsbegriffs zu Grunde, ergibt sich eine Notwendigkeit eines fremdstaatlichen Angriffs durch das Selbstverständnis des Völkerrechts als zwischenstaatlicher Rechtsmaterie, Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 245. 495 Bspw.: Wolff, in: Hömig/Wolff/Seifert (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 3; Thiele, Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, S. 298; Fassbender, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XI, § 244, Rn. 52; Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286; Droege, Die Zweifel des Bundespräsidenten, NZWehrr 2005, 199 (206); Hase, Das Luftsicherheitsgesetz: Abschuss von Flugzeugen als „Hilfe bei einem Unglücksfall“?, DÖV 2006, 213 (214 ff.); Linke, Zur Rolle des Art. 35 GG in dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben, NZWehrr 2004, 115 (115 ff.); ders., Innere Sicherheit durch die Bundeswehr?, AöR 129 (2004), 489 (514 f.); Schmidt-Radefeldt, Innere Sicherheit durch Streitkräfte, UBWV 2006, 161 (163); Wilkesmann, Terroristische Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs, NVwZ 2002, 1316 (1320); Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (382); hierbei etwas widersprüchlich: Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 38, die hinsichtlich Luftzwischenfällen eine Notwendigkeit der Staatlichkeit verneint (Rn. 19), hinsichtlich Cyberangriff einzig auf „die Abwehr staatlicher Angriffe“ abstellt; a. A. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 95, m. V. a. Hillgruber/Hoffmann, Mehr, als die Polizei erlaubt?, NWVBl. 2004, 176 (177); Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 32; ders., Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland, AöR 132 (2007), 44 (64); Schoch, Verfassungsrechtliche Anforderungen an den Einsatz der Streitkräfte im Inland, JURA 2013, 255 (262); Krings/Burkiczak, Bedingt abwehrbereit?, DÖV 2002, 501 (511); Dreist, Der Inneneinsatz der Bundeswehr, BWV 2011, 4 (5); Walus, Die Verteidigungs- und Zivilschutzkompetenz des Bundes bei auswärtigen CyberAngriffen gegen kritische Infrastrukturen, NZWehrr 2014, 1 (7); Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 198. 496 Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 230, der in der Konsequenz auf Grund des Völkerrechts ein Erfordernis der Staatlichkeit ablehnt.

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aufstellung verbundenen Aufwand an personellen, sachlichen und finanziellen Mitteln.497 cc) Verhältnis der möglichen zusätzlichen Merkmale Zwar erscheinen die beiden möglichen Kriterien, Gefahrenherkunftsort und Handelnder, auf den ersten Blick an zwei verschiedene Anknüpfungspunkte anzudocken. Jedoch besteht zwischen diesen beiden Anknüpfungspunkten ein Stufenverhältnis.498 Dies begründet sich darin, dass eine Angriffshandlung „von außen“ auch durch Zurechnung, bspw. Planung, Steuerung oder Unterstützung als „von außen“ gilt.499 Liegt die Entscheidungshoheit über einen Angriff, welche sich im Begriff der Zurechnung, wie Planung, Steuerung oder Unterstützung, konkretisiert, über einen Angriff außerhalb deutschen Territoriums, so handelt es sich um einen Angriff „von außen“. Ist ein Angriff „staatlich“, bedeutet dies jedoch zwangsweise, dass letztlich die Entscheidungshoheit über eine Angriffshandlung beim fremden Staat liegt.500 Da, jedenfalls seit 1990, auf deutschem Territorium keine zwei Staaten bestehen, kommt somit ein fremdstaatlicher Angriff zwangsweise „von außen“. Denn jegliche fremdstaatliche Handlung kommt automatisch von außerhalb deutschen Territoriums, da jedenfalls die fremdstaatlichen Entscheidungsträger sich nicht innerhalb deutschen Territoriums befinden.501 Damit ist das Merkmal des Gefahrenherkunftsortes, „von außen“ zwangsweise im Merkmal der Fremdstaatlichkeit enthalten. Umgekehrt gilt dies jedoch nicht. Da497

Baldus, Streitkräfteeinsatz zur Gefahrenabwehr im Luftraum, NVwZ 2004, 1278 (1281). 498 Zur letztlich praktischen Bedeutung des Streits sind das Verhältnis des dritten Merkmals zum Merkmal der militärischen Bewaffnung sowie die daraus folgende Vermutung zu beachten, vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V. 499 Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 127 ff., insbesondere 134; ebenso: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 13, 15. 500 Hierbei ist zu beachten, dass durch den Gefahrenbegriff innerhalb des Angriffserfolgs auch solche menschlichen Handlungen als Angriffshandlungen gelten, durch welche mittelbar ein Schädigungserfolg wahrscheinlich wird. Dies betrifft insbesondere solche Staaten, die keine effektive Staatskontrolle über ihr Staatsgebiet mehr ausüben. So kann eine Staatshandlung, durch welche dieser Staat seine Staatskontrolle über sein eigenes Staatsgebiet verliert und dadurch potentielle Schädigungen auf das deutsche Territorium durch sein Staatsvolk ermöglicht, als mittelbare Hervorrufung eines Schadenseintritts gewertet werden. Im Einzelfall ist hierbei jedoch die weitreichende Verkettung zu beachten, die eine Eintrittswahrscheinlichkeit mehr und mehr verringert. 501 Selbst der hochgradig hypothetische Fall, in welchem ein fremder Staat seine komplette militärische Staats- und somit Entscheidungsgewalt auf deutschen Boden verlegt, um dann die Bundesrepublik anzugreifen, würde hierbei lösbar sein. Denn in diesem Fall läge in der Handlung, die komplette militärische Staatsgewalt auf deutsches Territorium zu verlegen, bereits eine taugliche Angriffshandlung.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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durch besteht ein klassisches Stufenverhältnis der Ansätze. Ein engeres Verständnis, notwendig sei eine staatliche Gefahrenzurechnung, beinhaltet ein weiteres Verständnis, nach dem lediglich ein außerstaatlicher Gefahrenherkunftsort ausreichend ist. dd) Eigene Wertung Betrachtet man die beiden möglichen zusätzlichen Kriterien im Hinblick auf ihr Stufenverhältnis, so stellt sich letztlich nur die Frage, ob eine enge Auslegung abzulehnen wäre und deshalb eine immanente weite Auslegung vorzugswürdig ist. Eine Ablehnung von sowohl außerstaatlichem Gefahrenherkunftsort als auch fremdstaatlicher Zurechnung ist nicht möglich. Nicht nur würde dadurch der Rückschluss zu Art. 87a Abs. 4 GG und dessen Wertung, dass eine militärische Bewaffnung und ein entsprechender Organisationsgrad noch einen zivilen Angreifer bedeutet, unterwandert werden.502 Eine Ablehnung beider zusätzlichen Kriterien würde zu einer rein auf den Gefahrenbegriff zielenden Auslegung führen.503 Diese würde jedoch zu einer Zuständigkeitswertung führen, die Art. 87a Abs. 4 GG widerspricht, wodurch diese abzulehnen ist.504 Notwendig ist ein zusätzliches Merkmal. Hierbei drängen sich lediglich die beiden dargestellten Ansichten auf. Für eine weite Auslegung ließen sich die angeführten Erwägungen aus historischen Materialien anführen. Diese gingen von einem „Zustand äußerer Gefahr“ aus.505 Dies widerspricht jedoch letztlich nicht einer engen Auslegung, da auch diese durch Fremdstaatlichkeit eine Gefahr von außerhalb annimmt. Im Kern wird gegen eine enge Auslegung angeführt, dass dies durch die notwendige staatliche Attribution unpraktikabel sei.506 Durch die schwierige Rückführbarkeit würde in den bestimmten Fällen eine eindeutige Staatlichkeit nicht beweisbar sein.507 Es käme zu einer Polizeizuständigkeit, die jedoch auf Grund fehlender Handlungsmöglichkeiten der Polizeikräfte zu einer Gefahrenhinnahme und somit Schutzlücke führe.508 502

Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3. d). So jedoch: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 86 ff. 504 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 2. e). 505 BT-Drucks. IV/891, S. 2. 506 Bspw. Krings/Burkiczak, Bedingt abwehrbereit?, DÖV 2002, 501 (511). 507 Vgl. Krieger, Krieg gegen anonymous, AvR 50 (2012), 1 (11). 508 Bspw.: Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 32; Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 117; ders., Der Auslandseinsatz der Bundeswehr gegen den grenzüberschreitenden internationalen Terrorismus, ZaöRV 65 (2005), 819 (828); Walus, Die Verteidigungs- und Zivilschutzkompetenz des Bundes bei auswärtigen Cyber-Angriffen gegen kritische Infrastrukturen, NZWehrr 2014, 1 (7); vertreten wird darüber hinaus, dass Art. 87a GG „gerade nicht die Frage der Qualität des Angreifers [beantworte]“, Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 11, weshalb dies so sei, bleibt leider offen. 503

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Hinsichtlich solch einer eingeschränkten Praktikabilität ist zu beachten, dass eine militärische Bewaffnung in Kombination mit dem – innerhalb des Merkmals der Staatlichkeit näher konkretisierten – „Unwilling-or-unable“-Test zu einer Vermutung einer Annahme des Merkmals der Staatlichkeit bei einem außerstaatlichen Gefahrenursprung führt. Denn notwendig ist nicht festzustellen, welchem fremden Staat der Angriff zuzurechnen ist, sondern nur dass einem Staat die Angriffshandlung zurechenbar ist.509 Liegt nun ein von irgendeinem fremden Staatsgebiet ausgehender militärischer, somit bewaffneter, Angriff vor, qualifiziert der „Unwilling-or-unable“Test diesen auf Grund der Schutzpflicht des fremden Staates als staatlich und rechnet die Angriffshandlung dem Gefahrenursprungsstaat zu. Im Rahmen der Praktikabilität fälschlicherweise als Notwendigkeit der Verteidigungslage unterstellt, ist es gerade nicht für die Verteidigungslage notwendig festzustellen, von welchem fremden Staatsgebiet der militärisch bewaffnete Angriff ausgeht, sondern lediglich, dass die Angriffshandlung nicht von deutschen Territorium ausgeht.510 Besteht nun eine äußere Gefahrenherkunft kombiniert mit dem Merkmal der Bewaffnung, lässt dies eine Staatlichkeit vermuten.511 Diese Anwendung der Vermutung nivelliert die Unterschiede der Merkmale der Staatlichkeit und der äußeren Gefahrenherkunft stark. Praktisch ergeben sich dadurch selten Diskrepanzen zwischen dem Merkmal der Staatlichkeit und dem Merkmal der äußeren Gefahrenherkunft. Hierdurch verliert das Argument fehlender Praktikabilität des Merkmals der Staatlichkeit deutlich an Überzeugungskraft. Zudem hat das Argument der fehlenden praktischen Anwendbarkeit bei einer Auslegung eines Norminhalts grundsätzlich keine Auswirkung auf das Auslegungsergebnis. Es würde dem Prinzip der Gewaltenteilung widersprechen, wenn durch Normauslegung neuer Norminhalt geschaffen würde. Die Frage der Praktikabilität ist zunächst eine sekundäre, subjektive Wertungsfrage, die sich erst hinter der primären Frage des Norminhalts anschließt. Eine fehlende oder eingeschränkte Praktikabilität ändert keinen Norminhalt, sondern begründet allenfalls einen Normänderungsauftrag an die Legislative.512 Daran vermögen auch aktuelle politische Zusammensetzungen des Parlaments nichts zu ändern.513 509

Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. IV. 1. c); analog wie bei der Bestimmung, ob eine Angriffshandlung vorliegt (vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. III. 2. d)), ist es nicht notwendig einen konkretisierten staatlichen Angreifer zu bestimmen, sondern lediglich (irgend-)einen staatlichen Angreifer. Denn eine Verteidigungslage eröffnet sich prinzipiell bei jedem staatlichen Angreifer, wodurch die konkrete Bestimmung des staatlichen Angreifers keine Auswirkung auf das Vorliegen einer Verteidigungslage hat. 510 Einschränkungen können sich bei Identitätsunklarheit des Angreifenden bezüglich der Verteidigungshandlung ergeben, vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. IV. 1. b) bb). 511 Im Ergebnis ebenso: Wiefelspütz, Die Abwehr terroristischer Anschläge und das Grundgesetz, S. 26; Gayken, in: Schmidt-Radefeldt/Meissler (Hrsg.), Automatisierung und Digitalisierung des Krieges, Die vielen Plagen des Cyberwar, S. 89. 512 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 89: „Der Umstand, dass in einer besonderen Gefahrenlage allein die Streikkräfte die für deren Beseitigung erforderlichen Kapazitäten besitzen, ändert

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Vielmehr scheint nur eine engere Auslegung (Fremdstaatlichkeit) in der Systematik des Verteidigungsbegriffs sinnvoll. Denn in den historischen Materialien wird das Militärische bezogen auf einen Angreifer und bezogen auf einen Angegriffenen synonym verwendet.514 Aus diesem Gedanken des gleichen Verständnisses von „militärisch“ bei Angreifer und Angegriffenem wird eine Fremdstaatlichkeit notwendig.515 Wesentliches Merkmal des militärischen Angegriffenen und somit der deutschen Streitkräfte ist, dass diese staatlich sind.516 Das Gewaltmonopol und die Aufstellungsbefugnis für Streitkräfte liegt nach Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG einzig beim deutschen Staat.517 Die Aufstellung von Privatarmeen ist nicht zulässig.518 Wenn nun ein militärischer Angegriffener zwangsweise staatlich ist, so erscheint es spiegelbildlich notwendig, dass auch ein militärischer Angreifer (fremd-)staatlich ist. Dies deckt sich mit dem Gedanken des Angriffsbegriffs aus Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG. Denn liegt ein Angriff i. S. d. Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG vor, ist dieser letztlich stets staatlich.519 Soweit ein Angriff von Deutschland aus staatlicher Zurechnung bedarf, so erscheint es notwendig, dass auch ein Angriff auf Deutschland staatlicher Zurechnung bedarf.

nichts daran“, ebenso: Blumenwitz, Streitkräfte als Mittel der vollziehenden Gewalt zur Durchsetzung einer (Macht-)Position, NZWehrr 1988, 133 (144). 513 Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 2; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14. 514 BT-Drucks. V/2873, S. 13. 515 A. A. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 49, die auch die historischen Materialien erkennen, jedoch trotz Anführens von „gegnerischen Streitkräften“ einen sich aufdrängenden Rückschluss auf eine Staatlichkeit ablehnen. 516 Exemplarisch: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 2. 517 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 8. 518 Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 5; neben der Wertung einer staatlichen Exklusivität aus Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG wirken sich zudem die Reglementierungen aus dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Strafgesetzbuch aus; vgl. Walter, Annäherungen an die Realitäten – neue Einsichten des BVerfG zum Einsatz von Streitkräften im Inneren, NZWehrr 2013, 221 (225). 519 Hierbei unterscheiden sich dogmatische Begründungsweisen, die beide zur Staatlichkeit des Angriffs führen. Teilweise werden nichtstaatliche Handlungen vom persönlichen Schutzbereich des Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG ausgenommen, vgl. Spanger, Angriffskrieg durch Private?, NZWehrr 2005, 68 (71 f.) – sodass sich definitorisch eine Nichtstaatlichkeit ausschließe. Andererseits – bei Einbeziehung auch privater Angriffshandlungen – bestünde in Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG eine Pflicht des deutschen Staates zur Verhinderung nicht nur staatlicher, sondern auch privater Angriffshandlungen, bspw. durch Ermessensreduzierung im Polizeirecht (vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 52; Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 27). Bei privaten Angriffshandlungen läge dadurch entweder ein staatliches Unterlassen vor, welches eine entsprechende staatliche Angriffshandlung im weiteren Sinne wäre, oder es bestünde durch die staatliche Verhinderungspflicht ein Zurechnungsmaßstab, welcher wiederum die private Angriffshandlung dem Staat zurechnet.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Zudem deckt sich der Gedanke der Fremdstaatlichkeit mit der Grundkonzeption der Aufstellung der Streitkräfte. Diese wurden als Reaktion auf fremdstaatliches Gefahrenpotential durch deren Streitkräfte initiiert. Dies verdeutlichen auch die historischen Materialien hinsichtlich Art. 87a Abs. 3 GG: „Nach den Bestimmungen des Grundgesetzes, auch in der Fassung der Notstandsnovelle, bleibt die Abwehr eines gegnerischen Angriffs ausschließlich Aufgabe der Bundeswehr bzw. des Bundesgrenzschutzes, wobei die Polizei nicht mitzuwirken hat.“520

Ein Status als benannter Gegner scheint hierbei dann vorzuliegen, wenn der Angriff von außen kommt. Die äußere Gefahrenherkunft ist damit ausschlaggebendes Kriterium dafür, dass die Landespolizeikräfte nicht zuständig sind.521 Dies klärt jedoch gerade nicht die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Streitkräften und dem Bundesgrenzschutz – seit 2005 der Bundespolizei.522 Wie die historischen Materialien eindeutig beschreiben523, sorgt eine äußere Gefahrenherkunft lediglich für eine Zuständigkeit der Streitkräfte oder der Bundespolizei.524 Um den Zuständigkeitsbereich der Streitkräfte von dem der Bundespolizei abzugrenzen, muss daher noch ein weiteres Merkmal hinzutreten.525 Ein solches Merkmal ist notwendig, um dem Trennungsgebot zwischen Streitkräften und der (Bundes-)Polizei, insbesondere der Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz),526 gerecht zu werden.527 520

BT-Drucks. V/2873, S. 13. BT-Drucks. V/2873, S. 13: „wobei die [Landes-]Polizei nicht mitzuwirken hat.“ 522 Umbenannt durch Art. 1 des Gesetzes zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21. Juni 2005. 523 BT-Drucks. V/2873, S. 13: „Aufgabe der Bundeswehr bzw. des Bundesgrenzschutzes“. 524 §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 BPolG lauten: § 1 Abs. 2 BPolG: „Der Bundespolizei obliegen die Aufgaben, die ihr entweder durch dieses Gesetz übertragen werden […].“ § 2 Abs. 1 BPolG: „Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz) […].“ Auch wenn es sich beim BPolG um eine einfachrechtliche Norm handelt, so verdeutlicht diese doch das gängige Verständnis der Bundespolizei als Behörde zur Abwehr von außerhalb deutschen Staatsgebietes herkommenden Gefahren; vgl. Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 2 BPolG, Rn. 6 ff. 525 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 253 f.; ebenso: Grubert, Verteidigungsfremde Verwendungen der Streitkräfte in Deutschland seit dem Kaiserreich ausserhalb des inneren Notstandes, S. 221; vgl. Brunner, Deutsche Soldaten im Ausland, S. 52. 526 Eine notwendige Trennung ergibt sich einerseits schon aus der systematischen Aufteilung in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und andererseits aus der Trennung der Begriffe innerhalb des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG. Auch wenn durch § 64 BGSG a. F. dem Bundesgrenzschutz früher völkerrechtlicher Kombattantenstatus zukommen sollte – heutzutage kommt durch Modifizierung des § 64 BGSG kein Kombattantenstatus zu (vgl. Schwarz, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12a GG, Rn. 42) –, sind diese nicht aus Sicht des Grundgesetzes als militärische Streitkräfte zu verstehen. Denn ein völkerrechtliches Verständnis als Kombattant ist nicht mit einem verfassungsrechtlichen Verständnis als Streitkräfte gleichzusetzen. Dass aus einem möglichen völkerrechtlichen Verständnis als Kombattant kein verfassungsrechtliches Verständnis als Streitkräfte folgt, ergibt zudem der historische Kontext der Entstehung des Bundesgrenzschutzes. Als der Bundes521

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Dieses muss das im engen Verständnis beschriebene Merkmal der Staatlichkeit sein, da dieses strukturell das Merkmal der äußeren Gefahrenherkunft beinhaltet und als einziges Merkmal im wehrverfassungsrechtlichen System und somit der staatlichen Sicherheitsgewährung ein greifbares Abgrenzungskriterium zwischen Streitkräften und Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz) liefert.528 Im Rahmen der Abwägung zwischen einer engen und weiten Auslegung ist zudem der restriktive Grundgedanke der Streitkräfteaufstellung zu beachten.529 Die Aufstellung der Streitkräfte durch Grundgesetzänderung 1956 sollte nicht nur textlich530, sondern auch materiellrechtlich in engem Rahmen vollzogen werden.531 Im Hinblick auf die Erfahrungen der nationalsozialistischen Zeit bestanden in der neugegründeten Bundesrepublik erhebliche Vorbehalte gegen eine Aufstellung und (Verteidigungs-)Befugnisse der Streitkräfte innerhalb der Legislative.532 Im Zweifel muss im Hinblick auf die Hintergründe der Entstehung des Verteidigungsbegriffs dieser

grenzschutz am 16. März 1951 aufgestellt wurde, bestand das Besetzungsstatut der Alliierten (vgl. Teil 2, Fn. 23), welches militärische Streitkräfte Deutschlands „vollständig“ verbot. Somit kann es sich bei Aufstellung des Bundesgrenzschutzes nicht um eine Aufstellung eines „QuasiMilitärs“ und aus verfassungsrechtlicher Sicht Teil der Streitkräfte gehandelt haben, da dies einen Widerspruch zum Besetzungsstatut bedeuten würde. 527 Vgl. zum Trennungsgebot zwischen den Streitkräften und Polizeikräften: Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See, S. 119 ff.; Braun/Plate, Rechtsfragen der Bekämpfung der Piraterie im Golf von Aden durch die Bundesmarine, DÖV 2010, 203 (208); Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 13, 15; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 58; Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte, S. 12 ff.; Ibler, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87 GG, Rn. 92. 528 A. A. Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 2 BPolG; Rn. 26: „Bei den Rechtsgütern, um derentwillen Grenzen errichtet worden sind, geht es zum ersten um die Bewahrung der territorialen Integrität des Staates gegenüber fremder Staatsgewalt; dies ist die erste und ursprüngliche Funktion einer Grenze. Unter dem Grundgesetz wird diese Aufgabe – vorrangig – als grenzpolizeiliche verstanden.“ Diese Ansicht erscheint nicht mit dem Trennungsgebot zwischen Streitkräften und Bundespolizeikräften vereinbar, da durch historische Materialien (BT-Drucks. V/2873, S. 13: „Die Abwehr gegnerischer Streitkräfte ist niemals die Aufgabe der Polizei“) explizit den Streitkräften zugeordnete und den Polizeikräften entzogene Aufgaben ohne Begründung den Bundespolizeikräften zugeordnet werden. 529 Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 38.; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 71. 530 BVerfGE 90, 286 (357): „Gebot strikter Texttreue“. 531 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 5. 532 Vgl. Teil 2, Fn. 193; Barth/Pfau/Streif, Sicherheitspolitik und Bundeswehr, S. 155 f.; vgl. die ausführliche und hitzige Diskussion im Bundestag hinsichtlich der Wiederbewaffnung: BT-PlProt II/17, vom 26. Februar 1954, S. 552 (A) ff.; BT-PlProt II/132, vom 06. März 1956, S. 6819 (A) ff. und BT-PlProt V/178, vom 30. Mai 1968, S. 9606 (D) ff.; Dau, Die Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZWehrr 2011, 1 (3 ff.).

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

grundsätzlich restriktiv verstanden werden.533 Das bedeutet, dass zudem im Zweifel, ob extensiv, weit oder restriktiv, eng auszulegen ist, eine restriktive, enge Auslegung grundsätzlich vorzugswürdig ist.534 Hierdurch ergibt sich in der Gesamtschau, dass für eine weite Auslegung einzig das nicht tragfähige Argument der fehlenden Praktikabilität535 steht, während für eine enge Auslegung als Notwendigkeit einer (Fremd-)Staatlichkeit sich eine Vielzahl an Argumenten aufdrängt. Insbesondere die Isomorphie zum Begriff des militärischen Angegriffenen und die Notwendigkeit eines Abgrenzungskriteriums zur Bundespolizei sprechen für eine weite Auslegung. Daher ist es notwendig als zusätzliches Merkmal neben einer Organisationsstruktur und militärischer Bewaffnung eine (Fremd-)Staatlichkeit des Angreifers oder Angegriffenen anzunehmen. 4. Zwischenergebnis Der Kerngehalt eines militärischen Bezugs besteht, wenn drei Merkmale kumulativ erfüllt sind: • das Merkmal der militärischen bzw. militärähnlichen Bewaffnung (vgl. II.), • das Merkmal des Organisationsgrades (vgl. III.) und • das Merkmal einer (Fremd-)Staatlichkeit. (vgl. IV.). Liegen diese Merkmale beim Angegriffenen bzw. beim Angreifer vor, bedeutet dies einen militärischen Bezug. Bei Vorliegen eines Angriffs bedingt dies eine Verteidigungslage. Die konkrete Bedeutung der einzelnen Merkmale und deren Verhältnis zueinander sollen im Folgenden konkretisiert werden.

II. Das Merkmal der Bewaffnung Das Merkmal der Bewaffnung beruht mittelbar auf dem Wortlaut „militärisch bewaffneter“ des Art. 87a Abs. 4 GG. 533 Dies bestätigt sich durch Aussage des Bundesverfassungsgerichts, wonach „[d]er Einsatz der Streitkräfte wie der Einsatz spezifisch militärischer Abwehrmittel […] nur als Ultima Ratio zulässig“ ist; BVerfGE 132, 1 Rn. 48; ebenso BVerfGE 133, 241 (267), wonach „der Streitkräfteeinsatz nur als ultima ratio zur Schadensvermeidung zugelassen ist“. Zu beachten ist hierbei auch die Aussage, dass eine „strenge verfassungsrechtliche Beschränkung des Streitkräfteeinsatzes auf das Erforderliche“ notwendig ist, BVerfGE 133, 241 (266). 534 Die Möglichkeit einer Reform der Wehrverfassung wird hierdurch freilich nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr explizit durch das Bundesverfassungsgericht angesprochen: „Im Fall einer Überschreitung der Grenzen des Art. 87a Abs. 2 GG wäre zur Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes vielmehr eine Verfassungsänderung erforderlich gewesen“, BVerfGE 126, 55 (69). 535 Vgl. zur hierzu relevanten Verhältnisbestimmung der einzelnen Merkmale des militärischen Personenstatus: Teil 3 Kapitel 2 B. V. 2.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Vergleichbar zum Merkmal der (Fremd-)Staatlichkeit erübrigt sich eine Klärung bei Betroffenheit eines militärischen Angegriffenen. Sind die deutschen Streitkräfte angegriffen, liegt zwangsweise ein Bewaffnungsgrad vor. Die deutschen Streitkräfte sind aus der Institutionsgarantie des Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG mit militärischem Gerät auszustatten.536 Durch die Involvierung der bewaffneten Streitkräfte liegt automatisch ein Sachbezug auf entsprechende Waffen vor. Relevanz entfaltet das Merkmal der Bewaffnung als Modifikation des Angriffserfolgs dadurch einzig bezüglich eines militärischen Angriffs bzw. hinsichtlich der Angriffshandlung eines militärischen Angreifers auf einen Zivilen. 1. Abstrakter Bedeutungsgehalt a) Technisches Verständnis durch den Wortlaut von „militärisch bewaffneter“ Bei der Bestimmung ist daher der Wortlaut des Art. 87a Abs. 4 GG heranzuziehen. Dieser beschreibt mit dem Begriff der militärischen Bewaffnung zunächst solche Waffen, die üblicherweise zur Ausrüstung der Streitkräfte gehören.537 Diese grenzen sich durch ihre Art von den Waffen der Polizei ab.538 Hieraus folgt zunächst ein enges technisches Verständnis des Begriffs der militärischen Bewaffnung.539 Eine Konkretisierung dieses technischen Verständnisses liefert dabei Art. 26 Abs. 2 S. 1 GG.540 Denn der Kriegswaffenbegriff des Art. 26 Abs. 2 S. 1 GG bezieht sich auf „für einen Verteidigungskrieg bestimmte Kriegswaffen“.541 Dies bedeutet, dass eine militärische Bewaffnung i. S. d. Art. 87a GG jedenfalls dann vorliegt, wenn es sich um Kriegswaffen i. S. d. Art. 26 Abs. 2 S. 1 GG handelt. Für dessen verfassungsrechtliche Bestimmung enthält Art. 26 Abs. 2 S. 2 GG wiederum eine dynamische Verweisung auf das Kriegswaffenkontrollgesetz.542 Von größerer Bedeutung ist hierbei die enumerative Aufzählung der Anlage 1 des Kriegswaffenkontrollge536

Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 36; vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 6. 537 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 31. 538 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 168. 539 Vgl. Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse der Streitkräfte im Inneren nach der Bonner Notstandsverfassung vom 24. Juni 1968, S. 302 ff.; Arndt, Bundeswehr und Polizei im Notstand, DVBl. 1968, 729 (732). 540 Ebenso: Walter, Annäherungen an die Realitäten – neue Einsichten des BVerfG zum Einsatz von Streitkräften im Inneren, NZWehrr 2013, 221 (233)541 Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 35; ebenso: Herdegen, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 55. 542 Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 25.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

setzes.543 Auch wenn diese Aufzählung nicht abschließend den Begriff der Kriegswaffe erfasst,544 ergibt sich durch die mittelbare Verweisungskette dadurch jedenfalls, dass militärische Bewaffnung wohl alle unter Anlage 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes aufgeführten Positionen sind.545 b) Untechnisches Verständnis durch systematischen Ausgangspunkt Sofern sich das Merkmal der Bewaffnung aus einem Umkehrschluss und einer Abgrenzung zu Art. 87a Abs. 4 GG ergibt, ist hinsichtlich des Inhaltsgehalts zunächst entsprechend Art. 87a Abs. 4 GG heranzuziehen. Gleichermaßen sind auch strukturelle Erwägungen des Waffenbegriffs des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG zu beachten. Bei Beachtung von sowohl Art. 87a Abs. 4 GG als auch Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG drängt sich auf, den Begriff der Bewaffnung nicht nur im engeren technischen Sinne zu verstehen, sondern auch im weiteren untechnischen Sinne.546 Bewaffnung bedeutet nicht eine bestimmte Art einer technischen Art von Waffen, sondern ein Wirkungsausmaß eines Angriffs.547 Ausschlaggebend ist dessen „Effekt-Äquivalenz“.548

543

BGBl. I 1990, 2515. Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 32; Fink, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 62. 545 Exemplarisch seien hierbei atomare, biologische, wie Viren, Bakterien oder Toxine, chemische Waffen und sonst „klassische“ Kriegswaffen, wie Lenkflugkörper, Kampfflugzeuge, Kampfschiffe, Panzer, Artillerie, Bomben und schwere Maschinengewehre angeführt. 546 So auch: Depenheuer, Zwischen polizeilicher Gefahrenabwehr und militärischer Verteidigung, ZG 2008, 1 (8 f.); ebenso: Keber/Roguski, Ius ad bellum electronicum?, AVR 49 (2011), 399 (408 ff.); Krieger, Krieg gegen anonymous, AVR 50 (2012), 1 (10); Dittmar, Angriffe auf Computernetzwerke, S. 154; Jochum, Der Einsatz der Streitkräfte im Inneren, JuS 2006, 511 (513). 547 So auch: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15, die explizit auf die „Intensität [die] einem militärischen Angriff gleichkommen“ muss bzw. „dieselben Auswirkungen wie kinetische Waffen“ abstellt; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 52, nach denen „dieselben Auswirkungen wie der Einsatz herkömmlicher Waffen“ vorliegen müsse; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 38, nach der ein Angriff vorliegt, wenn „die Wirkung […] der eines bewaffneten Angriffs gleich komm[t]“; Cyberangriffen: Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 254 ff.; vgl. Martinez Soria, Polizeiliche Verwendungen der Streitkräfte, DVBl. 2004, 597 (605 f.). 548 Keber/Roguski, Ius ad bellum electronicum?, AVR 49 (2011), 399 (408 ff.), auch wenn diese sich nicht auf Art. 87a GG, sondern Art. 51 VN-Charta beziehen. Ebenso: Baldus/MüllerFranken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58. 544

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Die Entstehungsmaterialien zu Art. 87a Abs. 4 GG verdeutlichen dies. Der den Art. 87a Abs. 4 GG in seiner aktuellen Form vorschlagende Rechtsausschuss führte hierzu aus: „die zulässigen Einsatzzwecke einerseits auf die ,Bekämpfung von Gruppen militärisch bewaffneter Aufständischer‘ zu beschränken, andererseits auf den ,Schutz von zivilen Objekten‘ auszudehnen. Für die Beschränkung war die Erwägung maßgebend, daß erst bei militärischer Bewaffnung einer Gruppe von Aufständischen eine Lage entstehen kann, derer die ordentlichen Polizeikräfte nicht mehr Herr werden können.“549

Ausschlaggebend für den Rechtsausschuss war, dass eine Art und ein Ausmaß einer Schädigung vorliegen könnte, die ein Handeln der Streitkräfte notwendig macht. Tragender Gedanke war, dass es auf die Intensität der Bedrohung ankommt. Erreicht diese ein entsprechendes Maß, ist von einer Bewaffnung auszugehen.550 Dies verdeutlicht der Rechtsausschuss auch hinsichtlich des vergleichbaren Merkmals der Waffengewalt bei Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG. Systematisch ähnlich, jedoch nicht gleichzusetzen, erscheint das Merkmal der militärischen Bewaffnung mit dem Merkmal der Waffengewalt in Art. 115a Abs. 1 GG. Beide Begriffe beziehen sich auf militärische Waffen. Auch hierbei komme es auf „die Intensität der Bedrohung, die vorliegen muß, [an,] damit der Verteidigungsfall beschlossen werden kann“.551 Waffengewalt verstehe sich nicht als Einsatz von bestimmten technischen Geräten, sondern als Schadenswirkung des Angriffs.552 Waffengewalt i. S. d. Art. 115a Abs. 1 GG bedeutet dabei ein entsprechendes Maß an Auswirkung eines Angriffs.553

549

BT-Drucks. V/2873, S. 14. Ebenso die Position der Bundesregierung im Kontext von Cyberangriffen: BT-Drucks. 17/6971, S. 4: „Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass ein Cyber-Angriff nur dann als bewaffneter Angriff im Sinne des Völkerrechts einzuordnen wäre, wenn dieser in seiner Wirkung die Schwelle zum bewaffneten Konflikt überschreiten würde und sich mit derjenigen herkömmlicher Waffen vergleichen ließe“; vgl. hierzu: Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 171; gleichermaßen: Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/ Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 88; ebenso zum untechnischen Verständnis: Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrr 2003, 101 (113). 551 BT-Drucks. V/2873, S. 16. 552 Ebenso: Depenheuer, Zwischen polizeilicher Gefahrenabwehr und militärischer Verteidigung, ZG 2008, 1 (8 f.); vgl.: Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 42; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 12; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 13; Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 5; Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 12; 553 Ebd. 550

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

c) Verhältnis der Verständnisweisen Ein enges Verständnis wird hierbei selbstverständlich vom weiten untechnischen Verständnis miterfasst. Werden „klassische“, technische Kriegswaffen vom Angreifer in ihrer typischen Verwendungsweise angewandt, so liegt eindeutig eine Bewaffnung vor.554 „Klassische“ Kriegswaffen gelten als solche, da diese typisierend ein entsprechend hohes Gefährdungspotential aufweisen.555 Sie sind eine Katalogisierung von Mitteln mit entsprechender Relevanz.556 Gleichlaufend liegt daher beim militärischen Angegriffenen durch dessen Ausstattung mit „klassischen“ Kriegswaffen eine Bewaffnung vor. Das weitere, untechnische Verständnis geht zwar über das engere, technische Verständnis hinaus, beinhaltet jedoch weiterhin dieses und grenzt es nicht aus.557 Dies setzt freilich voraus, dass die „klassischen“ technischen Kriegswaffen auch im Sinne ihres technischen Zerstörungspotentials genutzt werden. Damit indiziert eine Verwendung von klassischen technischen Kriegswaffen in einer, ihrer Typisierung ausmachenden Weise, dass ein hohes Schadensausmaß eintreten wird.558 Diese Vermutung lässt sich jedoch widerlegen, bspw. wenn trotz „klassischer“ technischer Kriegswaffe keine Vulnerabilität559 besteht.560 In dem Fall lägen keine intensiveren Auswirkungen vor, die letztlich das einzig ausschlaggebende Kriterium für eine Bewaffnung darstellen.561 Ebenso ist keine Bewaffnung anzunehmen, wenn

554 Exemplarisch: Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 12. 555 Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 47. 556 Fink, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 61; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 25. 557 Sofern somit klassische Kriegswaffen verwendet werden, wie etwa die Verwendung von Artillerie, ist dadurch grundsätzlich eine militärische Dimension anzunehmen. 558 Vgl. Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 47; Fink, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 61; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 25. 559 Vgl. zum Begriff der Vulnerabilität: Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. c). 560 Bspw.: Ein zufällig infizierter Patient mit einer Viruserkrankung nach Teil A, 3.1. a) Anlage 1 Kriegswaffenkontrollgesetz reist in die Bundesrepublik ein. Sofern das deutsche Gesundheitssystem eine Ausbreitung unterbinden und bewältigen kann, liegt keine Vulnerabilität der deutschen Gesellschaft hinsichtlich des Einzelfalls vor. Sollten jedoch mehrere bzw. massenhaft infizierte Patienten in die Bundesrepublik einreisen, kann die Fähigkeit des deutschen Gesundheitssystems zur Bewältigung, somit die Vulnerabilität, anders bewertet werden. 561 Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 52; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 38.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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klassische technische Kriegswaffen verwendet werden, jedoch nicht in der, ihre Typisierung ausmachenden, Verwendungsweise.562 d) Modifizierung des Angriffserfolgs Diese im Rahmen der militärischen Bewaffnung folgende zweite, „qualifizierte“ Relevanzschwelle bezieht sich auf das Angriffsobjekt. Durch das Merkmal der militärischen bzw. militärähnlichen Bewaffnung wird eine besondere Anforderung an den Angriffserfolg gesetzt. Die eingetretene Gefahr muss solch ein Ausmaß militärischer Bewaffnung vorweisen. Das Angriffsobjekt ist primär das abstrakte Schutzgut des Verteidigungsbegriffs. Dieses abstrakte Schutzgut bzw. -ziel ist in der Konstellation eines militärischen Angreifers der Erhalt des Bestandes des deutschen Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.563 Bezugspunkt der militärischen Bewaffnung ist der Angriffserfolg, welcher sich wiederum auf die gesamtgesellschaftliche Auswirkung und gesellschaftliche Intensität bezieht. Die für eine Annahme einer militärischen Bewaffnung notwendige Relevanz bestimmt sich abstrakt als Modifikation des Angriffserfolgs durch das Überschreiten einer Gefahrenschwelle564 anhand deren gesamtstaatlicher Auswirkungen und gesellschaftlicher Intensität.565 Ein solcher Bezugspunkt bestätigt sich dadurch, dass sich das Merkmal der Bewaffnung aus einem Rückschluss aus Art. 87a Abs. 4 GG herleitet. Hierbei ist gerade das dort angelegte Schutzgut deckungsgleich mit dem abstrakten Schutzgut bzw. Schutzziel des Verteidigungsbegriffs. Wenn sich das Merkmal der Bewaffnung aus einer Abgrenzung zu Art. 87a Abs. 4 GG ergibt, überträgt sich gleichermaßen auch dessen Bezugspunkt. Hierbei macht Art. 87a Abs. 4 GG deutlich, dass Bezugspunkt des Merkmals der militärischen Bewaffnung in Art. 87a Abs. 4 GG der Schutz des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist.566

562

Bspw.: Schubst ein fremder Soldat einen deutschen Staatsangehörigen mit einem offensichtlich nicht schussfähigen bzw. ungeladenen schweren Maschinengewehr (Teil B, Nr. 29 Anlage 1 Kriegswaffenkontrollgesetz) oder verursacht ein fremdstaatlicher Kampfpanzer (Teil B, Nr. 24 Anlage 1 Kriegswaffenkontrollgesetz) bei einem geparkten Auto eines deutschen Staatsangehörigen einen Lackkratzer durch Berühren dessen, so erfüllt dies trotz Verwendung klassischen Kriegsgerätes nicht das Merkmal der Bewaffnung mangels Typisierung ausmachender Verwendungsweise. Bei den Beispielen kämen zudem noch eine mangelnde gesamtstaatliche Auswirkung und gesellschaftliche Intensität hinzu. 563 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 1.; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 12, nach dem ein Angriff derartige „physische Zwangswirkung“ entfalten müsse, die „das öffentliche Leben der Bundesrepublik ganz oder teilweise“ lahmlegen müsse. 564 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 4. 565 Vgl. Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 235 f. 566 Vgl. Teil 3 Kapitel 2. A. I. 1.

218

Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Hierbei ist zu beachten, dass zwar eine Teilidentität zwischen einer Verteidigungslage und dem materiellen Verteidigungsfall nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG besteht567, dies jedoch keine Gleichsetzung bedeutet.568 Der Verteidigungsfall nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG hat eigenständige Bedeutung und einen eigenständigen Anwendungsbereich.569 Dadurch hat auch das Merkmal der Waffengewalt, welches sich auch untechnisch570 und somit als Relevanzschwelle versteht, einen eigenen Anwendungsbereich. Durch den martialischen Begriff der „-gewalt“ und die deutlich einschneidenderen Rechtsfolgen des hierdurch tatbestandlich hervorgerufenen Verteidigungsfalls wird deutlich, dass der Begriff der Waffengewalt intensitätsmäßig über dem Begriff der militärischen Bewaffnung liegt.571 Dadurch liegt der Begriff der militärischen Bewaffnung unter dem Intensitätsniveau des Begriffs der Waffengewalt in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG. Der Angriffserfolg bei einem militärischen Angegriffenen – als De-minimisSchwelle – und der Angriffserfolg bei einem militärischen Angreifer modifiziert durch eine militärische Bewaffnung – als Abgrenzungskriterium insbesondere gegenüber einer Polizeizuständigkeit – grenzen sich schematisch daher durch ihre gesamtstaatliche Auswirkung und gesellschaftliche Intensität ab. Sie lassen sich in einer Skalierung zusammenfassen. Als Schaubild lässt sich dies wie folgt darstellen:

567

Vgl. Teil 2 Kapitel 2 A. II. Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 53; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 128 ff.; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 47; Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 27; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 16; a. A. Coridaß, Der Auslandseinsatz von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee, S. 42 f.; Arndt, Bundeswehreinsatz für die UNO, DÖV 1992, 618 f. 569 Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 60. 570 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 42; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 12; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 13; Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 5; Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Art. 115a GG, Rn. 12. 571 Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. b) bb) (2); dies ebenso unterschwellig gegenüber seiner eigenen Kommentierung von Art. 87a GG (Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 4) vorauszusetzen: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 44. 568

Kap. 2: Die Verteidigungslage

219

Militärische Bewaffnung i.S.d. Art. 87a GG

Angriff i.S.d. Art. 87a GG Intensität der Gefahr

Abbildung 9: Intensitätsschwelle der militärischen Bewaffnung

2. Konkreterer Bedeutungsgehalt und Überschreiten der Intensitätsschwelle Wie beim Angriffsobjekt bzw. Verteidigungsschutzgut dargestellt, konkretisiert sich das abstrakte Schutzgut bzw. -ziel im Schutz konkreter Rechtsgüter und -positionen.572 Gleichermaßen trifft dies auf das Merkmal der militärischen Bewaffnung zu. Die Überschreitung der hierdurch begründeten Intensitätsschwelle bemisst sich damit anhand der konkret betroffenen Rechtsgüter.573 Begründet eine Angriffshandlung einen derart intensiven Angriffserfolg, eine Gefahr, sprich hinreichende Wahrscheinlichkeit eines hinreichend intensiven Schadenseintritts, liegt eine militärische Bewaffnung vor.574 a) Umfassende territoriale und personelle Schutzwirkung Taugliches konkretes Angriffsobjekt bzw. Verteidigungsschutzgut sind grundsätzlich alle von der Verfassung geschützten Rechtsgüter innerhalb deutschen Hoheitsgebietes und sämtliche elementaren geschützten Rechtsgüter deutscher 572

Teil 3 Kapitel 2 A. I. 2. Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 38. 574 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 52; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 44. 573

220

Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Staatsangehöriger sowohl im In- als auch im Ausland.575 Rechtsgüter von Drittstaatsangehörigen außerhalb deutschen Hoheitsgebietes stellen dagegen kein taugliches Angriffsobjekt hinsichtlich eines bewaffneten Angriffs i. S. d. Art. 87a GG dar.576 b) Ausgrenzung einzelner Schutzgüter aa) Ausschluss durch fehlende Relevanz selbst bei höchster Intensität Die Schutzwirkung des Verteidigungsbegriffs eröffnet sich prinzipiell territorial und persönlich weitestgehend uneingeschränkt.577 Getrennt hiervon stellt sich jedoch die Frage, ob durch das grundsätzlich geschützte Rechtsgut bei dessen Beeinträchtigung auch eine derartige Relevanz erreicht werden kann, die zu einer Annahme des Merkmals der militärischen Bewaffnung führt. Auch wenn ein Rechtsgut grundsätzlich geschützt ist, ist es möglich, dass mangels gesellschaftlicher Relevanz eine Beeinträchtigung nicht relevant genug ist, um eine Verteidigungslage zu begründen. In Abgrenzung zur ersten, hinreichenden De-minimis-Schwelle, die mit der physischen oder äquivalent spürbaren Wirkung nur geringe Anforderungen stellt, ist die Hürde bei der zweiten, qualifizierten Relevanzschwelle der militärischen Bewaffnung deutlich höher. Indem hierbei höhere Anforderungen an eine gesellschaftliche Relevanz und ein Gefährdungspotential gegenüber dem Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gestellt werden, lassen sich aus aktueller gesellschaftlicher Wertungssicht einzelne Rechtsgüter ausschließen.578 Ein solcher Ausschluss lässt sich annehmen, wenn das denkbar intensivste Szenario hinsichtlich des einzelnen Rechtsgutes aus aktueller gesellschaftlicher Wertung nicht die notwendige Relevanz aufweist. Erreicht selbst die fiktiv intensivste Rechtsgutbeeinträchtigung nicht die Relevanzschwelle, so lässt sich das einzelne Rechtsgut pauschal bei einer Relevanzbetrachtung ausschließen.579 Eine Betrachtung soll hierbei nicht die grundsätzliche Erfassung durch die Schutzwirkung des Art. 87a GG verneinen, sondern lediglich einen vermeintlich aktuellen gesellschaftlichen Stand darstellen. 575

Teil 3 Kapitel 2 A. I. 2. b). Teil 3 Kapitel 2 A. I. 2. c) bb). 577 Zusammenfassend: Teil 3 Kapitel 2 A. I. 3. 578 So unterschwellig: Dittmar, Angriffe auf Computernetzwerke, S. 158 f.; dies ebenso voraussetzend: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15, nach der „geringfügige Schäden an Sachwerten oder gar Leib und Leben“ nicht ausreichen. Durch Nichterwähnung sämtlicher anderen Rechtsgüter grenzt sie diese Rechtsgüter aus. 579 Dies ebenso unterschwellig voraussetzend: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58, nach denen „[d]er Angriff […] Schäden nicht nur an Sachwerten, sondern auch an Leib und Leben hervorrufen oder hervorrufen können“ muss. Auch dieser grenzt durch Nichterwähnung sämtlicher anderen Rechtsgüter diese aus. 576

Kap. 2: Die Verteidigungslage

221

Denkbar bleibt stets, dass durch gesellschaftlichen Wertewandel und technologische Veränderungen Rechtsgüter eine andere gesellschaftliche Wertung erfahren, als dies heutzutage ist. Denn die der Betrachtung zugrundeliegende gesellschaftliche Wertung ist nicht starr.580 Hierbei handelt es sich nicht um eine Modifizierung der Verfassung durch Wertewandel,581 denn die gesellschaftliche Wertung ist über die Notwendigkeit des Überschreitens einer Relevanzschwelle Teil des Tatbestandes des Verteidigungsbegriffs.582 Ein gesellschaftlicher Wertewandelt stellt somit eine Änderung des Sachverhaltes dar, welcher unter der Definition des Tatbestandes des Begriffs der Verteidigung zu subsumieren ist. Sollte ein solcher gesellschaftlichen Wertewandel in großen Umfang eintreten, können einzelne im Folgenden ausgeschlossene Rechtsgüter wiederum die notwendige Intensität für eine militärische Bewaffnung erreichen und tatbestandlich eine Verteidigungslage begründen. bb) Umkehr der Betrachtung Wie vom Bundesverfassungsgericht mehrfach betont, sind an einen Verteidigungseinsatz, somit ebenso an eine Verteidigungslage, hohe Anforderungen zu stellen.583 Eine solche restriktive Auslegung legt unter Beachtung der Vielzahl der geschützten Rechtsgüter der Verfassung nahe, den Betrachtungspunkt umzukehren. Sinnvoll erscheint es, hinsichtlich einer notwendig hohen gesamtstaatlichen Auswirkung und gesellschaftlichen Intensität nicht negativ zu bewerten, welche potentiellen Schädigungen die Relevanzschwelle nicht erreichen. Vielmehr ist positiv festzustellen, welche Rechtsgüter diese hohe gesamtstaatliche Auswirkung und gesellschaftliche Intensität dieser zweiten, qualifizierten Relevanzschwelle erreichen können.

580

Vgl. ebenso Teil 3 Kapitel 2 A. II. 4. c). Vgl. Teil 2, Fn. 190; Teil 2 Kapitel 1 B. III. 1. d) und Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 2. d) bb). 582 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 A. I., II.; Teil 3 Kapitel 2 A. II. 4.; Tatbestand von Verteidigung ist die Verteidigungslage. Diese setzt einen Angriff voraus. Ein Angriff untergliedert sich dabei unter anderem, in: einen Angriffserfolg. Dieser ist bei einer hinreichend erheblichen Gefahr gegeben. Eine solche hinreichende Erheblichkeit besteht bei Überschreiten einer Relevanzschwelle. Dieses Überschreiten einer Relevanzschwelle bemisst sich wiederum nach gesellschaftlichen Wertevorstellungen. Hierdurch besteht innerhalb des Tatbestandes des Begriffs der Verteidigung eine unmittelbare Definitionskette hin zu gesellschaftlichen Wertevorstellungen, sodass diese als eines von vielen Tatbestandsmerkmalen des Begriffs der Verteidigung zu verstehen sind. 583 Vgl. BVerfGE 48, 127 (159). 581

222

Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

cc) Relevanz bei höchster Intensität (1) Funktionalität grundlegender staatlicher Institutionen Die Gefährdung grundlegender staatlicher Institutionen betrifft quasi direkt den Bestand des Staates. So stellt ein Angriff auf die deutschen Streitkräfte und die Beeinträchtigung von deren Funktionalität eine Gefahr für das Schutzziel dar. Ebenso verhält es sich mit grundlegenden staatlichen Institutionen und Einrichtungen, wie bspw. dem Bundestag, dem Bundesrat, der grundlegenden Funktionsfähigkeit der Polizeikräfte und der für die Grundversorgung elementaren staatlichen Infrastruktur.584 Im Einzelfall klärungsbedürftig erscheint, wie grundlegend die jeweilige staatliche Institution für den Bestand des Staates als solchen ist. (2) Leben Als unstrittig lässt sich festhalten, dass eine Beeinträchtigung des Lebens deutscher Staatsangehöriger oder Personen innerhalb deutschen Territoriums die Relevanzschwelle der Bewaffnung erreichen kann.585 Einzig denkbar, aber abzulehnen, könnte ein quantitatives Kriterium sein. Eine Staatsgefährdung bzw. Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung würde erst dann im Rahmen des Intensitätsgrades denkbar sein, wenn eine bestimmte Anzahl an Toten vorliegen würde. Solch ein rechtlicher, quantitativer Bezug auf Menschenleben erscheint nicht nur im Hinblick auf das Recht auf Leben des Einzelnen mehr als fragwürdig.586 Denn auch eine einzelne Tötung kann, je nach Einzelfallumständen und Status der Person, eine Staatsgefährdung bedeuten.587 (3) Körper Gleichermaßen als Pendant erscheinen auch Körperverletzungen von deutschen Staatsangehörigen oder Personen innerhalb deutschen Territoriums relevant genug

584

Vgl. ebenso: Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 38. Dies ebenso voraussetzend: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15. 586 Vgl. vertiefend: Leisner/Görlich, Das Recht auf Leben, S. 36; Grimm, Allgemeine Wehrpflicht und Menschenwürde, S. 60. 587 Bspw. würde eine Tötung des/der Bundespräsidenten/-in oder des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin in den meisten Fällen eine Staatsgefährdung bedeuten. Hierbei handelt es sich dabei auch um eine mittelbare Gefährdung des Schutzgutes der Funktionalität elementarer staatlicher Institutionen durch eine unmittelbare Gefährdung des Lebens eines Einzelnen. Historisch, wenn auch nicht bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland, lässt sich hierbei z. B. auf die Tötung von Österreich-Ungarns Erzherzog Franz Ferdinand hinweisen, welche die Julikrise von 1914 auslöste und den Ersten Weltkrieg mit auslöste. 585

Kap. 2: Die Verteidigungslage

223

zum Erreichen der zweiten, „qualifizierten“ Relevanzschwelle.588 Hinsichtlich Körperverletzungen ist jedoch ein erheblicher Unterschied im jeweiligen Einzelfall festzustellen. Während wohl üblicherweise eine oder mehrere leichte Verletzungen von einer oder mehreren Personen nicht ausreichen589, kann eine schwere, möglicherweise lebensbedrohliche Körperverletzung einer oder mehrerer Personen je nach Einzelfall eine ausreichende Relevanz aufweisen.590 Durch die große Bandbreite an verschiedenen Einzelfallszenarien ist eine genaue Bestimmung schwierig. Während wohl die Mehrzahl der denkbaren Szenarien bezüglich Körperverletzungen nicht die zweite, „qualifizierte“ Relevanzschwelle der militärischen Bewaffnung erreichen wird, sind dagegen auch einzelne Szenarien denkbar, bei denen nur Körperverletzungen vorliegen, diese jedoch derart qualitativ und quantitativ intensiv sind, dass eine entsprechende Relevanz gegeben ist.591 Ein prinzipieller Ausschluss ist dadurch nicht anzunehmen, da ein intensives Szenario wiederum zu einer ausreichenden Relevanz führt. (4) Fortbewegungsfreiheit Im Kontext des Schutzes des Lebens und des Körpers ist die ebenso in Art. 2 Abs. 2 GG benannte Fortbewegungsfreiheit anzuführen. Sofern die in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter eine Relevanz aufweisen, deutet die systematische Nähe zu Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und dem dort geschützten Rechtsgut der Fortbewegungsfreiheit ebenso auf eine übertragbare Relevanz hin. Ein Entzug der Fortbewegungsfreiheit ist somit in der Lage die entsprechende Relevanz für eine militärische Bewaffnung zu erfüllen.592 Jedoch ist hier ebenso wie bei Körperverletzungen eine große Bandbreite an Einzelfällen denkbar, die eine derart unterschiedliche teils für eine Relevanz ausreichende, teils für eine Relevanz nicht ausreichende Intensität aufweisen. (5) Eigentum Bezogen auf das in Art. 14 GG normierte Eigentumsrecht und den Schutz von Sachwerten scheint eine Relevanz wohl selbst bei intensivster Beeinträchtigung

588 Dies ebenso voraussetzend: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15. 589 Vgl. Dittmar, Angriffe auf Computernetzwerke, S. 158 f. 590 Vgl. Krieger, Krieg gegen anonymous, AVR 50 (2012), 1 (10 f.). 591 Denkbar wäre hier bspw. die Verstümmelung von mehreren Personen oder Verletzungen, die die kognitiven Fähigkeiten derart einschränken, dass eine geistige Behinderung folgt. 592 Bspw. die Gefangennahme deutscher Staatsangehöriger oder die Verschleppung von Personen in oder aus deutschem Territorium.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

nicht relevant genug.593 Ausgangspunkt der Betrachtung von Sachwert- und Eigentumsverletzungen ist, dass nur ausschließliche Sachwerte und/oder das Eigentum beeinträchtigt sind. Handelt es sich bei der unmittelbaren Eigentumsbeeinträchtigung um eine (gegebenenfalls sogar un-)mittelbare Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leben, Körper oder Fortbewegungsfreiheit594 oder der Funktionalität und Einrichtung staatlicher Institutionen595, so ist auf die Ausführungen der beiden vorgehenden Punkte zu verweisen. Eine Beeinträchtigung von Sachwert- und/oder Eigentumspositionen, die keinerlei physische Wirkung auf das Leben oder den Körper des Eigentümers oder auf die Funktionalität und Einrichtung staatlicher Institutionen hat, ist selbst in der denkbarsten intensivsten Form wohl nicht relevant genug, um die zweite, „qualifizierte“ Relevanzschwelle der militärischen Bewaffnung zu erreichen.596 (6) Allgemeines Persönlichkeitsrecht bzw. informationelle Selbstbestimmung Auch beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder bei der informationellen Selbstbestimmung erscheinen indes gravierende Verstöße denkbar. Soweit diese jedoch ohne (un-)mittelbare körperliche Zwangswirkung vorliegen, erscheint auch hier kein Relevanzniveau erreichbar, das sich vergleichbar zu klassischen physischen Zwangswirkungen auswirkt.597 Insbesondere im Hinblick auf einen gesellschaftlichen Wandel zur Informationsgesellschaft und zum Stellenwert von Daten ist hierbei ein Wandel der gesellschaftlichen Prioritäten in der Zukunft denkbar, wenngleich hierfür aus aktueller Perspektive wohl noch eine geraume Steigerung des Intensitätspotentials notwendig erscheint. (7) Weitere Rechtsgüter Bezogen auf sämtliche weiteren Rechtsgüter598 scheint hierbei kein Rechtsgut vorzuliegen, welches in seiner fiktiven intensivsten Beeinträchtigung das Relevanzniveau erreichen kann. 593

Ebenso: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15. 594 Bspw. durch Entzug von Nahrung und Hungersnöten, fehlende Medikamente, fehlenden Seuchenschutz, unmittelbare Beschädigung von technischen Lebenserhaltungsgeräten oder Beschädigungen von technischen Geräten, wodurch Personen eingesperrt werden. 595 Bspw. Inbrandsetzen des Hauptgebäudes des Parlamentes, Sprengen logistisch wichtiger Straßenabschnitte. 596 Wohl ebenso: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 38 stellt dagegen auf eine Destabilisierung des Staatssystems ab und hält dies bei Beeinträchtigung der zentralen Energieversorgung für möglich; auch hierbei scheint jedoch mindestens mittelbar eine Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leib und Leben notwendig zu sein. 597 Vgl. Keber/Roguski, Ius ad bellum electronicum?, AVR 49 (2011), 399 (408). 598 Allgemeinpolitische Interessen, Sicherheit, Wohlstand, Frieden, sichere Handelsströme, Absatzmärkte oder Menschenrechte rufen keine Verteidigungslage hervor; Hillgruber, in:

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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(8) Folgebetrachtung Im Rahmen dessen lassen sich aus aktuellen gesellschaftlichen Wertungsgesichtspunkten alle Rechtsgüter außer Leben und Körper hinsichtlich der zweiten, qualifizierten Relevanzschwelle des Merkmals der Bewaffnung ausgliedern. Nur wenn das Leben oder der Körper von Personen innerhalb deutschen Territoriums oder von deutschen Staatsangehörigen betroffen ist, kann ein ausreichender Relevanzgrad und somit das Merkmal der Bewaffnung erreicht werden. Solch eine Beeinträchtigung kann dabei auch mittelbar durch Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter eintreten. Ausschlaggebend für die Überschreitung der Relevanzschwelle und Bestimmung der gesamtstaatlichen Auswirkungen und gesellschaftlicher Intensität ist lediglich die Beeinträchtigung des Lebens und des Körpers. c) Beachtung der Vulnerabilität Durch die notwendige Einzelfallbetrachtung und die entsprechenden Relevanz der Angriffsauswirkung ist ein verobjektivierter Maßstab allein bezogen auf einen Angreifer nicht möglich. Für die Einzelfallbetrachtung kommt es zwangsweise auch auf die Perspektive des Opfers und hierbei auf dessen Verletzlichkeit an.599 Dies wird im Folgenden unter dem Schlagwort der Vulnerabilität beschrieben. Eine Gefahr setzt sich aus den Merkmalen des Schadensumfangs und der Eintrittswahrscheinlichkeit zusammen.600 Hierdurch bestimmt sich die Intensität.601 Hinsichtlich eines besonders verletzlichen Angegriffenen kann, durch das geringere Schutzniveau des Angegriffenen, ein entsprechender Schadensumfang wahrscheinlicher eintreten. Ein Angriff auf vulnerablere Zivile kann dadurch schneller zur Überschreitung der Relevanzschwelle der militärischen Bewaffnung führen. Dagegen können Angriffe auf besonders gut geschützte, somit geringer vulnerable, Angegriffene dazu führen, dass eine entsprechend hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit nicht vorliegt. Dies kann zu einer nicht ausreichenden Gefahr und zu einer Unbeachtlichkeit des Angriffs im Rahmen des Verteidigungsbegriffs mangels ausreichender Relevanz zur Annahme

Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30a; Depenheuer, in: Maunz/ Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 47; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 18. 599 Ebenso Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 4, nach dem eine Bestimmung des Verteidigungsbegriffs „bedrohungsadäquat von der Opferseite aus mit Blick auf drohende qualitative wie quantitative Verheerungspotentiale“ notwendig sei. 600 Exemplarisch: Meyer, Subjektiver oder objektiver Gefahrenbegriff, „Gefahrenverdacht“ und Vorfeldbefugnisse, JA 2017, 1259. 601 Vgl. Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 20.

226

Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

einer militärischen Bewaffnung führen. Denn im gefahrenabwehrrechtlichen Bereich bestimmt sich die Gefahr durch die „Je-desto“-Formel.602 Wenn sich somit ein Ziviler, bspw. im Cyberbereich, durch entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen ausreichend und umfänglich schützt, so verringert dies sowohl den potentiellen Schadensumfang als auch die Eintrittswahrscheinlichkeit. Eine Gefahr kann dadurch möglicherweise nicht bestehen. Schützt sich der jeweilige Zivile weniger umfangreich, so führt dies jedoch nicht zu einem Verlust seines Schutzanspruchs und für den Staat zu einem Entfall des Auftrags zur Verteidigung.603 Ausschlaggebendes Kriterium für die Gefahrenschwelle ist die Intensität – die potentiellen Auswirkungen des Angriffs.604 Als Ausfluss der gefahrenabwehrrechtlichen Norm ist dies dessen zentraler Aspekt. Nebenaspekte, wie Vorsatz, (Mit-) Verschulden oder Ähnliches, sind dadurch unbeachtlich.605 d) Überschreiten der entsprechenden Intensitätsschwelle Abstraktes Schutzgut ist, wie dargestellt, der Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Ein Angriff muss somit in der Lage sein, dieses abstrakte Schutzgut hinreichend genug zu gefährden.606 Als qualifizierte Schwelle muss diese deutlich über der hinreichenden De-minimis-Schwelle des Angriffserfolgs liegen. Notwendig bleiben eine schwerwiegende gesellschaftliche 602 603

Rn. 4.

Vgl. Fn. 294; Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1. a). Vgl. Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG,

604 Exemplarisch: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 13, 15; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 52, 58; dies greift auch eine technische Bestimmung des Merkmals der Bewaffnung durch die Gefährlichkeitsvermutung auf (vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 1. c)). Besteht gerade keine Vulnerabilität hinsichtlich eines in der Anlage 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes genannten Mittels, so widerlegt sich die Vermutung einer Gefährlichkeit, da durch fehlende Vulnerabilität keine ausreichende Eintrittswahrscheinlichkeit oder kein ausreichender Schadensumfang bestehen. Exemplarisch sei hier auf das in Fn. 560 erwähnte Beispiel zurückgegriffen. Die Beherrschbarkeit eines Virusinfektes durch das deutsche Gesundheitssystem beschreibt verallgemeinert die Vulnerabilität des deutschen Staates gegenüber dem konkreten Erreger. Diese Vulnerabilität ist fluktuativ und stark abhängig von den Umständen des Einzelfalls, wie bspw. dem Umfang einer Kontaminierung und dem Umfang einer möglichen Pandemie. Ebenso führt eine bspw. Immunisierung oder Heilung eines entsprechend in Anlage 1 Kriegswaffenkontrollgesetz Teil A. 3.1. aufgeführten Erregers dogmatisch zu einer kompletten Vulnerabilität gegenüber diesem und einer dauerhaften Widerlegung der Vermutung einer durch Aufnahme in die Anlage 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes indizierten Gefährlichkeit. 605 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. III. 2. c); a. A. Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See, S. 147; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 48; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 13. 606 Vgl. Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 247, der hierbei auf das „Prinzip der Wirkungsäquivalenz“ abstellt.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Auswirkung und eine hohe gesellschaftliche Intensität.607 Insbesondere Aspekte, wie eine notwendige Quantität von betroffenen Menschenleben, bestehen daher rechtlich nicht. Praktisch scheint jedoch nach aktuellem Gesellschaftsverständnis wohl eine Tötung einzelner deutscher Staatsangehöriger in der Regel nicht derart intensive gesellschaftliche Auswirkungen hervorzurufen, um eine schwerwiegende gesellschaftliche Auswirkung zu begründen. Eine verallgemeinernde Bestimmung entzieht sich hierbei den im Rahmen dieser Arbeit darstellbaren Möglichkeiten. Einzig die Begrenzung auf bestimmte Rechtsgüter bleibt möglich. Sind die Rechtsgüter Funktionalität von grundlegenden staatlichen Institutionen, sowie Leben und körperliche Unversehrtheit betroffen, kommt eine Überschreitung generell in Frage.608 Darüber hinaus wird eine Bestimmung elementar durch die verschiedenen Umstände des Einzelfalls geprägt. Nur durch geringfügige Modulation einzelner Teilaspekte können sich eine gesamtstaatliche Auswirkung und eine gesellschaftliche Intensität dramatisch verschieben. Hierbei sind gesellschaftliche Modifikationen zu beachten.609 Eine primäre Festlegung dieser Schwelle verbleibt innerhalb der Ermessenkompetenz des/der BMVg, da diese/-r zunächst die Entscheidungskompetenz zur Vornahme einer Verteidigungshandlung und somit inzident die Entscheidung über das Vorliegen einer Verteidigungslage, somit auch die Entscheidungskompetenz über das Erreichen einer Intensitätsschwelle der militärischen Bewaffnung, innehat.610 Abschließend lässt sich bei der Überschreitung der entsprechenden Intensitätsschwelle nur festhalten, dass diese höhergradig ist und ferner die Betroffenheit der Rechtsgüter Leben und Körper sowie eine schwerwiegende Intensität voraussetzt. Hinsichtlich einer konkreten Bestimmung kommt es wesentlich auf den Einzelfall an, sodass eine generalisierende Darstellung nicht möglich ist. e) Kumulation mehrerer Angriffe („Nadelstichtaktik“) Anders als bei der Bestimmung der hinreichenden De-minimis-Schwelle, somit ob ein Angriff vorliegt, kann sich bei der Bestimmung der qualifizierten Gefahrenschwelle ein kumulatives Auftreten von Angriffen auswirken.611 607

Vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 13, 15. 608 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. b) cc) (3). 609 Vgl. zur Möglichkeit der Veränderung der Bewertung von Sicherheitslagen: Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (393). 610 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 1. 611 A. A. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15; Marxen, Verfassungsrechtliche Regeln für Cyberoperationen der Bundeswehr, JZ 2017, 543 (548).

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Meist unter dem Aspekt der „Nadelstichtaktik“ wird dabei die Kumulation vieler nominell gering intensiver Angriffe beschrieben.612 Ziel dieses Setzens kleinerer, iterativer Angriffe ist, durch die Vielzahl der nominell gering intensiven Angriffe dem Angegriffenen durch Zermürbung zu schaden. Betrachtet man die Kumulation verschiedener nominell gering intensiver Angriffe aus dem Blickpunkt der Gefahrenabwehr und unter dem Aspekt der Vulnerabilität, so erübrigt sich eine Problematik. Ziel und anvisierte Auswirkung einer entsprechenden Kumulation bzw. „Nadelstichtaktik“ ist die Zermürbung. Dies bedeutet, dass durch die ersten gering intensiven Angriffe der Angegriffene möglicherweise nicht derart intensiv betroffen ist, wodurch keine entsprechende Gefahrenrelevanz für das Merkmal der Bewaffnung erreicht wird. Jedoch sind viele Angriffe nicht als ein Gesamtangriff zu verstehen, sondern als jeweils einzelne Angriffe bzw. Gefährdungen.613 Dadurch, dass der Betroffene sich indes bereits einer Vielzahl gering intensiver Angriffe ausgesetzt sah, sinkt seine Verteidigungsfähigkeit. Dies ist letztlich bezwecktes Ziel der „Nadelstichangriffe“. Hierdurch steigt die Verletzlichkeit gegenüber weiteren vermeintlich gering intensiven Angriffen. Vermeintlich gering intensiv sind diese, da wegen der durch die vorherigen Angriffe hervorgerufenen Verletzlichkeit die weiteren Folgeangriffe mitnichten gering intensive Auswirkung haben. Die Vulnerabilität der deutschen Gesellschaft bestimmt sich nicht anhand eines qualitativen Fixpunktes, sondern als gefahrenabwehrrechtliche Norm fluktuativ anhand der jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadensumfangs. Durch die gesteigerte Vulnerabilität des Angegriffenen kann den vermeintlich gering intensiven Angriffen eine andere Intensitätsbewertung zukommen. Während ein fiktiv erster Angriff möglicherweise als gering intensiv zu klassifizieren ist, könnte ein exakt gleich gelagerter, jedoch bspw. zehnter Angriff auf den gleichen Angegriffenen die ausreichende Intensität für ein Merkmal der militärischen Bewaffnung erfüllen. Indem durch die neun vorhergehenden Angriffe die Vulnerabilität des Angegriffenen gesteigert wurde, modifiziert sich die Intensitätsbewertung. Zwei von der Handlungsweise identische Angriffe auf einen identischen Angegriffenen können beim Angegriffenen unterschiedliche Auswirkungen und dadurch unterschiedliche Gefahrenrelevanzen haben.614 Hierdurch ist eine Betrachtung mehrerer kumulativer Angriffe als ein Gesamtangriff nicht notwendig. Es erübrigen sich entsprechend auch Kriterien, die einen Gesamtzusammenhang versuchen herzustellen bzw. ihn zu begrenzen.615 Jeder der kumulativen Angriffe sorgt für eine gefahrenrechtliche Einzelfallbetrachtung, da die Gefährdungslage fluktuativ ist und sich jederzeit verändern kann. 612

Vgl. exemplarisch: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58. 613 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. VI. 614 Vgl. Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 4. 615 Vgl. Dittmar, Angriffe auf Computernetzwerke, S. 156.

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Die geänderten Umstände gesamtstaatlicher Auswirkung und gesellschaftlicher Intensität können trotz gleicher bzw. ähnlicher Ausgestaltung unterschiedliche Bewertungsergebnisse nach sich ziehen. 3. Zwischenergebnis • Das Merkmal der Bewaffnung ist untechnisch zu verstehen. Es handelt sich hierbei um eine zweite Relevanzschwelle. • Das untechnische Verständnis inkludiert ein technisches Verständnis. Dies bemisst sich durch den Begriff „Zur Kriegsführung bestimmte Waffen“ in Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG und die dynamische Verweisung in Art. 26 Abs. 2 S. 2 GG auf das Kriegswaffenkontrollgesetz und im Wesentlichen nach der Anlage 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes. Werden diese aufgeführten Mittel bzw. Gegenstände verwendet, handelt es sich vermutlich um Kriegswaffen und um eine militärische Bewaffnung. Die Vermutung lässt sich insbesondere bei fehlender Vulnerabilität widerlegen. • Die zweite Relevanzschwelle, welche einen militärischen Angreifer voraussetzt, stellt höhere Anforderungen als die Relevanzschwelle des Angriffserfolgs und ist daher gegenüber der hinreichenden De-minimis-Schwelle als qualifizierte Relevanzschwelle zu verstehen. • Die Relevanzschwelle der Bewaffnung ist nicht gleichzusetzen mit dem Merkmal der Waffengewalt nach Art. 115a Abs. 1 S. 1, welches auch untechnisch und als Relevanzschwelle zu verstehen ist. Diese dritte, besonders qualifizierte Relevanzschwelle ist als noch höher einzuordnen als die zweite, qualifizierte Relevanzschwelle. • Die zweite, „qualifizierte“ Relevanzschwelle bezieht sich ebenso wie eine hinreichende De-minimis-Schwelle auf den Verteidigungsschutz des Bestandes des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Entsprechend sind abstrakt grundsätzlich auch alle Rechtsgüter innerhalb deutschen Hoheitsgebietes und von deutschen Staatsangehörigen von der Schutzwirkung erfasst. Hierbei bestehen jedoch deutlich höhere Anforderungen an die gesamtstaatliche Auswirkung und eine gesellschaftliche Intensität. • Konkretisiert scheinen jedoch nach aktuellen gesellschaftlichen Wertungsgesichtspunkten nur Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit grundlegender staatlicher Institutionen und des Lebens, des Körpers sowie der Fortbewegungsfreiheit von Personen innerhalb deutschen Hoheitsgebietes oder von deutschen Staatsangehörigen als Sachverhalt derart relevant, um diese zweite, qualifizierte Relevanzschwelle zu erreichen. Diese aktuelle gesellschaftliche Wertung bleibt offen für Veränderungen. • Bei der Bestimmung der Relevanzschwelle ist aus dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr kein starrer, sondern ein fluktuativer Einzelfallmaßstab anzuwen-

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den. Hierbei spielt die Vulnerabilität des jeweils Angegriffenen bei der Relevanzbestimmung eine enorme Rolle. Ein verletzlicherer Angegriffener begründet eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder einen größeren Schadensumfang als ein weniger verletzlicher Angegriffener. Hierdurch modifiziert sich eine Gefahr je nach Einzelfallumständen und lässt sich nicht abschließend grundlegend darstellen. • Eine Kumulation von verschiedenen Angriffen führt nicht zu einer Gesamtbewertung als ein Angriff. Die Angriffe sind jeweils hinsichtlich ihrer Intensität einzeln zu betrachten. Hierbei ist jedoch insbesondere die Veränderung der Vulnerabilität des Angegriffenen zu berücksichtigen. Durch vorgelagerte geringer intensive Angriffe kann sich die Verletzlichkeit steigern, sodass ein ähnlich gelagerter Angriff durch die höhere Vulnerabilität des Angegriffenen höhere Relevanz aufweist.

III. Das Merkmal der Organisationsstruktur 1. Konkretisierung durch Art. 65a GG Das Merkmal der Organisationsstruktur folgt, wie dargestellt, aus einem Rückschluss sowohl aus Art. 87a Abs. 4 GG als auch aus Art. 65a GG. Für die deutschen Streitkräfte enthält Art. 65a GG mit dem Begriff der „Befehls- und Kommandogewalt“ eine Konkretisierung des Merkmals der Organisationsstruktur.616 Beim militärischen Angegriffenen ist somit eine Organisationsstruktur notwendig, die auf Befehl und Kommando i. S. d. Art. 65a GG beruht und deren Umsetzung gewährleistet. Militärischer Angegriffener und militärischer Angreifer sind grundsätzlich von ihren Anforderungsmerkmalen her identisch zu verstehen, da hinsichtlich des militärischen Personenstatus nicht zwischen Angreifer und Angegriffenem unterschieden wird. Folglich lässt sich das Organisationsstrukturmerkmal eines militärischen Angegriffenen auf einen militärischen Angreifer übertragen. Hierbei ist jedoch Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG zu beachten, der von einem „organisierten Angreifer“ spricht, ohne explizit auf Befehl und/oder Kommando abzustellen. Bei einem militärischen Angreifer ist es somit notwendig, dass dieser eine Organisationsstruktur aufweist, die dem grundlegendsten Merkmal einer auf Befehl und Kommando beruhenden Hierarchiekette hinreichend genügt.617 Grundlegender Gehalt der in Art. 65a GG beschriebenen Organisationsstruktur ist, dass entweder über die Ausführung („Wie“) oder über die Vornahme („Ob“) einer

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Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65a GG, Rn. 8; vertiefend zum Begriff der Befehls- und Kommandogewalt: Erhardt, Die Befehls- und Kommandogewalt. 617 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 169.

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Angriffshandlung durch eine staatliche Stelle entschieden wird.618 Die Entscheidung über die Vornahme bzw. über die Ausführung eines militärischen Einsatzes ermöglicht eine Rückführung der Handlungsverantwortung hin zu staatlichen Entscheidungsträgern der Gubernative.619 Der Umfang der Befehls- und Kommandogewalt nach Art. 65a GG muss somit derart ausgestaltet sein muss, dass die Verantwortung für das Handeln der Streitkräfte auf den deutschen Staat rückführbar ist.620 Angriffe, die außerhalb einer solchen, für fremde Staaten vergleichbaren Befehlsund Kommandokette erfolgen, sind dementsprechend nicht als „militärisch“ zu qualifizieren.621 2. Bedeutung für den militärischen Angreifer Art. 65a GG stellt hierbei mit dem Begriff der „Befehls- und Kommandogewalt“ konkrete Anforderungen an die deutschen Streitkräfte – den in diesem Kontext „militärischen Angegriffenen“. Da die Merkmale des militärischen Personenstatus synonym für den militärischen Angegriffenen und Angreifer gelten, sind die Erwägungen aus Art. 65a GG auf einen militärischen Angreifer übertragbar. Dies ergibt sich zudem aus einem Vergleich zu Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG, der von einer Modalität eines organisierten Angreifers spricht. Für einen begrifflichen Gleichklang müssen dabei lediglich die übertragbaren Quintessenzen vorliegen. Diese sind eine hierarchische Entscheidungskette und -gewalt über die Ausführung und/oder Vornahme einer Angriffshandlung sowie eine zumindest mittelbare Rückführbarkeit auf einen Staat. Für eine militärische Angriffshandlung bedeutet dies konkret, dass die Entscheidung über die Vornahme und Ausführung des konkreten militärischen Angriffs zumindest mittelbar auf Entscheidungsträger der je-

618 Vgl. BVerfGE 90, 286 (381 ff.); BVerfGE 140, 160; Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 211 f.; Epping, in: Maunz/Dürig/ Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 42; Busse, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 5. 619 Schröder, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 6. 620 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 2; Schröder, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 6. 621 Ebenso würde es sich aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht um einen Angriff des deutschen Staates handeln, wenn sich ein Soldat/eine Soldatin abtrünnig verhält und entgegen seines/ihres Befehls und Kommandos einen fremden Staatsbürger oder fremdstaatliche Institutionen angreift. Zudem würde es sich nicht um einen organisierten Angriff handeln, wenn ein fremdstaatlicher abtrünniger Soldat oder eine solche Soldatin von Art. 87a GG geschützte Rechtsgüter angreift. In solch einem Szenario würde sich jedoch eine Einsatzlage aus Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG aufdrängen, sofern der oder die Angreifende Mittel verwendet, die nur durch deutsche Streitkräfte abzuwehren sind.

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weiligen staatlichen Gubernative rückführbar sein muss.622 Dabei sind „[a]n den Organisationsgrad […] [eines militärischen Angreifers] keine hohen Hürden zu stellen“.623 Dadurch verbleibt als einzige notwendige Anforderung an den Organisationsgrad, dass es sich bei der Angriffshandlung nicht um eine solche eines unorganisierten Einzeltäters/einer unorganisierten Einzeltäterin handelt, sondern die Angriffshandlung aus einem Geflecht hierarchischer Führung folgt und der Angreifende diesem Geflecht untersteht und entsprechende Befehle bzw. Kommandos mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausführt. 3. Modifizierung der Angriffshandlung Durch das Merkmal der Organisationsstruktur wird eine besondere Anforderung an die Angriffshandlung begründet. Während das Merkmal der Bewaffnung eine besondere Anforderung an einen Angriffserfolg stellt, begründet das Merkmal der Organisationsstruktur besondere Anforderungen an eine Angriffshandlung. 4. Zwischenergebnis • Der Angreifende muss innerhalb eines Geflechts hierarchischer militärischer Führung handeln. Dieser muss Befehle bzw. Kommandos mit entsprechender Wahrscheinlichkeit umsetzen, sodass es sich nicht um einen unorganisierten Einzeltäter/eine unorganisierte Einzeltäterin handeln darf. • Durch das Merkmal der Organisationsstruktur wird die Angriffshandlung modifiziert.

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So gilt eine Söldnertruppe, die Angriffe verübt, als organisiert, sofern es sich bei dieser um keine unorganisierte Gruppe von Einzeltätern handelt, sondern deren Angriffsrichtung durch fremde Staaten steuerbar ist. Hierbei reicht es aus, dass die generelle Vornahme („Ob“) einer Angriffshandlung durch einen fremden Staat bestimmt worden ist, auch wenn die militärisch-operative Ausführung („Wie“) in der Entscheidungsgewalt der Söldner verbleibt. 623 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 169; eine Mittelbarkeit ist bspw. gegeben, wenn die Entscheidung über die Vornahme oder die Ausführung einem fremden Staat zurechenbar ist (vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. IV. 2.). Eine Zurechnung lässt sich auch annehmen, wenn die Vornahme einer Angriffshandlung durch fremdstaatliche außen-, innen- oder wirtschaftspolitische Handlungen hervorgerufen wird.

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IV. Das Merkmal der (Fremd-)Staatlichkeit 1. Notwendigkeit einer Zwischenstaatlichkeit Als drittes, notwendiges Merkmal ergibt sich aus einer Symmetrie des militärischen Angegriffenen zum militärischen Angreifer und auf Grund einer Abgrenzung der Streitkräfte zur Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz) eine vorzugswürdige Fremdstaatlichkeit.624 Dem Begriff des militärischen Angegriffenen, sprich den deutschen Streitkräften, ist eine Staatlichkeit immanent, somit ebenfalls dem militärischen Angreifer.625 Ebenso verdeutlichen historische Materialien einen äußeren Gefahrenbezug, der gepaart mit einer Notwendigkeit einer Abgrenzung zur Bundespolizei eine Fremdstaatlichkeit verdeutlicht.626 a) Staatlichkeit durch Zurechnung der Handlung Das Merkmal der (Fremd-)Staatlichkeit beschreibt die Voraussetzung, dass militärische Kampfhandlungen rechtlich einem zwischenstaatlichen Bereich zuzuordnen sind.627 Hierdurch wird die Existenz eines verfassungsrechtlichen Zurechnungsmaßstabes begründet.628 Dieser wehrverfassungsrechtliche Zurechnungsmaßstab konkretisiert, dass es sich bei den Kampfhandlungen um zwischenstaatliche Kampfhandlungen handelt.629 Hinsichtlich des militärischen Angreifers bedeutet 624

Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3. f); ebenso: Wilkesmann, Terroristische Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs, NVwZ 2002, 1316 (1320). 625 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3. f) dd). 626 Ebd. 627 Ebenso: Wolff, Der verfassungsrechtliche Rahmen für den Einsatz der Bundeswehr im lnnern zur Terrorismusbekämpfung und zum Schutz ziviler Objekte, ThürVBl. 2003, 176; vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; im völkerrechtlichen Bereich: Stein/Marauhn, Völkerrechtliche Aspekte von Informationsoperationen, ZaöRV 60 (2000), 1 (11). 628 Vgl. Krieger, Krieg gegen anonymous, AVR 50 (2012), 1. 629 Bspw.: Fassbender, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XI, § 244, Rn. 52; Wolff, in: Hömig/Wolff/Seifert u. a. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 3; Thiele, Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, S. 298; Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286; Droege, Die Zweifel des Bundespräsidenten, NZWehrr 2005, 199 (206); Hase, Das Luftsicherheitsgesetz: Abschuss von Flugzeugen als „Hilfe bei einem Unglücksfall“?, DÖV 2006, 213 (214 ff.); Linke, Zur Rolle des Art. 35 GG in dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben, NZWehrr 2004, 115 ff.; Linke, Innere Sicherheit durch die Bundeswehr?, AöR 129 (2004), 489 (514 f.); Schmidt-Radefeldt, Innere Sicherheit durch Streitkräfte, UBWV 2006, 161 (163); Wilkesmann, Terroristische Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs, NVwZ 2002, 1316 (1320). A. A. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 95, m. V. a. Hillgruber/Hoffmann, NWVBl. 2004, 176 (177); Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 32; ders., Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland, AöR 132 (2007), 44 (64); Schoch, Verfassungsrechtliche

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

dies, dass die Angriffshandlung einem fremden Staat zugerechnet werden muss.630 Ob die Angriffshandlung im Inland oder im Ausland vorgenommen wird, kann dahinstehen, sofern eine Zurechnung zu einem fremden Staat besteht.631 b) Angriffshandlung als Bezugspunkt Durch das Merkmal der Staatlichkeit besteht, in Kombination mit dem Merkmal der Staatlichkeit, eine besondere Voraussetzung für eine Angriffshandlung. c) Abstraktheit des Zurechnungsadressaten Die Auslegung des Verteidigungsbegriffs ergibt zwar das Erfordernis der (Zwischen-)Staatlichkeit der Angriffshandlung. Darüber hinaus lässt sich dem jedoch keine notwendige Konkretisierung des angreifenden Staates entnehmen.632 Im Rahmen der Verteidigungslage ist daher lediglich Voraussetzung, dass die Angriffshandlung irgendeinem Staat zurechenbar ist.633 Die Identität des konkreten Staates kann bei der Feststellung der Verteidigungslage (noch) dahinstehen, da der Verteidigungsbegriff Verteidigungshandlungen gegen alle Staaten zulässt.634 Eine Ungewissheit über den konkret handelnden Staat wirkt sich somit nicht auf das genuine Bestehen einer Verteidigungslage aus. Auswirkungen hat dies vielmehr Anforderungen an den Einsatz der Streitkräfte im Inland, JURA 2013, 255 (262); Krings/ Burkiczak, Bedingt abwehrbereit?, DÖV 2002, 501 (511); Walus, Die Verteidigungs- und Zivilschutzkompetenz des Bundes bei auswärtigen Cyber-Angriffen gegen kritische Infrastrukturen, NZWehrr 2014, 1 (7). 630 Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 127 ff.; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Rehage, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, S. 76 ff.; vgl. Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrr 2003, 101 (114). 631 Exemplarisch: Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrr 2003, 101 (114), m. V. a.: Krings/Burkiczak, Bedingt abwehrbereit?, DÖV 2002, 501 (502); Schmidt-Jortzig, Verfassungsänderung für Bundeswehreinsätze im Innern Deutschlands?, DÖV 2002, 773 (777). 632 Als internationaler Zwischenfall und somit Angriff eines fremden Staates würde sich letztlich auch ein Angriffsszenario einer internationalen Organisation darstellen. Grundsätzlich unterhalten internationale Organisationen keine militärischen Truppen oder sonstiges Schädigungspotential, sondern mandatieren bspw. als VN die Streitkräfte fremder Staaten. Ausnahmen hiervon werden aktuell jedoch diskutiert, so etwa hinsichtlich einer Streitkraft der Europäischen Union. Ein Angriff von Streitkräften internationaler Organisationen würde auch als fremdstaatlicher Angriff zu verstehen sein. 633 Bei Betroffenheit des militärischen Angegriffenen liegt das Merkmal der Staatlichkeit zwangsläufig vor, da die deutschen Streitkräfte nur als staatliche bestehen und somit bei deren Betroffenheit stets der Staatlichkeitsaspekt des Verteidigungsbegriffs gewahrt wird. 634 Diese Unterscheidung von Gefahrenlage und Maßnahmenadressierung lässt wiederum eine Parallele zum polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zu.

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auf die Bestimmung des tauglichen Adressaten der Verteidigungshandlung. Unter Anwendung des Actus-contrarius-Gedankens ist primärer Adressat einer Verteidigungshandlung der Angreifende.635 Sofern jedoch unklar ist, wer dies ist, verbleibt allenfalls die Möglichkeit, gegen Dritte Verteidigungshandlungen vorzunehmen. Solche Verteidigungshandlungen unterliegen jedoch besonderen Einschränkungen.636 Auf der Tatbestandsebene der Verteidigungslage ist die Zurechnung zu einem konkreten Staat noch nicht relevant. Ausreichend ist die Zurechnung zu irgendeinem Staat. 2. Zurechnung durch hierarchisch höchste staatliche Stelle der Organisationsstruktur a) Art. 65a GG als (teilweiser) Zurechnungsmaßstab Indem nach Art. 65a GG die Streitkräfte das Organisationsstrukturelement von Befehl und Kommando aufweisen müssen, wird eine Rückführbarkeit einer Verteidigungshandlung grundsätzlich zum/zur BMVg oder ausnahmsweise im Verteidigungsfall nach Art. 115b GG zum Bundeskanzler/zur Bundeskanzlerin gewährleistet.637 Da am Ende der Befehls- und Kommandogewalt eine (bundes-)staatliche Entscheidungsstelle steht, wird so eine lückenlose Rückführbarkeit und ein dem deutschen Staat zuzuordnender Zurechnungsmaßstab begründet.638 Art. 65a GG konstituiert damit im militärischen Bereich einen verfassungsrechtlichen Zurechnungsmaßstab.639 Die Staatlichkeit des militärischen Angegriffenen besteht jedenfalls dann, weil dessen Verteidigungshandlungen durch das Merkmal der Organisationsstruktur auf ein staatliches Organ in der Hierarchie – auf den/die BMVg bzw. den/die Bundeskanzler/-in – zurückgeführt werden können. Hierbei ist im Rahmen des Art. 65a GG und nach dem Gesamtcharakter der Wehrverfassung sowohl die Entscheidung über die Vornahme, welche entweder bei dem/der BMVg oder auf 635

Vgl. Teil 3 Kapitel 3 A. IV. Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. IV. 1. a). 637 Oldiges/Brinktrine, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65a GG, Rn. 14; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 10. 638 Schröder, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 6; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 27. 639 Vgl. Oldiges/Brinktrine, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65a GG, Rn. 14, 22, die von „parlamentarisch-demokratischer Verantwortung“ oder nur „parlamentarischer Verantwortung“ sprechen. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 52, nach dem „keine der parlamentarischen Kontrolle entzogenen Bereiche für die Führung der Streitkräfte“ bestehen dürfen, denn „Art. 65a zielt nämlich auf eine umfassende Verantwortung und Kontrollmöglichkeit für alle Soldaten.“ Hierdurch soll für alle Handlungen deutscher Soldaten innerhalb der Organisationsstruktur des Art. 65a GG staatliche Verantwortung übernommen werden. 636

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Grund des Legislativvorbehalts beim Bundestag und Bundesrat liegt, als auch die Entscheidung über die Ausführung der jeweiligen Verteidigungshandlung, welche bei dem/der BMVg liegt, staatlich.640 b) Übertragung auf den militärischen Angreifer Das Erfordernis der Rückführbarkeit der Verteidigungshandlung des militärischen Angegriffenen zum Staat nach Art. 65a GG lässt sich auf den „militärischen Angreifer“ übertragen, da der Begriff des „militärischen“ in Bezug auf den „Angegriffenen“ und den „Angreifer“ synonym zu verstehen ist.641 Analog zur staatlichen Rückführbarkeit einer militärischen Verteidigungshandlung bedeutet dies, dass eine militärische Angriffshandlung jedenfalls dann staatlich ist, wenn an hierarchisch höchster Stelle eine staatliche Einrichtung steht. Dies ist der Fall, wenn die Angriffshandlung innerhalb einer hierarchischen Befehls- und Kommandostruktur erfolgt, die bei einer (fremd-)staatlichen Stelle endet. Entscheidend ist hierbei, dass der Gesamtcharakter des Art. 65a GG gewahrt wird. Durch die Rückführbarkeit nach Art. 65a GG auf eine dem Deutschen Bundestag verantwortliche Stelle wird die Vornahme von Streitkräfteeinsätzen unter staatliche Entscheidungsgewalt gestellt. Der Regelungsgehalt des Art. 65a GG erschöpft sich daher nicht lediglich darin, dass zumindest teilweise die operationelle Seite der Entscheidung eines Streitkräfteeinsatzes in staatlicher Hand – bei dem/der BMVg oder einer vergleichbaren Institution – liegt. Wesentlich ist die sich aus dem Gesamtcharakter der Wehrverfassung – insbesondere dem konstitutiven Legislativvorbehalt – ergebende und in Art. 65a GG ausgedrückte staatliche „Verantwortlichkeit“ für das Handeln der Soldaten.642 Hierdurch wird verdeutlicht, dass eine staatliche Zurechnung i. S. d. Art. 65a GG dann besteht, wenn im Rahmen einer Befehls- und Kommandokette die Entscheidung über die Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes zumindest teilweise staatlicher Entscheidungsgewalt unterliegt. Entsprechend bedeutet dies für den militärischen Angreifer, dass dieser jedenfalls dann als staatlich gilt, wenn nach seiner Organisationsstruktur die Entscheidung über die Vornahme („Ob“) des militärischen Angriffs zumindest teilweise in staatlicher Hand lag bzw. liegt. Auch wenn eine operationelle Entscheidungsbefugnis aus der Hand gegeben wird, liegt das Merkmal der Staatlichkeit vor, solange die dem Angriff zu Grunde liegende Entscheidung über dessen Vornahme zumindest teilweise bei einer (fremd-)staatlichen Institution liegt oder durch diese getroffen wird.643 Insbesondere wenn die hierarchisch höchste Stelle nach der Organisationsstruktur eine 640

Vgl. Teil 3 Kapitel 2 C. Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. III. 4. 642 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 52; Oldiges/Brinktrine, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65a GG, Rn. 14, 22. 643 Ebenso: Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrr 2003, 101 (114). 641

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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staatliche Institution ist, ist dies und damit eine Staatlichkeit des Angriffs anzunehmen. Ebenfalls ist von einem staatlichen Angriff auszugehen, wenn sich die staatliche Entscheidungsgewalt allein auf die operationelle Seite des Angriffs bezieht.644 Denn die operationelle Entscheidung über einen Angriff („Wie“) setzt eine Entscheidung über die Vornahme eines Angriffs („Ob“) voraus. Die operationelle Ausführung des Angriffs könnte hierbei jederzeit derart wahrgenommen und der Angriff derart modelliert werden, dass dieser wirkungslos ist und dadurch letztlich nicht vorgenommen wird. In der operationellen Ausführung(sentscheidung) eines Angriffs liegt zwangsweise eine Annahme der Entscheidung über die Vornahme eines Angriffs. Auch in diesem Fall läge der Entscheidung über die operationelle Ausführung des Angriffs implizit eine Entscheidung über dessen Vornahme zu Grunde.

3. Zurechnung ohne höchste staatliche Befehls- und Kommandostelle Daneben besteht die Möglichkeit, dass auch Angriffe, bei denen keine staatliche Institution über die Vornahme eines Angriffs entscheidet, als staatliche Angriffe gelten können. Da für einen militärischen Personenbezug das Merkmal der Organisationsstruktur kumulativ neben dem Merkmal der Staatlichkeit vorliegen muss, ist eine Konstellation einer staatlichen Zurechnung ohne existierende Organisationsstruktur im Rahmen des Verteidigungsbegriffs nicht denkbar. Eine Zurechnung ohne höchste staatliche Befehls- und Kommandostelle würde bedeuten, dass im Rahmen der notwendigen Organisationsstruktur keinerlei staatliche Entscheidungsträger bestehen. Dies bedeutet, dass der Zurechnungsmaßstab im militärischen Bereich zwar grundsätzlich zumindest eine partielle Entscheidungsgewalt bei einer hierarchisch höchsten staatlichen Stelle voraussetzt, hiervor jedoch Ausnahmen bestehen.645 Im Rahmen einer das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung aufgreifenden Sichtweise können Tendenzen des Völkerrechts aufgegriffen werden.646 Hierbei drängen sich die im Völkerrecht diskutierten Zurechnungskriterien auf, die auf den Unwillen oder die Unfähigkeit eines Staates, von seinem Staatsgebiet ausgehende Angriffe zu unterbinden, abstellen.647 Dieser im völkerrechtlichen Diskurs als 644

So würde bspw. ein Angriff als staatlich gelten, wenn private Milizen einen Angriff vornehmen und die Entscheidung hierbei bei diesen lag, die militärisch-operative Ausführung jedoch von staatlichen Soldaten eines Staates geplant und koordiniert wird. 645 So bspw. im Ergebnis: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 134; ebenso: Meier, Der bewaffnete Angriff, S. 77. 646 Vgl. BVerfGE 112, 1 (25 f.); Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 131. 647 Vertiefend hierzu exemplarisch: Kreß, Gewaltverbot und Selbstverteidigungsrecht nach der Satzung der Vereinten Nationen bei staatlicher Verwicklung in Gewaltakte Privater, S. 205 ff.; Schröder, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, Abschnitt 7, Rn. 27 ff.; Starski, Right to Self-Defense, Attribution and the Non-State Actor, ZaöRV 75 (2015), 455.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

„Unwilling-or-unable“-Test648 beschriebene Zurechnungsmaßstab ermöglicht in solchen Konstellationen die Ausübung des grundlegenden staatlichen Rechts zur Selbstverteidigung.649 a) Der „Unwilling-or-unable“-Test Liegt bei einem Staat entweder Unwillen zur Bekämpfung einer Gefahr für einen Drittstaat vor oder ist der Staat unfähig, diese wirksam zu bekämpfen, so wird die Gefahr diesem Staat zugerechnet.650 Ein Staat übt über sein Staatsgebiet staatliche Hoheit aus und hat sowohl ein Gewaltmonopol als auch die territoriale Souveränität inne. Diese umfasst jedoch nicht nur ein Abwehrrecht gegen Eingriffe durch andere Staaten, sondern begründet zudem eine Pflicht des Staates, andere Staaten vor Schäden zu bewahren.651 Zur Begründung dieser Pflicht wird entweder an die territoriale Souveränität des Staates652 oder dessen effektive Gebietskontrolle angeknüpft.653 Im zwischenstaatlichen Verhältnis ist somit ein Staat verpflichtet sicherzustellen, dass sein Staatsgebiet nicht als Ursprung für private, meist terroristische Angriffe auf einen Drittstaat fungiert,654 denn solche Angriffe verletzen wiederum die territoriale Souveränität des betroffenen Staates. Hierdurch werden die Verhaltensmöglichkeiten eines Staates beschränkt. Direkt darf staatliches Handeln Drittstaaten nicht übermäßig schaden.655 Daneben wird über den „Unwilling-or-una648

Vgl. hierzu: Corten, The ,Unwilling or Unable‘ Test: Has it Been, and Could it be, Accepted?, Leiden Journal of International Law, 29, 777; Kowalski, Non-State Actors and a Quest for the Attribution Standard, Polish Yearbook of International Law, 30, 101; kritisch zum völkerrechtlichen „unwilling-or-unable“-Test: Christakis, Challenging the „Unwilling or Unable“ Test, ZaöRV 77 (2017), 19. 649 Dessen Ursprung und erste Anwendung lassen sich wohl auf einen Brief der Vereinigten Staaten an die Vereinten Nationen zurückführen. Ausschlaggebend ist folgende Passage: „States must be able to defend themselves, in accordance with the inherent right of individual and collective self-defense, as reflected in Article 51 if the UN Charter, when, as is the case here, the government of the State where the threat is located is unwilling or unable to prevent the use of its territory for such attacks“; United Nations, S/2014/695; abrufbar unter: https://www.securi tycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/s_2014_ 695.pdf; vgl. das zwölf Jahre ältere Dokument: Stahn, International Law at a Crossroads? The Impact of September 11, ZaöRV 62 (2002), 183 (228). 650 Schulze, Cyber-„War“ – Testfall der Staatenverantwortlichkeit, S. 154; Starski, Right to Self-Defense, Attribution and the Non-State Actor, ZaöRV 75 (2015), 455 (479 ff., 481). 651 Stein/Marauhn, Völkerrechtliche Aspekte von Informationsoperationen, ZaöRV 60 (2000), 1 (12); Starski, Right to Self-Defense, Attribution and the Non-State Actor, ZaöRV 75 (2015), 455 (474). 652 Island of Palmas Case, II Reports of International Arbitral Awards (1949), 829, 839. 653 IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia, Advisory Opinion, ICJ Reports 1971, para. 118. 654 IGH, Corfu Channel Case, ICJ Reports 1949, 22; Starski, Right to Self-Defense, Attribution and the Non-State Actor, ZaöRV 75 (2015), 455 (473) 655 Bspw.: direkte staatliche Angriffe eines Militärs auf ein fremdes Staatsgebiet, unmittelbare staatliche Förderung von terroristischen Vereinigungen.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

239

ble“-Test auch auf passives Verhalten abgestellt. Verliert der Staat die Durchsetzungsfähigkeit seines Gewaltmonopols oder möchte der Staat dieses nicht wahrnehmen, verletzt er seine Verpflichtung durch Passivität.656 Folge der Verletzung der Verpflichtung ist eine staatliche Zurechnung der den Schaden verursachenden Handlungen.657 b) „Unwillen“ oder „Unfähigkeit“ als verfassungsrechtlicher Zurechnungsmaßstabes Diese aus dem Völkerrecht abgeleiteten Prinzipien könnten sich auch auf das Wehrverfassungsrecht übertragen lassen658 bzw. sind dort gleichermaßen wiederfinden lassen.659 aa) Verankerung im Bund-Länder-Verhältnis Die „Unwilling-or-unable“-Zurechnung ermöglicht über die Kriterien des „Unwillens“ und der „Unfähigkeit“ Interventionen durch einen Dritten in einem für ihn fremden Souveränitätsbereich.660 Im wehrverfassungsrechtlichen Kontext spiegelt sich dieser Gedanke in Art. 87a Abs. 4 GG und Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG wider. In Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG ist dieses Muster deutlich zu erkennen. Durch den Verweis auf Art. 91 Abs. 2 GG und die dort verankerte Subsidiarität kommt es im Rahmen gefahrenabwehrrechtlicher Streitkräfteeinsätze auf ein „Nicht-gewillt- oder

656

Vgl. Dörr, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, § 30, Rn. 25. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht: Bd. I/3: Die Formen des völkerrechtlichen Handelns; Die inhaltliche Ordnung der internationalen Gemeinschaft, S. 872 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 308 ff. 658 Wohl generell dafür: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 131. Der konkrete Grund für die Übertragbarkeit liegt nach diesem in einem Vergleich zu seit längerem friedlich in der Bundesrepublik befindlichen Staatsangehörigen und einer Sperrfunktion des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG gegenüber dem Verteidigungsbegriff. Diese Sperrfunktion begründe sich dadurch, dass Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG „vor allem de[n] Einsatz der Streitkräfte gegen die eigene Bevölkerung verfassungsrechtlich beschränken“ sollte. Das schließt jedoch nicht aus, dass auf Grundlage des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG auch fremde Staatsangehörige Adressaten von Schutzmaßnahmen der Streitkräfte werden. Dadurch ist eine Sperrfunktion des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG hinsichtlich des Verteidigungsbegriffs nicht anzunehmen. Auch wenn eine Begründung des Erfassens mittelbarer Angriffe brüchig erscheint, so ist Ladiges jedoch im Ergebnis umfänglich zuzustimmen. Wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. IV. 3. b) aa)/bb). 659 Da wie eingangs aufgeworfen sich die Wehrverfassung nicht völkerrechtlich, sondern verfassungsrechtlich bestimmt (vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 4./5.), somit eine Übertragbarkeit aufgrund dessen nicht möglich ist, ist festzustellen, ob sich dieselben Prinzipien gleichermaßen in der Verfassung mit dortigen Ursprung wiederfinden lassen. 660 Exemplarisch: Dörr, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, § 30, Rn. 49. 657

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Nicht-in-der-Lage-Sein“661 des Landes an.662 Das Land darf „nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage“663 sein. Ausschlaggebend für eine Einsatzbefugnis der Streitkräfte ist der Unwille oder die Unfähigkeit eines Landes als territorial zuständiger „staatlicher Hoheitsmacht“.664 Auch im Rahmen von Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG spiegelt sich dieses Muster wider. Nach Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG kann der Bund in bestimmten Ausnahmesituationen zur Gefahrenabwehr in Kompetenzbereiche eines oder mehrerer Länder intervenieren, soweit ein Eingreifen erforderlich ist.665 Eine solche Erforderlichkeit liegt gerade dann vor, „wenn die betroffenen Länder zur wirksamen Bekämpfung nicht fähig oder nicht willens sind“.666 Im wehrverfassungsrechtlichen Kontext ist somit das Prinzip bekannt, dass aus einer Unfähigkeit bzw. einem Unwillen eines Verpflichteten als Folge ein Recht zur Intervention durch einen Dritten resultiert. Gerade dieser gedankliche Zusammenhang liegt der Struktur des Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG zu Grunde.667 Zur effektiven Gefahrenabwehr kann über eine bundeslandspezifische territoriale Integrität eingegriffen werden, soweit sich das Bundesland unwillig oder unfähig zeigt, effektive Gefahrenabwehrmaßnahmen einzuleiten.668 Der „Unwilling-or-unable“-Zurechnungsmaßstab verfolgt das gleiche strukturelle Muster. Auf Grund der territorialen Souveränität des betroffenen Staates kann über die territoriale Integrität eines Drittstaates hinweggesehen werden, wenn dieser sich unfähig oder unwillig zeigt, eine von ihm zu beseitigende Gefahr für die territoriale Souveränität des betroffenen Staates zu bekämpfen.669 Aus der Unfähigkeit 661 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 156. 662 Vgl. Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 18; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 34 f. 663 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 63. 664 BVerfGE 1, 14 (34); vgl. Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 30 GG, Rn. 3; Jaeckel, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 30 GG, Rn. 13. 665 BVerfGE 132, 1 Rn. 48; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 285; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 28; von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 79; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 32. 666 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 28; ebenso: Magen, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 35 GG, Rn. 37, nach dem „die Länder […] zu einer wirksamen Bekämpfung selbst nicht fähig oder willens sein“ dürfen. 667 Vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 48. 668 So im fast selben Wortlaut: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 28; Magen, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 35 GG, Rn. 37. 669 Vgl. exemplarisch: Starski, Right to Self-Defense, Attribution and the Non-State Actor, ZaöRV 75 (2015), 455 (479 ff., 481).

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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oder dem Unwillen eines Verpflichteten folgt eine Handlungsbefugnis des auf Grund der Unfähigkeit oder des Unwillens Betroffenen.670 Da sich dieses strukturelle Muster in Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG wiederfindet und diese Norm Teil der Wehrverfassung ist, ist eine Anwendung dieses Zusammenhangs in anderen wehrverfassungsrechtlichen Bereichen, wie hier im Rahmen des Verteidigungsbegriffs, systematisch denkbar. Zentrale Handlungsbefugnis der Streitkräfte ist die Befugnis aus dem Begriff der Verteidigung.671 Innerhalb der Wehrverfassung wirken sich eine Unfähigkeit oder ein Unwillen entsprechend gleichermaßen auf das Verständnis des Verteidigungsbegriffs aus. bb) Verankerung durch Schutzpflicht des deutschen Staates im internationalen Verkehr (1) Grundprinzip der Schutzpflicht Betrachtet man den „Unwilling-or-unable“-Test aus verfassungsrechtlicher Sicht, ist hierbei der Grundgedanke der Schutzpflicht wesentlich.672 Der Zurechnungsgrund des „Unwilling-or-unable“-Tests ergibt sich aus einer Verletzung einer Schutzpflicht des Staates gegenüber anderen Staaten.673 Da der schutzverpflichtete Staat seiner Aufgabe entweder auf Grund von Unfähigkeit oder Unwillen nicht nachkommt, ist die primär nichtstaatliche Handlung durch Zurechnung als staatlich zu qualifizieren.674 Ein zweites Argument für eine Übertragbarkeit des „Unwilling-or-unable“-Tests auf die Wehrverfassung ergibt sich daraus, dass der Gedanke der Schutzpflicht des deutschen Staates im internationalen Verkehr bezüglich Handlungen seiner Bürger gleichermaßen an anderer Stelle im Grundgesetz präsent ist.

670 Vgl. Corten, The ,Unwilling or Unable‘ Test: Has it Been, and Could it be, Accepted?, Leiden Journal of International Law, 29, 777; Kowalski, Non-State Actors and a Quest for the Attribution Standard, Polish Yearbook of International Law, 30, 101; kritisch zum völkerrechtlichen „Unwilling-or-unable“-Test: Christakis, Challenging the „Unwilling or Unable“ Test, ZaöRV 77 (2017), 19. 671 Bspw.: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 59 ff. 672 Vgl. Schröder, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, Abschnitt 7, Rn. 27. 673 Vgl. Starski, Right to Self-Defense, Attribution and the Non-State Actor, ZaöRV 75 (2015), 455 (479 ff., 481); ebenso: Couzigou, The Right to Self-Defence Against Non-State Actors – Criteria of the „Unwilling or Unable“ Test, ZaöRV 77 (2017), 53 (55). 674 Vgl. Stein/Marauhn, Völkerrechtliche Aspekte von Informationsoperationen, ZaöRV 60 (2000), 1 (12).

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

(2) Schutzpflichtdimension der Grundrechte Schutzpflichten finden sich innerhalb der Verfassung im Rahmen der Grundrechte wieder.675 Hierbei besteht eine Konstellation, in welcher der deutsche Staat verpflichtet ist, private Akteure vor Beeinträchtigungen anderer Privater zu schützen. Auch Ausländern kommen unabhängig vom Aufenthaltsort grundsätzlich – zumindest minimale – Grundrechtsgewährleistungen zu und sie sind im Rahmen dieser vom deutschen Staat unmittelbar und mittelbar zu schützen.676 Der deutsche Staat muss im Rahmen seiner unmittelbaren Schutzverpflichtung grundsätzlich dafür sorgen, dass private Personen vom deutschen Territorium aus andere Privatpersonen nicht im Rahmen ihrer bestehenden Grundrechtsgewährleistungen verletzen.677 Beeinträchtigt eine private Person von Deutschland aus eine andere private Person, besteht eine Pflicht des deutschen Staates, dies zu verhindern. Verhindert der deutsche Staat trotz entsprechender Pflicht die Beeinträchtigung einer Privatperson durch eine andere Privatperson nicht, liegt hierin eine Grundrechtsverletzung der beeinträchtigten Person durch den deutschen Staat. Eine Pflichtverletzung besteht dabei bei Verletzung des Untermaßverbotes.678 Demzufolge ist auf verfassungsmäßiger Ebene eine Beeinträchtigung eines Privaten gegenüber einem anderen Privaten als staatliche Beeinträchtigung anzusehen, soweit eine Verpflichtung des Staates bestand, diese zu verhindern. Als Schaubild dargestellt bedeutet dies:

675

Hierzu bspw.: BVerfGE 39, 1 (41); 46, 160 (164); Leisner, Grundrechte und Privatrecht; de Wall/Wagner, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, JA 2011, 734. 676 Exemplarisch: Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 44; Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, S. 19; Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, S. 86; Talmon, Die Geltung deutscher Rechtsvorschriften bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr mit Zustimmung des Aufenthaltsstaates, NZWehrr 1997, 221 (224). Strittig hierbei ist der Umfang der Grundrechtsberechtigung, nicht nur hinsichtlich der Anwendbarkeit einzelner Grundrechte, sondern auch hinsichtlich der jeweiligen materiellen Reichweite der einzelnen Rechtsbestimmungen. 677 Einschränkungen bestehen hierbei für im Ausland befindliche nichtdeutsche Staatsangehörige. Insbesondere vor Schäden durch andere im Ausland befindliche nichtdeutsche Staatsangehörige besteht keine Schutzpflicht; grundlegend hierzu: BVerwG NJW 2021, 1610 (2. Leitsatz, 1612); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 136 f. 678 Hierzu grundlegend: BVerfGE 46, 160 (164), wonach dem Staat ein Ermessensspielraum bei Erfüllung der Schutzverpflichtung verbleibt. Reduziert sich dieses Ermessen auf eine Handlungsmodalität oder wird ein grundrechtliches Mindestniveau nicht gewährleistet, folgt eine konkrete staatliche Handlungspflicht, gegen welche verstoßen werden kann.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

243

Schutzpflichtdimension aus den Grundrechten Privater

Angriff/Eingrif

(aus dt. Hoheitsgebiet) Staat (deutsch)

Privater (alle; innerhalb und außerhalb dt. Hoheitsgebiets)

Schutzpflicht aus Grundrechten Abbildung 10: Schutzpflichtdimension aus den Grundrechten

(3) Schutzpflichtdimension des Art. 26 Abs. 1 GG und der Präambel Eine weitere Schutzpflichtdimension der Verfassung lässt sich in Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG feststellen. Hiernach ist der deutsche Staat verfassungsrechtlich verpflichtet, „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten“ zu verhindern.679 Unabhängig davon, ob Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG im personellen Anwendungsbereich auch Privatpersonen umfasst680, besteht eine Schutzpflicht des Staates aus Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG.681 In der darin enthaltenen Anordnung, Handlungen i. S. d. Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG unter Strafe zu stellen, verdeutlicht sich die Schutzpflicht des deutschen Staates. Denn Schutzobjekt der Regelung des Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG und der Verhinderung von Angriffskriegen sind auch fremde Staaten.682 Regelungsobjekt der Strafanordnung des Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG wiederum sind Privatpersonen innerhalb des deutschen Hoheitsgebietes.683 Mangels Täterqualität des Staates richtet sich die Strafanordnung gegen Privatpersonen. Durch die verfassungsrechtlich angeordnete Strafanordnung gegenüber Pri679 Vgl. Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 15, welcher verdeutlicht, dass auch hierdurch eine „unmittelbare Drittwirkung“ begründet wird und damit eine Gesamtsystematik mit der oben beschriebenen Schutzpflicht aus der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte besteht. 680 So bspw.: Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 6; Herdegen, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 49; abweichend: Spranger, Angriffskrieg durch Private?, NZWehrr 2005, 68. 681 Exemplarisch: Fink, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 19. 682 Nach dem Wortlaut des Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG ist dies „das friedliche Zusammenleben der Völker“; vgl. hierzu: Herdegen, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 16; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 14; Hartwig, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 24 GG, Rn. 14; Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 9. 683 Fink, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 55; Hartwig, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 24 GG, Rn. 31.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

vatpersonen innerhalb des deutschen Territoriums sollen fremde Staaten vor Angriffshandlungen, sowohl des deutschen Staates als auch dessen Bürgern, geschützt werden. In ähnlicher Weise äußert sich die Präambel des Grundgesetzes mit der Formulierung „im Bewusstsein seiner Verantwortung […] vor […] den Menschen, von dem Willen beseelt, […] dem Frieden der Welt zu dienen“. Hierin bestätigt sich die Verpflichtung des deutschen Staates auch gegenüber fremden Staatsbürgern und Staaten.684 Dieses Friedensgebot lässt sich dabei als Verpflichtung verstehen, fremde Staaten vor Angriffen – zumindest – deutscher Staatsbürger zu bewahren.685 Als Schaubild dargestellt bedeutet dies: Schutzpflichtdimension aus Art. 26 GG und der Präambel Privater

Angriff/Eingrif

Staat (fremd)

(aus dt. Hoheitsgebiet) Staat (deutsch) Schutzpflicht aus Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG + Präambel GG Abbildung 11: Schutzpflichtdimension aus Art. 26 GG und der Präambel

(4) Übertragbarkeit der Schutzpflichtdimensionen Zusammenfassend lässt sich im verfassungsrechtlichen Bereich eine Schutzpflicht des deutschen Staates hinsichtlich vom deutschen Hoheitsgebiet ausgehender Angriffe von Privaten sowohl gegenüber fremden Privatpersonen als auch gegenüber fremden Staaten feststellen. Erfüllt der deutsche Staat diese Schutzpflicht auf Grund seiner Unfähigkeit oder seines Unwillens nicht, so stellt dieses Unterlassen ein staatliches Verhalten im weiteren Sinne dar.686 Die wesentliche Komponente des „Unwilling-or-unable“-Tests, die extraterritoriale Schutzverpflichtung, findet sich danach gleichermaßen im Grundgesetz als Schutzpflicht des deutschen Staates wieder. Durch den „Unwilling-or-unable“-Test besteht eine Zurechnung privaten Verhaltens dem Staat gegenüber. 684 Huber, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Präambel, Rn. 46; Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Präambel, Rn. 543. 685 Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Präambel, Rn. 44; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Präambel, Rn. 44. 686 Die beschriebene Unfähigkeit ist von einer Unmöglichkeit zu unterscheiden. Unfähigkeit setzt eine (objektive) Möglichkeit der Schutzgewährung voraus. Ist eine Schutzgewährung dem Staat objektiv unmöglich, handelt es sich nicht um einen Fall der Unfähigkeit.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Da die Verfassung eine Schutzverpflichtung des Staates gegenüber fremden Privaten und fremden Staaten kennt, scheint eine reziproke Verpflichtung fremder Staaten verfassungsrechtlich möglich zu sein. Wenn die Verfassung den deutschen Staat verpflichtet, fremde Privatpersonen und fremde Staaten zumindest teilweise zu schützen, scheint es naheliegend, dass sie auch bei anderen Staaten grundsätzlich von selbiger Pflicht ausgeht. Folge einer Nichterfüllung dieser Pflicht auf Grund einer Unfähigkeit oder eines Unwillens wäre eine staatliche Zurechenbarkeit der privaten Handlung. Danach scheint die Konzeption des „Unwilling-or-unable“-Tests verfassungsrechtlich gleichermaßen vorzuliegen. Zusammen mit dem Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung erscheint im Rahmen des Verteidigungsbegriffs eine Anwendung des „Unwilling-or-unable“-Tests nicht nur möglich, sondern geradezu notwendig.687 Hierbei ist der Intensitätsgrad einer militärischen Bewaffnung zu beachten. Bei der Begründung militärischer Einsatzbefugnisse – insbesondere möglicher Verteidigungshandlungen – ist die Wertung des Verteidigungsbegriffs nicht zu übersehen. Innerhalb der wehrverfassungsrechtlichen Schutzpflicht besteht ein Zurechnungsmaßstab durch den „Unwilling-or-unable“-Test. Ebenso setzt die wehrverfassungsrechtliche Schutzpflicht – der Verteidigungsbegriff – bei Angriffen fremder Staaten eine Relevanzschwelle durch das Merkmal der Bewaffnung voraus.688 Es muss sich auf Grund des Merkmals der Bewaffnung um eine Gefahr mit höheren gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen und höherer Intensität handeln. Solch eine Auswirkung und Intensität lassen sich nur bei einer Gefährdung der Rechtsgüter der Funktionalität grundlegender staatlicher Institutionen sowie den Rechtsgütern Leben und Körper einzelner Personen feststellen.689 Diese Einschränkung konkretisiert die wehrverfassungsrechtliche Schutzpflicht, ebenso wie der Zurechnungsmaßstab des „Unwilling-or-unable“-Tests. Entsprechend wirkt sich auch die Notwendigkeit einer Relevanz aus dem Merkmal der Bewaffnung auf den Zurechnungsmaßstab des „Unwilling-or-unable“-Tests aus. Das Grundgesetz verlangt nicht, dass ein fremder Staat jegliche Beeinträchtigung durch seine Bürger verhindert, sondern rechnet jedenfalls nur solche aus Unfähigkeit oder Unwillen nicht verhinderte Gefahren mit der Intensität einer militärischen Bewaffnung zu.

687 Darüber hinaus ließe sich noch das Argument der praktischen Anwendbarkeit anführen. Durch moderne Bedrohungslagen scheint eine handlungsfähige Befugnisnorm nicht um eine Implementierung des „Unwilling-or-unable“-Tests herumzukommen. Das Argument der praktischen Anwendbarkeit besteht jedoch nicht auf Ebene der objektiven Normauslegung, sondern als Bewertungskriterium im Rahmen einer sekundären Betrachtung und subjektiven Bewertung des Normgehalts. 688 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 689 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. b) cc).

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

c) Keine Modifikation des Angriffshandlungsbegriffs Abzulehnen ist es, dem infolge einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung implementierten „Unwilling-or-unable“-Test nicht einen verfassungsrechtlichen Zurechnungsmaßstab, sondern eine Modifikation des Begriffs der Angriffshandlung zu entnehmen. Nach hier vertretener Ansicht folgt aus der verfassungsrechtlichen Interpretation des „Unwilling-or-unable“-Tests ein verfassungsrechtlicher Zurechnungsmaßstab.690 Dem stünde ein dogmatisches Auslegungsergebnis entgegen, das im „Unwilling-or-unable“-Test – auf Grund seines strukturell vergleichbaren Wesens zur Schutzpflicht – letztlich eine Art verfassungsrechtliche Garantenpflicht, sowohl für den deutschen Staat als auch für fremde Staaten, annehmen würde. Folge dessen wäre, dass der Begriff der Angriffshandlung auch ein staatliches Unterlassen als taugliche Angriffshandlung umfassen würde. Die nicht erfolgte Verhinderung eines Angriffserfolgs beim Angriffsobjekt auf Grund einer Unfähigkeit oder eines Unwillens wäre in diesem Falle die potentielle Angriffshandlung. Der zu implementierende „Unwilling-or-unable“-Test würde letztlich den Staaten die Pflicht verdeutlichen, dass sie von ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet ausgehende Gefährdungen zu verhindern haben und dass Unfähigkeit oder Unwille solch eine Pflichtverletzung nicht rechtfertigt. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist eine solche Auslegung unter Beachtung des Begriffs der Verteidigungslage abzulehnen. Strukturell hängen Verteidigungslage und Verteidigungshandlung derart miteinander zusammen, dass eine Verteidigungshandlung funktionell zur Beseitigung der Verteidigungslage bestimmt sein muss. Würde jedoch eine Verteidigungslage nicht durch die primär private Handlung hervorgerufen – welche mittels eines Zurechnungsmaßstabs als staatlich gelten würde –, sondern durch ein staatliches Unterlassen, so müsste die Verteidigungshandlung funktionell darauf gerichtet sein das Unterlassen zu beseitigen. Eine private Angriffshandlung dürfte durch die Verteidigungshandlung möglicherweise nicht beseitigt werden, sondern es müssten Maßnahmen ergriffen werden, welche zunächst entweder den unfähigen Staat wieder zur eigenständigen Beseitigung befähigen oder den unwilligen Staat wieder zur eigenständigen Beseitigung motivieren würden.691 Solche Maßnahmen würden nicht nur zeitlich aufwendig und langwierig sein, sondern zudem auch ein intensives Eingreifen der deutschen Streitkräfte in fremde

690 Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 134; Baldus/ Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15. 691 Eine dogmatisch differenzierte Begründungsweise und Verortung der Implementierung des „Unwilling-or-unable“-Tests kann praktische schwerwiegende Unterschiede hinsichtlich der ausgeführten Maßnahmen bedeuten. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine formaljuristische Streitigkeit.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Souveränitätsbereiche bedeuten.692 Die Folge wären Maßnahmen, welche sich kaum – bis gar nicht – mit dem völkerrechtlichen Gebot der Wahrung fremder territorialer Integrität und nationaler Souveränität in Einklagen bringen ließen.693 Entsprechend ist in der verfassungsrechtlichen Implementierung des völkerrechtlichen „Unwilling-or-unable“-Tests keine Erweiterung des Angriffsbegriffs auch auf Unterlassungen zu erkennen, sondern ein Zurechnungsmaßstab, der primär private Handlungen als staatliche Handlungen qualifiziert. 4. Zwischenergebnis • Die Angriffshandlung muss, für eine militärische Dimension, eine staatliche Komponente aufweisen. • Eine Angriffshandlung eines Angreifers ist jedenfalls dann staatlich, wenn die hierarchisch höchste Stelle im Rahmen der notwendigen Befehls- und Kommandostruktur staatlich ist. Dies ist gegeben, wenn die Vornahme („Ob“) der Angriffshandlung mindestens teilweise in staatlicher Entscheidungsgewalt liegt. • Auch ohne staatlichen Einfluss auf die Vornahme („Ob“) oder Ausführung („Wie“) des Angriffs im Rahmen der Organisationsstruktur kann eine Staatlichkeit des Angriffs vorliegen. • Dies bedingt sich durch eine verfassungsrechtliche Implementierung des völkerrechtlichen „Unwilling-or-unable“-Tests. Strukturell ist das Prinzip von Unfähigkeit oder Unwillen durch die Bundesintervention in Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG verankert. Eine vergleichbare Unterbindungspflicht besteht verfassungsrechtlich für den deutschen Staat und für andere Staaten entsprechend. • Hiernach unterliegt sowohl der deutsche als auch der jeweilige fremde Staat einer Handlungspflicht zur Unterbindung des Herbeiführens intensiver Angriffserfolge. Der notwendige Intensitätsgrad ergibt sich dabei aus den Beeinträchtigungen elementarer Rechtsgüter wie der Funktionsfähigkeit grundlegender staatlicher Institutionen sowie von Leben und Körper. Dabei ist es ohne Auswirkung, ob der Angriffserfolg beim Angriffsobjekt des Art. 87a GG als Folge der Unfähigkeit oder des Unwillens des Staates eintritt. • Der verfassungsrechtlich implementierte „Unwilling-or-unable“-Test begründet einen Zurechnungsmaßstab und keine Erweiterung des Angriffsbegriffs auch auf staatliches Unterlassen. Bei Einschlägigkeit des Zurechnungsmaßstabes ist eine primär private Angriffshandlung als staatliche Angriffshandlung zu werten. 692

Vgl. Herdegen, Völkerrecht, § 28 Rn. 1 ff.; Kau, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, Dritter Abschnitt, Rn. 83 ff. 693 Vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht: Bd. I/3: Die Formen des völkerrechtlichen Handelns; Die inhaltliche Ordnung der internationalen Gemeinschaft S. 783 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 39 ff., 290 ff.; Birkner, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, § 53, Rn. 3 ff.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

V. Verhältnis der verschiedenen Merkmale der militärischen Dimension 1. Ausgangsüberlegung Ein militärischer Personenbezug lässt sich in die Merkmale militärische Bewaffnung, Organisationsstruktur und Staatlichkeit auftrennen. Hierbei scheinen jedoch diese Merkmale nicht zwangsweise nebeneinander stehen zu müssen. Ein Grundgedanke hinter der (Wieder-)Aufstellung eines deutschen Militärs war es, dass dieses gegen fremdstaatliche Militäreinheiten vorgehen könne.694 Zum Zeitpunkt der Aufstellung der Streitkräfte bestanden bereits Polizeikräfte, denen jedoch die Ausfüllung des Verteidigungsauftrages gegenüber fremden Militäreinheiten nicht zugetraut wurde.695 Im Hinblick auf die Merkmale des militärischen Personenstatus unterscheiden sich die Streitkräfte von den Polizeikräften primär im Bewaffnungsgrad.696 Sowohl hierarchische Organisationsstruktur als auch Staatlichkeit sind gleichermaßen auch bei den Polizeibehörden bzw. bei Ordnungsbehörden, bspw. Zoll, gegeben. Daraus soll nicht geschlossen werden, dass es bei der Feststellung des militärischen Personenstatus nur auf die Bewaffnung ankommt. Dies würde der Wertung des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG widersprechen und diese entleeren, da bei einer Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung und den Bestand des Staates prinzipiell noch eine Polizeizuständigkeit besteht. Jedoch wird deutlich, dass als Abgrenzungsmerkmal dem Bewaffnungsgrad eine besondere Bedeutung und übergeordnete Stellung zukommt.697 2. Vermutung einer Organisation und Staatlichkeit bei militärischer Bewaffnung Diese besondere Bedeutung und übergeordnete Stellung konkretisierten sich in einer Vermutung. Ist ein Angriff militärisch bewaffnet, lässt dies eine Staatlichkeit 694 Baldus, Streitkräfteeinsatz zur Gefahrenabwehr im Luftraum, NVwZ 2004, 1278 (1281). 695 BT-Drucks. V/2873, S. 13, „Die Abwehr gegnerischer Streitkräfte ist niemals die Aufgabe der Polizei“; auch wenn diese Stelle sich auf die Notstandsnovelle von 1968 bezieht, sollte durch diese Novelle der Begriff der Verteidigung nicht geändert werden (vgl. BVerfGE 90, 286 (356)), sodass diese Aussage nur verdeutlicht, was auch zuvor schon der Verteidigungsbegriff beinhaltete. 696 Rechtlich vgl. Schenke, Die Verfassungswidrigkeit des § 14 III LuftSiG, NJW 2006, 736 (737, ebenso Fn. 12); Hase, Das Luftsicherheitsgesetz: Abschuss von Flugzeugen als „Hilfe bei einem Unglücksfall“?, DÖV 2006, 213 (216); Linke, „Die militärische Waffe“, NZWehrr 2006, 117 (178); Isensee, in: Kube (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, S. 7. 697 Vgl. so bspw. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 86 ff., der bei der Bestimmung des Verteidigungsbegriffs lediglich auf eine Gefahrenintensität abstellt, was sich nach hier vertretener Strukturierung im Merkmal der militärischen Bewaffnung wiederfindet.

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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und Organisationsstruktur vermuten.698 Ob es sich um einen zivilen oder militärischen Angreifer bzw. Angegriffenen handelt, bestimmt sich primär anhand des Merkmals des Bewaffnungsgrades. Bei entsprechender militärischer Bewaffnung des Angreifers ist von einem militärischen Angreifer auszugehen. Behält man hierbei den geschichtlichen Hintergrund der Einführung des Verteidigungsbegriffs in das Grundgesetz vom Jahre 1956 hinsichtlich des Verteidigungsbegriffs und des Merkmals militärischer Bewaffnung im Blick, bestärkt sich das Verhältnis der Merkmale und die daraus resultierende Vermutung der Merkmale der Staatlichkeit und Organisation bei Vorliegen des Merkmals der Bewaffnung. Aus damaliger Sicht schien es nicht möglich, dass unorganisierte und/oder vor allem nichtstaatliche Akteure ein mit militärischer Bewaffnung gleichkommendes Potential der hinreichend intensiven Schadensverursachung inne haben könnten.699 „Klassische“ militärische Kriegswaffen hatten nahezu ausschließlich staatliche Akteure.700 Dies bedingte jedoch kein Gleichsetzen von militärischer Bewaffnung und militärischem Personenstatus, sondern begründete auch damals nur eine Vermutung hin zu einem staatlichen Akteur, da es auch 1956 Staaten gab, die keine „klassischen“ Kriegswaffen (mehr) besaßen.701 Historisch bestand somit die Vermutung, nur ein Staat verfüge über eine militärische Bewaffnung. Reziprok bedeutet diese Vermutung, dass im Falle einer militärischen Bewaffnung auf einen Staat zurückzuschließen ist.702 Der hierbei mögliche Einwand, eine solche Annahme sei aus heutiger Sicht praktisch nicht mehr haltbar – insbesondere im Hinblick auf die modernen Erscheinungsweisen des Terrorismus – ist unbeachtlich. Wenn hinsichtlich der Notwendigkeit des Merkmals der Staatlichkeit Anwendungsdefizite und Praktikabilitätsgründe in den Hintergrund treten703, dann bewirken diese es konsequenterweise auch bei einer möglichen Vermutungsumkehr. Dies bedeutet, je größer das Schadenspotential und je stärker bzw. militärischer die Bewaffnung ist, umso eher ist von einem staatlichen und entsprechend organisierten Akteur auszugehen. Liegt ein entsprechendes Schadenspotential vor, das zur Annahme einer militärischen Bewaffnung ausreicht, lässt dies eine Staatlichkeit und 698 Vgl. von Heinegg, in: Schmidt-Radefeldt/Meissler (Hrsg.), Automatisierung und Digitalisierung des Krieges, S. 172; Walter, Cyber Security als Herausforderung für das Völkerrecht, JZ 2015, 685 (690). 699 Vgl. Kleinschmidt, Legitimität, Frieden, Völkerrecht, S. 92; zum Konzept der Sicherheitsgewährung: Leuschner, Sicherheit als Grundsatz, S. 15. 700 Vgl. ebd. m. V. a. Clausewitz, Vom Kriege, S. 591, nach dem sich Nationen als „Völker in Waffen“ verstehen. Durch die Bewaffnung der Volksgruppe entstünde die Staatsgewalt, welche den Staat begründet. Eine entsprechende Bewaffnung bedingt einen Staat und liegt daher nur bei diesem vor. Vertiefend hierzu: Cormier, War as paradox; Fleming, Clausewitz’s timeless trinity. 701 Exemplarisch sei hier auf Liechtenstein, Costa Rica und einzelne mikronesische Inselstaaten und zumindest rechtlich auf Japan verwiesen. 702 Ebenso: Gayken, in: Schmidt-Radefeldt/Meissler (Hrsg.), Automatisierung und Digitalisierung des Krieges, Die vielen Plagen des Cyberwar, S. 89. 703 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3. f) dd); Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 2. d).

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

eine entsprechende Organisationsstruktur vermuten.704 Dies bedingt die angesprochene Vermutungsumkehr und ein Stufenverhältnis der verschiedenen Merkmale des militärischen Personenstatus. Stufenmäßig steht das Merkmal der Bewaffnung über den Merkmalen der Organisationsstruktur und der Staatlichkeit, indem es diese bei Vorliegen einer Bewaffnung vermutet. 3. Vermeintliches Potential verfassungswidriger Einsätze Hiergegen ließe sich einwenden, dass dies zu nachträglich verfassungswidrigen Maßnahmen führen kann. Eine aus einer militärischen Bewaffnung folgende Vermutung für einen staatlichen Akteur kann sich im Nachhinein oder auch während des Einsatzes als falsch herausstellen.705 Sollte diese Vermutung während des Verteidigungseinsatzes widerlegt werden, ist der Streitkräfteeinsatz einzustellen. Sollte sich erst im Nachhinein ein Widerspruch zur Vermutung herausstellen, war der Einsatz verfassungswidrig. Die Möglichkeit des Widerspruchs der Vermutung steht jedoch nicht der Vermutung als solcher entgegen. Denn die Grundproblematik der Möglichkeit des Widerlegens der Vermutung liegt nicht darin, dass dadurch letztlich etwas Verfassungswidriges vorgenommen wird. Durch die Vermutung besteht gerade die Verfassungsmäßigkeit einer Maßnahme. Angenommen der Grund der Widerlegung wäre bekannt gewesen, ist davon auszugehen, dass der Verteidigungseinsatz nicht angeordnet worden wäre.706 Bewusst Verfassungswidriges kann durch die Vermutung nicht angeordnet werden. Es verbleibt dabei lediglich die Möglichkeit, dass sich ex post Merkmale als nicht gegeben herausstellen.707 704

Hierdurch entschärft sich im Kontext von Cyberangriffen das Problem einer fehlenden Attribution. Sind die Auswirkungen des Cyberangriffs mit denen herkömmlicher, „klassischer“ Kriegswaffen vergleichbar, so liegt das Merkmal der Bewaffnung vor. Hierdurch ist ein militärischer Angreifer anzunehmen, wodurch sich eine Verteidigungslage ergibt. Die konkrete Identität des Angreifers ist für die Annahme einer Verteidigungslage nicht erforderlich. Sie kann sich jedoch im Rahmen einer grundrechtlichen Verhältnismäßigkeit einschränkend auswirken. 705 Gegen eine Vermutung auch: Knoll, Streitkräfteeinsatz zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, S. 164 f., der eine Anwendung ablehnt, da hierbei eine praktisch schwierige Rückführbarkeit auf einen konkreten Staat bestünde. 706 Dies bedingt sich allein schon aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Bindung der Streitkräfte an die Verfassung. 707 Bezogen auf den Verteidigungskontext bedeutet dies: Aus einer Ex-ante-Sicht stellt sich eine Lage als Verteidigungslage dar, sodass zur Abwehr Verteidigungshandlungen ergriffen werden. Aus einer Ex-post-Sicht modifiziert sich die Bewertung der Verteidigungslage dahingehend, dass diese nicht vorlag, wodurch Verteidigungshandlungen nicht hätten vorgenommen werden dürfen. Ebenso auf eine Ex-ante-Betrachtung abstellend: Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 37; ders., Der Einsatz bewaffneter

Kap. 2: Die Verteidigungslage

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Dass der Staat in Einzelfällen auf Grund fehlenden Wissens Maßnahmen anordnet und vollzieht, die sich bei Ex-post-Betrachtung als verfassungswidrig herausstellen, lässt sich nicht vermeiden.708 Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich quasi nur mit Fällen, in denen der Staat handelte, jedoch kein Wissen von der (angeblichen) Verfassungswidrigkeit seines Handelns hatte.709 Eine Handlungsbefugnis des Staates nur dann anzunehmen, wenn der Staat jeglichen erdenkbaren Beweis vorher eingeholt hat, würde ins Uferlose führen.710 Hinsichtlich des Vorliegens von Tatbestandsmerkmalen besteht zwangsläufig ein Minimalgrad an Ungewissheit.711 Aus der Möglichkeit, dass der Staat auf Grund von Indizien fälschlicherweise das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals annimmt, folgt daher nicht die grundsätzliche Verfassungswidrigkeit von Vermutungen. Selbstverständlich entbindet eine Vermutung – wie beim Verteidigungsbegriff hinsichtlich der Merkmale der Organisationsstruktur und der Staatlichkeit – den Staat nicht von seiner Aufklärungspflicht.712 Wenn nicht feststellbar ist, ob ein Angreifer einer entsprechenden Organisationsstruktur unterliegt und die Handlungen einem Staat zurechenbar sind, ist dies bei Vorliegen eines Schadenspotentials nicht abschließend, sondern nur vorläufig anzunehmen. Weitere Aufklärungsmaßnahmen sind vor und auch während eines Einsatzes vorzunehmen.713 4. Organisation und Staatlichkeit durch Bewaffnung Da die Vermutung an das Merkmal der militärischen Bewaffnung anknüpft, orientiert sich die Vermutungsintensität gleichermaßen an der Intensität der militärischen Bewaffnung. Je stärker die militärische Bewaffnung ist und je gravierender die gesamtstaatlichen Auswirkungen und die gesellschaftliche Intensität sind, desto belastbarer ist die Vermutung hinsichtlich einer Staatlichkeit und Organisationsdeutscher Streitkräfte im Ausland, AöR 132 (2007), 44 (65); Lutze, Die Tötung von Flugzeuginsassen bei der Abwehr kriegerischer und terroristischer Angriffe, BayVBl., 2008, 745 (751); Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 148 ff. 708 Hierbei drängen sich die Parallele zum Polizei- und Ordnungsrecht und die Frage auf, ob eine Gefahr ex post bestimmt werden kann und dadurch Staatshandeln als rechtwidrig einzuordnen sei (vgl. Teil 3 Kapitel 1 B. III.). 709 Exemplarisch seien hier Verfassungsbeschwerden gegen verfassungswidrige Urteile genannt. Die verfassungswidrigen Urteile werden nicht im Wissen ihrer Verfassungswidrigkeit, sondern im Unwissen über ihre Verfassungswidrigkeit getroffen. Dies negiert jedoch nicht die grundsätzliche Befugnis des Staates zur Urteilsfindung. 710 Hierzu im Kontext des Art. 35 GG: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 204. 711 Ebd. 712 Vgl. Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 19. 713 Vgl. Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 19; Ewers, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 25.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

struktur. Sollte sich die militärische Bewaffnung derart ausgeprägt darstellen, dass sie sogar die Annahme der dritten, besonders qualifizierten Relevanzschwelle der Waffengewalt i. S. d. Art. 115a Abs. 1 GG begründet, verdichtet sich die Vermutung für eine Staatlichkeit und Organisationsstruktur so sehr, dass diese beiden Merkmale erst recht als gegeben zu erachten sind. Zudem werden dadurch die erwähnten Anwendungsdefizite einer fehlenden Praktikabilität des Merkmals der Staatlichkeit zumindest teilweise entschärft. Ein Anwendungsdefizit bedingt jedoch nicht den objektiven Norminhalt. Durch solch eine Vermutungsumkehr scheint zudem eine Vielzahl der angesprochenen Probleme hinsichtlich ihrer Praktikabilität nicht derart gravierend zu sein wie teils dargestellt. Ist der Status des Angreifers unbekannt, ist der militärische Personenstatus zunächst aus Opfersicht anhand des möglichen Schadenspotentials zu bestimmen.714 Ist das Schadenspotential entsprechend hoch, liegt somit eine militärische Bewaffnung vor. Dies lässt auf das Vorliegen der übrigen Merkmale schließen, sodass von einer durch einen militärischen Angreifer hervorgerufenen Verteidigungslage auszugehen ist.

VI. Zwischenergebnis • Eine militärische Dimension setzt entweder einen militärischen Angreifer oder militärischen Angegriffenen voraus. • Wenn der Angreifer oder Angegriffene nicht militärisch ist, gilt dieser als zivil. • Aus einem Rückschluss aus Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG und Art. 65a GG ergeben sich die Merkmale der Organisationsstruktur und der Bewaffnung. Neben diesen beiden Merkmalen muss noch mindestens ein weiteres Merkmal für eine militärische Dimension vorliegen. • Dieses weitere Merkmal ist nicht allein in einer Gefahrenherkunft außerhalb der deutschen Territorialgrenzen zu sehen, sondern in einer Staatlichkeit bzw. staatlichen Zurechenbarkeit des Angreifers bzw. des Angegriffenen. • Ist das Merkmal der Bewaffnung erfüllt, lässt dies das Vorliegen der Merkmale der Organisationsstruktur und der Staatlichkeit vermuten.

714

Rn. 4.

Vgl. Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG,

Kap. 3: Die Verteidigungshandlung

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C. Zusammenfassung zur Verteidigungslage – Der Angriffsbegriff gliedert sich in Angriffsobjekt/Verteidigungsschutzgut, Angriffserfolg und Angriffshandlung.715 – Eine militärische Dimension unterteilt sich in die Merkmale der militärischen Bewaffnung, der Organisationsstruktur und der Staatlichkeit.716 Zudem gilt eine Vermutung für die Staatlichkeit und für eine Organisationsstruktur bei Vorliegen des Merkmals der militärischen Bewaffnung.

Kapitel 3

Die Verteidigungshandlung Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Verteidigungshandlung als Rechtsfolge des Verteidigungsbegriffs. Vorangestellt werden soll, dass die konkrete Zulässigkeit einer Verteidigungshandlung nur im jeweiligen Zusammenhang mit dem Einzelfall bestimmt werden kann.

A. Grundlagen zur Verteidigungshandlung I. Notwendigkeit einer Verteidigungslage Nach der dargestellten Strukturierung stehen Verteidigungslage und Verteidigungshandlung in einem Stufenverhältnis zueinander.717 Damit eine zulässige Verteidigungshandlung vorgenommen werden kann, muss materiell eine Verteidigungslage vorliegen.718 Erst das Vorliegen einer Verteidigungslage ermöglicht als materielles Tatbestandsmerkmal die Rechtsfolge der Zulässigkeit einer Verteidigungshandlung.

715 Hierzu sei auf die jeweiligen Zwischenergebnisse verwiesen: Teil 3 Kapitel 2 A. I. 4.; Teil 3 Kapitel 2 A. II. 5.; Teil 3 Kapitel 2 A. III. 4.; insgesamt: Teil 3 Kapitel 2 A. IV. 716 Hierzu sei wieder auf die jeweiligen Zwischenergebnisse verwiesen: Teil 3 Kapitel 2 B. I. 4.; Teil 3 Kapitel 2 B. II. 3.; Teil 3 Kapitel 2 B. III. 4.; Teil 3 Kapitel 2 B. IV. 4.; Teil 3 Kapitel 2 B. V. 4.; insgesamt: Teil 3 Kapitel 2 B. VI. 717 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 A. 718 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 69.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

II. Einsatzqualität der Verteidigungshandlung Der Begriff der Verteidigungshandlung bezieht sich auf Maßnahmen, welche im Rahmen des Verteidigungsbegriffs als Rechtsfolge einer Verteidigungslage vorgenommen werden. Die Zulässigkeit nach Art. 87a GG setzt voraus, dass es sich um eine Maßnahme handelt, die die Anforderungen des Art. 87a GG erfüllt. Hierzu muss es sich um Maßnahmen mit Einsatzqualität handeln.719 Soweit Maßnahmen ohne Einsatzqualität von den Streitkräften vorgenommen werden, bedarf ihre Zulässigkeit nicht der Voraussetzungen des Art. 87a GG. Es handelt sich bei diesen nicht um Verteidigungshandlungen i. S. d. Art. 87a GG.720 Die Verteidigungshandlung i. S. d. Art. 87a GG kann sowohl im deutschen Inland als auch im Ausland vorgenommen werden. Eine rechtliche Eingrenzung auf einen außerstaatlichen Handlungsort der Verteidigungshandlung besteht nicht.721 Auch für außerstaatliche Verteidigungshandlungen gilt der Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG.722

III. Funktionale Ausrichtung einer Verteidigungshandlung Insbesondere abgeleitet aus historisch-systematischen Überlegungen zum Verteidigungsbegriff folgt ein Verständnis des Verteidigungsbegriffs als Maßnahme „zur Abwehr eines militärischen Angriffs“.723 719 Vgl. zum Einsatzbegriff: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 33 ff.; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 106 ff. 720 Ebenso: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 49. 721 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 74. 722 Vgl. BVerfGE 121, 135 (160 ff.); Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 74; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 11; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 17; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 50 ff.; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 19; Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 19; Stern, Staatsrecht II, S. 1477 ff.; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 7; Payandeh/Sauer, Die Beteiligung der Bundeswehr am Antiterroreinsatz in Syrien, ZRP 2016, 34 (36). A. A.: Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 15; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 57; Oeter, Einsatzarten der Streitkräfte außer zur Verteidigung, NZWehrr 2000, 89 (93); Stein, in: Frowein/Stein (Hrsg.), Rechtliche Aspekte einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Friedenstruppen der Vereinten Nationen, S. 29. 723 Teil 2 Kapitel 1 B. I. – III.

Kap. 3: Die Verteidigungshandlung

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Auf Grund der Präposition „zur“ versteht sich diese funktional.724 Eine Verteidigungshandlung muss als Zielrichtung die Abwehr einer Verteidigungslage haben.725 Beachtet man hierbei, dass eine Verteidigungslage im Kernbereich eine Gefahr beinhaltet und, wie bereits dargelegt, der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG als gefahrenabwehrrechtliche Norm zu klassifizieren ist726, muss eine Verteidigungshandlung die Gefahrenlage der Verteidigungslage auflösen.727 Eine Verteidigungshandlung bezieht sich dann funktional auf eine Verteidigungslage, wenn diese die Gefahr innerhalb der Verteidigungslage verringert oder auflöst.728 Hierbei kann eine Verteidigungshandlung entweder das potentielle Schadensausmaß minimieren und/ oder eine Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadensausmaßes verringern. Neben der funktional bezweckten Verringerung bzw. Auflösung der konkreten Verteidigungslage sind weitere Folgen möglich. Soweit diese nicht bezweckt werden und insofern hinsichtlich dieser keine Einschränkungsgründe, insbesondere eine Unverhältnismäßigkeit, bestehen, sind solche Begleitfolgen nicht zu beanstanden. Liegt etwa eine Kumulation eines Angriffs eines Zivilen sowohl gegenüber einem militärischen als auch einem zivilen Angegriffenen vor, so wird eine Verteidigungshandlung des militärischen Angegriffenen nicht dadurch gesperrt, dass hierdurch möglicherweise auch der Angriff auf den zivilen Angegriffenen verringert bzw. aufgelöst wird.729 Funktional muss sich zwingend die Verteidigungshandlung auf die Verteidigungslage beziehen, also auf den Angriff auf den militärischen Angegriffenen.730 Die Angriffsabwehr der Konstellation Zivil gegen Zivil darf allein nur nicht bezweckte Nebenfolge sein. Bei der Abwehr kommt es, wie bereits bei der Verteidigungslage dargestellt, nicht auf ein subjektives Element bezüglich der Funktionalität an.731 Der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG ist objektiv zu verstehen.732 Eine Verteidigungshandlung bezieht sich funktional auf eine Verteidigungslage, wenn objektiv die Gefahrenin724

Teil 3 Kapitel 1 B. II. Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 25; Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 39 ff. 726 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 86. 727 Vgl. Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 55. 728 Vgl. Brede/Geis, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 91 GG, Rn. 47. 729 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. VI. 730 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 25; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 70; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 50; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24. 731 Teil 3 Kapitel 1 B. III. 732 Vgl. Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz, S. 79. 725

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

tensität verringert wird, sei es durch Einwirkung auf das potentielle Schadensausmaß oder durch Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit.733

IV. Adressat der Verteidigungshandlung 1. Kein Kriterium der Unmittelbarkeit Aus der Funktionalität der Verteidigungshandlung lässt sich zudem ein Rückschluss auf den Adressaten einer Verteidigungshandlung ziehen. Im Rahmen dessen könnte Voraussetzung für eine Zulässigkeit einer Verteidigungshandlung sein, dass die Verteidigungshandlung eine persönliche Zielrichtung verfolgen muss, sprich sich ausschließlich gegen einen bestimmten Adressaten richten muss. Als gefahrenabwehrrechtliche Norm könnte man hierzu auf den, ebenso in anderen Gefahrenabwehrrechtsbereichen angewandten, Actus-contrarius-Gedanken abstellen.734 Legt man diesen Actus-contrarius-Gedanken zu Grunde, könnte man annehmen, dass eine Verteidigungshandlung sich ausschließlich gegen einen die Angriffshandlung ausführenden Angreifer richten müsste.735 Eine Abwehrmaßnahme sei nur zulässig, soweit sie sich gegen einen tauglichen Adressaten richtet. Tauglicher Adressat ist derjenige, welcher die Angriffshandlung vorgenommen hat.736 Die Abwehrhandlung gegen den die Angriffshandlung ausführenden Angreifer würde dadurch unmittelbar zur Abwehr des Angriffs führen. Notwendig wäre somit eine Unmittelbarkeit der Abwehrhandlung. Hierbei drängt sich eine Nähe zum polizeirechtlichen Begriff des Verhaltens- oder Zustandsstörers auf. Einem ausschließlichen Verständnis, dass nur unmittelbare Abwehrhandlungen zulässige Verteidigungshandlungen seien, stehen jedoch sowohl das funktionale Verständnis der Verteidigungshandlung, das Wesen des Verteidigungsbegriffs als gefahrenabwehrrechtliche Norm als auch eine Spiegelbildlichkeit zum Angriffsbegriff entgegen. Entsprechend der funktionalen Ausrichtung der Verteidigungshandlung muss die Verteidigungshandlung primär die Verringerung oder Auflösung der Gefahren bzw. der Verteidigungslage bezwecken.737 Für eine Wahrung des Funktionalbezugs sind dabei Voraussetzungen wie eine Unmittelbarkeit irrelevant. Auch wenn eine Abwehr durch mittelbare Verkettung einer Abwehrhandlung erfolgt, 733 Vgl. Meyer, Subjektiver oder objektiver Gefahrenbegriff, „Gefahrenverdacht“ und Vorfeldbefugnisse, JA 2017, 1259; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 55. 734 Bleckmann, Die Actus-contrarius-Doktrin, JuS 1988, 174. 735 Vgl. Bleckmann, Die Actus-contrarius-Doktrin, JuS 1988, 174. 736 Vgl. bspw. Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 17 BPolG, Rn. 13 ff. 737 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 B. II.

Kap. 3: Die Verteidigungshandlung

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tritt die Abwehrwirkung ein. Gleiches beschreibt das Wesen des Verteidigungsbegriffs als gefahrenabwehrrechtliche Norm. Primäre Zielrichtung ist die Abwehr von Gefahren.738 Auch hierfür ist es irrelevant, durch welche Faktoren eine Gefahrenabwehr erfolgt. Vergleichbar zum Störerwesen aus dem Polizeirecht verbleibt eine mögliche Adressatenstellung als sogenannter Nichtstörer.739 Hinzu kommt eine Spiegelbildlichkeit der Abwehr zum Angriff. Ein Unmittelbarkeitskriterium besteht für einen Angriff durch das Verständnis des Angriffserfolgs als Gefahr nicht.740 Dadurch, dass eine Gefahr hinreichend wahrscheinlich sein muss, werden auch solche Konstellationen durch einen Angriffserfolg, in denen eine mittelbare Verkettung von mehreren Ursachen vorliegt, erfasst.741 Durch die beschriebene Funktionalität und begriffliche Nähe von Angriff und Abwehr lässt sich eine Konnexität der Begriffe und teilweise Spiegelbildlichkeit annehmen. Sofern für einen Angriff kein Kriterium der Unmittelbarkeit besteht, so ist auch für eine Abwehr kein Kriterium der Unmittelbarkeit anzunehmen. 2. Maßnahmen gegen Dritte Da eine Verteidigungshandlung kein Kriterium der Unmittelbarkeit hinsichtlich des Angreifenden voraussetzt, sind grundsätzlich auch Maßnahmen gegen Dritte, sprich Nicht-Angreifer, zulässig. Solche Dritten sind, soweit keine gegenteiligen Beweise vorliegen, nicht als Angreifer im engeren Sinne anzusehen, sondern als durch eine Verteidigungshandlung Belastete.742 Die Konstellation des Verteidigungsbegriffs scheint hierzu vergleichbar mit dem Grundgedanken der Inanspruchnahme von Nichtstörern im Polizeirecht743 und im zivilrechtlichen Notstandsrecht, insbesondere mit § 904 BGB.744 Gemein und vergleichbar erscheint der Gedanke, dass zwar Maßnahmen gegen Dritte, nicht unmittelbar Angreifende, zur Gefahrenabwehr und zur Schutzgewährung prinzipiell zulässig sind, hierbei jedoch besondere, höhere Anforderungen an eine Verhältnis738

Exemplarisch: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 88. 739 Vgl. Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 19 BPolG, Rn. 3. 740 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1. a), b) dd). 741 Ebd. 742 Erfolgt etwa ein Cyberangriff über Server eines Privaten, der den Angriff selbst nicht vornimmt, so kann es als Verteidigungsmaßnahme zulässig sein, die Serveranlagen dieses Betreibers als Betroffenen zwangsweise auszuschalten. 743 Vgl. Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 19 BPolG, Rn. 9. 744 § 904 S. 1 BGB lautet: „Der Eigentümer einer Sache ist nicht berechtigt, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist.“

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

mäßigkeit bestehen.745 Als Dritte sind nicht nur Private, sondern auch Staaten anzusehen.746

V. Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen In den Kontext der Verteidigungshandlungen fallen sogenannte Aufklärungsoder Vorfeldmaßnahmen. Diese sind von Verteidigungshandlungen begrifflich zu trennen, auch wenn sich beide Handlungen im Umfeld des Verteidigungsbegriffs abspielen. Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen sind solche Maßnahmen, welche sich nicht funktional auf eine Verringerung oder Auflösung einer Verteidigungslage beziehen, sondern klären, ob überhaupt eine Verteidigungslage besteht, wie mögliche Verteidigungshandlungen ablaufen könnten, und mögliche Verteidigungshandlungen vorbereiten. Anders als Verteidigungshandlungen, die auf eine Abwehr des Angriffs und somit Verringerung oder Auflösung der Verteidigungslage gerichtet sind, bezwecken Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen dies nicht. Diese richten sich vielmehr insbesondere auf eine Sachverhaltsermittlung und bezwecken die Feststellung, ob eine Verteidigungslage vorliegt. Auch setzt eine Verteidigungshandlung eine Verteidigungslage voraus. Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen jedoch klären erst, ob eine Verteidigungslage vorliegt. Sie befinden sich im Rahmen einer Abstufung im Vorfeld der Verteidigungslage. Die Ermächtigungsgrundlage für Aufklärungs- und Vorfeldmaßnahmen lässt sich gleichermaßen dem Verteidigungsbegriff des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG entnehmen. Hierbei ist bei Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen hinsichtlich ihrer Einsatzqualität zu unterscheiden.747 Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen mit Einsatzqualität unterliegen der Sperrwirkung des Art. 87a Abs. 2 GG und sind unzulässig, sofern sich nicht nachträglich herausstellt, dass eine Verteidigungslage bestand. Hierdurch liegt kein

745 Vgl. Fritzsche, in: Bamberger (Hrsg.), BeckOK BGB, § 904 BGB, Rn. 14; Brückner, in: Rebmann/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 904 BGB, Rn. 9 ff. 746 Dem theoretischen Szenario, dass fremde Staaten mit umfangreichen Verteidigungsmaßnahmen belastet werden, steht dagegen praktisch die Einschränkungsgründe des Art. 26 GG und der rechtstaatlichen Verhältnismäßigkeit durch das damit verbundene Eskalationspotential entgegen. Geringer intensiver Verteidigungsmaßnahmen sind dagegen möglich. Etwa im Beispiel der Fn. 742 kann ein Server durch Verteidigungsmaßnahmen zwangsweise lahm gelegt werden, auch wenn der Betreiber des Servers kein Privater, sondern ein fremder Staat ist. 747 Zur Bestimmung der Einsatzqualität ausführlich: Ladiges, Die Bekämpfung nichtstaatlicher Angreifer im Luftraum, S. 33 ff.

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Verstoß gegen das „Gebot strikter Texttreue“748 vor, da dies nur Streitkräfteeinsätze erfasst.749 Indem Art. 87a Abs. 2 GG eine eindeutige Bindung von Einsätzen zum Zwecke der Verteidigung, somit zum Zwecke der Abwehr von Angriffen mit militärischem Personenbezug,750 anordnet, sind Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen hiervon nicht erfasst. Nicht nur auf Grund der unterschiedlichen Zweckrichtung, sondern auch weil bei Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen das Vorliegen einer Verteidigungslage unklar ist, können diese Maßnahmen nicht als Verteidigungseinsatz zulässig sein.751 Denn sollte sich im Rahmen von Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen herausstellen, dass keine Verteidigungslage vorliegt, so ergibt sich daraus, dass kein Verteidigungseinsatz zulässig wäre. Würden jedoch Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen als vorgelagerte Verteidigungseinsätze vorgenommen werden, würden Verteidigungseinsätze ohne Vorliegen einer Verteidigungslage und ohne entsprechende Zweckbindung vorgenommen werden. Das hieße, dass einzig die Vermutung einer möglichen Verteidigungslage ausreichen würde, um im Rahmen von Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen einen Streitkräfteeinsatz vorzunehmen. Die verfassungsmäßige Bindung von Streitkräfteeinsätzen an den Begriff der Verteidigung würde bei solch einem Verständnis entleert. Dies schließt jedoch nicht Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen in Gänze aus. Davon unberührt und zulässig bleiben Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen, die gerade keine Einsatzqualität aufweisen. Die Sperrwirkung des Art. 87a Abs. 2 GG entfaltet sich dann, wenn ein Streitkräfteeinsatz qualitativ vorliegt.752 Maßnahmen, die keine Einsatzqualität aufweisen, bleiben von Art. 87a Abs. 2 GG unberührt.753 Eine Zulässigkeit von Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen ohne Einsatzqualität folgt jedenfalls als Annex aus dem übergeordneten Verteidigungsauftrag.754 Die Pflicht der Verteidigung ermächtigt den Staat, bevor Maßnahmen gegen eine Verteidigungslage vorgenommen werden, zuerst festzustellen, ob eine Verteidigungslage überhaupt besteht. Besteht eine Verteidigungslage, folgt daraus die Pflicht, die Verteidigungslage zu beenden. Auch nach Feststellung einer Verteidigungslage bleibt die Handlungsgrundlage für die Vornahme von Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen bestehen. Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen bleiben kontinuierlich 748

BVerfGE 90, 286 (357). Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 71; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 38. 750 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 A. II. 751 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 49. 752 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 49. 753 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 70. 754 Vgl. BVerfGE 121, 135 (156); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 13. 749

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notwendig, um zu klären, ob eine Verteidigungslage auch zeitlich weiterhin besteht und dadurch Verteidigungshandlungen weiterhin vorgenommen werden dürfen.755 Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen können sich mangels Feststellung einer Verteidigungslage nicht auf die Beseitigung einer solchen Verteidigungslage beziehen. Sie bleiben zulässig, soweit sie keine Einsatzqualität aufweisen. Entsprechend handelt es sich bei Aufklärungs- oder Vorfeldmaßnahmen mangels Einsatzqualität nicht um Verteidigungshandlungen.

B. Einschränkung von Verteidigungshandlungen Soweit durch Feststellung einer Verteidigungslage eine Verteidigungshandlung vorgenommen werden kann, besteht die generelle Möglichkeit einschränkender oder sogar ausschließender Gründe.756 Die angeführten Gründe schränken primär die Auswahl möglicher zulässiger Verteidigungshandlungen ein. Einschränkungsgründe können auch derart weitreichend vorliegen, dass sich die Auswahl möglicher zulässiger Verteidigungshandlungen auf null reduziert. In solch einem Fall wäre trotz Vorliegens einer Verteidigungslage eine Verteidigungshandlung ausgeschlossen, sodass sich der Einschränkungsgrund qualitativ zu einem Ausschlussgrund intensiviert.

I. Unmöglichkeit Ein evidenter Einschränkungsgrund stellt eine (konkrete) Unmöglichkeit der Handlungsvornahme dar.757 Unmöglich kann entweder die Ausführung der Verteidigungshandlung selbst sein („Können-Unmöglichkeit“758) oder die zu erreichende 755

Nur so lässt sich das Vorliegen einer zukünftigen Gefahr begründen. Ergeben Vorfeldund Aufklärungsmaßnahmen, dass eine zukünftige Gefahr, welche eine Verteidigungslage begründet hatte, nicht mehr (hinreichend genug) besteht, so entfällt eine Verteidigungslage. Verteidigungshandlungen dürften in solch einem Fall nicht mehr vorgenommen werden; vgl. Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 55. Diese Ausführungen lassen sich auf Art. 87a GG übertragen, da die Begriffe der Gefahr in Art. 87a GG und Art. 91 GG synonym zu verstehen sind, vgl. Fn. 101. 756 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 111; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 86 f., 113 ff. 757 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 144, 218, 272. 758 Zum Begriff vgl. Reimer, Können und Dürfen, Rechtstheorie 48, 417 (426 ff.); Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 146, die „Dürfen-Unmöglichkeit“ wird in den folgenden Unterpunkten der Einschränkungen von Verteidigungshandlungen besprochen.

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Zweckrichtung der Verringerung des Schadenspotentials des Angriffs.759 Unabhängig vom Bezug der Unmöglichkeit scheidet – allein schon aus praktischen Gesichtspunkten – eine Verteidigungshandlung, die dieses Defizit aufweist, aus.760

II. Unmittelbar geltendes (humanitäres) Völkerrecht 1. Geltung von Völkerrecht Bei dem Verteidigungsbegriff handelt es sich um einen „verfassungsrechtlichen Begriff“.761 Völkerrecht bestimmt dadurch nicht den Umfang einer Verteidigungslage.762 Dies schließt jedoch nicht eine völkerrechtswidrige Anwendung der Verteidigungsbefugnis der Streitkräfte ein. Denn Verteidigungshandlungen unterliegen verfassungsrechtlichen Einschränkungsgründen. Bezüglich der Einschränkungsgründe wirkt sich Völkerrecht aus. Hierbei ist zu unterteilen, wodurch Völkerrecht Geltung erlangt, da dies einen Rückschluss auf die zu berücksichtigenden Völkerrechtsnormen bietet. Völkerrecht kann Geltung qua sich selbst oder durch Verweisung innerhalb der Verfassung erlangen. Völkerrechtliche Normen, die durch sich selbst Geltung erlangen, wie insbesondere kriegsvölkerrechtliche Normen, stellen einen unmittelbaren Einschränkungsgrund dar.763 Hierdurch besteht eine außerverfassungsrechtliche Bindung. Völkerrechtsnormen die durch Verweisung Geltung erlangen, somit völkerrechtsgeöffnetes Verfassungsrecht, wirken sich auf verfassungsrechtliche Einschränkungsgründe aus.764 Solche völkerrechtlichen Normen sind bei der Auslegung von verfassungsrechtlichen Einschränkungsgründen, wie etwa Art. 26 GG, oder durch Verweis auf verfassungsrechtliche Einschränkungsgründe, wie etwa Art. 23, 24, 25 759

Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 47; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 86. 760 Vgl. zur Grundrechtseinschränkung durch Unmöglichkeit der Grundrechtsgewährung: Becker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XI, § 240, Rn. 104. 761 BVerfGE 121, 135 (156); vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30. 762 Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 4. 763 Ebenso: Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 105; vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 41; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 16. 764 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 122, die jedenfalls über Art. 25 GG menschenrechtliche Bedingungen, die Teil des allgemeinen Völkerrechts sind, miteinschließen.

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oder 59 Abs. 2 GG, zu beachten. Sie wirken sich dadurch mittelbar einschränkend aus. 2. Ius in bello Unmittelbar einschränkend bezüglich Verteidigungshandlungen wirken sich als außerverfassungsrechtliche Bindung völkerrechtliche Normen des ius in bello aus.765 Hierzu gehören vor allem solche Normen, die dem humanitären Völkerrecht zuzuordnen sind. Herauszustellen sind hierbei die Haager Abkommen, insbesondere mit der Haager Landkriegsordnung und der Kulturgutschutzkonvention, die vier Genfer Abkommen mit ihren Zusatzprotokollen und Abkommen, die eine bestimmte Waffenverwendung ausschließen, wie das Biologische-Waffen-Abkommen, VNWaffenübereinkommen mit dem Zusatzprotokoll über das das Verbot von Landminen, Sprengfallen oder andere Vorrichtungen oder das Chemiewaffenübereinkommen.766 Solche Normen des Kriegsvölkerrechts wirken sich unmittelbar einschränkend hinsichtlich einer möglichen Verteidigungshandlung aus.

III. Einschränkungsgründe mit Auslegung durch und Verweis auf Völkerrecht Mittelbar kann sich Völkerrecht als Auslegungsmaßstab oder durch Verweis auswirken. Hierbei besteht eine Geltung durch entsprechende verfassungsrechtliche Grundlage.

765 Gleichermaßen: Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 105. 766 Hinsichtlich der Haager Landkriegsordnung: Anlage zum IV. Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges vom 18. Oktober 1907 (RGBl. 1910, S. 107, S. 132); hinsichtlich der Genfer Abkommen: Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den vier Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 12. August 1949 (BGBI. 1954 II S. 781) und dem Gesetz zu den Zusatzprotokolle I und II zu den Genfer RotkreuzAbkommen von 1949 (BGBl. 1990 II S. 1550); hinsichtlich dem Biologischen-Waffen-Abkommen: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. April 1972 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (BGBl. II 1983 S. 132); hinsichtlich des Verbots von Landminen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen: Gesetz zum Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung und zum Protokoll IV vom 13. Oktober 1995 zum VN-Waffenabkommen (BGBl. 1995 II S. 806); hinsichtlich des Chemiewaffenabkommen: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (BGBl. 1994 II S. 806); zusammenfassend: Bundesministerium der Verteidigung, ZDv A-2141/1.

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1. Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker nach Art. 26 GG Hinsichtlich der Auswahl praktisch möglicher Verteidigungshandlungen besteht in Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG ein grundlegender Einschränkungsgrund.767 Verteidigungshandlungen, die in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, sind gemäß Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG verfassungswidrig.768 Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG begrenzt dadurch nicht, ob eine Verteidigungslage vorliegt, sondern ob entsprechende Verteidigungshandlungen vorgenommen werden dürfen.769 An das Element der Absicht sind geringe Anforderungen zu stellen.770 Somit sind alle potentiellen Verteidigungshandlungen ausgeschlossen, die geeignet wären, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere Verteidigungshandlungen im Rahmen einer Angriffskriegsführung.771 767

Hobe, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 1, der von einem „Beurteilungsmaßstab für die Maßnahmen vornehmlich der Staatsorgane“ spricht; vgl. ebenso: Bothe, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 31; Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte, S. 309 f.; hierbei handelt es sich im wehrrechtlichen Kontext um einen der prominentesten Gründe einer „Dürfen-Unmöglichkeit“; zum Begriff vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 147. 768 Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 14. Ob hieraus aus Art. 26 Abs. 1 GG eine echte Schutzwirkung oder lediglich ein Schutzreflex für Drittstaaten folgt, kann hier dahinstehen, da unabhängig von einer dogmatischen Schutzwirkung eine Handlungsbeschränkung für den deutschen Staat besteht. 769 Vgl. bspw. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 30c, der die Wirkung des Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG auf die „Zulässigkeit eines Verteidigungseinsatzes“ bezieht, ohne hierbei klar die konkrete Verortung der Rechtswirkung darzustellen. 770 Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 28. 771 Zum Begriff des friedlichen Zusammenlebens der Völker: Hillgruber, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 14; Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 25 ff.; Hartwig, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 24 GG, Rn. 17; Fink, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 10; Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 19; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 26 GG, Rn. 3; Hobe, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 4 ff.; Bothe, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 38 ff. Zum Begriff des Angriffskrieges: Hartwig, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 24 GG, Rn. 14; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 7; Fink, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 32; Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 30; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 26 GG, Rn. 3; Hobe, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 7; Bothe, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 36; vertiefend: Kunze, Der Stellenwert des Art. 26 I GG innerhalb des grundgesetzlichen Friedensgebotes; Clemens, Der

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Bei der Auslegung des Begriffs des „friedlichen Zusammenlebens der Völker“ sind, insbesondere wegen der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, völkerrechtliche Normen zu berücksichtigen.772 Zu diesen zu beachtenden völkerrechtlichen Normen gehört unter anderem völkerrechtliches ius cogens, welches das völkerrechtliche Gewaltverbot aus Art. 2 Abs. 4 VN-Charta, das Genozidverbot, das Sklavereiverbot und das Folterverbot umfasst.773 Verteidigungshandlungen, die gegen das völkerrechtliche ius cogens, wie etwa das Gewaltverbot des Art. 2 Abs. 2 VN-Charta, verstoßen, stören das friedliche Zusammenleben der Völker und sind durch Art. 26 GG ausgeschlossen.774 2. Allgemeine Regeln des Völkerrechts nach Art. 25 GG Einen verfassungsrechtlichen Einschränkungsgrund könnte Art. 25 GG darstellen. Art. 25 S. 1 GG stellt eine dynamische Verweisung auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts dar.775 Für eine Einschränkung des Art. 87a GG ist dabei aus normenhierarchischer Sicht eine Norm mit Verfassungsrang notwendig. Normen mit Geltungsrang unter der Verfassung stellen keine verfassungsimmanente Schranke dar und vermögen nicht im Rahmen einer praktischen Konkordanz eine Norm mit Verfassungsrang zu beschränken.776 Nach herrschender Ansicht erlangen allgemeine Regeln des Völkerrechts durch Art. 25 S. 2 GG einen Rang unterhalb der Verfassung.777 Entsprechend wirkt sich die Verweisung in Art. 25 GG auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts nicht einschränkend hinsichtlich Verteidigungshandlungen aus. Spricht man jedoch durch Art. 25 GG den allgemeinen Regeln des Völkerrechts einen Verfassungsrang oder gar einen Überverfassungsrang zu, so würden sich diese

Begriff des Angriffskrieges und die Funktion seiner Strafbarkeit; Müller, Die Pönalisierung des Angriffskrieges im Grundgesetz und Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland. 772 Vgl. BVerfGE 112, 1 (25 f.); Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 4. b). 773 BVerfGE 104, 151 (212 f.): „auch durch die Vorschriften des Art. 87a GG über Aufstellung und Einsatzzweck der Bundeswehr […] erfüllt die Bundesrepublik das völkergewohnheitsrechtliche Gewaltverbot (vgl. IGH, Military and Paramilitary Activities in and Against Nicaragua, ICJ Reports [para. 187 ff.]), dessen innerstaatliche Geltung Art. 25 GG anordnet.“ 774 Ebenso: Magen, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 35 GG, Rn. 15; Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 26 GG, Rn. 11. 775 Vgl. Fn. 772 und 774; Rojahn, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 25 GG, Rn. 2; Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 25 GG, Rn. 13 f. 776 Ein einfacher oder qualifizierter Gesetzesvorbehalt besteht für Verteidigung nach Art. 87a GG nicht. 777 Vgl. Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 25 GG, Rn. 18, 29.

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allgemeinen Regeln des Völkerrechts auch einschränkend hinsichtlich Verteidigungshandlungen auswirken. 3. Völkervertragsrecht nach Art. 59 Abs. 2 GG Verfassungsrechtliche Stütze für einen möglichen Einschränkungsgrund stellt Art. 59 Abs. 2 GG dar. Dadurch könnte etwa vom Bundestag transformiertes bzw. unter Rechtsanwendungsbefehl gestelltes Völkervertragsrecht Einschränkungsgrund für eine Verteidigungshandlung sein. Hierbei besteht jedoch, ebenso wie im Hinblick auf Art. 25 GG, die Voraussetzung, dass dem Völkervertragsrecht Verfassungsrang zukommt. Nur bei solch einem Verfassungsrang bestünde die Möglichkeit als verfassungsimmanente Schranke im Rahmen einer praktischen Konkordanz den Verteidigungsbegriff einzuschränken. Jedoch erlangt der völkerrechtliche Vertrag auf Grund des Vertragsgesetzes und Gesetzgebungsaktes lediglich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.778 Nur kraft expliziter verfassungsrechtlicher Anordnung kann Völkerrecht einen höheren Rang erhalten.779 Durch den Rang als einfaches Bundesgesetz kann es sich bei Völkerverträgen ohne explizite verfassungsrechtliche Anordnung nicht um verfassungsimmanente Schranken handeln, wodurch solche Völkerverträge entsprechend auch keine Einschränkung für eine Verteidigungshandlung bedeuten. 4. Europäische Integration nach Art. 23 Abs. 1 GG Explizite verfassungsrechtliche Anordnung bietet dagegen Art. 23 Abs. 1 GG, welcher den Europäischen Verträgen einen Sonderrang auf Verfassungsebene einräumt. Im Rahmen dieser Europäischen Verträge ist besonders auf bestehende Unterstützungs- und Streitbeilegungsklauseln, wie etwa Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 EUV, Art. 25 EUV oder Art. 259 AEUV, zu verweisen. Hierdurch verpflichtet sich die Bundesrepublik, Streitigkeiten mit anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gewaltfrei zu lösen. Im Konfliktfall mit einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union können diese Unterstützungs- und Streitbeilegungsklauseln die Anwendung möglicher, insbesondere gewaltsamer, Verteidigungshandlungen rechtlich unterbinden. 5. Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach Art. 24 Abs. 2 GG Auch Art. 24 Abs. 2 GG bietet eine explizite verfassungsrechtliche Anordnung und damit Verfassungsrang völkerrechtlicher Verträge, die eine Einordnung der 778

BVerfGE 141, 1 (2. Leitsatz); Heun, in: Dreier Art. 59, Rn. 47. Ebd.; so vermittelt etwa Art. 25 S. 2 GG den allgemeinen Regeln des Völkerrechts einen Rang zwischen Verfassung und einfachen Gesetzen. 779

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Bundesrepublik in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit beinhalten. Sofern man die Europäische Union, auf Grund des Art. 42 Abs. 7 EUV, für ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit hält, wiederholen sich hierzu die Überlegungen hinsichtlich Art. 23 GG. Daneben stellen die Vereinten Nationen und die NATO unstreitig jeweils ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit dar. Bei Konflikten mit anderen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen bestehen durch das Recht zur Selbstverteidigung nach Art. 51 VN-Charta kaum Einschränkungen für Verteidigungshandlungen. Allenfalls die Streitbeilegungsklausel des Art. 33 VN-Charta780 ließe sich anführen, sofern es sich bei der Verteidigungslage nicht um einen bewaffneten Angriff i. S. d. Art. 51 VN-Charta handeln sollte. Bei Konflikten mit anderen Staaten kann sich ebenso Art. 1 NATO-Vertrag781 einschränkend hinsichtlich der Auswahl einer Verteidigungshandlung auswirken. Hiernach verpflichten sich die Parteien der NATO dazu, ihre Streitigkeiten friedlich zu regeln und Gewaltanwendungen, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind, zu unterlassen. Es wird ein besonderes Regime zur Streitbeilegung begründet, zu welchem sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet hat.782 Im Konfliktfall mit einem anderen Staat könnte daher in Art. 24 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 1 NATO-Vertrag ein Einschränkungsgrund für eine Verteidigungshandlung bestehen. 6. Schiedsgerichtsbarkeit nach Art. 24 Abs. 3 GG Ebenso ordnet auch Art. 24 Abs. 3 GG einen expliziten Verfassungsrang entsprechender völkerrechtlicher Verträge an. Entsprechend können auch durch Art. 24 Abs. 3 GG möglicherweise Verteidigungshandlungen eingeschränkt bzw. ausgeschlossen sein.783 Sofern die Bundesrepublik einer den Anforderungen des Art. 24 Abs. 3 GG – allgemein, umfassend, obligatorisch, international – genügenden

780 Art. 33 Abs. 1 VN-Charta lautet: „Die Parteien einer Streitigkeit, deren Fortdauer geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden, bemühen sich zunächst um eine Beilegung durch Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung, Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen oder Abmachungen oder durch andere friedliche Mittel eigener Wahl.“ 781 Art. 1 NATO-Vertrag lautet: „Die Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen, jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, daß der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind.“ 782 Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 24 GG, Rn. 228, der hierbei eine konstitutive Zustimmung des Bundestages für einen Streitkräfteeinsatz annimmt. 783 Vgl. Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24 GG, Rn. 97.

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Schiedsgerichtsbarkeit beigetreten ist, sind Verteidigungshandlungen zu unterlassen, welche sich auf einen von der Schiedsgerichtsbarkeit erfassten Streitfall beziehen.784

IV. Grundrechtsschutz Differenzierte und stark einzelfallabhängige Einschränkungen bestehen zusätzlich durch die Wirkung der Grundrechte.785 Eine Grundrechtsbindung der Streitkräfte besteht bei Inlands- wie auch bei Auslandseinsätzen.786 Zwar existieren hierbei – meist schon in praktischer Hinsicht – erhebliche Anwendungsprobleme. Einer generellen Grundrechtsbindung der militärischen Vollzugsgewalten in sämtlichen Erscheinungsformen aber widerspricht dies nicht.787 1. Grundrechtsschutz Betroffener Eine einzelne Betrachtung des jeweiligen Grundrechtsschutzes Betroffener orientiert sich nahezu ausschließlich am Einzelfall. Eine Darstellung sämtlicher Einzelfälle würde den Umfang dieser Arbeit überschreiten und wäre für die Forschungsfrage nicht zielführend, sodass lediglich wenige verallgemeinernde Aussagen verbleiben.788

784

Vgl. Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24 GG, Rn. 56; Calliess, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 24 Abs. 3 GG, Rn. 11 ff.; Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 24 GG, Rn. 79. 785 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 132 ff.; Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 106. 786 Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, S. 65 ff.; Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 84 f.; Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte, S. 49 ff.; Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, S. 69; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 132; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 21; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/ Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 81; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 52; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 31; Kutscha, Das Grundrecht auf Leben unter Gesetzesvorbehalt, NVwZ 2004, 801 (803 f.). 787 Exemplarisch: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Fragen zur Bundeswehr, WD-3-037-07, S. 16. 788 Vgl. bspw. hinsichtlich des Cyberraums: Hoffmann/Schulz/Borchers, Grundrechtliche Wirkungsdimensionen im digitalen Raum, MMR 2014, 89; Karl/Soiné, Neue Rechtsgrundlagen für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, NJW 2017, 919.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Das auch im Ausland durch die Bundeswehr Grundrechtseingriffe erfolgen können, scheint außer Frage.789 Zu beachten ist hierbei jedoch, dass sich der Umfang des Grundrechtsschutzes verringern kann.790 Dies manifestiert sich etwa in einem abgeschwächten Gesetzesvorbehalt.791 Auch bestehen einzelne grundrechtliche Gewährleistungen bei Verteidigungshandlungen im Ausland teilweise mit einem anderen Mitgliedsstaat nur abgeschwächt.792 Ob die aktuell bestehenden Regelungen die Anforderungen der jeweiligen Grundrechte an einen gegebenfalls bestehenden Gesetzesvorbehalt erfüllen, ist zudem kritisch zu hinterfragen.793 a) Grundrechtlicher Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Auch bei verringertem Grundrechtsgehalt ist zu beachten, dass aus dem Grundrechtsschutz der Betroffenen eine Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erwächst.794 Dieser grundrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann sich insbesondere bei Anwendungsfällen von Verteidigungshandlungen innerhalb Deutschlands auswirken, da hierbei gerade kein verringerter Grundrechtsgehalt besteht. Die Ausführung des Verteidigungsauftrags nach Art. 87a GG stellt dabei üblicherweise einen legitimen Grund dar.795 Durch die notwendige objektive Funktio789

Umfassend: Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, ZRP 2012, 116 ff. 790 Vertiefend: Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 161 ff.; Becker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XI, § 240, Rn. 113 ff.; dies ebenso annehmend: Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (378 f.). 791 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 116. 792 Nimmt die Bundeswehr im Rahmen einer Verteidigungshandlung im Ausland jemanden fest, können abgeschwächte Voraussetzungen an eine Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 2 GG bestehen, vgl. hierzu ausdrücklich BVerfGE 154 Rn. 104: „Die umfassende Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte lässt unberührt, dass sich die aus den Grundrechten konkret folgenden Schutzwirkungen danach unterscheiden können, unter welchen Umständen sie zur Anwendung kommen. Das gilt – wie schon für die verschiedenen Wirkungsdimensionen der Grundrechte im Inland – auch für die Reichweite ihrer Schutzwirkung im Ausland.“ 793 Vertiefend hierzu: Kutscha, Verteidigung- vom Wandel eines Verfassungsbegriffs, KJ 2004, 228 (236): nach diesem finde „sich auch in dem hier einschlägigen Soldatengesetz keine Bestimmung, die den Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG in diesem Punkt Genüge tut.“ 794 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 21; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 119. 795 Vgl. bspw. exemplarisch: Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20 GG (Rechtsstaat), Rn. 181; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 11; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 10; Baldus/ Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz,

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nalität der Ausrichtung der Verteidigungshandlung begründet sich zudem eine Geeignetheit.796 Hingegen sind auf Ebene der Erforderlichkeit und der Angemessenheit bzw. der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne im Einzelfall Einschränkungspotentiale zu erkennen. Hierbei können jedoch, sofern ein verringerter Grundrechtsgehalt besteht, eine reduzierte Angemessenheitsprüfung folgen.797 Eine abschließende Bewertung einer grundrechtlichen Verhältnismäßigkeit ist derart stark abhängig vom jeweiligen Einzelfall, dass lediglich verallgemeinerte Aussagen zu besonders relevanten Konstellationen getroffen werden können.798 b) Besonders herauszustellende Konstellationen aa) Betroffenheit eines militärischen Angegriffenen Ist ein militärischer Angegriffener durch einen Zivilen angegriffen, so kann es vielfach unverhältnismäßig sein, hierauf mit Verteidigungshandlungen zu reagieren. Handelt es sich insbesondere um eine geringe Angriffsintensität, kann das System des deutschen Rechtsstaat ausreichenden Rechtsschutz vermitteln.799 Bestehen durch die Strafandrohung oder durch zivilrechtlichen Schutz, insbesondere durch das Deliktsrecht, ausreichende Reaktions- und Schutzmöglichkeiten der Streitkräfte, so erscheinen Verteidigungshandlungen nicht erforderlich. Zivilrechtliche Klage oder Strafverfolgung dienen als gleich geeignete, weniger einschneidende Maßnahmen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Verteidigungshandlungen i. S. d. Art. 87a GG, da hierzu gerade eine Einsatzqualität notwendig ist, welche bei etwa zivilrechtlicher Klage oder strafrechtlichem Antrag bzw. Anzeige durch die Streitkräfte nicht vorliegt. Dass die Erforderlichkeit jedoch im Einzelfall – bspw. durch Eilbedürftigkeit von Schutzmaßnahmen – entfällt, scheint gleichermaßen Gedanke des UZwGBw zu sein.800 Im Friedenszustand sind Verteidigungshandlungen hin-

Art. 87a GG, Rn. 2; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 8. 796 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 B. II.; Teil 3 Kapitel 3 A. III.; sofern die Verteidigungshandlung nicht geeignet ist, die Gefahr, welche eine Verteidigungslage begründet, zu verringern, fehlt es sowohl am objektiven Funktionalzusammenhang als auch an einer Geeignetheit zur Erreichung der Angriffsabwehrwirkung. 797 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 21; vgl. SchulteBunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 173 f., der derart starke Einschränkungen sieht, die zu keiner Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsprinzips führen. 798 Insbesondere die Menschwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG wurde im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum LuftSiG vom 15. Feburar 2006 ausgiebig diskutiert. Exemplarisch und umfassend hierzu: Gramm, Glaubwürdigkeitsdefizite der Wehrverfassung, NZWehrr 2007, 221 (222 ff.). 799 Vgl. zum Eigenschutz der Streitkräfte: Teil 3 Kapitel 2 A. I. 1. b); Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 136. 800 Exemplarisch ist hierzu auf § 15 Abs. 1 UZwGBw zu verweisen.

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sichtlich einer Verteidigungslage, welche durch einen Angriff eines Zivilen auf Militärische oder Militärisches, wesentlich eingeschränkt.801 Befindet sich der Rechtsstaat selbst in Gefahr und somit Deutschland in einem akuten Kriegszustand, modifiziert sich typischerweise die Relevanz des militärischen Angegriffenen. Auch die übertragene Bedeutung bspw. einer Beschädigung von technischem Ausrüstungsmaterial verändert sich.802 Im Kriegszustand ist es denkbar, dass ausreichende Schutzmöglichkeiten und Rechtsschutz durch den Rechtsstaat nicht mehr gewährleistet werden können. Eine Erforderlichkeit entfiele mangels gleich geeigneter Maßnahmen in solch einem Fall nicht. Dadurch würden Verteidigungshandlungen in solch einem (Kriegs-)Fall nicht unverhältnismäßig sein. Würden im Angriffsbegriff höhere Anforderungen an eine Gefahrenschwelle gestellt werden, wodurch gering intensive Einwirkungen ausgenommen werden, würde dies zu widersprüchlichen Ergebnissen in einem Kriegszustand führen. Deshalb scheint es angedacht zu sein, dass durch das Merkmal der Verhältnismäßigkeit ein entsprechendes Korrektiv vorliegt, welches in der Lage ist, die unterschiedlichen Bedeutungen und Umstände eines Friedens- und Kriegszustandes widerzuspiegeln. Durch den grundrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besteht ein wesentlich einschränkendes Korrektiv bei gering intensiven Angriffen auf einen militärischen Angegriffenen durch Zivile. Hingegen ist ein derartiges einschränkendes Korrektiv nicht im Rahmen einer Anforderung an eine Gefahrenschwelle im Angriffsbegriff zu sehen. Zwar könnte man durch Implementierung einer Anforderungsschwelle an den Angriffsbegriff gering intensive Schädigungen ausnehmen. Da aber mit der zweiten, „qualifizierten“ Relevanzschwelle durch das Merkmal der Bewaffnung gering intensive Angriffe durch militärische Angreifer keine Verteidigungslage auslösen, würde sich solch eine Anforderung an den Angriffsbegriff nur hinsichtlich ziviler Angriffe auf einen militärischen Angreifer auswirken. Solch eine Anforderung an einen Angriffsbegriff überzeugt jedoch nicht, da der Verteidigungsbegriff nicht zwischen Friedens- und Kriegszustand unterscheidet. Bietet somit ein funktionierender Rechtsstaat ausreichende Schutzmöglichkeiten bei geringer intensiven Schädigungen für einen militärischen Angegriffenen, so sind Verteidigungshandlungen meist nicht erforderlich.

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Exemplarisch sei nur das Beispiel der Sachbeschädigung oder des Diebstahls von militärischen technischen Geräten durch einen Zivilen angeführt, was als Angriff des Zivilen auf die deutschen Streitkräfte zu werten ist und eine Verteidigungslage bedingt. 802 Vgl. zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte: BVerfGE 28, 243 (261); 44, 197 (202); 69, 1 (21); 77, 120 (221); Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 62; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a, Rn. 2; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 10; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 21.

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bb) Identitätsunklarheit des Angreifers und Belastung Dritter Auch die Konstellation, in welcher die Identität des Angreifers unklar ist, ist herauszustellen.803 Anders als bei der Vermutungsumkehr hinsichtlich einer Staatlichkeit durch militärische Bewaffnung ist in dieser Konstellation nicht der Angreifer bekannt und lediglich dessen Status als Militärischer oder Ziviler unklar, sondern ist die Identität des Angreifers an sich unbekannt. Da kein Unmittelbarkeitskriterium bei der Verteidigungshandlung besteht, sind grundsätzlich auch Abwehrhandlungen gegen Dritte, nicht unmittelbar Angreifende, als Belastete zulässig. Hierbei kann sich jedoch der grundrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders einschränkend auswirken. Denn die Gefahr, welche durch die Verteidigungsmaßnahme abgewehrt wird, muss deutlich schwerer wiegen als die Rechtsbeeinträchtigung des Dritten. Somit muss das zu schützende Rechtsgut deutlich wertvoller sein als das durch die Schutzmaßnahme beeinträchtigte Rechtsgut des Dritten.804 Dies kann nur dann der Fall sein, wenn die Rechtsbeeinträchtigung für den Dritten prinzipiell zumutbar ist.805 Ist diese zumutbar und deutlich geringwertiger als die abgewehrte Beeinträchtigung, ergibt sich eine Zulässigkeit der jeweiligen Verteidigungshandlung. Innerhalb der Verhältnismäßigkeit verortet sich dies in der Angemessenheit bzw. der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.806 Bezogen auf den Fall, dass im Rahmen von Verteidigungsmaßnahmen die Identität des Angreifers unbekannt bleibt, bedeutet dies: Maßnahmen gegen unbeteiligte Dritte sind grundsätzlich möglich, jedoch nur unter sehr eng gefassten Verhältnismäßigkeitsabwägungen. Somit bewirkt eine Unbekanntheit der Identität des Angreifers eine höhere Anforderung an die Angemessenheit und folglich an den Maßstab der Verhältnismäßigkeit. Eine Inanspruchnahme und Belastung Dritter durch Verteidigungshandlungen ist nicht generell ausgeschlossen. Jedoch muss die abgewendete Gefahr deutlich schwerwiegender wiegen als die vorgenommene Beeinträchtigung beim belasteten Dritten.807 803

Vgl. Krieger, Krieg gegen anonymous, AVR 50 (2012), 1. So auch die Bundesregierung in BT-Drucks. 19/2645, S. 9 auf die Frage der Betroffenheit von unbeteiligten Dritten bei sogenannten „Hack-Backs“: „Denkbare Maßnahmen der aktiven Cyberabwehr bedürfen in jedem Einzelfall einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Diese Prüfung wird auch die Schonung unbeteiligter Akteure einschließen und dafür Sorge tragen, dass keine Maßnahmen durchgeführt werden, die zu einer unverhältnismäßigen Gefährdung Unbeteiligter führen würden.“ 805 Hierdurch schließen sich Tötungen Dritter aus. Zudem würde in einer Abwägung innerhalb der Verhältnismäßigkeit stets das Leben des Dritten überwiegen. 806 Vgl. wohl ebenso die Ansicht der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/2645, S. 9. 807 Dieses Problem ist insbesondere Cyberangriffen immanent. Die Urheberschaft des Angriffs ist dabei oft unklar. Diese fehlende Attribution schließt per se eine Verteidigungshandlung nicht zwingend aus. Maßnahmen gegen Dritte, also Unbeteiligte, als aggressive Maßnahmen erscheinen jedoch nur dann verhältnismäßig, wenn der Cyberangriff derart 804

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2. Grundrechtsschutz der eingesetzten Streitkräfte Der Grundrechtsschutz der eingesetzten Streitkräfte kann unter Umständen bestimmte Verteidigungshandlungen ausschließen. Während Grundrechtspositionen wie Eigentum, Berufsfreiheit oder informationelle Selbstbestimmung eher nachrangige Bedeutung haben, sind insbesondere die Grundrechtspositionen der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens der Soldaten und Soldatinnen relevant.808 Zu beachten ist, dass mit der individuellen Tätigkeit als Soldat/-in ein Beruf vorliegt, der mit einem erheblichen Risiko für das eigene Leben einhergehen kann. Hierbei darf der Staat „[d]as sichere Opfer des Lebens […] regelmäßig nicht abverlangen“.809 Ausnahmen hierzu können bestehen, sofern es „um den Bestand des Gemeinwesens selbst und die Existenz der freiheitlichen Rechtsordnung geht.“810 Explizit verbietet es sich der Streitkräfteführung Teile ihrer Streitkräfte auf sogenannte „Himmelfahrtskommandos“ zu schicken und schränkt die Auswahl an zulässigen Verteidigungshandlungen ein. Nur in ganz besonderen Extremsituationen unter besonderen Umständen, etwa einer Notwendigkeit für den Bestand der Menschheit bzw. weite Teile dieser, könnte man zu einer Zulässigkeit solcher Verteidigungshandlungen kommen.811 Ebenso wäre es denkbar in einem verfassungswidrigen Befehl an einen Soldaten/ eine Soldatin, bspw. in einem Befehl, eine Art. 26 GG widersprechende Handlung vorzunehmen, einen Grundrechtsverstoß in die allgemeine Handlungsfreiheit des/ der den Befehl erhaltenen Soldaten/Soldatin zu sehen.812

schwerwiegend ist, dass rein defensive Maßnahmen nicht ausreichend erscheinen und eine Belastung Dritter nicht unverhältnismäßig ist. Bei jedoch gering intensiven militärischen Angriffen erscheint es im Rahmen der Verhältnismäßigkeit notwendig, sich auf rein defensive Maßnahmen und Rechtsschutz durch gerichtliche Verfahren zu beschränken, um einer zwischenstaatlichen Eskalation kein Potential einzuräumen. 808 Hierzu vertiefend: Gauder, Das abverlangte Lebensopfer, S. 90 ff., 105 ff.; vgl. ebenso Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 120; Ipsen, Menschenwürde und Waffeneinsatz mit Kollateralwirkung auf Zivilpersonen, NZWehrr 2008, 156 (160). 809 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 62; Leisner/Görlich, Das Recht auf Leben, S. 36; Di Fabio, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, Rn. 40. 810 Di Fabio, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, Rn. 40. 811 Hiervon losgelöst stellt sich bei Verweigerung der Ausführung durch den angewiesenen Soldaten/die angewiesene Soldatin die Frage eines Dienstvergehens und strafrechtlicher Sanktionierung. 812 Vertiefend hierzu: Dreist, Terroristenbekämpfung als Streitkräfteauftrag, NZWehrr 2004, 89 (111 f.).

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V. Rechtsstaatlicher Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Neben dem grundrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besteht der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser „das Notstandsrecht insgesamt durchziehende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“813 kann neben dem grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einschränkend wirken.814 Denn als der Verfassung immanenter und aus dem Rechtsstaatsprinzip folgender Grundsatz ist auch dieser bei staatlichen Handlungen zu beachten.815 Auch hierbei besteht eine starke Abhängigkeit der Bewertung vom jeweiligen Einzelfall. Eine besonders herauszustellende Konstellation, in der sich der rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einschränkend auswirken kann, wäre im Falle zu erwartender zwischenstaatlicher Eskalation. Insbesondere bei Angriffen mit geringer Intensität und erheblichem zwischenstaatlichen Konfliktpotential kann es im Einzelfall unangemessen sein, diesen mit extensiven Verteidigungshandlungen entgegenzutreten.816 Eine solche Unverhältnismäßigkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn mit der Verteidigungshandlung ein erhebliches Konfliktpotential begründet wird.817 Dieses durch die Verteidigungshandlung begründete Konfliktpotential ist hierbei selbst als potentielle Gefahr anzusehen. Scheint durch eine primär zulässige Verteidigungshandlung ein deutlich erheblich größeres Konfliktpotential hervorgerufen zu werden, als mit der Verteidigungshandlung ihm primär begegnet wird, so ist eine Verteidigungshandlung nicht angemessen und dadurch unverhältnismäßig. Hierbei stellt sich aus praktischer Sicht meist die Frage, ob mit einer Nichtvornahme einer Verteidigungshandlung tatsächlich keine Steigerung des Gefahrenpotentials hervorgerufen wird. Denn Passivität könnte vom Angreifer auch als auszunutzende Schwäche missinterpretiert werden. Stehen jedenfalls nur leicht geringfügiger geeignete, jedoch deutlich geringer konfliktträchtige Maßnahmen zur Verfügung, ist möglicherweise eine Anwendung der konfliktträchtigeren Verteidigungshandlung unangemessen. Verteidigungsmaßnahmen, welche zu einer offensichtlichen zwischenstaatlichen Spirale von jeweils intensiveren Gegenmaßnahmen 813

Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 61. Vgl. ebenso: Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 8; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 23. 815 Grzeszick, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 108; Roebbers, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 1876 ff.; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20 GG, Rn. 146; Roellecke, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 20 GG, Rn. 99; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 72; Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 308; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20 GG (Rechtsstaat), Rn. 179; vgl. BVerfGE 23, 127 (133); 86, 288 (347); 90, 145 (173); 138, 1 Rn. 55; hierzu skeptischer: Reimer, in: Jestaedt/Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit S. 60 ff. 816 Vgl. Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 8. 817 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 61. 814

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führen, sind durch den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in ihrem Umfang eingeschränkt bzw. teilweise komplett ausgeschlossen.

VI. Zwischenergebnis *

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Praktisch am offensichtlichsten ist der Fall der „Können-Unmöglichkeit“. Neben unmittelbar geltendem Völkerrecht, wie Kriegsvölkerrecht, kann auch vom Grundgesetz einbezogenes mittelbar geltendes Völkerrecht einschränkend wirken. Durch Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG besteht ein Einschränkungsgrund, durch welchen Völkerrecht mittelbar zu beachten ist. Insbesondere das Gewaltverbot nach Art. 2 Abs. 4 VN-Charta ist hierbei zu beachten. Verteidigungshandlungen gegen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union können über Art. 23 Abs. 1 GG ausgeschlossen sein. Über Art. 24 Abs. 2 und Abs. 3 GG können völkerrechtliche Verträge, welche die jeweiligen Anforderungen an ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit oder eine Schiedsgerichtbarkeit erfüllen, einschränkend wirken. Insbesondere Art. 1 NATO-Vertrag ist hierzu zu beachten. Sowohl der Grundrechtsschutz Betroffener als auch derjenige der eingesetzten Soldaten/-innen kann eine Einschränkung darstellen. Insbesondere der durch den Grundrechtsschutz folgende grundrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann sich einschränkend auswirken. Herauszustellen ist dabei die Konstellation, in der ein militärischer Angegriffener betroffen ist, jedoch einfachrechtlicher Rechtsschutz ausreichenden Schutz bietet, oder die Konstellation, in der die Identität des Angreifenden unklar ist. Der daneben bestehende rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wirkt sich herausstellungswürdig dann aus, wenn schwerwiegendes zwischenstaatliches Konfliktpotential besteht. Hierbei kann eine gewaltsame bzw. gewaltsamere Verteidigungshandlung unangemessen und somit unverhältnismäßig sein.

C. Entscheidung über eine Verteidigungshandlung Im Folgenden soll darauf eingegangen werden, wer über Aspekte einer Verteidigungshandlung entscheidet. In Frage steht die Zuständigkeit über Entscheidungen hinsichtlich einer Verteidigungshandlung, beschrieben als Entscheidungskompetenz.

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I. Trennung zwischen Vornahme und Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung Bei der Entscheidungskompetenz bezüglich einer Verteidigungshandlung ist zwischen einer Entscheidung über eine Vornahme („Ob eine Verteidigungshandlung“) und einer Entscheidung über die Art und Weise der Ausführung („Wie eine Verteidigungshandlung“) zu trennen.

II. Vornahme einer Verteidigungshandlung 1. Inzidente Wertung über das Vorliegen einer Verteidigungslage a) Entscheidung hinsichtlich des Vorliegens einer Verteidigungslage Durch die Entscheidung hinsichtlich der Vornahme einer Verteidigungshandlung wird inzident das Vorliegen einer Verteidigungslage angenommen. Denn durch das Verhältnis als Tatbestand und Rechtfolge besteht keine rechtliche Konstellation, in der eine Verteidigungshandlung ohne Verteidigungslage vorgenommen werden dürfte. Ebenso wäre die Anordnung einer Verteidigungshandlung ohne existierende Verteidigungslage verfassungswidrig. Wird somit durch egal welche Stelle die Vornahme einer Verteidigungshandlung angeordnet, so beinhaltet diese Entscheidung inzident die Wertung, dass eine Verteidigungslage gegeben sei. Da es sich bei der Verteidigungslage um eine materiellrechtliche Tatbestandsvoraussetzung und nicht um die auf Rechtsfolgenseite liegende Ausübung des Ermessens handelt, ist das Vorliegen der Verteidigungslage gerichtlich voll überprüfbar.818 Hierbei kann das Bundesverfassungsgericht per Organstreitverfahren durch den Bundestag angerufen werden, da es sich bei einem Streitkräfteeinsatz prinzipiell um eine rechtserhebliche Handlung handelt für die materiellrechtlich die Voraussetzungen des Art. 87a GG vorliegen müssen.819 Denn „bei einem rechtserheblichen Handeln ohne gesetzliche Ermächtigung, wenn diese von Verfassungs wegen erforderlich ist, [kann] […] [d]as Parlament […] deshalb im Wege des Organstreits eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Handelns herbeiführen.“820 b) Anforderungen an eine behördliche Annahme einer Verteidigungslage Indem eine Verteidigungslage objektiv vorliegen muss, um eine Verteidigungshandlung vornehmen zu können, stellt sich die Frage, wann das Merkmal der Ver818

Vgl. BVerfGE 121, 135 (169). Ladiges, Grenzen des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts, NVwZ 2010, 1075 (1076). 820 BVerfGE 104, 151 (194); bestätigt durch: BVerfGE 118, 244 (258). 819

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teidigungslage aus Sicht der jeweilig entscheidenden Stelle bewiesenermaßen vorliegt. Dies ist jedoch kein spezifisches wehrverfassungsrechtliches Problem, sondern eine sämtliches Verwaltungshandeln betreffende Problematik.821 Ob ein Merkmal als bewiesen anzusehen ist, unterliegt der Beurteilung der entscheidenden Stelle. Diese muss alles für die Amtsermittlung Erforderliche getan haben. Beweisbarkeit bedeutet und erfordert keinen absoluten Beweis.822 Es muss keine „ontologische“ Objektivität gegeben sein.823 Jedoch müssen Vermutungen hinreichend durch Fakten abgesichert werden.824 Die Sammlung von Indizien über das Vorliegen einer Verteidigungslage erfolgt durch Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen. Ab wann quantitativ genügend Indizien gesammelt wurden und ob diese qualitativ zur Feststellung der Verteidigungslage ausreichen, ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Bei Annahme einer Verteidigungslage ist jedoch dessen Folge als Ermöglichung von Verteidigungshandlungen zu beachten. Dies stellt eine militärische Aktion dar, welche nach dem Bundesverfassungsgericht stets nur Ultima Ratio ist.825 Entsprechend hoch sind die Anforderungen für die Annahme einer Verteidigungslage.

821 Die Frage des Nachweises stellt sich namentlich im Kontext von Cyberoperationen, insbesondere bedingt durch die anfangs erläuterte Problematik der Attribution. 822 Vgl. exemplarisch: BGHZ 53, 245 (255): Dieser fordert für einen erfolgten Beweis einen „für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit […], der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.“ Ob eine entscheidende Stelle, bspw. die Streitkräfte, hinsichtlich des handelnden Angreifers einen Status als fremdstaatlich annehmen, muss diese auf Grund der ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel entscheiden. Hierbei könnte man stets den Einwand bringen, dass die zur Verfügung stehenden Beweismittel entweder qualitativ oder quantitativ nicht ausreichend sind. Quantitativ unzureichend bedeutet, dass die entscheidende Stelle für eine Annahme eines Merkmals – theoretisch – nicht alle in Betracht kommenden Beweismittel erhoben hat, somit noch mindestens einen weiteren Beweis erheben muss. Qualitativ unzureichend bedeutet, dass diese Merkmale keine derartige Beweisdichte haben, dass sie den Schluss zulassen würden. Indem sowohl quantitativ als auch qualitativ immer ein „Mehr“ einforderbar ist, somit noch ein Gutachten, Hinweis, Indiz, etc., oder ein noch stärker darauf hinweisendes und bekräftigendes Merkmal, würde dies zu einem unvollständigen Schluss führen. Ein Verwaltungshandeln wäre nicht möglich, weil die Behörde sich nie komplett sicher sein könnte, ob sie nicht doch etwas übersehen hat und mehr Hinweise oder Indizien in Betracht kommen, oder ob nicht durch mehr Hinweise und Indizien sich die Beweislage stärker verdichten würde und erst dies zur Annahme ausreichen würde. Diese Handlungsunfähigkeit als Ergebnis widerspricht jedoch dem grundsätzlichen Wesen einer Behörde und zudem dem Prinzip einer effektiven Gefahrenabwehr. Ab einem bestimmten Punkt müssen keine weiteren Indizien mehr gesammelt werden, sondern die bestehenden Indizien erlauben der Behörde wertend ein Merkmal als gegeben zu erachten. 823 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 204. 824 Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 19. 825 BVerfGE 133, 241 (267)

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c) Entscheidungszuständigkeit über Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen Ob, welche Art von Beweisen und auf welche Art und Weise Beweise hinsichtlich einer Annahme einer Verteidigungslage erhoben werden, sprich ob und was für Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen getroffen werden, steht grundsätzlich im Ermessen des/der BMVg.826 Als leitende Regierungsentscheidungen unterfallen diese dem Bereich exekutiver Eigenverantwortung und hierbei dem Ressort des/der BMVg, wodurch diesem/dieser eine Einschätzungsprärogative zukommt.827 Zur Wahrung von Mitwirkungsrechten des Parlaments bei Vorliegen eines Legislativvorbehalts, sprich einer Entscheidung des Bundestages und Bundesrates über die Vornahme einer Verteidigungshandlung, scheint es ausnahmsweise notwendig, dass etwa der Bundestag den/die BMVg anweisen kann über bestimmte Tatsachen weitere Beweise zu erheben und diese nachzureichen. Hierdurch wird über die Vornahme, sprich das „Ob“, von Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen entschieden, während die konkrete Ausführung von Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen im Ermessen des/der BMVg verbleibt.828 Gleiches Prinzip scheint auch anwendbar zur Wahrung von Entscheidungsrechten der Bundesregierung, sofern diese über eine Vornahme einer Verteidigungshandlung entscheidet.829 Denn über die Vornahme einer Verteidigungshandlung entscheidet entweder der/ die BMVg, der Bundestag und Bundesrat oder die Bundesregierung, wodurch stets der/die BMVg jedenfalls mittelbar über die Beweiserhebung entscheidet. Entscheidet der/die BMVg über die Vornahme, entscheidet dieser/diese automatisch auch über das Vorliegen einer Verteidigungslage. Entscheidet jedoch die Bundesregierung über die Vornahme einer Verteidigungshandlung, besteht eine primäre Zuständigkeit der Beweiserhebung bei dem/der ressortzuständigen BMVg. Besteht eine Zuständigkeit des Bundestages im Rahmen des Legislativvorbehalts, ist zu beachten, dass die Vorlage über die Entscheidung des Bundestages und Bundesrates eine Vorlage durch die Bundesregierung voraussetzt. Ob eine solche Vorlage der 826 Vgl. Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 37; Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 122; ders., Der kriegerische terroristische Luftzwischenfall und die Landesverteidigung, RuP 2006, 71 (74); Lutze, Die Tötung von Flugzeuginsassen bei der Abwehr kriegerischer und terroristischer Angriffe, BayVBl., 2008, 745 (751); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 91. 827 Vgl. Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 122; Wiefelspütz, Die Abwehr terroristischer Anschläge und das Grundgesetz, S. 17; ders., Der kriegerische terroristische Luftzwischenfall und die Landesverteidigung, RuP 2006, 71 (74); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 91. 828 Die Verteilung der Entscheidungszuständigkeit über die Vornahme von Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen und die Art und Weise von Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen spiegelt jedenfalls teilweise die Verteilung der Entscheidungszuständigkeit über die Vornahme von Verteidigungshandlungen und die Art und Weise von Verteidigungshandlungen wider. 829 Da jedoch eine Entscheidungszuständigkeit der Bundesregierung eine Eilbedürftigkeit einer Entscheidung über die Vornahme einer Verteidigungshandlung voraussetzt, besteht praktisch durch die Eilbedürftigkeit der Entscheidung wohl keine Zeit für umfangreiche Beweiserhebungen.

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Bundesregierung an den Bundestag erfolgt, ist dabei als Entscheidung der Bundesregierung wiederum eine des/der ressortzuständigen BMVg. d) Nachträgliche Veränderung einer Schadenspotentialbewertung Hinsichtlich der Feststellung einer Verteidigungslage besteht die Möglichkeit einer sich im Laufe der Zeit verändernden Bewertung. Der entscheidungserhebliche Zeitpunkt ist grundsätzlich die Vornahme der Verteidigungshandlung.830 Es besteht daher die Möglichkeit, dass ex ante, vor Vornahme der Verteidigungshandlung, aus Sicht der Streitkräfte eine Verteidigungslage bestand, diese Feststellung sich jedoch ex post als unrichtig herausstellt. Fälle in denen Ex-ante- und Ex-post-Bewertung identisch sind, sind unproblematisch. Scheint vor und auch nach Vornahme der Verteidigungshandlung eine Verteidigungslage bestanden zu haben, so war die Verteidigungshandlung von Art. 87a GG verfassungsmäßig erlaubt. War sowohl ex ante als auch ex post keine Verteidigungslage ersichtlich, wäre eine Verteidigungshandlung offensichtlich verfassungswidrig. Verändert sich jedoch der Wissensstand zwischen den beiden Zeitpunkten, sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Einerseits könnte eine Verteidigungshandlung vorgenommen worden sein, obwohl nach Ex-ante-Wissensstand keine Verteidigungslage vorzuliegen schien und sich nach Ex-post-Wissensstand aber herausstellte, dass eine Verteidigungslage vorlag; andererseits, als wohl praktisch relevanter Fall, könnte nach Ex-ante-Wissensstand eine Verteidigungslage vorgelegen haben, ex post sich als Wissensstand jedoch herausstellen, dass keine Verteidigungslage vorgelegen hatte. aa) Nachträgliches Herausstellen einer Verteidigungslage Die Konstellation, dass nach Ex-ante-Wissensstand eine Verteidigungshandlung trotz angenommener fehlender Verteidigungslage angeordnet wird, sich ex post jedoch herausstellt, dass eine Verteidigungslage tatsächlich vorlag, sollte die Ausnahme sein. Fraglich ist in dieser Konstellation, ob fehlendes Wissen der Streitkräfte über das tatsächliche Vorliegen einer Verteidigungslage die verfassungsmäßige Bewertung der trotzdem – trotz ex ante nicht erkannter – vorgenommenen Verteidigungshandlung beeinflusst. Dies ist abzulehnen, denn wie bereits dargestellt, findet sich in Art. 87a GG kein subjektives Element eines Verteidigungswillens.831 Die Verfassungsmäßigkeit einer Handlung richtet sich nicht nach dem Kenntnisstand einer die Entscheidungskom830

Vgl. Teil 3 Kapitel 3 D. Direkter ausgedrückt bedeutet dies, falls der/die BMVg eine aus Ex-ante-Sicht verfassungswidrige Verteidigungsmaßnahme anordnet, sich diese nachträglich aus Ex-post-Sicht jedoch als verfassungsgemäß herausstellt, hätte er/sie schlicht „Glück“ gehabt. 831

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petenz innehabenden staatlichen Stelle.832 Vielmehr muss der Staat und müssen seine handelnden Behörden sich objektiv an der Verfassung orientieren. Denn anderenfalls würde der Staat durch seinen Kenntnisstand in der Lage sein, eine Verfassungsmäßigkeit oder -widrigkeit herbeiführen zu können. Auch die notwendige Funktionalität der Verteidigungshandlung als Streitkräfteeinsatz steht dem nicht entgegen. Zwar muss eine Verteidigungshandlung funktional zum Zwecke der Abwehr eines Angriffs erfolgen. Wie bereits dargestellt, ist dieser Funktionalbezug jedoch nicht subjektiv, sondern objektiv zu verstehen.833 Für Art. 87a GG kommt es nicht darauf an, ob die Streitkräfte verteidigen wollen, sondern ob sie objektiv zu einer Auflösung und dem Ende der Verteidigungslage führen.834 Das Vorliegen bzw. Fehlen eines Verteidigungswillens ist für die Frage der Verfassungsmäßigkeit nach Art. 87a GG somit nicht relevant.835 Die Relevanz eines fehlenden Verteidigungswillens für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit könnte sich jedoch aus Art. 26 GG ergeben. Die Verfassungswidrigkeit könnte angenommen werden, wenn man aus dem Fehlen des Verteidigungswillens auf eine Angriffsabsicht i. S. d. Art. 26 GG schließt. Das würde voraussetzen, dass Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und Angriff im Sinne von Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG in einem Alternativverhältnis zueinander stünden. Militärische Einsätze, sofern diese nicht auf Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG beruhen, stellen jedoch nicht zwingend einen Verstoß gegen Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG dar.836 Solche Einsätze können neben Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG bspw. auf Art. 24 Abs. 2 GG beruhen.837 Ein wechselseitiger Ausschluss besteht zwischen Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und Angriff im Sinne von Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG nicht. Ein möglicher Verstoß gegen Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG und eine daraus folgende Verfassungswidrigkeit können selbstverständlich trotzdem bestehen.838 bb) Nachträgliches Herausstellen keiner Verteidigungslage Deutlich praxisnäher scheint der Fall zu liegen, in dem nach Wissensstand ex ante eine Verteidigungslage vorlag, dies sich jedoch aus Ex-post-Betrachtung nicht bestätigt, sondern nach Ex-post-Wissensstand keine Verteidigungslage existierte. 832

Vgl. Teil 3 Kapitel 1 B. III. Vgl. Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 72, Rn. 25. 834 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 B. III. 835 Auch hierbei drängt sich wieder eine Parallele zum Verteidigungsbegriff des § 32 StGB auf. Denn sollte ein Rechtfertigungsgrund objektiv bestehen, jedoch subjektiv nicht erkannt werden, so folgt hierbei keine Strafbarkeit wegen vollendeten Delikts, sondern lediglich eine wegen (untauglichen) Versuchs. Auch hierbei wirkt sich das objektive Vorliegen der Verteidigungslage entlastend aus Sicht des Handelnden aus. 836 Herdegen, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 204. 837 BVerfGE 90, 286 (355); Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 26 GG, Rn. 44. 838 Zur einschränkenden Wirkung des Art. 26 vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 833

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Es ließe sich anführen, dass sich der Verteidigungsbegriff grundsätzlich aus einer Ex-ante-Sicht bestimmt, wodurch für die Verfassungsmäßigkeit die Annahme einer Verteidigungslage aus Ex-ante-Sicht genüge.839 Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass die entscheidende Stelle im Rahmen ihrer Amtsermittlung alles zur Feststellung einer Verteidigungslage Erforderliche getan hat. In solch einem Fall sei es für die Streitkräfte ex ante nicht zu erkennen gewesen, dass tatsächlich keine Verteidigungslage vorgelegen hatte. Die Unmöglichkeit, das Nichtvorliegen der Verteidigungslage ex ante zu erkennen, bedinge nicht die Verfassungswidrigkeit der Verteidigungshandlung. Solche Überlegungen überzeugen jedoch letztlich nicht. Erstens ist zu beachten, dass sich der Verteidigungsbegriff objektiv versteht. Sofern kein subjektives Merkmal des Verteidigungswillens als Tatbestandsmerkmal besteht, kann ein Verteidigungswille auch nicht zu einer Verfassungskonformität der Verteidigungshandlung führen. Wie beschrieben richtet sich die Verfassungsmäßigkeit einer Handlung nicht nach dem Kenntnisstand einer die Entscheidungskompetenz innehabenden staatlichen Stelle.840 Zweitens würde eine Verteidigungshandlung ohne existierende Verteidigungslage nicht den notwendigen Funktionalbezug erfüllen. Denn auch dieser Funktionalbezug versteht sich objektiv. Zudem ist drittens zu beachten, dass die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen der Verteidigungslage durch das Bundesverfassungsgericht überprüfbar sind. Eine solche gerichtliche Überprüfbarkeit setzt voraus, dass dadurch auch eine Verfassungsmäßigkeit einer Verteidigungshandlung überprüft werden kann. Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass keine Verteidigungslage besteht, so erklärt es damit auch die Verteidigungshandlung für verfassungswidrig. Sollte die Annahme einer Verteidigungshandlung aus Ex-ante-Sicht für eine Verfassungsmäßigkeit der Verteidigungshandlung ausreichen, so wäre die gerichtliche Überprüfung, ob eine Verteidigungslage vorlag, irrelevant. Die gerichtliche Überprüfung würde sich lediglich darauf reduzieren, ob die Stelle, die die Verteidigungshandlung anordnet, von solch einer ausgegangen ist und ausgehen durfte. Damit die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen der Verteidigungslage gerichtlich überprüfbar sind, müssen diese auch für eine Verfassungsmäßigkeit relevant sein. Sollte sich daher nach Vornahme einer Verteidigungshandlung herausstellen, dass entgegen dem Wissensstand ex ante bei Vornahme keine Verteidigungslage bestand, war die Vornahme der Verteidigungshandlung verfassungswidrig.

839 Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 149; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 335; Eichhorn, Besondere Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Katastrophenfall und zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, S. 160. 840 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 B. III.

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2. Entscheidung des Inhabers/der Inhaberin der Befehlsund Kommandogewalt Betrachtet man die Entscheidungskompetenz zur Vornahme einer Verteidigungshandlung aus systematischer Sicht, ist eine Aufteilung durch jeweiliges Verschieben der Entscheidungskompetenz festzustellen. Ausgangspunkt der Aufteilung ist, wie vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Parlamentsvorbehalts vorausgesetzt, der Übergang der Entscheidungskompetenz zum Bundestag und zum Bundesrat. Das Kriterium der Vorhersehbarkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung hat die Folge, dass sich „die verfassungsrechtlich angeordneten Gewichte der Organkompetenzverteilung […] verschieben“841, also die Entscheidungskompetenz sich zur Legislative hin verschiebt. Dies setzt voraus, dass die Entscheidungskompetenz zunächst nicht beim Bundestag und Bundesrat liegt. Die genuine Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Vornahme einer Verteidigungshandlung unterfällt der Befehls- und Kommandogewalt.842 Hierdurch obliegt die Entscheidungsgewalt nach Art. 65a GG grundsätzlich dem/der Bundesminister/in für Verteidigung (BMVg), da dieser/diese primär Inhaber/-in der Befehls- und Kommandogewalt (IBuK) ist.843 Sofern die Entscheidung über die Vornahme einer Verteidigungshandlung derart außerordentliche Bedeutung und wesentliche ressortübergreifende Auswirkungen hat, ist die Entscheidung nach Art. 62, 65 GG von der Bundesregierung als Kollegialorgan unter Berücksichtigung der Richtlinienkompetenz des/der Bundeskanzler/-in zu treffen.844 Die Anwendungsfelder hierfür scheinen jedoch eher theoretischer als praktischer Natur zu sein.845 841

BVerfGE 121, 135 (165). Schenke, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a, Rn. 21; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 144, der dies nach Art. 65a GG ebenso an die Befehls- und Kommandogewalt anknüpft; ebenso: Oldiges/Brinktrine, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65a GG, Rn. 19a: „Zur operativen Führung gehört grds. auch die Entscheidung über den Streitkräfteeinsatz selbst“; vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 36: Dieser hält für unbewaffnete Einsätze der Streitkräfte – soweit diese überhaupt existieren – eine Entscheidungskompetenz des Bundesministers/der Bundesministerin für Verteidigung über das „Ob“ für möglich. Problematisch daran ist, dass die Frage des bewaffneten oder unbewaffneten Einsatzes sich auf die Verteidigungshandlung bezieht. Strukturell geht der Frage, wie die Verteidigungshandlung vorgenommen wird – als bewaffneter oder unbewaffneter Einsatz –, die Frage des Vorliegens einer Verteidigungslage voraus; zum Vergleich der Positionen eines/-r Verteidigungsministers/-in: Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 90 ff. 843 Vgl. Schröder, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 12; Stern/Sachs/Dietlein, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 874; Magen, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 35 GG, Rn. 51; ebenso: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 142; Roellecke, Bewaffnete Auslandseinsätze, Der Staat 34, 415 (423). 844 Riedel, Die Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte als Ausübung der auswärtigen Gewalt, NZWehrr 1989, 45 (52); ebenso spricht hierfür die Wertung der Entscheidung des 842

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Sollte jedoch der Verteidigungsfall festgestellt sein, so ist der/die Bundeskanzler/in nach Art. 115b GG der/die IBuK, sodass dieser/diese über die Vornahme einer Verteidigungshandlung in einem neben dem den Verteidigungsfall auslösenden Angriffsfall entscheidet.846 Verschiebt sich die Entscheidungskompetenz nicht von dem/der IBuK, in dem Fall BMVg, weg, sprich sind die Voraussetzungen des Legislativvorbehalts nicht erfüllt, entscheidet der/die IBuK über die Vornahme einer Verteidigungshandlung.847 Da es sich bei der Entscheidung über die Vornahme einer Verteidigungshandlung um die Ausübung von Ermessen handelt, besteht dadurch entsprechend eine Einschätzungsprärogative des/der IBuK.848 3. Legislativvorbehalt Eine Ausnahme vom Grundsatz besteht systematisch durch einen Legislativvorbehalt – nicht nur einen Parlamentsvorbehalt.849 Bei Einschlägigkeit der Vor-

Bundesverfassungsgerichts zur Verschiebung der Entscheidungskompetenz im Eilfallszenario des Parlamentsvorbehaltes zur Bundesregierung [vgl. BVerfGE 90, 286 (388)]. 845 Notwendig ist, dass keine bewaffneten Auseinandersetzungen im Rahmen der, wesentliche ressortübergreifende Auswirkungen innehabende, Verteidigungshandlung zu erwarten sind, da ansonsten der Legislativvorbehalt verdrängend die Entscheidungskompetenz verschiebt. Solch ein Szenario wäre etwa, dass sich ein militärischer Angreifer evident nicht gegen eine Verteidigungshandlung, die umfassend in aus Sicht des BMVg fremde Ressorts eingreift, zur Wehr setzen würde. Dies scheint jedoch eher ein theoretisches und weniger ein praktisch wirklich eintretendes Szenario zu sein. 846 Durch Feststellung des Verteidigungsfalls wird zwar ein Legislativvorbehalt überlagert und es liegt bereits eine Entscheidung hinsichtlich einer Vornahme von Verteidigungshandlungen vor. Diese Entscheidung bezieht sich jedoch auf den den Verteidigungsfall auslösenden Angriff. Sollte im Verlauf des andauernden Verteidigungsfalls ein weiteres Angriffsszenario vorliegen, das getrennt vom Verteidigungsfall besteht und „nur“ ein bewaffneter Angriff i. S. d. Art. 87a GG ist, so würde über die Vornahme von Verteidigungshandlungen in diesem Fall der/ die Bundeskanzler/-in als IBuK entscheiden. 847 Eine Stellung des/der Bundeskanzlers/-in als IBuK scheidet in der Konstellation aus. Sind die Voraussetzungen des Legislativvorbehaltes nicht erfüllt, sprich insbesondere keine bewaffnete Auseinandersetzungen zu erwarten sind oder eine Wesentlichkeit dieser, so kann, da durch Feststellung des Verteidigungsfalls eine Entscheidung im Rahmen des Legislativvorbehaltes inkludiert ist, auch kein materieller Verteidigungsfall, der festgestellt werden kann vorliegen, wodurch keine Kompetenzverschiebung nach Art. 115b GG zu dem/der Bundeskanzler/-in bestehen kann. 848 Vgl. Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 37; Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 122; ders., Der kriegerische terroristische Luftzwischenfall und die Landesverteidigung, RuP 2006, 71 (74); Lutze, Die Tötung von Flugzeuginsassen bei der Abwehr kriegerischer und terroristischer Angriffe, BayVBl., 2008, 745 (751); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 91. 849 Der hier vertretene Legislativvorbehalt beinhaltet den in der Literatur reichlich diskutierten Parlamentsvorbehalt, geht jedoch über diesen hinaus, indem er nicht nur eine Annahme

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aussetzungen des Legislativvorbehalts verschiebt sich die Entscheidungskompetenz hin zum Bundestag und zum Bundesrat.850 a) Abgrenzung zum Parlamentsvorbehalt In Bezug auf die Entscheidung über die Vornahme von Verteidigungshandlungen konkretisierte das Bundesverfassungsgericht in der sogenannten AWACS-Entscheidung851 sein in der Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung852 begründetes Credo eines Parlamentsvorbehalts.853 Hierbei unterliegt „der Einsatz bewaffneter Streitkräfte der konstitutiven, grundsätzlich vorherigen Zustimmung des Bundestages“.854 Betrachtet man die Notwendigkeit dieser parlamentarischen Zustimmung, erscheint diese jedoch aus systematischer Sicht dahingehend unzulänglich, dass eine Beteiligung des Bundesrates nicht beachtet wird.855 Vielmehr ergibt sich insbesondere aus den Argumenten, die für ein Zustimmungserfordernis des Bundestages sprechen, auch ebenso ein Beteiligungserfordernis des Bundesrates. Der Umfang der Beteiligung des Bundesrates kann hierbei auch nur in einer Einspruchsmöglichkeit liegen. Die Annahme lediglich eines Parlamentsvorbehalts – somit einzig ein Beteiligungserfordernis des Bundestages – verkürzt den sich ergebenden Vorbehalt

durch den Bundestag, sondern zusätzlich auch eine Zustimmung des Bundesrates erforderlich macht. 850 Vgl. hinsichtlich eines Parlamentsvorbehalts – jedoch ohne notwendige Zustimmung des Bundesrates: BVerfGE 90, 286 (388); insbesondere 121, 135 (165); 140, 160 (192); nur notwendigen Beteiligung des Bundesrates grundlegend: Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287. 851 BVerfGE 121, 135. 852 BVerfGE 90, 286 (383); ebenso: BVerfGE 104, 151 (208); die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Parlamentsvorbehalt zusammenfassend: Dau, Die Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZWehrr 2011, 1 (18 ff.). 853 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 97; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 29; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 39; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 19; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 34; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 142 ff.; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 11; vertiefend: Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 434 ff.; vergleichend andere Rechtssysteme darstellend: Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 94 ff. 854 BVerfGE 90, 286 (387). 855 Ebenso eine Beteiligung des Bundesrates fordernd: Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287 , insb. S. 292 f.

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unbegründet nur auf das Parlament.856 Insbesondere aus systematischer Sicht ergibt sich nicht nur ein Parlaments-, sondern auch ein Legislativvorbehalt.857 Dieser umfasst den Parlamentsvorbehalt, geht jedoch über diesen hinaus. Er setzt neben einer Zustimmung des Bundestages eine Beteiligungsform des Bundesrates – somit nicht nur eine Zustimmung eines Teils, sondern eine Zustimmung der gesamten Legislative – zum Streitkräfteeinsatz voraus. b) Systematische Begründung eines Legislativvorbehalts aa) Legislative Mitwirkungsrechte Das Erfordernis einer Beteiligung des Bundestages ergibt sich nach dem Bundesverfassungsgericht aus einem dem Grundgesetz immanenten „Prinzip“.858 Hierzu stellt das Bundesverfassungsgericht neben einer seit 1918 bestehenden Verfassungstradition auf die Normen der Art. 45a, 45b und 87a Abs. 1 S. 2 GG, welche eine parlamentarische Kontrolle vermitteln, und auf die Normen der Art. 115a Abs. 1, 87a Abs. 3, 87a Abs. 4 und 35 Abs. 3 S. 2 GG, welche eine konkrete Entscheidung über die Verwendung der Streitkräfte enthalten, ab.859 Neben den Gründen des Bundesverfassungsgerichts ist zur systematischen Begründung ebenso die Wesentlichkeitstheorie zu beachten.860 Demnach bedürfen alle wesentlichen Entscheidungen des Gemeinwohls eines legislativen Aktes – typischerweise eines Parlamentsgesetzes. Je wesentlicher eine Entscheidung für das Gemeinwohl ist, umso höher sind die Anforderungen an den legislativen Akt.861 Aus diesem Zusammenspiel des der Verfassung immanenten Prinzips und der Wesentlichkeitstheorie folgt die Notwendigkeit einer legislativen Beteiligung.862 856

A. a. O. S. 293. Zur Verdeutlichung des Zusammenwirkens von Bundestag und Bundesrat scheint die Bezeichnung als Legislativvorbehalt am treffendsten. Die Bezeichnung als Parlamentsvorbehalt lässt die notwendige Beteiligung des Bundestages entfallen. Eine Bezeichnung als Gesetzesvorbehalt wirkt irreführend, da die Entscheidung über einen Streitkräfteeinsatz zwar Parallelen zur Gesetzesentscheidung aufweist, es sich hierbei aber nicht um ein Gesetz im Sinne des Art. 77 ff. GG handelt. 858 BVerfGE 90, 286 (383); die dogmatische Herleitung des Parlamentsvorbehalts ist dabei umstritten; hierzu exemplarisch: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24 ff.; Schaefer, Verfassungsrechtliche Grenzen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, S. 109 ff. 859 BVerfGE 90, 286 (381 ff.); die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts und die dazu folgende Literatur zusammenfassend: Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 186 ff. 860 Exemplarisch: Scherrer, Das Parlament und sein Heer, S. 86 ff. 861 Hierzu wird eine Regelungsdichte des typischerweise vorliegenden Parlamentsgesetzes vorausgesetzt. 862 Alternative normative Grundlage eines Legislativvorbehalts (bzw. gegebenenfalls Parlamentsvorbehalts) könnten die Art. 77 und 50 GG (analog) sein. Dies wäre der Fall, wenn 857

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Diese konkretisiert sich in einem Legislativvorbehalt, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen für einen Streitkräfteeinsatz eine Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates notwendig ist.863 bb) Einbeziehung des Bundesrates in den Vorbehalt Abweichend vom Bundesverfassungsgericht und von der Literatur ergibt sich insbesondere aus systematischer Sicht eine Einbeziehung des Bundesrates in den Vorbehalt.864 man den Akt der Zustimmung durch die Legislative (bzw. Parlament) als einen (quasi-)gesetzgebenden Akt ansieht. Handelt es sich bei der Zustimmung zum Streitkräfteeinsatz um einen (quasi-)gesetzgebenden Akt, sind die Normen der Art. 77 und 50 GG (analog) anwendbar. Folge wäre eine notwendige Zustimmung der Legislative (gegebenenfalls Parlaments), wie sie das Bundesverfassungsgericht ebenso annimmt. Für ein Verständnis der Zustimmung zum Streitkräfteeinsatz als (quasi-)gesetzlichen Akt sprechen Art. 115a Abs. 3 S. 1 GG sowie Art. 59 Abs. 2 GG und Art. 115l Abs. 3 GG bzw. dessen Vorgänger Art. 59a Abs. 4 GG a. F. (vgl. Paulus, Parlament und Streitkräfteeinsatz in rechtshistorischer und rechtsvergleichender Perspektive, S. 336 f.). Bei der Feststellung des Verteidigungsfalls wird inzident einem Streitkräfteeinsatz zugestimmt (Teil 3 Kapitel 3 C. II. 3. d) aa)). Diese Zustimmung ist nach Art. 115a Abs. 3 S. 1 GG, ebenso wie Gesetze, im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Gleichermaßen betrifft ein Streitkräfteeinsatz die politischen Belange des Bundes und der Länder und das Verhältnis der Bundesrepublik zu anderen Staaten. Wenn die Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen, die entsprechend die politischen Belange der Bundesrepublik betreffen, nach Art. 59 Abs. 2 GG per Gesetz geschieht, scheint eine Zustimmung zu Handlungen, die ebenso die politischen Belange der Bundesrepublik betreffen, sprich Streitkräfteeinsätze, ebenfalls per (Quasi-)Gesetz zu erfolgen. Zudem wird nach Art. 115l Abs. 3 GG bzw. wurde nach Art. 59a Abs. 4 GG a. F. über einen Friedenschluss per Gesetz entschieden. Der Streitkräfteeinsatz als teilweise kriegerischer Akt fällt in denselben Kontext, sodass die Zustimmung zu einen Streitkräfteeinsatz ebenso als (quasi-)gesetzgebender Akt angesehen werden kann. 863 Denkbar, aber letztlich aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht dargelegten Prinzips nicht überzeugend, ließe sich anführen, dass kein in welcher Form gelagerter Vorbehalt hinsichtlich eines Streitkräfteeinsatzes bestünde. Der Streitkräfteeinsatz läge somit ausschließlich in exekutiver Entscheidungssphäre und hierbei bei dem/der IBuK, wobei es sich um den/die Bundesminister/-in für Verteidigung handelt, da logischerweise eine Entscheidung über die Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes noch ausstehen muss und folglich aussteht. Dies setzt voraus, dass noch kein Verteidigungsfall formell festgestellt worden ist, da hierdurch eine Entscheidung über das Ob eines Streitkräfteeinsatzes bereits getroffen ist. Entsprechend schließt sich eine Stellung des/der Bundeskanzler/-in als IBuK aus. Eine parlamentarische Kontrolle über einen Streitkräfteeinsatz ergäbe sich im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle von Minister/-innen durch Art. 67 Abs. 1 GG und Art. 64 Abs. 1 GG. Missbilligt der Bundestag die Entscheidung des IBuK, sprich des/der Bundesminister/-in für Verteidigung, über die (Nicht-)Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes, könnte dieser nach Art. 67 Abs. 1 GG eine/-n neuen Bundeskanzler/-in bestellen, welche/-r nach Art. 64 Abs. 1 GG den/die Bundesminister/-in für Verteidigung personell ersetzt; vgl. Riedel, Die Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte als Ausübung der auswärtigen Gewalt, NZWehrr 1989, 45 (50 f.), der sich jedenfalls gegen eine „Ableitung eines Gewaltmonismus in Form eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts“ ausspricht. 864 Ebenso: Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287; a. A.: Wiefelspütz, Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte und der konstitutive Parlamentsvorbehalt, S. 78,

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Hierzu spricht neben einer Heranziehung der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts und des Wesentlichkeitsgedankens auch eine Vergleichbarkeit zum Gesetzgebungsverfahren sowie zu weiteren durch den Bundesrat zustimmungspflichtigen Szenarien. (1) Unzureichender Rückschluss des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht führt zur Begründung des in der Verfassung immanenten Prinzips notwendiger legislativer Beteiligung unter anderem Art. 115a Abs. 1, 87a Abs. 3, 87a Abs. 4 und 35 Abs. 3 S. 2 GG sowie eine Verfassungstradition an.865 Ausgehend von der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts erscheint zwar die Anführung der Normen als ausschlaggebende Stellen überzeugend, jedoch nicht der sich hieraus ergebende Rückschluss. Denn das Bundesverfassungsgericht verkennt, wenn es lediglich einen Parlamentsvorbehalt rückschließt, dass insbesondere die von ihr angeführten Normen, über welche konkrete Entscheidungen über die Verwendung der Streitkräfte getroffen werden, explizit eine Beteiligung des Bundesrates miteinbeziehen. Zunächst liefert ein historischer Vergleich zur Verfassung des deutschen Kaiserreiches oder der Weimarer Reichsverfassung, anders als vom Bundesverfassungsgericht angenommen, keineswegs einen Rückschluss auf eine reine Kompetenz des Parlamentes.866 Sowohl die Verfassung des deutschen Kaiserreiches in Art. 11 Abs. 2 RV867 als auch die Weimarer Reichsverfassung in Art. 45 Abs. 2 WRV868 sahen bei der Kriegserklärung eine Beteiligung des zum heutigen Bundesrat entsprechendes Äquivalenz vor – nach der Verfassung des deutschen Kaiserreichs war eine Zustimmung des Bundesrathes notwendig; nach der Weimarer Reichsverfassung erfolgte eine Kriegserklärung per Reichsgesetz, wobei nach Art. 74 Abs. 1 WRV869 der Reichstag eine Einspruchsmöglichkeit hat. Die dort geregelte Kriegserklärung beinhaltet logischerweise eine Entscheidung zur Vornahme von Kampfnach dem „der konstitutive Parlamentsvorbehalt ausschließlich ein Mitwirkungsrecht des Bundestages begründe […]. Der Bundestag […][sei] beim Einsatz bewaffneter Streitkräfte nicht beteiligt, auch nicht in abgestufter Form. Der Bereich des wehrverfassungsrechtlichen konstitutiven Parlamentsvorbehalts […] [sei] dem Bundesrat verschlossen.“ Eine Begründung dieser Aussage liefert dieser leider nicht. 865 Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts zusammenfassend: Wagner, Parlamentsvorbehalt und Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 23; vgl. Limpert, Auslandseinsatz der Bundeswehr, S. 46 ff. 866 Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287 (295 f.). 867 Art. 11 Abs. 2 RV lautete: „Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zustimmung des Bundesrathes erforderlich, es sei denn, daß ein Angriff auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.“ 868 Art. 45 Abs. 2 WRV lautete: „Kriegserklärung und Friedensschluß erfolgen durch Reichsgesetz.“ 869 Art. 74 Abs. 1 WRV lautete: „Gegen die vom Reichstag beschlossenen Gesetze steht dem Reichsrat der Einspruch zu.“

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einsätzen durch die damaligen Streitkräfte, sprich der Reichswehr. Die Verfassungstradition sieht somit recht eindeutig ein Beteiligungserfordernis des Bundesrates vor.870 Neben der Verfassungstradition legen die ebenso vom Bundesverfassungsgericht angeführten Normen ein Beteiligungserfordernis des Bundesrates nahe. Besonders deutlich ist hierzu Art. 35 Abs. 3 S. 2 GG. Dieser räumt einzig dem Bundesrat eine Entscheidungsbefugnis ein. Wenn das Bundesverfassungsgericht Art. 35 Abs. 3 S. 2 GG zur Begründung eines grundsätzlichen Vorbehalts heranzieht871, so muss dies auch eine Beteiligung des Bundesrates als einzige in Art. 35 Abs. 3 S. 2 GG benannte Stelle bedeuten. Denn der gegenteilige Rückschluss, aus der nach Art. 35 Abs. 3 S. 2 GG ausschließlich dem Bundesrat zukommenden Kompetenz einen Streitkräfteeinsatz nach Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG einzustellen eine ausschließlich vom Bundestag abhängige konstitutive Zustimmung im Rahmen eines Parlamentsvorbehalts zu folgern, passt systematisch nicht zusammen.872 Wenn jedoch eine Einbeziehung des Art. 35 Abs. 3 S. 2 GG argumentativ erfolgt und hieraus generelle Mitwirkungsrechte bzw. ein wie auch gearteter Vorbehalt rückgeschlossen werden,873 so müssen hierbei auch Mitwirkungsrechte des Bundesrates enthalten sein. Dies bestätigt sich, vergewissert man sich, dass auch alle anderen Normen, welche das Bundesverfassungsgericht als Normen anführt, über welche konkrete Entscheidungen über die Verwendung der Streitkräfte getroffen werden, explizit eine Beteiligung des Bundesrates vorsehen: Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG setzt ausdrücklich eine Zustimmung des Bundesrates voraus; Art. 87a Abs. 4 S. 2 GG räumt ebenso ausdrücklich neben dem Bundestag auch dem Bundesrat die Befugnis ein die Einstellung eines Einsatzes zu verlangen. Wenn Art. 115a Abs. 1 S. 1 , 87a Abs. 4 S. 2, 35 Abs. 3 S. 2 GG als Wertungsgrundlage herangezogen werden und all diese Normen eine Beteiligung des Bundesrates vorschreiben, so kann es nicht überzeugen in der Bestimmung des Vorbehaltes eine Beteiligung des Bundesrates nicht auch mit anzunehmen.874 Zudem ist hinsichtlich der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts auffällig, dass dieses im Rahmen des Parlamentsvorbehalts lediglich eine Antragsbefugnis der Bundesregierung sieht. Die beiden Elemente einer ausschließlichen Antragsbefugnis der Bundesregierung und notwendiger Zustimmung durch den Bundestag weisen eine erhebliche gedankliche Nähe zu Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG auf, welchen das Bundesverfassungsgericht selbst als gedankliche Grundlage an870 Ebenso: Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287 (295 f.). 871 BVerfGE 90, 286 (387 f.). 872 Zum Aufhebungsrecht des Bundestages: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 312. 873 Ebd. 874 Ebenso: Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287 (296 ff.).

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führt. Nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG ist jedoch auch eine Zustimmung durch den Bundesrat erforderlich.875 Ebenso beinhaltet auch der Verweis auf eine Verfassungstradition eine Beteiligung des Bundesrates. Hierzu verweist das Bundesverfassungsgericht auf Art. 59a GG a. F., welcher durch die Notstandsnovelle in Art. 115a GG geändert wurde.876 Auch wenn Art. 59a GG a. F. keine Beteiligung des Bundesrates beinhaltete, so wurde durch Modifizierung des Art. 59a GG a. F. in Art. 115a GG, der explizit eine Beteiligung des Bundesrates vorsieht, der Wille des Gesetzgebers deutlich, auch bezogen auf eine bestehende Verfassungstradition eine entsprechende Beteiligung des Bundesrates zu etablieren.877 Auch wenn das Bundesverfassungsgericht nicht explizit auf Art. 115l Abs. 2 GG abstellt, ist diese Entscheidungsbefugnis in Zusammenhang mit der Feststellungsbefugnis des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG zu sehen. Diese Entscheidungsbefugnis stellt als mit letzte Norm des Abschnitts „Xa. Verteidigungsfall“ mit Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG nicht nur aufgrund der systematischen Anordnung den äußeren Rahmen dieses Abschnittes dar. Auch inhaltlich begründet sich ein einrahmendes, gemeinsames Konstrukt. Denn während Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG als Feststellung des Kriegszustandes unter anderem die weiteren Regeln der Art. 115b ff. GG als Rechtsfolge ermöglicht, beendet die Feststellung des Art. 115l Abs. 2 GG den Verteidigungsfall mit seinen Rechtsfolgen. Bei der Feststellung des Friedensschlusses nach Art. 115l Abs. 2 GG handelt es sich somit, wie bei Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG, um eine wehrverfassungsrechtliche Norm, die das der Verfassung immanente Prinzip eines Vorbehaltes bei einem Streitkräfteeinsatz verdeutlicht. Jedoch stellt auch Art. 115l Abs. 2 GG nicht nur auf eine alleinige Entscheidungskompetenz des Bundestages ab, sondern schreibt eine notwendige Zustimmung des Bundesrates vor. Sofern das Bundesverfassungsgericht die Wertung des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG zur Begründung eines Vorbehaltes heranzieht, so ist hierdurch ebenso Art. 115l Abs. 2 S. 1 GG zu beachten, welche ebenso eine Beteilung des Bundesrates voraussetzt.

875 Das grundlegende Problem auch erkennend: Wagner, Parlamentsvorbehalt und Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 34, dieser zweifelt jedoch infolgedessen die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts an, weil dies mit dem Ergebnis nicht übereinstimmt. Methodisch nachvollziehbarer wäre jedoch, anstatt die Argumentation anzuzweifeln, das aus der Argumentation folgende Ergebnis gegebenenfalls anzupassen. 876 BVerfGE 90, 286 (383 ff.). Hierzu führt zwar das Bundesverfassungsgericht aus, dass der Modifizierung keine „Entparlamentarisierung des Streitkräfteeinsatzes zugrunde“ lag. Ein Argument, weshalb daraus jedoch die explizite Wertung des Art. 115a GG einer Beteiligung des Bundesrates nicht folge, besteht dadurch jedoch nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht beschreibt nur, dass durch Modifikation des Art. 59a GG a. F. kein „Weniger“ an Kontrolle der Exekutive folge. Dies schließt nicht aus, dass aus der Modifikation ein „Mehr“ an Kontrolle der Exekutive folgt. 877 Vgl. Scherrer, Das Parlament und sein Heer, S. 79, nach dem sich dadurch die „in Anspruch genommene Kontinuitätsregel suspendiert“.

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Insbesondere auf Grund der Art. 115a Abs. 1 S. 1, 115l Abs. 2 S. 2, 87a Abs. 3, 87a Abs. 4 und 35 Abs. 3 S. 2 GG besteht somit nicht nur eine notwendige Beteiligung des Bundestages, sondern auch eine notwendige Beteiligung des Bundesrates. Wenn das Bundesverfassungsgericht diese Normen als Gründe anführt, um einen Vorbehalt zu begründen, und diese angeführten Gründe eine Beteiligung des Bundesrates voraussetzen, so muss auch der hieraus rückgeschlossene Vorbehalt eine Beteiligung des Bundesrates beinhalten. Gründe, weshalb eine Beteiligung des Bundesrates nicht notwendig sei, nennt das Bundesverfassungsgericht nicht.878 Die vom Bundesverfassungsgericht angeführten Argumente münden somit nicht nur in einem Parlamentsvorbehalt, sondern in einem diesen umfassenden Legislativvorbehalt. (2) Heranziehung des Wesentlichkeitsgedankens Der gleiche Gedanke eines notwendigen Beteiligungserfordernisses des Bundesrates ergibt sich auch aus dem Wesentlichkeitsgedanken.879 Der Wesentlichkeitsgedanke lässt sich ebenso wie das vom Bundesverfassungsgericht verdeutlichte „Prinzip“ und hierbei die angesprochenen Normen der Art. 115a Abs. 1, 87a Abs. 3, 87a Abs. 4 und 35 Abs. 3 S. 2 GG zur Begründung eines Vorbehalts heranziehen.880 Der Wesentlichkeitsgedanke spiegelt teilweise das Prinzip der Gewaltenteilung wider.881 Je wesentlicher eine Entscheidung für das Gemeinwohl ist, desto stärker muss dessen demokratische Rückführbarkeit und Nähe zum unmittelbar demokratisch legitimierten Entscheidungsträger sein. Hierdurch unterliegt eine Entscheidung der Exekutive der Kontrolle der Legislative.882 878

Insbesondere die Heranziehung von Art. 35 Abs. 3 S. 2 GG als Begründung für einen Vorbehalt wäre nicht möglich, würde man annehmen, dass ein Beteiligungserfordernis des Bundesrates nicht bestünde. 879 Grundlegend zum Wesentlichkeitsgedanken hinsichtlich eines Parlamentsvorbehaltes bezüglich der Gesetzgebung: Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, S. 64 ff.; ebenso: Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 104 ff.; zum wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt: vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24 ff.; Scherrer, Das Parlament und sein Heer, S. 86; Schmidt-Radefeldt, Parlamentarische Kontrolle der internationalen Streitkräfteintegration, S. 156 f.; Voigt/Seybold, Streitkräfte und Wehrverwaltung, S. 90; Bähr, Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen, S. 93 ff.; zur Wesentlichkeitstheorie bezogen auf grundrechtsrelevante Bereiche: Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 101, Rn. 41. 880 Wagner, Parlamentsvorbehalt und Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 31 m. V. a. Heun, JZ 1994, 1073 (1074); ebenso: Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 38; ebenso: Heun, Anmerkung zu BVerfGE 90, 286, JZ 1994, 1073 (1074); vgl. Kersting, NZWehrr 1982, 84 (86); Ipsen, DÖV 1971, 583 (588). 881 BVerfGE 121, 135 (163), Kleinlein, Kontinuität und Wandel in Grundlegung und Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts, AöR 142 (2017), 43 (60). 882 BVerfGE 140, 160 (189).

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Eine Einbeziehung der Legislative erschöpft sich jedoch nicht einzig in einer Beteiligung des Bundestages, sondern umfasst auch den Bundesrat.883 Denn legislative Akte, wie die Gesetzgebung, setzen mindestens eine Einspruchsmöglichkeit des Bundesrates voraus. Ebenso wird als Ausfluss der Wesentlichkeitstheorie die Vermittlung demokratischer Legitimation und des Demokratieprinzips verstanden.884 Zwar kommt dem Bundestag als unmittelbar gewähltem Organ die stärkste demokratische Legitimation zu. Der Begriff der Demokratie umfasst jedoch darüber hinaus jedenfalls auch den Bundesrat. Wenn demokratische Legitimation vermittelt werden soll, ist selbstverständlich eine Beteiligung des Bundestages essentiell.885 Wieso dies jedoch zu einem Beteiligungserfordernis des Bundestages, nicht jedoch zu einem Beteiligungserfordernis des Bundesrates führt, bleibt offen. Vielmehr scheint eine Beteiligung sowohl des Bundestages als auch des Bundesrates erforderlich.886 (3) Vergleichbarkeit zum Gesetzgebungs- und Transformationsverfahren Betrachtet man die Argumentation, welche zu einem Parlamentsvorbehalt führt, scheint hierbei gedanklich eine Brücke zum Gesetzgebungs- und zum Transformationsverfahren geschlagen zu werden.887 Die Entscheidung über die Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes führt zu einem legislativen Akt.888 Legislative Akte sind typischerweise gesetzgebende Akte. Bei der Gesetzgebung besteht jedoch eine 883

Vgl. Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287 (299 f.). 884 Exemplarisch: Kleinlein, Kontinuität und Wandel in Grundlegung und Dogmatik des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts, AöR 142 (2017), 43 (69), vgl. Scherrer, Das Parlament und sein Heer, S. 86 ff., 103 f.; Blumenwitz, Streitkräfte als Mittel der vollziehenden Gewalt zur Durchsetzung einer (Macht-)Position, NZWehrr 1988, 133 (145); Bartke, Verteidigungsauftrag der Bundeswehr, S. 86; Wagner, Parlamentsvorbehalt und Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 32; kritisch zur Anwendung der Wesentlichkeitstheorie als Begründung des Parlamentsvorbehalts: Gutmann, Fortschreitende Militärkooperationen, S. 143 f. 885 Hierzu kritisch: Wagner, Parlamentsvorbehalt und Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 33. 886 Ebenso: Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287 (299 f.; 302); vgl. Schmidt-Radefeldt, Parlamentarische Kontrolle der internationalen Streitkräfteintegration, S. 156, nach dem „[d]er Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der Bundeswehr […] die Mitwirkung der Volksvertretung an militärisch bedeutsamen Entscheidungen sicherstellen“ will. Die Vertretung des Volkes erfolgt zwar hauptsächlich durch den Bundestag, aber auch durch den Bundesrat. 887 Vgl. Paulus, Parlament und Streitkräfteeinsatz in rechtshistorischer und rechtsvergleichender Perspektive, S. 336 ff.; a. A. Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 195. 888 Vergleichbar zum Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG Bund ließe sich die Entscheidung über die Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes als „Verfassungsakt“, somit als Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit Auswirkung unmittelbarer Rechtswirkung nach außen jedoch durch ein Verfassungsorgan verstehen. Zum Begriff „Verfassungsakt“ bereits Reimer, Zur Theorie der Handlungsformen des Staates, 2008, S. 75 ff.

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Beteiligungsform des Bundesrates.889 Eine Vergleichbarkeit zum Gesetzgebungsverfahren besteht zudem durch Art. 115 l Abs. 3 GG. Der Friedensschluss ist eine wehrverfassungsrechtliche Entscheidung, welche nach Art. 115 l Abs. 2 S. 1 GG explizit eine Beteiligung des Bundesrates voraussetzt, und ergeht per Bundesgesetz. Der Friedensschluss steht als Gegenstück zur Feststellung des Verteidigungsfalls mit diesem in systematischen Zusammenhang, sodass die Feststellung des Verteidigungsfalls jedenfalls gesetzesähnlich erscheint. Da durch Feststellung des Verteidigungsfalls akzessorisch eine Zustimmung zum Verteidigungseinsatz erteilt wird, erfolgt diese Zustimmung zum Verteidigungseinsatz gesetzesähnlich. Ebenso verdeutlicht Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG eine Gesetzesähnlichkeit der Entscheidung über die Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes zur Verteidigung. Danach handelt es sich bei „Verteidigung“ um einen Bereich der Gesetzgebung. Grundlegende Regelungen dieses Bereiches haben durch den Bund per Gesetz zu erfolgen. In den Bereich „Verteidigung“ nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG fällt die Entscheidung über die Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes zur Verteidigung. Sofern der Bund hierzu tätig wird, unterfällt dies dem Regelungsbereich des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG, wodurch staatliche Handlungsform primär das Gesetz bzw. ein gesetzesähnlicher Akt ist.890 Ebenso scheint bei der Begründung des Parlamentsvorbehalts gedanklich auch eine Nähe zu Art. 59 Abs. 2 GG zu bestehen.891 Auch wenn das Bundesverfassungsgericht diese Norm nicht explizit als Grundlage des Vorbehalts ansieht, da es sich bei einem Streitkräfteeinsatz nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt,892 sieht es doch jedenfalls eine gedankliche Nähe, die überhaupt zu einer Beschäftigung mit und Erwähnung von Art. 59 Abs. 2 GG führt. Denn ebenso wie völkerrechtliche Verträge nach Art. 59 Abs. 2 GG haben Streitkräfteeinsätze einen erheblichen Einfluss auf die politischen Beziehungen des Bundes und der Bundes-

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Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 102, Rn. 44. Da Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG hinsichtlich des Bereichs der Verteidigung eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes vorschreibt, ließe sich hieraus schließen, dass eine Beteiligung der Länder überhaupt nicht vorgesehen sei – auch nicht hinsichtlich der Entscheidung über die Vornahme von Streitkräfteeinsätzen zur Verteidigung. Der Bundesrat, als die Länder widerspiegelndes Organ, würde den Ländern ein Mitspracherecht in einem Bereich geben, welcher ausschließlich dem Bund vorbehalten ist. Jedoch handelt es sich beim Bundesrat ausweislich seines Namens nicht um ein Organ eines Bundeslandes, sondern um ein Bundesorgan. Auch schließt eine ausschließliche Bundeskompetenz nach Art. 73 GG im Gesetzgebungsprozess nicht eine Beteiligung des Bundesrates aus. Auch bei Gesetzen, die in die ausschließliche Kompetenz des Bundes fallen, kann eine Zustimmung notwendig bzw. ein Einspruch des Bundesrates zulässig sein. Indem eine ausschließliche Bundeskompetenz eine Beteiligung des Bundesrates am Gesetzgebungsprozess nicht ausschließt, so kann auch eine Beteiligung des Bundesrates an der Entscheidung über die Vornahme von Streitkräfteeinsätzen als gesetzesähnlicher Akt nicht durch eine ausschließliche Bundeskompetenz ausgeschlossen werden. 891 Ebenso: Schmidt-Radefeldt, Parlamentarische Kontrolle der internationalen Streitkräfteintegration, S. 155. 892 BVerfGE 90, 286 (381 f.). 890

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republik mit anderen Staaten.893 Nach Art. 59 Abs. 2 GG ist zwar primär, nicht jedoch ausschließlich der Bundestag zu beteiligen. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit einer notwendigen Beteiligung des Bundesrates. Sowohl die Gesetzgebung als auch gegebenenfalls Art. 59 Abs. 2 GG sehen eine Beteiligung des Bundesrates vor. Der bestehende Vorbehalt weist hierzu eine erhebliche gedankliche Nähe auf, sodass der Vorbehalt auch ebenso eine Beteiligung des Bundesrates beinhalten muss. (4) Vergleichbarkeit zu durch den Bundesrat zustimmungspflichtigen Szenarien Eine Zustimmung des Bundesrates bei der Gesetzgebung ist notwendig, wenn durch das Gesetz Interessen und Belange der Bundesländer nicht unerheblich betroffen werden. Ein Streitkräfteeinsatz betrifft dabei typischerweise gleichermaßen Belange der Länder in erheblichem Ausmaß.894 Denn ein Streitkräfteeinsatz bedeutet meist nicht nur eine erhebliche finanzielle Belastung, die sich auch auf die Länder auswirkt.895 Ebenso betreffen die Rückwirkungen auf politische Beziehungen zu anderen Staaten gleichermaßen die Bundesländer.896 Ein Streitkräfteeinsatz ist jedenfalls ebenso erheblich wie Gesetze, die die Zustimmung des Bundesrates erfordern.897 Da durch einen Streitkräfteeinsatz auch erhebliche Belange der Bundesländer betroffen werden, scheint die Notwendigkeit einer Einflussmöglichkeit der Bundesländer zu bestehen, was für eine Beteiligung des Bundesrates spricht. (5) Zwischenergebnis eines einheitlichen Vorbehalts Aus systematischen Gründen ist somit eine Beteiligungsform des Bundesrates notwendig.898 893 Vgl. Riedel, Die Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte als Ausübung der auswärtigen Gewalt, NZWehrr 1989, 45 (53). 894 Ebenso: Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287 (301 f.); vgl. Hufeld, in: Kube (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, Band 1, § 44, Rn. 12, „Je intensiver Staatenkooperation sich verdichtet, desto weniger [sei] […] auswärtige Politik allein die Sache exklusiv vertretungsberechtigter Exekutiven […]. Im hochintegrierten Staatenverbund wird Außenpolitik zu einer Gemeinschaftsinnenpolitik.“ Die dort beschriebene Gemeinschaftsinnenpolitik ist nicht alleinige Aufgabe des Bundestages, sondern zudem Aufgabe des Bundesrates. 895 Hierzu vergleichbar scheint etwa der Rechtsgedanke des Art. 104a Abs. 4 GG oder des Art. 109 Abs. 4 GG, der eine Beteiligung des Bundesrates vorsieht, wenn den Ländern Kosten entstehen. 896 Im Ergebnis ebenso: Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287 (301 f.). 897 Vgl. Bartke, Verteidigungsauftrag der Bundeswehr, S. 86. 898 Sachs, in: Baumeister/Roth/Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Die Bundeswehr als „Parlamentsherr“ – und der Bundesrat, S. 287 (303), nachdem jedoch das „Erfordernis der Zustimmung nur des Bundestages“ „möglicherweise sinnvoller“ sei. Zu-

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Denkbar wäre, dass sich die Beteiligung des Bundesrates in einem zweiten Vorbehalt konkretisiert – somit neben einem Parlamentsvorbehalt ein Bundesratsvorbehalt bestünde. Als dogmatischer Sicht handelt es sich jedoch nicht um zwei voneinander abhängige Vorbehalte, sondern um einen umfassenden Vorbehalt mit zwei notwendigen Zustimmungen. Denn das vom Bundesverfassungsgericht beschriebene Prinzip, welches den von diesem bezeichneten Parlamentsvorbehalt begründet, verankert sich unter anderem in Art. 115a Abs. 1 S. 1, 115l Abs. 2 S. 1 GG. Diese dort beschriebenen Feststellungen setzen zwar die Zustimmung beider Legislativorgane voraus, münden jedoch jeweils in einer einheitlichen Feststellungsentscheidung. Sofern mit aus Art. 115a Abs. 1 S. 1, 115l Abs. 2 S. 1 GG die Notwendigkeit eines Vorbehaltes mit Beteiligung des Bundesrates gezogen wird, ist ebenso die Wertung zu übernehmen, dass unter Voraussetzung der Zustimmung zweier Legislativorgane eine einheitliche Entscheidung folgt. cc) Umfang der Beteiligung des Bundesrates Diese Beteiligungsform bedeutet entweder eine Zustimmungspflichtigkeit durch den Bundesrat zum jeweiligen Streitkräfteeinsatz oder eine Einspruchsmöglichkeit des Bundesrates zum jeweiligen Streitkräfteeinsatz. Für lediglich eine Einspruchsmöglichkeit des Bundesrates spricht, dass der Bundestag nur mit einfacher Mehrheit dem Einsatz zustimmen muss. Typischerweise handelt es sich hierbei um Akte einfacher Gesetzgebung, bei der der Bundesrat meist nur ein Einspruchsrecht innehat. Zudem verweist das Bundesverfassungsgericht bei der Begründung des Vorbehalts auf Art. 35 Abs. 3 S. 2 GG und Art. 87a Abs. 4 S. 2 GG. Diese Normen geben unter anderem dem Bundesrat die Möglichkeit die Einstellung eines jeweiligen Streitkräfteeinsatzes zu verlangen. Die Einstellung steht inhaltlich einem Einspruch näher als einer Zustimmung. Zudem ließe sich anführen, dass, wäre eine Zustimmung des Bundesrates zur Entscheidung über die Vornahme von Einsätzen zur Verteidigung vorgesehen, diese in Art. 87a GG hätte normiert werden können. Für eine Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates sprechen dagegen insbesondere die Heranziehung des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG als Begründung des Vorstimmen ist, dass die Frage, ob eine Beteiligung des Bundesrates aus politischer Sicht sinnvoll ist, für eine methodische Auslegung der Verfassung keine Auswirkung hat, sondern eine sekundäre Bewertung mit vielleicht der Empfehlung einer Verfassungsänderung bzw. „Änderung des Grundgesetzes“ ist. Jedoch scheint selbst das mögliche Argument einer Praktikabilität einer Beteiligung des Bundesrates nicht überzeugend. Zwar kann durch eine Beteiligung des Bundesrates ein Verfahren zur legislativen Zustimmung länger dauern, sofern der Streitkräfteeinsatz nicht nur einspruchsabhängig, sondern zustimmungspflichtig ist. Jedoch besteht gerade im Szenario der Beteiligung des Bundesrates nach Entscheidung des Bundestages keine Eilbedürftigkeit einer Entscheidung, da im Fall der Eilbedürftigkeit eine überlagernde Entscheidungskompetenz der Bundesregierung bestünde, sodass im Szenario des Legislativvorbehalts mit Entscheidung des Bundestages geradewegs genug Zeit besteht, um auch den Bundesrat zu beteiligen.

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behalts, sowie die erhebliche Beeinträchtigung von Belangen der Länder. Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG beschreibt explizit die Zustimmung als erforderliche Beteiligungsform des Bundesrates. Wenn Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG argumentative Grundlage für einen Vorbehalt ist, so ist auch dessen Wertung einer notwendigen Zustimmung des Bundesrates zu übernehmen. Überzeugendstes Argument für eine Zustimmungspflichtigkeit ist die Betroffenheit von Belangen der Länder in nicht unerheblichem Ausmaß. Betrifft ein Gesetz Belange der Länder in nicht unerheblichem Ausmaß, ist eine Zustimmung des Bundesrates zum Schutz und zur Sicherung seiner föderalen Rechtsposition erforderlich. Da ein Streitkräfteeinsatz ebenso Belange der Länder in nicht unerheblichem Ausmaß betreffen kann, ist ebenso zum Schutz und zur Sicherung der föderalen Rechte der Bundesländer deren Zustimmung zum jeweiligen Streitkräfteeinsatz einzuholen. Sollte dagegen der Streitkräfteeinsatz keine Belange der Länder bzw. lediglich Belange in unerheblichem Ausmaß betreffen, überzeugen die Argumente für lediglich eine Einspruchsmöglichkeit des Bundesrates. In diesem Fall hat der Bundesrat aus oben genannten Gründen nur die Möglichkeit einen Einspruch gegen den Streitkräfteeinsatz einzulegen. Die Beteiligungsform, ob Einspruchsmöglichkeit oder Notwendigkeit einer Zustimmung des Bundesrates, hängt davon ab, ob Belange der Länder nicht unerheblich betroffen sind. Ist dies der Fall, so muss der Bundesrat dem Streitkräfteeinsatz zustimmen, andernfalls kann er lediglich Einspruch gegen den Streitkräfteeinsatz einlegen. Insbesondere Streitkräfteeinsätze, durch welche es als Reaktion auf den Streitkräfteeinsatz wahrscheinlich zu einer kriegerischen Auseinandersetzung innerhalb deutschen Territoriums kommt, sollen als Beispiel für eine notwendige Zustimmung angeführt werden. Ein durch Streitkräfteeinsatz hervorgerufener Krieg mit all seinen Folgen betrifft auch die Belange der Bundesländer in überaus erheblichem Maße. c) Voraussetzungen des Legislativvorbehalts Auch wenn sich systematisch anstatt eines Parlamentsvorbehalts ein Legislativvorbehalt ergibt, sind die Erwägungen zum Parlamentsvorbehalt weiterhin anwendbar, da der Legislativvorbehalt den Parlamentsvorbehalt beinhaltet und lediglich ein Mehr in einer Beteiligung des Bundesrates vorsieht. aa) Vorhersehbarkeit bewaffneter Auseinandersetzungen (1) Qualifizierte Erwartung an eine bewaffnete Unternehmung Das Bundesverfassungsgericht verdeutlichte, dass das Merkmal der „bewaffnete[n] Unternehmung“899 entscheidend ist.900 Dies ist gegeben, wenn „nach dem je899

BVerfGE 121, 135 (155; 163).

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weiligen Einsatzzusammenhang und den einzelnen rechtlichen und tatsächlichen Umständen die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist“.901 Eine bewaffnete Unternehmung konkretisiert sich in der Vorhersehbarkeit bewaffneter Auseinandersetzungen.902 Diese liegt vor, wenn aus den „Umständen des Falles und der politischen Gesamtlage heraus eine konkrete militärische Gefahrenlage besteh[t], die eine hinreichende sachliche Nähe zur Anwendung von Waffengewalt und damit zur Verwicklung deutscher Streitkräfte in eine bewaffnete Auseinandersetzung aufweist“.903 Auch muss eine „Anwendung von Waffengewalt […] unmittelbar zu erwarten sein“.904 Ist eine bewaffnete Unternehmung zu erwarten, muss sowohl eine konstitutive Zustimmung des Parlaments905 als auch entweder kein Einspruch von oder eine Zustimmung des Bundesrates vorliegen. Eine derartige Beteiligung des Bundestages und Bundesrates ist indes nicht uneingeschränkt bei jedem Streitkräfteeinsatz notwendig.906 Notwendig wird sie, wenn eine „qualifizierte Erwartung“ an die bewaffnete Unternehmung besteht.907 (2) Entscheidungszuständigkeit bezüglich bewaffneter Auseinandersetzung Ob eine solche bewaffnete Auseinandersetzung in qualifizierter Weise vorliegt, entscheidet die Bundesregierung. Dies folgt daraus, dass nur die Bundesregierung 900 Vgl. ebenso: Nolte, Bundeswehreinsätze in kollektiven Sicherheitssystemen, ZaöRV 54 (1994), 652 (678 f.); Röben, Der Einsatz der Streitkräfte nach dem Grundgesetz, ZaöRV 63 (2003), 585 (592 ff.); Fischer-Lescano, Konstitutiver Parlamentsvorbehalt, NVwZ 2003, 1474 ff.; Schaefer, Verfassungsrechtliche Grenzen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, S. 192 ff.; Schmidt-Radefeldt, Parlamentarische Kontrolle der internationalen Streitkräfteintegration, S. 151 ff.; Schröder, Das parlamentarische Zustimmungsverfahren zum Auslandseinsatz der Bundeswehr in der Praxis, S. 166 ff., 188 ff. 901 BVerfGE 121, 135 (164). 902 Hierzu vertiefend: Dreist, AWACS-Einsatz ohne Parlamentsbeschluss?, ZaöRV 64 (2004), 1001 (1033 f.); Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 105. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 32. 903 BVerfGE 121, 135 (165). 904 BVerfGE 121, 135 (166). 905 BVerfGE 121, 135 (153 f.); exemplarisch: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 34. 906 BVerfGE 121, 55 (69 f.); vgl. Ladiges, AWACS-Aufklärung unter Parlamentsvorbehalt, RuP 2009, 29 (33); diese Möglichkeit grundsätzlich auch anerkennend: Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 50, die hierbei auf eine mögliche „Deminimis“-Schwelle verweist; diese strikt ablehnend: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 29; allein die Konstellation, die einem § 15 UZwGBw zu Grunde liegt, stellt zwar einen Streitkräfteeinsatz dar, jedoch ist ein solcher nicht von einer Parlamentsentscheidung konstitutiv abhängig. 907 BVerfGE 121, 135 (165).

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initiativberechtigt ist dem Bundestag die Frage über die Zustimmung zu einem Streitkräfteeinsatz vorzulegen. Denn wenn die Bundesregierung dem Bundestag die Frage der Vornahme eine Streitkräfteeinsatzes vorlegt, hält die Bundesregierung automatisch auch eine bewaffnete Auseinandersetzung qualifiziert für gegeben. Nur im Falle dieser Erwartung ist die Frage der Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes überhaupt dem Parlament vorzulegen. In der Entscheidung, ob dem Parlament die Frage über eine Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes vorzulegen ist, steckt inzident die Wertung, dass eine bewaffnete Auseinandersetzung qualifiziert zu erwarten ist. Dass einzig die Bundesregierung initiativberechtigt ist, dem Parlament die Frage der Streitkräfteeinsatzvornahme vorzulegen, ergibt sich insbesondere aus Art. 115a Abs. 1 S. 2 GG.908 Zur Begründung des Vorbehalts zieht das Bundesverfassungsgericht Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG heran. Hierzu beschreibt Art. 115a Abs. 1 S. 2 GG, dass eine Antragsbefugnis lediglich der Bundesregierung zukommt. Durch Konnexität der Art. 115a Abs. 1 S. 1 und S. 2 GG ist entsprechend auch die Wertung des S. 2, dass ausschließlich die Bundesregierung initiativberechtigt ist, zu übernehmen. Die Entscheidung der Bundesregierung, ob eine bewaffnete Auseinandersetzung qualifiziert zu erwarten sei, ist gerichtlich voll überprüfbar.909 bb) Keine Eilbedürftigkeit Neben dem Kriterium der bewaffneten Unternehmung bzw. Vorhersehbarkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung besteht das zu beachtende Merkmal der „Gefahr im Verzug“.910 Nach dem Bundesverfassungsgericht ergibt sich hieraus, dass „ausnahmsweise […] die Bundesregierung – bei Gefahr im Verzug – berechtigt [ist], vorläufig den Einsatz bewaffneter Streitkräfte zu beschließen, damit die Wehr- und Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland durch den Parlamentsvorbehalt nicht in Frage gestellt [wird].“911 Besteht eine Eilbedürftigkeit, muss eine Handlungsfähigkeit gewährleistet sein.912 Hierzu ist es zwangsweise notwendig, eine ausnahmsweise Verschiebung der Entscheidungskompetenz bezüglich Verteidigungshandlungen vorzunehmen.

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Vgl. BVerfGE 90, 286 (390). BVerfGE 121, 135 (168 f.); Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 31. 910 BVerfGE 121, 135 (154); Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 43; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 103; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24; Lutze, Der Parlamentsvorbehalt beim Einsatz bewaffneter Streitkräfte, DÖV 2003, 972 (977 f.). 911 BVerfGE 121, 135 (154). 912 Vgl. BVerfGE 140, 160 Rn. 83. 909

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Für einen Legislativvorbehalt, somit notwendige Zustimmung des Bundestages und Bundesrates, ist es daher erforderlich, dass keine Eilbedürftigkeit der Entscheidung besteht. cc) Keine Notwendigkeit eines Auslandsbezugs Grundgedanke des Legislativvorbehalts ist, wie das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des Parlamentsvorbehalts ausführte, die Gefahr eines „politischen Eskalations- und Verstrickungspotential[s]“.913 Der Vorbehalt bezieht sich auf „Angelegenheiten der auswärtigen Gewalt“914 oder – umschrieben als „funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt“915 – auf den „Bereich der auswärtigen Angelegenheiten“916. Der in diesem Zusammenhang häufig verwendete Begriff „auswärtig“917 erscheint hierbei ungenau. Denn der beschriebene Vorbehalt ist nicht von einer Extraterritorialität des Einsatzsortes abhängig, auch wenn der Begriff „auswärtig“ dies vermuten ließe. Auch wenn sich das AWACS-Urteil auf einen Auslandseinsatz der Streitkräfte bezieht, so stellt es doch Anforderungen an eine Beteiligung des Bundestages und des Bundesrates unabhängig vom Einsatzort der Streitkräfte.918 Dies wird dadurch deutlich, dass bei den Ausführungen zum Vorbehalt ein expliziter Bezug auf einen extraterritorialen Einsatzort und eine Herausstellung dieser Besonderheit fehlen, selbst wenn man dies gegebenenfalls im Begriff des „auswärtigen“ lesen könnte. Im Wesentlichen ergibt sich dies aus einer potentiellen Ergebnisbetrachtung. Würde der Vorbehalt nur für Auslandseinsätze bestehen, lägen höhere Einsatzhürden für einen Auslandseinsatz als für einen Inlandseinsatz vor. Dies widerspräche jedoch fundamental der Grundkonzeption einer restriktiven Streitkräfteverwendung im Inland.919 Auf Grund historischer Erfahrungen ist ein gewisses Misstrauen gegenüber den Streitkräften dem Grundgesetz immanent.920 Die kritische Diskussion über Streitkräfteeinsätze im Inland verdeutlicht dies prägnant. Einen

913

BVerfGE 121, 135 (161). A. a. O. (154). 915 A. a. O. (162). 916 Ebd. 917 BVerfGE 121, 135 (158, 161, 162, 165). 918 A. A. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 98, die hierbei zwar sinnvollerweise BVerfGE 121, 55 (69 f.) anführen, dies jedoch missverstehen. 919 Vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 48; BVerfGE 133, 241 (266 f.); Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 71; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 2; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14. 920 Vgl. Barth/Pfau/Streif, Sicherheitspolitik und Bundeswehr, S. 155 f. 914

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konstitutiven Vorbehalt für Auslandseinsätze, nicht jedoch für Inlandseinsätze anzunehmen, ist im Hinblick auf dieses historische Verständnis nicht möglich. Ebenso wenig rechtfertigt der Gedanke, dass aktuell keine kriegerischen Auseinandersetzungen auf deutschem Boden zu befürchten sind, einen reinen Auslandsbezug des Parlamentsvorbehalts. Entstehungsgeschichtlich war sehr wohl das Szenario eines Krieges auf deutschem Boden präsent.921 Ein historisch seit 1956 bestehender Vorbehalt muss sich einzig konsequenterweise auch auf diesen Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung innerhalb Deutschlands beziehen.922 Ein Inlandseinsatz deutscher Streitkräfte kann selbstverständlich ein vergleichbares „politische[s] Eskalations- und Verstrickungspotential“923 enthalten, insbesondere wenn der Einsatz sich innerhalb deutschen Hoheitsgebietes gegen fremdstaatliche Streitkräfte richtet. Ein Einsatz deutscher Streitkräfte, insbesondere gegen fremde Streitkräfte, bedarf aufgrund seiner gravierenden Folgen prinzipiell einer legislativen Absicherung in Form des Legislativvorbehalts. Hierbei hebt ein innerdeutscher Einsatzort die Notwendigkeit eines Vorbehaltes nicht auf – vielmehr bestärkt ein innerdeutscher Einsatzort die Notwendigkeit eines Legislativvorbehalts. Dass ein deutscher Streitkräfteeinsatz gegen fremde Streitkräfte im Ausland einem Legislativvorbehalt unterliegt, jedoch ein vergleichbarere Einsatz gegen fremde Streitkräfte innerhalb deutschen Territorium jedoch keinem in jeglicher Form gearteten Vorbehalt unterliege, wirkt als Ergebnis etwas fremd.924 Betrachtet man daher die G8-Gipfel-Heiligendamm-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus diesem Blickwinkel, kommt es für einen Parlamentsvorbehalt nicht darauf an, ob der Einsatz im Inland oder Ausland stattfindet.925 Auch die Ausführungen innerhalb der Literatur zum Parlamentsvorbehalt begrenzen sich meist nicht nachvollziehbar lediglich auf auswärtige Einsätze deutscher Streitkräfte – teilsweise basierend auf der nicht haltbaren Annahme, dass der Begriff 921

Vgl. Tönnies, Der Weg zu den Waffen, S. 85 ff. Dass es sich bei dem Vorbehalt nicht um eine Neuschöpfung der 1990er Jahre, sondern um eine seit 1956 geltende Rechtslage handelt, verdeutlicht das Bundesverfassungsgericht, indem es bei der dogmatischen Begründung des Vorbehalts auf eine „seit 1918 [bestehende] deutsche Verfassungstradition“ abstellt [BVerfGE 90, 286 (383)]. Dass diese Verfassungstradition keinen Abbruch gehabt hätte, wird verdeutlicht, indem das Bundesverfassungsgericht ausführt, dass „[d]as Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 19. März 1956 (BGBl. I S. 111) […] mit der Regelung des Art. 59a Abs. 1 GG an diese Bestimmung der Weimarer Reichsverfassung an[knüpft]“ (BVerfGE 90, 286 (384)). 923 BVerfGE 121, 135 (161). 924 Während die Vornahme von Verteidigungsmaßnahmen gegen etwa us-amerikanische Streitkräfte außerhalb deutschen Territoriums einem Vorbehalt unterläge, unterläge dieselbe Verteidigungshandlung keinem Vorbehalt, sofern die us-amerikanischen Streitkräfte sich auf deutsches Territorium aufhalten. Dass etwa der fiktive Beschuss des us-amerikanischen Luftwaffenstützpunktes Rammstein kein oder geringeres zwischenstaatliches Eskalationspotential aufweise, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar. 925 BVerfGE 126, 55. 922

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der Verteidigung lediglich Auslands-, nicht jedoch Inlandseinsätze der Streitkräfte regele.926 dd) Notwendigkeit einer Wesentlichkeit (1) Legislativvorbehalt als Ausfluss der Wesentlichkeitstheorie Bei der Herleitung des Legislativvorbehalts ist neben dem vom Bundesverfassungsgericht genannten „Prinzip“ auch auf die Wesentlichkeitstheorie abzustellen.927 Denn die Grundidee des Legislativvorbehalts ist, dass die „schicksalhafte politische Entscheidung über Krieg und Frieden des ganzen Volkes“928 grundsätzlich eine des deutschen Parlaments ist.929 Hieraus folgt, dass die militärische Verstrickung des Staates und der Gesellschaft derart wesentlich ist, dass die Entscheidung über solch eine Verstrickung unter Legislativvorbehalt steht.930 (2) Wesentlichkeit bei zwischenstaatlicher Relevanz Vergleicht man nun zu dieser Wesentlichkeit durch militärische Verstrickung die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum vermeintlich notwendigen „auswärtigen“ Einsatzort, liest sich der Begriff des „auswärtigen“ als zwischenstaatliche Relevanz. Beim Sachverhalt der G8-Gipfel-Heiligendamm-Entscheidung

926 Exemplarisch: Thomsen, Der Parlamentsvorbehalt für den Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 1: „Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung umfasst nur den nach außen gerichteten, den auswärtigen Einsatz.“ Diese Annahme ist nicht ansatzweise haltbar, beachtet man, dass selbstverständlich Einsätze zur Verteidigung auch innerhalb deutschen Territoriums rechtlich zulässig sind. Insbesondere zur Zeit der Schaffung der Wehrverfassung 1956 bzw. 1968 war aufgrund der andauernden Spannungen zwischen NATO-Mitgliedsstaaten und Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes das Szenario kriegerischer Auseinandersetzungen – somit Notwendigkeit von Einsätzen zur Verteidigung innerhalb deutschen Territoriums – nicht auszuschließen. Ebenso: Schaefer, Verfassungsrechtliche Grenzen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, S. 40: „Für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland wird dadurch die Regierungskompetenz durch die Verantwortung des Parlaments für die militärische Verwendung der Streitkräfte überlagert.“; Dau, Die Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZWehrr 2011, 1 (21), der hinsichtlich eines Binneneinsatzes der Streitkräfte in seiner Aufzählung der verfassungsrechtlichen Normen Art. 87a Abs. 1, 2 GG auslässt; ebenso: Dreist, Der Inneneinsatz der Bundeswehr, BWV 2011, 4 (5), nachdem „Einsätze im Inneren, […] über die im Grundgesetz zugelassenen Fälle (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 sowie Art. 87a Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 GG)“ geregelt seien. Auch hierbei fehlt der Begriff der Verteidigung in der Aufzählung. 927 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 26. 928 Dr. Schwarzhaupt, BT-PlProt II/132, vom 6. März 1956, S. 6820 (A). 929 Vgl. BVerfGE 90 286 (384 f.). 930 Vgl. ebenso: Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsRHdB, § 27 Rn. 103, der bei „niederschwelligen Auseinandersetzungen weit unterhalb der Schwelle eines bewaffneten Konflikts“ „viele Abgrenzungsschwierigkeiten“ sieht.

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lag dieser nicht vor, wodurch die Nicht-Anwendung des Vorbehalts gerechtfertigt wurde.931 Diese Erwägung bestätigt sich, vergewissert man sich, dass Einsätze im Ausland grundsätzlich zwischenstaatliche Relevanz aufweisen. Hierdurch besteht ein erhöhtes Eskalationspotential, was zu intensiveren militärischen Verstrickungen führen kann. Dadurch folgt wiederum eine Wesentlichkeit für den Staat und die Gesellschaft. Vergleichbare Gedanken scheinen auch das Bundesverfassungsgericht geleitet zu haben, als es verdeutlichte, dass durch Waffentragen im Ausland ein Indiz für erhöhtes Eskalationspotential bestehe.932 Denn gerade das Eskalationspotential mache es für den Staat und die Gesellschaft derart wesentlich, dass ein Vorbehalt bestünde.

931 Höchst unsauber formuliert ist hierbei vom BVerfG der Verweis auf die Verwendungsweise, die lediglich zwischen „Verteidigungsfall“ bzw. „Spannungsfall“ und Verwendungen nach Art. 87a Abs. 3 und Abs. 4 GG unterscheidet. Dass selbstverständlich Einsätze zur Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG auch innerhalb Deutschlands zulässig sind – auch wenn glücklicherweise auf Grund der politischen Lage derzeit nicht damit zu rechnen ist –, wird unverständlicherweise hierbei vollkommen ausgeblendet. Ebenso ausgeblendet wird, dass auch innerhalb Deutschlands „bewaffnete Auseinandersetzungen“ mit fremdstaatlichen Streitkräften möglich sind. Nach BVerfGE 90, 286 (387), konkretisiert durch BVerfGE 121, 135 (164), kommt es auf „bewaffnete Auseinandersetzungen“ an. Solche „bewaffneten Auseinandersetzungen“ können selbstverständlich im Inland stattfinden, ohne dass dies direkt eine Feststellung des Verteidigungsfalles bedürfte. (Hierbei ist bspw. das Szenario anzuführen, dass ein einzelner fremdstaatlicher Zug einer Kompanie ein auf deutschem Boden befindliches Haus an der Grenze besetzt; auch wenn die Relevanz für das Merkmal der Waffengewalt und einen Verteidigungsfall i. S. d. Art. 115a GG nicht vorliegt, ist hierbei die Relevanz einer militärischen Bewaffnung ebenso wie ein Konfliktverstrickungspotential gegeben.) Grundidee des Parlaments- (bzw. Legislativ-)vorbehalts ist, dass die „schicksalhafte politische Entscheidung über Krieg und Frieden des ganzen Volkes“ (Dr. Schwarzhaupt, BT-PlProt II/132, vom 6. März 1956, S. 6820 (A)) eine des deutschen Parlaments ist. Sowohl durch eine Verteidigungshandlung im Inland als auch eine im Ausland kann ein Krieg hervorgerufen werden. Daher entbindet der Verwendungsort nicht das Parlament, diese Entscheidung zu treffen. Auch wenn durch eine Verteidigungshandlung im Inland ein Krieg hervorgerufen wird, ist dies eine Entscheidung des deutschen Parlaments, nicht des/der BMVg. Umso mehr erscheint die Aussage, dass eine „Verwendung der Bundeswehr im Inneren“ innerhalb bewaffneter Auseinandersetzungen, anders als eine gleiche Verwendung im Ausland, keinem Parlamentsvorbehalt unterliege, nicht nachvollziehbar. Eine Unverständlichkeit und Untauglichkeit des durch die G8-Gipfel-Heiligendamm-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeführten territorialen Abgrenzungskriteriums wird auch dadurch deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass Szenarien möglich sind, in denen sich nicht klar erkennen lässt, ob eine Verwendung im Inland oder im Ausland vorliegt. Hierbei sei exemplarisch die Verwendung deutscher Streitkräfte im Rahmen von cybernetzbezogenen Maßnahmen angeführt. Die Untauglichkeit des Kriteriums der Territorialität des Verwendungsortes (oder gar des Erfolgsortes) wird in diesem Kontext besonders deutlich. (Dies ebenso erkennend: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 29.4, 29.5.) Die Wehrverfassung stellt auf einen Verwendungsort nicht ab. Wünschenswert wäre es, wenn dies das BVerfG auch nicht machen würde. 932 BVerfGE 121, 135 (167 f.).

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Eine Wesentlichkeit besteht somit jedenfalls dann, wenn eine zwischenstaatliche Relevanz des Einsatzes besteht. Eine solche zwischenstaatliche Relevanz ist dann anzunehmen, wenn Adressat der Verteidigungshandlung fremde Streitkräfte sind. Richtet sich eine Verteidigungshandlung gegen fremdstaatliche Zivile, so bedingen die Umstände des Einzelfalls das Ergebnis einer zwischenstaatlichen Relevanz. Ist dagegen ein Streitkräfteeinsatz gegen deutsche Zivile gerichtet, ist grundsätzlich von keiner zwischenstaatlichen Relevanz auszugehen.933 Hierdurch wird durch das Kriterium der zwischenstaatlichen Relevanz eine Schwelle beschrieben, unter der trotz Einsatzqualität kein konstitutiver oder gegebenenfalls nachträglicher Legislativvorbehalt notwendig ist.934 d) Überlagerung durch Feststellung des Verteidigungsfalls nach Art. 115a GG In das dargestellte Entscheidungskonzept des Art. 87a GG wirkt sich die Teilidentität mit Art. 115a GG aus. Hierbei modifizieren die Wertungen des Art. 115a GG nicht die durch Art. 87a GG aufgestellte Entscheidungskompetenzzuteilung, sondern erweitern diese. Die Feststellung des Verteidigungsfalls nach bspw. Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG überlagert die Kompetenzzuteilung des Art. 87a GG, ohne das dortige Entscheidungskonzept in seinem Wesen zu verändern. Die strukturelle Überlegung des losgelösten und überlagernden Merkmals ergibt sich aus einer Rechtsfolgenbetrachtung. aa) Inzidente Entscheidung zur Vornahme von Verteidigungshandlungen Durch die strukturelle Teilidentität des materiellen Verteidigungsfalls zur Verteidigungslage folgt eine Entscheidungskompetenz des Parlaments durch Feststellung des Verteidigungsfalls nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG sowohl über eine Verteidigungslage, somit die Feststellung, dass ein entsprechender Angriff vorliegt, als

933

Vgl. BVerfGE 126, 55. Ebenso: Ladiges, AWACS-Aufklärung unter Parlamentsvorbehalt, RuP 2009, 29 (33); Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 446 ff.; Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 425; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 50; a. A. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 29; Schaefer, Verfassungsrechtliche Grenzen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, S. 202 f.; Schröder, Das parlamentarische Zustimmungsverfahren zum Auslandseinsatz der Bundeswehr in der Praxis, S. 206. Hierbei sei beispielhaft auf Einsätze im Rahmen der Konstellation des § 15 UZwGBw verwiesen. Verwendet ein Soldat oder eine Soldatin zur Verhinderung eines Verbrechens gegen die Streitkräfte seine/ihre Schusswaffe gegen Personen nach § 15 UZwGBw, so stellt dies zwar einen Einsatz dar, jedoch i. d. R. mangels zwischenstaatlicher Auswirkung keinen Einsatz, der einem konstitutiven oder nachträglichen (Parlaments- bzw.) Legislativvorbehalt unterläge. 934

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auch gleichermaßen über eine Entscheidung bezüglich einer Vornahme von Verteidigungshandlungen.935 Wird durch den Bundestag und den Bundesrat der Verteidigungsfall nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG festgestellt, so halten diese inzident auch eine Verteidigungslage für gegeben und treffen ebenso inzident die Entscheidung, dass Verteidigungshandlungen vorgenommen werden sollen. bb) Rechtsfolge einer fehlenden Feststellung des Verteidigungsfalls Art. 115a GG umfasst hinsichtlich der Feststellung des Verteidigungsfalls eine Entscheidung hinsichtlich der Vornahme von Verteidigungshandlungen. Ein Umkehrschluss lässt sich hieraus nicht bilden: Eine fehlende Feststellung des Verteidigungsfalls sperrt nicht eine aus dem Entscheidungskonzept des Art. 87a GG folgende Entscheidung des/der BMVg bzw. der Legislative. Bei eilbedürftigen Fällen, in denen der Verteidigungsfall nicht festgestellt wurde und bewaffnete Auseinandersetzungen vorhersehbar sind, bleibt es bei einer Entscheidungskompetenz der Bundesregierung bzw., wenn bewaffnete Auseinandersetzungen nicht vorhersehbar sind, bei einer Entscheidungskompetenz des/der BMVg. Dies bedingt sich, da durch die strukturelle Teilidentität von materiellem Verteidigungsfall und Verteidigungslage ein Gleichsetzen nicht möglich ist.936 Durch einen positiv festgestellten Verteidigungsfall lässt sich die positive Feststellung einer Verteidigungslage annehmen.937 Eine Negation des Art. 115a GG – Fehlen eines Verteidigungsfalls – bedingt dagegen keine Negation des Art. 87a GG – Fehlen einer Verteidigungslage. Verteidigungshandlungen können vorgenommen werden, ohne dass es zuvor einer Feststellung des Verteidigungsfalls bedarf.938 Die Feststellung einer Verteidigungslage wirkt sich nur überlagernd aus.939 Entsprechend wirkt sich eine fehlende Feststellung des Verteidigungsfalls nicht auf das Entscheidungskonzept des Art. 87a GG aus. Im Fall der nicht erfolgten Feststellung des Verteidi935 BVerfGE 90, 286 (387): „Soweit allerdings Bundestag und Bundesrat bereits gemäß Art. 115a GG den Verteidigungsfall festgestellt haben, schließt diese Entscheidung die Zustimmung des Parlaments zu einem Einsatz bewaffneter Streitkräfte ein.“ 936 Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 53; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 128 ff.; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 47; Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 27; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 16; a. A. Coridaß, Der Auslandseinsatz von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee, S. 42 f.; Arndt, Bundeswehreinsatz für die UNO, DÖV 1992, 618 f. 937 BVerfGE 90, 286 (387). 938 Vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 43; Nowrot, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Mitwirkung des Deutschen Bundestages bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr gegen den internationalen Terrorismus, NZWehrr 2003, 65 (69 ff.). 939 BVerfGE 90, 286 (387).

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gungsfalls – unabhängig davon, ob es zu einer Abstimmung oder innerhalb einer Abstimmung zu einer Ablehnung kam – bleibt es bei der oben beschriebenen Aufteilung der Entscheidungskompetenzen hinsichtlich der Vornahme von Verteidigungshandlungen. Eine Feststellung des Verteidigungsfalls entfaltet nur bei positiver Feststellung Auswirkung auf das Entscheidungskonzept des Art. 87a GG. Selbst wenn dem Bundestag die Frage der Feststellung des Verteidigungsfalls vorgelegt wurde und er diese ablehnt, kann, wenn bewaffnete Auseinandersetzungen vorhersehbar sind, der Bundestag und der Bundesrat bzw., wenn bewaffnete Auseinandersetzungen nicht vorhersehbar sind, der/die BMVg die Vornahme von Verteidigungshandlungen anordnen. Die negative Feststellung des Verteidigungsfalls hat entsprechend keine direkte Bindewirkung.940 cc) Auswirkungen einer Fiktion nach Art. 115a Abs. 4 GG Das Konstrukt des positiv festgestellten Verteidigungsfalls wird durch Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG durch die Fiktion der Feststellung ergänzt. Sollten sowohl der Bundestag als auch der Gemeinsame Ausschuss nicht in der Lage sein, den Verteidigungsfall formell festzustellen, so ist bei materieller Annahme der Tatbestandsvoraussetzungen die formelle Feststellung zu fingieren.941 (1) Notwendigkeit einer Bewertungskompetenz als Merkmal Die zunächst rein materiell anmutende Entscheidung soll jedoch nicht über das zwangsweise immanente Voraussetzungselement einer Bewertung der Fiktion des Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG hinwegtäuschen. Auch wenn durch Fiktion des Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG kein formeller Feststellungakt vorliegt, sondern dieser ersetzt wird, so bedarf auch die Fiktion zweierlei Bewertungen. Erstens muss bewertet werden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des Verteidigungsfalls (unmittelbarer oder stattfindender Angriff auf das Bundesgebiet mit Waffengewalt) erfüllt sind. Zweitens muss bewertet werden, ob sowohl Parlament als auch Gemeinsamer Ausschuss handlungsunfähig sind.942

940 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 64; der von einer „Entsperrungsfunktion“ schreibt; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 18. 941 Bspw.: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 16 ff.; Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 22 ff. 942 Die Problematik auch erkennend: Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 46, „da überdies ein gewisser Beurteilungsspielraum bei der Feststellung, ob und wann die Voraussetzungen des Abs. 4 Satz 1 vorgelegen haben, bestehen dürfte“.

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Möglich wäre es, hierbei jeder ausführenden Behörde eine eigenständige Bewertungskompetenz zuzusprechen.943 Jede durch den Verteidigungsfall besonders befugte Stelle müsste demnach bewerten, ob die Rechtsfolgen der Art. 115a bis l GG eingetreten sind, und würde nach den ihrer Ansicht nach vorliegenden Befugnissen auf Grund der ihrer Ansicht nach eingetretenen Fiktion des Verteidigungsfalls handeln.944 Solch eine Aufteilung der Fiktion erscheint jedoch nicht umfänglich mit dem Gesichtspunkt einer effektiven Gefahrenabwehr vereinbar.945 Ziel einer Fiktion der Erklärung des Verteidigungsfalls ist eine schnelle und umfangreiche Handlungsfähigkeit von die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährenden Behörden zu gewährleisten. Hierzu ist eine eindeutige Entscheidungszuteilung, wie sie Art. 115e GG für den Gemeinsamen Ausschuss vorsieht, notwendig. Allein die Kompetenzverschiebung des Art. 115b GG mit Auswirkung für die gesamten Streitkräfte und die Möglichkeit widersprüchlicher Befehle und Kommandos von dem/der Bundeskanzler/-in und BMVg verdeutlichen dies.946 943 Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG (Erstbearbeitung), Rn. 80, nach dem Art. 115a Abs. 4 „m. a. W. den Fall des chaotischen Durcheinanders [umschreibe] und […] für diesen Fall zum Ausdruck [bringe], dass jeder Einzelne, an welcher Stelle er auch stehen mag, dann die Verantwortung für sein eigenes ,notstandsgerechtes‘ Verhalten trägt. Insofern biet[e] die Vorschrift in der Tat nichts Neues; niemand wird auch bisher daran gezweifelt haben, dass in einem allgemeinen Durcheinander verantwortungsbewusste Beamte und Soldaten, wie immer die Rechtslage im einzelnen sein mag, einfach zum Handeln nach bestem Wissen und Gewissen übergehen werden.“ Gramm/Wittenberg, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 30; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 45. 944 Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 93; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 45, „Art. 115 Abs. 4 mutet den einzelnen Beamten und Soldaten in dem allgemeinen Durcheinander zu, nach bestem Wissen und Gewissen die Verantwortung für ihr eigenes situationsgerechtes Handeln zu übernehmen. Auf Grund des von Region zu Region, von Behörde zu Behörde durchaus unterschiedlichen Informationsstandes und Bewertungsmaßstabes ist dabei die Möglichkeit unterschiedlicher Handlungsweisen nicht auszuschließen“; so auch Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 30. 945 Dies beschreibend: Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG (Erstbearbeitung), Rn. 80: „Insofern ist Art. 115 a IV ein zaghafter Versuch, das Unregelbare soweit zu regeln, wie es irgend möglich ist.“ Ebenso: Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 30: „An solchen Überlegungen zeigt sich einmal mehr, dass bei allem Bemühen um die Verrechtlichung des Ausnahmefalles irgendwann doch ein Punkt erreicht sein kann, bei dem die Grenze des noch sinnvoll Regelbaren erreicht ist.“ 946 Angenommen der/die Bundeskanzler/-in hält die Fiktion des Verteidigungsfalls für gegeben und gibt daraufhin im Rahmen einer Befehls- und Kommandogewalt direkte Anweisungen an Soldaten, so bestünde für den einzelnen Angewiesenen eine Prüfungspflicht. Denn sollte der/die Bundeskanzler/-in fälschlicherweise die Fiktion des Verteidigungsfalls angenommen haben, so läge die Befehls- und Kommandogewalt nach Art. 65a GG beim BMVg. Hätte der Soldat zwei unterschiedliche Anweisungen, eine vom BMVg und eine von

Kap. 3: Die Verteidigungshandlung

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(2) Bewertungskompetenz der Bundesregierung Auch wenn Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG keine gesonderte Stelle zur Bewertung der Voraussetzungen einer Fiktion vorschreibt, ist die Fiktion des Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG jedenfalls so weit wie möglich dahingehend auszulegen. Zur Verhinderung von Rechtsunklarheit und damit zur Gewährung eines effektiven Vorgehens gegen einen Angriff mit Waffengewalt ist ein geeintes Handeln, insbesondere das der Streitkräfte, notwendig. Denn durch eine individuelle Bewertungskompetenz von Soldaten scheint eine effektive Gefahrenabwehr durch Zerstreuung jeglicher Zusammenarbeit der Behörden und Streitkräfte vielmehr eingeschränkt oder gar verhindert zu werden.947 Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG versucht somit eine Kompetenzzuteilung zu einer Stelle zu ermöglichen. Betrachtet man die Wertung des die Fiktion regelnden Art. 115a Abs. 4 GG und hierbei insbesondere des S. 2 liegt eine primäre Zuordnung zum/zur Bundespräsidenten/-in nahe. Die Festlegung des Zeitpunktes des Eintritts der Fiktion des Verteidigungsfalls durch den/die Bundespräsident/-in setzt inzident voraus, dass der/die Bundespräsident/-in einen solchen Eintritt ab einem bestimmten chronologischen Zeitpunkt für gegeben erachtet.948 Die Bewertung, wann die Voraussetzungen einer Fiktion vorliegen, setzen logisch das „Ob“ des Vorliegens der Voraussetzungen voraus. Würde der/die Bundespräsident/-in die Voraussetzungen der Fiktion für nicht gegeben erachten, so läge niemals ein Zeitpunkt des Eintritts und entsprechend einer Bekanntgabe des Zeitpunktes vor. Indem der/die Bundespräsident/-in die Bewertungskompetenz über das „Wann“ des Vorliegens der Fiktionsvoraussetzungen entscheidet, wird – primär – diesem inzident auch das „Ob“ der Fiktionsvoraussetzungen, sprich die doppelte Bewertungskompetenz hinsichtlich des Vorliegens eines materiellen Verteidigungsfalls und einer Handlungsunfähigkeit der Entscheidungsstellen, nach Art. 115 Abs. 4 S. 2 GG zugeordnet.949 dem/der Bundeskanzler/-in, so müsste theoretisch der angewiesene Soldat prüfen, ob eine Fiktion des Verteidigungsfalls vorliegt und dieser nun der Anweisung des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin oder des/der BMVg folgt. Folge wäre nicht nur eine erhebliche Rechtsunklarheit, sondern auch eine geradezu verhindernde Handlungsunfähigkeit. Diese läge wohl jedoch nur auf höherer Kommandoebene vor, da diese ihrerseits verbindliche Weisungen nach § 11 SG nach untern weitergeben würden. 947 Teilweise wird eingewandt, dass durch die Befehls- und Kommandostruktur innerhalb der Streitkräfte es zu einer Bewertungskompetenz auf höherer Ebene, etwa der Generäle, komme (vgl. Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 30). Dies scheint zwar im Ergebnis korrekt, aber mangels aussagekräftiger Begründung ungenau. Die Notwendigkeit einer strukturierten Verteilung der Bewertungskompetenz wird auch hier unterstellt. Weshalb diese jedoch auf Ebene bspw. der Generäle anzusehen ist, bleibt offen. Vielmehr scheint durch demokratische Legitimation eine rechtlich begründete Verteilung der Bewertungskompetenz zu bestehen. 948 Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 46. 949 Vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 26.

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Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Sollte es additiv zur Handlungsunfähigkeit des Bundestages und des Gemeinsamen Ausschusses zu einer Handlungsunfähigkeit des/der Bundespräsidenten/-in kommen, ist weiterhin zur Verhinderung von Rechtsunklarheit und zur Gewährung eines effektiven Vorgehens eine klare subsidiäre Bewertungskompetenzzuteilung notwendig. Betrachtet man hierzu das Gesamtkonzept der Wehrverfassung, scheint die subsidiäre Bewertungskompetenz bei der Bundesregierung zu liegen. Nach der Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird eine primär dem Parlament zustehende Entscheidung über wehrverfassungsrechtliche Einsätze und Begebenheiten durch besondere Umstände – Eilbedürftigkeit – zu einer Entscheidung der Bundesregierung.950 Eine Fiktion des Verteidigungsfalls nach Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG ist in seiner gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Reichweite weitreichender als eine Entscheidung hinsichtlich der Vornahme von Verteidigungshandlungen.951 Entsprechend der Wertung des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG besteht primär eine Entscheidungskompetenz beim Parlament. Fällt dieses durch Handlungsunfähigkeit aus, rückt der Gemeinsame Ausschuss nach.952 Dieser stellt gemäß Art. 115e Abs. 1 GG die Beschlussunfähigkeit des Bundestages und des Bundesrates fest.953 Treten besondere Umstände auf, die eine Handlungsunfähigkeit von Parlament und Gemeinsamem Ausschuss zur Folge haben, so scheint die Grundstruktur der Kompetenzübertragung aus der Out-of-AreaEinsätze-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts übertragbar. Eine primär dem Parlament zustehende Entscheidung im wehrverfassungsrechtlichen Kontext fällt nach der Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung auf Grund besonderer Umstände (Eilbedürftigkeit) sekundär der Bundesregierung zu. Auch das Szenario des Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG sieht nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG eine primäre Entscheidung des Parlaments vor.954 Liegen die besonderen Umstände einer objektiven Handlungsunfähigkeit des Parlaments und des Gemeinsamen Ausschusses vor, liegt ebenso eine Ausnahme vom Grundsatz der Entscheidungskompetenzverteilung vor. Überträgt man die Wertung der Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung, nach dem eine sekundäre, subsidiäre Entscheidungskompetenz bei besonderen Umständen der Bundesregierung zukommt, so ist bei einer Fiktion nach Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG eine Bewertungskompetenz der Bundesregierung anzunehmen. Diese Überlegung deckt sich auch mit einer inhaltlichen Vergleichbarkeit der Fiktion des Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG zur Entscheidung hinsichtlich der Vornahme von Verteidigungshandlungen.955 Betrachtet man somit die Konstellation des ma950 BVerfGE 90, 286 (388); bestätigt durch BVerfGE 121, 135 (154); BVerfGE 140, 160 (2. Leitsatz; 187). 951 Vgl. Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Vor Art. 115a GG, Rn. 4. 952 Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 115a GG, Rn. 22 ff. 953 Vgl. vertiefend: Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115e GG, Rn. 1 ff.; Seifert, Der Notstandsausschuß. 954 Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 19. 955 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 3. d).

Kap. 3: Die Verteidigungshandlung

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teriellen Verteidigungsfalls (Vorliegen eines Angriffs auf das Bundesgebiet mit Waffengewalt), welche eine Fiktion ermöglicht, so ist einerseits von einer Vorhersehbarkeit von bewaffneten Auseinandersetzungen, andererseits von einer Eilbedürftigkeit einer Entscheidung über Verteidigungshandlungen auszugehen. Es liegen kohärent dieselben Voraussetzungen für eine Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung hinsichtlich Verteidigungshandlungen vor.956 Strukturell scheint eine Vergleichbarkeit zum Entscheidungskonzept des Art. 87a GG zu bestehen. Dieses sieht im entsprechenden Szenario nach Art. 87a GG die Bundesregierung als Entscheidungsstelle an.957 Für eine Bewertungskompetenz der Bundesregierung hinsichtlich der Umstände der Fiktion des Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG spricht darüber hinaus wesentlich das Argument der demokratischen Legitimation. Wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, ist „die Entscheidung über Krieg und Frieden“958 eine genuine Parlamentsentscheidung. Dies begründet sich durch die besondere demokratische Legitimation des Parlaments „als Repräsentationsorgan“959. Fallen das Parlament und daran anschließend der Gemeinsame Ausschuss aus, so erscheint es entsprechend notwendig, die im Rahmen einer fiktiven Rangfolge am meisten demokratisch legitimierte Stelle nachrücken zu lassen. So ließe sich dem Gedanken der demokratischen Legitimation, welcher überhaupt dem Parlament die Feststellungskompetenz einräumt, gerecht werden. Als nächste demokratisch legitimierte Stelle hinter dem Bundestag, dem Bundesrat und dem Gemeinsamem Ausschuss scheint dies die Bundesregierung zu sein.960 (3) Zwischenergebnis Betrachtet man somit den Fall der Fiktion nach Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG, verschiebt sich hierdurch das vom Bundesverfassungsgericht beschriebene Kompe956

Ebd. BVerfGE 90, 286 (388). 958 BVerfGE 121, 135 (153); m. V. a. Dr. Schwarzhaupt, BT-PlProt II/132, vom 6. März 1956, S. 6820 (A). 959 BVerfGE 121, 135 (153). 960 Auf Grund des Prinzips der demokratischen Legitimation könnte man annehmen, dass dadurch eine Art „Erbfolge“ der Bewertungskompetenz eintritt. Angenommen den Fall, dass neben Parlament und Gemeinsamem Ausschuss auch die Bundesregierung entscheidungsunfähig ist, so könnte sich durch das Ressortprinzip nach Art. 65 S. 2 GG die Bewertungskompetenz zu dem/der BMVg verschieben. Als sachnächstes Ministerium könnte dann diese somit die Bewertungskompetenz von der Bundesregierung „erben“. Wie der Bundesregierung die Bewertungskompetenz vom Gemeinsamen Ausschuss – diesem wiederum vom Parlament – durch Übertragung zukommt, so geht diese von der Bundesregierung auf den/die BMVg über. Dieses Prinzip der Übertragung könnte sich dann entsprechend weiter fortführen lassen auf dessen/deren erste Nachfolgestelle im Rahmen einer demokratisch-legitimierten hierarchischen Rangfolge bzw. bei auch Ausfall dieser Stelle der Nachfolgestelle usw. Hierdurch wäre letztlich gewährleistet, dass immer eine bewertende Stelle verbleibt, die ein koordiniertes Vorgehen zur effektiven Gefahrenabwehr ermöglicht. 957

308

Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

tenzgefüge nicht. Da sowohl bewaffnete Auseinandersetzungen vorhersehbar sind als auch eine Eilbedürftigkeit gegeben ist, bleibt es bei einer Entscheidungskompetenz der Bundesregierung. Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG greift somit in die Aufteilung der Feststellungskompetenz hinsichtlich Verteidigungshandlungen ein. Es wird durch Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG der Bundesregierung die fakultative Bewertungskompetenz zugesprochen, ob erstens Parlament und Gemeinsamer Ausschuss ausgefallen sind und zweitens die materiellen Voraussetzungen des Verteidigungsfalls gegeben sind. 4. Regierungsentscheidung Besteht neben dem Vorliegen der Voraussetzungen eines Legislativvorbehalts – Vorhersehbarkeit bewaffneter Auseinandersetzungen und deren Wesentlichkeit – eine Eilbedürftigkeit („bei Gefahr im Verzug“961) einer Entscheidung über eine Vornahme einer Verteidigungshandlung, begründet sich eine (Rück-)Ausnahme vom angesprochenen Legislativvorbehalt. Die Entscheidungskompetenz962 verschiebt sich zur Bundesregierung.963 Hierbei könnte durch das Ressortprinzip des Art. 65 S. 2 GG und durch die Befehls- und Kommandogewalt nach Art. 65a GG eine Entscheidungskompetenz bei dem/der BMVg liegen.964 Dies ist jedoch nur in dem Falle denkbar, in dem eine eilbedürftige Vornahme, bei welcher eine bewaffnete Auseinandersetzung vorhersehbar ist, nur in das Ressort des BMVg fiele. Während solch eine Konstellation bei Auslandseinsätzen eher denkbar ist, ist dies bei einem Inlandseinsatz der Streitkräfte der sich gegen fremde Streitkräfte richtet durch die gesellschaftlich umfassende Wirkung einer wohl folgenden bewaffneten Auseinandersetzung wohl nie der Fall. Entsprechend ist bei einer Ausnahme der Ausnahme – Eilbedürftigkeit bei vorhersehbarer bewaffneter Auseinandersetzung – die Bundesregierung als Kollektiv, insbesondere der/die Bundeskanzler/-in mit seiner/ihrer Richtlinienkompetenz aus Art. 65 S. 1 GG, entscheidungsberechtigt.965

961

BVerfGE 90, 286 (388); 121, 135 (174). Generell zum Handeln der Regierung: Reimer, in: Krüper/Pilniok (Hrsg.), Die Organisationsverfassung, Regierung als oberste Ordnungsbehörde, 109 (110). 963 BVerfGE 90, 286 (388): „Die verfassungsrechtlich gebotene Mitwirkung des Bundestages bei konkreten Entscheidungen über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte darf die militärische Wehrfähigkeit und die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigen. Deshalb ist die Bundesregierung bei Gefahr im Verzug berechtigt, vorläufig den Einsatz von Streitkräften zu beschließen.“ 964 Ebenso: Reimer, in: Krüper/Pilniok (Hrsg.), Die Organisationsverfassung, Regierung als oberste Ordnungsbehörde, 109 (110). 965 BVerfGE 90, 286 (388); ebenso: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 142; Roellecke, Bewaffnete Auslandseinsätze, Der Staat 34, 415 (423). 962

Kap. 3: Die Verteidigungshandlung

309

5. Gerichtliche Überprüfbarkeit Bei der Entscheidung über die Vornahme einer Verteidigungshandlung handelt es sich um die Ausübung eines exekutiven Ermessens. Entsprechend besteht hierbei eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit lediglich hinsichtlich offensichtlicher Ermessensfehler.966 Besteht etwa mangels Einschlägigkeit der Voraussetzungen des Legislativvorbehalts eine Entscheidungskompetenz des/der BMVg, hat dieser/diese eine Einschätzungsprärogative.967 Dies betrifft einzig die Entscheidungskompetenz über die Vornahme einer Verteidigungshandlung.968

III. Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung Liegt eine positive Entscheidung hinsichtlich einer Vornahme von Verteidigungshandlungen vor, schließt sich daran die Entscheidung hinsichtlich der Ausführung der Verteidigungshandlung an. Die Entscheidungskompetenz bezüglich der konkreten Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung („Wie“) liegt bei den Exekutivkräften.969 Das Bundesverfassungsgericht umschrieb dies mit dem Begriff der „militärisch-operative[n] Führung“970 Diese militärisch-operative Führung ist Teil der Befehls- und Kommandogewalt und obliegt dem/der IBuK.971 Nach Art. 65a GG ist Inhaber/-in grundsätzlich der/die BMVg. Diese interne Ausgestaltung der Kompetenzzuteilung modifiziert sich ausnahmsweise im Verteidigungsfalle. In diesem Fall wechselt die Befehls- und Kommandogewalt nach Art. 115b GG innerhalb der Bundesregierung von dem/der BMVg hin zum/zur Bundeskanzler/-in, sodass in diesem Fall der/die

966

Vgl. BVerfGE 46, 160 (164 f.); 49, 89 (131); 62, 1 (50); Volkmann, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 13. 967 Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 37; Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 122; ders., Der kriegerische terroristische Luftzwischenfall und die Landesverteidigung, RuP 2006, 71 (74); Lutze, Die Tötung von Flugzeuginsassen bei der Abwehr kriegerischer und terroristischer Angriffe, BayVBl., 2008, 745 (751); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 91. 968 Davon strikt nicht erfasst und zu trennen ist die Frage, „ob eine Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen unmittelbar zu erwarten ist“. Diese Entscheidungsfrage ist durch das Bundesverfassungsgericht vollumfänglich gerichtlich überprüfbar: BVerfGE 121, 135 (169). 969 BVerfGE 90, 286 (338); Oldiges/Brinktrine, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65a GG, Rn. 19a; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 42. 970 BVerfGE 121, 135 (161). 971 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 42.

310

Teil 3: Einsätze auf Grund eines Angriffs mit militärischer Dimension

Bundeskanzler/-in die militärisch-operative Führung und Entscheidungsgewalt über die Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung innehat.972

IV. Zwischenergebnis Zur Entscheidung über die Vornahme einer Verteidigungshandlung lässt sich feststellen: • Unterscheidungskriterien bei der Verteilung der Entscheidungskompetenz bezüglich der Vornahme einer Verteidigungshandlung sind: – Vorhersehbarkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung (als Konkretisierung des Merkmals bewaffnete Unternehmung) – Wesentlichkeit – Eilbedürftigkeit • Ist keine bewaffnete Auseinandersetzung vorhersehbar, entscheidet der/die BMVg über die Vornahme einer Verteidigungshandlung. • Der vom Bundesverfassungsgericht beschriebene Parlamentsvorbehalt ist aus systematischer Sicht ein Legislativvorbehalt. Dies bedeutet, dass neben einer Zustimmung des Bundestages auch eine Beteiligungsform des Bundesrates bestehen muss. Betrifft die Vornahme der Verteidigungshandlung erhebliche Belange der Bundesländer, muss der Bundesrat zustimmen; andernfalls besteht eine Einspruchsmöglichkeit. • Ist eine bewaffnete Auseinandersetzung vorhersehbar und besteht eine Wesentlichkeit, sind eine Zustimmung des Bundestages und eine Zustimmung bzw. ein Einspruch des Bundesrates notwendig. • Einzig im Falle der Eilbedürftigkeit kann die Bundesregierung die Vornahme von Verteidigungshandlungen beschließen. Eine Parlamentsentscheidung muss sobald wie möglich nachgeholt werden. • Durch Feststellung des Verteidigungsfalls durch den Bundestag und Bundesrat besteht eine Entscheidung für eine Vornahme einer Verteidigungshandlung. • Ob der Fall der Entscheidungsunfähigkeit von Parlament und Gemeinsamem Ausschuss vorliegt, folglich die Fiktion des Art. 115a Abs. 4 GG greift, wird durch die Bundesregierung bewertet. Die Fiktion des Art. 115a Abs. 4 GG läuft gleich zum Kompetenzgefüge des Art. 87a GG. • Die Entscheidungskompetenzen hinsichtlich der Vornahme von Verteidigungshandlungen lassen sich in einem Schaubild folgendermaßen darstellen: 972 Vgl. Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115b GG, Rn. 5; Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115b GG, Rn. 2.

Kap. 3: Die Verteidigungshandlung

311

Entscheidungskompetenzverschiebung hinsichtlich der Vornahme einer Verteidigungshandlung Bundestag und Bundesrat (ggf. Gemeinsamer Ausschuss)

Feststellung des Verteidigungsfalls nach Art. 115a GG Kein Verteidigungsfall

Bundesminister/-in für Verteidigung

Bei Vorhersehbarkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung

Bundesregierung

Bundestag und Bundesrat

Bei Eilbedürftigkeit Bei Entscheidungsunfähigkeit des Parlaments und Gem. Ausschusses: Bewertungskompetenz

Abbildung 12: Entscheidungskompetenz zur Vornahme einer Verteidigungshandlung

• Die Entscheidungskompetenz über die Art und Weise der Ausführung (das „Wie“) von Verteidigungshandlungen liegt nach Art. 65a GG bei dem/der BMVg. Einzig im Fall des festgestellten oder fingierten Verteidigungsfalls geht die Entscheidungskompetenz über die Art und Weise der Ausführung nach Art. 115b GG auf den/die Bundeskanzler/-in über.

D. Zusammenfassung zur Verteidigungshandlung • Die Verteidigungshandlung setzt eine Verteidigungslage voraus und muss diese funktional verringern bzw. beseitigen. • Bei der Auswahl und dem Umfang möglicher Verteidigungshandlungen bestehen teils umfangreiche Einschränkungsgründe. Hierbei ist auf das jeweilige Zwischenergebnis zu verweisen.973 • Die Entscheidung über die Vornahme einer Verteidigungshandlung liegt primär beim BMVg, wenn bewaffnete Auseinandersetzungen zu erwarten sind, beim Parlament und, wenn bei Erwartung bewaffneter Auseinandersetzung eine Eilbedürftigkeit besteht, bei der Bundesregierung. Die Entscheidung über die Ausführung von Verteidigungshandlungen liegt bei dem/der BMVg oder im Verteidigungsfall bei dem/der Bundeskanzler/-in.

973

Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. VI.

Teil 4

Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension Kapitel 1

Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall nach Art. 87a Abs. 3 GG A. Grundlagen zu den Sonderbefugnissen im Verteidigungsbzw. Spannungsfall In der Literatur wird die Einsatzkompetenz nach Art. 87a Abs. 3 GG vermehr als „äußerer Staatsnotstand“ beschrieben. Dieser Begrifflichkeit wird absichtlich nicht verwendet. Denn bei einer Verteidigungslage, etwa hervorgerufen durch einen militärischen Angreifer, handelt es sich ebenso um ein Szenario eines Notstandes, in dem der Staat gefährdet wird und welcher äußere Gefahrenherkunft hat.1 Auf Grund dessen erscheint der Begriff des äußeren Staatsnotstandes für die Beschreibung der Einsatzkompetenzen nach Art. 87a Abs. 3 GG weder alleinstellend noch abgrenzungsstark und sogar etwas irreführend.2 Es wird vielmehr der Begriff der Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall verwendet.

1 Vgl. zum Szenario der Verteidigung als staatsgefährdendes Notstandsszenario: Teil 3 Kapitel 2 A. I. 1. a) bb), insbesondere da der Begriff der Verteidigung Teil der Notstandsnovellierung war; zur äußeren Gefahrenherkunft: Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3. f) cc). 2 Unter den Begriff des „äußeren Staatsnotstands“ lassen sich die Szenarien des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, des Art. 115a GG und des Art. 80a GG subsumieren. Jedoch führen nur die beiden letztgenannten Szenarien zu einer Einsatzkompetenz nach Art. 87a Abs. 3 GG. Im Fall des „äußeren Staatsnotstands“ kann es somit sein, dass Art. 87a Abs. 3 GG nicht einschlägig ist, sondern vielmehr Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, wodurch kein Anwendungsraum für Art. 87a Abs. 3 GG verbleibt. Eine Beschreibung der Einsatzkompetenz nach Art. 87a Abs. 3 GG als „äußerer Staatsnotstand“ wirkt daher so, als ob im Falle des äußeren Staatsnotstands stets Art. 87a Abs. 3 GG einschlägig wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der äußere Staatsnotstand durch einen militärischen Angreifer hervorgerufen wird.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

313

I. Eigenständige Einsatzbefugnis oder Modifizierung der Verteidigungsbefugnis Vorangestellt, da die Überlegungen sowohl für Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG als auch Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG greifen, sei die Frage, ob es sich beim Schutz Ziviler vor Zivilen im Verteidigungsfall nach Art. 87a Abs. 3 GG um eine eigenständige Einsatzbefugnis oder lediglich um eine Modifizierung der Einsatzbefugnis aus dem Verteidigungsbegriff handelt. Denkbar wäre auf Grund des Nebensatzes in Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG, „soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist“, anzunehmen, dass das Einsatzszenario des Art. 87a Abs. 3 GG unmittelbar Teil des Verteidigungsauftrages sei. Danach würde Art. 87a Abs. 3 GG keine eigenständige Einsatzbefugnis beinhalten, sondern hätte nur rein deklaratorische Bedeutung hinsichtlich des Umfangs des Verteidigungsbegriffs.3 Ohne festgestellten Verteidigungsfall setzt der Verteidigungsbegriff einen militärischen Personenbezug voraus.4 Dies modifiziere sich im Verteidigungsfall dahingehend, dass, wie Art. 87a Abs. 3 GG klarstellen solle, die Einsatzbefugnis aus dem Verteidigungsbegriff auch Schutzmaßnahmen bezüglich ziviler Angriffe auf Zivile beinhalte.5 Folge dessen wäre, dass Verteidigung nicht zwangsweise einen militärischen Angreifer bzw. Angegriffenen voraussetzt, sondern auch die Konstellation des zivilen Angegriffenen durch einen zivilen Angreifer, im Falle des Verteidigungsfalls, erfasse. Gegen eine solche Auslegung spricht zunächst der Wortlaut „haben […] die Befugnis“ des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG.6 Die in Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG benannte Befugnis bezieht sich nur durch einen Sachzusammenhang auf den Verteidigungsbegriff.7 Ausschlaggebend für eine eigenständige Einsatzbefugnis wirkt sich auch die Systematik aus. Hierbei ist zu beachten, dass die Formulierung innerhalb eines eigenen Absatzes dessen Eigenständigkeit verdeutlicht.8 Besonders klar wird dies zudem durch die Stellung hinter den Norminhalt des Abs. 2. Die Formulierung „Außer zur Verteidigung …“ in Abs. 2 GG stellt einen semantischen Schnitt dar. Es wird durch die Formulierung „Außer“ ausdrücklich verdeutlicht, dass die an3 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 25; vgl. ebenso: Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 16. 4 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 25, der von „automatischen Befugnissen“ im Falle des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG schreibt. 6 Vgl. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 53; Baldus/ Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a, Rn. 123. 7 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 172; vgl. Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 18 f. 8 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 168; vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 40.

314

Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

schließenden Absätze gerade keine Verteidigung sind.9 Der Verteidigungsbegriff begrenze sich auf die Absätze 1 und 2. Entsprechend weist Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG eine eigenständige Einsatzbefugnis auf.10 Darüber hinaus widerspräche eine Auslegung des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG als Modifikation des Verteidigungsbegriffs der in den Gesetzesmaterialien eindeutig beschriebenen Notwendigkeit eines militärischen Angreifers oder Angegriffenen.11 Der Verteidigungsbegriff würde, bei Annahme eines lediglich deklaratorischen Charakters des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG, unter besonderen Umständen des Verteidigungsfalls, auch unmittelbar die Konstellation des zivilen Angreifers auf einen zivilen Angegriffenen erfassen. Dies widerspräche jedoch den hierzu eindeutigen historischen Materialien und der dort beschriebenen Strukturierung der Wehrverfassung.12 Daher handelt es sich in Art. 87a Abs. 3 GG, sowohl in S. 1 als auch in S. 2, um eigenständige Einsatzbefugnisse, nicht dagegen um lediglich Modifizierungen der Einsatzbefugnis aus dem Verteidigungsbegriff.13

II. Einsatzbefugnisse des Art. 87a Abs. 3 GG Innerhalb des Art. 87a Abs. 3 GG ist zwischen den Einsatzkompetenzen des S. 1 und des S. 2 zu trennen.14 Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG räumt den Streitkräften eine 9

Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 168. Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 53; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 41; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 123 ff.; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 172; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 19; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 59. 11 Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13; Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 12 Vgl. insbesondere BT-Drucks. V/2873, S. 13; hierbei wird, wie in Teil 2 Kapitel 1 B. IV. dargestellt, eindeutig zwischen einem Angriff mit militärischer Dimension und einer rein zivilen Konstellation unterschieden; ebenso: Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 18; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 57. 13 Ebenso: Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 53; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 41; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 123 ff.; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 172; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Art. 87a GG, Rn. 19; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 59. 14 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 123. 10

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

315

Einsatzbefugnis ein, die sich an dem Verteidigungseinsatz orientiert. Es handelt sich hierbei um verteidigungsakzessorische Sonderbefugnisse, welche die typisch polizeiliche Befugnis zum Schutz Ziviler vor zivilen Angriffen auf die Streitkräfte übertragen.15 Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG stellt durch die zwingende Anforderung der Erforderlichkeit auch zugleich eine besondere Handlungseinschränkung dar.16 Dagegen ermöglicht Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG auch eine Übertragung von polizeilichen Schutzbefugnissen auf die Streitkräfte, auch wenn dieser Schutz Ziviler vor zivilen Angriffen nicht zur Erfüllung des Verteidigungsauftrages erforderlich ist, somit gerade keine Verteidigungsakzessorietät besteht.17

III. Das Dreiecksverhältnis von Verteidigungsfall, Verteidigungsbegriff und den Sonderbefugnissen nach Art. 87a Abs. 3 GG Die Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG verdeutlichen die Verbindung zwischen dem Verteidigungsfall und dem Begriff der Verteidigung. Ausschlaggebend ist hierbei unter anderem der Nebensatz des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG „soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist“. Etwa ist zu beachten, dass die Konstellation des Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG eine Konfliktsituation eines zivilen Angreifers gegen einen zivilen Angegriffenen ist. Liegt dagegen eine militärische Dimension entweder beim Angreifer oder Angegriffenen vor, so ergibt sich eine Einsatzbefugnis aus dem Verteidigungsbegriff.18 Eines Anwendungsbereichs des Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG bedarf es und besteht in diesem Falle nicht. Strukturell ist die Erforderlichkeitsvoraussetzung, folgend aus der Formulierung „soweit […] erforderlich“, besonders relevant.19 Denn hierdurch wird zwangsläufig das Vorliegen eines Verteidigungsauftrags vorausgesetzt.20 Nur wenn ein Verteidigungsauftrag gleichzeitig zum Einsatzszenario des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG vorliegt, kann ein Einsatz auch für eine Verteidigung i. S. d. Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG überhaupt erforderlich sein und die notwendige Verteidigungsakzessorietät aufweisen. Besteht dagegen kein Verteidigungsauftrag, ist entsprechend kein Erreichen 15

Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 40. Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 129; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 57. 17 Bspw.: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44. 18 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 19 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 129; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Art. 87a GG, Rn. 19; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24. 20 Vgl. a. a. O.; Teil 2 Kapitel 2 A. I. 16

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

des Erforderlichkeitskriteriums möglich und somit eine Einsatzlage des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG ausgeschlossen. Dies verdeutlichen auch die historischen Materialien, die eine Einsatzbefugnis nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG unter die Voraussetzung stellen, dass „die Übernahme des Schutzes zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist“.21 Die Notwendigkeit des Bestehens eines Verteidigungsauftrags wird hierbei immanent vorausgesetzt.22 Der Verteidigungsauftrag, der in Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG normiert ist, bedeutet eine Einschlägigkeit des Verteidigungsbegriffs und ist mit einem Vorliegen einer Verteidigungslage gleichzusetzen.23 Auf Grund der Teilidentität von Verteidigungslage und materiellem Verteidigungsfall erübrigt sich die Notwendigkeit einer gesonderten Überprüfung, ob ein Verteidigungsauftrag vorliegt. Denn die Verteidigungslage steht zum materiellen Verteidigungsfall in struktureller Teilidentität.24 Ein materieller Verteidigungsfall bedeutet gleichzeitig, dass auch eine Verteidigungslage vorliegt. Wenn Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG einen festgestellten Verteidigungsfall voraussetzt, wird durch die Feststellung des Verteidigungsfalls durch dessen Teilidentität mit der Verteidigungslage zunächst auch eine Verteidigungslage festgestellt. Sofern die erste Voraussetzung des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG, der festgestellte Verteidigungsfall, vorliegt, indiziert dies eine Verteidigungslage, für welche die Einsatzhandlung des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG erforderlich sein muss.25 Diese strukturelle Teilidentität wirkt sich bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Verteidigungsfalls, insbesondere dem Angriffsbegriff, aus.26

B. Verteidigungsakzessorische Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG Vergleichbar zur strukturellen Aufteilung in Verteidigungslage und -handlung lassen sich die Einsatzbefugnisse des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG in eine Einsatzlage – als Tatbestand – und eine Einsatzhandlung – als Rechtsfolge – trennen.27

21

BT-Drucks. V/2873, S. 13. Vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG (Bearbeitung 1971), Rn. 53. 23 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 84, Rn. 10. 24 Vgl. Teil 2 Kapitel 2 A. I. 25 Ein Rückschluss auf ein Bestehen einer Verteidigungslage durch formelle Feststellung des Verteidigungsfalls besteht nicht, da die formelle Feststellung nicht zwangsläufig auch einen materiellen Verteidigungsfall bedeutet. 26 Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. b) aa) (1). 27 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 A. 22

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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I. Die Einsatzlage verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG Die Einsatzlage verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse ergibt sich, wenn entweder der Verteidigungs- oder Spannungsfall festgestellt wurde. Für Einsatzhandlungen zum Schutz ziviler Objekte besteht darüber hinaus noch die Notwendigkeit einer Gefahr für jenes zu schützende zivile Objekt. 1. Verteidigungsfall Der Verteidigungsfall des Art. 115a GG begründet primär den Übergang des Normalzustandes des Staates in einen Kriegs- bzw. Notstandszustand.28 Er stellt einen extremen Sonderfall und eine Herausforderung für den Staat dar. Bei der nachfolgenden Darstellung des Verteidigungsfalls wird zwischen dem formellen und materiellen Verteidigungsfall unterschieden.29 a) Notwendigkeit eines formellen Verteidigungsfalls für Art. 87a Abs. 3 GG Tatbestandsmerkmal des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG für eine Einsatzlage ist entweder ein Verteidigungs- oder Spannungsfall. Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG verweist hierbei auf den Begriff des Verteidigungsfalls in Art. 115a Abs. 1 GG. Zwischen einem materiellen Verteidigungsfall, somit dem Vorliegen bzw. unmittelbaren Drohen eines Angriffs mit Waffengewalt auf das Bundesgebiet, und einer formellen Feststellung kann eine Zeitspanne liegen. Hinsichtlich der Einsatzkompetenz der Sonderbefugnisse stellt sich hierbei die Frage, ob es ausreicht, dass der Verteidigungsfall materiell vorliegt oder ob der/die jeweilige BMVg seine formelle Erklärung abwarten muss. Unter dem verwendeten Begriff „Verteidigungsfalle“ in Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG kann entweder der formelle oder materielle Verteidigungsfall verstanden werden. Dies ist davon abhängig, ob man die Feststellung des Verteidigungsfalls als Voraussetzung der Legaldefinition ansieht oder nicht. Semantisch sind zwei Lesarten des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG denkbar:

28

Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 49. 29 Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. a); der formelle Verteidigungsfall beschreibt die durch formellen Akt getroffene Feststellung des Verteidigungsfalls; der materielle Verteidigungsfall ist dagegen gegeben, wenn die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen des Verteidigungsfalls vorliegend sind.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension „Die Feststellung , daß das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungsfall)“ Formell

Merkmale - ergeben den Verteidigungsfall

„Die Feststellung, daß das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungsfall)“ Materiell

Merkmale - ergeben den Verteidigungsfall

Abbildung 13: Verständnismöglichkeiten des Verteidigungsfalls

Durch den formellen Akt der Feststellung besteht die Möglichkeit, dass der formelle und der materielle Verteidigungsfall auseinanderfallen. Ein formeller Verteidigungsfall kann festgestellt werden, obwohl die materiellen Voraussetzungen nicht vorliegen, bzw. trotz Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Verteidigungsfalls kann eine formelle Feststellung nicht getroffen werden bzw. noch nicht getroffen sein. Unabhängig davon, wie die Legaldefinition innerhalb des Art. 115a Abs. 1 GG letztlich zu verstehen ist, ergibt sich für die verteidigungsakzessorischen Sonderbefugnisse die Notwendigkeit einer formellen Feststellung des Verteidigungsfalls.30 Jedenfalls entscheidet über das grundsätzliche Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einer Einsatzlage der Sonderbefugnisse, insbesondere ob eine Einsatzlage der verteidigungsakzessorischen Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG vorliegt, der/die BMVg.31 Diesem/dieser kommt eine Einschätzungsprärogative zu, ob eine Gefahr für ein ziviles Objekt durch einen Zivilen vorliegt und ob das zu

30 Ebenso: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 126, „er muss durch den Bundestag festgestellt werden“; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 41, „setzt die Feststellung […] voraus“; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 12, „nach Erklärung“; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 55, „muss vom BT förmlich festgestellt werden“; a. A. wohl Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 55; der die Feststellung nicht als notwendiges Merkmal aufführt, hierbei jedoch ohne sich hierzu zu positionieren auf die Kommentierung des Art. 115a GG verweist; vgl. Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 16, der im Rahmen des Art. 115a GG die Klammerwirkung lediglich auf den materiellen Fall bezieht. 31 Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. III.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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schützende Objekt verteidigungsrelevant ist.32 Würde nun der Verweis „Verteidigungsfalle“ in Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG als lediglich materieller Verteidigungsfall verstanden werden, so würde, als Teil der Einsatzlagevoraussetzungen der verteidigungsakzessorischen Sonderbefugnisse, der/die BMVg auch über das Vorliegen eines (materiellen) Verteidigungsfalls, zumindest im Rahmen des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG, entscheiden. Der/Die BMVg könnte eine Einsatzhandlung nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG anordnen, wenn nach seiner/ihrer Ansicht eine Gefahr für ein ziviles Objekt durch einen Zivilen vorliegt, dem angegriffenen Objekt Verteidigungsrelevanz zukommt und der materielle Verteidigungsfall, sprich zudem das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht, vorliegt. Die Entscheidung jedoch, ob das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht, trifft nach expliziter Wertung des Art. 115a Abs. 1 GG primär der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates.33 Ein materielles Verständnis des Begriffs „Verteidigungsfalle“ in Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG würde daher evident gegen diese Wertung des Art. 115a Abs. 1 GG verstoßen. Zur Annahme der Voraussetzung „Verteidigungsfalle“ der Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG bedarf es grundsätzlich eines formellen Aktes des Bundestages und Bundesrates bzw. des Gemeinsamen Ausschusses.34 Nur in gesonderten Ausnahmefällen kann durch Eintritt der Fiktion des Art. 115a Abs. 4 GG ein formeller Feststellungsakt entfallen.35 b) Merkmale des materiellen Verteidigungsfalls Der materielle Verteidigungsfall setzt sich aus den folgenden vier Merkmalen zusammen: • Aus der Notwendigkeit „angegriffen“ zu sein folgt, dass ein Angriff vorliegen muss. • Dieser muss „mit Waffengewalt“ erfolgen (sachliches Merkmal), • sich auf „das Bundesgebiet“ beziehen (räumliches Merkmal) und • stattfinden („wird“) oder unmittelbar drohen („droht“) (zeitliches Merkmal). 32

Vgl. Wiefelspütz, Das Parlamentsheer, S. 122; Wiefelspütz, Die Abwehr terroristischer Anschläge und das Grundgesetz, S. 17; ders., Der kriegerische terroristische Luftzwischenfall und die Landesverteidigung, RuP 2006, 71 (74); Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 91. 33 Exemplarisch: Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 24. 34 Selbiges gilt hinsichtlich des Spannungsfalls nach Art. 80a Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG; exemplarisch hierzu: Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 10. 35 Vertiefend hierzu: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 86 ff.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

aa) Angriff Für einen materiellen Verteidigungsfall muss ein Angriff vorliegen.36 (1) Gleichsetzen der Angriffsbegriffe Hinsichtlich des Angriffsmerkmals des Verteidigungsbegriffs wirkt sich die festgestellte strukturelle Teilidentität von Verteidigungsfall und dem Verteidigungsbegriff aus.37 Auch im materiellen Verteidigungsfall muss eine Verteidigungslage bestehen.38 Auf Grund dieser Teilidentität ist der Begriff des Angriffs in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG mit dem Angriffsbegriff des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG gleichzusetzen.39 Ein synonymes Verständnis der Angriffsbegriffe drängt sich einerseits durch die sprachliche Enge von Verteidigung und Verteidigungsfall auf sowie andererseits durch ihren systematischen Kontext in der Wehrverfassung. Der Verteidigungsfall stellt materiell einen Sonderfall von Verteidigung dar.40 Unterschiedliche Angriffsbegriffe würden hierbei einem einheitlichen Verhältnis der wehrverfassungsrechtlichen Normen widersprechen.41 Diese Gleichsetzung ist zudem notwendig, um den Verteidigungsfall verglichen mit dem Verteidigungsbegriff enger auszulegen.42 Eine solche Beschränkung des Verteidigungsfalls nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG gegenüber dem Verteidigungsbegriff aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG legt eine Rechtsfolgenbetrachtung nahe.43 Die Feststellung des Verteidigungsfalls begründet nicht nur eine Feststellung 36 Vgl. hierzu: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 35; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 1; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 8; Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 2; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 9; Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 115a GG, Rn. 7; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 6 f. 37 Vgl. Teil 2 Kapitel 2 A. II. 38 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 14. 39 Vgl. Dreist, Der Inneneinsatz der Bundeswehr, BWV 2011, 4 (5), der hinsichtlich Terroranschläge denselben Angriffsbegriff für Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG und Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG verwendet. 40 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 27. 41 Ebenso: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 35 i. V. m. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 6; der jedoch den jeweils gleich zu verstehenden Angriffsbegriff völkerrechtlich auslegt. 42 Vgl. Sauer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, Rn. 317 f. 43 Zu den Rechtsfolgen des Verteidigungsfalls exemplarisch: Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Vor. Art. 115a ff. GG, Rn. 9; Epping, in: Maunz/Dürig/ Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 24.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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einer Einsatzbefugnis und ein Wahrnehmen der Einsatzmöglichkeit.44 Vielmehr treten nach Feststellung des Verteidigungsfalls rechtliche Modifikationen in Kraft. Der Staatszustand wandelt sich von einem Normalzustand hin zu einem Kriegs- bzw. Notstandszustand.45 Nicht nur im organisationsverfassungsrechtlichen Bereich treten solche Wandlungen auf.46 Auch im Verhältnis zum Bürger, insbesondere bei dessen Grundrechten, ermöglicht der Kriegs- bzw. Notstandszustand Einschränkungsmöglichkeiten.47 Diese Rechtsfolge des Verteidigungsfalls erscheint im Verhältnis zur Einsatzkompetenz aus dem Verteidigungsbegriff weitreichender und intensiver. Entsprechend muss auch der Anwendungsbereich des Verteidigungsfalls verglichen mit dem des Verteidigungsbegriffs enger sein. Damit der Anwendungsbereich des Verteidigungsfalls nicht über den Anwendungsbereich des Verteidigungsbegriffs hinausgeht, sind die Merkmale des Verteidigungsbegriffs im Verteidigungsfall zu inkludieren. Nur so lässt sich verhindern, dass ein Szenario einen materiellen Verteidigungsfall, nicht jedoch auch eine Verteidigungslage darstellt. Eine solche Inkludierung bedingt ein Gleichsetzen der Angriffsbegriffe.48 (2) Folge der Gleichsetzung Ein Angriff liegt i. S. d. Art. 87a GG vor, wenn eine Angriffshandlung auf ein Angriffsobjekt den Angriffserfolg herbeiführt und dabei ein militärischer Personenbezug besteht. Dadurch, dass der Angriffsbegriff des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG mit dem Angriffsbegriff des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG gleichzusetzen ist und der Angriffsbegriff des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG eine militärische Dimension voraussetzt, setzt auch der Angriffsbegriff des Art. 115a GG gleichermaßen eine militärische Dimension voraus. Auch wenn systematisch ein alternatives Verständnis denkbar wäre,49 indizieren zudem das räumliche („von außen“) und das sachliche 44

Vgl. Teil 3 Kapitel 2 C. II 3. d). Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 49. 46 Bspw. Art. 115c Abs. 1 GG, welcher eine Modifikation der Gesetzgebungszuständigkeit anordnet, oder Art. 115d GG, welcher das Gesetzgebungsverfahren verändert. 47 Hierbei ist Art. 115c Abs. 2 GG und Art. 12 Abs. 3, 4 und 6 GG anzuführen; vgl. Reimer, in: Scherzberg/Can/Dogan (Hrsg.), Der Rechtsstaat in Zeiten von Notstand und Terrorabwehr, S. 83 ff. 48 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 35. 49 Aus systematischer Sicht ist es für die Einschlägigkeit der Einsatzbefugnis des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG streng genommen nicht notwendig, dass der Angriff militärischen Bezug hat. Die Einsatzlage der Sonderbefugnisse wäre denkbar, wenn von mehreren verschiedenen voneinander getrennt zu betrachtenden Angriffen verschiedenartige Intensitäten vorliegen. Liegt nur ein Angriff vor, ist aus struktureller Sicht ein militärischer Bezug notwendig, da nur so die Einsatzhandlung für die „Erfüllung des Verteidigungsauftrages erforderlich“ sein kann; vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. a). Denkbar bleibt jedoch die Konstellation, in welcher zwei getrennte Angriffe vorliegen. Es könnte ein Angriff eines Zivilen auf einen Zivilen (Angriff 1) vorliegen, welcher die speziellen Voraussetzungen des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG erfüllt, und zusätzlich ein 45

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

(„Waffengewalt“) Kriterium das Vorliegen einer Verteidigungslage. Denn auch diese Merkmale modifizieren die notwendige Angriffshandlung bzw. den -erfolg. Eine militärische Dimension liegt vor, wenn ein militärischer Angegriffener oder ein militärischer Angreifer vorliegt.50 Die Notwendigkeit der militärischen Dimension ist entsprechend gleichermaßen gegeben, wenn entweder Angreifer oder Angegriffener entsprechend bewaffnet, organisiert und (fremd-)staatlich sind. Strukturell lässt dabei das Merkmal der Bewaffnung die Merkmale der Organisation und der Staatlichkeit vermuten.51 Ein Angriff, der das Merkmal der Waffengewalt erfüllt, ist zwangsweise auch ein bewaffneter Angriff i. S. d. Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG. Dadurch greift die Vermutung eines militärischen Charakters des Angriffs, sodass der Angriff primär als militärischer zu werten ist.52 Durch das Gleichsetzen der Angriffsbegriffe der Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG erübrigt sich auch die Frage eines möglichen ungeschriebenen Merkmals der Gefahrenherkunft in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG.53 Das häufig diskutierte und meist angenommene Merkmal der außerstaatlichen Gefahrenherkunft ist automatisch bei einem Gleichsetzen der Angriffsbegriffe enthalten. Denn eine Fremdstaatlichkeit umfasst als weiterer Begriff automatisch den engeren Begriff der außerstaatlichen Gefahrenherkunft.54 Indem eine Angriffshandlung einem fremden Staat zugerechnet werden kann und auf deutschem Boden kein

davon getrennter Angriff mit militärischem Bezug (Angriff 2), bspw. ein Angriff eines Zivilen auf die deutschen Streitkräfte, welcher die hypothetischen Voraussetzungen des Art. 115a GG nicht erfüllt. Der Verteidigungsfall wird festgestellt auf Grund des Angriffs des Zivilen auf den zivilen Angegriffenen (Angriff 1), da dieser die Voraussetzungen des Verteidigungsfalles erfüllt. In dieser Konstellation bestünde eine Einsatzbefugnis aus Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG hinsichtlich des Angriffs des Zivilen auf den zivilen Angegriffenen (Angriff 1), soweit dies zur Abwehr des Angriffs mit militärischem Bezug (Angriff 2) erforderlich ist. Unter Berücksichtigung der Gleichsetzung der Angriffsbegriffe würde sich diese Überlegung ausschließen, da ein Angriff eines Zivilen auf einen Zivilen (Angriff 1) keine materielle Verteidigungslage nach Art. 115a Abs. 1 GG begründen könnte, da es mangels militärischer Dimension des Angriffs an einen tauglichen Angriff mangelt. In diesem Kontext ist aber auf die Vermutung einer militärischen Dimension bei entsprechender Relevanz hinzuweisen. 50 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. V.; Teil 3 Kapitel 2 B. 51 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V. 1.; Gayken, in: Schmidt-Radefeldt/Meissler (Hrsg.), Automatisierung und Digitalisierung des Krieges, Die vielen Plagen des Cyberwar, S. 80. 52 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V. 2. 53 Das Merkmal der äußeren Gefahrenherkunft annehmend: Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 4; Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 115a GG, Rn. 13; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 37; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 115a GG, Rn. 3; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 1; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 12; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 8. 54 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3. f) cc).

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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weiterer Staat besteht, ist bei Erfüllen der Fremdstaatlichkeit stets zugleich eine außerstaatliche Gefahrenherkunft gegeben.55 Hinsichtlich des konkreteren Bedeutungsgehalts einer militärischen Dimension sind die Ausführungen zu Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG entsprechend heranzuziehen.56 Da durch einen militärischen Angreifer eine militärische Dimension vorliegt, ist es für den Angriffsbegriff des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG irrelevant, welchen Status der/die Angegriffene innehat. bb) Sachliches Merkmal („Waffengewalt“) Der Angriff muss „mit Waffengewalt“ erfolgen. Dies lässt sich als sachliches Merkmal klassifizieren und modifiziert den Angriffserfolg. (1) Untechnisches Verständnis Durch den ersten Wortteil „Waffen-“ des Begriffs der Waffengewalt könnte man eine Verwendung von bestimmten technischen Geräten als notwendig erachten. Da sich der Wortteil „Waffen-“ jedoch auf den Begriff der „gewalt“ bezieht, ist hierbei lediglich eine Bestimmung des Gewaltbegriffs gemeint. Der Begriff der Gewalt beschreibt den notwendigen Angriffserfolg.57 Entsprechend liegt im Begriff der

55 Vgl. zur Zurechnung: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 127 ff., insbesondere 134; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 13, 15. 56 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B.; im Rahmen einer Folgenbetrachtung könnte man anführen, dass ein Gleichsetzen der Angriffsbegriffe der Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG und Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG zu einer Schutzlücke führe, sollte der Angriff evident nichtstaatlich sein. Läge ein evident nichtstaatlicher Angriff vor, könnte mangels militärischen Personenbezugs kein Verteidigungsfall erklärt werden. Dagegen ließe sich zunächst anführen, dass im Rahmen der Übertragung des Angriffsbegriffs gleichermaßen auch die Vermutung einer Staatlichkeit bei Erreichen des Merkmals der Bewaffnung übertragen wird. Dies ist durch Erfüllung des Merkmals der Waffengewalt immanent gegeben, sodass bei Annahme des sachlichen Merkmals der Waffengewalt des Verteidigungsfalls automatisch von einer Staatlichkeit auszugehen ist. Sollte hierbei überhaupt eine Schutzlücke, folgend aus fehlenden Fähigkeiten der Polizeikräfte und zu komplizierten Entscheidungsstrukturen außerhalb des Verteidigungsfalls, angenommen werden, wodurch überhaupt die Notwendigkeit einer Erklärung des Verteidigungsfalls bei nichtstaatlichem Angreifer vorläge, so wiederholen sich hierzu die allgemeinen Ausführungen zur wehrverfassungsrechtlichen Struktur. Das Bundesverfassungsgericht sieht im wehrverfassungsrechtlichen Bereich nicht die Notwendigkeit eines lückenlosen Schutzes. Auch der historische Vergleich zur Entstehung des Art. 35 Abs. 2, 3 S. 1 GG a. F. und die Beachtung des gesellschaftlichen Zeitgeistes und des internationalen Selbstverständnisses der Bundesrepublik zur Zeit der Entstehung der Wehrverfassung lassen eine so weitgreifende Auslegung, welche die angeblichen Schutzlücken schließe, nicht zu. Vielmehr folgt aus dem Prinzip der Gewaltenteilung bei Annahme einer Schutzlücke ein Auftrag an den Gesetzgeber tätig zu werden und den aus dem Jahre 1956 stammenden Verteidigungsbegriff an die 2020er Jahre anzupassen. 57 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 6.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

Waffengewalt kein Bezug auf die Angriffshandlung, sondern auf den Angriffserfolg vor. Vergleichbar zum Begriff der Bewaffnung im Verteidigungsbegriff liegt dem Begriff der Waffengewalt aus dem Verteidigungsfall ein untechnisches Verständnis zu Grunde.58 Dieses umfasst ein engeres technisches Verständnis, geht hierbei jedoch darüber hinaus und bezieht auch die Schadensauswirkungen des Angriffs als ausschlaggebendes Kriterium mit ein.59 (2) Waffengewalt als besonders qualifizierter Angriffserfolg Folge des untechnischen Verständnisses des Begriffs der Waffengewalt ist, dass für den Bezugspunkt des Angriffserfolgs eine spezielle Anforderung besteht. Der Angriff muss somit eine Relevanz aufweisen, die einer Waffengewalt gleichkommt.60 Diese Anforderungen lassen sich strukturell im Gefahrenbegriff verorten und als Modifikation des Angriffserfolgs verstehen. Diese besondere Relevanz einer Waffengewalt liegt vor, wenn das Schadensausmaß entsprechend gravierend ist.61 Hat das (potentielle) Schadensausmaß gesamtstaatliche Auswirkung und hohe gesellschaftliche Intensität, so liegt eine hohe Angriffsintensität bzw. Relevanz des Angriffs vor. Insbesondere an das Merkmal des Schadensausmaßes innerhalb des Gefahrenbegriffs werden dabei besondere Anforderungen gestellt. Verglichen mit der Relevanzschwelle des Verteidigungsbegriffs des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG folgt eine höhere Schwellenanforderung. Denn der Waffenbegriff in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG ist mit dem Suffix „-gewalt“ kombiniert. Es muss das zusätzliche Element der „Gewalt“ hinzutreten. Auch aus dem wehrrechtlichen Gesamtkontext und Wesen als „letzte[r] Eskalationsstufe“62 folgt eine höhere Schwelle bzw. Stufe der Relevanz. Dies bestätigt sich auch gleichermaßen mit einer Rechtsfolgenbetrachtung. Da die Rechtsfolgen des Verteidigungsfalls deutlich 58 Ebenso: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 42; Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 12; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 12; Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 5; Gramm/ Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 13; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 7. 59 So auch bspw.: Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 13, die auf eine „gewisse Intensität und Wirkung“ abstellen; vgl. Schmidt-Jortzig, Verfassungsänderung für Bundeswehreinsätze im Innern Deutschlands?, DÖV 2002, 773 (777); Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrr 2003, 101 (103 f.). 60 Ebd. 61 Vgl. hierzu: Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 12, nach dem zu entscheiden sei, „ob es sich um ein Angriffsmittel handelt, das eine unmittelbare physische Zwangswirkung entfaltet und geeignet […] [sei], das öffentliche Leben der Bundesrepublik ganz oder teilweise lahmzulegen.“ 62 Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 27.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

325

intensiver und gravierender sind als die des Verteidigungsbegriffs, sind die Anforderungen an eine tatbestandliche Relevanz entsprechend höher anzusetzen. Im Gesamtkontext der Wehrverfassung liegt hierdurch eine dritte Relevanzschwelle vor. Durch den deutlich strengeren Wortlaut, der explizit den etwas martialischen Begriff der Gewalt verwendet, sowie durch die intensiveren Rechtsfolgen des Verteidigungsfalls verglichen mit dem Verteidigungsbegriff ist diese Relevanzschwelle über der zweiten, „qualifizierten“ Relevanzschwelle der militärischen Bewaffnung anzusehen.63 Es handelt sich hierbei somit um eine „besonders qualifizierte“ Relevanzschwelle. In der wehrverfassungsrechtlichen Gesamtstruktur bedeutet dies:

Waffengewalt i.S.d. Art. 115a GG Militärische Bewaffnung i.S.d. Art. 87a GG

Angriff i.S.d. Art. 87a GG Intensität der Gefahr

Abbildung 14: Intensitätsschwelle der Waffengewalt

(3) Konkretisierung der besonders qualifizierten Relevanzschwelle (a) Übertragungen aus der „zweiten“, „qualifizierten“ Relevanzschwelle Die im Begriff der „Waffengewalt“ enthaltene „besonders qualifizierte“ Relevanzschwelle steht über der „qualifizierten“ Relevanzschwelle des Begriffs der „Bewaffnung“. Die Voraussetzungen, welche für eine „qualifizierte“ Relevanzschwelle gelten, müssen gleichermaßen für die „besonders qualifizierte“ Relevanzschwelle vorliegen. Denn diese „besonders qualifizierte“ Relevanzschwelle unterfällt, wie die beiden ersten Relevanzschwellen, dem Oberbegriff des wehrverfassungsrechtlichen 63

Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 1. d).

326

Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

Schutzes. Wie beim Verteidigungsbegriff regelt der Verteidigungsfall besondere Maßnahmen zum Schutze des Bestandes des Staates und der Aufrechterhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.64 Bezugspunkt ist gleichermaßen auch bei der „besonders qualifizierten“ Relevanzschwelle die Relevanz der Gefahr für den Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.65 Wie beim Merkmal der Bewaffnung kann jegliche Rechtsgüterverletzung theoretisch eine Überschreitung der Relevanzschwelle auslösen. Durch aktuelle gesellschaftliche Wertvorstellungen können praktisch aktuell jedoch nur Verletzungen der Rechtsgüter Leben und Körper eine ausreichende Relevanz zur Erreichung des Merkmals der Bewaffnung aufweisen.66 Gleichermaßen ist wie bei der „qualifizierten“ Relevanzschwelle die Vulnerabilität des jeweils Betroffenen besonders zu beachten, da hierdurch die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und das Schadensausmaß, somit die Faktoren einer Gefahr, wesentlich mitbestimmt werden.67 Ebenso überträgt sich durch das Merkmal des Gefahrenbegriffs und der Eintrittswahrscheinlichkeit, dass bei versehentlichen Schädigungen keine bzw. verringerte Wiederholungswahrscheinlichkeit besteht, wodurch i. d. R. versehentliche Schädigungen keine zukünftige Gefahr und somit keinen Angriff bedeuten.68 (b) Besonders schwerwiegende Staatsgefährdung Abstrakter Bezugspunkt der dritten, „besonders qualifizierten“ Relevanzschwelle ist, wie auch bei den anderen Relevanzschwellen, der Schutz des Bestandes des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.69 Die notwendige Relevanz ergibt sich, wie bei der vorgeschalteten, hinreichenden sowie qualifizierten Relevanzschwelle anhand von gesamtstaatlichen Auswirkungen und gesellschaftlicher Intensität.70

64

Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 24; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 3. 65 Vgl. Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 12, der dies auf eine „unmittelbare physische Zwangswirkung“ konkretisiert. 66 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1. c); Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. b) cc); Teil 3, Fn. 582. 67 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. c). 68 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. III. 2. c); im Ergebnis ebenso: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 48; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 13, die jedoch beide ohne nachvollziehbare Argumentation ein subjektives Kriterium des Vorsatzes in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG konstruieren. 69 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 24; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 3. 70 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 4. und Teil 3 Kapitel 2 B. II. 3.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

327

Denn durch die Feststellung des Verteidigungsfalls wandelt sich der Normalzustand des deutschen Staates in einen Notstandszustand.71 Wesentliche organisationsverfassungsrechtliche Änderungen und grundrechtliche Eingriffsmöglichkeiten folgen hierdurch.72 Derart gravierende und intensive Rechtsfolgen setzen reziproke Anforderungen voraus. Als Mittel zum Schutz des Staates und zum Zusammenleben der Bürger muss ein entsprechender Angriff auf den Staat bzw. dessen Bürger vorliegen.73 Als höchste Relevanzschwelle müssen gesamtstaatliche Auswirkungen und eine gesellschaftliche Intensität höchster Stufe vorliegen. Dies setzt als „inhärente[s] Erforderlichkeitserfordernis“74 somit eine schwerwiegende Staatsgefährdung voraus.75 Eine notwendige Gefährdung des Lebens oder des Körpers erfordert hierbei per se keine Quantität.76 Jedoch wird i. d. R. die Gefährdung der Leben oder der Körper einer geringeren Personenanzahl nicht die entsprechende gesamtstaatliche Relevanz aufweisen.77 Vergleichbar zur Gefahrenschwelle beim Merkmal der Bewaffnung wirkt sich auch beim Merkmal der Waffengewalt als besonders qualifizierte Gefahrenschwelle ein kumulatives Vorliegen von Angriffen nicht direkt aus.78 Diese sind nicht als ein Gesamtangriff, sondern als eigenständige Angriffe zu betrachten.79

71 Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 3. 72 Vgl. bspw. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 24. 73 Vgl. Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 13. 74 Spanger, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 23. 75 Vgl. Dittmar, Angriffe auf Computernetzwerke, S. 153 f.; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 3; ebenso: Epping, in: Maunz/ Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 43; Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 8. 76 Die Notwendigkeit einer Lebens- und Körpergefährdung ergibt sich bereits aus den Übertragungen des Merkmals der Bewaffnung, vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 2. a) bb) (3) (b). 77 Denkbar bleiben besondere Umstände, durch welche auch bei Gefährdung lediglich einer geringeren Quantität von Leben und Körper eine schwere Staatsgefährdung annehmbar wäre. Bspw. könnte eine angekündigte und vollzogene Tötung des/der Bundespräsidenten/-in oder des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin eine solche schwerwiegende Staatsgefährdung bedeuten; vgl. Dreist, Terroristenbekämpfung als Streitkräfteauftrag, NZWehrr 2004, 89 (101), nach dem terroristische Anschläge in der Regel nicht entsprechend genügende Relevanz aufweisen sollen; ebenso: Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrr 2003, 101 (102 f.). 78 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. VI. 79 Vgl. Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 16; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 51.

328

Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

Ein tauglicher Angriff i. S. d. Art. 87a bzw. Art. 115a GG setzt einen militärischen Personenbezug voraus.80 Ein Angriff, der das Merkmal der Waffengewalt erfüllt, muss zwangsweise die niedrigere Intensitätsschwelle der Bewaffnung erreichen. Dadurch handelt es sich um einen (vermuteten) militärischen Angriff. Sollten mehrere Angriffe vorliegen, die, fiktiv alternativ vorgenommen, keine jeweilige ausreichende gesamtstaatliche Auswirkung und gesellschaftliche Intensität aufweisen, verringern diese erheblich die Schutzfähigkeit des Betroffenen und erhöhen dadurch dessen Vulnerabilität.81 Der zeitlich folgende Angriff wird in seiner Intensität gesteigert und hat weitreichendere Auswirkungen. Durch einen oder mehrere zeitlich vorangehende Angriffe, die jedoch einzeln nicht die Intensitätsanforderung einer Waffengewalt erreichen, kann eine derartige Anfälligkeit des deutschen Staates geschaffen werden, dass das Gefährdungspotential des zeitlich letzten Angriffs eine derartige gesamtstaatliche Auswirkung und gesellschaftliche Intensität aufweist, was zur Annahme des Merkmals der Waffengewalt führen kann.82 Eine Addition von kumulativ vorliegenden Merkmalen ist somit auch gleichermaßen wie beim Merkmal der Bewaffnung im Merkmal der Waffengewalt entbehrlich. Kumulativ vorliegende Angriffe sind jeweils separat zu bewerten. Hierbei kann durch einen an sich nicht ausreichend relevanten bzw. intensiven Angriff die Verletzlichkeit für weitere Angriffe gesteigert werden, sodass sich dadurch eine entsprechend ausreichende Relevanz bzw. Intensität eines möglicherweise potentiellen Folgeangriffs ergibt.83 (c) Ausschluss militärisch schwacher Staaten Durch das Schutzgut des Bestandes des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung muss eine schwere Staatsgefährdung durch einen fremden Staat vorliegen. Ausschlaggebend sind hierbei das Schadenspotential und dessen Eintrittswahrscheinlichkeit.84 Hat ein fremdstaatliches Militär derart geringe Eingriffsmöglichkeiten, somit fehlende Möglichkeit der Schadenserreichung, hin80 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 3; Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 12; ebenso: Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 11, der jedoch auf die völkerrechtliche Aggressionsdefinition des Art. 3 der VN-Resolution (A/RES/3314(XXIX)) abstellt, welche Handlungen staatlicher Streitkräfte voraussetzt; a. A. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 49, nach dem es nicht auf die Qualität des Angreifers, sondern lediglich auf die Qualität der Angriffswirkung ankomme; in dieselbe Richtung: Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 115a GG, Rn. 9, der grundsätzlich eine Staatlichkeit voraussetzt, aber bei Überforderung der Polizeikräfte ausnahmsweise von diesem Merkmal abrückt. 81 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. c). 82 Hierzu vertiefend: Kersting, Bündnisfall und Verteidigungsfall, S. 167 f. Vgl. SchmidtRadefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 9. 83 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. c). 84 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 6; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 13.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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sichtlich einer Destabilisierung des deutschen Staates, so kann dies dazu führen, dass trotz Kriegserklärung eines fremden Staates keine schwere Staatsgefährdung folgt.85 Hierdurch lässt sich praktisch der potentielle Kreis tauglicher angreifender Staaten reduzieren bzw. lassen sich einzelne Staaten oder gar Gruppen von Staaten als tauglicher Angreifer ausschließen. Im Gegenzug lässt sich eine Waffengewalt dann annehmen, wenn der Angriff durch ein in Bezug auf Funktionalität und Kampfkraft dem deutschen Staat ansatzweise gleichwertiges oder überlegenes Militär erfolgt. (d) Notwendigkeit einer Feststellung des Verteidigungsfalls Die Feststellung des Verteidigungsfalls als Notstandszustand bedeutet einen Ausnahmezustand.86 Die Feststellung des Verteidigungsfalls ist nur dann vorzunehmen, wenn diese zum Schutz des Bestandes des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung notwendig ist. Diese Notwendigkeit der Feststellung des Verteidigungsfalls spiegelt sich zudem darin wider, dass die Feststellung des Verteidigungsfalls keinen Ermessensspielraum belässt, sondern eine gebundene Entscheidung für das Parlament bzw. den subsidiären Entscheidungsträger ist, sofern dieser die Tatbestandsmerkmale für gegeben erachtet.87 Diese Notwendigkeit lässt sich zur Konkretisierung des Merkmals der Waffengewalt heranziehen. Denn erst wenn die Umstellung des Staates in einen Kriegszustand und das hierbei zusätzliche Abwehrpotential notwendig sind, liegt ein derart schwerwiegender Angriff vor, der die Angriffsintensität bzw. -relevanz des Merk-

85 Beispielhaft seien hier die Inselstaaten Tonga und Fidschi aus Ozeanien angeführt. Angenommen einer dieser Staaten erklärt der Bundesrepublik unilateral den Kriegszustand, führt dies wohl nicht zu einer schweren Staatsgefährdung. Die Eingriffsmöglichkeiten der beispielhaft aufgeführten Staaten und deren Streitkräfte sind als derart militärisch schwach anzusehen, dass keine ernsthafte Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung folgt. 86 Bspw.: Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Vorb. v. Art. 115a GG, Rn. 49. 87 Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. c) bb); Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG (Erstbearbeitung), Rn. 35; insbesondere aus der Pflicht des Selbsterhalts des Staates und dessen umfassender Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern besteht im Falle eines Angriffs mit Waffengewalt auf das Bundesgebiet kein politischer Ermessensspielraum der Abgeordneten trotz tatbestandlichen Vorliegens eines materiellen Verteidigungsfalls diesen formell nicht zu erklären. (vgl. zur Pflicht zum Selbsterhalt: Hufeld, in: Kube (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, Band 1, § 44, Rn. 6) Dies käme letztlich einer Selbstaufgabe des Staates und Negierung der staatlichen Schutzpflicht gleich. Wenn eine schwerwiegendste Staatsgefährdung droht und eine Feststellung des Verteidigungsfalls notwendig ist, besteht keine politische Opportunität diese Notwendigkeit nicht vorzunehmen; abweichend: Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 10, der dem Bundestag eine „politische Opportunität“ einräumt, hierbei jedoch auf eine Bindung an das Untermaßverbot besonders hinweist.

330

Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

mals der Waffengewalt begründet.88 Eine solche Notwendigkeit ist dann gegeben, wenn nicht davon auszugehen ist, dass der Angriff vermutlich ohne Feststellung des Verteidigungsfalls hätte abgewehrt werden können.89 Es muss somit gerade auf das durch Wandlung in einen Notstandszustand zusätzlich geschaffene staatliche Abwehrpotential zur Abwehr des Angriffs ankommen.90 Eine schwerwiegende Staatsgefährdung konkretisiert sich in einer realistischen Möglichkeit einer dauerhaften Überwältigung der Abwehrmaßnahmen im Normalzustand, insbesondere in den Handlungsmöglichkeiten der deutschen Streitkräfte im Normalzustand. Hierdurch koppelt sich im Einzelfall letztlich die Relevanzschwelle der Waffengewalt praktisch an die Abwehrmöglichkeiten des deutschen Staates und dezidiert an die Funktions- und Kampffähigkeit der deutschen Streitkräfte.91 (4) Zwischenergebnis • Der Begriff der Waffengewalt ist untechnisch zu verstehen. Er umfasst sowohl ein engeres technisches Verständnis als auch untechnisch die Schadensauswirkung. • Das Merkmal der Waffengewalt ist im Rahmen der Wehrverfassung eine „besonders qualifizierte“ Relevanzschwelle für eine notwendige Schadensauswirkung. • Die Relevanzschwelle der Waffengewalt ist bei einer besonders schweren Staatsgefährdung erreicht. Sind für eine geeignete Abwehr die Rechtsfolgen der Feststellung des Verteidigungsfalls notwendig, weil nur hierdurch genügend Abwehrpotential geschaffen wird, so scheint hierbei eine besonders schwere Staatsgefährdung vorzuliegen. Dadurch lassen sich militärisch schwache Staaten bzw. Staatengruppen als potentielle Angreifer nach aktuellem militärischem Angriffspotential ausschließen.

88

Rn. 6.

Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG,

89 Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 8. 90 Ebenso: Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 13; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 23; Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 8. 91 Da durch die in Art. 87a, 115a GG enthaltene Institutionsgarantie eine staatliche Pflicht zur Bereithaltung funktions- und kampffähiger militärischer Kräfte besteht, liegt eine Mindestschwelle für den Intensitätsgrad des Merkmals der Waffengewalt vor. Eine Reduzierung der Relevanzschwelle durch Verringerung der Funktions- und Kampffähigkeit der Streitkräfte ist daher nur in begrenztem Umfang möglich und mit der Institutionsgarantie vereinbar.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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cc) Räumliches Merkmal („Bundesgebiet“) Der den Verteidigungsfall auslösende Angriff muss sich auf „das Bundesgebiet“ beziehen.92 Hierin wird strukturell ein räumliches Merkmal begründet, welches eine territoriale Schutzgüterbegrenzung bedeutet.93 Anders als beim Verteidigungsbegriff müssen sich die betroffenen Schutzgüter des Angriffsobjektes innerhalb des Bundesgebietes befinden.94 Das bedeutet, dass beim Verteidigungsfall die Angegriffenen territorial innerhalb deutschen Territoriums sein müssen.95 Eine extraterritoriale Erfassung von deutschen Staatsangehörigen und deren Rechtsgütern gibt es explizit nicht.96 Es besteht somit eine Einschränkung der Angriffsobjekte durch Territorialbezug. Durch das Merkmal des Bundesgebietes bleiben zudem Schutzgüter in Drittstaaten, unabhängig von einem potentiellen „Verbündetenstatus“ der Drittstaaten, außen vor.97 Diese sind weder vom Verteidigungsbegriff noch vom Verteidigungsfall erfasst, da die Einsatzmöglichkeit des Art. 24 Abs. 2 GG mit der Anforderung der Einordnung in ein System kollektiver Sicherheit hierfür gerade eine speziellere Einsatzgrundlage ist.98 Es verbleibt jedoch die Möglichkeit einer indirekten Einbeziehung, da ein Angriff auf einen Drittstaat, mit dem die Bundesrepublik gesellschaftlich, politisch und kulturell enge Verbindungen pflegt, Indiz für einen potentiellen Angriff auf Personen und deren Rechtsgüter innerhalb der Bundesrepublik sein kann.99 92

Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 10; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 8; Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 2; Gramm/ Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 10; Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 115a GG, Rn. 10; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 6. 93 Vgl. bspw.: Deiseroth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 115a GG, Rn. 10. 94 Exemplarisch: Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 2. 95 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 6. 96 Insbesondere durch die Ausdrücklichkeit des Merkmals „Bundesgebiet“ besteht ein wesentlicher Unterschied zum Verteidigungsbegriff. Da anders als in Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG in Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG gerade nicht auf das Bundesgebiet abgestellt wird, lässt sich dies als argumentum e contrario für einen extraterritorialen Schutzumfang des Verteidigungsbegriffs anführen; vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 3. b) aa) (2) (a). Hierdurch bleibt ein schutzvermittelnder Einsatz im Rahmen des Verteidigungsauftrages unberührt. 97 Bspw.: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 6; Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 11; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 2; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 39. 98 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 3. b) bb). 99 Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 41; vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 3. b) bb) (2) (c); hierzu: Fuchs, Die Entscheidung über Krieg und Frieden, Friedensordnung und Kriegsrecht nach dem Bonner Grundgesetz, S. 243 f.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

dd) Zeitliches Merkmal („wird“/„droht“) Aus der Verbform „angegriffen wird“ bzw. aus dem Zusatz „ein solcher Angriff unmittelbar droht“ folgt ein zeitliches Merkmal des Verteidigungsfalls.100 Dieses ist Abgrenzungskriterium gegenüber dem als Vorstufe konzipierten Spannungsfall nach Art. 80a GG.101 Der Angriffsbegriff des Art. 115a GG bzw. Art. 87a GG setzt eine Gefahr für den Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus.102 Hierbei liegt eine Gefahr vor, wenn mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein entsprechend ausreichender Schaden eintritt.103 Das zeitliche Merkmal bezieht sich auf diesen Angriffsbegriff und stellt hierdurch Anforderungen an den dort immanenten Gefahrenbegriff.104 Während insbesondere das sachliche Merkmal hohe Anforderungen an das Schadensausmaß stellt, begründet das zeitliche Merkmal dagegen eine Hürde für die Subvoraussetzung der Eintrittswahrscheinlichkeit innerhalb des Gefahrenbegriffs.105 Der Eintritt des Schadensausmaßes muss entweder schon stattgefunden haben oder gesichert bevorstehen.106 Durch das (fast) unmittelbare Vorliegen eines Schadenseintritts werden dadurch Zweifel hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit erheblich verringert.107 Eine Unmittelbarkeit eines bevorstehenden Angriffs ist im Rückgriff hierauf dann anzunehmen, wenn keine Zweifel an einer Eintrittswahr100

Exemplarisch: Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 13; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 14. 101 Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 58; ebenso: Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 18; Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 14 ff.; hierzu vertiefend: Mertins, Der Spannungsfall. 102 Bspw.: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 88. 103 Bspw.: Meyer, Subjektiver oder objektiver Gefahrenbegriff, „Gefahrenverdacht“ und Vorfeldbefugnisse, JA 2017, 1259 (1260); Leisner, Die polizeiliche Gefahr zwischen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe, DÖV 2002, 326. 104 Vgl. Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 56, nach dem jedoch kein gleiches Verständnis zum polizeirechtlichen Begriff der „konkreten Gefahr“ vorliegt. 105 Ähnlich: Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 18; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 10. 106 Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 6 f., der auf den Begriff der „konkreten Gefahr“ abstellt; ähnlich: Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 55, der jedoch eine Anwendung des polizeirechtlichen Begriffs der „konkreten Gefahr“ ablehnt und stattdessen für ein völkerrechtliches Verständnis plädiert. 107 Vgl. Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 18; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 10.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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scheinlichkeit mehr bestehen. Es werden insofern besonders hohe Anforderungen an eine Eintrittswahrscheinlichkeit formuliert.108 Liegt ein Schadenseintritt vor, erübrigt sich die Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit. Eine Unmittelbarkeit kann bei einem lediglich drohenden Angriff im Rückgriff auf einen vorliegenden Angriff angenommen werden, wenn keine Zweifel an dessen Vornahme bestehen. Die Bewertung, ob keine oder doch ausreichende Zweifel bestehen, ist eine der Feststellungskompetenz.109 Diese liegt grundsätzlich nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG beim Bundestag und beim Bundesrat.110 Dies bedeutet, dass theoretisch auch ein zeitlich weiter in der Zukunft liegender erheblicher Schadenseintritt unmittelbar drohen kann, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit entsprechend gesichert und hinreichend vorliegt.111 Praktisch ist zu beachten, je länger ein potentieller Schadenseintritt in der Zukunft liegt, umso mehr Faktoren können eine Eintrittswahrscheinlichkeit beeinflussen und verringern. Zudem ist bei einem weiter in der Zukunft liegenden potentiellen Schadenseintritt die Notwendigkeit einer Feststellung des Verteidigungsfalls relevant. Sofern eine Feststellung des Verteidigungsfalls nicht notwendig ist, weil durch genügend Vorlaufzeit ohne Staatsmodifikation ausreichende Schutzmaßnahmen getroffen werden können, verbleibt eine Feststellung des Verteidigungsfalls gesperrt.112 Hierdurch wirken das sachliche und das zeitliche Merkmal zusammen auf den Gefahrenbegriff des Verteidigungsfalls. Nicht nur an das Schadensausmaß, sondern auch an die Eintrittswahrscheinlichkeit sind sehr hohe Anforderungen zu stellen. c) Feststellung des Verteidigungsfalls aa) Verteilung der Feststellungskompetenz Die Feststellung des Verteidigungsfalls trifft nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG grundsätzlich der Bundestag.113 Notwendig ist eine qualifizierte Zweidrittelmehrheit 108

Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 10. 109 Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. b) bb) (3) (d). 110 Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. c) aa); exemplarisch: Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 25 ff. 111 Erklärt hypothetisch ein fremder militärisch starker Staat, die Bundesrepublik in zwei Jahren bspw. mit atomaren Waffen anzugreifen, und gilt diese Erklärung als gesichert und bleibt auch weiterhin gesichert, so kann dies auch zwei Jahre im Voraus einen Verteidigungsfall begründen. Zur Feststellung muss dazu eine Umstellung in einen Kriegszustand weiterhin notwendig sein und bleiben. 112 Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. b) bb) (3) (d). 113 Hierzu: Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 9 ff.; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 16 ff.; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 24 ff.; Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 17 ff.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

innerhalb des Bundestages, was voraussetzt, dass mindestens die Hälfte der nominellen Parlamentarier/-innen ihre Stimme abgegeben haben.114 Zudem muss eine einfache Mehrheit im Bundesrat der Feststellung zustimmen. Eine Vorlage zum Bundestag erfolgt durch die Bundesregierung, welcher auch der/die BMVg nach Art. 62 GG angehört. Da dieser/diese die Bewertungskompetenz hinsichtlich einer Verteidigungslage innehat115 und eine solche im festgestellten Verteidigungsfall gleichermaßen vorliegt116, folgt für den/die BMVg die Einzelfallfrage, ob nach Annahme einer Verteidigungslage diese Verteidigungslage ein derart gravierendes Schadenspotential aufweist, dass die Verteidigungslage sogar einen materiellen Verteidigungsfall darstellen könnte. Hält er/sie dies für gegeben, so kann es durch das Kollegialorgan der Bundesregierung, welcher der/die BMVg angehört, zu einer Vorlage beim Bundestag führen.117 Die Folge wäre, dass der nach Ansicht der Bundesregierung vorliegende materielle Verteidigungsfall bei Feststellung zum formellen Verteidigungsfall würde. bb) Feststellungskompetenz als tatbestandliche Bewertungskompetenz Die Feststellungskompetenz des Verteidigungsfalls stellt sich hierbei als tatbestandliche Bewertungskompetenz dar.118 Als Reaktion auf eine schwerwiegende Staatsgefährdung besteht kein Raum für politische Opportunität.119 Hält ein Abgeordneter/eine Abgeordnete die Voraussetzungen eines Verteidigungsfalls für gegeben, so muss er/sie für eine Feststellung abstimmen. Denn Pflicht des Staates ist unter anderem dessen Selbsterhalt.120 Würde bei Vorliegen eines Verteidigungsfalls, welcher eine Notwendigkeit für eine schwerwiegende Staatsgefährdung bedeutet, 114 Exemplarisch: Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 30 ff. 115 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 2. 116 Vgl. Teil 2 Kapitel 2 A. II. und Teil 3 Kapitel 3 C. II. 1. a). 117 Vgl. Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 29; Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 21. 118 Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG (Erstbearbeitung), Rn. 35. 119 A. A. Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 10; vgl. zu Art. 80a GG: Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 24; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 18. 120 Vgl. BVerfGE 5, 85 (139), welches mit dem Begriff der „wehrhaften Demokratie“ eine generelle Selbsterhaltungspflicht der Verfassung verdeutlicht; hierzu vertiefend: Hufeld, in: Kube (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, Band 1, § 44, Rn. 6; Schliesky, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XII, § 277, Rn. 11 ff.; in gleicher Weise verdeutlichen auch die Verfassungsänderungen des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 19. 03. 1954 (Einführung des Art. 87a GG) und des Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 24. 06. 1968 (Notstandsnovelle; Modifikation des Art. 87a GG und Einführung der Art. 115a ff. GG) den Willen des Verfassungsgebers zum Selbsterhalt.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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politischer Ermessensspielraum bestehen, so wäre dieser letztlich auf null reduziert. Denn andernfalls würde gegen die Selbsterhaltungspflicht des Staates verstoßen werden. Wenn eine Feststellung des Verteidigungsfalls notwendig ist, um nur durch Modifikation des Staates dem äußeren Staatsnotstand Herr zu werden und den Angriff mit Waffengewalt abwehren zu können, kann es keine politischen Ermessensgründe geben auf solche essentiellen, notwendigen Selbsterhaltungsmaßnahmen zu verzichten.121 Dies deckt sich mit der Möglichkeit der Fiktion der Feststellung des Verteidigungsfalls nach Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG. Hierbei besteht gerade kein politischer Ermessensspielraum, da es darauf ankommt, ob die politischen Entscheidungsträger „außerstande“, sprich handlungsunfähig, sind.122 Das Element des Ermessens besteht, entsprechend der Fiktion des Art. 115 Abs. 4 S. 1 GG, bei der Feststellung nicht, da es andernfalls nicht nur auf die Handlungsunfähigkeit, sondern auch auf einen (mutmaßlichen) Willen des Bundestages bzw. Gemeinsamen Ausschusses ankäme. Wenn im Rahmen der Feststellungsfiktion kein politischer Ermessensspielraum besteht, weil sich durch die Handlungsunfähigkeit die Tatbestandlichkeit des Verteidigungsfalls entsprechend offensichtlich darstellt, so kann auch ohne Handlungsunfähigkeit kein politischer Ermessensspielraum bestehen. Denn die Fiktion des Art. 115a Abs. 4 GG ersetzt nur die Feststellung nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG. Aus systematischen Erwägungen sind Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG und Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG gleichermaßen ohne politischen Ermessensspielraum zu verstehen. Die Feststellungskompetenz ist daher letztlich eine tatbestandliche Bewertungskompetenz.123 Eine Abstimmung über die Feststellung des Verteidigungsfalls im Bundestag ist somit eine Frage, ob die Abgeordneten die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verteidigungsfalls für gegeben erachten. cc) Beschlussunfähigkeit Ist der Bundesrat beschlussunfähig, treten für diesen die Mitglieder des Bundesrates im Gemeinsamen Ausschuss ein.124 Hierdurch wird die Kompetenzvertei121 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG (Erstbearbeitung), Rn. 35. 122 Vgl. bspw. Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 43, welcher den Verteidigungsfall im Rahmen der Fiktion des Abs. 4 für „automatisch eingetreten“ hält. Ebenso: Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 29. 123 Vgl. Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 28, der zumindest die Aufgabe von „Bundestag und Bundesrat in der Einschätzung der tatsächlichen Bedrohungslage“ sieht. Der materielle Verteidigungsfall lässt sich als Bedrohungslage beschreiben. 124 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 18.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

lung des Art. 115a Abs. 1, 2 GG bei singulärer Handlungsunfähigkeit des Staatsorgans Bundesrat gewahrt, denn diese sieht nur im Falle der Beschlussunfähigkeit des Bundestages, nicht jedoch des Bundesrates, einen Übergang der Feststellungskompetenz zum Gemeinsamen Ausschuss. Ist der Bundestag handlungsunfähig, der Bundesrat jedoch handlungsfähig, folgt hieraus auf Grund des eindeutigen Wortlauts des Art. 115a Abs. 2 GG eine Zuständigkeit des Gemeinsamen Ausschusses.125 Da in diesem der Bundesrat mit einem Drittel überstimmbar ist, schmälern sich hierdurch die Mitwirkungsbefugnisse der Länder.126 Sind sowohl Bundestag als auch Bundesrat beschlussunfähig, folgt eine Zuständigkeit des Gemeinsamen Ausschusses. dd) Fiktionale Feststellung und Bewertungskompetenz Die Feststellung des Verteidigungsfalls ist bei Handlungsunfähigkeit des Bundestages und des Gemeinsamen Ausschusses als subsidiäre Vertretung zu fingieren.127 Hierbei besteht die formell im Vorfeld zu klärende doppelte Bewertungskompetenz.128 Denn auch eine Feststellung durch Fiktion benötigt sowohl einerseits die Annahme eines materiellen Verteidigungsfalls als auch andererseits die Annahme einer Handlungsunfähigkeit des Bundestages und des Gemeinsamen Ausschusses. Sollte ein entsprechender Fall eintreten, muss für eine eilige Bewertung eine klare Zuständigkeit für die Bewertung bestehen, um den Zweck eines gesteigerten Abwehrpotentials durch Erklärung des Verteidigungsfalls zu erreichen.129 Betrachtet man die Wertung des die Fiktion regelnden Art. 115a Abs. 4 GG und hierbei insbesondere des S. 2, liegt hierbei eine Zuordnung zum/zur Bundespräsi125

Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 13; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 31. 126 Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 31; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 22. 127 Hierzu: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 16 ff.; Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 29 ff.; Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 42 ff.; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 86 ff.; Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 22; vertiefend hierzu: Rieder, Die Entscheidung über Krieg und Frieden nach deutschem Verfassungsrecht. 128 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 3. d) cc) (2); Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 30; Stern, Staatsrecht II, S. 1408. 129 Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 30, welche ohne weitere Begründung eine Entscheidungsgewalt bei „den einzelnen Behördenchefs und kommandierenden Offizieren“ sehen. Weshalb die Entscheidungsgewalt jedoch auf mittlerer hierarchischer Ebene liegen solle, bleibt offen. Konsequenter erscheint jedoch, entweder die Entscheidungsgewalt jedem einzelnen Beamten, Soldaten und sonst Involvierten zu übertragen oder, wie hier vertreten, einer hierarchisch zu konkretisierenden höchsten Stelle, nämlich der Bundesregierung, zukommen zu lassen.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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denten/-in nahe. Die Festlegung des Zeitpunktes des Eintritts der Fiktion des Verteidigungsfalls durch den/die Bundespräsident/-in setzt inzident voraus, dass der/die Bundespräsident/-in einen solchen Eintritt für gegeben erachtet.130 Hierdurch wird die doppelte Bewertungskompetenz hinsichtlich des Vorliegens eines materiellen Verteidigungsfalls und einer Handlungsunfähigkeit der Entscheidungsstellen durch Art. 115 Abs. 4 S. 2 GG dem/der Bundespräsidenten/-in zugeordnet.131 Ist jedoch auch der/die Bundespräsident/-in handlungsunfähig, besteht weiterhin die Notwendigkeit einer klaren Zuordnung einer hieran folgenden subsidiären Zuständigkeitszuteilung einer Entscheidungshoheit. Die Out-of-Area-Einsätze-Entscheidung132 und die AWACS-Entscheidung133 verdeutlichen eine legislative Entscheidungshoheit in Bezug auf wehrverfassungsrechtliche Fragen.134 Die Verteilung der Entscheidungskompetenzen orientiert sich demnach anhand der demokratischen Legitimation. Hierdurch entsteht anhand des Merkmals der demokratischen Legitimation eine fiktive Rangliste für eine Nachfolge. Je stärker die demokratische Legitimation ist, desto höher ist der Rang in der die Nachfolge regelnden fiktiven Liste. Denn wie schon in den historischen Materialien verdeutlicht, ist die „schicksalhafte politische Entscheidung über Krieg und Frieden […] von der obersten Vertretung des ganzen Volkes, um dessen Schicksal es geht“ zu treffen.135 Ausschlaggebend für eine Zuordnung der wehrverfassungsrechtlichen Entscheidungshoheit zum Parlament ist dessen demokratische Legitimation per Wahl durch das Volk. Durch dieses Prinzip lässt sich bezogen auf die doppelte Bewertungskompetenz anhand der demokratischen Legitimation eine subsidiäre Nachfolgekette konstruieren. Nach dem Parlament, Bundestag, Gemeinsamen Ausschuss und Bundespräsidenten rückt somit das nachfolgend am stärksten demokratisch legitimierte Entscheidungsorgan nach.136 Dieses scheint die Bundesregierung zu sein, welche durch Wahl des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin nach Art. 63 Abs. 1 GG und Er130

Vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 3. d) aa). Vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 26. 132 BVerfGE 90, 286. 133 BVerfGE 121, 135. 134 Vgl. BVerfGE 90, 286 (383, 387): Historisch sei in der WRV und in dieser vorgehenden Reichsverfassung für einen Streitkräfteeinsatz die „Zustimmung des Bundesrates und des Reichstages, also der gesetzgebenden Körperschaften“ notwendig gewesen, welche sich „in den Vorschriften des Grundgesetzes auf dem Hintergrund der deutschen Verfassungstradition seit 1918 zum Ausdruck kommende Entscheidung für eine umfassende parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte“ wiederfinden; hierzu kritisch: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 142 ff.; ebenso: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24 ff., insbesondere Rn. 25. 135 Dr. Schwarzhaupt, BT-PlProt II/132, vom 6. März 1956, S. 6820 (A). 136 Vgl. zur demokratischen Legitimation exemplarisch: Grzeszick, in: Maunz/Dürig/ Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 121 ff. 131

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

nennung nach Art. 64 GG direkte Legitimation vom Bundestag ableitet.137 Hierbei ist von einer Kollektiventscheidungsbefugnis der Bundesregierung auszugehen.138 Ist eine Kollektiventscheidung auf Grund der Handlungsunfähigkeit anderer Kabinettsmitglieder, insbesondere des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin oder des Vizekanzlers/der Vizekanzlerin, nicht möglich, liegt ein Übergang durch Sachzusammenhang zum/zur BMVg nahe.139 Handlungsunfähigkeit versteht sich hierbei als „objektive Funktionsunfähigkeit“.140 Eine fehlende Handlungsbereitschaft oder eine Entschlusslosigkeit sind nicht darunter zu subsumieren.141 Eine missbräuchliche Annahme einer Handlungsunfähigkeit durch eine Bewertungsstelle lässt sich durch eine gegenläufige Feststellung der Handlungsfähigkeit durch eine hierarchisch höherstehende Stelle verhindern bzw., sofern angenommen, wieder korrigieren. d) Zwischenergebnis • Der materielle Verteidigungsfall setzt einen Angriff sowie ein sachliches Merkmal („Waffengewalt“), ein räumliches Merkmal („Bundesgebiet“) und ein zeitliches Merkmal („wird“/„droht“) voraus.

137 Exemplarisch: Schröder, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 63 GG, Rn. 9; denkbar wäre es eine stärkere demokratische Legitimation des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin gegenüber der Bundesregierung zu sehen, sodass aus dem Prinzip der demokratischen Legitimität nach dem Bundespräsidenten der/die Bundeskanzler/in nachfolgen würde. Erst nach Handlungsunfähigkeit des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin würde eine Bewertungskompetenz der Bundesregierung bestehen. 138 Vgl. Oldiges/Brinktrine, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65 GG, Rn. 33. Die Entscheidung über das tatbestandliche Vorliegen eines Verteidigungsfalls scheint derart gravierend, dass es der Bundesregierung als „zentrales politisches Führungsorgan“ zukommt und somit „kollegiale[r] Entscheidungsstruktur“ unterliegt. 139 Vgl. Oldiges/Brinktrine, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65a GG, Rn. 19a, nach denen „die Entscheidung über den Streitkräfteeinsatz“ beim BMVg liegt und nach denen auch bei Entfall des Parlamentsvorbehalts durch Gefahr in Verzug eine Ressortkompetenz des BMVg besteht. Vgl. ebenso: Müller-Franken/Uhle, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 15, welche dem/ der BMVg „die Summe aller militärischen Rechte, die zur Gewährleistung des Auftrages der Streitkräfte erforderlich sind“ zuschreiben. Hierdurch ließe sich eine Nachfolgekette konstruieren, die auch Stellen nach dem/der BMVg umfasst. Denn durch Übergang zum/zur BMVg, da dieser die Befehls- und Kommandogewalt und damit größte Sachnähe aufweist, könnte sich eine Nachfolge innerhalb der Befehls- und Kommandokette ergeben. Nach dem/der BMVg könnte daher die Bewertungskompetenz dem/der zweite/-n bzw. nach diesen/-r dem/der dritte/-n usw. IBuK zukommen. In diesem Zusammenhang ist auf die VorgV hinzuweisen. Grundlage wäre hierfür die in Art. 65a S. 1 GG normierte Befehls- und Kommandogewalt. 140 Grote, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 44; ebenso: Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 26, der von „tatsächlicher Handlungsunfähigkeit“ schreibt. 141 Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 75.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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• Der Angriffsbegriff des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG ist identisch zum Angriffsbegriff, welcher Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG zu Grunde liegt. • Das sachliche Merkmal der „Waffengewalt“ versteht sich untechnisch. Es stellt eine dritte, „besonders qualifizierte“ Relevanzschwelle dar. Diese ist erreicht, wenn eine schwerwiegende Staatsgefährdung vorliegt, die eine Feststellung des Verteidigungsfalls und ein durch diese Staatsmodifikation bedingtes gesteigertes Abwehrpotential notwendig macht. • Räumlich muss das Bundesgebiet betroffen sein. Dadurch besteht, wie im Rahmen von Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG kein Schutz für Drittstaaten. Art. 24 Abs. 2 GG ist hierfür die speziellere Norm. Betroffenheit des Bundesgebietes impliziert zudem eine gesamtstaatliche, überregionale Relevanz und bestätigt das sachliche Merkmal der „Waffengewalt“. • Das zeitliche Merkmal bezieht sich auf die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadenspotentials. Sofern dieses derart eindeutig und gesichert besteht, liegt ein Angriff vor bzw. droht einzutreffen. Dies kann auch in fernerer Zukunft liegen, sofern die Eintrittswahrscheinlichkeit das notwendige gesicherte Maß erreicht. • Die Feststellung des Verteidigungsfalls trifft grundsätzlich der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates bzw. bei einem Ausfall des Bundestages der Gemeinsame Ausschuss. Bei objektiver Handlungsunfähigkeit des Bundestages und des Gemeinsamen Ausschusses besteht im Rahmen der Fiktion des Art. 115a Abs. 4 S. 1 GG eine doppelte Bewertungskompetenz dahingehend, ob der materielle Verteidigungsfall vorliegt und ob Bundestag und Gemeinsamer Ausschuss objektiv handlungsunfähig sind. Diese kommt nach dem Bundestag und dem Bundesrat der am meisten demokratisch legitimierten Stelle zu. Dies scheint die Bundesregierung, insbesondere der/die Bundeskanzler/-in, zu sein.

2. Spannungsfall Der Spannungsfall des Art. 80a Abs. 1 GG stellt eine Vorstufe zum Verteidigungsfall dar.142 Strukturell ist hierbei, wie beim Verteidigungsfall, zwischen einem materiellen und einem formellen Spannungsfall zu unterscheiden.

142 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 13 ff.; Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 80a GG, Rn. 14; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 2; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 18; Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 14 ff.; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 58; hierzu vertiefend: Mertins, Der Spannungsfall.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

a) Notwendigkeit eines formellen Spannungsfalls für Art. 87a Abs. 3 GG Wie beim Verteidigungsfall ist für die Annahme des „Spannungsfalles“ i. S. d. Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG eine formelle Feststellung notwendig. Hierbei lässt sich die Argumentation hinsichtlich des Verteidigungsfalls übertragen. Denn nach Art. 80a Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG entscheidet der Bundestag über das formelle Vorliegen des Spannungsfalls.143 Die hinsichtlich des Verteidigungsfalls getroffenen Erwägungen übertragen sich, sodass auch hinsichtlich des Merkmals „Spannungsfall“ eine formelle Feststellung durch den Bundestag vorliegen muss.144 b) Materieller Spannungsfall Die Existenz eines materiellen Spannungsfalls ließe sich anzweifeln, sofern man ein rein formelles Verständnis des Spannungsfalls vertritt. Der Spannungsfall ergebe sich dabei ausschließlich durch formelle Feststellung des Bundestages. Für eine Trennung zwischen formellem und materiellem Spannungsfall, somit für die Existenz eines materiellen Spannungsfalls, sprechen neben dem Wortlaut des Art. 80a Abs. 1 S. 1 GG auch die historischen Materialien. Beachtet man den Wortlaut des Art. 80a Abs. 1 S. 1 GG, so setzt dieser den „Eintritt des Spannungsfalls“ voraus. Dieser Eintritt vom Bundestag festgestellt. Die Formulierung des „Eintritts“ legt nahe, dass es sich beim Spannungsfall um ein externes Ereignis handelt, das eintritt. Ein materieller Spannungsfall besteht somit mit dessen Eintritt. Seine Feststellung ist eine, wie der Wortlaut durch Trennung der Begriffe unterstellt, eine zeitlich folgende Begebenheit. Würde beim Spannungsfall lediglich ein formelles Verständnis angewandt, so würde der Bundestag durch Feststellung des Spannungsfalls diesen begründen und dieser wäre vorher nicht schon eingetreten. Dem Wortlaut nach besteht zudem die Möglichkeit, dass ein Spannungsfall eintritt, jedoch nicht festgestellt wird. Dies spricht ebenso für eine Trennung in materiellen und formellen Spannungsfall. Systematisch ist eine enge Verknüpfung zum Verteidigungsfall zu beachten, welche ebenso für die Existenz eines materiellen Spannungsfalls spricht. Der Verteidigungsfall lässt sich in materiellen und formellen Verteidigungsfall aufteilen, was ebenso für eine Aufteilung in materiellen und formellen Spannungsfall und damit die Existenz des materiellen Spannungsfalls spricht. Hinzu kommt, dass die historischen Materialien zum Spannungsfall geradewegs eine Definition des materiellen Spannungsfalls enthalten. Denn „[u]nter [dem Begriff des materiellen] Spannungsfall[s] wird eine Zeit erhöhter

143

Exemplarisch: Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 80a GG, Rn. 2. Ebenso: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 126; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 41; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 12. 144

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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internationaler Spannungen verstanden, die die Herstellung erhöhter Verteidigungsbereitschaft erforderlich macht.“145 Ein materieller Spannungsfall liegt somit vor, wenn erhöhte internationale Spannungen vorliegen und eine erhöhte Verteidigungsbereitschaft deutscher Streitkräfte hierdurch notwendig ist. Der materielle Spannungsfall stellt jedenfalls eine Vorstufe zum materiellen Verteidigungsfall dar.146 Die erhöhte Verteidigungsbereitschaft bezieht sich dabei insbesondere auf Angriffe i. S. d. des Verteidigungsfalls nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG. Im Verhältnis zum materiellen Verteidigungsfall weitet der materielle Spannungsfall jedoch das zeitliche Kriterium aus.147 Der materielle Spannungsfall setzt somit nicht nur einen Angriff mit Waffengewalt i. S. d. Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG voraus, sondern umfasst auch einen Zustand, in dem „nur“ mit bewaffneten Angriffen i. S. d. Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG zu rechnen ist. c) Feststellung des Spannungsfalls Nach Art. 80a Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG entscheidet der Bundestag über das formelle Vorliegen des Spannungsfalls.148 Anders als beim Verteidigungsfall ist eine Beteiligung des Bundesrates nicht vorgesehen. Da der Angriff im Spannungsfall noch nicht stattgefunden hat, sondern sich erst in einem Vorstadium befindet, bestehen keine Anhaltspunkte der Entscheidungsunfähigkeit des Parlaments hervorgerufen durch den Angriff. Daher greifen subsidiäre Zuständigkeitsverteilungen, wie die der Art. 115a Abs. 2, 4 GG, mangels Parlamentsunfähigkeit nicht. Anders als beim Verteidigungsfall muss jedoch bei Vorliegen des materiellen Spannungsfalls keine Feststellung dessen erfolgen, sondern der Bundestag hat ein Ermessen, ob eine Feststellung erfolgt.149 Ob auf eine Lage erhöhter internationaler Spannungen mit einer Teilmobilmachung reagiert werden soll, unterfällt einer einzelfallbezogenen Bewertung.150 Hierbei reduziert die Gefährlichkeit des bevorstehenden Angriffs ein Ermessen hinsichtlich einer Feststellung des Spannungsfalls 145

BT-Drucks. V/2873, S. 11. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 73 GG, Rn. 13; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 6, nach dem die Feststellung des Spannungsfalls „für sich eine Reaktion staatlicher Organe im Vorfeld der Konfliktverschärfung zwischen Normallage und Verteidigungsfall“ ist. 147 Vgl. ebd. 148 Exemplarisch: Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 80a GG, Rn. 2. 149 Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 80a GG, Rn. 14, der ein „parlamentarisch-politisches Ermessen“ sieht; vgl. Robbers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 115a GG, Rn. 10, der im Rahmen von Art. 115a GG eine vergleichbare „politische Opportunität“ annimmt. 150 Vgl. Rubel, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 80a GG, Rn. 15; Stern, Staatsrecht II, S. 1440 f. 146

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

nicht auf null, da die Wahrscheinlichkeit des Angriffs nicht entsprechend hoch ist. Ob die Merkmale des materiellen Spannungsfalls gegeben sind, liegt innerhalb der Einschätzungsprärogative der einzelnen Abgeordneten.151 Die Feststellung des Spannungsfalls stellt somit einerseits die Annahme eines materiellen Spannungsfalls und andererseits die Ermessensentscheidung der Teilmobilmachung auf Grund des materiellen Spannungsfalls dar. d) Zwischenergebnis • Auch der Spannungsfall muss für ein Eintritt der Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG formell festgestellt worden sein. • Es ist zwischen einem materiellen und einem formellen Spannungsfall zu trennen. • Der materielle Spannungsfall liegt vor, wenn erhöhte internationale Spannungen bestehen und daher eine erhöhte Verteidigungsbereitschaft deutscher Streitkräfte notwendig ist. • Die formelle Feststellung des materiellen Spannungsfalls erfolgt durch und liegt im Ermessen des Bundestages. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des materiellen Spannungsfalls hat der Bundestag eine Einschätzungsprärogative.

3. Gefahr für ein verteidigungsrelevantes ziviles Objekt durch einen Zivilen (Var. 1) Für Maßnahmen zum Schutz ziviler Objekte nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG muss eine Gefahr für jene Objekte vorliegen. Als gefahrenabwehrrechtliche und schutzvermittelnde Norm setzt die Einsatzbefugnis des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG eine Gefahr voraus.152 Nur dann ist ein „Schutz ziviler Objekte“ denkbar. Diese Gefahr muss für zivile Objekte bestehen. a) Gefahrenbegriff Hinsichtlich des Begriffs der Gefahr lassen sich die Erwägungen zum Angriffsobjekt übertragen. Dies bedingt sich durch die Einordnung des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG in das Gesamtkonstrukt der Wehrverfassung.153 Aus systematischen Erwägungen ist der Angriffsbegriff innerhalb des Art. 87a GG konsistent zu verste151 Vgl. Mertins, Der Spannungsfall, S. 63; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80a GG, Rn. 15. 152 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 128. 153 Dies verdeutlichen auch die historischen Materialien (BT-Drucks. V/2873, S. 13), in denen unter Art. 87a Abs. 3 GG die verschiedenen Angriffskonstellationen durch die militärische Dimension voneinander abgegrenzt werden.

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hen.154 Der Angriffsbegriff des Verteidigungsbegriffs versteht sich wie im Rahmen des Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, somit gefahrenbezogen.155 Da ein Angriff im Sinne des Verteidigungsbegriffs eine entsprechende Gefahr bedeutet, ist eine Gefahr im Sinne der Sonderbefugnisse synonym zu verstehen. b) Verteidigungsrelevanz Das Objekt muss nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG verteidigungsrelevant sein. Hierbei kommt es auf die Funktionalität des Objektes an. Die Verwendung – die historischen Materialien sprechen „von den Streitkräften [die] zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages mitbenutzt werden“156 – muss relevant für die Erfüllung des Verteidigungsauftrags sein. c) Objektbegriff Hinsichtlich des Begriffs des Objekts lassen sich auch die allgemeinen Erwägungen zum Angriffsobjekt übertragen. Das gefährdete Objekt muss ebenso taugliches Angriffsobjekt sein, damit dieses überhaupt für den Verteidigungsauftrag erforderlich sein kann. Der Begriff des Objekts ist dabei nicht ausschließlich gegenstandsbezogen zu verstehen. Zwar legt der Wortlaut ein rein gegenstandsbezogenes Verständnis nahe. Betrachtet man jedoch aus teleologischer Sicht den Begriff, so spricht die Erforderlichkeit für den Verteidigungsauftrag auch für eine Einbeziehung von Personen. Denn die Verwendbarkeit von verteidigungsrelevanten Objekten bedingt sich nicht nur dadurch, dass technische Gegenstände in Takt sind, sondern auch deren personenbezogene Operatoren, durch welche die verteidigungsrelevanten Objekte funktionsfähig sind.157 Denn nur wenn die Objekte funktionsfähig sind, können sie verteidigungsrelevant sein. 154 Vgl. Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 18. 155 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1.; ebenso: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, 156 BT-Drucks. V/2873, S. 13. 157 Sollte bspw. im Rahmen von Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG ein privates Krankenhaus durch die Bundeswehr geschützt werden, so umfasst dies auch den Schutz des dortigen medizinischen Personals, sofern die Bundeswehr selber nicht eigenes entsprechendes Personal hat. Denn das Krankenhaus ohne entsprechendes medizinisches Personal kann nicht seine Funktion, die es verteidigungsrelevant macht, erfüllen. Gleiches gilt besonders deutlich etwa für Universitäten und Forschungseinrichtungen. Sollten diese verteidigungsrelevant sein und einer Gefahr durch Zivile ausgesetzt sein, umfasst der Schutz auch die dortigen Beschäftigten, sofern nur durch diese der wissenschaftliche Mehrwert erreicht wird. Nur das gegenständliche Labor, nicht jedoch den hierzu gehörigen Wissenschaftler, zu schützen, ergibt keinen Sinn, um die Funktionsfähigkeit, die die Verteidigungsrelevanz ausmacht, zu erhalten. Hiergegen ließe sich einwenden, dass dadurch möglicherweise Personen unter den Begriff „Objekt“ fallen und verobjektiviert werden. Diese Überlegung greift nicht, weil nicht die erfassten Personen in ihrer Menschenwürde angetastet werden, sondern diesen weiterer staatlicher Schutz zukommt. Sie

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d) Begriff des Zivilen Hinsichtlich des Begriffs des Zivilen ergibt wiederum die Abgrenzung zu Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG einen konkretisierenden Rückschluss. Zivil ist das Objekt, wenn es sich nicht um ein militärisches handelt, somit, weil das Objekt nicht ein solches der deutschen Streitkräfte ist. Denn im Fall einer Gefahr für ein militärisches Objekt würde durch Einschlägigkeit des Begriffs der Verteidigung kein Anwendungsbereich für die Sonderbefugnisse des Art. 87a Abs. 3 GG bestehen. Der Begriff „zivil“ ergibt sich somit als negative Abgrenzung zum Begriff „militärisch“ und liegt hinsichtlich eines Objektes vor, wenn das Objekt kein militärisches, sprich den deutschen Streitkräften zugehörig, ist. e) Zivile Gefahrenbegründung Wie in der Literatur vielfach erwähnt, setzt eine Einsatzbefugnis außerhalb des Verteidigungsbegriffs voraus, dass keine militärische Dimension eines Angriffs vorliegt.158 Nur dann ist keine Verteidigungseinsatzbefugnis gegeben, wodurch ein Einsatz außer zur Verteidigung überhaupt möglich ist.159 Für die Gefahr bedeutet dies, dass auch diese innerhalb einer rein innerzivilen Angelegenheit bestehen muss. Die Gefahr muss durch einen Zivilen verursacht werden und die Funktionsfähigkeit eines zivilen Objekts gefährden. 4. Zwischenergebnis Ist der Verteidigungsfall formell festgestellt bzw. bei Handlungsunfähigkeit des Bundestages und des Gemeinsamen Ausschusses durch Erklärung der die Bewertungskompetenz innehabenden Stelle zu fingieren, so besteht eine Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG, um verteidigungsakzessorische Maßnahmen zur Verkehrsregelung wahrzunehmen; besteht zudem eine Gefahr auf ein ziviles Objekt durch einen Zivilen, besteht eine Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG. unterfallen zwar einer etwas misslichen Formulierung des Objekts, werden jedoch nicht auf solche reduziert. 158 So explizit bspw.: Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 18, der auf die „Sicherung ziviler Einrichtungen gegen zivile Störer“ abstellt. Ebenso: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 123, 128; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 54; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 41; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 39. 159 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 167; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 55; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 12, „vor Angriffen durch nicht kombattante Störer (andernfalls haben sie die Kompetenz bereits gem. Abs. 1)“.

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II. Einsatzhandlungen verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG 1. Allgemeines zu beiden möglichen Einsatzhandlungen Grundsätzlich stehen den Streitkräften zum Erreichen des funktionalen Abwehrzwecks alle tauglichen Möglichkeiten offen. Dieser Grundsatz wird jedoch durch Einschränkungen der Einsatzhandlungen begrenzt. a) Einschränkungsgründe Wie bei Verteidigungshandlungen bestehen auch für Einsatzhandlungen im Rahmen verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse Einschränkungsgründe. Die Einschränkungsgründe für Verteidigungshandlungen nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG gelten nicht exklusiv für diese, sondern durch deren umfassende Wirkung ebenso für Einsatzhandlungen verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse. Zum Umfang der Einschränkungsgründe lässt sich im Wesentlichen auf die Ausführungen hinsichtlich der Verteidigungshandlungen verweisen.160 b) Erforderlichkeit für den Verteidigungsauftrag Besondere herausgestellte Bedeutung erfährt die explizit genannte Erforderlichkeit durch den Halbsatz „soweit dies zur Erfüllung des Verteidigungsauftrags erforderlich ist“. Ein Verteidigungsauftrag besteht bei Feststellung des Verteidigungsfalls durch die Teilidentität von materiellem Verteidigungsfall und Verteidigungslage. Das Merkmal der Erforderlichkeit begründet hierbei nicht allein einen funktionalen Bezug, sondern beschreibt eine Notwendigkeit zur Erreichung des Ziels. Diese Notwendigkeit der Vornahme der Handlung begrenzt die Gefahrenabwehr lediglich auf solche Fälle, in denen auch eine Erheblichkeit für den Verteidigungsauftrag besteht.161 Sollte ein Verteidigungsfall festgestellt worden sein, bestimmt sich eine Erforderlichkeit hinsichtlich der konkret vorliegenden Verteidigungslage. Die Einsatzhandlung im Rahmen der verteidigungsakzessorischen Sonderbefugnisse muss für die konkret vorliegende Verteidigungslage Auswirkung zeigen und entsprechend hierfür erforderlich sein.162 160

Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 129; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Art. 87a GG, Rn. 19; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24; Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse der Streitkräfte im Inneren nach der Bonner Notstandsverfassung vom 24. Juni 1968, S. 207 f. 162 So sind etwa Krankenhäuser, Bahnhöfe, Flughäfen, Autobahnen oder Energiekraftwerke typische verteidigungsrelevante Infrastrukturen. 161

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Ein solcher Bezug zu einer konkret vorliegenden Verteidigungslage besteht dagegen nicht bei „nur“ einer Feststellung eines Spannungsfalls. Denn der Spannungsfall beschreibt die Erwartung an einen wahrscheinlichen, jedoch zukünftigen Angriff und somit an eine zukünftige Verteidigungslage. Ein Bezug zu einer konkret vorliegenden Verteidigungslage ist entsprechend nicht möglich. Eine Erforderlichkeit für den Verteidigungsauftrag bei festgestelltem Spannungsfall bezieht sich daher auf eine zu erwartende Verteidigungslage. Sofern die zu schützenden zivilen Objekte in der zukünftigen erwarteten Verteidigungslage Verteidigungsrelevanz aufweisen, besteht eine Erforderlichkeit. Anders als beim schweren staatsgefährdenden Notstand nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG besteht keine Subsidiarität hinsichtlich möglicherweise einsatzbereiter Polizeikräfte. Auch wenn Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG einen Ausnahmecharakter hat, der den Ausnahmezustand des Verteidigungsfalls nach Art. 115a GG voraussetzt, folgt hierbei keine Verdrängung der Streitkräftezuständigkeit und Möglichkeit von Einsatzhandlungen nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG bei Vorliegen von gleichermaßen geeigneten Handlungen von Polizeikräften.163 2. Maßnahmen zum Schutz ziviler Objekte (Var. 1) Sofern neben einem festgestellten Verteidigungs- oder Spannungsfall auch eine Gefahr für ein verteidigungsrelevantes ziviles Objekt durch einen Zivilen besteht, können Maßnahmen dieser gefährdeten zivilen Objekte vorgenommen werden. a) Zweiphasigkeit der Schutzhandlungen Die Schutzhandlungen im Rahmen der verteidigungsakzessorischen Sonderbefugnisse lassen sich in zwei Phasen unterteilen. Die erste Phase der Schutzhandlungen stellt die Positionierung an gefährdeten verteidigungsrelevanten zivilen Objekten dar. Diese Positionierung hat Einsatz-

163 Die historischen Materialien beschreiben eine Notwendigkeit eines Streitkräfteeinsatzes auf Grund der „zu erwartenden Knappheit an polizeilichem Schutzvollzugspersonal“ [BTDrucks. V/2837, S. 13]. Zwar könnte man daher annehmen, dass, wenn solch eine Knappheit nicht besteht und somit ein Einsatz der Polizeikräfte gleichgeeignet wäre, dieser dem Streitkräfteeinsatz vorgeht. Jedoch schließt solch eine Eignungsprüfung immer einen Unsicherheitsfaktor mit ein. Möglich bleibt stets, dass die Polizeikräfte personell oder sachlich-technisch mit der Gefahrensituation überfordert wären. Da jedoch der Schutz des Zivilen Relevanz und Erforderlichkeit für den Verteidigungsauftrag hat, ist hierbei das Restrisiko einer Überforderung entsprechend gering zu halten. Da bei Streitkräfteeinsätzen im Verteidigungsfalle wohl auch eine erhebliche Eile geboten ist, muss der/die BMVg bei Anordnung der Einsatzhandlung nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG keine Prüfung nach gleicher Eignung der Polizeikräfte vornehmen.

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qualität, da militärische Waffen mitgeführt werden und nicht unerheblicher hoheitlicher Zwang ausgeübt wird.164 Die zweite Phase der Schutzhandlungen bilden konkrete Maßnahmen gegen Gefährder oder Gefahrenursprünge. Diese treffen insbesondere im Rahmen der ersten Phase der Schutzhandlungen positionierte Streitkräfte. Schutz vermitteln dabei sowohl Maßnahmen der ersten Phase, da hierdurch insbesondere ein Abschreckungspotential geschaffen wird, als auch Maßnahmen der zweiten Phase. Konkrete Schutzmaßnahmen der zweiten Phase können dabei auch von solchen Teilen der Streitkräfte getroffen werden, die nicht im Rahmen von Maßnahmen der ersten Phase besonders positioniert sind. Die Trennung in zwei Phasen wirkt sich insbesondere bei Feststellung des Spannungsfalls aus. Denn in diesem Fall können die Streitkräfte im Rahmen der ersten Phase der Schutzmaßnahmen verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse an verteidigungsrelevante zivile Objekte positioniert werden. Die Abwehr einer konkreten Gefährdung könnte dann entweder im Rahmen der zweiten Phase erfolgen, sofern der Gefährder ein Ziviler ist, oder über die Befugnis zur Verteidigung, sofern der Gefährder ein Militärischer ist und somit ein Angriff i. S. d. Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG vorliegt. Da keine Subsidiarität gegenüber polizeilichen Schutzmaßnahmen besteht, kommt dadurch den Streitkräften bereits im Spannungsfall, somit auch ohne Vorliegen eines Angriffs, die Befugnis zu, den Schutz ziviler Objekte vor Gefährdungen Ziviler zu übernehmen, sofern die zivilen Objekte Verteidigungsrelevanz aufweisen. b) Doppelte Funktionalität und Umfang der Einsatzhandlungen Verglichen mit dem Verteidigungsbegriff haben Einsatzhandlungen verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse nicht nur eine, sondern zwei funktionale Zweckrichtungen.165 Die Einsatzhandlung muss „schützen“. Somit muss Ziel der Einsatzhandlung die Verringerung oder Verhinderung des Gefahrenpotentials sein, welches für das zivile Objekt durch einen Zivilen besteht.166 Dies stellt einen ersten von zwei Funktionalitätsbezügen der Einsatzhandlung des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG dar. Durch den Halbsatz „soweit dies zur Erfüllung des Verteidigungsauftrags erforderlich ist“ in Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG wird zudem ein Bezug zum Verteidi164 So stellt etwa die Positionierung eines kampfbereiten Panzers vor einem Krankenhaus oder Flughafen bzw. die Patrouille durch bewaffnete Soldaten vor oder innerhalb eines Krankenhauses oder Flughafens eindeutig durch die damit verbundene Zwangswirkung einen Streitkräfteeinsatz dar. 165 Vgl. zur grundsätzlichen Funktionalität: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24. 166 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 A. III.

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gungsauftrag in den vorgehenden Absätzen geschaffen.167 Der Verteidigungsauftrag beschreibt die Abwehr von Angriffen mit militärischer Dimension.168 Es muss somit eine Erforderlichkeit zur Abwehr eines Angriffs mit militärischer Dimension bestehen.169 Die Erforderlichkeit beschreibt die Notwendigkeit zur Erreichung des Ziels. Eine Notwendigkeit der Erreichung des Verteidigungsauftrags setzt hierbei gedanklich voraus, dass sich die Handlung entsprechend auch auf die Erreichung des Verteidigungsauftrages auswirkt. Notwendig ist, dass sich die Schutzhandlungen für zivile Objekte auf die Abwehr eines Angriffs mit militärischer Dimension auswirken.170 Das Merkmal der Erforderlichkeit begründet hierdurch einen zweiten Funktionalbezug. Denn nur soweit sich die Einsatzhandlung funktional auf die Abwehr der Angriffskonstellation des Verteidigungsauftrags bezieht, kann diese hierfür überhaupt „erforderlich“ sein.171 Dieser zweite Funktionalbezug bedeutet, dass die Einsatzhandlung sich funktional auch auf die Abwehr eines Angriffs durch ein fremdes Militär oder auf einen Angriff auf das deutsche Militär beziehen muss. 3. Verkehrssicherungsmaßnahmen (Var. 2) Unabhängig davon, ob eine Gefahr für ein verteidigungsrelevantes ziviles Objekt vorliegt, können die Streitkräfte im Verteidigungs- oder Spannungsfall den Verkehr regeln, sofern die Verkehrsregelung für die Abwehr der vorliegenden oder erwarteten Verteidigungslage erforderlich ist. Wie die historischen Materialien verdeutlichen, handelt es sich hierbei vor allem um eine Annexkompetenz. Wenn im Rahmen des Schutzes verteidigungsrelevanter ziviler Objekte Streitkräfte an entsprechenden Objekten positioniert sind, insbesondere um „die Bewegungsfreiheit militärischer Einheiten und Verbände zu sichern“172, kommen die „Aufgaben der zivilen Verkehrsregelung auf diesen Verkehrswegen für die Zeitabschnitte“173 den Streitkräften zu. „Dadurch soll vermieden werden, daß neben den zur militärischen Verkehrsregelung abgestellten Soldaten auf 167 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 129; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 42. 168 BT-Drucks. V/2873, S. 13; vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. und V. 169 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 42.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a, Rn. 24; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a, Rn. 129; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a, Rn. 56; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 19. 170 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24. 171 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 129; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Art. 87a GG, Rn. 19; Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse der Streitkräfte im Inneren nach der Bonner Notstandsverfassung vom 24. Juni 1968, S. 207 f. 172 BT-Drucks. V/2873, S. 13. 173 Ebd.

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diesen Straßen noch zivile Polizeibeamte zur Regelung des zivilen Verkehrs Dienst tun müssen.“174 Wenn somit die Streitkräfte, insbesondere im Rahmen der ersten Phase der Schutzmaßnahmen für zivile verteidigungsrelevante Objekte, vor Ort sind, soll diesen auch die Verkehrsregelungsbefugnis zukommen.175

III. Feststellungskompetenz hinsichtlich Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG Die Verteilung der Entscheidungskompetenz bezüglich einer Einsatzhandlung stellt sich analog zum Verteidigungsbegriff dar. Dies bedeutet, dass zum einen zwischen der Vornahme und der Art und Weise der Ausführung einer Einsatzhandlung zu trennen ist, und zum anderen, dass die Entscheidung über die Vornahme einer Einsatzhandlung inzident die Wertung beinhaltet, dass die Voraussetzungen der Einsatzlage vorliegen. Es besteht eine Trennung der Entscheidungskompetenzen hinsichtlich einer Vornahme einer Einsatzhandlung – „Ob“ einer Handlung – und hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung der Einsatzhandlung – „Wie“ einer Handlung. 1. Vornahme einer Einsatzhandlung Die Entscheidungskompetenz scheint sich zunächst synonym wie bei der Verteidigungshandlung zu verteilen. Das bedeutet, dass ebenso die Entscheidung über die Vornahme einer Einsatzhandlung grundsätzlich dem/der IBuK zukommt.176 Wer IBuK ist, hängt davon ab, ob ein Verteidigungs- oder Spannungsfall als Voraussetzung der Einsatzlage festgestellt ist. Ist ein Spannungsfall festgestellt, ist nach Art. 65a GG der/die BMVg weiterhin IBuK. Ist dagegen ein Verteidigungsfall festgestellt, so ist IBuK der/die Bundeskanzler/-in nach Art. 115b GG. Hierbei inkludiert ist die inzidente Entscheidung, dass die Voraussetzungen der Einsatzlage vorliegen. Ausnahme besteht, wenn eine Legislativentscheidung notwendig ist, somit eine bewaffnete Auseinandersetzung zu erwarten ist und hierzu keine Eilbedürftigkeit einer Entscheidung besteht.177 174 175

(100). 176

BT-Drucks. V/2873, S. 14. Ebenso: Dreist, Terroristenbekämpfung als Streitkräfteauftrag, NZWehrr 2004, 89

Vgl. Dietz, Die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes für Einsätze der Bundeswehr, DÖV 2012, 952 (957), nachdem „Systematischer freilich […] ein Wechsel der Anordnungskompetenz zur Bundesregierung“ wäre. 177 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 4.; hierzu: Nolte, Bundeswehreinsätze in kollektiven Sicherheitssystemen, ZaöRV 54 (1994), 652 (678 f.); Röben, Der Einsatz der Streitkräfte nach dem Grundgesetz, ZaöRV 63 (2003), 585 (592 ff.); Fischer-Lescano, Konstitutiver Parlamentsvorbehalt, NVwZ 2003, 1474 ff.; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 42; Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VII, 2. Auflage, § 170 (Vorbearbeitung 1992), Rn. 16 f.; vertiefend: Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr

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Eine Abweichung der grundsätzlichen Verteilung der Entscheidungskompetenzen ergibt sich, da die Feststellung des Verteidigungs- oder Spannungsfalls ebenso als Voraussetzung der Einsatzlage besteht und diese Entscheidung nach Art. 115a Abs. 1 S. 1, 80a Abs. 1 GG explizit dem Bundestag und gegebenenfalls Bundesrat zukommt. Ein gegebenenfalls bestehender Legislativvorbehalt wird jedenfalls durch das Erfordernis eines festgestellten Verteidigungs- oder Spannungsfalls stets überlagert. Indem die Legislative einen Verteidigungs- oder Spannungsfall feststellen muss und notwendigerweise vor einer Einsatzhandlung auch festgestellt hat, da die Einsatzlage der verteidigungsakzessorischen Sonderbefugnisse vorliegen muss, stimmt diese, ebenso wie zu Verteidigungshandlungen, auch generell Einsatzhandlungen im Rahmen verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse zu. Eine gesonderte Entscheidung der Legislative erübrigt sich hierdurch, da stets bei Feststellung des Verteidigungs- oder Spannungsfalls eine generelle Zustimmung zur Vornahme von Einsatzhandlungen vorliegt. Die Entscheidungskompetenz des/der IBuK reduziert sich bezüglich der Vornahme einer Einsatzhandlung dadurch auf eine Entscheidung, ob eine Gefahr für ein verteidigungsrelevantes ziviles Objekt vorliegt oder eine verteidigungsrelevante Verkehrsregelung notwendig ist. Die Frage der Verteidigungsrelevanz untersteht dabei in einer Einschätzungsprärogative des/der IBuK. Die Entscheidungskompetenz über die Vornahme einer Einsatzhandlung trennt sich damit auf. Ein Teil der Entscheidung, ob eine Einsatzhandlung im Rahmen verteidigungsakzessorischer Sonderbefugnisse vorgenommen werden soll, obliegt dem Bundestag und gegebenenfalls dem Bundesrat, da dieser den Verteidigungsoder Spannungsfall feststellen muss. Der andere Teil der Entscheidung über die Vornahme einer entsprechenden Einsatzhandlung obliegt entweder dem/der BMVg oder dem/der Bundeskanzler/-in, je nachdem, ob ein Spannungs- oder Verteidigungsfall festgestellt worden ist. Diese/-r bewertet, ob eine Gefahr für eine zivile Stelle besteht und ob eine Verteidigungsrelevanz des zivilen Objekts oder der mitvorgenommenen Verkehrsregelung vorliegt. Nur durch Zusammenwirken beider Entscheidungskompetenzberechtigte, sowohl Bundestag (und gegebenenfalls Bundesrat) als auch BMVg bzw. Bundeskanzler/-in, ergibt sich eine Entscheidung für eine konkrete Vornahme einer Einsatzhandlung. 2. Art und Weise der Ausführung der Einsatzhandlung Die materiell-operative Entscheidungskompetenz für die Art und Weise der Ausführung der Einsatzhandlung obliegt, wie beim Verteidigungsbegriff, dem/der IBuK als ausführender Exekutivstelle.178 Führt eine Feststellung des Spannungsfalls und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 462 ff.; Schaefer, Verfassungsrechtliche Grenzen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, S. 192 ff. 178 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 42; ebenso: Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VII, 2. Auflage, § 170 (Vorbearbeitung

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zur Einsatzlage und dadurch zur Vornahme von Einsatzhandlungen ist IBuK nach Art. 65a GG der/die BMVg und entscheidet als ausführende Exekutivstelle über die Art und Weise der Ausführung der Einsatzhandlung. Ist jedoch ein Verteidigungsfall vom Bundestag und Bundesrat festgestellt, kommt nach Art. 115b GG die Befehlsund Kommandogewalt dem/der Bundeskanzler/-in zu, sodass der/die Bundeskanzler/-in über die Art und Weise der Ausführung der Einsatzhandlung entscheidet.

C. Übertragung verteidigungsunabhängiger Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG I. Synonymität hinsichtlich der Einsatzlage und Einsatzhandlung zu Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG Die Einsatzbefugnis aus Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG knüpft an die Einsatzbefugnis aus dem vorgehenden Satz an.179 Sie gleicht nicht nur in der strukturellen Grundvoraussetzung einer nichtmilitärischen Dimension, sondern auch in ihren Tatbestandsvoraussetzungen eines festgestellten Verteidigungs- oder Spannungsfalls und einer Gefahr für ein ziviles Objekt der Befugnis aus Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG.180 Entsprechend sind die Überlegungen zur Ausnahmebefugnis zum Schutz ziviler Objekte auf die zivilen Objekte nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG grundsätzlich übertragbar, mit der Ausnahme, dass das Objekt keine Verteidigungsrelevanz aufweisen muss. Die Merkmale einer Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 3 S. 2 verstehen sich wie die wortgleichen Merkmale einer Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG. Ebenso lassen sich die Erwägungen zu Einsatzhandlungen nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG mit Ausnahme der Erforderlichkeit für den Verteidigungsauftrag und die Erwägungen zu den Feststellungskompetenzen übertragen.

1992), Rn. 16 f.; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 19. 179 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a, Rn. 137; Hernekamp, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a, Rn. 29; vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 59 ff.; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 65; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 27; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 174. 180 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 137.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

II. Besonderheiten der verteidigungsunabhängigen Sonderbefugnis 1. Kein Erforderlichkeitszusammenhang Eine Besonderheit gegenüber den verteidigungsakzessorischen Sonderbefugnissen besteht bei der Einsatzhandlung. Anders als bei den verteidigungsakzessorischen Sonderbefugnissen muss gerade keine Erforderlichkeit der Einsatzvornahme für den Verteidigungsauftrag bestehen.181 Infolgedessen ergibt sich ein kürzeres Funktionalverhältnis im Rahmen der Einsatzhandlung. Die Einsatzhandlung aus der verteidigungsunabhängigen Sonderbefugnis nach Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG muss sich, wie auch bei verteidigungsakzessorischen Sonderbefugnissen nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG, funktional auf die Abwehr einer Gefahr für ein ziviles Objekt beziehen.182 Ein darüberhinausgehender zweiter Funktionalzusammenhang auf den Verteidigungsauftrag kann, muss dagegen jedoch nicht bestehen, auch wenn durch die Teilidentität von Verteidigungslage und materiellem Verteidigungsfall solch eine Verteidigungslage bei einem festgestellten Verteidigungsfall besteht.183 2. Einsatzhandlungen als Unterstützung Eine Einsatzhandlung muss zur Unterstützung der Polizeikräfte bei deren originären Aufgaben, nämlich dem Schutz Ziviler vor Zivilen, erfolgen.184 Ein Zusammenwirken mit den Polizeikräften ist daher notwendig.185 Eine Weisungsgewalt der Streitkräfte unter die Polizeikräfte besteht nicht.186 Trotz Einordnung in das polizeiliche Handlungskonstrukt verbleibt die militärisch-operative Entscheidungsgewalt bei dem/der IBuK, was im festgestellten Spannungsfall der/die BMVg und im festgestellten Verteidigungsfall der/die Bundeskanzler/-in ist.187 Bei der 181 Schoch, Verfassungsrechtliche Anforderungen an den Einsatz der Streitkräfte im Inland, JURA 2013, 255 (263); Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 137. 182 Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. II. 1. b). 183 Vgl. Teil 2 Kapitel 2 A. II. 184 Exemplarisch: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43; dies verdeutlichen sowohl der Wortlaut „zur Unterstützung“ als auch der Halbsatz aus Art. 87a Abs. 3 S. 2 Hs. 2 GG „die Streitkräfte wirken dabei mit den zuständigen Behörden zusammen“. 185 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 425. 186 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 45. 187 Ebd. Ebenso: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 142; dies bestätigt sich auch im Hinblick darauf, dass in der Situation eines Verteidigungsfalls nicht gewährleistet werden kann, dass einer Weisung der Polizei an die Streitkräfte durch diese nachgegangen werden kann. Denn in der Situation eines Verteidigungsfalls sind die Streitkräfte zuallererst zur Abwehr des den Verteidigungsfall auslösenden Angriffs in Anspruch zu nehmen. Erst wenn diese darüber hinaus noch weitere, ungenutzte Kapazitäten haben, ist eine Vornahme von Einsatzhandlungen nach

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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Unterstützung besteht keine Beschränkung hinsichtlich der Mittel. Militärische Mittel der Streitkräfte können eingesetzt werden.188 3. Notwendigkeit einer Überforderung Als Unterstützungshandlung ersetzt eine mögliche Einsatzhandlung der Streitkräfte eine der primär zuständigen Polizeikräfte. Wie vom Bundesverfassungsgericht ausgeführt, sind jedoch Streitkräfteeinsätze und die den Streitkräften obliegenden Befugnisse prinzipiell restriktiv zu verstehen.189 Von der Übertragungsbefugnis und der Ermöglichung von Streitkräfteeinsätzen ist daher nur dann Gebrauch zu machen, wenn dies notwendig ist.190 Eine Übertragung der originären Polizeibefugnis muss als Zielsetzung zur Erfüllung der polizeilichen Schutzerfüllung notwendig sein, da eine grundlose Modifikation und Übertragung der grundlegenden Länderpolizeikompetenzen zu den unter Bundeszuständigkeit stehenden Streitkräften mit der föderalen, verfassungsmäßigen Kompetenzzuweisung unvereinbar ist.191 Entsprechend ist ein Streitkräfteeinsatz im Rahmen der verteidigungsunabhängigen Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG subsidiär gegenüber einem voraus-

Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG zur Abwehr von Gefahren für zivile Objekte, die keine Verteidigungsrelevanz i. S. d. Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG haben, anzunehmen. Die Bewertung, ob die Streitkräfte jedoch noch solche ungenutzten Kapazitäten haben, ohne anderswo in ein gesamtstaatlich betrachtet deutlich gravierenderes Hintertreffen zu geraten, ist auf Grund der Sachnähe Entscheidungskompetenz des/der IBuK. 188 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 168 f. 189 Vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 48: „Der Einsatz der Streitkräfte wie der Einsatz spezifisch militärischer Abwehrmittel […] [ist] nur als Ultima Ratio zulässig“; ebenso: BVerfGE 133, 241 (266 f.); Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 71; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 2; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 14. 190 Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24. Diese Notwendigkeit soll nicht mit der Erforderlichkeit des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG verwechselt werden. Während Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG eine Erforderlichkeit für den Verteidigungsauftrag vorsieht, setzt Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG lediglich die Notwendigkeit der Streitkräfteverwendung auf Grund Überforderung der Polizeikräfte voraus; vgl. Teil 4 Kapitel 1 C. II. 1. 191 Exemplarisch: Hellermann, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 30 GG, Rn. 17; die Notwendigkeit einer Überforderung relativiert sich nicht durch Art. 115f Abs. 1 Nr. 2 GG, sofern ein Verteidigungsfall festgestellt ist, da für eine Weisungserteilung im Rahmen des Art. 115f Abs. 1 GG Verhältnisse vorliegen müssen, die eine Weisung erforderlich machen. Durch die Erforderlichkeit von solchen Verhältnissen wird verdeutlicht, dass keine grundlose Kompetenzverschiebung besteht, sondern eine Notwendigkeit einer Weisungserteilung vorliegen muss. Eine Notwendigkeit einer Weisungserteilung ist jedenfalls bei einer Überforderung der Landespolizeikräfte gegeben.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

sichtlich gleichgeeigneten Polizeieinsatz, da in diesem Fall keine Notwendigkeit vorliegt.192 Die historischen Materialien beschreiben eine Notwendigkeit eines Streitkräfteeinsatzes auf Grund einer „zu erwartenden Knappheit an polizeilichem Schutzvollzugspersonal“.193 Kernelement dessen ist, dass die Polizeikräfte, praktisch insbesondere durch die Ausnahmesituation eines Verteidigungsfalls, mit der Abwehr eines zivilen Angriffs überfordert wären. Dies kann sich aus einer Ausdünnung und Einspannung der Polizeikräfte an anderen Orten (personelle Überforderung) oder aus der Konfrontation mit einem übermächtigen, zivilen Angreifer (sachlich-technische Überforderung) ergeben.194 4. Befugnis durch Übertragungsakt a) Notwendigkeit eines Übertragungsaktes als Voraussetzung Der wesentliche Unterschied gegenüber Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG liegt darin, dass eine Einsatzkompetenz nach Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG erst durch Übertragung an die Streitkräfte besteht.195 Hierdurch modifiziert und trennt sich die existierende Entscheidungskompetenz zur Vornahme einer Einsatzhandlung. Verglichen mit der Entscheidungskompetenz zur Vornahme einer Einsatzhandlung nach Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG wird eine vorherige Entscheidungskompetenz bezüglich der Übertragung und Involvierung der Streitkräfte vorgeschaltet.196 Die Entscheidungskompetenz zur Vornahme einer Einsatzhandlung gliedert sich zweiteilig auf und setzt dadurch zwei Entscheidungen bezüglich eines „Ob“ voraus. Einerseits muss über das „Ob“ einer generellen Involvierung der Streitkräfte entschieden werden.197 Sofern diese generelle Involvierung durch Übertragung vorliegt, schließt sich andererseits die Entscheidung eines „Ob“ der Vornahme einer (konkreten) Einsatzhandlung an.198 Diese zweitgenannte Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Vornahme einer Einsatzhandlung bei vorliegendem Übertragungsakt verteilt sich an den Maßgaben 192 Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 24. 193 BT-Drucks. V/2837, S. 13. 194 Ebenso bezüglich der personellen Überforderung: Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 26. 195 Zur Rechtsform der Übertragung: Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 93 f.; Stern, Staatsrecht II, S. 1480 f. 196 Vgl. Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 25; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 26; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 43. 197 Vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 60. 198 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 45.

Kap. 1: Sonderbefugnisse im Verteidigungs- bzw. Spannungsfall

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des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG und entsprechend analog zur Entscheidungskompetenz des Verteidigungsbegriffs.199 b) Entscheidungskompetenz einer Übertragung Wem die Entscheidungskompetenz zur Übertragung zukommt, wird vom Gesetzeswortlaut offengelassen. Konkretisierend wirkt sich aus, dass die Einsatzkompetenz des Art. 87a Abs. 3 S. 2 GG durch gesonderten Übertragungsakt übertragen wird. Hieraus ergibt sich, dass die Übertragungskompetenz anders als bei Satz 1 somit nicht durch Einzelakt bei der Legislative oder dem/der IBuK liegen kann. Denn würde die Übertragungskompetenz bei der Legislative oder dem/der IBuK liegen, würde die Kompetenzverteilung dem Satz 1 gleichen. Es würde keines gesonderten Übertragungsaktes bedürfen.200 Vielmehr ist zu beachten, dass der Übertragungsakt als mit seinem (länder-) kompetenzschützenden Charakter eine notwendige Überforderung der Polizeikräfte voraussetzt.201 Ob eine solche personelle oder sachlich-technische Überforderung der Polizeikräfte vorliegt, kann am sachnächsten durch das jeweilige (Landes-)Innenministerium bewertet werden, dem die Polizeikräfte unterstehen.202 Übertragende Stelle ist somit der/die den Polizeikräften vorstehende (Landes-)Innenminister/-in.203 In diesem Kontext ist zu beachten: Sollte ein Verteidigungsfall festgestellt sein und eine Notwendigkeit einer Übertragung wegen Überforderung der Polizeikräfte vorliegen, kann nach Art. 115 f Abs. 1 Nr. 2 GG die Bundesregierung den/die (Landes-)Innenminister/-in anweisen eine Übertragung vorzunehmen.

199

Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. III. 2.; Teil 3 Kapitel 3 C. III. Ebenso: Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 25, nach dem sonst keine „Übertragung, [sondern] eine Übernahme“ vorläge. 201 Vgl. BT-Drucks. V/2837, S. 13; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 26; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 64. 202 Ebenso: Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 95; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 139. 203 Denkbar wäre, dass innerhalb der jeweiligen Landesorganisation der/die Ministerpräsident/-in den/die jeweilige/-n Landesinnenminister/-in anweisen kann, eine entspreche Überforderungsanzeige und den Übertragungsakt vorzunehmen. 200

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

Kapitel 2

Der schwere staatsgefährdende Notstand In Rechtsprechung und Literatur wird Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG nahezu einhellig als „innerer Staatsnotstand“ tituliert.204 Von solch einer Begrifflichkeit soll hier Abstand genommen werden. Als Gegenstück zu den Sonderbefugnissen nach Art. 87a Abs. 3 GG, der durch den materiellen Verteidigungsfall eine äußere Gefahrenherkunft voraussetzt,205 wird bei Bezeichnung als „innerer Staatsnotstand“ der irreführende Eindruck erweckt, dass nur bei einem Inlandsbezug Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG einschlägig sei. Dies ist jedoch nicht der Fall. Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG umfasst zwar hauptsächlich, nicht aber ausschließlich inlandbezogene Fälle. Auch auslandsbezogene Anwendungsfälle sind möglich. Greifen etwa im Ausland befindliche, evident als solche festgestellte Zivile, bspw. durch evidentes Fehlen eines Mindestmaßes an Organisation, deutsche zivile Staatsangehörige oder in der Bundesrepublik Deutschland befindliche Zivile an und begründen dadurch eine schwere Staatsgefährdung, ruft dies eine Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG hervor. Für einen Angriff auf in Deutschland befindliche Zivile ist es nicht notwendig, dass sich die Angreifer ebenso innerhalb der Bundesrepublik Deutschland befinden. Ausschlaggebend für den Anwendungsbereich von Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG ist einzig, dass kein militärischer Angreifer/Angegriffener sowie eine schwerwiegende Gefahr für den Staat vorliegen. Einsätze gegen diese können auf Grundlage des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG entsprechend zur Gefahrenabwehr auch im Ausland stattfinden. Da sowohl eine Einsatzlage durch eine aus dem Ausland herkommende Gefahr mit zivilem Ursprung möglich ist als auch Einsatzhandlungen gegen solche Gefahren im Ausland auf Grundlage des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG vorgenommen werden können, wird die Terminologie des schweren staatsgefährdenden Notstands einer Bezeichnung als „innerer Staatsnotstand“ vorgezogen.

A. Die Einsatzlage des schweren staatsgefährdenden Notstands Liegen die Voraussetzungen der Einsatzlage des schweren staatsgefährdenden Notstands vor, besteht die Befugnis zu einer Einsatzhandlung. Die Einsatzlage des schweren staatsgefährdenden Notstands ist dabei Oberbegriff für zwei alternativ zueinanderstehenden Einsatzlagen: die Einsatzlage zum Schutz 204

Exemplarisch: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 47. 205 Zur Unpassenheit der Beschreibung der Einsatzkompetenz nach Art. 87a Abs. 3 GG als äußerer Staatsnotstand: Teil 4 Kapitel 1 A.

Kap. 2: Der schwere staatsgefährdende Notstand

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ziviler Objekte nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 Var. 1 GG oder den Aufruhrnotstand nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 Var. 2 GG.

I. Allgemeine Voraussetzungen der Einsatzlagen des schweren staatsgefährdenden Notstands Die nachfolgenden Voraussetzungen gelten sowohl für die Einsatzlage zum Schutz Ziviler vor Dritten als auch den Aufruhrnotstand. Sie lassen sich daher unter den Voraussetzungen der Einsatzlage des schweren staatsgefährdenden Notstands zusammenfassen. 1. Drohende Gefahr für den Bestand des Bundes, eines Landes oder dessen freiheitlicher demokratischer Grundordnung Notwendige tatbestandliche Voraussetzung für den schweren staatsgefährdenden Notstand nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG ist eine drohende Gefahr für den Bestand des Bundes oder eines Landes oder dessen freiheitlicher, demokratischer Grundordnung.206 a) Bezugspunkte des Gefahrenbegriffs Notwendig ist sowohl eine Gefahr für den Bestand des Bundes oder eines Landes oder dessen freiheitlicher, demokratischer Grundordnung als auch ein drohender Charakter dieser Gefahr.207 Der Gefahrenbegriff selbst gliedert sich in die Submerkmale der Eintrittswahrscheinlichkeit und des Schadensausmaßes.208 Bezugspunkt der Gefahr ist der Bestand des Staates oder die Grundordnung des Staates. Diese lassen sich unter den Begriff der schweren Staatsgefährdung zu-

206 Exemplarisch: Klein, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XII, § 280, Rn. 46; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 29; Krieger, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 63; vertiefend zum dort genannt inneren Staatsnotstand: Parche, Der Einsatz von Streitkräften im inneren Notstand. 207 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 148. 208 Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 144; Parche, Der Einsatz von Streitkräften im inneren Notstand, S. 151 ff.; Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse der Streitkräfte im Inneren nach der Bonner Notstandsverfassung vom 24. Juni 1968, S. 275 f.; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 154.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

sammenfassen.209 Als Bezugspunkt der Gefahr stellt diese schwere Staatsgefährdung den abzuwehrenden Schadenseintritt dar.210 Daher muss für eine Gefahr ein entsprechendes Schadensausmaß vorliegen.211 Die Gefahr muss zudem drohend, somit mit erhöhtem Drohpotential, sein. Wie beim Verteidigungsfall besteht hierbei ein zeitliches Kriterium.212 Somit darf der Gefahreneintritt nicht unkonkret in zeitlich weiterer Ferne eintreten. Der Schadenseintritt des Schadensausmaßes muss stattdessen konkret eintreten (können), dadurch drohen einzutreten.213 Dieses zeitliche Merkmal der drohenden Gefahr stellt, wie beim Verteidigungsfall, besondere Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit.214 Art. 87a Abs. 4 GG gliedert sich in die Gesamtkonstruktion des Art. 87a GG ein. Dies bedeutet in Abgrenzung zu Art. 35 GG und dem dort verwendeten Begriff der Naturkatastrophe, dass Art. 87a Abs. 4 GG, wie auch sonst Art. 87a GG, menschliches Verhalten voraussetzt.215 Dies bedingt sich einerseits durch den Charakter des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG, die einen Streitkräfteeinsatz auf Grund eines Naturereignisses speziell regeln.216 Anderseits begründet die Juxtaposition des Schutzes ziviler Objekte und der Bekämpfung militärisch bewaffneter und organisierter Aufständischer eine innere Verbindung, welche in einem menschlichen, nichtmilitärischen Angreifer liegt.217 Diese menschliche, gefahrenbegründende 209 Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 14; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 11; vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 29; die Kommentierungen zu Art. 91 GG lassen sich auf Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG übertragen, da der Begriff der „drohenden Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung“ in Art. 87a Abs. 4 S. 1 und 91 Abs. 1 GG synonym zu verstehen ist: Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 47; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 2 ff. 210 Vgl. Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 7. 211 Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 15; vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 152. 212 Vgl. Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 11. 213 Brede/Geis, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 91 GG, Rn. 21. 214 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 3; a. A. Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 20, der im Merkmal eher einen Grad „einer bestimmten Schwere der Beeinträchtigung“ sieht, welcher hier mit dem Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verortet wird. 215 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. b) bb). 216 Vgl. ebd. 217 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 2, nach dem es unerheblich ist, „welche Motive der Störer verfolgt“ und was hierdurch inzident einen Störer in Abgrenzung zur Natur voraussetzt; ebenso: Windthorst, in: Sachs (Hrsg.),

Kap. 2: Der schwere staatsgefährdende Notstand

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Handlung muss somit ein entsprechend relevantes Schadensausmaßpotential wie auch eine entsprechende Eintrittswahrscheinlichkeit aufweisen. Durch den Bestand des Staates und der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung werden dieselben Rechtsgüter geschützt, wie sich gleichermaßen auch durch den Begriff der Verteidigung erfasst werden.218 Dies umfasst die das Grundgesetz wesentlich ausmachenden Grundrechte und -prinzipien.219 b) Konkretisierung des Schadensausmaßes (schwere Staatsgefährdung) Das Ausmaß eines Schadens bestimmt sich im Gesamtkontext der Wehrverfassung anhand der gesellschaftlichen Relevanz.220 Hierdurch lässt sich das notwendige Schadensausmaß für eine schwere Staatsgefährdung in die Intensitätsskala der Wehrverfassung bezüglich der Relevanzschwellen einordnen.221 Zu beachten ist hierbei, dass Folge eines derartigen Schadensausmaßes ein Einsatz der Streitkräfte sein soll. Dies begründet sich aus der Überlegung, dass „gegenüber schweren Erscheinungsformen innerer Unruhen die Polizeikräfte der Länder personell und waffenmäßig nicht zureichend ausgestattet sind.“222 Eine solche Überforderung der Polizeikräfte und Zuständigkeit der Streitkräfte wird im Rahmen des Art. 87a GG bei einer militärischen Bewaffnung angenommen.223 Denn die Polizeikräfte sind nicht mit militärischen Waffen ausgestattet.224 Treffen die Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 9, nach dem es unerheblich sei, „[v]on wem die Gefahr“ ausgeht, und der durch das „wem“ einen personellen Ursprung voraussetzt; wiederum ebenso: Stern, Staatsrecht II, S. 1471. 218 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 1./2. 219 So stellt etwa ein terroristischer Anschlag nahezu immer eine Gefahr für die freiheitlich, demokratische Grundordnung dar. Ein Ausmaß einer schweren Staatsgefährdung wird dagegen wohl in vielen Einzelfällen nicht erreicht; vgl. Dreist, Der Inneneinsatz der Bundeswehr – eine zentrale Frage des Gemeinwohls, BWV 2011, 4 (9). 220 Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 15; vgl. Klein, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XII, § 280, Rn. 45; Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 60. 221 Hierzu vertiefend: Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 379 ff.; dies kritisierend: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 267 ff.; ebenfalls auf eine hohe Schwelle abstellend: Herdegen, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gräditz (Hrsg.), VerfassungsR-HdB, § 27 Rn. 111. 222 BT-Drucks. V/2873, S. 14. 223 Vgl. Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 67 ff.; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 158 ff. 224 Dies bedingt sich aus dem Trennungsgebot zwischen den Streit- und Polizeikräften; vgl. exemplarisch: Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, S. 193 f.; Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See, S. 119 ff.; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 72 ff.; Winkler, Die Systematik der grundgesetzlichen Normierung des Bundeswehreinsatzes unter Anknüpfung an die Regelung des LuftSiG, DÖV 2006, 149 (156); kritisch hierzu: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 251.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

Polizeikräfte auf einen ihnen überlegenen militärisch bewaffneten Angreifer, folgt eine „waffenmäßig[e]“225 Überforderung, wodurch ein Streitkräfteeinsatz notwendig wird. Auch aus einem systematischen Zusammenhang von Abs. 1 und Abs. 4 bestätigt sich dies. Durch Normierung innerhalb eines Artikels scheinen sich die Maßstäbe einer gesellschaftlichen Relevanz des Schadensausmaßes für einen Streitkräfteeinsatz im Rahmen von Verteidigung auch bei einem Streitkräfteeinsatz im Rahmen eines Aufruhrnotstands widerzuspiegeln. Ein ausreichendes Schadensausmaß liegt somit vor, wenn ein intensives Schadensausmaß im Sinne einer militärischen Bewaffnung vorliegt.226 Dies bestärkt sich zudem durch die Einsatzhandlung der Bekämpfung militärisch bewaffneter Aufständischer. Neben dem sonst zulässigen Schutz Ziviler vor zivilen Angriffen werden hierbei besondere, intensivere Bekämpfungshandlungen zugelassen. Gerade durch diese militärische Bewaffnung begründet sich eine schwere Staatsgefährdung.227 Hierbei lässt sich ein als Actus-contrarius-Gedanke aus den möglichen intensiven Einsatzhandlungen auf eine intensive Bedrohungslage rückschließen. Sind die Aufständischen militärisch bewaffnet, könnte dies gerade hierdurch eine derart schwerwiegende Gefahrenlage begründen, welche rechtfertigt, nicht nur andere Zivile zu schützen, sondern aktiv diese militärisch bewaffneten Störer zu bekämpfen.228 Eine schwere Staatsgefährdung als Schadensausmaß liegt somit dann vor, wenn das gefahrbegründende menschliche Verhalten militärisch bewaffnet war. Hinsichtlich der Konkretisierung des Merkmals der militärischen Bewaffnung lassen sich im Kontext der Wehrverfassung die Ausführungen innerhalb des Verteidigungsbegriffs zu Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG auf den Aufruhrnotstand nach Art. 87a Abs. 4 GG übertragen.

225

BT-Drucks. V/2873, S. 14. Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II.; vgl. Dreist, Terroristenbekämpfung als Streitkräfteauftrag, NZWehrr 2004, 89 (101), wonach dies bei terroristischen Anschlägen, die vergleichbar zu den Anschlägen am 11. September 2001 sind, in der Regel nicht gegeben ist. 227 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 31; vgl. Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 15. 228 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 31. 226

Kap. 2: Der schwere staatsgefährdende Notstand

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Waffengewalt i.S.d. Art. 115a GG Militärische Bewaffnung i.S.d. Art. 87a GG (= schwere Staatsgefährdung i.S.d. Abs. 4)

Angriff i.S.d. Art. 87a GG Intensität der Gefahr

Abbildung 15: Intensitätsschwelle der schweren Staatsgefährdung

c) Konkretisierung der Eintrittswahrscheinlichkeit (drohend) Die Eintrittswahrscheinlichkeit muss derart hoch liegen, dass die Gefahr drohend ist.229 Hierdurch werden insbesondere hohe Hürden an das Merkmal der Eintrittswahrscheinlichkeit innerhalb des Gefahrenbegriffs gestellt.230 Ausreichend ist daher nicht nur, dass ein Eintritt wahrscheinlicher erscheint als ein Nichteintritt, sondern der Eintritt muss vielmehr auch hochgradig erwartet werden.231 Es müssen daher konkrete Anhaltspunkte vorliegen, nach denen ein Schadenseintritt ohne Eingreifen

229 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 154; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 66; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 29. 230 Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 144; Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG (Bearbeitung 1971), Rn. 102. 231 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 154; vgl. Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 10; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 11; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 91 GG (Vorbearbeitung 1979), Rn. 9.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

der Streitkräfte als gesichert gilt.232 Bei ungehindertem Geschehensablauf muss eine Realisierung des Schadensausmaßes erwartet werden.233 d) Quantitative und qualitative Gefahrenbegründung Die zur Gefahrenabwehr zulässigen Einsatzhandlungen verdeutlichen, dass eine gefahrenbegründende Einsatzlage sowohl quantitativ als auch qualitativ eintreten kann.234 Einerseits sind mögliche Einsatzhandlungen zur Gefahrenabwehr Maßnahmen, wodurch Zivile vor anderen Zivilen geschützt werden, um die Polizeikräfte zu entlasten. In diesem Kontext ist es nicht notwendig, dass durch den von den Streitkräften bekämpften Angriff unmittelbar die schwere Staatsgefährdung ausgeht. Eine solche Gefahrenbegründung kann durch eine Lage besonders vieler Angriffe von Zivilen gegen andere Zivile folgen (quantitative Gefahrenbegründung). Eine quantitative Gefahrenbegründung liegt vor, wenn eine derart große Anzahl von primär polizeilich zu begegnenden Gefahren vorliegt, wodurch die Polizeikräfte überfordert sind und diese hierfür „personell […] nicht zureichend ausgestattet sind.“235 Andererseits werden auch Maßnahmen gegen besonders qualifizierte Aggressoren, sprich militärisch bewaffnete und organisierte Aufständische, ermöglicht. Eine Gefahrenbegründung kann hiernach ebenso durch eine Lage eines qualitativ besonders ausgerüsteten Aggressors folgen (qualitative Gefahrenbegründung). Indem die primär zuständigen Polizeikräfte einem für diese übermächtigen Gegner gegenüberstehen, wären diese überfordert, da sie hierfür „waffenmäßig nicht zureichend ausgestattet sind.“236 Beide Einsatzhandlungen setzen als Einsatzlage eine drohende Gefahr für den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus und sollen funktional gegen die schwere Staatsgefährdung wirken.237 Quantitative und qualitative Gefahrenbegründung stehen hierbei nicht alternativ zueinander, sondern können 232 Eichhorn, Besondere Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Katastrophenfall und zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, S. 160; vgl. Stern, Staatsrecht II, S. 1471 f.; vgl. ebenso Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 12 f., nach dem ausschlaggebend ist, dass die „Lage- und Risikobeurteilungen der zuständigen Stellen […] vertretbar sind.“ 233 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 10; Brede/ Geis, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 91 GG, Rn. 21. 234 Vgl. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 270 f.; Laschewski, Der Einsatz der deutschen Streitkräfte im Inland, S. 81. 235 BT-Drucks. V/2873, S. 14. 236 BT-Drucks. V/2873, S. 14. 237 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 64; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 30; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 32.

Kap. 2: Der schwere staatsgefährdende Notstand

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kumulativ auftreten.238 Es kann ein Zustand einer schweren staatsgefährdenden Gefahr bestehen, in dem sowohl Maßnahmen der Streitkräfte zum Schutz Ziviler als auch solche zur Bekämpfung qualifizierter Aggressoren zulässig sind.239 2. Gefahrenkonstellation a) Zivile Konstellation/Subsidiarität gegenüber dem Verteidigungsbegriff Zudem darf auf Grund der Gesamtstrukturierung der Wehrverfassung und des umfassenden Charakters des Verteidigungsbegriffs die Gefahrenbegründung keinen militärischen Personenbezug aufweisen.240 Die Gefahrenbegründung muss somit von einem Zivilen begangen werden. Gefährdetes Objekt muss wiederum ebenso ein Ziviler bzw. ziviles Objekt sein.241 Andernfalls läge ein militärischer Angriff vor, wodurch der Verteidigungsbegriff einschlägig wäre. Dies würde eine Anwendbarkeit von Art. 87a Abs. 4 GG ausschließen.242 Ein Ausschluss der Anwendbarkeit folgt zum einen aus dem Wortlaut des Art. 87a Abs. 2 GG „Außer …“.243 Hierdurch wird ein Vorrang des Verteidigungsbegriffs gegenüber anderen Einsatzbefugnissen angeordnet.244 Zum anderen folgt dies aus der Systematik der Wehrverfassung. Die Einsatzbefugnis aus Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG steht subsidiär zur Kompetenz aus Art. 91 Abs. 2 GG.245 Dies setzt eine von den Landespolizeikräften zu bewältigende Gefahr voraus, welche jedoch diese überfordern würde.246 Sollte jedoch gleichzeitig der Verteidigungsbegriff einschlägig sein, so würde hieraus eine Zuständigkeit der Streitkräfte und des Bundes 238

Bspw. sind Szenarien denkbar, in denen durch einen versuchten Staatsputsch von militärisch bewaffneten und organisierten Aufständischen Plünderungen durch Zivile vorgenommen werden. Hierbei kann für die Streitkräfte eine Einsatzlage vorliegen, die sowohl Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Aufständischen als auch Einsatzhandlungen gegenüber den Plündernden rechtfertigt. 239 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 32. 240 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. 241 Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13. 242 Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 167 f. 243 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 97. 244 Exemplarisch: Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 46 f. 245 Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 35; Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 153 ff.; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 63; vgl. Arndt, Bundeswehr und Polizei im Notstand, DVBl. 1968, 729 (731); Teil 4 Kapitel 2 A. III. 246 Vgl. Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 18; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 37; Brede/Geis, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 91 GG, Rn. 43.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

folgen.247 Es läge keine für die (Landes-)Polizeikräfte zuständige zu bewältigende Gefahr vor, sodass eine Maßnahme der Bundesregierung nach Art. 91 Abs. 2 GG nicht möglich wäre. Dem Subsidiaritätsgebot könnte strukturell nicht mehr Genüge getan werden. Entsprechend steht die Einsatzbefugnis aus Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG subsidiär zum Verteidigungsbegriff aus Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG.248 b) Widerlegung der Vermutung einer Staatlichkeit/Organisation Da eine Angriffshandlung notwendig ist, welche vom Schadensausmaß her in der Lage ist die freiheitliche demokratische Grundordnung zu gefährden, hat diese zwangsweise eine derartige gesamtstaatliche Auswirkung und gesellschaftliche Intensität, wodurch sie automatisch das Angriffsmerkmal der militärischen Bewaffnung erfüllt.249 Dadurch tritt stets die Vermutung für eine Einbettung in eine Organisationsstruktur und Staatlichkeit der Angriffshandlung ein.250 Durch diese Vermutung bedingt sich die Annahme eines militärischen Angriffs. Da Art. 87a Abs. 4 GG jedoch aus der Gesamtstruktur einen zivilen Angreifer fordert, muss diese Vermutung entweder hinsichtlich des Organisationsmerkmals oder des Staatlichkeitsmerkmals für eine Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG widerlegt werden. Auch eine doppelte Widerlegung ist entsprechend möglich. Ob nur ein einziges, welches überhaupt oder beide vermuteten Merkmale widerlegt sind, wirkt sich dabei auf Ebene der Einsatzlage nicht aus. Hinsichtlich der Einsatzhandlung sind jedoch entsprechende Auswirkungen festzustellen. Hierdurch liefert gerade Art. 87a Abs. 4 GG das Element, was von denjenigen übersehen wird, die eine Schutzlücke annehmen, sollte man das Merkmals der Staatlichkeit für den Begriff der Verteidigung notwendig erachten.251 Liegt evident keine Staatlichkeit des Angriffs vor, so eröffnet sich subsidiär die Einsatzlage des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG. Diese enthält zudem durch ausdrücklichen Verweis auf Art. 91 Abs. 2 GG das Element der Überforderung der primär zuständigen Polizeikräfte, welches von denjenigen gefordert wird, die eine Staatlichkeit für notwendig erachten.

247 Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 8; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 2. 248 Ebenso: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 146. 249 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 2. d) und Teil 4 Kapitel 2 A. I. 1. b). 250 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V. 251 Bspw. Wiefelspütz, Landesverteidigung gegen den grenzüberschreitenden Terrorismus, BWV 2006, 49 (52).

Kap. 2: Der schwere staatsgefährdende Notstand

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3. Subsidiarität gegenüber Art. 91 Abs. 2 GG Die Einsatzlage des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG ist subsidiär abhängig von einer vorherigen Befugniswahrnehmung nach Art. 91 Abs. 2 GG. Dies ist davon abhängig, dass die Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 2 GG vorliegen. Daher muss das Land, welchem die Gefahr droht, zur effektiven Bekämpfung der Gefahr entweder unfähig oder nicht willens sein.252 Erst wenn die Bundesregierung die Landespolizeikräfte ihren Weisungen unterstellt hat und sie die Bundespolizei zur Unterstützung hinzugezogen hat, kann ein Streitkräfteeinsatz erfolgen.253 Prognostiziert sich jedoch auch eine Überforderung der primär einzusetzenden Polizeikräfte, erübrigt sich die Notwendigkeit ihrer vorherigen Verwendung.254 Dem Subsidiaritätsgebot ist daher im Falle einer solchen fehlenden Möglichkeit der Zweckerreichung durch die Polizeikräfte Genüge getan. 4. Rückschluss für den Begriff der Verteidigung Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG stellt essentiell auf den Begriff der Gefahr ab. Hierdurch wird eine rein gefahrenbezogene Auslegung des Begriffs der Verteidigung gesperrt, da bei einer rein gefahrenbezogenen Auslegung des Verteidigungsbegriffs Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr hätte.255 Der Begriff der Verteidigung bestimmt sich somit nicht allein über einen Begriff eines Angriffs, sondern auch über eine notwendigerweise vorliegende militärische Dimension, welche jedoch für den schweren staatsgefährdenden Notstand gerade nicht vorliegen darf.

II. Besonderheit der Einsatzlage zum Schutz ziviler Objekte (Var. 1) Liegen die allgemeinen Voraussetzungen des schweren staatsgefährdenden Notstands vor, kann eine Einsatzlage zum Schutz ziviler Objekte nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 Var. 1 GG vorliegen. 252 Exemplarisch: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 156; vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. IV. 3. b) aa). 253 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 48; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 34. A. A. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 155, die in dem Verweis auf Art. 91 Abs. 2 GG in Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG keine zusätzliche Voraussetzung, sondern eine überflüssige Tautologie sehen. 254 Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 35; Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 153 ff.; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 63; vgl. Arndt, Bundeswehr und Polizei im Notstand, DVBl. 1968, 729 (731). 255 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 2.; a. A. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 12, 88 ff.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

1. Gefahr für ein ziviles Objekt Es muss eine Gefahr für ein ziviles Objekt bestehen. Auf Grund der systematischen Nähe des Art. 87a Abs. 4 S. 1 Var. 1 GG und Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG verstehen sich die Begriffe „zivil“ und „Objekt“ ebenso synonym wie die in beiden Fällen notwendige Gefahr für diese. Hinsichtlich einer Gefahr für ein ziviles Objekt lässt sich – mit Ausnahme der im Rahmen des Art. 87a Abs. 4 S. 1 Var. 1 GG nicht notwendigen Verteidigungsakzessorietät – somit auf die Ausführungen zu Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG verweisen.256 2. Keine Gefahrenbegründung in organisierter Struktur Neben dem Vorliegen einer Überforderung der Polizeikräfte257 muss die Gefahrenbegründung durch zivile Gefährder außerhalb einer organisierten Struktur erfolgt sein. Würde das Merkmal der Organisation bei der militärisch bewaffneten Gefahrenbegründung vorliegen, so würde ein verdrängendes Szenario einschlägig sein. Denn entweder läge zusätzlich eine Staatlichkeit vor, mithin militärische Bewaffnung, Organisationsstruktur und Staatlichkeit, so wäre der verdrängende Verteidigungsbegriff einschlägig.258 Läge dagegen keine Staatlichkeit vor, so würden militärisch bewaffnete und organisierte Aufständische nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG vorliegen. Da bei der Bekämpfung von solchen Aufständischen weitreichendere Maßnahmen möglich sind als beim Schutz Ziviler, ist zur Wahrung eines eigenständigen Anwendungsbereichs eine Abgrenzung notwendig.259 Dieses Abgrenzungskriterium liegt im fehlenden Organisationsmerkmal der Angreifer.260 3. Keine Notwendigkeit einer Inlandsherkunft Die Notwendigkeit einer Inlandsherkunft ist, anders als bei militärisch bewaffneten und organisierten Aufständischen, nicht gegeben. Eine schwerwiegende Gefahr für den Staat kann auch dadurch erfolgen, dass im Ausland befindliche ausländische Zivile deutsche Zivile bzw. in Deutschland befindliche Zivile gefährden.261 In diesem Kontext könnte man hierbei auf Grund des Erreichens des Intensitätsni256

Vgl. Teil 4 Kapitel 1 B. I. 3. a). Vgl. Teil 4 Kapitel 2 A. I. 3. 258 Vgl. zur verdrängenden Wirkung: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 146. 259 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. b) aa). 260 Vgl. Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 43; a. A. Ipsen, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 166. 261 A. A. Dreist, Der Inneneinsatz der Bundeswehr – eine zentrale Frage des Gemeinwohls, BWV 2011, 4 (9). 257

Kap. 2: Der schwere staatsgefährdende Notstand

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veaus einer schweren Staatsgefährdung und somit des Niveaus einer militärischen Bewaffnung auf die dargestellte Vermutung einer zusätzlichen Staatlichkeit und Organisationsgrades des Angriffs zurückgreifen, wodurch ein Angriff mit militärischer Dimension anzunehmen wäre.262 Ist diese Vermutung jedoch widerlegt, scheidet auf Grund fehlender militärischer Dimension ein Rückgriff auf den Verteidigungsbegriff aus. Der schwere staatsgefährdende Notstand dagegen erfasst durch seine reine Gefahrenbezogenheit gerade auch solche Fälle, in denen evident Zivile vom Ausland her den Bestand des Staates oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gefährden.263

III. Besonderheit des Aufruhrnotstands (Var. 2) Ein Aufruhrnotstand264 nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 Var. 2 GG setzt gegenüber der Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 Var. 1 GG zwei Besonderheiten voraus. 1. Vorliegen militärischer und organisierter Aufständischer Die zu bekämpfenden Aufständischen müssen militärisch bewaffnet und organisiert sein. Die Ausführungen zur militärischen Bewaffnung265 und zum Organisationsmerkmal266 lassen sich bezüglich des Verteidigungsbegriffs hierzu übertragen. Aufständische bedeutet, dass diese den Bestand des deutschen Staates angreifen.267 Es muss sich somit bei den Aufständischen um Gefährder handeln, die eine drohende Gefahr für den Bestand des Bundes, eines Landes oder dessen freiheitliche demokratische Grundordnung verursachen. Die Aufständischen müssen darüber hinaus nichtstaatlich sein, sprich ihre Gefährdungshandlung darf nicht einem Staat zurechenbar sein, da sonst durch Erfüllung der Merkmale einer militärischen Bewaffnung, Organisation und Staatlichkeit ein militärischer Angriff und hiermit

262

Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V. 2. Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 47, m. V. a. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 2; denkbares Szenario wäre etwa die Stürmung eines Atomkraftwerkes an der deutschen Grenze durch unorganisierte Demonstranten. Würde dadurch eine Gefahr einer Kernschmelze und Auswirkung auf deutsches Territorium ausgehen, so bestünde eine schwerwiegende Gefahr für den Staat. Ebenso wäre etwa eine schwerwiegende Gefahr für den Staat denkbar, wenn ein im Ausland befindliches privates Labor oder eine solche Forschungseinrichtung mit pandemieauslösenden Stoffen arbeitet und diese nicht ausreichend genug sichert. 264 Zum Begriff bereits: Reimer/Kempny, Einführung in das Notstandsrecht, VR 2011, 253. 265 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II. 266 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. III. 267 Exemplarisch: Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 31. 263

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

verdrängende Einschlägigkeit des Begriffs der Verteidigung vorlägen.268 Die Vermutung folgend aus der militärischen Bewaffnung muss somit widerlegt werden.269 2. Notwendigkeit einer Inlandsherkunft der Aufständischen Hinzu kommt durch die Struktur der Wehrverfassung und die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes eine notwendige Inlandsherkunft der Aufständischen.270 Die Struktur der Wehrverfassung und die Völkerrechtsfreundlichkeit implementieren den „Unwilling-and-unable“-Test in die Wehrverfassung.271 Für eine ausreichende Gefahren- und somit Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG ist eine Gefährdungshandlung mit militärischer Bewaffnung notwendig, da nur dann eine drohende Gefahr i. S. d. schweren staatsgefährdenden Notstands vorliegt.272 Aus dem „Unwilling-and-unable“-Test folgt jedoch, sollte solch eine Gefährdungshandlung von fremdem Staatsgebiet ausgehen, ist diese Handlung dem entsprechenden schutzverpflichteten Staat zuzurechnen.273 Würde nun eine militärisch bewaffnete Gefährdungshandlung von fremdem Staatsgebiet ausgehen, gilt diese als (fremd-) staatlich. Denn entweder die Handlung wurde von (fremd-)staatlichen Akteuren vorgenommen und gilt dadurch als (fremd-)staatliche oder sie wurde durch nichtstaatliche Akteure vorgenommen, jedoch auf Grund der Auslandsherkunft durch den „Unwilling-or-unable“-Test einem schutzverpflichteten Staat zugerechnet, wodurch diese dadurch als (fremd-)staatliche gilt. Militärisch bewaffnete und organisierte Aufständische, die von fremdstaatlichem Territorium aus agieren, gelten somit durch die Zurechnung zum fremden Staat stets als militärische Angreifer, was wiederum 268 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V.; ebenso: Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 44; Kersten, JuS 2016, 193 (198); Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 169; zur verdrängenden Wirkung: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 146. 269 Vgl. Teil 4 Kapitel 2 A. I. 1. b); Teil 3 Kapitel 2 B. II. 270 Vgl. dies ebenso voraussetzend: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 175 ff.; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 41; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 32; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 264; Paulke, Die Abwehr von Terrorgefahren im Luftraum, S. 123 f.; Krings/Burkiczak, Bedingt abwehrbereit?, DÖV 2002, 501 (511); Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 369. 271 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. IV. 3. a); hierzu: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 134; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 58; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 15. 272 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 31; vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 3; Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 15; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 67 ff.; Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 158 ff. 273 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. IV. 3. b).

Kap. 2: Der schwere staatsgefährdende Notstand

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eine die Einsatzlage schweren staatsgefährdenden Notstands nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG verdrängende Einsatzlage des Verteidigungsbegriffs nach Art. 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG bedingt. Ein Anwendungsbereich für den schweren staatsgefährdenden Notstand nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG besteht somit nur dort, wo die militärisch bewaffneten und organisierten Aufständischen nicht vom fremden Staatsgebiet aus handeln.274 Notwendig sind damit ein Handeln und eine Gefahrenherkunft innerhalb Deutschlands.275 Werden Angriffshandlungen innerhalb Deutschlands vollzogen, jedoch wesentlich von außerhalb kontrolliert bzw. gesteuert, so gelten diese analog zum Verteidigungsbegriff als Gefahr mit außerstaatlicher Herkunft.276

B. Einsatzhandlungen des schweren staatsgefährdenden Notstands Ist eine Einsatzlage gegeben, so ermöglicht dies eine mögliche Einsatzhandlung der Streitkräfte. Eine Einsatzhandlung muss nach dem Wortlaut des Art. 87a Abs. 4 GG funktional „[z]ur Abwehr“ erfolgen.277 Möglichkeiten diesen funktionalen Abwehrzweck zu erreichen werden benannt als Einsätze der „Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer“.

I. Objektiver Funktionalbezug der Einsatzhandlung Einsatzhandlungen im Rahmen des Art. 87a Abs. 4 GG müssen „[z]ur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“ erfolgen.278 Es muss daher eine 274

Handlungen von Aufständischen von staatenlosen Gebieten auf deutsches Territorium unterfallen auch dem Anwendungsbereich des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG. Solche Szenarien scheinen praktisch jedoch eher rein fiktiven Charakter zu haben. 275 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 146; vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 31. 276 Teil 3 Kapitel 2 B. IV. 1. a); vgl. exemplarisch: Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 127 f.; Kreß, Gewaltverbot und Selbstverteidigungsrecht nach der Satzung der Vereinten Nationen bei staatlicher Verwicklung in Gewaltakte Privater, S. 23 f.; Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrr 2003, 101 (114). 277 Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 161. 278 Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 39; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 30; Baldus/

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

Verringerung der Gefahr für den Bestand des Staates und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bezweckt werden. Damit eine Einsatzhandlung als Schutz ziviler Objekte oder als Bekämpfung Aufständischer anzusehen ist, muss sie funktional auf den entsprechenden Abwehrerfolg gerichtet sein.279 Entsprechend muss eine Einsatzhandlung zum Schutz ziviler Objekte darauf gerichtet sein, Zivile vor zivilen Angriffen zu schützen, bzw. eine Maßnahme zur Bekämpfung militärisch bewaffneter und organisierter Aufständischer darauf gerichtet sein, deren Gefährdungspotential einzuschränken.280 Erst dann liegen „zulässige Einsatzzwecke“281 vor. Der Funktionalbezug kann sich hierbei lediglich objektiv erfüllen. Auf einen subjektiven Willen der Streitkräfte, des/der IBuK oder gar einer weiteren Stelle kommt es für die Verfassungsmäßigkeit einer Einsatzhandlung nicht an. Diese bedingt sich dadurch, dass eine Maßnahme der Streitkräfte, die subjektiv darauf gerichtet ist bspw. Zivile vor zivilen Angriffen zu schützen, jedoch funktional das Ziel verfehlt, nicht von Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG erfasst und durch diese Norm verfassungsgemäß wäre. Denn selbst wenn ein Funktionalbezug subjektiv verstanden werden würde, so würde es an einer Geeignetheit bzw. Erforderlichkeit des Streitkräfteeinsatzes fehlen. Dieser bestimmt sich objektiv, sodass eine objektiv ungeeignete Einsatzhandlung trotz subjektiven Willens keine verfassungsgemäße Einsatzhandlung ermöglicht.282 Das Defizit einer Ungeeignetheit bzw. Nichterforderlichkeit lässt sich nicht durch subjektiven Willen ausgleichen.283 Ein Verständnis als objektiver Funktionalbezug bestätigt auch ein systematischer Vergleich zum Verteidigungsbegriff, dessen Funktionalbezug der Verteidigungshandlung sich auch objektiv auf die Verteidigungslage bezieht.284

II. Einsatzhandlung als Unterstützung der Polizeikräfte Der Streitkräfteeinsatz soll lediglich „zur Unterstützung der Polizei“ erfolgen, was voraussetzt, dass die Polizeikräfte Unterstützung benötigen. Ein ZusammenMüller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 161. 279 Ebd. 280 Exemplarisch: Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 162. 281 BT-Drucks. V/2873, S. 14. 282 Exemplarisch zum objektiven Verständnis der Merkmale der Geeignetheit bzw. Erforderlichkeit: Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20 GG (Rechtsstaat), Rn. 182 f.; Grzeszick, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 GG, Rn. 112 ff. 283 Vgl. zum objektiven Verständnis der staatlichen Schutzpflicht: Herzog, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, § 72, Rn. 25. 284 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 B. III.; Teil 3 Kapitel 3 A. III.

Kap. 2: Der schwere staatsgefährdende Notstand

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wirken mit den Polizeikräften ist daher notwendig.285 Eine Weisungsgewalt der Streitkräfte unter die Polizeikräfte besteht nicht.286 Trotz Einordnung in das polizeiliche Handlungskonstrukt verbleibt die militärisch-operative Entscheidungsgewalt bei dem/der IBuK. Der Bedarf an Unterstützung impliziert wiederum eine Überforderung der Polizeikräfte.287 Die historischen Materialien zum Art. 87a Abs. 4 GG beschreiben als gedanklichen Hintergrund, dass „[d]ie Bekämpfung der Unruhen […] die Kräfte der Polizei überfordern [könnte]. Eine Entlastung der Polizei durch die Streitkräfte ist daher erforderlich.“288 Hierbei ist zwischen einer qualitativen Überforderung und einer quantitativen Überforderung zu trennen.289 Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG setzt somit ein Überforderungsszenario der primär zuständigen Polizeikräfte voraus.290 Diese Polizeikräfte sollen durch die Streitkräfte entweder entlastet werden, wodurch diese andere Bereiche der Gefahrenabwehr wieder effektiver wahrnehmen können, oder verstärkt werden, sodass diese zusammen mit den Streitkräften in der Lage sind auch einem militärisch bewaffneten und organisierten Angriffsszenario umfangreich zu begegnen.291

III. Auslöser und Reichweite defensiver Schutzmaßnahmen (Var. 1) Der Schutz Ziviler vor anderen Zivilen soll durch Entlastung der Polizeikräfte insbesondere einer quantitativen drohenden Gefahr für den Bestand des Bundes, eines Landes und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung begegnen. Die nachträgliche Einführung durch den federführenden Rechtsausschuss verdeutlicht, dass es sich beim Schutz Ziviler nicht um eine deklaratorische Dopplung handelt, sondern um eine zweite eigenständige Maßnahme mit eigenständiger Reichweite.292 Abwehrmaßnahmen sind im Gesamtkonstrukt der Gefahrenabwehr solche Maßnahmen, die entweder die Eintrittswahrscheinlichkeit einer drohenden Gefahr

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Vgl. Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 115a GG, Rn. 425. 286 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 45. 287 Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 45. 288 BT-Drucks. V/2873, S. 14. 289 Teil 4 Kapitel 2 A. I. 1. d). 290 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 158. 291 Vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 29; Baldus/ Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 147. 292 Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 13 f.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

verringern oder deren Schadenspotential begrenzen bzw. auflösen.293 Dies stellen Abwehrbezugspunkte dar. Ebenso wie bei der Bekämpfung militärisch bewaffneter und organisierter Aufständischer ist kein konkreter Auslöser für eine Abwehrhandlung, sondern lediglich ein zeitlich abstrakter Ausgangspunkt nötig.294 Wie auch im Rahmen von Art. 87a Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG finden Maßnahmen zum Schutz ziviler Objekte zweiphasig statt.295 Sowohl die Positionierung als erste Phase als auch die Vornahme konkreter Schutzmaßnahmen als zweite Phase muss dabei der Entlastung der Polizeikräfte zu Gute kommen und damit das drohende Gefahrenpotential für den Bestand des Bundes, eines Landes und dessen freiheitlicher demokratischer Grundordnung verringern.296 Im Hinblick auf den Umfang der Schutzmaßnahme bestehen keine besonderen Einschränkungen im Vergleich zur Bekämpfung militärisch bewaffneter Aufständischer. Die Maßnahme der Streitkräfte muss entweder die Eintrittswahrscheinlichkeit oder das konkrete Schadenspotential der zivilen Gefährdung verringern bzw. auflösen. Einschränkungsgründe können sich, vergleichbar zu den Ausführungen im Rahmen der Verteidigungshandlungen, auswirken.297 Insbesondere, wenn Rechte Dritter von den Schutzmaßnahmen eingeschränkt werden, können einzelne Maßnahmen unverhältnismäßig sein.298 Auch wenn die Maßnahme zur Unterstützung der Polizeikräfte erfolgt, sind die Streitkräfte hierbei nicht auf polizeiliche Handlungsbefugnisse beschränkt.299 Zwar könnte man annehmen, dass eine personelle Überforderung der Polizeikräfte, welche gerade ein Ausgangsszenario der Schutzmaßnahmen ist, einzig die personell erweiternde Komponente eines Streitkräfteeinsatzes als vergleichbare Amtshilfe notwendig macht. Jedoch besteht keine Gewähr, dass einer quantitativen Gefahr einzig durch mehr Personal durch die Streitkräfte begegnet werden kann. Auch bei Einsatz der Streitkräfte mit lediglich polizeilichen Mitteln kann weiterhin eine

293 Vgl. exemplarisch: Meyer, Subjektiver oder objektiver Gefahrenbegriff, „Gefahrenverdacht“ und Vorfeldbefugnisse, JA 2017, 1259; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 55. 294 Vgl. Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze für den Einsatz der Streitkräfte im Staatsnotstand, S. 74. 295 Teil 4 Kapitel 1. B. II. 2. a). 296 Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 30; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 162. 297 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. 298 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. IV. 1. b) bb); Teil 3 Kapitel 3 B. V. 299 BVerfGE 115, 118 (148); 132 Rn. 35; BT-Drucks. V/2873, S. 14; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 64; Depenheuer, in: Maunz/ Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 177; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 68; Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 46.

Kap. 2: Der schwere staatsgefährdende Notstand

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personelle Überforderung bestehen. Eine Verwendung von militärischem Gerät kann gerade dann notwendig sein, um der quantitativen Gefahr effektiv zu begegnen.300 Der schwere staatsgefährdende Notstand erfasst auch Gefahrenbegründungen durch im Ausland befindliche, evident als solche festgestellte Zivile.301 Ebenso können auch Gefahren gegen im Ausland befindliche deutsche Staatsangehörige eine entsprechende schwerwiegende Gefahr für den Staat begründen.302 Gefahrenabwehrmaßnahmen zum Schutz Ziviler, die sich gegen im Ausland begründete Gefahrenursprünge richten, sind entsprechend nicht auf das Inland begrenzt.303 Gefährden evident als Zivile festgestellte Gefährder vom Ausland aus den Bestand des Staates, so können die Streitkräfte auf Grundlage des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG auch im Ausland gegen die von dort herstammende Gefahrenbegründung eingesetzt werden.

IV. Auslöser und Reichweite von Kampfhandlungen (Var. 2) Gegen militärisch bewaffnete und organisierte Aufständische innerhalb Deutschlands sind nicht nur defensive Schutzmaßnahmen, sondern auch aggressive Bekämpfungshandlungen zulässig.304 Durch Maßnahmen mit Wirkung auf die militärisch bewaffneten und organisierten Aufständischen soll einer durch diese begründeten qualitativen Gefahrenbegründung entgegengewirkt werden. Wesentliche Unterschiede dieser aggressiven Bekämpfungsmaßnahmen gegenüber defensiven Schutzmaßnahmen sind der zeitliche Auslöser für die Bewertung einer Maßnahme sowie die anvisierten Folgen.305 Für eine Schutzmaßnahme muss eine konkrete Gefährdung eines Rechtsgutes vorliegen. Durch Schutzmaßnahmen wird der konkrete Gefährdungserfolg am konkreten Rechtsgut abgewendet. Bekämpfungsmaßnahmen benötigen solch eine konkretisierte Gefährdung eines zivilen Objektes nicht. Der Bestand militärisch bewaffneter und organisierter Aufständi-

300

Vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 14. Vgl. Teil 4 Kapitel 2 A. II. 3.; im Rahmen des Art. 91 GG, der sich auch gegen eine Gefahr für den Bestand des Staates richtet, wird eine Inlandsbezogenheit nicht vorausgesetzt, vgl. Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 14; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 91 GG, Rn. 10. 302 Ebd.; vgl. zudem Teil 3 Kapitel 2 A. I. 3. b) aa). 303 Die Notwendigkeit von Einsatzmaßnahmen besteht insbesondere, wenn zivile Angreifer ins Ausland fliehen, um sich dort für weitere Gegenmaßnahmen zu sammeln. Der Grenzübertritt der zivilen Angreifer sorgt nicht für einen Entfall einer Gefahr. 304 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 50. 305 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 162, wobei hierbei der fälschliche Eindruck entsteht, eine aggressive Bekämpfungsmaßnahme unterläge nicht dem funktionalen Gebot der Gefahrenabwehr. 301

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

scher begründet eine abstrakte Gefährdung für den Staatsbestand.306 Auf Grund des von diesen ausgehenden abstrakten Gefährdungspotentials sind sowohl präventivaggressive Maßnahmen, welche auf die Vorbeugung konkreter Gefährdungen zielen, als auch defensive Maßnahmen, die einen konkretisierten Schadenseintritt abwenden bzw. einschränken, zulässig.307 Zu Abwehr der abstrakten Gefährdung sind somit sämtliche Maßnahmen möglich, die das Gefährdungspotential der Aufständischen eindämmen. Da sich das Gefährdungspotential aus der militärischen Bewaffnung, sprich dem potentiellen Schadensausmaß der möglichen Angriffshandlungen der Aufständischen, ergibt, sind als Bekämpfungsmaßnahmen insbesondere solche, die den Aufständischen deren Schädigungspotential nehmen, zulässig.308 Eine Eindämmung des Schädigungspotentials der Aufständischen kann auch durch Maßnahmen gegenüber Dritten erfolgen.309 Hierbei wirkt sich jedoch vergleichbar zu Verteidigungshandlungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einschränkend aus. Alternative Maßnahmen, anders als die Belastung Dritter, dürfen nicht ersichtlich sein und müssten ein deutlich höherwertiges Gut schützen als das Gut, welches durch die Maßnahme belastet wird.310

C. Feststellungskompetenzen hinsichtlich des Aufruhrnotstands Die Feststellungskompetenz, sowohl hinsichtlich der Einsatzlage als auch hinsichtlich der Vornahme einer Einsatzhandlung, liegt bei der Bundesregierung als Kollegialorgan.311 Diese ist nach dem Wortlaut des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG die entscheidungsberechtigte Stelle bezüglich des Streitkräfteeinsatzes. Der Bundestag oder Bundestag hat hierbei nach Art. 87a Abs. 4 S. 2 GG lediglich die Kompetenz einen von der Bundesregierung angeordneten Einsatz zu beenden.312 306

Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 31. Vgl. hinsichtlich präventiver Maßnahmen innerhalb der Wehrverfassung: Teil 3 Kapitel 1 B. III.; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 31. 308 Denkbar sind hierbei insbesondere Festnahmen von Personen und die Zerstörung ihrer Waffen. 309 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B. IV. 1. b) bb). 310 Vgl. ebd. 311 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 51; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 178 f.; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 67; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 160. 312 Ebenso: Ladiges, Grenzen des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts, NVwZ 2010, 1075 f.; Dietz, Die Kompetenzverteilung des GG für Amtshilfe- und Unterstützungsmaßnahmen sowie Einsätze der Bundeswehr, DÖV 2012, 952 (956). 307

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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Einzig die militärisch-operative Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung der Ausführung des Einsatzes liegt bei dem/der IBuK.313 Dies folgt aus dem Gesamtkonstrukt des Art. 87a GG, bei welchem die militärisch-operative Entscheidungskompetenz stets dem/der IBuK, welcher/welche in der Regel der/die BMVg ist, obliegt.314 Gründe, vom systematischen Konstrukt der Abs. 1 – 3 in Abs. 4 des Art. 87a GG abzuweichen, bestehen nicht.315 Dass es hierbei zu einer Konzentration der Entscheidungsbefugnis innerhalb der Bundesregierung, welcher auch der/die BMVg angehört, kommt, ist auch unter Berücksichtigung eines Missbrauchspotentials nicht zu beanstanden. Durch die Einstellungsmöglichkeit nach Art. 87a Abs. 4 S. 2 durch den Bundestag oder den Bundesrat bestehen genügend Instanzen und Möglichkeiten einem Missbrauchspotential durch die Bundesregierung entgegenzuwirken.316 Kapitel 3

Hilfseinsätze im Katastrophennotstand Der Regelungskontext der Wehrverfassung wird neben Art. 87a GG durch Art. 35 GG ergänzt. Hierbei bestehen sowohl im bundeslandbezogenen Hilfseinsatz nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG als auch im bundesländerübergreifenden Hilfseinsatz nach Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG Einsatzbefugnisse. Diese setzen beide einen Katastrophennotstand voraus. Entsprechend soll auch der in der Literatur verwendete Begriff des innerstaatlichen Notstands nicht aufgegriffen werden, sondern der Begriff von Hilfseinsätzen im Katastrophennotstand benutzt werden. Ähnlich wie beim schweren staatsgefähr313

Hernekamp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 46; Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 64; Wolff, in: Hömig/Wolff/Seifert u. a. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 87a GG, Rn. 14; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 176; Spranger, NZWehrr 1999, 72 (73). 314 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 C. I. 1.; Teil 3 Kapitel 2 D. III.; BVerfGE 90, 286 (338); Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 42; Oldiges/Brinktrine, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65a GG, Rn. 19a. 315 Zudem liegt primär die Sachkompetenz hinsichtlich militärisch-operativer Entscheidungen bei dem/der BMVg. Um eine effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten, drängt es sich daher auf, dass die militärisch-operative Seite des Einsatzes von der sachkompetentesten Stelle wahrgenommen wird. 316 Auf Grund dessen und des eindeutigen Wortlauts des Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG besteht auch bei einer Vorhersehbarkeit bewaffneter Auseinandersetzungen kein Parlamentsvorbehalt [vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. II. 3. c) aa); BVerfGE 121, 135 (155; 163)]. Eine parlamentarische Mitwirkungsmöglichkeit besteht durch Art. 87a Abs. 4 S. 2 GG; vgl. Hillgruber, in: Umbach/ Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, Art. 87a GG, Rn. 65; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 34; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 160.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

denden Notstand nach Art. 87a Abs. 4 GG, erscheint auch in diesem Zusammenhang die gängige Literaturbeschreibung der Einsatzkompetenz hierbei als „innerstaatlicher Notstand“ nicht vollends glücklich. Denn durch die Bezeichnung als innerstaatlich kann der Eindruck entstehen, dass eine Einsatzhandlung im sogenannten innerstaatlichen Notstand ebenfalls ausschließlich nur innerstaatlich erfolgen dürfe. Dies ist jedoch nicht der Fall.317

A. Verhältnis zum schweren staatsgefährdenden Staatsnotstand Den Einzelheiten der bundeslandbezogenen und bundesländerübergreifenden Notstände ist deren Strukturverhältnis zu Art. 87a GG, insbesondere Abs. 4, voranzustellen. Ausgangspunkt der Einsatzbefugnis aus Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG wie auch Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG ist der Begriff der Gefahr.318 Ein Überlappen der Anwendungsbereiche ist daher möglich. Zur Wahrung eines eigenständigen, definierten Anwendungsbereichs ist eine gegenseitige Abgrenzung notwendig.319 Denn eine schwerwiegende Gefahr für den Staat i. S. d. Art. 87a Abs. 4 GG wird fast immer das Gebiet von mehr als einem Bundesland gefährden. Entsprechend liegt ein Überschneidungsbereich von Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG vor. Die Einsatzbefugnisse stehen jeweils im Entscheidungsermessen der Bundesregierung und müssen „zur Unterstützung der Polizei(-kräfte)“ erfolgen.320 Besteht jedoch eine schwerwiegende Gefahr für den Staat, die sich nur hinsichtlich des Bestandes eines Bundeslandes auswirkt, kann sich eine Abgrenzung auswirken. Im Rahmen der Abgrenzung des Katastrophennotstands nach Art. 35 GG zum schweren staatsgefährdenden Staatsnotstand nach Art. 87a Abs. 4 GG besteht eine Sperrwirkung durch Letzteren.321 Entscheidende Abgrenzung kann hierbei nur das 317

Vgl. Teil 2 Kapitel 1 C. und Teil 4 Kapitel 3 B. II. 3.; auch Einsatzhandlungen in anderen Bundesländern als den anfordernden oder im Ausland, solange diese durch die weiteren Einschränkungen für Einsatzhandlungen nicht ausgeschlossen sind, sind möglich. 318 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 260; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 148. 319 Vgl. das Postulat der systemischen Ordnung: Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 132. 320 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 49, 51; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 31, 33 f. 321 BVerfGE 132, 1 Rn. 45; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 263; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 283; Winkler, Die Systematik der grundgesetzlichen Normierung des Bundeswehreinsatzes unter Anknüpfung an die Regelung des LuftSiG, DÖV 2006, 149 (156); Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286 (1290); Froese, DVBl.

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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Merkmal liefern, welches den überschneidenden Normbereich begründet. Dies ist wiederum der Begriff der Gefahr. Art. 87a GG umfasst hierbei in allen vier Absätzen Gefahren begründet durch bzw. im Ausmaß von militärische(r) Bewaffnung.322 Das Merkmal der militärischen Bewaffnung versteht sich hierbei intensitätsbezogen.323 Ausschlaggebendes Abgrenzungskriterium ist daher die Gefahrenintensität. Erreicht die abzuwehrende Gefahr ein Ausmaß militärischer Bewaffnung, so sperrt Art. 87a GG einen Rückgriff auf Art. 35 GG.324 Gleiches gilt, wenn die Gefahr im engeren Sinne durch militärische Bewaffnung herbeigeführt wurde. Entweder begründet dies eine Einsatzbefugnis aus dem Verteidigungsbegriff nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG, sofern die Merkmale der Staatlichkeit und der Organisation vorliegen,325 oder es handelt sich um einen Fall des schweren staatsgefährdenden Notstands nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG.326 Somit ist hinsichtlich der Abwehr von menschlichen Gefahren durch militärische Bewaffnung oder mit dem Ausmaß militärischer Bewaffnung vergleichbaren Gefahren Art. 87a GG verdrängende Lex specialis gegenüber Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG.327 Bei derartigen Gefahren ist Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG folglich nicht anwendbar.

B. Bundeslandbezogene Hilfseinsätze nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG I. Einsatzlage des Katastrophennotstands nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG Eine Einsatzlage des Katastrophennotstands dreht sich um den dort zentralen Begriff der Gefahr. Hierbei bestehen besondere Anforderungen an einen Gefahrenauslöser sowie durch eine Notwendigkeit eines territorialen Bezugs der Gefahr.

2017, 546 (548); Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 146. 322 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. II.; Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. b) bb) (2); Teil 4 Kapitel 2 A. I. 1. b); ebenso hierzu: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 88. 323 Teil 3 Kapitel 2 B. II. 1. b); vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 158; Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 38; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 52. 324 Vgl. Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 69, 146. 325 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. III. und IV. 326 Vgl. Teil 4 Kapitel 2 A. I. 1. 327 Ebenso: Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 37; vgl. Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 2.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

1. Gefahrenauslöser Die Gefahr bedarf eines besonderen Auslösers. Dieser kann entweder ein Naturereignis oder ein Unglücksfall sein. a) Naturkatastrophe Eine Gefahr kann durch eine Naturkatastrophe begründet werden. Deren Auslöser stellen ein oder mehrere Naturereignisse dar.328 Im Zentrum der zu begegnenden Gefahren stehen somit die „entfesselten Naturgewalten“.329 Deren Ursprung ist hierbei durch Negativabgrenzung als ein natürlicher zu bestimmen.330 Alles nicht unmittelbar oder wesentlich mittelbar Menschengemachte ist als mit natürlichem Ursprung zu bewerten.331 Besteht somit ein Gefahrenpotential, ist dieses primär als mit natürlichem Ursprung anzusehen. Mit der Notwendigkeit von „katastrophischem Ausmaß [bzw.] […] katastrophischen Dimensionen“332 wird zudem eine Mindestgefahrenintensität vorausgesetzt.333 Eine Unterteilung, ob etwas Ziviles oder etwas Militärisches durch die Naturkatastrophe innerhalb deutschen Territoriums gefährdet wird, kann dahinstehen. In beiden Fällen einer Gefahr für Ziviles oder Militärisches ist bei einer Gefahr mit natürlichem Ursprung Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG einzige Grundlage für Streitkräfteeinsätze unmittelbar gegen Naturkatastrophen.334 Denn auch wenn der Begriff der Verteidigung die Streitkräfte zum Eigenschutz berechtigt, setzt dieser zum einem eine menschliche Angriffshandlung voraus. 335 Zum anderen würde eine Anwendung auch bei Gefahren mit natürlichem Ursprung die Kompetenzwertung des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG unterlaufen.336 Hiervon unberührt bleiben Handlungen der Streitkräfte zum Eigenschutz, die keine Einsatzqualität erreichen.337 328 Exemplarisch: Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 133, m. w. N. in Fn. 2; Linke, Zu Möglichkeiten und Grenzen der Inlandsverwendung der Streitkräfte, AöR 129 (2004), 489 (520). 329 Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 262. 330 BVerfGE 115, 118 (144); vgl. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 29; von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 70. 331 Vgl. Kloepfer, Zur Vermeidung von Naturkatastrophen durch Recht, DVBl. 2017, 141 (144). 332 BVerfGE 132, 1 Rn. 46. 333 Vgl. Teil 4 Kapitel 3 B. I. 2. a). 334 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. b) bb). 335 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. III. 2. a). 336 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. b) bb). 337 Da keine Einsatzqualität vorliegt, greift auch die Sperrwirkung des Art. 87a Abs. 2 GG nicht, vgl. Teil 2 Kapitel 1 C.

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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b) Besonders schwerer Unglücksfall Im Gegensatz zur Naturkatastrophe setzt der besonders schwere Unglücksfall menschliches Verhalten als zentralen Ausgangspunkt eines Gefahrenausmaßes voraus.338 Subjektive Elemente sind hierbei auf Grund des Wesens als gefahrenabwehrrechtliche Norm nicht zu berücksichtigen.339 Ausschlaggebend ist eine objektive Gefahr, nicht jedoch subjektive Elemente.340 Ob menschliches Verhalten vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen wurde oder sogar ein mit dem Strafrecht vergleichbarer Schuldvorwurf möglich ist, ist irrelevant.341 Da der Unglücksfall besonders schwer sein muss, wird eine Mindestgefahrenintensität vorausgesetzt.342 Zudem ist, anders als bei einer Naturkatastrophe, zu beachten, ob die Gefahr für die deutschen Streitkräfte besteht. Denn sollte die menschlich verursachte Gefahr die deutschen Streitkräfte gefährden, stellt dies einen Angriff auf die Streitkräfte dar und wäre ein Angriff mit militärischer Dimension.343 Hierbei vermittelt der Begriff der Verteidigung den Streitkräften umfangreichen Eigenschutz gegen menschliche Angriffe und wäre einschlägig.344 Dadurch verdrängt sich eine Anwendung des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG.345 Ein besonders schwerer Unglücksfall muss daher ausschließlich Ziviles gefährden. c) Einfluss menschlicher Verursachung Problematisch kann sich kumulatives Zusammenwirken von natürlichen Vorgängen und menschlichen Handlungen darstellen. So kann ein natürlicher Vorgang eine geringintensive Gefahr begründen, welche durch menschliches Verhalten eine entsprechend hohe Gefahrenintensitätssteigerung erfährt. Gleichermaßen kann auch ein menschliches Verhalten eine geringintensive Gefahr begründen, welche durch natürliche Vorgänge eine Gefahrensteigerung erfährt. Eine Naturkatastrophe, in der sich keinerlei menschliches Verhalten mittelbar auswirkt, ist in einer heutigen Welt

338 Exemplarisch: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 265. 339 Münkler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 38; von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 70; ebenso: Jochum, Der Einsatz der Streitkräfte im Inneren, JuS 2006, 511 (514). 340 Vgl. Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 128 f. 341 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 23; vgl. Froese, DVBl. 2017, 546 (548 f.). 342 Vgl. Teil 4 Kapitel 3 B. I. 2. a). 343 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV.; Teil 3 Kapitel 2 A. II. 4. a). 344 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. I. 1. b). 345 Exemplarisch: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 168 f.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

kaum denkbar.346 Bei jeder Naturkatastrophe bzw. jedem besonders schweren Unglücksfall wirken in der Regel menschliche Handlungen bzw. menschliches Unterlassen und Naturereignisse zusammen.347 In Ermangelung einer eindeutigen verfassungsrechtlichen Abgrenzungsmethode scheint es notwendig in Grundzügen auf die einfachrechtliche Abgrenzungsmethode der Schwerpunktsetzung abzustellen. Hierbei ist entweder auf die strafrechtliche Abgrenzung zwischen menschlichem Handeln und Unterlassen348, die prozessualrechtliche Abgrenzung zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und ordentlicher Gerichtsbarkeit349 oder die zivilrechtliche Vertragstypenabgrenzung zu verweisen.350 Eine Abgrenzung erfolgt jeweils nach dem Schwerpunkt der Umstände.351 Auch wenn es sich um einfachgesetzliche Prinzipien handelt, finden sich strukturelle Parallelen zur Wehrverfassung wieder, wie etwa die vergleichbare Struktur des Verteidigungsbegriffs zum strafrechtlichen Verteidigungsbegriff der Notwehr in Verteidigungslage und -handlung.352 Bei dem stets vorliegenden Zusammenwirken von menschlichem Handeln bzw. Unterlassen von Handlungen einerseits und Naturvorgängen andererseits muss eine Abgrenzung, mangels spezieller Abgrenzungsmöglichkeiten, anhand des üblichen Prinzips des Schwerpunktes, hierbei bezogen auf eine Gefahrenbegründung, erfolgen. Bildet entweder menschliches Handeln oder Unterlassen in einem Gesamteindruck unter natürlicher Betrachtungsweise den wesentlichen Schwerpunkt des Schadensumfangs oder der Eintrittswahrscheinlichkeit, ist ein menschlicher Gefahrenursprung anzunehmen. Dadurch liegt erst, wenn konkrete menschliche Umstände unmittelbar eine Gefahr hervorrufen bzw. diese im Wesentlichen prägen, kein Naturereignis vor. Eine Abgrenzung zum menschlichen Gefahrenursprung setzt 346

Vertiefend hierzu: Kloepfer, Zur Vermeidung von Naturkatastrophen durch Recht, DVBl. 2017, 141 (144 ff., insbesondere 147); selbst bei Vorgängen wie Vulkanausbrüchen oder Erdbeben ist ein menschlicher Einfluss durch Bohrarbeiten nicht ausgeschlossen. Wohl als rein natürliches Ereignis wäre dagegen ein Meteoriteneinschlag anzusehen, da sich hierbei jeglicher menschliche Einfluss ausschließen lässt. 347 Ebd. 348 Exemplarisch: BGHSt 6, 46 (59); BGHSt 52, 158 (163); Sieber, JZ 1983, 431 (436); Gaede, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 13 StGB, Rn. 7 m. w. N. in Fn. 20. 349 BGHSt 62, 123. 350 Exemplarisch: Busche, in: Bamberger (Hrsg.), BeckOK BGB, § 631 BGB, Rn. 9, 156: „Maßgebend ist, auf welcher der beiden Leistungen bei einer Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt“ bzw. maßgeblich ist der „Schwerpunkt der Leistungspflicht“; bezüglich öffentlich-rechtlicher Verträge: BVerwGE 42, 331 (333). 351 Lenk, Läutet der BGH das Ende der Schwerpunkttheorie ein?, NVwZ 2018, 38 (40), nach dem „es entscheidend darauf ankomm[t], wie sich der konkrete Lebenssachverhalt nach dem Gesamteindruck einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt“; vgl. BVerwGE 47, 255 (265); wohl auch VGH Kassel, NJW 1999, 3793 (erkennbarer Schwerpunkt der polizeilichen Maßnahme). 352 Vgl. Teil 3 Kapitel 1 A. I. und II.

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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somit eine Widerlegung der ersten Annahme eines natürlichen Ursprungs voraus. Beweismäßig müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die einen Rückschluss auf ein menschliches Verhalten als Auslöser des potentiellen Schadensausmaßes erlauben.353 Sind diese konkret gegeben, ist nicht von einer Naturkatastrophe, sondern von einem besonders schweren Unglücksfall auszugehen. Hierbei muss die menschliche Gefahrenbegründung bzw. -intensitätssteigerung den Schwerpunkt des Gefahrenursprungs darstellen. Der banale Vorwurf, es hätte noch mehr Menschliches zur Schadensverhinderung bzw. -minderung getan werden, reicht hierzu nicht aus.354 Dies ist auch dann anzunehmen, wenn ein Eintreten von Naturereignissen und eine Kumulation mit diesen objektiv zu erwarten und vorhersehbar sind.355 Solch ein Eintreten von objektiv zu erwartenden natürlichen Vorgängen kann ein menschliches Verhalten nicht schwerpunktmäßig überlagern, wodurch es sich um eine Naturkatastrophe handelt, da das menschliche Verhalten gerade auf diesen natürlichen Vorgängen aufbaut. Eine Abgrenzung mag zwar auf den ersten Blick überflüssig erscheinen, da an die Stelle einer Naturkatastrophe gleichermaßen ein besonders schwerer Unglücksfall tritt. Somit liegt eine Einsatzlage nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG weiter vor. Auswirkungen bestehen jedoch, wenn die durch menschliches Verhalten begründete Gefahr ein Schadenausmaß von militärischer Bewaffnung erreicht. In diesem Falle ergeben sich die Befugnisse des Art. 87a GG und sperren gleichsam Art. 35 GG.356 Sollte die Gefahr mit dem Ausmaß militärischer Bewaffnung jedoch durch einen natürlichen Vorgang – somit eine Naturkatastrophe – hervorgerufen sein, so wäre Art. 87a GG nicht einschlägig, sondern einzig Art. 35 GG.357 2. Gefahrenintensität Primär wird im Wortlaut von Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG keine explizite Notwendigkeit des Vorliegens einer Gefahr benannt. Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG bezieht sich jedoch auf gerade diese Modalitäten des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG, setzt hierbei eine 353 Bezogen auf Gefahren aus dem Cyberraum ergibt sich hierbei schon aus der Tatsache, dass der Cyberraum durch menschliches Verhalten geschaffen wurde, die Zwangsannahme, dass jedes potentielle Schadensausmaß im Cyberraum durch menschliches Verhalten begründet wurde. 354 Vgl. Kloepfer, Zur Vermeidung von Naturkatastrophen durch Recht, DVBl. 2017, 141 (146 f.). 355 Beispiele für solch ein Szenario sind vielfach konstruierbar: Ein Hurricane etwa ist als natürliche Gefahr anzusehen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines Entstehens eines Hurricanes durch menschliches Verhalten gesteigert wurde. 356 Vgl. Teil 4 Kapitel 3 A.; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 37; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 2; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 69, 146. 357 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. b) bb).

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

Gefahr voraus und beschreibt diese Modalitäten als Gefahrenauslöser.358 Daher ergibt sich systematisch, dass auch bei Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG eine Gefahr bestehen muss, zu deren Abwehr Hilfe angefordert werden kann.359 Im Kontext der Wehrverfassung setzt sich der Begriff der Gefahr aus den Faktoren der Eintrittswahrscheinlichkeit und des Schadensausmaßes zusammen.360 Diese bestimmen die Gefahrenintensität. Je größer das potentielle Schadensausmaß und je konkreter bzw. höher die Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto größer bzw. intensiver ist die Gefahr.361 a) Mindestgefahrenintensität Durch den Wortlaut „-katastrophe“ bzw. „besonders schweren“ innerhalb des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG wird verdeutlicht, dass nicht jede noch so geringe Gefahrenintensität für eine Einsatzlage des Katastrophennotstands ausreichend ist.362 Notwendig ist geradezu ein katastrophaler Zustand bzw. eine besondere Schwere.363 Diese beziehen sich insbesondere auf das Gefahrenmerkmal des Schadenspotentials.364 Droht das Naturereignis bzw. der Unglücksfall ein besonders gravierendes

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Exemplarisch: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 260; von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 70. 359 BVerfGE 114, 118 (144); Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 38; Schenke, Die Verfassungswidrigkeit des § 14 III LuftSiG, NJW 2006, 736 (737). 360 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1. a); Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 256 f.; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 154; Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 88; Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91 GG, Rn. 19; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 29. 361 Vgl. Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 38, die in Hinsicht auf das „Schadensereignis und dessen Folgen“ auf die „diesbezügliche Gefahr, freilich als solche unmittelbar drohender Art, also die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ abstellen; m. w. N. auf Leisner, in: Sodan (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 5. 362 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 259, 261, 264, der bspw. auf ein „qualifiziertes Schadensereignis“ abstellt; ebenso: Sattler, Gefahrenabwehr im Katastrophenfall, S. 26, die auf eine „Gefährdung oder Schädigungen von Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder von Sachgütern von bedeutendem Wert oder existentieller Bedeutung“ abstellt; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 25. 363 Vgl. BVerfGE 114, 118 (149); BVerfGE 133, 241 (265); Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 38. 364 Hierzu Beispiele darstellend: Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 29; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 262, 266.

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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Schadensausmaß anzunehmen, so ist dies als Katastrophe bzw. als besonders schwer zu klassifizieren.365 Ein Streitkräfteeinsatz ist, wie das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht, Ultima Ratio der Gefahrenabwehr.366 An einen Streitkräfteeinsatz sind grundsätzlich hohe Hürden zu stellen. Diese Hürde konkretisiert sich in einer notwendigen Mindestgefahrenintensität im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG. Diese ist dabei nicht auf dem Intensitätslevel einer militärischen Bewaffnung zu sehen, sondern deutlich darunter. Damit diese minimale Gefahrenintensität erreicht wird, muss eine gesamtgesellschaftliche Relevanz des Schadensausmaßes bestehen.367 Dieses muss über ein Einzelfallschicksal hinausgehen und eine Vielzahl an zivilen Personen oder zivilen Objekten betreffen.368 b) Maximale Gefahrenintensität bei besonders schweren Unglücksfällen Auf Grund des Vorrangs des Art. 87a GG hinsichtlich Gefahren durch bzw. bei einem Ausmaß von militärischer Bewaffnung, sowie der damit verbundenen Sperrwirkung, besteht neben einer Mindestgefahrenintensität auch eine Maximal365

Zur Abgrenzung: Kloepfer, Zur Vermeidung von Naturkatastrophen durch Recht, DVBl. 2017, 141 (144 f.), der sich mit dem „anthropogenen Faktor“ beschäftigt. 366 Vgl. BVerfGE 133, 241 (267). 367 Vgl. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 29; Erbguth/ Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 38. 368 Vgl. Definition im Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung zu den Hilfsleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglückfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe, Erlass vom 15. 05. 2013, GMBl. 628, sub. 2; Grzeszick, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 45, der eine „Bedeutung für die Öffentlichkeit“ voraussieht; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 266, der eine „Betroffenheit hinreichend vieler Menschen“ voraussetzt; Sattler, Gefahrenabwehr im Katastrophenfall, S. 26, die auf eine „Schädigung von Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder von Sachgütern von bedeutendem Wert oder existenzieller Bedeutung“ abstellt; Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 127, nach dem die Schwelle zumindest „oberhalb von Fällen von besonderer Bedeutung i. S. des Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG“ liegt; hierzu ebenso: Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286 (1287), die auf ein „Schadensereignis von erheblichem und ungewöhnlichem Ausmaß“ abstellt; Hase, Das Luftsicherheitsgesetz: Abschuss von Flugzeugen als „Hilfe bei einem Unglücksfall“?, DÖV 2006, 213 (216); Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 25. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt sich hierbei nicht nur methodisch, sondern auch vom definitorischen Mehrwert überaus dünn. Dieses verdeutlichte durch die Aussage der „normativen Parallelisierung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen in Art. 35 Abs. 2 und 3 GG“ (BVerfGE 132, 1 Rn. 43) eine synonyme Schwelle der Begriffe Naturkatastrophe und besonders schwerer Unglücksfall. Die Schwelle sei dabei bei „katastrophischem Ausmaß“ bzw. „katastrophischen Dimensionen“ (BVerfGE 132, 1 Rn. 46) erreicht. Der Mehrwert der Aussage des Bundesverfassungsgerichts die Ausmaßschwelle einer Naturkatastrophe als „katastrophische[s] Ausmaß [bzw.] […] Dimension“ zu beschreiben, hält sich überaus in Grenzen.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

gefahrenintensität für die Einsatzlage nach Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG.369 Denn erreicht eine durch menschliches Verhalten ausgelöste Gefahr eine Intensität im Ausmaß einer militärischen Bewaffnung, ist die Gefahr durch militärische Bewaffnung ausgelöst oder gefährdet die Streitkräfte, besteht eine Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 oder Abs. 4 S. 1 GG370, wodurch auf Grund der jeweiligen Sperrwirkung des Art. 87a GG kein Anwendungsbereich einer Einsatzlage nach Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG existiert.371 Eine Einsatzlage nach Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG setzt daher voraus, dass eine Gefahrenrelevanz unterhalb einer militärischen Bewaffnung vorliegt. Wird eine Gefahr i. S. d. Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG nicht durch menschliches Verhalten, sondern durch ein Naturereignis begründet, geht hierbei Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG vor.372 Es besteht keine Sperrwirkung des Art. 87a GG, sodass diesbezüglich auch keine Maximalgefahrenintensität vorliegt.373 c) Auswirkung auf den wehrverfassungsrechtlichen Kontext Durch die notwendige Mindestgefahrenintensität des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG implementiert sich eine bezogen auf das Gesamtkonstrukt der Wehrverfassung vierte Relevanzschwelle.374 Diese besondere vierte Relevanzschwelle liegt über der Minimalschwelle eines Angriffs und unter der Maximalschwelle des Ausmaßes militärischer Bewaffnung.

369 Vgl. BVerfGE 132, 1 Rn. 45; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 263; Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, S. 283; Winkler, Die Systematik der grundgesetzlichen Normierung des Bundeswehreinsatzes unter Anknüpfung an die Regelung des LuftSiG, DÖV 2006, 149 (156); Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286 (1290); Froese, Bundeswehreinsätze im Innern zur Terrorismusbekämpfung, DVBl. 2017, 546 (548); Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 146. 370 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. I. 3.; Teil 4 Kapitel 2 A. I. 1. 371 Exemplarisch: Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 168 f. 372 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 5. b) bb). 373 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 263, der die Sperrwirkung des Art. 87a GG lediglich unter dem Kapitel des menschengemachten „besonders schweren Unglückfalls“ anführt, nicht jedoch hinsichtlich einer naturgemachten Naturkatastrophe. 374 Vgl. erste, „hinreichende“ Relevanzschwelle: Teil 3 Kapitel 2 A. II. 4.; zweite, „qualifizierte“ Relevanzschwelle: Teil 3 Kapitel 2 B. II. 1. c); dritte, „besonders qualifizierte“ Relevanzschwelle: Teil 4 Kapitel 1 B. I. 1. b) bb).

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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Waffengewalt i.S.d. Art. 115a GG Militärische Bewaffnung i.S.d. Art. 87a GG max. bei menschl. Ursprung Naturkatastrophe bzw. besonders schwerer Unglücksfall i.S.d. Art. 35 Abs. 2, 3 GG

Angriff i.S.d. Art. 87a GG Intensität der Gefahr

Abbildung 16: Intensitätsschwelle für Naturkatastrophen und besonders schwere Unglücksfälle

3. Bundeslandbezogener Gefahrenbezug Die Gefahr muss sich im Bundesland, welches die Streitkräfte anfordert, auswirken.375 Sofern der Einsatz zur Unterstützung der Polizeikräfte des jeweiligen Bundeslandes erfolgt, muss eine primäre Zuständigkeit der Landespolizeikräfte bestehen, da diese nur so unterstützt werden können.376 Solch eine Zuständigkeit besteht bei einer Gefahr innerhalb des Bundeslandes.377 Ein Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG in einem Drittstaat auf Grund einer dortigen Naturkatastrophe bzw. eines besonders schweren Unglücksfalls ist nicht möglich. Hinsichtlich Drittstaaten bildet Art. 24 Abs. 2 GG eine speziellere Rechtsgrundlage.378

375 Vgl. Münkler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 31; von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 74. 376 Vgl. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 30. 377 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 255, ohne dass sich die Gefahr auf das jeweilig betroffene Bundesland regional beschränken muss. 378 Vgl. Teil 2 Kapitel 2 C.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

Die Gefahr muss sich hierbei nicht auf das Bundesland beschränken, welches einen Streitkräfteeinsatz anfordert.379 Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG entfaltet gegenüber Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG keine Sperrwirkung, da sich die Feststellungskompetenzen über die Vornahme einer Einsatzhandlung unterschiedlich verteilen.380 4. Anforderung durch ein Bundesland Teil der Feststellungskompetenz sowie formelle Tatbestandsvoraussetzung der Einsatzlage ist eine Anforderung durch das betroffene Bundesland.381 Wer Anforderungsadressat im Falle der Streitkräfteanforderung ist, konkretisiert Art. 35 GG nicht.382 In Bezug auf den Streitkräfteeinsatz ist daher mangels alternativer Anhaltspunkte auf die allgemeinen Grundsätze innerhalb des wehrverfassungsrechtlichen Regimes zur Feststellung zur Vornahme von Streitkräfteeinsätzen zurückzugreifen. Denn auch wenn sich Art. 35 GG systematisch im zweiten Abschnitt des Grundgesetzes befindet, werden hierdurch auch wehrverfassungsrechtliche Einsatzbefugnisse begründet. Der vom Bundesverfassungsgericht verdeutlichte Legislativvorbehalt ist ein „wehrverfassungsrechtliche[r]“.383 Er beschränkt sich nicht lediglich auf Streitkräfteeinsätze nach Art. 87a GG, sondern bezieht sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts explizit auf Einsätze auf Grundlage des Art. 24 Abs. 2 GG.384 Gleichermaßen müssen auch Streitkräfteeinsätze über Art. 35 GG als Teil der Wehrverfassung dem wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt unterliegen.385 379 Ebenso: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 271. Eine Gefahr kann in zwei verschiedenen Bundesländern bestehen. Da die jeweiligen Landesregierungen über eine Anforderung der Streitkräfte entscheiden, besteht die Möglichkeit, dass eine Landesregierung nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG einen Streitkräfteeinsatz anfordert, während die andere Landesregierung hierauf aus unterschiedlichsten Motiven verzichtet. 380 Vgl. Teil 4 Kapitel 3 C. II. 4. 381 Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 255; vgl. hierzu: Hümmer, Die Bundeswehr im Innern, S. 123, nach dem eine landesrechtliche Vertretung durch die untere Katastrophenschutzbehörde möglich ist, bspw. bezogen auf Nordrhein-Westfalen durch § 4 Abs. 2 BHKG NRW. 382 BVerfGE 133, 241, Rn. 77; vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 256, nach dem auch nur ein einzelner am Schauplatz stationierter Truppenteil angefordert werden kann, sofern eine Eilbedürftigkeit dies erforderlich machen würde. 383 BVerfGE 121, 133 Rn. 68. 384 BVerfGE 90, 286 (383); BVerfGE 104, 151 (208); BVerfGE 121, 135 (169). 385 Besonders exemplarisch hierzu: BVerfGE 90, 286 (387): „Die hiernach in den Vorschriften des Grundgesetzes [Art. 35 GG miteinbeziehend] auf dem Hintergrund der deutschen Verfassungstradition seit 1918 zum Ausdruck kommende Entscheidung für eine umfassende parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte läßt ein der Wehrverfassung zugrundeliegendes Prinzip erkennen, nach dem der Einsatz bewaffneter Streitkräfte der konstitutiven, grundsätzlich vorherigen Zustimmung des Bundestages unterliegt“; vertiefend: Parche, Der Einsatz

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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Dessen Struktur beschreibt nach Art. 65a GG eine grundsätzliche Entscheidungsbefugnis bei dem/der BMVg. Sind jedoch bewaffnete Auseinandersetzungen im Rahmen des Einsatzes zu erwarten, so ist eine Legislativentscheidung einzuholen.386 Die Ausnahme hierbei stellt eine Eilbedürftigkeit der Einsatzvornahme dar, bei welcher der Bundesregierung die Entscheidungskompetenz zufällt.387 Sollte der Verteidigungsfall festgestellt sein, wandert hierbei die bei dem/der BMVg bestehende Entscheidungskompetenz bzw. Anforderungsadressatenstellung nach Art. 115b GG zu dem/der Bundeskanzler/-in.388 Bezogen auf die Gefahrenlage i. S. d. Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG ist somit analog zur Entscheidungskompetenz zur Vornahme einer Verteidigungshandlung der/die BMVg Anforderungsadressat.389 Sind jedoch bewaffnete Auseinandersetzungen zu erwarten, so ist eine Legislativentscheidung einzuholen und sind Anforderungsadressat entsprechend kollektiv der Bundestag und der Bundesrat. Besteht hierbei indes eine Eilbedürftigkeit, so ist Anforderungsadressat die Bundesregierung. Insbesondere das Szenario der nichtstaatlichen, nicht organisierten, aber leicht bewaffneten Plünderer, als ein typischerweise gedachtes Szenario des Art. 35 GG, ist eines, in dem die Bundesregierung Anforderungsadressat ist.390

von Streitkräften im inneren Notstand, S. 175 ff.; a. A. Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum, S. 258 f. 386 Vgl. Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 434 ff. 387 BVerfGE 121, 135 (154); Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 43; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 103; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24; Lutze, Der Parlamentsvorbehalt beim Einsatz bewaffneter Streitkräfte, DÖV 2003, 972 (977 f.). 388 Vgl. Gramm/Wittenberg, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115b GG, Rn. 1, nach denen eine „Konzentration aller zivilen und militärischen Entscheidungen bei dem Führungsorgan der Regierung“ bezweckt ist, was eine Entscheidung über einen bundeslandbezogenen Hilfseinsatz der Streitkräfte miteinbezieht. 389 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 142; Teil 3 Kapitel 3 C. II. 4.; im Ergebnis ähnlich vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 256; Epping, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 26. 390 Dass die Bundesregierung im typischen Einsatzszenario des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG Anforderungsadressat ist, belegen auch die historischen Materialien: BT-Drs. V/2873, S. 10, indem diese „[d]ie Entscheidung darüber, ob der Anforderung entsprochen werden kann, […] der angegangenen Landesregierung bzw. Bundesregierung“ zuschreibt. Da die Landesregierungen Anforderungsadressat für Landespolizeikräfte sind, verbleibt lediglich die Bundesregierung als Anforderungsadressat für Bundespolizeikräfte und Streitkräfte.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

II. Einsatzhandlungen des Katastrophennotstands nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG Liegt eine Einsatzlage nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG vor, befugt dies zu einer Einsatzhandlung der Streitkräfte. Hierbei könnten die Streitkräfte grundsätzlich alles Vorhandene und Mögliche nutzen.391 Dies umfasst, mittlerweile durch eindeutige Änderung der Verfassungsrechtsprechung geklärt392, auch die Verwendung militärischer Waffen.393 1. Erforderlichkeit Eine explizite Erforderlichkeitsanforderung, wie sie Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG vorsieht, ist im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG nicht notwendig.394 In der Anforderung des Landes steckt zwangsweise die Beurteilung, dass aus seiner Sicht eine Involvierung der Streitkräfte zur wirksamen Gefahrenabwehr erforderlich ist.395 Ein Schutz des Bundes vor offensichtlich nicht erforderlichen Anforderungen durch ein Land lässt sich unter dem Aspekt der Rücksichtnahme aus dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens ableiten.396 Durch diesen aus dem Bundesstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz folgt, dass Länder und Bund nicht rücksichtslos miteinander umgehen dürfen.397 Ein Verstoß gegen das Prinzip bundesfreundlichen 391 Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 246. 392 BVerfGE 132, 1 (19); zuvor noch anders: BVerfGE 115, 118 (146). 393 Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 38; Münkler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 42; von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 76; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 28; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 32; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 28. 394 Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 269; a. A. Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 29; Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 134. 395 Münkler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 39; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 26; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 30. 396 Sofern dies für Art. 35 GG für anwendbar erachtet wird. Die Anwendbarkeit ausdrücklich unterstellend: BT-Drucks. V/2873, S. 10: „aus dem Verfassungsprinzip der Bundestreue, das Bund und Länder und auch die Länder untereinander wechselseitig verpflichtet“; hierzu: von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 85; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 32; a. A. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 285. 397 Exemplarisch: BVerfGE 1, 299 (315); BVerfGE 6, 309 (361 f.); BVerfGE 8, 122 (138 ff.); Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20 GG, Rn. 68; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 20 GG (Bundesstaat), Rn. 45 ff.

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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Verhaltens wäre es, wenn ein Land beim Bund einen offensichtlich nicht erforderlichen Streitkräfteeinsatz anfordern würde. 2. Territorialer Zweckbezug Die Einsatzhandlung muss sich daneben auf das Bundesland, welches die Streitkräfte angefordert hat, zweckmäßig territorial beschränken.398 Da der Einsatz „Zur Hilfe“ erfolgen muss, besteht ein Kriterium des Zweckbezuges, welches an eine mögliche Einsatzhandlung als Maßnahmen zur Gefahrenabwehr des anfordernden Landes anknüpft.399 Diese Maßnahmen beschränken sich grundsätzlich auf das jeweilige Land.400 Entsprechend beschränken sich auch Hilfsleistungen als Annex zu den jeweiligen Landesmaßnahmen zweckmäßig auf diese.401 3. Keine territoriale Ausführungsbegrenzung Hiervon zu trennen ist die territoriale Ausführung der Einsatzhandlung. Als Maßnahme der Gefahrenabwehr ist diese grundsätzlich örtlich uneingeschränkt zulässig.402 Eine territoriale Begrenzung der Ausführungshandlung auf das anfordernde Bundesland besteht nicht.403

398 Vgl. Arndt, Bundeswehr und Polizei im Notstand, DVBl. 1968, 729 (730); Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 28. 399 Linke, AöR 2003, 490 (522); Münkler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 44; von Danwitz, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 75. 400 Als Ausnahmen wären hierbei grenzüberschreitende Polizeimaßnahmen denkbar, wie bspw. innerhalb der Europäischen Union nach Art. 40 Schengener Durchführungsabkommen (Amtsblatt Nr. L 239/2000 vom 22. 09. 2000, S. 19) oder der Schweiz, vgl. hierzu: Cremer, Der grenzüberschreitende Einsatz von Polizeibeamten nach dem deutsch-schweizerischen Polizeivertrag, ZaöRV 60 (2000), 103. 401 Sollte sich eine Gefahr territorial in weiteren Bundesländern auswirken, so können diese betroffenen Bundesländer nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG Hilfe anfordern oder kann bei Erforderlichkeit eine Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG erfolgen. 402 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 C., ebenso: Fn. 263 und 301. Dies bestätigt sich ebenso aus systematischer Sicht. Da alle anderen wehrverfassungsrechtlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, wie Verteidigungshandlungen, Einsatzhandlungen im Rahmen der Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG und Einsatzhandlungen zur Abwehr einer schweren staatsgefährdenden Gefahr im Ausland ausgeführt werden können, so erscheinen auch Einsatzhandlungen zur Abwehr eines Katastrophennotstands, welche ebenso wehrverfassungsrechtliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sind, prinzipiell im Ausland zulässigerweise ausführbar. Ebenso sei in diesem Kontext auf die Beispiele der Fn. 263 verwiesen. 403 Hierdurch ist ein Auslandseinsatz der Streitkräfte ist im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG – unter den weiteren Einschränkungen von Einsatzhandlungen, insbesondere die Wahrung der fremdstaatlichen Souveränität – grundsätzlich denkbar.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

4. Weitere Einschränkungen von Einsatzhandlungen Der bundeslandbezogene Hilfseinsatz reiht sich als eine mögliche Einsatzhandlung der Streitkräfte in den gesamtwehrverfassungsrechtlichen Kontext ein. Neben der territorialen Zweckbegrenzung des Einsatzes bestehen die – sofern anwendbar – weiteren Einschränkungen wie bei einer Verteidigungshandlung.404 Diese Einschränkungen umfassen insbesondere eine Unmöglichkeit einer Einsatzhandlung405 sowie den Grundrechtsschutz Betroffener und der Einsatzkräfte.406 Hinzu kommt zudem die mögliche Wahrung der Souveränität fremder Staaten oder anderer Bundesländer gegenüber den anfordernden Bundesland, sofern eine Einsatzhandlung nicht im anfordernden Bundesland ausgeführt wird.

III. Entscheidungskompetenzen hinsichtlich Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG Die Entscheidungskompetenzen hinsichtlich eines Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG unterteilen sich, vergleichbar zu anderen wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnissen, in die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Vornahme einer Einsatzhandlung und der Art und Weise der Ausführung der Einsatzhandlung.407 Durch die Notwendigkeit einer Anforderung durch ein betroffenes Bundesland wird zwangsweise die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Vornahme einer Einsatzhandlung aufgetrennt. Die Entscheidungskompetenz über die Vornahme einer Einsatzhandlung kommt zu einem Teil dem Anfordernden und zum anderen Teil dem Anforderungsadressaten zu.408 Der erste Teil der Entscheidungskompetenz hinsichtlich einer Vornahme einer Einsatzhandlung obliegt dem betroffenen Bundesland als Anforderndem.409 Durch 404 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 B.; ebenso: Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 272. 405 Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 218. 406 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. IV. 1.; Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, S. 161 ff.; Becker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR XI, § 240, Rn. 113 ff. 407 Vgl. Teil 3 Kapitel 3 C.; Teil 4 Kapitel 1 B. III.; Teil 4 Kapitel 2 C. 408 Dietz, Die Kompetenzverteilung des GG für Amtshilfe- und Unterstützungsmaßnahmen sowie Einsätze der Bundeswehr, DÖV 2012, 952 (955). 409 Vgl. Münkler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 31; Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 39 m. V. a. Rn. 36; vgl. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 30; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 26; hierbei scheinen die Erwägungen hinsichtlich des schweren staatsgefährdenden Notstands übertragbar (vgl. Teil 4 Kapitel 2 C.). Durch das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens muss ein Streitkräfteeinsatz erforderlich sein, was voraussetzt, dass die primär zuständigen Landespolizeikräfte mit einer Gefahrenabwehr überfordert sind. Ob dies

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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Anforderung eines Streitkräfteeinsatzes nimmt das anfordernde Bundesland inzident eine Einsatzlage nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG an.410 Denn erst wenn das Bundesland eine Einsatzlage für gegeben erachtet, kann es die Streitkräfte anfordern.411 Die Entscheidung über eine Anforderung eines Streitkräfteeinsatzes liegt im Ermessen des betroffenen Landes. Dieses Ermessen kann sich durch besondere Umstände auf null reduzieren, sodass eine Anforderung erfolgen muss.412 Der zweite Teil der Entscheidungskompetenz hinsichtlich einer Vornahme einer Einsatzhandlung kommt den Anforderungsadressatzen zu. Für den Bund ist hierbei auf Grund des Wesens als wehrverfassungsrechtliche Befugnisnorm zunächst der/die BMVg Anforderungsadressat.413 Sollten jedoch bewaffnete Auseinandersetzungen zu erwarten sein414, so greift mangels explizit durch Normierung getroffene Zuordnung der Entscheidungskompetenz das der Verfassung als „Prinzip“415 grund-

auf Grund personeller oder sachlich-technischer Überforderung vorliegt, ist zunächst irrelevant. Auf Grund dieser teleologisch vorausgesetzten Überforderung der Landespolizeikräfte scheint es wiederum sachgerecht dem/der Landesministerpräsidenten/-in bzw. Landesinnenminister/in die entsprechende Entscheidungskompetenz zuzuordnen. Diese können als sachnächste Stelle am umfassendsten erkennen, ob eine Überforderung der Polizeikräfte vorliegt und dadurch ein Streitkräfteeinsatz notwendig wird. Möglich bleibt natürlich eine Vertretung dieser Entscheidungskompetenz durch eine besonders betraute Stelle, wie eine Katastrophenschutzbehörde [vgl. Hümmer, Die Bundeswehr im Innern, S. 119 ff.; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 255. 410 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 29. Vgl. Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 151; Münkler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 31; Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 39 m. V. a. Rn. 36; vgl. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 30; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 26. 411 Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 144; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 30. 412 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 29, hierbei ist insbesondere auf die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG hinsichtlich seiner Bürger hinzuweisen. Vertiefend zur staatlichen Schutzpflicht: Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IX, § 191, Rn. 208 ff.; Leuschner, Sicherheit als Grundsatz, S. 43 ff. 413 Im Ergebnis ebenso: Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 151; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 256. 414 A. A.: Ladiges, Grenzen des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts, NVwZ 2010, 1075 (1076), nachdem die „Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen im Fall des Katastrophennotstandes ausgeschlossen sei […], da die Streitkräfte auf Grundlage von Art. 35II 2, III 1 GG nach dem Urteil des BVerfG zu § 14III LuftSiG keine „spezifisch militärischen Waffen” einsetzen dürfen“ [BVerfGE 112, 118 ( 146 ff.)]. Diese Rechtsprechung, welche argumentative Grundlage für die Annahme darstellt, wurde durch das Bundesverfassungsgericht jedoch zwei Jahr später explizit aufgegeben [BVerfGE 132, 1 (2. Leitsatz; 7 f.)]. 415 BVerfGE 90, 286 (383).

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

legend immanente Konstrukt des Legislativvorbehaltes416, wonach eine Entscheidung des Bundestages unter Beteiligung des Bundesrates einzuholen.417 Die Ausnahme hierbei stellt eine Eilbedürftigkeit der Einsatzvornahme dar, bei welcher der Bundesregierung die Entscheidungskompetenz zufällt.418 Sollte der Verteidigungsfall festgestellt sein, wandert hierbei die bei dem/der BMVg bestehende Entscheidungskompetenz bzw. Anforderungsadressatenstellung nach Art. 115b GG zu dem/der Bundeskanzler/-in.419 Hierbei kommt diesen ein Ermessensspielraum zu, eine Hilfsleistung zu verweigern.420 Auf Grund des Gebots bundesfreundlichen Verhaltens ist das Ermessen hinsichtlich einer Vornahme des Streitkräfteeinsatzes intendiert und reduziert sich unter normalen Umständen da416 Gegenargument bezüglich einer Anwendung des Legislativvorbehaltes bei erwarteten bewaffneten Auseinandersetzungen könnte eine zu übertragende Wertung des Art. 35 Abs. 3 GG sein. Nach dieser Wertung kommt ausschließlich der Bundesregierung die Entscheidungskompetenz hinsichtlich eines Streitkräfteeinsatzes zu. Der Bundestag hat keinerlei direktes Mitspracherecht; lediglich der Bundesrat kann einen Einsatz beenden. Dieses Gegenargument aus der Wertung des Art. 35 Abs. 3 GG vermag jedoch nicht zu überzeugen, da es an einer Übertragbarkeit der Wertung des Art. 35 Abs. 3 GG auf Art. 35 Abs. 2 GG scheitert. Zwar könnte man durch systematische Nähe der Absätze auf eine Übertragbarkeit rückschließen. Jedoch lässt Art. 35 Abs. 2 GG die Inhaberschaft der Entscheidungskompetenz offen, während Art. 35 Abs. 3 GG explizit eine Entscheidungskompetenz der Bundesregierung zuschreibt. Gerade aus diesem Fehlen einer expliziten Zuordnung der Entscheidungskompetenz zur Bundesregierung wird deutlich, dass diese bezüglich Art. 35 Abs. 2 GG nicht in selberweise beabsichtigt war, wie bei Art. 35 Abs. 3 GG. Dass es sich bei dem Fehlen der expliziten Zuordnung der Entscheidungskompetenz zur Bundesregierung in Art. 35 Abs. 2 GG um ein redaktionelles Versehen handelt und somit überhaupt eine Übertragbarkeit der Wertung ermöglicht, lässt sich ausschließen, da beide Absätze derselben Grundgesetzänderung entstammen und somit Bewusstsein über das Fehlen der expliziten Zuordnung anzunehmen ist. 417 Vgl. Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, S. 434 ff.; ebenso eine Anwendung des Parlamentsvorbehaltes auf Einsätze nach Art. 87a Abs. 4, 35 Abs. 2, 3 GG: Lutze, Der Parlamentsvorbehalt beim Einsatzbewaffneter Streitkräfte, DÖV 2003, 972 (977); Dreist, AWACS-Einsatz ohne Parlamentsbeschluss?, ZaöRV 64 (2004), 1001 (1034); a. A.: Dietz, Die Kompetenzverteilung des GG für Amtshilfeund Unterstützungsmaßnahmen sowie Einsätze der Bundeswehr, DÖV 2012, 952 (955), der jedoch übersieht, dass nur weil ein Land einen Streitkräfteeinsatz angefordert hat, dieser Anforderung nicht zwangsweise entsprochen werden muss. 418 BVerfGE 121, 135 (154); Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 87a GG, Rn. 43; Baldus/Müller-Franken, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 103; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 24; Lutze, Der Parlamentsvorbehalt beim Einsatz bewaffneter Streitkräfte, DÖV 2003, 972 (977 f.). 419 Vgl. Fn. 388. 420 Jeweils auf eine Verpflichtung bzw. Pflicht abstellen: Münkler, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 43; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 228; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 27; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 31; Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 40; im Kontext dessen kann das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens, sofern es für anwendbar angesehen wird, ein Ermessen einschränken, vgl. Fn. 396.

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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hingehend, dass ein als bundeslandbezogener Hilfseinsatz angeforderter Streitkräfteeinsatz vorgenommen werden muss.421 Wie bei allen anderen wehrverfassungsrechtlichen Einsatzbefugnissen obliegt die militärisch-operative Entscheidungskompetenz als Exekutiventscheidung dem/der IBuK, sprich im Normalzustand nach Art. 65a GG dem/der BMVg, im festgestellten Verteidigungsfall nach Art. 115b GG dem/der Bundeskanzler/-in.422

IV. Zwischenergebnis • Die Einsatzlage nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG setzt hinsichtlich der Modalität des besonders schweren Unglücksfalls eine Mindest- und eine Maximalgefahrenintensität voraus. Hinsichtlich einer Naturkatastrophe ist lediglich eine Mindestgefahrenintensität notwendig, da bezüglich natürlicher Gefahrenursprünge Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG Lex specialis gegenüber Art. 87a GG ist. • Eine Naturkatastrophe hat einen natürlichen Gefahrenursprung und eine Mindestgefahrenintensität, wodurch diese als Katastrophe gilt. Ein besonders schwerer Unglücksfall hat einen menschlichen Gefahrenursprung. • Eine Abgrenzung zwischen menschlichem und natürlichem Gefahrenursprung erfolgt in einem Gesamteindruck unter natürlicher Betrachtungsweise nach dem Schwerpunkt. • Die Gefahr muss sich im Bundesland, welches den Streitkräfteeinsatz anfordert, auswirken, ist jedoch nicht auf dieses beschränkt; anders als mögliche Einsatzhandlungen, die grundsätzlich auf das anfordernde Bundesland zu beschränken sind. • Mögliche Einsatzhandlungen können durch die wehrverfassungsrechtlichen Einschränkungsgründe, insbesondere den Grundrechtsschutz Betroffener und der Einsatzkräfte, begrenzt sein. • Die Entscheidungskompetenz über die Vornahme einer Einsatzhandlung kommt dem Anfordernden und dem Anforderungsadressaten zu. Zum einen entscheidet das möglicherweise betroffene Bundesland durch Anforderung eines Streitkräfteeinsatzes nach dessen Ermessen über die Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes. 421 So explizit BT-Drucks. V/2873, S. 10: „Die Entscheidung darüber, ob der Anforderung entsprochen werden kann, verbleibt zwar der angegangenen Landesregierung bzw. Bundesregierung. Es kann sein, daß der Anforderung wegen akuten dringenden Eigenbedarfs nicht entsprochen werden kann; aus dem Verfassungsprinzip der Bundestreue [bzw. dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens], das Bund und Länder und auch die Länder untereinander wechselseitig verpflichtet, ergibt sich jedoch im Grundsatz, daß die Anforderung nicht ohne hinreichenden sachlichen Grund verweigert werden kann“; vgl. BT-Drucks. V/1879, S. 23. 422 Vgl. von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 75; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 150; vgl. Teil 3 Kapitel 3 C. III.; Teil 4 Kapitel 1 B. III. 3.; Teil 4 Kapitel 2 C.

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

Zum andern entscheidet der Anforderungsadressat nach seinem Ermessen, ob der Anforderung nachgekommen wird. Hierbei kann sich sowohl das Ermessen des anfragenden Bundeslandes als auch das des Anforderungsadressaten durch besondere Umstände bzw. das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens auf null reduzieren. • Anforderungsadressat ist, analog zur Entscheidung über die Vornahme einer Verteidigungshandlung: der/die BMVg; bei Erwartung bewaffneter Auseinandersetzungen im Rahmen eines Legislativvorbehalts der Bundestag unter Beteiligung des Bundesrates; bei Erwartung bewaffneter Auseinandersetzungen und Eilbedürftigkeit einer Entscheidung die Bundesregierung; bei festgestelltem Verteidigungsfall der/die Bundeskanzler/-in. Die Entscheidung über die Art und Weise der militärisch-operativen Ausführung des Streitkräfteeinsatzes trifft der/ die IBuK.

C. Bundesländerübergreifende Hilfseinsätze nach Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG („Bundesintervention“) I. Grundsätzliche Übertragbarkeit der Ausführungen Die Ausführungen zum bundeslandbezogenen Hilfseinsatz nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG lassen sich grundsätzlich auf einen bundeslandübergreifenden Hilfseinsatz nach Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG übertragen. Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG verweist durch Verwendung des bestimmten Artikels auf den Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG. Die Begriffe „Naturkatastrophe“ bzw. „(besonders schwerer) Unglücksfall“ in Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG sind synonym zu verstehen.423 Somit lässt sich auf die Ausführungen zur Gefahr und zum Gefahrenauslöser innerhalb der Einsatzlage, insbesondere die Begriffe der Naturkatastrophe und des Unglücksfalls, verweisen.424 Zudem ist Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG gleichermaßen eine wehrverfassungsrechtliche Einsatzbefugnisnorm.425 Sich hieraus rückschließende Einschränkungen der Einsatzhandlung und Verteilung der Entscheidungskompetenzen im Rahmen des bundeslandbezogenen Hilfseinsatzes bestehen daher auch bei einem bundesländer-

423 Exemplarisch: Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 29; Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 282. 424 Vgl. zur Übertragbarkeit der Rückschlüsse zu Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG: Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 136. 425 Exemplarisch: Münkler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 51; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87a GG, Rn. 40.

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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übergreifenden Hilfseinsatz. Die Ausführungen hierzu im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG sind entsprechend auf Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG übertragbar.426

II. Besonderheiten des bundesländerübergreifenden Hilfseinsatzes gegenüber einem bundeslandbezogenen Hilfseinsatz 1. Territoriale Betroffenheit mehrerer Bundesländer Die Gefahr, ausgelöst durch ein Naturereignis oder ein menschliches Verhalten, muss territorial mehrere Bundesländer betreffen.427 Erst dann liegt eine Gefahr für „das Gebiet mehr als eines Landes“ vor. Welche Bundesländer dies sind, bspw. ob diese aneinandergrenzen müssen, schreibt Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG nicht vor. Entsprechend ist es irrelevant, welche konkreten Bundesländen betroffen sind, solange es mindestens zwei sind.428 2. Erforderlichkeit Anders als bei einem bundeslandbezogenen Hilfseinsatz ist bei einem bundeslandübergreifenden Hilfseinsatz eine explizite Erforderlichkeit notwendig.429 Hierdurch soll ausdrücklich das Land vor einer übermäßigen Bundesintervention geschützt werden.430 In dem Kontext ist zu beachten, dass Art. 30 GG die Länder in ihren Kompetenzen schützt, zu welchen auch die Gefahrenabwehr gehört.431 Ein nicht erforderlicher Streitkräfteeinsatz würde ein Land in dessen Kompetenzen verletzen und gegen Art. 30 GG verstoßen, da die Ausnahme der Länderzuständigkeit nach Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG nicht einschlägig wäre.432 426 Vgl. Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 146, reziprok zu Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG kann sich das Ermessen des Bundes hinsichtlich der Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes zur „Bundesintervention“ auf Grund der durch Art. 2 Abs. 2 GG begründeten Schutzpflicht gegenüber den jeweiligen Landesbürgern auf null reduzieren. 427 Exemplarisch: Erbguth/Schubert, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 41; Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 136. 428 Münkler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 49. 429 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 285. 430 von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 79; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 29, die beide von einer „Subsidiarität“ schreiben; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 33. 431 Ebd.; vgl. März, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 30 GG, Rn. 27. 432 Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 277; vgl. Teil 4 Kapitel 3 B. II. 1.; reziprok wird der Bund nach Art. 20

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Teil 4: Einsätze bei Szenarien ohne militärische Dimension

Eine Erforderlichkeit liegt insbesondere vor, wenn das primär zur Gefahrenabwehr zuständige Land hinsichtlich einer wirksamen Bekämpfung Unfähigkeit oder Unwillen aufweist.433 Hierbei lässt sich auf den Gedanken des Art. 91 Abs. 2 S. 1 GG rekurrieren.434 Hinsichtlich der Erforderlichkeitsprüfung besteht eine Einschätzungsprärogative der, über den bundesländerübergreifenden Hilfseinsatz entscheidenden, Bundesregierung.435 3. Verfahrensvoraussetzung Hält man den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens auf die Konstellation des Art. 35 GG für anwendbar, so folgt hieraus eine Pflicht des Bundes dem Land, in welchem der Einsatz stattfindet, Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.436 Eine Ausnahme von dieser Pflicht begründet sich bei einer Eilbedürftigkeit der Einsatzentscheidung. Würde das Einholen einer Stellungnahme eine effektive Gefahrenabwehr konterkarieren, so ist auf diese zu verzichten. 4. Entscheidungskompetenzen Die Verteilung der Entscheidungskompetenz modifiziert sich verglichen mit einem bundeslandbezogenen Hilfseinsatz erheblich. Durch die Zuschreibung des Entschließungsermessens zur Bundesregierung wird dieser auch die Bewertungskompetenz bezüglich der Einsatzvoraussetzungen zuteil.437 Die Bundesregierung hat somit die Entscheidungskompetenz sowohl hinsichtlich des Vorliegens einer EinAbs. 1 GG durch das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens vor nicht erforderlichen Anforderungen der Länder geschützt. 433 Von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 79; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 31. 434 Vgl. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 285. 435 Von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 80; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 31; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 35 GG, Rn. 29. 436 Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 35; Laschewski, Der Einsatz der deutschen Streitkräfte im Inland, S. 97; eine Anwendbarkeit des Gebots bundesfreundlichen Verhaltens annehmend: von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 80; Münkler, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 50; Magen, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, Art. 35 GG, Rn. 39; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 35; Dederer, in: Maunz/ Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 183; a. A. Reimer, in: Kahl/Waldhoff/ Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 286. 437 Ebenso: Dietz, Die Kompetenzverteilung des GG für Amtshilfe- und Unterstützungsmaßnahmen sowie Einsätze der Bundeswehr, DÖV 2012, 952 (956); vgl. von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 80.

Kap. 3: Hilfseinsätze im Katastrophennotstand

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satzlage als auch bezüglich der Vornahme einer Einsatzhandlung.438 Als Teil der Wehrverfassung übertragen sich die sonstigen allgemeinen Modifikationen und Verteilungen für wehrverfassungsrechtliche Einsatzbefugnisse. Sind im Rahmen des Hilfseinsatzes bewaffnete Auseinandersetzungen zu erwarten, so greift der Legislativvorbehalt mit (Rück-)Verschiebung zur Bundesregierung als ursprünglicher Entscheidungsträger bei Eilbedürftigkeit.439 Die Entscheidung über die Art und Weise der militärisch-operativen Ausführung liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich des/der IBuK.440 Ausnahmsweise kann auch die Bundesregierung konkrete Maßnahmen im Einzelfall anweisen.441

III. Zwischenergebnis • Die Ausführungen zum bundeslandbezogenen Hilfseinsatz gelten mit Ausnahme einzelner Besonderheiten auch für den bundesländerübergreifenden Hilfseinsatz. • Für einen bundesländerübergreifenden Hilfseinsatz muss sich die Gefahr in mehreren Bundesländern auswirken. • Das explizit benannte Erforderlichkeitsmerkmal ist gegeben, wenn die primär zuständigen Länder zur wirksamen Gefahrenabwehr unfähig oder nicht willens sind. • Die Bundesregierung muss auf Grund des Gebots des bundesfreundlichen Verhaltens den Ländern eine Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen, sofern eine Eilbedürftigkeit der Einsatzentscheidung nicht besteht. • Sowohl die Entscheidungskompetenz hinsichtlich eines Vorliegens einer Einsatzlage als auch zur Vornahme einer Einsatzhandlung liegen bei der Bundesregierung. Sofern jedoch bewaffnete Auseinandersetzungen vorliegen, greift der Legislativvorbehalt mit Rückverweisung zur Bundesregierung bei Eilbedürftigkeit. Die Entscheidung über die konkrete militärisch-operative Ausführung liegt dagegen bei dem/der BMVg. 438 Vgl. Dederer, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 157, 160; Teil 4 Kapitel 3 B. III. 439 Da etwa der Legislativvorbehalt diese auch bei bundeslandbezogenen Hilfseinsätzen nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG greift, ist eine Anwendbarkeit auch bei bundesländerübergreifenden Hilfseinsätzen nach Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG anzunehmen; vgl. Teil 4 Kapitel 3 B. III. 440 Vgl. BVerfGE 121, 135 (161); Oldiges/Brinktrine, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 65a GG, Rn. 19a. 441 Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 35 GG, Rn. 281, 300, nach dem aus dem Wortlaut „einsetzen“ auch eine Befugnis der Bundesregierung zu Einzelweisungen folgt, wobei zu beachten sei, dass die Bundesregierung mit Detailregelungen nachsteuern könnte, aber auch sonst von dem/der jeweilig zuständigen Minister/-in konkretisiert werden kann. Ein solche Befugnisausübung würde wohl in Vertretung des/der BMVg erfolgen, wobei ein Verstoß gegen die Ressortkompetenz nach Art. 65 S. 2 GG in der Regel aufgrund Relevanz der Weisung und somit fehlenden unverhältnismäßigen Eingriff nicht vorliegt.

Teil 5

Zusammenfassung der Thesen und Prüfungsschemata Die enumerativ dargestellten Einsatzbefugnisse der Wehrverfassung bieten weitreichendes Schutzpotential. Die historischen Materialien zeigen jedoch eindeutig auf, dass eine Begrenzung der Einsatzszenarien Pate bei der Schaffung des Art. 87a GG sowie der Notstandnovelle war. Eine Lückenlosigkeit kann auf Grund der begrenzten Einsatzszenarien nicht bestehen.1 Das macht jedoch nicht eine Ausweitung der Streitkräftebefugnisse und gar eine zum Polizeirecht vergleichbare Generalklausel notwendig, sondern eine regelmäßige Überarbeitung. Die staatliche Gefährdungslage stellt sich aktuell deutlich anders dar als die Gefährdungslage der 1960er Jahre.2 Indes handelt es sich bei der aktuellen Fassung des Verteidigungsbegriffs nicht um den „zahnlosen Tiger“, wie er teilweise in Bezug auf Terrorismusszenarien3, Seepiraterie4 oder Cyberbedrohungslagen5 dargestellt wird. Insbesondere die Vermutung aus dem Merkmal der militärischen Bewaffnung hinsichtlich der Merkmale der Staatlichkeit und Organisation löst einige praktische Anwendungsproblematiken auf.6 Darüber hinaus ist zu beobachten, dass in einer Gesamtschau der wehrverfassungsrechtlichen Normen, insbesondere nach einer systematischen Betrachtung, Abhängigkeiten und Bezüge der Normen sowie deren Merkmale zueinander bestehen.7 Dies konkretisiert sich in einer Trennung der Einsatzbegriffe in eine Tatbestandsseite, welche hier als Einsatz- bzw. Verteidigungslage beschrieben wird, und in eine Rechtsfolgenseite, entsprechend als Einsatz- bzw. Verteidigungshandlung beschrieben. Hierdurch werden nicht nur methodisch die einzelnen Grundbereiche der Einsatzbefugnisse aufgetrennt. Die „mannigfachen“8 Streitigkeiten und An1

Vgl. Teil 2 Kapitel 1 B. IV. 2. d) bb). Vgl. Teil 2 Kapitel 1 A. II.; Epping, in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 65a GG, Rn. 2 ff. 3 Vgl. Bäumerich/Schneider, Terrorismusbekämpfung durch Bundeswehreinsätze im Innern, NVwZ 2017, 189 (191). 4 Vgl. Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See, S. 165 ff. 5 Vgl. Ladiges, Der Cyberraum – ein (wehr-)verfassungsrechtliches Niemandsland?, NZWehrr 2017, 221 (225 f.). 6 Vgl. Teil 3 Kapitel 2 B. V. 7 Vgl. die sich gegenseitig abgrenzenden Relevanzschwellen: Teil 3 Kapitel 2 A. II. 1. a); Teil 3 Kapitel 2 B. II. 1. d); Teil 4 Kapitel 1 B. I. 2. a) bb) (2); Teil 4 Kapitel 2 A. I. 2.; Teil 4 Kapitel 3 A. I. 1. c). 8 BVerfGE 90, 286 (355). 2

Teil 5: Zusammenfassung der Thesen und Prüfungsschemata

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sichten zum Auslegungsergebnis insbesondere des Verteidigungsbegriffs, sowie zu den weiteren Einsatzbefugnissen, lassen sich so in einer Gesamtstruktur darstellen. Die strukturelle Abgrenzung wird durch eine militärische Dimension begründet. Ist diese beim Angreifer oder beim Angegriffenen militärisch, so bedingt dies eine Verteidigungslage. Liegt dagegen kein menschlicher, sondern ein natürlicher Gefahrenursprung vor, kann einzig eine Einsatzlage nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 Alt. 1, Abs. 3 S. 1 GG einschlägig sein. Militärischer Angreifer

Ziviler Angreifer

Natur als „Angreifer“

Verteidigung Militärischer nach Art. 87a Angegriffener Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Verteidigung nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Unterstützung nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 Alt. 1, Abs. 3 S. 1 Alt. 1 GG (Naturkatastrophe)

Verteidigung Ziviler Ange- nach Art. 87a griffener Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Einsatzbefugnis nach Art. 87a Abs. 3 oder Abs. 4 GG; Unterstützung nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 2. Alt., Abs. 3 S. 1 2. Alt. GG (besonders schwerer Unglücksfall)

Unterstützung nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 Alt. 1, Abs. 3 S. 1 1. Alt. GG (Naturkatastrophe)

Diese Gesamtstruktur bleibt dabei bestehen, auch wenn im Rahmen eines sicherlich unterschiedlich bewertbaren Meinungsstreits, wie bspw., ob Drittstaaten in den Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs inkludiert sind, oder ob als „drittes“ Merkmal zur militärischen Dimension eine äußere Gefahrenherkunft bzw. Staatlichkeit angenommen wird, eine zu den obigen Darstellungen abweichende Ansicht vertreten wird. Dies betrifft auch die Darstellung der Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der Einsatzbefugnisse. Diese trennen sich in einen Zweiklang der Entscheidungskompetenzen hinsichtlich einer Vornahme einer Einsatz-/Verteidigungshandlung, in welche inzident das Vorliegen einer Einsatz-/Verteidigungslage vorausgesetzt wird, und der Art und Weise der Ausführung der Einsatz-/Verteidigungshandlung auf. Die einzelnen Einsatzbefugnisse stehen hierbei in wechselseitiger Beziehung zueinander. Außerhalb der tabellarischen Auflistung ist des Weiteren die Einsatzbefugnis nach Art. 24 Abs. 2 GG einzuordnen. Als Lex specialis bezüglich der Streitkräfteeinsätze zum Schutz von Drittstaaten bestimmt sich der Umfang der Einsatzbefugnis nach Art. 24 Abs. 2 GG nach dem völkerrechtlichen Vertrag mit dem jeweiligen Drittstaat bzw. dem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit. Durch die Wirkung als Lex specialis sperrt sich unter anderem ein Erfassen von Drittstaaten durch den Schutzbereich des Verteidigungsbegriffs.

400

Teil 5: Zusammenfassung der Thesen und Prüfungsschemata

Die hierbei erwähnten Intensitätsschwellen lassen sich, wie bei dem jeweiligen Kapitel ausgeführt, in ein Verhältnis zueinander setzen. Schaubildhaft lässt sich dies wie folgt darstellen:

Waffengewalt i.S.d. Art. 115a GG Militärische Bewaffnung i.S.d. Art. 87a GG max. bei menschl. Ursprung Naturkatastrophe bzw. besonders schwerer Unglücksfall i.S.d. Art. 35 Abs. 2, 3 GG

Angriff i.S.d. Art. 87a GG Intensität der Gefahr

Abbildung 17: Übersicht der Intensitätsschwellen

Entsprechend grenzen sich dadurch die verschiedenen Einsatzbefugnisse der Wehrverfassung wesentlich durch die jeweils vorliegende Gefahrenintensität voneinander ab. Je nach gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen und Intensität kann sich eine Einsatzlage nach Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG, eine Einsatzlage auf Grund eines schweren staatsgefährdenden Notstands nach Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG bzw. eine Verteidigungslage nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG oder durch festgestellten Verteidigungsfall nach Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG ebenso eine Verteidigungslage oder eine Einsatzlage nach Art. 87a Abs. 3 GG ergeben. Hierbei stehen Verteidigung und Verteidigungsfall in einem teilidentischen Verhältnis zueinander. Dies wirkt sich auf die Einsatzbefugnis des Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG aus, da hierbei ein festgestellter Verteidigungsfall vorausgesetzt wird. Schaubildhaft lässt sich dies folgendermaßen darstellen:

Teil 5: Zusammenfassung der Thesen und Prüfungsschemata

401

Verteidigung (Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG) Notwendig für Befugnis (Tatbestandsmerkmal)

Erweitert Handlungsmöglichkeiten (als eigenständige Befugnis)

Sonderbefugnisse im Verteidigungs/Spannungsfall (Art. 87a Abs. 3 GG)

Ermöglicht (Rechtsfolge) Setzt voraus (Tatbestandsmerkmal)

Setzt voraus (Tatbestandsmerkmal)

Ermöglicht (Rechtsfolge)

Teilidentität auf formeller und materieller Ebene

Verteidigungsfall (Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG)

Spannungsfall (Art. 80a Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG)

Abbildung 18: Dreieckverhältnis von Art. 87a, 80a und 115a GG

Essentiell neben der jeweiligen Reichweite des Tatbestandes und der Rechtsfolge der jeweiligen Einsatzbefugnisse sind die Entscheidungskompetenzen hierzu. Da hierbei grundsätzlich ein Ermessen hinsichtlich der Vornahme eines Streitkräfteeinsatzes besteht, hat es für den einzelnen zu schützenden Bürger elementare Auswirkung, nicht nur wann eine Einsatzhandlung rechtlich zulässig wäre, sondern auch wer über solch eine Vornahme entscheidet. Die einzelnen Einsatzbefugnisse und ihre Bezüge aufeinander lassen sich schaubildhaft in einem Gesamtüberblick derart darstellen:

402

Teil 5: Zusammenfassung der Thesen und Prüfungsschemata Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Verteidigungslage mit

Angriff

modifiziert

Verteidigungshandlung Abwehr des Angriffs

militärischer Dimension

A-Objekt: - dt. Territorium - dt. Staatsangehörige (auch im Ausland) - nicht Drittstaaten u. deren Staatsangehörige

Verringerung einer Gefahr

milit. Angegriffener

Einschränkungsgründe

dt. Streitkräfte

Unmöglichkeit

milit. Angreifer

modifiziert

Bewaffnung

Ius in bello / hum. VölkerR

lässt vermuten

Art. 23 / 24 Abs. 2 / 24 Abs. 3 / 26 GG

- qualifizierte Intensität

A-Erfolg: - Gefahr Zukünftiger Schadenseintritt

Eintrittswahrscheinlichkeit

- geringe Intensität ① modifizieren

A-Handlung: - menschlich - (verfassungs)rechtswidrig

Grundrechtsschutz insb. Verhältnismäßigkeit (VHMK) bei Betroffenheit des milit. Angegriffenen und bei Identitätsunklarheit des Angreifers

Organisation Staatlichkeit inkludiert „Unwilling-orunable“-Test

Rechtstaatl. Prinzip der VHMK

Abbildung 19: Übersicht über die Einsatzbefugnisse Teil 1

Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG Verteidigungsfall materiell Angriff (vgl.

)

Waffengewalt - Höchste Intensität④ Bundesgebiet Zeitlich vorliegend / bevorstehend

formell durch BT und BR (ggf. GemAus) festgestellt ggf. bei Handlungsunfähigkeit BT / GemAus; Fiktion durch einzelne Stelle

Spannungsfall Zeit erhöhter internationaler Spannungen Erforderlichkeit erhöhter Verteidigungsbereitschaft

Einsatzlage Verteidigungsfall (vgl. Spannungsfall (vgl.

)

Gefahr für ziviles Objekt

ggf. Übertragungsakt formell durch BT festgestellt

Einsatzlage

Formell festgestellter:

ggf. Verteidigungsrelevanz (S. 1)

Art. 80a Abs. 1 GG materiell

Art. 87a Abs. 3 S. 1 u. 2 GG Sonderbefugnisse im Verteidigungs-/Spannungsfall

)

Einschränkungsgründe (vgl. ) Bei Verteidigungsakzessorietät (S. 1.) Erforderlichkeit für Vtdg-Auftrag Schutz vtdg-relev. ziviler Objekte und Verkehrssicherungsmaßnahmen Ohne Verteidigungsakzessorietät (S. 2) Unterstützung für Pol.-Kräfte

Abbildung 20: Übersicht über die Einsatzbefugnisse Teil 2

Teil 5: Zusammenfassung der Thesen und Prüfungsschemata Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG

403

Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG Katastrophennotstand

Schwerer staatsgefährdender Notstand Einsatzlage

Einsatzhandlung Unterstützung für Pol.-Kräfte

Drohende Gefahr für Bestand Bund o. B-Land / FDGO des Bundes o. B-Land

Gefahr für ziviles Objekt (vgl.

Naturkatastrophe (nat. Ursprung) / bes. schwerer Unglücksfall (menschl. Ursprung)

Einschränkungsgründe (vgl. )

Subsidiarität ggü. Art. 91 Abs. 2

Einsatzhandlung Unterstützung für Pol.-Kräfte

Einsatzlage

- erhebliche Intensität

)

Einschränkungsgründe (vgl. )



Betroffenheit eines B-Landes (Abs. 2 S. 2)

Militärisch bewaffnete (vgl. ) und organisierte (vgl. ) Aufständische

Anforderung durch B-

Art. 24 Abs. 2 GG

Betroffenheit mehrerer B-Länder (Abs. 3 S. 1)

Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit

Erforderlichkeit

Lex specialis bzgl. Schutz v. Drittstaaten / deren Staatsangehörigen

Abbildung 21: Übersicht über die Einsatzbefugnisse Teil 3

Hieraus lässt sich ein Prüfungsschema für die Einsatzbefugnisse der Streitkräfte ableiten, dass – sehr knapp – darstellt welcher Tatbestand einer Einsatzbefugnis gegeben ist und folgendermaßen lautet: Einsatzbefugnis der Streitkräfte Wer ist betroffen? Ziviler / Ziviles

Militärischer / Militärisches

Wodurch? Natur Hilfsbefugnisse nach Art. 35 (1. Alt) GG

Wodurch?

Menschlicher Angriff

Menschlicher Angriff Verteidigungsbefugnis nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Liegt auf Grund des Angriffs ein Verteidigungsfall (Art. 115a GG) vor? Nein

Natur Hilfsbefugnisse nach Art. 35 (1. Alt) GG

Ja

Abbildung 22: Simplifiziertes Prüfungsschema der Einsatzbefugnisse Teil 1

404

Teil 5: Zusammenfassung der Thesen und Prüfungsschemata Werden beim Angriff „klassische“ Kriegswaffen verwendet oder hat der Angriff eine gesamtgesellschaftliche Auswirkung und Relevanz, wie sie bei der Verwendung „klassischer“ Kriegswaffen entsteht? Ist der Verteidigungs- oder Spannungsfall bereits durch anderen Angriff festgestellt? Ja

Nein

Liegt ein Ausmaß besonderer Schwere vor? Nein

Nein

Verteidigungsakzessorische Sonderbefugnisse nach Art. 87a Abs. 3 GG

Ja Hilfsbefugnisse nach Art. 35 (2. Alt) GG

Keine Einsatzbefugnis

Ist die Vermutung einer Organisationsstruktur / Staatlichkeit des Angreifers widerlegt?

Ja

Nein

Verteidigungsbefugnis nach Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG

Ja

Schwerer staatsgefährdender Notstand nach Art. 87a Abs. 4 GG

Abbildung 23: Simplifiziertes Prüfungsschema der Einsatzbefugnisse Teil 2

Wie auch die Einsatzbefugnisse stehen die Entscheidungskompetenzen in wechselseitigem Verhältnis zueinander. Eine schaubildhafte Gesamtdarstellung sieht wie folgt aus: Art. 87a Abs. 1 S. 1, Abs. 2

Art. 115a Abs. 1 S. 1 Feststellung des Verteidigungsfalls - beinhaltet Entscheidung über Vornahme einer Verteidigungshandlung (vgl. )

Vornahme der Verteidigungshandlung - beinhaltet Entscheidung über Vorliegen einer Verteidigungslage

BT u. BR

BMVg bei Erwartung bewaffneter Auseinandersetzung bei zusätzlicher Eilbedürftigkeit Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung BMVg

IBuK wenn

:

BKanz

BT u. BR

BReg

bei deren obj. Handlungsunfähigkeit GemAus bei dessen obj. Handlungsunfähigkeit: Feststellung der Fiktion (Abs. 4) demokr. legitimierteste Stelle (BPräs / BReg / BKanz / BMVg etc.) Art. 80a Abs. 1 Feststellung des Spannungsfalls BT

Abbildung 24: Übersicht über die Entscheidungskompetenzen Teil 1

Teil 5: Zusammenfassung der Thesen und Prüfungsschemata Art. 87a Abs. 3 S. 1 u. 2 GG

Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG Vornahme der Einsatzhandlung

Vornahme der Einsatzhandlung durch Feststellung

BReg

oder

Einstellung d. Vornahme:

BMVg

BT / BR

Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung

Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung IBuK (vgl.

405

)

IBuK (vgl.

)

Abbildung 25: Übersicht über die Entscheidungskompetenzen Teil 2

Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG

Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG

Vornahme der Einsatzhandlung durch Anforderung:

Vornahme der Einsatzhandlung BReg

LReg

bei Erwartung bewaffneter Auseinandersetzung BT u. BR

ob Anforderung entsprochen: BMVg bei Erwartung bewaffneter Auseinandersetzung

BT u. BR

bei zusätzlicher Eilbedürftigkeit Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung IBuK (vgl.

)

BReg

bei zusätzlicher Eilbedürftigkeit BReg Einstellung d. Vornahme: BR Art und Weise der Ausführung der Verteidigungshandlung IBuK (vgl.

)

Abbildung 26: Übersicht über die Entscheidungskompetenzen Teil 3

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Stichwortverzeichnis Abgrenzung der Einsatzbefugnisse 52, 77 f., 90, 101 f., 313, 365, 381 f. Abstraktes Schutzgut der Verteidigung 133 f. Abwehr siehe Verteidigungshandlung Allgemeine Regeln des Völkerrechts 69, 264 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 224 Angriff siehe Angriffsbegriff Angriffsbegriff 41 f., 49 f., 73, 131 f., 320 Angriffskrieg 119, 175, 263 Art. 51 VN-Charta 61 f., 103, 198 Art und Weise einer Verteidigungshandlung 275, 309 Aufklärung siehe Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen Aufruhrnotstand 367 Aufstellung der Streitkräfte 32 f., 42, 71 f., 106 Auslandseinsatz 87 f., 145, 255, 267, 297, 309, 345, 389, 395 Äußerer Staatsnotstand siehe schwerer staatsgefährdender Notstand Ausspähen siehe Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen AWACS-Entscheidung 283, 297 Befehls- und Kommandogewalt 80, 96, 201, 230 f., 235, 281, 309 Besonders schwerer Unglücksfall 79, 379 f. Bestandsgefährdung 133 f., 139, 143, 195 Bewaffnung 181, 212 f., 325, 359, 383 Bundesgebiet 139, 331, 385 Bundesintervention siehe Bundesländerübergreifender Hilfseinsatz Bundeskanzler/-in 235, 281, 304, 308, 338, 352, 392 Bundeslandbezogener Hilfseinsatz 57, 79, 377 f. Bundesländerübergreifender Hilfseinsatz 57, 79, 394 f.

Bundesratsbeteiligung 285 f., 293 Bundeswehr 30, 137, 200 Bundeswehrverwaltung 120 f. Bündnisfall 62, 99, 104 f., 155 f. Bündnisverteidigung 63, 133, 145, 155 f., 162 Bürgerkrieg 357 f., 367 Cyberangriffe 23 f., 172, 250, 257 Cyberraum 172, 215, 226 Datenschutz 224 De-minimis-Schwelle 144, 183 f. Drittstaaten 139, 153 f. Drohende Gefahr 165 f., 332, 357 f., 378 Drohpotential 175 f., 185, 248 f., 325, 358, 365, 382 f. Eigenschutz der Streitkräfte 182 f., 198, 378 Eigentum 136, 142 f., 223 f., 272 Eilbedürftigkeit 277, 296 f., 302, 306 f. Einsatzbegriff 65, 114, 254 Einsatzhandlung 345 f., 352, 369 f., 388, 402 f. Einsatzlage 316 f., 351, 356 f., 365, 367, 377 f., 394 f., 402 f. Einschränkungsgründe 260 f., 345, 371, 373, 390 Entstehung der Einsatzbefugnisse 33 f., 42, 57, 71 f. Europäische Integration 265 Europäische Union 106, 265 Europäische Verteidigungsgemeinschaft 40, 103 Formeller Spannungsfall 340 Formeller Verteidigungsfall 303, 318 f. Fortbewegungsfreiheit 223 Freiheitliche demokratische Grundordnung 133, 140 f., 357

Stichwortverzeichnis Friedenschluss 288 f. Funktionales Verständnis des Verteidigungsbegriffs 113 f. Funktionsfähigkeit der Streitkräfte 137 f., 184 G8-Heiligendamm-Entscheidung 57, 298 Gebot der Bundestreue 388 Gebot der Texttreue 95, 159 Gefahrenabwehr 160, 164, 173 f., 226 f., 240, 256, 342, 362 Gefahrenintensität 50 f., 181 f., 212 f., 320, 326, 359, 381 f., 400 Gemeinsamer Ausschuss 303 Gesetzgebungsbefugnis 34, 71 f. Gewaltmonopol 123 f., 238 Gewaltschwelle siehe Relevanzschwelle Gewaltverbot 167, 170 f., 264 Grundrechtsschutz 242 f., 267 f., 390, 402 Hamburger Flutkatastrophe 57 Handlungsunfähigkeit 305 f., 336 f. Herkunft eines Angriffs siehe Zurechnung eines Angriffs Hilfseinsätze im Katastrophennotstand 375 Hoheitsgebiet 146 f., 219 f., 331 Humanitäres Völkerrecht 261 f. Hybride Kriegsführung 24 Informationelle Selbstbestimmung 224 Inhaber/-in der Befehls- und Kommandogewalt 230 f., 281 f., 309, 349 f., 355, 370 f., 397, 405 Inlandseinsatz 87 f., 145, 255, 267, 297, 309, 345, 389, 395 Innerer Staatsnotstand siehe Verteidigungsakzessorische Sonderbefugnisse Innerstaatlicher Notstand siehe Hilfseinsätze im Katastrophennotstand Intensitätsschwelle siehe Relevanzschwelle Ius in Bello 262 Konkretes Schutzgut der Verteidigung 138 f. Körper 222 Krieg 40 f., 61, 185, 270, 317 f., 404 Kriegswaffen 213 f., 404 Kumulative Angriffe 83 f., 227 f.

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Landesverteidigung 39, 132, 146 f. Leben 222 Legislativvorbehalt 282 f., 350, 392 Luftsicherheitsgesetz 55 Materieller Spannungsfall 99, 340 f. Materieller Verteidigungsfall 94 f., 319 f., 401 Menschlich verursachte Katastrophe siehe Besonders schwerer Unglücksfall Menschlichkeit 188 f., 379 Militärische Dimension 71 f., 199 f. Militärische Verteidigung siehe Militärische Dimension Mobilmachung 333 f., 341 Nadelstichtaktik siehe Kumulative Angriffe NATO-Truppenstatut 39, 197 Naturkatastrophe 79 f., 189 f., 378 f. Negative Abgrenzung 68, 79 f., 101, 119 f. Notstandsnovelle 33 f., 42, 57, 71 f. Organisation 201, 230 f., 235 f., 366 f. Out-of-Area-Entscheidung 39, 283, 306 Parlamentsvorbehalt siehe Legislativvorbehalt Personalverteidigung 147 f., 219 Polizeikräfte 52 f., 84, 346, 352 f., 362 f., 370 f. Prüfungsschema 402 f. Rechtfertigung 194 f. Relevanzschwelle 165 f., 181 f., 219 f., 324 f., 359 f., 378 f., 400 Rückführbarkeit eines Angriffs siehe Zurechnung eines Angriffs Schiedsgerichtsbarkeit 266 Schutz der Streitkräfte 136 f., 142 f., 182 f. Schutz ziviler Objekte 71 f., 83 f., 138 f., 219 f., 320, 342 f., 346 f., 365 f. Schutzlücke 54 f., 207, 323, 364 Schutzobjekt 133 f., 138 f., 212 f., 222 f., 323 f., 331, 357 f., 385, 395 Schutzpflicht 117 f., 126 f. Schwerer staatsgefährdender Notstand 81 f., 100, 356 f.

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Stichwortverzeichnis

Souveränität 139 f., 151 f. Spannungsfall 81, 99, 339 f. Sperrwirkung 87 f., 376, 383 f. Staatlichkeit 51 f., 69, 205 f., 233 f., 248 f., 321, 364 Staatselemente 139 Staatsgebiet siehe Bundesgebiet Staatsgewalt 139, 196 Staatsvolk 139 f., 147 f. Streitkräfteeinsatz 65, 87 f., 114, 254 Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit 40, 101 f. Technisches Verständnis 213 Teilidentität 94 f., 100 Territoriale Integrität 146 f., 219 f., 240, 331, 389 Terrorismus 27, 398 Trennungsgebot 125, 210 f. UN siehe Vereinte Nationen Untechnisches Verständnis 214 f., 323 f. Unwilling-or-Unable-Test 88, 208, 238 f. Vereinte Nationen 63 f., 103 Verhältnismäßigkeit 268 f., 273 f. Verkehrssicherungsmaßnahmen 348 f.

Vermutung von Merkmalen 248 f. Verteidigungsakzessorietät 316 f., 342 f. Verteidigungsauftrag 124 f. Verteidigungsbereitschaft 340 f. Verteidigungsfall 317 f. Verteidigungshandlung 253 f. Verteidigungslage 131 f. Verteidigungsminister/-in 230 f., 281 f., 309, 349 f., 355, 370 f., 397, 405 Verteidigungsrelevanz 342 f. Völkerrechtliche Verträge 122 Völkerrechtliches Verständnis 61 f. Vorfeld- und Aufklärungsmaßnahmen 258 f. Vornahme einer Verteidigungshandlung 274 f., 404 f. Vulnerabilität 216, 225 f. Waffenbegriff 213 f., 323 f. Waffengewalt 323 f. Zurechenbarkeit eines Angriffs 51 f., 192 f., 234, 237 f., 248 f., 256 f., 271 f. Zurechenbarkeitsmaßstab 235 f., 237 f., 248 f. Zweiter Weltkrieg 59