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German Pages 252 [254] Year 2009
Christian N. Wolz Konflikte zwischen der Notenbank und der Regierung in der Bundesrepublik Deutschland 1956–1961
Schriftenreihe des Instituts für bankhistorische Forschung e.V. ---------------------------------Herausgeber: Der Wissenschaftliche Beirat des Instituts für bankhistorische Forschung e.V.
Band 22
Christian N. Wolz
Konflikte zwischen der Notenbank und der Regierung in der Bundesrepublik Deutschland 1956–1961
Franz Steiner Verlag 2009
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-515-09433-7 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2009 Franz Steiner Verlag, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: Printservice Decker & Bokor, Bad Tölz Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung............................................................................................................. 9 1.1 Die Thesen zur Interaktion von Regierung und Notenbank ....................... 11 1.2 Die Evidenz: die Gürzenich-Affäre und der Konflikt um die DM-Aufwertung ............................................................................. 17 1.3 Zielstellung und Gang der Arbeit ............................................................... 22 2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln .................... 27 2.1 Ausgangspunkt: Diskurs mit notenbankrechtlichen Argumenten .............. 32 2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten ......................... 39 2.2.1 Die Verhandlungen .......................................................................... 39 2.2.2 Die Ergebnisse.................................................................................. 46 2.2.3 Das Scheitern.................................................................................... 56 2.3 Ende: Diskurs mit liquiditätspolitischen Argumenten ............................... 61 2.4 Die Beilegung des Konflikts ...................................................................... 65 3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes ............................................................................ 76 3.1 Ausgleichsforderungen und Kurs als wichtige Faktoren der Währungsumstellung ............................................................................ 78 3.2 Die Modalitäten für die Einführung der neuen Währung ........................... 82 3.2.1 Aus der Frage des Notenumtausches … .......................................... 84 3.2.2 … entwickelt sich die Frage der Notendeckung .............................. 91 3.2.3 Die Frage des Umstellungskurses .................................................... 98 3.3 Der Kabinettsbeschluß vom 11. Juli 1956: Vorrang für den Notenumtausch .............................................................. 103 3.4 Der Konflikt um den Umstellungskurs..................................................... 105 3.4.1 Die Argumente für und gegen die Umstellung zum amtlichen Kurs ....................................................................... 106 3.4.2 Die Reaktionen im BMF und im BMWi ........................................ 112 3.4.3 Die Entscheidung nach der öffentlichen Intervention des DGB Saar ................................................................................. 114 3.5 Der Abschluß der Saarverhandlungen: Vorrang für den Umstellungskurs ............................................................ 119 3.6 Der Konflikt um die bilanzielle Notendeckung........................................ 123 3.6.1 Der konsensorientierte Diskurs mit dem BMF .............................. 125 3.6.2 Die dissensrestituierende Intervention des BMWi ......................... 129 3.6.3 Die Kompromißlösung ................................................................... 134
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Inhaltsverzeichnis
4 Die Konflikte um wichtige notenbankrelevante Vorschriften im KWG ......... 138 4.1 Die Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht aus historischer Perspektive ..................................................................... 138 4.1.1 Die Entstehung und Entwicklung des KWG bis Kriegsende ......... 138 4.1.2 Die Situation nach Kriegsende ....................................................... 141 4.1.3 Das Scheitern des Versuchs einer Neuregelung: der BAKredG-Entwurf ................................................................... 143 4.2 Die Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht aus theoretischer Perspektive ................................................................... 149 4.3 Die Auseinandersetzungen im einzelnen.................................................. 153 4.3.1 Die Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität............ 156 4.3.2 Die Zins- und Wettbewerbsregelung – 1. Teil: Die BBk-Beteiligung ......................................................... 165 4.3.3 Die Organisation des zu errichtenden BAKred .............................. 174 4.3.4 Die Zins- und Wettbewerbsregelung – 2. Teil: Der Beteiligungsumfang .................................................... 181 4.3.5 Die Erfassung der sog. 7m-Revolvinggeschäfte ............................ 188 5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse ........................................................... 203 5.1 Die Analyse des individuellen Verhaltens im ZBR ................................. 203 5.2 Die Analyse der Bedeutung der öffentlichen Meinung ............................ 215 5.3 Zusammenfassung .................................................................................... 227 Anhang ................................................................................................................. 230 Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................ 246 Abbildungsverzeichnis......................................................................................... 247 Tabellenverzeichnis ............................................................................................. 247 Anhangsverzeichnis ............................................................................................. 247 Quellen- und Literaturverzeichnis ....................................................................... 248 Personenverzeichnis............................................................................................. 252
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung meiner im Frühjahrsund Sommersemester 2008 von der Abteilung für Volkswirtschaftslehre der Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim zur Promotion angenommenen Dissertation, für die sie im März 2009 die Druckerlaubnis erteilte. Sie untersucht anhand von drei Konflikten in den Jahren von 1956 bis 1961 die Interaktionen zwischen der deutschen Notenbank und Bundesregierung, zu denen es in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur im Hinblick auf die Notenbankunabhängigkeit zwar zahlreiche Thesen, aber so gut wie keine qualitative Überprüfung dieser Thesen gibt. Diese Lücke soll die vorliegende Dissertation schließen helfen. Meine Dissertation entstand auf Anregung und unter Betreuung von Professor Christoph Buchheim. Hierfür sowie für die Erstellung des Erstgutachtens danke ich ihm herzlich. Professor Roland Vaubel erstellte das Zweitgutachten. Ihm spreche ich hierfür ebenfalls meinen besonderen Dank aus. Weitere Anregungen, von denen meine Dissertation profitierte, erhielt ich von den Teilnehmern am Forschungsseminar und den Mitarbeitern des Seminars für Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Wertvolle Hinweise gab mir ferner Kerstin Gerling. Dieses Werk basiert auf einer umfangreichen Aktensichtung und -auswertung. Dem Team des Historischen Archivs der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main danke ich für die angenehme Arbeitsatmosphäre und die umfassende Bereitstellung von Mikroformen zur digitalen Weiterverarbeitung. Im Bundesarchiv in Koblenz gab man mir wertvolle Hinweise auf korrespondierende Unterlagen der Bundesregierung. Meinen besonderen Dank spreche ich den Mitarbeitern der Hessischen Landesbibliothek in Wiesbaden aus, die mir stets freundlich mit Rat und Tat zur Seite standen. Verwandte und Freunde begleiteten mich bis zum Abschluß meiner Dissertation. Ich danke insbesondere Winfried Gramich, bei dem ich während meiner langen Archivaufenthalte in Koblenz ein Zuhause fand, ebenso allen, die meine Forschungsberichte ertrugen sowie für Ablenkung in der Freizeit und beim Sport sorgten. Mein abschließender Dank geht an meine Eltern Mechtild und Ivo Wolz, ohne deren Unterstützung dieses Forschungsvorhaben nicht durchzuführen gewesen wäre. Ihnen widme ich dieses Buch. Wiesbaden, im Juni 2009
Christian N. Wolz
1 Einleitung Die Deutsche Bundesbank (Bundesbank) ist nach § 12 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (BBkG) vom 26. Juli 1957 (BGBl. I S. 745) bei der Ausübung der Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen, von Weisungen der Bundesregierung unabhängig. Auf diese das „Verhältnis der Bank zur Bundesregierung“ regelnde Vorschrift wird im allgemeinen verwiesen, um den unbestrittenen Erfolg der bundesdeutschen Notenbank im immerwährenden Kampf gegen die Inflation nach dem Zweiten Weltkrieg zu erklären. Mittlerweile ist es Common sense geworden, daß nur die Unabhängigkeit der Notenbank eine erfolgversprechende Inflationsbekämpfung gewährleistet. Zur Erklärung dieses Zusammenhangs sind theoretische Argumente und quantitative Analysen vorgetragen worden, die vor allem das Verhalten von Regierung und Notenbank thematisieren. Ihre qualitative Überprüfung anhand der Realität findet jedoch gewöhnlich nicht oder nur sehr begrenzt statt, weil sich die Details der Interaktion zwischen den beiden Akteuren der Öffentlichkeit meistens entziehen. Die vorliegende wirtschaftshistorische Arbeit geht den umgekehrten Weg. Sie analysiert in drei Fallstudien die Interaktion zwischen der Bundesregierung und der Notenbank in den Jahren von 1956 bis 1961 anhand umfangreichen Archivmaterials und soll so weitere Evidenz für oder wider die Gültigkeit der verschiedenen Argumente liefern. Das Plädoyer für eine unabhängige Notenbank wird mit dem Hinweis begründet, Regierungen seien „genuin“ daran interessiert, die Geldpolitik in den Dienst der Sicherung ihrer Wiederwahl und der Finanzierung des Budgets zu stellen.1 Eine mit den Instrumenten der Geldpolitik ausgestattete Regierung könnte kurzfristig vor einer Wahl die Geldmenge und damit temporär die Produktion und Beschäftigung erhöhen, langfristig aber nach einer wegen dieser Effekte möglicherweise erfolgten Wiederwahl nicht das reale Bruttosozialprodukt, sondern nur die Inflation. Umgekehrt würde eine derart ausgestattete Regierung wenig geneigt sein, vor einer Wahl zur Inflationsbekämpfung die Geldmenge zu reduzieren, weil dies kurzfristig die Produktion und Beschäftigung verringern, aber erst langfristig nach einer dadurch eventuell verlorenen Wahl die Inflation reduzieren würde.2 Dieses zeitliche Auseinanderfallen der Geldmengeneffekte stehe einer stetigen Preisniveaustabilisierung im Wege, erhöhe dauerhaft nur die Inflation (und somit die Wohlfahrtsverluste) und führe sogar für jene Regierungen zu einem Glaubwürdigkeitsproblem, die die langfristige Preisstabilisierung nicht der kurzfristigen Konjunkturpolitik unterordnen wollten. In der Theorie wird die Lösung des Glaubwürdigkeitsproblems in der glaubhaften Übertragung der geldpolitischen Befugnisse an eine „unabhängige“ und im 1 2
Neumann (1993), S. 81. Jarchow (2003), S. 326 ff.
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1 Einleitung
Vergleich zur Regierung inflationsaverse („konservative“) Notenbank gesehen.3 Diese müsse hierzu nicht nur de jure, sondern auch de facto weisungsunabhängig sein, weil sie anderenfalls ihre eventuell von der Regierung abweichenden geldpolitischen Vorstellungen kaum durchsetzen könnte. Diese „Selbstbindung“ der Regierung schaffe Glaubwürdigkeit und würde von den Wirtschaftssubjekten mit niedrigeren Inflationserwartungen honoriert werden.4 Die Forderung nach faktischer Notenbankunabhängigkeit wirft die Frage auf, wie diese gemessen bzw. beurteilt werden kann, wenn sich die Interaktion zwischen Regierung und Notenbank in der Regel im Verborgenen vollzieht. Zahlreiche Analysen scheinen empirisch den negativen Zusammenhang zwischen Notenbankunabhängigkeit und Inflation im internationalen Vergleich zu belegen.5 Diese Analysen rekurrieren aber mangels anderer Indikatoren meistens nur auf die gesetzlichen Bestimmungen. Dieses Vorgehen ist zu hinterfragen, weil De-jure- und De-facto-Unabhängigkeit eben nicht dasselbe ist. Letztlich ist keine nationale Notenbank vollkommen unabhängig. Über ihnen hängt – selbst bei konstitutionell garantierter Unabhängigkeit – immer das Damoklesschwert einer Gesetzesänderung, mit deren Androhung oder sogar Durchführung Regierungen (und ggf. Parlamente) das Notenbankverhalten beeinflussen und schließlich kontrollieren können. Auch im Fall der Bank deutscher Länder (BdL) bzw. der Bundesbank (BBk) dürfte das nicht anders gewesen sein. Die herrschende juristische Meinung vertrat jedenfalls die Auffassung, daß der Unabhängigkeit der Notenbank kein Verfassungsrang zustünde und daß es zur Änderung des Übergangsgesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der BdL (BdL-Gesetz) vom 10. August 1951 (BGBl. I S. 509) bzw. des BBkG vermutlich nur eines einfachen Gesetzes bedurft hätte.6 Die selbstbindungstheoretischen Erklärungsversuche zu den Vorteilen einer unabhängigen Notenbank unterstellen benevolente Regierungen. Den Nachteilen (z. B. in Gestalt einer erwarteten höheren Inflation), die aus der Vermutung der Wirtschaftssubjekte resultieren, daß ihre Regierung die kurzfristige Konjunkturpolitik aus wahltaktischen Gründen über die längerfristige Preisstabilisierung stellt (also nicht benevolent handelt), begegne die Regierung von vornherein, indem sie die Geldpolitik benevolent auf eine unabhängige und konservative Notenbank zu Zwecken der Wohlfahrtsmaximierung überträgt. Die Selbstbindungstheorie kann daher die Konflikte, auch jene, die die Bundesregierung und die Notenbank von 1956 bis 1961 austrugen und die im folgenden behandelt werden, nicht erklären. Sie wirft vielmehr nach Berger (1997b) Fragen auf, weil sie nicht schlüssig ist. Die für die Übertragung der geldpolitischen Befugnisse an eine unabhängige Notenbank aufgeführten Argumente beschreiben ihm zufolge nämlich zugleich Anreize für die Regierung, sich des Damoklesschwerts zu bedienen und 3 4 5 6
Rogoff (1985), S. 1169 ff. Berger (1997b), S. 90 ff. So z. B. Alesina / Summers (1993), S. 151 ff. Für weitere Beispiele siehe die Übersicht über die empirischen Ergebnisse bei Berger (1997b), S. 101 ff. Berger (1997a), S. 53.
1.1 Die Thesen zur Interaktion von Regierung und Notenbank
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die einmal erklärte Unabhängigkeit zurückzunehmen: „War es vor der Einführung der autonomen Zentralbank für die Regierung optimal, kurzfristig von einem gegebenen Stabilitätsversprechen abzuweichen, so gilt nun dasselbe für ihre Zusage, die Geldpolitik alleine der Bank zu überlassen. Wäre das Regierungsversprechen ohne weiteres Zutun glaubwürdig, so hätte es der unabhängigen Notenbank ja gar nicht erst bedurft.“7 Dieser Hinweis verkennt, daß weder die Regierung noch die Notenbank ein Monolith ist und in ihnen zahlreiche individuelle Akteure wirken. Er verkennt ferner, daß die Interaktion zwischen einer Notenbank und einer Regierung ein dynamischer Prozeß ist, bei dem Verfahrensregeln eine besondere Rolle spielen. Anders als bei einer abhängigen, quasi nach interner ministerieller Weisung agierenden Notenbank würde die bei einer offiziell bestehenden Weisungsungebundenheit erforderliche Gesetzesänderung, weil sie zwangsläufig öffentlich vorgenommen werden müßte, eine möglicherweise mit erheblichen politischen Kosten verbundene Abfolge weiterer Interaktionen auslösen. Damit wird der Fokus der Betrachtung von der Institutionalisierung der Notenbank auf die ständige Interaktion zwischen ihr und der Regierung gelenkt. Bedeutender als die Gründung der BdL 1948 und deren Umwandlung in die Bundesbank 1957, die die juristischen Grundlagen für das spätere Notenbankwirken schufen, ist schließlich, ob und ggf. wie es der Notenbank in der Folgezeit trotz des Damoklesschwerts einer Gesetzesänderung gelang, nicht nur rechtlich, sondern eben auch faktisch unabhängig zu sein. Zur Klärung dieser Fragen liefert die politökonomische Literatur eine Reihe von Thesen. 1.1 Die Thesen zur Interaktion von Regierung und Notenbank Im Gegensatz zur traditionellen Sicht, wonach Regierungen benevolent die gesellschaftliche Wohlfahrt maximieren, geht die wesentlich von Downs (1957) und Buchanan / Tullock (1962) entwickelte Neue Politische Ökonomie davon aus, daß die Akteure in Regierung und Bürokratie aufgrund individueller Kosten- und Nutzenüberlegungen ihre Eigeninteressen verfolgen. Regierungen bzw. deren Akteure verhielten sich als an ihrer Wiederwahl orientierte Stimmenmaximierer. Sie nutzten das eingangs beschriebene zeitliche Auseinanderfallen der Geldmengeneffekte aus und profitierten dabei davon, daß die Wähler nur ein Kurzzeitgedächtnis hätten und ihre regelmäßige Manipulation verkennen würden.8 Sie agierten opportunistisch und erzeugten bewußt Konjunkturbewegungen, d. h. „politische Konjunkturzyklen“, in der Weise, daß Aufschwünge und Wahlen zusammenfallen. Sie verhielten sich ideologisch und folgten den jeweiligen fundamentalen Parteipräferenzen, wenn sie bei einer hohen Wiederwahlchance und einem daher vorhandenen Handlungsspielraum ihr Ziel der Stimmenmaximierung relativieren können. Sozialistische Regierungen bevorzugten dann eine expansivere Politik als konser7 8
Berger (1997b), S. 94. Berger (1997b), S. 96.
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vative Regierungen, weil sie die Kosten der Arbeitslosigkeit höher gewichteten als die Kosten der Inflation. Unter diesen Aspekten erklärt sich die Institutionalisierung einer unabhängigen Notenbank nicht aus der (benevolenten) Erhöhung der Wohlfahrt durch Inflationsverringerung, sondern – wenn sie nicht (wie im Fall der BdL) auf exogene Faktoren (wie die Besatzungsmächte) zurückzuführen ist – aus der Stimmenmaximierung der von einem entsprechenden Wählerwunsch ausgehenden Regierungsakteure. Dieser Wunsch scheint allerdings nicht bei der ständigen Interaktion zwischen der Notenbank und der Regierung, sondern erst dann wieder eine Rolle zu spielen, wenn die Notenbankunabhängigkeit infragegestellt wird: Kane (1980) argumentiert (mit Blick auf die US-amerikanische Federal Reserve Bank), daß die Politiker die Notenbank als politische Institution entworfen hätten, um ihnen als Sündenbock zu dienen, wofür sie deren Vertreter im Gegenzug z. B. mit einer ungewöhnlich langen Amtszeit entlohnen würden.9 Gegen diese Argumentation läßt sich aber einwenden, daß eine Regierung, die die Schuld für eine Entscheidung auf die Notenbank abwälzt, wie erwähnt, den Notenbankstatus ändern kann und auch ändern müßte, um nicht unglaubwürdig zu werden.10 Hiervon scheint sie wiederum der Wählerwunsch abhalten zu können. Es kann daher vermutet werden, daß die wählende Öffentlichkeit sowohl bei der Institutionalisierung als auch beim Statuserhalt der unabhängigen Notenbank eine wichtige, wenn nicht die entscheidende Rolle spielt. Die Überprüfung der Gültigkeit dieser – gleich noch einmal bei der Erklärung des Notenbankverhaltens auftauchenden – Vermutung anhand der drei Fallstudien ist ein Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit. Weil nicht nur die Regierung mit ihrem dazugehörigen Verwaltungsapparat, sondern auch die Notenbank ein Teil der Bürokratie ist, übertrugen folgerichtig Chant / Acheson (1972) die Annahmen der Neuen Politischen Ökonomie erstmals auf die Notenbank und deren Akteure.11 Diese seien zwar, wie die seitdem fortentwickelte Literatur meint, keine Stimmenmaximierer, strebten aber wie die Akteure in der Ministerialbürokratie eigennutzorientiert nach einer Maximierung ihres Einkommens, ihres Arbeitskomforts, ihres Ansehens und ihrer Macht.12 Ihre ihnen eigentlich zur Sicherung der Preisstabilität eingeräumte Unabhängigkeit eröffne ihnen hierfür den Spielraum: Die Notenbankakteure beschränkten sich nicht darauf, ihr Ansehen durch Preisstabilisierung zu maximieren, sondern erlaubten ein gewisses Inflationsniveau, um ihre Existenzberechtigung (Inflationsbekämpfung) nicht zu gefährden.13 Sie ließen die Öffentlichkeit mit einer Vielzahl von Aussagen, Beurteilungen, Zielankündigungen und Prognosen im Unklaren oder gäben anderen wirtschaftspolitischen Akteuren, wie z. B. den Tarifparteien oder den Finanzpolitikern, die Schuld für eine nicht den Wünschen der Öffentlichkeit entsprechende Inflationsrate. Sie bemühten sich, ihr Instrumentarium, zu 9 10 11 12 13
Kane (1980), S. 208 ff. Berger (1997b), S. 97 f. Chant / Acheson (1972), S. 13 ff. Vaubel (1993), S. 24 ff. Puchta (1981), S. 275. Hartwig (1984), S. 316.
1.1 Die Thesen zur Interaktion von Regierung und Notenbank
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dem Puchta (1981) auch die Anlagevorschriften für die Kreditinstitute und die Bankenaufsicht zählt,14 zu erweitern. Gegen eine inflationistisch gesinnte Regierung nutzten sie indirekt ihre Macht über die Banken, indem sie deren Inflationskosten, z. B. über die unverzinslichen Mindestreserven, erhöhten oder deren Informationskosten durch den Einsatz einer Vielzahl geldpolitischer Instrumente in die Höhe trieben.15 Ein Nachweis für derartige vermeintlich auf Eigennutzorientierung der Akteure zurückzuführende Notenbankaktionen, hinter denen, was diese Literatur häufig vernachlässigt, grundsätzlich auch Sachorientierung gestanden haben kann, wird kaum geführt. Nicht Benevolenz, sondern Eigennutzorientierung – mit teils übereinstimmenden, teils unterschiedlichen Ausprägungen – liegt also nach dieser Meinung sowohl dem Handeln der Regierungs- als auch dem Handeln der Notenbankakteure zugrunde. Dies hat zu geteilten Meinungen über das Machtverhältnis zwischen Notenbank und Regierung geführt. Die grundlegende Literatur seit Chant / Acheson (1972) betont die Bedeutung des erwähnten Damoklesschwerts einer Gesetzesänderung. Sie vermutet, daß sich eine autonome Notenbank opportunistisch verhalte und solche Konflikte mit der Regierung vermeide, die ihre Unabhängigkeit bedrohen könnten.16 In diesem Zusammenhang wird üblicherweise auf Frey / Schneider (1981) verwiesen, die in einer ökonometrischen Analyse sieben Konflikte zwischen 1957 und 1977 identifizieren, bei denen die Bundesbank dem Druck der Bundesregierung nachgegeben und beim Mindestreserve-, Diskontund Lombardsatz sowie beim Notenbankkredit mit einer gewissen Zeitverzögerung in einer Linie mit der Fiskalpolitik des Bundes expansiv gewirkt und so opportunistisch „geldpolitische Konjunkturzyklen“ erzeugt haben soll. Frey / Schneider (1981) leiten hieraus die These ab, daß die Bundesbank allenfalls in geringfügige Konflikte mit der Regierung eingetreten sei. Schwerwiegende Konflikte habe sie möglichst gemieden, weil die Regierung jederzeit durch eine Gesetzesänderung die Mitglieder des Führungsgremiums hätte austauschen oder dessen Funktionen übernehmen können, um die Notenbank zu einem Wechsel ihrer Geldpolitik zu zwingen. Die Bundesbank verfolge daher eine Befriedigungsstrategie, die sich darauf konzentriere, Konflikte mit der Regierung unterhalb eines bestimmten Niveaus zu halten.17 Die These von Frey / Schneider (1981) wirft die Frage auf, warum es überhaupt zu offensichtlichen Konflikten zwischen der Notenbank und der Regierung kam oder ob es sich hierbei gar nicht um schwerwiegende, d. h. existenzgefährdende, Konflikte handelte. Eine mögliche Antwort auf diese Frage liefert Puchta (1981), der ein Gegengewicht zum Damoklesschwert einer Gesetzesänderung identifiziert zu haben meint. Er weist darauf hin, daß eine Notenbank in Konflikte mit der Regierung eintreten könne, um eigennutzorientiert ihren Handlungsspielraum auszuweiten. 14 15 16 17
Puchta (1981), S. 302 ff. Vaubel (1993), S. 31 ff., und die ebd. erwähnte Literatur. Chant / Acheson (1972), S. 14. Frey / Schneider (1981), S. 291 ff.
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Für das beiderseitige Verhältnis sei einerseits entscheidend, daß die Regierung das Notenbankgesetz ändern kann. Die Notenbank könne jedoch andererseits zur Maximierung ihres Handlungsspielraums mit der Öffentlichkeit (oder mit anderen Akteuren) koalieren, so daß eine auf ihre Wiederwahl bedachte Regierung es sich kaum leisten werde, das Notenbankgesetz zu ändern.18 Die Aktionen der Notenbank, wie ihr angeblich permanenter Versuch, die Öffentlichkeit mit Hilfe zahlreicher Verlautbarungen, z. B. in ihren Monatsberichten, in ihrem Sinne zu beeinflussen und so ihr Ansehen und ihre Position gegenüber der Regierung zu stärken,19 können demnach auch machtorientiert (gewesen) sein – erneut freilich mit dem Zweck, eigennutz- und / oder sachorientierte Ziele zu erreichen. Die These von Puchta (1981) erlaubt die Existenz von „echten“ Konflikten. Sie erweitert die These von Frey / Schneider (1981), nach der der Spielraum der Notenbank durch die Handlungen beschrieben wird, die sie durchführen kann, ohne in Konflikte mit der Regierung zu geraten, um den Aspekt, daß sie die Grenzen ihres Spielraums selbst beeinflussen kann. Sie erlaubt folgende Konklusionen: Der Ausgang offener Konflikte zwischen der Bundesregierung und der Bundesbank, z. B. um den Notenbankbeitrag zur Finanzierung öffentlicher Haushalte, bleibt im vorhinein unklar und wird letztlich zugunsten desjenigen Akteurs entschieden, für den die Öffentlichkeit Partei ergreift. Sofern (zumindest) einer der beiden Akteure davon ausgeht, daß ihn die Öffentlichkeit in einem Konflikt unterstützen würde, wäre das für ihn ein Anreiz, den Konflikt an die Öffentlichkeit zu tragen. Weil aber die öffentliche Meinung nicht immer erkennbar ist und Schwankungen unterliegt, wird nicht jeder Konflikt an die Öffentlichkeit getragen. Daraus wird deutlich, daß die Konflikte, wie Berger (1997a) meint, nicht zwangsläufig existentiell, sondern vermutlich „Indikatoren eines an sich stabilen institutionellen Arrangements bzw. der jeweiligen Handlungsspielräume“ sind. Die vorliegende Arbeit liefert daher nicht „nur“ weitere Evidenz für oder wider die verschiedenen Thesen zum Verhältnis zwischen der Notenbank und der Regierung, sondern auch eine ihm zufolge bislang noch nicht geleistete Beschreibung dieses Arrangements20. Frey / Schneider (1981) und Puchta (1981) betrachten jedoch die Notenbank als Monolith und vernachlässigen bei ihren Thesen, daß das Verhalten der Notenbank üblicherweise das Ergebnis des individuellen (Abstimmungs-)Verhaltens der einzelnen Mitglieder in ihrem Leitungsgremium, dem Zentralbankrat (ZBR), war. Auch diese Akteure können (wie die Notenbank als Ganzes) opportunistisch eine Strategie der Befriedigung oder eine Strategie der Ausweitung des eigenen Handlungsspielraums verfolgt haben. Dieser Mangel läßt sich dadurch beheben, daß die Gültigkeit der beiden (und der folgenden) Thesen als weiterer Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit nicht nur auf der kollektiven Ebene der Notenbank, sondern auch auf der individuellen Ebene der Mitglieder ihres Leitungsgremiums untersucht wird. Das ist schon deshalb nötig, weil das individuelle Verhalten der 18 Puchta (1981), S. 240 f. und S. 285. 19 Puchta (1981), S. 275. Hartwig (1984), S. 316. 20 Berger (1997a), S. 46 ff.
1.1 Die Thesen zur Interaktion von Regierung und Notenbank
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ZBR-Mitglieder längst das Interesse der theoretischen Literatur erweckt hat, die sich mit ihm unter dem Schlagwort der persönlichen Unabhängigkeit befaßt. Die Fortentwicklung der monolithischen Notenbankbetrachtung zu einer Untersuchung auf disaggregiertem Niveau ist Vaubel (1993) zu verdanken, der (ideologisches) Parteigängertum im ZBR vermutet. Die ZBR-Mitglieder setzten sich zwar aus ihrem gemeinsamen Bürokratieinteresse für die Unabhängigkeit und für zusätzliche Kompetenzen der Notenbank ein. In Vorwahlzeiten (ca. 15 Monate) wollten sie aber die Wiederwahlchancen der von ihnen jeweils bevorzugten Partei verbessern. Wenn in diesen Zeiten die Regierungsanhänger im ZBR in der Mehrheit waren, habe die Notenbank der Regierung zugearbeitet. Sie habe ihr entgegengearbeitet, falls die Oppositionsanhänger im ZBR die Mehrheit hatten. Diese These klingt plausibel, weil der diskretionäre Spielraum der ZBR-Mitglieder wegen ihrer gewöhnlich achtjährigen Amtsdauer größer gewesen sein dürfte als der Spielraum der Regierungspolitiker. Sie hat außerdem Charme, weil sie Abweichungen von der Theorie geldpolitischer Konjunkturzyklen erklären könnte. Vaubel (1993, 1997) ordnet zu ihrer Überprüfung jeden LZB-Präsidenten als Anhänger der ihn in sein Amt berufenden Partei und die von einer Großen Koalition nominierten LZB-Präsidenten sowie alle übrigen ZBR-Mitglieder aufgrund einer Expertenbefragung ein. Anhand der mit dieser Einordnung für den Zeitraum von 1950 bis 1994 ermittelten Mehrheitsverhältnisse im ZBR findet er eine „überwältigende Rückendeckung“ für seine sog. „Parteipräferenzhypothese“. Die Ausweitung der Geldmenge M1 habe sich beschleunigt, sofern die Bundesregierung zu Beginn der Vorwahlzeit über eine politische Mehrheit im ZBR verfügte oder sich diese im Verlauf zu ihren Gunsten änderte. Vaubel (1997) zieht daraus das Fazit, die Notenbank sei zwar unabhängig, nicht aber politisch neutral gewesen.21 Diese Thesen zum Verhalten der Notenbankvertreter sind allerdings umstritten. Neumann (1998) sieht weder eine opportunistische Zinssenkungspolitik noch ein parteigängerisches Verhalten des ZBR in Vorwahlzeiten. Anhand seiner Analyse der Abstimmungsergebnisse bei den Zinsbeschlüssen in den Jahren 1952 bis 1994, die bei Gültigkeit der These von Vaubel (1993, 1997) die „politischen“ Mehrheitsverhältnisse im ZBR reflektieren müßten, legt er dar, daß im Durchschnitt zumindest auch die Hälfte der politisch der Regierung zuzuordnenden ZBR-Mitglieder für Erhöhungen und umgekehrt mehr als zwei Drittel der politisch der Opposition zuzuordnenden ZBR-Mitglieder für Senkungen des Diskontsatzes stimmten. Er folgert daraus, daß dank des Ernennungsverfahrens, der zeitlichen Verteilung der Ernennungen und der Amtsdauer kein Anreiz mehr für politische Rücksichtnahmen bestanden habe und die ZBR-Mitglieder mit dem Eintritt in das Leitungsgremium der Notenbank schlagartig persönlich unabhängig geworden seien („Becket-Effekt“).22 Die Aussage von Neumann (1998) wird relativiert durch das Ergebnis von Berger (1997a), der wegen der für ihn nicht völlig auszuräumenden Mutmaßung, daß die Notenbank zwischen 1951 und 1966 vor den Bundestagswahlen eine 21 Vaubel (1993), S. 49 ff. Vaubel (1997), S. 202 f. und S. 214 ff. 22 Neumann (1998), S. 315 ff.
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„leichte – statistisch nicht eindeutig belegte – Erhöhung der Geldaggregate toleriert (aber wohl nicht erzeugt)“ habe, das individuelle Abstimmungsverhalten im ZBR bei den Diskontbeschlüssen in den Jahren 1949 bis 1961 mit Hilfe der Sitzungsaufzeichnungen analysiert. Die der Regierung zugeordneten ZBR-Mitglieder verhielten sich demnach hypothesenkonform, die der Opposition zugeordneten ZBR-Mitglieder jedoch hypothesenwidrig. Da nach der BBk-Gründung erstere im Direktorium, letztere fast nur bei den LZB-Präsidenten zu finden waren, vermutet Berger (1997a) bei letzteren regionale Einflüsse auf das Abstimmungsverhalten. Im Kampf gegen die Inflation hätten die LZB-Präsidenten aus RheinlandPfalz, Nordrhein-Westfalen, Bayern sowie Hamburg eine „weiche“, die LZBPräsidenten aus Niedersachsen sowie Baden-Württemberg eine „neutrale“ und die LZB-Präsidenten aus Schleswig-Holstein, Bremen und vor allem Hessen eine „harte“ Haltung eingenommen. Letztere hätten sogar zusammen mit dem Direktorium eine dem „Frankfurter Finanzzentrum“ regional verbundene Gruppe mit einer statistisch signifikanten Tendenz zu einer von Mehrheitsentscheidungen abweichenden „harten“ Linie gebildet. Berger (1997a) zieht daraus folgendes Fazit: Bestimmte Eigenschaften der Mitglieder hätten sehr wohl einen signifikanten Einfluß auf deren Stimmverhalten gehabt. Der „Becket-Effekt“ sei also nicht vollkommen gewesen. Insgesamt habe aber die parteipolitische Zuordnung keine Rolle gespielt. Durch das „Nebeneinander von regionalen und parteipolitischen Kräften auf disaggregiertem Niveau und die Abwesenheit solcher Kräfte im Aggregat“ habe die „politische Institution Notenbank“ ein sehr wirksames System der Kontrolle und des Gleichgewichts der Kräfte erhalten.23 Die vorstehende Thesendarstellung zeigt erstens, daß die Analyse des Verhältnisses zwischen der Regierung und der Notenbank auf der individuellen Ebene beginnen muß. Die drei Fallstudien dieser Arbeit stellen deshalb nicht nur dar, wie die obersten Notenbankvertreter mit ihren Präsidenten KARL BERNARD (ZBR) und WILHELM VOCKE (Direktorium) bzw. (ab 1958) KARL BLESSING und die obersten Regierungsvertreter, neben Bundeskanzler KONRAD ADENAUER vor allem die Bundesminister FRITZ SCHÄFFER bzw. (ab 1957) FRANZ ETZEL (Finanzen), LUDWIG ERHARD (Wirtschaft) und HEINRICH LÜBKE bzw. (ab 1959) WERNER SCHWARZ (Ernährung, Landwirtschaft und Forsten), argumentierten und sich verhielten. Sie beziehen auch die nachgeordnete Notenbank- und Regierungsebene mit ein, auf der die konfliktträchtigen Entscheidungen vorbereitet wurden, weil sich dies im Verlauf der Untersuchung als unverzichtbar erwies. Die Thesendarstellung deutet zweitens (bereits) darauf hin, daß Aussagen über das Verhältnis zwischen der Regierung und der Notenbank sinnvoller anhand einer qualitativen Analyse der Interaktion überprüft werden können.
23 Berger (1997a), S. 170 ff.
1.2 Die Evidenz: die Gürzenich-Affäre und der Konflikt um die DM-Aufwertung
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1.2 Die Evidenz: die Gürzenich-Affäre und der Konflikt um die DM-Aufwertung Die einzigen bisher qualitativ analysierten Konflikte in dem dieser Untersuchung zugrundeliegenden Zeitraum sind die sog. „Gürzenich-Affäre“ 1956 und die Auseinandersetzung um die DM-Aufwertung 1961, die zugleich die in den Fallstudien präsentierten Konflikte zeitlich umrahmen. Es liegt daher – wenngleich zur DMAufwertung wegen der damals geübten Geheimhaltung24 bislang kein wirklich aussagekräftiges Quellenmaterial aufgetaucht ist – bereits einige Evidenz zu den präsentierten Thesen vor, die nur vor dem Hintergrund des fast ununterbrochenen Kampfes der Notenbank gegen die zu hohe Liquidität darzustellen ist. Die Gürzenich-Affäre stellt den markantesten Versuch dar, die Notenbank von einer Zinserhöhung abzubringen,25 und ist bislang der am umfassendsten – von Berger (1997a) – analysierte Konflikt zwischen der Notenbank und (Mitgliedern) der Bundesregierung. Zu ihr kam es, nachdem der ZBR in seiner 219. Sitzung am 18. Mai 1956 den Beschluß, die Rediskontkontingente zu kürzen und den Diskontsatz um einen Prozentpunkt auf 5,5 Prozent zu erhöhen,26 gefaßt und ADENAUER fünf Tage später auf der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) im Kölner Gürzenich die Diskontsatzerhöhung kritisiert und von einem „Fallbeil“ gesprochen hatte, das die „kleinen Leute“ treffen würde. Die Diskontsatzerhöhung vom 18. Mai 1956 war die letzte von drei Erhöhungen seit der zinspolitischen Kehrtwende, die die BdL am 3. August 1955 vor allem aus zwei Gründen vollzogen hatte. Der Verkauf der vom Bundesminister der Finanzen im Austausch gegen ihre Ausgleichsforderungen aus der Währungsreform 194827 erhaltenen Mobilisierungstitel (im Wert von 2 Mrd. DM) hatte nicht mehr zur Neutralisierung der ab 1955 im Zuge des Aufschwungs (im zweiten Konjunkturzyklus) zufließenden Liquidität ausgereicht, obwohl die öffentlichen Haushalte ab Juni 1955 verstärkt ihre Kassenüberschüsse im sog. „Juliusturm“ als Einlagen im Zentralbanksystem stillegten.28 Die Geschäftsbanken hatten sich außerdem bei deutlich über dem Diskontsatz liegenden Geldmarktsätzen wieder zunehmend bei der Notenbank refinanziert. Bei dennoch im zweiten Halbjahr 1955 kräftig erhöhten Refinanzierungsverbindlichkeiten und stark gestiegenem Kreditvolumen der Geschäftsbanken war das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr trotz „restriktiver Grundhaltung“ der Notenbank das höchste der Nachkriegszeit. Der ZBR hatte daraufhin bereits in seiner 214. Sitzung am 7. / 8. März 1956, als der Aufschwung gerade seinen Höhepunkt durchschritt, in Anwesenheit von ERHARD
24 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1961, S. 117, Fußnote 1. 25 Neumann (1998), S. 330 ff. 26 Protokoll zur 219. Sitzung des ZBR/BdL am 18.05.1956, TOP 2 („Währungs- und Kreditpolitik“), in B 330/94/1. 27 Zur Entstehung und Funktion der Ausgleichsforderungen siehe Abschnitt 3.1, S. 78 ff. 28 Zum Juliusturm siehe Berger (1997a), S. 91 ff.
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und SCHÄFFER einstimmig eine weitere Anhebung des Diskontsatzes von 3,5 auf 4,5 Prozent beschlossen.29 Während Holtfrerich (1998) die Gürzenich-Affäre als Folge eines geldpolitisch falschen ZBR-Beschlusses ansieht,30 erklärt sie Berger (1997a) im Kontext des drohenden Juliusturmabbaus in Zeiten der Hochkonjunktur und der Diskontsatzerhöhung vom 8. März 1956. ERHARD und SCHÄFFER hätten in dieser ZBRSitzung die Erhöhung auf 4,5 Prozent entgegen der offiziellen Position des Bundeskabinetts unterstützt, weil sie Inflationsgefahr signalisieren wollten. Dieses Signal habe ihnen Rückhalt im Kampf gegen im Kabinett mit Blick auf die Bundestagswahlen 1957 zunehmend gestellte Ansinnen versprochen, die im Juliusturm akkumulierten Kassenüberschüsse des Bundes zur Finanzierung zusätzlicher Ausgaben von BdL-Konten auszulagern und inflationswirksam dem Geldumlauf zuzuführen31 – ein Rückhalt, der nach den Erfahrungen mit ERHARDs weitgehend wirkungslos gebliebenem32 sog. „ersten Konjunkturprogramm“ vom Oktober 195533 offenbar nötig war. Die beiden Minister und die Notenbank hätten daraufhin eine Koalition gebildet und ihre Zusammenarbeit ohne große Publizität und ohne Wissen ADENAUERs34 im sog. „Konjunkturpolitischen Gremium“ institutionalisiert, um gemeinsam das sog. „zweite Konjunkturprogramm“ auszuarbeiten. Nach dessen Ausarbeitung hätten sie eine „Art von Doppelschlag“ inszeniert, indem die Kabinettsvorlage zum Konjunkturprogramm mit Datum vom 17. Mai 1956 an das Bundeskanzleramt (BK) geschickt wurde und tags darauf beide Minister unter Hinweis auf diese Vorlage und auf Forderungen des ZBR nach einer restriktiveren Fiskalpolitik des Bundes der Diskontsatzerhöhung auf 5,5 Prozent ausdrücklich zustimmten. Beide hätten mit ihrer erneuten Zustimmung ihre Position im Bundeskabinett stärken wollen. Mit diesem Doppelschlag habe das Dreiergremium die Diskussion um die Erhöhung des Diskontsatzes und um die Verwendung der Juliusturmgelder im Vertrauen auf die Unterstützung der Öffentlichkeit geplant eskalieren lassen, um die Diskussion in seinem Sinne zu entscheiden. Als ADENAUER nach seiner Rede am 23. Mai 1956 im Kölner Gürzenich deutlich geworden sei, „daß die Öffentlichkeit und mit ihr auch Teile der Regierungsfraktionen und sogar eine Reihe von Präsidiumsmitgliedern des BDI in der nun publik gewordenen Auseinandersetzung die Seite Erhards, Schäffers und der BdL einnahmen“, habe er schnell das Ruder herumgerissen und den Weg für die Umset-
29 Holtfrerich (1998), S. 388 ff. ZBR/BdL-Protokolle zur 198. Sitzung am 03.08.1955, TOP 2, in B 330/87/1 und zur 214. Sitzung am 07./08.03.1956, TOP 2, in B 330/92/2. Der TOP lautete jeweils „Währungs- und Kreditpolitik“. 30 Holtfrerich (1998), S. 392 ff. 31 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 30 ff., S. 167 ff., S. 239, S. 242 ff. und S. 248 ff. 32 Berger (1997a), S. 112 ff. 33 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung / Kabinettsausschuß für Wirtschaft 1956–1957, S. 59 ff. 34 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 351 f.
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zung des zweiten Konjunkturprogramms freigemacht.35 Die Strategie, mit der Konflikteskalation eine öffentliche Debatte zu erzeugen, in der sich die „geballte wirtschaftspolitische Deutungsmacht“ des Dreiergremiums als dominant erweisen sollte, sei aufgegangen.36 Auch in der Beurteilung der Folgen dieses Eklats unterscheiden sich die Meinungen. Neumann (1998) meint zwar – wie Berger (1997a) –, die Eskalation um die Gürzenich-Affäre habe dank der deutschen Presse eine „Solidarisierung der Öffentlichkeit“ mit der BdL bewirkt und deren De-facto-Unabhängigkeit gefestigt. Die Nachteile der Eskalation sieht er aber einseitig bei ADENAUER, der seine Niederlage noch durch den Fehler „verschlimmert“ habe, sich vor dem BDI im Kölner Gürzenich von den Entscheidungen der Notenbank zu distanzieren und deren Unabhängigkeit zu kritisieren.37 Berger (1997a) sieht dagegen auch Vorteile für den wohl bereits um seine Wiederwahl im September 1957 besorgten Bundeskanzler. Die Notenbank habe als „Sündenbock“ gedient und ihm sowohl sein politisches Portfolio, zu dem ERHARD, SCHÄFFER und die Notenbank gehörten, als auch die Unterstützung des für ihn wichtigen BDI erhalten. Die Affäre „könnte sich ihm, etwas überspitzt formuliert, durchaus auch als eine, zwar in der Not geborene, doch am Ende noch gelungene, sozusagen arbeitsteilige Überwindung der spezifischen politischen Probleme kontraktiver Konjunkturpolitik dargestellt haben.“38 Die Jahre 1957 bis 1959 weisen Berger (1997a) zufolge keine derart massiven Konflikte auf. In diesen Jahren verfolgte die Notenbank zunächst eine „zweigleisige Politik“,39 die darin bestand, daß der ZBR ab September 1956 (bis Januar 1959) seine Zinspolitik lockerte, bis August 1957 aber seine Liquiditätspolitik verschärfte,40 um die immer weniger wegen des abnehmenden Zinsgefälles zum Ausland und immer mehr wegen der zunehmenden Währungsspekulation zufließenden Devisen zu neutralisieren. Diese Lage entspannte sich ab September 1957, nachdem kurz zuvor eine weltweite (bis Frühjahr 1959 andauernde) Konjunkturabkühlung eingesetzt hatte und die Notenbank zusammen mit der Bundesregierung im August 1957 (nach einer gemeinsamen Presseverlautbarung im Juni 1956 erneut) Gerüchten um eine DM-Aufwertung entgegengetreten war.41 Nach dem 35 Am 24. Mai 1956 verlangte allerdings ADENAUER in einer Sondersitzung des Bundeskabinetts von ERHARD und SCHÄFFER Rechenschaft. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 377 ff. 36 Berger (1997a), S. 217 ff. 37 Neumann (1998), S. 331. 38 Berger (1997a), S. 228. 39 Berger (1997a), S. 149 f. 40 ZBR/BdL-Protokolle zur 226. Sitzung am 05./06.09.1956, TOP 3, in B 330/96/2 und zur 234. Sitzung am 09./10.01.1957, TOP 2, in B 330/99/1. ZBR/BBk-Protokolle zur 2. Sitzung am 08./09.08.1957, TOP 4, in B 330/133/1, zur 5. Sitzung am 18.09.1957, TOP 2, in B 330/134/2, zur 14. Sitzung am 16.01.1958, TOP 9, in B 330/136/3, zur 26. Sitzung am 26.06.1958, TOP 3, in B 330/142/1 und zur 38. Sitzung am 08./09.01.1959, TOP 4, in B 330/148. Der TOP lautete jeweils „Währungs- und Kreditpolitik“. 41 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 419. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1957, S. 362 f.
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Tiefpunkt der Flaute im Frühjahr 1958 begann, wenngleich die Bundesbank weiter gegen die zu hohe Liquidität ankämpfte, die Phase der „[b]innen- und außenwirtschaftliche[n] Harmonie“42. Bis Mitte 1959 blieben die Preise und die Lebenshaltungskosten stabil oder gingen sogar leicht zurück. Das Wirtschaftswachstum war 1958 das bis dahin schwächste der Nachkriegszeit und die Arbeitslosigkeit erstmals nicht mehr rückläufig.43 Doch spätestens im Herbst 1959 zeichnete sich der nächste Aufschwung ab, in dessen Verlauf es Anfang März 1961 zur DM-Aufwertung kam. Der Konflikt im Vorfeld der DM-Aufwertung 1961 spielte sich ebenfalls in einer Phase der Hochkonjunktur ab. Anders als bei der Gürzenich-Affäre agierten auf beiden Seiten die Akteure, obschon sowohl die Bundesregierung als auch die Bundesbank offiziell eine DM-Aufwertung ablehnten, am Schluß (anscheinend) mit vertauschten Rollen. ERHARD und ETZEL, um die innere Preisstabilität bemüht, äußerten Bedenken und drohten mit einem Veto gegen eine vom ZBR Ende Februar 1961 vorbereitete Senkung der Mindestreservesätze, mit der die Bundesbank eine im Vormonat vorgenommene Diskontsatzsenkung effektiv machen wollte, um die äußere Stabilität zu verteidigen. Nachdem der ZBR in einer Sondersitzung am 25. Februar 1961 dennoch eine Senkung der Mindestreservesätze beschlossen hatte,44 entschied sich das Bundeskabinett sechs Tage später, am 3. März 1961, im Beisein von BLESSING für die DM-Aufwertung.45 Die Vorgeschichte zu diesem Konflikt beginnt damit, daß die Bundesbank nach dem Ende der binnen- und außenwirtschaftlichen Harmonie 1958/59 dem Aufschwung (im dritten Konjunkturzyklus) wegen einer befürchteten Ingangsetzung einer Lohn-Preis-Spirale zunächst mit Diskontsatzanhebungen im September 1959 auf 3 Prozent und im darauffolgenden Monat auf 4 Prozent begegnet war. Als der Aufschwung im ersten Quartal 1960 sein Maximum erreichte, hatte sie zusätzlich zahlreiche flankierende liquiditätspolitische Maßnahmen wirksam werden lassen. In der 72. Sitzung am 2. Juni 1960 waren diese als letzte „Breitseite“ durch ein Maßnahmenbukett in Verbindung mit einer weiteren Diskontsatzanhebung auf 5 Prozent noch einmal drastisch verschärft worden.46 Da jedoch die Notenbank den aus der Diskontsatzanhebung und aus der erneuten Währungsspekulation resultierenden Liquiditätszufluß, anders als 1956/57, nicht mehr mit ihrem Offenmarktgeschäft (und anderen Maßnahmen) ausgleichen konnte,47 hatte der ZBR bei erneut rekordverdächtigem Wirtschaftswachstum zehn Monate vor den 42 43 44 45 46
Emminger (1976), S. 497 ff. Holtfrerich (1998), S. 407. Niederschrift über die Besprechung des ZBR/BBk am 25.02.1961 in B 330/175/1. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1961, S. 117. Emminger (1976), S. 501. Protokoll zur 57. Sitzung des ZBR/BBk am 22.10.1959, TOP 5 („Konjunktur- und Kreditpolitik“), in B 330/158/2. ZBR/BBk-Protokolle zur 54. Sitzung am 03.09.1959, TOP 5, in B 330/157/1, zur 61. Sitzung am 17.12.1959, TOP 4, in B 330/160, zur 65. Sitzung am 18.02.1960, TOP 5, in B 330/162/2 und zur 72. Sitzung am 02.06.1960, TOP 2, in B 330/165/2. Der TOP lautete jeweils „Währungs- und Kreditpolitik“. Holtfrerich (1998), S. 409 f. 47 Berger (1997a), S. 69 ff.
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Bundestagswahlen im September 1961 begonnen, schrittweise vor den Zahlungsbilanzzwängen zu „kapitulieren“: Er beschloß in der 82. Sitzung am 10. November 1960 einstimmig eine Senkung des Diskontsatzes um einen Prozentpunkt auf 4 Prozent, sodann bis zu seiner 86. Sitzung am 19. Januar 1961 weitere liquiditätspolitische Lockerungsschritte und in dieser Sitzung schließlich die bereits erwähnte, erneut einstimmig vorgenommene Diskontsatzsenkung auf nunmehr 3,5 Prozent,48 die im darauffolgenden Monat, als sie der ZBR effektiv machen wollte, zum Konflikt mit ERHARD und ETZEL führte. Nach Holtfrerich (1998) erhob ERHARD bereits bei der ersten Diskontsatzsenkung im November 1960 und verstärkt bei der zweiten im Januar 1961 Bedenken, weil er die innere Preisstabilität mit Hilfe einer DM-Aufwertung verteidigen wollte. Nachdem die Bundesbank mit diesen Diskontsatzsenkungen signalisiert habe, entgegen ihren bis dahin verlautbarten Prioritäten nunmehr vorzugsweise die DMParität zu verteidigen und eine Anpassungsinflation hinzunehmen, sei ERHARD im Februar 1961 in die Offensive gegangen. In der Erkenntnis, daß die Politiker und die Bevölkerung die bisher von der Notenbank in ihren Verlautbarungen priorisierte Verteidigung der inneren Preisstabilität für wichtiger hielten als die Beibehaltung der DM-Parität, habe er daraufhin die Bundesbank bzw. deren Vertreter öffentlich scharf attackiert. Nach seiner überzeugenden Darstellung, daß die Aufwertung stabilitätspolitisch notwendig sei, habe der Bundesbank ein Reputationsverlust gedroht. Der ZBR habe zwar in seiner Sondersitzung am 25. Februar 1961 noch eine weitere Senkung der Mindestreserven vorgenommen, diese sei aber mäßiger ausgefallen als ursprünglich beabsichtigt. Schließlich habe er keine Möglichkeiten mehr gehabt, die dann am 3. März 1961 beschlossene Aufwertung zu verhindern.49 Berger (1997a) betont ebenfalls die Rolle der Öffentlichkeit, erklärt die Ereignisse jedoch mit den Notenbankerfahrungen aus der Gürzenich-Affäre. Nach dem zweiten Konjunkturprogramm habe die BdL die Zusammenarbeit im Konjunkturpolitischen Gremium wegen der Beteiligung anderer Bundesministerien und des Bundeskanzleramtes, in der sie eine Gefahr für ihre Autonomie gesehen habe, beendet. In der Hochkonjunktur von 1959 bis 1961 sei es daher nicht zu einer erneuten Koalition der Bundesbank mit Mitgliedern der Bundesregierung gekommen. Die Gürzenich-Affäre habe aber die Notenbankführung gelehrt, „daß die Verbindung einer Politik der Diskontsatzerhöhung mit einer aggressiven Kritik der Abwesenheit kontraktiver Fiskalpolitik dazu geeignet war, die öffentliche Diskussion auf den Beitrag des Bundes zur Konjunkturpolitik zu lenken.“ Die trotz des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts am 2. Juni 1960 vom ZBR getroffenen kontraktiven geldpolitischen Entscheidungen seien somit nicht nur als konzentriert vorgetragener letzter Versuch, den binnenwirtschaftlichen Kurs zu 48 Protokoll zur 82. Sitzung des ZBR/BBk am 10.11.1960, TOP 4 („Abgabesätze für Geldmarktpapiere“), in B 330/171/1. ZBR/BBk-Protokolle zu derselben Sitzung, TOP 2, in ebd., zur 83. Sitzung am 01.12.1960, TOP 3, in B 330/171/2 und zur 86. Sitzung am 19.01.1961, TOP 2, in B 330/173/2. Der TOP lautete jeweils „Währungs- und Kreditpolitik“. 49 Holtfrerich (1998), S. 410.
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halten, sondern auch als öffentlichkeitswirksame Selbsterklärung des ZBR über sein mögliches Scheitern zu interpretieren. Es sei in der Hauptsache diese Öffentlichkeitswirkung gewesen, wegen der sich der ZBR mehrheitlich für restriktive Maßnahmen trotz deren Aussichtslosigkeit entschieden habe. Erst diese habe das Rückspielen „des Balles“ zur Regierung erlaubt und dazu geführt, daß die geräuschvolle BBk-Kapitulation vor den Zahlungsbilanzzwängen ab November 1960 der Bundesregierung einen enormen Zuwachs an konjunkturpolitischer Verantwortung brachte.50 Die Erklärungen zur Gürzenich-Affäre und zur DM-Aufwertung scheinen die dargestellten Thesen zu bestätigen, wonach neben dem individuellen Verhalten einzelner Akteure vor allem die Öffentlichkeit und die Sündenbock-Funktion der Notenbank von Bedeutung sind. Zur Gürzenich-Affäre verwendet Berger (1997a) bei seiner Aussage, die Notenbank habe ADENAUER unbeabsichtigt zur arbeitsteiligen „Überwindung der spezifischen politischen Probleme kontraktiver Konjunkturpolitik“ gedient, die These von Kane (1980). In der laut Berger (1997a) offenbar erfolgreich geplanten Eskalation im Vertrauen auf die Unterstützung der Öffentlichkeit findet sich ferner die These von Puchta (1981). Letztere zeigt sich auch beim Konflikt um die DM-Aufwertung, bei dem man anscheinend ebenfalls von einer öffentlich inszenierten Dramatisierung sprechen kann, auch wenn unterschiedliche Nutznießer gesehen werden: Holtfrerich (1998) sieht einen Beleg für die Gültigkeit der These von Frey / Schneider (1981) und meint, ERHARD habe sich erfolgreich der Öffentlichkeit bedient, während Berger (1997a) die Meinung vertritt, die Bundesbank habe hierfür erst die Voraussetzung geschaffen. In beiden (öffentlich ausgetragenen) Konflikten standen zwar nicht die ZBR-Mitglieder im Fokus des Interesses. Die jeweils hervorgehobene Rolle ERHARDs belegt aber, daß es entscheidend auf das Verhalten einzelner Akteure ankommen konnte und daß es sich daher lohnt, dieses Verhalten genauer zu betrachten. 1.3 Zielstellung und Gang der Arbeit Die vorgenommene Thesendarstellung und die – wie der historische Abriß zur Gürzenich-Affäre und zum Konflikt um die DM-Aufwertung zeigt – bislang unzureichend geleistete qualitative historische Analyse machen ein krasses Mißverhältnis deutlich, das angesichts der der Notenbank zugeschriebenen Bedeutung überrascht. Es gibt einerseits zahlreiche Mutmaßungen über das Verhalten der ZBR-Mitglieder der bundesdeutschen Notenbank und über deren Verhältnis zur Bundesregierung, andererseits aber keine eingehende qualitative Überprüfung dieser Mutmaßungen anhand historischen Quellenmaterials. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zum Ausgleich dieses Mißverhältnisses liefern. Sie greift auf bisher in der Forschung kaum systematisch ausgewertete Aufzeichnungen der
50 Berger (1997a), S. 228 ff.
1.3 Zielstellung und Gang der Arbeit
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Notenbank51 und der Bundesressorts zurück. Mit Hilfe dieses Materials wird, soweit die Quellen dies ermöglichen, versucht, die Präferenzen auf der individuellen Ebene der Entscheidungsträger und auf der kollektiven Ebene der Notenbank offenzulegen und so die teilweise dürftige Beweislage für oder wider die vorgetragenen Thesen zu verbessern. Dieser Versuch erscheint angesichts ihrer Unzulänglichkeiten lohnenswert und erfolgversprechend. Nach der Opportunismusthese von Frey / Schneider (1981) dürfte es, wie erwähnt, keine für die Notenbank existenzbedrohenden Konflikte geben. Dem könnte indes die Realität bei der Gürzenich-Affäre entgegenstehen. Nach der These von Puchta (1981) könnte(n) die Notenbank(-vertreter) eine Strategie der Ausweitung ihres Handlungsspielraums verfolgen und hierzu eine Koalition mit der Öffentlichkeit eingehen. Diese beiden Thesen sind, wie Berger (1997a) erläutert, nicht unvereinbar (siehe S. 7). Hinzu kommt, daß existenzbedrohende und nicht existenzbedrohende Konflikte schwer voneinander zu unterscheiden sein dürften. Die These von Puchta (1981) wirft jedoch die Frage auf, warum eine angeblich so erfolgreiche Koalition mit der Öffentlichkeit nicht öfters gebildet wurde. Auch bei der These von Kane (1980), derzufolge eine Notenbank als Sündenbock dient, ist bei den Vorteilen, die eine solche Arbeitsteilung anscheinend bot, zu hinterfragen, warum es nicht öfter zu einer derartigen Arbeitsteilung kam. Für alle drei Thesen würde demnach gelten, daß sich weitere Beispiele finden lassen müßten, in denen die Notenbank zwecks Statussicherung einlenkte, ein Konflikt zwecks Allianz mit der Öffentlichkeit an diese herangetragen wurde oder es zu einer Arbeitsteilung zwischen Politik und Notenbank kam. Aber auch andere Schlußfolgerungen sind denkbar: So könnte die Öffentlichkeit das Arbeitsteilungsprinzip bei einer zu häufigen Wiederholung durchschauen und infolgedessen der Notenbank den Rückhalt, auf den diese zum Erhalt ihrer Unabhängigkeit offenbar angewiesen ist, versagen. Wegen der bereits erwähnten Unsicherheit hinsichtlich der öffentlichen Meinungsbildung und -konstanz sind ferner konkrete Vorbehalte gegen die Offenlegung eines Konfliktes zu vermuten. Es müßten sich daher auch Beispiele für absichtlich im Verborgenen ausgetragene Konflikte finden lassen, deren Analyse Aufschluß über die Motive hierfür geben und damit indirekt die Bedeutung der Öffentlichkeit für das Verhältnis von Notenbank und Regierung untermauern könnte. Bedeutsam ist die Analyse der abseits der Öffentlichkeit ausgetragenen Konflikte ferner im Hinblick auf das individuelle Verhalten im ZBR. Ebenso wie die erwähnte Opportunismusthese sind die Thesen von Vaubel (1993, 1997) zur Parteipräferenz und die These von Neumann (1998) zum „Becket-Effekt“ im ZBR bisher lediglich anhand des Abstimmungsverhaltens bei Diskontsatzentscheidungen überprüft worden. Bei diesen zwangsläufig das öffentliche Interesse betref51 Berger (1997a), S. 3. – Hierbei handelt es sich neben den Materialien aus den verschiedenen BdL- bzw. BBk-Abteilungen und den ZBR-Vorlagen der zuständigen Direktoriumsmitglieder vor allem um die ZBR-Protokolle, die handschriftlichen Notizen des Protokollführers und die damals in Reinschrift übertragenen Auszüge aus dem Stenogramm. Die Stenogramme der ZBR-Sitzungen sind zwar erhalten, leider aber nicht mehr zu entschlüsseln.
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fenden Entscheidungen könnte es der Notenbank bzw. den ZBR-Mitgliedern auf einen ostentativen Beweis ihrer Unabhängigkeit angekommen sein. Opportunismus, Parteigängertum und / oder persönliche Unabhängigkeit im ZBR sind also vor allem anhand von im Verborgenen ausgetragenen Konflikten zu belegen. Die drei Fallstudien dieser Arbeit haben deshalb die zwei bereits erwähnten Schwerpunkte: das individuelle Verhalten im ZBR (und zum Teil auch in den Bundesressorts) und die Bedeutung der Öffentlichkeit im Verhältnis zwischen der Notenbank und der Regierung. Die gewonnenen Erkenntnisse über das individuelle Verhalten sollen einen Beitrag zur Enthüllung der wahren Ziele der Entscheidungsträger (auch vor dem konjunkturpolitischen Hintergrund im Untersuchungszeitraum 1956 bis 1961) und zur Erklärung des Auftretens oder Ausbleibens von Konflikten liefern. Neue Einsichten über die Bedeutung der Öffentlichkeit können die Gründe für den Erfolg oder Mißerfolg des einen oder des anderen Akteurs in einem Konflikt offenlegen. Mit dieser Zielrichtung beschreibt die vorliegende Arbeit drei Konfliktfelder. Nach der Einleitung in diesem Kapitel stellt Kapitel 2 den Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln (EVSt-Konflikt) dar. Kapitel 3 befaßt sich mit den Konflikten anläßlich der politischen und der wirtschaftlichen Rückgliederung des Saarlandes (Saar-Konflikt), nämlich mit dem Konflikt um die notenbankbilanzielle Deckung der im Saarland neuauszugebenden DM-Noten und mit dem Konflikt um den bei der DM-Neuausgabe anzuwendenden Umstellungskurs. Kapitel 4 behandelt die Konflikte um einige notenbankrelevante Vorschriften im Gesetz über das Kreditwesen von 1961 (KWG-Konflikt), und zwar den Konflikt um die Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute, den Konflikt um die Zins- und Wettbewerbsregelung, den Konflikt um eine BBkErmächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen und den Konflikt um die Erfassung der Revolvinggeschäfte. In Kapitel 5 erfolgt abschließend eine konfliktübergreifende Bewertung des individuellen Verhaltens im ZBR und der Bedeutung der öffentlichen Meinung im Verhältnis zwischen Bundesregierung und Notenbank. Die Bundesregierung und die Notenbank trugen diese Konflikte – abgesehen von einer längeren „Abstinenz“ (im Wahljahr) 1957 – vom zweiten Quartal 1956 bis zum ersten Quartal 1961 aus. Im zweiten und dritten Quartal 1956 kam es zu den Saar-Konflikten, als die BdL zunächst die bilanzielle Notendeckung und kurz darauf auch den bei der währungsmäßigen Saareingliederung anzuwendenden Umstellungskurs mit den Bundesressorts erörterte. Anfang 1957 kam es zum Konflikt, als sich die BdL gegen die Beschneidung für sie wichtiger Befugnisse nach dem KWG wehrte. Diese drei vor den Wahlen zum dritten Deutschen Bundestag im September 1957 ausgetragenen Konflikte fielen in die Zeit nach dem Höhepunkt des Aufschwungs zu Beginn des Jahres 1956, letztgenannter Konflikt fiel in die erwähnte Phase der zweigleisigen Politik, in der die Notenbank den Diskontsatz senkte, gleichzeitig aber ihre liquiditätspolitischen Maßnahmen verschärfte. Um den Tiefpunkt der Flaute im Frühjahr 1958 folgten die gleichzeitig ausgetragenen KWG-Konflikte um die Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute sowie um die Zins- und Wettbewerbsregelung. Der
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1.3 Zielstellung und Gang der Arbeit
sich an letzteren anschließende Konflikt um die BBk-Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen im Rahmen des KWG, der wiederaufgenommene SaarKonflikt um die bilanzielle Notendeckung sowie die erste Hälfte des EVStKonflikts fielen in die Phase der binnen- und außenwirtschaftlichen Harmonie 1958/59. Während des Höhepunkts des Aufschwungs im Frühjahr 1960 und danach folgten vor den Wahlen zum vierten Deutschen Bundestag im September 1961 die zweite Hälfte des EVSt-Konflikts und der Konflikt um die Erfassung der Revolvinggeschäfte im KWG (siehe Abbildung 1-1). Abbildung 1-1: Zeitliche Übersicht über die einzelnen Konflikte von 1956 bis 1961 1956
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1958
1959
1960
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Saar-Konflikt (bilanzielle Notendeckung) Saar-Konflikt (Umstellungskurs) KWG-Konflikt (BAKredG-E) KWG-Konflikte (EK / Liq., Zins- u. W.) EVSt-Konflikt KWG-Konflikt (Rechtsverordnungserm.) Saar-Konflikt (bilanzielle Notendeckung) KWG-Konflikt (Revolvinggeschäfte) Zweiter Konjunkturzyklus (ab 1954) Dritter Konjunkturzyklus (bis Anfang 1963) Höhepunkte des jeweiligen Aufschwungs Quelle: eigene Zusammenstellung (nicht monatsgenau)
Die in dieser Arbeit behandelten Konflikte unterscheiden sich hinsichtlich ihres Austragungsmodus und ihres Ausgangs – Unterschiede, die Kriterien für ihre Auswahl waren. Einige Konflikte, wie insbesondere der Saar-Konflikt um den Umstellungskurs und der KWG-Konflikt um die Erfassung der Revolvinggeschäfte, wurden öffentlich ausgetragen. Sie waren daher – freilich ohne die Interna bei Bundesregierung und Notenbank – bekannt, gerieten dann aber in Vergessenheit. Andere Konflikte, wie vor allem der Saar-Konflikt um die bilanzielle Notendeckung, der EVSt-Konflikt und der KWG-Konflikt um eine BBk-Rechtsverordnungsermächtigung, wurden zwar im Verborgenen ausgetragen, liefern aber dennoch wichtige Erkenntnisse zur Bedeutung der Öffentlichkeit im Verhältnis zwischen Bundesregierung und Notenbank. Bei ihnen spielte, wie sich zeigen wird, die Öffentlichkeit indirekt eine wichtige Rolle, weil die Option einer Konfliktveröffentlichung berücksichtigt wurde. Beim EVSt-Konflikt und bei den KWG-Konflikten um die Vorschriften über die Liquidität und das Eigenkapital der Kreditinstitute sowie um die Zins- und Wettbewerbsregelung konnte sich trotz ihrer verborgenen Austragung die Bundesbank durchsetzen. Andererseits ging die Bundesregierung sowohl aus dem öffentlich ausgetragenen Saar-Konflikt um den Umstellungskurs als auch aus dem verborgen geführten KWG-Konflikt um eine BBk-Rechtsverordnungsermächtigung als Gewinnerin hervor. Bei dem massiv in der Öffentlichkeit gefochtenen
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1 Einleitung
Konflikt um die Erfassung von Revolvinggeschäften im KWG und bei dem im Verborgenen ausgetragenen Konflikt um die notenbankbilanzielle Deckung der aus Anlaß der wirtschaftlichen Saareingliederung neuauszugebenden DM-Noten kam es dagegen zu einem Kompromiß. Anhand dieser Vorschau wird deutlich, daß die folgenden drei Fallstudien zum ersten Mal nicht nur öffentlich, sondern auch verborgen ausgetragene Konflikte präsentieren. Für beide Austragungsmodi stellen sie ferner – falls man die Erklärung von Berger (1997a) zur DM-Aufwertung zugrundelegt – erstmals auch Konflikte vor, in denen am Ende nicht die Notenbank, sondern die Bundesregierung obsiegte oder beide Akteure einen Kompromiß schlossen. Somit wird über die bisher in der Literatur behandelten Konflikte – die Gürzenich-Affäre und der Konflikt um die DM-Aufwertung – hinaus eine umfassendere Darstellung und Bewertung der das Verhältnis von Notenbank und Bundesregierung bestimmenden Faktoren gegeben.
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln Als die Bundesbank 1957 aus der BdL hervorging, bestanden bereits seit fast sieben Jahren sog. Einfuhr- und Vorratsstellen für Getreide- und Futtermittel (EVSt Getreide), für Schlachtvieh, Fleisch und Fleischerzeugnisse (EVSt Fleisch) sowie für Fette (EVSt Fette).1 Ihre Aufgabe war, durch eine zentrale Vorratshaltung die inländischen Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu stabilisieren, die gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln sicherzustellen und die Marktschwankungen nach Möglichkeit auszugleichen.2 Die BdL hatte seinerzeit zur Finanzierung des für Aufkäufe der EVSt notwendigen Kapitalbedarfs die Bildung eines Bankenkonsortiums angeregt, dem alle führenden, aber auch zahlreiche kleinere Kreditinstitute angehörten. Sie war dadurch ganz wesentlich an der Konzeption des Finanzierungssystems der EVSt beteiligt. Die EVSt unterstanden nach dem jeweiligen Gesetz dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) und waren hinsichtlich der zentralen Vorratshaltung an einen jährlichen Versorgungsplan der Bundesregierung gebunden. Darüber hinaus konnte der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ad hoc Aufkäufe bzw. Abgaben nach seinem Ermessen anordnen. Die EVSt ermittelten auf der Grundlage des Versorgungsplanes der Bundesregierung ihren Kreditbedarf, den sie vierteljährlich für das jeweils kommende Quartal bei dem Bankenkonsortium anmeldeten. Für dieses Konsortium erklärte die Landwirtschaftliche Rentenbank in ihrer Funktion als Konsortialführerin gegenüber der BdL bzw. (ab 1. August 1957) gegenüber der Bundesbank in der Regel ihre Bereitschaft, die Konsortialkredite in der jeweils von den EVSt beantragten Höhe bereitzustellen. Sie begrenzte dabei jedoch stets die mögliche Inanspruchnahme der Konsortialkredite auf die vom sog. „Bürgschaftsausschuß für die Lebensmittelbevorratung“ festzusetzenden Bundesbürgschaftsbeträge3 und 1
2
3
Gesetz über den Verkehr mit Vieh und Fleisch (Vieh- und Fleischgesetz) i. d. F. v. 25.04.1951 (BGBl. I S. 272), Gesetz über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) i. d. F. v. 24.11.1951 (BGBl. I S. 901), sowie Gesetz über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten (Milch- und Fettgesetz) i. d. F. v. 10.12.1952 (BGBl. I S. 811). Die EVSt waren Nachfolgeorganisationen entsprechender Reichsstellen und verfügten aus diesem Grunde auch über eine geringe Eigenkapitalausstattung, sog. Reichsstellenmittel. § 17 Vieh- und Fleischgesetz, § 8 Getreidegesetz und § 16 Milch- und Fettgesetz. Siehe z. B. auch Gesetz über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1957/58 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1957/58) vom 19.08.1957 (BGBl. I S. 1239 ff.), § 3, insb. Abs. 1 und 4. Der Bundesbürgschaftsbetrag war zu Beginn durch das Gesetz über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevorratung vom 14.07.1951 (BGBl. I S. 450) auf 900 Mio. DM beschränkt.
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
machte die Bereitstellung der Kreditmittel von der Refinanzierungshilfe durch die Notenbank abhängig. Die BdL leistete ab 1950 Refinanzierungshilfe, indem sie der Landwirtschaftlichen Rentenbank für die Solawechsel der EVSt, sog. „Vorratsstellenwechsel“, zunächst die volle Rediskontzusage gewährte. Durch die Einführung von Rediskontkontingenten zum 1. Mai 1952 wurde die Rediskontzusage für Vorratsstellenwechsel dann jedoch erstmals eingeschränkt.4 Durch den Beschluß des ZBR der BdL vom 2. und 3. September 1952, die Vorratsstellenwechsel zusätzlich in die Geldmarktregulierung einzubeziehen, wurde die Finanzierung der zentralen Vorratshaltung wieder erleichtert. Der ZBR kam hiermit der Forderung der Konsortialbanken, die rediskontierten Wechsel nicht auf das gerade einige Monate zuvor eingeführte Rediskontvolumen der einreichenden Bank anzurechnen, entgegen und ließ durch die zusätzliche Einbeziehung der Vorratsstellenwechsel in die Geldmarktregulierung diesen eine liquiditätsmäßige Sonderbehandlung zuteil werden: Einerseits konnten Vorratsstellenwechsel nach wie vor zum jeweils gültigen Diskontsatz durch die BdL nach Anrechnung auf das Rediskontkontingent hereingenommen werden. Andererseits ließ ein Verkauf dieser Papiere über den Geldmarkt an die BdL das Rediskontkontingent des abgebenden Kreditinstituts unberührt. Der Beschluß lag auch im notenbankpolitischen Interesse der BdL, weil sie auf diese Weise für Zwecke der Einflußnahme auf den Geldmarkt über mehr marktgängiges Wechselmaterial verfügen konnte.5 Durch weitere Beschlüsse des ZBR im Jahr 1953 wurden die Vorratsstellenwechsel erstmalig „als ankaufsfähig im Sinne des § 13 Abs. 1 des LZB-Gesetzes und im Rahmen der geltenden Kreditrichtlinien erklärt“ und die Rediskontzusage als Voraussetzung für deren Erwerb durch die BdL am Geldmarkt aufgehoben. Ab der 226. Sitzung des ZBR am 5. und 6. September 1956 bestand die Kredithilfe des Zentralbanksystems für die Vorratsstellenwechsel schließlich nur noch in der grundsätzlichen Anerkennung der Ankaufsfähigkeit dieser Wechsel und ihrer Einbeziehung in das Verfahren zur Geldmarktregulierung.6 4
5
6
Außerhalb der Kontingente durften nur noch solche Vorratsstellenwechsel rediskontiert werden, für die eine volle Rediskontzusage des Zentralbanksystems vorlag und sofern die Wechsel über den Geldmarkt gegangen waren und bei Hereinnahme in das Zentralbanksystem nur noch eine Laufzeit von höchstens 30 Tagen hatten. Beschluß laut Protokoll zur 118. Sitzung des ZBR/BdL vom 17.04.1952, TOP 6 II c („Begrenzung des Refinanzierungskredits – Festsetzung von Rediskont-Kontingenten für alle Kreditinstitute –“), in B 330/55/1. Aus gleichen Gründen begann die BdL ab 1954 nach entsprechenden Vereinbarungen zwischen ihr und dem BMF, aus der Währungsreform von 1948 resultierende Ausgleichsforderungen für Zwecke der Offenmarktpolitik zu mobilisieren. Die Vorratsstellenwechsel können daher auch als Wegbereiter dieser ab 1957 dann durch das BBkG (§ 42) kodifizierten und als Mobilisierungspapiere bezeichneten Geldmarktpapiere gesehen werden. Die ab August 1957 dementsprechend von der Bundesbank abgegebene Zusage lautete daher stets, „die Solawechsel […] als ankaufsfähig im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank und der geltenden Kreditrichtlinien“ zu erklären und die „für ankaufsfähig erklärten Solawechsel in das Verfahren der Geldmarktregulierung“ einzubeziehen. Siehe z. B. Protokoll zur 42. Sitzung des ZBR/BBk am 05.03.1959, TOP 9 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/150.
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
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Die vom ZBR vierteljährlich zu fassenden Beschlüsse über seine Kredithilfe waren für das Funktionieren des Systems der Vorratsfinanzierung durch Wechselkredite von wesentlicher Bedeutung und wurden auch zur Zufriedenheit des BML gefaßt. Nach einem internen Vermerk des BML von 1956 war nämlich die Vorratsfinanzierung seit der Währungsreform dank der „sachkundigen und verständnisvollen Kreditpolitik der Bank deutscher Länder“ ohne besondere Schwierigkeiten erfolgt. Selbst in Zeiten krediteinschränkender Maßnahmen war die Unterbringung von Vorratsstellenwechseln nie infragegestellt gewesen und entweder von Restriktionsmaßnahmen ganz ausgenommen oder „in einer sehr angepaßten und schonenden Weise behandelt worden“.7 Das System der EVSt stellte für die Bundesregierung ein wichtiges – wenn nicht das wichtigste – Instrument zur Erreichung ihrer landwirtschaftspolitischen Ziele dar. Seit 1950/1951 regelten die Marktordnungsgesetze für Getreide, Fleisch und Fette das Verhältnis zwischen Ein- und Ausfuhr, den Absatz und die Preise. Der „Schleusenmechanismus“8 der staatlich kontrollierten Einfuhr- und Vorratsstellen sollte nach außen wie nach innen die deutsche Landwirtschaft vor Preisverfall schützen und ihr einen bestimmten Absatz gewährleisten. „Trotz dieser Schutz- und Stützungsmaßnahmen hatte die Landwirtschaft sich nicht im gleichen Maße wie die gewerbliche Wirtschaft entwickeln und am wirtschaftlichen Aufstieg partizipieren können.“ Dieses Ziel der „Einkommensparität“ galt parteiübergreifend und führte dazu, daß 1955 im Deutschen Bundestag nahezu einstimmig das Landwirtschaftsgesetz9 verabschiedet wurde. Dieses sah unter anderem vor, mit Mitteln der Preispolitik die für die Landwirtschaft gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen bestehenden Nachteile auszugleichen. Es verpflichtete in § 4 den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, jährlich einen „Bericht über die Lage der Landwirtschaft“, den sog. „Grünen Bericht“, vorzulegen. Der erste „Grüne Bericht“ wurde im Februar 1956 von HEINRICH LÜBKE, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, vorgelegt. Die agrarpolitischen Maßnahmen dieses Berichts waren nach § 5 des Gesetzes im sog. „Grünen Plan“ zusammenzufassen. Sie sahen für das Jahr 1956 unter anderem Stützungskäufe der EVSt Getreide, die Erhöhung der Trinkmilchpreise, die Stützung des Butter- und des Schweinemarktes sowie die Verbesserung der Absatzverhältnisse für Schlachtrinder vor, um die Verkaufserlöse der Landwirtschaft zu erhöhen. Für die Maßnahmen dieses ersten Grünen Plans wurden 615,5 Mio. DM bereitgestellt. Selbst die annähernde Verdopplung der zur Verfügung gestellten Mittel auf 1.212 Mio. DM im zweiten Grünen Plan 1957 konnte jedoch wegen der gleichzeitig steigenden Löhne und Betriebskosten den Abstand der Einkommen in der Landwirtschaft zu jenen in der Industrie nicht verringern. Der Deutsche Bauernverband zeigte sich daher unzufrieden und forderte 1957 bei seiner Ansicht 7 8 9
Vermerk vom 10.07.1956 betr. Kreditrestriktionen der Bank deutscher Länder in B 116/10876. Kluge (1989), S. 240. Sonnemann (1975), S. 235, spricht von „Grenzschleusen“. Siehe auch ebd., S. 167 ff. Landwirtschaftsgesetz vom 05.09.1955 (BGBl. I S. 565 f.).
30
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
nach unzureichenden Erzeugerpreisen einen staatlichen Aufwandsausgleich, wohl wissend, daß die Bundesregierung im Wahljahr (Wahl zum dritten Deutschen Bundestag am 15. September 1957) jede weitere inflationäre Preisentwicklung vor allem im Lebensmittelsektor verhindern wollte.10 Dementsprechend hielt sich die Einlagerungspolitik der EVSt vor den Wahlen 1957 zunächst auch noch zurück: Ende März bzw. Juni 1957 hatte die Begebung von Vorratsstellenwechseln bei gegenüber den Vorjahresquartalen um 80 bzw. 50 Mio. DM auf 890 Mio. DM gekürzten Kreditlinien nur um maximal 100 Mio. DM zugenommen. Nach den Wahlen nahmen dann jedoch die Konsortialkredite bei für die entsprechenden Quartale 1958 um über 400 Mio. DM erhöhten Kreditlinien um annähernd 300 Mio. DM auf knapp 1.100 Mio. DM zu (siehe Tabelle 2-1)! Tabelle 2-1: Kreditlinie und Konsortialkredite in den Wirtschaftsjahren 1955/56 bis 1957/58 (in Mio. DM) Wirtschaftsjahr 1955/1956 Dez. März Juni Sept. 975
970
940
940
622
790
721
484
Wirtschaftsjahr 1956/1957 Dez. März Juni Sept. Kreditlinie 865 890 890 1.220 Begebene Solawechsel 642 832 817 900
Wirtschaftsjahr 1957/1958 Dez. März Juni Sept. 1.315
1.322
1.260
1.220
1.180
1.115
1.093
856
Anmerkung: Stand am Monatsende Quelle: diverse Vorlagen zu den Sitzungen des ZBR 1957–1958 in B 330
Voraussetzung für die Erhöhung der globalen Kreditlinie auf einen vorläufigen Höchstbetrag von 1.220 Mio. DM im dritten Quartal 1957 war die Änderung des Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevorratung von 1951 gewesen. Der sog. Bundesbürgschaftsrahmen war 1953 bereits einmal durch ein erstes Änderungsgesetz von maximal 0,9 Mrd. DM auf 1,2 Mrd. DM hochgesetzt worden.11 Der Plan des BML, diesen Bundesbürgschaftsrahmen 1957 um weitere 500 Mio. DM auf 1,7 Mrd. DM zu erhöhen, begegnete in dieser Höhe jedoch dem Widerstand des BMF. Das BMF befürwortete nämlich eine Aufstockung um lediglich 200 Mio. DM und forderte zugleich den Abbau von Überbeständen an Getreide und Fleisch, eine zeitlich und mengenmäßig auf den echten Einfuhrbedarf abgestellte Einfuhrpolitik und schließlich eine organische Reform – d. h. dreijährige Regelung – der Getreidemarktordnung.12 Der Deutsche Bundestag nahm daher den Gesetzentwurf in seiner 225. 10 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung / Kabinettsausschuß für Wirtschaft 1956/57, S. 31 ff. 11 Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Lebensmittelbevorratung vom 06.08.1953 (BGBl. I S. 883). Zum Entwurf des ersten Änderungsgesetzes des BMF B 126/12061. 12 Die Vorlage des BML entsprach in vollem Umfang einem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der DP (FVP), den diese am 07.05.1957 in den Deutschen Bundestag eingebracht hatten (BT-Drs. 3493). Der Bundesminister der Finanzen beantragte im Zuge dieser Verhandlungen, das BML vor Eingang neuer Verpflichtungen mit der Vorlage einer Fleischbilanz nebst Einfuhr- und Versorgungsplan für das Rechnungsjahr 1957/58 zu beauftragen
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
31
Sitzung lediglich mit Änderungen an und stimmte schließlich einer Erhöhung um nur 300 Mio. DM auf 1,5 Mrd. DM zu.13 Die Landwirtschaftspolitik der Bundesregierung zielte also auf eine Angleichung der Einkommen in der Landwirtschaft an die höheren Einkommen in der Industrie ab („Einkommensparität“). Bereits vor den Wahlen im September 1957 war durch die Erhöhung des Bundesbürgschaftsrahmens auf 1,5 Mrd. DM – auch für die Notenbank – deutlich geworden, daß die Bundesregierung der deutschen Landwirtschaft vor allem durch eine forcierte Interventionspolitik der EVSt höhere Erzeugerpreise ermöglichen wollte.14 Die EVSt stützten sich allerdings finanziell wesentlich auf den Refinanzierungsrückhalt der Notenbank. Diese sah sich jedoch – insbesondere vor dem Hintergrund der in Deutschland gemachten Inflationserfahrungen – verpflichtet, das in der Öffentlichkeit hoch bewertete Ziel der Kaufkraftstabilität zu verfolgen. Das Interesse der Bundesregierung an Einkommensparität für die Landwirtschaft kollidierte folglich mit dem Interesse der NoAbbildung 2-1: Monatliche Veränderung der Lebenshaltungs- und Ernährungskosten 6%
Veränderung zum entsprechenden Vorjahresmonat
5%
4%
3%
2%
1%
0%
-1%
-2%
-3%
-4% 1957
1958
1959
1960
1961
Anmerkung: linke (schwarze) Säule: Lebenshaltungskosten; rechte (graue) Säule: Ernährungskosten Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie M, Reihe 6 sowie die Interventionspreise für Fleisch auf ihre Höhe zu überprüfen. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung / Kabinettsausschuß für Wirtschaft 1956/57, S. 394, Fußnote 3. Darüber hinaus ergänzend zum Entwurf des zweiten Änderungsgesetzes des BMF B 126/8378. 13 Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Lebensmittelbevorratung vom 26.07.1957 (BGBl. I S. 1057). 14 Wenn die Bestrebungen des BML, die Kreditlinie auf 1,7 Mrd. DM zu erhöhen, nicht bereits über den Bundesbürgschaftsausschuß für die Lebensmittelbevorratung bekannt geworden waren, so war der ZBR spätestens durch den fraktionsübergreifenden gleichlautenden Antrag (s. Fußnote 12, S. 30) informiert.
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
tenbank an Preisniveaustabilität. Es stand daher zu erwarten, daß es zu den in Abbildung 2-1 ersichtlichen Zeitpunkten, zu denen die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse sich zu weit von den allgemeinen Lebenshaltungskosten entfernen sollten, zu Konflikten zwischen der Bundesregierung und der Bundesbank kommen würde. 2.1 Ausgangspunkt: Diskurs mit notenbankrechtlichen Argumenten Vor dem Hintergrund der starken Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Ernährungskosten und jener der Lebenshaltungskosten gegen Ende des ersten und im Verlauf des zweiten Quartals 1958 wurde in der 30. Sitzung des ZBR am 4. September 1958 erstmals Kritik an der Politik der EVSt geäußert. EDUARD WOLF, Mitglied des Direktoriums und zuständiger Dezernent für Volkswirtschaft und Statistik, hob hervor, daß die EVSt bisher zwar den legitimen Zweck der allgemeinen Wirtschaftspolitik verfolgten und ihre Politik auf einen Ausgleich saisonaler Schwankungen beschränkten. In der jüngsten Entwicklung sah er jedoch insbesondere bei Roggen – wie auch bei Butter und anderen Fetten – eine „gewisse Tendenz zur Überproduktion“. KARL BLESSING, Präsident der Bundesbank, führte sie auf die im Rahmen der Roggenpolitik der Bundesregierung gegebenen Abnahmegarantien zurück.15 In der Sitzung wurde daher zum ersten Mal der Wunsch geäußert, nach über sechseinhalb Jahren demnächst wieder mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten16 die mit der zentralen Vorratshaltung verbundenen Fragen zu besprechen.17 Die Einladung des ZBR bot nach Auffassung im BML keinen Anlaß zu der Sorge, die Bundesbank würde das seit Jahren eingespielte Finanzierungssystem ändern oder ihre bisherige Finanzierungshilfe versagen. Nach informeller Unterrichtung durch WILHELM RAHMSDORF, Leiter der Hauptabteilung Kredit und Vertreter der Bundesbank im Bürgschaftsausschuß für die Lebensmittelbevorratung, sollten in der für Dezember 1958 routinemäßig vorgesehenen ZBR-Sitzung zur erneuten Verlängerung der Kredithilfen18 nämlich lediglich „allgemeine Fragen 15 Gemäß § 3 Abs. 1 des Getreidepreisgesetzes 1957/58 (s. Fußnote 2, S. 27) hatte die EVSt „zur Sicherung der Mindestpreise dieses Gesetzes […] ihr vom Erzeuger angebotenes Getreide, außer Saatgetreide, zum Mindestpreis zu übernehmen, soweit dieser Preis im freien Verkehr nicht erzielt werden [konnte]“. Durch § 8 dieses Gesetzes sowie den „Grünen Plan 1958“ wurde darüber hinaus die wegen der Verknappung von Brotgetreide 1951 unter der Bezeichnung „Frühdruschprämie“ eingeführte Lieferprämie für Roggen fortgeführt, obwohl sie wegen ihres Subventionscharakters bei den Beratungen um den „Grünen Plan 1958“ in der 12. Sitzung des Bundeskabinetts am 05.02.1958 sowohl bei ETZEL als auch bei ERHARD auf Widerstand gestoßen war. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1958, S. 128 f. 16 Zuvor war das BML letztmalig durch Bundesminister WILHELM NIKLAS in der 119. Sitzung des ZBR/BdL am 30.04.1952 vertreten. 17 Protokoll zur 30. Sitzung des ZBR/BBk am 04.09.1958, TOP 12 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/144. 18 Vermerk vom 01.10.1958 betr. Kredithilfe der Deutschen Bundesbank für die Lebensmittelbevorratung in B 116/10880.
2.1 Ausgangspunkt: Diskurs mit notenbankrechtlichen Argumenten
33
der Markt- und Preispolitik auf dem Agrar- und Ernährungssektor erörtert werden, darunter insbesondere die Frage, welche Einflüsse von der Interventionstätigkeit der EVSt auf die Markt- und Preisentwicklung“ ausgehen.19 In der 37. Sitzung des ZBR am 18. Dezember 1958, zu der LÜBKE persönlich in Frankfurt erschien, wurde dann zwar auch über die Preise im Ernährungssektor gesprochen. LÜBKEs Hinweis im ZBR auf die Notwendigkeit stetiger Preise wurde aufgrund der in der zweiten Jahreshälfte 1958 rückläufigen Ernährungskosten (siehe Abbildung 2-1, S. 31) nicht widersprochen. Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Politik der EVSt und den Preisen trat bei diesem Gespräch in den Hintergrund und spielte erst etwa ein Jahr später wieder eine Rolle. In den Vordergrund trat dagegen erstmals – und für den Bundesminister wohl überraschend – eine ganz andere Frage: CARL WAGENHÖFER, Präsident der LZB in Bayern, machte Bedenken dahingehend geltend, daß die Bundesbank bei der Refinanzierung der Vorratsstellenwechsel letztlich die Refinanzierung einer langfristigen, revolvierenden Lagerhaltung seitens der EVSt betreibe, die nach dem BBkG nicht zulässig sei. Während die Bundesbank bei privaten Kreditinstituten die Rediskontierung von Wechseln, denen kein echter Warenumschlag zugrunde liege, ablehne, weiche sie bei der öffentlichen Hand von diesem Grundsatz seit Jahren ab. Darüber hinaus wies der Präsident der LZB in Bayern aber auch auf den fiskalischen Aspekt hin, daß die Finanzierung der Vorratshaltung mit Hilfe durch den Bund zu begebender einjähriger unverzinslicher Schatzanweisungen – „U-Schätze“ – billiger sei als die gegenwärtige Finanzierung über Konsortialkredite. WAGENHÖFER forderte daher den sukzessiven Abbau der durch die Bundesbank gewährten Refinanzierungshilfe und einen „Übergang à la longue“ zur Finanzierung der Vorratshaltung über den Bundeshaushalt oder – falls nötig – mit Hilfe von U-Schätzen des Bundes.20 WAGENHÖFERs Vorschlag, die zentrale Vorratshaltung auf U-Schätze des Bundes umzustellen, bedeutete tatsächlich gegenüber der Rediskontierung der Vorratsstellenwechsel zu dem jeweils gültigen Diskontsatz und dem dabei zu berücksichtigenden, durch die Landwirtschaftliche Rentenbank üblicherweise erhobenen Bearbeitungsaufschlag von 3/32 Prozent eine Finanzierungsersparnis von 0,21875 Prozentpunkten. Bei einer für das Jahr 1958 ausgesprochenen durchschnittlichen Kreditlinie von 1.280 Mio. DM, die im Durchschnitt auch mit 1.000 Mio. DM in Anspruch genommen wurde, errechnete sich somit immerhin eine mögliche Ersparnis von bis zu 2,8 Mio. DM. WAGENHÖFERs Vorschlag ließ jedoch außer acht, daß die Refinanzierung auch über Offenmarktankäufe zu Zinssätzen erfolgen konnte, die noch deutlicher unter dem Diskontsatz lagen. Die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln über den offenen Markt war dementsprechend auch das bevorzugte Mittel der Banken zur Liquiditätsbeschaffung 19 Vermerk (Abteilung III) vom 12.12.1958 betr. Sitzung des ZBR am 18.12.1958 und Vermerk (Abteilung IV) vom 16.12.1958 betr. Einladung zur Sitzung des ZBR am 18.12.1958 in B 116/10876. Die Sitzung des Bürgschaftsausschusses für die Lebensmittelbevorratung datiert auf den 21.11.1958. Ebd. 20 Handschriftliche Notizen und Auszug aus dem Stenogramm („Ersatz für Vorratsstellenwechsel-Finanzierung“) zur 37. Sitzung des ZBR/BBk am 18.12.1958 in B 330/147.
34
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
(siehe Abbildung 2-2, S. 38).21 WAGENHÖFERs Vorschlag bedeutete in dieser Hinsicht je nach Laufzeit der Vorratsstellenwechsel eine Verteuerung der Finanzierung der zentralen Vorratshaltung um bis zu 4 Mio. DM. Tabelle 2-2: Zinssätze zur Refinanzierung der zentralen Vorratshaltung Datum
Diskontsatz
U-Schätze des Bundes (Laufzeit 1 Jahr)
28.10.1958
3
%
2,875 %
10.01.1959
2,75 %
2,625 %
Vorratsstellenwechsel am offenen Markt 30–59 Tage: 2,375 % 60–90 Tage: 2,5 % 30–59 Tage: 2,25 % 60–90 Tage: 2,375 %
Quelle: Monatsberichte (BBk)
Eine erfolgreiche Begebung unverzinslicher Schatzanweisungen des Bundes in der erwähnten Höhe von bis zu 1 Mrd. DM setzte zudem eine entsprechende Nachfrage nach diesen Papieren am Kapitalmarkt voraus. Auf die diesbezüglichen Schwierigkeiten hatte der ZBR selbst einige Monate zuvor die Bundesregierung – freilich in einem anderen Zusammenhang – hingewiesen. In der 28. Sitzung des ZBR am 24. Juli 1958 war mit FRANZ ETZEL, Bundesminister der Finanzen, die Entwicklung der Haushaltslage des Bundes und die voraussichtliche Gestaltung des Etats für 1959/60 zwar erörtert worden. Eine Antwort aber auf die zentrale Frage des Bundesministers, welchen Betrag der Bund nach Auffassung des ZBR zur Deckung des Ausgabenbedarfs im Rechnungsjahr 1959/60 im Wege lang- und mittelfristiger Kredite aufnehmen könne, war der ZBR jedoch zunächst noch schuldig geblieben.22 Als sich dann bis Ende Oktober 1958 nach dem Entwurf des BMF konkretisiert hatte, daß zur Finanzierung des Bundeshaushalts 1959/60 nach Abzug der Steuern und sonstigen Einnahmen sowie nach einem Rückgriff auf Rückstellungen in Höhe von 1,2 Mrd. DM ein ungedeckter Betrag von 3,7 Mrd. DM verblieben war, den das BMF durch die Aufnahme einer Anleihe in Höhe von 3 Mrd. DM sowie über einen Sonderkredit der Bundesbank in Höhe von 0,7 Mrd. DM im Zusammenhang mit der Rückgliederung des Saarlandes aufzubringen beabsichtigte, präzisierte auch BLESSING die Höhe einer möglichen Inanspruchnahme der Kapitalmärkte. Im Rahmen der diesbezüglichen Erörterungen des Bundeskabinetts in seiner 40. Sitzung am 29. Oktober 1958, über die der ZBR am darauffolgenden Tag in Kenntnis gesetzt wurde, hatte BLESSING skeptisch ausgeführt, daß die Aufbringung von 3 Mrd. DM am Kapitalmarkt laut Kabinettsprotokoll die „oberste Grenze“ bzw. laut Vortrag vor dem ZBR „nicht sicher“ sei.23 Hiervon 21 So lag von Juli 1958 bis November 1959 der Anteil rediskontierter Wechsel an den insgesamt bei der Bundesbank refinanzierten Wechseln mit Ausnahme der Monate Oktober 1958 (52 %) und Januar 1959 (19 %) nicht über 8 %. 22 Protokoll zur 28. Sitzung des ZBR/BBk am 24.07.1958, TOP 2 („Entwicklung des Bundeshaushaltes“), in B 330/143. 23 Mit ausschlaggebend für diese Ausführungen BLESSINGs war, daß über den Betrag von 3 Mrd. DM hinaus seitens der öffentlichen Hand auch noch die Deutsche Bundesbahn bzw. die
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waren auch einzelne Kabinettsmitglieder überzeugt, nachdem sich „gewisse Verdauungsstörungen am Kapitalmarkt“ (BLESSING) darin gezeigt hatten, daß 25 Prozent einer zum 7. Oktober begebenen Anleihe der Deutschen Bundesbahn im Wert von insgesamt 400 Mio. DM noch nicht untergebracht werden konnten.24 Der Vorschlag WAGENHÖFERs vom 18. Dezember 1958 kam aus diesen Gründen in einem zeitlich ungünstigen Umfeld und ließ zudem eine klare Politik der Bundesbank gegenüber der Bundesregierung nicht unbedingt ersichtlich werden. Auf der einen Seite kritisierte der ZBR die beabsichtigte hohe Inanspruchnahme der Kapitalmärkte durch den Bund und empfahl unterschwellig deren Reduktion. Auf der anderen Seite wurde durch Mitglieder des ZBR nun eine Umstellung der Finanzierung der zentralen Vorratshaltung vorgeschlagen, die – da eine Finanzierung über den Bundeshaushalt ausgeschlossen erschien – auf eine stärkere Inanspruchnahme der Kapitalmärkte hinzielte. Die Chancen einer Umstellung der Finanzierung wurden daher auch im ZBR als minimal erachtet. Dennoch wurden auf Vorschlag BLESSINGs zwei Kommissionen eingerichtet, die mit den Bundesressorts auf Referentenebene die Möglichkeiten zur Änderung der Finanzierung der zentralen Vorratshaltung erörtern sollten.25 Das BMF griff als federführendes Bundesressort die Anregung des ZBR auf. In Vorbereitung zu einer Sitzung mit den übrigen beteiligten Stellen (BML, Bundesbank und Bundesrechnungshof)26 erörterte man am 16. Februar 1959 in einer hausinternen Besprechung die Möglichkeiten einer anderen Finanzierung der zentralen Vorratshaltung, über deren erste vorläufige Ergebnisse die Bundesbank informiert wurde. Das BMF rechnete demnach damit, daß ein Wegfall des durch die Bundesbank gewährten Finanzierungsrückhaltes wegen der seinerzeit bestehenden günstigen Liquiditätslage der Geschäftsbanken die zentrale Vorratshaltung wahrscheinlich nicht gefährden, jedoch zu einem Ausscheiden einiger dem – seinerzeit auf Verlangen der BdL breit angelegten – Konsortium angehörender Mitgliedsbanken führen würde. Es wies zudem darauf hin, daß die alleinige Finanzierung durch die Geschäftsbanken ohne Stütze der Notenbank zu einer erheblichen Verteuerung der Kredite für den Bund in einer Höhe von 0,25 bis 0,375 Prozentpunk-
Deutsche Bundespost mit Beträgen von 1,2 Mrd. DM bzw. 0,25 Mrd. DM an die Kapitalmärkte zu gehen beabsichtigten. 24 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1958, S. 368 ff., und Auszug aus dem Stenogramm („Bericht über den Bundesetat“) zur 34. Sitzung des ZBR/BBk am 30.10.1958 in B 330/146. BLESSING warnte nicht nur wegen der mißglückten Bundesbahnanleihe vor einer zu hohen Inanspruchnahme der Kapitalmärkte. Hinweise BLESSINGs deuten darauf hin, daß zu diesem Zeitpunkt bereits Anhaltspunkte dafür vorlagen, daß das BMF beabsichtigte, auch in den kommenden Haushaltsjahren mit Anleihen in einer Größenordnung von 3 Mrd. DM an die Kapitalmärkte heranzutreten. 25 Die Frage einer „Umstellung des Finanzierungsverfahrens für die Bevorratungen durch die EVSt“ wurde im Rahmen der „Finanzierung der Lebensmittelbevorratung (Bundesreserve)“ federführend durch das BMF in den Jahren 1958 und 1959 unter dem Aktenzeichen F 6130 erörtert. Der entsprechende Aktenband im Bundesarchiv (B 126/8383) hat bedauerlicherweise einen „abweichenden Verbleib“ (Stand: 19.03.2008). 26 Schreiben (BML an BK) vom 26.01.1959 betr. Zentrale Vorratshaltung in B 116/10880.
36
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
ten führen würde (siehe Tabelle 2-2, S. 34), gegen die es stärkste Bedenken geltend machte.27 Aber auch hinsichtlich einer Übertragung der Finanzierung auf den Bund durch Begebung und Unterbringung von einjährigen unverzinslichen Schatzanweisungen, die – wie ausgeführt – eine Inanspruchnahme des Marktes durch Geldmarkttitel in der erforderlichen, ziemlich konstanten Größenordnung von rd. 1 Mrd. DM bedeutet hätte, machte das BMF erhebliche Bedenken geltend. Es wies darauf hin, daß für diesen Fall die Schatzwechsel des Bundes gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 a des BBkG auf den Kassenkreditplafond des Bundes bei der Bundesbank angerechnet werden müßten.28 Da der Bund sich den Kassenkreditplafond für die Finanzierung seiner eigenen Bedürfnisse freihalten müsse, könne eine solche Anrechnung jedoch auf keinen Fall hingenommen werden. Eine zur Umstellung nötige gesetzliche Ermächtigung, die im übrigen wahrscheinlich erst im Haushaltsgesetz 1960 ausgesprochen werden könne, müsse daher für die zur Finanzierung der Vorratshaltung begebenen U-Schätze dieselben Erleichterungen wie für die Vorratsstellenwechsel vorsehen. Insbesondere müßten die U-Schätze in das Verfahren zur Geldmarktregulierung einbezogen werden, um zu verhindern, daß nicht am Geldmarkt unterzubringende U-Schätze auf den Bund zurückfielen und insoweit seinen Kassenkreditplafond blockierten.29 Der ZBR erfuhr von den Bedenken des BMF hinsichtlich erhöhter Finanzierungskosten infolge einer etwaigen Umstellung nichts. RAHMSDORF erwähnte dagegen in seinem Vermerk, der die Vorlage des für die Kreditabteilung zuständigen Dezernenten, BERNHARD BENNING, zur 42. Sitzung am 5. März 1959 ergänzte, daß das BMF angesichts der Wünsche „auf absolute Sicherstellung des Finanzierungsablaufs ohne Rückgriff auf den Bund“ eine mögliche nachhaltige Senkung der Finanzierungskosten durch Umschalten auf U-Schätze als „nachrangig“ ansehe und sie noch zum Gegenstand weiterer Prüfungen und Erörterungen innerhalb des BMF sowie zwischen diesem und dem Bundesrechnungshof machen wolle.30
27 Schnellbrief (BMF (KLAMSER) an BBk (RAHMSDORF)) vom 18.02.1959 betr. Zentrale Vorratshaltung in B 116/10880. Die Zusendung der vorläufigen Stellungnahme des BMF erfolgte auf eine entsprechende Anregung RAHMSDORFs anläßlich der Erörterung der Berlin-Bevorratung vom 13.02.1959, um auf dieser Grundlage bereits gelegentlich der Sitzung des Bürgschaftsausschusses für die Lebensmittelbevorratung am 20.02.1959 in Frankfurt (und nicht einer besonderen Ressortbesprechung) die Angelegenheit besprechen zu können. 28 § 20 BBkG („Geschäfte mit öffentlichen Verwaltungen“) legte die Höchstgrenze der Kassenkredite einschließlich der Schatzwechsel, die die Bundesbank für eigene Rechnung kaufte oder deren Ankauf sie zusagte, fest. Sie betrug gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 a BBkG beim Bund 3 Mrd. DM. V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 426 ff. 29 Schnellbrief vom 18.02.1959 (s. Fußnote 27). 30 Vorlage (BENNING) vom 25.02.1959 betr. Zentrale Vorratshaltung sowie dazugehörige Anlage RAHMSDORFs vom 24.02.1959 betr. Umstellung des Finanzierungsverfahrens für die zentrale Vorratshaltung durch Begebung von unverzinslichen Schatzanweisungen des Bundes anstelle der 3-Monats-Wechselziehungen der EVSt zur 42. Sitzung des ZBR/BBk am 05.03.1959 in B 330/150.
2.1 Ausgangspunkt: Diskurs mit notenbankrechtlichen Argumenten
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Erst zu seiner 49. Sitzung am 11. Juni 1959 wurde der ZBR daher über die endgültige Stellungnahme des BMF informiert. KARL MARIA HETTLAGE, Staatssekretär im BMF, wiederholte stellvertretend für den Bundesminister der Finanzen in einem Schreiben im wesentlichen die zuvor geäußerten Bedenken. Er wies darüber hinaus darauf hin, daß die verhältnismäßig starken Schwankungen in der Kreditinanspruchnahme bei einem Rückgriff auf Schatzanweisungen des Bundes zusätzliche Zinskosten für nicht benötigte Mittel zur Folge haben und die mit der Umstellung erhofften Zinseinsparungen entsprechend mindern würden. Mit Unterstützung des BML sowie des Bundesrechnungshofes forderte HETTLAGE – auch vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die defizitäre Entwicklung des Bundeshaushalts sich jüngst verschärft hatte (Hinweis BENNINGs) – die Bundesbank daher auf, die Solawechsel der EVSt auch in Zukunft als ankaufsfähig nach § 19 Abs. 1 des BBkG zu erklären und damit die von der Bundesregierung erbetene Refinanzierungshilfe zu geben.31 Die Forderung des BMF, U-Schätze nicht auf den Kreditplafond anzurechnen, war für die meisten Mitglieder des ZBR schon aus rechtlichen Gründen völlig inakzeptabel. Auch im BMF wußte man, daß die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 BBkG vorgesehene Anrechnung der Schatzwechselkredite gerade verhindern sollte, „daß auf dem Wege über […] kurzfristige Papiere eine Art Nebenplafond neben dem gesetzlichen Plafond eröffnet“ wird.32 Abgesehen davon bedeutete die Forderung für die Gegner des bestehenden Finanzierungssystems im ZBR keinen wesentlichen Fortschritt gegenüber dem Status quo. Nach WAGENHÖFERs Auffassung war nämlich durch die bestehende Regelung bereits ein zusätzlicher Plafond von mittlerweile etwa 1 Mrd. DM geschaffen worden, an dem das BMF nun versuchte, mit seiner Forderung, Schatzwechsel nicht auf seinen Kassenkreditplafond anzurechnen, festzuhalten. Nach einem halben Jahr war damit für die Gegner des bestehenden Finanzierungssystems kein wesentlicher Fortschritt erreicht worden. WAGENHÖFER forderte infolgedessen, die Antwort des BMF nicht unwidersprochen hinzunehmen, und schlug vor, dem kurzfristig für die EVSt Getreide sowie für die EVSt Fette gestellten Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank auf Erhöhung der Refinanzierungszusagen der Bundesbank um insgesamt 250 Mio. DM „aus grundsätzlichen Erwägungen“ nicht stattzugeben. Andere Mitglieder des ZBR verteidigten unterdessen das Refinanzierungssystem: FRIEDRICH WILHELM VON SCHELLING, Präsident der LZB in der Freien und Hansestadt Hamburg, gab zu bedenken, daß beim Aushandeln des Kassenplafonds im Zusammenhang mit der Formulierung des neuen BBkG das Finanzierungssystem der EVSt bereits bestanden hatte. Dessen jetzige Umstellung käme daher einer Plafondkürzung gleich. Der für die jeweiligen Sitzungsvorlagen zur zentralen Vorratshaltung zuständige Dezernent BENNING sah in den EVSt eigenständige 31 Schreiben (BMF (HETTLAGE) an BBk) vom 13.05.1959 betr. Kredite für die Lebensmittelbevorratung (Bundesreserve); hier: etwaige Umstellung der Finanzierung, und Vorlage (BENNING) betr. Vorschlag zur Umstellung der Finanzierung der zentralen Lebensmittelbevorratung von Wechselkrediten der EVSt auf Geldmarktpapiere (unverzinsliche Schatzanweisungen) des Bundes in B 330/154. 32 V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 431.
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
Institutionen. Aus diesem Grunde konnte der ZBR seiner Meinung nach keine Forderung auf eine Finanzierung durch den Etat erheben. Denn die zur Finanzierung verwendeten Wechsel wären schließlich auch zweifellos Handelswechsel, wenn die Vorräte nicht durch den Bund, sondern vom Handel gehalten würden. Demgegenüber gab sich neben ERNST FESSLER, Präsident der LZB in Nordrhein-Westfalen, auch BLESSING als Gegner des bestehenden Finanzierungssystems zu erkennen. BLESSING war der Auffassung, daß die Einlagerungen streng genommen politisch begründet und daher eine „Haushaltssache“ seien. Er forderte, die Angelegenheit unter Anwesenheit des Bundesministers der Finanzen zu besprechen, zu der WOLF auch noch den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ergänzend hinzuzuziehen wünschte.33 Die Mitglieder des ZBR waren also hinsichtlich des von der Bundesbank gewährten Refinanzierungsrückhaltes intern unterschiedlicher Auffassung. Bei den Gegnern des Refinanzierungsrückhaltes war zudem ihre ablehnende Haltung unterschiedlich motiviert. Von alledem drang nichts nach außen. Im Sitzungsprotokoll wurde lediglich festgehalten, daß der ZBR die Erhöhung der Kredithilfen für die EVSt um insgesamt 250 Mio. DM auf nunmehr 1.380 Mio. DM für das dritte Quartal 1959 (siehe Abbildung 2-2) einstimmig beschlossen habe. Und auch der Wunsch des ZBR, die Frage einer Umstellung der Finanzierung der zentralen Vorratshaltung von Wechselkrediten der EVSt (mit der Refinanzierungshilfe der Abbildung 2-2: Vorratsstellenwechsel 1958–1961 (in Mio. DM) 800
1.600
1.400
Kreditlinie
600
1.200
500
1.000 Begebene Solawechsel
400
800
300
600 Refinanziert bei der Bundesbank
200
400
100
200 davon Offenmarktankäufe
davon rediskontiert
0
0 Jan 1958
Apr 1958
Jul 1958
Okt 1958
Jan 1959
Apr 1959
Jul 1959
Okt 1959
Jan 1960
Apr 1960
Jul 1960
Okt 1960
Jan 1961
Apr 1961
Jul 1961
Okt 1961
Quelle: diverse Vorlagen ZBR/BBk in B 330
33 Handschriftliche Notizen zur 49. Sitzung des ZBR/BBk am 11.06.1959 in B 330/154.
Kreditlinie und begebene Solawechsel
Bei der Bundesbank refinanzierte Vorratsstellenwechsel
700
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
39
Bundesbank) auf vom Bund am Geldmarkt zu begebende unverzinsliche Schatzanweisungen mit dem Bundesminister der Finanzen zu erörtern, wurde nicht artikuliert.34 Die Erörterung dieses Fragenkomplexes mit dem Bundesminister der Finanzen war dennoch beabsichtigt. Sie war zunächst für die vier Wochen später stattfindende 51. Sitzung des ZBR geplant,35 mußte dann allerdings dringenderen Fragen hinsichtlich der Finanzierung des Bundeshaushalts weichen. Auch in der 53. Sitzung des ZBR sechs Wochen später war der Bundesminister der Finanzen zwar anwesend, zu einer Erörterung des Komplexes kam es aber dennoch nicht, weil drängende Fragen der Wohnungsbaupolitik mit dem gleichzeitig anwesenden Bundesminister für den Wohnungsbau, PAUL LÜCKE, erörtert wurden. 2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten 2.2.1 Die Verhandlungen Eine Erörterung der die zentrale Vorratshaltung berührenden Fragen fand schließlich bis zur 55. Sitzung des ZBR am 24. September 1959 weder mit dem Bundesminister der Finanzen noch mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten statt. In der Zwischenzeit hatten sich die Lebenshaltungskosten aufgrund massiver Preissteigerungen im Ernährungssektor nach allgemeiner Auffassung des ZBR recht dramatisch entwickelt (siehe Abbildung 2-1, S. 31). In dieser Situation beantragte die Landwirtschaftliche Rentenbank mit dem üblichen Schreiben bei der Bundesbank für das vierte Quartal 1959 eine Erhöhung des Refinanzierungsrückhaltes um 10 Mio. DM auf insgesamt 1.390 Mio. DM und informierte diese darüber, daß das Bankenkonsortium den drei EVSt für das gesamte vom 1. Oktober 1959 bis zum 30. September 1960 laufende Wirtschaftsjahr Konsortialkredite von bis zu 1.755 Mio. DM eingeräumt hatte.36 Wegen der bereits 1957 erfolgten Erhöhung des Bundesbürgschaftsrahmens konnte der ZBR nun für den Fall entsprechender Refinanzierungszusagen von einer zukünftigen Erhöhung der Inanspruchnahme der Bundesbank auf bis zu 1,5 Mrd. DM ausgehen.37 Zeitgleich stattfindende und im Zusammenhang mit der Finanzierung der EVSt im vierten Quartal 1959 stehende Gespräche zwischen dem BML und dem 34 Protokoll zur 49. Sitzung des ZBR/BBk am 11.06.1959, TOP 9 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/154. 35 Vorlage (BENNING) vom 10.09.1959 betr. Zentrale Vorratshaltung zur 55. Sitzung des ZBR/BBk am 24.09.1959 in B 330/157. Protokoll zur 51. Sitzung des ZBR/BBk am 09.07.1959, TOP 2 II („Währungs- und Kreditpolitik; Besprechung mit dem Bundesfinanzminister“), in B 330/155. 36 Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank vom 05.09.1959 betr. Konsortialkredite für die Lebensmittelbevorratung in B 330/157. Im einzelnen wurden Konsortialkredite an die EVSt Getreide bis zu 1.200 Mio. DM, an die EVSt Fleisch bis zu 380 Mio. DM und an die EVSt Fette bis zu 175 Mio. DM eingeräumt. 37 Siehe Fußnote 13, S. 31.
40
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
BMF über eine Erhöhung des Bundesbürgschaftsrahmens deuteten zudem darauf hin, daß sich die Inanspruchnahme auf insgesamt 1,8 Mrd. DM ausweiten könnte.38 Die Vorlage von BENNING, der auch dieses Mal den Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank auf Erhöhung befürwortete, stieß nun unter den geschilderten Bedingungen im ZBR insbesondere deswegen auf überwiegende Ablehnung,39 weil er eine Ausweitung der Refinanzierungszusage für den Konsortialkredit an die EVSt Fleisch um 70 Mio. DM auf 270 Mio. DM vorsah.40 WOLF machte im ZBR geltend, daß allein die Fleischpreise für 1,1 Prozentpunkte der um 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten Lebenshaltungskosten verantwortlich seien, und forderte, dementsprechend die Ablehnung des Antrages der Landwirtschaftlichen Rentenbank preispolitisch zu begründen. Diese Begründung war aber nicht unumstritten. WAGENHÖFER wiederholte seine grundsätzliche Kritik und empfahl, die Ablehnung mit der existierenden Finanzierungsform zu begründen. Mit seiner Auffassung, daß eine preispolitisch motivierte Ablehnung eine zu starke Einmischung der Notenbank in die materielle Politik der Bundesregierung bedeute, konnte er sich jedoch im ZBR nicht durchsetzen. Ebensowenig gelang dies auch HEINRICH TROEGER, Vizepräsident der Bundesbank, mit seinem vermittelnden Vorschlag, den ablehnenden Brief mit Berufung auf § 12 BBkG neutral zu formulieren, weil BLESSING und WOLF darauf hinwiesen, daß einzig das BML für die Erhöhung der Fleischpreise eintrete, die Bundesregierung ansonsten sich jedoch für eine Fleischpreissenkung einsetze. Nicht zuletzt deswegen hielt das Sitzungsprotokoll fest: „[Der ZBR] sieht sich aus währungspolitischen Gründen nicht in der Lage, der Erhöhung zuzustimmen, wenn nicht überzeugend nachgewiesen wird, daß die in Aussicht genommene Erhöhung der Einlagerung den Bestrebungen zur Senkung der Fleischpreise nicht zuwiderläuft.“41
38 Zur Finanzierung des erhöhten Kreditbedarfs der EVSt im vierten Quartal 1959 war dem Staatssekretär im BML bereits Anfang August 1959 intern empfohlen worden, eine Erhöhung des Bundesbürgschaftsrahmens zu erreichen. Vermerk vom 06.08.1959 und Entwurf eines Schnellbriefs (BML an BMF) vom 11.08.1959. Das BML forderte eine Erweiterung auf 1,8 Mrd. DM. Das BMF wollte dagegen nicht über 1,7 Mrd. DM hinausgehen. Vermerk vom 14.10.1959. Alle Quellen betr. Finanzbedarf der EVSt in B 116/10877. 39 Die negative Entscheidung des ZBR stellte kein Novum dar. Bereits 1955 war der Refinanzierungsrückhalt für den Fleisch-Konsortialkredit einmal auf einen Höchstbetrag von 70 Mio. DM beschränkt worden. Im Gegensatz zu dieser Entscheidung hatte dies damals jedoch zu keinen Schwierigkeiten geführt, weil der Kreditbedarf der EVSt Fleisch seinerzeit diesen Betrag (bei Berücksichtigung des Sonderkredits Berlin) nicht überstieg. Schreiben (BML an BMF) vom 12.04.1955 in B 116/10876. 40 Die Refinanzierungszusagen für die Konsortialkredite an die EVSt Getreide bzw. an die EVSt Fette waren dagegen nicht kontrovers, da sie mit den unter Fußnote 36, S. 39, genannten Beträgen gegenüber dem vorangegangenen Quartal eine Reduktion um 50 Mio. DM bzw. 10 Mio. DM bedeuteten. 41 Protokoll zur 55. Sitzung des ZBR/BBk am 24.09.1959, TOP 7 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/157. Schreiben (BBk an BML) vom 30.09.1959 in B 116/10877.
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
41
Das BML arbeitete laut internem Vermerk vom 26. Mai 1959 weisungsgemäß sowohl bei Rindern als auch bei Schweinen im Wege der Einfuhrbeschränkung darauf hin, einen möglichst hohen Schlachtviehpreis zu erreichen.42 Die Forderung des ZBR war daher verständlich. Bereits Ende April 1959 hatte auch LUDWIG ERHARD, Bundesminister für Wirtschaft, aus diesem Grunde in einem Schreiben an LÜBKE unverzügliche und nachhaltige Maßnahmen zur Preisdämpfung und zur Ansteuerung eines für die Landwirtschaft wie für den Verbraucher tragbaren Preisniveaus gefordert. Selbst wenn man den Gedankengängen der Landwirtschaft folgen und eine gewisse Anhebung der Jahresdurchschnittspreise für Schlachtvieh ansteuern wolle, sei der gegenwärtige Stand als Ausgangspunkt für die zwischen den beiden Ministerien auszuhandelnde weitere Preisentwicklung überhöht. ERHARD hatte in diesem Zusammenhang explizit auch die Stützungskäufe der EVSt, durch die der Landwirtschaft neben dem niedrigen Einfuhrniveau eine „äußerst wirksame Hilfestellung“ geleistet worden sei, kritisiert. Er plädierte für ein die „freie Initiative des Einfuhrhandels möglich wenig hemmendes Einfuhrverfahren“, um eine im Interesse der Verbraucher liegende Auffüllung des Marktangebots und eine damit verbundene Dämpfung der Preisentwicklung sicherzustellen.43 Mitte September 1959 war zwischen Vertretern des BML und des BMWi zunächst eine Einigung über die für das Kalenderjahr 1959 anzustrebenden Schlachtviehpreise (je 50 Kilogramm) erzielt worden. Demnach sollte bei Schweinen ein Durchschnittspreis von 133 DM und bei Rindern ein Durchschnittspreis von 101 DM für das Kalenderjahr 1959 angestrebt werden. Die anschließend auf dieser Grundlage erstellte Berechnung im BML ergab jedoch, daß hierfür für das vierte Quartal 1959 ein Schweinedurchschnittspreis von 132 DM und ein Rinderdurchschnittspreis von 88 DM hätten realisiert werden müssen. Diese Entwicklung war nach Ansicht von THEODOR SONNEMANN, Staatssekretär im BML, jedoch ausgeschlossen, weil sie das bisherige Konzept der Agrarpolitik infragegestellt hätte. Da das Besprechungsergebnis keine Abkehr vom Grundkonzept „Einkommensparität“ bedeuten sollte, wurden auf Veranlassung des Staatssekretärs aus Jahresdurchschnittspreisen kurzerhand Jahresendpreise und der Interventionsumfang der EVSt sowie die Einfuhren auf dieses „neue“ Besprechungsergebnis hin angepaßt: Der „Herr Staatssekretär hielt es nicht für zweckmäßig, Einzelheiten zu besprechen, sondern wünschte, daß entsprechend der von ihm aufgezeichneten Linie gehandelt werde.“ Vertraulich war so unter anderem beschlossen worden, daß die EVSt auf den nichtnorddeutschen Märkten zwar weniger intensiv tätig werden, gleichzeitig aber „nach wie vor – mit Schwerpunkt im norddeutschen Raum – intervenieren“ sollten, um ein nur ganz allmählich vor sich gehendes Absinken der Preise in diesem Raum zu gewährleisten.44 42 Vermerk vom 26.05.1959 betr. Preisentwicklung für Lebendvieh und Fleisch in B 116/12404. 43 Schreiben (BMWi (ERHARD) an BML (LÜBKE)) vom 28.04.1959 betr. Preisentwicklung für Lebendvieh und Fleisch in B 116/12404. 44 Vermerk vom 16.09.1959 betr. Ergebnis der Besprechung zwischen Herrn Bundesminister Dr. Erhard und Herrn Staatssekretär Dr. Sonnemann am 14.09.1959 in B 116/12404.
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
Die ablehnende Haltung des ZBR, in höherem Umfang Refinanzierungsrückhalt für die hierfür notwendigen Konsortialkredite an die EVSt Fleisch zu gewähren, verfehlte ihre Wirkung nicht: Vier Wochen später erschien WERNER SCHWARZ, seit wenigen Tagen Nachfolger LÜBKEs im Amt des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, zur 57. Sitzung am 22. Oktober 1959, um den vom ZBR verlangten Nachweis zu erbringen. In dieser Sitzung sprach WOLF gegenüber SCHWARZ die Sorgen des ZBR über die Entwicklung der Ernährungskosten aus. Ihm zufolge war der gegenüber dem Vorjahr über vierprozentige Anstieg der Ernährungskosten der wesentliche Grund dafür, daß die Lebenshaltungskosten im September um 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen waren. WOLF wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Bundesbank durch das BBkG gehalten sei, unter Wahrung ihrer Aufgaben die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen.45 In diesem Sinne hätte die Rücksicht auf die währungspolitische Aufgabe der Bundesbank es dem ZBR verboten, einer Politik durch das „bescheidene Instrument der Rediskontzusage“ seine Hand zu leihen, die er für außerordentlich bedenklich halte, weil bei der gegenwärtigen konjunkturellen Situation aufgrund des anstehenden Auslaufens zahlreicher Tariflohnvereinbarungen jede durch eine falsche Einlagerungspolitik verursachte Steigerung der Ernährungskosten auf eine Verstärkung der Lohnauftriebstendenzen hinführe. Hierin sei eine massive Gefahr für das Preisniveau zu sehen. Die Ingangsetzung einer Lohn-Preis-Spirale sei zu befürchten. Unter diesen Prämissen war nach Meinung von WOLF in preispolitischer Hinsicht die Landwirtschaftspolitik des BML im allgemeinen und die Einlagerungspolitik der EVSt im besonderen zu bewerten. Der ZBR wußte natürlich, daß die Erhöhung der Ernährungskosten zu einem gewissen Grade eben auch eine Folge der durch die Dürre 1959 bedingten Verminderung des Angebots an bestimmten Produkten war, und zog daraus die Empfehlung an den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, dieser Tendenz durch einfuhrpolitische Maßnahmen – z. B. bei Kartoffeln oder bei Butter – entgegenzuwirken. Im Hinblick auf die Fleischpreise bemängelte WOLF außerdem, daß das Fleischerhandwerk die mittlerweile niedrigeren Viehmarktpreise nicht weitergebe und sich auf diese Weise höhere Handelsspannen verschaffe. Er forderte daher, daß „von Seiten der Regierung, evtl. auch sogar von Seiten des Ernährungsministeriums – das ja nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Ernährung zuständig [sei] – alles getan werden sollte, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken“: „Man sollte das Maul aufreißen und sollte – ich wage es auszusprechen – ruhig einmal den Konsumenten etwas gegen die Fleischer aufhetzen und sollte es den Bauernverbänden klar machen – evtl. in einer entsprechenden Pressekampagne –, daß die Preiseinbußen, die sie in letzter Zeit zu verzeichnen hatten, vom Fleischergewerbe nicht weitergegeben worden sind. Wenn daraufhin die Fleischer von den Konsumenten angesprochen werden, könnte das durchaus einen gewissen Effekt haben. Also in diese Propaganda
45 § 12 BBkG („Verhältnis der Bank zur Bundesregierung“).
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
43
zum Zwecke der Stabilisierung unserer Lebenshaltungskosten könnte sich vielleicht das Ernährungsministerium einschalten.“46
Während der ZBR im Hinblick auf die übertriebenen Handelsspannen nur in Form von Appellen auf den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einwirken konnte, hatte er mit seinem Refinanzierungsrückhalt ein Instrument in der Hand, auf das das BML bei der Durchführung seiner Einlagerungspolitik angewiesen war. Die Weigerung des ZBR, den für den Fleisch-Konsortialkredit benötigten erweiterten Refinanzierungsrückhalt zu gewähren, hatte ja zu dem Besuch des Bundesministers geführt und schien die Wirksamkeit dieses Instruments zu bestätigen. Im BML hatte man Anfang Oktober 1959 auf die ablehnende Haltung des ZBR zunächst mit einem persönlichen Schreiben von SONNEMANN an BLESSING reagiert. Der Staatssekretär hatte darin auf den gegenüber dem Vorjahr um 500.000 Schlachtrinder erhöhten Mehrbestand der Erzeuger hingewiesen, der in den anstehenden vier Wochen auf die Märkte drängen und dort noch um zusätzliche, infolge der Dürre zur Verminderung der Bestände vorgenommene Verkäufe ergänzt werde. Mit der Folgerung, daß mindestens 200.000 bis 250.000 Rinder – auch bei erheblichen Preiszugeständnissen – nicht sofort vom Markt aufgenommen werden könnten, hatte er den höheren Interventionsbedarf der EVSt Fleisch begründet47 und den ZBR nochmals um die Erweiterung des Refinanzierungsrückhaltes für die EVSt Fleisch um 70 Mio. DM auf 270 Mio. DM mit dem Hinweis gebeten, daß durch deren Käufe bei diesen Relationen keinesfalls die unerwünscht hohen Einzelhandelspreise für Fleisch beibehalten oder sogar noch erhöht würden.48 In der Sitzung des ZBR am 22. Oktober 1959 bezeichnete WOLF diese Kalkulation gegenüber dem nun anwesenden Bundesminister als „gänzlich unrealistisch“. Nach Rücksprache mit Experten des – dem BML unterstehenden – Instituts für landwirtschaftliche Marktordnung in Völkenrode war nach den Worten WOLFs mit einem Mehrangebot von kaum über 200.000 Rindern zu rechnen. Da davon die Hälfte allein durch den infolge der gestiegenen Masseneinkommen erhöhten Verbrauch absorbiert würde, erachtete WOLF eine Einlagerung von 46 Auszug aus dem Stenogramm („Preisentwicklung auf dem Agrarsektor“) zur 57. Sitzung des ZBR/BBk am 22.10.1959 in B330/158. 47 Aus den Ausführungen des Staatssekretärs ging nicht klar hervor, ob die zusätzliche Einlagerung wegen der im Schreiben angeführten begrenzten Kühlraumkapazität auf maximal 70.000 bis 80.000 Rinder beschränkt oder darüber hinaus durch Konserven fortgeführt werden sollte. Nicht nur die Antwort WOLFs läßt darauf schließen, daß an eine weitaus höhere – also auch in Konserven vorzunehmende – Einlagerung gedacht war. Das Schreiben des Staatssekretärs griff nämlich wohl zurück auf eine spätestens Anfang August 1959 bereits vorhandene interne Darstellung, die im Hinblick auf die beabsichtigte Erweiterung des Bundesbürgschaftsrahmens (s. Fußnote 38, S. 40) erstellt worden war. In dieser war ausgeführt worden, daß die EVSt unter Umständen bis zu 200.000 Rinder aufnehmen und eine Teilmenge zu Konserven verarbeiten müsse. Vermerk (Entwurf) vom 05.08.1959 betr. voraussichtliche Entwicklung der Lagerhaltung der EVSt im Wirtschaftsjahr 1959/60 in B 116/10877. 48 Schreiben (BML (SONNEMANN) an BBk (BLESSING)) vom 06.10.1959 in B 116/10877 und B 330/158.
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
100.000 Rindern als hinreichend. Der Kreditbedarf der EVSt Fleisch sei schon deswegen niedriger zu bewerten. Er reduziere sich noch weiter, weil durch die EVSt Fleisch in den vorangegangenen Wochen bereits erhebliche Einlagerungen vorgenommen worden seien (siehe Abbildung 2-3 f., S. 46 f.). Zudem solle der Kreditbedarf der EVSt Fleisch auch deshalb nicht größer bemessen werden, um eine weitere Verknappung am Fleischmarkt infolge zusätzlicher Einlagerungen zu verhindern. Angesichts der hohen Schweinefleischbestände der EVSt Fleisch und der Tatsache, daß die Schweinepreise im Zuge des Schweinezyklus ihren Höhepunkt noch nicht überschritten hatten, empfahl WOLF unter dem Eindruck der Verknappung auf dem Schweinefleischmarkt, Schweinefleisch aus den Beständen der EVSt Fleisch auszulagern und daraus freiwerdende Kreditmittel zur Finanzierung von Rindfleischeinlagerungen zu verwenden. Insgesamt könne unter diesen Gesichtspunkten ohne weiteres unterstellt werden, daß der Kreditbedarf der EVSt Fleisch nicht ganz so groß sei wie beantragt. Um einer preistreibenden Einlagerung sicherheitshalber keinen weiteren Vorschub zu leisten, erbat WOLF zudem vom Bundesminister die Zusage, im weiteren Verlauf Rindfleischeinlagerungen nur zu einem mindestens fünf Prozent unter dem Vorjahresstand liegenden Preis vorzunehmen. Eine zunächst vom Bundesminister zugesicherte Stabilisierung des Preises auf dem Vorjahresniveau hatte der ZBR dagegen als unzureichend erachtet, da sie für ihn lediglich eine Beibehaltung des höheren Preistrends der vergangenen Jahre bedeutet hätte. Bei einem mindestens fünf Prozent unter Vorjahresstand liegendem Preisniveau sah WOLF dagegen – trotz der erhöhten Handelsspannen – den gewünschten Druck auf die Einzelhandelspreise gewährleistet, an dem der ZBR im Hinblick auf die drohende Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale interessiert war. Ein derartiges Preisniveau war seiner Ansicht nach auch im Eigeninteresse der Landwirtschaft, da es die unter dem Einfluß der Futtermittelknappheit bestehenden Anreize verringern würde, mehr Vieh auf Kosten der Substanzerhaltung zu schlachten, als im Hinblick auf die langfristige Versorgung des Marktes mit Schlachtrindern angezeigt erschien. SCHWARZ bestätigte im Verlauf dieser Erörterungen die Auffassung WOLFs, daß tatsächlich nicht mit einem Mehrangebot von 500.000 Rindern zu rechnen sei. Dennoch habe sich die EVSt Fleisch wegen des infolge der Dürre ungewöhnlich hohen Auftriebes von Rindern an den Viehmärkten veranlaßt gesehen, in erster Linie in Nordwestdeutschland, insbesondere in Husum, ab Mitte September zu intervenieren. Dabei müsse er konstatieren, ohne dies bewerten zu wollen, daß auch zu Preisen gekauft worden sei, die „einige Pfennige“ über den vorjährigen gelegen hätten. Im Hinblick auf den in diesem Zusammenhang geäußerten zentralen Vorwurf, daß die Einlagerungen der EVSt den Rückgang der Rinderpreise verhindert hätten, verwies der Bundesminister jedoch auf die aktuelle Entwicklung. Hiernach seien die Viehpreise mit Beginn der dieser Sitzung vorangegangenen Woche insbesondere wegen der zuvor vom BML gegebenen Anordnung, nicht zu höheren Preisen als im Vorjahr einzukaufen, wieder unter das Niveau des
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
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Vorjahres gefallen.49 Genausowenig sei beabsichtigt, bei künftigen Aufkäufen von Vieh über die EVSt das Preisniveau des vorangegangenen Jahres zu überschreiten. Da im übrigen Preise und Preisvorstellungen als Richtpreise mit dem BMWi abgesprochen würden und infolgedessen auch von dieser Seite eine Überwachung erfolge,50 seien die Befürchtungen des ZBR, daß von den EVSt preissteigernde Wirkungen ausgingen, nicht zutreffend. Mit dieser Sicht der Dinge appellierte SCHWARZ an den ZBR, die beantragte Ausweitung der Refinanzierungshilfe zu genehmigen. Um diese zu erhalten, erklärte er sich, ohne sich an die zahlenmäßige Forderung WOLFs von fünf Prozent binden zu wollen, damit einverstanden, durch sein Haus nur Aufkäufe zu Preisen unter Vorjahresniveau genehmigen zu lassen. Dieses Zugeständnis war für den ZBR jedoch nicht ausreichend, um sich zu einer Genehmigung der beantragten Erhöhung der Refinanzierungshilfe in voller Höhe bewegen zu lassen. HERMANN TEPE, Präsident der LZB in Bremen, griff in Gegenwart des Bundesministers die eingangs der Erörterung von WOLF angesprochene Möglichkeit, durch eine Schweinefleischauslagerung Kreditmittel zur Finanzierung der Rindfleischeinlagerung freizusetzen, mit folgendem Hinweis auf: „Wir hätten damit vielleicht ein Druckmittel auf die Vorratsstellen, sich doch vom Schweinefleisch zu entlasten, um damit auf den Fleischmarkt generell einen gewissen Preisdruck auszuüben. Ein gewisses Konjunkturrisiko muß die Landwirtschaft auch einmal tragen, und es wäre doch vielleicht nach dieser Richtung hin eine Möglichkeit gegeben.“
WOLF unterstützte natürlich dieses Petitum, das nun eindeutig gegen die auf Einkommensparität zielende Landwirtschaftspolitik des Bundesministers gerichtet war. Er verwies in diesem Zusammenhang zunächst auf die aus seinen statistischen Unterlagen ersichtlich hohen Schweinefleischbestände der EVSt Fleisch (siehe Abbildung 2-4, S. 47) und brachte sodann das Argument TEPEs in den notwendigen – „vielleicht [auf den] Agrarpolitiker [SCHWARZ] weniger Eindruck“ (WOLF) machenden – kreditpolitischen Kontext: Am Vormittag desselben Sitzungstages hatte der ZBR nämlich beschlossen, die Mindestreserven mit der Absicht zu erhöhen, die Liquidität der Geschäftsbanken einzuschränken. WOLF führte nun aus, daß die Bundesbank mit jeder Ausweitung der Refinanzierungszusagen, die sie an die EVSt abgebe, im Begriff sei, die Liquiditätspolster der Banken zu erhöhen, was natürlich in diametralem Widerspruch zu den von ihr mit der
49 In Wirklichkeit lag jedoch das Preisniveau minimal über dem Niveau des Vorjahres. Siehe Tabelle 2-3, S. 48. 50 Die Preisfestsetzung hatte gemäß den Marktordnungsgesetzen im Einvernehmen zwischen dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie dem Bundesminister für Wirtschaft zu erfolgen. Dieser Vorgang verlief – wie SCHWARZ in diesem Zusammenhang selbst einräumte – nicht ohne Meinungsverschiedenheiten. Weiterhin konnte es offensichtlich durchaus vorkommen, daß das BML sich veranlaßt sah, einmal mit dem BMWi diesbezüglich schriftlich niedergelegte Besprechungsergebnisse nicht einzuhalten. Vermerk vom 12.07.1960 betr. Schlachtrinderpreise; hier: Absprache zwischen den Herrn Bundesministern Erhard und Schwarz vom 01.07.1960, in B 116/12404.
46
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
Abbildung 2-3: Einlagerungen der EVSt Fleisch und Erzeugerpreise (Rindfleisch) 90
120
85 110 80
Erzeugerpreis
75
100
Erzeugerpreis in DM je 50 kg
65 60
80
55 70 50
Rindfleisch 60
45 40
50 35 30
40 Vorratsbestände der EVSt
25
30
Vorratsbestände der EVSt in Tsd. Tonnen
70 90
20 15
20
10 10 5 0 Jan 52
0 Jan 53
Jan 54
Jan 55
Jan 56
Jan 57
Jan 58
Jan 59
Jan 60
Jan 61
Jan 62
Anmerkung: im Durchschnitt aller Klassen und im Durchschnitt aller Märkte des Bundesgebiets Quelle: Statistische Monatsberichte (BML) 1951–1963
Erhöhung der Mindestreserven verfolgten Absichten stünde.51 Trotz der Zusage SCHWARZ’ stimmte der ZBR daher in Abänderung seines Beschlusses vom 24. September 1959 nur einer Erhöhung der Kredithilfe für die EVSt Fleisch im vierten Quartal 1959 um 50 Mio. DM anstelle der beantragten 70 Mio. DM auf 250 Mio. DM zu.52 Die in die zentrale Vorratshaltung involvierten Abteilungen I und III des BML wurden am darauffolgenden Tag durch Schreiben des persönlichen Referenten von SCHWARZ über das Verhandlungsergebnis der ZBR-Sitzung informiert: „Nach sehr harter Diskussion und angesichts einer etwas bedrückten Stimmung (Diskonterhöhung) gelang nur eine Bewilligung von 50 Mio. DM. Weitere 20 Mio. DM werden erst in Aussicht gestellt, wenn Auslagerungen von Schweinen erfolgt sind.“53
2.2.2 Die Ergebnisse Im ZBR erhoffte man sich, daß dieser Beschluß rasch zu den angestrebten Preissenkungen führen würde. In der 58. Sitzung des ZBR zwei Wochen später mußte 51 Eine erhöhte Inanspruchnahme der Bundesbank zur Refinanzierung der Vorratsstellenwechsel hatte über den offenen Markt bereits im August 1959 eingesetzt. Siehe Abbildung 2-2, S. 38. 52 Handschriftliche Notizen und Auszug aus dem Stenogramm („Preisentwicklung auf dem Agrarsektor“) zur 57. Sitzung des ZBR/BBk am 22.10.1959 in B 330/158. 53 Mitteilung vom 23.10.1959 in B 116/10877.
47
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
Abbildung 2-4: Einlagerungen der EVSt Fleisch und Erzeugerpreise (Schweinefleisch) 75
150 Erzeugerpreis
70
135 65
55 Erzeugerpreis in DM je 50 kg
105 50 45
90
Schweinefleisch
40
75 35 30
60
25 45 20
Vorratsbestände der EVSt
Vorratsbestände der EVSt in Tsd. Tonnen
60
120
15
30
10 15 5 0 Jan 52
0 Jan 53
Jan 54
Jan 55
Jan 56
Jan 57
Jan 58
Jan 59
Jan 60
Jan 61
Jan 62
Anmerkung: im Durchschnitt aller Klassen und im Durchschnitt aller Märkte des Bundesgebiet Quelle: Statistische Monatsberichte (BML) 1951–1963
WOLF jedoch bemängeln, daß die Fleischpreise immer noch um 1 DM je 50 Kilogramm über dem Vorjahresstand lagen und daß die EVSt Fleisch mit 6.579 eingelagerten Schlachtrindern ihre Tätigkeit in kaum reduzierten Umfang fortgeführt hatte (siehe Tabelle 2-3, S. 48). Er stellte zudem fest, daß die EVSt Fleisch den Anteil ihrer Interventionen am Gesamtmarkt in Husum mittlerweile auf über drei Viertel sogar noch verstärkt und sich entgegen ihrer eigentlichen Aufgabe in den interregionalen Angebotsausgleich („bedenkliche Arbitragepraxis“) eingeschaltet habe. Weil von einer Einlösung des Versprechens des Bundesministers daher keine Rede sein könne und der ZBR sich nicht länger „nasführen“ lassen solle, empfahl WOLF, das Direktorium zu beauftragen, den Bundesminister um Aufklärung dieser Entwicklung zu bitten.54 In einem Schreiben an den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie in Abschriften davon an den Bundesminister für Wirtschaft und den Bundeskanzler kritisierten BLESSING und WOLF gemeinsam unter Bezugnahme auf Zahlenmaterial der durch das BML herausgegebenen „Wochenberichte für Vieh und Fleisch“, daß entgegen der mit dem Bundesminister getroffenen Absprache die Rinderpreise Anfang November ganz allgemein, im besonderen allerdings an den norddeutschen Märkten, auf die sich die Interventionen der EVSt konzentrierten, noch immer etwas über dem Stand der entsprechenden Vorjahreszeit lagen. Sie erinnerten in diesem Zusammenhang daran, daß der ZBR seine Zustimmung zur Erhöhung der Refinanzierungshilfe für die EVSt Fleisch für das 54 Handschriftliche Notizen zur 58. Sitzung des ZBR/BBk am 05.11.1959 in B 330/159.
48
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
vierte Quartal 1959 von 200 auf 250 Mio. DM nur unter Zurückstellung grundsätzlicher Bedenken gegen die Refinanzierungshilfe erteilt und hierbei zur Voraussetzung gemacht habe, daß Einlagerungen fortan nur auf der erwähnten niedrigeren Preisbasis stattfinden. Angesichts der bestehenden Diskrepanzen baten sie SCHWARZ um eine Erklärung zu den Vorgängen.55 SCHWARZ sah sich – nachdem sich auch das Bundeskanzleramt in die Diskussion eingeschaltet hatte – veranlaßt, dem Direktorium anhand eines Schreibens mit einer beigefügten (auszugsweise unten dargestellten) Tabelle Rechenschaft über die von ihm im Anschluß an die ZBR-Sitzung vom 22. Oktober 1959 ergriffenen Maßnahmen zu geben. Er führte in seiner Antwort aus, daß sich inzwischen zum einen die Interventionstätigkeit der EVSt um elf Märkte auf fünf verringert habe und daß zum anderen die Rinderpreise infolge erhöhter Einfuhren aus Dänemark kontinuierlich gesunken seien. In der mit dem 2. November 1959 beginnenden Woche sei erstmals das entsprechende Vorjahresniveau unterschritten worden. Das für die darauffolgende Woche dann wieder erhöhte Preisniveau sei allein auf die etwas höheren Durchschnittspreise auf den zwölf nordrhein-westfälischen Märkten zurückzuführen, auf denen die EVSt nicht mehr interveniert hätten. Zur weiteren Beeinflussung des Preisniveaus auf diesen Märkten fehle ihm die rechtliche wie auch tatsächliche Möglichkeit. Auf den Märkten in Frankfurt und München seien dagegen die Preise auch gegenüber der Vorwoche weiter abgesunken. Darüber hinaus erläuterte der Bundesminister, daß die Preise am Hamburger Markt zwar noch über den Vorjahrespreisen lägen, daß sie aber dennoch die niedrigsten im Bundesgebiet seien, obwohl gerade diese Region in besonderem Maße unter den Folgen der langen Dürremonate des Sommers gelitten habe.56 Tabelle 2-3: Entwicklung der Preise für Rinder aller Klassen (in DM je 50 kg Lebendgewicht) und der EVSt-Entnahmen (in Stück) Zeitraum
28.09.–04.10. 05.10.–11.10. 12.10.–18.10. 19.10.–25.10. 26.10.–01.11. 02.11.–08.11. 09.11.–15.11.
Durchschnitt Bundesgebiet 1959 101,6 100,7 100,5 99,3 99,0 97,8 98,6
1958 99,8 101,5 100,4 97,7 98,0 99,0 98,6
Durchschnitt 12 Märkte NRW 1959 1958 102,5 102,0 101,0 102,5 100,3 102,4 100,5 98,9 98,6 99,4 97,9 101,2 99,5 100,3
Hamburg 1959 96,4 96,7 97,0 94,7 94,0 94,6 94,0
1958 94,7 95,5 90,9 90,5 92,5 91,0 92,1
Herausnahmen der EVSt (in Stück) 1959 1958 5.385 1.311 5.819 977 7.995 2.223 7.080 2.649 6.579 1.979 4.674 1.566 2.100 399
Zahl der Interventionsmärkte 1959 1958 16 2 16 2 16 2 16 3 11 2 10 3 5 2
Anmerkungen: Preise für Frankfurt und München hier nicht abgebildet. – Letzte Zeile: nicht endgültige Zahlen Quelle: B 116/10877 und B 330/242
55 Schreiben (BBk (BLESSING / WOLF) an BML(SCHWARZ)) vom 06.11.1959 in B 116/12405 und B 330/242. 56 Schreiben (BML (SCHWARZ) an BBk) vom 13.11.1959 in B 330/242. Korrespondenz (BK / BML) vom 23.10.1959 und vom 01.12.1959 betr. Fleischversorgung und Fleischpreise in B 116/12405.
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
49
Die Erklärungen des Bundesministers waren im Direktorium der Bundesbank Ausgangspunkt neuer Kritik. Im Namen des Direktoriums kritisierten BLESSING und WOLF in einem weiteren Schreiben, daß in der zweiten Novemberwoche 1959 gerade auf denjenigen Märkten, auf denen die EVSt intervenierte, die Preise noch höher seien als in der entsprechenden Vorjahreszeit. Sie sahen hierin einen Beweis dafür, daß die EVSt gegen die gemeinsam getroffene Abmachung, Tiere nur zu niedrigeren Preisen als im vorangegangenen Jahr aus dem Markt zu nehmen, verstoßen hatte, und teilten mit, daß der ZBR angesichts dieser Situation der Einlagerungspolitik der EVSt nach wie vor kritisch gegenüberstehe. BLESSING und WOLF verliehen darüber hinaus ihren Befürchtungen Ausdruck, daß für eine Beeinflussung des Preisniveaus durch eine zurückhaltendere Einlagerungspolitik nun kaum Raum mehr verblieben sei. Sie erinnerten SCHWARZ in diesem Zusammenhang an seine Erklärung vom 22. Oktober 1959, derzufolge die Marktentnahme von Rindern bis zum Ende des Jahres auf etwa 35.000 Stück veranschlagt war. BLESSING und WOLF nahmen an, daß – da dieses Kontingent mittlerweile zum größten Teil erworben worden war – ein Rückzug der EVSt vom Viehmarkt keinen Preisdruck mehr zur Folge haben würde, weil das verbliebene, zwischenzeitlich stark reduzierte Angebot bis auf weiteres ohne Schwierigkeiten vom Markt aufgenommen werden dürfte. In diesem Falle hätte die Bundesbank mit ihrer Refinanzierungshilfe, so BLESSING und WOLF, praktisch nur Einlagerungen über jenem Preisniveau unterstützt, das in der Sitzung des ZBR vom 22. Oktober 1959 in Aussicht gestellt worden sei.57 Dem über BLESSING und WOLF namens der Bundesbank auf das BML ausgeübten Druck auf der einen Seite stand auf der anderen Seite der Druck der Agrarlobby gegenüber. In einem vom 14. November 1959 datierenden Schreiben hatte der Deutsche Bauernverband bereits explizit auf die von der Bundesbank betriebene „allgemeine Propaganda gegen die Landwirtschaft“ Bezug genommen. Die Bundesbank hatte nämlich zuvor im Monatsbericht Oktober 1959 ihren Entschluß, die „kreditpolitischen Zügel fest anzuziehen, […] um einem übermäßigen Ansteigen der Nachfrage mit ihren gefährlichen Folgen für die Preis- und Lohnentwicklung beizeiten zu begegnen“, unter anderem mit der vorwiegend auf die Preissteigerungen im Agrarsektor zurückzuführenden Entwicklung des Lebenshaltungskostenindexes begründet.58 Der Deutsche Bauernverband machte in diesem Zusammenhang gegenüber dem BML geltend, daß die Indexentwicklung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise für Schlachtvieh (September 1959: 123, 1950/51 = 100) hinter der Entwicklung der industriellen Erzeugerpreise (September 1959: 124, 1950/51 = 100) zurückgeblieben war: „Wenn aber die Ziele des Landwirtschaftsgesetzes nicht zuletzt dadurch erreicht werden sollen, daß der Produktivitätsfortschritt im industriellen Bereich durch Preissenkungen 57 Schreiben (BBk (BLESSING / WOLF an BML (SCHWARZ)) vom 25.11.1959 in B 116/10877, B 116/12405 und B 330/242. BLESSING und WOLF bezifferten die Zunahme der eingelagerten Rindfleischbestände der EVSt Fleisch von Mitte Oktober bis Mitte November 1959 auf 20.000 Stück (ca. 5.000 t). Siehe Abbildung 2-3, S. 46. 58 Monatsbericht (BBk) Oktober 1959, S. 5.
50
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln der Gesamtwirtschaft und damit auch der Landwirtschaft zugute kommen soll, kann man wohl nicht bereits Alarm rufen, wenn auf einem für die Landwirtschaft so entscheidenden Gebiet wie beim Schlachtvieh ein Indexstand erreicht wird, der noch nicht einmal an den Durchschnitt der industriellen Erzeugerpreise herankommt.“
Vor dem Hintergrund der Dürre in den nordwestdeutschen Weidegebieten erinnerte der Deutsche Bauernverband zudem daran, daß jede im Jahresdurchschnitt je 50 Kilogramm weniger oder mehr erzielte Deutsche Mark rund 33 Mio. DM bedeuten würde.59 Dem so formulierten Anliegen der Agrarlobby war das BML durch den nach Auffassung des ZBR zu langsamen Preisanpassungsprozeß nach unten im November entgegengekommen. SCHWARZ mußte sich hierfür gegenüber dem ZBR Anfang Dezember 1959 in einem weiteren Schreiben rechtfertigen. Er replizierte auf das Schreiben des BBk-Direktoriums, Sinn der Besprechung in der Sitzung am 22. Oktober 1959 sei gewesen, „daß die bewilligten Kredite wohl preisstützend, aber nicht preistreibend wirken dürften“ und daß „das Höherhalten der Preise auf einigen norddeutschen Märkten […] aus technischen Gründen notwendig [gewesen sei], um die westdeutschen Märkte nicht zu überlasten.“ Letzteres stand seiner Meinung nach nicht im Widerspruch zu der vereinbarten Generallinie, da in der Sitzung das Primat den Preisen, nicht aber den Interventionsmethoden zugesprochen worden sei. Daß der Durchschnittspreis für Rinder mittlerweile auf 95 DM je 50 kg Lebendgewicht abgesunken sei, zeige doch nur, daß er sich von der vereinbarten Generallinie, die Preise einige Punkte unter das Vorjahresniveau zu bringen, nicht entfernt habe.60 Mit dieser Entwicklung war den preispolitischen Wünschen des ZBR tatsächlich zu seiner „Genugtuung“ entsprochen worden. WOLF bestätigte daher in der 61. Sitzung des ZBR am 17. Dezember 1959 in Anwesenheit des Staatssekretärs im BML, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sein Wort eingelöst habe.61 Durch die Herbeiführung des vom ZBR verlangten Preisniveaus für Rindfleisch waren nach Auffassung des BML Anfang Dezember 1959 offensichtlich die notwendigen Voraussetzungen geschaffen worden, um Vertreter der Bundesbank zu einer erfolgreichen Besprechung mit seinen zuständigen Sachbearbeitern im BML bitten zu können. Das BML kam hierbei eigentlich nur einer Forderung des ZBR nach, die dieser mit seinem Beschluß vom 24. September 1959 implizit aufgestellt hatte, nämlich über eine Fortsetzung der Refinanzierungshilfe für die Konsortialkredite im ersten Quartal 1960 erst dann zu entscheiden, wenn die Zu59 Schreiben (Deutscher Bauernverband e. V. an BML (SCHWARZ)) vom 14.11.1959 in B 116/12404. 60 Schreiben (BML (SCHWARZ) an BBk (BLESSING / WOLF)) vom 07.12.1959 in B 116/10877, B 116/12405 und B 330/160. 61 Auszug aus dem Stenogramm („Vorratshaltung“) zur 61. Sitzung des ZBR am 17.12.1959 in B 330/160. SCHWARZ hatte in seinem Schreiben vom 07.12.1959 nicht nur in seiner Eigenschaft als Bundesminister, sondern auch persönlich Wert darauf gelegt, im Verlauf der Sitzung des ZBR darauf hinzuweisen, daß er sein Versprechen der Preissenkung eingehalten hatte.
51
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
sammenhänge zwischen Einlagerungen und Preisentwicklung mit den zuständigen Bundesinstanzen geklärt sind. Die Ergebnisse dieser Sachbearbeiterbesprechung vom 7. Dezember 1959, an der seitens der Bundesbank neben WOLF auch HELMUT SCHLESINGER teilgenommen hatte, flossen in die Beratungen des ZBR im Rahmen seiner 61. Sitzung am 17. Dezember 1959 über den Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank auf Fortsetzung der Refinanzierungshilfe für das erste Quartal 1960 ein. WOLF bemerkte dazu einleitend, daß die insgesamt beantragten 1.360 Mio. DM zwar gegenüber dem vierten Quartal 1959 um 10 Mio. DM niedriger seien, den für das erste Quartal 1959 zugesagten Betrag aber um 290 Mio. DM überstiegen. Die im einzelnen erbetenen zusätzlichen Refinanzierungshilfen für die EVSt Getreide in Höhe von 150 Mio. DM, für die EVSt Fleisch in Höhe von 60 Mio. DM und für die EVSt Fette in Höhe von 80 Mio. DM bedeuteten also wesentlich höhere Einlagerungen als im Vorjahresquartal (siehe Abbildung 2-2, S. 38).62 Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Preisentwicklung und der durch die EVSt vorgenommenen Einlagerungen wurde festgehalten, daß bei Getreide von der Vorratshaltung wegen der gesetzlich festgeschriebenen Preise für Inlandsgetreide keine unmittelbare Wirkung auf die Preisentwicklung ausgehe. Insbesondere bei Roggen habe sich gezeigt, daß dieses System langfristig zu erheblichen Überproduktionen bereits geführt habe und auch weiterhin führen werde. Zu einem strukturellen Überschuß an Roggen war es nach Worten von WOLF Abbildung 2-5: Einlagerungen der EVSt Getreide und Erzeugerhöchstpreise 4000
500 Erzeugerhöchstpreis für Weizen
3600
450
3200 Erzeugerhöchstpreis für Roggen 2800
350
2400
300 Brotgetreide 250
2000
200
1600 Weizen
150
Bundesreserve in Tsd. Tonnen
Erzeugerhöchstpreis in DM je 1.000 kg
400
1200 Roggen
100
800
50
400
0
0
Jan 52
Jan 53
Jan 54
Jan 55
Jan 56
Jan 57
Jan 58
Jan 59
Jan 60
Jan 61
Jan 62
Anmerkungen / Quelle: siehe nächste Seite 62 Die Kreditlinie für die EVSt Fette wurde durch Beschluß des ZBR in seiner 63. Sitzung am 21.01.1960 (s. S. 57) auf 140 Mio. DM erhöht. Der insgesamt gewährte Refinanzierungsrückhalt weitete sich dadurch auf 1.390 Mio. DM aus.
52
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
Anmerkungen: Die Getreidepreisgesetze (s. u.) setzten für jeden Monat eines Getreidewirtschaftsjahres für jeweils vier Preisgebiete Mindest- und Höchstbeträge für die Erzeugerpreise von Roggen und Weizen fest. Die niedrigste Preisuntergrenze lag sowohl bei Roggen als auch bei Weizen maximal 28 DM je 1.000 kg unter den hier jeweils abgebildeten höchsten Preisobergrenzen. Die Vorratsbestände der EVSt Getreide für die Jahre 1952 bis 1962 waren aufgrund unzureichender und z. T. widersprüchlicher Bestandsangaben dieser EVSt nicht abzubilden. Abgebildet ist daher die Bundesreserve, wie sie sich – mit Ausnahme der ersten vier Monate des Jahres 1953 – aus Meldungen der EVSt Getreide ergibt. Wenngleich daher vereinzelt leichte Abweichungen möglich sind, gibt ihre Abbildung die Entwicklung der Vorratsbestände genau wieder: Eine mit der Untersuchung der Getreidevorratshaltung beauftragte Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft bemerkte in ihrem Gutachten – das Vorstehende belegend –, daß eine „kontinuierliche Entwicklung der Bestände im Zeitverlauf nach den bei der EVSt vorhandenen Unterlagen nicht zu gewinnen“ war, und stellte die Entwicklung mit Hilfe der Stichtagsbestände am Ende des Rechnungsjahres lt. Bilanz und zweier weiterer Stichtagsbestände lt. Angaben der EVSt – die obige Abbildung bestätigend – dar. Anhang und Anlagen zum Gutachten Nr. F 4166 über die im Interesse des Bundes betriebene Vorratshaltung bei Getreide (Deutsche Revisions- und TreuhandAG – Treuarbeit) vom 28.01.1963, S. 32 f., in B 152/33b. Quellen: Erzeugerhöchstpreise: Gesetz über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1951/52 und über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz) vom 21.07.1951 (BGBl. I S. 451). Für die folgenden Getreidewirtschaftsjahre siehe ebd. Getreidepreisgesetze vom 09.07.1952 (S. 369), 06.08.1953 (S. 889), 10.07.1954 (S. 180), 04.07.1955 (S. 373), 22.06.1956 (S. 511), 19.08.1957 (S. 1239), 12.07.1958 (S. 450), 26.06.1959 (S. 298), 28.07.1960 (S. 597) und 19.06.1961 (S. 772); Bundesreserve: B 116/105189
gekommen, weil selbst in Jahren mit einer relativ schlechten Ernte Überschüsse entstanden waren und in Jahren mit einer guten Ernte, wie 1959, Aufstockungen der staatlichen Roggenvorräte in sehr beträchtlichem Umfang vorgenommen werden mußten (siehe Abbildung 2-5, S. 51). Die Höhe des „Roggenberges“, zu dessen Abbau auch mittlerweile ergriffene Maßnahmen nach Ansicht WOLFs kaum etwas beitrugen,63 resultiere im wesentlichen aus der spezifischen Roggenpolitik der Bundesregierung der letzten Jahre. Zu erwartende weitere, möglicherweise umfangreiche Einlagerungen der EVSt Getreide in den kommenden Jahren ließen für WOLF die Tatsache zweifellos mißlich erscheinen, daß „die Bundesbank durch ihre Refinanzierungshilfe für die EVSt Getreide die verfehlte Roggenpolitik [der Bundesregierung] indirekt untertstützt[e].“ Zur Einlagerung von Fleisch wurde angemerkt, daß die Pläne der EVSt eine Einlagerung von Rindfleisch für das erste Quartal 1960 in der Höhe von 3.500 t vorsahen, während die Bestände an Schweinefleisch in Form von Konserven abgebaut werden sollten. Für WOLF war die Entwicklung der Rinderpreise wegen der bestehenden Unsicherheit über den Umfang des zu erwartenden Weideauftriebes schwer vorhersehbar. Einer weiteren Ausdehnung der Rindfleischeinlagerung konnte daher seiner Meinung nach à priori nicht widersprochen werden. WOLF 63 Angesprochen wurde der Wegfall der Lieferprämie für Roggen (s. Fußnote 15, S. 32) in Höhe von 20 DM je Tonne im Laufe der beiden letzten Jahre, die Forcierung der Ausfuhren zu niedrigen Preisen sowie die vom BML für das kommende Landwirtschaftsjahr beabsichtigte Senkung des Roggenpreises um 10 DM. Vorlage (WOLF / SCHLESINGER) vom 10.12.1959 betr. Zentrale Vorratshaltung in B 330/160.
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
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informierte den ZBR darüber, daß vom BML jedoch keine eindeutige Auskunft zu erhalten war, welches Preisniveau in den kommenden Monaten angesteuert werde bzw. bei welchen Preisen mit Interventionen zu rechnen sei. Bei einer untersten Grenze von 100 DM pro 50 Kilogramm (Lebendgewicht) liefen die Vorstellungen im BML aber auf einen etwas über 100 DM liegenden Preis hinaus, der gemessen an dem Preisniveau von Anfang Dezember (95 DM) einen Anstieg um 5 und mehr DM und gegenüber dem Stande von Anfang 1958 einen Anstieg um 12 Prozent bedeuten würde. In Anbetracht dieser Umstände legte WOLF dem ZBR als Empfehlung nahe, den Antrag auf Refinanzierungshilfe für die EVSt Fleisch nicht abzulehnen, eine Bewilligung jedoch in Analogie zum ZBR-Beschluß vom 22. Oktober 1959 erneut an die Zusage des BML zu binden, auch im ersten Quartal 1960 Auslagerungen von Schweinefleischkonserven durchzuführen und Rindfleischaufkäufe nicht zu Preisen oberhalb des derzeitigen Preises von 95 DM je 50 kg Lebendgewicht vorzunehmen. Hinsichtlich der Refinanzierungshilfe für die EVSt Fette unterrichtete WOLF den ZBR darüber, daß bei Butter durch Marktentnahme lediglich eine Erhöhung der Bestände um 2.000 t auf 10.700 t für März 1960 geplant sei. Die Auswirkungen dieser Einlagerungen auf den Butterpreis ließen sich schwer beurteilen, da man nicht wisse, wie lange der preisdämpfende Einfluß der Buttereinfuhren anhalten werde. Jedoch glaube man, im ersten Quartal 1960 mit Buttereinfuhren in Höhe von mindestens 25.000 t die Großhandelspreisnotierung für Butter auf dem Stand der vergangenen Wochen von 6,25 DM je Kilogramm halten zu können. Unter diesen Voraussetzungen empfahl WOLF dem ZBR, aus preispolitischer Sicht gegen die gewünschte Höhe der Refinanzierungshilfe für den Fett-Konsortialkredit keine Bedenken anzumelden, jedoch dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nahezulegen, bei Butterankäufen im ersten Quartal einen bestimmten Höchstpreis nicht zu überschreiten. Über die Frage des Zusammenhangs zwischen der Preisentwicklung und der Einlagerungspolitik der EVSt hinaus wurde in der Sachbearbeiterbesprechung vom 7. Dezember 1959 ein eigentlich altes Feld neu eröffnet. In dieser Besprechung wurden WOLFs Worten zufolge „interessante Angaben über den Anteil der ‚strategischen Reserve’ an den Gesamtbeständen der EVSt gemacht“. Ohne Details anzugeben, faßte er die Angaben für den ZBR dahingehend zusammen, daß die Vorratsbestände der EVSt „nur noch zu einem verhältnismäßig kleinen Teil mit der ursprünglichen Aufgabe der EVSt, ‚eine gleichmäßige Versorgung zu gewährleisten und Marktschwankungen nach Möglichkeit auszuschalten [im Original: „auszugleichen“]’, zusammenh[i]ngen, sondern in der Hauptsache strukturelle Vorratsbestände darstell[t]en.“64 Diese Feststellungen zum Dauercharakter des bei weitem größten Teils der Vorratsbestände der EVSt gaben den mehrfach im ZBR aufgetauchten Tendenzen neue Nahrung, die Gespräche über die währungspolitische Vertretbarkeit der Refinanzierungshilfe für die EVSt zum Anlaß zu nehmen, sich des Refinanzierungsgeschäfts überhaupt zu entledigen. Nach 64 Das Zitat WOLFs bezog sich auf § 17 Abs. 5 Satz 2 des Vieh- und Fleischgesetzes bzw. § 16 Abs. 6 Satz 2 des Milch- und Fettgesetzes. Siehe Fußnote 1, S. 27.
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
WOLFs Auffassung konnte nämlich „vom streng notenbankpolitischen Standpunkt gewiß in Zweifel gezogen werden, ob es berechtigt [war], Wechsel, die der Finanzierung von Dauereinlagerungen dien[t]en, nicht nur zentralbankfähig zu machen, sondern sie sogar noch mit besonderen Refinanzierungsprivilegien auszustatten.“65 WOLF empfahl jedoch, nicht abrupt mit der langjährigen Zentralbankpraxis zu brechen, da sich für diesen Fall an der Einlagerungspolitik wahrscheinlich wenig ändern, die Bundesbank aber die Möglichkeit der „moralischen Einwirkung“ auf die Einlagerungspolitik der EVSt im Rahmen der periodisch zu führenden Verhandlungen über ihre Refinanzierungshilfen verlieren würde. Die Einstellung der Refinanzierungshilfe könne daher, so sein Fazit, unter diesen Umständen sogar nachteilig wirken. Im BML entstand durch die Sachbearbeiterbesprechung vom 7. Dezember 1959 zunächst der Eindruck, daß die in den beiden Schreiben des BBk-Direktoriums geäußerten Bedenken (siehe S. 46 ff.) im wesentlichen als entkräftet angesehen werden konnten.66 Zur Vorbereitung von SONNEMANN auf die Sitzung des ZBR am 18. Dezember 1959 wurde wegen der Vermutung, daß sich dennoch in erster Linie Diskussionen über den Antrag der EVSt Fleisch ergeben könnten, festgehalten, daß die Preise für Schlachtrinder um vier Prozent und für Schlachtschweine mittlerweile um 5,5 Prozent niedriger waren als im entsprechenden Vorjahreszeitraum 1958.67 Der Staatssekretär im BML wurde zudem in Kenntnis gesetzt, daß im Rahmen der Sachbearbeiterbesprechung vom 7. Dezember 1959 von WOLF und SCHLESINGER Befürchtungen geäußert worden waren, daß auch die EVSt Fette mit restriktiven Maßnahmen auf den sinkenden Butterpreis reagieren könnte und insofern unter Umständen auch eine Erörterung der Situation auf dem Buttermarkt anstehe.68 Im ZBR konnte die Tatsache, daß die periodisch zu führenden Verhandlungen zu dem von ihm gewünschten Rinderpreisniveau geführt hatten, auf der einen Seite als Erfolg und Bestätigung der von WOLF vertretenen These der „moralischen Einwirkung“ gesehen werden. Dieser Linie weiter treu versuchte WOLF, auf den zur 61. Sitzung des ZBR am 17. Dezember 1959 erschienenen SONNEMANN einzuwirken: Es entspräche durchaus den wirtschaftlichen Bedürfnissen, die landwirtschaftlichen Einkommen etwas unter Druck zu setzen, um einen strukturell notwendigen Adjustierungsprozeß zu veranlassen. Im Hinblick auf die seit 1957 zu konstatierende starke Zunahme der Fleischpreise erachte der ZBR es da-
65 WOLF bezog sich damit auf die notenbankrechtliche Kritik WAGENHÖFERs (s. S. 33). 66 Vermerk vom 08.12.1959 betr. Besprechung mit Referenten der Deutschen Bundesbank in B 116/10877. 67 In der ersten Dezemberwoche lagen die Preise für Rinder noch 3,5 % und für Schweine noch 2,8 % unter Vorjahresniveau. Vermerk vom 16.12.1959 betr. Zentralbankratssitzung am 17.12.1959 in B 116/10877. Ein gegenüber dem Vorjahr massiver Preisrückgang bei Schweinen konnte noch deswegen vor der Sitzung des ZBR erreicht werden, weil zur zweiten Dezemberwoche eine drastische Kürzung der Einfuhren vorgenommen wurde. Vermerk vom 02.12.1959 betr. Schweinepreise in B 116/12404. 68 Vermerk vom 16.12.1959 betr. Zentralbankratssitzung am 17.12.1959 in B 116/10877.
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
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her ohne weiteres für möglich, in den kommenden Monaten auf den saisonal üblichen Preisanstieg zu verzichten. Dem ZBR – und hier gerade WOLF – dürften auf der anderen Seite die Anstrengungen der vergangenen acht Wochen, derer es zum Erreichen des gewünschten Preisniveaus bedurft hatte, sowie die zeitliche Koinzidenz niedriger Rinderpreise mit dem zu beschließenden Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank auf eine Erhöhung des globalen Refinanzierungsrückhaltes um 290 Mio. DM gegenüber dem Vorjahresquartal nicht entgangen sein. Einzelne Mitglieder des ZBR begegneten jedenfalls den Ausführungen des Staatssekretärs zur Begründung des vorliegenden Antrags mit einiger Skepsis. Diese lag nicht nur in der bereits vom BML angedeuteten Absicht, einen Rinderpreis über 100 DM je 50 kg Lebendgewicht realisieren zu wollen, begründet. Die Skepsis lag auch in der ebenfalls während der Sachbearbeiterbesprechung vom 7. Dezember und nun sinngemäß von WOLF wiedergegebenen Äußerung SONNEMANNs begründet: „Da kommt am 15. Februar wieder der Grüne Plan, und wir müssen unsere gesamte Preispolitik im Rahmen der gesamten Konjunkturpolitik immer wieder neu revidieren.“
Diese Äußerung schränkte nach Ansicht von WOLF die Zusagen SONNEMANNs „in gewisser Hinsicht“ ein. Zudem sagte SONNEMANN einerseits zwar zu, daß es auch das Ziel des BML sei, das Preisniveau zu stabilisieren. Andererseits gab er jedoch unverblümt zu bedenken, „daß der Bundesernährungsminister außer einer ausreichenden Versorgung der Verbraucherschaft auch gehalten [sei], den Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes zu erfüllen, bzw. die Bundesregierung vom Parlament angehalten werden [könne]“.
Darüber hinaus hatte die These WOLFs, durch die Kreditpolitik der Bundesbank die Preispolitik des BML zu beeinflussen, eine empfindliche Einschränkung erfahren. Im Rahmen der Erörterungen mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten anläßlich der 57. Sitzung am 22. Oktober 1959 war der ZBR nämlich darüber unterrichtet worden, daß es infolge der anfänglichen Versagung der Erhöhung der Refinanzierungshilfe an die EVSt Fleisch für das vierte Quartal 1959 zu einer „Poolung“ der Kreditfazilitäten der EVSt gekommen und der EVSt Fleisch ein Zwischenkredit durch die EVSt Getreide kurzfristig zur Verfügung gestellt worden war. Dieses Verfahren, das aus Gründen der Zinsersparnis vom BMF und vom Bundesrechnungshof ausdrücklich gebilligt worden war, bedeutete trotz gewisser Relativierungen durch WOLF – wie OTTO BURKHARDT, Präsident der LZB in Schleswig-Holstein, feststellte – eine Schwächung der vom BML an den ZBR gegebenen Zusagen. Gleichwohl wurde im ZBR anscheinend die Möglichkeit einer Verschärfung des Konfliktes mit dem BML innerhalb der kommenden zwei bis drei Monate für wenig wahrscheinlich erachtet. BLESSING wies den Staatssekretär im BML darauf hin: „So wie die Dinge heute im Kabinett aussehen, würden Sie [bei einer Erhöhung der Preise] auch sofort dem Widerstand des ganzen Kabinetts einschl. des Bundeskanzlers begegnen. Infolgedessen ist eine Gefahr, daß im Laufe der nächsten 2–3 Monate auf dem
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln Fleischgebiet eine Preiserhöhung stattfindet, kaum vorhanden. (Zustimmung Sonnemann).“
Der ZBR ließ sich sicherlich auch aufgrund dieser Einschätzung seines Präsidenten ein weiteres Mal darauf ein, dem Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank zuzustimmen unter der Bedingung, daß erstens die Bundesbank über Kreditgewährungen oder Mittelübertragungen der EVSt untereinander unterrichtet werde, daß zweitens die Einlagerungen in den nächsten Monaten nicht zu neuen Preissteigerungen bei den mit der Kredithilfe der Bundesbank finanzierten Grundnahrungsmitteln führten und daß drittens vor etwaigen Grundsatzbeschlüssen über Preisanhebungen bei diesen Grundnahrungsmitteln mit der Bundesbank Fühlung aufgenommen werde.69
2.2.3 Das Scheitern Die Beschlüsse der 61. Sitzung des ZBR vom 17. Dezember 1959 wurden durch die im gleichen Monat einsetzende rasante Talfahrt des Butterpreises (siehe Abbildung 2-6), die trotz bereits geäußerter Befürchtungen in ihrem Ausmaß so im ZBR wohl nicht vorhergesehen worden war, auf die Probe gestellt. Während das BBk-Direktorium mit Schreiben vom 23. Dezember 1959 offiziell das BML noch Abbildung 2-6: Einlagerungen der EVSt Fette und Erzeugerpreise 70
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Vorratsbestände der EVSt in Tsd. Tonnen
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Anmerkung: für 1953 eigene Berechnung auf der Grundlage wöchentlicher Zahlen Quelle: B 152/144–151
69 Handschriftliche Notizen, Auszug aus dem Stenogramm („Vorratshaltung“) und Protokoll zur 61. Sitzung des ZBR/BBk am 17.12.1959, TOP 10 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/160.
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
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vom sechs Tage zuvor erzielten Sitzungsergebnis unterrichtete,70 hatte das BML die EVSt Fette bereits mit Fernschreiben vom 19. Dezember angewiesen, Butter aus der Inlandsproduktion aufzunehmen, solange die Kölner Notierung für Deutsche Markenbutter nicht über 6,10 DM je Kilogramm lag. Die hierfür zusätzlich vorzunehmenden Einlagerungen wurden zunächst auf einen Umfang von 10.000 bis 13.000 t beziffert und bedeuteten einen um 60 Mio. DM höheren Kapitalbedarf der EVSt Fette, der mit 20 Mio. DM bereits aus Haushaltsmitteln der EVSt Getreide gedeckt worden war und mit weiteren 40 Mio. DM aus zusätzlichen Konsortialkrediten gedeckt werden sollte. SONNEMANN, der über diese Maßnahmen spätestens durch einen internen Vermerk vom 5. Januar 1960 unterrichtet worden war, hatte die Bundesbank um den zusätzlichen Refinanzierungsrückhalt für diese Summe zu bitten und gleichzeitig den ZBR gemäß den Vereinbarungen der 61. Sitzung über die interne Mittelübertragung zu unterrichten. Ein zu diesem Zweck zunächst ausgearbeiteter Entwurf eines persönlichen Schreibens an BLESSING sah vor, die zusätzlichen Buttereinlagerungen der EVSt ausschließlich mit der Beseitigung eines durch die Butterimporte entstandenen Notstandes und der Verhinderung eines völligen Preiszusammenbruches zu rechtfertigen. Eine Neufassung dieses Entwurfs begründete die zusätzlichen Buttereinlagerungen dann gegenüber dem Direktorium jedoch damit, daß auf diese Weise ein ausreichender Dauervorrat erreicht und eine Wiederholung der im Herbst 1959 aufgetretenen Mangelsituation, als der Butterpreis annähernd 7 DM je Kilogramm erreicht hatte, verhütet werden sollte.71 Der ZBR hatte sich daher im Rahmen seiner 63. Sitzung am 21. Januar 1960 außerplanmäßig mit dem entsprechenden Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank zu befassen. Die Bundesbank sah sich zu diesem Zeitpunkt erstmals einer erheblichen Ausweitung ihrer Inanspruchnahme aus rediskontierten Vorratsstellenwechseln gegenüber und trug damit zur Schaffung von Primärliquidität in Höhe von annähernd 150 Mio. DM bei (siehe Abbildung 2-2, S. 38). Diesem Umstand war es wohl zu verdanken, daß zum vorliegenden Antrag auf Ausweitung des Refinanzierungsrückhaltes für die EVSt Fette keine einheitliche Auffassung im ZBR zustande kam. TEPE plädierte mit Hinweis auf die bevorstehende Milchund Butterschwemme für eine Ablehnung des Antrages und fand hierbei die Unterstützung FESSLERs sowie TROEGERs. Gegen ihre Stimmen rang sich jedoch der ZBR bei Stimmenthaltung WAGENHÖFERs, der erneut seine grundsätzlichen Bedenken gegen das System der Refinanzierungszusagen geltend machte, zu einer letztmaligen Ausweitung der Kreditlinie durch. Er folgte hierbei der Auffassung WOLFs, daß gewisse Aufstockungen zwar nicht abzulehnen, die Käufe jedoch saisonunüblich seien und ein Preis von 6,10 DM je Kilogramm Butter unter langfristigen Gesichtspunkten nicht haltbar sei. Er formulierte dementsprechend gegenüber dem BML: 70 Schreiben (BBk an BML (sowie BMF und BMWi)) vom 23.12.1959 in B 116/10877. 71 Vermerk vom 11.01.1960 betr. Buttereinlagerung; hier: Unterrichtung der Deutschen Bundesbank, bzw. Vermerk vom 11.01.1960 betr. Einlagerung der EVSt Fette; hier: Butter, in B 116/10877.
58
2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln „Es stelle sich daher die Frage, ob es bei diesen Aussichten nicht vorzuziehen sei, die Buttereinlagerungen zu begrenzen, die Marktlage sich im Preis auswirken zu lassen und auf diese Weise den konjunkturpolitischen Erfordernissen Rechnung zu tragen. Eine gewisse aus versorgungspolitischen Gründen auch wünschenswerte Aufstockung der Buttervorräte sei damit durchaus vereinbar. Bei dieser Sachlage würde es der ZBR für nicht richtig erachten, Kredithilfe für den Versuch zu leisten, einen Butterpreis von 6,10 DM je Kilogramm zu halten bzw. wieder zu erreichen.“72
Die Empfehlungen des ZBR blieben im Zusammenhang mit dem immer drängender werdenden Problem des Butterbergs bei den Bundesressorts nicht ungehört: Infolge des fortwährenden Preisverfalls bei Butter diskutierte das Bundeskabinett im Rahmen seiner 97. Sitzung am 24. Februar 1960 die weitere Einlagerung von Butter durch die EVSt Fette. SCHWARZ hatte in seiner für diese Sitzung erstellten Vorlage vom 11. Februar 1960 mit einem notwendigen Anstieg der Einlagerungen auf 34.500 t gerechnet. Seine hieraus abgeleitete Bitte an das Kabinett, eine Ausdehnung der staatlichen Lagerhaltung auf durchschnittlich 30.000 t zu genehmigen und wegen der hierfür entstehenden Kosten in Höhe von 21 Mio. DM einer Erhöhung des Haushaltsansatzes um 13 Mio. DM zuzustimmen, stieß auf den Widerspruch des BMF sowie des BMWi und wurde vom Bundesrechnungshof73 nicht befürwortet. ETZEL hatte sich in seiner Vorlage vom 20. Februar 1960 gegen eine höhere Einlagerung von Butter ausgesprochen,74 aber für den Fall, daß das Kabinett der angestrebten Erhöhung als eine einmalige Maßnahme zustimmen würde, einen Kompromißvorschlag unterbreitet. Während zu drei Punkten dieses Vorschlags eine Einigung zwischen ETZEL und SCHWARZ erzielt werden konnte,75 72 Schreiben (BBk an BML (SCHWARZ)) vom 25.01.1960 betr. Konsortialkredite für die Lebensmittelbevorratung – Fett-Konsortialkredit 1959/60 – in B 116/10877. Dgl. in ähnlichem Wortlaut im Protokoll zur 63. Sitzung des ZBR/BBk am 21.01.1960, TOP 9 („Zentrale Vorratshaltung; Fetteinlagerung“), in B 330/161. 73 Der Bundesrechnungshof machte Bedenken hinsichtlich der dem Vorschlag zugrundegelegten Schätzungen und Berechnungen geltend. Schreiben (Bundesrechnungshof an BML) vom 19.05.1960 in B 330/165/2. 74 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1960, S. 125. Der Bundesminister der Finanzen hielt es demzufolge nicht länger für vertretbar, einerseits die Übererzeugung von Butter durch die Zahlung einer Milchprämie staatlich zu begünstigen und andererseits wiederum staatliche Preishilfe für den Abbau des Butterbergs zu geben. ETZEL hatte aus diesen Gründen zuvor auch Kritik am Grünen Plan geäußert und seinen Wunsch, zu zukünftigen Besprechungen über die Schlachtviehpreise hinzugezogen zu werden, begründet. „Es sei […] nicht erträglich, daß die Verbraucher weniger für Fleisch und Butter zahlen müßten, andererseits aber gleichzeitig aus erhöhten Steuermitteln zum Ausgleich dieser billigeren Preise mehr Geld für den Grünen Plan gegeben werde. Das sei unehrlich. Dann solle der Verbraucher selbst mehr Geld für Lebensmittel zahlen.“ Vermerk vom 08.02.1960 betr. Schweine- und Rinderpreise in B 116/12404. 75 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1960, S. 125. Ziffer 1 der Vorlage des BMF vom 20.02.1960 sah vor, die Buttereinlagerungen bis längstens zum 30.06.1960 und auf höchstens 34.500 t zu begrenzen. Nach Ziffer 3 waren die Bestände noch im Rechnungsjahr 1960 auf eine Jahresdurchschnittsmenge von 12.300 t zurückzuführen. Gegen die in Ziffer 4 erhobene Forderung des BMF, die Kosten aus dem Haushaltsplan des BML zu begleichen,
2.2 Zwischenspiel: Diskurs mit preispolitischen Argumenten
59
blieb insbesondere der Teil der BMF-Vorlage strittig, der Einlagerungen zu dem jeweiligen Notierungspreis vorzunehmen vorsah. Bei einem seinerzeit mit 5,85 DM weit unter 6,10 DM je Kilogramm Butter notierenden Preis hatte sich der Bundesminister der Finanzen damit die Forderung der Bundesbank nach einer weiteren Senkung des Butterpreises im Grunde zu eigen gemacht. Da der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hiermit nicht einverstanden war, beschloß das Kabinett unter Ausklammerung der Preisfrage, über die die Minister noch Einvernehmen herstellen sollten, entsprechend der Vorlage des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit den vom Bundesminister der Finanzen vorgeschlagenen Ergänzungen.76 Der zusätzliche Kreditbedarf zur Durchführung der vom Bundeskabinett beschlossenen Erhöhung der Butterbestände wurde von der EVSt Fette auf 90 Mio. DM beziffert. Die Landwirtschaftliche Rentenbank beantragte daher zur 67. Sitzung des ZBR am 17. März 1960 eine Ausweitung des von der Bundesbank gewährten Refinanzierungsrückhaltes von 140 Mio. DM auf 230 Mio. DM, obwohl im Protokoll über die ZBR-Sitzung am 21. Januar 1960 bereits mitgeteilt worden war, daß sich der ZBR zu einer weiteren Erhöhung der Kredithilfe über den Betrag von 140 Mio. DM hinaus aus währungspolitischen Gründen nicht imstande sehe. Mit der Absicht, die Erfolgsaussichten dieses Antrages zu erhöhen, wandten sich der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Bundesminister der Finanzen in getrennten Schreiben an den ZBR. Stellvertretend wies SONNEMANN für den Fall, daß gegen die Erweiterung der Refinanzierungshilfe für den Fett-Konsortialkredit Einwendungen erhoben würden, vorab schon darauf hin, daß ein weiterer (vor Eintritt der eigentlichen Milchschwemme einsetzender) Notierungsrückgang unter 5,85 DM je Kilogramm Butter nach Auffassung der Bundesregierung wegen seiner Rückwirkung auf den Milchauszahlungspreis und damit auf die Ertragslage der Landwirtschaft schweren Bedenken begegnen würde. Eine Verweigerung oder Einschränkung der Refinanzierungshilfe würde zudem für den nicht refinanzierbaren Teil des Kredits eine Verschlechterung der Zinskonditionen nach sich ziehen und eine entsprechende zusätzliche Belastung des Bundeshaushalts zur Folge haben.77 Eine deutlich konkretere – und im Hinblick auf seine im Bundeskabinett vertretene Auffassung überraschende – Position nahm ETZEL ein. ETZEL führte nunmehr aus, daß sich die Erhöhung des Konsortialkredits an die EVSt Fette um 90 Mio. DM als unbedingt notwendig erwiesen habe und die Bundesregierung mit ihrem Beschluß vom 24. Februar 1960 dem tatsächlichen Stand der inländischen Buttererzeugung hätte Rechnung tragen müssen. Er erinnerte daran, daß der ZBR dem Sitzungsprotokoll zufolge bei seiner Verweigerung im Januar davon ausgegangen sei, daß der Betrag von 6,10 DM einen ungeeigneten Einlagerungspreis darstelle. Da die Notierung mittlerweile jedoch auf den Stand von 5,85 DM gefallen sei, sollte auch bei Berückohne dafür zusätzliche Mittel anzufordern, erhob der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Übergangslösung keine Bedenken. Ebd., Fußnote 21. 76 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1960, S. 125 f. 77 Schreiben (BML (SCHWARZ) an BBk) vom 11.03.1960 in B 116/10877 und B 330/163.
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
sichtigung besonderer Umstände, „wie Anforderungen an Qualität und Verpakkung“, die einen Zuschlag zwischen 0,10 und 0,15 DM je Kilogramm rechtfertigten, den Wünschen des ZBR, den Einlagerungspreis unter 6,10 DM zu halten, Rechnung getragen sein.78 Durch die eingetretene Preisentwicklung bei Butter war der ZBR mit seiner preispolitischen Argumentation, die – der These WOLFs entsprechend – darauf abzielte, im Rahmen der Verhandlungen über die Refinanzierungshilfe moralisch auf den Preis einzuwirken, nicht nur an seine Grenzen, sondern nunmehr auch in ein Dilemma geraten. Ein Preisniveau von 5,75 DM je Kilogramm Butter wurde zwar von einigen Mitgliedern nicht als unrealistisch erachtet. TEPE führte dementsprechend aus: „Die allgemeine Ertragslage der Landwirtschaft ist durch die Subventionen ganz ausgezeichnet. […] Warum die Ertragslage der Landwirtschaft, wenn die Butter statt 6 DM nur noch 5,75 DM kostet, generell gefährdet ist, sehe ich nicht ein. Das grenzt ans Unverfrorene. Wir können doch nicht sagen: Die Industrie soll ihre Preise senken, aber die Landwirtschaft will unter keinen Umständen 5 % weniger für die Butter kriegen. Wir brauchen das hier nicht direkt zu sagen, aber gesprächsweise sollte das erwähnt werden.“
Den entsprechenden Vorschlägen BLESSINGs und des Direktoriumsmitglieds HEINRICH HARTLIEB, den Refinanzierungsrückhalt der Bundesbank erneut an noch niedrigere Preisobergrenzen zu knüpfen (HARTLIEB: „Ich traue mir nur nicht zu, den richtigen Preis zu nennen.“), hielt nun jedoch selbst WOLF, der Verfechter der bisherigen Argumentationslinie, entgegen: „Darauf hat die Regierung schon geantwortet: Die sagt: ‚Das widerspricht unserer Landwirtschaftspolitik, denn das drückt auf den Milchpreis, und wenn wir den Milchpreis so senken, dann hat das Rückwirkungen auf die Ertragslage, die wir im Hinblick auf das Landwirtschaftsgesetz nicht tolerieren können.’ Die ganze Geschichte ist falsch und von unserem Standpunkt aus ist es furchtbar mißlich, daß wir in das ganze Geschäft hineingezogen worden sind.“
Für die Mehrheit im ZBR sah es nun also so aus, „als ob die Agrarpolitik vor der Preispolitik zu gehen habe“ (WAGENHÖFER). FESSLER, der bereits in vorangegangenen Sitzungen des ZBR Kritik an der These geübt hatte, die Agrarpreise durch die Zuteilung von Kredithilfen zu beeinflussen, äußerte, daß er „eigentlich heilfroh wäre, wenn wir [die ZBR-Mitglieder] aus dieser Aktion heraus wären“ und der ZBR die „ständige Hochleierei wirklich nicht mehr mitmachen“ möge. BURKHARDT unterstützte – wie auch TEPE – FESSLER sehr nachdrücklich.79 78 ETZELs Wortlaut lehnte sich eng an die Vorlage des BML (s. Fußnote 76, S. 59) an. Fernschreiben (BMF (ETZEL) an BBk (BLESSING)) vom 15.03.1960 betr. Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevorratung (Vorratsstellenwechsel); hier: Refinanzierungshilfe der Bundesbank, in B 116/10877, B 126/8389, B 330/163 und B 330/243. Schreiben (BBk (BLESSING / BENNING) an BML (SCHWARZ)) vom 18.03.1960 betr. Konsortialkredite für die Lebensmittelbevorratung in ebd. 79 FESSLER hatte sich in der 63. Sitzung des ZBR/BBk am 21.01.1960 gegen die kurzfristig beantragte Ausweitung des Finanzierungsrückhaltes für den Konsortialkredit an die EVSt Fette um 40 Mio. DM (s. S. 57 f.) ausgesprochen. BURKHARDT hatte dagegen noch für eine Ausweitung plädiert.
2.3 Ende: Diskurs mit liquiditätspolitischen Argumenten
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Im Vordergrund der Diskussion im ZBR stand daher keineswegs mehr die Frage einer Ausweitung der Kredithilfen durch die Bundesbank – lediglich VON SCHELLING beruhigten die Preisgarantien des BML –, sondern vielmehr die Frage, inwieweit eine Begrenzung der Kredithilfen gegenüber den Bundesressorts kreditbzw. liquiditätspolitisch begründet werden könne.80 2.3 Ende: Diskurs mit liquiditätspolitischen Argumenten Die Entscheidung des ZBR, fortan nicht mehr preis-, sondern liquiditätspolitisch zu argumentieren, war insbesondere mit zwei Problemen verbunden: BLESSING wies zum einen auf die Konsequenzen im Hinblick auf den zeitgleich zur 67. Sitzung vorliegenden Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank auf Ausweitung der Kreditlinie der EVSt Getreide um 120 Mio. DM auf 1.120 Mio. DM hin. Bislang hatte die preispolitische Argumentation es dem ZBR ermöglicht, die Ausweitung eines bestimmten Konsortialkredites ohne Rücksicht auf die Entwicklung anderer abzulehnen. Da der ZBR sich jedoch für eine liquiditätspolitische Argumentation entschlossen habe, müsse er auch konsequenterweise den Antrag auf Ausweitung des Refinanzierungsrückhaltes an die EVSt Getreide ablehnen. Mit der Weigerung des ZBR, den Finanzierungsrückhalt für die EVSt Fette um 90 Mio. DM zu erhöhen, ging also die Ablehnung des zusätzlichen Getreide-Konsortialkredits in Höhe von 120 Mio. DM einher. Hierin sah ERICH ZACHAU, Mitglied des Direktoriums, einen „neue[n] Schlag gegen das Konsortium bzw. gegen die Bundesregierung“. Auf ein weiteres mit der Argumentationsumstellung verbundenes rechtliches Problem wies ein anderes Mitglied des Direktoriums hin. WILHELM KÖNNEKER hob als Vorzug des bis dahin gehandhabten Verfahrens hervor, daß es der Bundesbank gerade ermöglicht habe, nur bis zu einem gewissen Betrag Refinanzierungsrückhalt zu gewähren. An diesem Prinzip, den Refinanzierungsrückhalt auch in Zukunft bis zu einem gewissen Betrag aufrechtzuerhalten, sollte im Grunde nach überwiegender Auffassung im ZBR auch nichts geändert werden. KÖNNEKER hielt es rechtlich allerdings für ganz ausgeschlossen, daß die Bundesbank bei Butter einerseits einen Posten von 90 Mio. DM als nicht ankaufsfähig bezeichnet, während sie die anderen, auf derselben Geschäftsgrundlage fußenden Vorratsstellenwechsel in Höhe von 140 Mio. DM als Handelswechsel erklärt.81 Hierin wurde er durch die Ausführungen anderer Mitglieder des ZBR bestärkt.82 80 Handschriftliche Notizen und Auszug aus dem Stenogramm („Zentrale Vorratshaltung“) zur 67. Sitzung des ZBR/BBk am 17.03.1960 in B 330/163. 81 KÖNNEKER stimmte daher und seiner Auffassung wegen, daß es sich nicht lohne, um diese Geschichte einen Streit mit der Bundesregierung zu bekommen, neben BENNING als einziger für eine Erhöhung des Fett-Konsortialkredites auf 230 Mio. DM. 82 OTTO PFLEIDERER, Präsident der LZB in Baden-Württemberg: „Jetzt sagt Herr Könneker – und rechtlich läßt sich dafür manches sagen –: Wie kommen wir dazu, bei einer Frage, die an sich eine Liquiditätsfrage ist, nämlich etwas, was unter § 19 [BBkG] fällt, zu sagen: Bis zu einem bestimmten Betrag fällt es unter § 19 und unter einem bestimmten Betrag fällt es nicht
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
Eine mögliche Lösung dieses Problems wurde durch den Hinweis BLESSINGs angedeutet, daß auch Saisonbewegungen zu berücksichtigen seien. Im Zusammenhang mit den Ausführungen WOLFs in seiner zur 61. Sitzung erstellten Vorlage, daß bei den der Dauerbevorratung dienenden Vorratsstellenwechseln die Eigenschaft von Handelswechseln zumindest in Zweifel zu ziehen sei, bedeutete der Hinweis BLESSINGs, daß der Refinanzierungsrückhalt im zweiten Quartal 1960 bei einer entsprechenden Begründung auf dem Niveau des zweiten Quartals 1959 hätte verharren müssen. Da der Refinanzierungsrückhalt jedoch seit dem zweiten Quartal 1959 erheblich ausgeweitet worden war, hätte der Hinweis BLESSINGs gleichzeitig auch eine massive Kürzung der zum ersten Quartal 1960 eingeräumten Kreditlinien um insgesamt 260 Mio. DM bedeutet (siehe Abbildung 2-2, S. 38).83 So weit wollte man im ZBR nicht gehen. Für den ZBR galt nämlich: „Der erste Schritt [um auf den Pfad der notenbankpolitischen Tugend zurückzukehren] ist, daß keine Erhöhung mehr kommt“ (WAGENHÖFER). Zur Begründung der ablehnenden Haltung des ZBR wurde daher im Protokoll zur 67. Sitzung auf eine „das Quantitative“ und nicht „das Qualitative“ (FESSLER) ins Spiel bringende Argumentation WAGENHÖFERs zurückgegriffen. Neben dem Aspekt, daß eine weitere Senkung des Butterpreises wünschenswert sei, ließ sich der ZBR bei seinem Beschluß, die beantragten Erhöhungen der Refinanzierungshilfen weder für den Fett-Konsortialkredit um 90 Mio. DM auf 230 Mio. DM noch für den Getreide-Konsortialkredit um 120 Mio. DM auf 1.120 Mio. DM zu gewähren,84 nun von der Erwägung leiten, daß diese der kreditpolitischen Linie der Notenbank entgegengerichtet wären: „In der gegenwärtigen kredit- und währungspolitischen Lage darf der Zugang zur Notenbank und damit zur primären Liquiditätsquelle der Volkswirtschaft, der durch die kürzlich verschärften Restriktionsmaßnahmen (Erhöhung der Mindestreserven und Kürzung der Rediskontkontingente mit Wirkung vom 1. März 1960) eingeschränkt worden
mehr darunter. Wenn es so ist, dann brauchen wir nicht mehr zu diskutieren; dann gibt es entweder alles oder nichts. Da können wir uns auch nicht mehr darauf berufen, daß unsere Einschaltung ein Mitspracherecht gäbe.“ – FESSLER: „Es ist vollkommen richtig, wenn Herr Könneker sagt: ‚Qualitativ sind die Wechsel, die uns hier vorgerechnet werden, – sowohl die 140 Mio. DM wie die perforierten 90 Mio. DM – genau egal. Sie sind alle ankaufsfähig.’“ Auszug aus dem Stenogramm („Zentrale Vorratshaltung“) zur 67. Sitzung des ZBR/BBk am 17.03.1960 in B 330/163. 83 Die für das zweite Quartal 1959 (erste Quartal 1960) eingeräumten Kreditlinien waren durch Beschluß in der 42. (61. und 63.) Sitzung des ZBR/BBk am 05.03.1959 (17.12.1959 und 21.01.1960) im einzelnen für die EVSt Getreide auf 820 (1.000) Mio. DM, für die EVSt Fleisch auf 210 (250) Mio. DM und für die EVSt Fette auf 100 (100+40) Mio. DM und damit auf insgesamt 1.130 (1.350+40) Mio. DM festgelegt worden. 84 Der Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank sah für die EVSt Fleisch eine Senkung des Refinanzierungsrückhaltes um 40 Mio. DM auf 210 Mio. DM vor. Mit Refinanzierungszusagen an die EVSt Getreide in Höhe von 1.000 Mio. DM und an die EVSt Fette in Höhe von 140 Mio. DM betrug die globale Kreditlinie fortan insgesamt 1.350 Mio. DM (s. Abbildung 2-2, S. 38).
2.3 Ende: Diskurs mit liquiditätspolitischen Argumenten
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ist, unter keinen Umständen durch zusätzliche Refinanzierungshilfen wieder erweitert werden.“85
Der ZBR hatte damit den Umschwung auf eine liquiditätspolitische Argumentationslinie vollzogen, ohne eine über den Hinweis BLESSINGs hinausgehende konkretere Vorstellung zu haben, wie auf dieser Linie eine anvisierte Rückführung der bereits eingeräumten Kreditlinien zu erreichen war. Die Diskussion um den Refinanzierungsrückhalt der Bundesbank wurde zwischen dieser und dem BML im weiteren Verlauf mit im Grunde vertauschten Rollen gespielt: Als Mitte Mai 1960 das BML die Bundesbank offiziell davon unterrichtete, daß das Bundeskabinett im Rahmen seiner 106. Sitzung am 6. Mai 1960 die weitere Einlagerung von 10.000 t Butter beschlossen hatte86 und daß infolgedessen der Gesamtbestand der EVSt Fette in seiner Spitze damit auf etwa 44.500 t anwachsen werde, berief sich SONNEMANN bei seiner Bitte, den Refinanzierungsrückhalt um nunmehr 100 Mio. DM auf 240 Mio. DM zu erhöhen, jetzt seinerseits auf den massiv gesunkenen Butterpreis (siehe Abbildung 2-6, S. 56). Er führte dazu aus, die Beratung des ZBR über die Frage der Refinanzierung des FleischKonsortialkredits im Herbst 1959 habe gezeigt, daß der ZBR die Refinanzierungshilfen allgemein im engen Zusammenhang mit der Preisentwicklung sehe, und erinnerte daran, daß der ZBR die für das vierte Quartal 1959 beantragte Erhöhung der Refinanzierungshilfe von 200 Mio. DM auf 270 Mio. DM doch gerade deswegen mit dem Hinweis auf die damals hohen Schlachtvieh- und Fleischpreise abgelehnt habe. Bei einem Preis von 5,67 DM je Kilogramm Butter (am 5. Mai 1960) liege nun jedoch „preislich gesehen geradezu die umgekehrte Situation vor, die für den ZBR im Herbst vorigen Jahres für die Ablehnung der Kredithilfen bei Schlachtvieh und Fleisch ausschlaggebend gewesen sei.“ Daher sollte es dem ZBR möglich sein, der beantragten Erhöhung der Refinanzierungshilfe beim FettKonsortialkredit zuzustimmen.87 Zur 72. Sitzung des ZBR erschien dann SONNEMANN, um seinem Anliegen nochmals Nachdruck zu verleihen. Wie er schriftlich bereits angedeutet hatte, äußerte er auch jetzt, daß die Bundesbank für die Buttersituation mitverantwortlich zeichne. Zu dem Preisverfall, der nun zu so massiven Einlagerungen zwinge, sei es insbesondere deswegen gekommen, weil das BML auch auf Wunsch des ZBR unter anderem bei Butter beträchtliche Einfuhrmöglichkeiten zur Dämpfung der Konjunktur eingeräumt habe.88 Der Staatssekretär im BML warb nochmals um die Unterstützung des ZBR:
85 Schreiben (BBk an BML) vom 18.03.1960 in B 116/10877. Den Wunsch des ZBR, weitere Butterpreissenkungen zuzulassen, enthält das Protokoll zur 67. Sitzung des ZBR/BBk am 17.03.1960, TOP 8 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/163. 86 Das Kabinett bewilligte für die Einlagerung 70 Mio. DM. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1960, S. 202, Fußnote 26. 87 Schreiben (BML (SONNEMANN) an BBk) vom 16.05.1960 betr. Refinanzierungshilfe der Deutschen Bundesbank für Kredite der EVSt in B 116/10877, B 126/8389 und B 330/165/2. 88 Neben der Bundesbank (s. S. 42) hatte aber auch ERHARD eine Erhöhung der Importe nahegelegt (s. S. 41).
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln „Daher haben wir die Bitte, Ihre kreditpolitischen Gesichtspunkte – so sehr wir dieselben würdigen – in diesem Falle zurückzustellen und uns auch aus einer Verlegenheit herauszuhelfen, die daraus entstanden ist, daß wir Ihnen – wenn ich mich so abgekürzt ausdrücken darf – aus einer Verlegenheit herausgeholfen haben, indem wir das getan haben, was Sie vom Ernähr.Min. und der Bundesreg. erwarteten.“
Das Primat des ZBR galt aufgrund der neuen Argumentationslinie jedoch nicht mehr den Preisen, sondern der zwischenzeitlich weiter verschärften kreditpolitischen Situation, auf die sogleich der anwesende BML-Staatssekretär hingewiesen wurde: Am Vormittag jenes 2. Juni 1960 waren zuvor vom ZBR im Rahmen seiner letzten „Breitseite“ gegen die drohende Aufwertung der Deutschen Mark (siehe S. 20) Maßnahmen zunächst beraten und in Anwesenheit von ETZEL und ERHARD beschlossen worden. Folgerichtig wurde SONNEMANN darüber aufgeklärt, daß jede Ausweitung eine „künstliche Erhöhung der Rediskontkontingente“ (KÖNNEKER) bedeuten würde und daß den Banken bereits „unerwünschte Refinanzierungsmöglichkeiten eröffnet worden“ (WOLF) seien.89 Auch das BMF und das BMWi hätten daher, wie SONNEMANN zu verstehen gegeben wurde, konsequenterweise den ZBR gebeten, „hart zu sein“ (WOLF). SONNEMANN reagierte hierauf und kündigte an, die Bundesregierung zu einer Umstellung der Finanzierung der Krisenbevorratung auf eine andere Grundlage bewegen zu wollen. Der ZBR hörte die Botschaft wohl („Zustimmung“), allein der Glaube fehlte ihm offensichtlich („Leider nur platonische Bedeutung für mich“, ohne Namen).90 Nach dem Verlauf dieser Debatte sah der zur 73. Sitzung des ZBR am 23. Juni 1960 eingereichte Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank nur noch eine Fortführung der für das zweite Quartal 1960 von der Bundesbank ausgesprochenen Höchstbeträge vor.91 Im ZBR wurde in diesem Zusammenhang jedoch bereits eine Rückführung dieser Höchstbeträge diskutiert. WOLF führte aus, daß die kreditpolitische Linie der Bundesbank eine Rückführung um 10 oder auch um 20 Prozent rechtfertige. „Aus politischen Rücksichten“ schlug er jedoch vor, sich mit einer linearen Kürzung der beantragten Kreditlinien um zehn Prozent mit dem Hinweis auf die saisonal und preispolitisch unbefriedigende Entwicklung beim Fleisch zu begnügen. Hiergegen äußerte WAGENHÖFER sein übliches Bedenken, daß die Preispolitik nicht in die Kompetenz des ZBR falle. Er schlug statt dessen vor, der Bundesregierung zu empfehlen, im neuen Haushaltsjahr einen Titel für die Abbauregelung vorzusehen. Hierin sah WOLF jedoch seinerseits eine zu weitgehende Einmischung in die Angelegenheiten der Bundesregierung. Die vorgeschlagene sofortige Kürzung der Kreditlinie konnte sich allerdings aus mehreren Gründen nicht durchsetzen. BENNING wies – wie im Protokoll angedeutet – darauf hin, daß eine derartige Kürzung dem BML-Staatssekretär in der 89 Laut BENNING waren am Tag der Sitzung und tags zuvor Vorratsstellenwechsel in Höhe von insgesamt 200 Mio. DM zur Bundesbank gekommen. 90 Handschriftliche Notizen und Auszug aus dem Stenogramm („Fettkonsortialkredit“) zur 72. Sitzung des ZBR/BBk am 02.06.1960 in B 330/165/2. 91 Schreiben (Landwirtschaftliche Rentenbank an BBk) vom 05.06.1960 betr. Konsortialkredite für die Lebensmittelbevorratung in B 330/166. Zu den Höchstbeträgen siehe Fußnote 84, S. 62.
2.4 Die Beilegung des Konflikts
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vorangegangenen Sitzung hätte konkret angekündigt werden müssen. Wenngleich der ZBR „von Bonn […] keine Unterstützung [seiner] Politik erfahren“ (LEOPOLD BRÖKER, Präsident der LZB in Hessen) hatte, wollte er dennoch eine „Nadelstichpolitik“ (JOHANNES TÜNGELER, Mitglied des Direktoriums) gegenüber der Bundesregierung, die eine solche Kürzung bedeutet hätte, vermeiden. Auf einen Kompromißvorschlag BENNINGs hin einigte sich der ZBR darauf, dem Antrag der Landwirtschaftlichen Rentenbank unter Zurückstellung grundlegender kreditpolitischer Bedenken ein weiteres Mal stattzugeben. Gleichzeitig wurde das BBkDirektorium gebeten, dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitzuteilen, daß sich der ZBR „die erneute Prüfung des gesamten Fragenkomplexes vorbehielte und daher bäte, bei den Vorbereitungen zur Beschaffung der ab 1. Oktober [1960] erforderlichen Finanzierungsmittel für die EVSt in Rechnung zu stellen, daß die Refinanzierungshilfe der Deutschen Bundesbank möglicherweise eine wesentliche Einschränkung erfahren werde.“92
Das eigentliche Ziel war im ZBR jedoch bereits konkreter formuliert worden: WAGENHÖFER hatte sich zwar mit seiner Forderung nach völligem Wegfall des Refinanzierungsrückhaltes nicht durchsetzen können, weil ihm lediglich FRANZ SUCHAN, Präsident der LZB in Berlin, beistand. Aber auch BENNING und KÖNNEKER waren mit ihrer Forderung gescheitert, den Refinanzierungsrückhalt im bestehenden Umfang beizubehalten, weil sich ihnen wahrscheinlich nur noch OTTO KÄHLER, seit 1. April 1960 Präsident der LZB in Schleswig-Holstein, – unter Hinweis auf die Konsequenzen für die dortige Gräserwirtschaft – anschloß. Die Mehrheit im ZBR jedoch, darunter BRÖKER, HARTLIEB, TÜNGELER, WOLF und OTMAR EMMINGER, Mitglied des Direktoriums, hatte sich für eine erste Kürzung des Refinanzierungsrückhaltes zum 1. Oktober 1960 und für eine weitere, noch massivere Kürzung zum 1. Januar 1961 ausgesprochen.93 Die rechtlichen Voraussetzungen hierfür waren aber intern noch gar nicht geklärt. FESSLER bat daher das Direktorium, in einem bis zur 75. Sitzung am 21. Juli 1960 zu erstattenden Gutachten darzulegen, inwieweit auf der Grundlage des bestehenden Rechts die Kreditlinie überhaupt schrittweise zurückgeführt werden könne. 2.4 Die Beilegung des Konflikts Im ZBR hatten hinsichtlich der Frage, ob es der Bundesbank rechtlich überhaupt gestattet war, zur Refinanzierung der Kredite der EVSt Ankaufszusagen für die Vorratsstellenwechsel auszusprechen, seit langem unterschiedliche Auffassungen
92 Protokoll zur 73. Sitzung des ZBR/BBk am 23.06.1960, TOP 2 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/166. Schreiben (BBk an BMF / BML / BMWi) vom 27.06.1960 in B 116/10877 und B 126/8384. 93 Handschriftliche Notizen und Auszug aus dem Stenogramm („Zentrale Vorratshaltung“) zur 73. Sitzung des ZBR/BBk am 23.06.1960 in B 330/166.
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
bestanden.94 Die Erstellung eines Gutachtens zu einem früheren Zeitpunkt hätte sicherlich auch zu einer früheren Klärung dieser Frage beitragen können. Es ist daher nicht auszuschließen, daß dem Gutachten über seine eigentliche Aufgabe hinaus, nämlich eine einheitliche interne Auffassung im ZBR über die rechtliche Zulässigkeit herzustellen, eine weitere und unter Umständen wichtigere Funktion zukam. Aus Unterlagen des BMF und des BML wird immerhin ersichtlich, daß die Bundesressorts von RAHMSDORF bereits Mitte Mai 1960 über die wesentlichen Argumente des späteren Gutachtens informiert worden waren. Der ZBR gab die Erstellung des Gutachtens jedoch erst durch seinen Beschluß vom 23. Juni 1960 in Auftrag.95 An das zu erstellende Gutachten wurde daher wohl auch die Erwartung geknüpft, daß es einen bei den Bundesressorts durchsetzbaren Weg zur im Grunde bereits beschlossenen Rückführung der bis dahin ausgesprochenen Kreditlinien aufzeige. Neben RAHMSDORF kam im Hinblick auf die Erstellung des Gutachtens zunächst HERMANN FÖGEN, Leiter der Hauptabteilung Recht der Bundesbank, besondere Bedeutung zu. Zentraler Ausgangspunkt seiner in Form eines Vermerks ausgeführten Überlegungen stellte die Frage dar, ob es sich bei den Solawechseln der EVSt, d. h. den Vorratsstellenwechseln, überhaupt um Handelswechsel im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBkG handelte. Er stellte dazu das gegenüber Finanzwechseln abgrenzende Kriterium heraus, daß nach dem Sinn des BBkG die Rediskontierung von Wechseln durch die Bundesbank lediglich der Refinanzierung konkreter Warenumsätze dienen sollte.96 Als Handelswechsel im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBkG seien demnach Wechsel anzusehen, die zur Bezahlung von wiederzuveräußernden Waren gegeben würden.97 Dementsprechend könne nur denjenigen Solawechseln der EVSt die Eigenschaft von Handelswechseln zweifelsfrei zugestanden werden, die der Finanzierung desjenigen Teils der Einlagerungen dienen, der über den ständigen Lagerbestand hinausgeht und nicht nur wegen seiner Verderblichkeit veräußert wird. Solawechseln der EVSt dagegen, die der Finanzierung eines im Laufe der Jahre angewachsenen ständigen und nur 94 In diesem Zusammenhang sei an die Initiative WAGENHÖFERs in der 37. Sitzung (s. S. 33 f.) erinnert, die durch die Ausführungen WOLFs zur 61. Sitzung (s. S. 53 f.) gestützt wurde. Umgekehrt hatten FESSLER und PFLEIDERER anläßlich der 67. Sitzung (s. S. 61 f.) diesbezügliche Zweifel angemeldet, obwohl sie gleichfalls eine unveränderte Fortführung des Refinanzierungsrückhaltes durch die Bundesbank ablehnten. 95 Vermerk vom 18.05.1960 betr. Finanzierung der Bundesreserve; hier: Besprechung mit dem Vorstand der Landwirtschaftlichen Rentenbank und Herrn Direktor Rahmsdorf von der Deutschen Bundesbank, in B 116/10877. 96 Damit waren die von WAGENHÖFER im Rahmen der 37. Sitzung des ZBR/BBk am 18.12.1958 geltend gemachten Argumente (s. S. 33) spätestens nun wieder aktuell. Die Vorratsstellenwechsel stellten allgemeine Wechsel dar, die den Vorschriften des § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBkG unterlagen. V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 394. 97 Die gleichzeitig am Rande erörterten Fragen, ob eine Lombardierung der Vorratsstellenwechsel nach § 19 Abs. 1 Nr. 3 BBkG und ob deren Einbeziehung in die Geldmarktregulierung nach § 21 Nr. 1 BBkG zulässig war, waren dagegen nicht kontrovers, weil nach einheitlicher Auffassung in diesem Zusammenhang die Bindung an Warenumsätze nicht erforderlich war. Übereinstimmend von Spindler / Becker / Starke (1973), S. 395 f. und S. 448.
2.4 Die Beilegung des Konflikts
67
seiner Verderblichkeit wegen gewälzten Lagerbestandes dienen, könnte hingegen nicht ohne weiteres die Eigenschaft von Handelswechseln zugesprochen werden.98 RAHMSDORF analysierte in diesem Zusammenhang in einem ergänzenden Vermerk die Einlagerungspolitik der EVSt. Er stellte hierbei unter Angabe von Bestandsziffern fest, daß insbesondere bei der EVSt Fleisch sowie bei der EVSt Fette die jahreszeitlich schwankenden Kreditbeanspruchungen im großen und ganzen zwar bis Mitte 1959 dem saisonalen Rhythmus verstärkter Einlagerungen und nachfolgender Marktbedienungen gemäß ihrer versorgungswirtschaftlichen Funktion entsprochen hätten. Dagegen sei jedoch seit Mitte 1959 die Struktur der Warenbestände bei diesen beiden EVSt durch die Festlegung erheblicher Teile der Vorräte in Dauerreserven, die nur lagerungsbedingt gewälzt würden, gekennzeichnet. Bei der der Größenordnung und Bedeutung nach wichtigsten EVSt Getreide sei dagegen bereits seit Jahren bei im einzelnen unterschiedlichen Marktentnahmen und Lagerauflösungen sogar eine ständige Anreicherung der von ihr verwalteten Vorräte zu verzeichnen. Die Finanzierungsbedürfnisse der EVSt Getreide zeigten daher zwar temporäre Schwankungen, hätten jedoch zu keiner Zeit einen so nachhaltigen Abbau wie bei den beiden anderen EVSt erfahren. RAHMSDORF kam daher nicht nur zu dem Schluß, daß die Bildung derartig umfangreicher Dauerreserven nicht im Einklang mit der gesetzlichen Aufgabe der Marktregulierung, „eine gleichmäßige Versorgung zu gewährleisten und Marktschwankungen nach Möglichkeit auszuschalten“, stünde.99 Er ließ auch keinen Zweifel daran, daß die auf die strategischen Dauerreserven bezogenen Wechsel das Merkmal echter Handelswechsel verloren hatten. Wenngleich er es unterließ, den ZBR auf die hieraus erwachsenden Konsequenzen explizit hinzuweisen,100 bedeutete die implizite Schlußfolgerung für den ZBR unzweifelhaft, daß eine Rückführung des ausgesprochenen Refinanzierungsrückhaltes um den für die Finanzierung der Dauerreserven verwendeten Betrag anzustreben war.101 98 Vermerk (FÖGEN) vom 27.06.1960 betr. Die Rediskontierung und Lombardierung von Solawechseln der Einfuhr- und Vorratsstellen durch die Bundesbank und ihre Einbeziehung in die Offenmarkt-Operationen der Bundesbank unter rechtlichen Gesichtspunkten in B 330/167. 99 Die Dauerreserven waren RAHMSDORF zufolge auf Kabinettsbeschlüsse und deutsch-alliierte Abkommen (NATO) zurückzuführen. Entsprechend den im Vermerk angegebenen Bestandsmengen betrug der jeweilige Anteil der Dauerreserven bei der EVSt Getreide (bei einem gleichzeitig bestehenden starken Defizit an Futtergetreide) bei Brotgetreide zwischen 60 % bis 77 % (von 2.600.000 t), bei der EVSt Fleisch (unter Ausklammerung der Notstandsreserve Berlin, die ohne den Refinanzierungsrückhalt der Bundesbank finanziert wurde) 19 % (von 52.500 t) und bei der EVSt Fette bei Butter 24 % (von 36.000 t). 100 Vermerk (RAHMSDORF) vom 06.07.1960 betr. Handelswechsel-Eigenschaft der Solawechsel der EV-Stellen in B 330/167. 101 Weder die Ausführungen FÖGENs noch RAHMSDORFs führen monetäre Größen an. Entsprechend der Argumentation FÖGENs, derzufolge Vorratsstellenwechsel „in Höhe des Betrages, der das Minimum der Konsortialkredite über einen längeren Zeitraum hinaus darstellt“, zur Finanzierung der Dauerreserven herangezogen wurden, ermittelt sich jedoch anhand von Abbildung 2-2 (s. S. 38) selbst bei vorsichtiger Schätzung eine notwendige Rückführung um mindestens 800 Mio. DM. Nach den Ausführungen RAHMSDORFs bedeutete allein der Anteil
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
Im Gegensatz zu FÖGEN und RAHMSDORF vertrat BENNING in seiner Vorlage die Auffassung, daß bei den zur Finanzierung der Dauerreserven bezogenen Vorratsstellenwechseln durch das BBkG ein Ermessensspielraum gegeben war, den die Bundesbank bis dahin wie auch die BdL schließlich ohne weiteres dazu genutzt habe, auch für diese Wechsel die Handelswechsel-Eigenschaft zu bejahen. BENNING empfahl eigentlich, an dieser Ermessensentscheidung grundsätzlich weiter festzuhalten. Nach den Ergebnissen der Debatte in der 73. ZBR-Sitzung schlug er jedoch im Hinblick auf die Haushaltsdispositionen des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Anlehnung an WOLF vor, entweder eine Kürzung der für das dritte Quartal 1960 eingeräumten Linien der Geldmarktregulierung für Vorratsstellenwechsel um zehn Prozent mit Wirkung vom 1. Oktober 1960 oder eine Kürzung der für das vierte Quartal 1960 eingeräumten Linien der Geldmarktregulierung für Vorratsstellenwechsel um 20 Prozent mit Wirkung vom 1. Januar 1961 durchzuführen.102 BENNING befürwortete die letztgenannte Alternative, um eine Inanspruchnahme des Bundes im laufenden Haushaltsjahr zu vermeiden. Im BML wurde unterdessen kein Grund gesehen, auf ein Argument im Sinne BENNINGs zurückzugreifen. Ein Vermerk zur Vorbereitung des Staatssekretärs auf die 72. ZBR-Sitzung konstatierte intern dem ZBR die Gültigkeit seiner mehrheitlich dort vertretenen Argumente: Bei einem auf 65 Prozent im Wert von rd. 1,2 Mrd. DM zu veranschlagenden Anteil der Dauerreserven an der Bundesreserve sei demnach das Argument des ZBR nicht zu widerlegen. Auch sei es richtig, daß das BBkG nur den Ankauf von Handelswechseln, die der kurzfristigen Warenfinanzierung – und damit nicht der Finanzierung der Dauerreserven – dienten, zuließe.103 Für das BML bestand schlechthin auch keine Veranlassung, sich zum Befürworter der bis dahin praktizierten Kreditfinanzierung zu machen, weil es aus zweifachem Interesse die Übertragung der Finanzierung der zentralen Vorratshaltung auf den Bundeshaushalt ebenfalls befürwortete. Hierzu wurde zum ersten geltend gemacht, daß die Finanzierung aus Haushaltsmitteln (für die Notstandsreserve; Einzelplan 36) bei einer nahezu vollständig beanspruchten Kreditlinie von 1.350 Mio. DM zu einer Verminderung des Zinsaufwandes (des BML; Einzelplan 10) um ca. 70 Mio. DM beitragen würde. Hierauf hatte das BML nach eigenem Bekunden den Bundesminister der Finanzen bereits zu Zeiten des Juliusturms hingewiesen und gebeten, die Vorratsfinanzierung nach und nach auf den Haushalt zu übernehmen. Die nun veränderte Kreditder Dauerreserve bei der EVSt Getreide (deren Einlagerungen sich im wesentlichen auf Brotgetreide beschränkten) bei einer seinerzeit gewährten Kreditlinie von 1.000 Mio. DM einen notwendigen Rückführungsbetrag zwischen 600 Mio. DM und 770 Mio. DM. 102 Vorlage (BENNING) vom 12.07.1960 betr. Die Liquiditätshilfe der Deutschen Bundesbank für die Solawechsel der Einfuhr- und Vorratsstellen zur 75. Sitzung des ZBR/BBk am 21.07.1960 in B 330/167. Der hierin aufgeführte dritte Vorschlag, einer ggf. für das vierte Quartal 1960 beantragten Erhöhung der Kreditlinien über den für das dritte Quartal 1960 zugestandenen Umfang keineswegs stattzugeben, war nach dem ZBR-Beschluß in der 73. Sitzung am 23.06.1960 im Grunde obsolet geworden. 103 Vermerk vom 31.05.1960 betr. Sitzung des ZBR am 02.06.1960 in B 116/10877.
2.4 Die Beilegung des Konflikts
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politik, die insbesondere infolge weiterer Erhöhungen der Mindestreserven und Kürzungen der Rediskontkontingente eine höhere Inanspruchnahme der Notenbank durch Vorratsstellenwechsel nach sich gezogen hatte, verschaffte dem BML jetzt die Bundesbank als starke Verbündete. Darüber hinaus verband man im BML mit der Haushaltsfinanzierung zum zweiten die Hoffnung, sich gleichzeitig den immer wiederkehrenden Versuchen des ZBR entledigen zu können, mit Mitteln der Kreditpolitik über die Einlagerungen der EVSt Einfluß auf die Preisgestaltungen des BML zu nehmen.104 Das BMF befand sich demgegenüber in einer vergleichsweise ungünstigen Verhandlungsposition, weil es unter der bereits zum vierten Quartal 1960 drohenden Inanspruchnahme aus der Bundesbürgschaft in einer Höhe von bis zu 1.350 Mio. DM möglichst rasch eine einvernehmliche Lösung mit dem BML und der Bundesbank finden mußte. Dieses Unterfangen war schon deshalb schwierig, weil innerhalb des BMF unterschiedliche Vorstellungen über die Umstellung der Vorratsfinanzierung bestanden: Die Abteilung V (Schuldenwesen, allgemeine und internationale Finanzierungsfragen, Liquidation des Krieges) schlug die Einstellung der Vorratsfinanzierung in den Haushaltsplan unter Umständen bis zur vollen Höhe vor. Die Abteilung II (Bundeshaushalt) sah jedoch unüberbrückbare (politische) Schwierigkeiten bei der hierfür notwendigen Einführung neuer Steuern oder Aufnahme entsprechender Anleihen. Sie beabsichtigte daher zunächst, die Vorratshaltung – entsprechend früheren Bekundungen – unter Inkaufnahme vorübergehend höherer Kosten in der bisherigen Weise weiter zu finanzieren.105 Nachdem die Bundesbank die Bundesressorts über ihre Absicht, die Refinanzierungshilfe zum 1. Oktober 1960 wesentlich einzuschränken, offiziell Ende Juni unterrichtet hatte,106 setzten zwischen dem BMF und dem BML konkrete Verhandlungen über die hierfür zu treffenden Maßnahmen ein. Als besondere Erschwernis empfand hierbei das BML, daß der ZBR es unterlassen hatte, seine Vorstellungen über die künftige Refinanzierungsregelung zu präzisieren. Neben der Frage nach der zeitlichen Begrenzung des Refinanzierungsrückhaltes war insbesondere die Frage nach der Höhe der beabsichtigten Einschränkung offen geblieben.107 Im BML schloß man zumindest nicht aus, daß der ZBR sich zu einer vollständigen Einstellung der Finanzierung der vom BML auf einen Umfang von 1.156 Mio. DM bezifferten Dauerreserven entschließen könnte. Ein zunächst aus104 Vermerk vom 18.07.1960 betr. Zentralbankratssitzung am 21.07.1960; hier: Finanzierung der Vorratshaltung, in B 116/10877. 105 Schreiben (VON SPINDLER an KORFF) vom 01.06.1960 betr. Auf den Bundeshaushalt zukommende Belastungen auf den Gebieten der Vorratshaltung der Ernährungswirtschaft und der Berlin-Bevorratung sowie Antwortschreiben vom 10.06.1960 betr. Finanzierung der zusätzlichen Berlin-Bevorratung und der Vorratshaltung der Ernährungswirtschaft jeweils in B 126/8384. Neben der Finanzierung der zentralen Vorratshaltung wurde auch daran gedacht, die Berlin-Bevorratung in Höhe von ca. 800 Mio. DM und damit insgesamt einen Betrag von bis zu 2,15 Mrd. DM in den Bundeshaushalt einzustellen. 106 Protokoll zur 73. Sitzung des ZBR/BBk am 23.06.1960 und Schreiben vom 27.06.1960 (s. Fußnote 92, S. 65). 107 Schreiben (BML an BMF (ETZEL)) vom 05.07.1960 betr. Finanzierung der Lebensmittelbevorratung in B 126/8384. Entwurf des Schreibens in B 116/10877.
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
gearbeiteter Plan sah daher vor, die Konsortialbanken um die zusätzliche Bereitstellung von 600 Mio. DM ohne Refinanzierungsrückhalt zu bitten.108 Im Mai 1960 hatte das BML nach der informellen Vorabinformation durch RAHMSDORF bereits eruiert, daß seitens der Konsortialbanken infolge des Wegfalls des Refinanzierungsrückhaltes zur Finanzierung der 600 Mio. DM ein Zinsaufschlag von über zwei Prozent gefordert würde, und dabei gemeint, daß das BMF diesen Aufschlag wegen der Haushalts- und Kapitalmarktlage wohl zu akzeptieren habe. Nach Auffassung der Abteilung V des BMF gestaltete sich die Kapitalmarktlage dramatischer: Die Konsortialbanken ließen demnach bei Gesprächen mit dem BML und dem BMF sowie mit der Landwirtschaftlichen Rentenbank keine Bereitschaft mehr erkennen, die für das vierte Quartal 1960 erforderlichen Kredite ohne Refinanzierungsrückhalt bereitzustellen. Einige der Konsortialbanken waren sogar aus dem Konsortium ausgeschieden, weil sie selbst nicht mehr über die benötigten Geldmittel verfügten.109 In einer der Vorbereitung auf die 75. Sitzung des ZBR am 21. Juli 1960 dienenden Ressortbesprechung kamen Vertreter beider Ministerien überein, wegen der Haushalts- und Kapitalmarktlage in den Verhandlungen bei der Bundesbank eine zumindest auf das Ende des laufenden Jahres befristete Verlängerung der für die Vorratsstellenwechsel geltenden Ankaufsregelung anzustreben.110 Darüber hinaus drängte das BML das federführende BMF, gemeinsam beim ZBR auf eine Konkretisierung der dortigen Vorstellungen über die künftige Refinanzierungsregelung hinzuwirken und vorsorglich einen Plan für die graduelle Umfinanzierung, insbesondere der Dauerreserven, vorzubereiten. Der hierzu gemachte Vorschlag des BML, bei der Umfinanzierung in erster Linie neben den ohne Refinanzierungsrückhalt in Berlin lagernden Vorräten im Wert von etwa 500 Mio. DM insbesondere den Teil der mit Refinanzierungsrückhalt im Bundesgebiet lagernden und der NATO als Notstandsreserve gemeldeten Getreidebestände im Wert von ca. 800 Mio. DM zu berücksichtigen, fand im Grunde die Zustimmung der Abteilung V des BMF. Die von ihr erstellte und HETTLAGE unterbreitete Staatssekretärsvorlage war jedoch nicht mit der Abteilung II des BMF abgestimmt. Die Abteilung II führte dagegen aus, daß der Vorschlag der Abteilung V offenbar in Unkenntnis der Haushaltslage gemacht worden und ein Entgegenkommen des BMF dem ZBR gegenüber wohl auch nicht notwendig sei. Laut Vorlage der Abteilung II hatte eine Rückfrage bei BENNING nämlich ergeben, daß die Auffassungen bei der Bundesbank über die Notwendigkeit eines Abbaus der Vorrats108 Vermerk vom 11.07.1960 betr. Finanzierung der Lebensmittelbevorratung in B 116/10877 und B 126/8384. Bei einem insgesamt auf ca. 1,9 Mrd. DM veranschlagten Volumen für die Vorratsfinanzierung verblieben nach Abzug der Dauerreserven in Höhe von 1,156 Mrd. DM ca. 0,75 Mrd. DM, um die die Bundesbank zur Finanzierung der saisonalen Bevorratung gebeten werden konnte. Dem BML zufolge war daher eine Rückführung des Refinanzierungsrückhaltes von einst 1,35 Mrd. DM um 0,6 Mrd. DM auf 0,75 Mrd. DM möglich. 109 Vermerk vom 31.05.1960 betr. Sitzung des ZBR am 02.06.1960 in B 116/10877. Schreiben vom 01.06.1960 (s. Fußnote 105, S. 69). 110 Vermerk vom 20.07.1960 betr. Ressortbesprechung über die Finanzierung der Lebensmittelbevorratung am 12.07.1960 in B 116/10877.
2.4 Die Beilegung des Konflikts
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stellenwechsel durchaus geteilt seien, BENNING hierfür selbst keine Notwendigkeit sehe und das Direktorium lediglich der Auffassung sei, daß im Zuge der Krediteinengung auch die Vorratsstellenwechsel in einem gewissen Umfang zurückgeführt werden sollten. Die Abteilung II wies darauf hin, daß eine überstürzte Abschaffung des bestehenden Finanzierungssystems das BMF unter Umständen zwingen würde, erneut auf das Kassenkonto bei der Bundesbank zu ziehen. Dadurch würde eine eigentlich zu verhindernde Kaufkraftausweitung herbeigeführt. Dieser Hinweis zeigte Wirkung. BENNING erklärte jedenfalls, daß er durchaus gleicher Auffassung sei, und bat darum, daß diese auch vom BMF in der anstehenden ZBR-Sitzung mit Entschiedenheit vertreten werde. Hierbei konnte HETTLAGE laut einem nachträglichen Zusatz zu der erwähnten Vorlage mit der Unterstützung der LZB-Präsidenten OTTO KÄHLER (Schleswig-Holstein) und HANSGEORG DAHLGRÜN (Rheinland-Pfalz) rechnen. Daß HETTLAGE angeblich auch mit der Unterstützung WAGENHÖFERs rechnen konnte,111 war dagegen offensichtlich eine Fehlinformation. Im ZBR erhofften sich jedoch nach dem Ergebnis des Gutachtens FÖGENs und der Ausführungen RAHMSDORFs verschiedene Mitglieder, in der anstehenden 75. Sitzung des ZBR am 21. Juli 1960 mehr als eine – von BENNING vorgeschlagene – maximale Kürzung um 20 Prozent (betragsmäßig gleichbedeutend mit 270 Mio. DM) beschließen zu können. WAGENHÖFER faßte sein aus den Gutachten gezogenes Resultat dahingehend zusammen, daß die Bundesbank nun sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus rechtlichen Gesichtspunkten diejenigen Vorratsstellenwechsel nicht ankaufen könne, die der Finanzierung der Dauerreserve dienten. Der ZBR müsse daraus die Konsequenzen ziehen und den Betrag bestimmen, der zur Finanzierung der Marktordnungsaufgabe benötigt werde, sowie die Einstellung der Dauerreserve in den Verteidigungshaushalt fordern. Der Vorstoß WAGENHÖFERs fand die offene Unterstützung FESSLERs. Demnach sollte der ZBR nach den Äußerungen SONNEMANNs in der 72. Sitzung (siehe S. 63 f.) nun versuchen, die Dauerreserve auszuschalten, und den anderen – der Finanzierung der saisonalen Bevorratung dienenden – Teil weiterhin der allgemeinen Kreditpolitik unterstellen. Derartige Vorschläge bedeuteten gegenüber dem ursprünglichen – bereits weitergehenden zweiten – Vorschlag BENNINGs eine Kürzung des Refinanzierungsrückhaltes um fast das Vierfache, weil der Umfang der Dauerreserve in Übereinstimmung mit BENNING auf annähernd 1 Mrd. DM zu veranschlagen war. Die darüber noch hinausgehende Anregung von OTTO PFLEIDERER, Präsident der LZB in Baden-Württemberg, den Ankauf der Vorratsstellenwechsel nur innerhalb der individuellen Rediskontkontingente zuzulassen und dadurch die Ankaufsfähigkeit der Vorratsstellenwechsel und deren Einbeziehung in die Geldmarktregulierung zusätzlich zu beschneiden, wurde zwar erörtert, aber nicht weiter in Betracht gezogen. BLESSING legte dem ZBR nämlich nahe, das Kind nicht mit 111 Vermerk vom 04.07.1960 betr. Finanzierung der Lebensmittelbevorratung in B 116/10877. Vermerk vom 05.07.1960 (gleicher Betreff) in ebd. und B 126/8384. Vorlage (Abteilung V) vom 13.07.1960 sowie Vorlage (Abteilung II) vom 20.07.1960 jeweils betr. Finanzierung der Lebensmittelvorratshaltung in B 126/8384.
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dem Bade auszuschütten, und empfahl, eine vernünftige mittlere Linie zu finden, die darin bestehe, die strategische Reserve aus dem Refinanzierungsrückhalt der Bundesbank herauszubringen oder zumindest eine zehnprozentige Ermäßigung des gesamten Refinanzierungsrückhaltes der Bundesbank im Sinne des Vorschlages BENNINGs durchzusetzen. Anderen Mitgliedern des ZBR gingen selbst diese Vorschläge noch zu weit. WOLF empfand es als Bonn nicht zumutbar, die strategische Reserve in einem Umfang von 1 Mrd. DM im Etat zu finanzieren. KÄHLER sah aufgrund der Verpflichtung durch das Preisgesetz nur bei Getreide keine marktregulierende Tätigkeit der EVSt vorliegen. DAHLGRÜN bezeichnete die Kreditfinanzierung als nach wie vor nicht so systemwidrig und wies zudem auf gewisse Schwierigkeiten hin, die sich bei der Unterscheidung zwischen den der Marktordnung und den der Dauerreserve dienenden Beständen ergäben. Bei den dann im Beisein der Vertreter der Bundesressorts fortgeführten Erörterungen sah sich HETTLAGE einer Koalition aus Bundesbank und BML gegenüber. BLESSING wies aus notenbankpolitischer Sicht auf die Schwierigkeiten der Finanzhilfen hin, die sich seit der Zusage SONNEMANNs, sich um eine Verlagerung der strategischen Bundesreserve in den Bundesetat bemühen zu wollen, noch verschärft hatten. Angaben BENNINGs zufolge waren von den EVSt nämlich Solawechsel in einer Höhe von 1.311 Mio. DM – und damit nahezu am Rand des eingeräumten Kreditlimits von 1.350 Mio. DM – begeben worden, von denen die Bundesbank Wechsel im Wert von 350 Mio. DM hereinnehmen mußte (siehe Abbildung 2-2, S. 38). SCHWARZ führte aus, daß auch für das BML die Finanzierung schwieriger geworden sei, und befürwortete eine Etat-Aufnahme unter der Voraussetzung, daß das Vorratsvolumen aufrechterhalten werden könne. HETTLAGE bezeichnete daraufhin von sich aus die „Lagerwechsel“, d. h. die Vorratsstellenwechsel, als „eigentlich nicht notenbankgerecht“ und gab zu erkennen, daß über die momentane Belastung hinaus für den Herbst wohl noch mit einer höheren Inanspruchnahme der Bundesbank zu rechnen sei. Dennoch schien ihm in diesem Zusammenhang nicht klar geworden zu sein, warum der ZBR überhaupt eine Umfinanzierung in den Bundesetat forderte: „Hettlage: […] Aber Umfinanzierung würde bedeuten, daß BMF Geld geben müßte, das er – seinem Wesen nach – durch U-Schätze 2-Hj. aufnehmen würde. Geldwirtschaftlich nicht die gleichen Wirkungen wie jetzt?“
PFLEIDERER übernahm die Aufgabe, HETTLAGE darüber aufzuklären, daß der „potentielle Liquiditätscharakter der Vorratsstellenwechsel“ für die Bundesbank das Wichtige sei und im Gegensatz zu der vorgeschlagenen Finanzierung mittels unverzinslicher Schatzanweisungen durch den bestehenden Refinanzierungsrückhalt der Bundesbank unerwünschte Primärliquidität geschaffen würde. Nachdem BLESSING dann die NATO-Reserve erwähnt und WAGENHÖFER ergänzt hatte, daß ein derartig wichtiger Posten nicht von der Kreditpolitik der Notenbank abhängig gemacht werden könne und eher aus Steuereinnahmen zu finanzieren sei, schlug HETTLAGE vor, einen Betrag von 250 Mio. DM, also in etwa die Hälfte der von
2.4 Die Beilegung des Konflikts
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ihm auf 500 Mio. bis 600 Mio. DM bezifferten NATO-Reserve, für 1961 in den außerordentlichen Haushalt zu übernehmen.112 Weil der Staatssekretär dem weitergehenden Wunsch des ZBR, schon 1961 einen Betrag von etwa 500 Mio. DM auf den außerordentlichen Bundeshaushalt zu übernehmen, nach eigenem Bekunden widersprach, wurde zudem vereinbart, Mitte bzw. Ende des Jahres 1961 eine entsprechende Betragserhöhung im Jahr 1962 zu prüfen.113 Der für das Jahr 1961 gemachte Vorschlag fand die Zustimmung des ZBR. Wenngleich im Gegenzug der ZBR sich auf Vorschlag BLESSINGs ein letztes Mal bereiterklärte, die für das dritte Quartal eingeräumte Kreditlinie in einer Höhe von 1.350 Mio. DM unter Zurückstellung kreditpolitischer Gesichtspunkte bis zum Ende des Jahres 1960 aufrechtzuerhalten, konnte er nunmehr deren Rückführung um 250 Mio. DM auf 1.100 Mio. DM zum ersten Quartal 1961 vornehmen und weiteren Kürzungen entgegensehen. Die zwischen den Bundesressorts und dem ZBR erzielte Einigung wurde durch das Protokoll zur 75. Sitzung des ZBR am 21. Juli 1960 festgehalten. Demnach hielt der ZBR es für geboten, „die Finanzierung der Dauerbevorratung von Grundnahrungsmitteln bei den EVSt nach und nach voll auf den Bundesetat zu übernehmen, so daß die Finanzierungshilfe im Laufe der Zeit auf den Teil der Einlagerungen von Grundnahrungsmitteln beschränkt wird, der im Rahmen der Marktordnungsaufgaben der EVSt gehalten und manipuliert wird“.114
Noch im Juli 1960 fanden zwischen den Abteilungen II und V des BMF interne Gespräche statt, um die Umfinanzierung der zentralen Vorratshaltung gemäß der in der ZBR-Sitzung erzielten Einigung neu zu organisieren. Demnach sollten die Beschaffungskosten des der NATO gemeldeten Getreidebestandes vereinbarungsgemäß im Einzelplan 36 des Haushalts („zivile Notstandsreserve“) in der Höhe von 250 Mio. DM angesetzt, die Vorratshaltungskosten allerdings weiter zu Lasten des Einzelplans 10 (Haushalt des BML) veranschlagt werden.115 Letzteres erregte Mißfallen im BML. Infolgedessen blieb nach einer entsprechenden Entscheidung des BMF-Staatssekretärs die Aufnahme der vorgeschlagenen Regelung in den Entwurf des Haushaltsplans 1961 zunächst offen. Das BMF wurde – für den Fall, daß es den Banken wegen der Lage am Kapitalmarkt nicht möglich sein sollte, den Betrag von bis zu 250 Mio. DM ohne Refinanzierungshilfe zu beschaffen – ermächtigt, erforderlichenfalls einen entsprechenden Betrag im Wege des
112 Handschriftliche Notizen zum Protokoll der 75. Sitzung des ZBR/BBk am 21.07.1960 in B 330/167. 113 Vermerk (HETTLAGE) vom 22.07.1960 betr. Vorratsfinanzierung in B 126/8384. Laut Vermerk (Abteilung V) vom 01.08.1960 betr. Finanzierung der Lebensmittelbevorratung war Mitte des Jahres 1961 vereinbart. Ebd. 114 Protokoll zur 75. Sitzung des ZBR/BBk am 21.07.1960, Ziffer 6 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/167. 115 Vermerk vom 01.08.1960 (s. Fußnote 113).
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2 Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln
Kredits zu beschaffen und als Darlehen an die EVSt Getreide zur Finanzierung der Einlagerung von Getreide zu gewähren.116 Die Abteilung V des BMF ging davon aus, daß der ZBR seine Refinanzierungshilfe weiter abbauen wollte, und empfahl daher, für die weitere Umfinanzierung nach den Möglichkeiten des Haushalts einen Zeitplan aufzustellen. Um zu vermeiden, daß die zum Marktausgleich notwendige saisonale Vorratshaltung erneut unverkäufliche Überschüsse entstehen ließe, für deren Finanzierung auf dem Geldmarkt der ZBR mit Sicherheit keine Refinanzierungshilfe gewähren würde, schlug die Abteilung V eine Reihe von Maßnahmen vor. Hierzu zählte ein – bewußt niedrig gehaltener – Höchstbetrag für das BML zur Beschaffung saisonaler Vorräte, eine Erhöhung des Beimahlungssatzes und eine – aus politischen Gründen vom Kabinett zunächst abgelehnte – Senkung des Getreidepreises zur Vermeidung drohender neuer Dauerbestände. Hierzu gehörten ferner zur Vermeidung einer erneuten Milchschwemme der Abbau der Milchprämie im Grünen Plan, um der Landwirtschaft den Anreiz zur Überproduktion zu nehmen, und eine Einschränkung handelsvertraglicher Einfuhren, auf die beim Auswärtigen Amt und beim BMWi trotz handelspolitischer Bedenken gedrängt werden sollte.117 Nach der Grundsatzdebatte in der 75. Sitzung am 21. Juli 1960 führte der ZBR – wie vereinbart – „unter Zurückstellung seines dringenden kreditpolitischen Anliegens“ die Liquiditätshilfe für die Finanzierung der zentralen Vorratshaltung im vierten Quartal 1960 noch einmal mit dem für das dritte Vierteljahr 1960 geltenden Höchstbetrag von insgesamt 1.350 Mio. DM in der gleichen Aufteilung und zu den gleichen Bedingungen fort.118 In seiner 84. Sitzung am 15. Dezember 1960 beschloß der ZBR dann, die Finanzierungshilfe für die EVSt Fleisch und die EVSt Fette mit den bis dahin zugestandenen Höchstbeträgen von 210 Mio. DM bzw. 140 Mio. DM fortzusetzen, die Finanzierungshilfe für die EVSt Getreide aber um 250 Mio. DM auf 750 Mio. DM zu kürzen.119 Der Refinanzierungsrückhalt der Bundesbank reduzierte sich so mit Wirkung zum 1. Januar 1961 auf 1.100 Mio. DM (siehe Abbildung 2-2, S. 38), d. h. erstmalig um 250 Mio. DM, die das
116 Vermerk vom 22.08.1960 in B 126/8384. Die Bundesbank kritisierte im November 1960 diese Kreditermächtigung und gab zu erkennen, daß sie möglicherweise den ZBR zu einer weiteren Einschränkung seiner Refinanzierungszusagen veranlassen könne. Vermerk (Abteilung II) vom 21.11.1960 betr. Finanzierung der Lebensmittelbevorratung ab 01.01.1961 in B 126/8384. 117 Vermerk (Abteilung V) vom 29.07.1960 betr. Finanzierung der Lebensmittelvorratshaltung in B 126/8384. 118 Entwurf des Protokolls und Protokoll zur 78. Sitzung des ZBR/BBk am 15.09.1960, Ziffer 8 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/169/1. 119 Etwaige über diese Höchstbeträge hinausgehende Kredite wurden teilweise vom Bankenkonsortium ohne den Refinanzierungsrückhalt der Bundesbank bereitgestellt (u. a. Protokoll zur 103. Sitzung des ZBR/BBk am 28.09.1961 (s. Fußnote 123, S. 75)) und teilweise anderweitig, z. B. über Kredite der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sowie der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, aufgebracht (u. a. Vorlage (BENNING) vom 06.12.1960 betr. Zentrale Vorratshaltung zur 84. Sitzung des ZBR/BBk am 15.12.1960 in B 330/172).
2.4 Die Beilegung des Konflikts
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BMF nicht länger im Kreditwege aufnehmen, sondern aus Mitteln des ordentlichen Haushalts bereitstellen wollte.120 Der ZBR diskutierte in seiner 84. Sitzung unterdessen bereits die nächste Kürzung des Refinanzierungsrückhaltes. TEPEs Drängen, gleichzeitig eine weitere Verringerung um 250 Mio. DM zum zweiten Quartal 1961 anzukündigen („Wir sollten schon 1961 Umlagerung auf Freifinanzierung erzwingen.“), entsprach eigentlich dem Wunsch im ZBR, scheiterte wohl aber an der dort überwiegenden Auffassung, daß dies kaum zu erreichen sei (TROEGER: „In diesem Haushaltsjahr bekommen wir keine weiteren 250 Mio., aber für 1962 verlangen.“). Der ZBR hatte TROEGER zufolge zwar zweimal die Übernahme von 250 Mio. DM in Aussicht genommen. BENNING wies jedoch darauf hin, das BML und HETTLAGE seien nach dem Protokoll zur 75. Sitzung davon überzeugt, daß der ZBR 1.100 Mio. DM für 1961 bewilligt habe.121 Die Begrenzung der Finanzierungshilfe für die EVSt Getreide auf 750 Mio. DM führte dazu, daß der Bund im ersten Quartal 1961 über die im Haushalt 1961 eingeplanten 250 Mio. DM hinaus weitere 150 Mio. DM für die Getreidebevorratung als zusätzliche Finanzierungshilfe bereitstellen mußte. Dieser Anstieg der Bundesmittel sollte nach Ansicht von PFLEIDERER nicht ohne Einfluß auf die Hilfe der Bundesbank bleiben. Mehrere ZBR-Mitglieder setzten sich in der 91. Sitzung am 16. März 1961 daher dafür ein, „die am 21. Juli 1960 grundsätzlich in Aussicht genommene weitere Reduzierung der Refinanzierungshilfe der Bundesbank […] für das Jahr 1962 in die Wege zu leiten“ und eine weitere Herabsetzung der Höchstkreditgrenze um 250 Mio. DM auf 850 Mio. DM ab 1. Januar 1962 anzukündigen.122 Das BMF berücksichtigte diese Kürzung bereits bei den vorbereitenden Arbeiten für die Aufstellung des Haushaltsplans des Bundes für das Rechnungsjahr 1962. Der erhebliche „Abbau der Lagerbestände infolge von Freistellungen aus der Bundesreserve für die allgemeine Versorgung, den Export und die Verfütterung“ ermöglichte schließlich bereits zum vierten Quartal 1961 die Rückführung der Finanzierungshilfe für die EVSt Getreide von 750 Mio. DM auf 500 Mio. DM und dadurch die Rückführung des Refinanzierungsrückhaltes auf insgesamt 850 Mio. DM (siehe Abbildung 2-2, S. 38). Die Rückführung des Refinanzierungsrückhaltes der Bundesbank lief damit laut BLESSING „besser als wir [die ZBR-Mitglieder] dachten.123
120 Protokoll zur 84. Sitzung des ZBR/BBk am 15.12.1960, Ziffer 10 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/172. 121 Handschriftliche Notizen zur 84. Sitzung des ZBR/BBk am 15.12.1960 in B 330/172. 122 Handschriftliche Notizen und Protokoll zur 91. Sitzung des ZBR/BBk am 16.03.1961, Ziffer 8 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/175/3. 123 Handschriftliche Notizen und Protokoll zur 103. Sitzung des ZBR/BBk am 28.09.1961, Ziffer 8 („Zentrale Vorratshaltung“), in B 330/183.
3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes Am 23. Oktober 1955 lehnte die nach dem Zusammenbruch 1945 politisch und wirtschaftlich von der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) losgetrennte Saarbevölkerung in einer Volksabstimmung mit 67,7 Prozent bei 96,7 Prozent Wahlbeteiligung das ein Jahr zuvor im Rahmen der Pariser Verträge ausgehandelte Saarstatut ab, das eine Europäisierung des Saarlandes1 vorsah. Sie bekundete damit ihren klaren Willen, die deutsche Staatsangehörigkeit beizubehalten und das Saargebiet mit Deutschland wiederzuvereinigen. Der infolge der Volksabstimmung neu gewählte saarländische Landtag2 bekannte daraufhin am 31. Januar 1956 in einer Grundsatzerklärung seine Absicht, im Einvernehmen mit Deutschland und der Republik Frankreich (Frankreich) die saarländische Wirtschaft nach der zunächst zu vollziehenden politischen Vereinigung stufenweise in die Wirtschaft Deutschlands unter der Bedingung zu integrieren, daß „der Saarwirtschaft, ihren Betrieben und den schaffenden Menschen, insbesondere auch den Rentnern, keine Nachteile erwachsen“.3 Nachdem Deutschland und Frankreich am 15. Dezember 1955 in einem Communiqué vereinbart hatten, die Verhandlungen zur Saarrückgliederung „so bald wie möglich nach den französischen Wahlen, d. h. auf jeden Fall noch im Verlauf des Monats Januar“, aufzunehmen, wurden zu deren Vorbereitung bereits am 19. Dezember 1955 ein Lenkungsausschuß, der sog. „Interministerielle Saarausschuß“, unter Federführung des Auswärtigen Amtes (AA) und (neben zahlreichen anderen) der „Arbeitsausschuß für Währungsfragen“ (Währungsausschuß) unter Federführung des BMWi gegründet. Aufgabe der Ausschüsse, in denen HEINRICH HARTLIEB, Mitglied des Direktoriums, und HERMANN FÖGEN, Leiter der Hauptabteilung „Währung und Recht“, die BdL vertraten, war die „Vorbereitung einer schrittweisen Rückgliederung unter Berücksichtigung der französischen Ansprüche und der saarländischen Wünsche“,4 für die man mindestens zwei, aber auch fünf Jahre in Betracht zog. Vorrangige Ziele waren neben einem baldigen Abschluß der Verhandlungen die endgültige Lösung der Saarfrage und 1 2 3 4
Die Begriffe „Saargebiet“ (für die Zeit bis 1946) und „Saarland“ (für die Zeit danach) wurden in den damaligen Erörterungen nicht derart differenziert gebraucht und werden daher im folgenden synonym verwendet. Archiv der Gegenwart (AdG) 1955, S. 5421 f., S. 5432 f. und S. 5524. Schmidt (1962), S. 371 ff. AdG 1956, S. 5561 und S. 5595. Schmidt (1962), S. 420 ff. BdL-Länderbericht („Saargebiet (Saarland)“) vom 09.01.1956 in B 330/7289. Vermerk (JOERGES) vom 10.01.1956 betr. Rückgliederung des Saargebietes mit Anlage 1 („Ausschüsse für Saarverhandlungen“) und Anlage 2 (Vermerk (WORBS) vom 20.12.1955 betr. Rückgliederung der Saar) in B 330/7289.
3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
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die möglichst weitgehende Beseitigung der Währungs- und Zollunion des Saargebietes mit Frankreich in der Endphase. Die Lage in Frankreich verzögerte allerdings die Verhandlungsaufnahme. Ökonomisch war sie wenige Jahre vor dem Ende der IV. Republik durch Zahlungsunfähigkeit und hohe Inflation,5 innenpolitisch durch akute Regierungsinstabilität geprägt. Außenpolitisch band die Zuspitzung der Lage in den französischen Kolonien einen großen Teil der Kräfte. Noch am 18. Oktober 1955 war der erst seit sechs Monaten amtierenden Regierung MAURICE FAURE das Vertrauen ausgesprochen worden, weil es im Hinblick auf die bevorstehende Abstimmung an der Saar nicht angezeigt erschien, eine Regierungskrise herbeizuführen. Am 30. November 1955 hatte dieselbe Regierung jedoch die Auflösung der Nationalversammlung beschlossen und Neuwahlen für den 2. Januar 1956 angesetzt, nachdem ihr am Vortag das Vertrauen verweigert worden war.6 Nach den Wahlen zur französischen Nationalversammlung, die einen „Ruck nach Links zum erstenmal seit 1946“ (Le Monde) brachten, nach Auffassung von ADENAUER „über Erwarten schlecht ausgegangen“ waren und einen „Schlag gegen den Europagedanken“ bedeuteten, war im Bundeskabinett zunächst ungewiß, wann und in welcher Zusammensetzung eine neue französische Regierung gebildet werden würde.7 Am 1. Februar 1956 wurde schließlich die Regierung GUY MOLLET mit CHRISTIAN PINEAU als Außenminister und FAURE als Staatssekretär am Quai d’Orsay bestätigt. PINEAU stellte am 2. Februar 1956 mit Bezug auf die Grundsatzerklärung des saarländischen Landtages vom 31. Januar klar, daß die französische Regierung nur eine Lösung hinnehmen könne, die sowohl den wesentlichen wirtschaftlichen Interessen Frankreichs als auch dem zwischen Frankreich und dem Saarland vereinbarten Handelsvolumen Rechnung trage. PINEAU und FAURE trafen sich am 21. Februar 1956 mit ihren deutschen Amtskollegen, HEINRICH VON BRENTANO und WALTER HALLSTEIN, in Paris, um die Verhandlungen zur Saarfrage einzuleiten.8 Weniger als acht Jahre nach der Währungsreform 1948 war damit die Saarrückgliederung in das übrige Bundesgebiet und somit auch die Einführung der Deutschen Mark (DM) im Saarland abzusehen. Sie bedurfte der Notenbankmitwirkung und rückte zwei wesentliche Faktoren der Währungsumstellung, die bereits 1948 eine wichtige Rolle gespielt hatten, in den Vordergrund: die Ausgleichsforderungen und den Umstellungskurs.
5 6 7 8
Hentschel (1997), S. 101 ff. Dickhaus (1996), S. 222 f. AdG 1955, S. 5415 f. und S. 5495. AdG 1956, S. 5586. AdG 1955, S. 5524. AdG 1956, S. 5549 f. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 87. AdG 1956, S. 5595.
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
3.1 Ausgleichsforderungen und Kurs als wichtige Faktoren der Währungsumstellung Die Währungsreform am 21. Juni 1948 wurde in der ausschließlichen Verantwortung und als Oktroi der Besatzungsmächte durchführt. Deutscher Einfluß, auch jener der am 1. März 1948 durch das Militärregierungsgesetz Nr. 60 errichteten BdL, war daher im Grunde nicht gegeben. Dieser Umstand ermöglichte dank rigoroser Maßnahmen wahrscheinlich erst die erfolgreiche Beseitigung des vorhandenen Geldüberhangs. Aufgrund des Währungsgesetzes, das die DM zur neuen Währung erklärte, erhielten Privatpersonen sog. „Kopfbeträge“ in Höhe von 60 DM, Privatunternehmen sog. „Geschäftsbeträge“ in gleicher Höhe je Arbeitnehmer und öffentliche Stellen eine sich in der Regel auf eine durchschnittliche Monatseinnahme der letzten sechs Monate belaufende Erstausstattung. Mit Hilfe des Umstellungsgesetzes vom 27. Juni 1948 wurde dann ein radikaler Geldschnitt vollzogen: Regelmäßig wiederkehrende Leistungen (wie Löhne und Gehälter, Miet- und Pachtzinsen sowie Renten und Pensionen) wurden im Verhältnis 1 : 1, Forderungen und Verbindlichkeiten aus (einmaligen) Schuldverhältnissen dagegen grundsätzlich im Verhältnis 10 : 1, bei Geldinstituten einzuzahlende Altgeldguthaben in Reichsmark (RM) letztlich sogar nur im Verhältnis 100 : 6,5 umgestellt. Forderungen gegen das Reich und die NSDAP sowie Interbankforderungen – ebenso wie Altgeldguthaben dieser Institutionen – erloschen. Bei den Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (Kapitalsammelstellen) schrumpften wegen dieser Umstellung die Vermögenswerte wesentlich stärker als die Verbindlichkeiten. Ihnen wurden zur Finanzierung von Einlagenabzügen zwar 15 Prozent der umgestellten Sichteinlagen und 7,5 Prozent der umgestellten Termin- und Spareinlagen (unter Anrechnung der Kopf- und Geschäftsbeträge) in Form von DM-Guthaben bei den Landeszentralbanken gutgeschrieben. Diese Gutschriften reichten aber in der Regel nicht für den notwendigen Bilanzausgleich aus. Den Kapitalsammelstellen wurden daher gemäß der ursprünglichen alliierten Planung sog. „Ausgleichsforderungen“ zum Ausgleich des Fehlbetrages zwischen Aktiva und Passiva und zur Sicherstellung eines angemessenen Eigenkapitals zugeteilt.9 „Schuldner der Ausgleichsforderungen waren in der Regel die Bundesländer (ohne das Saarland)“, in denen die Kapitalsammelstellen ihren Sitz hatten, und später der Bund, nachdem das Bundesverfassungsgericht 1959 erklärt hatte, daß nach Art. 120 GG der Bund die Kriegsfolgelasten zu tragen habe. Die Ausgleichsforderungen wurden während ihrer gesamten Laufzeit in der Regel mit 3 (maximal 4,5) Prozent deutlich unter Marktzins verzinst. Weil zudem ihre Tilgung ursprünglich von der Währungsgesetzgebung nicht vorgesehen war, durften sie nur zum Nennwert bilanziert und veräußert werden. Sie waren damit praktisch nicht handelbar, so daß die Ausgleichsforderungen, die Anfang der 1950er Jahre einen hohen Anteil am Geschäftsvolumen
9
Buchheim (1998), S. 128 ff.
3.1 Ausgleichsforderungen und Kurs als wichtige Faktoren der Währungsumstellung
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der Kapitalsammelstellen ausmachten, für ihre Gläubiger erhebliche rentabilitätsund liquiditätsmäßige Beeinträchtigungen (und Kritik10) mit sich brachten. Der ZBR machte sich daher schon in seiner 12. Sitzung am 6. Juli 1948 an die Lösung des Problems: Er begegnete den Liquiditätsengpässen, in die die Banken infolge des Abzuges von DM-Einlagen kurz nach der Währungsumstellung geraten waren, indem er beschloß, gegen Verpfändung der Ausgleichsforderungen Zugang zum Lombardkredit der Notenbank zu gewähren. Ferner ermöglichte er den Ankauf von Ausgleichsforderungen, zunächst allerdings nur in Verbindung mit einer Rückkaufverpflichtung und nur „soweit einem Geldinstitut aus besonderen Gründen die Belastung mit den Lombardspesen nicht zugemutet werden oder eine Veränderung seiner Liquiditätslage in absehbarer Zeit nicht erwartet werden“ konnte.11 Bis 1955 lockerte er die Bedingungen zum Ankauf von Ausgleichsforderungen sukzessive. Die Ankäufe wurden zum „Regelfall“, dienten allgemein der Bilanzbereinigung der Kapitalsammelstellen und erfolgten aus dem Gewinn des Zentralbanksystems. Das „Gesetz über die Tilgung von Ausgleichsforderungen“ vom 17. Juni 1956 (BGBl. I S. 507) kodifizierte erstmals die Lösung der Tilgungsfrage, um die Gläubiger von diesen niedrig verzinslichen und schwer liquidisierbaren Forderungen zu befreien.12 Die Landeszentralbanken und die BdL erhielten anläßlich der Währungsreform 1948 ebenfalls Ausgleichsforderungen zum Bilanzausgleich. Sie dienten der bilanziellen „Deckung“ der Bargelderstausstattung der Bevölkerung (Kopfbeträge), der Betriebe (Geschäftsbeträge) und der öffentlichen Hand. Sie dienten ferner der bilanziellen Deckung der Gutschriften, die die Landeszentralbanken den Kreditinstituten zur Finanzierung von Einlagenabzügen einräumten, so daß den dadurch entsprechend verminderten Ansprüchen der Kreditinstitute auf Ausgleichsforderungen13 ein entsprechend erhöhter Anspruch bei den Landeszentralbanken gegenüberstand. Die Ausgleichsforderungen, von denen 6,1 Mrd. DM auf die BdL und 2,6 Mrd. DM auf die Landeszentralbanken entfielen, richteten sich zunächst gegen das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland dann gegen den Bund. Sie wurden ähnlich den Ausgleichsforderungen der Kapitalsammelstellen ausgestaltet, fielen jedoch nach ihrer Übertragung auf die am 1. August 1957 gegründete Bundesbank nicht unter das Gesetz zur Tilgung von Ausgleichsforderungen und betragen unverändert 8,7 Mrd. DM (entsprechend 4,4 Mrd. EUR). Bei der Währungsreform 1948 entstand somit Zentralbankgeld durch die „hoheitliche Gewährung von Guthaben ohne Gegenleistung“. Bei der Währungsunion 1990 ging man einen anderen Weg. Die Kapitalsammelstellen erhielten damals – 10 Gawel (1994), S. 108. 11 Protokoll zur 12. Sitzung des ZBR/BdL am 06.07.1948, TOP 13 („Ankauf von Ausgleichsforderungen“), in B 330/2/3. 12 Nach Änderungen dieses Gesetzes in den Jahren 1965 und 1990 konnten zur Jahresmitte 1995 die letzten, bei den Kapitalsammelstellen befindlichen Ausgleichsforderungen übernommen werden. 13 „Ausgleichsforderungen aus der Währungsreform von 1948 und Fonds zum Ankauf von Ausgleichsforderungen“ in Monatsbericht (BBk) November 1995, S. 55 ff.
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
weil die Schuldverhältnisse nicht gestrichen, sondern lediglich asymmetrisch umgestellt wurden, im Verhältnis zu den Bilanzsummen in wesentlich geringerem Umfang als 1948 – marktmäßig zu verzinsende und für Offenmarktgeschäfte zugelassene Ausgleichsforderungen an die öffentliche Hand, die grundsätzlich als potentielle Zentralbankgeldquelle in Frage kamen. Die Bundesbank erhielt demgegenüber keine Ausgleichsforderungen. Die Kreditinstitute mußten vielmehr den aus der Währungsumstellung resultierenden Zentralbankgeldbedarf voll durch Kreditaufnahme bei ihr decken. Anstelle der hoheitlichen Gewährung von Zentralbankgeld trat damit die „lehrbuchmäßige Monetisierung von Aktiva“; die Bargelderstausstattung der Wirtschaft des Beitrittsgebiets, der Kreditinstitute selbst und der Bevölkerung mußte refinanziert werden. Hierzu wurde den Banken des Beitrittsgebiets ein Refinanzierungskontingent in Höhe von 25 Mrd. DM eingeräumt, das sie zur Rediskontierung oder Lombardierung von eigenen Solawechseln in Anspruch nehmen konnten. Die zugesagten Ausgleichsforderungen dienten als Sicherheit für diese Solawechsel, die im Laufe der Zeit durch gute Handelswechsel ersetzt wurden. Der bei der Währungsunion 1990 gewählte Weg wurde bei der Währungsreform nicht gegangen, weil 1948 erst einmal ein funktionierender Geldkreislauf mit der neuen Währung entstehen mußte und enge Refinanzierungsmöglichkeiten die Ertragskraft und Liquidität der ohnehin angeschlagenen Banken zusätzlich belastet hätten.14 Im Saargebiet konnten sich seit der Einführung des Französischen Franken (FFR) im Jahre 1947 dagegen ein funktionierender Geldkreislauf und Bankenapparat entwickeln. Nachdem die „stufenweise Eingliederung“ des Saarlandes abzusehen war, mußten die Bundesregierung und die Notenbank neben der Frage des anzuwendenden Umstellungskurses daher insbesondere die Frage klären, ob die Bereitstellung zusätzlicher DM-Noten im Zuge der tendenziell die Notenbank belastenden „hoheitlichen Gewährung von Guthaben ohne Gegenleistung“ oder im Zuge der die Kreditinstitute vergleichsweise schlechterstellenden „Monetisierung von Aktiva“ erfolgen oder ob ein gänzlich anderes Verfahren zur Anwendung kommen sollte. Daß es zur „hoheitlichen Gewährung von Guthaben ohne Gegenleistung“ eine 1956 bereits bekannte Alternative gab, verdeutlicht die FFR-Einführung im Saargebiet: Frankreich hatte den FFR im Saargebiet aufgrund des Gesetzes Nr. 47 - 2158 sowie der Erlasse Nr. 47 - 2170 und 2171 am 20. November 1947 eingeführt. Probleme ergaben sich bei dieser Währungsumstellung vor allem aus zwei Gründen. Frankreich hatte infolge politischen Drucks seiner angrenzenden Departements einen deutlich unter der Kaufkraftparität liegenden Umrechnungssatz von 1 RM (bzw. Saarmark) zu 20 FFR gewählt. Ebenfalls schwer wog, daß sich ein Großteil der saarländischen Aktiva dem französischen Zugriff entzog und die Gegenwerte der umgestellten Schulden somit nicht in FFR eintauschbar waren. Ein Großteil des Vermögens der LZB-Saar, des Nachfolgeinstituts der Deutschen Reichsbank, war in Form von RM-Guthaben in den übrigen Besatzungszonen angelegt. Auch die Aktiva der Kapitalsammelstellen, der Wirtschaft und des Staa14 Gawel (1994), S. 114.
3.1 Ausgleichsforderungen und Kurs als wichtige Faktoren der Währungsumstellung
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tes bestanden größtenteils aus derartigen ungreifbaren RM-Guthaben und Reichsschatzanweisungen. Bei der FFR-Einführung im Saarland 1947 kam es deswegen ebenfalls zu einer liquiditätsmäßigen Unterdeckung, der Frankreich jedoch anders begegnete. Frankreich erklärte sich nach Artikel 2 des genannten Gesetzes zum Ausgleich dieser liquiditätsmäßigen Unterdeckung zu einem Vorschuß von maximal 40 Mrd. FFR bereit. Das französische Schatzamt ermöglichte mit dieser Kreditzusage den Bargeldumtausch und leistete darüber hinaus eine Liquiditätshilfe an verschiedene Schuldner. Es gewährte den saarländischen Kapitalsammelstellen eine Garantie auf Beitreibung eines Teils oder aller ihrer RM-Aktiva (z. B. der Reichsschatzanweisungen und / oder RM-Guthaben im übrigen Reichsgebiet) in Höhe der etwaigen Differenz zwischen den FFR-Passiva und -Aktiva, soweit diese RM-Aktiva den Gegenwert für ihre FFR-Passiva darstellten und ihre Beitreibung durch die FFR-Einführung im Saarland bedingt war. Im Gegenzug ließ es sich die gesamten, nicht realisierbaren RM-Aktiva verpfänden und beanspruchte die von den begünstigten Kapitalsammelstellen aufgrund der Staatsgarantie im Verlauf von fünf Geschäftsjahren erzielten Gewinne. Während Deutschland also bei der Währungsreform 1948 niedrig verzinsliche Kredite bei den Kapitalsammelstellen und der BdL aufnahm und erst bei der Währungsunion 1990 den Kapitalsammelstellen Refinanzierungskontingente einräumte, stellte Frankreich bereits 1947 quasi Lombardkredite zur Verfügung.15 Das französische Schatzamt leistete darüber hinaus eine Liquiditätshilfe an die Wirtschaft, die Körperschaften des öffentlichen Rechts und die staatlichen Unternehmungen des Privatrechts, weil auch deren verfügbaren liquiden Mittel erheblich geschrumpft waren und infolgedessen häufig nicht mehr zur Begleichung der laufenden Zahlungsverpflichtungen ausreichten. Den Körperschaften des öffentlichen Rechts und den staatlichen Unternehmungen des Privatrechts gewährte es Kredite, die nach besonderen, nicht veröffentlichten Vereinbarungen verrechnet und getilgt wurden. Ferner gewährte es eine Bürgschaft für Lohngeldund sonstige Betriebsmittelkredite von Banken an saarländische Industrie- und Handelsunternehmen, soweit deren finanzielle Schwierigkeiten von der Währungsumstellung herrührten und sie Kredite nicht anderweitig beschaffen konnten. Diese Bürgschaften entsprachen hinsichtlich der Zielsetzung den Geschäftsbeträgen bei der Währungsreform 1948, wurden aber bereits, wie bei der Währungsunion 1990, zur Rediskontierung von Wechseln verwendet; mit einer solchen Bürgschaft konnte sich die kreditgewährende Bank von der Saarländischen Rediskontbank, dem Nachfolgeinstitut der LZB-Saar, die notwendigen Mittel besorgen, indem sie dort einen vom Kreditnehmer ausgestellten Solawechsel rediskontieren ließ. Das französische Schatzamt wurde nach der fast vollständigen Entwertung der RM-Guthaben außerhalb des Saargebiets und dem Erlöschen der Forderungen gegen das Reich langfristig in hohem Maß beansprucht, und zwar zum weitaus 15 Neben dem Pfand, d. h. den nicht realisierbaren RM-Aktiva, kann als Lombardzins der zu leistende Gewinnanteil betrachtet werden.
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größten Teil von der LZB-Saar und den Kapitalsammelstellen und zu einem geringen Teil von den Industrie- und Handelsunternehmen. Frankreich verpflichtete daher in Artikel 2 des genannten Gesetzes die Nachfolgerin der Deutschen Reichsregierung zum Ausgleich seiner „Währungsverluste“16 und betrachtete den Kredit seiner Staatskasse nur als Bevorschussung staatlicher Entschädigungsleistungen, die, soweit sich eine deutsche Regierung hierzu bereit erklären würde, durch Ausgleichsleistungen (etwa durch Bereitstellung von Ausgleichsforderungen) getilgt werden sollten.17 3.2 Die Modalitäten für die Einführung der neuen Währung Die Einführungsmodalitäten der neuen Währung, vor allem der Kurs und die Bereitstellung durch die „Monetisierung von Aktiva“ bzw. durch die „hoheitliche Gewährung von Guthaben ohne Gegenleistung“, waren im Saarland 1947 von Frankreich und im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 1948 von den Besatzungsmächten autonom festgelegt worden. Im Fall der Saarrückgliederung mußten beide Fragen nicht nur einvernehmlich zwischen Deutschland und Frankreich geklärt werden, sondern auch die Zustimmung der Saarregierung erhalten, die in der Regel ADOLF BLIND, Minister für Finanzen und Forsten, in den Verhandlungen vertrat.18 In den beteiligten Ländern waren zudem die Meinung der Öffentlichkeit und deren Befindlichkeiten zu berücksichtigen. Nicht zuletzt deswegen sah der Währungsausschuß bereits vor der Aufnahme der Saarverhandlungen die Währungsumstellung als „eines der Hauptprobleme bei der vollen wirtschaftlichen Rückgliederung des Saargebietes“ an.19 In der Tat wurden die Währungsfragen zu „gravierenden Problemfällen“20 – sowohl zu deutsch-französischen als auch zu innerdeutschen. Im Währungsausschuß kündigten sich bereits Kontroversen an:21
16 Inwieweit es sich hierbei tatsächlich um Verluste handelte, wird in Abschnitt 3.2.2, S. 91 ff., erörtert. 17 Martin (1955), S. 36 ff. „Gesetz Nr. 47 - 2158 zur Einführung der französischen Währung im Saarland vom 15. November 1947“ in ebd., Anhang, S. 1a, und Amtsblatt des Saarlandes Nr. 62 vom 28.11.1947. 18 Die Regierung des Saarlandes wurde zwar nicht direkt an den Saarverhandlungen mit Frankreich beteiligt, um nicht den Anschein von Eigenstaatlichkeit zu erwecken (Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 38), jedoch über die bis dahin erzielten Ergebnisse der Arbeitsausschüsse unterrichtet und fortan eng in die internen Beratungen einbezogen (Vermerk vom 26.01.1956 (s. Fußnote 23, S. 83)). 19 Bericht i. d. F. v. 10.02.1956 (s. Fußnote 23, S. 83). 20 Hahn (2003), S. 60. Dennoch ist die Ausdehnung des DM-Währungsgebiets bislang nicht näher beleuchtet worden. Ebd., S. 99. Hahn (2003) beschreibt die „Lösung der Saarfrage zwischen Paris und Bonn“ (ebd., Kapitel 1, S. 31–69) und die „Lösung der Saarfrage zwischen Bonn und Saarbrücken“ (ebd., Kapitel 2, S. 70–113). 21 Schreiben (TÜNGELER an HARTLIEB) vom 03.02.1956 in B 330/7289. ZBR-Vorlage (HARTLIEB) vom 06.02.1956 zur 212. Sitzung des ZBR/BdL am 15.02.1956 betr. Rückgliederung des Saargebiets in B 330/91/3.
3.2 Die Modalitäten für die Einführung der neuen Währung
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Übereinstimmend erachtete man die Saarwirtschaft zwar gegenüber der französischen, wegen unzureichender Investitionen und ungünstiger Konditionen für Investitionskredite nicht aber gegenüber der deutschen Wirtschaft als wettbewerbsfähig. Der Plan, deshalb den saarländischen Geschäftsbanken bereits während der Übergangszeit Refinanzierungsmöglichkeiten bei der Notenbank einzuräumen, wurde nicht weiter verfolgt,22 weil ihn die ohnehin gegen Überliquidität kämpfende BdL (siehe S. 17 f.) ablehnte. Die Verwendung der bei der Währungsumstellung zum „Umtausch“ kommenden FFR-Zahlungsmittel war wegen der noch unbekannten französischen Forderungen unklar.23 Deren Konkretisierung führte über die (zuerst erörterte) Frage des Notenumtausches (Abschnitt 3.2.1) und die daraus resultierende Frage der Notendeckung (Abschnitt 3.2.2) zum Konflikt um die Deckung der Zahlungsmittel (Abschnitt 3.6). Nach Hinweisen auf Lohndifferenzen zwischen dem Saargebiet und Deutschland und der Bemerkung, daß bei einer florierenden Wirtschaft an eine nachträgliche Senkung höherer Löhne im Saarland nicht zu denken sei, thematisierte das AA deren Angleichung an das Niveau des Bundesgebietes über einen künftigen, vom aktuellen Devisenkurs abweichenden Umrechnungskurs.24 Hieraus entstand die (später erörterte) Frage des Umstellungskurses (Abschnitt 3.2.3). Ihn hielten die Bundesressorts, SCHÄFFERs Kabinettsvorlage (Abschnitt 3.3) entsprechend, gegenüber dem Notenumtausch zunächst für nachrangig, nachdem es hierüber zum Konflikt gekommen war (Abschnitt 3.4), beim Abschluß der Saarverhandlungen (Abschnitt 3.5) jedoch für vorrangig. In seinem „Entwurf gemeinsamer Richtlinien in bezug auf Finanzprobleme“ konkretisierte Frankreich im Mai 1956 für die deutschen Stellen seine Forderungen und Ansprüche hinsichtlich der Währungsumstellung. In einem Abkommen sollten unter anderem die Bedingungen für eine endgültige Regelung der gegenseitigen Forderungen und Schulden der französischen und der saarländischen Staatskasse festgelegt werden. Daneben verlangte Frankreich folgendes: Die Währungsumstellung wird nach Ablauf einer Übergangszeit zu einem geheimzuhaltenden Zeitpunkt, dem sog. „Tag Y“, zum amtlichen Kurs des FFR und der DM „sans blocage“, d. h. ohne Sperrung oder Wegsteuerung eventuell beim Umtausch im Vergleich zu einer Umstellung zur Kaufkraft auftretender Gewinne,
22 Bericht i. d. F. v. 10.01.1956 und i. d. F. v. 06.02.1956 (s. Fußnote 23). Vermerk (FÖGEN an HARTLIEB) vom 08.02.1956 in B 330/7289. Schreiben (BdL (FÖGEN) an BMWi) vom 08.02.1956 in ebd. und B 102/11441. Bericht i. d. F. v. 10.02.1956 und Vermerk vom 26.01.1956 (s. Fußnote 23). 23 Bericht (Währungsausschuß) i. d. F. v. 10.01.1956, 06.02.1956 und 10.02.1956 in B 102/11441 und B 330/7289. Vermerk (WORBS an HARTLIEB / TÜNGELER) vom 26.01.1956 betr. Rückgliederung der Saar in B 330/7289. 24 Anlaß waren die diesbezüglichen Erörterungen zum Bericht des Arbeitsausschusses „Sozialund arbeitsrechtliche Fragen“, die der Währungsausschuß daraufhin übernahm. Bericht i. d. F. v. 10.02.1956 (s. Fußnote 23).
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vorgenommen. Die im Saargebiet umlaufenden FFR-Banknoten werden von französischen Behörden unentgeltlich eingezogen.25
3.2.1 Aus der Frage des Notenumtausches … Der Währungsausschuß reagierte auf die französische Forderung, alle im Umlauf befindlichen FFR-Noten unentgeltlich auszuhändigen, in einer Stellungnahme an das AA vom 12. Mai 1956. Darin waren das BMF, das BMWi und die BdL gemeinsam der Auffassung, daß die bei der Währungsumstellung einzuziehenden Noten wie bei jedem Wechsel der Währungshoheit als Gegenwert der neuauszugebenden Noten grundsätzlich der Notenbank desjenigen Staates zustünden, auf den die Währungshoheit übergeht. Sie machten geltend, daß so auch bei der Rückgliederung des Saargebietes in das Deutsche Reich 1935 verfahren worden sei. Dem Anspruch Frankreichs auf unentgeltliche Aushändigung sämtlicher zum Umtausch kommender FFR-Noten, deren Umfang auf 60 Mrd. FFR geschätzt wurde, sollte daher nach einhelliger Auffassung nicht entsprochen werden. Das BMWi und die BdL vermuteten jedoch, daß die französische Seite einen Zusammenhang zwischen der FFR-Einführung im Saargebiet 1947 und der DM-Währungsreform im Bundesgebiet 1948 ziehen würde. Sie hielten deshalb einen Anspruch Frankreichs, für diejenigen Beträge schadlos gehalten zu werden, in deren Höhe es 1947 das Saargebiet ohne Gegenleistung mit Zahlungsmitteln ausgestattet und Garantiezusagen eingelöst hatte, für nicht ganz unberechtigt. Anderenfalls hätte der Bund mit Hilfe der BdL diese Beträge im Rahmen der Währungsreform 1948 für die Kopf- und Geschäftsbeträge sowie für die Liquiditäts- und Erstausstattung der Geldinstitute bzw. der öffentlichen Hand bereitstellen müssen. Das BMWi und die BdL empfahlen daher – jedoch ohne Zustimmung des BMF –, sich prinzipiell bereit zu erklären, Frankreich für seine damals dem Saargebiet unentgeltlich erbrachten Leistungen mit maximal 40 Mrd. FFR schadlos zu halten.26 Der Vergleich mit 1935, den später auch die BdL offiziell zog (siehe S. 89 f.), war nicht hilfreich und Ausgangspunkt eines großen Mißverständnisses: Die Saarrückgliederung in das Deutsche Reich 1935 hatte sich unter dem Gold-DevisenStandard vollzogen. Damals hatte die Reichsbank im Austausch gegen RM die im Saargebiet umlaufenden französischen Noten eingezogen, die anschließend zum Rückkauf der Frankreich im Versailler Vertrag zugesprochenen Saargruben verwandt worden waren.27 Der FFR war nun aber keine Goldwährung mehr. Ebenso bestand in Deutschland seit 1948 eine andere Geldverfassung. Weder die Gesetze 25 „Französischer Entwurf gemeinsamer Richtlinien in bezug auf Finanzprobleme“ ohne Datum in B 102/11439. 26 „Zur Frage der Verwendung der am Ende der Übergangszeit in DM einzutauschenden französischen FFR-Noten“ (Währungsausschuß) vom 12.05.1956 in B 102/11439 und B 126/7368. – Die Stellungnahme entsprach im wesentlichen einem Entwurf FÖGENs vom gleichen Tag, den dieser mangels notenbankinterner Abstimmungsmöglichkeit ausdrücklich als „unverbindliche persönliche Auffassung“ deklariert hatte. 27 Der Volkswirt vom 10.11.1956, S. 17 („Die Währungsumstellung im Saarland“).
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zur Neuordnung des Geldwesens noch das BdL-Gesetz sahen eine substantielle Notendeckung vor. Sie überließen es den maßgeblichen BdL-Organen, den Umlauf in den angezeigten Grenzen zu halten, „um die Bedürfnisse des Verkehrs befriedigen zu können. Die DM war demgemäß seit der Währungsreform […] eine manipulierte Papierwährung.“28 Demnach war die FFR-Geldmenge infolge der Saarausgliederung aus dem FFR-Währungsgebiet tatsächlich zu reduzieren und die französische Forderung insoweit angemessen. Umgekehrt war die DM-Geldmenge infolge der Saareingliederung in das DM-Währungsgebiet prinzipiell auszuweiten. Dem Erfordernis, diese Geldmengenausweitung „in den angezeigten Grenzen zu halten“, stand dabei freilich die französische Forderung nach Anwendung des offiziellen Wechselkurses entgegen. Diese Forderung erweckte nicht nur den Eindruck, als ob es sich um einen reinen Umtausch von FFR in DM handele. Sie machte auch, da Frankreich seine Noten selbst einziehen wollte, die im Saarland neuauszugebende DM-Geldmenge von dessen Angaben zur dort eingezogenen FFR-Geldmenge abhängig, so daß der französische Versuch, die FFR-Geldmenge zur Inflationsbekämpfung über die „angezeigten Grenzen“ hinaus zu reduzieren, in Deutschland inflationär wirken konnte. Der Vergleich mit 1948 war eher angebracht, machte allerdings die Zusammenhänge noch komplizierter. Seinerzeit war beobachtet worden, „daß Angehörige der französischen Besatzungsmacht bei der deutschen Währungsreform sehr reichlich über RM-Noten verfügten, die sie im Verhältnis 1 : 1 gegen DM-Noten umtauschen konnten, sofern die RM-Noten ‚legal’ erworben waren“, und „daß aus französischen Händen in der Schweiz größere Mengen DM-Noten angeboten [wurden], was zu dem Einbruch des Kurses für die DM nicht unwesentlich bei[trug].“29 Diese Beobachtungen wurden jetzt anläßlich der Saarrückgliederung wieder aktuell. Das BMWi und die BdL zweifelten französische Angaben über die Vernichtung der bei der FFR-Einführung im Saargebiet 1947 eingezogenen RMNoten an. Sie knüpften ihre Empfehlung daher an einen französischen Nachweis über deren Vernichtung, weil sich anderenfalls Frankreich bereits „schadlos gehalten hätte und vielleicht mehr als das“.30 – Die Skepsis schien berechtigt, schließlich hatte es sich im Saarland auch RM-Aktiva verpfänden lassen und das umlaufende Noten- und Münzgeld als Verbindlichkeit der Reichsbank angesehen.31 Die vermutete bereits (zumindest teilweise) erfolgte Schadloshaltung Frankreichs war aber nicht der primäre Grund für die Ablehnung des BMWi/BdLVorschlags im BMF. Dort sah man sich vielmehr direkt betroffen. So wie Frankreich möglicherweise die eingezogenen RM-Noten nicht vernichtet, sondern zur Deckung der Bargelderstausstattung verwendet hatte, wollte sich das BMF die 28 V. Spindler / Becker / Starke (1957), S. 12. V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 13. 29 Schreiben (Bremer Ausschuß für Wirtschaftforschung) vom 01.06.1956 betr. Umtausch von RM-Noten in DM-Noten, Statist (Übersetzung) vom 31.07.1948 („Die Schweiz mit deutschen Banknoten überschwemmt“) und Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung vom 16.10.1948 („D-Mark-Kurs als Quintessenz“) in B 126/7368. 30 Stellungnahme vom 12.05.1956 (s. Fußnote 26, S. 84). 31 Martin (1955), S. 36.
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einzuziehenden FFR-Noten zunutze machen. JOACHIM VON SPINDLER, Leiter der Abteilung V im BMF (Banken, internationale Finanzierungsfragen, Devisen, öffentliches Versicherungswesen, Liquidation des Krieges, Rechtsangelegenheiten), wies am gleichen Tag darauf hin, daß das französische Schatzamt im Moment der Währungsumstellung von deutscher Seite von seinen Deckungsverbindlichkeiten freizustellen sei. Diese Aufgabe sollte seines Erachtens die BdL übernehmen. Während der Währungsausschuß das AA nur darüber informierte, daß die Frage der „entstehenden Deckungslücken und ihrer Beseitigung noch einer Erörterung bzw. Klärung“ bedürfe, meinte das BMF in seinem Schreiben vom 12. Mai 1956 an das BMWi, daß die BdL „für die Umtauschbeträge eine Deckung, d. h. die umzutauschenden französischen Zahlungsmittel, erhalten“ müsse und daß daher in erster Linie mit dieser zu klären sei, ob und unter welchen Voraussetzungen sie die von ihr erworbenen FFR an die französische Regierung abgeben wolle.32 Die Abteilung V des BMF präzisierte mit Schreiben vom 24. Mai 1956, daß die 1947 getroffenen französischen Maßnahmen nicht ohne weiteres mit den Maßnahmen bei der Währungsreform 1948 vergleichbar seien. Der Umtausch der Saarmark (bzw. ein unterstellter Umtausch von RM-) in FFR-Noten oder -Gutschriften sei eine dem Übernehmer der Währungshoheit unabhängig von der Verwertbarkeit der umgetauschten Saarmark-Beträge zufallende Aufgabe gewesen. Es ergäben sich nur Beziehungen zwischen der französischen Notenbank und der französischen Regierung, jedoch keinerlei Rechtsansprüche gegen Deutschland. Wenngleich eine starke Wahrscheinlichkeit dafür spreche, daß die in den französischen Bereich gelangten RM-Noten keinesfalls entwertet wurden, sondern verwertet werden konnten und wurden, erscheine dieser Umstand rechtlich ohne Bedeutung, da auch im gegenteiligen Fall der Erwerber wie jeder Fremdwährungsbesitzer das Währungsrisiko der ihm bei der Eingliederung zufallenden fremden Zahlungsmittel tragen müsse. Selbst wenn sich die französische Seite aus „nicht ganz verständlichen Gründen“ zur RM-Notenvernichtung entschlossen haben sollte, sei ihr jedenfalls hieraus kein Schaden entstanden, weil die sonstigen außerhalb des Währungsgebietes befindlichen RM-Noten aufgrund des auch von der französischen Regierung 1948 erlassenen Währungsgesetzes ebenfalls nicht in DM umgetauscht werden konnten. Wenn Frankreich nun für diesen Besitz anders behandelt werden würde als der übrige, bekanntlich nicht in DM umgetauschte RM-Auslandsbestand, indem man ihm seine unentgeltlich erbrachten Leistungen erstatte, würde dies eine „nicht zu verantwortende Festlegung“ bedeuten. Sie würde „zwangsläufig Forderungen der Bank deutscher Länder gegen den Bund auslösen“, weil die BdL dann anstelle der ihr eigentlich zustehenden FFR-Noten eine andere Deckung für die neuauszugebenden DM-Noten benötigen würde.33 32 Schreiben (BMF (VON SPINDLER) an BMWi (JENTSCH)) vom 12.05.1956 betr. Rückgliederung des Saargebiets; hier: Verwendung der einzuziehenden französischen Zahlungsmittel, in B 102/11439. 33 Schreiben (BMF (SCHLICHTING) an AA) vom 24.05.1956 betr. a) Garantieforderungen aus der saarländischen Währungsreform b) Verwendung der […] in DM einzutauschenden Franknoten in B 330/4230/1.
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An diesen Ausführungen war zutreffend, daß sich aus der FFR-Einführung im Saargebiet 1947 rein innerfranzösische Rechtsansprüche ergaben. Gerade deswegen war aber auch die FFR-Einziehung, anders als man im BMF meinte, eine französische Angelegenheit. Unzutreffend war ebenso die Annahme, daß die von Frankreich 1947 eingezogenen RM-Noten (analog zu den eigenen Planungen für die DM-Einführung) prinzipiell als Deckung für die neuausgegebenen FFR-Noten hätten dienen können, daß dies aber nur wegen des späteren Untergangs der RMWährung nicht möglich gewesen sei und daß Frankreich dieses „Fremdwährungsrisiko“ eben tragen müsse. Für diese Argumentation im BMF gibt es zwei Erklärungen. Möglicherweise wußte man es einfach nicht besser. Plausibler erscheint (vorerst), daß man hierin die einzige Chance sah, das Einbehalten der zum „Umtausch“ kommenden FFR-Noten zu rechtfertigen. Diese FFR-Noten wollte man schließlich der BdL zur Deckung der neuauszugebenden DM-Noten geben, um eine anderenfalls drohende Inanspruchnahme durch die Notenbank, d. h. eine mögliche Haushaltsbelastung, von Anfang an auszuschließen. Die praktischen Erfahrungen und ein vom BMF unterbreiteter Vorschlag scheinen das zu bestätigen. Die deutsche Seite hatte zur nachträglichen Angliederung der Gemeinde Kirrberg an das Saargebiet34 den Standpunkt vertreten, daß die vom Land RheinlandPfalz der Raiffeisenkasse Kirrberg gewährte Ausgleichsforderung nach der Angliederung nicht mehr vom Land Rheinland-Pfalz geschuldet und zu verzinsen sei.35 Von der nun in umgekehrter Richtung zu vollziehenden Umstellung erwartete das BMF also eine Verpflichtung des Bundes, die dort wenig Begeisterung hervorrief. Die Abteilung V wollte daher mit einem Vorschlag entgegenkommen, der zwar gegen ihre Auffassung verstieß, die FFR-Einführung im Saargebiet sei eine interne französische Angelegenheit gewesen, andererseits aber gewährleisten sollte, daß die Rechte des französischen Schatzamtes aus der FFR-Einführung 1947, von den Instituten die Rücknahme eingelöster Deckungsforderungen zu verlangen, ohne nennenswerte fiskalische Belastung auf die deutsche Seite übergehen. Sie schlug vor, das französische Schatzamt mit Hilfe ihm zuzuteilender Ausgleichsforderungen gegen Abtretung der Pfandrechte hinsichtlich der ausgegebenen Bürgschaften freizustellen. Dieser Vorschlag war aber unrealistisch, da die Ausgleichsforderungen unter das vor der Verkündung stehende Gesetz über die Tilgung von Ausgleichsforderungen (siehe S. 79) fallen sollten und das französische Schatzamt – wie die übrigen Kapitalsammelstellen im Bundesgebiet – seinen Anspruch erst nach rund 37 Jahren hätte voll verwirklichen können.
34 Die nachträgliche Angliederung war kein Einzelfall. 1946 wurden 142 Gemeinden von Rheinland-Pfalz an das Saargebiet angegliedert. 1947 kamen 61 davon wieder an RheinlandPfalz zurück, 13 andere von Rheinland-Pfalz zur Saar. 1949 wurde noch eine weitere Gemeinde an das Saargebiet angegliedert (Schmidt (1959), S. 23, Fußnote 15), nämlich Kirrberg. Zur dortigen FFR-Einführung siehe Martin (1955), S. 53. 35 Schreiben (BMF an AA / BMWi / BMJ / BdL (FÖGEN)) vom 22.06.1956 betr. Saarverhandlungen; hier: Stellungnahme zu dem französischen Anspruch auf Aushändigung der umzutauschenden Noten, in B 126/7368.
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SCHÄFFER verwarf daher den Vorschlag noch am 24. Mai 1956 und billigte statt dessen den BMWi/BdL-Plan, Frankreich bei den an den beiden darauffolgenden Tagen stattfindenden Saarverhandlungen die Erstattung seiner anläßlich der FFR-Einführung 1947 im Saargebiet unentgeltlich erbrachten Aufwendungen anzubieten. Das BMF erwartete durch den insoweit unentgeltlich herauszugebenden Teil der zum „Umtausch“ kommenden FFR-Zahlungsmittel je nach Umrechnungskurs eine Ausgleichsforderung der BdL gegen den Bund in Höhe von bis zu 500 Mio. DM. Die deutsch-französischen Saarverhandlungen vom 25. und 26. Mai 1956 führten zu keiner Annäherung der beiderseitigen Standpunkte:36 Die französische Delegation begründete ihren Anspruch – zutreffend – damit, daß die Notenausstattung des Saarlandes dem jeweiligen Träger der Währungshoheit obliege. Sie forderte dementsprechend die Zurückziehung sämtlicher zum Zeitpunkt der Währungsumstellung umlaufender FFR-Noten in Höhe von schätzungsweise 50 bis 60 Mrd. FFR, möglicherweise sogar von 80 Mrd. FFR. Sie begründete diese Zunahme – ebenso zutreffend – mit der seit 1947 erhöhten saarländischen Wirtschaftskraft und erachtete daher entsprechend höhere deutsche Aufwendungen zur Saarrückgliederung als gerechtfertigt. Im Rahmen der Forderungen des französischen Schatzamtes (siehe Tabelle 3-1) verlangte sie darüber hinaus eine Entschädigung für die zur Einlösung von Garantieverbindlichkeiten aufgewandten rd. 28 Mrd. Tabelle 3-1: Französische Forderungen und Verbindlichkeiten I. Französische Forderungen: 1. Ausgaben bei Einführung der FFR-Währung im Saarland a) Notenerstausstattung b) eingelöste Garantien an Banken und Versicherungen 2. Anleihen (außer Marshall-Plan-Geldern) a) gegenüber dem Saarland b) gegenüber von Deutschland zu übernehmenden Gruben 3. Französische Tresorvorschüsse 4. Forderungen aus dem Postverkehr (per 28.02.1956) veränderlich 5. Forderungen aufgrund von biens transférables (Völklingen, Neunkirchen, Homburg)
ca. 9 Mrd. FFR 28 Mrd. FFR 8 Mrd. FFR 5 Mrd. FFR 1,1 Mrd. FFR 10,5 Mrd. FFR 11 Mrd. FFR 72,6 Mrd. FFR
II. Französische Verbindlichkeiten: 1. Guthaben des Saarlandes beim französischen Schatzamt 2. Saldo aus gemeinsamen Einnahmen und Ausgaben (veränderlich)
7,8 Mrd. FFR 6,5 Mrd. FFR 14,3 Mrd. FFR
Anmerkung: Diese Tabelle widerlegt die in den Kabinettsprotokollen der Bundesregierung 1956, S. 482 f., Fußnote 68, dargestellte Auffassung, daß die (Netto-)Forderung des französischen Schatzamtes auf 58,3 Mrd. FFR sich nur aus der dem Saarland von Frankreich bei der Einführung der FFR-Währung 1947 zur Verfügung gestellten Erstausstattung und den zwischenzeitlich eingelösten Garantien an Banken und Versicherungen zusammengesetzt habe. Der ebd. angegebene Aktenband B 126/7366 wurde zwischenzeitlich kassiert. Quelle: Ministervorlage vom 28.05.1956 (siehe Fußnote 37, S. 89) und Anlage 1 zur Kabinettsvorlage vom 06.07.1956 (siehe Fußnote 82, S. 105) 36 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 388 f.
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FFR und eine Entschädigung für die von ihr auf rd. 9 Mrd. FFR bezifferte Notenerstausstattung.37 Diese Forderungen waren unberechtigt, weil neben der Notenerstausstattung die eingelösten Garantieverbindlichkeiten, den dargelegten Einlösungskriterien nach zu urteilen, bereits in vollem Umfang in der FFR-Geldmenge enthalten waren. Die französische Delegation verzichtete später auf die Erstattung der rd. 9 Mrd. FFR, hielt aber bis zuletzt an der Erstattung der 28 Mrd. FFR fest. Sie folgte damit bei der Notenerstausstattung vermutlich dieser Argumentation, während sie bei den eingelösten Garantieverbindlichkeiten auf dem Entschädigungsanspruch Frankreichs (siehe S. 81 f.) beharrte. Die Reaktion der deutschen Delegation untermauert dies. Sie entgegnete, daß die Umsetzung der französischen Forderung eine zusätzliche deutsche Reparationsleistung bedeuten würde, eine Formulierung, die drei Monate später auch der ZBR wählte.38 Das BMF und die BdL legten übereinstimmend dar, daß Frankreich dann seine anzuerkennenden unentgeltlichen Aufwendungen für die FFR-Einführung durch die Rückgabe dieses Teils der Noten und durch die nochmalige Begleichung der Forderungen aus eingelösten Garantieverbindlichkeiten doppelt erhalten würde. Frankreich würde die bisher bezahlten Leistungen des Saarlandes dann unentgeltlich erhalten haben und darüber hinaus die Möglichkeit bekommen, durch Barzahlung der während der Übergangszeit vom Saarland noch zu erbringenden weiteren Leistungen den Notenumlauf unkontrollierbar zu steigern und damit weitere Leistungen unentgeltlich aus dem Saarland zu beziehen.39 Dieses Bedenken war gerechtfertigt und erforderte eine nominelle Begrenzung des FFR-Notenumlaufs im Saarland.40 Die Saarverhandlungen brachten zwar keine Annäherung, klärten aber die Standpunkte: Die sog. Beträge ohne Gegenleistung zur Notenerstausstattung und zur Einlösung von Garantiezusagen im Saarland, zu deren Übernahme sich die deutsche Delegation bereit erklärt hatte, waren nun von der französischen Delegation mit insgesamt 37 Mrd. FFR beziffert. Die BdL nahm nach dieser Klärung erstmals zur Frage des Notenumtausches offiziell Stellung. WILHELM VOCKE und WILHELM KÖNNEKER, Präsident und Vizepräsident des Direktoriums, machten in ihrem Schreiben an das AA vom 5. Juni 1956 „wenigstens vorsorglich“ die FFR-Ablieferung an eine deutsche Stelle zur Voraussetzung für den Notenumtausch. Sie begründeten den deutschen Anspruch damit, daß weder ein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz noch eine Gepflo37 Ministervorlage (SCHROEDER-HOHENWARTH) vom 28.05.1956 betr. deutsch-französische Verhandlungen über die Eingliederung des Saargebietes in das Bundesgebiet vom 25./26.05.1956; hier: a) Umtausch der umlaufenden FFR-Noten in DM, b) Forderungen des französischen Schatzamtes gegenüber dem Saarland, in B 126/7368. 38 Der ZBR hielt fest, daß eine über 37 Mrd. FFR hinausgehende Anerkennung „auf das Zugeständnis einer politischen Reparationsleistung hinauslaufen würde“. Protokoll zur 225. Sitzung des ZBR/BdL am 22.08.1956, TOP 2 VIII („Devisenstatus, Außenhandelsfragen und internationaler Kapitalverkehr“), in B 330/96/1. 39 Ministervorlage vom 28.05.1956 (s. Fußnote 37) und Vermerk (BdL (FÖGEN)) vom 26.05.1956 (ohne Betreff) in B 102/11439. 40 Der Volkswirt vom 16.06.1956, S. 10 („Währungsumstellung an der Saar“).
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genheit bestehe, wonach die in einem Gebiet umlaufenden und zum „Umtausch“ kommenden Geldzeichen vom neuen Träger der Währungshoheit unentgeltlich an den alten Träger der Währungshoheit auszuhändigen oder zu vernichten seien, und stützten ihn mit dem Hinweis, daß nach der Schaffung der DM-Währung weder bei der Eingliederung einiger Gebiete in das Saar- und damit in das FFRWährungsgebiet noch bei der Eingliederung einiger Gebiete in das holländische Währungsgebiet derart verfahren worden sei.41 Ein berechtigtes Anliegen könne unter der Voraussetzung des Nachweises der Notenvernichtung nur in der Rückerstattung des Betrages in Höhe von 37 Mrd. FFR gesehen werden. Bei einer darüber hinausgehenden Anerkennung des französischen Standpunktes würde die vorübergehende Zugehörigkeit des Saargebietes zum FFR-Währungsgebiet bei einem unterstellten konstanten Zahlungsmittelumlauf während der Übergangszeit für Frankreich zu einem auf mehrere Hundert Millionen DM zu veranschlagenden unberechtigten finanziellen Gewinn führen.42 VOCKEs und KÖNNEKERs Ausführungen entsprachen insoweit einer kurz zuvor im Währungsausschuß geführten Korrespondenz. Wie FÖGEN darin mitgeteilt worden war, nahm man im BMF nicht an, daß man nach einem weiteren Vortrag beim Minister bereit sein werde, „durch Anerkennung der weitergehenden Forderungen Frankreichs auf diesem Wege einen politischen Preis für die Eingliederung des Saarlandes zu bezahlen.“ FÖGENs gleichlautende – unzutreffende – Beurteilung erwähnten VOCKE und KÖNNEKER in ihrem Schreiben jedoch ebensowenig wie dessen Auffassung, daß die zum „Umtausch“ kommenden FFR-Noten rechtlich den sonstigen im Sortenhandel angekauften FFR-Noten gleichzustellen seien und daß daher der „Umtausch“ der FFR-Noten im Rahmen der DM-Einführung im Saarland nicht anders zu behandeln sei als ein sonstiger Ankauf von Fremdwährungsgeldzeichen. Diese Auffassung, die zumindest zwei BMF-Vertreter43 und später auch VOCKE im ZBR (siehe S. 96 f.) teilten, war falsch. „Eine Rechtsfolge der Einführung einer neuen Währung besteht in jedem Falle darin, daß die bisherigen Geldzeichen (Münzen und Banknoten) diese Rechtseigenschaft einbüßen“ – wie FÖGEN selbst gut 13 Jahre später in seinem Werk zum „Geld- und Währungsrecht“ richtig erklärte –.44 Im Sortenhandel angekaufte Noten hätten wieder verkauft werden und so im Geldkreislauf verbleiben können. Mit ihnen hätte also genau das gleiche passieren können, was man Frankreich im Zusam41 Diese Umstellungen scheinen somit nicht sachgerecht durchgeführt worden zu sein und wirkten sich wohl nur wegen der geringen Beträge nicht spürbar negativ in Deutschland aus. Die später von FÖGEN in seinem Schreiben vom 29.05.1956 (s. Fußnote 43, S. 90) gezogene Parallele zu den nach 1918 von Deutschland abgetrennten Gebieten (Elsaß-Lothringen, EupenMalmedy, Nordschleswig, Memel, Posen usw.) bestätigt das erwähnte Mißverständnis hinsichtlich des Währungsregimes (s. S. 84). 42 Schreiben (BdL (VOCKE / KÖNNEKER) an AA) vom 05.06.1956 betr. Umtausch von FFRNoten in B 126/7368 und B 330/4230/1. 43 Korrespondenz (BdL (FÖGEN) / BMF (SCHROEDER-HOHENWARTH) / BMWi (DÜRRE)) vom 29.05.1956 und 01.06.1956 in B 126/7368 und B 330/4230/1. (Zum zweiten BMF-Vertreter s. Fußnote 33, S. 86.) 44 Fögen (1969), S. 47.
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menhang mit der Währungsreform 1948 vorwarf und was das zu dieser Zeit ohnehin inflationsgebeutelte Frankreich möglichst ausschließen mußte. Die zu regelnde Eingliederung bedeutete vielmehr den Übergang des saarländischen Wirtschaftspotentials aus dem französischen in das deutsche Währungsgebiet und infolgedessen ferner, daß nach der Eingliederung die FFR-Nachfrage zum Kauf von Gütern und Diensten sinken und die DM-Nachfrage zu gleichen Zwecken steigen würde. Dies galt es mit Hilfe einer potentialorientierten Geldpolitik sowohl auf französischer als auch auf deutscher Seite auszugleichen. In Wahrheit handelte es sich also nicht um einen „Umtausch“ von FFR in DM, sondern eher um eine „Ersetzung“ der einen durch die andere Währung.
3.2.2 … entwickelt sich die Frage der Notendeckung Am 4. Juni 1956 trafen ADENAUER und MOLLET in Luxemburg zu Beratungen zusammen, deren Ergebnisse in Direktiven festgehalten wurden und die Grundlage für die weiteren Expertenverhandlungen waren45 bzw. sein sollten. Die Direktive zum Notenumtausch sah vor: „Die Regelung der verschiedenen Währungs- und Finanzfragen wird einer deutschfranzösischen Sachverständigenkommission übertragen. Die Sachverständigen werden insbesondere beauftragt, den Umfang des normalen Zahlungsmittelumlaufs an der Saar zu bestimmen; in Verbindung hiermit wird von den Ministern der Betrag der zu vernichtenden Zahlungsmittel bestimmt werden.“46
Dieser Wortlaut stärkte die Franzosen, weil man aus ihm schließen konnte, ADENAUER habe ihrer These zugestimmt, daß die Noten unabhängig von der Höhe der unentgeltlichen Aufwendungen Frankreichs zurückzugeben seien.47 Auswirkungen hatte dies vor allem für die BdL, weil die französische Seite gleichzeitig ihre Forderungen mit dem Hinweis akzeptabel erscheinen ließ, daß sich daraus keine Belastungen für den Bund ergeben würden. Ihre Vorstellung war, daß die BdL für die umzutauschenden FFR-Noten nach Maßgabe des offiziellen Wechselkurses48 DM-Noten ausgibt und dafür nur einer formalen Deckung bedarf, sei es in Form von unverzinslichen Ausgleichsforderungen, aus der sich keine Belastungen des Bundeshaushalts ergeben würden, sei es in Form von verzinslichen Deckungsforderungen, deren Zinsaufwand über den BdL-Gewinn wieder an den Bund zurückfließen würde. Diese bereits im BMF angedachte Vorstellung (siehe S. 88) war richtig. Nach dem Übergang zur manipulierten Papierwährung bedurfte 45 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 388 f. 46 Wortlaut der Direktive im Schreiben vom 02.07.1956 (s. Fußnote 64, S. 98) und in B 330/4230/1. 47 Vermerk vom 30.06.1956 (s. Fußnote 64, S. 98). HALLSTEIN hielt die Direktive daher „für dem Sinne nach für baren Unsinn“. Vermerk (SCHLICHTING) vom 06.08.1956 betr. Rückgliederung der Saar; hier: Artikel 64–66, Ergebnis der Verhandlungen der Herren Staatssekretäre Hallstein und Faure in Beilstein, in B 126/18273. 48 Hierdurch wurden die Erörterungen zur Frage des Kursverhältnisses (s. Abschnitt 3.2.3, S. 98 ff.) eingeleitet.
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es zwar – wie erwähnt – nicht mehr einer substantiellen Notendeckung. Davon zu trennen war allerdings die bilanzielle Deckung bei der Notenbank. Hier galt (und gilt) für den Geldemittenten, „daß das ursprüngliche, vollwertige Geld als ein von allen akzeptiertes Basisgut (z. B. Gold) durch Forderungsrechte auf irgendein Aktivum abgelöst wird.“49 In Wahrheit war die Ausgestaltung dieses Aktivums zwischen der Notenbank und der Bundesregierung auszuhandeln. Die Verhandlungen begannen schon einen Tag nach den Saarbesprechungen. Das AA gab FÖGEN deutlich zu erkennen, „daß mit einer Akzeptierung des französischen Standpunktes durch die Bundesregierung mindestens dann gerechnet werden müsse, wenn nicht klar herausgestellt werde, daß dem Gewinn Frankreichs tatsächlich ein Verlust des Bundes entsprechen würde.“ FÖGEN wies danach das Direktorium mit Vermerk vom 7. Juni 1956 darauf hin, daß der endgültige Standpunkt der Bundesregierung in den Verhandlungen vor allem durch die intern-deutsche Klärung der Frage mitbeeinflußt werde, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen die BdL beim Notenumtausch eingeschaltet sein wird. Die Klärung dieser Frage entscheide darüber, inwieweit dem Bund aus der Akzeptierung des französischen Standpunktes ein Verlust entstehen würde. Nicht nur vom eigenen Notenbankstandpunkt aus, sondern auch wegen der Höhe des Verlustes sollte man keinen Zweifel darüber lassen, daß man weder die zum Umtausch der FFR-Noten erforderlichen DM-Noten noch den zur Erstattung der eingelösten Garantiezusagen nötigen Betrag gegen Zuteilung einer Ausgleichsforderung oder dergleichen bereitzustellen gewillt sei. FÖGEN illustrierte, daß der Bund bei Realisierung des deutschen Standpunktes einen Betrag in Höhe von 462,5 Mio. DM zur Schadloshaltung Frankreichs an die BdL leisten müßte. Demgegenüber hätte der Bund bei Akzeptierung des französischen Standpunktes einen sofort auftretenden Verlust in Höhe von 975 Mio. DM zu tragen, wenn die BdL nur gegen Begleichung (aus einem – ggf. durch Inanspruchnahme des Kassenkredits erst zu schaffenden – Guthaben des Bundes bei ihr) bereit sein würde, die zum Umtausch benötigten DM-Noten und den zur Begleichung der eingelösten Garantiezusagen erforderlichen Betrag bereitzustellen. Dies würde „einen Verlust für den Bund (einen zusätzlichen politischen Preis für die Rückgliederung des Saargebiets) von rd. 512,5 Mio. DM“, d. h. in Höhe des Gegenwerts für den über 9 Mrd. FFR hinausgehenden Notenumlauf im Saargebiet, bedeuten. Frankreich würde dann wesentlich mehr als seinen Beitrag zur Moselkanalisierung50 durch den Gewinn beim Notenumtausch im Saargebiet wieder hereinholen.51
49 Borchert (2003), S. 23. 50 Die von Frankreich als unabdingbar erachtete Moselkanalisierung war ebenfalls bis zuletzt umstritten. Der endgültigen Lösung zufolge trug Frankreich zwei Drittel, Deutschland das verbleibende Drittel der auf insgesamt 370 Mio. DM geschätzten Kosten. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 633 ff. 51 Vermerk (FÖGEN) vom 07.06.1956 betr. Einführung der DM-Währung im Saargebiet (speziell: Notenumtausch) in B 330/4230/1.
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Tabelle 3-2: „Verlust für den Bund“ bei Realisierung des deutschen Standpunktes a) Für die Erstausstattung mit Noten in Höhe von rd. 9 Mrd. FFR b) Für die Begleichung der Garantiezusagen in Höhe von 28 Mrd. FFR Zusammen:
rd. 112,5 Mio. DM rd. 350,0 Mio. DM rd. 462,5 Mio. DM
Tabelle 3-3: „Verlust für den Bund“ bei Realisierung des französischen Standpunktes a) Für den Notenumtausch in (der unterstellten) Höhe von 50 Mrd. FFR b) Für die Begleichung der Garantiezusagen in Höhe von 28 Mrd. FFR Zusammen:
rd. 625 Mio. DM rd. 350 Mio. DM rd. 975 Mio. DM
Anmerkung: lt. FÖGEN bei einem unterstellten Wechselkurs von rd. 1 DM = 80 FFR Quelle: Vermerk (FÖGEN) vom 07.06.1956 in B 330/4230/1
Dieser Illustration lag die Annahme zugrunde, die BdL habe einen Anspruch auf die einzuziehenden FFR-Noten, weil ihr sonst aus der Währungsumstellung ein Verlust entstehe. Tatsächlich bedeutete die DM-Einführung im Saarland aber keinen Verlust, so daß sich aus ihr auch kein Anspruch auf die einzuziehenden FFR-Noten ableiten ließ. Eine Notenbank, die ihr Währungsgebiet ausweiten und neue Regionen mit ihrem Geld versorgen darf, verschenkt keine Ressourcen. „Wenn sie das Geld verschenkt, das die neuen Regionen für ihre umlaufenden Transaktionen in Umlauf halten müssen, dann bestehen ihre einzigen echten Kosten in den Druckkosten des Papiers. Darüber hinaus gehende Kosten gäbe es nur dann, wenn mehr Geld verschenkt würde, als für den Umlauf gebraucht wird.“52 Der Verzicht auf die einzuziehenden FFR-Noten in geschätzter Höhe von 50 Mrd. FFR hätte also keineswegs einen Verlust im Gegenwert von seinerzeit rd. 625 Mio. DM verursacht. Ihre Verwendung auf französischer Seite, z. B. zur Finanzierung der Moselkanalisierung, hätte nur zu zusätzlichen inflationsbedingten Kosten in Frankreich geführt. Ihr Erhalt bei Realisierung des deutschen Standpunktes bedeutete einen unberechtigten Gewinn auf deutscher Seite in Höhe von rd. 162,5 Mio. DM. Das wirft die Frage auf, ob FÖGEN (und später die BdL) wegen dieses Gewinns, mangelnden besseren Wissens oder anderer Gründe auf dieser falschen Vorstellung beharrte(n). Eine mögliche Erklärung wären Sorgen in der BdL um eine zu hohe Liquidität im Saarland. FÖGEN bemerkte, daß der in DM umgerechnete Pro-Kopf-Notenumlauf im Saargebiet doppelt so hoch wie im Bundesgebiet sei. Er schlug daher in Anlehnung an die Währungsreform 1948 vor, Inhabern von FFR-Noten gegen deren Ablieferung nicht unmittelbar DM-Noten, sondern primär eine FFR-Bankgutschrift zu geben und diese Gutschrift anschließend in ein vom Inhaber dann abhebbares DM-Guthaben umzuwandeln. Dadurch wollte er nicht nur, „wenn es schon politisch unvermeidbar ist, den französischen Standpunkt zu akzeptieren, den Verlust des Bundes wesentlich“ vermindern, sondern auch den zu erwartenden Umfang der Notenausgabe von vornherein wesentlich reduzieren und so den doppelt so hohen Pro-Kopf-Notenumlauf im Saarland auf den Durchschnitt im Bundesgebiet zurückführen.53 52 Sinn / Sinn (1991), S. 58. 53 Vermerk vom 07.06.1956 (s. Fußnote 51, S. 92).
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Diese Sorgen erklären jedoch nicht die kuriose Argumentation. Intern hätte man im kleinen Kreis zweifellos richtig argumentieren können, ohne daß davon etwas nach außen gedrungen wäre. Mangelndes besseres Wissen scheint das BdLVerhalten eher zu erklären, zumal FÖGEN die DM-Einführung im Saarland zwar mit der Währungsreform 1948 in Verbindung brachte, hieraus aber nicht die richtigen Folgerungen zog. Er erwartete zwar den Einwand des BMF, daß es sich bei der Währungsumstellung im Saarland nur um die Ausdehnung des Geltungsbereichs der DM-Währung auf das Saargebiet handele und daß sich die BdL bei der DM-Einführung im Saargebiet dementsprechend genauso mit einer Ausgleichsforderung als Deckung für die aus diesem Anlaß von ihr bereitzustellenden Beträge begnügen müsse wie das Zentralbanksystem bei der Erstausstattung der Bevölkerung, der Wirtschaft und der öffentlichen Hand bei der DM-Einführung im bisherigen Bundesgebiet. Diesem vom BMF noch gar nicht erhobenen Einwand entgegnete er intern aber mit einer statischen Betrachtung, wonach dem Zentralbanksystem schätzungsweise nur weitere 120 bis 150 Mio. DM zugeteilt worden wären, wenn die Saar von vornherein zum DM-Währungsgebiet gehört hätte. Bei Durchsetzung des deutschen Standpunktes seien daher 350 bis 380 Mio. DM, bei Akzeptierung des französischen Standpunktes weitere rd. 500 Mio. DM zur Bezahlung des politischen Preises normalerweise aus Haushaltsmitteln aufzubringen.54 FÖGEN schlug damit ein Zugeständnis gegenüber dem von Etatsorgen geplagten BMF vor, das mit seiner Auffassung, daß es sich bei der währungsmäßigen Saareingliederung nur um einen Umtausch von FFR- in DM-Noten handele (siehe S. 90 f.), unvereinbar war und den Erfordernissen nicht gerecht wurde. Der BdLBeitrag war nämlich nicht auf 120 bis 150 Mio. DM zu begrenzen, weil Geld das „Instrument zur Vermittlung des Austausches von Bedarfsgütern und Leistungen“ ist,55 der infolge des Wirtschaftswachstums im Saargebiet seit 1948 erheblich zugenommen hatte. FÖGEN sah sich zu diesem Vorschlag wohl veranlaßt, weil die Notenbank in ein Dilemma geraten war. Im Einklang mit dem BMWi hatte sie sich dafür ausgesprochen, Frankreich die quasi stellvertretend für die sieben Monate später im übrigen Bundesgebiet durchgeführte Währungsreform unentgeltlich erbrachten Leistungen zu ersetzen. Sie hatte damit eine Parallele zwischen der FFR-Einführung 1947 und der Währungsreform 1948 gezogen, die vom BMF im Währungsausschuß verneint worden war (siehe S. 86). FÖGEN befürchtete, daß sich das BMF auf diesen Vergleich berufen würde, um die Zuteilung einer Ausgleichsforderung zu rechtfertigen. Die BdL, die diese Ausgleichsforderungen als einen damals mangels anderer Möglichkeiten notwendig gewordenen „irregulären Notbehelf“ erachtete und obendrein mutmaßte, daß die Bereitstellung von DMBeträgen gegen Ausgleichsforderungen ohne weiteres zur Regel gemacht und noch weiter ausgedehnt werden könnte,56 konnte sich nun entgegen ihrer früheren Argumentation schlecht darauf berufen, daß eine entsprechende Parallele doch 54 Vermerk vom 07.06.1956 (s. Fußnote 51, S. 92). 55 Fögen (1969), S. 43. 56 Vermerk vom 07.06.1956 (s. Fußnote 51, S. 92).
3.2 Die Modalitäten für die Einführung der neuen Währung
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nicht gegeben war. FÖGENs Vorschlag, ggf. eine Ausgleichsforderung in der Höhe des Betrages zu akzeptieren, der in etwa dem DM-Gegenwert der FFRNotenerstausstattung (9 Mrd. FFR) entsprach, versuchte, dieses Dilemma zu begrenzen. Ob HARTLIEB dem BMF ein solches Zugeständnis machte, wird aus den BMF-Unterlagen nicht klar: Die für den Bundeshaushalt zuständige Abteilung II notierte zu einer Besprechung, in der eigentlich eine Begründung für die Ablehnung des französischen Standpunktes erarbeitet werden sollte, daß die BdL die „volle Übernahme der Aufwendungen durch den Bund“ verlange, weil diese sich mit einer Deckung durch das in Notzeiten geschaffene, jetzt nicht mehr verwendbare Instrument der Ausgleichsforderungen nicht begnügen könne.57 Die Abteilung V vermerkte demgegenüber – mit einer an FÖGEN erinnernden Notiz –, daß eine Deckung durch Ausgleichsforderungen vor allem nicht „für Verbindlichkeiten, die etwa aus politischen Gründen geschaffen würden, wie dies bei Anerkennung der über die deutsche Bereitschaft hinausgehenden französischen Forderung der Fall wäre“, erfolgen könne. Sie ging – mit oder ohne Absicht – zunächst davon aus, daß die BdL eine Ausgleichsforderung in Höhe des DM-Gegenwerts von 37 Mrd. FFR akzeptieren würde. Die Abteilung V unterrichtete SCHÄFFER mit Schreiben vom 12. Juni 1956 über die weitreichenden Konsequenzen. Bisher sei man davon ausgegangen, daß die durch den Umtausch der FFR-Noten entstehende DM-Verbindlichkeit der BdL, soweit nicht durch die im Zuge des Umtausches erhaltenen FFR-Noten, durch dreiprozentige Ausgleichsforderungen gedeckt werden könnte. Bis zur Sitzung mit HARTLIEB hatte das BMF demnach mit einer jährlichen Haushaltsbelastung bei Durchsetzung des deutschen Standpunktes in Höhe von drei Prozent auf rd. 500 Mio. DM, d. h. mit rd. 15 Mio. DM, und bei Akzeptierung des französischen Standpunktes mit etwa dem doppelten Betrag gerechnet. Nach der Sitzung mit HARTLIEB wurde SCHÄFFER eine Stellungnahme der BdL angekündigt und vorsichtshalber schon einmal darauf hingewiesen, daß ein Eingehen auf die französische Forderung den Bund nicht nur mit den Zinsen auf rd. 500 Mio. DM, sondern mit dem vollen Betrag belasten würde, wenn man dem Notenbankwunsch folge, den über die unentgeltlichen französischen Aufwendungen in Höhe von rd. 37 Mrd. FFR hinausgehenden Betrag erstattet zu bekommen. Hierfür würde die Ausgabe kurzfristiger Schuldverschreibungen oder die Aufnahme eines kurzfristig abzudeckenden Notenbankkredits in gleicher Höhe erforderlich werden, die sich noch erhöhen könne, sofern der tatsächliche Notenumlauf über den zur Zeit geschätzten hinausgehe.58 Bei der BdL stellte sich die Situation anders dar. Als der ZBR in seiner 221. Sitzung am 13. Juni 1956 den Deckungsanspruch der Notenbank zwecks Stel57 Vermerk (i. V. VON BOEHMER) vom 16.06.1956 betr. Einführung der DM-Währung im Saargebiet – Besprechung […] am 16.06.1956 – in B 126/7367. 58 Ministervorlage (SCHLICHTING) vom 12.06.1956 betr. Eingliederung des Saargebietes in das Bundesgebiet – Umtausch der umlaufenden Frankennoten in DM –; hier: Deckungsanspruch der BdL, in B 126/7368.
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lungnahme diskutierte, berichtete HARTLIEB, es sei „ganz klar gestellt worden, daß […] die Bank deutscher Länder sich niemals bereit erklären könnte, daß die Deckung in Form von Ausgleichsforderungen zur Verfügung gestellt“ werde. Konsens schien dabei über seine Ausführungen zu herrschen, daß der ZBR anläßlich der Währungsreform 1948 keine Ausgleichsforderungen, sondern nur bankfähige Titel wie unverzinsliche Schatzanweisungen zugelassen hätte, wenn er damals „schon einen Finanzminister gehabt [hätte] wie heute“,59 und daß er es für falsch hielte, „heute noch einmal mit Ausgleichsforderungen in die Währungsreform zu gehen.“ Seine weitere Anmerkung, er würde es „als einen ausgesprochenen Schönheitsfehler finden, jetzt noch einmal mit Ausgleichsforderungen“ zu kommen, blieb jedoch nicht unwidersprochen. OTTO BURKHARDT, Präsident der LZB von Schleswig-Holstein, entgegnete, daß es sich bei der Währungsumstellung um einen rein banktechnischen Vorgang handele, und präzisierte FÖGENs Vorschlag. In der Währungsumstellung im Saarland sei zu einem gewissen Teil ein Nachziehen der Währungsreform 1948 zu sehen. Der Bundesminister der Finanzen könne die Kreditinstitute natürlich insoweit zur Aufnahme von Ausgleichsforderungen in ihren Bilanzen verpflichten, als sie diese bei der seinerzeitigen Umstellung bekommen hätten. Gegen sein Verlangen, dementsprechend auch für die Erstausstattung des Saargebietes Ausgleichsforderungen an die BdL zu geben, sei daher schwer ein triftiges Argument zu finden. Nur über den Rest könne man nicht diskutieren. Er müsse irgendwie als greifbarer Posten in die Notenbankbilanz hineinkommen, und das sei bares Geld. Diese Präzisierung bedeutete, eine Ausgleichsforderung für die Notenerstausstattung zu akzeptieren, für den darüber hinausgehenden Umtausch der FFR-Noten aber abzulehnen, und die Erstattung der Garantiezusagen (wie 1948) auf die Kreditinstitute abzuwälzen. Sie war statisch und vernachlässigte wie FÖGEN, daß die umlaufenden Aktiva im Saarland seit 1948 zugenommen hatten und daß infolgedessen auch eine höhere Geldmenge von der Notenbank bereitzustellen war. Im ZBR wollte man der Bundesregierung aber nicht so weit nachgeben. HARTLIEB empfahl, dem Bundesminister der Finanzen ein Entgegenkommen im Sinne von BURKHARDT noch nicht zu versprechen. Selbst BURKHARDT plädierte dafür, Ausgleichsforderungen abzulehnen. Diese kompromißlose Haltung war nachvollziehbar, weil man im ZBR die Gefahr sah, die BdL könnte durch das Gesetz über die Angliederung des Saargebietes verpflichtet werden, Ausgleichsforderungen zu akzeptieren. VOCKE wollte darum kämpfen, daß dieses Gesetz den Wünschen des ZBR entspricht. Er formulierte: „Ob wir Erfolg haben, wissen wir nicht. Immerhin kann man eines sagen: Gesetze, die eine Wegnahme von Vermögen bedeuten, sind eigentlich nach der Verfassung ohne Entschädigung nicht möglich.“
59 Tatsächlich hatten allerdings die Besatzungsmächte 1948, als es noch keinen Bundesminister der Finanzen gab, die Modalitäten der Währungsreform oktroyiert (s. S. 78 ff.).
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Im ZBR befürchtete man außerdem, daß durch die kleine Währungsumstellung im Saargebiet ein Präjudiz für die große Währungsumstellung auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone geschaffen werden könnte. VOCKE sah – wie bereits FÖGEN – daher „kein Problem einer Währungsreform, sondern das Problem eines regelrechten Umtausches“. Er artikulierte: „Da der Bund das Geschäft mit dem Saargebiet auf seinen Etat nehmen muß, gehört auch diese Sache dazu […]. Wir geben nicht das Geld dazu her. Kein Mensch kann die BdL verpflichten, Geld herzugeben; das gibt es nicht. Kaufen kann der Bund.“
Auch KARL BERNARD, Präsident des ZBR, meinte, man müsse sich „gegen alle Dinge“ wehren, „die die Regierung speziell zu Lasten der Bank deutscher Länder“ mache.60 Alle diese Ausführungen zeigen, daß der ZBR acht Jahre nach der Währungsreform 1948, bei der die manipulierte Papierwährung eingeführt worden war, mehrheitlich wohl noch dem alten Denken nach den Regeln der Goldwährung verhaftet war. Papiergeld stellt mit Ausnahme seines geringen Materialwerts per se kein Vermögen dar. Die zusätzliche Ausgabe von DM-Noten bedeutete daher – wie dargelegt – nicht eine „Wegnahme von Vermögen“. Ihr mußten in dem in Umlauf gebrachten Umfang lediglich Aktiva gegenüberstehen. Das konnten Gold, Kredite, Wertpapiere und / oder sonstige Aktiva sein.61 Das konnten also auch Ausgleichsforderungen sein, die allerdings einigen ZBR-Mitgliedern im Hinblick auf deren notenbankpolitische Verwendung quasi „wertlos“ erschienen. Nachdem die französische Seite am 29. Juni 1956 mit Bezugnahme auf die Luxemburger Direktive den Notenumlauf auf 65 Mrd. FFR beziffert hatte, wandte sich die Notenbank mit Stellungnahme vom 30. Juni 1956 erneut an das BMF. VOCKE und HARTLIEB erklärten, die BdL könne dem bereits angedeuteten Vorschlag, ihr für die bei der DM-Einführung im Saargebiet im Wege der Geldschöpfung auszugebenden DM-Beträge eine Deckung in Form einer Ausgleichsforderung zuzuteilen, keinesfalls zustimmen, weil die Situation bei der DM-Einführung im Saargebiet nicht mit der Lage bei der DM-Einführung im bisherigen Bundesgebiet bei gleichzeitiger vollständiger Abschaffung der RM-Währung im Wege der Geldreform vergleichbar sei. Es gehe im Saargebiet nicht um „eine Erstausstattung der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Verwaltung […], sondern über die Umwandlung der bei Saarbanken bestehenden FFR-Guthaben hinaus lediglich darum, das in Gestalt von FFR-Noten vorhandene Bargeld in DM-Noten umzuwechseln und daneben gewisse Zahlungen an Frankreich zu leisten.“ Von einer Notlage des Staates könne heute überhaupt keine Rede mehr sein. Würde dennoch „eine Ausgleichsforderung zudiktiert, so würde darin kein wirklicher für die Währungspolitik der Notenbank einsatzfähiger Wert liegen.“ Die „Bewirkung irgendwelcher Zahlungen an Frankreich [sei] nicht Sache der Notenbank, sondern Sache des Bundes und damit eine Haushaltsausgabe“, die nicht von der BdL durch Bereitstellung des erforderlichen Betrages gegen Gewährung einer Ausgleichsforde60 Auszug aus dem Stenogramm („Saargebiet“) zur 221. Sitzung des ZBR/BdL am 13.06.1956 in B 330/94/3. 61 Borchert (2003), S. 23.
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rung finanziert werden könne. Der Staat habe die aus der vorgesehenen, rein politisch bedingten Vernichtung von FFR-Noten resultierenden Lasten entweder durch Rückgriff auf vorhandene Guthaben oder durch Inanspruchnahme normaler Kreditmittel zu tragen. Diese Argumentation war nicht schlüssig. Daß die BdL den Vergleich zur Währungsreform 1948 nun zurückwies, überzeugte nicht, nachdem sie ihn im Widerspruch zum BMF im Währungsausschuß selbst angestellt hatte (siehe S. 84). Das Hervorheben der Abschaffung der RM-Währung 1948 deutete geradezu darauf hin, daß der auf das Saargebiet entfallende Anteil der FFR-Noten dem Geldkreislauf zu entziehen, seine Vernichtung also keineswegs „politisch bedingt“, sondern vielmehr geldpolitisch geboten war. Letzten Endes handelte es sich eben doch um eine DM-Erstausstattung des Saarlandes. Aus der im Vergleich zu 1948 veränderten Situation im Saargebiet war höchstens ein anders zu gestaltendes Aktivum zur bilanziellen Deckung bei der Notenbank, nicht aber die Finanzierung aus Haushaltsmitteln des Bundes zu rechtfertigen. Außerdem agierten VOCKE und HARTLIEB ungeschickt. Sie eröffneten mit der Formulierung, daß man keinen Anlaß und keine stichhaltige Begründung sehe, eine über 37 Mrd. FFR hinausgehende Last zu übernehmen,62 dem BMF einen gewissen Interpretationsspielraum. Die Abteilung V des BMF konnte so auf Weisung VON SPINDLERs – nicht unbegründet – notieren, das BdL-Schreiben sei unklar, da nicht ersichtlich werde, ob Ausgleichsforderungen nur für den über 37 Mrd. FFR hinausgehenden Betrag oder auch für die 37 Mrd. FFR abgelehnt würden.63 Sie wußte sicherlich dank der internen Kommunikation mit der Abteilung II, daß in Wahrheit letzteres zutraf,64 konnte so jedoch mit der Behauptung, die BdL habe lediglich die Dekkung des über 37 Mrd. FFR hinausgehenden Betrags in Höhe von rd. 56 Mrd. FFR (rd. 670 Mio. DM) durch Ausgleichsforderungen abgelehnt, darauf beharren, daß die Frankreich nach dem deutschen Standpunkt zu erstattenden 37 Mrd. FFR zur Nachholung der Währungsreform mit Ausgleichsforderungen der Notenbank zu decken seien.
3.2.3 Die Frage des Umstellungskurses Die französische Forderung im „Entwurf gemeinsamer Richtlinien in bezug auf Finanzprobleme“, die Währung nach Ablauf einer Übergangszeit zum amtlichen Kurs „sans blocage“ umzustellen (siehe S. 83), behandelten die deutschen Stellen nicht sofort nach dessen Übermittlung,65 weil sie den Kurs eigentlich erst am En62 Schreiben (BdL (VOCKE / HARTLIEB) an BMF (SCHÄFFER) / BMWi) vom 30.06.1956 betr. Einführung der DM-Währung im Saargebiet in B 102/11439 und B 330/4137. 63 Dergleichen mit handschriftlicher Weisung (samt Aktenzeichen) in B 126/7365. 64 Vermerk (SCHROEDER-HOHENWARTH) vom 30.06.1956 betr. Saarverhandlungen, Notenumtausch; hier: Sachverständigenbesprechung am 29.06.1956, und Schreiben (UAL V A (FECHNER) über VON SPINDLER an OEFTERING) vom 02.07.1956 betr. Saarverhandlungen; hier: Notenumtausch, jeweils in B 126/7368. 65 Schreiben (FÖGEN an PFLEIDERER) vom 16.08.1956 in B 330/4233.
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de dieser Übergangszeit festlegen wollten. Dieses Vorgehen schien ihnen wegen der allgemeinen, „besonders nachdrücklich“ von ERHARD vertretenen Auffassung angebracht, daß die Verzerrung der Wechselkurse auf einer Währungskonferenz behandelt und behoben werden sollte.66 Nachdem jedoch die BdL am Ende ihres Schreibens vom 5. Juni 1956 an das AA zur Frage des Notenumtausches (siehe S. 89) auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, insbesondere auch die Frage des Umtauschkurses in besonderen Besprechungen zu behandeln,67 wandte sich zwei Tage später das AA an die übrigen Mitglieder des Währungsausschusses. Vor dem Hintergrund einer um etwa 16 Prozent gegenüber dem amtlichen Kurs zurückgebliebenen Kaufkraft des FFR verwies es auf das Problem, daß sich bei Zugrundelegung des offiziellen Wechselkurses am Tage Y zwischen dem Saarland und dem übrigen Bundesgebiet eine fühlbare Disparität des Niveaus der Preise, Löhne und Sozialleistungen ergeben würde. Mangels anderer wirtschaftlich geeigneter und politisch tragbarer Lösungen dieses Problems liege es nahe, einen vom offiziellen Kurs abweichenden Umrechnungskurs festzusetzen. Andererseits bringe die Anwendung zweier voneinander abweichender Kurse erhebliche Komplikationen mit sich.68 Nach einer ersten Ressortbesprechung zur Kursfrage am 11. Juni 1956 schlug das AA vor: „1.) Die Umrechnung der Löhne, Gehälter, Mieten und aller sonstigen zwischen Saarländern bestehenden Schuldverhältnisse erfolgt zu einem von der Bundesregierung autonom festzusetzendem Kurs, der von der am Tage Y gegebenen Kaufkraftparität ausgeht. 2.) Ausgenommen hiervon ist der Umtausch der am Tage Y an der Saar umlaufenden französischen Zahlungsmittel. Diese werden bei saarländischen Kreditinstituten eingezahlt und den Einzahlern zu dem am Tage Y bestehenden offiziellen Wechselkurs in DM gutgeschrieben. 3.) Von diesen Guthaben wird nach erfolgter Umrechnung die Differenz zwischen dem offiziellen und dem zu 1.) erwähnten Kurs in einer noch zu erörternden Weise abgeschöpft. 4.) Diese Beträge werden verwandt, um diejenigen Verluste auszugleichen, die saarländischen Schuldnern durch die Divergenz zwischen äußerem und innerem Kurs entstehen.“69 66 Ministervorlage vom 30.06.1956 (s. Fußnote 77, S. 103). ERHARD hatte ein „Re-alignment“ der Wechselkurse vorgeschlagen. Emminger (1976), S. 496. 67 Schreiben vom 05.06.1956 (s. Fußnote 42, S. 90). 68 Schreiben (AA (LAHR) an BMA / BMF (VON SPINDLER) / BMWi (MÜLLER-ARMACK) und BdL (TÜNGELER)) vom 07.06.1956 betr. Umrechnungskurs bei der wirtschaftlichen Eingliederung der Saar in B 102/11439. 69 Schreiben (AA (LAHR) an u. a. BdL (FÖGEN)) vom 13.06.1956 betr. Saarfrage; Umrechnungskurs, in B 126/7367. Der AA-Vorschlag stellte eine Diskussionsgrundlage dar (Vermerk vom 23.06.1956 (s. Fußnote 73, S. 101)), die FÖGEN später wie folgt zusammenfaßte: „Umtausch der Noten und Umwandlung der Guthaben zum amtlichen FFR/DM-Kurs bei Einführung der DM-Währung im Saarland, verbunden mit dem Vorbehalt und der Ankündigung einer ‚Währungsgewinnabschöpfung’ (in Höhe des ‚Kaufkraftgewinns’), dagegen Umstellung der sonstigen Forderungen, vor allem der Forderungen aus Darlehen, im Verhältnis der ‚Kaufkraft’ des FFR und der DM.“ (Persönliche) Stellungnahme vom 10.08.1956 (s. Fußno-
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
FÖGEN kritisierte in einer Besprechung am 18. Juni 1956, eine diesem Vorschlag entsprechende Regelung würde einen Anreiz darstellen, FFR-Guthaben abzuheben, Auszahlung in Noten zu verlangen und diese im Bundesgebiet, wo man keiner Ausgleichsabgabe unterliegen würde, in DM umzutauschen. Diese Kritik war nachvollziehbar, weil die BdL im Kampf gegen die bestehende Überliquidität jede über das notwendige Maß hinausgehende Bereitstellung von Zentralbankgeld, vor allem von DM-Noten, vermeiden mußte. Da der AA-Vorschlag nicht der französischen Forderung nach Währungsumstellung zum amtlichen Kurs ohne Sperrung entgegenkam, beanstandete FÖGEN ferner, daß man bei den bisherigen Erörterungen der Kursfrage die Dinge allzu sehr vereinfache. Mutmaßlich werde man damit weder bei der französischen Regierung noch bei der innerdeutschen Regelung durchkommen. In der BdL verwies er später auf Presseberichte, denen zufolge die saarländische Seite ihre Unterzeichnung des deutsch-französischen Saarabkommens von festen Zusagen der Bundesregierung abhängig gemacht habe, „dem Saargebiet einen Ausgleich für die ‚Benachteiligung’ von Saarländern auf den verschiedensten Gebieten zu gewähren.“ Nach seinem Eindruck habe die Sitzung am 18. Juni in erster Linie dazu gedient, dem BMF darzulegen, daß sich aus der DM-Einführung im Saargebiet keine Ausgleichslasten für den Bund ohne eine gleichzeitige besondere Einnahmequelle (Ausgleichsabgabe der Inhaber von FFR-Noten) ergeben würden. FÖGENs Einschätzung, daß das BMF davon, wie er meinte „mit Recht“, in keiner Weise zu überzeugen war,70 traf zu: Die Vertreter der Abteilung II zweifelten an der Vereinbarkeit der vom AA für den Fall einer bis zum Tage Y fortbestehenden Disparität zwischen dem amtlichen Kurs und der Kaufkraftparität vorgeschlagenen Abschöpfung mit Art. 14 GG. Ihnen (und den BMWi-Vertretern) war das Ausmaß an Ausgleichszahlungen außerdem äußerst unklar. BLIND rechnete zwar vor, daß die aus dem geschätzten Notenumlauf im Saarland in Höhe von rd. 60 Mrd. FFR erzielbare Gewinnabschöpfung in Höhe von ca. 120 Mio. DM ausreichen würde, um die Ausgleichszahlungen an saarländische Schuldner für Verbindlichkeiten gegenüber französischen Gläubigern zu leisten. Diese Rechnung konnte jedoch nicht aufgestellt werden, weil Frankreich die kostenlose Aushändigung der im Saargebiet umlaufenden FFR-Noten beanspruchte. BLIND selbst setzte sich zudem für Ausgleichszahlungen an saarländische Schuldner mit Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern in Deutschland und in anderen Ländern, insbesondere in Holland, ein. Für die BMF-Vertreter waren die Probleme „zahlreich, noch nicht ausreichend geprüft und mit Frankreich noch nicht ausreichend erörtert“ gewesen. Daran änderte die Besprechung am 18. Juni nichts, zumal FÖGEN einen von den Bundesressorts erwarteten Notenbankvorschlag zur Kursfrage71 nicht vorlegte.72 Man te 95, S. 109). – Die Begriffe „Umtausch“, „Umwandlung“ und „Umstellung“ werden im folgenden synonym verwendet. 70 Vermerk vom 19.06.1956 (s. Fußnote 72). 71 Vermerk vom 16.06.1956 (s. Fußnote 57, S. 95). 72 Vermerk (FÖGEN an BLESSING / HARTLIEB / TROEGER / TÜNGELER / WOLF) vom 19.06.1956 betr. Einführung der DM-Währung im Saargebiet in B 330/4230/1. – FÖGEN glaubte, in der
3.2 Die Modalitäten für die Einführung der neuen Währung
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wollte weiterhin eine Verschiebung der Kursfestlegung erreichen. Im Hinblick darauf, daß diese in den Verhandlungen kaum durchsetzbar sein würde, beschloß man jedoch, Frankreich über den AA-Vertreter lediglich die Umwandlung der Forderungen französischer Gläubiger und den Umtausch der im Saargebiet umlaufenden Noten zum amtlichen Kurs zuzusagen, im übrigen aber darauf zu bestehen, bei der Regelung der finanziellen Verhältnisse im Saargebiet bei der DMEinführung völlig freie Hand zwecks Anpassung an die dann gegebenen Verhältnisse zu behalten.73 Der Notenbankvorschlag ließ nicht lange auf sich warten; VOCKE und HARTLIEB äußerten sich für die BdL tags darauf mit Schreiben vom 19. Juni 1956. Sie sahen wegen der unvorhersehbaren Entwicklung der Disparität zwischen dem amtlichen Kurs und der Kaufkraft des FFR die Gefahr einer ungünstigen Beeinflussung der Investitionstätigkeit und Lagerhaltung im Saargebiet sowie die Gefahr negativer Anreize zu Kapitalverschiebungen größeren Ausmaßes. Sie wollten daher im Grunde ebenfalls eine Vorwegfestlegung des Kurses vermeiden. Weil ihnen aber ein diesbezüglicher französischer Verzicht unerreichbar erschien, gaben sie eine Empfehlung für die Behandlung der Zahlungsverpflichtungen, „die wie Löhne, Gehälter, Renten, Mieten, Pachten, Beiträge, Gebühren usw. als wiederkehrende, nach Zeitabschnitten bemessene Zahlungen erst für einen Zeitabschnitt nach der Einführung der DM-Währung im Saargebiet geschuldet werden oder aus anderen Gründen erst nach der Einführung der DM-Währung im Saargebiet entstehen.“
Für diese wiederkehrenden Leistungen empfahlen sie, um „schwerste Störungen“ durch ein Kostengefälle zwischen dem Saarland und dem Bundesgebiet zu vermeiden, eine „Anpassung an das Niveau im übrigen Bundesgebiet“, für die sie zwei Möglichkeiten sahen: Man könnte alle Schuldverhältnisse einschließlich der FFR-Noten und FFR-Guthaben sowie der wiederkehrenden Leistungen zum gleichen (amtlichen) Kurs umstellen und die notwendige Anpassung durch innerdeutsche Rechtsvorschriften sicherstellen oder, „wenn dies innenpolitisch nicht erreichbar“ sei, für die wiederkehrenden Leistungen ein besonderes Umrechnungsverhältnis festlegen. Sollte die Festlegung des Kursverhältnisses im ganzen bis unmittelbar vor der DM-Einführung im Saarland nicht aufzuschieben sein, müßte sich deshalb die vertragliche Vorwegfestlegung dieses Verhältnisses wenigstens auf die FFR-Noten und die FFR-Guthaben bei saarländischen Banken beschränken. Notfalls könnte diese auch auf sonstige FFR-Kapitalverbindlichkeiten saarländischer Schuldner, insbesondere aus Darlehen und Versicherungsverhältnissen, ausgedehnt werden. Der Umtausch von FFR-Noten und die Umwandlung von FFR-Guthaben bei saarländischen Banken, für die schon wegen des jederzeit möglichen Umtausches von Noten in Giralgeld und umgekehrt ein einheitliches Verhältnis unerläßlich sei, könnten ebenso wie ggf. die Umstellung der FFR-
Besprechung sollte ein Memorandum zur Frage des Notenumtausches vorbereitet werden. Ebd. 73 Vermerk (i. V. VON BOEHMER) vom 23.06.1956 betr. Einführung der DM-Währung im Saargebiet – Ressortbesprechung beim BMWi am 18.06.1956 – in B 126/7367.
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Kapitalverbindlichkeiten zum Tageskurs oder zur offiziellen Parität durchgeführt werden.74 Das Eintreten der BdL für den amtlichen Kurs war von der Absicht bestimmt, einem unerwünschten Einfließen von FFR-Noten möglichst zu begegnen. Diese Furcht war größer als das liquiditätspolitische Bedenken, daß nach dem AAVorschlag ca. 600 Mio. DM, nach dem BdL-Vorschlag jedoch rd. 720 Mio. DM bereitzustellen waren, deren Deckung noch offen war und auf die Notenbank zukommen konnte. Das Eintreten für den amtlichen Kurs entsprach außerdem der überwiegenden öffentlichen Meinung. Der Volkswirt hatte jedenfalls kurz zuvor geschrieben: „Den Privatmann an der Saar beschäftigt vor allem der Umstellungskurs. Kaum wird etwas anderes in Frage kommen, als der amtliche Kurs am Tag des Umtauschs. Den natürlich weiß man nicht.“75
Die Formulierung VOCKEs und HARTLIEBs im BdL-Schreiben zeigt ferner, daß sie der Anpassung der wiederkehrenden Leistungen durch innerdeutsche Rechtsvorschriften geringe Chancen einräumten. Die Anpassung mit Hilfe eines besonderen Umrechnungsverhältnisses erschien ihnen aussichtsreicher, obwohl ihnen klar war, daß sich bei fortbestehender oder sogar noch zunehmender Disparität aus der Überbewertung des FFR „für gewisse Schuldner eine schwerwiegende Last ergeben“ könnte. Zu deren Ausgleich empfahlen sie, besondere Vergünstigungen auf anderen (z. B. steuerlichen) Gebieten zu gewähren.76 In der Sitzung der deutsch-französischen Finanz- und Währungskommission am 29. Juni 1956 stieß der deutsche Wunsch nach Verschiebung der Kursfestlegung erwartungsgemäß auf Ablehnung. Die französische Delegation verwies auf die sich im Saarland hinsichtlich der Kursfrage ausbreitende Unruhe und verlangte nunmehr „mit Entschiedenheit“, ihr die Umstellung aller Noten, Bankguthaben und sonstigen Schuldverhältnisse zu dem am Tag der wirtschaftlichen Rückgliederung geltenden amtlichen Kurs „sans blocage“ zuzusichern. Die Vertreter der Abteilung V des BMF schilderten tags darauf ihrem Minister, sie hätten den Eindruck gewonnen, daß die Franzosen die Verhandlungen endgültig scheitern lassen würden, wenn man auf der Behandlung der Kursfrage erst kurz vor dem Eingliederungstermin beharre. Der Vorschlag des AA sei aus deutscher Sicht und aus fiskalischen Gründen zwar wünschenswert, im Hinblick auf die französische Forderung, alle Schuldverhältnisse zum amtlichen Kurs ohne 74 Schreiben vom 19.06.1956 (s. Fußnote 76). 75 Der Volkswirt vom 16.06.1956, S. 10 („Währungsumstellung an der Saar“). 76 Schreiben (BdL (VOCKE / HARTLIEB) an AA / BMF / BMJ / BMWi) vom 19.06.1956 betr. Einführung der DM-Währung im Saargebiet (Umtausch- und Umwertungskurs) in B 330/4230/1 und B 126/7367. FÖGENs Zusammenfassung des Notenbankvorschlags lautete später: „Umtausch der Noten, Umwandlung der Guthaben und Umstellung der sonstigen Forderungen einheitlich zum amtlichen FFR/DM-Kurs im Zeitpunkte der Einführung der DMWährung im Saarland, verbunden mit einer Revisionsklausel für den Fall, daß sich die zur Zeit bestehenden Verhältnisse in [b]ezug auf das Kurs- oder Kaufkraftverhältnis von FFR und DM während der Übergangszeit wesentlich ändern sollten.“ (Persönliche) Stellungnahme vom 10.08.1956 (s. Fußnote 95, S. 109).
3.3 Der Kabinettsbeschluß vom 11. Juli 1956: Vorrang für den Notenumtausch
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Abschöpfung umzustellen, aber kaum zu verwirklichen. Für die Vertreter der Abteilung V waren nach knapp dreiwöchiger Erörterung die ganzen Fragen „noch so ungeklärt“ und die Auswirkungen „so wenig [zu] übersehen“, daß ihnen eine endgültige Stellungnahme zur Kursfrage kaum möglich erschien. Für sie stand fest, daß bei einem Verzicht auf eine Gewinnabschöpfung Unterstützungszahlungen in noch nicht absehbarer Höhe geleistet werden müßten,77 die daraus möglicherweise resultierende Haushaltsbelastung hatte sich aber noch nicht so konkretisiert wie bei der Frage des Notenumtausches. Für eine aus politischen Gründen kurzfristig notwendig gewordene Entscheidung in der nächsten Kabinettssitzung empfahlen sie daher der Abteilung II – nicht ohne Zeitnot –, den BdL-Vorschlag als Verhandlungsbasis zu nehmen.78 Diese Empfehlung schlug sich in der Kabinettsvorlage nieder. 3.3 Der Kabinettsbeschluß vom 11. Juli 1956: Vorrang für den Notenumtausch SCHÄFFER unterbreitete mit seiner Kabinettsvorlage vom 6. Juli 1956 dem Bundeskabinett die „Richtlinien“ und markierte die „Grenzen der Zugeständnisse der deutschen Delegation“ für die auf den 17. Juli anberaumte Besprechung zwischen HALLSTEIN und FAURE.79 Seine Auffassung, um deren Billigung er das Bundeskabinett in der 143. Sitzung am 11. Juli 1956 bat, legte er zu drei Punkten dar, nämlich zu den Forderungen des französischen Schatzamtes (A), zum Notenumtausch (B) und zu dem bei der Umstellung anzuwendenden Kurs (C). Der Notenumtausch war für SCHÄFFER zu dieser Zeit am wichtigsten. Er führte aus: „Jedes über 37 Mrd. FFR hinausgehende deutsche Zugeständnis würde den Bundeshaushalt in voller Höhe unmittelbar belasten, da die Bank deutscher Länder die Entgegennahme von Ausgleichsforderungen zwecks Geldschöpfung für die Erfüllung politischer Forderungen ablehnt.“
Das AA und die übrigen beteiligten Ressorts meinten auf Anraten der in Paris weilenden deutschen Delegation, bei den Forderungen des französischen Schatzamtes (A) durch die Übernahme zweier Anleihen im Gesamtwert von 13 Mrd. FFR (siehe Tabelle 3-1, S. 88) den deutschen Standpunkt in der „ungleich wichtigeren Frage B“ eher durchsetzen zu können.80 Weil dieses Entgegenkommen aber den Etat belastet hätte, lehnte es SCHÄFFER ab.
77 Vermerk vom 23.06.1956 (s. Fußnote 73, S. 101). Ministervorlage (STAHLBERG) vom 30.06.1956 betr. […] Einführung der DM-Währung im Saargebiet (Umtausch- und Umwertungskurs) in B 126/7367. 78 Schreiben (UA V A über VON SPINDLER an OEFTERING) vom 02.07.1956 betr. Saarverhandlungen; hier: Umstellung der Währung, in B 126/7367. 79 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 482 f., Fußnote 68. 80 Fernschreiben (LAHR / HOPPE an AA / BMA / BMF / BMJ / BMWi / BdL) vom 09.07.1956 betr. Saar und Ministervorlage (SCHROEDER-HOHENWARTH) vom 10.07.1956 betr. Punkt 14 der Tagesordnung der Kabinettssitzung am 11.07.1956 – Saarverhandlungen – jeweils in B 126/7367.
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
Um ein französisches Entgegenkommen beim Notenumtausch (B) zu erreichen, sah SCHÄFFER mögliche Zugeständnisse beim Umstellungskurs (C) und definierte hierzu drei abgestufte Verhandlungsziele. Eine Verschiebung der Kursfestlegung bis kurz vor der DM-Einführung im Saargebiet sei wirtschaftlich am zweckmäßigsten, in den Verhandlungen aber nicht durchsetzbar. Mit Rücksicht auf das französische Prestige könnte man eine Umstellung des Geldes (Noten und Buchgeld) zum amtlichen Kurs zusagen, sich aber für die Umstellung der sonstigen Forderungen freie Hand behalten und sich gleichzeitig – entgegen dem französischen Wunsch – Abschöpfungen ausbedingen. Dieses „Zugeständnis“ entsprach dem bereits zweimal abgelehnten AA-Vorschlag und hatte deswegen eigentlich keine Erfolgsaussichten.81 SCHÄFFER räumte deshalb als „letztes deutsches Zugeständnis“ ein, daß nicht nur eine Umstellung von Noten und Guthaben, sondern auch all jener Forderungen ohne Abschöpfungen zum amtlichen Kurs anerkannt werden könnte, die auf eine einmalige Leistung gerichtet sind oder für die Zeit bis zur DM-Einführung geschuldet werden. Dieses Zugeständnis kam der Anerkennung des französischen Standpunktes gleich. Es entsprach dem Vorschlag der BdL und war mit den von ihr angedeuteten Problemen (siehe S. 102) behaftet. SCHÄFFER erläuterte, daß Schwierigkeiten bei den Schuldnern entsprechend ihren bei und nach der Rückgliederung gegebenen Verhältnissen eintreten könnten. Ob und ggf. welche Ausgleichsmaßnahmen etwa erforderlich sein würden, lasse sich erst nach der Rückgliederung beurteilen und entscheiden. Keinesfalls könne für alle oder schon jetzt abgrenzbare Fälle die Notwendigkeit allgemeiner finanzieller Zuwendungen anerkannt werden. Weder der französischen Regierung noch der saarländischen Öffentlichkeit könnten außerdem zur Zeit Zusagen über etwaige Ausgleichsmaßnahmen gemacht werden. SCHÄFFER wollte ferner für den Fall einer zunehmenden Disparität zwischen FFR-Kurs und FFR-Kaufkraft eine Konsultativklausel zur Aufhebung der Umstellung zum amtlichen Kurs vereinbaren, um „die für diesen Fall zu erwartenden unerträglichen Spannungen zwischen Gläubigern und Schuldnern und untragbare Belastungen der saarländischen Wirtschaft und des Bundeshaushalts“ zu vermeiden. – Seine Erläuterungen waren also vor allem auch das Ergebnis von Etatsorgen. SCHÄFFER hielt es für unabdingbar, keine Zusage über die Umstellung von vor der DM-Einführung entstandenen wiederkehrenden Forderungen wie insbesondere Löhne, Gehälter und Pensionen zu machen und sich volle Handlungsfreiheit für deren Regelung nach der Saarrückgliederung zu erhalten. Ein Zugeständnis auf diesem Gebiet hätte zur Folge, daß die wiederkehrenden Leistungen im Saargebiet wesentlich über denjenigen im Bundesgebiet liegen würden und somit die wirtschaftliche Eingliederung in unvorstellbarem Maße erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht werde. Seine Auffassung, daß nach einer Umstellung der Löhne und Gehälter zum amtlichen Kurs eine tarifliche Senkung nicht mehr durchsetzbar sei, entsprach der des Bundesministers für Arbeit. SCHÄFFER befürchtete, daß bereits „die Umstellung von Geld und sonstigen Forderungen zum 81 Fernschreiben vom 09.07.1956 (s. Fußnote 80, S. 103).
3.4 Der Konflikt um den Umstellungskurs
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amtlichen Kurs ohne Abschöpfung die unbedingt notwendige Anpassung der wiederkehrenden Leistungen an das Preis- und Lohnniveau des übrigen Bundesgebiets innenpolitisch erheblich erschweren“ dürfte. Dieser Gefahr setzte er sich aber aus, um ein zu einer „ungerechtfertigten und untragbaren haushaltsmäßigen Belastung“ führendes Zugeständnis beim Notenumtausch zu vermeiden.82 SCHÄFFERs Vorgehen machte Sinn, solange er eine aus Ausgleichszahlungen resultierende Haushaltsbelastung realiter nicht erwarten mußte. Das war (noch) der Fall. Das Bundeskabinett beschloß die Vorlage83 und begrenzte die deutsche Zahlungsbereitschaft auf 37 Mrd. FFR. Die BdL schien danach im Rahmen der „intern-deutschen Klärung“ zumindest ein von ihr befürchtetes über 37 Mrd. FFR hinausgehendes Entgegenkommen erfolgreich verhindert zu haben. Daß dieses Entgegenkommen mit einem Zugeständnis erkauft werden sollte, brauchte sie nicht weiter zu beschäftigen, weil es ihrem Vorschlag zur Kursfrage entsprach. Der Notenbank kam zugute, daß der Umfang der im Saargebiet umlaufenden FFR-Noten unbestimmt und nach französischen Schätzungen kurz vor der Kabinettssitzung auf 740 Mio. DM beziffert wurde.84 Die Bundesressorts hielten deshalb die Frage des Notenumtausches einmütig (noch) für wichtiger als die Frage des Kurses. Nach dem Kabinettsbeschluß wollte man Frankreich, falls es den deutschen Vorschlag in der Frage der Notenrückgabe akzeptieren würde, dafür bei den weiteren Verhandlungen in der Kursfrage entgegenkommen.85 Diese Zielsetzung änderte sich rasch. 3.4 Der Konflikt um den Umstellungskurs SCHÄFFERs letztes Zugeständnis wurde aus „taktischen Gründen“ bei den Gesprächen zwischen HALLSTEIN und FAURE am 17. und 18. Juli 1956 nicht vorgetragen.86 Während es sozusagen in der Schublade lag, um im richtigen Moment hervorgeholt zu werden, begannen verschiedene Seiten, es in Frage zu stellen.
82 Kabinettsvorlage (SCHÄFFER) vom 06.07.1956 betr. Rückgliederung der Saar: Finanz- und Wirtschaftsfragen, in B 126/7367 (Unterstreichung im Original). 83 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 482. 84 Fernschreiben vom 09.07.1956 und Ministervorlage vom 10.07.1956 (s. Fußnote 80, S. 103). Die französische Delegation hatte zwischenzeitlich den normalen Zahlungsmittelumlauf nach sechs verschiedenen Berechnungsmethoden im Durchschnitt auf 70,7 Mrd. FFR beziffert. Memorandum vom 04.07.1956 in B 330/4231/2. 85 Schreiben vom 04.08.1956 (s. Fußnote 105, S. 114). 86 Vermerk vom 25.07.1956 betr. Saarverhandlungen in B 102/11439/1. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 492.
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
3.4.1 Die Argumente für und gegen die Umstellung zum amtlichen Kurs Bei den parallel zu den Staatssekretärsbesprechungen ebenfalls in Paris stattfindenden intern-deutschen Besprechungen erhoben die saarländischen Minister, zuvorderst BLIND, Einspruch gegen SCHÄFFERs letztes Zugeständnis. Sie verlangten, das Angebot erst nach einer Zusage der Bundesregierung zu unterbreiten, daß die bei der Umstellung zum amtlichen Kurs eintretenden Verluste vom Bund ausgeglichen werden.87 Das war nachvollziehbar, weil aus saarländischer Sicht das Kompensationsangebot, das für den Bund immerhin finanzielle Erleichterungen in Höhe von mehreren Hundert Millionen DM bedeutete, mit Währungsverlusten bei saarländischen Schuldnern erkauft werden sollte. Aber auch im BMA und im BMJ wurde Kritik laut, weil ihnen die Ausnahmeregelung für Löhne und Renten bei der Umstellung zum amtlichen Kurs nicht völlig sichergestellt schien. Das BMA wollte Frankreich zudem nicht mehr als den Umtausch der Noten zum amtlichen Kurs zugestehen, um „möglicherweise sehr erhebliche wirtschaftliche, soziale und politische Schwierigkeiten nach Ablauf der Übergangszeit“ zu vermeiden.88 Im BMWi hielt man daraufhin, entgegen dem Kabinettsbeschluß, zur Vermeidung einer für die Saarwirtschaft nachteiligen Flucht in Bar- oder Buchgeld (Verminderung der Investitionen) eine in etwa dem Verlangen der saarländischen Minister entsprechende Erklärung für erforderlich.89 Für das BMF bahnte sich damit neben der ungeklärten Belastung aus der Notendeckung eine weitere aus dem Umstellungskurs an. Nach diesen Einwendungen erörterte die deutsche Delegation in Paris am 28. Juli und am 1. August 1956 auf Wunsch und unter Beteiligung von BLIND die Kursfrage. BLIND machte in einer am ersten Sitzungstag überreichten Ausarbeitung „als Person“ geltend, die Umstellung zum amtlichen Kurs bedeute die Ankündigung einer Aufwertung des Geldes, der eigenen Mittel und der Schulden für nichtdeutsche Investitionskredite. In diesem Fall müsse beim Konsum, bei der Investitionstätigkeit und bei der Lagerhaltung damit gerechnet werden, daß sich die – wegen der bis zum Tage Y fortbestehenden Zollbelastung ohnehin – gegebene Zurückhaltung während der Übergangszeit noch verstärken werde. Diese Auswirkungen würden zwar gemildert, weil die Saar für einen größeren Markt zollfrei produzieren könnte und die Investitionsneigung angesichts einer zu erwartenden FFRAbwertung „nicht ganz so stark, wie normalerweise anzunehmen, zurückgehen“ würde. Sie würden aber die vorwiegend für den örtlichen Bedarf tätigen Wirtschaftszweige treffen und die notwendige Modernisierung und Rationalisierung der saarländischen Betriebe verhindern. Der die Flucht in die DM abbremsende 87 Schreiben vom 04.08.1956 (s. Fußnote 105, S. 114). 88 Schreiben (BMA an BMF (SCHLICHTING) / BMJ / BMWi (DÜRRE)) vom 25.07.1956 betr. Saarverhandlungen; hier: Regelung der Umstellung, in B 102/11439 und als Anlage zum Vermerk vom 08.08.1956 (s. Fußnote 101, S. 112) in B 126/18273. Siehe auch Schreiben (BMJ an BMA / BMF (SCHLICHTING) / BMWi (DÜRRE)) vom 19.07.1956 betr. Deutschfranzösisches Saarabkommen; hier: Regelung der Umstellungsfragen, in B 126/18273. 89 Vermerk vom 25.07.1956 (s. Fußnote 86, S. 105).
3.4 Der Konflikt um den Umstellungskurs
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günstige Umrechnungskurs für Sparguthaben und die verstärkte Zurückhaltung würden die Spartätigkeit zwar begünstigen. Das Mißtrauen in den FFR würde aber die saarländische Bevölkerung selbst bei Zusicherung des amtlichen Kurses veranlassen, sicherheitshalber einen Großteil ihrer Ersparnisse im Rahmen der Reisefreigrenze sofort in DM umzutauschen und damit der saarländischen Wirtschaft zu entziehen. Französisches Kapital würde dagegen spekulativ an die Saar fließen, um nach der Währungsumstellung über die Schweiz mit einem Gewinn in Höhe der Differenz zwischen amtlichem Kurs (83 FFR = 1 DM) und freiem Kurs (1 DM = 1 SFR = 100 FFR) nach Frankreich zurückzufließen. Falls man dennoch an der Währungsumstellung zum amtlichen Kurs als letztes Zugeständnis an Frankreich festhalte, würden daher weitergehende Zusagen SCHÄFFERs erforderlich werden. Es müßten dann nicht nur die im Moment der Währungsumstellung – z. B. bei Industrie und Handel oder beim privaten Wohnungsbau – im Vergleich zur Kaufkraft etwa 20 Prozent höheren Schuldenlasten, sondern auch die während der Übergangszeit – z. B. infolge der Kaufzurückhaltung – auftretenden nachteiligen Auswirkungen ausgeglichen werden.90 Die Ausarbeitung BLINDs, die dem Anliegen der Saarregierung folgte, kein Saarländer möge Nachteile aus der Währungsumstellung erleiden (siehe S. 76), lieferte ein wichtiges Gegenargument: Das Mißtrauen in den FFR war tatsächlich so groß, daß allein schon die Ankündigung, ihn in Verbindung mit Abschöpfungsmaßnahmen zum amtlichen Kurs oder ihn gleich zur Kaufkraft umzustellen, wohl erst recht die Flucht in die DM verstärkt hätte. Daran konnte die Notenbank, die die Verantwortung für die Geldpolitik im Saarland erst anläßlich der währungsmäßigen Saareingliederung erhalten, bis dahin aber bereits mit den Auswirkungen der Ankündigung der DM-Einführung zurechtkommen sollte, wegen des Liquiditätsüberhangs im Bundesgebiet und der Gerüchte um die DM-Aufwertung (siehe S. 19) kein Interesse haben. Alles andere als die glaubhafte Umstellung zum amtlichen Kurs konnte den Druck auf die DM erhöhen. Es war jedoch in der Tat davon auszugehen, daß die Umstellung zum amtlichen Kurs die Kaufzurückhaltung verstärken und die Spartätigkeit erhöhen würde. BLIND warf daher der BdL später konkret vor, sie verfolge mit der Ankündigung einer Umstellung zum amtlichen Kurs eine deflationistische Geldpolitik während der Übergangszeit.91 Dies war richtig und hielt die Notenbank wegen der Konjunkturüberhitzung im Bundesgebiet (siehe ebd.) für gerechtfertigt. FÖGEN entgegnete später, auch im Bundesgebiet versuche man, die Sparneigung mit Hilfe von Appellen und steuerlichen Maßnahmen zu fördern.92
90 „Auswirkungen der Festlegung des Kurses für die Währungsumstellung Ende 1959 im Saarvertrag“ (BLIND) als Anlage (ohne Datum) zum Vermerk vom 09.08.1956 (s. Fußnote 106, S. 114) in B 102/11439 und zum Vermerk vom 08.08.1956 (s. Fußnote 101, S. 112) in B 126/18273. 91 Stellungnahme vom 27.08.1956 (s. Fußnote 113, S. 117). 92 Vermerk vom 31.08.1956 (s. Fußnote 120, S. 119).
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
Die Umstellung zum amtlichen Kurs begünstigte zudem für die Zeit nach dem Tage Y die Besitzer von Geld, Guthaben und Forderungen und benachteiligte die Schuldner sowie die Empfänger wiederkehrender Leistungen, die nach allgemeiner Auffassung im Saarvertrag zwar nicht geregelt, im Endergebnis aber zu einem niedrigeren Kurs umgestellt werden sollten. In dieser Benachteiligung sah FÖGEN kein Problem. Er wandte ein, daß nicht nur die Vermögenslage des einzelnen Geldbesitzers bzw. Gläubigers und Schuldners, sondern auch die jeweiligen Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben im Saarland während der Übergangszeit berücksichtigt werden müßten, und daß man bei einer Umstellung zur Kaufkraftparität mit größter Wahrscheinlichkeit mit einer erheblichen Störung der Kreditversorgung des Saarlandes zu rechnen hätte. Er trat aus demselben Grund, aus dem die BdL für die Umstellung zum amtlichen Kurs plädierte, für einen möglichst geringen Umfang an Ausgleichsmaßnahmen ein: FÖGEN erläuterte in der Besprechung am 1. August 1956, daß eine Zusage auf allgemeine Ausgleichsmaßnahmen ein gravierendes Präjudiz für eine etwaige DM-Aufwertung wäre. Aus der Umstellung zum amtlichen Kurs ergebe sich weder rechtlich noch wirtschaftlich die Notwendigkeit, allen Schuldnern einen Ausgleich zu gewähren. Neben einer Währungsänderung begründeten auch andere, die Schuldenlast erhöhende Umstände rechtlich keinen Anspruch des Schuldners auf Schadloshaltung durch die Allgemeinheit. Die wirtschaftliche Tragbarkeit einer erhöhten Schuldenlast sei nicht statisch im Zeitpunkt der Währungsumstellung, sondern dynamisch für die Zeit danach zu beurteilen. Bei der Umstellung der Verbindlichkeiten zum amtlichen Kurs komme es entscheidend darauf an, wie das Unternehmen nach der Wiedereingliederung markt- und wettbewerbsmäßig dastehe. Maßgebend sei weniger das „Verhältnis des Schuldenbetrages zum Wert des Vermögens“ als vielmehr das „Verhältnis der für die Schulden laufend aufzubringenden Leistungen (Zinsen und Amortisationen) zu dem Einkommen des Schuldners und den daraus zu bestreitenden sonstigen Ausgaben“. Dieses Verhältnis würde durch die wirtschaftliche Rückgliederung des Saarlandes verbessert werden, so daß bei einer Umstellung zum amtlichen Kurs keineswegs allen Schuldnern Erleichterungen in Höhe von etwa 20 Prozent erstattet werden müßten. – Diese Argumentation war in bezug auf eine mögliche DM-Aufwertung schlüssig, in bezug auf FÖGENs statische Begründung für ein mögliches Zugeständnis bei der Frage der Notendeckung (siehe S. 94) aber erstaunlich. Für FÖGEN waren nur „im Rahmen der Ordnungsfunktion der öffentlichen Hand, d. h. in solchen Fällen […], in denen sich für den einzelnen Schuldner [derart] untragbare Härten ergäben, daß die Verluste zur Existenzgefährdung würden“, individuelle Ausgleichsmaßnahmen notwendig. Diese müßten nicht mit Zuschüssen der öffentlichen Hand erfolgen, sondern könnten sich auf Kredite oder Bürgschaften beschränken. Für die Gesamtheit der Schuldner, bei denen die aus den Schulden resultierenden wiederkehrenden Leistungen tragbar erscheinen, die Bilanz aber eine unzureichende Eigenkapitalausstattung ausweist, würden steuerliche Maßnahmen bzw. die DM-Eröffnungsbilanz genügend Raum für einen
3.4 Der Konflikt um den Umstellungskurs
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Ausgleich bieten.93 Daß die Umstellung zum amtlichen Kurs die Besitzer von Noten, Guthaben und Forderungen zu „Währungsgewinnlern“ machen würde, schien FÖGEN in seiner nachgereichten, nach interner Beratung vom ZBR übernommenen persönlichen Stellungnahme94 unter wirtschaftlichen Aspekten nicht nur unbedenklich, sondern begrüßenswert, um den vielen nicht verschuldeten kleineren Gewerbetreibenden und Landwirten durch eine Stärkung der Eigenkapitalbasis den Kauf einer „etwas größeren Gütermenge“ zu ermöglichen. Die Entlastungsmaßnahmen würden keinesfalls umfangreicher ausfallen als bei einer Umstellung zur Kaufkraftparität. Letztere müßte zwar nur für jene Schuldner, deren Verbindlichkeiten nicht umgestellt werden (DM-Schuldner und FFR-Schuldner französischer Gläubiger), Entlastungsmaßnahmen zur Folge haben. Zwangsläufig müßten dann aber alle Schuldner dieser Kategorie unabhängig von der Tragbarkeit ihrer Schuldenlast entlastet werden. Demgegenüber würde die Umstellung zum amtlichen Kurs nach dem BdL-Vorschlag vermutlich zwar Entlastungsmaßnahmen zugunsten von Schuldnern aller Kategorien notwendig machen. Es müßten dann aber nicht sämtliche, sondern nur einzelne Schuldner aus jeder Kategorie entlastet werden.95 BLIND sah das ganz anders. Er trat in der Besprechung am 1. August 1956 – weiter „als Person“ – ein für „[den] Umtausch der Noten, [die] Umwandlung der Guthaben und [die] Umstellung der sonstigen Forderungen einheitlich entsprechend dem Verhältnis der Kaufkraft des FFR und der DM“.96
Bei einer Umstellung zum amtlichen Kurs müßten die kleinen und mittleren Betriebe der weiterverarbeitenden Industrie zusätzlich zum Fortfall der Zollrückerstattung und zu den Buchverlusten an den Warenlagern mit erheblichen Verlusten rechnen. Weil dann alle – auch die durch Kaufzurückhaltung während der Übergangszeit verursachten – Schäden ersetzt werden müßten, würden die vom BdLVertreter in Aussicht genommenen steuerlichen Erleichterungen keinesfalls ausreichen. Es würde eine „Stützungsaktion der öffentlichen Hand auf sehr breiter Basis und mit sehr erheblichen Mitteln“ erforderlich werden, um einen Zusammenbruch der Betriebe zu vermeiden. Der amtliche Kurs sei außerdem unrealistisch, weil er nur mit Hilfe französischer Maßnahmen der Exportförderung und
93 Vermerk vom 08.08.1956 (s. Fußnote 101, S. 112). 94 Vermerk vom 01.09.1956 (s. Fußnote 115, S. 118). 95 FÖGEN legte seine Auffassung in einer (persönlichen) Stellungnahme dar, weil der 224. Sitzung des ZBR/BdL am 25.07.1956 die 225. Sitzung erst am 22.08.1956 folgte. (Persönliche) Stellungnahme (FÖGEN) vom 10.08.1956 in B 126/18273. Abschnitt III des Vermerks vom 10.08.1956 (s. Fußnote 111, S. 116). 96 Ebd., Vermerk vom 09.08.1956 (s. Fußnote 106, S. 114) und Stellungnahme vom 27.08.1956 (s. Fußnote 113, S. 117). Dagegen bestand lt. Vermerk vom 08.08.1956 (s. Fußnote 101, S. 112) Übereinstimmung, „daß eine Umstellung der Noten und Guthaben nur zum amtlichen Kurs erfolgen könne.“
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
Importbelastung ausgeglichen werde.97 Die Umstellung zur Kaufkraftparität würde am ehesten die Entstehung von Währungsgewinnen und -verlusten unterbinden und zu keinen so starken Verzerrungen führen wie der amtliche Kurs. Es würden nur Ausgleichsmaßnahmen zugunsten von Schuldnern, die weiter FFR zum amtlichen Kurs schuldeten, erforderlich werden. Frankreich habe jedoch wenig Kapital an der Saar investiert. Die Umstellung zur Kaufkraftparität würde daher erheblich weniger Mittel für Ausgleichsmaßnahmen beanspruchen als eine Umstellung zum amtlichen Kurs. BLINDs Vorschlag überrascht(e), weil er am wenigsten den französischen Forderungen entsprach und man bisher allenfalls den AA-Vorschlag erwogen hatte, die Währung zum amtlichen Kurs mit dem Vorbehalt einer Abschöpfung umzustellen (siehe S. 99). Offenbar gab es Einwände gegen diesen Vorbehalt. FÖGEN lehnte ihn ab, weil er einen Anreiz darstellte, das Abschöpfungsrisiko durch eine Anlage in französischen Staatspapieren und in von der Umstellung nicht erfaßte Einlagen bei französischen Instituten zu umgehen, und daher erweiterte Erfassungsmaßnahmen notwendig erscheinen ließ. Diesem Anreiz stand freilich das Risiko einer FFR-Abwertung entgegen. Wichtiger war für FÖGEN wohl, daß er nicht so recht an die Durchführung der Abschöpfung glaubte: Der Kreditgeber würde geneigt sein, seine Kredite zum Tage Y glattzustellen und sich nicht in mittel- oder langfristigen Krediten zu engagieren, weil nach der AA-Regelung das Schicksal der sonstigen Schuldverhältnisse offenbleibe. Der Einwand aus dem BMF, die Öffentlichkeit würde angesichts der Publizität der Kursfrage selbst eine solche Fassung des Saarabkommens mit Sicherheit als Vorbehalt für eine praktische Gleichbehandlung der Noten, Guthaben und allgemeinen Schuldverhältnisse interpretieren, überzeugte FÖGEN nicht. Seines Erachtens setzten sich nämlich „sehr einflußreiche Kreise“ für eine Umstellung der Noten und Guthaben zum amtlichen Kurs ohne Abschöpfung ein. Für BLIND waren andere Erwägungen wichtig. Er erwähnte beiläufig, daß sich im Saarland zwei Parteien gegenüberstünden, von denen die eine die Umstellung zum amtlichen Kurs, die andere die Umstellung zur Kaufkraftparität verlange, und daß die Gewerkschaften die Anwendung eines sog. „gespaltenen Kurses“, d. h. die allgemeine Umstellung zum amtlichen Kurs bei gleichzeitiger Umstellung der wiederkehrenden Leistungen zur Kaufkraftparität, grundsätzlich ablehnten. Bei einer Umstellung zur Kaufkraftparität wären die Sozialleistungen und die Gehälter an das jeweilige Niveau im Bundesgebiet angeglichen. Das Lohnniveau der Stahlarbeiter im Saarland würde dann „standortbedingt“ unter dem Lohnniveau in Nordrhein-Westfalen liegen, könnte aber angehoben werden, während bei einer Umstellung zum amtlichen Kurs eine nachträgliche Senkung der dann höheren Löhne unmöglich wäre.98 BLIND erläuterte, daß bei der von der Notenbank vorgeschlagenen Umstellung aller einmaligen Schuldverhältnisse zum amtlichen Kurs 97 BLIND verwies darauf, daß die Montanunion Ausgleichszahlungen bei Montangütern in Höhe von bis zu 800 FFR je Tonne anerkannt habe und daß Frankreich 2 Mrd. FFR von den 6 Mrd. FFR, die es als Subventionen an seine Industrie zahle, der Saar in versteckter Form zuleite. 98 Diese Einwände waren nicht neu. Siehe S. 83 und S. 104.
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eine abweichende Behandlung der wiederkehrenden Leistungen für die Zeit nach der Rückgliederung nicht durchsetzbar sei und ein Präjudiz für die Umstellung der Löhne bedeuten würde. Die Gewerkschaften meinten, sie könnten „den Arbeitern und Angestellten, die 77 Prozent der Bevölkerung ausmachen, nicht verständlich machen […], warum die Löhne nach dem Tage Y zu einer – niedrigeren – Kaufkraftparität festgesetzt werden sollen, wenn die Inhaber von Geld und Forderungen diese zum amtlichen Kurs (20 Prozent Gewinn) umgestellt erhielten.“99
BLINDs Ausführungen waren richtig, entsprachen aber nur der halben Wahrheit. Neben der FFR-Überbewertung verschleierte vor allem das andersgeartete Lohnsystem, daß sich die effektiven Lohnkosten im Saarland keinesfalls generell von jenen im übrigen Bundesgebiet unterschieden. Insbesondere die sog. „Familienzulage“ (die im wesentlichen nur Verheiratete mit mindestens zwei Kindern besserstellte), die sog. „weitere Lohnzulage“ (die die Bezieher höherer Verdienste, Junggesellen und Verheiratete ohne Kinder begünstigte) und die Mindeststundenlohnregelung (die den allgemein größeren Fächer der Effektivlöhne zwischen Fach- und Hilfsarbeiter etwas verengte) erschwerten den Vergleich zwischen dem Saargebiet und einem ähnlich strukturierten Wirtschaftsgebiet im übrigen Bundesgebiet. Verglichen mit den Löhnen in Nordrhein-Westfalen (mit dem tariflichen Hausstandsgeld und ohne das gesetzliche Kindergeld) zeigt sich – mit Unterschieden für die einzelnen Wirtschaftszweige – zweierlei (siehe Tabelle 3-4): IhTabelle 3-4: Lohnvergleich Saar - Nordrhein-Westfalen Industrie (Ind.)
Eisenschaffende Ind. u. weiterverarb. Eisenind. 1. Stufe Gießereiindustrie Metallverarb. Ind. 2. Stufe Chemische Industrie Baustofferzeug. Industrie Baugewerbe Sägeindustrie Textilindustrie1 Bekleidungsindustrie1
NRW Lohn inkl. tarifl. Hausstandsgeld ohne ges. Kindergeld
direkter Lohn
SaarlandA direkter Lohn plus weitere Lohnzulage
direkter Lohn plus weitere Lohnzulage u. Familienzulage
SaarlandB direkter Lohn
239
192
201
221
229
227 204 208 189 211 162 132 123
177 172 179 167 158 150 115 112
186 180 188 175 165 157 118 115
206 197 203 195 186 173
211 205 213 199 188 179 137 133
2 2
Anmerkungen: A Brutto-Stundenverdienst im Durchschnitt für alle männlichen Arbeiter in Pf. (100 FFR = 1 DM). B Brutto-Stundenverdienst im Durchschnitt für alle männlichen Arbeiter in Pf. (84 FFR = 1 DM). 1 Weibliche Arbeiter. 2 Die meisten Arbeiterinnen erhielten keine Familienzulage. Quelle: Der Volkswirt vom 31.03.1956, S. 14. ** Eigene Berechnung 99 Vermerk vom 09.08.1956 (s. Fußnote 106, S. 114).
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
nen kamen die Löhne an der Saar inklusive der „weiteren Lohnzulage“ und der „Familienzulage“ bei einer Umstellung nach dem Kaufkraftverhältnis tatsächlich sehr nah. Gleiches galt aber auch, wenn man entsprechend der ersten Alternative im BdL-Schreiben vom 19. Juni (siehe S. 101 f.) von den Bruttolöhnen zunächst die Zulagen abzog und dann allein den „direkten Lohn“ zum amtlichen Kurs umstellte. Die hierfür erforderliche „Angleichung“ der Lohn- und Sozialgesetzgebung lehnten jedoch die Gewerkschaften ab, weil sie die Reduzierung bzw. Abschaffung ihrer „sozialen Errungenschaften“ wie der „Familienzulage“ sowie der „weiteren Lohnzulage“ bedeutet und vermutlich Hilfsarbeiter und angelernte Arbeiter gegenüber Facharbeitern benachteiligt hätte.100
3.4.2 Die Reaktionen im BMF und im BMWi Bei den Bundesressorts stieß BLIND auf Resonanz. Der Vertreter des BMF sorgte sich weiter um den Etat. Er erachtete zwar wie FÖGEN bei einer Umstellung zum amtlichen Kurs Kredite oder Bürgschaften zum Ausgleich untragbarer Härten und im übrigen steuerliche Maßnahmen bzw. die Gestaltung der DM-Eröffnungsbilanz zugunsten aller Schuldner für hinreichend. Er hielt aber einen allgemeinen Ausgleich politisch wohl für unumgänglich, zugleich jedoch finanziell für nicht tragbar, und folgte daher letztlich doch der Auffassung von BLIND. Eine im Ergebnis zum Kaufkraftkurs durchgeführte Umstellung würde „Ausgleichsmaßnahmen allgemeiner Art – d. h. im Rahmen der DM-Eröffnungsbilanz und etwaige besondere steuerliche Regelungen – keinesfalls überflüssig machen“, „jedoch den Druck der saarländischen Wirtschaft, der saarländischen Regierung und des Parlaments auf lineare, globale oder […] einzelne Ausgleichmaßnahmen erheblich vermindern.“ Es würden dann nur diejenigen Fälle regelungsbedürftig verbleiben, bei denen nicht umgestellte FFR-Verbindlichkeiten zum amtlichen Kurs bedient werden müßten, so daß ein vorgegebener finanzieller Rahmen nicht überschritten werden dürfte.101 Die Vertreter des BMWi hinterließen einen uneinheitlichen Eindruck. Während der BMF-Vertreter meinte, das BMWi tendiere mehr zum amtlichen Kurs, glaubten die BdL-Vertreter, es neige der Ansicht von BLIND zu.102 Auch bei den Vertretern des BMWi blieb BLINDs Auftritt jedenfalls nicht ohne Eindruck: Vor der Besprechung am 1. August hatte das BMWi noch unter erkennbarem Notenbankeinfluß die Ausarbeitung BLINDs kritisiert. Das derzeitige FFR-Preisniveau im Saarland und das derzeitige DM-Preisniveau im Bundesgebiet könnten sich noch ändern. Außerdem würden sich die Preise im Saarland nach der Rück100 Der Volkswirt vom 31.03.1956, S. 13–15 („Die Lohn- und Sozialpolitik an der Saar“). Der Volkswirt vom 05.01.1957, S. 12–15 („Löhne und Lohnkosten im Saarland“). 101 Vermerk (SCHLICHTING) vom 08.08.1956 betr. Rückgliederung der Saar; hier: Art. 64 Währungsumstellung, Frage amtlicher Kurs oder Kaufkraftparitätskurs, in B 126/18273. – Der BMF-Vertreter bezog sich auf ein – nicht ermitteltes – Schreiben II A/1 – A 0448 – 37/56. 102 Ebd. und Vermerk (FÖGEN an HARTLIEB / WOLF / KÖNNEKER / VOCKE) vom 07.08.1956 betr. Saar-Verhandlungen in Paris in B 330/4233/2.
3.4 Der Konflikt um den Umstellungskurs
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gliederung denen im Bundesgebiet angleichen. Die „eine“ Kaufkraftparität als einheitlichen Umstellungssatz gebe es nicht. Die üblicherweise als Kaufkraftparität bezeichnete Verbrauchergeldparität stelle die nach den Preisen für die Lebenshaltung einer vierköpfigen Familie berechnete Währungsparität dar und entspreche nicht dem Preisverhältnis für Industriegüter, wie Kohle oder Stahl. Es könne für jedes dieser Güter eine Parität ermittelt oder generell die Verbrauchergeldparität angewandt, nicht jedoch eine allseits befriedigende Durchschnittsparität errechnet werden. Ein anderer als der amtliche Kurs scheine mit den Grundsätzen der Europäischen Zahlungsunion nicht vereinbar zu sein. Geld und Guthaben seien unstreitig grundsätzlich zu diesem Kurs umzustellen, da eine Umstellung der bis zum Tage Y entstehenden FFR-Schuldverhältnisse zu einem davon abweichenden Umstellungssatz zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Doppelgleisigkeit führen würde. Es sei nicht einzusehen, warum ein Saarländer sein Bankguthaben anders umgestellt erhalten sollte als derjenige, der sein Geld als Darlehen ausgeliehen hat. Eine Umstellung nach der Kaufkraftparität würde dazu führen, daß Schuldverhältnisse zwischen Schuldnern im Saarland und Gläubigern in Frankreich zu einem anderen (d. h. zum amtlichen) Kurs abgewickelt würden als diejenigen zwischen Bewohnern im Saargebiet einerseits und dem Bundesgebiet oder Ausland (außer Frankreich) andererseits. Frankreich verlange außerdem aus Prestigegründen eine Umstellung zum amtlichen Kurs. Dieser sei daher unter Abwägung aller Aspekte das „kleinere Übel“, das „leichter die Zustimmung der Bevölkerung und der gesetzgebenden Körperschaften finden“ würde. Das BMWi war dabei von der – kühnen – Annahme ausgegangen, „daß von Seiten der Gewerkschaften eine Umstellung der nach dem Tage Y fällig werdenden Löhne zum amtlichen Kurs als sachlich ungerechtfertigt ernstlich nicht verlangt werden [würde].“103
Nach der Besprechung merkte das BMWi nunmehr an, es sei nicht nur nach der wirtschaftlich zweckmäßigsten Lösung für die Übergangszeit und die Zeit danach zu fragen, sondern auch die politische Durchsetzbarkeit zu berücksichtigen. Einerseits meinte es – wie die BdL –, einiges könnte dafür sprechen, die bei FFR-Gläubigern bei einer Umstellung zum amtlichen Kurs anfallenden „Gewinne“ zu belassen und nur in besonderen Fällen öffentliche Hilfen zugunsten der Schuldner zu leisten. „Wohin käme ein Staat, wenn er jeden Währungsverlust mit öffentlichen Mitteln ausgliche?“ Die Saarwirtschaft habe in der Übergangszeit schließlich Gelegenheit, sich auf die Umstellung einzustellen. Andererseits machte das BMWi unmißverständlich klar, daß für wiederkehrende Leistungen eine Anpassung an die Kaufkraftparität erfolgen müßte und daß dies „bei Löhnen politisch heikel“ sei. Eine Hypothek von 1 Mio. FFR, die bei einem angenommenen Monatseinkommen von 50.000 FFR vor der Umstellung einer Schuld von 20 Monatsgehältern entspreche, würde sich durch die Umstellung auf eine Schuld von 24 Monatsgehältern erhöhen, weil die Hypothek zum amtlichen Kurs (ca. 12.000 103 Ausarbeitung (BMWi (KNAPP)) vom 30.07.1956 in B 102/11439/1 und als Anlage zum Vermerk vom 08.08.1956 (s. Fußnote 101, S. 112) in B 126/18273.
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
DM), das Gehalt aber nur zur Kaufkraftparität (500 DM) umgestellt werden würde. Die Bundesressorts tendierten nach der Besprechung zunehmend zu BLINDs Auffassung.104 LUDGER WESTRICK, Staatssekretär im BMWi, wandte sich drei Tage später vorsorglich mit einem Schreiben an SCHÄFFER mit der Bitte, ihm seine Auffassung über das notwendige Ausmaß der Ausgleichsmaßnahmen mitzuteilen.105 Da hierüber weiter Uneinigkeit nicht nur zwischen den Bundesressorts auf Referentenebene, sondern auch innerhalb der einzelnen Bundesressorts herrschte, sollte anhand von Stellungnahmen der Saarregierung und der BdL in einer Abteilungsleiterbesprechung Ende August 1956 die endgültige, gegenüber Frankreich einzunehmende Haltung der Bundesregierung zur Kursfrage festgelegt werden.106
3.4.3 Die Entscheidung nach der öffentlichen Intervention des DGB Saar Mitte August 1956 schaltete sich der Deutsche Gewerkschaftsbund Saar (DGB Saar) in die intern-deutschen Erörterungen ein. In seinem Schreiben vom 14. August, das er drei Tage später in allen Einzelheiten vor der Presse in Bonn bekanntgab, wandte er sich an beide Regierungen mit der „dringenden Bitte“, „der [Saar-]Bevölkerung einen Teil der Ungewißheit über die Währungsumstellung zu nehmen und den Ausbruch eines allgemeinen wirtschaftsschädigenden Spekulationsfiebers an der Saar wirksam zu verhindern.“ Der DGB Saar kritisierte, daß der Saarbevölkerung die Vorstellungen der deutsch-saarländischen Verhandlungsdelegation bislang verborgen geblieben, die Forderungen der französischen Verhandlungsdelegation aber längst bekannt seien. Er informierte die Öffentlichkeit darüber, daß weder zwischen den beiden Regierungen noch innerhalb der bundesdeutschen Verhandlungsdelegation, in der – wie die Tageszeitung DIE WELT anmerkte – auch die BdL und das BMF vertreten waren,107 einheitliche Auffassungen zur Währungsumstellung bestünden. Er bat um Unterrichtung der Öffentlichkeit, was beide Regierungen zu tun beabsichtigten, „um bis zur Wiederaufnahme der Sachverständigenbesprechungen mit Frankreich eine e i n h e i t l i c h e Meinung […] in der Währungsfrage herbeizuführen.“ Ihn interessierte besonders, ob Pressemeldungen zuträfen, „wonach die deutsche Verhandlungsdelegation für einen ‚gespaltenen’ Umstellungskurs eintritt; wonach immerwiederkehrende Schulden und Forderungen, also Löhne, Gehälter und Renten zu einem anderen – schlechteren – Kurs umgestellt werden sollen als Zahlungsmittel, Sparguthaben, Hypothekenschulden und sonstige einmalige Forde104 Vermerk vom 09.08.1956 (s. Fußnote 106). 105 Schreiben (BMWi (WESTRICK) an BMF (SCHÄFFER)) vom 04.08.1956 (ohne Betreff) in B 126/7368. 106 Vermerk (KNAPP) vom 09.08.1956 betr. Währungsumstellung im Saarland in B 102/11439/1. 107 DIE WELT vom 18.08.1956 („Sorgen um die Saarwährung“) in B 126/7367, B 330/3130 und B 330/4233/2. Siehe auch Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung vom 18.08.1956 („Die Erstausstattung der Saar“) und Handelsblatt vom 18.08.1956 („Für einheitliche Währungsumstellung“) jeweils in B 126/7367.
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rungen und Schulden.“ Ohne sich auf einen bestimmten Kurs festzulegen, lehnte der DGB Saar einen „gespaltenen“ Umstellungskurs ab mit den Worten: „Den Kurs spalten heißt das Volk spalten in Währungsgewinnler und Währungsverlierer!“
Ein „gespaltener Kurs“ würde dazu führen, daß die Arbeitnehmer an der Saar, die mit harter Arbeit und redlicher Sparsamkeit ein kleines Eigenheim gebaut haben, aus vermindertem Einkommen eine gestiegene Schuldenlast abbezahlen müßten. Dies sei nicht nur eine „unverständliche Benachteiligung der schaffenden Bevölkerung an der Saar“, sondern mehr noch eine „Enteignungsmaßnahme“, deren Vereinbarkeit mit der eigentumsfreundlichen Familienpolitik der Bundesregierung wie auch mit dem Grundgesetz fraglich erscheine. Jede andere als eine einheitliche Umstellung würde das Prinzip der Gerechtigkeit in Staat und Gesellschaft verletzen. Sie würde „schwerwiegende psychologische Folgen“ nicht nur an der Saar und in der Bundesrepublik, sondern auch für die Bevölkerung in der Sowjetischen Besatzungszone im Hinblick auf die gesamtdeutsche Wiedervereinigung, für die die Rückgliederung der Saar den Präzedenzfall darstelle, nach sich ziehen. Über den Grundsatz der Einheitlichkeit des Währungskurses dürfe es daher keine Meinungsverschiedenheiten geben.108 Nach der Intervention des DGB Saar und verschiedenen Berichten in der Presse erläuterte FÖGEN dem BdL-Direktorium, die Saarbevölkerung habe bislang nicht unterrichtet werden können, weil nicht nur bei der Bundesregierung, sondern auch bei der Sachverständigendelegation Saar keine klare Meinung zur Kursfrage herrsche.109 BLIND habe bisher nur seine persönliche Auffassung vertreten und sogar geäußert, daß eventuell nicht seine, sondern die Einstellung der Notenbank die „richtigere“ sei. Der DGB Saar fordere deshalb mit Recht, daß die Bundesregierung sich nunmehr beschleunigt eine präzise Meinung bilden und mit der Saarregierung abstimmen müsse. Bei den intern-deutschen Erörterungen habe man allzu oft darüber gesprochen, „ob künftige Lohn- und Gehaltsansprüche zum amtlichen Kurs oder nach Maßgabe des Kaufkraftverhältnisses ‚umzustellen’ seien“, obwohl Frankreich nach dem bisherigen Verhandlungsergebnis der Bundesregierung diesbezüglich freie Hand lassen wolle. Da dieses Problem im Augenblick überhaupt nicht zu entscheiden sei, trage die Intervention des DGB Saar zu Mißverständnissen bei, „die sich um so erschwerender auf die deutsch-französischen Saarverhandlungen auswirk[t]en, je mehr sie in die Öffentlichkeit dringen.“110 Die Intervention des DGB Saar stärkte den Widerstand gegen die Notenbank. FÖGEN hatte dem Abschöpfungsvorbehalt mit Blick auf die französischen Forderungen keine Chancen eingeräumt und dabei die politische Brisanz der Umstellung der wiederkehrenden Leistungen unterschätzt. Am 10. August 1956 hatte er 108 Schreiben (DGB Saar (WENTZ) an BMF (SCHÄFFER)) vom 14.08.1956 in B 126/7367 und B 126/18273 sowie B 102/11439/2 und B 330/4230/1 (Sperrung im Original). 109 EUGEN HUTHMACHER, Direktor des saarländischen Wirtschaftsministeriums, teilte BLINDs Auffassung nicht. Vermerk vom 08.08.1956 (s. Fußnote 101, S. 112). 110 Vermerk (FÖGEN) vom 20.08.1956 betr. Einführung der DM-Währung im Saarland (Umstellungskurs FFR/DM) in B 330/4233.
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intern noch vermerkt, daß eine Regelung der wiederkehrenden Leistungen im Saarvertrag offengelassen werden sollte und daß ihm das ohne Schwierigkeiten erreichbar scheine, nachdem der französische Sprecher wiederholt ein entsprechendes Zugeständnis zu erkennen gegeben habe. Unabhängig vom Verhältnis des amtlichen Kurses und der Kaufkraft von FFR und DM gehe es darum, das Niveau der Löhne, Gehälter und öffentlichen Renten, Mieten und dergleichen zur Vermeidung eines untragbaren Gefälles zwischen dem Saarland und dem übrigen Bundesgebiet dem Niveau im übrigen Bundesgebiet anzupassen. Selbst bei einem Zusammenfallen von Kurs- und Kaufkraftverhältnis könnte es daher notwendig werden, das Anschlußverhältnis für Löhne, Gehälter und dergleichen anders zu bestimmen. Zunächst brauche jedoch „nicht darauf geachtet zu werden, wie dieser Fragenbereich zu gegebener Zeit geregelt werden sollte.“111 Spätestens nach der Intervention des DGB Saar hatte sich das geändert. BLIND kam die Intervention des DGB Saar daher „gelegen“. Er arbeitete sie in die Stellungnahme der Saarregierung vom 27. August 1956 ein. Bei einer Umstellung zum amtlichen Kurs würden den Saarbewohnern unter voller Verantwortung des Staates entgegen dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Staatsbürger bewußt Vermögensschäden auferlegt werden. Die BdL verbräme die anfallenden Währungsgewinne in Höhe von rund 20 Prozent volkswirtschaftlich als „Stärkung der Wirtschaftskraft“, die jedoch der Bund und die Schuldner finanzieren würden. Der Bund würde sich von der BdL für den Umtausch der im Saarland umlaufenden rd. 50 Mrd. FFR einen um etwa 100 Mio. DM größeren Betrag an DM-Noten beschaffen müssen als dem inneren Wert der eingezogenen FFR-Noten entspreche.112 Die Lasten der Schuldner würden sich real gesehen automatisch, derzeit um etwa 20 Prozent, erhöhen. Die BdL berücksichtige nicht, daß bei fast allen wirtschaftlichen Unternehmen die Schulden die Forderungen beträchtlich überstiegen. Viele Hauseigentümer könnten ihre durch die Umstellung vermehrten Schulden nicht durch verfügbare Mittel ausgleichen, weil sie diese bereits zur Tilgung ihrer Schulden verwandt hätten. Wer glaube, daß eine derartige Vermögensverlagerung vom Schuldner zum Gläubiger im Saarland politisch durchsetzbar sei, habe aus den Ereignissen der letzten Jahre nichts gelernt. Zum völligen Ausgleich der Vermögensschäden, die man dem Bund anlasten würde, wären etwa 200 Mio. DM für „Zehntausende Hilfsbedürftige“ erforderlich. Die Schuldenvermehrung und ihr Ausgleich durch eine Bundeshilfe würden den sozialen Frieden und die ruhige politische Entwicklung an der Saar gefährden und sich letztlich politisch als außerordentlich nachteilig erweisen. Jeder Konkurs der nächsten Jahre würde mit dem Schuldenanstieg in Verbindung gebracht werden, so daß die Saareingliederung mit einer schweren Hypothek belastet wäre. Die Konkurrenz im Bundesgebiet habe ohnehin gegenüber dem Saarland die besseren Entwick111 Vermerk (FÖGEN) vom 10.08.1956 betr. Einführung der DM-Währung im Saarland (Kursfrage) in B 330/3130, B 330/4233/1 und B 330/4233/2. 112 Auch BLIND hielt – unzutreffend – die Verwertung der eingezogenen FFR-Noten für zulässig. Er machte nämlich hiervon den Mehraufwand des Bundes abhängig und nutzte dabei nun, anders als zu Erörterungsbeginn (s. S. 100), die französische Forderung nach unentgeltlicher Notenaushändigung aus.
3.4 Der Konflikt um den Umstellungskurs
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lungsmöglichkeiten gehabt, ohne daß ihr eine der Schuldenaufwertung entsprechende Einbuße zugemutet worden sei. Die Stellungnahme legte dar, was BLIND bis zuletzt nur „als Person“ vorgetragen hatte, explizierte nun aber erstmals die Lohnproblematik. Alle Experten seien sich einig, daß die Realeinkommen im großen und ganzen bei der Umstellung gleich bleiben müßten, weil eine reale Zunahme der Einkommen um 20 Prozent ohne beträchtliche Produktivitätssteigerung nicht möglich sei. Der „richtige“ Paritätssatz sei zwar schwierig zu ermitteln, der Verbrauchergeldparität jedoch unter dem Aspekt der „Bedürfnisbefriedigung als letztes Ziel der Wirtschaft“ die Priorität vor anderen – z. B. das Preisverhältnis für Industriegüter abbildenden – Umrechnungsfaktoren zuzusprechen. Das BMA, die Saarregierung und selbst die Gewerkschaften seien sich darüber klar, daß eine Umstellung von Löhnen, Gehältern, Pensionen und Renten zu einem ungefähr dem amtlichen Kurs entsprechenden Verhältnis nicht in Betracht komme, weil dann die Saarwirtschaft nicht mehr konkurrenzfähig wäre und die Renten 20 Prozent über dem Bundesniveau lägen. Dies lasse sich auch nicht – wie die Notenbank meine – dadurch umgehen, daß man statt von einer „Umrechnung“ von einer „Angleichung“ spreche. In der Bundesrepublik habe jedes Wirtschaftsgebiet hinsichtlich der Löhne und Gehälter eigene Tarife. Eine Angleichung an eines dieser Tarifgebiete komme nicht in Betracht, weil das derzeitige saarländische Tarifgefüge nicht aufgegeben werden könne. Ebenso müsse auch bei den Renten, Pensionen, Sozialversicherungs- und Fürsorgeleistungen eine Umstellung zur Verbrauchergeldparität und keine Angleichung erfolgen, da zugesagt sei, „daß das, was besser ist, erhalten bleiben“ solle. Bei einem gespaltenen Kurs sei der „Arbeiter in jedem Fall intelligent genug […], die Relation zwischen FFR und DM bei seinem Lohn mit dem Umstellungssatz für Geld, Guthaben und Schulden zu vergleichen und daraus seine Folgerungen zu ziehen.“ Der Umrechnungskurs müsse daher so angesetzt werden, daß die Interessen der Betroffenen möglichst gewahrt, d. h. die wirtschaftlichen Unternehmen lebens- und konkurrenzfähig und die Einkommen und Vermögen real etwa die gleichen blieben. Die Verbrauchergeldparität sei im Hinblick hierauf die „wirtschaftlich besser gerechtfertigte Relation“, weil Löhne und Gehälter einerseits sowie Geld, Forderungen und Schulden andererseits zu einem einheitlichen Satz umgestellt würden, ohne daß für die Eigentümer von Geld und Guthaben im Saarland Gewinne und für die Schuldner saarländischer Gläubiger Verluste aus der Umstellung entstünden. Forderungen und Verbindlichkeiten würden ihren realen Wert behalten und soziale Spannungen dadurch vermieden.113 Nachdem sich abzeichnete, daß sich die Bundesressorts auf die Seite von BLIND schlugen, stellte FÖGEN – mehr als zuvor – die Notenbank als Anwältin eines übergeordneten Gesamtinteresses heraus. Die BdL betrachte den Geldbesitzer/Schuldner-Aspekt weder als den einzigen noch als den ausschlaggebenden 113 „Stellungnahme der Regierung des Saarlandes – Ministerium für Finanzen und Forsten – zur Frage des Umstellungskurses bei der Eingliederung des Saarlandes in den Währungsbereich der DMark“ (BLIND) vom 27.08.1956 in B 126/7367 sowie B 330/4230/1 und B 330/4233.
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
Aspekt bei der Kursfestlegung. Bei der Kursfrage komme es zu einer Kollision von Gesamt- und Einzelinteresse. Der Kurs sei nicht nur so zu wählen, „daß die Interessen der unmittelbar Betroffenen – d. h. der ‚Geldbesitzer’ auf der einen Seite und der Schuldner auf der anderen Seite – gewahrt werden.“ Er sei auch so anzusetzen, daß „er unter Berücksichtigung dieser Interessen vor allem möglichst keine tiefgreifenden Störungen des Wirtschaftslebens im Saarland während der Übergangszeit auslöst“. Es sei aber auch nicht einmal unbedingt sicher, daß die Interessen der unmittelbar Betroffenen dann am besten gewahrt bleiben, wenn man den Umrechnungskurs so wähle, daß sich die Einkommen und Vermögen real kaum verändern würden. Jedenfalls sei es aber nicht sicher, daß dabei das Gesamtinteresse besser gewahrt würde. Wo aber Gesamt- und Einzelinteresse kollidierten, müsse das Einzelinteresse im Rahmen des Zumutbaren ebenso zurücktreten, wie „bei jeder durch eine Preisveränderung bedingten Verschiebung des Wertes einer Vermögenssubstanz zum Werte der damit verbundenen Schuldenlast und jeder dadurch bedingten Veränderung des ‚Realeinkommens’“.114 In der Abteilungsleiterbesprechung am 28. August 1956 halfen FÖGENs Entgegnungen nichts. ROLF LAHR, Leiter der deutschen Delegation für die Saarverhandlungen (AA), meinte, man müsse das Lohnniveau bereits bei der Währungsumstellung grob an die deutsche Marktlage anpassen. ALFRED MÜLLER-ARMACK, Leiter der Grundsatzabteilung im BMWi, wollte bei der Währungsumstellung einen unangemessenen Verwaltungsaufwand vermeiden. VON SPINDLER sorgte sich weiter um die Haushaltsbelastung.115 Am Ende der Besprechung faßte MÜLLER-ARMACK das Ergebnis wie folgt zusammen: Die Bundesressorts seien mit Ausnahme der BdL für den Fall, daß sich eine Verschiebung der Kursfrage in den Verhandlungen nicht erreichen lasse, der Ansicht, „daß die Kaufkraftparität als Umstellungsgrundlage mit der Besonderheit vertreten werden müsse, daß Noten und Guthaben zwar zum amtlichen Kurs umgestellt würden, aber Abschöpfungsmaßnahmen vorbehalten blieben.“116 Zur abschließenden Ressortbesprechung am 3. September 1956 wurde festgehalten, daß in „Übereinstimmung aller beteiligten Ressorts, mit Ausnahme der Bank deutscher Länder“, eine Umstellung der sonstigen Schuldverhältnisse und wiederkehrenden Leistungen einheitlich zu einem die Konkurrenzfähigkeit der Saar mit dem Bundesgebiet gewährleistenden Verhältnis erfolgen solle. „Übereinstimmung zwischen den Ressorts, jedoch unter Widerspruch der Bank deutscher Länder“ bestünde darüber, nötigenfalls einen „sachli-
114 Vermerk vom 31.08.1956 (s. Fußnote 120, S. 119). 115 Vermerk (SCHLICHTING) vom 01.09.1956 betr. Saarverhandlungen Art. 64; hier: Regelung der Umstellung, in B 126/18273. 116 Ebd. und Kurzbericht (BMWi) über die Sitzung im BMWi am 28.08.1956 über die Fragen des Umstellungskurses beim Anschluß des Saarlandes an die DM-Währung vom 30.08.1956 in B 126/7367. Das Ergebnis stand zunächst unter dem Vorbehalt der Auseinandersetzung der Notenbank mit der Stellungnahme der Saarregierung.
3.5 Der Abschluß der Saarverhandlungen: Vorrang für den Umstellungskurs
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che[n] Kaufkraftkurs“ im Verhandlungswege anzustreben117 und vorbehaltene Abschöpfungsmaßnahmen tatsächlich durchzuführen.118 FÖGEN gelangte spätestens nach dieser Besprechung zu der Einsicht, daß sich die BdL der öffentlichen Meinung beugen müsse: Deutlich wird dies an seiner Reaktion auf den Vorwurf BLINDs, die BdL wolle nur deshalb lediglich in Fällen der Bedürftigkeit einen Ausgleich gewähren, um der französischen Forderung nach Umstellung zum amtlichen Kurs nachkommen zu können. BLIND hatte sich diesen nach der Intervention des DGB Saar in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck zunutze gemacht,119 um möglichst keine Diskussion mit wirtschaftlichen Argumenten entstehen zu lassen – mit Erfolg. In seiner Erwiderung auf die Stellungnahme der Saarregierung wies FÖGEN diesen Vorwurf als „eine durch nichts begründete oder gerechtfertigte Unterstellung“ zurück. An anderer Stelle räumte er ein, daß es aus anderen als wirtschaftlichen Gründen, d. h. vor allem wegen dieses in der Öffentlichkeit entstandenen Eindrucks, notwendig werden könnte, sämtlichen Schuldnern einen Ausgleich zu gewähren. Außerdem machte sich bei FÖGEN Resignation breit: Fragen der politischen Tragbarkeit oder Notwendigkeit seien nicht Gegenstand seiner Erörterungen. Ein Eingehen auf die Fragen, wann aus Rechtsgründen ein Entschädigungsanspruch entstehe und vor allem „was politisch tragbar [sei] und was nicht“, sei nicht Sache seiner Stellungnahme. Soweit bei der Forderung der Saarregierung nach „Ausgleich aller Schäden“ an eine politische Notwendigkeit gedacht sei, könne dazu ebenfalls nicht Stellung genommen werden.120 – In der BdL gab man also auf, weil man die Öffentlichkeit nicht auf ihrer Seite sah. 3.5 Der Abschluß der Saarverhandlungen: Vorrang für den Umstellungskurs HALLSTEIN und FAURE klärten in Paris am 11. und 12. September 1956 „sozusagen alles mit Ausnahme der Frage des Notenumtausches und der Währungsumstellung und der damit zusammenhängenden Fragen“. Weil somit Kompensationsmöglichkeiten nur noch zwischen diesen beiden Verhandlungsgegenständen gegeben waren, zweifelte man im BMF daran, sich in beiden Punkten durchsetzen zu können.121 Bei den Vorbereitungen zum Treffen der Regierungschefs, bei dem 117 Vermerk vom 04.09.1956 betr. Wiedereingliederung der Saar, Art. 64; […], in B 126/18273. 118 Ergebnisbericht (BMWi) über eine Ressortbesprechung am 03.09.1956 über die Frage des Kurses bei der Währungsumstellung im Saarland in B 126/7367. 119 Stellungnahme vom 27.08.1956 (s. Fußnote 113, S. 117). 120 Vermerk (FÖGEN) vom 31.08.1956 betr. Einführung der DM-Währung im Saarland (Kursfrage). – Stellungnahme zum Memorandum des Herrn Saarländischen Finanzministers vom 27.08.1956 – in B 330/4233. 121 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 598. Schreiben (deutsche Delegation (BMF (SCHLICHTING)) an BMF (SCHROEDER-HOHENWARTH)) vom 13.09.1956 betr. Saarabkommen Art. 64, Besprechung des Herrn Bundeskanzlers mit Herrn Guy Mollet, in B 126/7367. Schmidt (1962), S. 522, berichtet, daß zu diesem Zeitpunkt das „Problem der Währungsumstellung (Zeitpunkt, Kurs und an Frankreich auszuliefernde oder zu vernichtende Mengen an FFR-Noten)“ noch offen war.
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
diese beiden letzten Fragen geklärt werden sollten, zeigte sich, daß die Bundesregierung ihren Kabinettsbeschluß vom 11. Juli 1956 revidiert hatte und nun der Kursfrage Vorrang gab. Die BdL hatte diesen Sinneswandel zu verhindern versucht und noch während des Kurskonflikts – nach dem Eindruck im BMF nun „unmißverständlich“ – klargestellt, daß sie eine Ausgleichsforderung auch für den DM-Gegenwert von 37 Mrd. FFR ablehne.122 Diese Klarstellung beeinflußte bis zuletzt die Saarverhandlungen. HEINZ MARIA OEFTERING, Leiter der Abteilung II im BMF (Allgemeine Finanzpolitik und öffentliche Finanzwirtschaft), wies SCHÄFFER, der zusammen mit HERMANN-JOSEF ABS und BLIND dem Bundeskanzler die Währungsfrage vortragen sollte, „damit bei der Entscheidung in der höchsten politischen Ebene kein Unglück geschieht“, auf die Belastung des Bundes infolge der ablehnenden Haltung der Notenbank hin.123 Das eigentliche Ziel, den Sinneswandel der Bundesregierung zu verhindern, erreichte die Notenbank mit ihrer Klarstellung jedoch nicht. Für sie wuchs die Gefahr einer gesetzlichen Verpflichtung zur Annahme einer Ausgleichsforderung, als ihr ALFRED HARTMANN, Staatssekretär im BMF, nach der Kursdiskussion mitteilte, daß die Deckungsfrage im Ausführungsgesetz zur wirtschaftlichen Rückgliederung der Saar, also etwa 1959, geregelt werde.124 SCHÄFFER legte mit Schreiben vom 19. September 1956 an ADENAUER dar, daß der amtliche Kurs namentlich im Hinblick auf die Situation der Schuldner, die Investitionsbereitschaft sowie die Umstellung der Löhne und Gehälter im Saarland abzulehnen sei. Er deutete an, daß in der Frage des Notenumtausches „vielleicht ein gewisses Entgegenkommen möglich [wäre], falls Frankreich von der verhängnisvollen Umstellung zum amtlichen Kurs Abstand“ nehmen würde.125 Im Bundeskanzleramt erfuhr man zwei Tage später in einem Telefonat mit FÖGEN von der Einmütigkeit in der Frage der Notenverwendung und von einer „Meinungsverschiedenheit [in der Kursfrage] zwischen den Bundesressorts auf der einen Seite und der BdL auf der anderen Seite“.126 ADENAUER betrachtete jedoch, „die Notenfrage als ein poli122 SCHÄFFER hatte zwar gewußt, daß die Notenbank die volle Übernahme verlangte, jedoch mit VON SPINDLERs Argumenten (s. Abschnitt 3.6, S. 123 ff.) die Zuteilung einer Ausgleichsforderung im DM-Gegenwert von (zumindest) 37 Mrd. FFR verteidigt. Korrespondenz (BMF (SCHÄFFER) / BdL) vom 24.07.1956 und vom 23.08.1956 betr. Einführung der DM-Währung im Saargebiet in B 126/7365 und B 330/4233/2. Schreiben (SCHLICHTING über VON SPINDLER und OEFTERING an HARTMANN) vom 24.07.1956 und vom 31.08.1956 betr. Rückgliederung der Saar: (Saarabkommen) Art. 65; hier: Frage der Ausgleichsforderungen der BdL, in B 126/7365. 123 Vermerk vom 20.09.1956 betr. Finanzwirtschaftliche und allgemeinwirtschaftliche Fragen, die bei der politischen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik geregelt werden müssen, in B 126/7368. 124 Schreiben (BMF (HARTMANN) an BdL) vom 17.09.1956 betr. Entwurf eines Art. 65 […] in B 126/7365. 125 Schreiben (SCHÄFFER an ADENAUER) vom 19.09.1956 (ohne Betreff) in B 126/7367. 126 Vermerk (FÖGEN) vom 21.09.1956 betr. Währungsänderung im Saarland in B 330/4233/2. Das Telefonat war mangels Auskunft des BMF über die BdL-Auffassung notwendig geworden. Schreiben (BMF (FÉAUX DE LA CROIX anstelle von VON SPINDLER) an BK (HAENLEIN)) vom 22.09.1956 in B 126/7367.
3.5 Der Abschluß der Saarverhandlungen: Vorrang für den Umstellungskurs
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tisches Problem […], an welchem das Saarabkommen nicht scheitern sollte“ (LAHR).127 SCHÄFFER erklärte sich danach in einer Besprechung mit ADENAUER am 27. September 1956 bereit, 50 Mrd. FFR „als letztes Angebot“ zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen, um eine Festlegung auf den amtlichen Kurs zu verhindern.128 Beim Treffen der Regierungschefs am 28. und 29. September 1956 in Bonn handelten dann ADENAUER und MOLLET den „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage vom 27. Oktober 1956“ (Saarvertrag; BGBl. II S. 1587)129 aus. Im Hinblick auf die Kursfrage, der bei den Verhandlungen die größte Bedeutung zukam,130 vereinbarten beide Seiten in Art. 55, die am Ende der Übergangszeit (spätestens am 31. Dezember 1959) im Besitz von Saarländern befindlichen FFR-Geldzeichen und -Guthaben saarländischer Kontoinhaber zum amtlichen Kurs131 umzuwandeln, die Umstellung sonstiger FFR-Verbindlichkeiten demgegenüber nicht festzulegen. Damit erhielt der Bund gegenüber Frankreich freie Hand, diese Frage nach Belieben zu regeln – ausgenommen die FFR-Forderungen französischer Gläubiger an saarländische Schuldner, auf die sich die Umstellung nicht erstrecken durfte. Die französische Regierung räumte in einem ergänzenden Schriftwechsel der Bundesregierung zur Neuberechnung der Löhne (ebenso wie zur Umstellung der sonstigen FFR-Forderungen und -Verbindlichkeiten) Ausgleichsmaßnahmen ein, die auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin allerdings „differenziert“ getroffen werden sollten, um nicht den Eindruck zu erwecken, letztlich würde doch zu einem einheitlichen, vom amtlichen Kurs abweichenden und in etwa der Kaufkraftparität entsprechenden Kurs umgestellt.132 Das vom Bundeskabinett am 14. November 1956 verabschiedete133 und vom Bundestag am 14. Dezember 1956 beschlossene „Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes“ vom 23. Dezember 1956 (BGBl. I S. 1011) ermächtigte daher später in Art. 17 Abs. 1 die Bundesregierung, „Schuldverhältnisse so umzustellen, daß dadurch die vertraglichen Beziehungen zwischen Gläubigern und Schuldnern wirtschaftlich insoweit verändert werden, als dies […] zum Ausgleich der entgegenstehenden Interessen von Gläubigern und Schuldnern geboten ist“ (Nr. 3). Es ermächtigte die Bundesregierung ferner, „Vorschriften über die Erhebung von Abgaben und die Gewährung von Leistungen zu erlassen […], um einen gerechten Ausgleich der 127 Vermerk (deutsche Delegation (SCHLICHTING)) vom 22.09.1956 betr. Notenumtausch Art. 65 Saarabkommen; hier: Gefahr einer zusätzlichen Belastung mit 500 Mio. DM, in B 126/7368. 128 Schreiben (SCHÄFFER an HARTMANN) vom 27.09.1956 betr. Besprechung bei Herrn Bundeskanzler am 27.09.1956, 10 Uhr, in B 126/7367. 129 Siehe auch Schmidt (1962), S. 758 ff. 130 So HALLSTEIN im Bundeskabinett am 11.10.1956 lt. Niederschrift über dessen Vortrag, „gefertigt nach dem Tonband über die Kabinettsitzung“, in B 126/7376. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S.633 ff. 131 Der amtliche Kurs wurde in einem besonderen Schriftwechsel als jene Parität festgelegt, die sich aus dem Kurs der beiden Währungen zum US-Dollar ergeben würde. Vermerk vom 27.10.1956 (s. Fußnote 137, S. 122). 132 Der Volkswirt vom 10.11.1956, S. 16 f. („Die Währungsumstellung im Saarland“). 133 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, S. 674 ff. und S. 728.
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
hierbei entstehenden wirtschaftlichen Vorteile und Lasten herbeizuführen“ (Nr. 4). Diese Vereinbarung stellte ein französisches Entgegenkommen dar, das die deutsche Seite mit einem Zugeständnis beim Notenumtausch erkaufte, nach den FFR-Abwertungen am 12. August 1957 und am 27. Dezember 1958 letztlich aber wertlos werden sollte. Im Hinblick auf die Verwendung der am Stichtag zum Umtausch kommenden FFR-Noten vereinbarten beide Seiten nämlich in Art. 56, daß diese Noten der Banque de France übergeben werden und ein entsprechender Betrag dem Bund auf einem Konto bei der französischen Notenbank einerseits gutgeschrieben wird. Auf diesem Konto sollte der Bund andererseits mit einem festen Betrag in Höhe von 40 Mrd. FFR zugunsten Frankreichs belastet werden,134 womit die „Belastungen“ für Deutschland aus der „Notenrückgabe“ auf diesen Betrag plafondiert wurden. Das war richtig und notwendig, weil anderenfalls Anreize zur Manipulation des Notenumlaufs bestanden hätten (siehe S. 89). Dieser Plafond fiel entgegen früheren Schätzungen zum Umfang der im Saarland umlaufenden FFR-Noten niedriger aus – wodurch das deutsche Entgegenkommen nicht so recht ersichtlich wird –, weil in letzter Minute bekannt geworden war, daß ein Saldo der Gesamtforderungen und -verbindlichkeiten einen Passivsaldo zu Lasten Frankreichs ergab, der insbesondere dadurch zustande kam, daß saarländische Banken Guthaben bei der französischen Caisse Nationale oder ähnlichen Zentralinstituten halten mußten.135 Deutschland verpflichtete sich darüber hinaus in Art. 58, Frankreich den Betrag von 28 Mrd. FFR für die Einlösung von Garantien für saarländische Bank- und Versicherungsverbindlichkeiten zu erstatten und befriedigte damit den französischen Entschädigungsanspruch (siehe S. 89). Die zur Währungsumstellung nach dem Saarvertrag an Frankreich zu leistenden Zahlungen betrugen damit insgesamt 68 Mrd. FFR.136 Die Inanspruchnahme der Notenbank durch den Bund zur Begleichung dieses Betrages schätzte FÖGEN auf bis zu 600 Mio. DM.137 Konkreter waren dagegen die Vorstellungen im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Dieser hielt in seinem Bericht für die Verhandlungen im Deut134 Bulletin vom 03.10.1956, Nr. 186, S. 1774 („Die praktische Lösung der Währungsfrage an der Saar“). Für den Volkswirt vom 10.11.1956 (s. Fußnote 132, S. 121) war hierfür „weder eine ökonomisch noch juristisch einwandfreie Begründung vorgebracht“ worden. 135 Schreiben (deutsche Delegation (SCHLICHTING) an BMF (SCHROEDER-HOHENWARTH)) vom 11.09.1956 betr. Art. 64, 65 Saarabkommen in B 126/7367 und B 126/7368. Angaben BLINDs vom 18.09.1956 zufolge hatten die Franzosen das Saarland gezwungen, Liquiditätsreserven in Höhe von etwa 41 Mrd. FFR in Paris anzulegen. Vermerk vom 20.09.1956 (s. Fußnote 123, S. 120). 136 Ministervorlage (SCHROEDER-HOHENWARTH) vom 02.10.1956 betr. Abkommen über die Saar; hier: Fragen der Währungsumstellung, in B 126/7367. Vermerk vom 20.09.1956 (s. Fußnote 123, S. 120). – Der Bund trat ferner in die Anleiheverbindlichkeiten der Saarregierung gegenüber der französischen Regierung nach Art. 59 ein und übernahm einige andere Posten nach Art. 60, die sich aus dem Vorschuß- und Verrechnungsverkehr zwischen dem französischen und dem saarländischen Finanzministerium sowie aus der Abrechnung im Postverkehr ergaben. 137 Vermerk (FÖGEN an Direktorium) vom 27.10.1956 betr. Saarvertrag in B 330/4231/2.
3.6 Der Konflikt um die bilanzielle Notendeckung
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schen Bundestag über die Ratifizierung des Saarvertrages nach Rücksprache mit dem zuständigen Referenten hinsichtlich der Etatauswirkungen fest, daß es der späteren Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten bleibe, ob und inwieweit die Aufwendungen für die Beträge in Höhe von 40 Mrd. FFR nach Art. 56 und 28 Mrd. FFR nach Art. 58 durch Ausgleichsforderungen der BdL gegen den Bund gedeckt werden.138 Hierdurch wurde nach Auffassung des BMF zwar noch „keine Entscheidung des Gesetzgebers, jedoch ein Merkposten“ dafür geschaffen, daß der Bundestag diese Frage jedenfalls nicht im Sinne der Notenbank entschieden habe.139 Mit dem Abschluß des Saarvertrages waren somit keineswegs „die letzten, bisher noch ungeklärten Fragen der Währungsumstellung im Saarland entschieden“. Ungewiß blieb nicht nur der Zeitpunkt der Währungsumstellung,140 sondern auch die Regelung dieses Merkpostens. 3.6 Der Konflikt um die bilanzielle Notendeckung Die politische Eingliederung des Saarlandes vollzog sich zum 1. Januar 1957.141 Da es wirtschaftlich und somit auch währungsmäßig spätestens am 31. Dezember 1959 einzugliedern war, nahm das BMF im Zuge der Planungen zum Etat 1959 im März 1958 die interne Erörterung der Deckungsfrage wieder auf. Dabei zeigte sich Erstaunliches. SCHÄFFER hatte sich in einem Schreiben vom 24. Juli 1956 erstmals über die bis dahin im BMF bestehenden Zweifel hinweggesetzt und eine zutreffende Begründung für eine Deckung auch der etwa über 37 Mrd. FFR hinausgehenden Leistungen des Bundes an Frankreich durch Ausgleichsforderungen gegeben. Ohne näher auf die Frage eingehen zu wollen, „inwieweit in dem theoretischen Fall einer [über 37 Mrd. FFR hinausgehenden] unentgeltlichen Mehrabführung von Noten an Frankreich Deckungswerte in Form von Ausgleichsforderungen gestellt werden sollten“, meinte er, daß in diesem Fall „die Zuführung des Wirtschaftspotentials des Saarlandes in das Währungsgebiet der Deutschen Mark eine entsprechende Ausdehnung des Notenumlaufs und seine Deckung durch Ausgleichsforderungen“ rechtfertigen könne.142 – Hiergegen hätte die Notenbank lediglich einwenden können, daß ihr die Potentialorientierung wegen der französischen Forderung nach Umstellung zum offiziellen Kurs gar nicht möglich sei. Sie tat es jedoch nicht. Erstaunlich ist nun, daß der zuständige Referent SCHÄFFERs Schreiben kannte, darauf aber nicht zurückgriff, sondern die anderen beteiligten Referate der Abteilungen II und V mit Schreiben vom 21. März 1958 um Argumentationshilfe für die Auseinandersetzung mit der Bundesbank bat. Daß er sich darin auf SCHÄFFERs 138 BT-Drs. II/3000, S. 27 ff. 139 Schreiben (SCHLICHTING an diverse Referate) vom 17.12.1956 betr. Saarabkommen Art. 56 Abs. 2, Art. 58 Abs. 1 in B 126/7365 und B 126/18273. 140 Der Volkswirt vom 10.11.1956, S. 16 („Die Währungsumstellung im Saarland“). 141 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1957, S. 25 f. 142 Schreiben (SCHLICHTING) und Schreiben (SCHÄFFER an BdL) vom 24.07.1956 (s. Fußnote 122, S. 120).
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
Argumente zur Rechtfertigung der Zuteilung einer Ausgleichsforderung lediglich für den DM-Gegenwert der 37 Mrd. FFR beschränkte,143 könnte mit Problemen erklärt werden, die er eventuell damit hatte, sich nun gegenüber der Notenbank den französischen Standpunkt zu eigen zu machen,144 gegen den man einst gemeinsam argumentiert hatte (siehe S. 88 f.). Nach einer Hausbesprechung am 5. Mai 1958 sah man (zunächst) übereinstimmend in einer Beschränkung auf 370 Mio. DM (für die 37 Mrd. FFR) kein Präjudiz für die Finanzierung sonstiger politischer Lasten, weil es sich bei der Erstausstattung um einen einmaligen, an die Währungsreform anknüpfenden Vorgang handele. Man erachtete ferner die damit verbundene Geldschöpfung im Hinblick auf den gesamten Notenumlauf im Bundesgebiet und das zusätzliche Wirtschaftspotential noch als adäquat. Schließlich hoffte man, die Ausgleichsforderungen in dieser Höhe in die seit dem Inkrafttreten des BBkG nach § 42 mögliche Mobilisierung einbeziehen zu können.145 Noch mehr erstaunt, daß der zuständige Referent sogar an der Deckung der 370 Mio. DM durch eine Ausgleichsforderung zweifelte. Sein Vorschlag, wenigstens auf einer derartigen Deckung für jenen (auf mindestens 100 Mio. DM veranschlagten) Teil zu bestehen, den die Notenbank bei einer Einbeziehung des Saargebietes in die Währungsreform 1948 hätte übernehmen müssen,146 deutet darauf hin, daß ihn der einst ebenso argumentierende FÖGEN (siehe S. 94 f.) offenbar mehr überzeugte als SCHÄFFER. Daß das BMF nachher doch mit der Forderung in die Auseinandersetzung ging, die Bundesbank möge den gesamten Betrag von 680 Mio. DM (für die 68 Mrd. FFR) übernehmen, hatte einerseits taktische Gründe und lag andererseits insbesondere an der Abteilung II. Diese regte einen Monat nach der Hausbesprechung am 5. Mai wegen der etatmäßigen Bedeutung an, unter ihrer Beteiligung baldmöglichst die Bundesbank zu kontaktieren, um ohne eine zahlenmäßige Erörterung deren grundsätzliche Anerkennung zur Übernahme einer Ausgleichsforderung zu erreichen und auf dieser Grundlage einen hierzu notwendigen Gesetzentwurf im Herbst 1958 kabinettsreif vorlegen zu können.147
143 Vermerk (SCHLICHTING an diverse Referate) vom 21.03.1958 betr. Art. 56 und 58 Saarvertrag – […]; hier: Deckung der Aufwendungen des Bundes durch Zuteilung von Ausgleichsforderungen an die BBk – in B 126/7365. Der Vermerk faßte mit Bezug auf die Schreiben (BdL) vom 05.06.1956 (s. S. 89), 30.06.1956 (s. S. 97) und 23.08.1956 (s. Fußnote 122, S. 120) die beiderseitigen Standpunkte zusammen. 144 SCHLICHTING hatte aus den gleichen Gründen auch darauf verzichtet, eine „stärkere Formulierung im Sinne des Standpunktes des BMF“ für die BT-Drs. II/3000 (s. Fußnote 138, S. 123) vorzuschlagen. 145 Vermerk (SCHLICHTING) vom 07.05.1958 betr. Art. 56 und 58 Saarvertrag – […]; hier: Dekkung der Aufwendungen des Bundes durch Zuteilung von Ausgleichsforderungen an die BBk – in B 126/7365 und B 126/18273. 146 Vermerk vom 21.03.1958 (s. Fußnote 143). 147 Vermerk vom 11.06.1958 betr. Währungsumstellung im Saarland (Art. 56 und 58 des Saarvertrages); hier: Deckung der Aufwendungen des Bundes durch Zuteilung von Ausgleichsforderungen an die BBk, in B 126/7365. Die Abteilung II mußte sich auch um die Finanzierung der nach Art. 59 Saarvertrag übernommenen Anleihen (s. Fußnote 136, S. 122) im Gesamtwert von 126 Mio. DM (für die 12,6 Mrd. FFR) kümmern.
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3.6.1 Der konsensorientierte Diskurs mit dem BMF In einer Besprechung über die Finanzierung der Saarrückgliederung am 17. Oktober 1958 nahmen seitens des BMF KARL MARIA HETTLAGE, Leiter der Abteilung II (Bundeshaushalt), und JOACHIM VON SPINDLER, Leiter der Abteilung V (Schuldenwesen, allgemeine und internationale Finanzierungsfragen, Liquidation des Krieges), sowie KARL BLESSING, seit Jahresanfang BBk-Präsident, folgende, vom ZBR und von FRANZ ETZEL, seit knapp einem Jahr Bundesminister der Finanzen, zu billigende Regelung in Aussicht: Die Bundesbank gewährt dem Bund einen Sonderkredit in Höhe von 680 Mio. DM, für dessen Deckung ihr unverzinsliche Schatzanweisungen in einer Stückelung und Ausstattung nach ihrer Wahl ausgehändigt werden. Sie kann die vom Bund in drei gleichen Raten in den Rechnungsjahren 1964 bis 1966 einzulösenden Schatzanweisungen auf dem Geldmarkt plazieren oder im eigenen Bestand halten, wobei sie bis zu den Jahren 1964 bis 1966 die Schatzanweisungen bei deren Fälligkeit mit ihren Mitteln gegen Aushändigung von Prolongationspapieren durch den Bund an die Bank einlöst.148 Die in Aussicht genommene Regelung bot für alle Vorteile. Sie erlaubte dem BMF, auf eine Ausgleichsforderungslösung zu verzichten, die intern nicht frei von Bedenken war. Gegen sie war vorgetragen worden, der Gleichheitsgrundsatz verbiete, den Schuldnern einen Ausgleich durch liquide Mittel, den Banken dagegen nur Ausgleichsforderungen zur Deckung der infolge der asymmetrischen Umstellung bei ihnen entstehenden Unterschüsse der Einnahmen gegenüber den Ausgaben zu gewähren.149 Dieses Problem bestand nach der ersten Abwertung des FFR am 12. August 1957 abgemildert fort, weil sie dessen amtlichen Kurs lediglich an die Kaufkraft annäherte. Der Bund mußte außerdem bis zu den Einlösungszeitpunkten nur die Diskontbeträge zu Lasten des Etats bereitstellen, während die Bundesbank durch die Plazierung der Schatzanweisungen insoweit deflationär wirken konnte. Diese Regelung hatte allerdings einen Haken. ETZEL wurde – zutreffend – intern dargelegt, daß sie aus haushaltsrechtlichen Gründen nach Art. 115 GG eine gesetzliche, ihn zur Begebung der Geldmarktpapiere ermächtigende Vorschrift erfordere.150 § 42 Abs. 3 Satz 1 BBkG enthielt bereits die nach Art. 115 GG erforderliche Kreditermächtigung zur Mobilisierung von Ausgleichsforderungen. Diese Mobilisierungspapiere (d. h. Schatzwechsel) waren außerdem nicht auf die Kredithöchstgrenze nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 a BBkG anzurechnen, weil es sich bei ihnen materiell nicht um einen Kredit an den Bund, sondern lediglich um eine – grundsätzlich nur zeitweilige – technische Umwandlung handelte.151 Unverzinsli148 Ministervorlage (BUSSMANN / VON SPINDLER) vom 20.10.1958 betr. Beteiligung der Bundesbank an der Bereitstellung der für die Einführung der DM-Währung im Saarland erforderlichen Haushaltsmittel in B 126/7365, B 126/18273 und B 126/42318. 149 Die Unterschüsse bei Banken sollten wie 1948 durch Ausgleichsforderungen gedeckt werden. Vermerk (SCHLICHTING) vom 24.04.1957 betr. Behandlung der Banken bei Ausgleichsmaßnahmen in B 126/7376. 150 Ministervorlage vom 20.10.1958 (s. Fußnote 148). 151 V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 601.
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che, in der Regel mit einer Laufzeit von 6 bis 24 Monaten ausgestattete Schatzanweisungen waren bei ihrer Unterbringung auf dem Geldmarkt nach § 20 BBkG zwar ebenfalls nicht auf den Kreditplafond anzurechnen. Mit einer Laufzeit von über einem Jahr stellten sie jedoch eine Kreditaufnahme des Bundes dar, die nach Art. 115 GG eines besonderen Bundesgesetzes bedurfte. Diese Bedingung konnte seinerzeit gem. § 1 Abs. 3 der gültigen Reichsschuldenverordnung vom 13. Februar 1924152 entweder mit Hilfe des Haushaltsgesetzes 1959 oder mit Hilfe des in Vorbereitung befindlichen Wiedereingliederungsgesetzes erfüllt werden. Demnach wäre gesetzlich festzuschreiben gewesen, daß die Bundesbank mindestens einen Betrag in Höhe des DM-Gegenwertes von 37 Mrd. FFR und höchstens einen Betrag in Höhe des DM-Gegenwertes von 68 Mrd. FFR zur Verfügung zu stellen sowie bis zur Endfälligkeit in den Jahren 1964 bis 1966 Prolongationspapiere hereinzunehmen hätte. Diese Lösung, die FÖGEN als vertretbar erachtete,153 fand nicht die Zustimmung des ZBR. In der 34. ZBR-Sitzung am 30. Oktober 1958 berichtete BLESSING, daß er Ausgleichsforderungen mangels Veräußerungsmöglichkeit abgelehnt habe und daß mit der Regulierung über den Geldmarkt eine Lösung gefunden worden sei, der sich der ZBR „jetzt nicht entziehen“ könne. Wenn die Bundesbank als Agentin der Bundesregierung tätig werde, sei „zum Glück“ kein Sondergesetz nötig. Sie müsse jedoch die Zusage geben, die Papiere im Markt zu halten. Diese Zusage erschien CARL WAGENHÖFER, Präsident der LZB in Bayern, „währungspolitisch unzweckmäßig“ und begegnete notenbankrechtlichen Bedenken. FRIEDRICH WILHELM VON SCHELLING, Präsident der LZB in der Freien und Hansestadt Hamburg, der diese Lösung vorschnell zunächst begrüßt hatte und notfalls eine gesetzliche Regelung zu akzeptieren bereit gewesen war, wies nun unter Bezugnahme auf den von VON SPINDLER mitverfaßten BBkG-Kommentar und mit Zustimmung von BERNHARD BENNING, Mitglied des Direktoriums, darauf hin, daß die „Zusagung, Offenmarktpapiere im Markt zu halten, nicht angängig“ sei und eine Plafondumgehung bedeute. Tatsächlich konnte die Notenbank im Rahmen der Offenmarktpolitik einem Emittenten diese Zusage nicht machen.154 Der ZBR wollte daher eigentlich erreichen, daß die Bundesbank als „fiscal agent“ ohne konkrete Verpflichtung, aber mit der Erklärung, sich um ein Halten der Papiere im Markt bemühen zu wollen,155 tätig wird. Die diesbezüglichen Chancen beurteilte man im ZBR jedoch als unrealistisch (BLESSING). Das BMF wolle keine risikobelastenden Sachen machen (ERICH ZACHAU, Mitglied des Direktoriums) und sicher gehen, daß Haushaltsausgaben erst 152 V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 399. 153 ZBR-Vorlage (FÖGEN) vom 18.10.1958 betr. Refinanzierung des Bundes wegen Zahlung an Frankreich nach dem Saarvertrage in B 330/4232/1. 154 V. Spindler / Becker / Starke (1957), S. 190. V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 431. 155 EMMINGER zufolge hatte die Notenbank jedoch zumindest bei der Einzahlung der 18%Subskription an die Weltbank eine solche „Erklärung“ abgegeben, einen bestimmten, „allerdings sehr kleine[n] Betrag“ von U-Schätzen im Markt zu halten. VON SCHELLING sagte daher: „Erklärung geht, eigentliche Zusage geht nicht.“ Handschriftliche Notizen und Auszug aus dem Stenogramm zur 34. Sitzung (s. Fußnote 158, S. 127).
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ab 1964 anlaufen (FÖGEN). Hierfür ausschlaggebend waren die Etatplanungen, die ETZEL am Vortag in der 40. Sitzung des Bundeskabinetts in Anwesenheit von BLESSING vorgelegt hatte. Diese sahen, um die Deckung des Haushalts überhaupt sicherstellen zu können, neben dem „Sonderkredit der Bundesbank für Währungsmaßnahmen Saar in Höhe von 0,7 Mrd. DM“ bereits die Aufnahme einer Anleihe in Höhe von 3 Mrd. DM am Kapitalmarkt vor, eine Größenordnung, die BLESSING in der Kabinettssitzung als „oberste Grenze“156 und im ZBR einen Tag später als „nicht sicher“157 erzielbar bezeichnet hatte. Der ZBR lehnte daher mehrheitlich den internen, eine weitere Belastung der Kapitalmärkte nicht ausschließenden Vorschlag als „ziemlich unerreichbar“ ab. Er wollte allerdings auch um jeden Preis eine gesetzliche Regelung vermeiden. Zur Finanzierung der Saarrückgliederung war ihm deshalb eine Ausgleichsforderung „noch lieber als eine gesetzliche Regelung“ (HERMANN TEPE, Präsident der LZB in Bremen). Auf Anregung von HARTLIEB sollte die Bundesbank nur in Höhe des DM-Gegenwerts der von Frankreich 1947 anläßlich der FFR-Einführung im Saarland ohne Gegenleistung aufgewandten 37 Mrd. FFR sog. Sonder-Ausgleichsforderungen mit einer „gewissen Tilgungsfrist“ (WAGENHÖFER) und in Papieren ihrer Wahl (BLESSING) im Sinne einer „Transformation der damaligen Währungsumstellung“ (EDUARD WOLF, Mitglied des Direktoriums) gewähren. Die restlichen 31 Mrd. FFR sah sie dagegen unverändert als „währungspolitisch auch nicht ganz neutral“ (WOLF) und als politisches, vom Bund per Kasse zu finanzierendes Geschenk an. Das Sitzungsprotokoll signalisierte daher nach „einer längeren Aussprache“ über den „Charakter der in Frage stehenden Zahlungen des Bundes an Frankreich und die möglichen Aufbringungs- und Finanzierungsformen“ ein Entgegenkommen: „[N]ur für die beiden Teilbeträge von 28 und 9 = 37 Mrd. FFR [könnte] von einer ‚nachgeholten Währungsreform’ gesprochen werden.“158 Nach der partiellen Ablehnung des ZBR drängte die Zeit bei den Etatplanungen. Bereits am 8. November 1958 setzte man die Erörterungen in einem größeren Kreis fort. BLESSING führte dabei gegenüber den Vertretern des BMF aus, daß es im ZBR „ernste Bedenken“ gegen die in Aussicht genommene Lösung gegeben habe. Die anvisierte Regelung erwecke psychologisch den Eindruck, daß der Bundesbank „Papiere aufoktroyiert“ werden. Es dürfe jedoch „keine Vergewaltigung der Bu[ndes]ba[nk] d[urch] Gesetz“ stattfinden. Um dies zu verhindern, sei die Notenbank auch bereit, eine Sonder-Ausgleichsforderung in Höhe von 370 Mio. DM zu akzeptieren. HETTLAGE und VON SPINDLER stimmten ohne weiteres zu, bemerkten „[m]öglichst ges[etzliche] Regelung vermeiden“ und halfen bei der Suche nach einer Alternative. Der Vorschlag der Bundesbank, bei der Plazierung verzinslicher, in den Jahren 1964 bis 1966 fälliger Schatzanweisungen behilflich zu sein, stieß bei ihnen mit Blick auf den sehr hohen Bedarf des Bundes an Kapi156 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1958, S. 368 ff. 157 Auszug aus dem Stenogramm („Bericht über den Bundesetat“) zur 34. Sitzung des ZBR/BBk am 30.10.1958 in B 330/146/1. 158 Handschriftliche Notizen, Auszug aus dem Stenogramm („Saarland“) und Protokoll zur 34. Sitzung des ZBR/BBk am 30.10.1958, TOP 10 („Refinanzierungswünsche des Bundes wegen nach dem Saarvertrag zu leistenden Zahlungen an Frankreich“), in ebd.
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talmarkttiteln in den kommenden Jahren erwartungsgemäß jedoch auf Ablehnung.159 Der Vorschlag HETTLAGEs, den normalen Kreditplafond einfach von 3 auf 3,7 Mrd. DM zu erhöhen, schied nach Auffassung von BLESSING der „Optik“ wegen aus. Der im ZBR formulierte Vorschlag, auf eine vorzeitige Schuldentilgung zu verzichten und mit den freiwerdenden Mitteln die Saarrückgliederung zu finanzieren,160 wurde fallen gelassen, weil einem Wunsch der Vereinigten Staaten (anstelle sonst zu übernehmender Stationierungskosten) nachgekommen werden sollte. VON SPINDLER stellte schließlich die Frage, ob die Bundesbank nicht von der bzw. über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eine Anleihe übernehmen könne. HETTLAGE bezeichnete einen solchen Kredit zwar als „Pseudokredit“. Seine „Bedenken g[e]g[en] Staat zu Staat Kredite“161 teilte man wenig später auch im ZBR. TEPE und OTTO PFLEIDERER, Präsident der LZB in Baden-Württemberg, meinten, der ZBR sollte „einer Haushalts-Verschleierung keinen Vorschub leisten“.162 Hierüber wollte man aber hinwegsehen, um zu einer Lösung zu kommen. Diese wurde ETZEL zwei Tage später zwecks Billigung vorgetragen. Die KfW sollte demnach vom Bund in den Jahren 1964 bis 1966 fällige Schatzanweisungen fest, d. h. ohne eine Berechtigung zur Weiterveräußerung, übernehmen und zur Beschaffung der dafür erforderlichen Mittel von der Bundesbank zu übernehmende und im Rahmen ihrer Offenmarktgeschäfte zu plazierende Kassenobligationen mit einer Laufzeit von drei Jahren begeben. HETTLAGEs Bedenken waren gewiß berechtigt. VON SPINDLERs KfW-Vorschlag bot jedoch für die Bundesbank den großen Vorteil, sich nicht mehr auffällig im Rahmen eines Gesetzes gegenüber dem Bund, sondern nur noch unauffällig gegenüber der KfW verpflichten zu müssen: Sie sollte der KfW vertraglich zusagen, die Kassenobligationen bis zur Fälligkeit der Schatzanweisungen zu prolongieren und bei einem etwaigen Rückfluß aus dem Markt selbst aufzunehmen.163 Diese Regelung bot den Notenbankvertretern damit gleichzeitig den geldpolitisch wichtigen Nebeneffekt, im Zuge der Währungsumstellung im Saarland die Geldmenge zumindest in dem Umfang reduzieren zu können, in dem es der Bundesbank gelingen würde, die Kassenobligationen am Markt unterzubringen.
159 Ministervorlage vom 10.11.1958 (s. Fußnote 163). 160 TEPE hatte Entsprechendes angeregt, nachdem er nach seiner Kritik einer „Verkomplizierung der Haushaltsgebarung“ in der 34. ZBR-Sitzung (s. Fußnote 158, S. 127) ETZELs Absicht beanstandet hatte, nichtfällige Nachkriegsschulden im voraus zu tilgen. Schreiben (TEPE an BLESSING) vom 01.11.1958 in B 330/3230. 161 Handschriftliche Notizen zur Besprechung am 08.11.1958 in B 126/7365. 162 Handschriftliche Notizen zur 35. Sitzung des ZBR/BBk am 13.11.1958 in B 330/146/2. 163 Ministervorlage (VON SPINDLER / BUSSMANN) vom 10.11.1958 betr. Finanzierung der mit der Einführung der DM im Saarland verbundenen Aufwendungen in B 126/7365.
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3.6.2 Die dissensrestituierende Intervention des BMWi Mitte Dezember 1958 schaltete sich das in Angelegenheiten der Währungsumstellung federführende BMWi in Unkenntnis der laufenden Verhandlungen ein. HANS HENCKEL, Leiter der dortigen Abteilung VI (Geld und Kredit), griff in einem mit einer Sitzungseinladung übermittelten Verordnungsentwurf die Idee und Begründung des BMF mit dem Unterschied auf, daß die Bundesbank aufgrund eines Gesetzes nunmehr die für den Barumtausch benötigten DM-Geldzeichen gegen eine in entsprechender Höhe und mit drei Prozent jährlich zu verzinsende Ausgleichsforderung gegen den Bund zur Verfügung stellen sollte.164 Nachdem er in der Sitzung am 17. Dezember 1958 im BMWi über den Verhandlungsstand unterrichtet worden war, distanzierte er sich zwar wieder von diesem Vorhaben, lehnte aber auch den seines Erachtens nur wegen seiner vermeintlich deflationären Wirkung ins Auge gefaßten KfW-Vorschlag ab. Er hielt den ursprünglichen Plan, die Bundesbank per Gesetz zur Hereinnahme von U-Schätzen in Höhe des für den Notenumtausch notwendigen Betrages in einer Ausstattung nach ihrer Wahl mit einer Prolongationsauflage bis 1964/66 zu verpflichten (siehe S. 125), nun für den besten Weg165 und versuchte, den BBk-Vertreter davon zu überzeugen, „daß ein solches Gesetz die Belange der Notenbank nicht beeinträchtigen könne“ (BMF). FÖGEN entgegnete, die Bundesbank müßte dann „unbestreitbar“ eine weitgehend nur aus politischen Gründen übernommene Zahlung ermöglichen, und malte die möglichen Konsequenzen aus: „Man dürfe nicht überrascht sein und habe es grundsätzlich als erfreulich anzusehen, wenn die Öffentlichkeit hellhörig werde […]. Schon um überhaupt keine Diskussion in der Öffentlichkeit aufkommen zu lassen […], sei ein Weg, der eine gesetzliche Verpflichtung der Bundesbank zur Bereitstellung bestimmter Beträge entbehrlich machen würde, einer Regelung, wie sie Dr. Henckel vorschwebe, in dessen Mittelpunkt die Schaffung einer gesetzlichen Verpflichtung der Bundesbank zur Bereitstellung bestimmter Beträge stehe, vorzuziehen.“
Entgegen FÖGENs Vorschlag beschränkte sich der BBk-Beitrag nach HENKVorschlag nicht auf den DM-Gegenwert der Notenerstausstattung von 1947 in Höhe von 9 Mrd. FFR, sondern orientierte sich endlich am Umfang der zum Umtausch kommenden FFR-Zahlungsmittel. Soweit dieser unter den insgesamt an Frankreich zu leistenden 68 Mrd. FFR bleiben würde, sollte sich das BMF nach einer anderen Finanzierungsquelle umsehen. Soweit dieser jedoch darüber liegen würde, sollte das BMF eine in Höhe der Differenz entstehende Forderung der Bundesbank sofort tilgen. Wenngleich letzteres nicht unbedingt nachvollziehbar war, kam HENCKELs Vorschlag der Durchführung der Währungsreform 1948 bisKELs
164 Schreiben (BMWi (HENCKEL) an BMF / BMJ / BBk) vom 12.12.1958 betr. 1) […]; 2) Ausgabe von DM-Geldzeichen im Saarland, in B 126/42318. Fernschreiben-Korrespondenz vom 15.12.1958 in ebd. 165 HENCKELs Kritik am KfW-Vorschlag im Hinblick auf dessen deflationäre Wirkung war nicht schlüssig, weil auch der ursprüngliche Vorschlag die Möglichkeit einer Plazierung von Titeln am Geldmarkt vorsah (s. S. 125 f.).
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lang am nächsten.166 Er kam jedoch zu spät und war taktisch ungeschickt. Für das BMF, das primär die Aufbringung der im außerordentlichen Haushalt 1959 als Zahlung an Frankreich vorgesehenen 680 Mio. DM sichergestellt sehen wollte, bedeutete er wegen des schlecht zu schätzenden FFR-Notenumlaufs eine unkalkulierbare Belastung. FÖGEN zufolge befürchtete man dort, daß man von der Bundesbank keine Unterstützung bei der Finanzierung des nicht für den Notenumtausch notwendigen Betrages bekommen werde, wenn man sie gegen ihren Willen gesetzlich zur Bereitstellung des für den Notenumtausch erforderlichen Betrages verpflichten würde.167 In der Bundesbank stellte der Vorschlag HENCKELs ein Ärgernis ohne Erfolgsaussichten dar. BLESSING und BENNING ignorierten HENCKELs Anregungen, während das BMF für die Etatberatungen in den BT-Ausschüssen ungeduldig auf eine diesbezügliche Stellungnahme der Bundesbank wartete.168 Beide „bestätigten“ statt dessen mit Schreiben vom 14. Januar 1959 an ETZEL eine angeblich in verschiedenen mündlichen und fernmündlichen Besprechungen vorgeschlagene Form der Finanzierung. Der Bund sollte hiernach der KfW auf die Jahre 1964, 1965 und 1966 fällig gestellte Schuldtitel im Gesamtwert von 680 Mio. DM übergeben, deren Stücke die KfW sodann nur insoweit als kürzerfristige Titel begeben sollte, als es der KfW mit Hilfe der Bundesbank nicht gelingen würde, diese Stükke fest und direkt, d. h. ohne Zwischenschaltung des Bundesanleihekonsortiums, als mittelfristige Papiere zu plazieren. BLESSING und BENNING wollten also in erster Linie mittelfristige Papiere unterbringen, die ihres Erachtens die Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarktes für die späterhin in Aussicht genommenen langfristigen Bundesanleihen nicht beeinträchtigten.169 Deren Unterbringung schien in der 39. ZBR-Sitzung am 22. Januar 1959 die Konfliktlösung ohne jene Ausgleichsforderungen zu sein, die HENCKEL der Bundesbank „aufhängen“ (BLESSING) wollte. BLESSING berichtete – erneut voreilig –, ETZEL habe sich telefonisch mit diesen Vorschlägen einverstanden erklärt. Die Bundesbank könne als „fiscal agent“ sofort einen Teil der Papiere, unter den gegenwärtigen Bedingungen wahrscheinlich sogar den ganzen Betrag in Höhe von 680 Mio. DM, bis zur Endfällig166 HENCKELs Vorschlag ließ allerdings offen, ob auch den Kapitalsammelstellen analog zur Währungsreform 1948 Ausgleichsforderungen zugewiesen werden sollten. Daß das BMF – wie übrigens die Notenbank – hierzu keine Notwendigkeit gesehen hatte, weil ihm die Lage der saarländischen Kapitalsammelstellen nicht mit der Lage der Kapitalsammelstellen 1948 vergleichbar erschien (Vermerk (SCHLICHTING) vom 24.04.1957 betr. Behandlung der Banken bei Ausgleichsmaßnahmen in B 126/7376), untermauert Gawels These (s. S. 80). 167 Vermerk (FÖGEN an BLESSING / TROEGER u. a.) vom 19.12.1958 betr. Rückgliederung des Saarlandes [...] Besprechung im BMWi am 17.12.1958 in B 330/4232/1. Vermerk (SCHLICHTING) vom 18.12.1958 betr. Finanzierung der mit der Währungsumstellung im Saarland verbundenen Aufwendungen in B 126/7365. 168 Ministervorlage (BUSSMANN) vom 06.01.1959 mit Entwurf eines Schreibens (BMF an BBk) betr. Finanzierung der mit der Einführung der DM im Saarland verbundenen Haushaltsausgaben in B 126/18273. 169 Schreiben (BBk (BLESSING / BENNING) an BMF (ETZEL)) vom 14.01.1959 betr. Finanzierung der Vergütung an Frankreich […] in B 126/42318 und B 330/3230. Als Anlage zu Punkt 6 der TO für die 40. Sitzung des ZBR/BBk am 05.02.1959 auch in B 330/149/2.
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keit unterbringen. Ein dennoch verbleibender Rest würde von der KfW übernommen werden, die dann ihrerseits Papiere ausgeben würde, die die Bundesbank als Offenmarktpapiere verwenden könne.170 Der Schein trog. Die BMF-Vertreter hatten von vornherein die alleinige Finanzierung über den mittelfristigen Kapitalmarkt abgelehnt und stets auf ein Angehen des Marktes mit kurzfristigen KfW-Titeln bestanden.171 VON SPINDLER zufolge war als Kompromiß vereinbart worden, daß die KfW nach Abzug einer unbedenklich auch am Kapitalmarkt unterzubringenden kleinen Spitze in Höhe von 150 Mio. DM eine mittelfristige Bundesanleihe ins Portefeuille nimmt und im Einvernehmen mit der Notenbank eigene Zertifikate am Geldmarkt unterbringt. Daß die Bundesbank nun vom Bund verlangte, in voller Höhe mit 680 Mio. DM an den Kapitalmarkt zu gehen, deutete VON SPINDLER dahingehend, daß sie „offenbar keine Gegenliebe bei der KfW gefunden“ habe. Weil das BMF und das BMWi weiter die Unterbringung sonstiger langfristiger Anleihen des Bundes sowie anderer Stellen nicht beeinträchtigen wollten, griffen sie auf den alten Plan zurück. Sie entwarfen für eine Chefbesprechung, an der ERHARD teilnehmen sollte, „um den Eindruck eines Ultimatums zu vermeiden“, eine Bestimmung, die in eines der Saargesetze aufgenommen werden und die Bundesbank verpflichten sollte, gegen Zuteilung einer Ausgleichsforderung dem Bund einen Sonderkredit in Höhe von 680 Mio. DM zu gewähren.172 Dem BMF half dabei die zweite FFRAbwertung vom 27. Dezember 1958, die eine Verkürzung der Übergangszeit angebracht erscheinen ließ und für das BMF den Handlungsspielraum erhöhte. Sie hatte die Diskrepanz zwischen dem offiziellen Wechselkurs (100 FFR = 0,8507 DM) und der Kaufkraftparität und somit auch die Notwendigkeit von Ausgleichsmaßnahmen, die, sofern diese auch bei Kreditinstituten mittels Ausgleichsforderungen erfolgen sollten, für das BMF rechtlich bedenklich waren (siehe S. 125), beseitigt.173 ETZEL konnte deshalb in seiner Antwort vom 23. Januar 1959 den Druck erhöhen und sich vom Inhalt des Schreibens von BLESSING und BENNING „sehr enttäuscht“ zeigen. Weil die Bundesbank auf ihren anfänglichen Vorschlag zurückgekommen sei, sehe er sich zum Rückgriff auf den ursprünglichen Plan seines Hauses veranlaßt. Zusammen mit ERHARD halte er die Stillegung von Kapitalmarktmitteln für unerwünscht. Er habe sich mit dem zwischenzeitlich von der 170 Handschriftliche Notizen und Auszug aus dem Stenogramm („Eingliederung des Saargebiets“) zur 39. Sitzung des ZBR/BBk am 22.01.1959 in B 330/149/1. 171 Schreiben vom 29.01.1959 (s. Fußnote 174, S. 132). 172 Vermerk (VON SPINDLER) vom 20.01.1959 betr. Einführung der D-Mark im Saargebiet in B 126/42318. Vorgesehen waren als Beispiel für Ausgleichsforderungen mit 3 % verzinsliche und (im Unterschied zur Währungsreform 1948) in zehn gleichen Raten ab 1960 tilgbare Schatzanweisungen, die während ihrer Laufzeit im Bestand der Bundesbank bleiben, zum Nennwert bilanziert und, um den Nachteil der Illiquidität zu beheben, in die Mobilisierungspapiere einbezogen werden sollten. Entwürfe in B 126/18273. 173 Gegen eine Verkürzung der Übergangszeit wandte das BMF jedoch ein, daß dem Saarland mit jedem vorgezogenen Monat französische Zuwendungen im Gegenwert von rd. 50 Mio. DM entgehen würden.
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Bundesbank zur Erörterung gestellten Plan, Mittel auf der Grenze von Geld- und Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen, unter Zurückstellung von Bedenken einverstanden erklärt, obwohl auch dieser Plan nicht frei von deflatorischen Auswirkungen sei. Das demnächst dem Kabinett vorzulegende Wiedereingliederungsgesetz für das Saarland würde jedoch die Bundesbank geldpolitisch neutral verpflichten, dem Bund einen Sonderkredit in Höhe des benötigten Betrages gegen Zuteilung einer Art Ausgleichsforderung zu gewähren. – Diese Ausführungen ETZELs waren widersprüchlich und, da man aus den Verhandlungen wußte, daß im BMF in Wahrheit nicht geld-, sondern haushaltspolitische Gründe ausschlaggebend waren, wenig überzeugend. Die Bundesbank machte es aber in ihrer Antwort vom 28. Januar 1959 nicht anders. Sie griff nicht auf einen Entwurf KÖNNEKERs zurück, der ihre Pläne mit dem Wunsch nach Liquiditätsabsorption begründet und so immerhin einen wahren Kern enthalten hätte. Sie entgegnete beschwichtigend – was laut FÖGEN gar nicht gesagt werden konnte –, man sei sich nach den gemeinsamen Besprechungen der Zustimmung des BMF zu den letzten BBk-Vorschlägen sicher gewesen. Sie beschränkte sich auf Floskeln, wiederholte nur ihre ernsten Bedenken gegen ihre gesetzliche Verpflichtung und kündigte an, BLESSING werde nach Erörterung in der nächsten ZBR-Sitzung „gewiß gern zu einer Chefbesprechung zur Verfügung“ stehen.174 BLESSING schilderte in der 40. ZBR-Sitzung am 5. Februar 1959 wegen ETZELs Schreiben seine Sicht der Dinge. Er habe den BMF-Vertretern um HETTLAGE schon vor den Etatberatungen, aber auch danach in den Verhandlungen ohne Widerspruch „ganz klar gemacht“, „daß es für den ZBR außerordentlich schwierig wäre, sich durch Gesetz zwingen zu lassen, irgendwelche Papiere zu übernehmen, weil das die öffentliche Meinung in Deutschland nicht ermutigen würde. Man würde sagen: Das ist der erste Schritt dazu, daß die Notenbank trotz der Unabhängigkeit vom Bund gezwungen wird, bestimmte Dinge zu machen, die im gegenwärtigen Gesetz nicht vorgesehen sind.“
BLESSING sah die Verantwortung für die eingetretene Situation bei HENCKEL. Nach dessen Intervention sei es am 7. Januar 1959 zu einer Besprechung in Frankfurt gekommen, in der HENCKEL zum Schluß keinerlei Argumente mehr gehabt und schließlich nur noch vorgetragen habe, durch eine gesetzliche Regelung ein
174 Schreiben (BMF (ETZEL) an BBk) vom 23.01.1956 betr. Finanzierung der mit der Einführung der DM im Saarland im Zusammenhang stehenden Ausgaben des Bundes in B 126/42318 und B 330/3230. Als Anlage zu Punkt 6 der TO für die 40. Sitzung des ZBR/BBk am 05.02.1959 auch in B 330/149/2. Entwurf (KÖNNEKER) eines Schreibens (BBk an BMF (ETZEL)) vom 27.01.1959 betr. Finanzierung der mit der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes in das Bundesgebiet zusammenhängenden Ausgaben des Bundes – […] – in B 330/4232/1. Schreiben (BBk (TROEGER / KÖNNEKER) an BMF (ETZEL)) vom 28.01.1959 (gleicher Betreff) in B 330/3230 und B 126/42318. Als Anlage zu Punkt 6 der TO für die 40. Sitzung des ZBR/BBk am 05.02.1959 auch in B 330/149/2. Schreiben (FÖGEN an KÖNNEKER) vom 29.01.1959 (ohne Betreff) in B 330/4232/2.
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Präjudiz für die Tilgung der Ausgleichsforderungen175 schaffen zu wollen. Dennoch habe er, „starrsinnig wie er ist“, die Ressorts in Bonn erneut gegen die Bundesbank „mobil gemacht“. Von einer Enttäuschung könne daher überhaupt keine Rede sein. Die Herren seien „bis zum letzten“ über die Situation informiert gewesen. ETZEL müsse der Brief einfach zur Unterschrift untergeschoben worden sein. BLESSING erläuterte anscheinend aber nicht, warum es zu unterschiedlichen Auffassungen in der Fristigkeitsfrage gekommen war. KÖNNEKERs Empfehlung, „eine Hilfsstellung für die Finanzierungsaufgaben des Bundes nur im Rahmen des BBkG zu leisten, hierbei aber bis an die Grenzen des währungspolitisch Vertretbaren zu gehen“, um „eine praktische Lösung ohne ernsten Konflikt mit dem BMF“ vorzubereiten,176 stieß auf ein geteiltes Echo. Nach der FFR-Abwertung hatte sich zwar der DM-Gegenwert der Zahlungen an Frankreich von 680 Mio. DM auf rd. 578 Mio. DM reduziert. Das Kabinett hatte jedoch am 19. Dezember 1958 beschlossen, saarländische Besitzer französischer Wertanlagen vor einer Abwertung zu schützen und Verluste aus der Währungsumstellung aus Bundesmitteln zu ersetzen.177 Die Finanzierung dieser „Ersparnissicherung“ wollte es laut PFLEIDERER offenbar der Bundesbank aufbürden, obwohl sie – wie FÖGEN richtig bemerkte – in keinem Zusammenhang mit dem Notenumtausch stand. Sie bedeutete vielmehr – wie man im BMF meinte – genau das Gegenteil von dem, was im Saarvertrag von französischer Seite mit dem Entgegenkommen in der Frage des Notenumtausches erkauft worden war.178 Da daher von der FFR-Abwertung keine Reduktion der Mittel zur Finanzierung der Saareingliederung zu erwarten war, verlangte PFLEIDERER, diese Zusammenhänge besonders zu prüfen.179 WOLF wollte dem Bund bei einer Fristverlängerung seiner Papiere „entgegenkommen“ und befürwortete hierzu die KfW-Einschaltung. Für KÖNNEKER und TEPE war „gar kein materieller Anlaß für solche Manipulationen!“ gegeben. WOLF wollte alles
175 Die Bundesbank wollte auch den bereits bestehenden Ausgleichsforderungsblock „irgendwie“ mobilisieren und liquidisieren. BLESSING hatte HENCKEL deshalb vorgeschlagen, noch einmal 1 Mrd. DM aus diesem bis zur Änderung von § 42 BBkG durch das sog. „Stabilitätsgesetz“ vom 08.06.1967 (BGBl. I S. 582) nur bis zum Höchstbetrag von 4 Mrd. DM mobilisierbaren Block herauszunehmen und marktfähig zu machen oder eine Tilgung aus dem BBkGewinn ins Auge zu fassen. Auszug aus dem Stenogramm (s. Fußnote 180, S. 134). 176 „Notenbankpolitische Gesichtspunkte für die Beurteilung der mit der Saarregelung zusammenhängenden Finanzierungsprobleme“ (KÖNNEKER) als Anlage 2 (ohne Datum) zu Punkt 6 der TO für die 40. Sitzung des ZBR/BBk am 05.02.1959 in B 330/149/2. 177 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1958, S. 438 f. 178 Vermerk (SCHLICHTING) vom 27.08.1957 betr. Sitzung des Interministeriellen Ausschusses Wirtschaft und Währung am 26.08.1957 wegen Auswirkungen der FFR-Abwertung im Saargebiet in B 126/18196, in dem Entsprechendes zu gleichen Plänen nach der ersten FFRAbwertung am 12.08.1957 festgehalten worden war. 179 Vermerk (FÖGEN) vom 29.01.1959 betr. Die Rechtslage nach dem Saarvertrag in B 330/4233/1. Als Anlage 1 zu Punkt 6 der TO für die 40. Sitzung des ZBR/BBk am 05.02.1959 auch in B 330/149/2.
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
über die KfW leiten, BLESSING vorrangig das BBk-Sondergesetz vermeiden und möglichst „einen fristlich passenden Teil gleich direkt absetzen“.180 Die Vorbereitungen für ein solches Sondergesetz schritten derweil im BMF voran. VON SPINDLER erhielt in Vertretung von ETZEL am 5. Februar 1959 für die anstehende Chefbesprechung zwei Entwürfe, nach denen bei einem nunmehr geschätzten Höchstbetrag für Aufwendungen zur Ersparnissicherung von rd. 70 Mio. DM die Bundesbank Ausgleichsforderungen für einen von ihr einzuräumenden und auf 650 Mio. DM (wegen Art. 115 GG) zu begrenzenden Kredit entgegennehmen sollte. Zum ersten Entwurf zur voraussichtlichen Linie des BMWi erklärte man, daß der Notenumtausch eine geschätzte Größenordnung von 300 Mio. bis 700 Mio. DM annehmen dürfte und die Bundesbank insoweit Mittel bereitstellen müßte. Zum zweiten Entwurf zur voraussichtlichen Linie der Bundesbank erläuterte man, daß 315 Mio. DM als Gegenwert von 37 Mrd. FFR bereitgestellt würden. Folglich seien die Aufwendungen des Bundes von bis zu 650 Mio. DM bei der Linie des BMWi wahrscheinlich, bei der Linie der Bundesbank sicher nicht voll gedeckt. In beiden Fällen müsse sichergestellt werden, „daß der verbleibende restliche Finanzierungsbedarf des Bundes mit Unterstützung der Bundesbank in einer Weise finanziert wird, die den Kapitalmarkt möglichst unberührt läßt.“181
3.6.3 Die Kompromißlösung In der Chefbesprechung am 10. Februar 1959 ließ ERHARD die Anregung seines Hauses fallen, die Bundesbank per Gesetz zur Hilfestellung bei der Finanzierung zu verpflichten. BLESSING erklärte für die Bundesbank im Gegenzug die Bereitschaft, sich bei Vermeidung eines gesetzlichen Eingriffs für „eine das BMF zufriedenstellende Lösung“ (BMF) einzusetzen bzw. eine „Finanzierungskonstruktion ins Auge [zu fassen], bei der die jeweils benötigten Mittel in der Hauptsache über den Geldmarkt im weiteren Sinne unter tätiger Mitwirkung der Bundesbank aufgebracht werden sollten“ (Bundesbank). In einer weiteren Besprechung am 14. Februar 1959, an der auch KfW-Vertreter teilnahmen, vereinbarte man schließlich, die 650 Mio. DM in acht Jahresraten von je rd. 80 Mio. DM in den Jahren 1960 bis 1967 durch vom Bund abzugebende und entsprechend terminierte Titel folgendermaßen aufzubringen: Für die ersten vier Raten sollten der Bundesbank unverzinsliche Schatzanweisungen mit ein- bzw. zweijähriger Laufzeit sowie verzinsliche Schatzanweisungen (Kassenobligationen) mit drei- bzw. vierjähriger Laufzeit und einer marktkonformen Verzinsung gegeben werden, die die Bundesbank als Agentin des Bundes 180 Handschriftliche Notizen und Auszug aus dem Stenogramm („Saareingliederung“) zur 40. Sitzung des ZBR/BBk am 05.02.1959 in B 330/149/2. 181 Vorlage (BUSSMANN an VON SPINDLER) vom 05.02.1959 betr. Finanzierung der mit der Einführung der im Saarland im Zusammenhang stehenden Ausgaben des Bundes in B 126/42318.
3.6 Der Konflikt um die bilanzielle Notendeckung
135
unterbringen sollte. Die Unterbringung dieser Titel im Gesamtbetrag von rd. 325 Mio. DM war nach Auffassung von BLESSING zu marktgerechten Konditionen und binnen kurzer Frist ohne Zweifel möglich. Für die letzten, in den Jahren 1964 bis 1967 fälligen vier Raten im Gesamtbetrag von ebenfalls rd. 325 Mio. DM sollte die KfW mit einem festen Nominalzinsfuß ausgestattete Bundesschatzanweisungen mit fünf- bis achtjähriger Laufzeit übernehmen. Um eine Beanspruchung des Kapitalmarktes zu umgehen, sollte die KfW aufgrund dieser Urkunden kurzfristige Zertifikate ähnlich den Mobilisierungspapieren (letztlich: Solawechsel mit drei- bis zwölfmonatiger Laufzeit)182 über den Geldmarkt ausgeben und auf der Basis der hiermit erzielten Erlöse dem Bund eine entsprechend hohe und entsprechend terminierte Kreditlinie einräumen. Für die Unterbringung der Zertifikate und ihre Marktregulierung sollte sich die Bundesbank für den Fall, daß die Zertifikate der KfW vorübergehend nicht voll am Markt untergebracht werden können oder in Anspannungsperioden zur KfW zurückfließen, im Rahmen einer besonderen Vereinbarung bereit erklären, der KfW nötigenfalls eine Liquiditätshilfe durch Übernahme entsprechender Teilbeträge der im KfW-Besitz befindlichen Originalschuldurkunden des Bundes zu gewähren.183 Diese Lösung war ein Kompromiß, gegen den man sowohl im BMF (HETTLAGE: „Pseudokredit“) als auch im ZBR (KÖNNEKER und TEPE: „Manipulationen“) Bedenken erhoben hatte. Im ZBR konnte man sich nur mangels einer besseren Lösung mit ihm anfreunden. Darüber kann weder BLESSINGs Bemerkung, es sei eine Lösung im Sinne der Bundesbank gefunden worden, noch die im Protokoll zur 41. Sitzung am 19. Februar 1959 getroffene Feststellung, die erzielte Regelung trage den vom ZBR in der vorangegangenen Sitzung geäußerten Gesichtspunkten Rechnung,184 hinwegtäuschen. Wichtig war, daß man eine gesetzliche Verpflichtung der Bundesbank zur Kreditgewährung an den Bund vermieden hatte (KÖNNEKER). Wichtig, aber nicht ausschlaggebend war ferner, daß mit dieser Regelung, die für BENNING einen „entscheidenden Fortschritt“ bedeutete, gleichzeitig Aussicht auf die Durchführung einer deflationären Geldpolitik bestand. KÖNNEKER und BENNING hofften (kurzzeitig) sogar, daß das BMF mindestens eine Rate aus dem Haushalt finanzieren und die KfW nur mit drei Raten beanspruchen werde. Die Kritik WAGENHÖFERs am Finanzierungsrückhalt für die KfW wurde daher verworfen.185 182 Protokoll zur 42. Sitzung des ZBR/BBk am 05.03.1959 (s. Fußnote 185). 183 Vermerk vom Februar 1959 betr. Finanzierung der Haushaltsausgaben, die im Zusammenhang mit der Einführung der DM im Saarland stehen, in B 126/42318. Schreiben (BBk an BMF) vom 16.02.1959 betr. Finanzierung der Saareingliederung; Besprechung am 14. Februar 1959 in der BBk, Frankfurt (Main), in B 126/42318. Als Anlage zu Punkt 5 (später: 7) der TO für die 42. Sitzung des ZBR/BBk am 05.03.1959 auch in B 330/150/2. 184 Handschriftliche Notizen und Protokoll zur 41. Sitzung des ZBR/BBk am 19.02.1959, TOP 7 („Finanzierung der Saareingliederung“), in B 330/150/1. 185 Handschriftliche Notizen, Auszug aus dem Stenogramm („Finanzierung der Saarrückgliederung“) und Protokoll zur 42. Sitzung des ZBR/BBk am 05.03.1959, TOP 7 („Finanzierung der Saareingliederung“), in B 330/150/2. Der ZBR erörterte in dieser Sitzung den Abschluß der KfW-Vereinbarung (Finanzierungsrückhalt).
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3 Die Konflikte anläßlich der währungsmäßigen Eingliederung des Saarlandes
Der ZBR erreichte am 4. März 1959 sein oberstes Ziel. Die Abteilung V des BMF informierte die Abteilung II unmittelbar vor Abschluß der Verhandlungen des BMF mit der Bundesbank und der KfW mit Blick auf den Haushaltsplan 1959 darüber, daß „es sich bei dem Sonderkredit im Zusammenhang mit der Einführung der DM-Währung im Saarland nicht mehr um einen solchen der Deutschen Bundesbank“ handele. Im Entwurf des Haushaltsplans wurden daraufhin bei Kap. A 3201 Tit. 92 und bei den dazugehörigen Erläuterungen hinter dem Wort „Sonderkredit“ die Worte „der Deutschen Bundesbank“ gestrichen. Es handelte sich nun nicht mehr um „einen Kredit der Bundesbank, für den eine gesetzliche Ermächtigung noch hätte geschaltet werden müssen“, sondern um „einen Kredit des Bundes, der auf Grund der allgemeinen Kreditermächtigung im Haushaltsgesetz aufgenommen wird.“186 Zur Finanzierung der an Frankreich zu leistenden Zahlung im Gegenwert von 578 Mio. DM und der nunmehr um 10 Mio. DM erhöhten Ausgaben zur Ersparnissicherung in Höhe von insgesamt 82 Mio. DM steuerte die Bundesbank letztlich 335 Mio. DM durch die Hereinnahme unverzinslicher und verzinslicher Schatzanweisungen direkt bei. Nach der wirtschaftlichen Rückgliederung des Saarlandes am 6. Juli 1959 berichtete BENNING dem ZBR in der 51. Sitzung am 9. Juli 1959 über den Beginn und die Modalitäten der Saarfinanzierung.187 Seinen Ausführungen in der 52. ZBR-Sitzung am 23. Juli 1959 zufolge war die Aufgabe der Saarfinanzierung zum überwiegenden Teil gelöst und nur ein Restbetrag von unverzinslichen Bundesschatzanweisungen mit einer Laufzeit von ein bis zwei Jahren in Höhe von 64,5 Mio. DM noch nicht plaziert worden. BENNING berichtete ferner, daß die KfW zur Finanzierung der 325 Mio. DM aus eigenen Mitteln 160 Mio. DM aufgebracht und Solawechsel in Höhe von 165 Mio. DM untergebracht habe, von denen das European Recovery Program und die Deutsche Bundespost 110 Mio. DM übernommen hätten.188 Dieser Betrag erhöhte sich bis Ende Januar 1961 auf 267 Mio. DM, so daß sich der zusätzliche indirekte Beitrag der Bundesbank aufgrund der Inanspruchnahme durch die KfW zunächst auf 58 Mio. DM reduzierte (siehe Abbildung 3-1, S. 137). Für diese Lösung, die als Übergang von der Währungsreform 1948 zur Währungsunion 1990 (siehe S. 78 ff.) angesehen werden kann, konnte die Notenbank angesichts der sich abzeichnenden kon-
186 Schreiben (Abteilung V (BUSSMANN) an Abteilung II) vom 04.03.1959 betr. Entwurf des Haushaltsplans für 1959, hier: Ergänzung von Kap. A 3201 Tit. 92, in B 126/13771. 187 Protokoll zur 51. Sitzung des ZBR/BBk am 09.07.1959, TOP 4 („Finanzierung der Saareingliederung“), in B 330/155. Die Bundesbank erhob keine Einwände gegen die Erhöhung um 10 Mio. DM, weil diese sich angeblich erst nach der Vereinbarung zwischen dem BMF und der KfW ergeben hatte. Der Haushaltsplan 1959 war jedoch bereits durch das Schreiben vom 04.03.1959 (s. Fußnote 186) auf 660 Mio. DM geändert worden. 188 Handschriftliche Notizen und Protokoll zur 52. Sitzung des ZBR/BBk am 23.07.1959, TOP 3 („Geldmarkt, Offenmarktgeschäfte und Kapitalmarkt“), in B 330/156/1. – Mitte 1966 waren 75 Mio. DM (des insgesamt 77 Mio. DM betragenden, über Solawechsel refinanzierten Teils) beim Bundesschatzministerium untergebracht. Schreiben (KfW an BBk) vom 22.06.1966 in B 126/42318.
137
3.6 Der Konflikt um die bilanzielle Notendeckung
junkturellen Überhitzung und der Notwendigkeit strafferer liquiditätspolitischer Maßnahmen ab September 1959 (siehe S. 20) nur dankbar sein. Abbildung 3-1: Kreditlinie und Refinanzierung des Kredits der KfW (in Mio. DM) 350
Kreditlinie 300
250
200
150
100 durch den Verkauf von Solawechseln refinanziert 50
0 Jul 1959
Jan 1960
Jul 1960
Jan 1961
Jul 1961
Jan 1962
Jul 1962
Jan 1963
Jul 1963
Jan 1964
Jul 1964
Jan 1965
Jul 1965
Jan 1966
Jul 1966
Jan 1967
Quelle: eigene Zusammenstellung aus den Zins- und Spesenabrechnungen sowie den Zinsrechnungen der KfW in B 126/18273 und B 126/42318
4 Die Konflikte um wichtige notenbankrelevante Vorschriften im KWG 4.1 Die Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht aus historischer Perspektive 4.1.1 Die Entstehung und Entwicklung des KWG bis Kriegsende Die Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht (BA) ist seit jeher umstritten gewesen. Bei den Beratungen zur Notverordnung vom 19. September 1931 (RGBl. I S. 493), die der Reichspräsident nach der Bankenkrise erließ, plädierten die Vertreter der Notenbank für eine Aufsicht durch die Reichsbank (RBk). Die Vertreter der Reichsregierung forderten dagegen ein „selbständiges Bankamt“, das mit der Reichsbank zwar zusammenarbeiten, von dieser aber unabhängig sein sollte. In der Notverordnung kam es mit der Gründung von zwei neuen Behörden schließlich zu einer Kompromißlösung:1 Der sog. „Reichskommissar für das Bankgewerbe“ wurde das Exekutivorgan der Bankenaufsicht (§ 1 Abs. 3). Das bei der Reichsbank errichtete sog. „Kuratorium für das Bankgewerbe“ (§ 1 Abs. 1) stellte die Richtlinien für die Amtsführung des Reichskommissars auf (§ 2 Abs. 1) und konnte diesem aufgeben, bestimmte Grundsätze für die Geschäftsführung der Banken, sog. Normativbestimmungen, zu erlassen (§ 6 Abs. 2 S. 2). Das Kuratorium, dem der RBk-Präsident als Vorsitzender, ein RBk-Direktoriumsmitglied, der Staatssekretär des RMF und des RMWi sowie der Reichskommissar für das Bankgewerbe angehörten (§ 1 Abs. 2), war daher und dank seiner ebenso weitgehenden wie unbestimmten Ermächtigungen für die Bankenaufsicht von entscheidender Bedeutung. Es gewährleistete, „daß die Ausübung der Bankenaufsicht sowohl mit den Zielen der Reichsbank als auch mit denen der Regierung übereinstimmte und Unstimmigkeiten zwischen beiden vermieden wurden.“2 Die Notverordnung räumte aber der Reichsbank „die entscheidende Stellung im Kuratorium und damit weitgehende Befugnisse auf dem Gebiet der Bankenaufsicht“ ein,3 weil mit der Bankenaufsicht nicht allein gewerbepolizeiliche, sondern in großem Umfang auch währungs- und kreditpolitische Ziele verfolgt wurden.4 Von der Möglichkeit, hierzu Grundsätze für die Geschäftsführung der Banken zu erlassen, wurde jedoch wenig Gebrauch gemacht. Eine Reihe von Maßnahmen wie z. B. 1 2 3 4
Born (1978), S. 17 ff. (Kursiv im Original). Müller (2003), S. 87. Quelle ist jedoch FRITZ PAERSCH, der zunächst Referent beim Reichskommissar für das Bankgewerbe und später Vizepräsident des RAKred war. Born (1978), S. 20, sieht demgemäß eine „starke Vertretung der Reichsbank im Bankenkuratorium“. Vorlage vom 31.03.1958 (s. Fußnote 69, S. 156).
4.1 Die Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht aus historischer Perspektive
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Regelungen über die Eigenkapitalausstattung, Höchstkredite und Liquidität wurde zwar ins Auge gefaßt, mit Rücksicht auf die schwierige wirtschaftliche Lage der Banken allerdings nicht umgesetzt.5 Bei den Beratungen zum KWG vom 5. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1203) kam es erneut zum Konflikt. Nach § 30 Abs. 1 dieses Gesetzes, das auf Initiative und unter maßgeblichem Einfluß der Reichsbank entstand,6 trat an die Stelle des Kuratoriums das „Aufsichtsamt für das Kreditwesen“. Für dessen Errichtung bei der Reichsbank sprachen zwei Gründe: Zum einen konnte die Reichsbank mit ihren zahlreichen Zweigstellen und ihrer umfangreichen volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung das Aufsichtsamt bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen. Da sie bereits das Vertrauen der mit ihr zusammenarbeitenden Kreditinstitute genoß, half sie zum anderen, die Akzeptanz des KWG zu erhöhen. Die Errichtung bei ihr erfolgte jedoch erst auf Drängen der Reichsbank, die zuvor Forderungen nach einer Errichtung beim RMWi erfolgreich entgegengetreten war, dafür aber eine Verschlechterung bei der Zusammensetzung des Aufsichtsamtes akzeptieren mußte: Sie entsandte nur noch zwei von sieben Mitgliedern in dieses Gremium (§ 30 Abs. 2), das nach ihrem ersten Gesetzentwurf paritätisch mit Vertretern der Reichsbank und der Reichsregierung zu besetzen gewesen wäre. Die Entstehung des § 30 KWG ist ein Spiegelbild der Auseinandersetzungen zwischen der Reichsbank und der Reichsregierung in der Frage der BA-Führung. Das RMWi konnte ab März 1934 einen Großteil der Gesetzesberatungen an sich ziehen, die RBk-Ansprüche bei den Vorschriften über „Die Aufsicht“, d. h. über die BA-Organisation und -Befugnisse im IX. Abschnitt mit den §§ 30 bis 44, zurückweisen und der Reichsregierung (und vor allem sich selbst) die führende Rolle bei der BA-Ausübung verschaffen. Die normativen, d. h. die sog. materiellen „Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität“ im V. Abschnitt mit den §§ 11 bis 19 trugen demgegenüber von Anfang an eindeutig die Züge der Reichsbank und wurden nur noch im Detail verändert.7 Insoweit änderte das KWG von 1934 für die Notenbank nichts an ihrer „dominierenden Stellung“; das Aufsichtsamt wurde bei der Reichsbank errichtet und vom Präsidenten des RBk-Direktoriums geführt. RBk-Beamte nahmen wichtige Positionen beim „Reichskommissar für das Kreditwesen“ ein, der seine Geschäfte unverändert nach den Weisungen und Richtlinien des Aufsichtsamtes zu führen hatte (§ 33 Abs. 3).8 Alle späteren Änderungen betrafen die Organisation und die Aufteilung der Befugnisse. Die Verordnung zur Änderung des Reichs-KWG vom 15. September 1939 (RGBl. I S. 1953) löste das Aufsichtsamt für das Kreditwesen auf. Die §§ 30 und 31 KWG 1934, die die Zusammensetzung und die Geschäftsführung dieses 5 6 7 8
Müller (2003), S. 89 und S. 92, erneut unter Bezugnahme auf PAERSCH (s. Fußnote 2, S. 138). Die vom Untersuchungsausschuß zur Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens organisierte Bankenenquete hatte demgegenüber nur geringen Einfluß auf den Inhalt des KWG von 1934. Müller (2003), S. 124–129. Müller (2003), S. 385–394. Ebd., S. 135–140. Müller (2003), S. 139, erklärt das mit dem Vertrauen, das das RMWi insoweit „offenbar“ in die RBk-Kompetenzen und -Erfahrungen mit der Bankenaufsicht gesetzt habe. Vorlage vom 31.03.1958 (s. Fußnote 69, S. 156).
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4 Die Konflikte um wichtige notenbankrelevante Vorschriften im KWG
Amtes geregelt hatten, entfielen, und § 32 KWG, der i. d. F. v. 1934 die Aufgaben des Aufsichtsamtes für das Kreditwesen umschrieben hatte, wies diese nunmehr dem Reichsminister für Wirtschaft zu. Aus dem Reichskommissar für das Kreditwesen wurde das beim RMWi errichtete „Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen“ (RAKred).9 Hierdurch und vor allem durch die „Gleichschaltung der Reichsbank“10, die spätestens durch das Gesetz über die Deutsche Reichsbank vom 15. Juni 1939 (RGBl. I S. 1015) den letzten Rest ihrer Unabhängigkeit verloren hatte, wurden die RBk-Befugnisse „im Zuge der Verstärkung des staatlichen Einflusses in allen Lebensbereichen wesentlich eingeschränkt“. Die Verordnung zur Änderung des KWG vom 18. September 1944 (RGBl. I S. 211) löste schließlich das RAKred auf und teilte dessen Befugnisse auf den Reichsminister für Wirtschaft und das Direktorium der gleichgeschalteten Reichsbank auf. Die Reichsbank konnte nach dem KWG von 1939 die Geschäftstätigkeit der Kreditinstitute normativ beeinflussen, weil diverse Vorschriften das Einvernehmen, d. h. die Zustimmung, ihres Direktoriums forderten (siehe Anhang A-1, S. 230 f.). Hierzu zählten insbesondere die „Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität“ des V. Abschnitts bei Entscheidungen des Reichsministers für Wirtschaft über das jeweilige Verhältnis der liquiden Mittel ersten bzw. zweiten Grades zu den Gesamtverpflichtungen (§§ 16 Abs. 1 bzw. Abs. 2) und über diesbezügliche Ausnahmen (§ 16 Abs. 3) sowie bei dessen Entscheidungen über das Verhältnis des Wertpapierbestandes zu den Gesamtverpflichtungen und über diesbezügliche Ausnahmen (§ 17 Abs. 1). Hierzu gehörte ferner vor allem die Zinsund Wettbewerbsregelung des IX. Abschnitts über „Die Aufsicht“, die bei der Regelung der Zins- und Provisionssätze sowie des Wettbewerbs im Kreditgewerbe das Einvernehmen zwischen dem RAKred und dem RBk-Direktorium verlangte (§ 36 S. 3).11 Die Änderungsverordnung von 1944 weitete infolge der RAKred-Auflösung die Notenbankrechte und -befugnisse vor allem bei den „Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität“ im V. Abschnitt bemerkenswert aus. Für Entscheidungen des Reichsministers für Wirtschaft über das Verhältnis der Gesamtverpflichtungen eines Kreditinstituts zum haftenden Eigenkapital (§ 11 Abs. 1) und über diesbezügliche Ausnahmen (§ 11 Abs. 5), über das Verhältnis des an einen Kreditnehmer gewährten Kreditvolumens eines Kreditinstituts zum haftenden Eigenkapital (§ 12 Abs. 1) und über die Auszahlung von Anteilen am Geschäftsergebnis an Geschäftsleiter eines Instituts (§ 15 Abs. 1) war nunmehr anstelle des Benehmens das Einvernehmen mit dem RBk-Direktorium erforderlich. Dieses entschied fortan allein über Anträge auf Abweichungen von den vorge9 Müller (2003), S. 451–453. 10 Hansmeyer / Caesar (1976), S. 380–386. 11 Weitere wichtige Einflußmöglichkeiten existierten dank des geforderten Einvernehmens zwischen dem RBk-Direktorium und dem Reichsminister für Wirtschaft im VII. Abschnitt über den „Sparverkehr“ bei der Anlage von Spareinlagen (§ 24 Abs. 2) sowie im VIII. Abschnitt beim „unbare[n] Zahlungsverkehr“ (§ 28 Abs. 1), bei der Festsetzung der dabei anfallenden Gebühren (§ 28 Abs. 3) und bei der Schließung von dem unbaren Zahlungsverkehr dienenden Einrichtungen (§ 29 Abs. 2). Siehe Anhang A-1, S. 230 f.
4.1 Die Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht aus historischer Perspektive
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nannten §§ 11, 12, 16 und 17 (§ 19) und wurde Empfänger der von den Kreditinstituten abzugebenden Anzeigen über die sog. „Organkredite“ (§ 14 Abs. 7) und „Höchstkredite“ (§ 12 Abs. 2). Nach den Vorschriften über die „Anzeigepflicht“ im III. Abschnitt empfing das RBk-Direktorium ferner die Anzeigen über wichtige personelle, gesellschaftsrechtliche, organisatorische und finanzielle Änderungen bei Kreditinstituten (§ 8 Abs. 1) sowie die Anzeigen über die sog. „Millionenkredite“ (§ 9 Abs. 1), d. h. über die 1 Mio. RM übersteigende Gesamtverschuldung eines Kreditnehmers bei einem Kreditinstitut, auf deren Grundlage es später als sog. „Evidenzzentrale“ die Kreditinstitute über die Mehrfachverschuldung von Kreditnehmern benachrichtigte (§ 9 Abs. 2).12 Im Einvernehmen mit dem Reichsminister für Wirtschaft setzte es außerdem die Zinsen fest (§ 36 S. 3). Insgesamt war der Umfang der durch die Änderungsverordnung von 1944 herbeigeführten zusätzlichen Rechte und Befugnisse für die Notenbank beträchtlich (siehe Anhang A-1, S. 230 f.). Die Reichsbank erhielt im Grunde alle wesentlichen Rechte zur Überwachung des Kreditapparates, der Reichsminister für Wirtschaft alle hoheitlichen Befugnisse. Die Reichsbank übernahm damit zwar formal (wieder) die gesamte sog. materielle Bankenaufsicht, faktisch unterstand sie aber nach Erlaß des erwähnten RBk-Gesetzes dem Reichsminister für Wirtschaft, der zugleich auch Vorsitzender ihres Direktoriums war.13 Mangels Notenbankunabhängigkeit war die Ausweitung also (zunächst) nur formal-rechtlich und deswegen belanglos. Wegen der damaligen Kriegslage und des sich anbahnenden militärischen und politischen Zusammenbruchs erlangte sie keine große praktische Bedeutung.14 Das änderte sich nach Kriegsende.
4.1.2 Die Situation nach Kriegsende Das KWG 1944 wurde nach dem Krieg nicht aufgehoben. Seine materiellrechtlichen Vorschriften galten fort, weil sie kein „schlechthin nationalsozialistisches Gedankengut“ enthielten. Dies galt jedoch nicht für sämtliche Vorschriften über die BA-Organisation und -Befugnisse. Sie waren teilweise ideologisch geprägt.15 Außerdem existierten weder das RMWi noch das RBk-Direktorium län12 Nach den Vorschriften im VII. Abschnitt war für Anordnungen über die Höhe der Rückzahlungsbeträge von Spareinlagen (§ 23 Abs. 4) sowie für Entscheidungen über die Abweichung von Vorschriften hinsichtlich der Anlage von Spareinlagen nach den §§ 24 und 25 (§ 26) fortan ebenfalls das Einvernehmen mit dem RBk-Direktorium erforderlich. Anlage zu Punkt 7 der TO für die 15. Sitzung des ZBR/BBk am 22.01.1958 und Anlage zu Punkt 10 der TO für die 21. Sitzung des ZBR/BBk am 10.04.1958. Consbruch / Möller (1965), S. 33 ff. 13 Müller (2003), S. 451–453. 14 Vorlage vom 31.03.1958 (s. Fußnote 69, S. 156). 15 Vor allem § 30 Abs. 1 KWG („Anpassung der Geschäfte der Kreditinstitute an die Bedürfnisse der Gesamtwirtschaft“) hatte der Ausrichtung der Volkswirtschaft auf das „nationalsozialistische Führerprinzip“ dienen sollen und hierzu die „Grundkonzeption des Gesetzes (Kontrolle der Geschäftsführung, nicht aber der Zweckmäßigkeit der einzelnen Geschäfte) verlassen“. Bauer (1953), S. 86 f.
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4 Die Konflikte um wichtige notenbankrelevante Vorschriften im KWG
ger. Die Aufsicht wurde daher durch die BA-Behörden der Länder, d. h. in der Regel durch den jeweiligen Wirtschaftsminister (in Bremen durch den Finanzsenator), und durch die jeweilige Landeszentralbank nach den weitergeltenden materiell-rechtlichen Vorschriften ausgeübt. An die Stelle der ehemals zentralen Bankenaufsicht trat damit eine auf 20 Stellen aufgeteilte dezentrale Aufsicht, deren starke Zersplitterung neben der ungeklärten Rechtsgültigkeit einzelner Vorschriften einen unbefriedigenden Zustand darstellte. Die LZB arbeiteten innerhalb des Zentralbanksystems zwar nach BdL-Richtlinien. Der wegen der starken Zersplitterung von den Landesregierungen zur Koordinierung der Aufsichtmaßnahmen 1948 gegründete „Sonderausschuß Bankenaufsicht“ (SaBa), an dessen Sitzungen auch Vertreter der Notenbank und der beteiligten Bundesministerien teilnahmen,16 konnte aber nur unverbindliche Empfehlungen aussprechen, die die gleichmäßige Rechtsanwendung erschwerten und die Schlagkraft der Aufsicht schwächten. Vor allem die auf die Bankenkrise von 1931 zurückzuführende17 Zins- und Wettbewerbsregelung nach § 36 KWG wurde kritisiert.18 Im Mantelvertrag vom 22. Dezember 1936 hatten sich die Kreditinstitute verpflichtet, bei der Hereinnahme von RM-Geldern in- oder ausländischer Nichtbanken bestimmte, im sog. „Habenzinsabkommen“ festzusetzende Höchstzinssätze nicht zu überschreiten (§ 1) und die Vergütungen für an Dritte weitergegebene RM-Gelder im sog. „Sollzinsabkommen“ zu regeln (§ 2).19 Auf dieser Grundlage setzte ab 1945 der Zentrale Kreditausschuß, dem die Spitzenverbände des Kreditgewerbes angehörten, Höchstzinssätze für hereingenommene Gelder (nach dem Habenzinsabkommen) sowie einen Normalsatz für den Sollzins, der sich an den Diskontsatz der Notenbank anlehnen sollte, (nach dem Sollzinsabkommen) fest. Die BA-Behörden der Länder übernahmen (als Nachfolgeinstitutionen des Reichskommissars für das Kreditwesen) in der Regel diese Höchstzins- bzw. Normalsätze. Sie erklärten sie für allgemeinverbindlich, setzten sie gemäß § 36 KWG fest und veröffentlichten sie in den amtlichen Bekanntmachungsblättern der Länder.20 Oftmals wurde ferner kritisiert, daß die Vorschrift über die Eigenkapitalausstattung in § 11 (seit 1944) und die Vorschrift über die Liquiditätshaltung in § 16 (seit 1939) – die im heutigen KWG zu den wichtigsten Ordnungsvorschriften die16 Reischauer / Kleinhans (o. Jg.), Einleitung, S. 3 f. 17 Reischauer / Kleinhans (o. Jg.), Einleitung, S. 2. Vierte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 08.12.1931 (RGBl. I S. 699). 18 Müller (2003), S. 453–456. 19 Mantelvertrag zwischen den Spitzenverbänden, Wirtschaftsgruppen und Fachgruppen der Kreditinstitute vom 22.12.1936 (Reichsanzeiger Nr. 299) in Consbruch / Möller (1958), S. 105 f. 20 „Abkommen über die Festsetzung von Höchstzinssätzen für hereingenommene Gelder (Habenzinsabkommen)“ und „Abkommen über die Berechnung der Zins- und Provisionszinssätze bei der Weitergabe von Geldern an Dritte (Sollzinsabkommen)“ jeweils vom 22.12.1936 (Reichsanzeiger Nr. 299) in ebd., S. 107 ff. Im Sollzinsabkommen wurde auch ein Normalsatz für die Kreditprovision festgesetzt.
4.1 Die Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht aus historischer Perspektive
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ses Gesetzes zählen –21 zwar im Einvernehmen mit der Notenbank zu definierende Mindestnormen vorsahen, daß bis zu diesem Zeitpunkt aber weder eine entsprechende Bestimmung über das Mehrfache, um das die Gesamtverpflichtungen eines Kreditinstituts das haftende Eigenkapital nicht überschreiten sollten (§ 11), noch ein Hundertsatz, den die Barreserve der Kreditinstitute anteilig an den Verpflichtungen mindestens ausmachen sollten, festgesetzt worden waren. Diese Vorschriften waren Rahmenvorschriften, die seinerzeit nicht ausgefüllt waren.22 Sie wurden deshalb auch als Blankettvorschriften bezeichnet, die in dem neu zu fassenden KWG ausgefüllt werden sollten. Die Bestrebungen, das Gesetz durch eine Neufassung auf eine andere Grundlage zu stellen, waren so alt wie die Bundesrepublik Deutschland. Die BdL und das hessische Ministerium der Finanzen legten schon im Mai 1949 jeweils einen KWG-Reformentwurf vor, dem 1950 ein Entwurf der Arbeitsgemeinschaft der Verbände des privaten Bankgewerbes folgte. Die KWG-Arbeiten ruhten dann jedoch zunächst, weil die Bundesregierung (wie die BdL) die Errichtung einer Währungs- und Notenbank gemäß Art. 88 GG für vordringlich hielt.23 Noch bevor die Bundesbank aus der BdL und den LZB am 1. August 1957 hervorging, legte jedoch das BMWi im Dezember 1956 unerwartet einen Gesetzentwurf vor, der den Konflikt zwischen der Bundesregierung und der Notenbank einleitete. Er rückte die seit 1945 nicht nur formal-rechtlich, sondern auch praktisch relevante Verteilung der BA-Rechte und -Befugnisse der Notenbank und die politischen Probleme der Bundesregierung bei der Errichtung eines zentralen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (BAKred) in den Vordergrund.
4.1.3 Das Scheitern des Versuchs einer Neuregelung: der BAKredG-Entwurf Das BMWi fertigte auf Anregung von HUGO SCHARNBERG, Vorsitzender des BTAusschusses „Geld und Kredit“,24 überraschend am 12. und 17. Dezember 1956 in zwei Ressortbesprechungen unter maßgeblicher Beteiligung von HANS HENCKEL, Leiter des Referats VI A 2 (Währungs- und Notenbankwesen), noch vor der Verabschiedung des BBkG einen fünf Paragraphen umfassenden Entwurf zu einem 21 Reischauer / Kleinhans (o. Jg.), § 11, S. 1. 22 Reischauer / Kleinhans (o. Jg.), Vorwort zu §§ 10–12, Rz. 1. Consbruch / Möller (1958), S. 8, Fußnote 2, und S. 13, Fußnote 3. Gleiches galt auch für den nach § 15 festzusetzenden einzubehaltenden Hundertsatz am Geschäftsergebnis (ebd., S. 12, Fußnote 1) und für den nach § 17 festzusetzenden Hundertsatz, den der Besitz eines Kreditinstituts an Aktien, Kuxen, Bergwerksanteilen und (nicht zum Handel zugelassenen) Schuldverschreibungen dessen Verpflichtungen nicht überschreiten sollte (ebd., S. 14, Fußnote 2). 23 Müller (2003), S. 455, Fußnote 82. Bähre / Schneider (1986), S. 53. Consbruch / Möller (1965), S. 36 f. 24 Schreiben (SCHARNBERG an BMWi (ERHARD)) vom 26.11.1956 in B 330/99/1. SCHARNBERG wollte so aus dem in Beratung befindlichen Investmentgesetz eine Bestimmung herausnehmen, die das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig machte. Auszug aus dem Stenogramm zur 233. Sitzung des ZBR/BdL am 19.12.1956 (s. Fußnote 29, S. 145).
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4 Die Konflikte um wichtige notenbankrelevante Vorschriften im KWG
„Gesetz über die Errichtung eines BAKred“ (BAKredG). Hiernach sollten in § 1 die BA-Kompetenz der Länder beseitigt und in § 2 die ursprüngliche Fassung des KWG von 1939 wiederhergestellt und damit die bei den Ländern liegenden Befugnisse des alten KWG auf das BMWi übertragen werden.25 Diese Absicht stieß sowohl beim Bundesrat als auch bei der BdL auf „erheblichen Widerstand“.26 Beim ZBR, der sich in seiner 233. Sitzung am 19. Dezember 1956 erstmals mit dem Entwurf befaßte, hatte dies vor allem zwei Gründe: Das BMWi begründete den Rückgriff auf das KWG 1939 mit der angestrebten Errichtung eines BAKred. Sie war seines Erachtens nicht mit dem geltenden KWG 1944 vereinbar, weil die Bankenaufsicht nach der 1944er Regelung nicht von einer besonderen Behörde, sondern vom Reichsminister für Wirtschaft und vom RBk-Direktorium ausgeübt wurde. Hingegen lagen diese Kompetenzen nach der 1939er Regelung vor allem beim Reichsminister für Wirtschaft und beim RAKred (siehe Anhang A-1, S. 230 f.). Im ZBR befürchtete man daher, daß bei der Wiederinkraftsetzung des KWG 1939 die BA-Grundsatzfragen im BMWi bearbeitet und entschieden würden, daß das zu errichtende BAKred nur als Exekutivorgan des Ministeriums fungiere und daß es vom Ermessen des BMWi oder BAKred abhinge, inwieweit das Zentralbanksystem bei der Bankenaufsicht beteiligt würde. Insbesondere bei den nach den §§ 9 und 12 (und 14) KWG bislang an das Zentralbanksystem zu erstattenden Kreditmeldungen argwöhnte man, daß diese in Zukunft an das BAKred zu machen sein würden. Mit dem Rückgriff auf das KWG 1939 mußten nach Auffassung des BMWi außerdem die dort bestehenden Kompetenzen des Zentralbanksystems als Funktionsnachfolger des RBk-Direktoriums massiv eingeschränkt werden. Der (späteren) amtlichen Begründung (allgemeiner Teil) zufolge war zwar die Errichtung eines BAKred „unbeschadet der einstweiligen Fortgeltung der materiellen Vorschriften“ des geltenden KWG geboten, der Entwurf sah aber in § 2 Abs. 2 Nr. 1 vor, („nur“) diejenigen Vorschriften abzuändern, die die BA-Organisation beeinflussen (besonderer Teil). Über den Rückgriff auf das KWG 1939 hinaus sollte das Mitwirkungsrecht der Notenbank bei den wichtigen BA-Funktionen nach den §§ 16, 17, 24, 28, 29 und 36 KWG von einem Einvernehmen in ein Benehmen abgeschwächt werden, weil nach BMWi-Ansicht ein Bundesressort grundgesetzlich nicht an das Einvernehmen der parlamentarisch nicht verantwortlichen Notenbank gebunden werden konnte.27 – Der BMWi-Entwurf bedeutete also sehr viel mehr als „nur eine Änderung der Organisation der Bankenaufsicht“28. Er gefährdete zahlreiche Interessen der Notenbank (siehe Abschnitt 4.2). Unmut erregte der Entwurf in der 233. ZBR-Sitzung darüber hinaus wegen seiner angeblich präjudiziellen Wirkungen auf die Beratungen zum Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und zum BBkG in Verbindung mit der Fragestellung, ob die 25 Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines BAKred i. d. F. v. 17.12.1956 als Anlage 1 zur 234. Sitzung des ZBR/BdL am 09./10.01.1957 in B 330/99/1. 26 Bähre / Schneider (1986), S. 53. Consbruch / Möller (1965), S. 36. 27 Vorlage (i. V. KÖNNEKER) vom 03.01.1957 zur 234. Sitzung des ZBR/BdL am 09./10.01.1957 betr. Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines BAKred in B 330/99/1. 28 Müller (2003), S. 455, Fußnote 82.
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Währungs- und Notenbank zentral oder dezentral zu errichten sei. Auch taktische Überlegungen spielten eine Rolle. HEINRICH HARTLIEB, Mitglied des Direktoriums, meinte, das BMWi kämpfe „mit allen Mitteln, [um] uns [den ZBR] in eine schlechte Position zu bringen.“ KARL BERNARD, Präsident des ZBR, war überzeugt, daß sich HENCKEL mit dem rein verfassungsrechtlichen Argument, ein Bundesressort könne nach dem Grundgesetz nicht an das Einvernehmen mit der parlamentarisch nicht verantwortlichen Notenbank gebunden werden, einer weiteren Diskussion entziehen wolle. HENCKEL wolle mit dem kurzfristig eingebrachten Entwurf „vermeiden, daß ihm für den Fall einer Publizität unerwünschter Sand in die Maschine gestreut wird.“ BERNARD schlug daher vor, man möge den Entwurf „etwas dilatorisch behandeln“ und die „Henckel’sche Idee etwas sabotieren“, um nach den Worten von ERNST FESSLER, Präsident der LZB von NordrheinWestfalen, nicht „Opfer dieser Durchpeitschmethode“ zu werden. Der ZBR behielt sich daraufhin eine Stellungnahme zu dem Entwurf vor, beauftragte aber das Direktorium, zu der verfassungsrechtlichen Frage des Einvernehmens vorab Stellung zu nehmen.29 Die BdL bat das BMWi mit Schreiben vom 21. Dezember 1956, den § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Entwurfs wegen „schwerwiegende[r] Bedenken“ gegen die dort vorgesehene Ersetzung des Einvernehmens durch das Benehmen zu streichen. WILHELM KÖNNEKER, Vizepräsident des Direktoriums, und FRIEDRICH WILHELM VON SCHELLING, Leiter der Rechts- und Währungsabteilung, machten geltend, es gäbe keinen zwingenden Grund, in einem Gesetz, das sich lediglich mit der Errichtung eines BAKred befasse und sonstige materielle Änderungen des KWG vermeiden wolle, die Notenbankbefugnisse gegenüber dem bisherigen Recht wesentlich einzuschränken. Der Gesetzgeber könne aufgrund von Art. 80 GG der BdL im allgemeinen wohl kein materielles Verordnungsrecht einräumen. Dies gelte aber nicht für notenbankeigene Gebiete. Bei den Erörterungen zum BBkG hätten daher auch keine Bedenken bestanden, der Notenbank weiterhin das Recht einzuräumen, Mindestreserven der Geldinstitute festzusetzen. Daß die Mitwirkung bei der Bankenaufsicht gemäß den KWG-Vorschriften durchaus zu den notenbankeigenen Aufgaben gehöre, werde schon daraus ersichtlich, daß nach gegenwärtigem Recht die LZB im Rahmen der von der BdL erlassenen Richtlinien die Zahlungsfähigkeit und Liquidität der Kreditinstitute zu pflegen hätten (§ 2 LZB-Gesetze).30 LUDWIG ERHARD, Bundesminister für Wirtschaft, entgegnete mit Schreiben vom 9. Januar 1957, bei den Erörterungen zum BBkG sei klargestellt worden, daß verfassungsrechtlich der Währungsbank gewisse, in ihrer Auswirkung einer Rechtsetzung gleichkommende Befugnisse übertragen werden dürften, sofern diese Befugnisse zum eigentlichen Aufgabengebiet einer Währungsbank gehörten. 29 Auszug aus dem Stenogramm („KWG“) und Protokoll zur 233. Sitzung des ZBR/BdL am 19.12.1956, TOP 2.III. („Währungs- und Kreditpolitik“), in B 330/98/3. 30 Schreiben (BdL (KÖNNEKER / VON SCHELLING) an BMWi (HENCKEL / SCHREIHAGE)) vom 21.12.1956 betr. Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines BAKred i. d. F. vom 17.12.1956 in B 102/23342 und als Anlage 4 zu Punkt 6 der TO für die 234. Sitzung des ZBR/BdL am 09./10.01.1957 in B 330/99/1.
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Diese Durchbrechung des Grundsatzes parlamentarischer Verantwortlichkeit bedürfe aber im Interesse der Währungsbank selbst enger Auslegung, da sonst womöglich die rechtliche Zulässigkeit ihrer Unabhängigkeit in Zweifel gezogen werden könnte. Die in § 2 des Entwurfs erwähnten BA-Befugnisse seien zwar auch währungspolitisch bedeutsam. Wie viele andere Staatsaufgaben von zugleich währungspolitischer Bedeutung (z. B. Finanzpolitik, allgemeine Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik) gehörten diese Befugnisse dennoch nicht zu den eigentlichen Aufgaben einer Währungsbank. Verfassungsrechtlich könne man der parlamentarisch nicht verantwortlichen Währungsbank auf allen diesen Sachgebieten kein so weitgehendes Mitwirkungsrecht einräumen, daß dadurch die parlamentarisch verantwortlichen staatlichen Instanzen in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werden.31 Die Verzögerungstaktik der BdL ging nicht auf. Der ZBR erfuhr am zweiten Tag seiner 234. Sitzung vom 9. und 10. Januar 1957, daß das Bundeskabinett in seiner 165. Sitzung am Vortag den BMWi-Entwurf verabschiedet hatte.32 Wenngleich die Verabschiedung für ihn nicht unerwartet kam,33 sparte er nicht mit Kritik, als ERHARD am zweiten Sitzungstag erschien. Der ZBR hielt im Protokoll unverblümt fest: „Der ZBR stellt mit Bedauern fest, daß der Bank […] keine ausreichende Zeit und Gelegenheit für eine abschließende Stellungnahme gegeben worden ist, wobei besonders unterstrichen wird, daß der Entwurf im Kabinett verabschiedet worden ist, obwohl dem federführenden Ministerium bekannt war, daß der ZBR für seine Sitzung vom 9. / 10. Januar 1957 die Erörterung des Entwurfs auf seine Tagesordnung gesetzt hatte. Der Vorsitzende bringt diese Beschwerden dem Bundesminister für Wirtschaft nach dessen Erscheinen zur ZBR-Sitzung zur Kenntnis.“
Im ZBR bezeichnete man es gegenüber ERHARD als „eigenartig“, daß nur die „Ingerenz“ der Notenbank berührende Änderungen vorgeschlagen wurden, daß aber die Änderung anderer, mit dem Grundgesetz eindeutig nicht zu vereinbarender KWG-Bestimmungen offenbar nicht für vordringlich gehalten werde. BERNARD, der am Vortag eine „gewisse Eliminierung der Notenbank als ernstes Problem“ gesehen hatte, betonte nun, daß sich die „starke Ausschaltung der Notenbank“ insbesondere bei der Auswertung der Kreditmeldungen nachteilig auswirken würde. ERHARD war im Prinzip derselben Meinung. Er bedauerte die entstandene „Kontroverse“, verwies aber auf die Verfassungslage, die keine andere Auf-
31 Schreiben (BMWi (ERHARD) an BdL) vom 09.01.1957 betr. Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines BAKred als Anlage zu Punkt 5 der TO für die 235. Sitzung des ZBR/BdL am 23.01.1957 in B 330/99/2. 32 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1957, S. 75 f. BR-Drs. 9/57 vom 16.01.1957. 33 KÖNNEKERs schon am ersten Sitzungstag erörterter Vorlage vom 03.01.1957 (s. Fußnote 27, S. 144) ist als Frist für die Erteilung der Genehmigung im Umlaufverfahren im Bundeskabinett der 08.01.1957 zu entnehmen.
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fassung zulasse, und bot die Unterrichtung von Bundesrat und Bundestag über die Sicht der Notenbank an.34 Die Diskussion über die Stellungnahme ließ unterschiedliche Ansichten im ZBR über die zukünftige Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht erkennen. OTTO PFLEIDERER, Präsident der LZB von Baden-Württemberg, hatte in der 234. Sitzung gefordert, man möge sich für eine Fortgeltung des KWG 1944 einsetzen. Lediglich die darin den Ländern zustehenden Kompetenzen sollten seiner Meinung nach – soweit zweckmäßig – einem BAKred übertragen werden, um wichtige Rechte der Notenbank zu behalten. WILHELM VOCKE, Präsident des Direktoriums, räumte zwar eine seit 1948 intensiver und wirksamer gehandhabte Bankenaufsicht ein, hielt es aber „nicht für zweckmäßig und vertretbar, in den Verhandlungen mit der Bundesregierung und mit den parlamentarischen Gremien für die […] Beibehaltung der 1944er Fassung des KWG einzutreten“, weil die Reichsbank bei der weitgehenden Übertragung der materiellen Bankenaufsicht „in vollem Umfange von den Weisungen des ‚Führers’ abhängig“ gewesen war. VOCKE befürwortete eine „Dreiteilung der Bankenaufsicht auf Bundesregierung, Bankenaufsichtsbehörde und Notenbank“ wie im KWG 1939, um die Unabhängigkeit der Notenbank zu sichern.35 Von dieser der Bundesregierung entgegenkommenden Auffassung drang jedoch nichts nach außen, womöglich um einen einstimmigen ZBR-Beschluß zur BdL-Stellungnahme in der 235. Sitzung36 nicht zu gefährden. Die BdL verzichtete auf ERHARDs Angebot und leitete ihre in vielen Punkten ihrem Schreiben an ERHARD ähnliche Stellungnahme wegen der „außerordentlichen Eilbedürftigkeit“ dem Bundestag und Bundesrat lieber direkt zu. Sie machte so publik, daß „das Bundeskabinett erstmalig ein die Funktionen des Zentralbanksystems maßgeblich beeinflussendes Gesetz verabschiedet hat[te], ohne der Bank vorher Gelegenheit zur offiziellen Stellungnahme zu geben.“ Für Mißfallen im BMWi dürfte auch die Notenbankempfehlung gesorgt haben, den Gesetzentwurf nicht weiterzuverfolgen, sondern zunächst das Inkrafttreten des BBkG abzuwarten und sodann die Neufassung des KWG insgesamt in Angriff zu nehmen! Es sei „sehr unzweckmäßig, ja fast unmöglich“, zu Fragen der Zuständigkeit und Verantwortung für die künftige Bankenaufsicht vor Abschluß der parlamentarischen Verhandlungen über das BBkG Stellung zu nehmen. Zunächst müsse die (zentrale oder dezentrale) Organisation der Bundesbank geklärt werden. Dann müsse Klarheit über die künftige materielle Gestaltung des Aufgabenbereichs der Bankenaufsicht bestehen, bevor entschieden werde, welche Funktionen die Notenbank übernehmen und ob die Bankenaufsicht dezentral (d. h. föderal) oder zentral organisiert werden solle.
34 Auszug aus dem Stenogramm („KWG“) und Protokoll zur 234. Sitzung des ZBR/BdL am 09./10.01.1957, TOP 5 („Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines BAKred“), in B 330/99/1. 35 Vorlage (VOCKE) vom 18.01.1957 zur 235. Sitzung des ZBR/BdL am 23.01.1957 betr. Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines BAKred in B 330/99/2. 36 Protokoll zur 235. Sitzung des ZBR/BdL am 23.01.1957, TOP 8 („Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines BAKred“), in B 330/99/2.
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Die BdL forderte, sich ggf. auf die rein organisatorischen Fragen zu beschränken und keine materiellen Änderungen des KWG bis zu der in Aussicht genommenen Gesamtrevision dieses Gesetzes vorzunehmen. Bei der Anwendung des KWG 1939 wäre nicht mehr sichergestellt, daß wichtige Kreditanzeigen, deren kreditpolitische Bedeutung und Effizienz seit der Währungsreform außerordentlich zugenommen hätten, dem Zentralbanksystem zur Verfügung stünden. Man lege daher „größten Wert“ auf die in den §§ 9, 12 und 14 KWG begründeten Rechte hinsichtlich der Einreichung, Bearbeitung und Auswertung der Kreditanzeigen. Die „zweckentsprechende Auswertung“ für die Bankenaufsicht setze im übrigen neben Kenntnissen und Erfahrungen auch das Vorliegen ergänzender Unterlagen (z. B. Meldungen der monatlichen Bankenstatistik, Beobachtungen über die Einhaltung der Mindestreserven und der Kreditrichtsätze) voraus. Die Ortsnähe und die gegenwärtige Organisation gewährten außerdem einen Einblick in die Situation des einzelnen Kreditinstituts und ermöglichten eine enge Zusammenarbeit.37 – Vor allem letzteres Argument unterstützte die BR-Forderungen nach einer föderalen BA-Organisation und dürfte deshalb kaum im Sinne des BMWi gewesen sein. Die Stellungnahme zeigte Wirkung. ERHARD ging in der 171. BR-Sitzung am 8. Februar 1957 ausdrücklich auf die BdL-Bedenken ein. Seine Erklärung, die Ersetzung des Einvernehmens mit der Notenbank durch ein Benehmen sei lediglich wegen der gegebenen Verfassungslage erforderlich, eine Schmälerung der Notenbankrechte trete hierdurch aber nicht ein (sic!),38 half letztlich nicht. Der Bundesrat folgte der Empfehlung aller beteiligten Ausschüsse39 und lehnte den Gesetzentwurf ab.40 Die Bundesregierung brachte ihn daraufhin – entgegen der Empfehlung des federführenden BR-Wirtschaftsausschusses, die Frage der organisatorischen Neuregelung der Bankenaufsicht bis zum Erlaß des BBkG und des KWG zurückzustellen – zwar beim Bundestag ein. Dieser überwies ihn aber ohne Aussprache an die zuständigen Ausschüsse. Der Gesetzentwurf wurde daraufhin in der zu Ende gehenden Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet und in der darauffolgenden nicht mehr vorgelegt.41
37 Schreiben (BdL an BMWi / BMF / BMJ / BR / BT / SaBa) vom 25.01.1957 betr. Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines BAKred (BdL) als Anlage zum Protokoll zur 235. Sitzung des ZBR/BdL am 23.01.1957 (s. Fußnote 36, S. 147) in ebd. 38 BT-Drs. 3264, 2. Wahlperiode, vom 08.03.1957. 39 BR-Drs. 9/1/57 vom 02.02.1957. Beteiligt waren der Rechtsausschuß, der Ausschuß für Innere Angelegenheiten, der Finanzausschuß und der federführende Wirtschaftsausschuß des Bundesrats. 40 BR-Drs. 9/57 (Beschluß) vom 08.02.1957. 41 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1957, S. 180 und S. 260. Bähre / Schneider (1986), S. 53. Consbruch / Möller (1965), S. 36.
4.2 Die Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht aus theoretischer Perspektive
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4.2 Die Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht aus theoretischer Perspektive Der BAKredG-Entwurf verdeutlicht(e) die diametralen Standpunkte: Der Auffassung der BdL, ihre Mitwirkung bei der Bankenaufsicht sei eine notenbankeigene Aufgabe, stand die Auffassung der Bundesregierung entgegen, die BA-Befugnisse gehörten nicht zu den eigentlichen Aufgaben einer Währungsbank. In der Theorie wird die Notenbankmitwirkung bei der Bankenaufsicht in zwei extremen Ausprägungen diskutiert, nämlich als integrierte und als separierte Bankenaufsicht. Beide Extrema sind jedoch Pole eines Kontinuums,42 die in dieser reinen Form in der Praxis nicht anzutreffen sind. Gleiches gilt hier; das BMWi wollte die Mitwirkung der Notenbank nicht völlig, aber doch weitgehend marginalisieren. In der Notenbank wollte man demgegenüber teils mehr (wie z. B. PFLEIDERER), teils weniger (wie z. B. VOCKE) an der Ausübung der als wichtig erachteten materiellen Aufgaben festhalten. Für die beiden extremen Standpunkte gibt es Argumente, aber à priori keine eindeutige Präferenz. Das gilt sowohl für allgemeine als auch für aufgabenspezifische Überlegungen. Die Notenbank und die Bankenaufsicht haben beide ein Interesse an der Gesunderhaltung des Bankensystems. Die Bankenaufsicht hat dieses Interesse, weil es ihrer Aufgabe entspricht. Die Notenbank interessiert sich auch – aber nicht primär! – für die sog. „systemische Stabilität“, weil sie für die Entfaltung ihrer Geldpolitik auf den Transmissionsmechanismus der Banken angewiesen ist, über den die Ökonomie eben auch von Problemen oder vom Zusammenbruch eines einzelnen Kreditinstituts erfaßt werden kann. Die Bankenaufsicht erfolgt jedoch im mikroökonomischen Bereich des einzelnen Kreditinstituts, während die Notenbank makroökonomisch auf alle Banken oder zumindest auf einzelne Bankengruppen einwirkt. Beide Institutionen können somit auch widerstreitende Interessen und Ziele haben. Eine Notenbank, die nicht nur die Inflation bekämpft, sondern auch BAAufgaben übernimmt, kann ein Wahrnehmungsproblem bekommen, weil sie ständig in einem Abwägungsprozeß steht. Wenn sie BA-Aspekte berücksichtigt oder sogar verfolgt, wird man wegen des nicht auszuschließenden Verdachts, sie könnte die Währungspolitik der Bankenaufsicht unterordnen, eventuell ihre Fähigkeiten als Währungshüterin in Zweifel ziehen und eine höhere Inflation erwarten.43 Falls eine Bank falliert, dürfte außerdem sofort gefragt werden, ob sie die Fehlentwicklung nicht rechtzeitig erkannt hat und den Zusammenbruch hätte verhindern können. Auch hierunter könnten ihre Glaubwürdigkeit44, ihre Reputation und so auch ihre öffentliche Wahrnehmung mit den soeben beschriebenen Folgen leiden.45 Diese Gefahren für die Notenbankunabhängigkeit sahen wohl ERHARD und 42 43 44 45
Haubrich (1996), S. 4. Haubrich (1996), S. 4. Briault (2000), S. 221. Tuya / Zamalloa (1994), S. 679. Di Giorgio / Di Noia (1999), S. 369.
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VOCKE. Die Übernahme der Bankenaufsicht gewährt andererseits der Notenbank einen (noch) tieferen Einblick in die einzelnen Kreditinstitute und kann so deren Tätigkeit verbessern. Diesen Vorteil sah eventuell PFLEIDERER. Die Frage nach der Verantwortung der Notenbank bei einem Bankzusammenbruch stand dem nicht unbedingt entgegen. Sie dürfte sogar einer Notenbank gestellt werden, die keine BA-Aufgaben übernimmt, aber dank ihrer währungspolitischen Befugnisse ohnehin Einblick in das fallierende Kreditinstitut hat. Ein Zusammenbruch eines Kreditinstituts muß daher nicht notwendigerweise die Notenbankreputation zusätzlich gefährden – im Gegenteil. Die Schließung eines Kreditinstituts kann auch als hartes Vorgehen interpretiert werden.46 Denkbar ist ferner, daß die Notenbank der Bankenaufsicht eine gewisse Reputation verschafft, sei es – wie bei den Ausführungen zur Entstehung des KWG angedeutet (siehe S. 139) –, um die Bankenaufsicht später in einer besonderen Institution zu verselbständigen, sei es – worauf PFLEIDERER später hinwies (siehe S. 174 f.) –, um auch eine Aufsicht über Staatsbanken zu sichern. Die Bankenaufsicht hat ein Interesse insbesondere daran, „daß die Kreditinstitute eine ausreichende Liquidität und ein genügendes Eigenkapital besitzen, um selbst über das übliche Maß hinausgehende Anforderungen der Einleger zu befriedigen und die Gläubiger vor Verlusten zu schützen.“47 Die BA-Maßnahmen, wie z. B. die Mindestkapitalanforderungen, tendieren jedoch in der Regel dazu, pro-zyklisch zu wirken, während die Maßnahmen der Geldpolitik grundsätzlich anti-zyklisch sein sollten.48 Höhere Mindestkapitalanforderungen der Bankenaufsicht in Rezessionszeiten, in denen die ertraglosen bzw. notleidenden Aktiva eines Kreditinstituts zunehmen, führen z. B. zu einer restriktiveren Kreditpolitik der Banken, während die Notenbank darauf zielt, die Ökonomie mit mehr Finanzmitteln zu versorgen.49 Die Notenbank trägt im Gegensatz zur Bankenaufsicht eine liquiditätspolitische Verantwortung, die daraus erwächst, daß die liquiden Verbindlichkeiten der einlagenannehmenden Institute als Geld dienen. Es war daher à priori zu erwarten, daß bei den KWG-Verhandlungen das Interesse der Bundesressorts (für die zu etablierende Bankenaufsicht) an der Mindestreserve als Mittel der Vorsorge mit dem Interesse der Bundesbank an der Funktion der Mindestreserve als kreditpolitisches Steuerungsmittel kollidieren würde (siehe Abschnitt 4.3.1). Die Bankenaufsicht hat des weiteren ein Interesse an der Güte der Schuldner einer Bank, für die unter anderem auch die Höhe der Zinssätze von Bedeutung sein kann. Ein ausufernder Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten kann die Habenzinsen in die Höhe treiben, für die die Banken zum Ausgleich höhere Sollzinsen in Rechnung stellen müssen. Höhere Sollzinsen locken jedoch Kunden an, die zur Zahlung einer höheren Risikoprämie bereit sind, womit sich möglicherweise die Güte der Schuldner und damit die Sicherheit der Gläubiger verschlech46 47 48 49
Haubrich (1996), S. 4. V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 118. Goodhart / Schoenmaker (1992), S. 362. Di Giorgio / Di Noia (1999), S. 369. Tuya / Zamalloa (1994), S. 663 und S. 669 f.
4.2 Die Rolle der Notenbank bei der Bankenaufsicht aus theoretischer Perspektive
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tert.50 Kartelle oder kartellartige Strukturen im Bankgewerbe können umgekehrt den Kreditinstituten auskömmliche Zinsspannen gewähren51. Die Notenbank hat über die Güte der Schuldner einer Bank hinaus ein kredit- und währungspolitisches Interesse an den Zinssätzen. Zwar setzt sie zur Beeinflussung des Geldumlaufs und der Kreditgewährung die für ihre Geschäfte jeweils anzuwendenden Zins- und Diskontsätze fest. Diese Festsetzung erfolgt jedoch global. Die Bundesbank konnte daher insbesondere in Zeiten, in denen sie bei festen Wechselkursen unter allen Umständen versuchte, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht zu sichern, die Kreditinstitute sich aber nicht zum Diskontsatz, sondern zu niedrigeren Sätzen über andere Banken refinanzierten, bei restriktiver Zielsetzung ein Interesse an einer Sollzinsregelung haben, um ein Durchschlagen ihrer Diskontpolitik auf die Kostenbelastung der Wirtschaft zu erreichen.52 Infolgedessen war hier ebenfalls zu erwarten, daß bei den KWG-Verhandlungen ein bankenaufsichtliches Interesse der Bundesressorts mit einem kredit- und währungspolitischen Interesse der Bundesbank kollidieren würde (siehe Abschnitt 4.3.2 und 4.3.4). Daß es sich bei diesen beiden theoretisch denkbaren Kollisionen um praktisch relevante Überlegungen handelt, zeigen Vorwürfe, die 1962 nach Erlaß des KWG erhoben wurden. Die Vorschriften zur Eigenkapitalausstattung und Liquiditätshaltung, hieß es, könnten dazu dienen, „eine Überliquidität der Banken zu binden und die Kreditschöpfungsfähigkeit der Banken bis zum äußersten einzuschränken, wenn durch die staatliche Finanz- und Kreditpolitik Überliquidität erzeugt wurde.“ Dank der Zins- und Wettbewerbsregelung könnte ferner durch hohe Reservesätze in Verbindung mit einer niedrigeren Zinsspanne das Kreditgeschäft so beschränkt werden, daß dies einer Konzessionierung oder Erlaubniserteilung gleichkäme.53 Die Vorschriften zur Eigenkapitalausstattung und Liquiditätshaltung sowie die Zins- und Wettbewerbsregelung waren daher bis zur Verabschiedung des KWG-Entwurfs durch das Bundeskabinett am 18. Februar 1959 (siehe S. 187) die strittigsten Punkte. Daneben waren zwar weitere, teilweise auch die Bankenliquidität berührende Vorschriften, wie etwa über die Spareinlagen und den unbaren Zahlungsverkehr, (erneut) umstritten. Die Vorschriften zur Eigenkapitalausstattung und Liquiditätshaltung sowie die Zins- und Wettbewerbsregelung standen aber, wie beim Scheitern des BAKredG-Entwurfs bereits deutlich geworden war (siehe Abschnitt 4.1.3), von Anfang an im Zusammenhang mit der sich über viele Jahre hinziehenden Auseinandersetzung zwischen dem Bund und den Ländern um die noch umstrittenere zentrale oder föderale BA-Organisation. Sie sind daher auch in diesem Zusammenhang darzustellen (siehe Abschnitt 4.3.3), wenngleich die endgültige Zins- und Wettbewerbsregelung erst nach der BBk-Zustimmung in der Organisationsfrage festgelegt wurde (siehe Abschnitt 4.3.4).
50 51 52 53
V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 118. Hartmann-Wendels / Pfingsten / Weber (2007), S. 689. V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 125. Ottel (1962), S. 92 f.
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4 Die Konflikte um wichtige notenbankrelevante Vorschriften im KWG
Die Bundesbank mußte über diese Vorschriften bzw. Regelung hinaus ein Interesse an dem im KWG zu bestimmenden Kreditinstitutsbegriff haben, um eine einheitliche, möglichst umfassende Anwendung ihrer währungspolitischen Instrumente nach dem BBkG auf alle „Kreditinstitute“ sicherzustellen. Abzusehen war z. B., daß nur diejenigen Unternehmen der Mindestreservepflicht unterliegen würden, die Bankgeschäfte im Sinne des im KWG hierüber zu formulierenden Katalogs und in dem dort zu bezeichnenden Umfang betreiben würden. Im Hinblick hierauf waren nach der Verabschiedung des KWG-Entwurfs im Bundeskabinett die Zweigstellen ausländischer Banken (bzw. Unternehmen)54 und die sog. Revolvinggeschäfte von Belang. Während erstere auf BBk-Anregung hin ohne große Debatte mittels Aufnahme einer Vorschrift (§ 53 KWG 1961) erfaßt wurden (und hier daher nicht dargestellt werden),55 kam es bei der Frage der Erfassung letzterer zu „heftigen Kontroversen“ (siehe Abschnitt 4.3.5).56 Daß es keine eindeutige Präferenz für die integrierte oder separierte Bankenaufsicht gibt,57 zeigen einige Analysen. „Reine“ Notenbanken scheinen demzufolge bei der Inflationsbekämpfung erfolgreicher zu sein als Notenbanken mit BAAufgaben. Dieses Ergebnis wird mit einem möglichen Zusammenhang zwischen Notenbankunabhängigkeit und institutioneller Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht erklärt. Es kann gut sein, daß unabhängige Notenbanken beim Erreichen von Preisstabilität besser sind und gleichzeitig nicht dazu neigen, Verantwortung bei der Bankenaufsicht zu übernehmen.58 Diesen Zusammenhang scheint das Ergebnis einer anderen Untersuchung zu bestätigen, wonach vor allem abhängige Notenbanken gleichzeitig auch BA-Aufgaben übernehmen. Eine Erklärung hierfür wäre der vermeintliche Versuch von Notenbankbeamten, von regierungsabhängigen Bereichen (Geldpolitik) auf Aufgabenbereiche auszuweichen, in denen sie eine Führungsrolle übernehmen können (Bankenaufsicht mit Kontakt zu Finanzintermediären). Länder mit einer integrierten Bankenaufsicht verzeichnen einer weiteren Analyse zufolge weniger Bankzusammenbrüche. Die Gründe bleiben jedoch unklar. Der Befund kann als Beleg für eine wegen des Interessenkonflikts zwischen Bankenaufsicht und Notenbank zu lasche Bankenaufsicht durch die Notenbank gewertet werden. Denkbar ist aber auch eine durch die Notenbank erfolgreich gehandhabte Bankenaufsicht oder das Vorhandensein einer stark kartellartigen Bankenstruktur.59 Letzteres scheint eine weitere Analyse zu bestätigen, nach der Länder mit einer integrierten Bankenaufsicht nicht nur höhere und volatilere Inflationsraten, sondern auch weniger entwickelte und kaum miteinander
54 V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 331. 55 Protokolle zur 46. und 63. Sitzung des ZBR/BBk am 29.04.1959 und 21.01.1960 in B 330/153/1 und 161/2. 56 Consbruch / Möller (1965), S. 38. 57 Goodhart / Schoenmaker (1995), S. 551 ff. 58 Heller (1991), S. 277 ff. 59 Goodhart / Schoenmaker (1995), S. 551 ff. Nach ebd., S. 544, ergibt sich das erstgenannte Ergebnis bei einer Gegenüberstellung mit Hilfe des Index von Alesina / Summers (1993) über relative Zentralbankunabhängigkeit.
4.3 Die Auseinandersetzungen im einzelnen
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konkurrierende Banken aufweisen, die höhere Gewinne verzeichnen und enger an die Notenbank gebunden sind.60 Da die theoretischen Überlegungen weder für die integrierte noch für die separierte Bankenaufsicht eine eindeutige Präferenz ergeben, muß die optimale Organisation letztlich anhand des länderspezifischen institutionellen und rechtlichen Rahmens sowie der Finanz- und Bankenstruktur gefunden werden.61 Dabei wird betont, daß die Steuerung der Liquidität primär eine geldpolitische Aufgabe sei und daß die Notenbank daher Regeln über angemessene Liquiditäts- und Reserveanforderungen aufstellen und deren Einhaltung überwachen können müsse.62 Ferner wird betont, daß auch das politische Umfeld und die Präferenzen der Öffentlichkeit zu berücksichtigen seien.63 Beides spielte ab 1958 im Hinblick auf das KWG eine außerordentliche Rolle. Das BMWi hatte mit seinem BAKredGEntwurf die öffentliche Diskussion über eine föderale oder zentrale Bankenaufsicht angefacht und sich so selbst „Sand in die Maschine“ gestreut. Die Notenbank hatte sich in dieser Diskussion nach außen scheinbar auf die BR-Seite geschlagen, nach innen aber ausdrücklich die Errichtung eines zentralen BAKred nicht ausgeschlossen.64 Noch vor Vorlage des ersten KWG-Entwurfs hatte sie so deutlich signalisiert, daß für sie die Organisationsfrage im Zusammenhang mit dem Umfang ihrer Mitwirkung bei der Bankenaufsicht stand. Für sie erwies sich dabei als Vorteil, daß das KWG erst nach dem BBkG verabschiedet werden sollte. Mit dessen Inkrafttreten am 1. August 1957 war dann eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Neugestaltung des KWG geschaffen, die Anfang 1958 konkret in Angriff genommen wurde. 4.3 Die Auseinandersetzungen im einzelnen HEINRICH SCHREIHAGE, 1952 von der BdL abgeordnet und seitdem im BMWi als Leiter des Referats VI A 3 (Bankwesen allgemein) für das KWG zuständig, legte am 18. Januar 1958 den ersten KWG-Entwurf vor. Dieser Referentenentwurf, dem noch vier weitere folgten, knüpfte an den BAKredG-Entwurf an und beschnitt in fast allen notenbankrelevanten Vorschriften die Mitwirkungsrechte der Bundesbank teilweise erheblich, indem er das Einvernehmen mit ihr in ein Benehmen oder ein Anhören abschwächte (siehe Anhang A-1, S. 230 f.). Neben dem BAKred als selbständige Bundesoberbehörde im BMWi-Geschäftsbereich am Sitz der Bundesbank (§ 5 Abs. 1) sah er die Errichtung eines Kuratoriums für das Kreditwesen (Kuratorium) zur Beratung der Bundesregierung und zur Mitwirkung in bestimmten, im Entwurf bezeichneten Fällen (§ 8 Abs. 1) vor. Auch dieses Gremium sollte wesentliche, bislang von der Bundesbank als Funktionsnachfolgerin 60 61 62 63 64
Di Giorgio / Di Noia (1999), S. 370 ff. Goodhart / Schoenmaker (1995), S. 551 ff. Heller (1991), S. 279 f. Haubrich (1996), S. 1 und S. 2. Protokoll zur 234. Sitzung des ZBR/BdL am 09./10.01.1957 (s. Fußnote 34, S. 147).
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4 Die Konflikte um wichtige notenbankrelevante Vorschriften im KWG
des RBk-Direktoriums wahrgenommene Aufgaben übernehmen. Da es sich aus dem BBk- und einem LZB-Präsidenten, einem BMF- und einem BMWi-Staatssekretär sowie dem BAKred-Präsidenten zusammensetzen (§ 8 Abs. 2) und Beschlüsse mit einfacher Mehrheit fassen (§ 8 Abs. 4) sollte, sah der Entwurf im Grunde keinen maßgeblichen Einfluß mehr für die Bundesbank bei der Bankenaufsicht vor. Bei den Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute (siehe Anhang A-4, S. 234 f.) blieb die Bundesbank sogar ganz außen vor: Die Kreditinstitute sollten einen gesetzlich festgelegten Mindestsatz in Höhe von fünf vom Hundert ihrer Gesamtverpflichtungen als haftendes Eigenkapital haben (§ 9 Abs. 1) und einen ebenfalls gesetzlich – allerdings noch nicht näher – festgelegten Mindestsatz ihrer Gesamtverpflichtungen als Liquiditätsreserve halten (§ 11 Abs. 1). Der bislang auf das BBk-Einvernehmen angewiesene Bundesminister für Wirtschaft sollte künftig nur noch der Anhörung des Kuratoriums bedürfen, um durch Rechtsverordnung den Eigenkapitalsatz auf höchstens 15 vom Hundert festsetzen (§ 9 Abs. 1) und den Liquiditätssatz für Arten oder Gruppen von Kreditinstituten ermäßigen (§ 11 Abs. 4) zu können. Das BAKred sollte ein Kreditinstitut von der Einhaltung dieser Sätze auf Antrag vorübergehend befreien können (§ 9 Abs. 6 und § 11 Abs. 6). Zur laufenden Überwachung der Kreditinstitute sollte in erster Linie das BAKred die wichtigen Anzeigen neben erweiterten Befugnissen zur Einholung zusätzlicher Informationen erhalten. Ihm sollten Anzeigen über „Organkredite“ (§ 16 Abs. 4) und „Anzeigen“ über personelle, gesellschaftsrechtliche, organisatorische und finanzielle Änderungen (§ 23) direkt, „Höchstkredite“, d. h. Kredite eines Kreditinstituts an denselben Kreditnehmer, die 15 v. H. des haftenden Eigenkapitals des Kreditinstituts überschreiten (§ 14 Abs. 1), sowie „Millionenkredite“, d. h. alle von einem Kreditnehmer in Anspruch genommenen Kredite, die im Laufe von zwei Monaten insgesamt eine Million DM übersteigen (§ 15 Abs. 1), indirekt über die Bundesbank gemeldet werden. Diese sollte als Evidenzzentrale dem BAKred ihre Feststellungen über die Mehrfachverschuldung eines Kreditnehmers mitteilen und die beteiligten Kreditinstitute hierüber informieren (§ 15 Abs. 2). Das BAKred sollte ferner Ausnahmen von der Vorschrift über Höchstkredite zulassen dürfen (§ 14 Abs. 2). In Anlehnung an die geltende Zins- und Wettbewerbsregelung sollte schließlich das BAKred im BBk-Benehmen mehrheitlich gefaßte Beschlüsse der Spitzenverbände der Kreditinstitute über Soll- und Habenzinsen und über Provisionssätze für allgemeinverbindlich erklären können (§ 38 Abs. 1). Der Entwurf sah für den Bundesminister für Wirtschaft (bzw. für das von ihm ermächtigte BAKred) anstelle des Einvernehmens mit der Bundesbank nur noch deren Anhörung vor, um durch Rechtsverordnung Vorschriften über Zinsen und Provisionen der Kreditinstitute erlassen zu können (§ 38 Abs. 3). Diese Vorschriften wie auch die Allgemeinverbindlicherklärungen sollten dabei unter Berücksichtigung eines Zu-
4.3 Die Auseinandersetzungen im einzelnen
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schlages zum Diskont- oder Lombardsatz Obergrenzen für die Kreditkosten enthalten (siehe Anhang A-4, S. 237).65 Der Entwurf erzeugte im ZBR erwartungsgemäß Mißfallen. KÖNNEKER berichtete erstmals mit Vorlage zur 21. ZBR-Sitzung am 10. April 1958 von dem Bestreben, „die Stellung des vorgesehenen BAKred möglichst stark zu machen und die Mitwirkung der Bundesbank, zumindest formalrechtlich, zurückzudrängen.“ Das Kuratorium schien ihm nur dazu geschaffen, eine unmittelbare BBkEinschaltung bei bestimmten Fragen zu umgehen. Eine zur Erreichung der Ziele des KWG nicht erforderliche Zusammenballung von Befugnissen beim Staat stehe jedoch mit der „auf der Freiheit der Wirtschaft beruhenden Konzeption“ der Bundesbank nicht in Einklang und werde auch deren nach § 3 BBkG („Aufgabe“)66 gestiegenen Verantwortung für ein reibungsloses Funktionieren, für eine gesunde Struktur, für die Liquidität und für eine ausreichende Eigenkapitalausstattung der Banken sowie für die Verhinderung von Fehlentwicklungen nicht gerecht. Die der Bundesbank nach den Vorschriften über die Mindestreserven-, Offenmarkt- und Devisenpolitik verfügbaren Instrumente zur Regulierung der Liquidität, Rentabilität und Bonität des Kreditsystems eröffneten einerseits erweiterte Eingriffsmöglichkeiten, begründeten andererseits aber auch eine erhöhte Verantwortung. So wie sich z. B. die an das Eigenkapital anknüpfenden und zu einer Verbreiterung der Eigenkapitalbasis anregenden Kreditrichtsätze67 und Rediskontkontingente auf die Geschäftspolitik der Banken im Sinne der Solidität und Sicherheit auswirkten, hätten letztlich alle kreditpolitischen Maßnahmen zum Ziel, die Geschäftsstruktur der Banken und damit ihr Verhalten zu beeinflussen. Auch bei der Auswertung der statistischen Erhebungen nach § 18 BBkG fiele sehr instruktives Material an, das der Bundesbank wichtige Unterlagen für ihre kreditgeschäftlichen Beziehungen zu den einzelnen Instituten liefere und ihr ein ausgezeichnetes Bild über deren Status und Entwicklung gebe. Man würde der Verantwortung für die Ordnung im gesamten Kreditwesen nicht gerecht werden, wenn man aufgrund dieses Materials Gefahren für die Bonität und Liquidität einzelner Institute lediglich feststellen würde, ohne zu reagieren. Nur eine in ihrer Stellung und in ihrem Wirken organisch mit dem Kreditapparat verflochtene Bundesbank verfüge über einen ausreichenden Einblick in das Kreditsystem als Ganzes sowie in die Struktur und Entwicklung der Geschäfte einer einzelnen Bank. Die von KÖNNEKER der Bundesbank zugedachte Rolle bei der Bankenaufsicht orientierte sich am Status quo, ging zum Teil aber auch darüber hinaus, weil er den Fortfall des Kuratoriums und die Aufgabenübertragung auf die Bundesbank vorsah. KÖNNEKER wollte erreichen, daß die Bundesbank federführend und verantwortlich die einschlägigen Aufsichtsfunktionen und Kontrollen durchführt, um „Doppelarbeit sowie Überschneidungen und Verschiebungen der Verantwortun65 Erste Fassung eines KWG-Entwurfs vom 18.01.1958 in B 102/41889 und B 330/2394. 66 § 3 BBkG: „Die Deutsche Bundesbank regelt mit Hilfe der währungspolitischen Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen, den Geldumlauf und die Kreditversorgung der Wirtschaft mit dem Ziel, die Währung zu sichern, und sorgt für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland.“ 67 Hierzu siehe Abschnitt 4.3.1, S. 156 ff.
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gen“ zu vermeiden. Er dachte primär an die Prüfung und Überwachung der Eigenkapitalausstattung (§ 9) und der Einhaltung der Liquiditätsvorschriften (§ 11), die „nicht nur ein bankaufsichtsmäßiges, sondern auch ein währungspolitisches Anliegen“ (sic!) enthielten und ein BBk-Einvernehmen unumgänglich machten.68 Darüber hinaus ging es ihm um die Entgegennahme von Anzeigen über Organkredite (§ 16) und über Veränderungen bei Kreditinstituten (§ 23) sowie um das Recht, zur besseren Beurteilung der Liquidität, Rentabilität und Bonität von den Kreditinstituten, ihren Geschäftsleitern und Organen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu erhalten (§ 39 Abs. 1 Ziffer 2). Daneben wollte er bei der vorgeschlagenen Zins- und Wettbewerbsregelung (§ 38 Abs. 1) das BBkEinvernehmen anstreben, „wie es bisher schon der Fall war.“ Die Organisationsfrage spielte für KÖNNEKER im Vergleich zum materiellen Gesetzesinhalt „nur eine mehr untergeordnete Rolle“. KÖNNEKER erinnerte daran, daß sich der ZBR beim BAKredG-Entwurf gegen die vorweggenommene Errichtung eines zentralen Aufsichtsamtes vor Verabschiedung des BBkG ausgesprochen hatte. Die anstehende Novellierung des KWG bot nun für ihn die Gelegenheit, das damals „stark in den Vordergrund“ gerückte Organisationsproblem mit Hilfe der von ihm entwickelten Verteilung der Aufsichtsfunktionen in seiner politischen Bedeutung abzuschwächen: „Gehen wesentliche Funktionen der materiellen Aufsicht auf die Bundesbank über, so ist für diesen Teil der Aufsicht auch die Frage ‚zentral oder dezentral’ gelöst.“ KÖNNEKER, der unter dieser Voraussetzung eine zentralisierte Bankenaufsicht befürwortete, wollte die Organisationsfrage also aus taktischen Gründen eigentlich erst in einem späteren Stadium, d. h. nach einer schärferen „Abgrenzung der Funktionen zwischen Bundesbank und Staat“, behandeln,69 um mit Hilfe von Zugeständnissen in dieser Frage ein die Bundesbank zufriedenstellendes Entgegenkommen der Bundesressorts bei den materiellen Vorschriften zu erreichen. Dennoch erörterte der ZBR – und zwar aufgrund von Interventionen aus Reihen der LZB-Präsidenten – die Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute sowie die Zins- und Wettbewerbsregelung parallel zur Frage der Organisation des zu errichtenden BAKred.
4.3.1 Die Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität Das BMWi hatte seine Absicht, im neuen KWG konkrete Sätze für die Eigenkapitalausstattung und Liquiditätshaltung der Kreditinstitute vorzuschreiben (siehe Anhang A-4, S. 234 f.), der Bundesbank bereits während der Vorarbeiten zum Referentenentwurf mitgeteilt.70 Zwei Monate später hatte ERHARD in einem 68 Ähnliches galt für die (weniger umstrittene) Auswertung der „Höchst-“ und „Millionenkredite“ (§§ 14 f.). 69 Vorlage (KÖNNEKER) vom 31.03.1958 betr. Vorbereitung eines Bundes-KWG – Aufgabenteilung und Organisation – sowie Protokoll zur 21. Sitzung des ZBR/BBk am 10.04.1958, TOP 12 („Entwurf eines KWG“), in B 330/139/2. 70 Schreiben (BMWi (SCHREIHAGE) an BBk) vom 05.10.1957 betr. Vorbereitung des neuen KWG; hier: Eigenkapital und Liquiditätsreserve der Kreditinstitute, in B 102/23249.
4.3 Die Auseinandersetzungen im einzelnen
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Schreiben vom 4. Dezember 1957 das Vorhaben, das die Ausfüllung der Blankettvorschriften (siehe S. 142 f.) bedeutete, mit dem BBkG begründet. Die gegenwärtig geltenden KWG-Vorschriften über das Eigenkapital (§ 11) und über bestimmte Anlagearten (§ 17) dienten ausschließlich bankenaufsichtlichen Zwecken, nämlich der Sicherheit der den Kreditinstituten anvertrauten Gelder und der Aufrechterhaltung eines störungsfrei arbeitenden Kreditapparates. Die Vorschrift über die Liquidität (§ 16) sei nach der Begründung zum KWG 1939 dagegen auch erlassen worden, um über die Haltung einer Barreserve die Schaffung zusätzlicher Kredite erschweren zu können. Diese währungspolitische Zielsetzung sei nach dem Inkrafttreten des BBkG am 1. August 1957 aber gegenstandslos geworden, da man bei der Fassung des § 16 BBkG bewußt darauf abgestellt habe, die kreditpolitische Funktion der Barreserve klar von den der Sicherung der Einleger dienenden Liquiditätsvorschriften für die Kreditinstitute zu trennen. Weder beim zur Zeit geltenden KWG noch bei den von der Bundesbank aufgestellten Kreditrichtsätzen werde jedoch eine ausreichende Trennung zwischen bankenaufsichtlichen und notenbankpolitischen Zwecken vorgenommen. ERHARDs Begründung war nicht ganz richtig. Die geschichtlich aus der Liquiditätsreserve der Kreditinstitute entstandene Mindestreserve hat nach der sog. „dualistischen Theorie“ einen Doppelcharakter. Das hierzu gehaltene Zentralbankguthaben ist demnach sowohl Liquiditätsreserve, d. h. Vorsorgemittel, des betreffenden Instituts als auch kreditpolitisches Steuerungsmittel. Es engt als gegenwärtig blockierte Mindestreserve die aktuelle Liquidität (Kreditbereitschaft) ein, erhöht aber gleichwohl infolge seiner u. U. künftigen Verfügbarkeit die potentielle Liquidität (Vorsorge für anomalen Auszahlungsbedarf). Die Begründung zu § 16 des Regierungsentwurfs zum BBkG, der fast unverändert in das Gesetz übernommen wurde, bezog sich ausdrücklich auf diese dualistische Theorie. Der Gesetzgeber hatte damit in der Mindestreserve sowohl ein Vorsorge- als auch ein kreditpolitisches Steuerungsmittel gesehen, dabei allerdings der notenbankpolitischen Seite den Vorrang gegeben, „da die primäre Aufgabe der Mindestreserve in der Beeinflussung des Geldmarktes, nicht aber in der Beaufsichtigung der Kreditbanken hinsichtlich ihrer Liquiditätsvorsorge“ besteht.71 ERHARDs Pläne tangierten direkt die Bundesbank: Der ZBR hatte Anfang 1951 sog. „Kreditrichtsätze über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute“ aufgestellt, nachdem sich gezeigt hatte, daß seine bis dahin ergriffenen, die Kreditpolitik der Geschäftsbanken indirekt beeinflussenden Restriktionsmethoden nicht mehr ausreichten, um die Geldversorgung der Wirtschaft zu beschränken. Die Kreditrichtsätze stellten eine „unmittelbare, wenn man will: quasiadministrative Einwirkung auf die Ausleihungen der Geschäftsbanken“ dar, weil sie nach Sparten im Kreditgewerbe differenzierte, gerade noch als angemessen zu betrachtende Relationen zwischen den Ausleihungen bzw. den liquiden Mitteln und dem Gesamtstatus, insbesondere den haftenden Mitteln der einzelnen Bank, 71 V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 326 ff. Lt. § 16 Abs. 5 BBkG sind daher die nach diesem Gesetz zu unterhaltenden Mindestreserven auf die nach anderen Gesetzen zu unterhaltenden Liquiditätsreserven anzurechnen.
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vorschrieben (siehe Anhang A-2, S. 232), von deren Einhaltung das Zentralbanksystem seine Refinanzierungshilfe abhängig machen konnte. Das Zentralbanksystem hatte mit ihnen das Ziel verfolgt, nach den wegen verhältnismäßig geringer Eigenmittel unabwendbaren Umstülpungen der Bilanzstruktur der Kreditinstitute durch die Währungsreform „wieder bindende Traditionen für die Bankpolitik zu schaffen“. Gleichzeitig hatte es aber auch beabsichtigt, bei Banken, die mit ihren Ausleihungen in den vorangegangenen Jahren weit über die normierten Maximalgrenzen hinausgegangen waren, durch das Erfordernis einer Erhöhung ihrer haftenden Mittel bzw. ihrer Liquidität restriktiv zu wirken.72 Aus den gleichen Gründen hatte es 1952 die bankindividuellen Rediskontkontingente eingeführt, deren (unveröffentlichte) Berechnungsgrundsätze sich wie die Kreditrichtsätze in erster Linie am Eigenkapital und an den Reserven, also ebenfalls an den haftenden Mitteln der Kreditinstitute orientierten. Nachdem die besondere konjunkturpolitische Lage nach der Währungsreform abgeklungen war, hatte das Zentralbanksystem indes an den Kreditrichtsätzen festgehalten, obschon sich deren Funktion von einem Instrument der auch quantitativen Steuerung des Kreditvolumens zu einem Instrument der rein qualitativen Einflußnahme auf die Geschäftsstruktur der einzelnen Institute geändert hatte.73 Diese Änderung resultierte aus einer Grundsatzdebatte in der 180. ZBRSitzung am 3. November 1954, in der die Berliner Zentralbank und die LZB von Nordrhein-Westfalen erfolglos geltend gemacht hatten, daß sich die Zuständigkeit der Notenbank zur Festsetzung betriebswirtschaftlicher Normen aus ihrer währungspolitischen Aufgabe ergebe und daß ihre Stellung als letzte Kreditquelle ein legitimes Interesse an den Kreditrichtsätzen begründe.74 Dieser Bezug auf die liquiditätspolitische Verantwortung der Notenbank kann, da die liquiden Verbindlichkeiten der einlagenannehmenden Institute, wie erwähnt, als Geld dienen (siehe S. 150), die Kontrolle der Reserveanforderungen und somit auch die aktive Einschaltung der Notenbank in die Bankenaufsicht rechtfertigen,75 zumal eine Notenbank mit der Fähigkeit, die Geschäftspolitik der Banken normsetzend über die Bankenaufsicht zu beeinflussen, so ihren geldpolitischen Maßnahmen Nachdruck 72 Geschäftsbericht (BdL) 1950, S. 16. 73 Nach den Geschäftsberichten (BdL) für die Jahre 1952 (S. 87), 1953 (S. 102) und 1954 (S. 117) handelte es sich bei den Kreditrichtsätzen bereits „weniger um ein Instrument der kurzfristigen Regulierung des bankmäßigen Kreditvolumens“, sondern „vielmehr [um] ein allgemeines Ordnungsprinzip und damit eine strukturpolitische Maßnahme“. Nach den Geschäftsberichten (BdL) für die Jahre 1955 (S. 118), 1956 (S. 119) und 1957 (S. 62) hatte der ZBR nur noch bestimmte Kreditrichtsätze aufgestellt, „um das Kreditvolumen und die Kreditstruktur eines Kreditinstituts seinen eigenen finanziellen Möglichkeiten anzupassen.“ Die Kreditrichtsätze sind für v. Spindler / Becker / Starke (1957), S. 55 ff., noch „Steuerungsmittel der Notenbank“ (ebd., Abschnitt E) im Rahmen ihrer „Kreditpolitik (im engeren Sinne)“. V. Spindler / Becker / Starke (1969), S. VII (Vorwort zur dritten Auflage) und S. 122 ff., thematisieren sie dagegen im Hinblick auf die Bankenaufsicht (ebd., Abschnitt F). 74 Vorlage (BENNING) vom 10.01.1958 betr. Vorbereitung des neuen KWG; hier: Verhältnis der gesetzlichen Normativbestimmungen zu den Kreditrichtsätzen der Deutschen Bundesbank, zur 27. Sitzung des ZBR/BBk am 10.07.1958 in B 330/142. 75 Heller (1991), S. 280.
4.3 Die Auseinandersetzungen im einzelnen
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verleihen könnte. Sie würde dann jedoch ihren makroökonomischen Wirkungsbereich, in dem sie unparteiisch wirkt, verlassen, in den Mikro-Bereich der Banken eindringen und sich dem politischen Druck von Interessengruppen aussetzen, der ihre Unabhängigkeit in geldpolitischen Entscheidungen gefährden könnte.76 Diese Gefahr hatte vermutlich die Mehrheit im ZBR gesehen. Sie war seinerzeit zu der Auffassung gelangt, „daß der Erlaß und die Durchsetzung struktureller Ordnungsvorschriften zur Festigung und Verbesserung der Eigenkapitalbasis und der Liquidität der einzelnen Kreditinstitute primär eine hoheitliche Aufgabe sei und in die Zuständigkeit der staatlichen Bankenaufsicht falle.“ Der ZBR hatte in dieser Sitzung am 3. November 1954 mangels ausgefüllter Blankettvorschriften die späteren Kreditrichtsätze vom 15. Dezember 1954 (siehe Anhang A-2, S. 232) aufgestellt und bei dieser Gelegenheit bereits darauf verwiesen, daß die strukturellen Ordnungsvorschriften in einem neuen KWG mit diesen Kreditrichtsätzen konkurrieren würden.77 ERHARD hatte diese Konkurrenz mit seinem Schreiben vom 4. Dezember 1957 konkretisiert und dabei entsprechend der einige Jahre zuvor mehrheitlich vom ZBR dargelegten Auffassung argumentiert: Die Aufstellung allgemeiner struktureller Ordnungsvorschriften für das Kreditgewerbe und ihre Durchsetzung bei den einzelnen Instituten seien ihrem Wesen nach hoheitliche Aufgaben, die ihre Rechtsgrundlage in gesetzlichen Vorschriften haben müßten. Sie fielen in die Zuständigkeit des Staates und könnten nur von Stellen ausgeübt werden, die der parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Die Notenbank habe zwar in ihrer Eigenschaft als Bank der Banken an der Herstellung und Aufrechterhaltung einer gesunden Bankstruktur ein großes Interesse. Die Verwirklichung dieser Prinzipien gehöre jedoch nicht zu ihren währungspolitischen Aufgaben. Zwingende Rechtsvorschriften seien außerdem erforderlich, weil die Strukturnormen nach der geltenden Regelung nur insoweit durchgesetzt werden könnten, als die Kreditinstitute auf die Inanspruchnahme von Notenbankkrediten angewiesen seien.78 Die Bundesbank hatte jedoch inzwischen wieder ein vitales kreditpolitisches Interesse an den Kreditrichtsätzen erlangt. Nach dem Inkrafttreten des BBkG war das Direktorium im ZBR stimmberechtigt und hatte dadurch Einfluß erhalten. Hinzu kam, daß die Geschäftsbanken, die ihre Refinanzierungsmöglichkeiten bei der Notenbank jahrelang nicht genutzt hatten, seit Juni 1955 wieder zunehmend auf diese zurückgriffen (siehe S. 17). Seit September 1956 hatte die Notenbank wegen des Dilemmas zwischen außen- und binnenwirtschaftlichem Gleichgewicht zwar den Diskontsatz wiederholt gesenkt, ihre liquiditätspolitischen Maßnahmen sonst aber weiter verschärft (siehe S. 19). Diese Veränderungen erklären das Verlangen ihres Vertreters aus der Hauptabteilung Banken, JOACHIM KLEINHANS, bei 76 Ebd., S. 277. Briault (2000), S. 221 f. – Wie erwähnt, ist umgekehrt allerdings auch denkbar, daß die Notenbankunabhängigkeit zu einer unabhängigeren Bankenaufsicht führt und deren „Politisierung“ vorbeugt (s. S. 150). 77 Vorlage vom 10.01.1958 (siehe Fußnote 74, S. 158). 78 Schreiben (BMWi (ERHARD) an BBk) vom 04.12.1957 betr. Vorbereitung des neuen KWG; hier: Verhältnis der gesetzlichen Normativbestimmungen zu den Kreditrichtsätzen des Zentralbanksystems, als Anlage zur ZBR-Vorlage vom 10.01.1958 (s. Fußnote 77) in ebd.
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4 Die Konflikte um wichtige notenbankrelevante Vorschriften im KWG
der ersten Erörterung der §§ 9 bis 11 KWG-E am 26. Februar 1958, die Ausgleichsforderungen und Nostroguthaben nicht in die liquiden Mittel einzubeziehen und den Mindestsatz für das Eigenkapital von fünf auf zehn Prozent bei gleichzeitiger Verbreiterung einer für alle Sparten des Kreditgewerbes einheitlichen Bemessungsgrundlage (Aktivseite anstelle von Gesamtverpflichtungen) anzuheben. Die Bundesressorts lehnten diese Forderungen ab, weil die Sparkassen kein Dotationskapital, sondern nur eine Sicherheitsrücklage hatten, andererseits aber durch die Gewährträgerhaftung weitgehend gesichert waren und daher einer „Sonderregelung“ bedurften. Zudem hatten die Girozentralen und die anderen öffentlichrechtlichen Kreditanstalten bereits sehr ungünstige Relationen des Eigenkapitals zu den Gesamtverpflichtungen. Das BMWi hatte aber immer noch keine konkreteren Vorstellungen über die Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften. Da diese „das eigentliche Kernstück der Reform“ darstellten, aber „zunächst nur eine Skizze“ (SCHREIHAGE) waren, sollten sie „noch sehr eingehend in besonderen Spezialbesprechungen“ nach Abschluß der ersten Lesung des Referentenentwurfs und der Vorarbeiten bei der Bundesbank über die neuen Kreditrichtsätze in einer besonderen Arbeitsgruppe erörtert werden.79 Dem damit seit längerem betrauten sog. „Arbeitsstab für Normierung“ erschienen die Kreditrichtsätze nach eingehender Prüfung verschiedener, durch umfangreiche Testreihen belegter Vorschläge als grundlegende Maßstäbe zur Bankennormierung, d. h. zur einheitlichen Bonitätsbemessung der mit der Notenbank im Diskontverkehr stehenden Kreditinstitute, mehrheitlich am ehesten geeignet.80 Er hatte daraufhin die Kreditreferenten des Zentralbanksystems beauftragt, anhand von vier von ihm festgelegten Richtlinien, die auf eine Verbreiterung der Eigenkapitalausstattung und Liquiditätshaltung zielten,81 Vorschläge zur Revision der Kreditrichtsätze zu unterbreiten. Der Arbeitsstab für Normierung diskutierte diese Vorschläge auch im Hinblick auf den vorliegenden KWG-Entwurf und ERHARDs bislang noch nicht erörtertes Schreiben vom 4. Dezember 1957. Er vertrat hierbei mehrheitlich die Ansicht, daß die Kreditrichtsätze als Teil der materiellen Bankenaufsicht weiter zum Aufgabenbereich der Notenbank gehören müßten. Um den Kreditinstituten ein nicht zuzumutendes Nebeneinander von veröffentlichten Kreditrichtsätzen und hiervon abweichenden gesetzlichen Normativvorschriften zu ersparen, empfahl daraufhin BERNHARD BENNING, für die Kreditabteilung zuständiges Mitglied des Direktoriums, in seiner Vorlage zur Revision der Kreditrichtsätze (siehe Anhang A-3, S. 233) vom 27. Mai 1958 folgenden Kompromiß: 79 Niederschriften über die Ressortbesprechung betreffend den Entwurf eines KWG am 26.02.1958 bzw. 03.03.1958 im BMWi vom 28.02.1958 und 08.03.1958 in B 102/41904. 80 Vorlage vom 27.05.1958 (s. Fußnote 82, S. 161). 81 Hierzu zählten vor allem die ersten beiden Richtlinien: Nach Richtlinie 1 sollten die Sammelwertberichtigungen nicht länger zu den haftenden Mitteln gezählt und die Bank-bei-BankBeteiligungen vom Eigenkapital abgesetzt, nach Richtlinie 2 auch das langfristige Aktivgeschäft in die Kreditrichtsätze (I und II) einbezogen werden. Niederschrift der 9. Sitzung des Arbeitsstabes für Normierung am 25.04.1958 (BENNING) in B 330/2393 und als Anlage zu TOP 8 im Protokoll zur 27. Sitzung des ZBR/BBk am 10.07.1958 (s. Fußnote 83, S. 161) in B 330/142.
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Der Gesetzgeber möge die vorgesehenen Normen im KWG lediglich als allgemeine Grundsätze formulieren, zugleich auf die entsprechenden Kreditrichtsätze der Bundesbank verweisen und analog zu § 16 Abs. 3 BBkG („Unterschreitung des Mindestreservesolls“) die Notenbank verpflichten, im Fall der erheblichen oder wiederholten Nichterfüllung der Kreditrichtsätze dem künftigen Aufsichtsamt Mitteilung zu machen.82 Der ZBR nahm diese Empfehlungen in seiner 27. Sitzung am 10. Juli 1958 an.83 Dieser ZBR-Beschluß machte eine Antwort auf das Schreiben vom 4. Dezember 1957, in dem ERHARD um frühzeitige Unterrichtung über Modifikationen der Kreditrichtsätze gebeten hatte, erforderlich. Die Bundesbank vollzog jetzt den – höchstwahrscheinlich durch das Direktorium bewirkten – Sinneswandel und forderte das Recht zur Normfestsetzung. BBk-Präsident KARL BLESSING erläuterte aufschlußreich vorab zu dem im Sitzungsprotokoll enthaltenen Kompromißvorschlag, daß die Kreditrichtsätze ein „wichtiges Stück des Instrumentariums der Bundesbank für die Erfüllung ihrer währungspolitischen Aufgaben“ (sic!) darstellten.84 TROEGER und BENNING antworteten am 7. August 1958 in einer Stellungnahme zur Zukunft der Kreditrichtsätze nach Erlaß des KWG, daß auch für den ZBR ein Nebeneinander von gesetzlichen Normativbestimmungen und Kreditrichtsätzen, soweit sie abweichende Anforderungen stellen würden, „höchst mißlich“ sei, daß er aber durchaus eine Möglichkeit für eine sinnvolle und organische Verzahnung von grundlegenden gesetzlichen Vorschriften im neuen KWG mit korrespondierenden Kreditrichtsätzen der Bundesbank sehe. Die Blankettvorschriften belegten, daß einheitliche gesetzliche Normativbestimmungen nicht praktikabel seien. Man habe seit 1951 positive praktische Erfahrungen mit den Kreditrichtsätzen gesammelt. Die aus den Bilanzen ersichtlichen Fortschritte der Kreditinstitute bei der Eigenkapitalausstattung und Liquiditätsstruktur in den vergangenen Jahren seien insbesondere auch durch ihre Verpflichtung erreicht worden, in ihren bankenstatistischen Meldungen an die Notenbank monatlich über die Erfüllung oder Überschreitung der Kreditrichtsätze zu berichten. Die Kreditrichtsätze seien ein elastisches Instrument, das sowohl unumgänglich und zweckmäßig erscheinende Differenzierungen zwischen Bankgruppen als auch Anpassungen an veränderte Verhältnisse ohne den Gesetzgeber ermöglicht habe. Mit den Rediskontkontingenten sei außerdem eine individuelle, sich vornehmlich nach den haftenden Mitteln bemessende Obergrenze für die Kreditentnahmemöglichkeit beim Zentralbanksystem geschaffen worden, die die Bilanz- und Geschäftsstruktur des einzelnen Instituts berücksichtige und hierbei auch den Erfüllungsgrad der Kreditrichtsätze in Rechnung stelle. Da die Kreditrichtsätze so zu wichtigen, nicht zu entbehrenden Maßstäben für die Beurteilung der Bonität, der Risikolage, der Liquidität 82 Vorlage (BENNING) vom 27.05.1958 betr. Revision der Kreditrichtsätze der Deutschen Bundesbank zur 25. Sitzung des ZBR/BBk am 12.06.1958 in B 330/141. 83 Protokoll zur 27. Sitzung des ZBR/BBk am 10.07.1958, TOP 8 („Revision der Kreditrichtsätze der Deutschen Bundesbank“), in B 330/142. 84 Schreiben (BBk (BLESSING) an BMWi (ERHARD)) vom 16.07.1958 (ohne Betreff) in B 102/23249.
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und damit der Kreditwürdigkeit der den Notenbankkredit beanspruchenden Kreditinstitute geworden seien, werde sich die Bundesbank dieser Maßstäbe bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe als letzte Liquiditätsquelle des gesamten Bankensystems auch in Zukunft bedienen müssen.85 Der Verweis auf das besondere Informationsbedürfnis der Notenbank zur Erfüllung ihrer Aufgabe als „letzte Kreditquelle“ bzw. „Bank der Banken“ rechtfertigte aber eigentlich nicht deren aktive Einschaltung in die Normsetzung. Falls man einer Notenbank diese Aufgabe überhaupt einräumt,86 erhält sie sicherlich dank ihrer Einschaltung besseren Einblick in den Zustand der Wirtschaft, und zwar nicht nur zur Verbesserung ihrer makroökonomischen Prognosen,87 sondern auch zur besseren Beurteilung bzw. „Bemessung“ der Solvenz, der Liquidität und des Geschäftsgebarens eines Kreditinstituts, die ihr hilft, Mißbräuchen des Diskontprivilegs vorzubeugen. Ein Informationsaustausch kann hierzu ggf. ausreichen,88 macht aber die Notenbank bei der Beurteilung und der Beschaffung des notwendigen Materials von der Bankenaufsicht abhängig.89 Das Informationsbedürfnis zur Unterscheidung zwischen insolventen Kreditinstituten einerseits und lediglich illiquiden Kreditinstituten andererseits dürfte jedoch um so geringer sein, je restriktiver die Regeln zur Diskontierung sind. Für die deutsche Notenbank dürfte es daher eigentlich relativ gering gewesen sein, weil sie seit RBk-Zeiten mindestens drei „gute“ Unterschriften und maximal drei Monate Laufzeit zur Voraussetzung für die Wechseldiskontierung machte.90 In § 18 BBkG war ferner gerade die in das BdL-Gesetz neu aufgenommene Regelung „Statistische Erhebungen“ übernommen worden, die bereits Einblick in den Bereich der einzelnen Bank gewährte und der Notenbank insoweit entgegenkam.91 Demgemäß hätte man dem in Wahrheit wohl recht geringen Informationsbedürfnis zutreffendenfalls mit einer Regelung im BBkG, nicht aber im KWG nachkommen müssen. Insgesamt ist daher der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, daß sich die Notenbank – entgegen ihrer früheren Ansicht – nun doch nicht der Möglichkeit berauben wollte, auch über die Bankenaufsicht, z. B. aus liquiditätspolitischen Gründen, auf die Kreditinstitute wirken zu können. Die beschriebene Übereinstimmung mit ihren Liquiditätszielen stützt diesen Verdacht. Vermutlich hatte ihn auch ERHARD, als er bekanntgab, bankenaufsichtliche und notenbankpolitische 85 Schreiben (BBk (TROEGER / BENNING) an BMWi (ERHARD)) vom 07.08.1958 betr. Revision der Kreditrichtsätze der BBk in B 330/2393. Die Argumentation lehnte sich an BENNINGs Vorlage vom 27.05.1958 (s. Fußnote 82, S. 161) an. 86 Goodhart / Schoenmaker (1995), S. 548 f., argumentieren, daß sich ein solventes, aber illiquides Kreditinstitut in einem effizienten Geld- und Interbankenmarkt „fast“ immer ausreichend Geld zur Überwindung von Liquiditätsschwierigkeiten beschaffen könne. Die Notenbank bedürfe daher keiner zusätzlichen Informationen. 87 Heller (1991), S. 271 und S. 275. 88 Briault (2000), S. 222 ff. 89 Peek / Rosengreen / Tootell (1999), S. 647 f. 90 Goodhart / Schoenmaker (1995), S. 542. 91 V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 366 ff. Nach § 7 Abs. 1 S. 3 KWG 1961 hatte daher später die Bundesbank ihre nach § 18 BBkG erlangten Angaben dem BAKred insoweit zur Verfügung zu stellen. Ebd., S. 374.
4.3 Die Auseinandersetzungen im einzelnen
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Aufgaben stärker voneinander trennen zu wollen (siehe S. 156 ff.). TROEGERs und BENNINGs Argumente hätten insofern auf wenig Anklang stoßen dürfen. Daß sie es dennoch taten, hatte andere Gründe: Im BMWi gab es zunächst einmal praktische Gründe. Die BMWi-Pläne erforderten für die öffentlich-rechtlichen Institute eine Fiktion für die Erfüllung der Eigenkapitalanforderungen.92 Gegen sie sprachen ferner zahlreiche von SCHREIHAGE in einer Besprechung am 25. August 1958 bei der Bundesbank eingeräumte Schwierigkeiten bei der Formulierung gesetzlicher Normvorschriften (Definition der liquiden Mittel, unterschiedliche Qualität des Wechselmaterials, mögliche Stichtagsmanipulation bei einer positiven Liquiditätsrelation nach § 11 KWG-E und unmögliche Anpassung der Vorschrift auf den gesetzlich möglichen Mindestreservesatz von Null). SCHREIHAGE konzedierte sogar, daß die revidierten Kreditrichtsätze I und II nicht mit diesen vielfältigen Schwierigkeiten behaftet seien und der revidierte Kreditrichtsatz IIa überdies eine sinnvolle Erweiterung zu § 12 KWG-E („Anlagen in Grundbesitz“) darstelle (siehe Anhang A-3, S. 233).93 Er hatte jedoch „staatsrechtliche Bedenken“ gegen die BBk-Pläne, weil man im BMWi die Bundesbank nicht allein über Strukturerfordernisse im Kreditgewerbe entscheiden lassen wollte.94 Dort suchte man daher eine Lösung, die die erwähnten Schwierigkeiten vermeiden und gleichzeitig der Bundesbank keine zu weitgehenden Rechte zur Normfestsetzung übertragen sollte. Eine solche Lösung präsentierte HENCKEL, mittlerweile Leiter der Abteilung VI im BMWi (Geld und Kredit), den Bundesressorts in einer Besprechung am 8. September 1958. Das BMWi strich das bis dahin vorgesehene Kuratorium und sah keine starren gesetzlichen Normvorschriften mehr für die Eigenkapitalausstattung und Liquiditätshaltung der Kreditinstitute vor. An ihre Stelle traten rechtlich unverbindliche Rahmenbestimmungen, die nicht durch Rechtsverordnungen mit der Möglichkeit unmittelbarer Sanktionen bei Nichterfüllung, sondern durch Verwaltungsakte als „Grundsätze“95 ausgefüllt werden sollten. Hierfür war das Einvernehmen zwischen dem BAKred und der Bundesbank vorgesehen. Die Kreditrichtsätze der Bundesbank sollten so ausgestaltet werden, daß sie inhaltlich dem durch das KWG zu verwirklichenden Zustand entsprächen.96 Diese Lösung war für das BMWi notwendig geworden, weil es seiner Ansicht nach der Bundesbank aufgrund des Grundgesetzes kein Einvernehmen beim Erlaß von Rechtsverordnungen einräumen konnte – oder, wie sich später zeigte, einräumen wollte (siehe Abschnitt 4.3.4) –. Zudem hätten nach Art. 80 Abs. 1 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß einer etwaigen gesetzlichen Ermächtigung zur Durchführung von Sanktionen be92 93 94 95
Schreiben vom 23.09.1958 (s. Fußnote 103, S. 165). Vermerk vom 30.08.1958 (s. Fußnote 101, S. 164). Schreiben (SCHREIHAGE an PAERSCH) vom 26.08.1958 (ohne Betreff) in B 102/23249. Dieser Begriff wurde auf Einwand des BMJ gewählt, um die Form des Verwaltungsaktes zu unterstreichen. 96 SCHREIHAGE schlug die Übernahme der neuen Kreditrichtsätze I und II als Eigenkapital- bzw. Liquiditätsgrundsatz vor, um den Kreditinstituten Anhaltspunkte zur Prüfung durch das BAKred und um diesem Hinweise auf die bei einem Kreditinstitut möglicherweise bestehenden Gefahren bei deren Nichterfüllung zu geben.
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reits im Gesetz bestimmt werden müssen – Erfordernisse, die einer elastischen Regelung entgegenstanden. Man hielt daher an der einst von ERHARD für unzureichend gehaltenen mittelbaren BBk-Sanktionsmöglichkeit (siehe S. 159) fest und betonte nun, daß so das BAKred die Besonderheiten der einzelnen Institute besser berücksichtigen und man der Bundesbank ein größeres Mitwirkungsrecht gewähren könnte.97 Daß es sich hierbei um die ausschlaggebenden Gründe handelte, darf bezweifelt werden, weil man die BBk-Mitwirkungsrechte im Widerspruch zu dem nun vorgesehenen Einvernehmen zwischen der Bundesbank und dem BAKred ursprünglich einschränken wollte. Auch taktische Erwägungen spielten eine Rolle. SCHREIHAGE hatte nämlich bereits Mitte Juni 1958 von HEINRICH IRMLER, Vizepräsident der LZB in Niedersachsen, die Vorlage zur Revision der Kreditrichtsätze „zur streng vertraulichen und persönlichen Kenntnisnahme“ erhalten und danach gesetzlich festgelegte (d. h. starre) Liquiditätssätze kaum noch für möglich gehalten und für eine spezielle Behandlung zumindest der ländlichen Genossenschaften plädiert.98 Seine Zweifel waren eine Folge „stärkste[r] Angriffe der Verbände“ (KLEINHANS). Der Deutsche Raiffeisenverband hatte dargelegt, daß nahezu 800 Genossenschaften die vorgeschlagenen Normen nicht einhalten könnten und bei Realisierung des Vorhabens mit Ausnahmegenehmigungen arbeiten müßten.99 Im BMWi hatte man daraufhin eingesehen, daß die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen in diesem Umfang die Arbeit des BAKred unnötig erschweren würde, daß dieses Problem nicht einfach durch spartenspezifische Gesetzesnormen zu umgehen war und daß eine besondere Schwierigkeit darin bestand, Normen zu finden, die auch bei wirtschaftlichen Schwankungen längere Zeit Bestand haben, ohne wiederholt den umständlichen Weg einer abändernden Rechtsverordnung beschreiten zu müssen.100 SCHREIHAGE hatte daher bei der Bundesbank erschwerende „Wettbewerbsgesichtspunkte von besonderem politischen Gewicht“ erwähnt, die von Institutsgruppen mit strukturbedingt kleinem Wechselkreditgeschäft (Volksbanken, Raiffeisenkassen) vorgetragen worden waren.101 Deshalb begründete ferner HENCKEL den Umschwung zugunsten von Rahmenbestimmungen mit der verschiedenartigen Struktur des Kreditgewerbes, SCHREIHAGE mit den Forderungen sämtlicher Verbände mit Ausnahme des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes (BdpB). Das BMWi befürchtete, daß die bereits bei der Diskussion um den KWGEntwurf zwischen den Spitzenverbänden der Kreditinstitute aufgetretenen Divergenzen bei einer alleinigen Ausfüllung der Normen durch das BAKred wieder 97 Niederschrift über die Ressortbesprechung betreffend den Entwurf eines KWG am 08.09.1958 im BMWi vom 10.09.1958 in B 102/41904. Die Ressortbesprechung diente der Bildung einer einheitlichen Meinung zu den Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften. 98 Korrespondenz (IRMLER / SCHREIHAGE) vom 11./13.06.1958 in B 102/23249. 99 Stellungnahme zum Entwurf eines KWG (Deutscher Raiffeisenverband e. V.) vom 18.06.1958, S. 25, in B 102/41889, B 126/7413 und B 330/2392. 100 Vermerk (KLEINHANS) vom 04.07.1958 betr. Vorbereitung eines Bundes-KWG; hier: Eigenkapital und Liquidität, in B 330/2392. 101 Vermerk (RAHMSDORF) vom 30.08.1958 (ohne Betreff) in B 330/2393.
4.3 Die Auseinandersetzungen im einzelnen
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akut werden könnten, und betonte darum, daß bislang bei der Aufstellung der Kreditrichtsätze durch die Bundesbank keine nennenswerten Schwierigkeiten aufgetreten seien.102 Es baute weiter auf die historisch gewachsene und vor allem in der Refinanzierung begründete Autorität der Bundesbank und räumte ihr das Einvernehmen ein (siehe Anhang A-4, S. 234 ff.).103 Die Bundesbank war damit zufrieden. Ihre Vertreter verteidigten zusammen mit HENCKEL und SCHREIHAGE in einer Besprechung am 17. September 1958 die neue Konzeption gegen Kritik aus den Ländern.104 – Ähnliche Motive zeigen sich auch im ersten Teil des Konflikts um die Zins- und Wettbewerbsregelung.
4.3.2 Die Zins- und Wettbewerbsregelung – 1. Teil: Die BBk-Beteiligung Die in § 38 KWG-E vorgesehene Zins- und Wettbewerbsregelung (siehe Anhang A-4, S. 237) war im BMWi seit Jahren umstritten. Die Abteilung I (Wirtschaftspolitik) unter der Leitung von ALFRED MÜLLER-ARMACK, die sog. Grundsatzabteilung, drängte schon 1955 auf die Freigabe der Zinsen.105 Die beim KWG federführende Abteilung VI (Geld und Kredit) trat hingegen für die Beibehaltung der Zinsbindung ein, für die sich auch der ZBR mehrmals ausgesprochen hatte.106 Beide argumentierten in der ersten Ressortbesprechung zu § 38 KWG-E am 25. März 1958 erneut gemeinsam gegen die Vertreter der Abteilung I. SCHREIHAGE (BMWi) und FRIEDRICH REISCHAUER, SCHREIHAGEs Nachfolger bei der Notenbank und stellvertretender Leiter der Hauptabteilung Banken, begründeten die vorgeschlagene Koppelung des Höchstsatzes für die Sollzinsen an den Diskontsatz mit währungspolitischen und sozialen Motiven. Sie sorge für das sofortige Durchschlagen von Diskontsatzänderungen und verstärke so die Wirkung der Währungspolitik der Notenbank. Freie Sollzinsen zögen außerdem die Zinssätze nicht nach unten, sondern trieben sie nach oben. SCHREIHAGE betonte das „soziale Moment“ der Sollzinsbindung, das für REISCHAUER darin bestand, höhere Zinsen für den kleinen Kreditnehmer bei gleichzeitig möglicherweise auftretenden verbesserten Sonderkonditionen für Großkreditnehmer zu verhindern. Den Kreditinstituten sei ferner wegen der rentabilitätsmindernden Wirkung der Mindestreserve eine gewisse Rentabilität auf dem Zinssektor zuzusichern. Zur Sicherung dieser Rentabilität war für SCHREIHAGE deshalb auch eine Bindung der Habenzinsen erforderlich, weil die Habenzinsen anderenfalls mit Sicherheit nach
102 Vermerk vom 10.09.1958 (ohne Betreff) in B 102/23249. 103 Schreiben (SCHREIHAGE an FRIEDRICH ERNST, den ehemaligen Reichskommissar für das Bankgewerbe / Kreditwesen) vom 23.09.1958 (ohne Betreff) in B 102/23249. 104 Niederschrift (BMWi) über die Ressortbesprechung am 17.09.1958 betreffend den Entwurf eines KWG im BMWi vom 06.10.1958 in B 102/41904 und B 330/2394. 105 Internes Schreiben (V A/1 (STAHLBERG) an V A/2 (HAHN)) vom 06.09.1955 betr. KWG in B 126/7412. 106 Internes Schreiben (VI A 3 (SCHREIHAGE) an VI L) vom 15.01.1958 betr. Beitrag für die Abteilungsleiterbesprechung am 20.01.1958; hier: Entwurf eines KWG, in B 102/41887.
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oben gehen und dadurch den noch möglichen Wettbewerb auf der Sollseite erheblich einengen würden. Demgegenüber hielten die Vertreter der Abteilung I eine Zinsbindung wegen der im KWG für das BAKred vorgesehenen wirksameren Befugnisse zur Vorbeugung von Bankzusammenbrüchen nicht mehr für notwendig. Die Zinsbindung stelle eine nicht vertretbare gesetzliche Garantie einer Kartellrente dar. Der mit der Koppelung der Sollzinsen an den Diskontsatz zu erzielende währungs- und kreditpolitische Effekt sei zu schwach, um deswegen die Zinsbindung beizubehalten. Der Höchstsatz würde für die Banken zum Festsatz werden und daher unelastisch sowie wettbewerbsbeschränkend wirken. Die Vertreter der Abteilung I lehnten das „soziale Argument“ ab und betonten statt dessen die Selektivfunktion des Zinses. Es sei besser, die Zinsabkommen aufzuheben und die Zinsgestaltung einem gesunden Wettbewerb auf dem freien Markt zu überlassen. Die dabei auftretende Zinsstaffelung würde keine Diskriminierung bedeuten, sondern vielmehr das individuelle Risiko widerspiegeln. Die Diskussion um die Freigabe der Zinsen war also nicht nur von der Sorge bestimmt, der Preiswettbewerb könnte die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens gefährden107. Einer Freigabe stand obendrein die Struktur des deutschen Bankwesens entgegen. REISCHAUER betonte – zutreffend –, daß die Zinsbindung aufgrund der Gewährträger- und latenten Staatshaftung nicht einfach aufgehoben und der freie Wettbewerb im Kreditgewerbe insoweit nicht ohne weiteres eingeführt werden könne. Gewährträger- und latente Staatshaftung ermöglichten eine günstigere Refinanzierung. Solange sie existierten oder ein Einlagensicherungssystem die aus ihnen erwachsenden Wettbewerbsverzerrungen108 nicht zumindest ansatzweise ausgleiche, sorgten sie für ungleiche Startbedingungen zwischen den einzelnen Sparten des Kreditgewerbes. Der Vorschlag der Abteilung I, deshalb zur Verminderung oder sogar Aufhebung der ungleichen Startbedingungen eine Depositenversicherung einzuführen und die Gewährträgerhaftung abzuschaffen, stieß aber auf schroffe Ablehnung. SCHREIHAGE meinte, daß die Gewährträgerhaftung unmöglich abgeschafft werden könne, daß die Sparkassen eine Versicherung nicht bräuchten und daß sich die Großbanken freiwillig wohl kaum an ihr beteiligen würden.109 Der ZBR erfuhr in einer Vorlage KÖNNEKERs vom 2. Mai 1958, daß die Abteilung „Geld und Kredit“ von der Bundesbank eine „Hilfsstellung“ für die BMWi-interne Auseinandersetzung mit der Grundsatzabteilung erwartete. Die Zins- und Wettbewerbsregelung gewann darüber hinaus an „Aktualität und Dringlichkeit“,110 nachdem das BMWi die Bundesbank um eine Stellungnahme zu dem 107 So z. B. Hartmann-Wendels / Pfingsten / Weber (2007), S. 689. 108 Ebd., S. 385, allerdings nur mit Bezug auf (die Anstaltslast und) die Gewährträgerhaftung. 109 Niederschrift über die Ressortbesprechung betreffend den Entwurf eines KWG am 25.03.1958 im BMWi vom 01.04.1958 in B 102/41904 und B 330/2392. 110 Auszug aus dem Stenogramm („KWG“) und Vorlage (KÖNNEKER) vom 02.05.1958 betr. Vorbereitung eines Bundes-KWG; […] Erörterung über Fragen der Bankenaufsicht, zur 23. Sitzung des ZBR/BBk am 08.05.1958 in B 330/140. Vorlage auch in B 330/2392. Vorlage (KÖNNEKER) vom 16.05.1958 (s. Fußnote 117, S. 170).
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wenige Tage zuvor von der baden-württembergischen Landesregierung beim Bundesrat eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes über Zinsen, Gebühren und Wettbewerb im Kreditgewerbe“ gebeten hatte. Ohne zu diesem Entwurf endgültig Stellung nehmen zu wollen und Rückwirkungen auf die KWG-Verhandlungen zu bedenken, leistete der ZBR voreilig großzügig „Hilfsstellung“: Im Protokoll zur 23. Sitzung am 8. / 9. Mai 1958 erkannte er an – was sich für ihn letztlich als Fehler erwies –, daß es sich bei der Zinsregelung um die „Regelung einer staatlichen Aufgabe“ handele, „da die Gestaltung der Sollzinsen und der Habenzinsen nicht dem freien Wettbewerb der Kreditinstitute überlassen werden sollte.“111 Mit dem vier Paragraphen umfassenden Initiativentwurf wollte Baden-Württemberg die geltende Zins- und Wettbewerbsregelung aufheben (§ 4) und den Bundesminister für Wirtschaft ermächtigen, durch Rechtsverordnung im BBkEinvernehmen Bestimmungen über Zinsen, Provisionen und andere Gebühren zu treffen (§ 1 Abs. 1). Der Initiativentwurf erfüllte abgesehen davon, daß der Bundesminister für Wirtschaft bei Uneinigkeit mit der Bundesbank etwaige Bestimmungen mit BR-Zustimmung erlassen konnte (§ 1 Abs. 2), eigentlich deren Wunsch, beim Erlaß von Rechtsverordnungen zur Zins- und Wettbewerbsregelung im Einvernehmen beteiligt zu werden, und lieferte hierfür in der Begründung „vorzügliche Argumente“ (KÖNNEKER). Er widersprach der BR- und BT-Auffassung, daß Art. 80 GG eine Bindung des delegierten Gesetzgebers an das Einvernehmen mit der Währungs- und Notenbank als einer parlamentarisch nicht verantwortlichen Institution nicht zulasse. Ihre besondere staatsrechtliche Stellung nach Art. 88 GG und aufgrund des BBkG mache vielmehr das BBk-Einvernehmen beim Erlaß von Rechtsverordnungen unerläßlich. Die beim KWG in Betracht kommenden legislatorischen Maßnahmen griffen nämlich in jedem Falle in die Geld- und Kreditwirtschaft ein und berührten dadurch die Währungspolitik der Notenbank. Wenngleich die Bundesbank in Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG nicht explizit als eine zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigte Stelle genannt sei, werde diese verfassungsrechtliche Schranke dennoch nicht durchbrochen, wenn man für den Erlaß einer Rechtsverordnung des Bundesministers für Wirtschaft die BBkZustimmung vorschreibe, weil die Bundesbank in währungspolitischen Angelegenheiten ein von Parlament und Regierung gleichermaßen unabhängiges Organ des Bundes sei.112 – Wie schon beim BAKredG-Entwurf war damit erneut ein permanent heißes Eisen angesprochen: die BBk-Unabhängigkeit und die Frage, wie weit diese reiche. Dem ZBR boten sich nach der Einbringung des Initiativentwurfs zwei Möglichkeiten. Für eine Zustimmung sprach KÖNNEKERs Auffassung, daß die bisherige Zinsfestsetzung nach Inkrafttreten des BBkG und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. Juli 1957 (BGBl. I S. 1081) rechtlich unzulässig war und daß die Notenbank auch wegen des vorgesehenen Einvernehmens mit ihr 111 Protokoll zur 23. Sitzung des ZBR/BBk am 08./09.05.1958, TOP 9 („Entwurf eines Gesetzes über Zinsen, Gebühren und Wettbewerb im Kreditgewerbe“), in B 330/140. 112 Entwurf eines Gesetzes über Zinsen, Gebühren und Wettbewerb im Kreditgewerbe, BRDrs. 125/58 vom 29.04.1958.
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bei der Normenfestsetzung am baden-württembergischen Vorausgesetz interessiert sein mußte. KÖNNEKER betonte deshalb in seiner Vorlage vom 16. Mai 1958 die präjudizielle Bedeutung: „Würde sich bei der gesetzlichen Regelung dieser Materie das Einvernehmen durchsetzen lassen, wofür manches spricht, so wäre die Bahn frei für [eine] entsprechende Regelung anderer Fragen im KWG, an denen die Bundesbank wesentliches Interesse hat.“ Für eine Ablehnung des Initiativentwurfs sprach andererseits die ersichtlich eigennützige Absicht der badenwürttembergischen Landesregierung, die Organisationsfrage vorab in ihrem Sinne zu regeln. KÖNNEKER meinte daher, vom BMWi sei „schärfster Widerstand“ gegen diese Regelung zu erwarten, weil sie ein wichtiges, für die Zentralisierung beim Bund sprechendes Argument aus dem Wege räumen würde. In der 24. ZBR-Sitzung am 22. Mai 1958 hielt man den Initiativentwurf für wenig erfolgversprechend. BLESSING und FESSLER hatten ihm bereits in der 23. Sitzung keine Chance gegeben, waren aber auch nicht auf KÖNNEKERs Anregung eingegangen, sofort Bedenken anzumelden.113 KÖNNEKER hielt jetzt eine Vorwegregelung der Konditionenfrage nicht für vordringlich, befürchtete eine Verzögerung der Arbeiten am KWG und meinte, diese Frage müsse insbesondere zusammen mit den Bestimmungen über die Eigenkapitalausstattung, die Kreditüberwachung und den Sparverkehr geregelt werden. Die Zinsfestsetzung sei zwar derzeitig unzulässig, eine Klage der Kreditinstitute gegen weitere Zinsfestsetzungen durch die BA-Behörden aber nicht sehr wahrscheinlich. Die Verbände der Kreditinstitute im Zentralen Kreditausschuß hätten nämlich wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sie größten Wert auf die Festsetzungen durch die BA-Behörden legten und mit allen verfügbaren Mitteln gerichtliche Auseinandersetzungen auf diesem Gebiet vermeiden wollten.114 Die Stellungnahme des ZBR zum baden-württembergischen Initiativentwurf fiel deswegen ambivalent aus: Der ZBR verwies auf die ungeklärte Rechtslage in der Konditionenfrage, die eine baldige Regelung durch den Gesetzgeber erfordere, begrüßte das in dem Entwurf vorgesehene Einvernehmen zwischen dem Bundesminister für Wirtschaft und der Bundesbank und schloß sich den hierzu vorgebrachten Argumenten vollinhaltlich an. Er beauftragte jedoch das Direktorium, diese Auffassung bei den Beratungen über den KWG-Entwurf zu vertreten,115 und signalisierte so das Interesse der Notenbank, die Konditionenfrage im Gesamtzusammenhang zu erörtern. Der ZBR war also bereit, bestehende Zinskartellstrukturen zugunsten eines den eigenen Belangen gerecht werdenden KWG zumindest bis zu dessen Inkrafttreten zu tolerieren. Diese Position war aufgrund der Federführung des BMWi in allen Fragen des KWG und der Bedeutung, die der ZBR der Möglichkeit beimaß, die Kreditinstitute über die Zins- und Wettbewerbsregelung direkt beeinflussen zu können, durchaus nachvollziehbar.
113 Auszug aus dem Stenogramm zur 23. Sitzung des ZBR/BBk am 08.05.1958 (s. Fußnote 110, S. 166). 114 Vorlage vom 16.05.1958 (s. Fußnote 117, S. 170). 115 Protokoll zur 24. Sitzung des ZBR/BBk am 22.05.1958 (s. Fußnote 121, S. 170).
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Für KÖNNEKER gehörte es geradezu zum Wesen der Kreditpolitik, durch eine Einflußnahme auf die Bankkonditionen wirtschafts- und letzten Endes auch konjunkturpolitische Wirkungen zu erzielen. Gegen die von der Grundsatzabteilung im BMWi vertretene „abstrakte Idee“, behördliche Zinsfestsetzungen paßten nicht zur sozialen Marktwirtschaft, wandte er ein, daß durch Hoheitsakte – mittelbar etwa durch Veränderungen der Mindestreservesätze oder durch die Offenmarktpolitik und unmittelbar etwa durch die Diskontpolitik der Bundesbank – laufend in das Konditionengefüge der Banken eingegriffen werde. Er ließ dabei jedoch unerwähnt, daß die behördliche Zinsfestsetzung im Gegensatz zu diesen Hoheitsakten nicht in das Konditionengefüge zwischen den Kreditinstituten und der Notenbank (als Bank der Banken), sondern in das Konditionengefüge zwischen den Kreditinstituten und ihren Kunden eingreifen sollte. Beim BBkG hatte der Gesetzgeber aus vergleichbaren Gründen den Geschäftskreis der Bundesbank grundsätzlich auf Kreditinstitute beschränkt und sich gegen die Weiterführung des Direktgeschäfts entschieden. Er hatte diese Beschränkung – plausibel – damit begründet, daß die Notenbank ihre bei der Wahrnehmung von Hoheitsrechten gebotene Neutralität ggf. aufgebe, wenn sie als Hüterin der Währung in die Geschäftspolitik der Banken eingreife. Alle ihre Maßnahmen müßten dem Wesen nach stets global sein, weil eine Durchbrechung dieses Prinzips eine Flut von Berufungen nach sich ziehen und damit nicht nur die Kreditwirtschaft, sondern auch die Währungspolitik nachhaltig beeinträchtigen könnte.116 KÖNNEKER rechtfertigte seine Meinung mit den Besonderheiten des Kreditgeschäfts: Kredit sei keine Ware, die man dem Meistbietenden überlasse. Höheres Risiko bedinge eine höhere Risikoprämie, und höherer Zins sei das Entgelt für geringere Bonität. Höchstsätze für Soll- und Habenzinsen seien ein guter Schutz gegen Auswüchse und Fehlentwicklungen im Kreditwesen. Für Kreditinstitute, die Einlagen nicht durch höhere Zinsangebote an sich ziehen könnten, entfiele dann die Notwendigkeit, den Mehraufwand durch risikoreichere Geschäfte oder durch eine Vernachlässigung ihrer Liquidität wieder hereinzuholen. So würde gerade bei Bankengruppen ohne latente oder explizite Staatshaftung, die bei einer Zinsfreigabe höhere Habenzinsen und infolgedessen auch höherverzinsliche Kredite als Großbanken oder öffentlichen Banken geben müßten, insbesondere in Perioden größerer Liquidität die Konzentration schlechter Risiken verhindert. Die Gruppen des öffentlichen Bankwesens ließen sich außerdem in ihrer Zinspolitik vom Interesse ihrer Gewährsverbände, d. h. weniger von Ertragsüberlegungen als vielmehr vom Ausbau ihrer Macht innerhalb des Kreditgewerbes, leiten. Erwünschte Senkungstendenzen des angesichts im Vergleich zum Ausland trotz niedrigem Diskontsatz außerordentlich hohen deutschen Zinsniveaus auf dem Geld- und Kapitalmarkt hätten sich daher nicht recht durchsetzen können. Das Festhalten an überhöhten Zinsen für Kündigungs- und Spargelder beeinträchtige den Abfluß von Geldern auf den Rentenmarkt und schalte so einen wichtigen Faktor für die Normalisierung des Kapitalmarktzinses aus. Die BA-Behörde müsse deshalb notfalls hoheitlich die Zinsgestaltung bei den Banken beeinflussen kön116 V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 382 ff.
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nen, „um organischen Zinssenkungstendenzen und einer besseren Anpassung an das internationale Zinsniveau zum Durchbruch zu verhelfen.“117 KÖNNEKERs Ausführungen verdeutlichen, daß das wirkliche Problem in der kartellartigen Struktur des deutschen Bankwesens lag.118 In un- bzw. unterentwikkelten Finanzsystemen können Notenbanken darauf angewiesen sein, Banken mit Hilfe von Zinshöchstsätzen (sowie Kreditbeschränkungen) über die Bankenaufsicht zu beeinflussen.119 Das deutsche Finanzsystem hatte sich jedoch seit der Währungsreform 1948 entwickeln können. Für die weitere Entwicklung wäre vor allem Wettbewerb das richtige Mittel gewesen. Er hätte das bestehende Zinskartell gelockert. Für die von der BMWi-Grundsatzabteilung vorgeschlagenen Maßnahmen sah man aber im ZBR keinen Grund. Das überrascht und ist kaum mit der von KÖNNEKER erwähnten, „auf der Freiheit der Wirtschaft beruhenden Konzeption der Bundesbank“ (siehe S. 155) zu vereinbaren. Bei der Zinsfreigabe, bei der die Bundesbank ihren Einfluß gefährdet sah, stieß diese Konzeption offenbar an ihre Grenzen. Der ZBR folgte in seiner 24. Sitzung am 22. Mai KÖNNEKERs Anregungen, wollte aber der BA-Instanz das Recht zur Zinsfestsetzung nur als Kannvorschrift einräumen. Die damit nicht auszuschließende komplette oder zumindest partielle Freigabe der Bankkonditionen schien ihm nämlich geeignet, eine Einigung der Spitzenverbände des Kreditgewerbes zu erleichtern und die Kreditinstitute von Verstößen gegen die Zinsfestsetzungen abzuhalten. Er lehnte ferner jedwede Form einer Koppelung der Soll- und Habenzinsen an den BBk-Diskont ab, da die Notenbank durch ihre verantwortliche Mitwirkung bei der Zinsregelung ihre kreditpolitischen Zielsetzungen (sic!) so besser zur Geltung bringen könne.120 Die dem Direktorium für die KWG-Beratungen mitgegebenen Leitlinien sahen außerdem eine Anhörung der Spitzenverbände des Kreditwesens vor dem Erlaß von Bestimmungen über Konditionen vor.121 Der Wunsch der Bundesbank, die Zinsen auch zukünftig im Einvernehmen mit ihr festzusetzen, barg theoretisch Konfliktpotential. Zur Aufrechterhaltung eines bestimmten fixen Wechselkurses oder zur Inflationsbekämpfung konnten damals beispielsweise höhere Zinsen zwar aus geldpolitischen, nicht aber aus bankenaufsichtlichen Motiven angebracht sein, weil sich höhere Zinsen negativ auf die Mindestkapitalanforderungen, die Ertragskraft und damit auf die Solvenz 117 Vorlage (KÖNNEKER) vom 16.05.1958 betr. Gesetzliche Regelung der Soll- und Habenzinsen der Kreditinstitute zur 24. Sitzung des ZBR/BBk am 22.05.1958 in B 330/141. – REISCHAUERs (nachträglich unter den Vorbehalt der ZBR-Zustimmung gestellte) Aussage vom 25.03.1958 (s. S. 165) wurde dadurch revidiert. 118 Man beachte in diesem Kontext die zeitliche Nähe zwischen der Errichtung des ersten überregionalen Gemeinschaftsfonds des privaten Bankgewerbes im Jahr 1966 (vgl. Monatsbericht (BBk) Juli 1992, S. 30) und der Aufhebung der Zinsbindung mit Wirkung vom 01.04.1967 (v. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 125). 119 Haubrich (1996), S. 3. 120 Vorlage vom 16.05.1958 (s. Fußnote 117). 121 Protokoll zur 24. Sitzung des ZBR/BBk am 22.05.1958, TOP 4.I. („Bestimmungen über Zinsen und sonstige Konditionen im Kreditgewerbe“), in B 330/141.
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einzelner Banken oder des Bankensystems auswirken.122 Umgekehrt können bei stabilen Preisen und schwachem Wirtschaftswachstum aus konjunkturpolitischen Gründen niedrigere Zinsen adäquat sein, die bei Banken mit kurzfristig kündbaren oder zinsvariablen Darlehen und ohnehin schlechter Ertragskraft unter BAAspekten mit Sorge zu betrachten wären.123 Weil Bankenkartelle und verstaatlichte Banken Zinsänderungen jedoch besser verkraften und deren Solvenz weniger gefährdet ist als bei freiem Wettbewerb,124 konnte der ZBR eigentlich seine Forderung nach einvernehmlichen Zinsfestsetzungen gerade dank der von ihm kritisierten Vormachtstellung des öffentlichen Bankwesens und der Großbanken (und solange diese währen sollte) aufrechterhalten.125 In der Praxis bedeutsamer war daher auch, daß es dem Fortbestand eines oder mehrerer Kreditinstitute zuliebe zu einer zu laschen, die Probleme im Bankensektor langfristig noch verschlimmernden Geldpolitik kommen kann126 und daß sich bei den Wirtschaftssubjekten eine entsprechende Erwartungshaltung bildet (siehe S. 149 f.). In der 27. Sitzung am 10. Juli 1958 zahlte sich für den ZBR aus, daß er dem baden-württembergischen Initiativentwurf seine Unstützung verweigert hatte. Dieser Entwurf entpuppte sich als „erledigt“.127 Der BR-Rechtsausschuß war nämlich zu dem Ergebnis gekommen, die BA-Behörden der Länder hätten die Zinssätze bisher nicht per Rechtsverordnung, sondern per allgemeiner Verfügung angeordnet. Er hatte daraufhin empfohlen, die Zinsanordnungen weiter in der bisherigen Form zu erlassen, dabei jedoch auf das BBk-Einvernehmen zu verzichten, weil sonst eine unzulässige Mischverwaltung vorliegen würde.128 Falls es im ZBR überhaupt Hoffung auf BR-Unterstützung gegeben hatte, war diese spätestens jetzt dahin; das Land Baden-Württemberg ließ (zusammen mit dem Bundesrat) die Bundesbank allein auf der Konfliktbühne zurück und argumentierte wenig später sogar gegen sie, um die Organisationsfrage unverändert vorab in seinem Sinne zu regeln.129 Ein anderer wichtiger Akteur trat aber für sie auf dieser Bühne 122 Goodhart / Schoenmaker (1995), S. 546. 123 Di Giorgio / Di Noia (1999), S. 368 f., Fußnote 10. 124 Goodhart / Schoenmaker (1995), S. 546 f. Gleiches gilt demzufolge für Länder, in denen Kredit- und Hypothekenverträge auf festverzinslicher Basis abgeschlossen werden. 125 Siehe Fußnote 118, S. 170. 126 Briault (2000), S. 221. Heller (1991), S. 276, Tuya / Zamalloa (1994), S. 672, und Di Giorgio / Di Noia (1999), S. 368 f., halten dieses Szenario für gefährlicher. 127 Vermerk vom 12.08.1958 (s. Fußnote 132, S. 172). 128 Protokoll zur 27. Sitzung des ZBR/BBk am 10.07.1958, TOP 5 („Neuregelung der Habenzinsen und der Kreditkosten“), in B 330/142. 129 Baden-Württemberg zog Ende November 1958 seinen Gesetzentwurf vom 29.04.1958 (s. S. 166 f.) zurück und übersandte dem Bundesrat gleichzeitig einen neuen „Entwurf eines Gesetzes über Zinsen, sonstige Entgelte und Werbung der Kreditinstitute“, der nur noch das BBk-Benehmen verlangte, um die Zinsen durch nicht im Verwaltungsstreitverfahren angreifbare Rechtsverordnungen festsetzen zu können (BR-Drs. 125/58 (neu) vom 27.11.1958). Der Bundesrat leitete diesen neuen Entwurf ungeachtet einer Intervention des BBk-Direktoriums am 19.12.1958 an die Bundesregierung weiter (Korrespondenz (BBk / BR) vom 11./15.12.1958 betr. Entwurf eines Gesetzes über Zinsen und sonstige Entgelte und Werbung der Kreditinstitute […] in B 330/2396 und als Anlage 1 zur Vorlage 2 vom 30.12.1958 (s. Fußnote 176, S. 185) in B 330/148).
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hinzu. Der BR-Rechtsausschuß hatte nur gegen das Einvernehmen zwischen den BA-Behörden der Länder und der Bundesbank, nicht aber zur Frage des Einvernehmens zwischen einer Bundesbehörde und der Bundesbank Stellung genommen. In dieser Frage unterstützte nun der Heidelberger Staats- und Verwaltungsrechtler ERNST FORSTHOFF die Bundesbank. Er kam in seinem Rechtsgutachten für den an der Fortgeltung der Allgemeinverbindlicherklärungen von Mehrheitsbeschlüssen der Spitzenverbände interessierten BdpB zu dem Ergebnis, nicht die geltende Vorschrift, sondern der baden-württembergische Initiativentwurf begegne Verfassungsbedenken. Er führte dabei unter anderem folgendes aus: Wegen der Zugehörigkeit von § 36 KWG zum IX. Abschnitt mit der Überschrift „Die Aufsicht“ seien die darin beschriebenen Maßnahmen als besondere Aufsichtsakte anzusehen, bei denen die sonst so wesentliche Unterscheidung zwischen Verwaltungsakt und Gesetz bzw. Rechtsverordnung keine Anwendung finde. Außerdem impliziere die der Bundesbank übertragene singuläre Aufgabe, Hüterin der deutschen Währung zu sein, nach Art. 88 GG in Verbindung mit § 12 BBkG zum einen die Beteiligung bei allen die Erfüllung ihrer Aufgaben berührenden Maßnahmen und zum anderen die zwangsläufige Zuerkennung einer weitgehenden Unabhängigkeit, auch gegenüber der Bundesregierung und allen sonstigen Bundesorganen. Der Einwand der „Mischverwaltung“ sei daher unzulässig, weil dieser Begriff nur „Verschränkungen zwischen Bund und Ländern (bzw. zwischen verselbständigten Rechtsträgern dieser beiden Ebenen) auf dem Gebiete der Verwaltung“ bezeichne. Das BBk-Einvernehmen schien demnach nicht nur mit einer Bundesbehörde, sondern, wie bisher, auch mit den Landesbehörden möglich.130 FORSTHOFF gehörte einer Minderheit an. Die herrschende Meinung hielt die nach Art. 80 Abs. 1 GG zum Erlaß von Rechtsverordnungen zu ermächtigenden Bundes- und Landesorgane für abschließend aufgezählt und ging (noch) davon aus, daß der dort nicht genannten Bundesbank keine selbständige Rechtsetzungsbefugnis zustehe.131 Die argumentative Lage der Bundesbank war daher nicht günstig. Sie war aber auch nicht aussichtslos: Nicht nur zwischen, sondern auch in den Bundesressorts war noch nicht geklärt, ob die Bundesbank beim Erlaß von Rechtverordnungen beteiligt werden konnte. So lag wegen interner Meinungsverschiedenheiten ein vom BMJ schon seit Monaten zu dieser Frage angekündigtes Gutachten noch nicht vor. Diese Frage blieb also de lege ferenda von großem Interesse, und der „Streit um das Ausmaß“ der BBk-Beteiligung (KLEINHANS) ging weiter.132 Der zweiten Lesung des KWG-Entwurfs ging eine Hausbesprechung im BMWi am 5. September 1958 zwecks einheitlicher Meinungsbildung über die Zins- und Wettbewerbsregelung voraus. HENCKEL, der hierzu die beteiligten Re130 „Bemerkungen zu dem Entwurf eines Gesetzes über Zinsen, Gebühren und Wettbewerb im Kreditgewerbe (BR-Drs. 125/58)“ (FORSTHOFF) vom 07.07.1958 in B 330/2392. 131 V. Spindler / Becker / Starke (1960), S. 170 f. 132 Vermerk (KLEINHANS an KÖNNEKER / BENNING) vom 12.08.1958 betr. Entwurf eines Gesetzes über Zinsen, Gebühren und Wettbewerb im Kreditgewerbe (BR-Drs. 125/58); hier: Gutachten von Herrn Prof. Dr. E. Forsthoff, in B 330/2393.
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ferate unter Beifügung der Stellungnahmen der Spitzenverbände des Kreditgewerbes zu § 38 KWG-E eingeladen hatte, präsentierte in dieser Besprechung zusammen mit SCHREIHAGE eine neue Konzeption in Anlehnung an § 36 KWG. Sie sah vor, daß das BAKred „im Interesse der Gesamtwirtschaft“ nach Anhörung der Spitzenverbände des Kreditgewerbes im BBk-Einvernehmen „Bestimmungen“ über die Sollzinsen und Provisionen sowie über den Wettbewerb der Kreditinstitute erlassen kann.133 Der Verwaltungsakt des BAKred ersetzte damit die zunächst vorgesehene Rechtsverordnung des Bundesministers für Wirtschaft entsprechend den Forderungen der Spitzenverbände des Kreditgewerbes, die sich nach dem Wegfall der Allgemeinverbindlicherklärung im zweiten Referentenentwurf vom 10. Juni 1958134 überwiegend für die Aufrechterhaltung der permanenten Zinsregelung eingesetzt hatten.135 Eine Rolle spielten aber auch Befürchtungen im BMWi, bei eigenen Zinsfestsetzungen durch Rechtsverordnung allzu großer Kritik der Spitzenverbände ausgesetzt zu sein. HENCKEL und SCHREIHAGE betonten nämlich, daß man „gerade bei schwierigen und unpopulären Maßnahmen“ Wert auf das BBk-Einvernehmen legen müsse. Wie bei den Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute (siehe Abschnitt 4.3.1) scheinen also auch bei der Zins- und Wettbewerbsregelung taktische Gründe im BMWi für ein Entgegenkommen gegenüber der Bundesbank bedeutsam, wenn nicht sogar ausschlaggebend dafür gewesen zu sein, daß die neue Konzeption viele BBk-Anregungen übernahm. Sie verzichtete auf besondere Bedingungen für die Zinsbindung, auf deren zeitliche Befristung und auf eine Koppelung der Sollzinsen an den Diskont. Nach längerer Diskussion kam man sogar überein, im § 38 KWG-E nicht nur bankenaufsichtliche, sondern, anders als im KWG üblich, auch kredit- bzw. währungspolitische Zwecke zu nennen.136 HENCKEL sowie BENNING und KÖNNEKER einigten sich wenig später auf diese Lösung.137 In einer Besprechung mit BBk-Vertretern am 17. September 1958 wurden daher keine Einwendungen gegen die Zinsregelung per Verwaltungsakt erhoben.138 Diese Lösung hielt aber nur kurze Zeit, weil bei der Zins- und Wettbewerbsregelung einer Rechtsverordnungsermächtigung, im Gegensatz zu den 133 Schreiben (BMWi (SCHREIHAGE) an BBk (EICKE)) vom 12.09.1958 betr. Entwurf eines KWG (mit Formulierungsentwürfen zur Vorbereitung für die auf den 17.09.1958 anberaumte Ressortbesprechung) in B 330/2393. 134 Zweite Fassung eines KWG-Entwurfs vom 10.06.1958 in B 102/41888 sowie B 330/2392 und 4273. 135 Von den Spitzenverbänden, die sich neben dem Sparverkehr (§§ 21 f.) vor allem den §§ 9, 11 und 38 KWG-E widmeten, hatte nur der Verband gemeinwirtschaftlicher Geschäftsbanken keine Einwände gegen Zinsfestsetzungen durch Rechtsverordnung erhoben. Internes Schreiben (HENCKEL) vom 02.09.1958 betr. Entwurf eines KWG; hier: Zins- und Wettbewerbsregelung (§ 38 des Entwurfes), in B 102/41889. 136 Niederschrift über die Hausbesprechung über den Entwurf eines KWG am 05.09.1958 vom 15.09.1958 in B 102/41903. 137 Schreiben (BMWi (ERHARD) an BBk (BLESSING)) vom 22.09.1958 betr. Entwurf eines KWG in B 330/245 und 2393. Entwurf in B 102/41889. 138 Niederschrift vom 06.10.1958 (s. Fußnote 104, S. 165).
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Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute, keine grundgesetzlichen Erfordernisse (siehe S. 163 f.) entgegenstanden. Anzeichen hierfür gab es im BMWi bereits,139 zeigten sich aber nicht nach außen, um den – nachfolgend beschriebenen – Kompromiß mit der Bundesbank in der Organisationsfrage nicht zu gefährden.
4.3.3 Die Organisation des zu errichtenden BAKred Sowohl bei den Vorschriften zum Eigenkapital und zur Liquidität der Kreditinstitute als auch bei der Zins und Wettbewerbsregelung waren nicht ausschließlich juristische und taktische Gründe für den weitgehenden Erfolg der Bundesbank ausschlaggebend. Wie schon angedeutet, wurde parallel dazu die Organisation des zu errichtenden BAKred erörtert, die für KÖNNEKER (und andere ZBR-Mitglieder) auch mit dem Umfang der Notenbankbeteiligung zusammenhing. Bei diesen Erörterungen hatte die Bundesbank bislang die Pläne der Bundesregierung zur Errichtung eines zentralen BAKred nicht unterstützt und sich so Verhandlungsmasse für die Auseinandersetzung um die materiellen BA-Vorschriften gewahrt. Anders als KÖNNEKER ursprünglich beabsichtigt hatte (siehe S. 156), erörterte der ZBR aber bereits in seiner 23. Sitzung am 8. / 9. Mai 1958 die „Frage einer angemessenen Organisation der Bankenaufsicht“. In dieser Sitzung schlug HERMANN TEPE, Präsident der LZB in Bremen, in Anlehnung an den BBk-Aufbau ein zentrales BAKred mit Filialen, d. h. mit einem sog. „dezentralen Unterbau“, vor, um der Bildung eines „Wasserkopfes“ bei der zentralen BA-Behörde entgegenzuwirken und der Organisationsfrage einen „Giftzahn auszubrechen“. Ausschlaggebend war in erster Linie jedoch die Überlegung, falls der ZBR sein Einvernehmen bei wichtigen KWG-Vorschriften nicht erreiche, zumindest einen Ansprechpartner am jeweiligen Sitz der LZB zu haben. TEPEs Vorschlag stieß auf ein geteiltes Echo: OTTO BURKHARDT, Präsident der LZB in Schleswig-Holstein, befürchtete Doppelarbeit. FESSLER hatte für TEPEs Vorschlag „außerordentlich viel übrig“, zugleich aber auch Zweifel an der verfassungsrechtlichen Realisierbarkeit. Er neigte der rein zentralen Lösung der Bundesregierung zu und wollte das BAKred mit „Kräften der Notenbank“ durchdringen, um Einfluß und Zusammenarbeit zu sichern – eine Lösung, die für KÖNNEKER ein voreiliges Entgegenkommen bedeutete und seine Erfolgsaussichten zu verschlechtern drohte. PFLEIDERER machte sich TEPEs Vorschlag „sehr nachdrücklich zu eigen“. Der ZBR solle sich „nicht darauf kaprizieren, die Geschichte bei den Ländern zu belassen.“ Die notwendige Koordinierung der Bankenaufsicht und „be139 Die Grundsatzabteilung wollte Zinseingriffe zumindest bei langfristigen Krediten (weiterhin) nicht zulassen, um eine Kreditlenkung zu vermeiden. Das BMWi wollte sich außerdem – trotz des Hinweises von SCHREIHAGE, daß man jederzeit auf das nachgeordnete BAKred (wie auch auf das Kartellamt) Einfluß nehmen könne – eine Rechtsverordnungsermächtigung vorbehalten, um in Ausnahmefällen in bestehende Verträge eingreifen zu können, hatte aber eine solche Ermächtigungsklausel mangels interner Klärung vorläufig noch nicht aufgenommen. Niederschrift vom 15.09.1958 (s. Fußnote 136, S. 173).
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stimmte Interessenkollisionen“, die sich daraus ergäben, daß die aufsichtsführenden Länder auch als alleinige Inhaber oder Hauptbeteiligte mitbestimmen möchten oder mit Instituten ihres Bereichs sehr eng liiert seien, sprächen gegen eine föderale Struktur und für einen dezentralen Unterbau der Bankenaufsicht. Für WAGENHÖFER, Präsident der LZB in Bayern, hatte sich die bisherige föderale Struktur dagegen bewährt und nur bei der einheitlichen Steuerung Schwierigkeiten bereitet. Unter Inkaufnahme von Schwierigkeiten beim Einvernehmen sei nichts dagegen einzuwenden, daß das BMWi Rechtsverordnungen erlasse und daß die Verwaltungstätigkeit bei den Ländern verbleibe.140 Gegen TEPEs Vorschlag gab es rasch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. REISCHAUER verwies in einem Vermerk vom 20. Mai 1958 auf Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG, demzufolge bundeseigene Mittel- und Unterbehörden bei dringendem Bedarf mit Zustimmung des Bundesrats und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestags errichtet werden können, sofern dem Bund auf den ihm zustehenden Gebieten der Gesetzgebung neue Aufgaben erwachsen. Da bisher von dieser stark verklausulierten und dem Bund nur unter erschwerten Bedingungen eröffneten Möglichkeit des Ausbaues einer bundeseigenen Instanzverwaltung nicht Gebrauch gemacht worden war, erschien ihm dieser Weg eigentlich wenig gangbar.141 HERMANN FÖGEN, Leiter der Hauptabteilung Recht, trug außerdem in der 24. ZBR-Sitzung am 22. Mai 1958 vor, daß allenfalls die Errichtung von Außenstellen ohne eigene Weisungsbefugnis als Informations- und Mittelstellen zur Unterrichtung der Zentrale im Rahmen der Organisationsgewalt der Bundesregierung bzw. des BMWi denkbar, die Errichtung von Außenstellen mit Entscheidungsbefugnis aber kaum durchsetzbar sei. Letztere müsse bereits daran scheitern, daß die Bankenaufsicht keine neue, dem Bund zufallende Aufgabe darstelle. Im übrigen würde sich der Bundesrat, dessen Zustimmung TROEGER für erforderlich hielt, gegen eine solche Errichtung aussprechen. Damit schien TEPEs Vorschlag kaum realisierbar. BLESSING neigte dementsprechend „beinahe dem Standpunkt von Herrn Fögen und Herrn Wagenhöfer zu, daß die Sache mit den Außenstellen juristisch und verwaltungsrechtlich sehr schwierig“ werde. Während WAGENHÖFER und FESSLER wegen der geäußerten Bedenken die Abstimmung verschieben wollten, drängten KÖNNEKER sowie PFLEIDERER und TEPE aus unterschiedlichen Motiven auf eine Abstimmung. PFLEIDERER teilte zwar BLESSINGs Bedenken, sah aber „auch noch andere Möglichkeiten“ für ein zentrales Amt mit dezentralen Einrichtungen. Analog zur Versicherungsaufsicht, bei der bisher noch niemand den Einwand der Mischverwaltung erhoben habe, könnten alle überregionalen Institute einschließlich der in mehreren Ländern tätigen Großbanken in die Zuständigkeit eines zentralen Aufsichtsamtes und alle nur regional oder örtlich tätigen Banken, d. h. weit über 90 Prozent aller Kreditinstitute, in die Zuständigkeit dezentraler Aufsichtsämter 140 Auszug aus dem Stenogramm („KWG – Zur Frage der Organisation“) und Protokoll zur 23. Sitzung des ZBR/BBk am 08./09.05.1958, TOP 8 („Entwurf eines KWG“), in B 330/140. 141 Vermerk (REISCHAUER) vom 20.05.1958 betr. Entwurf eines KWG; hier: Errichtung eines zentralen Aufsichtsamtes mit Außenstellen am Sitz einer jeden LZB, in B 330/4273.
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fallen. Für PFLEIDERER war es „ganz gewiß keine verfassungsrechtliche, sondern eine materielle Frage, eine Frage des Ermessens“, wo die Notenbank die Grenze zieht. KÖNNEKER hingegen hielt die Versicherungsaufsicht wegen ihrer ungewöhnlichen Inaktivität für kein gutes Beispiel. Während einige ZBR-Mitglieder für eine sofortige Beschlußfassung zur Errichtung eines dezentralen Unterbaus eintraten, weil sie diese Lösung für zweckmäßig hielten (TEPE) oder weil sie sich von ihr eine Klärung der verfassungsrechtlichen Bedenken erhofften (PFLEIDERER), versprachen sich KÖNNEKER und andere Mitglieder ungeachtet der verfassungsrechtlichen Bedenken davon taktische Vorteile für die Verhandlungen mit dem BMWi. KÖNNEKER: „In einem halben Jahr haben wir keine andere Meinung als heute. […] Nachdem in der vorigen ZBR-Sitzung bestimmte Beschlüsse wegen der Einschaltung der Bundesbank gefaßt worden sind,[142] und da diese Frage dadurch stark tangiert wird – denn die LZB sind ja schon eingeschaltet –, k[omm]en wir um diese Frage nicht herum. […] Wir […] dürfen nicht […] warten, bis irgend etwas über unseren Kopf hinweg geschieht. Dann würden wir uns selbst ausschalten.“
Die Taktiker erreichten schließlich – vor allem dank TEPE und PFLEIDERER –, daß der ZBR in einem ersten Schritt eine Vertagung der Beschlußfassung mit acht gegen sechs Stimmen ablehnte und sich dann mit zwölf Stimmen gegen die Stimme WAGENHÖFERs (der für die föderale Struktur war) bei Enthaltung TROEGERs (der rechtliche Bedenken hatte) für eine zentrale Aufsichtsbehörde mit einem dezentralen Unterbau, d. h. mit Außenstellen am jeweiligen Sitz einer LZB, aussprach.143 Die Umstände dieser Beschlußfassung waren allerdings in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich: So war angesichts des knappen Ausgangs der ersten Abstimmung das Fehlen von vier LZB-Präsidenten, nämlich BURKHARDT, VON SCHELLING (Hamburg), LEOPOLD BRÖKER (Hessen) und YORK HOOSE (Niedersachsen), vermutlich entscheidend. Da es zur Organisationsfrage keine Vorlage gegeben und der KWG-Entwurf nicht auf der Tagesordnung gestanden hatte, wurde der Beschluß im Protokoll unter dem Tagesordnungspunkt „Bestimmungen über Zinsen und sonstige Konditionen im Kreditgewerbe“ festgehalten. Weil die Wortführer zudem des öfteren „föderal“ und „dezentral“ vermengt hatten, herrschte in der darauffolgenden Sitzung Uneinigkeit darüber, ob der ZBR bei seiner Beschlußfassung für die an dem Sitz einer LZB zu errichtende Außenstelle der Bankenaufsicht an eine Mittelbehörde des Bundes oder an eine Länderinstitu-
142 Der ZBR hatte die BBk-Beteiligung bei der Auswertung der „Höchstkredite“ nach § 14 KWG-E gefordert. Protokoll zur 23. Sitzung des ZBR/BBk am 08./09.05.1958 (s. Fußnote 140, S. 175). 143 Auszug aus dem Stenogramm („KWG – Zur Organisation der Bankenaufsicht“) und Protokoll zur 24. Sitzung des ZBR/BBk am 22.05.1958, TOP 4.II. („Bestimmungen über Zinsen und sonstige Konditionen im Kreditgewerbe“), in B 330/141.
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tion gedacht hatte!144 Bei der Genehmigung des Protokolls zur 24. Sitzung kam man daher überein, daß es sich hierbei um keinen definitiven Beschluß handeln sollte.145 Hiervon drang (zunächst) nichts nach außen, so daß für die weiteren Verhandlungen mit dem BMWi, insbesondere zu den Vorschriften über die materielle Bankenkaufsicht, eine wichtige Voraussetzung geschaffen war. KÖNNEKER hatte sich seinen Handlungsspielraum erfolgreich gewahrt: Er interpretierte den Beschluß, wie aus seinem Entwurf einer Replik auf ein späteres Schreiben VON SCHELLINGs deutlich wird, für die Verhandlungen mit den Bundesressorts dahingehend, daß der ZBR die im Referentenentwurf vorgesehene zentrale Organisation des BAKred bereits grundsätzlich gebilligt und darüber hinaus lediglich einen „föderativen“ Unterbau (der eigentlich dezentral sein sollte) verlangt habe.146 Wegen VON SCHELLINGs Schreiben, datierend vom 15. August 1958, das etwas später auch dem BMWi zuging und es über die erwähnten ungewöhnlichen Umstände der Beschlußfassung in der 24. ZBR-Sitzung am 22. Mai 1958 unterrichtete, drohte KÖNNEKER, nachdem die Ressortverhandlungen schon fortgeschritten waren, erneut Ungemach. VON SCHELLING kritisierte prinzipiell sowohl den in dieser Sitzung in seiner Abwesenheit gefaßten Beschluß als auch die im zweiten Referentenentwurf unverändert vorgesehene zentrale Bankenaufsicht. Da sich die wirtschaftliche und politische Situation grundlegend von jener der Jahre 1931 und 1933 unterscheide, wäre es völlig verkehrt, von einem in jeder Beziehung unter „anormalen Verhältnissen entstandenen Gesetzgebungswerk“ auszugehen. Außerdem hätten die Länder ein größeres Interesse an einem gesunden Kreditwesen als der Bund, da Bankzusammenbrüche in der Regel für eine Stadt oder für einen Kreis, nicht aber für die Gesamtwirtschaft bedeutungsvoll seien. Das Kreditgewerbe sei schließlich ein Bereich wie jeder andere in der Wirtschaft und die Errichtung eines besonderen BAKred deshalb nicht notwendig. VON SCHELLING schlug folgenden Kompromiß vor: Von der Errichtung eines BAKred wird abgesehen. Alle materiellen BA-Aufgaben werden auf die Bundesbank übertragen, die hoheitlichen (gewerbepolizeilichen) BA-Aufgaben bei den Landesbehörden (Wirtschaftsministern) belassen. Der Bundesminister für Wirtschaft erhält (quasi als Kompensation) besondere Befugnisse zum Erlaß von Rechtsverordnungen (Art. 80 Abs. 1 GG), mit BR-Zustimmung Befugnisse zum Erlaß von allgemeinen Verwaltungsvorschriften (Art. 84 Abs. 2 GG) zur BADurchführung und – bei Mißständen im Kreditwesen – Befugnisse zur Erteilung von Einzelanweisungen (Art. 84 Abs. 5 GG) an die mit der BA-Durchführung betrauten Stellen. Außerdem erhält das mit dem BBk- und einem LZB-Präsidenten sowie mit einem BMF- und einem BMWi-Staatssekretär zu besetzende Kuratorium ein Weisungsrecht an die mit der Bankenaufsicht befaßten Stellen der 144 Vermerk (ZBR-Sekretariat) vom 19.06.1958 in B 330/141. PFLEIDERER hatte deshalb gedacht, der ZBR erörtere die „Zusammenarbeit von Bundes- und Landesbehörden“. Auszug aus dem Stenogramm (s. Fußnote 143, S. 176). 145 Schreiben vom 15.08.1958 und vom 06.09.1958 (s. Fußnote 147, S. 178). 146 Entwurf einer ZBR-Vorlage (KÖNNEKER) vom 27.08.1958 betr. Vorbereitung eines BundesKWG – Aufgabenteilung und Organisation – in B 330/2393. – Daß sich der ZBR lt. Protokoll für einen „dezentralen“ Unterbau ausgesprochen hatte, belegt die Konfusion im ZBR.
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Bundesbank.147 Dieses Weisungsrecht, das für VON SCHELLING wichtiger war als die Errichtung eines neuen BAKred,148 tangierte die BBk-Unabhängigkeit und dürfte vor allem das neue Direktorium konsterniert haben. Der Kompromißvorschlag stand „nicht im vollen Einklang mit dem Beschluß des ZBR in seiner 24. Sitzung“ und bedeutete Wasser auf die Mühlen derjenigen, die seinerzeit wie PFLEIDERER oder WAGENHÖFER vehement für dezentrale oder föderale Strukturen eingetreten waren. Angesichts der damaligen außergewöhnlichen Umstände beschloß daher der ZBR in seiner 29. Sitzung am 21. August 1958 auf Antrag von PFLEIDERER, VON SCHELLINGs Schreiben in einer der nächsten Sitzungen zu behandeln. Zugleich bat er das Direktorium um die Ausarbeitung einer Vorlage.149 Dieser ZBR-Beschluß kam für KÖNNEKER zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Zahlreiche Fragen waren zwar zwischen den Vertretern der Bundesressorts und der Bundesbank seit der Aufnahme der KWG-Erörterungen im Februar 1958 kurz nach der Vorlage des ersten Referentenentwurfs geklärt worden. Offen geblieben waren jedoch vor allem die Vorschriften zur Eigenkapitalausstattung und Liquiditätshaltung sowie die Zins- und Wettbewerbsregelung in den Beratungen mit den Bundesressorts, deren Wiederaufnahme unmittelbar bevorstand (siehe S. 163 f. und S. 172 f.). Ausgerechnet in diesem Moment drohte KÖNNEKER eine seine Verhandlungsposition deutlich schwächende Revision des Beschlusses vom 22. Mai 1958. Er wollte daher ungeachtet der rechtlichen Bedenken am alten Beschluß festhalten und betonte in seiner Vorlage vom 27. August 1958: „Eine eindeutige Stellungnahme der Bundesbank in Fragen der Grundkonzeption der Bankenaufsicht ist um so wichtiger, als von ihrer Auffassung auch viel in anderen Fragen des Gesetzentwurfes abhängt; die Bank setzt ihren Einfluß aufs Spiel, wenn sie in den Grundfragen nicht klare Stellung bezieht.“
KÖNNEKER hielt VON SCHELLINGs Anregungen teils bereits für berücksichtigt, teils praktisch und verfassungsrechtlich für bedenklich,150 und verwandte ungeniert Bonner Argumente, die er gegenüber der Bundesregierung bereits zurückgewiesen hatte: Die VON SCHELLING vorschwebende Weiterführung landeseigener Aufsichtsbehörden sei bei BBk-Einschaltung in die Bankenaufsicht eine unzulässige Mischverwaltung von Bundes- und Landesbehörden. Der BR-Rechtsausschuß habe dies anläßlich der Beratung des baden-württembergischen Gesetzentwurfs über Zinsen, Gebühren und Wettbewerb gutachtlich klären lassen. Daß es ein (VON SCHELLING unbekanntes) Gutachten mit anderen Ergebnissen gab (siehe S. 171 f.), erwähnte er nicht. Er erinnerte lieber daran, daß die BBk-Vertreter entsprechend den vom ZBR in den vorangegangenen Sitzungen gefaßten richtungge147 Schreiben (VON SCHELLING an TROEGER) vom 15.08.1958 betr. Vorbereitung eines BundesKWG in B 330/2393 und B 102/41889. Schreiben (VON SCHELLING an HENCKEL) vom 06.09.1958 (ohne Betreff) in B 102/41889. 148 Schreiben vom 15.09.1958 (s. Fußnote 155, S. 180). 149 Protokoll zur 29. Sitzung des ZBR/BBk am 21.08.1958, TOP 12 („KWG“), in B 330/143. 150 KÖNNEKER zufolge war die Übertragung von Befugnissen zum Erlaß von Rechtsverordnungen und von allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur BA-Durchführung bereits berücksichtigt; die Befugnis zum Erlaß von Einzelanweisungen und das vorgeschlagene Weisungsrecht für das Kuratorium hielt er verfassungsrechtlich für bedenklich.
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benden Beschlüssen in den Ressortverhandlungen mit Nachdruck darauf bestanden hätten, die Übernahme der materiellen BA-Funktionen durch die Bundesbank – anstelle des vorgesehenen BAKred – im Gesetz zu verankern. Sie hätten sich bei den §§ 14, 15, 23151 und 25 („Prüfungspflicht“) bereits voll durchsetzen können und bei den §§ 9, 11, 16 und 38 immer mehr Zustimmung gefunden, mit der Aussicht, daß diese die Gestaltung der künftigen Bankenaufsicht maßgeblich bestimmen. Man solle sich weiter um eine klare Aufgabenabgrenzung bei den in die Aufsicht eingeschalteten Organen bemühen, um bei der Durchführung der wichtigsten Maßnahmen auf das „problembehaftete ‚Einvernehmen’ im Gesetzestext“ verzichten zu können. Ferner solle man versuchen, die materiellen BA-Funktionen an sich zu ziehen, und bei Maßnahmen, die nicht von der Bundesbank wahrgenommen werden können oder sollen, z. B. bei der Festsetzung von Konditionen im Bankwesen, das Einvernehmen mit ihr fordern. Man möge daher zustimmen, „daß die BBk-Vertreter in der Organisationsfrage weiter den in der ZBR-Sitzung vom 22. Mai [1958] festgelegten Standpunkt vertreten, daß aber erneut darüber verhandelt wird, wenn in den künftigen Erörterungen mit den Ressorts Widerstände gegen die angestrebte Form der Dezentralisierung der Bundesaufsicht auftauchen sollten.“152 KÖNNEKER fand Gehör. Der ZBR beschloß in seiner 30. Sitzung am 4. September 1958, die Beratung der Organisationsfrage bis zur 32. Sitzung am 2. / 3. Oktober 1958 zurückzustellen und bis dahin die KWG-Beratungen seitens der BBk-Vertreter auf der Basis der bisherigen ZBR-Beschlüsse zu führen.153 Dieser Beschluß gab KÖNNEKER Zeit bis zur abschließenden Besprechung im BMWi am 17. September 1958, in der man sich in den offengebliebenen Fragen, wie beschrieben, einigte (siehe S. 165 und S. 173). KÖNNEKER konnte dem ZBR tags darauf in der 31. Sitzung neue Entwürfe zur „Eigenkapitalausstattung“ (§ 9 KWGE) und „Liquidität“ (§ 11 KWG-E) sowie zur „Zins- und Wettbewerbsregelung“ (§ 38 KWG-E) vorlegen, denen der ZBR zustimmte.154 KÖNNEKERs Taktik war aufgegangen. Er hatte erreicht, was VON SCHELLING in einem weiteren Schreiben vom 15. September 1958 noch unerreichbar erschienen war. VON SCHELLING hatte hierin mit den seinerzeit schon von FÖGEN in der 24. ZBR-Sitzung am 22. Mai 1958 vorgetragenen rechtlichen Bedenken (siehe 151 Hierbei handelte es sich um die Vorschriften zur laufenden Überwachung der Kreditinstitute. Siehe S. 153 ff. 152 Vorlage (KÖNNEKER) vom 27.08.1958 betr. Stellungnahme zu den Anregungen im Schreiben des Herrn von Schelling vom 15.08.1958 zur Frage der Bankenaufsicht zur 30. Sitzung des ZBR/BBk in B 330/144. 153 Protokoll zur 30. Sitzung des ZBR/BBk am 04.09.1958, TOP 13 („Fortsetzung der Aussprache über das KWG“), in B 330/144. 154 Protokoll zur 31. Sitzung des ZBR/BBk am 18./19.09.1958, TOP 7 („KWG“), in B 330/144. Der ZBR behielt sich jedoch vor, sich nach der Diskussion über die BA-Organisation (02.10.1958) ggf. für die Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft anstelle des BAKred bei der Aufstellung und beim Erlaß der Grundsätze einzusetzen. KÖNNEKER legte auch (vom Protokoll nicht näher umschriebene) Entwürfe zur „Begrenzung der langfristigen Anlagen“ (§ 12) und zu „Maßnahmen bei geringem Eigenkapital oder geringer Liquidität“ (§ 40a) vor.
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S. 175) geltend gemacht, daß keine Aussicht auf Durchsetzung des in dieser Sitzung gefaßten Beschlusses zur BA-Organisation bestünde, und eine Revision zugunsten von „Bankaufsichtsbehörden, wenn auch mit eingeschränkten Kompetenzen“ oder eines BAKred ohne Außenstellen gefordert.155 Die Organisationsfrage war nun jedoch entschieden. Der ZBR hätte das Erreichte riskiert, wenn er sich noch für die von VON SCHELLING angeregte Fortführung der Länderaufsicht ausgesprochen hätte. Für KÖNNEKER war ein dezentraler Unterbau daher nun – nach der weitgehenden Übertragung der materiellen Aufgaben auf die Bundesbank – nicht mehr wichtig. Er konnte sich bereits vor der 32. ZBR-Sitzung VON SCHELLINGs Argumenten „vollinhaltlich“ anschließen und den ZBR bitten, in „Ergänzung und teilweiser Abänderung des Vorschlags vom 27. August 1958 […] seinen Beschluß vom 22. Mai 1958 über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamts mit dezentralem Unterbau aufzuheben und zuzustimmen, daß die Vertreter der Bundesbank in den bevorstehenden Ressortbesprechungen gegen die Errichtung des Bundesaufsichtsamts ohne Unterbau keine Einwendungen mehr erheben.“156 Im BMWi erfuhr ERHARD mit Vorlage vom 19. September 1958, daß man der Bundesbank in drei wichtigen, bisher strittigen Punkten, nämlich den §§ 9, 11 und 38 KWG-E, entgegengekommen, daß jedoch in der Frage der Organisation der BA-Behörde als zentrale Bundesoberbehörde „noch eine letzte Meinungsverschiedenheit“ übriggeblieben sei. Diese sei allerdings gering, da die neuen Direktoriumsmitglieder der Meinung der Bundesressorts folgten und nur die zehn LZBPräsidenten noch nicht gewonnen wären. Die meisten von ihnen wünschten, daß die Bundesoberbehörde Außenstellen in den Ländern unterhalte. Einige wenige wünschten, daß die Bankenaufsicht bei den Landesbehörden verbleibe. Mit dem Hinweis, eine Mehrheit ergäbe sich bereits, wenn sich ein einziger LZB-Präsident der Direktoriumsmeinung anschließe, wurde ERHARD ein Schreiben an BLESSING empfohlen, das dessen Bemühungen um einen Mehrheitsbeschluß erleichtern sollte. Dieses Schreiben unterstreicht die taktischen Motive im BMWi für eine BBkBeteiligung (siehe S. 164 f. und S. 173 f.). ERHARD führte in seinem Schreiben vom 22. September 1958 nämlich aus, daß ihm die BBk-Zustimmung im Hinblick auf die spätere Zusammenarbeit bei der Durchführung von Maßnahmen nach dem KWG wichtig und auch geeignet erscheine, die seit der BBk-Gründung oft allseits beschworene Zusammenarbeit augenfällig zu demonstrieren.157 Er habe daher Weisung gegeben, in den offen gebliebenen wesentlichen Streitpunkten möglichst tragbare Kompromisse herbeizuführen. Danach hielte er es für wünschenswert, wenn der ZBR, der sich nur mit knapper Mehrheit für die Errichtung von Außenstellen am Sitz jeder LZB ausgesprochen habe, in der kommenden Sitzung die 155 Schreiben (VON SCHELLING an BLESSING) vom 15.09.1958 betr. Vorbereitung eines BundesKWG – Aufgabenteilung und Organisation – in B 330/2393. 156 Vorlage (KÖNNEKER) vom 25.09.1958 betr. Stellungnahme zu dem Schreiben des Herrn VON SCHELLING vom 15.09.1958 zur Frage der BA-Organisationsform zur 32. Sitzung des ZBR/BBk, TOP 9 („KWG“), in B 330/145. 157 Ministervorlage (Abteilung VI) vom 19.09.1958 betr. Entwurf eines KWG in B 102/41889.
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Bemühungen der Bundesressorts um eine volle Einigung würdigen und dem Gesetzentwurf auch in der Organisationsfrage zustimmen würde.158 Der ZBR kam diesem Wunsch nach. Er votierte in seiner 32. Sitzung am 2. Oktober 1958 in Abwesenheit von BRÖKER und BURKHARDT sowie von WILHELM BODEN, Präsident der LZB in Rheinland-Pfalz, RUDOLF GLEIMIUS, Präsident der LZB in Berlin, und OTMAR EMMINGER, Mitglied des Direktoriums, mit elf gegen drei Stimmen (VON SCHELLING, WAGENHÖFER und PFLEIDERER) dafür, keine Einwendungen gegen die Errichtung eines BAKred ohne Außenstellen zu erheben.159 BLESSING teilte ERHARD daraufhin mit Schreiben vom 15. Oktober 1958 „mit Freude“ mit, daß nunmehr „Meinungsverschiedenheiten von Bedeutung“ nicht mehr bestünden, und glaubte dabei versichern zu können, daß die Bundesbank bestrebt sein werde, eine möglichst schnelle Verabschiedung des KWG „auf jede nur mögliche Weise zu fördern und eventuelle Hindernisse aus dem Weg zu räumen“.160 BLESSING irrte sich. Der Konflikt um die Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute (§§ 9, 11 KWG-E) war zwar, wie beschrieben, endgültig beigelegt, nicht jedoch der Konflikt um die Zins- und Wettbewerbsregelung (§ 38 KWG-E), der sich wenig später fortsetzte.
4.3.4 Die Zins- und Wettbewerbsregelung – 2. Teil: Der Beteiligungsumfang Der Konflikt um die Zins- und Wettbewerbsregelung setzte sich im November 1958 fort.161 Das BMF und das BMI kritisierten, die im dritten Referentenentwurf vom 31. Oktober 1958162 vorgesehene Form des Verwaltungsakts (siehe Anhang A-4, S. 237 f.) habe den Nachteil, daß Institute oder Institutsgruppen gegen die Zinsanordnungen erlassende Behörde vor einem Verwaltungsgericht klagen könnten. Da ähnliche Bestrebungen (laut KÖNNEKER) in der Vergangenheit anscheinend nicht selten waren,163 befürchtete man eine „unerträgliche Unsicherheit“ im Kreditgewerbe. Das BMJ schlug daher eine Lösung vor, die Zinsfestsetzungen mittels Rechtsverordnung ermöglichte und gleichzeitig auch erlaubte, das „allge-
158 Schreiben vom 22.09.1958 (s. Fußnote 137, S. 173). 159 Auszüge aus dem Stenogramm („KWG/Organisation“ und „KWG – Organisation“) und Protokoll zur 32. Sitzung des ZBR/BBk am 02.10.1958, TOP 9 („KWG“), in B 330/145. 160 Schreiben (BBk (BLESSING) an BMWi (ERHARD)) vom 15.10.1958 betr. Entwurf eines KWG in B 330/245 und B 102/41889. 161 Vermerk (KLEINHANS) vom 27.10.1958 betr. Entwurf eines Bundes-KWG in B 330/2394. Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten bestanden darüber hinaus nur noch bei den §§ 21 f. (s. S. 151 und Fußnote 135, S. 173) und bei § 53 („BA-Kosten“; s. Anhang A-1, S. 230 f.). Vermerk (SCHREIHAGE) vom 29.10.1958 betr. Entwurf eines KWG in B 102/41904. Vermerk (KLEINHANS) vom 10.11.1958 betr. Entwurf eines KWG in B 330/2395. 162 Dritte Fassung eines KWG-Entwurfs vom 31.10.1958 in B 102/41890 sowie B 330/2394 und 4273. 163 Vorlage III vom 20.11.1958 (s. Fußnote 168, S. 183). KÖNNEKER widersprach damit seiner Vorlage vom 16.05.1958 (s. S. 168).
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mein für notwendig gehaltene Einvernehmen mit der Bundesbank“ (KÖNNEKER) im Gesetz zu verankern. Der Vorschlag des BMJ lehnte sich eng an eine Anregung der Bundesbank bei den parallel stattfindenden Beratungen über den Entwurf eines AWG an. Sie hatte als Ersatz für die bisher nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBkG beibehaltene Ziffer 15c BdL-Gesetz, die das BMWi durch das neue AWG streichen wollte, die Aufnahme eines § 16a in den IV. Abschnitt des BBkG („Währungspolitische Befugnisse“) vorgeschlagen,164 um weiterhin bestimmte Devisengeschäfte beschränken zu können. Das BMJ hielt die Anregung, die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlaß von Rechtsverordnungen an das Einvernehmen bzw. die Zustimmung der Notenbank zu knüpfen, verfassungsrechtlich dann für zulässig, wenn der Bundesbank ein solches Recht auch nach dem BBkG zusteht. Es regte deswegen an, die währungspolitischen Befugnisse der Bundesbank analog zum vorgeschlagenen § 16a BBkG im Hinblick auf die Zinsregelung in einem etwa folgendermaßen zu formulierenden § 16b BBkG auszuweiten: „Die Deutsche Bundesbank ist zur Mitwirkung beim Erlaß von Rechtsverordnungen nach § 38 des Gesetzes über das Kreditwesen befugt.“
Ferner sollte das BMWi in § 38 KWG-E zur Übertragung seiner Befugnisse zum Erlaß von Rechtsverordnungen auf dem Gebiet der Zinsfestsetzungen auf das BAKred nach Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG mit der Maßgabe ermächtigt werden, daß das BAKred die Rechtsverordnungen im Einvernehmen mit der Bundesbank erläßt.165 Art. 88 GG schloß gewisse rechtsetzende BBk-Befugnisse nach Ansicht des BMJ nicht aus. Seines Erachtens waren sie nach den Vorstellungen der Verfassungsgesetzgeber geradezu die Voraussetzung für die sinnvolle Errichtung einer Währungs- und Notenbank. Die Befugnis des Gesetzgebers, die Bundesregierung allein zum Erlaß von Rechtsverordnungen zu ermächtigen, sei schon kraft Art. 88 GG zugunsten der Bundesbank beschränkt bzw. beschränkbar, soweit es nach § 3 BBkG zur Aufgabe der Notenbank gehöre, mit Hilfe der ihr nach diesem Gesetz zustehenden währungspolitischen Befugnisse die Währung durch die Regelung des Geldumlaufs und der Kreditversorgung zu sichern. Der Rechtscharakter der währungspolitischen BBk-Befugnisse war jedoch umstritten.166 Nach der Begründung zum ersten Initiativentwurf von BadenWürttemberg und dem Gutachten von FORSTHOFF befand nun auch das BMJ, daß die Sondervorschrift des Art. 88 GG anderen GG-Regelungen vorgehe: Unerheblich sei, daß die Bundesbank nicht zum Kreis der möglichen Adressaten einer 164 Schreiben (BLESSING an ERHARD) vom 30.09.1958 (ohne Betreff) in B 330/245. 165 Handschriftliche Notizen und Protokoll zur 34. Sitzung des ZBR/BBk am 30.10.1958, TOP 11 („Gesetz über das Kreditwesen“), in B 330/146. 166 V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 173 ff., sehen die Hoheitsakte der Bundesbank, die diese im Rahmen der währungspolitischen Befugnisse vornimmt, als Ausfluß der ihr (aufgrund Art. 88 GG) zustehenden autonomen Rechtsetzung innerhalb des Verbundes des nationalen Kreditsystems an, während sich andere gegen die Annahme wenden, es handele sich hier um autonome Rechtsetzung. Ebd., S. 174.
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Rechtsverordnungsermächtigung in Art. 80 GG gehöre und daß sie nicht der parlamentarischen Verantwortung unterliege. Man müsse ihr – wie bei den §§ 15 („Diskont-, Kredit- und Offenmarkt-Politik“), 16 („Mindestreserve-Politik“) und 18 („Statistische Erhebungen“) BBkG – „in einem bestimmten Umfange wesensnotwendig sowohl Exekutivbefugnisse (Erlaß von Verwaltungsakten) als insbesondere auch die Befugnisse zu einer selbständigen oder mitwirkenden rechtsetzenden Tätigkeit“ zur Erfüllung ihrer ureigenen Aufgaben zuerkennen. Das zuständige Fachressort habe darüber zu entscheiden, in welchem Umfang sie „wesensnotwendig“ Befugnisse haben müsse, sich selbständig oder nur mitwirkend zu betätigen. Solange vom fachlichen Standpunkt aus anerkannt werde, daß sie ihre Aufgabe nach § 3 BBkG nur dann erfüllen könne, wenn die Bundesregierung nicht ohne ihre Mitwirkung auf bestimmten Gebieten, vor allem des Devisen- und Kreditwesenrechts, rechtsetzend tätig werden kann, bestünden unter Verfassungsgesichtspunkten keine Bedenken, der Bundesbank insoweit ausdrücklich per Gesetz ein solches Mitwirkungsrecht zuzuerkennen.167 Der ZBR betonte daraufhin in seiner 36. Sitzung am 27. November 1958 im Vorgriff auf eine Ressortbesprechung, die BBk-Mitwirkung sei bei den die Zinsregelung (und die Außenwirtschaft) betreffenden Rechtsverordnungen mit § 3 BBkG „vereinbar“, und plädierte – unabhängig von der Stellungnahme zum vorliegenden KWG-Entwurf – einstimmig „nachdrücklich“ für eine BBkG-Ergänzung.168 Der BMJ-Vermerk, den die Notenbank wegen einer „Panne“ (HENCKEL laut TROEGER) erhielt,169 Äußerungen aus dem BMWi und dessen Zögern, den Vermerk der Bundesbank zu übermitteln, mach(t)en deutlich, daß man sich im BMWi nicht gerade über die positive BMJ-Einstellung zu den BBk-Wünschen freute. Bei der Bundesbank nahm man an, der Vermerk werde im BMWi dahingehend ausgelegt, daß jede einzelne Position der vorgeschlagenen BBkG-Ergänzung unter Heranziehung von § 3 BBkG überprüft werden müsse.170 FÖGEN bemerkte zu der „für die Bundesbank außerordentlich bedeutsamen Stellungnahme“ des BMJ, daß die eigene „mitwirkende“ Kompetenz vor allem dann am Platze sein könnte, wenn sich die Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Bundesregierung und Bundesbank überlagerten. Sein Hinweis, daß eine Kompetenzübertragung an die Notenbank sogar durch andere Gesetze als durch das BBkG vorgenommen werden könne, ohne bei der Wahrnehmung dieser Kompetenzen von Weisungen der Bundesregierung abhängig zu werden,171 zeigt, daß die Bundesbank bei der Zins- und 167 Vermerk (BMJ) vom 29.10.1958 betr. Entwurf eines AWG und eines KWG; hier: Mitwirkung der Deutschen Bundesbank bei Erlaß von Rechtsverordnungen, in B 330/147. 168 Vorlage III (KÖNNEKER) vom 20.11.1958 betr. Zins- und Wettbewerbsregelung nach § 38 des Entwurfs für ein Bundes-KWG – Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung? Ergänzung des BBkG – und Protokoll zur 36. Sitzung des ZBR/BBk, TOP 6 („KWG“), in B 330/147. 169 Handschriftliche Notizen zur 38. Sitzung des ZBR/BBk am 08./09.01.1959 (s. Fußnote 177, S. 186). 170 Vermerk (JOERGES) vom 05.12.1958 betr. AWG; Stellungnahme des BMJ zum Schreiben der Deutschen Bundesbank vom 30.09.1958, in B 330/2396. 171 Vermerk (FÖGEN) vom 06.12.1958 (ohne Betreff) in B 330/2396.
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Wettbewerbsregelung nicht nach einer „mitwirkenden“, sondern – dank § 12 BBkG, nach dem die Bundesbank bei der Ausübung der Befugnisse, die ihr nach diesem, dann ergänzten Gesetz zustehen, von Weisungen der Bundesregierung unabhängig ist – bewußt nach einer selbständigen Rechtsetzungsbefugnis trachtete! Das wurde rasch klar. Das BMWi widersprach dem BMJ in einer Besprechung am 16. Dezember 1958. HENCKEL, der das BBkG wesentlich mitgeprägt hatte,172 sah, daß es im Ergebnis um eine autonome Rechtsetzungsbefugnis ging, und machte weiterhin Verfassungsbedenken geltend. Die Rechtsetzungsbefugnis der Bundesbank würde durch eine BBkG-Ergänzung zwecks Mitwirkung an der Zinsgestaltung zu groß werden. „Dies würde im Bundestag bestimmt Unwillen erregen und dazu führen können, daß letztlich alle wirtschaftlichen Maßnahmen als währungspolitisch bedeutsam angesehen werden.“ Die Rechtsetzungsbefugnis der Bundesbank müsse begrenzt sein und könne sich nur im Rahmen des Art. 88 GG halten. Diesen Rahmen wollte HENCKEL (laut TROEGER in der 38. ZBR-Sitzung) möglichst eng fassen: „[M]an [müßte] eigentlich schon auf dem Standpunkt stehen […], daß die währungspolitischen Befugnisse des BBkG, mit denen die Unabhängigkeit expressis verbis in § 12 BBkG verbunden ist, gar nicht recht verfassungsmäßig wären (Lachen [im ZBR]).“173
Andererseits war HENCKEL – wie in der BAKred-Organisationsfrage (siehe Abschnitt 4.3.3) – auf „Übereinstimmung aller Bundesressorts einschließlich der Bundesbank“ angewiesen, um wegen des zu erwartenden BR-Einspruchs die nötige Zweidrittelmehrheit im Bundestag nicht zu gefährden.174 Er präsentierte daher eine neue Fassung der Zins- und Wettbewerbsregelung, die nach Auffassung der beteiligten Bundesressorts eine verfassungsrechtlich vertretbare Lösung darstellte und gleichzeitig Gewähr für eine stets im BBk-Einvernehmen erfolgende Zinsfestsetzung bot. Die neue Fassung, die der endgültigen Regelung bereits sehr nahe kam, sah vor: Der Bundesminister für Wirtschaft wird zur Festsetzung von Zinsen im BBk-Benehmen zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt, kann aber seine Ermächtigung auf das BAKred mit der Maßgabe übertragen, daß das BAKred von der delegierten Ermächtigung nur im BBk-Einvernehmen Gebrauch macht. KÖNNEKER gefiel die neue Fassung nicht. Er machte geltend, das BBk-Einvernehmen beim Erlaß von Rechtsverordnungen sei nur bei unüberwindlichen ernsten Meinungsverschiedenheiten zwischen BAKred und Bundesbank bedeutsam. In diesem Falle könne der Bundesminister für Wirtschaft die Delegation seiner Ermächtigung auf das BAKred aufheben, die Verordnung selbst erlassen und sich über die BBk-Auffassung hinwegsetzen, da in diesem Fall nur das Benehmen vorgesehen sei. Der Einwand des BMWi, daß die Rücknahme der Delegation – 172 Hentschel (1988), S. 86, zufolge war HENCKEL am Ende „Vater des Gesetzes“. 173 Handschriftliche Notizen zur 38. Sitzung des ZBR/BBk am 08./09.01.1959 (s. Fußnote 177, S. 186). 174 Vermerk (KLEINHANS) vom 17.12.1958 betr. Entwurf eines KWG; hier: Spareinlagen, Zinsund Wettbewerbsregelung, in B 330/2396.
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wie die Delegation selbst – nur durch Rechtsverordnung erfolgen könne und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden müßte, daß sich die Differenzen zwischen dem BMWi und der Bundesbank dann „im hellen Licht der Öffentlichkeit abspielen“ würden und daß daher ein Konflikt eigentlich undenkbar sei, überzeugte KÖNNEKER nicht. Das war einerseits nachvollziehbar, weil à priori nicht davon ausgegangen werden konnte, daß die Öffentlichkeit auf jeden Fall hinter der Bundesbank stehen würde. Andererseits waren selbst in dem vor einer Rechtsverordnung rangierenden BBkG keine institutionellen Vorkehrungen für die Beilegung von Konflikten getroffen worden – im Gegenteil. Bei den Beratungen zum BBkG war nur festgehalten worden, daß im Fall unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten das Parlament in Form einer gesetzlichen Regelung eingreifen müsse und daß es in diesem Fall der Bundesbank unbenommen bleibe, durch Presseveröffentlichungen und öffentliche Reden eine „Dramatisierung“ des Konflikts herbeizuführen und diesen Konflikt dann „öffentlich und unter Kontrolle der öffentlichen Meinung“ auszutragen.175 Obwohl also die neue Fassung der Bundesbank weit entgegenkam, wollte KÖNNEKER mehr. KÖNNEKER sah nach dem BMJ-Gutachten beim BMWi in Wirklichkeit weniger verfassungsrechtliche als vielmehr das ressortorientierte Bedenken, kein Präjudiz für andere Bereiche zu schaffen. Er empfahl daher dem ZBR für die 38. Sitzung, „aus grundsätzlichen Erwägungen“ an der Forderung nach einer BBkGErgänzung festzuhalten.176 Die Hoffnungen im ZBR, diese Forderung durchsetzen zu können, schwanden, als TROEGER in dieser Sitzung am 8. / 9. Januar 1959 von HENCKELs Unnachgiebigkeit bei einem Gespräch am Vortag berichtete: Eine Erweiterung der im IV. Abschnitt des BBkG geregelten Befugnisse käme überhaupt nicht in Betracht. Der ZBR solle ihm höchst dankbar sein, daß er sich den Kopf darüber zerbrochen habe, wie man zum gleichen praktikablen Ergebnis ohne Erweiterung des KWG und des währungspolitischen Instruments des BBkG kommen könne. Für beide Seiten ging es dabei ausschließlich um eine unabhängige Rechtsetzungsbefugnis der Bundesbank: TROEGER: „Mir wäre es sympathisch, wir könnten aus eigener Autorität damit arbeiten und wären nicht irgendwie an der Strippe des BMWi.“ HENCKEL (laut TROEGER): „Dafür müssen Sie Verständnis haben; wir kämpfen für den gegenteiligen Standpunkt, denn wenn es ein währungspolitisches Instrument ist, dann gibt es keinen Zwang des Einvernehmens für die Bundesbank mit dem BMWi, denn da stünde ja der § 12 [BBkG] im Wege. Die Gegenseitigkeit des Einvernehmens läßt sich bei währungspolitischen Instrumenten nicht mehr durchführen.“
HENCKELs Auffassung war richtig. TROEGER hatte aber noch Hoffnung, daß in der Sitzung des Wirtschaftskabinetts am 30. Januar 1959 im Hinblick auf das AWG gegen den Vorschlag „remonstriert“ würde. Er riet, „auf keinen Fall ex175 V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 264. 176 Vorlage 2 (KÖNNEKER) vom 30.12.1958 betr. Zins- und Wettbewerbsregelung im Entwurf zum KWG – § 38 – in B 330/148.
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pressis verbis“ zuzustimmen. BLESSING empfahl: „Vorschlag zunächst ablehnen, Standpunkt aufrechterhalten, sehen, wie weit wir [die ZBR-Mitglieder] kommen.“ Der ZBR erlaubte sich schließlich „keine Weichheiten“ und einigte sich: „hart bleiben“. Er lehnte in seiner 38. Sitzung die neue Fassung einmütig ab, hielt uneingeschränkt an seiner im Protokoll zur 36. Sitzung dargelegten Auffassung (siehe S. 183) fest und bezeichnete es unter Verweis auf das BMJ-Gutachten als „unerläßlich, daß die Bundesbank auf die Bedingungen, unter denen sich die währungspolitisch äußerst bedeutsame Geldschöpfung der Kreditinstitute vollziehe, durch verantwortliche Mitwirkung beim Erlaß von Rechtsverordnungen über Zinsen und Provisionen Einfluß nehmen könne.“177 Der ZBR-Beschluß half nicht. Bereits am 19. Januar 1959 fand eine Ressortbesprechung zum AWG-Entwurf statt, in der nicht mehr verfassungsrechtliche Bedenken gegen die BBk-Wünsche, sondern vielmehr Bedenken gegen deren Umfang erhoben wurden. Die Bundesbank gab daraufhin in einem Schreiben an ERHARD vom 26. Januar 1959 ihre Forderung nach einer BBkG-Ergänzung zwecks Zinsfestsetzung (§ 16b) bereits vor der 13. Sitzung des Kabinettsausschusses für Wirtschaft am 30. Januar 1959 auf und beschränkte ihre Forderungen auf eine BBkG-Ergänzung zwecks Rechtsetzung in der Devisenpolitik (§ 16a).178 Der Konflikt um die Zins- und Wettbewerbsregelung war damit endgültig entschieden und beendet. ERHARDs Stellungnahme vom 31. Januar 1959 zeigt, daß das BMWi keine andere Wahl mehr zuließ. Das BMJ habe „die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Mitwirkung der Bundesbank bei Rechtsetzungsakten nur insoweit ins Auge gefaßt, als diese nach ihrem Gegenstand zu den Befugnissen gerechnet werden müßten, die einer Währungsbank im Sinne des Art. 88 GG wesensmäßig zukämen.“ Das BMJ habe sich nicht zu der Frage geäußert, in welchen Fällen eine „wesensmäßige Aufgabe der Bundesbank“ gegeben sei, und insbesondere auch nicht zu der Frage, ob eine solche Aufgabe etwa in der Festsetzung von Zinsen bestehe. ERHARD verneinte diese Frage nachdrücklich: Der ZBR habe im Protokoll zu seiner 23. Sitzung selbst anerkannt, daß die Festsetzung von Zinsen in erster Linie eine bankordnungspolitische Aufgabe des Staates sei (siehe S. 166 f.). Diese Aufgabe könne nicht den „wesensmäßigen Befugnissen der Bundesbank“ in dem vom BMJ angedeuteten Sinne zugerechnet werden, wenngleich zuzugeben sei, „daß bei ihrer den jeweiligen währungspolitischen Bedürfnissen entsprechenden Handhabung die kreditpolitischen Maßnahmen der Bundesbank unterstützt werden können und sollen.“ Bei den im BBkG geregelten BBk-Befugnissen könne sogar zweifelhaft sein, ob es sich bei ihrer Ausübung um Rechtsetzungsakte handele. Jedenfalls wäre die Regelung jedoch dadurch gerechtfertigt, daß sich die hiernach zulässigen BBk-Anordnungen lediglich an die Kreditinstitute als die unmittelbaren Objekte der Währungs- und Kreditpolitik der Bundesbank richte177 Handschriftliche Notizen, Auszug aus dem Stenogramm („KWG“) und Protokoll zur 38. Sitzung des ZBR/BBk am 08./09.01.1959, TOP 3 („KWG“), in B 330/148. 178 Schreiben (TROEGER / HARTLIEB an ERHARD) vom 26.01.1959 betr. Entwurf eines AWG; Stellungnahme der Bundesbank beim Erlaß von Durchführungsverordnungen, in B 330/149.
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ten. Für eine Erweiterung derartig autonomer Anordnungsbefugnisse auf Regelungen mit mehr oder weniger unmittelbaren Auswirkungen auf den Verkehr zwischen Kreditinstitut und Kunden fehle eine verfassungsrechtliche Grundlage. Die Festsetzung von Bankkonditionen könne daher nicht Gegenstand einer den §§ 16 und 18 BBkG nachgebildeten BBk-Befugnis sein.179 Dieses Argument hatte TROEGER im Wirtschaftskabinett am 30. Januar 1959 schachmatt gesetzt. Er konnte darauf nach eigenem Bekunden „nur noch sagen: ‚Das stimmt nicht; wenn ich Noten in den Verkehr setze oder aufrufe, dann gilt das gegenüber jedermann.’“ Die verfassungsrechtliche Debatte war für ihn damit zu Ende.180 PFLEIDERER und WAGENHÖFER störten sich zwar weiter daran, daß das BMWi in die Lage versetzt werden sollte, Konfliktfälle ohne BBk-Einvernehmen zu entscheiden. Der ZBR gab aber auf. WAGENHÖFERs Gegenstimme zur Fassung der seit dem fünften Referentenentwurf vom 31. Dezember 1958181 in § 22 KWG-E geregelten Zins- und Wettbewerbsregelung kam – entgegen seinem Wunsch – im Protokoll zur 40. Sitzung nicht mehr zum Ausdruck. Man konstatierte lediglich, der ZBR halte die Ausführungen im Schreiben des BMWi vom 31. Januar über die Übertragung einer Rechtsetzungsbefugnis an die Bundesbank zwar für unzutreffend, sei aber ungeachtet dessen nach Erörterung des § 22 KWG-E und der vom BMWi dazu vorgebrachten Argumente zu der Ansicht gekommen, gegen die vorgesehene Fassung keine Bedenken zu erheben.182 ERHARD konnte daraufhin mit Vorlage vom 10. Februar 1959 den KWG-Entwurf (siehe Anhang A-4, S. 234 und 236 ff.) dem Bundeskabinett zuleiten,183 das ihn in seiner 55. Sitzung am 18. Februar 1959 in Anwesenheit von BLESSING billigte184 und daraufhin dem Bundesrat zur Stellungnahme zuleitete.185 Am 5. Juni 1959 stimmte das Kabinett in seiner 68. Sitzung im Beisein von BLESSING auch dem AWG-Entwurf zu, in dem die Bundesbank ihre Forderung nach einer (auto179 Schreiben (BMWi (ERHARD an BBk)) vom 31.01.1959 betr. Entwurf eines KWG; hier: Mitwirkung der Deutschen Bundesbank beim Erlaß von Rechtsverordnungen, in B 102/41966 und B 330/3214. Anlaß für ERHARDs Stellungnahme war die BBk-Intervention beim Bundesrat (s. Fußnote 129, S. 171). 180 Auszug aus dem Stenogramm („AWG/KWG“) zur 40. Sitzung des ZBR/BBk am 05.02.1958 in B 330/149. 181 Fünfte Fassung eines KWG-Entwurfs vom 31.12.1958 in B 102/41890–41892, B 126/7415 und B 330/2394. – Die Zins- und Wettbewerbsregelung wurde in der vierten Fassung eines KWG-Entwurfs vom 05.12.1958 (in B 102/41905, B 126/7415 und B 330/2396) als § 23 in den zweiten Abschnitt „Vorschriften für die Kreditinstitute“ übernommen und am Ende unter § 23 KWG 1961 („Zinsen, Provisionen und Werbung“) aufgeführt. 182 Fernschreiben (WAGENHÖFER an TROEGER) vom 12.02.1959 betr. Protokollentwurf 40. ZBRSitzung und Protokoll zur 40. Sitzung des ZBR/BBk am 05.02.1959, TOP 9 („KWG“), in B 330/149. 183 Kabinettsvorlage (ERHARD) vom 10.02.1959 in B 102/41967, B 136/1216 und B 330/3214. Die Zuleitung erfolgte zusammen mit dem Entwurf einer Stellungnahme der Bundesregierung zum BR-Initiativentwurf. 184 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1959, S. 125. BT-Drs. 1114, 3. Wahlperiode, vom 25.05.1959. 185 Consbruch / Möller (1965), S. 37. Bähre / Schneider (1986), S. 54.
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nomen) Rechtsverordnungsermächtigung ebenfalls nicht durchsetzen konnte.186 In beiden Fällen war sie jedoch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen187, sondern aufgrund von Bedenken gegen die Übertragung zusätzlicher Kompetenzen gescheitert,188 weil keine Einigkeit darüber bestand, inwieweit das KWG und das AWG das der Bundesbank vorbehaltene Gebiet autonomer Rechtsetzung tangierten.189 Der Bundesrat bejahte in seiner Stellungnahme beim sog. ersten Durchgang die Notwendigkeit eines neuen KWG, erhob aber erwartungsgemäß zahlreiche Bedenken gegen die Errichtung eines BAKred und betonte das Erfordernis der BR-Zustimmung. Die Bundesregierung beharrte demgegenüber auf ihrem Standpunkt und brachte die Gesetzesvorlage Ende Mai 1959 beim Bundestag ein,190 der sie Anfang November 1959 in erster Lesung beriet und dann an den Wirtschaftsausschuß und zur Mitberatung an den Finanzausschuß überwies.191
4.3.5 Die Erfassung der sog. 7m-Revolvinggeschäfte Die Revolvinggeschäfte des Finanzmaklers RUDOLF MÜNEMANN, deren Erfassung im KWG sich zum Hauptstreitpunkt in den BT-Ausschußberatungen entwickelte,192 beschäftigten die Notenbank seit langem. MÜNEMANN hatte in den 1930er Jahren auf der Basis von Schuldscheindarlehen das Revolvingsystem entwickelt, mit dem er Geldgeber und Schuldner zinsmäßig günstiger stellte. Dieses System führte er in den 1950er Jahren unter Umgehung der Zinsabkommen (siehe S. 142) in zwei Formen fort, die so konstruiert waren, daß sie weder unter das geltende noch unter das geplante KWG fielen: Beim „direkten Revolving“ leitete er kurzfristig verfügbare Gelder aus Schuldscheinen mit ein-, zwei-, drei- oder sechsmo186 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1959, S. 222 f. § 47 Abs. 1 Nr. 5 AWG vom 28.04.1961 (BGBl. I S. 481) bestimmte, daß Ziffer 15c BdL-Gesetz auf den Außenwirtschaftsverkehr nicht mehr anzuwenden ist. Die Bezugnahme in § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBkG wurde damit obsolet. V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 603. 187 V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 267, mit Bezug auf die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 22 KWG, BR-Drs. 50/59, S. 37, und die Begründung des Regierungsentwurfs zum AWG, BT-Drs. 1285, S. 250. 188 Die Bundesbank konnte daher letztlich doch, und zwar erstmals im Gesetz zur Änderung des AWG vom 23.12.1971 („Bardepotgesetz“; BGBl. I S. 2141), formal zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt werden. V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 349 ff. Diese Ermächtigung bestätigt FÖGENs Vermutung (s. S. 183). 189 V. Spindler / Becker / Starke (1960), S. 171. 190 BT-Drs. 1114, 3. Wahlperiode, S. 48 ff. 191 Bähre / Schneider (1986), S. 54 f. Consbruch / Möller (1965), S. 38. 192 In den Ausschußberatungen wurden zahlreiche vom Bundesrat beim ersten Durchgang vorgeschlagene, von der Bundesregierung aber abgelehnte Änderungen behandelt, u. a. Forderungen nach einer ausreichenden allgemeinen Einlagensicherung und (später) nach einer Einbeziehung der Bausparkassen zur Vereinheitlichung der Aufsicht, die auch die Bundesbank vorgetragen hatte (s. Protokolle zur 41., 45., 48. und 76. Sitzung des ZBR/BBk am 19.02.1959, 16.04.1959, 26.05.1959 und 18./19.08.1960), aber nicht umgesetzt wurden, um die KWG-Reform nicht zu gefährden (s. Protokolle zur 87. und 83. Sitzung des ZBR/BBk am 02.02.1961 und 01.12.1960).
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natiger Laufzeit vorwiegend von Versicherungsunternehmen sowie anderen Kapitalsammelstellen gebündelt dem Darlehensnehmer zu und ersetzte diese bei Fälligkeit jeweils durch andere kurzfristige Gelder in entsprechender Höhe.193 Beim „indirekten Revolving“ führte er einem Kreditinstitut, das einen langfristigen Kredit an eine von ihm genannte Firma gewährte, zur Refinanzierung laufend kurzfristige Einlagen zu.194 Bereits vor Kriegsende war MÜNEMANN auf RBk-Veranlassung vor ein finanz- und wirtschaftspolitisches Schiedsgericht geladen worden, das allerdings zu seinen Gunsten entschieden hatte.195 Ende 1954 hatte die Notenbank erneut die Initiative ergriffen, weil ein wachsender Teil der Kapitalbildung das Bankensystem nicht mehr berührte, sondern direkt von den Sparern bzw. von den nicht zum Bankenapparat gehörenden Kapitalsammelstellen zu den Kreditnehmern ging.196 Anfang 1955 hatte sie in einem Schreiben an ERHARD moniert, daß sich dieser Teil des Geld- und Kreditvolumens, den sie auf „Milliardenhöhe“ bezifferte, weitgehend sowohl der liquiditätsmäßigen als auch der zinspolitischen Beeinflussung seitens des Zentralbanksystems entziehe und die für die Kreditpolitik sehr wichtige Überwachung der großen Kreditengagements (Millionenkredit-Meldungen) erschwere.197 Im BMWi hatte HENCKEL darin zwar ebenfalls einen Mißstand gesehen.198 Nachdem sich aber lediglich ein Kreditumfang von 207 Mio. DM herausgestellt hatte, ruhte der Vorgang vorerst.199 Der ZBR beäugte jedoch MÜNEMANNs Revolvingsystem weiter mißtrauisch. Zunächst erschien ihm die Erfassung derart vermittelter Kredite „nicht mehr wichtig“, weil die Anzeigepflicht für Millionenkredite künftig auch Versicherungen treffen sollte.200 Kurz darauf ergriff BLESSING aber wegen eines vermuteten größeren Geschäftsumfangs, einer ungewöhnlich langen Darlehenslaufzeit von 35 Jahren und wegen dubioser Geschäftspraktiken die Initiative: „Wenn da irgendeine Pleite kommt, wird man uns auch als Bundesbank vorwerfen, daß wir uns um diese Sache nicht gekümmert haben. […] Ich wage heute zu prophezeien, daß diese Münemann GmbH eines Tages platzt und daß Herr Münemann nicht mehr in Deutschland sitzt. […] Herr Könneker, wir müssen die Sache ventilieren, denn wenn es
193 Ministervorlage vom 15.10.1959 (s. Fußnote 208, S. 191). 194 Abteilungsleitervorlage (SCHORK) vom 16.12.1959 betr. Bankenaufsicht über die Revolvinggeschäfte in ebd. 195 DER SPIEGEL vom 22.04.1959 („Der Revolver“), S. 33–45. 196 Monatsbericht (BdL) November 1954, S. 5 f. 197 Schreiben (BdL (BERNARD / VOCKE) an BMWi (ERHARD)) vom 07.02.1955 betr. Bankgeschäftliche Betätigung von Versicherungsunternehmen und Finanzmaklern in B 102/41796. 198 Vermerk (HENCKEL) vom 26.02.1955 (ohne Betreff) in B 102/41796. 199 Protokoll über die Besprechung am 19.04.1955 und Ministervorlage (KRAMER) vom 30.04.1955 jeweils betr. Bankgeschäftliche Betätigung von Versicherungsunternehmungen und Finanzmaklern in B 102/41796. 200 Vorlage I (KÖNNEKER) vom 20.11.1958 betr. Die Mitwirkung der Deutschen Bundesbank an der Bankenaufsicht nach dem letzten Entwurf zum KWG zur 36. Sitzung des ZBR/BBk am 08./09.01.1959 in B 330/147.
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4 Die Konflikte um wichtige notenbankrelevante Vorschriften im KWG so weitergeht, haben die Leute Ende des Jahres Kredite vermittelt in Höhe einer Milliarde.“201
Der ZBR befaßte sich schließlich in seiner 56. Sitzung am 8. Oktober 1959 erstmals mit der „Erfassung der von Finanzmaklern vermittelten RevolvingKredite im KWG“, weil MÜNEMANN eine dritte Form des Revolvingkredits, das sog. 7m-System, entwickelt hatte. Diese neue, zunehmend getätigte Form war mehr als eine Synthese des direkten und indirekten Systems. Während das indirekte System die Einschaltung einer fremden Bank voraussetzte, wurde diese beim 7m-System in der Regel durch die von MÜNEMANN beherrschte „Investitions- und Handelsbank AG“ (IHB) ersetzt. Die IHB hatte allerdings nur die „Stellung eines Werkzeuges“. Sie trat die Darlehensforderung sofort an die „Münemann Industrie-Handelsgesellschaft mbH“ (Münehandel) ab und erhielt hierfür eine Provision. Weil die IHB hieraus kein Risiko trug, paßten die meisten KWGVorschriften über das Kreditgeschäft sachlich nicht auf sie,202 obwohl sie ein Kreditinstitut war. Umgekehrtes galt für die zum Revolvieren eingeschaltete Münehandel. Während MÜNEMANN beim direkten und indirekten System nicht für die Prolongation haftete und auch kein Liquiditätsrisiko trug, übernahm sie bei den 7m-Geschäften die Haftung für die termingerechte Beschaffung der Gelder für die vermittelte Kreditsumme. Weil sie jedoch kein Kreditinstitut war, erfaßten weder die geltenden noch die vorgesehenen KWG-Vorschriften für das Garantiegeschäft (siehe Anhang A-4, S. 239) ihr Obligo. KÖNNEKER sah in seiner ZBR-Vorlage zu dieser Sitzung die Effizienz der Geldpolitik der Notenbank doppelt gefährdet. Bei einer Geldverknappung (und daher eventuell geänderten Dispositionen der Geldgeber) müßten die Darlehensnehmer Rückhalt bei ihren Hausbanken suchen, dem sich diese dann zur Absicherung ihrer eigenen Kredite an das Unternehmen nicht entziehen könnten. Die 7mGeschäfte könnten außerdem entgegen dem Sinn und Zweck des KWG nicht durch dessen Liquiditäts-, Eigenkapital-, Kreditüberwachungs- und Evidenzvorschriften unter Kontrolle gehalten und geregelt werden. Wenn sich große Teile des Geld- und Kreditvolumens der Beobachtung und Kontrolle entzögen, seien die auf die Erhaltung der Sicherheit der Einlagen und die Liquidität der Kreditinstitute abgestellten Bestimmungen des KWG-Entwurfs, die vorgesehenen Kreditkontrollen und Höchstkreditgrenzen sowie die Rediskontkontingente und Kreditrichtsätze der Bundesbank nur von begrenztem Wert. Ohne das Revolvingkreditsystem würden die dort eingesetzten liquiden Mittel schließlich auch den kreditpolitischen Maßnahmen und insbesondere der Offenmarkt- und Mindestreservepolitik der Bundesbank unterworfen.203 201 Auszug aus dem Stenogramm („Münemann-Finanzierungen“) zur 38. Sitzung des ZBR/BBk am 08./09.01.1959 in B 330/148 und Auszug aus dem Stenogramm („Bericht über das Ergebnis der weiteren Ermittlungen über die Beziehungen der IHB […] und Münemann“) zur 44. Sitzung des ZBR/BBk am 02.04.1959 in B 330/152. 202 Vermerk vom 04.08.1960 (s. Fußnote 213, S. 192). 203 Vorlage (KÖNNEKER) vom 30.09.1959 betr. Behandlung der Revolving-Kredite durch Vermittlung von Finanzmaklern im KWG zur 56. Sitzung des ZBR/BBk am 08.10.1959 in B 330/158.
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KÖNNEKER schlug – nach Fühlungnahme mit dem BdpB – vor, das direkte und indirekte Revolvinggeschäft mittels einer Ergänzung des § 3 KWG-E („Verbotene Geschäfte“) zu verbieten und die 7m-Geschäfte mittels zweier Ergänzungen des § 1 KWG-E („Begriffsbestimmungen“) zum Bankgeschäft zu erklären,204 um den Makler an alle KWG-Vorschriften, insbesondere über das Eigenkapital und die Liquidität (sowie die Groß- und Millionenkredite) zu binden. Damit stieß er vereinzelt auf Widerspruch. Der ZBR stimmte aber zu, daß sich die BBkVertreter für die Einbeziehung der Revolvinggeschäfte einsetzen, und beauftragte zugleich die Kreditreferenten, konkrete Richtlinien und Grundsätze für die Anwendung der KWG-Bestimmungen auf diese 7m-Kredite auszuarbeiten. Ein von ihm erbetenes Gutachten zur Klärung der Frage, ob eine Ausdehnung der Verbotsvorschrift des § 3 KWG-E auf die direkten und indirekten Revolvingkredite mit dem Grundgesetz vereinbar sei,205 führte später zur Aufgabe des Verbotsgedankens.206 Bis zuletzt verfolgte er jedoch seine Forderungen bezüglich der 7mGeschäfte beharrlich weiter, die man im BMWi vor allem aus den beiden folgenden Gründen ablehnte: MÜNEMANN hatte mit der Behauptung, der BdpB habe seine Mitglieder zum Boykott gegen ihn aufgefordert, beim Bundeskartellamt die Einleitung eines Kartellverfahrens gegen diesen Verband und einige seiner Mitglieder, darunter dessen Vorsitzenden ROBERT PFERDMENGES, beantragt. Die Öffentlichkeit hielt MÜNEMANNs Behauptung nicht für unglaubwürdig und schenkte diesem Verfahren große Beachtung, weil das BMWi – angeblich auf Initiative des BdpB – mit Hilfe des vom Bundeskabinett am 6. März 1959 verabschiedeten Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerlicher Vorschriften vom 25. Mai 1959 (BGBl. I S. 261)207 die Einfügung einer Vorschrift (§ 12 Abs. 3) in das Kapitalverkehrsteuergesetz (BGBl. I S. 530) bewirkt hatte, welche die auf Teilbeträge eines Gesamtdarlehens ausgestellten Schuldscheine der Wertpapier- und Börsenumsatzsteuer unterwarf. Diese Einfügung sollte die Abwanderung von Obligationen auf Schuldscheine verhindern und war offensichtlich gegen die Geschäfte MÜNEMANNs gerichtet, der hiergegen öffentlich heftig protestiert hatte.208 Wenngleich diese Vorschrift ihn letztlich doch nicht traf, weil sie nachträglich in den Durchführungsbestimmungen eingeschränkt worden war und MÜNEMANN sich ihrer durch eine unbedeutende
204 Als Bankgeschäfte sollten demnach erklärt werden „der An- oder Verkauf von Geldforderungen (Forderungsgeschäft)“ (Ziffer 2a) und „die Vermittlung von Darlehen, wenn für eine im voraus bestimmte Zeit, die länger ist als die Laufzeit des Darlehens, vorgesehen ist, daß der Vermittler bei Fälligkeit des Darlehens jeweils nur neue Darlehen vermittelt oder bereitstellt (Revolvinggeschäft)“ (Ziffer 9). Ebd. 205 Protokoll zur 56. Sitzung des ZBR/BBk am 08.10.1959, TOP 2 („Erfassung der von Finanzmaklern vermittelten Revolving-Kredite im KWG“), in B 330/158. 206 Protokoll zur 63. Sitzung des ZBR/BBk am 21.01.1960 (s. Fußnote 218, S. 194). 207 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1959, S. 141 f. 208 Ministervorlage (Abteilung VI) vom 15.10.1959 betr. Finanzierungsvermittlungen durch den Finanzmakler Rudolf Münemann, München, in B 102/41798.
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rechtliche Änderung seines Systems entziehen konnte,209 haftete ihr in der Presse der Makel einer „Lex Münemann“ an. Die Verhandlungen zwischen dem BMWi, das nicht erneut den Mißmut der Öffentlichkeit auf sich ziehen wollte, und der Bundesbank traten deswegen zunächst auf der Stelle, bis ihnen KÖNNEKER durch einen Artikel in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (ZfgK) neuen Schwung verlieh. In diesem Artikel, hinter den sich zwei Monate später auch der ZBR stellte,210 publizierte KÖNNEKER ausführlich die Argumente aus seiner ZBR-Vorlage. Die Öffentlichkeit erfuhr so, daß das Revolvinggeschäft „nicht in sich gesund“ sei, ein „Element der Unordnung“ darstelle, das „Schule machen“ könne, und geschickt Gesetzgebungslücken ausnutze. Sein Erfolg beruhe auf seiner Existenz im Schatten des Bankenapparates. MÜNEMANN könne günstigere Bedingungen nur bieten, weil er nicht an die rentabilitätsmindernden Bestimmungen des KWG und die kreditpolitischen Maßnahmen der Bundesbank gebunden sei. Weil sich KÖNNEKER an die Öffentlichkeit wandte, meinte er, darüber hinaus an die Entstehungsgeschichte des KWG erinnern zu müssen. Entstanden sei das KWG „als Folge der großen Bankenkrise, die ihrerseits in der Verwendung kurzfristiger Gelder, hauptsächlich aus dem Ausland, für langfristige Zwecke ihre Ursache“ gehabt habe. Die – unpassende – Parallele, die KÖNNEKER so indirekt zu MÜNEMANNs Geschäften zog, war nicht unbedacht gewählt und knapp dreißig Jahre nach der Krise von 1931 immer noch zum Schüren von Ängsten geeignet. Sie sollte den – unzutreffenden – Eindruck erwecken, daß die Fristentransformation für die damalige Krise verantwortlich war. Jedoch nicht die Fristentransformation, sondern die Golddeckung und der Umstand, daß die Reichsbank mangels ausreichender Devisenreserven ihren Zahlungsverpflichtungen in fremder Währung nicht nachkommen konnte, hatten die Krise dramatisch verschärft. Dennoch konnte KÖNNEKER auf Resonanz in der Öffentlichkeit hoffen. Die „heute noch prominente Idee“211 der „goldenen Bankregel“, d. h. der Forderung nach Fristenkongruenz, hatte damals nämlich noch mehr Anhänger als heute212, obwohl man seinerzeit schon wußte, daß die Fristentransformation zu den volkswirtschaftlichen Aufgaben der Banken gehört.213 Das wußte auch KÖNNEKER. In seinem ZfgK-Artikel bemerkte er (wie in seiner ZBR-Vorlage) – richtig –, daß auch die Geschäftsbanken mittel- oder langfristige Kredite aus ihnen nicht für die gesamte Kreditlaufzeit zur Verfügung stehenden Depositen- und Spareinlagen gewährten, und betonte, um mit Hilfe seines Hinweises auf die Bankenkrise von 1931 den 209 Ministervorlage (HENCKEL) vom 06.12.1960 betr. Revolvingsystem Münemann und KWG in B 102/41805. 210 Vermerk vom 11.02.1960 (s. Fußnote 222, S. 195). 211 Hartmann-Wendels / Pfingsten / Weber (2007), S. 412. 212 FAZ vom 27.08.2007 („Münemann läßt grüßen“), S. 7. 213 Das BMWi kam später zu dem Ergebnis, daß das Revolving prinzipiell nichts Neues sei. Es werde „auch von den Kreditinstituten geübt, die in Erfüllung ihrer volkswirtschaftlichen Funktion mit kurzfristigen Fremdmitteln längerfristige Kredite“ gewährten. Vermerk (SCHORK) vom 04.08.1960 betr. Behandlung der Revolvinggeschäfte im KWG-Entwurf in B 102/41802.
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von ihm gewünschten Eindruck in der Öffentlichkeit zu erzielen, den seines Erachtens entscheidenden Unterschied: Diese Geschäfte der Kreditinstitute würden im Gegensatz zu MÜNEMANNs Geschäften durch die Kredit- und Währungspolitik gesteuert und „durch das KWG mit seinen Liquiditäts-, Eigenkapital-, Kreditbegrenzungs- und Evidenzvorschriften unter Kontrolle gehalten“.214 KÖNNEKER verschärfte mit dem ZfgK-Artikel absichtlich coram publico den Konflikt mit der Bundesregierung. Offenkundig erhoffte sich das BBk-Direktorium hiervon über die Öffentlichkeit eine größere Unterstützung für die Verhandlungen mit den Bundesressorts: KÖNNEKER kam mit seiner Veröffentlichung einer Anregung BLESSINGs nach, um nach den Erörterungen mit den Bundesressorts „das Problem der Revolvingkredite in der öffentlichen Diskussion auf ein anderes Gleis zu schicken“ und, „auch gegenüber Bonn, eine bessere Ausgangslage für die weitere Behandlung des Stoffes zu schaffen.“215 Die bisherige öffentliche Diskussion über MÜNEMANNs Revolvingkredite hatte seines Erachtens unglücklicherweise währungspolitische Fragen vernachlässigt. Das wollte KÖNNEKER ändern. Wenn es nach ihm ging, sollte sich MÜNEMANN dieses Mal nicht entziehen können. Seine auch den Bundesressorts zugeleiteten Entwürfe sahen eine Ausweitung der Anzeigepflicht nach § 13 KWG-E auf die vermittelten „Millionenkredite“, eine Mindestliquiditätsmarge von 20 Prozent der von der Vermittlerfirma übernommenen Verpflichtungen zur Rücknahme von Darlehen und eine Begrenzung dieser Rücknahmeverpflichtungen auf ca. das Zwanzigfache des Eigenkapitals des Verpflichteten vor.216 Eine Erörterung dieser Entwürfe sowie der darüber hinaus von den Kreditreferenten vorgeschlagenen Richtlinien und Grundsätze zur Erfassung der Revolvingkredite vertagte der ZBR in seiner 62. Sitzung am 8. Januar 1960, weil für den 15. Januar 1960 eine Besprechung im BMWi mit MÜNEMANN und seinem Stab von Gutachtern und Rechtsanwälten sowie mit BBk-Vertretern über die Behandlung der Revolvinggeschäfte im KWG anberaumt war, zu der jedoch die Notenbank ihre Teilnahme absagte.217 Nachdem KÖNNEKER zusammen mit BENNING die Entwürfe zur Ergänzung des Gesetzes sowie der Grundsätze für Liquidität und Eigenkapital nach kritischen
214 Könneker (1959), S. 1029 ff. 215 Vermerk (KÖNNEKER, ohne Datum) betr. Revolvingkredite in B 330/162. 216 Vorlage (BENNING) vom 28.12.1959 betr. Anwendung […] des KWG auf sog. RevolvingKredite, die unter eigener Haftung des Kreditvermittlers gewährt werden (z. B. System 7m), und Vorlage (KÖNNEKER) vom 30./31.12.1959 betr. Erfassung der […] Revolving-Kredite im KWG jeweils in B 330/161 und B 102/41800. 217 Die Notenbank hielt die Behandlung mit einem einzigen Beteiligten für „höchst problematisch“, wollte sich die ihr von HENCKEL zugedachte Rolle „Bundesbank gegen Münemann; Schiedsrichter Henckel“ nicht zumuten und befürchtete, MÜNEMANN könnte die Behandlung im BMWi zu einem „mächtigen Propagandawust“ ausnutzen. Vermerk (s. Fußnote 215). Korrespondenz (BMWi (HENCKEL) / BBk (BLESSING / KÖNNEKER)) vom 08./13.01.1960 betr. Behandlung des sog. Revolvingkreditsystems im Regierungsentwurf eines KWG in B 102/41798 bzw. 41799. Niederschrift über die Besprechung mit dem Finanzmakler Rudolf Münemann, München, über sein Revolvingkreditsystem am 15.01.1960 im BMWi in B 102/41801.
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Anmerkungen in der 63. ZBR-Sitzung überarbeitet hatte,218 waren in der 64. Sitzung am 4. Februar 1960 einige ZBR-Mitglieder durchaus der Auffassung der Bundesregierung, es genüge, wenn nach § 1 Abs. 1 S. 3 KWG-E der Bundesminister für Wirtschaft nach BBk-Anhörung durch Rechtsverordnung auch andere als die in § 1 Abs. 1 S. 2 KWG-E einzeln aufgeführten Geschäfte nachträglich als Bankgeschäfte bezeichnen könne. KÖNNEKER war anderer Meinung, weil das BMJ in einem Gutachten219 zu dem Ergebnis gelangt war, die Geldgeber würden der Münehandel Kredit gewähren. Während man im BMWi darüber nicht glücklich war, daß bei der Klärung einer Bilanzierungsfrage quasi nebenbei auch die Kreditinstitutseigenschaft der Münehandel bejaht wurde, kam der Bundesbank das BMJ-Gutachten „sehr gelegen“.220 Sie konnte sich nun auf den Standpunkt stellen, das „Forderungsgeschäft“ gehöre nach dem neuen KWG ohnehin zum Bankgeschäft. Der ZBR wollte allerdings nicht nur den Erwerb von Darlehensforderungen zwecks Weiterveräußerung auf Zeit, sondern auch eine ausschließlich auf den Erwerb von Forderungen für eigene Rechnung zum Zwecke ihrer Einziehung beschränkte Tätigkeit, das sog. „Factoring-Geschäft“, als Bankgeschäft erklären. Da die hierfür erforderliche Formulierung noch nicht geklärt war, sah der ZBR erneut von ausgearbeiteten Vorschlägen zur Ergänzung des KWG-Regierungsentwurfs ab.221 Die Bundesbank änderte nun ihre Strategie. In einer Stellungnahme zu einem Nachtragsgutachten, das im Auftrag von MÜNEMANN neben zahlreichen anderen Gutachten in Erwiderung auf KÖNNEKERs ZfgK-Artikel erstellt worden war, vertrat sie jetzt die Auffassung, das 7m-System falle nicht nur hinsichtlich des wirtschaftlichen Zwecks, sondern auch unter formaljuristischen Aspekten unter das geltende KWG. Dem Einwand, die Revolvingkredite seien unter kredit- und währungspolitischen Gesichtspunkten belanglos, entgegnete sie mit dem Argument von WILHELM RÖPKE (der wie KONRAD MELLEROWICZ für die Erfassung der Revolvingkredite im KWG war), daß die Tätigkeit des „Vermittlers“ die Geldumlaufgeschwindigkeit erhöhe und so wie eine Geldmengenausweitung wirke. Außerdem sei es bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Anspannung aus konjunkturpolitischer Sicht widersinnig, Investitionen durch niedrig verzinsliche Kredite zusätzlich zu stimulieren. Durch die Verpflichtung des „Vermittlers“, eine ange218 Protokoll zur 63. Sitzung des ZBR/BBk am 21.01.1960, TOP 10b („Erfassung der von Finanzmaklern vermittelten Revolvingkredite“), in B 330/181. Vorlage (KÖNNEKER) vom 28.01.1960 betr. Erfassung der von Finanzmaklern vermittelten Revolvingkredite im KWG in B 330/162/1. 219 Schreiben (BMJ (GEßLER) an SaBa (CONSBRUCH)) vom 21.01.1960 betr. Ausweis von Schuldscheindarlehen in den Bilanzen der Kreditinstitute in den Fällen, in denen sich der Abtretende unwiderruflich verpflichtet hat, die abgetretenen Forderungen an einem bestimmten Termin wieder zurückzunehmen, in B 102/41799. 220 Bericht über die Dienstreise Frankfurt am Main am 03.02.1960 (SCHORK) vom 06.02.1960 in B 102/41801. 221 Protokoll zur 64. Sitzung des ZBR/BBk am 04.02.1960, TOP 5 („Erfassung der von Finanzmaklern vermittelten Kredite im KWG“), in B 330/162. Dgl. in B 102/41800. Schreiben (BBk (TROEGER / EICKE) an BMWi (HENCKEL)) vom 12.02.1960 betr. Behandlung des sog. Revolvingkreditsystems im […] KWG in ebd.
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messene Liquidität zu halten, könnte auch der Umfang der Revolvingkredite unmittelbar gesteuert werden.222 Letzteres traf den wahren Kern der Auseinandersetzung: In einer Ressortbesprechung am 17. Februar 1960 forderte HENCKEL, daß die nach den Vorschlägen der BBk-Kreditreferenten zur Diskussion stehenden Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften dem Sondercharakter der 7m-Geschäfte Rechnung tragen müßten. Bei einer Unterstellung MÜNEMANNs unter das KWG sei die Aufsicht so zu gestalten, daß er nicht in unangemessener Weise beschwert werde.223 – Im BMWi zollte man anscheinend MÜNEMANNs öffentlichkeitswirksamen Druck Tribut. Zwei Ereignisse unterbrachen die Auseinandersetzung: MÜNEMANN schloß am 23. Februar 1960 mit dem BdpB eine vertrauliche, jedoch wenige Tage später in der Presse bekanntgewordene Vereinbarung, die bei KÖNNEKER wenig Begeisterung auslöste: „Man hätte Münemann auch im eigenen Saft schmoren lassen können.“224 MÜNEMANN verpflichtete sich, keine neuen 7m-Geschäfte zu tätigen und sich künftig auf eine reine Vermittlerfunktion zu beschränken. Der BdpB stellte ihm im Gegenzug in Aussicht, bei der langfristigen Plazierung der bereits umlaufenden 7m-Geschäfte behilflich zu sein.225 Bei MÜNEMANN begann außerdem am 8. März 1960 die Anfang des Jahres vereinbarte Prüfung der Revolvinggeschäfte und der dazugehörigen Liquiditätsvorkehrungen durch das BMWi.226 Sie sorgte dafür, daß sich die Ressortberatungen verzögerten und der BT-Wirtschaftsausschuß die Frage der Erfassung der Revolvingkredite bis zum Schluß der KWG-Beratungen zurückstellte.227 BLESSING und KÖNNEKER teilten ERHARD nach Abschluß der Prüfung bei MÜNEMANN mit Schreiben vom 6. August 1960 für die anstehenden Ressortberatungen die Notenbankauffassung über die möglichen gesetzgeberischen Maßnahmen mit, der am 18. / 19. August 1960 der ZBR in seiner 76. Sitzung nachträglich zustimmte. Überrascht vom Prüfungsergebnis, demzufolge das direkte Revolvinggeschäft nie von Bedeutung gewesen sein soll, empfahlen sie, das direkte Revolvinggeschäft weder zum Bankgeschäft zu erklären noch zu verbieten, sondern lediglich „vermittelte“ Millionenkredite durch eine Erweiterung des § 13 KWG-E in die Meldungen für die Evidenzzentrale einzubeziehen. Ebensowenig hielten sie eine besondere Behandlung der indirekten Revolvinggeschäfte für erforderlich, weil sie die währungs- und kreditpolitischen Belange der Bundesbank 222 Vermerk (BBk (Hauptabteilung Banken)) vom 11.02.1960 betr. Vorläufige Stellungnahme zu einigen in den von der Firma Rudolf Münemann, Industriefinanzierungen, München, vorgelegten wissenschaftlichen Gutachten zum Thema Revolvingkredite enthaltenen Argumenten in B 102/41800. 223 Niederschrift über die Ressortbesprechung betr. den Entwurf eines KWG am 17.02.1960 im BMWi vom 23.02.1960 in B 102/41905. 224 Handschriftliche Notizen zur 66. Sitzung des ZBR/BBk am 03.03.1960 in B 330/162. 225 DIE WELT vom 01.03.1960 („Der Friede von Baden-Baden“), S. 7. 226 Bericht Nr. 966 über die bei der Firma Rudolf Münemann, Industriefinanzierungen, München, durchgeführte Untersuchung vom 15.06.1960 in B 102/41800. 227 Ministervorlage (HENCKEL) vom 25.02.1960 betr. Revolvingkredite des Finanzmaklers Münemann in B 102/41801.
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bei diesen Geschäften aufgrund der nur über Banken erfolgenden Abwicklung gewahrt sahen. Im Hinblick auf die 7m-Geschäfte forderten BLESSING und KÖNNEKER jedoch – wie das BMJ –, daß die Forderungen der Kreditinstitute aus der kurzfristigen Übernahme von Teilschuldverschreibungen, denen langfristige Darlehen zugrunde liegen und für die Münehandel eine unwiderrufliche Rücknahmeverpflichtung hat, als Kredite an die Münehandel zu behandeln seien. Es sei nun unzweifelhaft, daß die Münehandel, die von verschiedenen, laufend wechselnden Kreditgebern Gelder mit überwiegend kurzen Laufzeiten aufnehme und langfristig ausleihe, bereits ex definitione Kreditinstitut sei. § 1 KWG-E brauche daher nicht geändert zu werden. Die in den §§ 9 und 10 KWG-E vorgesehenen Grundsätze für das Eigenkapital und die Liquidität könnten den sich aus der besonderen Art des 7mGeschäfts ergebenden Erfordernissen (entsprechend den in der 63. ZBR-Sitzung kritisierten Vorschlägen BENNINGs) angepaßt werden. Alternativ dazu könnte (nach KÖNNEKERs anfänglichem Vorschlag) der An- und Verkauf von Geldforderungen als Bankgeschäft im § 1 Abs. 1 S. 2 KWG-E explizit aufgeführt werden (siehe S. 191). Dies sei ungeachtet etwaiger Umgehungsmöglichkeiten um so wichtiger, als sich aus dem Prüfungsbericht ein Anstieg der 7m-Geschäfte von 80 Mio. DM Anfang 1958 auf 472 Mio. DM Anfang 1960 ergeben habe. Das Schreiben an ERHARD begründete die Notwendigkeit einer besonderen Regelung der 7m-Geschäfte darüber hinaus mit der öffentlichen Debatte über diese Geschäfte. Ausgerechnet BLESSING und KÖNNEKER, die die öffentliche Debatte durch den ZfgK-Artikel angefacht hatten, sahen nun die Gefahr, daß sich diese Geschäfte wegen der ihnen zuteil gewordenen Publizität auf weitere Kreise erstrecken könnten. Im Falle der Nichterfassung dieser Geschäfte könnte das BAKred die Kreditbanken nicht daran hindern, eigene, rechtlich selbständige Tochterinstitute wie die Münehandel zu errichten, die bisher als Geschäfte des Mutterinstituts geführte Darlehen in der Form von Schuldscheindarlehen gewähren und sich durch die Weiterveräußerung von Teilschuldscheindarlehen an Einleger des Mutterinstituts refinanzieren. Die Kreditbanken würden dann einen erheblichen Teil ihrer Aktiva und Passiva aus dem eigentlichen Bankgeschäft herauslösen, der Aufsicht des Staates und der kreditpolitischen Beeinflussung der Bundesbank (z. B. der Mindestreservepflicht) entziehen sowie bevorzugten Einlegern und Kreditnehmern günstigere Konditionen gewähren können.228 Im BMWi beschloß man am 16. August 1960 unbeeindruckt vom BBkSchreiben, mit Ausnahme einer Meldepflicht für revolvierende Millionenkredite keine speziellen Vorschriften für das Revolvinggeschäft in das KWG aufzunehmen, insbesondere weil die Revolvingkredite weder zu einer Geldschöpfung führen noch Buchgelder der Mindestreservepflicht entziehen würden. Eine Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit hielt man für möglich, gleichwohl für irrelevant, weil 228 Schreiben (BLESSING / KÖNNEKER an ERHARD) vom 06.08.1960 betr. Prüfung der Geschäfte des Finanzmaklers Rudolf Münemann, München, durch das BMWi in B 330/168 sowie B 102/41802 und 41804. Protokoll zur 76. Sitzung des ZBR/BBk am 18./19.08.1960, TOP 11b („KWG – Behandlung der Revolvingkredite“), in ebd.
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die Notenbank noch nie Einfluß auf die Umlaufgeschwindigkeit genommen habe. Nach einer Besprechung mit BBk-Vertretern am 24. August 1960 gewann man im BMWi den Eindruck, die Notenbank habe den Versuch, mit ihren währungspolitischen Argumenten die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen, aufgegeben. Dort sah man auch weiterhin die Presse einhellig auf MÜNEMANNs Seite.229 HENCKELs Vorlage vom 26. August 1960 an ERHARD und dessen Kabinettsvorlage vom 14. Oktober 1960, die noch vor ihrer Behandlung im Wirtschaftskabinett am 29. November 1960 öffentlich bekannt wurde,230 zeigen, daß für die Entscheidung des BMWi primär politische Motive maßgebend waren. „Angesichts der politischen Bedeutung der Angelegenheit“ (HENCKEL) und des „politischen Gewichts“ des BdpB sowie der Bundesbank (ERHARD) empfahl man, die Ablehnung in der vom federführenden BT-Wirtschaftsausschuß angeforderten Stellungnahme durch einen Beschluß der Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen. Diese Entscheidung betreffe allein MÜNEMANN, dessen Tätigkeit im Zusammenhang mit dem „Bankenboykott“ und mit der „überhasteten“, als „Lex Münemann“ bezeichneten, im Bundestag heftig kritisierten Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes wiederholt das Interesse der breiten Öffentlichkeit erregt habe. Eine „praktisch auf ihn gemünzte Sondervorschrift“ könnte als neue „Lex Münemann“ angesehen werden und erheblichen Unwillen erregen, wenn sie nicht durch zwingende sachliche Gründe gerechtfertigt wäre. Das BMWi meinte daher, daß die Münehandel mit der revolvierenden Unterbringung der Teilforderungen kein Kreditgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 KWG-E betreibe, sondern bei deren Weitergabe wegen der sofortigen Unterbringung bei neuen Geldgebern nur formal als Zwischenerwerberin auftrete. Von einer Geldaufnahme durch die Münehandel könne also nicht gesprochen werden. Die Unterwerfung unter die KWG-Vorschriften bedeute eine „Einschränkung des Grundrechts der freien Berufswahl“, sei nur zum „Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter“ zulässig und wäre nur berechtigt, wenn die Tätigkeit solcher Unternehmen entweder Störungen im Kreditwesen oder erhöhte Risiken für die Gläubiger verursache. Das 7m-System habe bisher jedoch keine Störungen hervorgerufen, und die Risiken würden nicht auf eine „Vielzahl schutzbedürftiger Dritter“ ausstrahlen. Die Beteiligten unterlägen größtenteils bereits einer Staatsaufsicht und bedürften keines besonderen staatlichen Schutzes, da für sie das Liquiditätsrisiko voll übersehbar sei. Eine Ausdehnung der 7m-Geschäfte auf wirtschaftlich weniger erfahrene Bevölkerungskreise sei auch unwahrscheinlich, zumal selbst die Teilforderungen noch so groß seien, daß nur finanziell starke und dementsprechend versierte Geldnehmer sie übernehmen könnten. Die Maßnah229 Ministervorlage (HENCKEL) vom 19.08.1960 betr. Behandlung der Revolvinggeschäfte im Entwurf eines KWG in B 102/41802. Vermerk über die Ressortbesprechung betreffend Einbeziehung der Revolvingkredite in das neue KWG am 24.08.1960 im BMWi vom 31.08.1960 in ebd. 230 IK vom 15.11.1960 („Revolving-Geschäfte fallen nicht unter KWG – Bundesministerien wenden sich gegen Antrag der Deutschen BBk“), S. 2, und FAZ vom 15.11.1960 („Das Kabinett soll über Revolving-Geschäfte entscheiden – Die BBk ist für, das Wirtschaftsministerium gegen Einbeziehung in das KWG“), S. 29.
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men hätten ggf. an den beteiligten Kreditinstituten anzusetzen, da nur deren Beteiligung zu Liquiditätsschwierigkeiten und Störungen im Kreditgewerbe führen könnte. Über § 1 Abs. 1 S. 3 KWG-E könnten schließlich nachträglich noch Schutzvorschriften getroffen werden.231 Die Bundesbank konnte dank Staatssekretär LUDGER WESTRICK in der Kabinettsvorlage einwenden,232 daß man den bereits bekannten Fehlentwicklungen entgegentreten müsse. MÜNEMANN könnte von der zugesagten Aufgabe und Liquidation der 7m-Geschäfte zurücktreten und diese Geschäfte unbeaufsichtigt ausbauen. Das Argument der Schutzbedürftigkeit schlage angesichts der im ersten Halbjahr 1960 von etwa zwei auf acht Prozent gestiegenen Nichtbankenbeteiligung an den 7m-Geschäften nicht durch. Die Aufnahme des An- und Verkaufs von Forderungen in den Katalog der Bankgeschäfte in § 1 KWG-E würde sicherstellen, daß diejenigen Finanzmakler, die über die traditionelle Kreditvermittlung hinaus selbst Forderungen kaufen und verkaufen, unter das KWG fallen. Das sei wünschenswert, weil deren Groß- und Millionenkredite dann den Eigenkapitalund Liquiditätsbestimmungen unterlägen (§§ 9 f. KWG-E) und dem BAKred angezeigt werden müßten (§§ 12 f. KWG-E).233 Die wichtige Frage, welche Belastungen sich für MÜNEMANN aus der Unterstellung der 7m-Geschäfte unter das KWG ergeben würden, ließ die Kabinettsvorlage offen. HENCKEL bat daher noch vor der Erörterung im Wirtschaftskabinett um eine Stellungnahme, welche konkreten Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen im allgemeinen und im besonderen an MÜNEMANNs 7m-Geschäfte unter Berücksichtigung der von ihm bei diesen Geschäften vorgenommenen Vorkehrungen gestellt werden sollten. Erläutert werden sollte ferner, ob und aus welchen Gründen nach dem 7m-System arbeitende Unternehmen als mindestreservepflichtig anzusehen seien und wie hoch ggf. die Mindestreserve zu veranschlagen sei.234 BENNING und KÖNNEKER konnten zunächst nur einen sich teilweise an ihren alten Vorschlägen (siehe S. 193) orientierenden „Diskussionsbeitrag“ leisten, der in der nächsten ZBR-Sitzung Zustimmung fand und für MÜNEMANNs 7mGeschäfte vereinfacht folgende Regelung vorsah: Die Münehandel hat zur Dekkung des Bonitätsrisikos wie alle übrigen Institute für ein ausreichendes Eigenkapital in Höhe von mindestens fünf Prozent des Kreditvolumens zu sorgen. Sie hat außerdem 20 Prozent ihrer Verbindlichkeiten gegenüber Nichtbanken als Min231 Ministervorlage (HENCKEL) vom 26.08.1960 betr. Behandlung der Revolvingkredite im Entwurf eines KWG in B 102/41802. § 1 Abs. 1 S. 3 KWG-E entsprang der durch die Informationsbriefe Girschner vom 05.02.1960 (in B 102/41801) erweckten Befürchtung, daß MÜNEMANNs Geschäfte in der Tat „Schule machen“ könnten. 232 Handschriftliche Anmerkungen auf der Ministervorlage (HENCKEL) vom 26.08.1960 (s. Fußnote 231). 233 Kabinettsvorlage (BMWi) vom 14.10.1960 betr. Entwurf eines KWG (Drs. 1114) als Anlage 1 zur 83. Sitzung des ZBR/BBk am 01.12.1960 in B 330/171/2. Stellungnahme (BBk) vom 07.09.1960 betr. Kabinettsvorlage des BMWi wegen der Behandlung von Revolvingkrediten im KWG in ebd., B 102/41802 und B 126/7416. 234 Fernschreiben (BMWi (HENCKEL)) vom 17.11.1960 betr. Revolvinggeschäfte im KWG in B 330/171/2.
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destreserve bei der Bundesbank zu unterhalten. Bei 7m-Krediten in Höhe von 472 Mio. DM hielten BENNING und KÖNNEKER die Aufbringung von rd. 24 Mio. DM zur Eigenkapitalvorsorge für zumutbar, zumal ihres Erachtens damit zugleich „eine wirksame Bremse gegen eine unbegrenzte Ausdehnung gegeben“ war. Zur Liquiditätsvorsorge blieben sie vage. Eine nach den aktuell geltenden Reservesätzen für Terminverbindlichkeiten zu unterhaltende Mindestreserve in Höhe von rd. 13 Mio. DM erschien ihnen angemessen.235 Diese Belastungen bedeuteten nach Auffassung der Bundesressorts den Ruin von MÜNEMANN.236 Die ZBR-Vorschläge fanden daher – abgesehen von einer Meldepflicht für revolvierende Millionenkredite, die in einem besonderen § 58a KWG-E realisiert werden sollte – keine Mehrheit. Das Wirtschaftskabinett beschloß entsprechend der Kabinettsvorlage. In der 83. ZBR-Sitzung am 1. Dezember 1960 herrschte daraufhin Uneinigkeit über das weitere Vorgehen. VON SCHELLING plädierte dafür, nicht mehr aktiv zu werden und auch nicht mehr an den BT-Wirtschaftsausschuß zu schreiben. WAGENHÖFER pflichtete ihm bei, weil seiner Ansicht nach der ZBR dabei war, sich in einer nicht zweifelsfreien Sache in Widerspruch zur Regierung zu setzen. BRÖKER, der bereits früher gegen die Weiterverfolgung der Angelegenheit in Bonn gewesen war, meinte, der ZBR könne einen Skandal nicht brauchen, und enthielt sich der Stimme. KÖNNEKER wollte jedoch nicht zulassen, „daß ein so offensichtlicher Druck auf die Gesetzgebung mit so unmotivierten Mitteln erfolgt.“ Laut BLESSING hatte man in Bonn nur „Angst vor der Aggressivität des Partners“. Seines Erachtens wollte man dort „keinen Trubel haben“, weil man wegen der alten „Lex Münemann“ ein schlechtes Gewissen hatte.237 Vor allem das Direktorium drängte also darauf, daß die Bundesbank ihre Auffassung auch an die Mitglieder des Wirtschafts- und des Finanzausschusses des Bundestages übermittelt.238 Eine Lösung im Sinne des ZBR schien auch nach dem Beschluß des Wirtschaftskabinetts nicht unerreichbar. Der Inhalt der Kabinettsvorlage hatte den BdpB-Vorsitzenden und BT-Abgeordneten PFERDMENGES erneut zu einer Intervention bei ERHARD veranlaßt, von der auch das Bundeskanzleramt erfuhr.239 ERHARD gab ADENAUER danach zu bedenken, daß in der Presse „wieder offen von einer beabsichtigten ‚Lex Münemann’ gesprochen“ werde, und riet dringend da235 Schreiben (BBk (BENNING / KÖNNEKER) an BMWi (HENCKEL)) vom 21.11.1960 betr. Revolvinggeschäfte im KWG in B 330/171/2. Der „Diskussionsbeitrag“ forderte ferner, die bereits betriebene Liquiditätsvorsorge in Form von Zusagen anderer Banken, im Bedarfsfall Teilschuldscheine bis zu einer vereinbarten Höhe aufzunehmen, rechtlich anders zu konstruieren. – Der ZBR stimmte in seiner 83. Sitzung zu (s. Fußnote 237). 236 Schreiben (BMWi (ERHARD) an PFERDMENGES) vom 06.12.1960 (ohne Betreff) in B 102/41804. 237 Handschriftliche Notizen, Auszug aus dem Stenogramm („Revolvingkredite“) und Protokoll zur 83. Sitzung des ZBR/BBk am 01.12.1960, TOP 8 („KWG“), in B 330/171/2. 238 Die Bundesbank übermittelte auf Anregung von BLESSING ein Memorandum vom 06.12.1960 (in B 102/41804, Entwurf in B 330/171/2). 239 Schreiben (PFERDMENGES an BMWi (ERHARD)) vom 22.11.1960 (ohne Betreff) in B 102/41804. Kanzlervorlage (VIALON) vom 02.12.1960 betr. KWG in B 136/1217.
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von ab, die Revolvinggeschäfte einer Aufsicht zu unterwerfen. Die Bundesregierung solle sich nicht unnötigerweise den Vorwürfen aussetzen, sich von Interessenten für deren Konkurrenzkampf einspannen zu lassen, gleichgültig ob der Vorwurf begründet sei oder nicht.240 Im Bundeskanzleramt erachtete man die Anzeigepflicht für revolvierende Millionenkredite (§ 58a KWG-E) jedoch als „nicht voll ausreichend, um die mit der Kreditvermittlung […] verbundenen Fragen zu lösen.“ Man empfahl ADENAUER, dem BBk-Vorschlag zu folgen, auch die 7mGeschäfte durch eine Neufassung des § 1 dem KWG zu unterstellen und besondere Grundsätze durch das BAKred zu erlassen, die einerseits eine Fortführung dieser Geschäfte in volkswirtschaftlich unschädlichen Grenzen erlauben, andererseits aber eine hinreichende Vorsorge hinsichtlich des Zins- und Liquiditätsrisikos treffen.241 Nach der Empfehlung an ADENAUER zeichnete sich auffällig rasch ein Kompromiß ab. Das BMWi hatte zuvor bereits erfahren, daß MÜNEMANN seine Geschäfte auf das Ausland auszudehnen und insofern entgegen seiner Zusage auszuweiten beabsichtigte.242 Aber erst jetzt kam HENCKEL in einem Schreiben an die Bundesbank auf die Idee, die vor und nach dem Inkrafttreten des KWG abgeschlossenen Revolvinggeschäfte unterschiedlich zu behandeln, wenn dies die Bundesbank für erforderlich und gesetzlich erlaubt halten würde.243 Der ZBR bejahte natürlich beides. Er beschloß in seiner 84. Sitzung am 15. Dezember 1960 auf Empfehlung KÖNNEKERs und auf Anregung des BT-Finanzausschusses (die dieser gegeben hatte, um eine Regelung im BBk-Sinne zu erleichtern),244 an die bestehenden Revolvingkredite MÜNEMANNs keine über die bereits getroffenen Sicherungsvorkehrungen hinausgehenden Anforderungen mehr zu stellen. Dieser Beschluß, der ebenfalls öffentlich bekannt wurde,245 überraschte das BMWi und ließ dort die Meinungsverschiedenheit „fast nur noch auf eine gesetzespolitisch / taktisch unterschiedliche Betrachtungsweise“ zusammenschrumpfen.246 Dennoch hielt man dort an der eigenen Auffassung fest.247 Im Bundeskanzleramt war die Wahl zwischen den beiden Vorschlägen nun fast eine „Geschmacksache“. Dort
240 Schreiben (ERHARD an ADENAUER) vom 06.12.1960 (ohne Betreff) in B 102/41804. 241 Kanzlervorlage (PRAß) vom 12.12.1960 betr. Behandlung der Revolving-Geschäfte im KWG; hier: In Aussicht genommenes Gespräch mit Herrn Pferdmenges, in B 136/1217. 242 Schreiben (ERHARD an KURT SCHMÜCKER, Vorsitzender des BT-Wirtschaftsausschusses) vom 28.11.1960 betr. Einbeziehung der Kreditvermittler in das KWG in B 102/41804. 243 Schreiben (BMWi (HENCKEL) an BBk) vom 14.12.1960 betr. Eigenkapital-, Liquiditäts- und Mindestreserveanforderungen bei Revolvingkrediten in B 102/41804 und B 126/18359. 244 Protokoll zur 84. Sitzung des ZBR/BBk am 15.12.1960, TOP 12 („Behandlung der 7mGeschäfte im Bundes-KWG“), in B 330/172. 245 FAZ vom 17.12.1960 („Kompromiß über Münemann-Geschäfte in Sicht“), S. 7. 246 Staatssekretärsvorlage (HENCKEL) vom 17.12.1960 betr. 7m-Revolvinggeschäfte im KWG in B 102/41805. 247 Vermerk über die Ressortbesprechung betreffend Einbeziehung der Revolvingkredite in das neue KWG am 21.12.1960 im BMWi (ohne Verfasser) vom 12.01.1961 in B 102/41804.
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empfahl man jedoch, der Bundesbank zu folgen, „um ihr den Vorwurf einer Kapitulation zu ersparen.“248 In seiner Kabinettsvorlage vom 11. Januar 1961 ließ schließlich das BMWi die Anregung zu einem § 58a KWG-E fallen249 und unterbreitete folgenden Eventualvorschlag: Wenn das Bundeskabinett die sofortige Einbeziehung der künftigen 7m-Geschäfte in das Gesetz unter gleichzeitiger Freistellung aller laufenden Geschäfte für notwendig hält, soll der KWG-Entwurf in § 1 Abs. 1 um „die Eingehung der Verpflichtung, Darlehensforderungen vor Fälligkeit anzukaufen“, erweitert und somit als Bankgeschäft erklärt werden.250 Für künftige 7m-Geschäfte sollen dabei „jedenfalls mildere Liquiditätsanforderungen geboten“ sein als für Einlagen von Depositenbanken. Das BMWi erachtete eine Ergänzung der §§ 9 und 10 KWG-E für „auf jeden Fall erforderlich“, um die Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften auch auf die 7m-Geschäfte anwendbar zu machen. Eine Mindestreservepflicht für diese Geschäfte lehnte es ab, weil die 7m-Geschäfte seines Erachtens weder unmittelbar zusätzliches Buchgeld erzeugten noch mittelbar eine Geldschöpfungskapazität begründeten oder verstärkten.251 Der Eventualvorschlag fand Zustimmung im Bundeskanzleramt. Alle anderen strittigen Punkte wie die BBk-Forderungen nach besonderen Liquiditäts- und Eigenkapitalgrundsätzen sowie nach einer Mindestreservepflicht waren dort „mehr technischer Natur“ und wollte man deswegen dem Wirtschaftskabinett überlassen.252 Weitere BBk-Interventionen253 blieben daher erfolglos. ADENAUER entschied in der 136. Sitzung des Bundeskabinetts am 18. Januar 1961, in der ERHARD und BLESSING kontrovers ihre Standpunkte vertraten, zugunsten einer Erweiterung von § 1 Abs. 1 KWG-E. Um eine nochmalige Befassung des Kabinetts mit den Revolvinggeschäften zu vermeiden, wurde ERHARD ermächtigt, zusammen mit BLESSING die erforderlichen Einzelformulierungen zur 30. Sitzung des Kabinettsausschusses für Wirtschaft am 20. Januar 1961 auszuarbeiten. Dieser „einigte“ sich dann auf die Fassung in der Kabinettsvorlage des BMWi vom 11. 248 Kanzlervorlage (PRAß) vom 22.12.1960 betr. Behandlung der Revolvinggeschäfte der Firma Münemann in B 136/1217. 249 Diese Vorschrift hatte für das BMWi nach dem – im BBk-Sinne gefaßten – Beschluß der BTAusschüsse, Millionenkredite der Sozialversicherungsträger, der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und der Arbeitslosenversicherung zur Evidenzzentrale meldepflichtig zu machen, an Bedeutung verloren. 250 Die Bundesbank hatte inzwischen den Vorschlag des BT-Finanzausschusses übernommen und gefordert, „die Übernahme gewährter Darlehen und die Übernahme der Verpflichtung hierzu“ als Bankgeschäft zu erklären. 251 Kabinettsvorlage (BMWi) vom 11.01.1961 betr. Behandlung der Revolvinggeschäfte im Entwurf eines KWG in B 102/41804 und B 126/18359. 252 Vermerk (PRAß) vom 13.01.1961 für die Kabinettsitzung betr. Behandlung der Revolvinggeschäfte der Firma Münemann in B 136/1217. 253 Schreiben (BBk (BLESSING / KÖNNEKER) an BMF / BMJ / BMWi) vom 11.01.1961 betr. Eigenkapital-, Liquiditäts- und Mindestreserveanforderungen bei Revolvingkrediten in B 102/41805 und B 136/18359. Fernschreiben (BBk (BLESSING / KÖNNEKER) an BK / BMF / BMJ / BMWi) vom 17.01.1961 betr. Behandlung der Revolvinggeschäfte im Entwurf eines KWG in ebd. und B 136/1217.
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Januar 1961.254 Das BMWi schickte daraufhin seinen Eventualvorschlag zu § 1 KWG-E dem BT-Wirtschaftsausschuß mit einer kleinen Änderung („zu erwerben“ anstelle von „anzukaufen“) zu. Die im Hinblick auf die Revolvinggeschäfte leicht abgeänderten §§ 9 („Eigenkapitalausstattung“) und 10 („Liquidität“)255 KWG-E256 entsprachen dabei im Grunde den endgültigen Formulierungen in den §§ 10 und 11 („ihre Mittel“ anstelle von „die eigenen und fremden Mittel“) KWG 1961. Die Bundesbank trug dem BT-Wirtschaftsausschuß ihre Forderungen zu den übrigen strittigen Punkten nur noch mündlich vor. TROEGERs Vorschlag, über die LZB-Präsidenten Einfluß auf die Landesregierungen zu nehmen, fand keine Unterstützung, weil die ZBR-Mehrheit ein Scheitern des KWG kurz vor Ablauf der Legislaturperiode und „Kummer mit dem Wirtschaftsminister“ (BLESSING) vermeiden wollte.257 Der Konflikt war damit beendet. Die Ergebnisse der Ausschußberatungen wurden in ausführlichen Berichten niedergelegt.258 Der KWG-Entwurf konnte seinen Gang durch die parlamentarischen Gremien antreten. Ende Juni 1961 wies der Bundestag einen BR-Einspruch mit qualifizierter Mehrheit zurück. Am 1. Januar 1962 trat das KWG vom 10. Juli 1961 (BGBl. I S. 881) in Kraft.259 Es subsumierte in § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 unter Bankgeschäften auch „die Eingehung der Verpflichtung, Darlehensforderungen vor Fälligkeit zu erwerben“,260 und machte auf diese unter anderem die §§ 10 und 11 anwendbar. Sofern sich diese Verpflichtungen auf vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begründete Darlehensforderungen bezogen und deren Abtretung und Rückerwerb durch das Kreditinstitut von vornherein vorgesehen war, machte der Gesetzgeber einer Ausnahme. Er befreite in § 62 Abs. 4 „aus rechtsstaatlichen Erwägungen und zur Verhütung unbilliger Härten solche Kreditinstitute“, und damit namentlich MÜNEMANNs bis dahin abgeschlossene Geschäfte, vor allem von den Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften nach den §§ 10 bis 12.261
254 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1961, S. 68 f. 255 Der ursprüngliche § 11 KWG-E („Liquidität“) war nach der Streichung des anfänglichen § 10 KWG-E („Gesamtverpflichtungen“) im dritten Referentenentwurf vom 31.10.1958 (s. Fußnote 162, S. 181) durch den vierten Referentenentwurf vom 05.12.1958 (s. Fußnote 181, S. 187) zu § 10 KWG-E geworden. 256 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1961, S. 69, Fußnote 19. 257 Auszug aus dem Stenogramm („KWG“) zur 89. Sitzung des ZBR/BBk am 02.03.1961 in B 330/175/1. 258 BT-Drs., 3. Wahlperiode, Nr. 2563 und zu Nr. 2563. 259 BT-Drs., 3. Wahlperiode, Nr. 2632, Nr. 2819 und Nr. 2865. Bähre / Schneider (1986), S. 55 ff. 260 Das von der Bundesbank angestrebte Factoringgeschäft (s. S. 194) wurde demgegenüber nicht aufgenommen. Bähre / Schneider (1986), S. 75 f. Consbruch / Möller (1965), S. 43 f. 261 Ebd., S. 547 f. bzw. S. 391 f. Reischauer / Kleinhans (o. Jg.), § 62, Rz. 6.
5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse Die qualitative Analyse der Konflikte zwischen der Bundesregierung und der Notenbank anhand der drei Fallstudien offenbart zahlreiche Erkenntnisse, insbesondere zum individuellen Verhalten der ZBR-Mitglieder und zur Rolle der öffentlichen Meinung, die das beiderseitige Verhältnis wesentlich beeinflußten. Der Konflikt um die Erfassung der Revolvinggeschäfte im KWG, der Konflikt um eine dortige BBk-Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Zinsfestsetzung und der Konflikt um die bilanzielle Deckung der bei der wirtschaftlichen Saarrückgliederung neuauszugebenden DM-Noten verdeutlichen, daß es zum Kalkül der Notenbank gehörte, ggf. einen Konflikt an die Öffentlichkeit zu tragen. Der Konflikt um die Refinanzierung von Vorratsstellenwechseln illustriert indes, daß nicht jeder Konflikt unbedingt an die Öffentlichkeit gezogen, sondern nämlich wohl auch bewußt abseits der Öffentlichkeit ausgetragen wurde. Hinter diesem Kalkül könnten die Überlegungen von Puchta (1981) zum Handlungsspielraum der Notenbank stehen. Diese ist jedoch nicht als Monolith zu betrachten. Die Veröffentlichung und damit die Verschärfung eines Konflikts ist wie dessen Beilegung mit individuellen Kosten- und Nutzenüberlegungen der ZBR-Mitglieder verbunden. Auf dieser Ebene kann auch die Befriedigungshypothese von Frey / Schneider (1981) oder die Parteipräferenzhypothese von Vaubel (1993) Gültigkeit besitzen. Zum besseren Verständnis des Notenbankverhaltens sind daher zuerst die Erkenntnisse und Ergebnisse aus der Analyse des individuellen Verhaltens im ZBR zu präsentieren. 5.1 Die Analyse des individuellen Verhaltens im ZBR Die drei en detail geschilderten Konflikte zwischen der Notenbank und der Bundesregierung liefern vielfältige Einblicke in das individuelle Verhalten im ZBR. In zahlreichen Fällen scheint auf den ersten Blick das beobachtete individuelle Verhalten der ZBR-Mitglieder die in der Einleitung vorgestellten Thesen zu belegen (siehe Anhang A-5, S. 240 ff.): Bei fast allen ZBR-Mitgliedern zeigt sich das Interesse, die Notenbankkompetenzen über die gebotenen Grenzen hinaus entweder, wie beim EVSt-Konflikt (Ausnahme: WAGENHÖFER), anzuwenden oder, wie beim KWG-Konflikt (Ausnahmen: BRÖKER, VON SCHELLING und WAGENHÖFER), sogar auszuweiten. Opportunismus wird beim Saar-Konflikt vor allem bei den Direktoriumsmitgliedern, aber auch bei den LZB-Präsidenten (Ausnahmen: BURKHARDT, PFLEIDERER, VON SCHELLING, TEPE und WAGENHÖFER) deutlich, bei denen mit der Zeit die Bereitschaft zur Annahme einer Ausgleichsforderung wuchs, um den Unabhängigkeitsnimbus der Notenbank zu wahren. Ebenso tritt Parteigängertum bei den als An-
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
hänger eines politischen Lagers identifizierten ZBR-Mitgliedern zutage, und zwar ebenfalls beim Saar-Konflikt und ferner am Ende des EVSt-Konflikts bei BURKHARDT, FESSLER und TEPE. Ein bei den LZB-Präsidenten im Vergleich zu den Direktoriumsmitgliedern mehr sachorientiertes, von persönlicher Unabhängigkeit geprägtes Verhalten lassen am Anfang des EVSt-Konflikts die Initiative WAGENHÖFERs und dessen Unterstützung im weiteren Verlauf durch BURKHARDT, FESSLER, PFLEIDERER und TEPE sowie die Aussagen PFLEIDERERs, VON SCHELLINGs, TEPEs und WAGENHÖFERs am Ende des Saar-Konflikts erkennen. Möglicherweise sachorientierte Motive bei den Direktoriumsmitgliedern sind hingegen lediglich bei BLESSING, HARTLIEB und WOLF am Ende des EVSt-Konflikts sowie bei BENNING, BLESSING und KÖNNEKER bei der Erfassung von MÜNEMANNs Revolvinggeschäften am Ende des KWG-Konflikts auszumachen. Anzeichen für regionale Einflüsse auf das Verhalten der LZB-Präsidenten liefern KÄHLERs Hinweis auf die Folgen einer Kürzung des Refinanzierungsrückhalts für die schleswig-holsteinische Gräserwirtschaft beim EVSt-Konflikt und eventuell auch WAGENHÖFERs Plädoyers für eine föderale BA-Struktur und für ein Einlenken in der strittigen Erfassung von MÜNEMANNs Revolvinggeschäften beim KWG-Konflikt. Anhand dieser lediglich überblickartig präsentierten ersten Einschätzungen werden auf den zweiten Blick einige Probleme ersichtlich, die die prima facie gewonnenen Erkenntnisse sogleich wieder in Frage stellen: Die auf beiden Seiten Beteiligten konnten des öfteren höchst konträre Ansichten haben, ziemlich verschlungene Pfade der Konfliktaustragung beschreiten und dabei ihre Meinungen sowie ihre Koalitionspartner wechseln. Diese Probleme offenbaren Schwächen der bislang vorgenommenen quantitativen Analysen, die deren Erklärungsgehalt relativieren. Zunächst fällt auf, daß das beobachtete individuelle Verhalten, selbst wenn es im ZBR näher begründet wurde, auf mehrere Motive zurückgeführt werden kann. Für die angeblich oppositionsnahen ZBR-Mitglieder läßt sich zwar festhalten, daß sie sich nicht opportunistisch verhielten, wenn sie parteigängerisch agierten. Hinter dem vermeintlich parteigängerischen Verhalten eines angeblich politisch der Regierung nahestehenden ZBR-Mitglieds können jedoch grundsätzlich auch opportunistische Motive gestanden haben. Eventuell kommen instrumentell orientierte oder sachorientierte Motive sowie bei den LZB-Präsidenten regionale Einflüsse hinzu. So können sich die angeblich oppositionsnahen LZB-Präsidenten BRÖKER, BURKHARDT oder FESSLER beim EVSt-Konflikt, VON SCHELLING beim Saar-Konflikt sowie TEPE und WAGENHÖFER bei beiden Konflikten parteigängerisch und alternativ oder daneben auch sachorientiert verhalten haben. Analog können sich die angeblich regierungsnahen ZBR-Mitglieder, wie die LZB-Präsidenten DAHLGRÜN und KÄHLER sowie die Direktoriumsmitglieder BENNING, BLESSING und KÖNNEKER beim EVSt-Konflikt von opportunistischen, parteigängerischen oder instrumentell orientierten Motiven oder von einer Kombination dieser möglichen Motive haben leiten lassen. Neben die opportunistischen Gründe, die die keinem politischen Lager zugeordneten Direktoriumsmitglieder beim EVSt-Konflikt anfangs eventuell hatten, treten möglicherweise auch instrumentelle Motive hinzu.
5.1 Die Analyse des individuellen Verhaltens im ZBR
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Die bisher vorgenommenen quantitativen Untersuchungen vernachlässigen systembedingt diese multiplen Ursächlichkeiten. Sie wollen zwar Opportunismus, Parteipräferenz, regionale Einflüsse bzw. persönliche Unabhängigkeit nachweisen. Sie fokussieren sich jedoch stets auf den zu untersuchenden Aspekt und könnten dabei, wie die obigen Beispiele nahelegen, Stimmen, die aus anderen als den vermuteten Motiven abgegeben wurden, aber zu demselben Ergebnis führten, eventuell für sich vereinnahmt haben. Aus dem Überblick wird ferner das weitere Problem ersichtlich, daß sich im Konfliktverlauf die Auffassungen und damit eventuell auch die Motive der handelnden Akteure ändern konnten. So stimmten am Anfang des EVSt-Konflikts BURKHARDT, FESSLER und TEPE einerseits sowie PFLEIDERER andererseits für WOLFs Pläne und bauten mit ihm auf eine preispolitische Einflußnahme. Am Ende dieses Konfliktes unterstützten sie allerdings die – sachorientierte und / oder parteigängerische, aber nicht regierungsfreundliche – Linie WAGENHÖFERs, auf die auch BLESSING, HARTLIEB und sogar WOLF selbst umschwenkten. (BLESSING und sein angeblich oppositionsnaher Stellvertreter TROEGER ruderten dann jedoch, nachdem sie zwei Schritte nach vorn gegangen waren, wieder einen Schritt zurück und stimmten konziliantere Töne gegenüber den Vertretern der Bundesregierung an.) Ein Sinneswandel in umgekehrter Richtung vollzog sich bei FESSLER und TEPE beim KWG-Konflikt. Sie lehnten in diesem Konflikt zunächst ein rein zentrales BAKred ab und forderten einen dezentralen Unterbau, stimmten dann aber der – von der Bundesregierung erwünschten – Errichtung eines rein zentralen BAKred doch zu. Diese Meinungsumschwünge sind keineswegs unvereinbar mit den dargelegten theoretischen Überlegungen. Vaubel (1993) geht davon aus, daß sich die regierungs- wie die oppositionsnahen ZBR-Mitglieder nur in der von ihm auf etwa 15 Monate veranschlagten Vorwahlzeit jeweils parteigängerisch verhielten, ansonsten aber ihr Handeln an ihrem gemeinsamen bürokratischen Interesse an der Unabhängigkeit und an zusätzlichen Kompetenzen der Notenbank ausrichteten. Er sieht also keine multiplen Kausalitäten, sondern vielmehr außer- und innerhalb von Vorwahlzeiten unterschiedliche dominante Motive. Der Sinneswandel von BURKHARDT, FESSLER und TEPE beim EVSt-Konflikt könnte seine These untermauern, wenn die Tatsache vernachlässigt wird, daß er bereits ein knappes halbes Jahr vor Beginn der Vorwahlzeit einsetzte. Dem widerspricht aber, daß gleichzeitig auch BLESSING und PFLEIDERER, die beide politisch dem Regierungslager nahegestanden haben sollen, diesen Sinneswandel zu Lasten der Bundesregierung vollzogen. Dem weiteren Einwand, daß FESSLER und TEPE selbst in der Frage der BAKred-Organisation ihre Meinung zugunsten der Bundesregierung änderten, kann wiederum entgegengehalten werden, daß dieser Sinneswandel außerhalb der Vorwahlzeit stattfand, in der laut Vaubel (1993) andere Motive – hier vermutlich das Interesse an zusätzlichen Notenbankkompetenzen – wichtiger waren als Parteigängertum. Ein drittes Problem zeigt sich im Überblick schließlich darin, daß in zahlreichen Fällen die dem Handeln eines ZBR-Mitglieds in einem Konflikt zugrundeliegenden Motive nicht mit den möglicherweise hinter dessen Handeln in einem
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
anderen Konflikt stehenden Motiven zu vereinbaren sind. So zeigt ein Vergleich der Standpunkte der angeblich oppositionsnahen LZB-Präsidenten BRÖKER, FESSLER und TEPE, daß sich diese am Ende des EVSt-Konflikts zwar parteigängerisch verhalten haben könnten, nicht jedoch am Ende des KWG-Konflikts (mit den ebenso möglichen opportunistischen Motiven verhält es sich genau umgekehrt). Analog wird deutlich, daß die angeblich regierungsnahen Direktoriumsmitglieder BENNING und KÖNNEKER zwar am Ende des EVSt-, nicht jedoch am Ende des KWG-Konflikts aus opportunistischen und / oder politischen Motiven handelten und daß der angeblich oppositionsnahe Vizepräsident TROEGER zwar am Ende des KWG-, nicht jedoch am Ende des EVSt-Konflikts aus politischen Motiven agierte (mit den ebenso möglichen opportunistischen Motiven verhält es sich genau umgekehrt). Hieraus könnte geschlossen werden, daß diese Mitglieder keine Parteigänger und / oder Opportunisten waren oder sich anderenfalls sehr inkonsequent verhielten. Dagegen ließe sich, wie oben, wahlzyklustheoretisch einwenden, daß das regierungsfreundliche Votum von FESSLER und TEPE zur BAKred-Organisation im KWG-Konflikt außerhalb der Vorwahlzeit, ihr späteres regierungsunfreundliches Verhalten im EVSt-Konflikt jedoch in einer Vorwahlzeit beobachtet wurde, sie also ihr Verhalten taktisch am Wahlzyklus ausrichteten. Demnach hätten sich „nur“ BENNING, BRÖKER, KÖNNEKER und TROEGER widersprüchlich verhalten. Ihnen stehen BLESSING und PFLEIDERER mit einem bei den beiden Konflikten in Vorwahlzeiten konsistenten Verhalten gegenüber. Die beiden letztgenannten Probleme deuten darauf hin, daß verläßlichere Aussagen über das individuelle Verhalten nur anhand von Beobachtungen über einen längeren Zeitraum, d. h. prozeßorientiert, getroffen werden können. Das gilt um so mehr, als, wie oben aufgeführt, häufig mehrere Motive gleichzeitig das zu untersuchende Verhalten erklären können. Auch die Zinsentscheidungen im ZBR, wie sie Vaubel (1993) und Neumann (1998) zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht haben, wurden nicht ohne Vorgeschichte getroffen. Mit dem Werk von Berger (1997a) trat daher neben die erwähnten ereignisfokussierten quantitativen Analysen erstmals die prozeßbezogene qualitative Untersuchung dieser Zinsentscheidungen und des zeitlichen Umfeldes, in dem diese Entscheidungen im ZBR getroffen wurden, hinzu. Die vorliegende Arbeit folgt dieser qualitativen Vorgehensweise und zeigt: Im allgemeinen besitzen die Aussagen in der Literatur über die Handlungsmotive der einzelnen ZBR-Mitglieder zwar einen enormen Erklärungsgehalt. Im konkreten Einzelfall bedürfen sie aber vor dem Hintergrund, daß sich die über einen längeren Zeitraum beobachteten Akteure durchaus auch taktisch oder situationsabhängig verhielten oder in gruppendynamische Prozesse eingebunden waren, oftmals erheblicher Relativierung. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Verhalten der in den Konflikten häufiger und über einen längeren Zeitraum in Erscheinung getretenen LZB-Präsidenten FESSLER und TEPE sowie PFLEIDERER, VON SCHELLING und WAGENHÖFER einerseits und der Direktoriumsmitglieder BENNING und KÖNNEKER sowie BLESSING und TROEGER andererseits von Interesse. WAGENHÖFER ist wahrscheinlich das Beispiel, das die Anhänger der Parteipräferenzhypothese am ehesten als Beleg für ihre These anführen würden, weil
5.1 Die Analyse des individuellen Verhaltens im ZBR
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sein Verhalten (außer beim Konflikt um die Erfassung von MÜNEMANNs Revolvinggeschäften im KWG) frei von Widersprüchen und durchgängig parteigängerisch erscheint. Sie könnten darauf hinweisen, daß WAGENHÖFER auf Initiative der SPD-geführten bayerischen Landesregierung zum LZB-Präsidenten ernannt worden war und folglich Anhänger der Opposition gewesen sei. Er habe daher deren Wahlchancen erhöhen wollen und ein Interesse an Konflikten zwischen der Bundesregierung und der Bundesbank gehabt. Dies erkläre seine Unnachgiebigkeit beim Saar- und beim KWG-Konflikt sowie seinen unentwegten Einsatz beim EVSt-Konflikt für einen weitgehenden Rückzug aus der Refinanzierung der EVSt, die die Bundesregierung vor allem aus wahltaktischen Gründen für ihre Zwecke mißbrauchte. Letzteres ließe sich sogar noch wahlzyklustheoretisch untermauern: WAGENHÖFER habe seinen Vorstoß absichtlich im Dezember 1958 lanciert, weil die Regierungsanhänger im ZBR knapp drei Jahre vor der vierten Wahl zum Deutschen Bundestag auf diesen Wahltermin noch keine Rücksicht nehmen mußten und daher von ihnen zu diesem Zeitpunkt der geringste Widerstand zu erwarten war. Es läßt sich jedoch auch anders argumentieren: Wenn es WAGENHÖFER tatsächlich nur darum gegangen wäre, einen Konflikt mit der Bundesregierung auszulösen, hätte er – auch nach der Wahlzyklustheorie – einen günstigeren Moment wählen können. WAGENHÖFER war seit dem 1. Februar 1956 Mitglied des ZBR. Er hätte also besser vor den Wahlen zum dritten Deutschen Bundestag am 15. September 1957 die Initiative ergreifen können, zumal die zu diesem Zeitpunkt bereits abzusehende Erweiterung des ZBR um die – angeblich regierungstreuen – Direktoriumsmitglieder seine vermeintlichen Erfolgsaussichten zu verschlechtern drohte. Er tat es jedoch nicht, obwohl die Entwicklung bei der EVSt Getreide (siehe S. 51) hierzu Anlaß bot und die Anforderungen an die (Vorratsstellen-)Wechsel lt. § 13 LZB-Gesetze seinerzeit dieselben waren wie im späteren § 19 BBkG. Wahrscheinlicher ist daher, daß WAGENHÖFER erst dank WOLFs Kritik im September 1958 von der hinsichtlich der Wechselkriterien problematischen Einlagerungspolitik der EVSt erfuhr. Daß er dann hieraus, anders als zunächst die übrigen ZBR-Mitglieder, die richtigen Schlüsse zog und daraufhin angemessene Forderungen erhob, kann ihm nicht als parteigängerisches Verhalten unterstellt werden, weil sein Verhalten mindestens genauso gut auch sachorientiert motiviert, d. h. persönlich unabhängig, gewesen sein kann. Anderenfalls würden sachorientierte Motive zum Nachweis parteigängerischen Verhaltens vereinnahmt werden. Die Gegner der Parteipräferenzhypothese und die Anhänger der These, daß die Mitglieder des ZBR mit ihrem Eintritt in dieses oberste Notenbankgremium überwiegend schlagartig persönlich unabhängig geworden seien, würden demgegenüber vermutlich auf PFLEIDERER, den einzigen im gesamten Beobachtungszeitraum in Erscheinung getretenen, angeblich regierungsnahen LZB-Präsidenten, verweisen. Sie würden feststellen, daß der „einzige intellektuelle LZB-Präsident […], der Eduard Wolf etwas entgegensetzen konnte“1, zwar sein Amt als LZBPräsident der CDU-geführten baden-württembergischen Landesregierung ver1
Holtfrerich (1998), S. 398.
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
dankte, daß er jedoch, den Quellen zu den hier dargelegten Konflikten nach zu urteilen, unparteiisch und sachorientiert, d. h. also persönlich unabhängig, argumentierte und handelte. Sie würden damit wie Neumann (1998) eine Feststellung treffen, die sich nicht ohne Bedenken vortragen läßt. Neumann (1998) meint nämlich, persönliche Unabhängigkeit im ZBR ausreichend damit belegen zu können, daß dort die Abstimmungsergebnisse nicht den zu erwartenden „politischen“ Mehrheitsverhältnissen entsprachen. Daraus, daß im Durchschnitt zumindest auch die Hälfte der politisch der Regierung zuzuordnenden ZBR-Mitglieder für Erhöhungen und umgekehrt mehr als zwei Drittel der politisch der Opposition zuzuordnenden ZBR-Mitglieder für Senkungen des Diskontsatzes stimmten, zu schließen, die ZBR-Mitglieder seien mit dem Eintritt in das Leitungsgremium der Notenbank schlagartig persönlich unabhängig geworden, wäre jedoch voreilig. Denn mit seiner Vorgehensweise schließt er zwar parteigängerische, nicht aber andere Gründe wie vor allem das erwähnte Interesse an zusätzlichen Notenbankkompetenzen, regionale Einflüsse oder andere Faktoren aus, die anstelle oder neben der von ihm angenommenen, eine persönliche Unabhängigkeit belegenden Sachorientierung ausschlaggebend gewesen sein könnten. Derartige andere Gründe mögen zwar bei den von ihm untersuchten Zinsentscheidungen allenfalls nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Bei den hier untersuchten Konflikten zeigt sich indes, daß die bloße Analyse der Abstimmungsergebnisse bei den ZBR-Entscheidungen nicht ausreicht. Hinweise auf die Motive für das individuelle Abstimmungsverhalten der ZBR-Mitglieder sind also unabdingbar. Das gilt auch, weil die Erkenntnisse aus dieser Arbeit die regionalen Einflüsse weder in dem Ausmaß noch in der Inflationshaltung, wie sie Berger (1997a) vermutet, bestätigen können. Im EVSt-Konflikt nahm KÄHLER zwar nachweislich Rücksicht auf die schleswig-holsteinische Gräserwirtschaft. Für WAGENHÖFERs oben erwähnten Vorschlag, in der Frage der Erfassung der MÜNEMANNschen Revolvinggeschäfte im KWG klein beizugeben, fehlen jedoch Hinweise dafür, daß neben opportunistischen Motiven auch regionale Einflüsse ausschlaggebend waren. Gleiches gilt z. B. auch im EVSt- und im KWG-Konflikt, bei denen die regionalen Einflüsse eventuell dazu beigetragen haben, daß die LZB-Präsidenten zunächst WOLFs Linie folgten bzw. einen dezentralen Unterbau für das zentrale BAKred forderten. Mehrheitlich nahmen jedoch die LZB-Präsidenten von Anfang an einen Standpunkt ein, der nicht Ausfluß regionaler Einflüsse war, oder sie änderten im Konfliktverlauf ihre Meinung, ohne daß ihre vermeintlichen anfänglichen regionalen Anliegen, nämlich die Beibehaltung des Refinanzierungsrückhalts für die EVSt und der Verbleib der Bankenaufsicht bei den Ländern, befriedigt worden wären. Eine den Vermutungen von Berger (1997a) diametral entgegengesetzte Inflationshaltung zeigt sich außerdem bei WAGENHÖFER, der, soweit sein Handeln in den drei Konflikten hierauf schließen läßt, noch mehr als PFLEIDERER inflationsaverser als bislang angenommen agierte. Die Suche nach Hinweisen auf die tatsächlich ausschlaggebenden Motive gestaltet sich jedoch mühsam. Sie gleicht der Suche nach der „Nadel im Heuhaufen“, erst recht wenn es um parteigängerische Motive geht, die kaum ein ZBRMitglied vortrug, weil es sich anderenfalls dem Vorwurf mangelnder persönlicher
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Unabhängigkeit ausgesetzt hätte. Dennoch sind erstens die Stellungnahmen in den Sitzungen des ZBR, die dessen Mitglieder im Glauben, in einem geschlossenen Kreis zu sein, abgaben und nur außerhalb der Protokolle festgehalten wurden, und die Hinweise zwischen den Zeilen in den ZBR-Vorlagen, die die ereignisbezogenen quantitativen Analysen nicht verarbeiten können, die ersten Quellen, um die Motive für das individuelle Verhalten im ZBR zu ergründen. Die vorgenommene Prozeßbeobachtung erlaubt zweitens durch den Vergleich des individuellen Verhaltens zu (mindestens) zwei verschiedenen Zeitpunkten, auf das jeweils und so eventuell auch auf das insgesamt ausschlaggebende Motiv zu schließen. Die beschriebene Gefahr der Vereinnahmung von letztlich gar nicht ausschlaggebenden, aber zu derselben Entscheidung führenden Motiven kann dadurch verringert oder vermieden werden. Dafür gibt es Beispiele: Ein kleiner Hinweis reicht gelegentlich aus, um ein anscheinend widersprüchliches Verhalten zu erklären. So verteidigte VON SCHELLING im EVSt-Konflikt den für die Einlagerung von Dauerreserven unzulässigen Refinanzierungsrückhalt, obwohl er als ehemaliger Leiter der BdL-Abteilung „Recht und Währung“ es eigentlich hätte besser wissen müssen, und zeigte sich als einziger von den Preisgarantien des BML beruhigt. Sein Verhalten könnte demnach als opportunistisch, nicht aber als parteigängerisch (und ebensowenig als sachorientiert) interpretiert werden. Sein Auftreten in der Frage der BAKred-Organisation im KWG-Konflikt, in der er nach den Auseinandersetzungen um die thematisch ähnlich gelagerte, aber noch umstrittenere Notenbankorganisation im neuen BBkG über ein besonderes Fachwissen verfügte, läßt demgegenüber nicht auf Opportunismus, sondern auf Parteigängertum schließen. Diesen Gegensatz erhellt jedoch sein Hinweis, daß beim Aushandeln des Kassenplafonds während der Arbeiten am neuen BBkG das Finanzierungssystem der EVSt bereits bestanden habe. Er zeigt, daß sich VON SCHELLING im EVSt-Konflikt nicht, wie die ereignisbezogene Betrachtung vermuten läßt, opportunistisch verhielt, sondern vorsorglich das Problem des unzulässig ausgesprochenen Refinanzierungsrückhaltes herunterspielte, weil er als Leiter der Rechts- und Währungsabteilung maßgeblich an der Entstehung des BBkG beteiligt war. Alles andere hätte nämlich ein Eingeständnis von Versäumnissen und Fehlern bei seiner Mitarbeit am BBkG bedeutet. Überhaupt dürfte für die im ZBR äußerst zögerlich beschlossene Rückführung der Refinanzierungszusagen vor allem bei den LZB-Präsidenten eine Rolle gespielt haben, daß sie selbst den Aufbau dieses Systems zu BdL-Zeiten beschlossen und den Umfang dieser Zusagen zusammen mit den Direktoriumsmitgliedern zu BBk-Zeiten massiv ausgeweitet hatten. Hier ging es also, ähnlich wie bei VON SCHELLING, um individuelle Fehler, die manche nicht gerne eingestehen wollten. Ähnliche persönliche Befindlichkeiten, wenngleich mit einer deutlich längeren Vorgeschichte, könnten auch beim Konflikt um die Erfassung von MÜNEMANNs Revolvinggeschäften im KWG eine Rolle gespielt haben. MÜNEMANN hatte die Notenbank, wie erwähnt, schon vor Kriegsende beschäftigt. Möglich ist, daß KÖNNEKER (und vielleicht auch BLESSING) aus diesen Zeiten noch eine alte Rechnung mit dem Münchener Finanzmakler offen hatte(n) und nun nach einem Ausgleich für die RBk-Niederlage vor dem finanz- und wirtschaftspolitischen
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Schiedsgericht strebte(n). Das würde jedenfalls die – bislang beispiellose – Vehemenz erklären, mit der KÖNNEKER den Konflikt eskalieren ließ. In den seltensten Fällen gibt es jedoch so eindeutige Hinweise auf die wahren Beweggründe wie bei VON SCHELLING. Wenn sie nicht wie beim Konflikt um die KWG-Erfassung von MÜNEMANNs Revolvinggeschäften völlig im Dunkeln bleiben, erhellen sie meistens leider nur unzureichend die Zusammenhänge. Äußerungen wie am Ende des EVSt-Konflikts von ZACHAU, der einen „Schlag […] gegen die Bundesregierung“ sah, von WOLF, der den Refinanzierungsrückhalt aus „politische[n] Rücksichten“ nicht komplett streichen wollte, oder von TÜNGELER, der eine „Nadelstichpolitik“ vermeiden mochte, legen nahe, daß man vor allem im BBk-Direktorium die politische Situation der Bundesregierung berücksichtigte, lassen aber auch Interpretationsspielraum: Sie könnten als Beleg für Parteigängertum gewertet werden – müssen aber nicht, weil sie genauso gut als objektive Hinweise vorgetragen worden sein könnten, um die Verhandlungen erfolgreich zu Ende zu führen. Der bei einer prozeßorientierten Beobachtung von mehreren Konflikten mögliche konfliktinterne und konfliktübergreifende Vergleich von Handlungsweisen eines Akteurs zu verschiedenen Zeitpunkten kann weiteres Licht ins Dunkel bringen. Der Sinneswandel, den FESSLER und TEPE (zusammen mit BURKHARDT) beim EVSt-Konflikt vollzogen, zeigt, daß nicht die für möglich gehaltenen opportunistischen Motive anfänglich für ihr Handeln ausschlaggebend waren. Scheinbar instrumentell orientierte Motive können demgegenüber nicht ausgeschlossen werden, weil FESSLER und TEPE ihre Meinung erst änderten, nachdem WOLF mit seinem Versuch der preispolitischen Einflußnahme gescheitert war. Am wahrscheinlichsten ist jedoch wegen FESSLERs Aufforderung zur Erstellung eines Gutachtens (siehe S. 65), daß sie bis dahin die Unvereinbarkeit der praktizierten Anwendung des Refinanzierungsinstruments mit dem BBkG noch nicht erkannt und daher im Glauben, sachorientiert zu handeln, auf WOLFs aussichtsreiche Pläne gesetzt hatten. Nachdem sich ihnen jedoch erschlossen hatte, daß die Anwendung dieses Instruments die Bundesbank in ein Dilemma zog, unterstützten sie am Ende WAGENHÖFER, dem Parteigängertum, wie oben dargelegt, nur bei einer ereignisbezogenen Betrachtung unterstellt werden könnte. Der Sinneswandel von FESSLER und TEPE beim KWG-Konflikt macht demgegenüber klar, daß bei ihnen in diesem Fall nicht Opportunismus und / oder Parteigängertum, sondern, wie ihr Einlenken in der BAKred-Organisationsfrage nach der Übertragung wesentlicher materieller BA-Aufgaben auf die Bundesbank zeigt, ihr Interesse an zusätzlichen Notenbankkompetenzen2 ausschlaggebend war. Der konfliktübergreifende Verhaltensvergleich läßt am ehesten bei BENNING und KÖNNEKER ein ihrem primär vorhandenen Interesse an zusätzlichen Notenbankkompetenzen nachgelagertes und recht konsistent ausgeübtes Parteigängertum vermuten. Beide nahmen beim EVSt-Konflikt – sowohl außer- als auch inner2
Die Sichtung und vorbereitende Bearbeitung der einzureichenden Kreditmeldungen, Monatsausweise und Bilanzen erfolgte später im BBk-Zweigstellennetz. V. Spindler / Becker / Starke (1973), S. 118 f.
5.1 Die Analyse des individuellen Verhaltens im ZBR
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halb von Vorwahlzeiten, als sich im ZBR längst die Erkenntnis durchgesetzt hatte, daß der bislang praktizierte Einsatz des Refinanzierungsinstruments mit dem BBkG unvereinbar war – eine regierungsfreundliche, nicht sachorientiert zu begründende Position ein und sprachen sich für die Erhöhung von Konsortialkrediten bzw. später (mit KÄHLER) gegen deren Kürzung aus. Sie beschwichtigten beim Saar-Konflikt, indem sie (bis zuletzt) verlautbarten, daß sie gutgläubig an die Finanzierung zumindest einer Rate aus dem Etat dächten. Und beim KWGKonflikt erzielten sie mit HENCKEL den vorläufigen Kompromiß zur Zins- und Wettbewerbsregelung. BENNING informierte beim EVSt-Konflikt die Bundesressorts über ZBR-Interna, befürwortete stets die Anträge der Landwirtschaftlichen Rentenbank, sah von keinem anderen so gesehene Ermessensspielräume und wirkte mit seinen Hinweisen zu den mit SONNEMANN und HETTLAGE getroffenen Absprachen auf eine äußerst zögerliche Rückführung des Refinanzierungsrückhaltes hin. KÖNNEKER wollte beim Saar-Konflikt ein offenes Schreiben an die Bundesressorts schicken (siehe S. 132), „bis an die Grenzen des währungspolitisch Vertretbaren gehen, um eine praktische Lösung ohne ernsten Konflikt zu erreichen“, und beim KWG-Konflikt Bedenken gegen den Initiativentwurf aus BadenWürttemberg im Sinne der Bundesregierung vortragen. Andere Nuancen offenbart der konfliktübergreifende Verhaltensvergleich beim Präsidenten und beim Vizepräsidenten der Bundesbank. BLESSING und (noch etwas früher) TROEGER änderten im Verlauf des EVSt-Konflikts (wie FESSLER, TEPE und BURKHARDT) ihre Meinung, sorgten jedoch an dessen Ende für eine langsamere als von anderen ZBR-Mitgliedern gewünschte Rückführung des Refinanzierungsrückhaltes. Auch BLESSINGs Verlautbarungen im ZBR, nach denen man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, „eine vernünftige mittlere Linie“ finden und „kurz vor Ablauf der Legislaturperiode […] Kummer mit dem Wirtschaftsminister“ vermeiden solle, sowie der Hinweis im BMWi auf seine „Bemühungen um einen Mehrheitsbeschluß“ deuten darauf hin, daß er auffällig oft um Vermittlung zwischen der Bundesbank und der Bundesregierung bestrebt war. Dieses Verhalten, für das er im ZBR bekanntermaßen kritisiert wurde,3 könnte bei ihm, wie es Vaubel (1993) nahelegt, auf wahlzyklusorientierte parteigängerische Motive zurückzuführen sein. Es könnte aber genauso gut sein, daß BLESSING aus opportunistischen Gründen vermitteln wollte und deshalb, wie der SaarKonflikt zeigt, beim ZBR wie auch beim BMF Opfer seiner Bemühungen um einen brauchbaren Kompromiß wurde. Aber auch andere Überlegungen sind denkbar, weil BLESSING, anders als seine Kollegen im Direktorium, die Bundesbank nicht ressortbezogen, sondern als deren oberster Repräsentant und somit als Hauptverantwortlicher in allen Fragen vertrat und daher die Rückwirkungen seines Handelns auf parallele oder nachfolgende Verhandlungen berücksichtigen mußte. Das gilt übrigens auch für seinen Stellvertreter TROEGER und wird dadurch bestätigt, daß er am Ende des KWG-Konflikts nicht mehr selbst, sondern „nur“ noch über die LZB-Präsidenten Einfluß auf die Landesregierungen nehmen wollte, um KWG-Regelungen im BBk-Sinne zu erreichen. 3
Berger (1997a), S. 58, und ebd., Fußnote 44.
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
Das Fazit der bis hier vorgebrachten Überlegungen zum beobachteten individuellen Verhalten der ZBR-Mitglieder in den drei präsentierten Konflikten ist somit zwiespältig. Einerseits wird deutlich, daß die Analyse der diesbezüglichen Einflußfaktoren erheblich differenzierter als bislang durchgeführt werden muß. Die aus polit-ökonomischer Perspektive zur Untersuchung des (Abstimmungs-)Verhaltens der ZBR-Mitglieder bei Zinsentscheidungen vorgenommenen quantitativen Analysen sind zwar ansprechend, weil sie meinen, monokausal aus der Ernennung eines ZBR-Mitglieds dessen spätere Handlungsweise deduzieren zu können. Die präsentierten Konflikte und die vorgebrachten Überlegungen zu den Verhaltensmotiven der einzelnen ZBR-Mitglieder deuten jedoch darauf hin, daß eine derartige Vereinfachung hin und wieder freilich zutreffen mag, oft aber auch Gefahr läuft, den tatsächlichen Zusammenhängen nicht gerecht zu werden. Sie zeigen ferner, daß Opportunismus, Parteigängertum, regionale Einflüsse und persönliche Unabhängigkeit sicherlich die einschlägigsten, häufig aber auch ohne weiteres austauschbare Erklärungsansätze darstellen. Letztlich ist deshalb jeder Konflikt individuell mit einer personalisierten und, soweit möglich, die Motive der handelnden Akteure im Zeitverlauf aufdeckenden Analyse zu untersuchen. Je detaillierter sich indes die Entscheidungsfindung im ZBR anhand einer solchen – notwendigerweise qualitativen – Analyse offenbart, desto deutlicher wird, daß oftmals neben der Ernennung eines ZBR-Mitglieds noch andere wichtige Ereignisse und neben Opportunismus, Parteipräferenz und regionalen Einflüssen noch weitere wichtige Faktoren sowohl inner- als auch außerhalb des Einflußbereichs der Akteure eine Rolle spielen konnten. So beeinflußte beim EVSt-Konflikt sogar ein Ereignis vor der Ernennung eines ZBR-Mitglieds, wie VON SCHELLINGs Mitarbeit am BBkG, dessen späteres Abstimmungsverhalten. Beim KWG-Konflikt zog ein Ereignis, wie KÖNNEKERs eigennutzorientierte Veröffentlichung des Konflikts um die Erfassung von MÜNEMANNs Revolvinggeschäften, eine Reihe weiterer Ereignisse nach sich, so daß auf einmal andere Aspekte den Konflikt beherrschten, die ihm eine Eigendynamik mit einem von keinem Beteiligten ursprünglich so gewollten Ausgang verliehen. KÖNNEKER verlor jedenfalls mit seinem aus taktischen Gründen publizierten ZfgK-Artikel einen Teil der Kontrolle über den weiteren Konfliktverlauf, weil danach der Bundesbank in der öffentlichen Diskussion ein Reputationsverlust drohte und BRÖKER, VON SCHELLING und WAGENHÖFER daher wohl ein Einlenken empfahlen. Die prozeßbezogene Konfliktdarstellung erweitert das Spektrum möglicher Handlungsmotive im ZBR teilweise erheblich – und erschwert gleichzeitig mindestens ebenso erheblich die Interpretation des individuellen Verhaltens in diesem Gremium. Sie enthüllt manchmal beträchtliche Nachwirkungen vorangegangener Ereignisse und im Zeitablauf zunehmend vielschichtige Motive anstelle von Monokausalitäten. Dennoch ist sie lohnend, weil sie zeigt, daß die Realität auf individueller Ebene in Wahrheit viel komplizierter (gewesen) ist als es die Verhaltensthesen vermuten lassen. Das Fazit fällt ernüchternd aus: Für jede These lassen sich zwar Belege finden. Keine dieser Thesen allein reicht jedoch aus, um allgemein das Notenbankverhalten zu erklären. Trotz aller Probleme und Widersprüchlichkeiten scheinen sich aber für die Gründungsjahre der Bundesbank bestimmte
5.1 Die Analyse des individuellen Verhaltens im ZBR
213
Verhaltensmuster zu bestätigen, die gelegentlich das von einer unabhängigen Notenbank erhoffte primär sachorientierte Handeln vermissen lassen. Die Analyse des individuellen Verhaltens der Direktoriumsmitglieder offenbart für fast alle in erster Linie ein Interesse an einer umfassenderen Anwendung oder Ausweitung der Notenbankkompetenzen und erst in zweiter Linie vor allem opportunistische und / oder parteigängerische Motive. Auch wenn eine weitergehende Differenzierung nicht möglich ist, kann man daher der auf die individuelle Ebene der ZBR-Mitglieder übertragenen These von Frey / Schneider (1981) und der These von Vaubel (1993) mit Blick auf das Direktorium nicht so ohne weiteres ihre Gültigkeit absprechen. Alles in allem wird eine tendenziell regierungsfreundliche Grundhaltung im BBk-Direktorium klar, die insoweit der von Neumann (1998) aufgestellten These des Becket-Effekts (siehe S. 15) widerspricht und die Aussage von Berger (1997a) untermauert, daß sich das politische Gewicht im ZBR nach der BBk-Gründung zugunsten der Bundesregierung verlagert habe.4 Diese Aussage ist um die Erkenntnis zu ergänzen, daß die nach der BBkGründung stimmberechtigten Direktoriumsmitglieder die Verhandlungen zwischen den Bundesressorts und der Bundesbank nicht unbedingt erleichterten. Denkbar sind zwar Bargaining-Prozesse, in denen die Bundesressorts vom Direktorium die Zustimmung, die es trotz seiner regierungsfreundlichen Grundhaltung eigentlich nicht geben wollte, durch Zugeständnisse bei Fragen des Notenbankinstrumentariums erkauften. Soweit es in den Verhandlungen, wie beim KWG, aber allein um Kompetenzfragen ging, wurden diese vermutlich sogar erschwert. Anlaß zu dieser Annahme geben im KWG-Konflikt die Auffassung von VOCKE zur BA-Organisation (siehe S. 147) und die ZBR-Haltung zur Zukunft der Kreditrichtsätze (siehe S. 159) zu BdL-Zeiten, in denen eine Einigung zum KWG wahrscheinlich schneller erzielt worden wäre. Die Analyse des Verhaltens der LZB-Präsidenten enthüllt ein im Vergleich zu den Direktoriumsmitgliedern weniger homogenes Auftreten, das oft als Korrektiv zur tendenziell regierungsfreundlichen Haltung des BBk-Direktoriums wirkte. Hierfür sind verschiedene Ursachen denkbar: Die LZB-Präsidenten stimmten sich nicht wie die Direktoriumsmitglieder vor den ZBR-Sitzungen ab. Sie hatten zwar auch ein Interesse an einer umfassenderen Anwendung oder gar Ausweitung der Notenbankkompetenzen, dieses Interesse war jedoch, da sie nicht Teil der Exekutive waren, nicht so stark wie im BBk-Direktorium ausgeprägt. Und schließlich wurden die LZB-Präsidenten, anders als die mehr oder weniger ständig mit Vertretern der Bundesressorts in Kontakt stehenden Direktoriumsmitglieder, nicht auf Vorschlag der Bundes-, sondern auf Vorschlag der jeweiligen Landesregierung (wieder-)bestellt (§ 7 Abs. 3 S. 1 und § 8 Abs. 4 S. 1 BBkG). Zumindest einige der LZB-Präsidenten könnten daher im EVSt- und im Saar-Konflikt faktisch persönlich unabhängig gehandelt haben, so daß neben den von Vaubel (1993) betonten parteigängerischen Motiven auch der von Neumann (1998) hervorgehobene Becket-Effekt in den Anfangsjahren der Bundesbank dazu beitrug, ein Gegengewicht zum tendenziell regierungsfreundlichen Direktorium zu schaffen. 4
Berger (1997a), S. 175.
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
Ob dieses Gegengewicht der „politische[n] Institution Notenbank“ ein sehr wirksames System der Kontrolle und des Gleichgewichts der Kräfte verschaffte (siehe S. 16), ist (und bleibt) fraglich, weil ein heute parteigängerisch (sachorientiert) erscheinendes Verhalten der ZBR-Mitglieder dennoch sachorientierte (parteigängerische) Absichten gehabt haben kann. Denn es ist durchaus möglich, daß ein nur nach seinem Abstimmungsverhalten als Parteigänger eingeordnetes ZBRMitglied dennoch faktisch unabhängig war und sachorientiert zu handeln meinte, retrospektiv aber falsch eingeordnet wird, weil ihm damals das nötige Wissen für die richtige Entscheidung fehlte. Diese denkbare und grundsätzlich für den gesamten ZBR wichtige Erklärung ist keineswegs abwegig. Neumann (1998) z. B. vermutet bei BLESSING ein Festhalten an Goldwährungszeiten,5 das einen Teil der Konservativität und damit des Erfolgs der Bundesbank bei der Inflationsbekämpfung erklären könnte. Der Saar-Konflikt um die bilanzielle Notendeckung bestätigt diese Vermutung. Wenn der ZBR unisono bei diesem Konflikt nachweislich die falschen Vorstellungen von der eigentlich angezeigten Lösung hatte (siehe S. 94), kann der Widerstand gegen die Zuteilung einer Ausgleichsforderung bei den oppositionsnahen LZB-Präsidenten und den regierungsnahen Direktoriumsmitgliedern nicht ohne weiteres als Beleg für bzw. gegen die Parteipräferenzhypothese gewertet werden. Diese Erkenntnis ist das wichtigste Argument für eine qualitative Analyse. Wenngleich der Hinweis auf das nötige Wissen als Voraussetzung für die „richtige“ Entscheidung grundsätzlich für den gesamten ZBR bedeutsam ist, gilt er doch insbesondere für die LZB-Präsidenten, weil ihre Informationen und damit auch ihre Argumentation und ihr Abstimmungsverhalten in den ZBR-Sitzungen weitgehend vom Direktorium abhingen. Das wird vor allem beim EVSt-Konflikt deutlich, bei dem WOLF zwar früh um die notenbankrechtliche Unzulässigkeit der Refinanzierungszusagen für die Einlagerung der Dauerreserven wußte (siehe S. 53 f.), nicht aber die sonst so aktiven LZB-Präsidenten PFLEIDERER und FESSLER (siehe S. 61 f.), obwohl WAGENHÖFER von Anfang an gegen die Refinanzierungszusagen wetterte. WOLF hatte im ZBR offenbar mehr Einfluß als WAGENHÖFER, dem seine Kollegen vielleicht gerade deshalb weniger vertrauten, weil sie bei ihm Parteigängertum vermuteten (was in Wahrheit vielleicht nur Sachorientierung war). Das würde auch erklären, warum BURKHARDT, FESSLER und TEPE erst nach dem Scheitern der WOLFschen Linie ihre Meinung änderten. Eine Informationsabhängigkeit zeigt sich auch beim KWG- und beim Saar-Konflikt, bei denen das ein oder andere am ZBR vorbei entschieden wurde. Beim KWG-Konflikt filterte KÖNNEKER bei seinen vor allem der Unterrichtung der LZB-Präsidenten dienenden Vorlagen Vieles heraus, was für diese von Interesse sein konnte, ihm zur Umsetzung seiner Strategie aber hinderlich erschien (siehe S. 178 f.). Beim SaarKonflikt wurde z. B. schon zu BdL-Zeiten auf Initiative von TÜNGELER eine äußerst umfangreiche ZBR-Vorlage HARTLIEBs konkret mit der Anmerkung ge-
5
Neumann (1998), S. 336.
5.2 Die Analyse der Bedeutung der öffentlichen Meinung
215
kürzt, daß man zu allen Verhandlungen, an denen die BdL üblicherweise beteiligt gewesen sei, den ZBR nur über die Ergebnisse unterrichtet habe.6 Alles in allem waren die LZB-Präsidenten vermutlich also persönlich unabhängiger als die Direktoriumsmitglieder. Sie büßten jedoch wegen ihrer informatorischen Abhängigkeit vom tendenziell regierungsfreundlichen Direktorium zumindest einen Teil ihrer persönlichen Unabhängig wieder ein. Dieser Hinweis ist bei den sich nach der politischen Zuordnung von Vaubel (1993) ergebenden knappen Mehrheitsverhältnissen nicht unwichtig. Denn obwohl nach der BBkGründung die neuen, nunmehr stimmberechtigten neun Direktoriumsmitglieder gegenüber den zehn (ab 6. Juli 1959: elf) LZB-Präsidenten stets in der Minderheit waren, fanden sie so in ihren Reihen in vielen Fragen Unterstützung, sei es, weil der ein oder andere LZB-Präsident hie und da politisch motiviert in ihrem Sinne entschied, sei es, weil die Direktoriumsmitglieder als Teil der Notenbankexekutive zahlreiche Möglichkeiten zur Beeinflussung bzw. Steuerung der LZB-Präsidenten hatten, um die Diskussion in ihrem Sinne zu lenken. Wegen dieser Zusammenhänge können sowohl die Aussage von Frey / Schneider (1981), die Notenbank habe letztlich zwecks Statuserhalt eingelenkt, als auch die Aussage von Vaubel (1993), die Bundesbank sei zwar „unabhängig, nicht aber politisch neutral“ gewesen (siehe S. 14 f.), wenngleich sie zunächst „nur“ für das Direktorium zuzutreffen scheinen, dennoch helfen, das Zustandekommen zahlreicher Entscheidungen im ZBR zu erklären: Die LZB-Präsidenten bildeten tendenziell zwar ein Gegengewicht zum regierungsfreundlichen Direktorium, dürften aber wegen ihrer Informationsdefizite nicht immer die Oberhand gehabt haben. 5.2 Die Analyse der Bedeutung der öffentlichen Meinung Die qualitative Analyse unterstreicht – neben der Bedeutung des individuellen Verhaltens im ZBR – die wichtige Rolle der öffentlichen Meinung im Verhältnis zwischen der Bundesbank und der Bundesregierung. Sie zeigt aber auch, daß noch andere wichtige Faktoren die Frage zu beantworten helfen, warum sich in einem Konflikt die eine oder die andere Partei durchsetzen konnte. Das Notenbankverhalten resultierte zwar, sofern es das Ergebnis von ZBR-Beschlüssen war, aus der Summe individueller Entscheidungen, die von den erwähnten, kaum mehr aufzudeckenden persönlichen Faktoren (wie Opportunismus, Parteigängertum, notenbankfachliche Eignung) beeinflußt wurden. Auf einer übergeordneten Ebene dürfte aber darüber hinaus eine Reihe von Überlegungen allgemeiner Art eine Rolle gespielt haben. Neben den weiteren Koalitionspartnern, der Sündenbock-Funktion und dem Damoklesschwert einer gesetzlichen Notenbankverpflichtung scheint 6
Das schließe allerdings nicht aus – so weiter –, daß bei den mündlichen Berichterstattungen in den Sitzungen immer noch Zwischenergebnisse mitgeteilt und Entscheidungen notfalls eingeholt werden könnten. Schreiben (TÜNGELER an HARTLIEB) vom 03.02.1956 (ohne Betreff) in B 330/7289. Vorlage (HARTLIEB) vom 06.02.1956 zur 212. Sitzung des ZBR/BdL am 15.02.1956 betr. Rückgliederung des Saargebiets in B 330/91/3.
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
auch die Güte der Argumente wichtig zu sein. Die Behandlung dieser Überlegungen ist zwar teilweise spekulativ, offenbart aber plausible Einsichten, die im folgenden anhand der abseits und dann anhand der in der Öffentlichkeit ausgetragenen Konflikte (siehe Tabelle 5-1) präsentiert werden.
BdL / BBk Regierung Keine
K o n f l i k t g e w i n n e r i n
Tabelle 5-1: Übersicht über die Konflikte zwischen Notenbank und Bundesregierung K o n f ö f f e n t l i c h Gürzenich-Affäre (lt. Berger (1997a), siehe S. 18 f.)
l
Konflikt um die DM-Aufwertung (lt. Berger (1997a); dagegen: Holtfrerich (1998), siehe jeweils S. 21 f.) Saar-Konflikt um den bei der DMEinführung anzuwendenden Umstellungskurs KWG-Konflikt um die gesetzliche Erfassung der Revolvinggeschäfte
i
k
t a r t n i c h t - ö f f e n t l i c h EVSt-Konflikt KWG-Konflikte um die Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute sowie um die Zinsund Wettbewerbsregelung KWG-Konflikt um die Ermächtigung der Bundesbank zum Erlaß von Rechtsverordnungen Saar-Konflikt um die notenbankbilanzielle Deckung der bei der währungsmäßigen Eingliederung von der Bank deutscher Länder / Bundesbank neuauszugebenden DM-Noten
Quelle: eigene Zusammenstellung
Zunächst fällt auf, daß nicht jeder Konflikt öffentlich ausgetragen wurde. Bestes Beispiel hierfür ist, wie erwähnt, der EVSt-Konflikt, zu dem sich keinerlei diesbezügliche Hinweise finden lassen. Auch in den KWG-Konflikten um das Ausmaß der BBk-Beteiligung bei der materiellen Bankenaufsicht und um eine BBk-Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Zinsfestsetzung stritt man mehr oder weniger abseits der Öffentlichkeit. Das heißt jedoch nicht, daß die öffentliche Meinung in diesen Fällen für beide Seiten unbedeutend war. Das zeigt sich bei letzterem Konflikt ganz klar im Hinweis des BMWi, daß die Rücknahme einer delegierten Ermächtigung zur Zinsfestsetzung im Bundesgesetzblatt publiziert werden müßte und daß ein Konflikt daher eigentlich undenkbar sei, weil er sich dann „im hellen Licht der Öffentlichkeit abspielen“ würde (siehe S. 184 f.). Das zeigt sich ferner bei dem ebenfalls abseits der Öffentlichkeit ausgetragenen Konflikt um die bilanzielle Deckung der aus Anlaß der Saarrückgliederung neuauszugebenden DM-Noten, bei dem die BBk-Vertreter den Bundesressorts mehrmals mit einer Veröffentlichung drohten (siehe S. 129 und S. 132). Bei diesen Konflikten stellt sich zunächst natürlich die Frage, warum man sich abseits der Öffentlichkeit stritt. Beim EVSt-Konflikt könnte zunächst vermutet werden, daß der ZBR den Betrag, um den er den Refinanzierungsrückhalt für das Konsortium um die Landwirtschaftliche Rentenbank kürzen wollte, nicht für so wichtig hielt. Hiergegen spricht jedoch, daß allein schon die zweimalige Kürzung à 250 Mio. DM, die er
5.2 Die Analyse der Bedeutung der öffentlichen Meinung
217
am Ende erreichte, annähernd dem Betrag entsprach, um den es beim Saar-Konflikt um die bilanzielle Notendeckung ging (670 Mio. DM), bei dem der ZBR sich stark engagierte und mit der Konfliktveröffentlichung drohte. Offenbar erhoffte er sich hiervon beim Saar-Konflikt Effekte, deren Eintreten er bei einer Veröffentlichung des EVSt-Konflikts nicht in dieser Form erwartete. Hierbei könnte es sich tatsächlich um die Hoffnung handeln, die Öffentlichkeit als Koalitionspartnerin in der Auseinandersetzung mit der Bundesregierung für sich zu gewinnen. Die diesbezüglichen Chancen waren jedoch beim EVSt-Konflikt zunächst für beide Seiten unklar, wenn nicht sogar ungünstig. Die konkreten Zusammenhänge zwischen den von der Notenbank gegebenen Refinanzierungszusagen, den von den EVSt vorgenommenen Einlagerungen und den Preisen der mit Hilfe der Refinanzierungszusagen eingelagerten Agrargüter waren äußerst komplex. Unsicher war zudem, ob sich die Bundesbank im Falle einer offenkundigen Kehrtwende bei ihrem Refinanzierungsrückhalt für die EVSt gegen die erfolgreiche Politik der Agrarlobby durchgesetzt hätte, weil die Vorteile höherer Agrarpreise sich auf die gut organisierten Landwirte konzentrierten, während sich die daraus gleichzeitig resultierenden Nachteile breit über die schlecht zu organisierenden Konsumenten verteilten. Sicher war jedenfalls, daß eine solche Kehrtwende Regelwidrigkeiten auf beiden Seiten, nämlich eine den Anliegen der Agrarlobby Rechnung tragende und damit klar opportunistische Komponente in der Einlagerungspolitik der Bundesregierung (siehe S. 29 f.) und eine mit dem Notenbankrecht nicht in Einklang zu bringende Aktivität der Bundesbank, offengelegt hätte. Deren Involvierung in die Refinanzierung der EVSt war zwar allgemein bekannt, weil sie in jedem ihrer Monatsberichte Sätze für den Verkauf von Vorratsstellenwechseln am offenen Markt veröffentlichte. Daß sie sie mitunter methodisch zur Einflußnahme auf wichtige Agrargüterpreise mißbrauchte (oder dies zumindest versuchte), war allerdings nicht bekannt. Eine Veröffentlichung dieses Konflikts, die dann sicherlich auch diese Mißstände aufgedeckt hätte, konnte sie daher nicht betreiben, solange sie dieses vermeintlich preispolitische Instrument behalten wollte. Beim EVSt-Konflikt bestand deshalb zunächst auf beiden Seiten prinzipiell kein Interesse an einer Konfliktveröffentlichung. Daß sich die Bundesbank trotzdem, wenn auch nicht unbedingt betragsmäßig, zum Schluß weitgehend durchsetzen konnte, läßt sich dennoch erklären. Sie hatte bei ihrem Kampf gegen überhöhte Agrargüterpreise von Anfang an das BMWi mit ERHARD auf ihrer Seite – ein mächtiger Koalitionspartner, dessen Macht augenscheinlich allerdings nicht ausreichte, um WOLFs Idee der moralischen Einwirkung zum Erfolg zu führen. Nach ihrer Rückkehr „auf den Pfad der notenbankpolitischen Tugend“ (siehe S. 62) hatte sie dann auch die richtigen Argumente und damit eindeutig die besseren Karten. Sie konnte sich nun öffentlich geläutert zeigen und der Bundesregierung insofern mit erheblichen politischen Kosten drohen. Das wog um so schwerer, je näher die Wahlen zum nächsten Deutschen Bundestag im September 1961 rückten. Die Abteilung V im BMF hatte sich zudem intern auf ihre Seite geschlagen. Zu dieser stillen Koalition gesellte sich auch das BML, wenngleich es dabei eigennützig hoffte, sich mit Hilfe der Übertragung der EVSt-Finanzierung auf den Bundesetat endlich von den ständigen Einmi-
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
schungen der Bundesbank in seine EVSt-Politik befreien zu können. Die aus Etatgründen sich möglichst lange gegen eine Haushaltsfinanzierung sträubende Abteilung II im BMF sah sich infolgedessen zunehmend isoliert und mußte schließlich einlenken, um einer anderenfalls eventuell drohenden Veröffentlichung durch die Bundesbank vorzubauen. Ein anderes Bild zeigt sich beim KWG-Konflikt um die BBk-Beteiligung bei der materiellen Bankenaufsicht, bei dem niemand die Argumente definitiv auf seiner Seite hatte. Ausschlaggebend dafür, daß in diesem Konflikt die Bundesbank ihre Forderungen gleichfalls ohne öffentliche Austragung größtenteils durchsetzen konnte, waren zwei „Koalitionen“ mit verschiedenen Partnern. In einer Koalition mit den Ländern im Bundesrat wehrte sie sich eingangs gegen eine Zentralisierung der Bankenaufsicht, machte ihre Zustimmung zu dieser aber im weiteren Verlauf von ihrer Beteiligung bei den materiellen BA-Aufgaben abhängig. Das war aus der Sicht der Notenbank taktisch klug. Hand in Hand mit den Ländern trug sie so zum Scheitern des BAKredG-Entwurfs im Bundesrat bei und machte dabei knapp ein Jahr vor den Wahlen zum dritten Deutschen Bundestag erfolgreich ihr politisches Gewicht deutlich (siehe S. 143 ff.). Im BMWi, wo man dem KWG-Entwurf unbedingt dasselbe Schicksal ersparen wollte, glaubte man danach – wie sich beim Konflikt um die BBk-Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Zinsfestsetzung zeigt, und beim Konflikt um die BBkBeteiligung bei der materiellen Bankenaufsicht dürfte das nicht anders gewesen sein – wegen des zu erwartenden BR-Widerspruchs, aus politischen Gründen keinesfalls auf die BBk-Zustimmung verzichten zu können (siehe S. 184). In den weiteren KWG-Beratungen profitierte die Bundesbank von den Differenzen zwischen den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes. Die Spitzenverbände wetterten gegen die Pläne des BMWi, ließen es deren Unzulänglichkeiten erkennen und sorgten so schließlich für dessen Rückzieher und Rückgriff auf die Notenbankautorität gegenüber den Kreditinstituten. In diesem Fall bildete sich, jeweils ohne bewußtes Zutun des anderen, eine „Koalition“: Die Spitzenverbände des Kreditgewerbes und ihre Differenzen wurden für das BMWi zu einem dort unerwarteten Problem, für das die Bundesbank die Lösung bot. Das BMWi nahm notgedrungen an, obwohl die Verhandlungsposition der Bundesbank ein Jahr nach den Wahlen zum dritten Deutschen Bundestag aus wahlzyklustheoretischer Sicht eigentlich äußerst schwach war. Wichtiger war ihm anderes. Das BMWi bürdete an seiner Statt lieber der Bundesbank die Schuld für in der Zukunft zu ähnlichen oder zu noch größeren Schwierigkeiten führende harte Entscheidungen auf (siehe S. 164 f. und S. 173 f.). Es antizipierte also die von Kane (1980) beschriebene Funktion einer Notenbank als Sündenbock (siehe S. 12). Die Bundesbank störte das nicht – im Gegenteil. Dort vermerkte man zu den KWG-Beratungen – die voranstehenden Ausführungen unterstreichend –, daß die eigene Grundhaltung eine Stütze im Kreditgewerbe finde.7
7
Entwurf einer ZBR-Vorlage (KÖNNEKER) vom 27.08.1958 betr. Vorbereitung eines BundesKWG – Aufgabenteilung und Organisation – in B 330/2393.
5.2 Die Analyse der Bedeutung der öffentlichen Meinung
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Die Bundesbank konnte sich also, wie diese beiden Beispiele zeigen, auch in Konflikten durchsetzen, die nicht öffentlich ausgetragen wurden. Zum Teil mag dafür schon allein die theoretisch denkbare Möglichkeit ausschlaggebend gewesen sein, daß sie den Konflikt an die Öffentlichkeit tragen konnte. Voraussetzung hierfür war jedoch die Aussicht, dann tatsächlich auch öffentliche Unterstützung zu finden. Diese Aussicht war, wie es (zunächst) scheint, um so begründeter, je mehr die Argumente auf ihrer Seite lagen. In den geschilderten Fällen, in denen sich die Bundesbank durchsetzen konnte, obwohl diese Voraussetzung nicht erfüllt war, können andere Koalitionspartner als die Öffentlichkeit und ihre Sündenbock-Funktion für die Bundesregierung – hier: gegenüber den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes – ihren Erfolg erklären. Beides zusammen half ihr, die eigene Position gegenüber der Bundesregierung für den möglichen Fall einer Konfliktveröffentlichung zu verbessern. Dort jedoch, wo sie weder einen solchen Koalitionspartner finden noch eine solche Sündenbock-Funktion (über das ihr eingeräumte Maß hinaus) übernehmen konnte, hatte sie, wie der KWG-Konflikt um eine BBk-Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Zinsfestsetzung zeigt, schlechte Karten. In diesem Konflikt fand die Bundesbank beim BMJ nur rechtliche Unterstützung, die die Diskussion lediglich auf ein anderes Gleis leitete. HENCKEL war der Bundesbank sicherlich für ihre Unterstützung in der ressortinternen Auseinandersetzung um die Zinsfreigabe (siehe S. 166) dankbar und strebte, wie erwähnt, eine Übereinstimmung mit ihr aus politischen Gründen an. Beides schlug sich jedoch nicht in einer sie zufriedenstellenden Lösung nieder, weil HENCKEL schon mit seinem Zugeständnis, wonach das BAKred Rechtsverordnungen im BBk-Einvernehmen erlassen sollte, die ihm wesentlich erscheinenden Anliegen umsetzen konnte. Mit dem Zugeständnis wurde die Schuld für zukünftige Zinsentscheidungen auf die Bundesbank abgewälzt und zugleich den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes die Möglichkeit genommen, auf die Revision beschlossener Zinsfestsetzungen hinzuwirken. Weil der isolierten Bundesbank letztlich schlicht auch die richtigen Argumente zu ihren Forderungen fehlten (siehe S. 187), stand für sie eine Veröffentlichung dieses Konflikts, bei dem es am Ende nicht um verfassungsrechtliche Fragen, sondern allein um den Umfang ihres Instrumentariums ging, nicht ernsthaft zur Diskussion. Ihr stiller Rückzug, mit dem sie ihre Niederlage dann eingestand, war deswegen nur konsequent. Bei den Konflikten, bei denen die Bundesbank jedoch die Argumente auf ihrer Seite wähnte oder tatsächlich hatte, legte sie sich demgegenüber mächtig ins Zeug. Hierfür gibt es zwei gute Beispiele, von denen sich ersteres, nämlich der Konflikt um die bilanzielle Deckung der aus Anlaß der wirtschaftlichen Saarrückgliederung neuauszugebenden DM-Noten, ebenfalls abseits der Öffentlichkeit abspielte. Dieser Konflikt bestätigt konkret die Bedeutung der öffentlichen Meinung in den Auseinandersetzungen und liefert gleichzeitig auch ein (wohl noch selteneres) Zeugnis dafür, daß das eingangs dieser Arbeit erwähnte Damoklesschwert einer gesetzlichen Notenbankverpflichtung (siehe S. 10) nicht bloß eine abstrakte theoretische Überlegung darstellt, sondern tatsächlich zum Kalkül der Bundesregierung gehörte. Daß dieses Kalkül weniger für die Ressortschefs und eher für die untergeordneten Ministerialbeamten eine gangbare Option darstellte,
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
läßt sich mit den möglicherweise auftretenden politischen Kosten einer gesetzlichen Notenbankverpflichtung erklären, die somit sogar in Nachwahlzeiten, in denen die Verhandlungsposition einer Notenbank als vergleichsweise schwach beurteilt wird, nicht unwichtig waren. Wegen dieses Damoklesschwerts kann die von verschiedenen BBk-Vertretern ausgesprochene Drohung, den Konflikt um die bilanzielle Notendeckung ggf. zu veröffentlichen, nicht nur als Ausdruck eines selbstbewußten Auftretens im (irrtümlichen) Glauben, die Argumente auf der eigenen Seite zu haben, verstanden werden. Sie kann und muß vor allem als Versuch gewertet werden, sich gegen eine gesetzliche Verpflichtung zu wehren, die wohl die härteste Form eines Eingriffs in die Notenbankunabhängigkeit darstellt. Die vom BMF und vom BMWi beabsichtigte Verpflichtung, die in Vorlagen an ETZEL und ERHARD schon konkrete Gestalt angenommen hatte (siehe S. 134), sollte nicht mittels einer BBkG-Änderung, sondern mit Hilfe eines der SaarGesetze vorgenommen werden. Sie war für die Bundesbank gerade deswegen noch gefährlicher, weil sie in der Öffentlichkeit aus mehreren Gründen vermutlich weniger Unmut erzeugt hätte. Sie schien, worauf man auch im BMF hinwies (siehe S. 124), von einmaligem Charakter. Zu befürchten war ferner, daß die Öffentlichkeit die im Gesetz festzuschreibende Kredithergabe gegen Zuteilung einer Ausgleichsforderung als durchaus vertretbar ansehen würde, weil fast alle Banken, mit denen die Bundesbank wahrscheinlich verglichen worden wäre, knapp zehn Jahre nach der Währungsreform (noch) Ausgleichsforderungen in ihren Bilanzen auswiesen. Gefahr drohte zudem, weil, wie BLESSING andeutete (siehe S. 132), eine gesetzliche Lösung für die Bundesressorts kurz nach der BBkGründung präjudiziell den Anfang eines sich dann langsam einschleichenden Prozesses einläuten konnte. Das alles erklärt, warum es der Bundesregierung gelang, die von der Bundesbank unberechtigt geforderte Etatfinanzierung erfolgreich zurückzuweisen. Es erklärt auch deren kritiklose Übernahme der Ersparnissicherungsfinanzierung (siehe S. 135), die in keinerlei Zusammenhang mit den Aufgaben der Notenbank stand. Eine zweite Erklärung gibt das folgende Gedankenspiel: Die Bundesbank hätte es zwar darauf ankommen lassen und darauf hoffen können, daß ihre Verpflichtung in einem der Saar-Gesetze in der Öffentlichkeit auf Widerstand stößt. Dann wäre sehr wahrscheinlich jedoch auch die bedenkliche KfW-(Not-)Lösung öffentlich thematisiert und damit vermutlich der Spielraum für diese Lösung eingeengt oder sogar beseitigt worden. Eine Veröffentlichung des Konflikts schied deshalb für die Bundesbank aus. Eine dritte, in der Fallstudie bereits als recht unwahrscheinlich dargestellte (siehe S. 93), aber dennoch denkbare und daher hier anzuführende Erklärung wäre, daß man in der Notenbank doch um die Unzulänglichkeit der eigenen Argumente wußte und deswegen eine Konfliktveröffentlichung nicht ernsthaft erwog. Der Saar-Konflikt um die bilanzielle Deckung der neuauszugebenden DMNoten ist noch aus einem anderen Grund wichtig. Er enthüllt nebenbei, daß entgegen der Aussage von Berger (1997a) ein direkter Zentralbankgeldtransfer in den Etat sogar kurz vor Bundestagswahlen doch sehr wohl möglich war. Der hierzu in relevanten Größenordnungen erforderliche Ankauf von Bundesschuldtiteln war (und ist) zwar nach dem geltenden Notenbankgesetz ausgeschlossen. Daraus ab-
5.2 Die Analyse der Bedeutung der öffentlichen Meinung
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zuleiten, daß der Transfer der Einnahmen nur indirekt und zudem in aller Öffentlichkeit vom BBk-Gewinn aus dem Verleih von zusätzlichem Zentralbankgeld an die Geschäftsbanken erfolgen konnte (und daß daher an eine „geräuschlose Finanzierung von Steuersenkungen“, wie Rogoff / Sibert (1988) vermuten, nicht zu denken sei),8 ist jedoch, wie die KfW-Notlösung zeigt, zu gutgläubig. Der Verdacht, daß die Bundesbank erpreßbar war und sich ggf. opportunistisch verhielt, läßt sich daher nicht so leicht, wie Berger (1997a) meint,9 aus der Welt schaffen. Dieser konkrete Konflikt bestätigt vielmehr die von Frey / Schneider (1981) entwickelte These der Befriedigungsstrategie (siehe S. 13). Das gilt um so mehr, als der ZBR erwiesenermaßen in erster Linie einlenkte, um eine gesetzliche Notenbankverpflichtung zu vermeiden, während ihm die Aussicht auf eine Liquiditätsminderung (siehe S. 135) sein Einlenken lediglich erleichterte. Die Analyse der seinerzeit öffentlich nicht zu beobachtenden Konflikte zwischen der Bundesbank und der Bundesregierung zeigt somit zusammenfassend, daß bei diesen Konflikten trotz deren verborgener Austragung in erster Linie die Erwartungen über die Haltung der Öffentlichkeit ausschlaggebend waren. Nicht jeder Konflikt eignete sich eben zur Veröffentlichung. Es gab Gründe, die die Bundesbank und die Bundesressorts erwarten ließen, nicht die öffentliche Unterstützung zu erhalten. In diesen Fällen spielten dann in zweiter Linie die Sündenbock-Funktion, andere Koalitionspartner als die Öffentlichkeit und eventuell die Qualität der Argumente eine wichtige Rolle. Die Befriedigungsstrategie, die Frey / Schneider (1981) vermuten, steckte die untere Grenze des Handlungsspielraums der Notenbank ab. Noch einen Schritt weiter als beim Saar-Konflikt um die bilanzielle Notendeckung ging die Bundesbank beim KWG-Konflikt um die gesetzliche Erfassung von MÜNEMANNs Revolvinggeschäften. Ihre Vertreter sprachen bei ihm keine Drohung aus, sondern zogen ihn, ohne lange zu fackeln, absichtlich direkt an die Öffentlichkeit. Hierzu verfaßte KÖNNEKER, erwiesenermaßen einer Anregung und Aufforderung BLESSINGs folgend, in der ZfgK einen Artikel, hinter den sich zwei Monate später offiziell auch der ZBR, also die Bundesbank, stellte (siehe S. 192 ff.). Die hiermit betriebene Konflikteskalation untermauert die These von Berger (1997a), daß die Notenbank bei der Gürzenich-Affäre mit Hilfe der öffentlichen Konfliktinszenierung die Auseinandersetzung mit der Bundesregierung für sich zu gewinnen versucht habe (siehe S. 18 f.). Der MÜNEMANN-Konflikt belegt nämlich erstmals konkret, daß dieses Vorgehen für die Bundesbank wirklich eine taktische Option darstellte, die sie unter bestimmten Bedingungen tatsächlich auch ausübte. Seine Darstellung entlarvt darüber hinaus die dahinterliegende Intention. KÖNNEKERs Hinweis auf die Notwendigkeit, „das Problem der Revolvingkredite in der öffentlichen Diskussion auf ein anderes Gleis zu schicken“, um, „auch gegenüber Bonn, eine bessere Ausgangslage für die weitere Behandlung des Stoffes zu schaffen“ (siehe S. 193), enthüllt nichts anderes als die Absicht im ZBR, die
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Berger (1997a), S. 167. Berger (1997a), S. 171 und S. 258.
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
Öffentlichkeit zwecks Durchsetzung der eigenen Vorstellungen zu instrumentalisieren. Die Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung dieser Taktik waren für die Bundesbank einerseits günstig. KÖNNEKER konnte es sich aus zwei Gründen ohne weiteres erlauben, nicht nur mit einer Veröffentlichung des Konflikts zu drohen, sondern ihn mit einer Veröffentlichung sogar zu verschärfen. Die Darstellung des MÜNEMANN-Konflikts deutet erstens auf ein Motiv hin, das die Bundesbank unabhängig von einer etwaigen Unterstützung durch die Öffentlichkeit in einem Konflikt zu dessen Veröffentlichung veranlaßt haben könnte. Bankgeschäfte sind in der Regel auf Vertrauen und Verschwiegenheit angewiesen – Grundlagen, die die Bundesbank MÜNEMANN durch die Konfliktveröffentlichung möglicherweise entziehen wollte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß BLESSING und KÖNNEKER bei ihrem Entschluß, diesen KWG-Konflikt zu „ventilieren“, auch den Hintergedanken hatten, damit gleichzeitig MÜNEMANNs „Geschäftsidee“ einem (noch) weiteren Kreis bekannt zu machen. Sie könnten in diesem Kreis auf Nachahmer gehofft haben, die durch eine Übernahme des 7m-Systems das Problem der Erfassung der Revolvinggeschäfte virulenter gemacht hätten. Für das BMWi erhöhte sich so unabhängig von der Tatsache, daß die Bevölkerung nach der Konfliktveröffentlichung weiter hinter MÜNEMANN stand, mit der Nachahmungsgefahr parallel der Druck, im KWG eine Lösung im BBk-Sinne festzuschreiben. Diese Überlegungen waren für BLESSING und KÖNNEKER aber wohl bestenfalls am Rand relevant, weil es zweitens für die Bundesbank keinen Anlaß für derartige Denkübungen gab. Sie hatte die Argumente auf ihrer Seite und daher eigentlich allen Grund zu der Annahme, daß die Öffentlichkeit sie unterstützen würde. Das läßt zunächst auch die dem aufgeführten Zitat zu entnehmende Zuversicht vermuten, mit der KÖNNEKER seinen Schritt an die Öffentlichkeit begründete. Daß dieses Kalkül dennoch nicht aufging, daß die Öffentlichkeit nicht Partei für die Bundesbank ergriff und daß die Bundesbank deswegen den Konflikt mit dem BMWi am Ende vermutlich verloren hätte, wenn sich nicht das Bundeskanzleramt in die Auseinandersetzung eingeschaltet hätte, illustriert das Risiko, das andererseits eine Konfliktveröffentlichung für den Veröffentlichenden birgt und ihn unter Umständen ex ante von einer unüberlegten Veröffentlichung abhält (siehe S. 14). Letzteres war hier nicht der Fall. BLESSING und KÖNNEKER schätzten dieses Risiko falsch ein und waren hinsichtlich der Chancen, die Öffentlichkeit für ihre Zwecke instrumentalisieren zu können, aus mehreren Gründen zu zuversichtlich. Sie wähnten (und hatten) die Argumente auf ihrer Seite. Zudem meinten sie eventuell, daß die näherrückenden Wahlen zum vierten Deutschen Bundestag die politischen Kosten eines möglichen Konflikts für die Bundesregierung erhöhten. Eine Rolle dürfte auch ihre vermutete, aus RBk-Zeiten noch offene alte Rechnung mit MÜNEMANN gespielt haben, die sie dazu verleitet haben könnte, den Notenbankeinfluß auf die öffentliche Meinungsbildung zu überschätzen. Damit wäre die Fehlspekulation der Bundesbank erklärt. Daß sich die Öffentlichkeit nach der von BLESSING und KÖNNEKER strategisch betriebenen Eskalation nicht wie in der Gürzenich-Affäre hinter die Noten-
5.2 Die Analyse der Bedeutung der öffentlichen Meinung
223
bank stellte, kann mit dem andersgearteten Konfliktgegenstand und der infolgedessen auch andersgearteten Koalitionsbildung erklärt werden. 1956 hatten ERHARD und SCHÄFFER im Verbund mit der Notenbank laut Berger (1997a) noch die „geballte wirtschaftspolitische Deutungsmacht“ vereint (siehe S. 19) und deswegen erfolgreich gegen ADENAUER und den BDI koaliert. Der erneuten Bildung dieser Dreierkoalition stand im Streit um die KWG-Erfassung von MÜNEMANNs Revolvinggeschäften der BdpB im Weg. Das BMWi hätte sich zwar auf die Seite der Bundesbank schlagen und zusammen mit ihr für die Erfassung plädieren können. Es hätte sich dann aber mit dem BdpB in einem Boot befunden und so unweigerlich den Eindruck seiner Instrumentalisierung erweckt. Dieser Eindruck wäre eventuell zwar falsch, von MÜNEMANN aber der Öffentlichkeit nach der sog. „Lex Münemann“ und dessen Klage vor dem Bundeskartellamt einfacher zu vermitteln gewesen als die bei einer Koalition mit der Bundesbank für eine KWGErfassung der Revolvinggeschäfte vorzutragenden währungspolitischen Gründe. Das BMWi zweifelte deshalb, wie die Notenbank im Saar-Konflikt um die bilanzielle Notendeckung, daran, durch eine Konfliktveröffentlichung die öffentliche Meinung für sich gewinnen zu können. ERHARD unterwarf sich lieber der öffentlichen Meinung und empfahl dies auch ADENAUER (siehe S. 199 f.). Die Bundesbank scheiterte im Konflikt mit dem BMWi, solange sie ohne Beistand war, also vor allem, weil der BdpB, auf den sie keinen Einfluß hatte, ihre kredit- und währungspolitisch begründeten Forderungen in einem falschen Licht erscheinen ließ. Während die Bundesbank im MÜNEMANN-Konflikt mit dem BdpB einerseits sozusagen den falschen Koalitionspartner hatte, verhalf ihr andererseits ADENAUER zum Kompromiß. Verglichen mit der Darstellung von Berger (1997a) zur Gürzenich-Affäre spielten ERHARD und ADENAUER so scheinbar mit vertauschten Rollen: ERHARD war nicht das der Notenbank eher wohlgesonnene, auch harte Auseinandersetzungen mit dem Kanzler in Kauf nehmende Kabinettsmitglied, ADENAUER nicht der ihr gegenüber durchaus feindselig auftretende Bundeskanzler. Während ERHARDs opportunistische Empfehlung mit der oben dargestellten Vorgeschichte zum MÜNEMANN-Konflikt bereits erläutert worden ist, verdient ADENAUERs Entscheidung, nicht ERHARD, sondern der Bundesbank zu folgen, „um ihr den Vorwurf einer Kapitulation zu ersparen“ (siehe S. 200 f.), besondere Erklärung. Diese Entscheidung könnte zwar mit benevolenten Motiven erklärt werden. Da man sich im Bundeskanzleramt jedoch nur mit der öffentlich diskutierten Erfassung, nicht aber darüber hinaus mit den „technischen Fragen“ (siehe S. 201), beschäftigte, scheint plausibler, daß ADENAUER die Koalition mit der quasi gegen jeden Zweifel erhabenen Bundesbank als willkommene Gelegenheit betrachtete, ERHARD kurz vor den Wahlen öffentlichkeitswirksam in seine Schranken zu weisen. Die Bundesbank gehörte somit in einem weiteren Sinn, als Berger (1997a) meint, zu ADENAUERs Politikportfolio. Die politische Bewegungsfreiheit, die er ihr zugestand, war nicht nur der Preis, den er zu zahlen bereit war, weil er deren Geldpolitik zu den Faktoren rechnete, die die Öffentlichkeit in die Beurteilung seiner Regierung einfließen ließ.10 Die Bundesbank war darüber hin10 Berger (1997a), S. 252.
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
aus für ADENAUER (wie für ERHARD in der Gürzenich-Affäre) gelegentlich auch Mittel zum Zweck, den Handlungsspielraum etwaiger Konkurrenten im Kabinett einzugrenzen. Die Bedeutung der Notenbank als wichtiges Element der Machtpolitik zwischen den Kabinettsmitgliedern dürfte somit ein weiterer, den Notenbankerfolg oder -mißerfolg in dem einen oder anderen Konflikt mit der Bundesregierung sinnvoll erklärender Faktor sein. Beim Konflikt um den Währungskurs bei der DM-Einführung im Saarland hatte die Bundesregierung eigentlich die Wahl zwischen dem offiziellen Kurs und der Kaufkraftparität. Diese Wahl bestand aber nur theoretisch, weil der öffentliche Druck lediglich die Kaufkraftparität zuließ. Bei einer an der Saar im Vergleich zum amtlichen Kurs ca. 20 Prozent niedrigeren Kaufkraft mußte die Mehrheit der Saarländer fast schon zwangsläufig die Umsetzung der Notenbankforderung ablehnen, nämlich die Währung entweder allgemein zum amtlichen Kurs umzustellen und dabei gewisse Lohnelemente (wie die Familienzulage und die weitere Lohnzulage) gegen den Widerstand der Gewerkschaften zu streichen oder alternativ die FFR-Noten, die FFR-Guthaben und die sonstigen einmaligen FFR-Verbindlichkeiten zum amtlichen Kurs umzustellen, die Umstellung der wiederkehrenden Forderungen (wie insbesondere Löhne und Renten) aber offenzulassen. Die Kursfrage betraf konkret alle Saarländer. Die Notenbank sorgte sich hingegen um die abstrakte äußere und innere Stabilität der DM, die noch gar nicht die Währung an der Saar war, und befand sich daher mit ihrer Forderung von Anfang an in einer aussichtslosen Lage. Dort schätzte man den Sachverhalt wohl ähnlich ein, wie bereits der Wortlaut ihres ersten Schreibens zur Kursfrage (siehe S. 101 f.) vermuten läßt. Die BdL fügte sich deshalb ohne nennenswerten Widerstand den Entscheidungen der Bundesregierung. Einen Kampf, wie ihn später die Bundesbank z. B. um ihre Befugnisse bei der materiellen Bankenaufsicht im KWG bestritt, focht sie jedenfalls nicht, weil sie keine öffentliche Unterstützung für ihre Auffassung erwartete, obwohl sie ein Jahr vor den nächsten Wahlen zum Deutschen Bundestag eigentlich in einer günstigen Verhandlungsposition war. Der ZBR wollte so von vornherein eine sicher erscheinende größere Niederlage in der Öffentlichkeit vermeiden und überließ die Kursfrage den Erörterungen auf untergeordneter Ebene. Dem DGB Saar hingegen fiel es aus denselben Gründen leicht, die Öffentlichkeit erfolgreich für seine Zwecke einzuspannen. Er ließ durch seine Äußerungen den Konflikt zwischen der Notenbank und der Bundesregierung absichtlich öffentlich eskalieren und isolierte so die Notenbank. Ihm half dabei, daß diese – wie später erneut beim MÜNEMANN-Konflikt – einen falschen Koalitionspartner hatte. Der Umstand, daß sich die Notenbank mit ihrer Forderung in einem Boot mit Frankreich befand, machte es ihren Gegnern relativ einfach, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, daß der „Umtausch“ lediglich aus politischen Gründen zum amtlichen Kurs vorgenommen werden solle. Eine Diskussion über die währungspolitischen Gründe für eine solche Umstellung konnte sich so nicht entwickeln. Daß tatsächlich zunächst das BMF (siehe S. 112), dann das BMWi (siehe S. 112 ff.) und am Ende auch die Bundesregierung (siehe S. 118 ff.) jeweils ihre Meinung, wie dargelegt, nicht aus sachlichen, sondern aus politischen Grün-
5.2 Die Analyse der Bedeutung der öffentlichen Meinung
225
den änderten, half der Notenbank nicht. Ebensowenig halfen ihr machtpolitische Spiele innerhalb des Bundeskabinetts, weil der Konflikt keinen Kompromiß mit ähnlich geringen politischen Kosten für die Bundesregierung wie beim MÜNEMANN-Konflikt zuließ. Nach der Intervention des DGB Saar stand daher die Haltung der Bundesressorts bei allen Schwierigkeiten der Entscheidungsfindung am Ende unverrückbar fest. Die qualitative Analyse der öffentlichen Konflikte zwischen der Notenbank und der Bundesregierung ergänzt die Analyse der verborgen ausgetragenen Konflikte somit wie folgt: Die Erwartungen über die Haltung der Öffentlichkeit waren im Hinblick auf eine Konfliktveröffentlichung zur Ausweitung des eigenen Handlungsspielraums ausschlaggebend, konnten aber falsch sein. Der Schritt an die Öffentlichkeit, den Puchta (1981) sieht, steckte die obere Grenze des Handlungsspielraums der Notenbank ab. Er stellte aber nicht nur ein Mittel der Notenbank, sondern auch ein Mittel gegen sie dar. Andere Koalitionspartner als die Öffentlichkeit konnten die Erfolgschancen der Notenbank in einem Konflikt verbessern, sie konnten sie aber auch verschlechtern. Machtpolitische Spiele zwischen den Bundesressorts bzw. deren Chefs konnten der Notenbank eventuell helfen. Die Qualität der Argumente garantierte, anders als zunächst angenommen, keinen Erfolg. Die Ergebnisse der vorliegenden qualitativen Analyse zur Bedeutung der öffentlichen Meinung bestätigen, anders als im vorigen Abschnitt, erstaunlich klar die Kernaussage der bisherigen Untersuchungen zu den Konflikten zwischen der bundesdeutschen Notenbank und der Bundesregierung: Die öffentliche Meinung bzw. Unterstützung war tatsächlich von überragender Bedeutung. Der MÜNEMANN-Konflikt bestätigt, daß die BBk-Führung die Option, einen Konflikt an die Öffentlichkeit zu tragen, bedachte und ggf. auch mit der Absicht umsetzte, die Öffentlichkeit für ihre Ziele zu instrumentalisieren. Der von Puchta (1981) vermutete eigennutzorientierte, zwecks Ausweitung des eigenen Handlungsspielraums öffentlich inszenierte Eintritt der Notenbank in Konflikte mit der Regierung (siehe S. 13 f.) ist also höchst relevant. Der KWG-Konflikt um eine BBk-Ermächtigung zur Zinsfestsetzung belegt einerseits, daß die Bundesressorts um diese Option wußten, und andererseits, daß der Bundesbank diese Option nicht immer ausreichte. Für letzteres gab es Gründe. Die BBk-Führung wußte, daß die Konfliktveröffentlichung per se nicht gleich auch ihren Erfolg garantierte. Keineswegs sicher war nämlich, daß sich die Öffentlichkeit stets quasi wie ein Selbstläufer hinter die Bundesbank stellen würde. Die Notenbank mußte mehrmals diese für sie schmerzhafte Erfahrung machen: Im MÜNEMANN-Konflikt verspekulierte sie sich, und die von ihr bewußt betriebene Konfliktveröffentlichung zahlte sich erst nach der unerwarteten (aber vermutlich durch sie ausgelösten) Intervention ADENAUERs aus. Im Saar-Konflikt um den Währungskurs gelang es ihren Gegnern sogar, die Öffentlichkeit erfolgreich gegen sie zu mobilisieren. Die Öffentlichkeit war selbst bei den verborgen ausgetragenen Konflikten wichtig. Ihre Wichtigkeit hing von zwei Faktoren ab. Sie stieg einerseits mit der Gefahr, die eine Partei darin sah, daß die andere Partei einen Konflikt veröffentlichen könnte. In der zweiten Hälfte des EVSt-Konflikts und im Saar-Konflikt um
226
5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
die bilanzielle Notendeckung hielten die betroffenen Ressortchefs in der Bundesregierung die Gefahr erheblicher politischer Kosten infolge einer Konfliktveröffentlichung durch die Notenbank für besonders groß. Im Hinblick hierauf war die Bundesbank in diesen beiden Konflikten unter taktischen Aspekten deutlich besser positioniert als in der ersten Hälfte des EVSt-Konflikts, im KWG-Konflikt um die BBk-Beteiligung an der materiellen Bankenaufsicht und im KWG-Konflikt um eine BBk-Ermächtigung zur Zinsfestsetzung. Die Wichtigkeit stieg andererseits mit den Chancen, die sich eine Partei einräumte, durch eine Konfliktveröffentlichung die Öffentlichkeit für die eigenen Zwecke erfolgreich instrumentalisieren zu können. Das Ergebnis im EVSt-Konflikt und das Ergebnis im SaarKonflikt um die bilanzielle Notendeckung waren deshalb unterschiedlich. Während die Notenbank in der zweiten Hälfte des EVSt-Konflikts eigentlich keine sie von einer Konfliktveröffentlichung abhaltenden Gründe mehr hatte und daher Druck auf die Bundesressorts ausüben konnte, waren im Saar-Konflikt um die bilanzielle Notendeckung ihre Zweifel, tatsächlich auch öffentliche Unterstützung zu erhalten und mit deren Hilfe eine Lösung in ihrem Sinne zu erreichen, zu groß. Dieser Konflikt wurde deshalb von der Bundesbank nicht bis zum bitteren Ende, aber wegen seiner Bedeutung dennoch mit hoher Intensität ausgetragen. Der Drohung aus dem BMF und dem BMWi, die Bundesbank gesetzlich zur Kredithergabe zu verpflichten, hielt sie ihrerseits die Drohung entgegen, notfalls den Konflikt zu veröffentlichen. Sie ging aber nicht weiter, obwohl ihre Drohung bei den Ressortchefs Wirkung zeigte. Heraus kam deshalb der beschriebene KfWKompromiß mit den größeren Zugeständnissen auf seiten der Bundesbank. Sie kam, um ihre gesetzliche Verpflichtung zu verhindern, den Bundesressorts deutlich entgegen und finanzierte sogar die notenbankfremde Ersparnissicherung. Sie verfolgte in diesem Konflikt wegen der unklaren öffentlichen Haltung die von Frey / Schneider (1981) hinter ihrem Verhalten vermutete Befriedigungsstrategie. In der ersten Hälfte des EVSt-Konflikts, im KWG-Konflikt um die BBkBeteiligung an der materiellen Bankenaufsicht und im KWG-Konflikt um eine BBk-Ermächtigung zur Zinsfestsetzung waren die Möglichkeiten, die die Notenbank hatte, um, wie Puchta (1981) meint, den eigenen Handlungsspielraum durch ihren Eintritt in einen offenen Konflikt mit der Bundesregierung auszuweiten, kaum vorhanden oder zumindest sehr begrenzt. In den Bundesressorts dürfte man daher auch jeweils die Wahrscheinlichkeit einer Konfliktveröffentlichung durch die Notenbank als relativ gering eingeschätzt haben. Erhebliche politische Kosten konnte die Notenbank direkt also nicht androhen, geschweige denn verursachen. Es gab dennoch Faktoren, die ihr einen gewissen Handlungsspielraum gaben, weil sie ihr gestatteten, indirekt der Regierung politische Kosten zu verursachen. Andererseits gab es zugleich Faktoren, die ihren Handlungsspielraum wieder einengten. Ein hervorragendes Beispiel hierfür wäre, daß eine Veröffentlichung des EVStKonflikts nicht nur eine wahlorientierte opportunistische Komponente in der Einlagerungspolitik der Bundesregierung, sondern auch eine nicht notenbankkonforme Einflußnahme der Bundesbank auf die EVSt-Einlagerung offenbart hätte. Weiteren Handlungsspielraum eröffnete der Notenbank ihre potentielle Sündenbock-Funktion für die Bundesregierung, die sie im KWG-Konflikt um die BBk-
5.3 Zusammenfassung
227
Beteiligung an der materiellen Bankenaufsicht gegenüber den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes ausübte. Diese könnte man insoweit als weitere „Koalitionspartner“ der Bundesbank bezeichnen. Ein und derselbe Koalitionspartner oder Teile davon konnten, wie der BdpB beim MÜNEMANN-Konflikt, ihren Handlungsspielraum in anderen Auseinandersetzungen wieder einengen. Wie dieser Konflikt ebenfalls zeigt, konnte der Notenbank andererseits ihre Bedeutung für machtpolitische Spiele in und zwischen den Bundesressorts sowie im Bundeskabinett hilfreich sein. Ihre Argumentationsgüte beeinflußte natürlich ihren Handlungsspielraum, garantierte aber keinen Erfolg. 5.3 Zusammenfassung Die in dieser Arbeit anhand von drei Fallstudien vorgenommene qualitative Analyse des Verhaltens im ZBR auf einer individuellen Ebene und des Notenbankverhaltens gegenüber der Bundesregierung auf einer kollektiven Ebene zeigt im Ergebnis somit zweierlei: Zur individuellen Ebene, d. h. zum Verhalten im ZBR, kann als Ergebnis der vorliegenden Arbeit festgehalten werden, daß sowohl die auf diese Ebene übertragene Opportunitätshypothese von Frey / Schneider (1981) als auch die Parteipräferenzhypothese von Vaubel (1993) einen gewissen Erklärungsgehalt besitzt. Die ZBR-Beschlüsse und die darauf beruhenden Notenbankaktionen, wie die konziliante Beilegung oder die unversöhnliche Veröffentlichung eines Konflikts, waren bei den Direktoriumsmitgliedern und LZB-Präsidenten unterschiedlich motiviert. Die Direktoriumsmitglieder orientierten ihr Handeln in erster Linie an einer Ausweitung des Notenbankinstrumentariums. In zweiter Linie lassen sich ihr Verhalten und ihre Argumentation in zahlreichen Einzelfällen relativ gut durch opportunistische und / oder parteigängerische Motive erklären. Wenngleich meistens offen bleiben muß, welches dieser beiden Motive letztlich ausschlaggebend war, zeigt sich bei ihnen jedenfalls eine regierungsfreundliche Haltung. Die LZB-Präsidenten waren demgegenüber eine inhomogene Gruppe. Einige waren politisch motiviert, andere handelten sachorientiert, d. h. unabhängig. Wegen ihrer Informationsabhängigkeit vom Direktorium stellten sie trotz ihrer numerischen Überlegenheit im ZBR nicht immer ein ausreichendes Gegengewicht zu den Direktoriumsmitgliedern dar. Zur kollektiven Ebene, d. h. zum Verhältnis zwischen Notenbank und Bundesregierung, kann als Ergebnis der vorliegenden Arbeit festgehalten werden, daß sowohl, wie der KWG-Konflikt um die Erfassung von MÜNEMANNs Revolvinggeschäften zeigt, die These von Puchta (1981) als auch, wie der Saar-Konflikt um die bilanzielle Notendeckung illustriert, die These von Frey / Schneider (1981) gültig ist. Die Strategie der geplanten öffentlichen Eskalation und die Befriedigungsstrategie steckten für die Notenbank die theoretisch denkbaren Grenzen ihres Handlungsspielraums in den Konflikten mit der Bundesregierung ab. Praktisch konnte die Notenbank diese Grenzen manchmal beeinflussen, manchmal nicht. Dieses Ergebnis bestätigt die Aussage von Berger (1997a), daß die in der Realität
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5 Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse
zu beobachtenden Konflikte nicht zwangsläufig existentiell, sondern „Indikatoren eines an sich stabilen institutionellen Arrangements bzw. der jeweiligen Handlungsspielräume“ seien (siehe S. 14). Die vorliegende qualitative Arbeit liefert einen Beitrag zur Beschreibung der Faktoren, die dieses Arrangement bzw. diese Handlungsspielräume ganz wesentlich beeinflussen. Sie zeigt, daß auch in den öffentlich nicht zu beobachtenden Konflikten in erster Linie die Erwartungen über die Haltung der öffentlichen Meinung entscheidend waren und daß erst in zweiter Linie weitere Faktoren wie andere Koalitionspartner als die Öffentlichkeit (im guten und im schlechten Sinne), die Sündenbock-Funktion der Notenbank und deren Bedeutung für machtpolitische Spiele in der Bundesregierung zählten. Im Hinblick auf die Erwartungen über die Haltung der öffentlichen Meinung zeigt sie dabei ferner, daß die Güte der Argumente nicht immer ausschlaggebend war. Diese Erkenntnis hat Folgen für die Fähigkeiten der Notenbank, die Grenzen ihres Handlungsspielraums einzuschätzen und zu beeinflussen. Dem Argument, die Bundesregierung hätte in einem existentiellen Konflikt die Notenbank durch eine einfache Gesetzesänderung quasi „gleichschalten“ können, wird in der Regel entgegengehalten, daß eine solche Änderung auf den Widerstand der nach zwei Hyperinflationen besonders stabilitätsbewußten deutschen Öffentlichkeit gestoßen und daher nicht vorgenommen worden wäre. Dieser Einwand setzt voraus, daß die Öffentlichkeit um die geldpolitische Notwendigkeit einer unabhängigen Notenbank wußte. Hiervon kann nach den gemachten Inflationserfahrungen ausgegangen werden: Die Öffentlichkeit hätte sich – wie in der Gürzenich-Affäre – hinter die Notenbank gestellt, wenn es zu einem Angriff auf deren Unabhängigkeit gekommen wäre, weil sie eine unabhängige Notenbank als Voraussetzung für die Geldwertstabilität verinnerlicht hatte. Dieser Einwand läßt sich aber, wie zwei Beispiele zeigen, nicht ohne weiteres auf Konflikte übertragen, bei denen es zwar um wichtige, nicht aber um existentielle Fragen ging. Beim MÜNEMANN-Konflikt hatte die Bundesbank (wie bei einem Angriff auf ihre Unabhängigkeit) zwar die Argumente, nicht aber die nach der Konfliktveröffentlichung weiter zu MÜNEMANN haltende Öffentlichkeit auf ihrer Seite. Ohne die Intervention ADENAUERs hätte sich also das BMWi dank der öffentlichen Unterstützung durchgesetzt und gegen den BBk-Widerstand die Aufnahme von Vorschriften zum Revolvinggeschäft verhindert, obwohl die Argumente sachlich für die Notenbank sprachen. Im Saar-Konflikt um die bilanzielle Notendeckung erzielte umgekehrt die Bundesbank dank der von ihr angedrohten Konfliktveröffentlichung immerhin den dargestellten KfW-Kompromiß, obwohl sachlich sowohl ihre Forderungen nach einer Etatfinanzierung unbegründet als auch ihre Argumente gegen die Zuteilung einer Ausgleichsforderung unzutreffend waren. Beide Beispiele zusammen machen klar, daß sich die Notenbank der Öffentlichkeit zwar zur Maximierung ihres Handlungsspielraums bedienen und hierzu einen Konflikt geplant öffentlich eskalieren lassen kann, daß ihr hierfür aber das in der Öffentlichkeit vorhandene Wissen oder die dort verbreitete Überzeugung auch die obere Grenze setzt. So hätte die Bundesbank sicherlich die Erfassung von Revolvinggeschäften im KWG ohne die Intervention ADENAUERs erreicht,
5.3 Zusammenfassung
229
wenn die Öffentlichkeit nicht den vordergründigen Argumenten MÜNEMANNs geglaubt, sondern die Stichhaltigkeit der Notenbankargumente erkannt hätte. Umgekehrt hätte allerdings das BMWi im Saar-Konflikt um die bilanzielle Notendekkung mit Sicherheit den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt, wenn diese von der Richtigkeit der Regierungsforderungen zu überzeugen gewesen wäre. In beiden Fällen hätte in der Öffentlichkeit ein über die währungspolitische Argumentation für eine unabhängige Notenbank hinausgehendes Wissen um komplexe Zusammenhänge vorhanden sein müssen. Im Fall des Saar-Konflikts um die bilanzielle Notendeckung hätte sie sogar einen höheren Wissensstand haben müssen als der ZBR. Daß diese Voraussetzungen gegeben waren, kann als unrealistisch angenommen werden. Die theoretische Literatur sieht das nicht anders, da sie die Errichtung einer unabhängigen Notenbank, wie erwähnt (siehe S. 9 f.), gerade mit der anderenfalls stattfindenden Manipulation der Wähler durch die Akteure in Regierung und Bürokratie begründet. Der Einfluß der Öffentlichkeit auf das Verhältnis zwischen der bundesdeutschen Notenbank und der Regierung war somit ambivalent. Die Notenbank verdankte die Beibehaltung ihres rechtlichen Unabhängigkeitsstatus, der ihr bei ihrer Errichtung übertragen worden war, zweifellos der Öffentlichkeit und deren Stabilitätsbewußtsein. Dennoch konnte es in bestimmten Konflikten vorkommen, daß die Notenbank wegen des Damoklesschwerts einer Gesetzesänderung faktisch nicht so unabhängig war, wie es ihre rechtliche Unabhängigkeit vermuten läßt, weil sie nicht immer sicher sein konnte, tatsächlich die Unterstützung der Öffentlichkeit zu erhalten.
Einzel- und Grundsatzentscheidungen über Blankokredite Entgegennahme von Anzeigen über Organkredite Entscheidungen betreffend Auszahlung von Anteilen im Geschäftsergebnis an Geschäftsleiter eines Instituts Entscheidungen über das Verhältnis der liquiden Mittel zu den Verpflichtungen Entscheidungen, die die Liquidität zweiten Grades betreffen
§ 13 § 14 (7) § 15 (1)
§ 16 (3)2 § 17 (1) § 17 (1) S. 3 § 19
§ 16 (2) S. 3
§ 16 (1) S. 4
§ 16 (2) S. 1
§ 16 (1) S. 2
Entscheidungen über bestimmte Ausnahmen von den Festsetzungen nach § 16 (1) Entscheidungen über Ausnahmen der Liquiditätsvorschriften im Sinne von § 16 (1, 2) Ausnahmen und Sondervorschriften Entscheidungen über das Verhältnis Wertpapiere/Verpflichtungen Entscheidungen, die Ausnahmen von § 17 (1) betreffen Entscheidungen über Anträge auf Abweichungen v. §§ 11, 12, 16 u. 17
Entgegennahme von Anzeigen, die die Höchstkreditgrenze übersteigen
§ 12 (2)
§ 12 (1)
Entscheidungen über das Verhältnis von Einzelkrediten zum haftenden Eigenkapital
Entscheidungen über Einzelheiten im Sinne von § 11 (1)
§ 11 (5)
2
V. Vorschriften für das Eigenkapitel und die Liquidität Entscheidungen über das Verhältnis der Gesamtverpflichtungen eines Kreditinstituts zum haftenden Eigenkapital
III. Anzeigepflicht Entgegennahme von Anzeigen, die den Wechsel der Person der Geschäftsleiter, Kapitalveränderungen, die Absicht von Fusionen und die Einstellung des Geschäftsbetriebes betreffen Entgegennahme von Anzeigen, die die Gesamtverschuldung eines Kreditnehmers bei einem Kreditinstitut betreffen, welche den Betrag von 1 Mio. DM übersteigt Benachrichtigung von Kreditinstituten über die Mehrfachverschuldung der Kreditnehmer (Evidenzzentrale)
Gegenstand1
§ 11 (1)
§ 9 (2)
§ 9 (1)
§ 8 (1, 2)
§§1 (nach dem KWG 1944)
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KWG 19392 RBkRMWi Direkt.
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KWG 19441 RBkRMWi Direkt.
§ 9 (6)#
§ 11 (4/6)
§ 11 (6)
§ 11 (4)
§ 11 (1) [§ 11 (3)] § 11 (1) [§ 11 (3)]
§ 18 § 16 (4)
§ 14 (1) S. 2
§ 14 (1) S. 1
§ 9 (1) S. 2 [§ 9 (2), § 10 (3)]
§ 9 (1) S. 1 [§ 10 (1)]
§ 15 (2)
§ 15 (1)
§ 23
§§
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10.000 weggefallen
A
X/A/weggefallen weggefallen
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Anhang A-1: Vergleichende Übersicht über die Notenbankbefugnisse nach dem KWG 1939, dem KWG 1944 und dem ersten Referentenentwurf vom 18. Januar 1958
Anhang 230 Anhang
Überwachung der Einhaltung der Vorschriften und der Grundsätze und Bedingungen des KWG Befugnis, jederzeit die Einreichung von Bilanzen pp. zu verlangen Befugnis, v. allen inl. Unternehmungen Angaben über ihre Zahlungsverbindlichkeiten ggü. dem Ausland zu fordern Bestellung von Depotprüfern Das Recht, von den Kreditinstituten die Kosten für bestimmte bankenaufsichtliche Einzelmaßnahmen zu erhalten Beteiligung an der Festsetzung von Bankzinsen Das Recht, von anderen Behörden Amtshilfe zu verlangen
VI. Einreichung von Bilanzen Entgegennahme der Jahresbilanzen nebst GuV-Rechnung, von Rohbilanzen zum 30. Juni und von Monatsausweisen Vorschriften über die einzureichenden Bilanzen Anordnungsbefugnis über die statistische Veröffentlichung von Bilanzen und Monatsausweisen Erlaß von Vorschriften über Bilanzen und Monatsausweise, Auskunftsrecht ggü. Kreditinstituten u. Revisionsverbänden Weitergabe an das Aufsichtsamt Befreiung von der Verpflichtung zur Einreichung von Bilanzen und Monatsausweisen VII. Sparverkehr Erlaß von Anordnungen über die Höhe der Einzelauszahlungen auf Sparbücher Anordnungen über die Anlage von Spareinlagen Entscheidungen über die Abweichung von Anlagevorschriften bei Spareinlagen VIII. Unbarer Zahlungsverkehr Erlaß von Vorschriften über den unbaren Zahlungsverkehr Erlaß von Vorschriften über die Gebühren im unbaren Zahlungsverkehr Erlaubniserteilung für die Neuschaffung [Untersagung] v. Einrichtungen, die dem unbaren Zahlungsverkehr dienen IX. Die Aufsicht Maßnahmen zur Beseitigung von Mißständen im Kreditgewerbe -
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§ 38 (3) S. 1 § 7 (2)
§ 53 (3)
§ 40 (2)
§ 39 (1)
*
§ 39 (1)
§ 7 (1)*
§ 6 (2)
§ 22 (3)
§ 24 (5)
§ 24 (2) [§ 24 (4)] § 24 (3)
-
§ 24 (4)
§ 24 (1)
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Anmerkungen: Fettdruck = Ausweitung der Befugnis im KWG 1944 im Vergleich zum KWG 1939, und zwar aufgrund von X (= Zuständigkeit) oder des Erfordernisses des B (= Benehmens) oder E (= Einvernehmens). Ferner gilt: A (= Anhören bzw. Anhörung) und Z (= Zustimmung). * Entgegen der Darstellung KÖNNEKERs dem Referentenentwurf nicht zu entnehmen. # Ebenso in §§ 11 (6) S. 2 und 14 (2) S. 2. Korrekturen: § 16 (1) S. 4 anstelle § 16 (1) S. 3 und § 32 Ziff. d anstelle § 32 Ziff. b Quellen: 1 Anlage 2 zur Vorlage (KÖNNEKER) vom 31.03.1958 betr. Funktionen, die dem früheren RBk-Direktorium nach dem KWG vom 25.09.1939 in der Fassung der Verordnungen vom 23.07.1940 (RGBl. I S. 1047) und vom 18.09.1944 (RGBl. I S. 211) zustanden, zur 21. Sitzung des ZBR/BBk am 10.04.1958 in B 330/139/2. 2 Eigene Ergänzung. 3 Anlage 3 (Vergleichende Übersicht – KWG vom 25.09.1939 (RGBl. I S. 1955) i. d. Fassung der VO vom 23.07.1940 (RGBl. I S. 1047) und der VO vom 18.09.1944 (RGBl. I S. 211) mit dem Entwurf eines KWG (Referentenentwurf vom 18.01.1958) –) zur Vorlage (KÖNNEKER) vom 31.03.1958 zur 21. Sitzung des ZBR/BBk am 10.04.1958 in B 330/139/2
§ 36 S. 3 § 37
§ 33 (2) § 35
§ 32 Zi. a § 32 Zi. d
§ 30 (3)
§ 30 (2)
§ 29 (1) [§ 29 (2)]
§ 28 (1) § 28 (3)
§ 24 (2) § 26
2
§ 23 (4)
§ 20 (5) § 21
§ 20 (4)
§ 20 (2)2 § 20 (3)
§ 20 (1)
Anhang
231
232
Anhang
Anhang A-2: Die Kreditrichtsätze nach dem Stand vom 15. Dezember 1954
Gewerbliche Kreditgenossenschaften
Ländliche Kreditgenossenschaften
Die Summe der kurzfristigen Kredite an Wirtschaftsunternehmen und Private soll das 15fache der bilanzmäßig ausgewiesenen haftenden Mittel der Sparkasse nicht übersteigen.
Die Summe der kurzfristigen Kredite an Wirtschaftsunternehmen und Private soll das 15fache der bilanzmäßig ausgewiesenen haftenden Mittel der gewerblichen Kreditgenossenschaft (zzgl. des gesetzlichen Haftsummenzuschlages) nicht übersteigen.
Die Summe der Debitoren (Kontokorrentkredite und Akzeptkredite) der Kreditbank soll 60 vH der haftenden Mittel und Einlagen des Instituts nicht übersteigen.
Die Summe der Debitoren zzgl. der Debitorenziehungen soll 60 vH der ausgewiesenen haftenden Mittel und Einlagen der Sparkasse, wobei die Spareinlagen nur in Höhe von 50 vH einbezogen werden, nicht übersteigen.
III
Die Summe der liquiden Mittel der Kreditbank soll 20 vH der fremden Gelder nicht unterschreiten.
Die Summe der liquiden Mittel der Sparkasse soll 15 vH der fremden Gelder, wobei die Spareinlagen nur in Höhe von 50 vH einbezogen werden, nicht unterschreiten.
IVa
Das gesamte Volumen der Akzeptkredite und Debitorenziehungen soll das 3fache der haftenden Mittel des Instituts nicht übersteigen.
IVb
Die in dem gesamten Volumen der Akzeptkredite und Debitorenziehungen enthaltenen, nicht der unmittelbaren Ausfuhr-, Einfuhr- und Erntefinanzierung dienenden Akzeptkredite und Debitorenziehungen sollen die haftenden Mittel des Instituts nicht übersteigen.
Richtsatz
Kreditbanken
Sparkassen
I
Die Summe der kurzfristigen und mittelfristigen Kredite an Wirtschaftsunternehmen und Private soll das 18fache der haftenden Mittel der Kreditbank nicht übersteigen.
II
Girozentralen
Gewerbliche Zentralkassen
Ländliche Zentralkassen
Die Summe der kurzfristigen Kredite soll das 15fache der ausgewiesenen haftenden Mittel der ländlichen Kreditgenossenschaft (zzgl. des gesetzlichen Haftsummenzuschlages) nicht übersteigen.
Die Summe der kurzfristigen Kredite an Wirtschaftsunternehmen und Private soll das 15fache der bilanzmäßig ausgewiesenen haftenden Mittel der Girozentrale nicht übersteigen.
Die Summe der kurzfristigen Kredite an Wirtschaftsunternehmen und Private soll das 5fache der bilanzmäßig ausgewiesenen haftenden Mittel der gewerblichen Zentralkasse nicht übersteigen.
Die Summe der kurzfristigen Kredite soll das 20fache der ausgewiesenen haftenden Mittel der ländlichen Zentralkasse nicht übersteigen.
Die Summe der Debitoren zzgl. der Debitorenziehungen soll 70 vH der ausgewiesenen haftenden Mittel (zzgl. des gesetzlichen Haftsummenzuschlages) und Einlagen der Kreditgenossenschaft nicht übersteigen.
Die Summe der Debitoren und Debitorenziehungen soll 70 vH der ausgewiesenen haftenden Mittel (zzgl. des gesetzlichen Haftsummenzuschlages) und Einlagen nicht übersteigen.
Die Summe der Debitoren zzgl. der Debitorenziehungen soll 70 vH der ausgewiesenen haftenden Mittel und Einlagen, wobei die Spareinlagen nur in Höhe von 50 vH einbezogen werden, nicht übersteigen.
Die Summe der Debitoren zzgl. der Debitorenziehungen soll 80 vH der ausgewiesenen haftenden Mittel und Einlagen der gewerblichen Zentralkasse nicht übersteigen.
Kein Richtsatz festgelegt.
Die Summe der liquiden Mittel der gewerblichen Kreditgenossenschaft soll 15 vH der fremden Gelder, wobei die Spareinlagen nur in Höhe von 50 vH einbezogen werden, nicht unterschreiten.
Die Summe der liquiden Mittel der ländlichen Kreditgenossenschaft soll 15 vH der fremden Gelder, wobei die Spareinlagen nur in Höhe von 50 vH einbezogen werden, nicht unterschreiten.
Die Summe der liquiden Mittel der Girozentrale soll 20 vH der fremden Gelder, wobei die Spareinlagen nur in Höhe von 50 vH einbezogen werden, nicht unterschreiten.
Die Summe der liquiden Mittel der gewerblichen Zentralkasse soll 20 vH der fremden Gelder, wobei die Spareinlagen nur in Höhe von 50 vH einbezogen werden, nicht unterschreiten.
Kein Richtsatz festgelegt.
Quelle: Geschäftsbericht (BdL) 1956, S. 120; auch in v. Spindler / Becker / Starke (1957), S. 57 f.
Anhang
233
Anhang A-3: Die Kreditrichtsätze lt. ZBR-Beschluß in der 27. Sitzung am 10. Juli 1958 Die vier revidierten Kreditrichtsätze sollen demgemäß lauten: Richtsatz I
Richtsatz II
Richtsatz IIa
Richtsatz IV
Die Summe der kurz-, mittel- und langfristigen Kredite an Wirtschaftsunternehmen, Private und Kreditinstitute soll bei Kreditbanken, Girozentralen und Zentralkassen das 20-fache, bei Sparkassen das 25-fache, bei gewerblichen Kreditgenossenschaften das 15-fache der haftenden Mittel (ohne Sammelwertberichtigungen) nicht übersteigen. Die Summe der Debitoren, Debitorenziehungen, langfristigen Ausleihungen, Beteiligungen und Immobilien soll nach Abzug des Eigenkapitals, der eigenen Schuldverschreibungen im Umlauf, der aufgenommenen langfristigen Darlehn und der Hälfte der Spareinlagen 70 v. H. der Einlagen nicht übersteigen. Bei der Errechnung der Einlagen sind alle Spareinlagen sowie die Sicht- und Termineinlagen von Kreditinstituten jeweils nur mit der Hälfte ihres Betrages einzusetzen. Die Summe der langfristigen Ausleihungen, Beteiligungen und Immobilien soll die Summe des Eigenkapitals, der eigenen Schuldverschreibungen im Umlauf, der aufgenommenen langfristigen Darlehen und der Hälfte der Spareinlagen nicht übersteigen. (künftig Richtsatz III) Die umlaufenden eigenen Akzepte, Solawechsel und Debitorenziehungen eines Kreditinstituts sollen das 1,5-fache seiner haftenden Mittel (ohne Sammelwertberichtigungen) nicht übersteigen.
Für ländliche Kreditgenossenschaften sollen die Richtsätze I und II abweichend von den für die übrigen Kreditinstitute geltenden Richtsätzen I und II wie folgt festgesetzt werden: Richtsatz I Richtsatz II
Die Summe der kurz-, mittel- und langfristigen Kredite soll das 15-fache der haftenden Mittel (ohne Sammelwertberichtigungen) nicht übersteigen. Die Summe der Debitoren, Debitorenziehungen, langfristigen Ausleihungen, Beteiligungen und Immobilien soll nach Abzug des Eigenkapitals, der aufgenommenen langfristigen Darlehen und der Hälfte der Spareinlagen 70 v. H. der Einlagen nicht übersteigen. Dabei sind alle Spareinlagen sowie die Sicht- und Termineinlagen von Kreditinstituten jeweils nur mit der Hälfte ihres Betrages einzusetzen.
Richtsatz IIa und IV ist gleichlautend auch für die ländlichen Kreditgenossenschaften.
Quelle: Auszug aus dem Protokoll zur 27. Sitzung des ZBR/BBk am 10. Juli 1958, TOP 8 („Revision der Kreditrichtsätze der Deutschen Bundesbank“), in B 330/142
234
Anhang
Anhang A-4: Entwürfe zu den einzelnen notenbankrelevanten Vorschriften im KWG § 11 („Liquidität“) nach der ersten Fassung eines KWG-Entwurfs vom 18.01.1958 (1) Die Kreditinstitute haben x vom Hundert ihrer Gesamtverpflichtungen gemäß § 10 Abs. 1 Nummer 1 bis 3 in Verbindung mit Absatz 2 in liquiden Mitteln zu unterhalten (Liquiditätsreserve). Bei der Berechnung der Gesamtverpflichtungen sind Spareinlagen nur zur Hälfte anzusetzen. Liquide Mittel, die in den § 10 Abs. 2 bezeichneten Deckungsmassen enthalten sind, bleiben außer Ansatz. (2) Liquide Mittel sind 1. der Kassenbestand; 2. Guthaben bei der Deutschen Bundesbank; 3. Guthaben, die ländliche Kreditgenossenschaften bei ihrer Zentralkasse gemäß § 16 Abs. 4 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank unterhalten; 4. Guthaben bei einem Postscheckamt im Geltungsbereich dieses Gesetzes; 5. Wechsel, Schatzwechsel und unverzinsliche Schatzanweisungen, die gemäß § 19 Abs. 1 Nummer 1 bis 3 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank angekauft oder beliehen werden können; 6. Guthaben mit täglicher Fälligkeit sowie Kündigungsfrist oder Laufzeit von weniger als drei Monaten, die Sparkassen oder Kreditgenossenschaften bei ihrer Girozentrale oder Zentralkasse unterhalten; sie sind jedoch nur bis zu y vom Hundert der vorgeschriebenen Liquiditätsreserve anzusetzen; die unter Nummer 3 bezeichneten Guthaben werden hierbei nicht angerechnet. 7. andere Guthaben bei einem Kreditinstitut mit täglicher Fälligkeit und Kündigungsfrist oder Laufzeit von weniger als der vorgeschriebenen Liquiditätsreserve anzusetzen. (3) Ein Viertel der vorgeschriebenen Liquiditätsreserve ist in liquiden Mitteln gemäß Absatz 2 Nummer 1 bis 4 zu unterhalten (Barreserve). Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. (4) Der Bundesminister für Wirtschaft kann nach Anhörung des Kuratoriums durch Rechtsverordnung für Arten oder Gruppen von Kreditinstituten die in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 bezeichneten Sätze ermäßigen. (5) Die Verpflichtung der Kreditinstitute, gemäß § 16 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank Mindestreserven zu unterhalten, bleibt unberührt. (6) Das Bundesaufsichtsamt erläßt nähere Bestimmungen über die Berechnung und Feststellung der Liquiditätsreserve und der Barreserve. Es kann ein Kreditinstitut auf Antrag von den Vorschriften der Absätze 1 und 3 vorübergehend befreien. § 11 („Liquidität“) nach der dritten Fassung eines KWG-Entwurfs vom 31.10.1958 Die Kreditinstitute müssen die ihnen anvertrauten Gelder so anlegen, daß jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft gewährleistet ist. Das Bundesaufsichtsamt stellt im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank Grundsätze auf, nach denen es beurteilt, ob die Liquidität eines Kreditinstituts ausreicht; die Spitzenverbände der Kreditinstitute sind vorher anzuhören. Die Grundsätze sind im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. § 10 („Liquidität“) nach dem KWG-Entwurf vom 05.02.1959 zur Kabinettsvorlage vom 10.02.1959 Die Kreditinstitute müssen die ihnen anvertrauten Gelder so anlegen, daß jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft gewährleistet ist. Das Bundesaufsichtsamt stellt im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank Grundsätze auf, nach denen es für den Regelfall beurteilt, ob die Liquidität eines Kreditinstituts ausreicht; die Spitzenverbände der Kreditinstitute sind vorher anzuhören. Die Grundsätze sind im Bundesanzeiger zu veröffentlichen.
Anhang
235
§ 9 („Kapitalausstattung“) nach der ersten Fassung eines KWG-Entwurfs vom 18.01.1958 (1) Die Kreditinstitute müssen ein haftendes Eigenkapital haben. Dieses darf in der Regel fünf vom Hundert ihrer Gesamtverpflichtungen abzüglich der in § 11 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 bezeichneten, tatsächlich gehaltenen Anlagen nicht unterschreiten; der Bundesminister für Wirtschaft kann nach Anhörung des Kuratoriums durch Rechtsverordnung einen höheren Satz, jedoch nicht mehr als fünfzehn vom Hundert festsetzen. Er kann den Satz für Arten oder Gruppen von Kreditinstituten verschieden bemessen. (2) Als haftendes Eigenkapital ist anzusehen: 1. bei Einzelkaufleuten, offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften das Geschäftskapital nach Abzug entstandener Verluste, der Entnahmen des Inhabers oder der persönlich haftenden Gesellschafter und der diesen gewährten Kredite sowie eines Schuldenüberhanges beim freien Vermögen des Inhabers; bei offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften ist nur das eingezahlte Geschäftskapital zu berücksichtigen; 2. bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung das eingezahlte Grund- oder Stammkapital und die Rücklagen, jedoch unter Abzug entstandener Verluste; bei Kommanditgesellschaften auf Aktien ferner Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter, die nicht auf das Grundkapital geleistet worden sind unter Abzug der den persönlich haftenden Gesellschaftern gewährten Kredite; 3. bei eingetragenen Genossenschaften die Geschäftsguthaben und die Rücklagen zuzüglich eines vom Bundesminister für Wirtschaft nach Anhörung des Kuratoriums durch Rechtsverordnung festzusetzenden Zuschlages, welcher der Haftsummenverpflichtung der Genossen Rechnung trägt, jedoch unter Abzug entstandener Verluste; 4. bei Sparkassen die Rücklagen unter Abzug entstandener Verluste nach Maßgabe des Absatzes 4 Nummer 1; 5. bei Kreditinstituten des öffentlichen Rechts, die nicht unter Nummer 4 fallen, das eingezahlte Dotationskapital und die Rücklagen unter Abzug entstandener Verluste nach Maßgabe des Absatzes 4 Nummer 2; (3) Zu den Rücklagen gehören nicht stille Reserven, Wertberichtigungen und Rückstellungen jeder Art. Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter sind nur dann dem haftenden Eigenkapital zuzurechnen, wenn sie bis zur vollen Höhe am Verlust teilnehmen oder erst nach Befriedigung der Gläubiger des Kreditinstituts zurückgefordert werden können. Nachgewiesenes freies Vermögen des Inhabers oder der persönlich haftenden Gesellschafter kann auf Antrag in einem vom Bundesaufsichtsamt zu bestimmenden Umfang und unter Bedingungen und Auflagen als haftendes Eigenkapital berücksichtigt werden. (4) Die Erfordernisse des Absatzes 1 Satz 2 sind auch erfüllt 1. bei den in Absatz 2 Nummer 4 genannten Instituten, wenn die Überschüsse voll der Sicherheitsrücklage zugeführt werden; 2. bei den in Absatz 2 Nummer 5 genannten Instituten a) sofern sie kein Dotationskapital haben, wenn der Reingewinn voll den Rücklagen zugeführt wird, b) sofern sie Dotationskapital haben, wenn vom Reingewinn vorab ein Viertel und ferner die Hälfte des Reingewinns, der nach einer Verzinsung des Dotationskapitals mit höchstens sechs vom Hundert verbleibt, dem haftenden Eigenkapital zugeführt werden. (5) Maßgebend für die Bemessung des haftenden Eigenkapitals ist die für den Schluß des letzten Geschäftsjahres aufgestellte Bilanz. (6) Das Bundesaufsichtsamt kann ein Kreditinstitut auf Antrag von der Einhaltung des Satzes gemäß Absatz 1 Satz 2 vorübergehend befreien.
236
Anhang § 9 („Eigenkapitalausstattung“) nach der dritten Fassung eines KWG-Entwurfs vom 31.10.1958
(1) Jedes Kreditinstitut muß im Interesse der Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte ein angemessenes haftendes Eigenkapital haben. Das Bundesaufsichtsamt stellt im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank Grundsätze auf, nach denen es beurteilt, ob die Anforderungen des Satzes 1 erfüllt sind; die Spitzenverbände der Kreditinstitute sind vorher anzuhören. Die Grundsätze sind im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. (2) Als haftendes Eigenkapital ist anzusehen: 1. bei Einzelkaufleuten, offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften das Geschäftskapital nach Abzug der Entnahmen des Inhabers oder der persönlich haftenden Gesellschafter und der diesen gewährten Kredite sowie eines Schuldenüberhanges beim freien Vermögen des Inhabers, bei offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften ist nur das eingezahlte Geschäftskapital zu berücksichtigen. 2. bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung das eingezahlte Grund- oder Stammkapital abzüglich des Betrages der eigenen Aktien oder Geschäftsanteile, sowie die Rücklagen; bei Kommanditgesellschaften auf Aktien ferner Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter, die nicht auf das Grundkapital geleistet worden sind unter Abzug der Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter und der diesen gewährten Kredite; 3. bei eingetragenen Genossenschaften die Geschäftsguthaben und die Rücklagen zuzüglich eines vom Bundesminister für Wirtschaft nach Anhörung der Deutschen Bundesbank durch Rechtsverordnung festzusetzenden Zuschlages, welcher der Haftsummenverpflichtung der Genossen Rechnung trägt; Geschäftsguthaben von Genossen, die zum Schluß des Geschäftsjahres ausscheiden, sind abzusetzen; 4. bei öffentlich-rechtlichen Sparkassen die Rücklagen; 5. bei Kreditinstituten des öffentlichen Rechts, die nicht unter Nummer 4 fallen, das eingezahlte Dotationskapital und die Rücklagen; 6. bei Kreditinstituten in einer anderen Rechtsform das eingezahlte Kapital und die Rücklagen. § 9 („Eigenkapitalausstattung“) nach dem KWG-Entwurf vom 05.02.1959 zur Kabinettsvorlage vom 10.02.1959 (1) Die Kreditinstitute müssen im Interesse der Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte ein angemessenes haftendes Eigenkapital haben. Das Bundesaufsichtsamt stellt im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank Grundsätze auf, nach denen es für den Regelfall beurteilt, ob die Anforderungen des Satzes 1 erfüllt sind; die Spitzenverbände der Kreditinstitute sind vorher anzuhören. Die Grundsätze sind im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. (2) Als haftendes Eigenkapital sind anzusehen: 1. bei Einzelkaufleuten, offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften das Geschäftskapital und die Rücklagen nach Abzug der Entnahmen des Inhabers oder der persönlich haftenden Gesellschafter und der diesen gewährten Kredite sowie eines Schuldüberhanges beim freien Vermögen des Inhabers, bei offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften ist nur das eingezahlte Geschäftskapital zu berücksichtigen. 2. bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung das eingezahlte Grund- oder Stammkapital abzüglich des Betrages der eigenen Aktien oder Geschäftsanteile sowie die Rücklagen, bei Kommanditgesellschaften auf Aktien ferner Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter, die nicht auf das Grundkapital geleistet worden sind, unter Abzug der Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter und der diesen gewährten Kredite; 3. bei eingetragenen Genossenschaften die Geschäftsguthaben und die Rücklagen zuzüglich eines vom Bundesminister für Wirtschaft nach Anhörung der Deutschen Bundesbank durch Rechtsverordnung festzusetzenden Zuschlages, welcher der Haftsummenverpflich-
Anhang
237
tung der Genossen Rechnung trägt, Geschäftsguthaben von Genossen, die zum Schluß des Geschäftsjahres ausscheiden, sind abzusetzen; 4. bei öffentlich-rechtlichen Sparkassen sowie bei Sparkassen des privaten Rechts, die als öffentliche Sparkasse anerkannt sind, die Rücklagen; 5. bei Kreditinstituten des öffentlichen Rechts, die nicht unter Nummer 4 fallen, das eingezahlte Dotationskapital und die Rücklagen; 6. bei Kreditinstituten in einer anderen Rechtsform das eingezahlte Kapital und die Rücklagen. (3) Dem haftenden Eigenkapital ist der Reingewinn zuzurechnen, soweit seine Zuweisung zu den Rücklagen oder den Geschäftsguthaben beschlossen ist; entstandene Verluste sind von dem haftenden Eigenkapital abzuziehen. Als Rücklagen im Sinne des Absatzes 2 gelten nur die als Rücklagen ausgewiesenen Beträge mit Ausnahme solcher Passivposten, die auf Grund steuerlicher Vorschriften erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind. (4) Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter sind nur dann dem haftenden Eigenkapital zuzurechnen, wenn sie bis zur vollen Höhe am Verlust teilnehmen oder erst nach Befriedigung der Gläubiger des Kreditinstituts zurückgefordert werden können. Nachgewiesenes freies Vermögen des Inhabers oder der persönlich haftenden Gesellschafter kann auf Antrag in einem vom Bundesaufsichtsamt zu bestimmenden Umfang als haftendes Eigenkapital berücksichtigt werden. (5) Maßgebend für die Bemessung des haftenden Eigenkapitals ist die letzte für den Schluß eines Geschäftsjahres festgestellte Bilanz. Kapitalveränderungen, die später in öffentliche Register eingetragen worden sind, sind zu berücksichtigen.
§ 38 („Zins und Wettbewerbsregelung“) nach der ersten Fassung eines KWG-Entwurfs vom 18.01.1958 (1) Das Bundesaufsichtsamt kann im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank Beschlüsse, die die Mehrheit der Spitzenverbände der Kreditinstitute untereinander über die Sollzinsen und Provisionen sowie über die Habenzinsen faßt, für allgemeinverbindlich erklären, wenn es dies aus allgemeinwirtschaftlichen Gründen für geboten hält. Es soll solche Beschlüsse nur dann für allgemeinverbindlich erklären, wenn in ihnen für die Kreditkosten Obergrenzen vorgesehen sind, die sich unter Berücksichtigung eines Zuschlages zum Diskont- oder Lombardsatz der Deutschen Bundesbank ergäben. (2) Das Bundesaufsichtsamt kann ferner Beschlüsse der Mehrheit der Spitzenverbände der Kreditinstitute zur Verhinderung eines unlauteren Wettbewerbs im Kreditgewerbe für allgemeinverbindlich erklären, wenn das Bundeskartellamt gegen den Inhalt der Beschlüsse keine Einwendungen erhebt. (3) Der Bundesminister für Wirtschaft kann nach Anhörung der Deutschen Bundesbank durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Zinsen und Provisionen der Kreditinstitute erlassen; Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Der Bundesminister für Wirtschaft kann diese Ermächtigung auf das Bundesaufsichtsamt übertragen. § 38 („Zins- und Wettbewerbsregelung“) nach der dritten Fassung eines KWG-Entwurfs vom 31.10.1958 (1) Das Bundesaufsichtsamt kann im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank zur Förderung einer gleichgewichtigen Wirtschaftsentwicklung Anordnungen für die Kreditinstitute über die Bedingungen erlassen, zu denen Kredite gewährt und Einlagen entgegengenommen werden dürfen. Die Anordnungen sollen für die Sollzinsen, die Provisionen und die Habenzinsen Grenzen festsetzen, die so zu bemessen sind, daß die kreditpolitischen Maßnahmen der Deutschen Bundesbank unterstützt werden und die gesamtwirtschaftliche Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes gewahrt bleibt.
238
Anhang
(2) Um Mißständen bei der Werbung der Kreditinstitute zu begegnen, kann das Bundesaufsichtsamt die Unterlassung bestimmter Arten der Werbung oder eines sonstigen geschäftlichen Verhaltens anordnen. (3) Die Spitzenverbände der Kreditinstitute können dem Bundesaufsichtsamt Vorschläge für die in Absatz 1 und 2 bezeichneten Anordnungen machen. Das Bundesaufsichtsamt hat, bevor es Anordnungen der bezeichneten Art erläßt, die Spitzenverbände der Kreditinstitute und, soweit es sich um die Regelung von Habenzinsen oder von Wettbewerbsangelegenheiten handelt, auch die Deutsche Bundespost zu hören. § 22 („Zinsen, Provisionen und Werbung“) nach dem KWG-Entwurf vom 05.02.1959 zur Kabinettsvorlage vom 10.02.1959 (1) Zur Förderung einer gleichgewichtigen Wirtschaftsentwicklung können durch Rechtsverordnung Anordnungen für die Kreditinstitute über die Bedingungen erlassen werden, zu denen Kredite gewährt und Einlagen entgegengenommen werden dürfen. Die Anordnungen sollen für die Sollzinsen, die Provisionen und die Habenzinsen Grenzen festsetzen, die so zu bemessen sind, daß die kreditpolitischen Maßnahmen der Deutschen Bundesbank unterstützt werden und die gesamtwirtschaftliche Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes gewahrt bleibt. Die Rechtsverordnungen werden vom Bundesminister für Wirtschaft im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank erlassen. Der Bundesminister für Wirtschaft kann diese Ermächtigung auf das Bundesaufsichtsamt mit der Maßgabe übertragen, daß Rechtsverordnungen des Bundesaufsichtsamtes nur im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank ergehen. Rechtsverordnungen des Bundesministers für Wirtschaft nach diesem Absatz können nur im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen erlassen werden. (2) Um Mißständen bei der Werbung der Kreditinstitute zu begegnen, kann das Bundesaufsichtsamt bestimmte Arten der Werbung untersagen. (3) Die Spitzenverbände der Kreditinstitute können Vorschläge für die in Absatz 1 und 2 bezeichneten Maßnahmen machen. Vor solchen Maßnahmen sind die Spitzenverbände der Kreditinstitute und, soweit sich die Maßnahme auf die Habenzinsen oder auf die Werbung bezieht, auch die Deutsche Bundespost zu hören.
Anhang
239
§ 1 („Begriffsbestimmungen“) nach dem KWG-Entwurf vom 05.02.1959 zur Kabinettsvorlage vom 10.02.1959 (1) Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Bankgeschäfte sind 1. die Annahme fremder Gelder als Einlagen ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden (Einlagengeschäft); 2. die Gewährung von Gelddarlehen (Kreditgeschäft); 3. der Ankauf von Wechseln und Schecks (Diskontgeschäft); 4. die Anschaffung und die Veräußerung von Wertpapieren für andere (Effektengeschäft); 5. die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren für andere (Depotgeschäft); 6. die in § 1 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften vom 16. April 1957 (BGBl. I S. 378) bezeichneten Geschäfte (Investmentgeschäft); 7. die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen für andere (Garantiegeschäft); 8. die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs (Girogeschäft). Der Bundesminister für Wirtschaft kann nach Anhörung der Deutschen Bundesbank durch Rechtsverordnung weitere Geschäfte als Bankgeschäfte bezeichnen, wenn dies nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung des mit diesem Gesetz verfolgten Aufsichtszweckes gerechtfertigt ist. (2) Geschäftsleiter im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen natürlichen Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Führung und zur Vertretung eines Kreditinstituts in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft berufen sind, Geschäftsführer von Kreditgenossenschaften auch dann, wenn sie nicht dem Vorstand angehören. In Ausnahmefällen kann das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (§ 5) auf Antrag eines Kreditinstituts auch eine andere mit der Führung der Geschäfte betraute und zur Vertretung ermächtigte Person als Geschäftsleiter anerkennen, wenn sie zuverlässig ist und die erforderliche fachliche Eignung hat; § 32 Abs. 2 ist anzuwenden; § 34 Abs. 2 Nr. 3 gilt sinngemäß. Wird das Kreditinstitut von einem Einzelkaufmann betrieben, so kann in Ausnahmefällen unter den Voraussetzungen des Satzes 2 eine von dem Inhaber mit der Führung der Geschäfte betraute und zur Vertretung ermächtigte Person als Geschäftsleiter anerkannt werden. Die Anerkennung ist auf Antrag des Geschäftsleiters oder des Kreditinstituts zurückzunehmen. Quelle: B 330/2394
BRÖKER (Opposition)
BLESSING (Regierung)
ZBR-Mitglied (Parteipräferenz) BENNING (Regierung)
23.06.1960 12.07.1960 15.12.1960 05.03.1959
27.05.1958
Saar
KWG
23.06.1960
01.12.1960
KWG
02.03.1961
19.09.1958
16.07.1958
21.07.1960
17.03.1960
28.12.1959 11.06.1959
EVSt
KWG
EVSt
17.03.1960
EVSt
17.09.1958
Datum
Konflikt
V Initiative / W Auffassung / Z … stimmte (mit KÖNNEKER) eigentlich stets für die Erhöhung des Refinanzierungsrückhaltes 9 wollte (wie KÖNNEKER) Ref.rückh. nicht ändern, 9 sah bei EVSt-Wechseln Ermessensspielräume und 9 sorgte für zögerliche Rückführung d. Ref.rückh. hoffte (wie KÖNNEKER) zumindest auf die Finanzierung einer Rate aus dem Haushalt schlug allg. Grundsätze und Verweis im KWG auf BBk-Kreditrichtsätze als Kompromiß vor einigte sich (zusammen mit KÖNNEKER) auf einen (vorläufigen) Kompromiß mit HENCKEL plädierte für Erfassung der 7m-Revolvinggeschäfte folgte (wie FESSLER), obwohl er sich früh als Gegner des Ref.systems zeigte, zunächst WOLF, … … stimmte dann gegen eine Ausweitung des Refinanzierungsrückhaltes, … 9 … empfahl dabei aber nicht zu große Kürzungen, sondern eine „vernünftige mittlere Linie“ wollte auf die Kreditrichtsätze zur Erfüllung währungspolitischer Aufgaben nicht verzichten bemühte sich um einen Mehrheitsbeschluß im ZBR (wie man ihn sich im BMWi wünschte) 9 wollte einlenken um Kummer mit ERHARD kurz vor Ablauf der Legislaturperiode zu vermeiden 9 trat (u. a. mit EMMINGER, HARTLIEB, TÜNGELER, u. WOLF) für die erste Kürzung des Ref.rückh. ein 9 7m-Konflikt: ZBR könne Skandal nicht brauchen, d. h. nachgeben! Bei Abstimmung: Enthaltung ja
nein
ja
ja
nein
ja
nein Ø
ja Ø
nein
ja
nein
ja
ja
ja
opportunistisch
nein
nein
nein
ja
nein
nein
ja Ø
ja
ja
ja
ja
ja
instrumentell
nein*
ja*
ja*
ja
nein
ja*
nein Ø
?Ø
nein
ja
nein
ja
ja*
ja
parteiisch*
nein
ja
nein
ja Ø
ja nein Ø
nein
nein
nein
sachorientiert
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
regional
Anhang A-5: Mögliche Motive bei den von 1956 bis 1961 in den drei Fallstudien in Erscheinung getretenen ZBR-Mitgliedern
199
65
202
180
161
71 f.
61 ff.
38
193 f.
173
160 f.
135
64 f. 68 75
61
Seite
240 Anhang
HOOSE (Opposition)
HARTLIEB (unklar)
DAHLGRÜN (Regierung) EMMINGER (Regierung) FESSLER (Opposition)
ZBR-Mitglied (Parteipräferenz) BURKHARDT (Opposition)
11.06.1959
EVSt
KWG
Saar
EVSt
KWG
23.06.1960
EVSt
02.10.1958
30.10.1958
23.06.1960
17.03.1960
02.10.1958
22.05.1958
19.12.1956
21.07.1960
21.01.1960
21.07.1960
13.06.1956
EVSt
Saar
21.01.1960
EVSt
17.03.1960
Datum
Konflikt
V Initiative / W Auffassung / Z … erst (der Linie WOLFs folgend) für die Ausweitung des Refinanzierungsrückhaltes, … … dann aber (wie TEPE und FESSLER der Linie WAGENHÖFERs folgend) gegen dessen Ausweitung 9 Notenbankbilanzkonflikt: schlug vor, z. T. begründete BMF-Forderung nicht zuzugestehen! 9 bezeichnete den Refinanzierungsrückhalt als „nicht so systemwidrig“ 9 stimmte (mit BRÖKER) für zwei aufeinanderfolgende Kürzungen des Refinanzierungsrückhaltes zeigte sich zwar (wie BLESSING) als „Gegner“ des Ref.systems, folgte jedoch zunächst WOLF, … … dann allerdings rasch (mit TEPE und TROEGER) gegen die Ausweitung des Refinanzierungsrückh. 9 forderte (wie WAGENHÖFER), die Dauerreserve aus dem Verteidigungsetat zu finanzieren 9 wollte nicht Opfer der Durchpeitschmethode werden und daher Antwort an das BMWi verzögern setzte sich erst für ein zentrales BAKred mit einem dezentralen Unterbau ein, … … stimmte am Ende aber dem Verzicht auf diesen Unterbau zu baute (wie WOLF) zunächst auf die Möglichkeit der preispolitischen Einflußnahme, … 9 … war später aber (wie WOLF und andere) für zwei aufeinanderfolgende Kürzungen des Ref.rückh. wollte DM-Ausgleichsforderung für die 37 Mrd. FFR akzeptieren, um Gesetz zu vermeiden bei der 1. Abstimmung abwesend, bei der 2. Abstimmung für zentrales BAKred ja
ja
nein
ja Ø
ja
nein Ø nein Ø
nein
nein
ja Ø
nein
ja
nein
nein
ja Ø
opportunistisch
?
nein
nein
ja Ø
ja
ja
ja
nein
nein
ja Ø
nein
ja
ja
nein
ja Ø
instrumentell
nein
-
-
-
nein
ja Ø
ja* Ø
ja*
ja
?Ø
nein*
ja*
ja*
ja
?Ø
parteiisch*
?
ja
nein Ø
ja
ja
nein Ø
ja
nein
nein
ja
sachorientiert nein Ø
nein
-
-
-
nein
nein
-
nein
?Ø
regional
181
127
65
60
181
176
145
71
57
38
65
72
96
60
57
Seite
Anhang
241
PFLEIDERER (Regierung)
ZBR-Mitglied (Parteipräferenz) KÄHLER (Regierung) KÖNNEKER (Regierung)
KWG
Saar
EVSt
KWG
Saar
02.10.1958 05.02.1959
28.12.1959 01.12.1960 24.09.1959 21.01.1960 21.07.1960 16.03.1961 13.11.1958 05.02.1959 09.01.1957 08.05.1958 21.08.1958
30.12.1958
17.09.1958
21.12.1956 08.05.1958
05.03.1959
05.02.1959
23.06.1960
23.06.1960 21.07.1960 17.03.1960
EVSt
EVSt
Datum
Konflikt
9
9 9
9
9
9
V W Z 9 9
war bei der 2. Abstimmung gg. zentrales BAKred (mit WAGENHÖFER) gg. HENCKELs Delegationslsg.
Initiative / Auffassung / … wies auf die Folgen für die Gräserwirtschaft hin, unterstützte KÖNNEKER stimmte (mit BENNING) für die Erhöhung des FettKonsortialkredites wollte (wie BENNING) den Refinanzierungsrückhalt im bestehenden Umfang beibehalten wollte „Lösung ohne ernsten Konflikt“ und (wie TEPE) keine Manipulation mit Hilfe der KfW hoffte (wie BENNING) zumindest auf die Finanzierung einer Rate aus dem Haushalt war (mit VON SCHELLING) gegen BAKredG-E wollte Bedenken gegen den badenwürttembergischen Initiativentwurf anmelden einigte sich (zusammen mit BENNING) auf einen (vorläufigen) Kompromiß mit HENCKEL hielt bis zuletzt an einer RVO-Ermächtigung bei der Zins- und Wettbewerbsregelung fest trat bis zuletzt für eine Erfassung der 7mRevolvinggeschäfte ein folgte erst WOLF, sprach sich dann aber rasch (quasi wie WAGENHÖFER) aus … … für Ankauf innerhalb der Rediskontkontingente und für weitere Kürzung des Ref.rückhaltes (mit TEPE): keine HH-Verschleierung! Finanzierung der Ersparnissicherung prüfen! für die Fortgeltung des KWG 1944 war wie (TEPE) für dezentrale BA-Strukturen und wollte VON SCHELLINGs Schreiben behandeln ? ja
ja
nein nein nein
ja
?
nein
ja Ø
ja
ja
ja
ja
?
ja
ja
ja
instrumentell
nein
nein
nein
ja Ø
nein
nein
ja
ja
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ja
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opportunistisch
nein nein
nein
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nein
nein*
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nein
ja
ja
nein Ø
nein
nein
-
nein nein*
-
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-
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-
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-
ja
regional
ja
nein
?
nein
nein
nein
sachorientiert
nein
ja
ja
nein*
ja
ja
ja*
ja
ja*
parteiisch*
181 187
71 75 128 133 147 174 f. 178
57
193 199
184 f.
173
168
145
135
133 f.
64 f.
61
65 72
Seite
242 Anhang
SUCHAN (Opposition) TEPE (Opposition)
ZBR-Mitglied (Parteipräferenz) V. SCHELLING (Opposition)
11.06.1959 17.03.1960 30.10.1958
21.12.1956
EVSt
KWG
22.10.1959
EVSt
13.11.1958 05.02.1958 08.05.1958
Saar
KWG
02.10.1059
15.12.1960 30.10.1958
17.03.1960 9
7m-Konflikt: wollte nicht weiter aktiv werden (neben WAGENHÖFER einziges Mitglied) für den völligen Wegfall des Refinanzierungsrückhaltes forderte zunächst (wie WOLF), Schweinefleisch auszulagern, um Rindfleisch einzulagern, … … lehnte dann aber (wie FESSLER und TROEGER) den Antrag auf Ausweitung des Ref.rückh. ab … … und sah die Ertragslage der Landwirtschaft nicht allgemein gefährdet wollte Ref.rückh. erneut um 250 Mio. DM kürzen ihm war eine Ausgleichsforderung „noch lieber als eine gesetzliche Regelung“ (mit PFLEIDERER): keine HH-Verschleierung! (mit KÖNNEKER): keine Manipulationen! schlug erst ein zentrales BAKred mit einem dezentralen Unterbau vor, … … stimmte dann aber ebenfalls für ein zentrales BAKred
01.12.1960 23.06.1960
EVSt
21.01.1960
bei der 2. Abstimmung gegen zentrales BAKred
02.10.1959 9 9
1. Schreiben an das BMWi (Weisungsrecht)
V Initiative / W Auffassung / Z … Ref.rückh. habe bereits vor dem BBkG bestanden; von BML-Preisgarantien beruhigt meinte (wie WAGENHÖFER), daß Zusage, Papiere „im Markt zu halten, nicht angängig“ sei 9 (mit KÖNNEKER) gegen BAKredG-E 1
15.08.1958
Saar
Datum
Konflikt
ja
nein Ø
nein
ja Ø
nein
nein
ja Ø
nein
nein Ø nein Ø nein Ø ja
nein
ja
opportunistisch
ja
ja
?
nein nein Ø
nein
ja Ø
nein
nein
?Ø
ja Ø
ja Ø
?
ja
instrumentell
nein
ja Ø
ja
ja* nein Ø
ja
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ja*
nein*
ja Ø
ja Ø
ja* Ø
ja
nein
parteiisch*
ja
ja
ja
ja
nein Ø
nein
nein
ja
nein
sachorientiert
nein
nein
nein
-
regional
181
174
128 135
127
75
60
57
45
65
199
179 ff.
177 f.
145
126
37 61
Seite
Anhang
243
WOLF (unklar)
TÜNGELER (Regierung) WAGENHÖFER (Opposition.)
ZBR-Mitglied (Parteipräferenz) TROEGER (Opposition)
EVSt
KWG
17.03.1960
04.09.1958
05.03.1959 08.05.1958 02.10.1958 05.02.1959 01.12.1960
21.07.1960 30.10.1958
18.12.1958 11.06.1959 23.06.1960
EVSt
Saar
23.06.1960
02.03.1961
08.01.1959
EVSt
KWG
21.01.1960
EVSt
15.12.1960
Datum
Konflikt
9
9
relativierte Forderung: nur Dauerreserve streichen! Zusage, Papiere im Markt zu halten, „währungspolitisch unzweckmäßig“ und notenbankrechtlich bedenklich! Gewisse Tilgungsfrist fordern! kritisierte den KfW-Refinanzierungsrückhalt wollte föderale BA-Struktur! Gegenstimme sowohl bei der 1. als auch bei der 2. Abstimmung (mit PFLEIDERER) gg. HENCKELs Delegationslsg. 7m-Konflikt: da der ZBR in einer nicht zweifelsfreien Sache widerspreche, einlenken! wollte trotz Kritik an der wachsenden Einlagerung das Ref.system wegen der möglichen preispolit. Einflußnahme zunächst beibehalten, … … dann aber den Refinanzierungsrückhalt in dem ihm fragwürdigen Umfang (S. 46 ff.), also weniger als WAGENHÖFER, kürzen
V Initiative / W Auffassung / Z … stimmte (mit FESSLER und TEPE) zwar als erstes gegen eine Ausweitung des Ref.rückh., … 9 … hielt dann jedoch eine weitere Kürzung des Ref.rückh. (TEPE) im lfd. Etatjahr für unmöglich setzte sich vehement für eine BBk-Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen ein 9 schlug vor, über die LZB-Präsidenten Einfluß auf die Landesregierungen zu nehmen 9 sprach sich für Kürzungen des Ref.rückh. in zwei Schritten aus, wollte aber keine „Nadelstichpolitik“ keine revolvierende Lagerhaltung refinanzieren! Refinanzierungsrückhalt nicht erhöhen! 9 forderte den völligen Wegfall des Ref.rückh.
nein Ø
ja Ø
nein
ja Ø
nein
ja
nein ja
?
?
nein
nein
nein
nein
nein nein
nein
nein
ja
ja
?
instrumentell nein Ø
nein
nein
nein
nein
ja
opportunistisch nein Ø
-
-
nein*
ja
ja
ja
ja*
ja*
ja
nein*
ja*
ja
nein*
ja Ø
parteiisch*
ja Ø
nein Ø
nein
nein
ja
nein Ø ja
ja Ø
ja
nein
ja Ø
sachorientiert
-
-
ja
ja
-
-
-
-
-
regional
60
32 ff.
199
135 175 f. 181 187
126
71
65
33 37
65
202
185 f.
75
57
Seite
244 Anhang
EVSt
Saar
Konflikt
9
23.06.1960
21.07.1960
17.03.1960
05.02.1959
V W Z 9
Datum Initiative / Auffassung / … sprach sich am Ende für zwei (aus „politischen Rücksichten“ kleine) Kürzungen aus hielt Etatfinanzierung von 1 Mrd. DM für unzumutbar! war dafür, dem Bund bei einer Fristverlängerung seiner Papiere entgegenzukommen und die KfW einzuschalten abgelehnte zusätzliche Getreide-Konsortialkredit war ein „Schlag […] gegen die Bundesregierung“ ?
ja
ja
opportunistisch nein Ø
Anmerkungen: * kennzeichnet in dieser Spalte die in die Vorwahlzeit (VWZ) fallenden Beobachtungen 1 VON SCHELLING war zu dieser Zeit in seiner Funktion als Leiter der BdL-Abteilung „Recht und Währung“ kein ZBR-Mitglied - bedeutet „entfällt“ Ø weist auf einen Prozeß hin, d. h. darauf, daß es im weiteren Verlauf zu mindestens einer Veränderung kam ? wenn situationsbezogene Verhalten widersprüchlich ist, z. B. KÖNNEKER beim Saar-Konflikt Quelle: eigene Zusammenstellung (Parteipräferenz in Spalte 1 lt. Vaubel (1993), S. 54 f.)
ZACHAU (unklar)
ZBR-Mitglied (Parteipräferenz) WOLF (Fortsetzung)
?
nein
nein
instrumentell
-
-
-
-
parteiisch*
nein
nein
nein
ja Ø
sachorientiert
-
-
-
-
regional
61
133
72
64
Seite
Anhang
245
Abkürzungsverzeichnis AA Abs. AdG Art. AWG BA BAKred BAKredG BBk BBkG BdL BdpB BGBl. BK BMA BMF BMI BMJ BML BMWi BR BT CDU DGB DM Drs. EVSt FAZ FFR GG i. d. F. v. IK KfW KWG KWG-E LZB RAKred RBk RGBl. RM RMF RMWi s. / S. SaBa SPD UA(L) ZBR ZfgK
Bundesministerium des Auswärtigen / Auswärtiges Amt Absatz (Keesing’s) Archiv der Gegenwart Artikel Gesetz zur Regelung des wirtschaftlichen Verkehrs mit dem Ausland (Außenwirtschaftsgesetz) Bankenaufsicht Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen Deutsche Bundesbank Gesetz über die Deutsche Bundesbank Bank deutscher Länder Bundesverband des privaten Bankgewerbes Bundesgesetzblatt Bundeskanzleramt Bundesministerium für Arbeit Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium des Innern Bundesministerium der Justiz Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bundesministerium für Wirtschaft Deutscher Bundesrat Deutscher Bundestag Christlich Demokratische Union Deutschlands Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsche Mark Drucksache Einfuhr- und Vorratsstelle(n) Frankfurter Allgemeine Zeitung Französischer Franken Grundgesetz in der Fassung vom Industriekurier Kreditanstalt für Wiederaufbau Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz) Entwurf eines Gesetzes über das Kreditwesen Landeszentralbank(en) Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen Deutsche Reichsbank Reichsgesetzblatt Deutsche Reichsmark Reichsministerium der Finanzen Reichsministerium für Wirtschaft siehe / Seite (nach zitierten Paragraphen: Satz) Sonderausschuß Bankenaufsicht Sozialdemokratische Partei Deutschlands Unterabteilung(sleiter) Zentralbankrat Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-1: Zeitliche Übersicht über die einzelnen Konflikte von 1956 bis 1961 ....................25 Abbildung 2-1: Monatliche Veränderung der Lebenshaltungs- und Ernährungskosten ..................31 Abbildung 2-2: Vorratsstellenwechsel 1958–1961 (in Mio. DM) ...................................................38 Abbildung 2-3: Einlagerungen der EVSt Fleisch und Erzeugerpreise (Rindfleisch) .......................46 Abbildung 2-4: Einlagerungen der EVSt Fleisch und Erzeugerpreise (Schweinefleisch) ...............47 Abbildung 2-5: Einlagerungen der EVSt Getreide und Erzeugerhöchstpreise ................................51 Abbildung 2-6: Einlagerungen der EVSt Fette und Erzeugerpreise.................................................56 Abbildung 3-1: Kreditlinie und Refinanzierung des Kredits der KfW (in Mio. DM) ...................137
Tabellenverzeichnis Tabelle 2-1: Kreditlinie und Konsortialkredite in den Wirtschaftsjahren 1955/56 bis 1957/58 (in Mio. DM) ................................................................................................................30 Tabelle 2-2: Zinssätze zur Refinanzierung der zentralen Vorratshaltung ........................................34 Tabelle 2-3: Entwicklung der Preise für Rinder aller Klassen (in DM je 50 kg Lebendgewicht) und der EVSt-Entnahmen (in Stück) ................................................48 Tabelle 3-1: Französische Forderungen und Verbindlichkeiten.......................................................88 Tabelle 3-2: „Verlust für den Bund“ bei Realisierung des deutschen Standpunktes .......................93 Tabelle 3-3: „Verlust für den Bund“ bei Realisierung des französischen Standpunktes .................93 Tabelle 3-4: Lohnvergleich Saar - Nordrhein-Westfalen ...............................................................111 Tabelle 5-1: Übersicht über die Konflikte zwischen Notenbank und Bundesregierung ................216
Anhangsverzeichnis Anhang A-1: Vergleichende Übersicht über die Notenbankbefugnisse nach dem KWG 1939, dem KWG 1944 und dem ersten Referentenentwurf vom 18. Januar 1958 .............230 Anhang A-2: Die Kreditrichtsätze nach dem Stand vom 15. Dezember 1954 ...............................232 Anhang A-3: Die Kreditrichtsätze lt. ZBR-Beschluß in der 27. Sitzung am 10. Juli 1958 ...........233 Anhang A-4: Entwürfe zu den einzelnen notenbankrelevanten Vorschriften im KWG ................234 Anhang A-5: Mögliche Motive bei den von 1956 bis 1961 in den drei Fallstudien in Erscheinung getretenen ZBR-Mitgliedern ................................................................240
Quellen- und Literaturverzeichnis
Ungedruckte Quellen: Quellen aus den Beständen des Bundesarchivs, Koblenz: B 102 B 116 B 126 B 136 B 152
Bundesministerium für Wirtschaft Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bundesministerium der Finanzen Bundeskanzleramt Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung – BALM – (mit Vorgängerbehörden)
Quellen aus den Beständen des Historischen Archivs der Deutschen Bundesbank, Frankfurt am Main: B 330
Bank deutscher Länder / Deutsche Bundesbank (Dienststelle des Direktoriums)
Gedruckte Quellen: Amtsblatt des Saarlandes, hrsg. vom Chef der Staatskanzlei (Keesing’s) Archiv der Gegenwart, Bonn (1955: Essen) u. a., Siegler Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Bundesgesetzblatt, hrsg. vom Bundesministerium der Justiz Drucksachen des Deutschen Bundesrates, Verhandlungen des Deutschen Bundesrates Drucksachen des Deutschen Bundestages, Verhandlungen des Deutschen Bundestages Fachserie M, Reihe 6, des Statistischen Bundesamtes Geschäftsberichte der Bank deutscher Länder / Deutschen Bundesbank Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956 (Bd. 9; 1998), 1957 (Bd. 10; 2000), 1958 (Bd. 11; 2002), 1959 (Bd. 12; 2002), 1960 (Bd. 13; 2003), 1961 (Bd. 14; 2004), hrsg. für das Bundesarchiv von Friedrich P. Kahlenberg (Bd. 9) und Hartmut Weber (Bd. 10–14), München, Oldenbourg Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung / Kabinettsausschuß für Wirtschaft 1956–1957, Bd. 3, 2001, hrsg. für das Bundesarchiv von Hartmut Weber, München, Oldenbourg Monatsberichte der Bank deutscher Länder / Deutschen Bundesbank Statistische Monatsberichte des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Reichsgesetzblatt, hrsg. im Reichsministerium des Innern
Periodika: Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung Handelsblatt Industriekurier Der Spiegel Der Volkswirt Die Welt Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
Quellen- und Literaturverzeichnis
249
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Personenverzeichnis Hermann-Josef Abs .................................. 120 Konrad Adenauer ......................... 16, 77, 199 Bernhard Benning ...................... 36, 126, 160 Karl Bernard................................. 16, 97, 145 Karl Blessing ........................ 16, 32, 125, 161 Adolf Blind ................................................ 82 Wilhelm Boden ........................................ 181 Heinrich von Brentano ............................... 77 Leopold Bröker .................................. 65, 176 Otto Burkhardt ............................. 55, 96, 174 Hans-Georg Dahlgrün ................................ 71 Otmar Emminger ............................... 65, 181 Ludwig Erhard ....................... 16, 41, 99, 145 Franz Etzel ................................... 16, 34, 125 Maurice Faure ............................................ 77 Ernst Fessler ....................................... 38, 145 Hermann Fögen ............................ 66, 76, 175 Ernst Forsthoff ......................................... 172 Rudolf Gleimius ....................................... 181 Walter Hallstein ......................................... 77 Heinrich Hartlieb ......................... 60, 76, 145 Alfred Hartmann ...................................... 120 Hans Henckel ........................... 129, 143, 163 Karl Maria Hettlage ........................... 37, 125 York Hoose .............................................. 176 Heinrich Irmler......................................... 164 Otto Kähler................................................. 65 Joachim Kleinhans ................................... 159 Wilhelm Könneker ....................... 61, 89, 145 Rolf Lahr .................................................. 118
Heinrich Lübke..................................... 16, 29 Paul Lücke .................................................. 39 Guy Mollet ................................................. 77 Alfred Müller-Armack ..................... 118, 165 Rudolf Münemann ................................... 188 Heinz Maria Oeftering ............................. 120 Robert Pferdmenges ................................. 191 Otto Pfleiderer ............................71, 128, 147 Christian Pineau ......................................... 77 Wilhelm Rahmsdorf ................................... 32 Friedrich Reischauer ................................ 165 Fritz Schäffer ........................................ 16, 83 Hugo Scharnberg ...................................... 143 Friedrich Wilhelm von Schelling ................... ............................................37, 126, 145, 176 Helmut Schlesinger .................................... 51 Heinrich Schreihage ................................. 153 Werner Schwarz ................................... 16, 42 Theodor Sonnemann .................................. 41 Joachim von Spindler ......................... 86, 125 Franz Suchan .............................................. 65 Hermann Tepe ............................45, 127, 174 Heinrich Troeger ................................ 40, 161 Johannes Tüngeler ...................................... 65 Wilhelm Vocke ............................16, 89, 147 Carl Wagenhöfer ........................33, 126, 175 Ludger Westrick ...............................114, 198 Eduard Wolf ....................................... 32, 127 Erich Zachau ...................................... 61, 126