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German Pages 153 Year 1997
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 195
Die rechtliche Problematik der Erstbemusterungspraxis in der Automobilindustrie Von
Anja Sofia Gaiser
Duncker & Humblot · Berlin
ANJA SOFIA GAISER
Die rechtliche Problematik der Erstbemusterungspraxis in der Automobilindustrie
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 195
Die rechtliche Problematik der Erstbemusterungspraxis in der Automobilindustrie
Von
Anja Sofia Gaiser
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Gaiser, Anja Sofìa:
Die rechtliche Problematik der Erstbemusterungspraxis in der Automobilindustrie / von Anja Sofia Gaiser. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum bürgerlichen Recht ; Bd. 195) Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08927-8
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-08927-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ®
Meinen Eltern
Vorwort Die Arbeit hat der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Mannheim im Sommersemester 1996 als Dissertation vorgelegen. Mein ganz besonderer Dank gilt Frau Professorin Dr. Barbara Grunewald. Sie hat mich auf das Thema aufmerksam gemacht und die Arbeit mit viel Engagement betreut. Danken möchte ich ferner meinen Gesprächspartnern der Robert Bosch GmbH, Stuttgart, der IBM Deutschland Speichersysteme GmbH, Mainz, der MercedesBenz AG, Stuttgart, sowie der Volkswagen AG, Wolfsburg, die mir auch Einblick in die technischen Abläufe und betriebswirtschaftlichen Hintergründe gegeben haben. Frau Birte Habild vom Verband der Automobilindustrie e. V., Frankfurt am Main, danke ich ebenfalls für die Unterstützung. Rüsselsheim, im Juli 1996
Anja Sofia Gaiser
Inhaltsverzeichnis Einleitung
21
Α. Qualität und Qualitätsmanagement
21
B. Die Herausbildung des Zulieferwesens als Folge der Arbeitsteilung - aufgezeigt am Beispiel Automobilindustrie
22
Erster Teil
Das Ërstbemusterungsverfahren als Verfahren des Qualitätsmanagements A. Qualitätsmanagementverfahren bei Zulieferungen I. Der Gedanke der Fehlervermeidung im Rahmen des Qualitätsmanagements ... II. Moderne Logistikkonzepte: „Just-in-time" und „Just-in-sequenz"
25 25 26
B. Die Bedeutung des Begriffs „Erstmuster" und der Anlaß für die Durchführung eines Bemusterungsverfahrens
28
C. Darstellung des Ablaufs des ErstbemusterungsVerfahrens
29
I. Musterherstellung und Musterprüfungen durch den Lieferanten II. Erstellen des Musterprüfberichts durch den Lieferanten
29 30
III. Musterprüfungen durch den Abnehmer
31
IV. Freigabe des Erstmusters
31
D. Sinn und Zweck des Erstbemusterungsverfahrens
32
E. Die Konzeption von BGB und HGB und die Probleme moderner Qualitätsmanagementverfahren
33
Zweiter Teil
Erstbemusterung und Liefervertrag A. Die zeitliche Reihenfolge von Erstbemusterung und Liefervertragsabschluß I. Grundsätzliche Überlegungen 1. Die Investitionskosten zur Herstellung des Erstmusters
36 36 36
10
nsverzeichnis 2. Die Ermittlung der Qualitätsfähigkeit des Lieferanten vor der Durchführung des Erstbemusterungs Verfahrens II. Das Vertrauen des Zulieferers auf den Abschluß des Liefervertrages
38 39
1. Der Vorvertrag
39
2. Das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo
40
a) Abschlußfreiheit des Abnehmers
40
b) Vertrauensschutz des Zulieferers
41
3. Zusammenfassung
42
III. Ergebnis
43
B. Die Vereinbarung über die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens als Bestandteil des Liefervertrages
43
C. Die Einordnung des Liefervertrages in der Form des Produktvertrages in die gesetzlichen Vertragsmodelle des BGB
44
I. Die Grundmodelle von Kauf- und Werkvertrag II. Der Werklieferungsvertrag
45 46
1. Die Vertretbarkeit einer Sache als maßgebliches Abgrenzungskriterium gemäß § 65112 BGB i. V. m. § 91 BGB
47
2. Die Besonderheiten bei Zulieferteilen
48
III. Ergebnis
49
D. Die Auswirkungen des Fehlschlags des Erstbemusterungsverfahrens auf die vertragliche Beziehung zwischen Abnehmer und Zulieferer
49
I. Das Dauerschuldverhältnis und die Besonderheit bei der Beendigung desselben
50
II. Der Fehlschlag des Erstbemusterungsverfahrens als Kündigungsgrund III. Der Fehlschlag des Erstbemusterungsverfahrens als auflösende Bedingung bzw. die Mangelfreiheit des Erstmusters als aufschiebende Bedingung
51 51
Dritter Teil
Die rechtliche Problematik der Erstbemusterung im Hinblick auf § 494 BGB A. Vorüberlegungen
53
B. Der Lösungsvorschlag von Merz
55
I. Die rechtliche Qualifikation des Erstmusters als Muster i. S. d. § 494 BGB ....
55
II. Die Forderung nach einer einheitlichen Behandlung der Eigenschaftszusicherung bei Lieferungskauf und Werklieferungsvertrag i. e. S
56
nsverzeichnis C. Kritische Würdigung dieser Lösung
57
I. Die Problematik einer strikten Grenzziehung von kauf- oder werkvertraglichen Vorschriften in § 65112 BGB
58
II. Bedenken gegen die rechtliche Qualifikation des Erstmusters als Muster i. S. d. § 494 BGB
60
1. Die wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung und Bedeutung des Kaufs nach Probe
60
2. Der Vergleich von traditionellen Mustern i. S. d. § 494 BGB mit dem Erstmuster
62
D. Ergebnis
64
Vierter
Teil
Rechtswirkungen der Erstbemusterung im Hinblick auf die Vorschrift des § 377 HGB A. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gemäß § 377 HGB
65
I. „ K a u f im Sinne der handelsrechtlichen Vorschriften
66
II. Gesetzliches Leitbild und praktische Möglichkeiten im Rahmen moderner Lieferbeziehungen
67
III. Die Erstmusterprüfung durch den Abnehmer als Untersuchungsmethode i. S. d. § 377 HGB
68
1. Die praktische Notwendigkeit einer Substitution der klassischen Wareneingangskontrolle
69
2. Die Zweckmäßigkeit einer Substitution der klassischen Wareneingangskontrolle durch eine Erstmusterprüfung
70
3. Die Gesetzeskonformität einer Substitution der klassischen Wareneingangskontrolle durch eine Erstmusterprüfung
71
a) Zur Frage nach der direkten Anwendbarkeit des § 377 HGB auf die Erstmusterprüfung
71
b) Zur Frage nach einer analogen Anwendung des § 377 HGB auf die Erstmusterprüfung
72
aa) Der Zweck der gesetzlichen Vorschrift des § 377 HGB
73
bb) Die Interessenlage von Zulieferer und Abnehmer bei der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens
74
(1) Die Präventionsfunktion des Erstbemusterungsverfahrens
74
(2) Die Freigabe durch den Abnehmer
74
cc) Entscheidung, ob eine analoge Anwendung des § 377 HGB im Hinblick auf die Interessenlage unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorschrift geboten ist
75
12
nsverzeichnis IV. Der dispositive Charakter des § 377 HGB 1. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit am stellvertretenden Objekt wie sie bisher in Rechtsprechung und Literatur auftrat
77 78
a) Das Ausfallmuster
78
b) Zweck der Vorlage eines Ausfallmusters
79
2. Inwieweit sind die Ausführungen zum Ausfallmuster auf das Erstmuster übertragbar? B. Ergebnis
80 81
Fünfter Teil
Rechtslage, wenn der Abnehmer ein ihm nach Vertragsschluß vorgestelltes Erstmuster nicht eingehend prüft und er deshalb einen Mangel des Erstmusters nicht feststellt und dem Zulieferer nicht mitteilt, sondern die Freigabe erteilt A. Die Regelung des § 464 BGB bzw. des § 640 I I BGB
82
I. Die Bedeutung des § 464 BGB für den Lieferungskauf gemäß § 651 I 2 1. HS BGB
82
II. Die Bedeutung des § 640 I I BGB für den Werklieferungsvertrag i. e. S. gemäß §651 12 2. HS BGB
84
B. Die Voraussetzungen eines Anspruchs des Zulieferers aus Positiver Vertragsverletzung
84
I. Das Bestehen eines Schuldverhältnisses II. Die gesetzlich nicht geregelte schuldhafte Vertragsverletzung des Abnehmers
84 84
1. Die vertraglichen Nebenpflichten
85
2. Die Prüfung des angeforderten Musters als vertragliche Nebenpflicht des Abnehmers
85
3. Der Umfang der Prüfpflicht
86
4. Die Mitteilung erkannter Mängel durch den Abnehmer als vertragliche Nebenpflicht
87
C. Zwischenergebnis
87
D. Die Klausel betreffend das dem Abnehmer eingeräumte Ermessen bei der Prüfung des Erstmusters
87
I. Wirksamkeit der Klausel nach dem AGB-Gesetz 1. Die in der VDA-Schrift Band 2 enthaltenen Klauseln bezüglich der Erstbemusterung als Allgemeine Geschäftsbedingungen
88 88
nsverzeichnis 2. Ausnahmen vom Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes a) Ausnahmen in sachlicher Hinsicht
89 89
aa) Der Liefervertrag als entgeltliches Erwerbsgeschäft
89
bb) Gesellschaftsrechtliche bzw. gesellschaftsähnliche Elemente in modernen Lieferbeziehungen
90
b) Ausnahmen in persönlicher Hinsicht
91
3. Keine überraschende Klausel gemäß § 3 AGB G
91
4. Die intendierte juristische Bedeutung der Klausel
92
a) Der verwaltungsrechtliche Ermessensbegriff
92
b) Der Begriff „Ermessen" im allgemeinen Sprachgebrauch
92
c) Die Unklarheitenregel des § 5 AGBG
92
d) Die objektive Auslegung der Klausel
93
5. Kontrollfähigkeit des Inhalts gemäß § 8 AGBG
94
6. Die Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG
95
a) Kriterien gemäß § 9 I I Nr. 1 AGBG
95
b) Rechtsfolge gemäß § 9 I AGBG
96
II. Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Klausel
97
E. Die Rechtsfolge der Positiven Vertragsverletzung
97
F. Die Berücksichtigung des Mitverschuldens auf Seiten des Zulieferers
98
I. Die Regelung des § 254 BGB und der ihr zugrundeliegende Gedanke II. Die eingehende Prüfung des Erstmusters durch den Zulieferer als im eigenen Interesse gebotene Sorgfalt des Zulieferers III. Die Festsetzung der Mitverschuldensquote des Zulieferers IV. Folgerung
98 99 99 100
G. Gesamtergebnis zum fünften Teil
100
Sechster Teil
Rechtslage, wenn der Abnehmer ein ihm vor Vertragsschluß vorgestelltes Erstmuster nicht eingehend prüft und er deshalb einen Mangel des Erstmusters nicht feststellt und dem Zulieferer nicht mitteilt, sondern die Freigabe erteilt A. Das Erstbemusterungsverfahren findet vor Abschluß des Liefervertrages in Form eines Werklieferungsvertrages i. e. S. gemäß § 651 1 2 2. HS BGB statt
101
I. Die Voraussetzungen eines Anspruchs des Zulieferers aus culpa in contrahendo
101
1. Das vorvertragliche Schuldverhältnis
101
2. Die schuldhafte Verletzung einer vorvertraglichen Sorgfaltspflicht
102
14
nsverzeichnis II. Rechtsfolge: Der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo
103
III. Die Berücksichtigung der Mitverschuldensquote in Höhe von 50 % zu Lasten des Zulieferers 103 IV. Ergebnis
104
B. Das Erstbemusterungsverfahren findet vor Abschluß des Liefervertrages in Form eines Lieferungskaufes gemäß § 65112 1. HS BGB statt 104 I. Sonderfall: Die Anwendbarkeit des § 460 BGB auf den Lieferungskauf II. Die Regelung des § 460 BGB
104 105
III. Der Vorrang der abschließenden gesetzlichen Regelung des § 460 BGB gegenüber Ansprüchen aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstitut der culpa in contrahendo 105 IV. Die mögliche Folge für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand
106
V. Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 460 S. 2 BGB im Rahmen des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes ; 106 1. Die Anwendbarkeit des § 460 BGB auf den Gattungskauf
107
2. Die Anwendung des § 460 BGB im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses
107
a) § 460 BGB als abschließende Regelung im Hinblick auf die Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens seitens des Käufers
108
b) Das Gesetzesmodell: Der einfache, punktuelle Austauschvertrag
108
c) Die Vertrags Wirklichkeit: Das Dauerschuldverhältnis
108
d) Die rechtliche Sonderstellung der Dauerschuldverhältnisse
109
e) Zusammenfassung
110
VI. Ergebnis
110
Siebenter Teil
Rechtliche Wirksamkeit einzelner im Kontext der Vereinbarung über die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens stehender Klauseln: Eine Untersuchung im Lichte des AGB-Gesetzes A. Die Möglichkeit für den Abnehmer, auf die Prüfung der Muster zu verzichten I. Die Unvereinbarkeit von Prüfverzicht und Mustervorlage
111 111
II. Die Möglichkeit zum Prüfverzicht durch den Verzicht auf die Vorlage von Mustern 112 III. Ergebnis B. Verantwortungszuweisung zu Lasten des Zulieferers I. Die beabsichtigte rechtlich erhebliche Einflußnahme auf die Haftungsverteilung zwischen Abnehmer und Zulieferer II. Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 9 AGBG
112 113 113 113
nsverzeichnis C. Änderungsbezogene Informationspflichten des Zulieferers I. Die Bedeutung änderungsbezogener Informationspflichten II. Inhaltskontrolle der Klausel gemäß § 9 AGBG
114 115 115
1. Der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 666 BGB
115
2. Die Informationspflichten des Zulieferers als vertragliche Nebenpflichten ..
116
3. Keine unangemessene Benachteiligung des Zulieferers durch die Informationspflicht in bezug auf etwaige Produktänderungen
116
4. Die Frage nach der unangemessenen Benachteiligung des Zulieferers durch sonstige Informationspflichten 117 III. Ergebnis
118
Achter Teil
Produkthaftungsrechtliche Auswirkungen des Erstbemusterungsverfahrens A. Die deliktsrechtliche Verantwortlichkeit des Abnehmers und seines Zulieferers für fehlerhafte Produkte gegenüber dem Kunden I. Grundsatz der Eigen Verantwortung II. Mitverantwortung des Abnehmers für Zulieferprodukte III. Die Pflichtenbereiche von Zulieferer und Abnehmer bei der vertikalen Arbeitsteilung
119 119 120 121
1. Der Pflichtenbereich des Zulieferers
121
2. Der Pflichtenbereich des Abnehmers
122
a) Sicherungspflichten als Ausfluß der Konstruktionsverantwortung
122
b) Sicherungspflichten als Ausfluß der Fabrikationsverantwortung
123
c) Die Erstmusterprüfung als zumutbare Maßnahme für den Abnehmer im Rahmen seiner ihn hinsichtlich der Zulieferteile treffenden Sicherungspflichten 124 3. Gesamtschuldverhältnis
125
B. Die Verantwortlichkeit des Abnehmers und seines Zulieferers für fehlerhafte Produkte gegenüber dem Kunden auf der Grundlage des Produkthaftungsgesetzes 125 I. Die Haftung des Abnehmers gegenüber dem Kunden gemäß § 11 1 ProdHaftG
125
II. Die Haftung des Zulieferers gegenüber dem Kunden gemäß § 1 I 1 ProdHaftG
126
III. Gesamtschuldverhältnis
126
16
nsverzeichnis
C. Ausgleichung der Ersatzpflicht im Innenverhältnis mehrerer Ersatzpflichtiger I. Der gesetzliche Ausgleichsanspruch gemäß § 4261 1 BGB
127 127
1. Die vertragliche Regelung als anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 11 BGB 128 2. Volle Ausgleichspflicht des Zulieferers bei isolierter Betrachtung der Vertragspflichtverletzung des Zulieferers 128 3. § 254 BGB als anderweitige Bestimmung im Sinne des § 4261 1 BGB
129
4. Die Berücksichtigung der Freigabe des Erstmusters durch den Abnehmer bei der Schadensverteilung bzw. die Mitverantwortung des Abnehmers aufgrund unterlassener eingehender Erstmusterprüfung 129 a) Die Verletzung der dem Abnehmer gegenüber dem Kunden obliegenden Sicherungspflichten hinsichtlich der Zulieferteile als bedeutsamer Gesichtspunkt im Rahmen des Ausgleichs im Innen Verhältnis?
130
b) Die Verletzung einer gegenüber dem Zulieferer bestehenden Rechtspflicht des Abnehmers als beachtlicher Gesichtspunkt im Rahmen des Ausgleichs im Innenverhältnis 130 c) Zur Frage, ob der Verzicht auf die Vorlage und die Prüfung von Erstmustern dem Abnehmer im Rahmen des Ausgleichs im Innenverhältnis als Nachlässigkeit vorzuhalten ist, die neben dem Pflichtenverstoß des Zulieferers ins Gewicht fällt 132 5. Zusammenfassung II. Der Ausgleichsanspruch gemäß § 5 S. 2 1. HS ProdHaftG III. Ausgleichsansprüche gemäß § 426 II BGB und § 5 S. 2 2. HS ProdHaftG i. V. m. § 426 II BGB
133 134
134
Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit
136
Literaturverzeichnis
140
Sachwortverzeichnis
150
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
Abs.
Absatz
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
ADHGB
Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch
AG
Amtsgericht
AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen
AGBG
Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
AktG
Aktiengesetz
AMG
Arzneimittelgesetz
Anm.
Anmerkung
Art.
Artikel
AT
Allgemeiner Teil
Aufl.
Auflage
BAG
Bundesarbeitsgericht
BAGE
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts
BayObLG
Bayerisches Oberstes Landesgericht
BB
Der Betriebsberater
Bd.
Band
bearb.
bearbeitet
Bearb.
Bearbeitung
begr.
begründet
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen
BNotO
Bundesnotarordnung
BT
Besonderer Teil; Bundestag
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CR
Computer und Recht
DAR
Deutsches Autorecht
dass.
dasselbe
DB
Der Betrieb
2 Gaiser
18
Abkürzungsverzeichnis
ders.
derselbe
DGQ
Deutsche Gesellschaft für Qualität
d.h.
das heißt
dies.
dieselbe(n)
DIN
Deutsches Institut für Normung
Diss.
Dissertation
DJT
Deutscher Juristentag
DR
Deutsches Recht
Drucks.
Drucksache
Einl.
Einleitung
e. V.
eingetragener Verein
evtl.
eventuell
f.
und der (die) folgende
ff.
und die folgenden
FMEA
Fehler-Möglichkeits- und Einfluß-Analyse
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
HB
Handelsblatt
HGB
Handelsgesetzbuch
Hrsg.
Herausgeber
hrsg. v.
herausgegeben von
HS
Halbsatz
i. d. R.
in der Regel
i. d. S.
in diesem Sinne
i. e. S.
im engeren Sinne
i. S. d.
im Sinne des
i. V. m.
in Verbindung mit
i. w. S.
im weiteren Sinne
JA
Juristische Arbeitsblätter
JR
Juristische Rundschau
JuS
Juristische Schulung
JW
Juristische Wochenschrift
JZ
Juristen-Zeitung
Kza.
Kennzahl
L
Lernbogen
lat.
lateinisch
LG
Landgericht
LM
Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, hrsg. v. Lindenmaier und Möhring
Abkürzungsverzeichnis LuftVG
Luftverkehrsgesetz
LZ
Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
MüKo
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
19
NJW-RR
NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht
Nr.
Nummer
o. a.
oder andere
OLG
Oberlandesgericht
OLGE
Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, hrsg. v. Mugdan und Falkmann
PflVersG
Pflichtversicherungsgesetz
PHI
Produkthaftpflicht international
ProdHaftG
Produkthaftungsgesetz
QZ
Qualität und Zuverlässigkeit
Rdnr.
Randnummer
RegE
Regierungsentwurf
Reg.-Nr.
Register-Nummer
RG
Reichsgericht
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
ROHG
Reichsoberhandelsgericht
Rspr.
Rechtsprechung
s.
siehe
S.
Satz; Seite
s. o.
siehe oben
sog.
sogenannt
StVG
Straßenverkehrsgesetz
TQM
total quality management
u. a.
unter anderem
Urt.
Urteil
usw.
und so weiter
v.
vom; von; vor
VDA
Verband der Automobilindustrie
VDI
Verein Deutscher Ingenieure
VersR
Versicherungsrecht
vgl.
vergleiche
Vorbem.
Vorbemerkung
2*
20
Abkürzungsverzeichnis
WG
Gesetz über den Versicherungsvertrag
WM
Wertpapiermitteilungen
WuW
Wirtschaft und Wettbewerb
ζ. Β.
zum Beispiel
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
ZfBR
Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
zit.
zitiert
Einleitung Α. Qualität und Qualitätsmanagement Qualität ist, wenn der Kunde zurückkommt und nicht das Produkt. Diese Formulierung entspricht zwar nicht der in DGQ-Schrift 11-04 niedergelegten Definition, wonach Qualität die „Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen", ist. 1 Sie bringt aber dennoch kurz und treffend zum Ausdruck, warum Unternehmen auf dem Markt erfolgreich sind. Unternehmen sind auf dem Markt nur deshalb erfolgreich, weil ihre Produkte und Dienstleistungen für den Kunden attraktiv sind. Sie sind deshalb attraktiv, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Dabei wird die Qualität in steigendem Maße primäres Kaufargument. 2 Deshalb wird im Kampf um den Kunden neben der Preis- eine heftige Qualitätskonkurrenz ausgetragen. Daß heute eine hochwertige Qualität der Produkte ein wettbewerbsfähiges, profitables und erfolgreiches Unternehmen ausmacht, wird deutlich, wenn man bedenkt, wie der Erwerber des Endproduktes, der Kunde, Qualitätsdefizite bestraft: 90 von 100 Kunden, die mit der Beschaffenheit eines Produktes unzufrieden sind, werden dieses fortan meiden. Nur etwa 4 % der unzufriedenen Kunden werden sich gegenüber dem Hersteller des Produktes beklagen. Jeder dieser unzufriedenen Kunden wird allerdings seinen Unmut über die mangelnde Qualität mindestens 9 und teilweise sogar über 20 weiteren potentiellen Kunden mitteilen. Jeder Fehler über dem akzeptablen Durchschnitt der Marktführer verursacht demnach einen Rückgang des Verkaufsvolumens um mindestens 3 bis 4 %. 3 Qualität ist damit für viele Unternehmen zu einem Überlebensfaktor geworden. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, daß Unternehmen heute Qualitätsmanagement als Strategie zur Sicherung und Verbesserung der Wettbewerbspositi1 DGQ-Schrift 11-04, Begriffe zum Qualitätsmanagement, 1.5. Anm. 1, S. 30. Kotler/Bliemel, Marketing-Management, Kapitel 2 Teil I, Exkurs 2-3, S. 67: „Qualität und Qualitätsfahigkeit werden als Wettbewerbsfaktoren immer größer."; Specht/Schmelzer, Qualitätsmanagement in der Produktentwicklung, S. 1; Wittig, Qualitätsmanagement in der Praxis, S. 3; Steinmann, QualitätssicherungsVereinbarungen, S. 7 f.; Wonigeit, Total Quality Management, S. 2; Haist/Fromm, Qualität im Unternehmen, S. 2; Masing in: Handbuch Qualitätsmanagement, S. 6: „ . . . der Qualität als bedeutsamem Erfolgsparameter den notwendigen Stellenwert... verschaffen." 3 Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 3; Wittig, S. 6. 2
22
Einleitung
on verstehen und praktizieren. Qualität kommt nicht von selbst.4 Sie bedarf genauer Planung und Kontrolle aller Stadien der Entwicklung und Herstellung eines Produktes. Das Qualitätsmanagement umfaßt die Gesamtheit der qualitätsbezogenen Tätigkeiten, also beispielsweise die besonders wichtigen der Qualitätsplanung, der Qualitätslenkung und der Qualitätsprüfung. 5 Es hat zum Ziel, die jeweilige Qualitätsforderung zu erfüllen. Im Idealfall wird Qualitätsmanagement zum Total-Quality-Management weiterentwickelt. Es handelt sich dabei um die auf der Mitwirkung aller Mitarbeiter beruhende Führungsmethode eines Unternehmens, das ganz auf Qualität und Kundenzufriedenheit ausgerichtet ist. 6 Qualitätsmanagement ist heute als wesentliches Instrument zur Zukunftssicherung von Unternehmen anerkannt.
B. Die Herausbildung des Zulieferwesens als Folge der Arbeitsteilung - aufgezeigt am Beispiel Automobilindustrie In dem heutigen modernen Industriezeitalter genügt es keinesfalls mehr, daß ein Unternehmen lediglich bei den von ihm selbst hergestellten Teilen auf die Erfüllung der Qualitätsforderung achtet. Kennzeichen einer modernen Industriegesellschaft ist die arbeitsteilige Produktion von Wirtschaftsgütern aller Art. 7 Unter Arbeitsteilung soll mit der Volkswirtschaftslehre „die Zerlegung des Produktionsprozesses in einzelne Arbeitsgänge wie auch die Spezialisierung von Unternehmen auf bestimmte Produktionen" 8 verstanden werden. Die wesentlichen Gründe für eine Spezialisierung innerhalb der Industrie sind ständig fortschreitende Produktund Verfahrensinnovationen sowie eine stete Verfeinerung der Verfahrens- und Anwendungstechniken, die vom früheren Herstellertyp des Generalisten hin zum Spezialunternehmer auf immer enger werdenden technischen Gebieten geführt haben.9 Diese fortschreitende Arbeitsteilung in der Industrie führte dazu, daß der Anteil der von einem fremden selbständigen Unternehmen, also der von außen bezogenen Komponenten eines komplexen Produktes stetig anstieg. Diese fremden selbständigen Industrieunternehmen, die Teile oder Zubehör herstellen, welche nach den 4 Runge in: VDI-Berichte 1018, S. 1: „Qualität ist kein Besitzstand. Sie muß täglich neu erarbeitet werden." 5 DGQ-Schrift 11 - 04, Begriffe zum Qualitätsmanagement, 2.1.1 ; 2.2.1.1 ; 2.3.1. 6 DGQ-Schrift 11-04, 1.5.5.2; Kotier/Bliemel, Kapitel 2 Teil 1, S. 65ff.; ausführlich: Frehr, Total-Quality-Management; Zink, TQM als integratives Managementkonzept. 7 Schmidt, NJW 1991, S. 144 ff. (S. 144); Schreiber, Produkthaftung bei arbeitsteiliger Produktion, S. 1; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, S. 29; zu den einzel- und gesamtwirtschaftlichen Aspekten der Arbeitsteilung: Hutzel, S. 59 ff. 8 Frisch in: Frisch/Müller/Ölten/Stegner, S. 23; s. auch Dichtl/Issing, Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, S. 117 f. 9 Schreiber, Produkthaftung bei arbeitsteiliger Produktion, S. 2.
Β. Die Herausbildung des Zulieferwesens
23
Bedürfnissen industrieller Endproduktehersteller, den sogenannten Abnehmern, ausgerichtet sind und so beschaffen sind, daß sie erst durch den Einbau in ein Endprodukt ihre Funktion zweckbestimmt erfüllen, werden als Zulieferer bezeichnet.10 In der Automobilindustrie hat die Arbeitsteilung, die damit einhergehende Reduktion der Fertigungstiefe und die zunehmende Bedeutung des Zulieferwesens eine sehr weitgehende Ausprägung erfahren. 11 Schon seit zwei Jahrzehnten liegt der Anteil der fremdbezogenen Teile im Automobilbau bei 50 bis 65 % 1 2 mit steigender Tendenz. Eine Vielzahl von Unternehmen ist in unterschiedlichster Art und Weise an der Herstellung eines Kraftfahrzeuges beteiligt. Nicht zuletzt durch diese Spezialisierung konnten Produkte in ihrer Qualität ständig verbessert und weiterentwickelt werden. 13 Dieser Vorteil des kooperativen Fertigungssystems resultiert daraus, daß der Zulieferer als Spezialhersteller auf seinem eingeengten, überschaubaren Gebiet bei intensiver Verfolgung der technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse größere Kompetenzen erlangt und eher in der Lage ist, seinen Betrieb den Entwicklungen anzupassen und neue Technologien einzusetzen als der Großunternehmer mit einer breiten Produktpalette. Der Abnehmer kann das spezialisierte Know-how seines Zulieferers nutzen und seine eigenen Kosten verringern. Ein Nachteil dieses Systems liegt jedoch in der Empfindlichkeit desselben, denn auch hier gilt die Redensart, daß jede Kette so schwach ist wie ihr schwächstes Glied. Da Zulieferteile bestimmungsgemäß in das Produkt des Abnehmers eingebaut werden, kann ein einziger Fehler eines solchen Teils das gesamte Endprodukt beeinträchtigen, unbrauchbar machen oder gar zerstören und Dritte, die mit ihm in Berührung kommen, können gefährdet werden. Eine hohe Qualität der Zulieferteile ist demnach Voraussetzung für eine hohe Qualität des Endproduktes. 14 Insbesondere im Bewußtsein des Verbrauchers, des Kunden, ist das Kraftfahrzeug nur so gut wie das schwächste seiner Teile. Der Verbraucher sieht es nur als Ganzes. Er weiß nicht, welche Einzelteile von Zulieferern stammen oder gar von welchen Zulieferern. Stimmt irgend etwas an dem Auto nicht, geht das folglich zu Lasten der Automarke, beeinträchtigt deren Ruf und damit deren Markterfolg. Die qualitative Gesamtverantwortung des Kraftfahrzeugherstellers ist damit ein ganz wesentlicher Ansatz für alle Qualitätskontrollmaßnahmen des Abnehmers gegenüber seinen Zulieferern. 15 10 Vgl. zum Begriff: Birkhofer/Reinemuth in: VDI-Berichte 1098, S. 2; Saxinger, S. 25 ff.; Hamer, Zulieferdiskriminierung, S. 30; Hutzel, Große und kleine Zulieferer, S. 47. 11 6000 Zulieferer bei Opel: Handelsblatt (HB) Nr. 57 v. 22. 3. 1988; Tendenz abnehmend wegen „Single-Sourcing", vgl. dazu: Saxinger, S. 43. 12 Franke in: Handbuch Qualitätsmanagement, S. 531. 13 Beispielsweise Kupplungs-, Bremsen-, Vergaser-, Elektronikindustrie im Verhältnis zur Automobilindustrie; Man denke besonders an die Entwicklung des Anti-Blockier-Systems oder des Katalysators; vgl. Schreiber, S. 2. 14 Franke in: Handbuch Qualitätsmanagement, S. 531; Bläsing in: Beschaffung aktuell, Nr. 7/89, S. 38; Christian, QZ 1989, S. 549 ff. (S. 549). 15 Schütz, WuW 1989, S. 111 ff. (S. 112).
24
Einleitung
Angesichts der Verschärfung der internationalen Konkurrenz, der Wandlung des Marktes von einem Verkäufer- hin zu einem Käufermarkt und insbesondere angesichts des Vordringens der Japaner auf den internationalen Märkten 16 müssen deutsche Automobilkonzerne sicherstellen, daß Zulieferteile, die für die Fahrzeugfunktion und für die Kundenzufriedenheit von entscheidender Bedeutung sind, alle Qualitätsforderungen erfüllen. Dies führte zur Entwicklung verschiedener Überwachungstechniken gegenüber dem Zulieferer.
16 Zink, Qualität als Managementaufgabe, S. 13; Wildemann, ZfB 1992, S. 17 ff. (S. 18); Haist/Fromm, Qualität im Unternehmen, S. 1 und S. 10.
Erster Teil
Das Erstbemusterungsverfahren als Verfahren des Qualitätsmanagements A. Qualitätsmanagementverfahren bei Zulieferungen Ursprünglich war die Qualitätsprüfung im Wareneingang organisiert. 1 Der Abnehmer wollte sich dadurch ein zuverlässiges Bild von der Qualität der gelieferten Ware machen. Er mußte durch Sortieren sicherstellen, daß fehlerhafte Teile von der Fertigung ferngehalten wurden, um dort keine Störungen hervorzurufen. Die Qualitätsprüfung im Wareneingang war die erste und lange Zeit die einzige Qualitätsmanagementmaßnahme bei Zulieferungen. Sortieren, Ausschuß und Nacharbeit waren jedoch so unwirtschaftlich, daß man nach wirkungsvolleren Methoden suchte.2
I. Der Gedanke der Fehlervermeidung im Rahmen des Qualitätsmanagements Durch eine Kontrolle am fertigen und schon gelieferten Teil kann lediglich ein bereits vorhandener Fehler festgestellt werden. Qualität muß aber bereits produziert werden.3 Deshalb kristallisierte sich schon früh als wesentliches Merkmal einer neuen Qualitätsstrategie die zeitliche Verlagerung von Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualität nach vorn heraus und zwar sowohl in den Prozeß der Entwicklung als auch in den der Herstellung des Produktes. Das Auftreten von Fehlern sollte nicht mehr nur nachträglich festgestellt werden, sondern bereits von Anfang an vermieden werden. Daß der Gedanke der Fehlervermeidung Vorrang haben muß, belegen ferner folgende Tatsachen: Zum einen entsteht der überwiegende Teil aller Fehler, die im 1
Franke in: Handbuch Qualitätsmanagement, S. 533; ders.: Qualitätsmanagement bei Zulieferungen, S. 26; Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 155; Christian, QZ 1989, S. 549 ff. (549). 2
Franke in: Handbuch Qualitätsmanagement, S. 533; ders., Qualitätsmanagement bei Zulieferungen, S. 26. 3 Zink, Qualität als Managementaufgabe, S. 20; Müller in: HB-Serie „Qualität", S. 9: „Weniger Ausschuß und Nacharbeit durch bessere Fertigungsprozesse"; Haist/Fromm, Qualität im Unternehmen, S. 51.
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1. Teil: Die Erstbemusterung als Qualitätsmanagementverfahren
Verlauf der Produktentstehungskette gemacht werden, bereits in den planenden Phasen vor Fertigungsbeginn.4 Zum anderen nimmt ein Fehler mit jeder Phase, in der er später in bezug auf seinen Entstehungszeitpunkt aufgedeckt und behoben wird, in seinen kostenverursachenden Auswirkungen ca. um den Faktor 10 zu.5 Dies macht deutlich, welche enormen Kosteneinsparungspotentiale durch gezielte Prüfungsmaßnahmen gerade vor Produktionsbeginn bzw. vor Serienanlauf zu aktivieren sind. Zudem sind Rückrufaktionen immer mit einem nicht unerheblichen Imageverlust für das betreffende Unternehmen verbunden.
II. Moderne Logistikkonzepte: , Just-in-time" und, Just-in-sequenz" Als Grund dafür, daß die Fehlervermeidung von Anfang an Vorrang haben muß, ist darüber hinaus das Aufkommen moderner Logistikkonzepte wie zum Beispiel Just-in-Time-Lieferungen anzuführen. 6 Von der Automobilindustrie gefragt sind vermehrt Zulieferer von kompletten Fahrzeugteilsystemen oder Baugruppen,7 die möglichst lagerfrei und pünktlich, just in time, die Montagebänder der Automobilhersteller beliefern können. Die Grundidee ist also dabei, daß die Zulieferteile vom Lieferanten zeitlich abgestimmt mit dem Abnehmer nach den Marktbedürfnissen produziert werden. Sie werden zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Qualität und Menge hergestellt und sequenzgenau in den Produktionsprozeß des Abnehmers eingebracht. Damit soll im Idealfall über den gesamten Wertschöpfungsprozeß - ausgehend vom Kundenauftrag - immer die benötigte Menge zeitgenau bereitgestellt werden.8 Dem Abnehmer bleiben somit die Lagerungskosten für die Zulieferteile erspart. 9 Durch dieses Wesen der produktionssynchronen Beschaffung bedingt können Fehler des Zulieferers nur noch schwer korrigiert werden. Bei Just-in-Time-Lieferungen führen qualitativ schlechte Leistungen wegen der kurzen Vorlaufzeiten zwischen Bestellung und Einbau und dem damit verbundenen Wegfall von Sicherheitspuffern in Form von Zwischenlagern schnell zu Produktionsstockungen oder gar zum Produktionsstillstand. Es muß demnach von vornherein sichergestellt sein, daß der reibungslose Ablauf der Just-in-Time-Beziehung nicht 4
Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 7; Specht/Schmelzer, Qualitätsmanagement, S. 1: „Über die Qualität neuer Produkte wird in hohem Maße in der Forschung und Entwicklung entschieden.". 5 Zehnerregel bei Wittig, S. 11; Pfeifer, S. 8 sowie Bild 1.6, S. 9. 6
Ausführlich zu Just-in-Time-Verträgen: Popp, Die Qualitätssicherungsvereinbarung, S. 177 ff.; Martinek, Moderne Vertragstypen, S. 286 ff. 7 Ζ. B. das komplette Armaturenbrett in Kraftfahrzeugen; vgl. Klaue, ZIP 1989, S. 1313 ff. (S. 1313). 8 Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 11 f.; zum Just-in-Time-Prinzip: Wonigeit, S. 150 ff.; Nagel/Riess/Theis, DB 1989, S. 1505. 9 Hamer, Zulieferdiskriminierung, S. 32; Nagel, DB 1991, S. 319.
Α. Qualitätsmanagementverfahren bei Zulieferungen
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durch qualitative Abweichungen bei Zulieferungen gestört wird. Mit dem Aufkommen des Schlagwortes , just in sequenz" verschärft sich diese Situation in jüngster Zeit noch. Dabei muß der Zulieferer nicht nur jeweils für einen Fahrzeugtyp direkt ans Band liefern, sondern die Anlieferung muß sogar entsprechend der Reihenfolge der verschiedenen Autos auf den Montagebändern des Abnehmers erfolgen. Diese Ausführungen zeigen, daß die traditionelle Sicherung der Qualität von Produkten allein durch eine „Endkontrolle" den heutigen Anforderungen an die Qualität der gelieferten Produkte nicht mehr genügt. Die gestiegenen Anforderungen an die Fehlerfreiheit der Produkte, die das Qualitätsziel „Null-Fehler" (ZeroDefect) 10 zum Ausdruck bringt, erfordern ebenso wie die dargestellten wirtschaftlichen Überlegungen eine Schwerpunktverlagerung von fehleraufdeckenden, das bedeutet von ex post wirkenden Kontroll- und gegebenenfalls nachsorgenden Maßnahmen zu fehlervermeidenden und damit qualitätssteuernden Sicherungsmaßnahmen. 11 Das Ziel einer „Zero-Defect"-Produktion läßt sich allein durch eine Einflußnahme auf den Produktionsprozeß der Zulieferteile im Rahmen einer engen, vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Endhersteller erreichen. 12 Bei diesen vorbeugenden Maßnahmen des Qualitätsmanagements kommt einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Zulieferer und Abnehmer eine herausragende Bedeutung zu. Kooperation statt Konfrontation lautet die Devise.13 Vor diesem Hintergrund hat ein Arbeitskreis - bestehend aus Kraftfahrzeugherstellern und hauptberuflichen Zulieferern - Empfehlungen für die Durchführung von Qualitätsmanagementverfahren erarbeitet. 14 Zu den Qualitätsmanagementverfahren, die es gestatten, Fehlerquellen zu erkennen und rechtzeitig regelnd - vor Beginn der Serienproduktion - in den Fertigungsprozeß einzugreifen, gehört auch das Erstbemusterungsverfahren. Die Bedeutung der Erstbemusterung in der Praxis und dort insbesondere in der Automobilindustrie legt es nahe, sich mit diesem Verfahren zu beschäftigen.
10 Das Qualitätsziel „Null-Fehler" macht Sinn, wenn man bedenkt, daß fehlerfreie 99,9 % zwei unsichere Flugzeuglandungen jeden Tag auf dem Frankfurter Flughafen zur Folge hätten. 11 Ζ. B. ist FMEA eine sehr leistungsfähige Methode zur frühzeitigen Erkennung von Schwachstellen; vgl. zur Fehler-Möglichkeits- und Einfluß-Analyse: Stockinger in: VDI-Berichte Nr. 1018, S. 39; eingehend: Berens, Anwendung der FMEA in Entwicklung und Produktion. 12 Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 45. 13 Säbel/Kern/Herrigel in: Zulieferer im Netz, Kooperative Produktion, S. 203 ff.; Birkhofer/Reinemuth, Zulieferer im Wettbewerb, in: VDI-Berichte 1098, S. 14. 14 VDA-Schriftenreihe, Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie.
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1. Teil: Die Erstbemusterung als Qualitätsmanagementverfahren
B. Die Bedeutung des Begriffs „Erstmuster 44 und der Anlaß für die Durchführung eines Bemusterungsverfahrens DIN 55 350 Teil 15 benennt und definiert den Begriff des Erstmusters wie folgt: 15 Ein Erstmuster ist ein Muster, das ausschließlich mit den für die Serienfertigung vorgesehenen Einrichtungen und Verfahren unter den zugehörigen Randbedingungen gefertigt ist. Mit dem Erstmuster soll der Nachweis geführt werden, daß die Qualitätsforderung erfüllt werden kann, wenn die für die Serienfertigung vorgesehenen Einrichtungen und Verfahren unter den zugehörigen Randbedingungen angewendet werden. Aus dieser Begriffsbestimmung kann man die Besonderheit des Erstmusters gegenüber sonstigen Mustern, zum Beispiel Vor- oder Zwischenmustern, ersehen. Erstmuster sind nur solche Produkte und Materialien, die vollständig mit serienmäßigen Betriebsmitteln unter serienmäßigen Bedingungen hergestellt worden sind. 16 Exemplare, die aus einer besonders angefertigten - insbesondere handgefertigten Menge ausgesucht werden und die dem Kunden ein besonders günstiges aber falsches Bild von der Qualität der künftig in Serie erscheinenden Teile geben, scheiden damit als Erstmuster aus. Im Idealfall wird ein Erstmuster am endgültigen Herstellungsort unter Anwendung der Produktionswerkzeuge, Fertigungsprozesse, Materialien, Vorschub, Geschwindigkeiten und Taktzeiten von Mitarbeitern der Produktion gefertigt. Da in der Praxis aufgrund der geringeren Bestellmenge an Erstmustern die Taktzeit im Bemusterungsverfahren nur selten der der Serienproduktion entsprechen wird, kann der Abnehmer den Lieferanten mit der Fertigung einer Vorproduktion beauftragen. Ziel dieser Vorproduktion ist dann der Nachweis des Lieferanten über die Fähigkeit, mit der eingesetzten Personal- und Maschinenkapazität die erforderliche Stückzahl für den Kunden qualitätssicher fertigen zu können.17 Anlaß für eine Erstbemusterung kann die Herstellung eines Neuteiles oder eine technische Änderung (ζ. B. eine geänderte Spezifikation) sein. 18 In diesen Fällen muß der Abnehmer das Erstmuster mit Auftrag und Terminangabe rechtzeitig beim Lieferanten anfordern. 19 Anders verhält es sich, wenn der Lieferant eine Produktänderung, eine Produktionsverlagerung oder eine Änderung von Produktionsverfahren beabsichtigt. Dann sind dem Abnehmer die Umstände, die auf die Qualität 15 In Anlehnung daran: VDA-Schriftenreihe Band 2, Lieferantenauswahl, Bemusterung, Qualitätsleistung in der Serie, 2. Aufl., 1995, S. 19. 16 Ebenso: Franke, Qualitätsmanagement bei Zulieferungen, S. 96f.; ders. in: Handbuch Qualitätsmanagement, S. 531 ff. (S. 544); Von dieser Definition weichen Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 54 und Martinek, Zulieferverträge und Qualitätssicherung, S. 57 ab. 17 VDA-Schriftenreihe Bd. 2, 2. Aufl., S. 19.
is VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 13! 19 VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 13.
C. Darstellung des Ablaufs des Erstbemusterungsverfahrens
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der Serienprodukte Einfluß nehmen können, nicht bekannt. In diesen Fällen soll der Lieferant daher verpflichtet sein, den Abnehmer rechtzeitig über die beabsichtigte Neuerung zu informieren und auf Anforderung Erstmuster zu liefern. 20 Ebenso verhält es sich, falls der Lieferant die Produktion für längere Zeit ausgesetzt hat oder falls er einen neuen Unterlieferanten haben möchte. Selbstverständlich bleibt es den Parteien offen, Vereinbarungen zu treffen, die diese Regelungen für Erstmusterlieferungen ergänzen bzw. einschränken.21 Solche Vereinbarungen sind insbesondere auch denkbar im Hinblick auf die Anzahl der zu bemusternden Teile und im Hinblick auf die Frage, wer das Erstmuster aufbewahrt.
C. Darstellung des Ablaufs des Erstbemusterungsverfahrens Die Erstmusterprüfung steht grundsätzlich am Ende eines in mehrere Phasen (Konzept-, Planungs-, Realisierungsphase) gegliederten Prozesses, welcher letztendlich in die Serienproduktion mündet. Die Beurteilung der Qualitätsfähigkeit 22 von Lieferanten ist deshalb grundsätzlich vor der Bestellung von Erstmustern erforderlich. Das Bemusterungsverfahren läuft üblicherweise nach dem folgenden Schema ab: 23
I. Musterherstellung und Musterprüfungen durch den Lieferanten Der Zulieferer wird anhand der Zeichnungen und Produktspezifikationen, die entweder vom Abnehmer vorgegeben sind oder im Falle, daß der Lieferant an der Entwicklung des Produktes mitwirkt, vereinbart worden sind, Muster herstellen. Die in Zeichnungen und Spezifikationen festgelegten Qualitätsmerkmale können sich dabei auf Maß, Werkstoff, Funktion, Zuverlässigkeit, Optik und sonstige Attribute wie ζ. B. Haptik (Tastkriterien) und Geruch beziehen. Es werden Merkmale herausgestellt, welche die Einbauverhältnisse, die Weiterverarbeitung und die Auswechselbarkeit beeinflussen. Die Herstellung des Erstmusters allein ist es aber nicht, die den vom Lieferanten zu erbringenden Beitrag im Rahmen eines Bemusterungsverfahrens ausmacht. Er hat zudem Musterprüfungen vorzunehmen. Verantwortlich hierfür ist der vom Lie20 VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 13 f. 21
VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 14; Franke, Qualitätsmanagement bei Zulieferungen, S. 162. Qualitätsfähigkeit ist die Fähigkeit, die Qualitätsleistung zu erbringen; vgl. DGQSchrift 11-04, 1.5.7 und Geiger, Qualitätslehre, in: DGQ-Schrift 11-20, S. 65. 2 3 Vgl. VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 15 ff. 22
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1. Teil: Die Erstbemusterung als Qualitätsmanagementverfahren
feranten eindeutig festgelegte Fachbereich. Grundlage für die Musterprüfungen sind wiederum die zwischen den Parteien vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen. Dabei muß der Lieferant Prüfverfahren und Prüfmittel einsetzen, die ihm die Möglichkeit geben, Teile und Aggregate aus Eigen- und Fremdfertigung auf Übereinstimmung mit den vorgegebenen Spezifikationen problemorientiert prüfen zu können. Abweichende Prüfverfahren sind zwischen Lieferant und Abnehmer im Bedarfsfall rechtzeitig abzustimmen. Verfügt der Lieferant nicht über erforderliche Spezialprüfmittel, so ist eine zuverlässige andere Prüfstelle zu beauftragen, was jedoch an der prinzipiellen Verantwortung des Lieferanten nichts zu ändern vermag. Bestandteil der Erstmusterprüfung beim Lieferanten ist in der Regel eine dimensionelle Prüfung. Diese beinhaltet das Messen, d. h. eine vollständige Überprüfung im Soll-Ist-Vergleich eines oder mehrerer Muster nach allen auf der Zeichnung angegebenen Maßen. Zudem ist die Materialprüfung von Bedeutung, bei der das Muster auf seine Vereinbarkeit mit den jeweiligen Materialspezifikationen untersucht wird. Im Rahmen der Erstmusterprüfung kann ferner eine Produktbewertung nach Funktion, Lebensdauer und Zuverlässigkeit erfolgen. Eine Einbauprüfung findet häufig beim Abnehmer statt. Falls erforderlich, ist die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften (Umwelt, Sicherheit, Recycling-Fähigkeit) zusätzlich nachzuweisen.
IL Erstellen des Musterprüfberichts durch den Lieferanten Der Lieferant hat von jeder Bemusterung einen entsprechenden Musterprüfbericht zu erstellen. 24 Mit dem Erstmusterprüfbericht weisen die zuständigen Fachbereiche des Lieferanten die Erstbemusterung gegenüber dem Abnehmer nach.25 Darin sind u. a. die genaue Bezeichnung des betreffenden Teils, die relevanten Merkmale bzw. Sollwerte, die Grenzwerte einschließlich der vom Lieferanten am Muster erprüften Istwerte angegeben. Istwerte, die außerhalb der Grenzwerte liegen, sind im Prüfbericht zu kennzeichnen. Die Istwerte sind den einzelnen Musterexemplaren zuzuordnen. Damit eine eindeutige Zuordnung zu den einzelnen Meßwerten gewährleistet ist, sind die Muster ζ. B. mit Objektnummern zu identifizieren. Gegebenenfalls ist die Herkunft aus Einfach- oder Mehrfachwerkzeugen in die Identifikation aufzunehmen. Der Erstmusterprüfbericht muß außerdem für vereinbarte Merkmale Angaben über die Prozeßfähigkeit enthalten. Aus Gründen der Vereinfachung bietet es sich an, auf Formulare standardisierter Erstmusterprüfberichte zurückzugreifen. 26 Schließlich sind alle Musterprüfberichte vom Verantwortlichen verbindlich zu unterzeichnen. Nach dem Einheitsmusterprüfbericht des Verbandes der Automobilindustrie bestätigt der Lieferant mit der Unterschrift, daß die Bemusterung entsprechend VDA-Schrift 2, Hauptabschnitt 3 durchgeführt wor24 Abgedruckt in VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 52 f. 25 VDA-Band 7, S. 16. 26 S. o. Fußnote 24.
C. Darstellung des Ablaufs des Erstbemusterungsverfahrens
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den ist. Damit wird dokumentiert, daß Erstmuster vollständig mit serienmäßigen Betriebsmitteln und unter serienmäßigen Bedingungen hergestellt und geprüft worden sind, daß die Musterprüfungen und ihre Darstellung in dem Musterprüfbericht korrekt durchgeführt worden sind und daß eine Freigabe den Lieferanten nicht von der Verantwortung entbindet, nach den jeweils gültigen Zeichnungen und Spezifikationen zu liefern. 27
I I I . Musterprüfungen durch den Abnehmer Die Erstmuster und Erstmusterprüfberichte sind den dafür zuständigen Fachbereichen des Abnehmers - auf Anforderung - vorzustellen. Der Abnehmer soll dann im Rahmen der vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen nach eigenem Ermessen Prüfungen durchführen können. Falls erforderlich, führt der Abnehmer eine Einbauerprobung durch, die Aufschluß darüber geben kann, ob das Zulieferteil seine Funktion als Teil eines Ganzen, des Endproduktes, erfüllt. Die Ergebnisse vermerkt er in der Spalte des Musterprüfberichts, die für den Abnehmer vorgesehen ist (evtl. auch auf dem eigenen Prüfbericht) und schickt eine für den Lieferanten vorgesehene Ausfertigung an diesen zurück. 28 Gegebenenfalls kann auch eine gemeinsame Prüfung beim Lieferanten durchgeführt werden. Verzichtet der Abnehmer auf die Prüfung der Muster, so kann er in Absprache mit dem Lieferanten das Ausstellen eines Musterprüfberichtes im Sinne einer Prüfbescheinigung vereinbaren, auf dem die ordnungsgemäße Durchführung qualitätssichernder Maßnahmen bestätigt wird, ohne daß einzelne Prüfergebnisse aufgeführt sind. Der vollständig ausgefüllte Musterprüfbericht mit Prüfergebnissen ist vom Lieferanten jederzeit auf Verlangen vorzulegen.
IV. Freigabe des Erstmusters Nach Bewertung der Musterprüfergebnisse trifft der Abnehmer eine der folgenden Entscheidungen: Er erklärt die unbedingte Freigabe des Musters, falls kein Grund zur Beanstandung vorliegt. Er wird eine bedingte Freigabe erteilen, wenn das Muster geringfügige Abweichungen aufweist. Dann kann eine Nachbemusterung im zwischen Zulieferer und Abnehmer vereinbarten Umfang erforderlich sein. 29 Im Falle erheblicher Mängel des Erstmusters lehnt der Abnehmer das Muster ab. Dabei kann er die Ablehnung mit der Aufforderung an den Lieferanten verbinden, neu zu bemustern, oder er kann selbst Maßnahmen durchführen. An die 27 Im VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 18 wird eine solche Dokumentation mit der Bestätigung des Abnehmers verbunden. Sinn macht es aber nur, diese auf die Bestätigung des Lieferanten zu beziehen. 28 VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 19. 2 9 VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 14.
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1. Teil: Die Erstbemusterung als Qualitätsmanagementverfahren
Freigabe des Erstmusters schließt sich regelmäßig die meist sukzessive Belieferung des Abnehmers mit mustergleichen Teilen an.
D· Sinn und Zweck des Erstbemusterungsverfahrens Die Bedeutung der Erstbemusterung für die Praxis wird deutlich, wenn man sich den Sinn und Zweck dieses Verfahrens vor Augen führt. Gemäß VDA-Schrift Band 2, S. 13 soll dadurch vor Serienbeginn der Nachweis erbracht werden, daß die in Zeichnungen und Spezifikationen vereinbarten Qualitätsforderungen erfüllt werden. Während die Qualitätsfähigkeit 30 des Zulieferers grundsätzlich bereits vor der Erstbemusterung beurteilt wird, bilden die Ergebnisse der Erstmusterprüfungen die Grundlage für die Bewertung der Qualitätsleistung der unter Serienbedingungen hergestellten Produkte. Über die Bewertung der Qualitätsleistung der gelieferten Produkte ist dann die Wirksamkeit des Qualitätsmanagementsystems und dessen konsequente Anwendung durch den Lieferanten meßbar. Der Abnehmer kann noch vor Beginn der Serienproduktion Gewißheit bekommen, daß der Lieferant die Vorteile seines Systems nutzt und qualitativ hochwertige Produkte liefern wird. Da die Erstbemusterung der Serienproduktion vorgeschalten ist, können unzulässige Abweichungen von vereinbarten Einzelforderungen noch vor Beginn der Serienproduktion festgestellt, und die erforderlichen Verfahrens- und Materialverbesserungsmaßnahmen sowie sonstige notwendige Korrekturen können qualitätswirksam beim Lieferanten vorgenommen werden. Dadurch kann sichergestellt werden, daß dem Abnehmer später nicht Serienteile mit gleichartigen Fabrikationsfehlern 31 geliefert werden, die schon bei den ersten unter serienmäßigen Bedingungen gefertigten Teilen erkennbar sind. 32 Zudem sind Verbesserungsmaßnahmen im Stadium vor Beginn der Serienproduktion noch mit verhältnismäßig geringen Kosten verbunden. Erst während der Serienfertigung oder noch später entdeckte Produktionsfehler erfordern hingegen einen meist unverhältnismäßig hohen Aufwand zur Beseitigung der Fehler und der verursachten Störungen. 33 Erfolgt die Erstmusterprüfung durch den Abnehmer, so könnte man erwägen, daß der Abnehmer anhand des Erstmusters die Genauigkeit und Bedarfskongruenz seiner im Mustererstellungsauftrag enthaltenen Spezifikationen überprüfen kann. Damit könnte er verhindern, daß er später zur Abnahme von Lieferteilen verpflichtet ist, die - obwohl spezifikationsgetreu - für ihn nicht verwertbar sind, weil er 30 S. o. Fußnote 22. 31 Ein Fabrikationsfehler liegt vor, wenn das Produkt von der planerischen Vorgabe deshalb abweicht, weil es im Laufe des Produktionsprozesses eine (nicht beabsichtigte) Abweichung von der Norm erfahren hat; vgl. Rolland, Produkthaftungsrecht, Teil Π Rdnr. 29. 32 Vgl. VDA-Band 2, 1. Aufl., S. 8. 33 S. o.: Erster Teil Α. I.; ferner: Franke, Qualitätsmanagement bei Zulieferungen, S. 97.
E. Die Konzeption von BGB und HGB
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sie nicht mit bedarfsoptimalen Werten in Auftrag gegeben hat. 34 Geht man jedoch von der Zweckbestimmung aus, wie sie in der VDA-Schrift Band 2 zu finden ist, so steht die Ansicht, daß das Erstbemusterungsverfahren der Ermittelung der bedarfsoptimalen Werte dient, dazu in Widerspruch. Bedenkt man ferner, daß Erstmuster unter vollständigen Serienbedingungen gefertigt sind und ihre Herstellung deshalb bereits mit enormen Investitionskosten verbunden sein kann, so sprechen wirtschaftliche Gründe ebenfalls dagegen, Erstmuster zur Ermittelung der Anforderungen an den Vertragsgegenstand heranzuziehen.35 Bei einer Erstmusterprüfung durch den Abnehmer bietet es sich aber an, die bei der intensiven Auseinandersetzung mit dem Produkt gewonnenen Erfahrungen zu nutzen und daraufhin eigene Fertigungsprüfpläne bzw. Arbeitsanweisungen für die Qualitätsprüfung sowohl für den Wareneingang als auch die weitere Fertigung und Montage zu erstellen.36 Erstmusterprüfungen sind demnach für den Lieferanten und den Abnehmer gleichermaßen vorteilhaft und ein Instrument echter Partnerschaft. Die Erstbemusterung ist ein Schritt in Richtung Zero-Defect-Produktion.
E. Die Konzeption von BGB und HGB und die Probleme moderner Qualitätsmanagementverfahren Die wirtschaftlich sinnvolle und wegen der heutigen technischen Möglichkeiten auch mögliche Verlagerung von Qualitätsmanagementverfahren in die Planungs-, Entwicklungs- und Produktionsphasen ist rechtlich noch nicht nachvollzogen.37 Dies wird deutlich, wenn man sich die Wirtschaftsverhältnisse vor Augen führt, die zur Zeit der Entstehung von BGB und HGB - also in den Jahren 1900 und 1897 - bestanden. Das Weltbild der elementaren zivilrechtlichen Kodifikationen BGB und HGB scheint beherrscht von einer geradezu idyllischen Überschaubarkeit der Lebensverhältnisse, namentlich auch von der relativen Einfachheit der im Rechtsverkehr ausgetauschten Produkte. Dafür finden sich beispielhaft in § 98 BGB bei der Beschreibung von Gewerbebetrieben als den produzierenden Quellen die „Mühle", die „Schmiede", das „Brauhaus", schließlich noch die „Fabrik". Die Komplexität der heutigen Teile und Produkte fehlte in der Zeit um die Jahrhundert34 Merz, S. 101; Rechtlich gesehen könnte dies zu einer Verlängerung des Vertrages hinsichtlich der endgültigen Festlegung der Spezifikationen führen; vgl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. I I I / l , Rdnr. 4.347, der die Probleme anspricht, die aus Abänderungen der ursprünglichen Spezifikationen aus Anlaß von Erstmuster-Freigaben resultieren können. 35 Anders dagegen bei Vor- bzw. Zwischenmustern: vgl. DIN 55 350 Teil 15, Begriffe Nr. 1.4 und 1.5. 36 Pfeifer, S. 154f.; Franke, Qualitätsmanagement bei Zulieferungen, S. 98. 3 ? Teichler, BB 1991, S. 428.
3 Gaiser
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1. Teil: Die Erstbemusterung als Qualitätsmanagementverfahren
wende.38 BGB und HGB gehen deshalb noch davon aus, daß die Tauglichkeit eines Produktes mit bloßem Auge bzw. sonstigen einfachen Meßmethoden festgestellt werden kann. Heutzutage sind die vorgegebenen Toleranzwerte aber derartig gering, daß nur noch hochkomplizierte Maschinen zur Überprüfung dieser Werte taugen. Das Qualitätsmanagement in der heutigen Zeit ist bei der Entstehung von BGB und HGB kein Thema gewesen. Lediglich die Überprüfung der Qualität am fertigen Produkt hat mit § 377 HGB eine eigene Vorschrift bekommen. Darin ist festgelegt, daß der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung, soweit dies nach dem ordnungsgemäßen Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen hat. Sinn und Zweck dieser handelsrechtlichen Vorschrift ist es, Verkäufer und Käufer bei Unregelmäßigkeiten, wie ζ. B. Mängeln der gelieferten Sache, auf eine rasche vertragliche Auseinandersetzung festzulegen. Die vorgesehene Rüge durch den Käufer bezweckt einerseits, diesem die Gewährleistungsrechte zu erhalten, und andererseits, den Verkäufer von seiner Dispositions- und Beweisunsicherheit schnellstmöglich zu befreien. „Qualitätsmanagement im Sinne des HGB", das eigentlich nur eine Qualitätsprüfung ist, ist also nicht Bestandteil eines oder mehrerer Typenverträge oder überhaupt des Rechtes zwischen Produzent und Abnehmer, sondern vielmehr als Einwendung gegen einen Gewährleistungsanspruch ausgestaltet worden. 39 Zudem reicht für die Wareneingangsprüfung als handelsrechtliches Erfordernis ein Sorgfaltsmaßstab aus, der nach juristischer Ausdrucksweise - nach dem ordnungsgemäßen Geschäftsgange tunlich ist. Es sind damit auch Stichprobenprüfungen zulässig.40 Heutzutage werden aber bereits durch die Einrichtung von Qualitätsmanagementsystemen bei den Lieferanten die Fehlerquoten der angelieferten Teilprodukte in so erheblichem Umfang reduziert, daß eine solche Untersuchung von Stichproben das verbleibende Risiko, fehlerhaftes Material zu verwenden, nicht fühlbar verringern könnte. 41 Fehler im ppm-Bereich 42 können durch eine traditionelle Eingangsprüfung auf Stichprobenbasis kaum noch entdeckt werden. Werden Qualitätsprüfungen bezüglich der interessierenden Qualitätsmerkmale an allen Einheiten einer gelieferten Menge, d. h. an jedem Lieferlos, Stück für Stück vorgenommen, so wird von einer 100%-Prüfung gesprochen 4 3 Diese Prüfmethode ist allerdings sehr kostenintensiv und zeitaufwendig. 38 Schünemann, BB 1987, S. 2243; Schreiber, S. 3; Esser/Weyers, § 2 I I 1; Haist/Fromm, S.3. 39 Teichler, BB 1991, S. 428; Schreiber, S. 141 ff. «ο Schlegelberger-Hefermehl, § 377 Rdnr. 69; Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 32; StaubBrüggemann, § 377 Rdnr. 81 ff.; OLG Düsseldorf 18. 5.1973, DB 1973, S. 1395 (1396); OLG Hamburg 5. 3. 1964, MDR 1964, S. 601; OLG Hamburg 12. 11. 1964, MDR 1965, S. 390; OLG Köln 24. 6. 1955, MDR 1956, S. 42; BGH 16. 3. 1977, L M HGB § 377 Nr. 18 = NJW 1977, S. 1150; BGH 20.4.1977, L M HGB § 377 Rdnr. 19 = BB 1977, S. 1019; Graf von Westphalen, Jubiläumsschrift Der Betrieb, S. 223 (229); ders., CR 1990, S. 567 (569). 41 Steinmann, BB 1993, S. 873 ff. (878). 42
„Parts per million". 43 Schreiber, S. 137; DGQ-Broschüre „Qualität und Haftung", S. 10.
E. Die Konzeption von BGB und HGB
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Das vom Gesetz vorgesehene System der Qualitätsprüfung beim Abnehmer des Produktes entspricht damit nicht mehr den Gegebenheiten, d. h. den technischen Möglichkeiten einerseits und den wirtschaftlichen Zweckmäßigkeitsüberlegungen andererseits. Oberster Grundsatz ist heute die Fehlervermeidung statt einer nachträglichen kaum mehr oder nur unter besonderen Schwierigkeiten möglichen Fehlerbeseitigung. Das Verfahren der Erstbemusterung hat als qualitätssichernde Aktivität vor Serienanlauf bisher in der juristischen Literatur kaum Beachtung gefunden. Im Zusammenhang mit diesem Verfahren gibt es aber durchaus rechtliche Probleme, die nur dann einer sinnvollen Lösung zugeführt werden können, wenn Qualitätsmanagementfachleute und Juristen kein unterschiedliches Verständnis von der Funktion von Erstmustern haben.
3*
Zweiter Teil
Erstbemusterung und Liefervertrag A. Die zeitliche Reihenfolge von Erstbemusterung und Liefervertragsabschluß Um den Einfluß des Erstmusters auf die vertragliche Beziehung von Abnehmer und Zulieferer ermitteln und rechtlich bewerten zu können, ist zunächst die zeitliche Reihenfolge von Erstbemusterung und Liefervertragsabschluß von Interesse. Unter einem Liefervertrag ist dabei der Vertrag zu verstehen, in dem sich der Zulieferer zur Lieferung der Waren, der Abnehmer zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Ein Bemusterungsverfahren kann entweder in den dem Vertragsschluß vorgelagerten Verhandlungsprozeß eingebunden sein oder nach Vertragsschluß vor Anlauf der Serienfertigung stattfinden.
I. Grundsätzliche Überlegungen Dafür, daß das Erstbemusterungsverfahren vor Abschluß eines Liefervertrages durchzuführen ist, könnte sprechen, daß Abnehmer und Zulieferer mit Hilfe des Erstmusters ermitteln könnten, ob der Zulieferer zur Erbringung der erwarteten Leistung tatsächlich imstande ist und, falls dies nicht der Fall ist, vom Vertragsschluß noch Abstand nehmen könnten.1
1. Die Investitionskosten zur Herstellung des Erstmusters Ein derartiger Nutzen für den Zulieferer muß allerdings bei Zugrundelegung der oben gegebenen Definition des Erstmusters bezweifelt werden.2 Da ein Erstmuster vollständig mit serienmäßigen Betriebsmitteln und unter serienmäßigen Bedingungen hergestellt wird, setzt dies voraus, daß der Zulieferer eventuell erforderliche Investitionen in bezug auf die Anschaffung neuer Maschinen und Werkzeuge bereits getätigt hat. Während die Kosten zur Herstellung des Erstmusters beim Zustandekommen des Vertrages durch die aus ihm geschuldete Vergütung im Regel1 Merz, S. 101; ebenso wohl Popp, S. 57 und Ensthaler, NJW 1994, S. 817 ff. (821). Insoweit noch Merz, S. 101.
2
Α. Zeitliche Reihenfolge von Erstbemusterung und Liefervertrag
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fall mitabgegolten sind, muß deren Amortisation bei einem NichtZustandekommen des Liefervertrages in Frage gestellt werden. So würde ein Zulieferer finanziell erheblich belastet, wenn er sich aufgrund der verschärften Wettbewerbssituation3 bereit erklärt hätte, Erstmuster kostenlos an den Abnehmer zu liefern, und den Auftrag nicht bekäme. Zwar kommt es in der Praxis vor, daß der Abnehmer die erforderlichen Spezialwerkzeuge selbst anfertigt bzw. anfertigen läßt und dem Lieferanten zweckgebunden zur Verfügung stellt. Daß dies allerdings keineswegs immer möglich ist, wird deutlich, wenn man sich die Aspekte vor Augen führt, die bei einer make or buy-Entscheidung eine Rolle spielen. Als make or buy-Entscheidung wird in der Betriebswirtschaftslehre die Frage bezeichnet, ob ein Unternehmen ein Produkt in Eigenfertigung selbst herstellt oder von einem fremden selbständigen Unternehmen bezieht.4 Entscheidet sich ein Unternehmen für den Fremdbezug von Produkten, so macht es sich häufig den Umstand zunutze, daß der Zulieferer in seinem Leistungsbereich über Spezial-Know-how verfügt, welches auch im Hinblick auf die Beschaffenheit der Werkzeuge relevant sein kann.5 Dieser positive Effekt käme nicht zum Tragen, wenn der Abnehmer vorab die Werkzeuge bereitstellen würde. Um die Investitionskosten beim Zulieferer auch für den Fall abzudecken, daß ein Vertragsabschluß nicht zustande kommt, könnten Abnehmer und Zulieferer vor Abschluß des Liefervertrages die Kostenfrage regeln und für die Anfertigung eines Erstmusters eine Vergütung vereinbaren. 6 Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen Abnehmer und Zulieferer, wird man eine rechtliche Verpflichtung des Abnehmers zur Zahlung einer Vergütung aus § 632 I BGB herleiten können,7 da der Zulieferer bei Neuteilen und technischen Änderungen Erstmuster auf Anforderung des Abnehmers mit Auftrag und Terminangabe herstellt. 8 Eine solche für den Zulieferer akzeptable Lösung widerspricht aber dem Interesse des Abnehmers, der dadurch zwei Nachteile hat. Zum einen muß er ein Entgelt für die Anfertigung eines Musters bezahlen, das nicht seinen Anforderungen entspricht. Zum anderen 3
Verschärft wird die ungünstige Lage der Zulieferer durch neue Herstellerstrategien wie „Global-Sourcing" und „Single-Sourcing"; vgl. Klebe/Roth, CR 1990, S. 677f.; dies, in: Zulieferer im Netz, S. 182 f. 4 Saxinger, S. 29 ff.; Klinger, DB 1959, S. 1230; Everling, DB 1965, S. 1489; Hutzel, S. 55. 5 Hamer, S. 32; Saxinger, S. 30. 6
Vgl. Staudinger-Peters, § 632 Rdnr. 40, wo auf die Möglichkeit hingewiesen wird, die Kostenfrage mit dem Besteller offen anzusprechen. 7 Gegebenenfalls ist § 632 I BGB entsprechend anzuwenden: OLG Karlsruhe, DB 1971, S. 2009 f. (2009). Dafür, daß nach §§ 157, 242 BGB die Vergütung dem geäußerten Parteiwillen entsprechen kann: Palandt-Thomas, § 632 Rdnr. 5. s Vgl. OLG Karlsruhe, DB 1971, S. 2009f. (2010): „Die gleiche rechtliche Verpflichtung ließe sich übrigens aus § 632 I BGB herleiten, da nach Sachlage jeder Unternehmer im vorliegenden Fall die gewünschten Ausfallmuster nur mit Hilfe eines zuerst anzufertigenden Werkzeuges herstellen konnte und der Besteller eine Vorleistung solchen Wertes nicht unentgeltlich erwarten durfte."
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2. Teil: Erstbemusterung und Liefervertrag
hat er einen geeigneten Lieferanten erst nicht gefunden. Wollte er daher den zur Fertigung qualitativ einwandfreier Produkte geeigneten Lieferanten mit Hilfe eines Erstmusters ermitteln, würde dies unter Umständen eine sehr kostspielige Angelegenheit. Ein Erstmuster, dessen Herstellung erhebliche Investitionen erfordert, kann daher aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht dazu dienen, die Fertigungsmöglichkeiten des Zulieferers vor Abschluß des Liefervertrages erstmals zu überprüfen. 2. Die Ermittlung der Qualitätsfähigkeit des Lieferanten vor der Durchführung des Erstbemusterungsverfahrens Automobilkonzerne müssen auf andere Weise den geeigneten Lieferanten ermitteln, wobei als Auswahlkriterium neben Preis, Liefertreue und Lieferflexibilität die Qualitätsfähigkeit von Bedeutung ist. 9 Deshalb ist es in der Automobil-Zulieferindustrie üblich, daß Abnehmer ihre Aufträge von dem Vorhandensein eines Zertifikates abhängig machen, welches die Konformität des eingesetzten Qualitätsmanagement-Systems mit der Norm, ζ. B. DIN / ISO 9000, und dessen Wirksamkeit bestätigt. 10 Manche Abnehmer gehen sogar darüber hinaus, indem sie die Qualitätsfähigkeit des Lieferanten aufgrund der Ergebnisse von Audits vor Abschluß des Liefervertrages selbst bewerten (externe Qualitätsaudits).11 Audits (lat.: audiere = hören; hier: zuhören, anhören, befragen) sind systematische Untersuchungen in Form von mündlichen Befragungen, aber auch in Form von eigenen Messungen. Es wird unterschieden zwischen System-, Verfahrens- und Produktaudit. 12 Von Verfahrensaudit oder Produktaudit wird gesprochen, wenn die Wirksamkeit von Qualitätsmanagement-Elementen anhand von Verfahren oder Produkten untersucht wird. Die Ergebnisse von Systemaudits dokumentieren die Wirksamkeit des Qualitätsmanagementsystems als Ganzes.13 Sie sind damit Grundlage für die Entscheidung, ob eine Zusammenarbeit mit dem Lieferanten erfolgen kann. Darüber hinaus gibt das Ergebnis eines Audits wichtige Hinweise auf bestehende Mängel und damit auf nötige Verbesserungen und Korrekturmaßnahmen. Diese können vor dem Erstbemusterungsverfahren durchgeführt werden. Das Risiko, daß die Erstbemusterung ein völlig unakzeptables und nicht zu korrigierendes Ergebnis mit sich 9 Kriterien bei Pfeifer, S. 163; Rühl in: Internationales Gewerbearchiv 1980, S. 85; Wildemann, Das Just-in-Time-Konzept, S. 156. 10 Die Zertifizierung erfolgt durch akkreditierte Zertifizierungsgesellschaften; vgl. Fromm, S. 22f.; Pfeifer, S. 359. 11 Möbus/Korn in: Der Einkaufs- und Lagerwirtschaftsberater, Bd. 3, Reg.-Nr. S. 2. 12 Möbus/Korn in: Der Einkaufs- und Lagerwirtschaftsberater, Bd. 3, Reg.-Nr. S. 4; Pfeifer, S. 354 ff. 13 VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 12; vgl. Fragenkatalog Systemaudit in: VDA-Band 6, „Sind Erstmusterprüfungen für Zulieferanten festgelegt?"
Haist/ 08790, 08790, S. 73:
Α. Zeitliche Reihenfolge von Erstbemusterung und Liefervertrag
39
bringt, ist damit durch vorausgehende qualitätssichernde Aktivitäten bereits sehr gemindert.
II. Das Vertrauen des Zulieferers auf den Abschluß des Liefervertrages Fraglich ist, ob die dargestellten Überlegungen zu der Schlußfolgerung führen, daß das Erstbemusterungsverfahren nach Abschluß des Liefervertrages durchzuführen ist. Der entscheidende Vorteil für den Zulieferer könnte bei dieser zeitlichen Reihenfolge darin liegen, daß - wenn das Erstmuster den vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen entspricht - sein Vertrauen auf die Freigabe des Erstmusters und damit auf den Beginn der Serienproduktion, d. h. die Durchführung des Vertrages, nicht enttäuscht wird. Wenn nämlich die Vereinbarung über die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens Vertragsbestandteil ist, so ist der Abnehmer auch vertraglich verpflichtet, die Freigabe zur Serienproduktion zu erteilen, wenn das Erstmuster keinen Grund zur Beanstandung gibt. Dagegen ist, wenn das Erstmuster vor Abschluß des Vertrages vorgestellt wird, der Abnehmer überhaupt nur dann zum Abschluß des Liefervertrages vertraglich verpflichtet, wenn ein entsprechender Vorvertrag geschlossen wurde.
1. Der Vorvertrag Ob im Einzelfall die Parteien einen Vorvertrag geschlossen haben, um das künftige Zustandekommen des Vertrages für den Fall eines positiven Verlaufs der Bemusterung sicherzustellen, ist eine Frage der Auslegung.14 So kann ein Vorvertrag auch zustande kommen, wenn der Abnehmer eine Wissens- bzw. Absichtserklärung (er habe fest vor, den Liefervertag bei mangelfreiem Erstmuster abzuschließen) abgibt. 15 Entscheidend ist, wie der Zulieferer die Erklärung aufgefaßt hat und auffassen durfte. 16 Der Umstand allein, daß der Abnehmer Erstmuster anfordert, reicht aber nicht zur Begründung eines Vorvertrages aus, da ein Rechtsbindungswille hierdurch nicht für den Zulieferer erkennbar zum Ausdruck kommt.
14 Köhler, BGB AT, § 15 V I I 1; BGH NJW 1980, S. 1577. is Medicus, Schuldrecht I, AT, § 14 ΠΙ 1 a; Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, S. 1093 ff. (1093). 16 Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, S. 1093ff. (1093); vgl. BGH ZIP 1984, S. 939 = NJW 1984, S. 2279 mit Anmerkung von Canaris, NJW 1984, S. 2281 f.
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2. Teil: Erstbemusterung und Liefervertrag
2. Das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo Angesichts der intensiven Kooperation von Abnehmer und Zulieferer im Rahmen moderner Lieferbeziehungen und angesichts des Umstandes, daß das Erstbemusterungsverfahren Ausdruck der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Zulieferer und Abnehmer ist, liegt allerdings der Gedanke nahe, daß ein Zulieferer, der auf Veranlassung des Abnehmers und im Vertrauen auf den Abschluß des Liefervertrages aufwendige Investitionen zur Herstellung des Erstmusters vorgenommen hat, davor geschützt werden muß, daß der Abnehmer den Vertrag trotz mangelfreiem Erstmuster nicht abschließt. Das praktische Bedürfnis für eine derartige Regelung liegt auf der Hand. Wird das Erstbemusterungsverfahren nach Abschluß des Liefervertrages durchgeführt und zeigt sich, daß der Zulieferer nicht imstande ist, das Erstmuster mangelfrei herzustellen, so ist dem Abnehmer ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar. 17 Im Hinblick darauf liegt es nahe, das Erstbemusterungsverfahren vor Vertragsschluß durchzuführen. Der Gedanke, daß in Anspruch genommenes Vertrauen nicht enttäuscht werden soll, liegt dem Rechtsinstitut der culpa in contrahendo zugrunde. 18 Dieses ist zwar im BGB nicht explizit geregelt, folgt aber aus der zentralen Bedeutung von Treu und Glauben, § 242 BGB. 1 9 Das gesetzliche Schuldverhältnis verpflichtet die Beteiligten schon bei der Vertragsanbahnung zu erhöhter Sorgfalt und Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen. 20 Ob der Abnehmer bei der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens vor Abschluß des Liefervertrages unter Aspekten der culpa in contrahendo seine Abschlußfreiheit verliert, wenn das Erstmuster den in Zeichnungen und Spezifikationen enthaltenen Qualitätsforderungen entspricht, ist allerdings zweifelhaft.
a) Abschlußfreiheit
des Abnehmers
Die Abschlußfreiheit ist ein Aspekt der Vertragsfreiheit. Diese hängt mit dem Menschenbild des GG zusammen. Art. 2 I GG gewährleistet jedem das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit nicht Rechte Dritter, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz entgegenstehen. Insbesondere zur Aus17
Dazu eingehend noch unten: Zweiter Teil D. is Β GHZ 60, 221 (226); BGH NJW 1981, S. 1035 (1036); Köhler, BGB, Schuldrecht I, S. 80; Larenz, Schuldrecht Bd. 1, AT, § 91 a; Brox, Allgemeines Schuldrecht, Rdnr. 56. 19 Larenz, Schuldrecht Bd. 1, AT, § 9 I a; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 70: „§ 242 setzt also ein schon bestehendes Schuldverhältnis voraus, das durch § 242 ausgestaltet wird. Trotzdem stützt man - in erweiternder Auslegung - das vorvertragliche Schuldverhältnis mit der Erwägung auf § 242, daß, wer einmal Gläubiger und Schuldner werden will, sich schon vorher gemäß Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verhalten muß."; a.A.: Gewohnheitsrecht; a.A.: §§ 122, 179, 307 BGB analog. 20 Köhler, BGB, Schuldrecht I, S. 85; Gottwald, JuS 1982, S. 877 ff. (877 f.); Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rdnr. 20 ff.; Palandt-Heinrichs, § 276 Rdnr. 65.
Α. Zeitliche Reihenfolge von Erstbemusterung und Liefervertrag
41
Übung spezieller Grundrechte bedarf es des Abschlusses von Schuldverträgen. Wenn nun der Abschluß solcher Verträge verwehrt oder unterstellt wird, berührt das die Verwirklichung von Grundrechten. 21 Ferner hängt die Vertragsfreiheit mit unserem Wirtschaftssystem zusammen, das durch den freien Wettbewerb geprägt wird. Dieser soll dazu führen, daß der mit geringeren Kosten produzierende Unternehmer seine Produktion zu Lasten des teurer produzierenden Konkurrenten ausweitet. 22 Das funktioniert schlechter, wenn Produkte nicht frei durch Vertrag beschafft werden können, sondern bereits vor Vertragsschluß eine Bindungswirkung eintritt. Diese Erwägungen müssen dazu führen, daß bei noch so starkem Wecken von Vertrauen in den endgültigen Abschluß des Vertrages hierauf kein Anspruch entsteht,23 also keine Situation eintritt, die mit deijenigen vergleichbar ist, wie sie aufgrund eines wirksamen Vorvertrages bestehen würde. Die förmliche Abschlußfreiheit bleibt bei noch so grober Enttäuschung selbst veranlaßten Vertrauens unberührt. 24 Aus culpa in contrahendo erwächst kein Erfüllungsanspruch, entsteht kein Kontrahierungszwang. Damit entfällt auch die Rechtspflicht zur Erstattung eines Schadens, der sich an dem Interesse des Enttäuschten am Kontrakt und seiner erhofften Erfüllung orientieren könnte, denn eine solche Haftung würde den Abnehmer praktisch dazu zwingen, weiter zu verhandeln und nicht gewollte Verträge abzuschließen.25
b) Vertrauensschutz
des Zulieferers
Im Falle der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens vor Vertragsschluß steht nunmehr noch die Erstattung deijenigen Aufwendungen zur Debatte, die der Abnehmer durch die Anforderung des Musters veranlaßt hat und die durch das Abstandnehmen vom Vertragsschluß für den Zulieferer nutzlos sind. Es handelt sich dabei um die vergeblich aufgewendeten Investitionskosten zur Herstellung des Erstmusters. Solche Aufwendungen, die im Hinblick auf ganz spezifische Anforderungen des Abnehmers getätigt wurden und die für den Zulieferer anderweitig nicht adäquat nutzbar sind, 26 müssen im Falle einer Verletzung der aus cul21 Medicus, Schuldrecht I, AT, § 10 I I 3 a, Rdnr. 71; Brox, AT des BGB, Rdnr. 73. 22 Medicus, Schuldrecht I, AT, § 10 Π 3 b, Rdnr. 72. 23 Vgl. BGH W M 1962, S. 1174 (1175 f.); BGH BB 1962, S. 816; BGH DB 1977, S. 1548 und BAG NJW 1963, S. 1843 f., wo das Prinzip der Abschlußfreiheit bis zum Ende der Verhandlung betont wird; zuletzt wieder BGH W M 1981, S. 787 (788); ferner: Erman, AcP 139 (1934), S. 273 (274); Köhler, BGB, Schuldrecht I, S. 85; Staudinger-Löwisch, Vorbem. zu §§275 ff. Rdnr. 66. 24 BGH W M 1974, S. 508 ff. (510); BAG NJW 1963, S. 1843 f.; BGH L M Nr. 28 zu § 276 BGB (Fa.); vgl. auch Erman-Hefermehl, Vor § 145 Rdnr. 42. 25 Ebenso: Lutter, Der Letter of Intent, S. 61; BGH L M Nr. 28 zu § 276 BGB (Fa.). 26 Insoweit spielt der Aspekt der Schadensminderung eine Rolle.
42
2. Teil: Erstbemusterung und Liefervertrag
pa in contrahendo sich ergebenden Pflicht, bei den Vertragsverhandlungen zumutbare Rücksicht auf die berechtigten Belange des Verhandlungsgegners zu nehmen, ersetzt werden. Fordert der Abnehmer bei einem Zulieferer ein Erstmuster an, so weckt er bei diesem den Eindruck, daß ein Vertragsschluß bei mangelfreiem Erstmuster zustande kommt. Veranlaßt der Abnehmer den Zulieferer zur Herstellung des Erstmusters in Wahrheit nur, um auf diese Weise zur Verbesserung seiner Position in anderen Vertragsverhandlungen eine Konkurrenzvorstellung vom Zulieferer zu erhalten, so verletzt er die oben angegebene Pflicht. 27 Problematischer ist dagegen der Fall, daß der Abnehmer bei Anforderung des Musters tatsächlich mit dem Zulieferer kontrahieren möchte, nachträglich aber ein Sinneswandel eintritt; ζ. B. wenn beachtliche Änderungen der Spezifikationen und Zeichnungen nachträglich notwendig werden, welche zunächst die Vorstellung eines neuen Erstmusters erforderlich machen. Vor dem Hintergrund der Abschlußfreiheit könnte man ein pflichtwidriges Verhalten des Abnehmers und daher eine Erstattung der Investitionen des Zulieferers ablehnen. Das aber ist gemessen an dem vom Abnehmer durch die Anforderung des Erstmusters selbst geschaffenen Vertrauen nicht hinnehmbar. Wenn der Abnehmer den auf den Vertragsschluß vertrauenden Zulieferer zu aufwendigen Investitionen veranlaßt hat, so kann der Abnehmer nur noch gegen Erstattung der Investitionskosten vom Vertragsschluß Abstand nehmen. Dies gilt für den Fall, daß das Erstmuster mangelfrei hergestellt wurde, da nur insoweit das Vertrauen des Zulieferers schutzwürdig ist. Die Abschlußfreiheit des Abnehmers erfährt demnach durch die Vertrauenshaftung eine Einschränkung. Die Vertrauenshaftung ihrerseits ist das schwächere Surrogat für einen Kontrahierungszwang. 28
3. Zusammenfassung Zusammenfassend kann daher folgendes festgestellt werden: - Der Zulieferer kann darauf vertrauen, daß, wenn der Abnehmer bei Neuteilen und technischen Änderungen Erstmuster vor Vertragsschluß anfordert, er wirklich mit dem Zulieferer kontrahieren möchte. - Der Zulieferer kann ferner darauf vertrauen, daß die ihm vom Abnehmer vorgegebenen Spezifikationen und Zeichnungen die maßgeblichen Qualitätsforderungen enthalten. - Das Vertrauen des Zulieferers ist dann rechtlich relevant, wenn der Abnehmer trotz mangelfreiem Erstmuster den Abschluß des Vertrages unterläßt bzw. zu27 Lutter, Der Letter of Intent, S. 63 f.; vgl. ferner: Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, S. 1093, wo der Fall angesprochen wird, daß der Eigentümer entweder überhaupt nicht vorhat, den Kaufvertrag abzuschließen oder lediglich mit dem Gedanken eines Vertragsabschlusses spielt. 28 Stoll in: Festschrift für Caemmerer, S. 435 ff. (446); Lutter, Der Letter of Intent, S. 66.
Β. Die Vereinbarung über die Durchführung der Erstbemusterung
43
nächst die erneute Vorstellung eines Erstmusters wegen geänderten Spezifikationen und Zeichnungen erforderlich ist. - Unter Aspekten der culpa in contrahendo hat der Abnehmer dem Zulieferer eine Entschädigung für die nicht amortisierten und anderweitig vom Zulieferer nicht verwertbaren Investitionen zu zahlen.
I I I . Ergebnis Dem Abschluß eines Erwerbsvertrages über die Zulieferung von Serienteilen kann ein Erstbemusterungsverfahren vorangestellt werden. In der dogmatischen Absicherung eines Investitionsschutzes aus § 242 BGB ist ein sinnvoller Vorschlag zur Vermeidung unbilliger Härten zu sehen, der es dem Zulieferer unter finanziellen Gesichtspunkten ermöglicht, Erstmuster auch in dem Fall, in dem er sich eines künftigen Vertragsabschlusses nicht versichert hat, bereits vor Vertragsschluß herzustellen. Unter bestimmten Voraussetzungen (so etwa bei Material- oder Verfahrenswechseln) wird die Erstbemusterung grundsätzlich in laufenden Lieferverträgen durchgeführt.
B. Die Vereinbarung über die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens als Bestandteil des Liefervertrages Soll ein Erstbemusterungsverfahren im Verlaufe eines bestehenden Liefervertrages durchgeführt werden, liegt es nahe, daß die Parteien Vereinbarungen im Hinblick auf die Durchführung dieses Verfahrens bereits bei Abschluß des Liefervertrages treffen. In der Vertragsgestaltungspraxis werden solche Vereinbarungen typischerweise unilateral vom Abnehmer aufgestellt. Viele Automobilkonzerne verwenden gegenüber ihren Zulieferern die als Kondiktionsempfehlungen vom Verband der Automobilindustrie angemeldeten „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Bezug von Produktionsmaterial und Ersatzteilen", die für das Automobil bestimmt sind. 29 Diese Bedingungen enthalten u. a. in Punkt IX (Qualität und Dokumentation) qualitätssicherungsspezifische Regelungen. In Punkt IX. 1. wird für die Erstmusterprüfung auf die VDA-Schrift „Sicherung der Qualität von Lieferungen in der Automobilindustrie" - jeweils in der neuesten Fassung - 3 0 verwiesen. Es kann dort ferner der Zusatz enthalten sein, daß mit der Serienfertigung erst begonnen werden darf, nachdem der Besteller die Muster akzeptiert hat. Wenn 29 Abgedruckt in: WuW 1983, S. 25 ff. 30 Diese Änderung ist wegen der Überarbeitung des VDA-Bandes 2 aus dem Jahre 1975 erforderlich.
44
2. Teil: Erstbemusterung und Liefervertrag
diese Bedingungen in der Praxis zur Anwendung kommen, wird als Ergänzung der Einkaufsbedingungen der Lieferbeziehung meist zusätzlich eine detaillierte Qualitätsmanagement-Vereinbarung oder ein Merkblatt zur Erstmusterprüfung zugrunde gelegt, in denen Regelungen getroffen sind, welche die in der VDA-Schrift getroffenen Empfehlungen ergänzen bzw. einschränken. Sinnvoll ist es, wenn festgehalten wird, daß Erstmuster als Bestandteil der vom Abnehmer bestellten Gesamtmenge in die Gesamtpreiskalkulation eingehen. Die Vereinbarung über die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens ist folglich fester Bestandteil des Liefervertrages. 31
C. Die Einordnung des Liefervertrages in der Form des Produktvertrages in die gesetzlichen Vertragsmodelle des BGB Da das Erstbemusterungsverfahren nach Vertragsschluß im Verlaufe eines bestehenden Liefervertrages stattfinden kann, stellt sich die Frage nach der rechtlichen Qualifizierung dieses Liefervertrages zwischen Abnehmer und Zulieferer. Diese Zuordnungsfrage ist im Hinblick auf die Ermittlung der sich aus dem Liefervertrag ergebenden Rechte und Pflichten der Parteien von Bedeutung. Erst wenn die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Vertrag klar sind, können die rechtlichen Besonderheiten, die das Erstbemusterungsverfahren aufwirft, ermittelt werden. Es gibt heute viele verschiedene Typen von Zulieferern. 32 Dementsprechend ist auch eine Variation inhaltlich verschiedener Zulieferverträge denkbar und in der Praxis üblich. Ein einheitliches, auf alle Lieferverhältnisse passendes Vertragsmodell existiert nicht. Nachfolgend soll daher die Art von Zulieferverträgen den Untersuchungsgegenstand bilden, bei welcher der Problemkreis des Qualitätsmanagements virulent wird. Es sind dies die sog. Produktverträge. 33 Sie stellen die klassischen industriellen Zulieferverträge im engeren Sinne dar, die nach wie vor die größte Bedeutung haben und im Mittelpunkt des Zulieferrechts stehen. Darin verpflichtet sich der Zulieferer, bestimmte Teile oder Teilaggregate herzustellen, die in 31
Merz verweist auf S. 43 f. auf die Möglichkeit der Vorabvereinbarung einer Vertragsordnung zukünftiger Einzelgeschäfte bei einer dauerhaften Lieferbeziehung. Ein solcher Normen- / Obervertrag könne im Vorgriff auf gesondert abzuschließende Einzellieferungsverträge deren künftige Vertragsbedingungen regeln, ohne bereits konkrete Abschlußpflichten zu begründen. Im Bereich industrieller Lieferbeziehungen könne im Wege eines solchen Vertrages u. a. auch die „technische Freigabe" der vom Zulieferer präsentierten Erstmuster durch den Abnehmer vorab festgelegt werden. 32 Typisierung bei Saxinger, S. 46ff.; eine Darstellung der verschiedenen Arten von Lieferanten befindet sich ferner im VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 10. 33 Martinek, Zulieferverträge und Qualitätssicherung, S. 2f.; Schütz, WuW 1989, S. 111.
C. Rechtliche Einordnung des Liefervertrages
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vom Abnehmer letztendlich herzustellende Endprodukte eingebaut werden sollen. Der Abnehmer verpflichtet sich seinerseits, das vereinbarte Entgelt zu bezahlen. Der Liefervertrag stellt demnach ein entgeltliches Erwerbsgeschäft dar, für dessen Einordnung das Gesetz drei Vertragstypen zur Auswahl stellt: den Kaufvertrag gemäß § 433 BGB, den Werkvertrag gemäß § 631 BGB und den Werklieferungsvertrag nach § 651 BGB.
I. Die Grundmodelle von Kauf- und Werkvertrag Für das Grundmodell eines Kaufvertrages i. S. d. § 433 BGB ist charakteristisch, daß der Erwerber einen Gegenstand kauft, der so, wie er benötigt wird, bereits existiert und vom Verkäufer am Markt angeboten wird. 34 Der Kauf noch nicht existenter Sachen ist zwar möglich, 35 stellt aber nicht den Fall dar, von dem das Gesetz prototypisch ausgeht. Wenn in den Protokollen zum Entwurf des BGB 3 6 davon gesprochen wird, daß die Kaufsache bereits vorhanden ist, dann hat der Käufer auf die Konzeption und die Beschaffenheit der Kaufsache, vor allem auf ihren Herstellungsprozeß, keinen Einfluß. Bei Abschluß des Vertrages geht es den Parteien somit nur um das fertige Produkt, seine Anfertigung bleibt im Vorfeld des Vertrages.37 Deshalb besteht die Leistungspflicht des Verkäufers in der Pflicht zur Eigentums- und Besitzverschaffung in bezug auf den Kaufgegenstand. Demgegenüber ist Gegenstand des Werkvertrages ein „erst zu beschaffendes und noch nicht vorhandenes Werk". 38 Die Merkmale der geschuldeten Leistung werden sich deshalb regelmäßig nach den individuellen Bedürfnissen und Anforderungen des Bestellers richten. Der rechtliche Schwerpunkt der werkvertraglichen Leistungspflicht liegt auf der Herstellung des Werkes. 39 Austauschvertragliche Elemente in Zulieferverhältnissen entstammen keinesfalls immer diesen beiden Vertragstypen. 40 Jeder Automobilhersteller benötigt heute Teile, die auf die individuellen Typanforderungen des von ihm produzierten Fahrzeugs abgestimmt sind. 41 Die Lage ist deshalb nicht mit der bei Massenarti34 Motive, Bd. 2, S. 479 f.: „Veräußerung einer individuell bestimmten Sache" im Gegensatz zum „erst zu beschaffenden und noch nicht vorhandenen Werk" beim Werkvertrag.; Nicklisch in: Festschrift Günther Beitzke, S. 99. 3 5 MüKo-Westermann, § 433 Rdnr. 5; Larenz, Schuldrecht Bd. 2 Halbband 1, BT, § 39 I: Bedingungskonstruktion; Staudinger-Köhler, § 433 Rdnr. 44: § 308-Konstruktion. 3 6 Protokolle, Bd. II, S. 339. 3
? Staudinger-Peters, § 651 Rdnr. 26. 38 Siehe Fußnote 34 im zweiten Teil. 39 Palandt-Thomas, § 631 Rdnr. 12; Erman-Seiler, § 631 Rdnr. 9; Staudinger-Peters, Vorbem. zu §§ 631 ff. Rdnr. 15; Larenz, Schuldrecht Bd. 2 Halbband 1, BT, § 53 I. 40 Stork, S. 236; Merz, S. 29. 41
Beispiel bei Saxinger, S. 139 f.: Mercedes 190.
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2. Teil: Erstbemusterung und Liefervertrag
kein und Handelsware vergleichbar, die der Lieferant nach eigener Einschätzung auf den Markt bringt und die der Abnehmer gewissermaßen fertig vorfindet und nicht beeinflußt. Der Wandel von Anbieter- zu Nachfragemärkten führte in der Vergangenheit vermehrt zu einer nachfragegesteuerten und auftragsgebundenen Produktion. 42 Lediglich in den Fällen, in denen der Abnehmer Standardteile von einem Lieferanten bezieht, die dieser auf Vorrat beschafft und ohne einen weiteren substanzverändernden Verarbeitungsvorgang eingelagert hat oder die er auftragsunabhängig, also im Hinblick auf eine lediglich erwartete Nachfrage, selbst hergestellt hat, liegt ein reiner Kaufvertrag vor. 43 Demgegenüber Hegt ein reiner Werkvertrag vor, wenn der Automobilhersteller alle Einzelheiten in bezug auf die Beschaffenheit des Werkes vorschreibt und der Lieferant dann im Sinne der „verlängerten Werkbank" Bearbeitungsvorgänge an Teilen durchführt, die der Abnehmer zur Verfügung stellt. Sowohl Forschung und Entwicklung als auch Konstruktion liegen demnach beim Abnehmer, der lediglich die fremde Fertigungskapazität in Anspruch nimmt, um seine Produktionsmöglichkeiten zu steigern. 44 Gerade in einer Hochtechnologiebranche wie der Automobilbranche sind Zulieferer von Bedeutung, die Forschungs- und Entwicklungskompetenz aufweisen und die die Fähigkeit haben, dem Abnehmer fortlaufend technische Lösungen anzubieten. 45 Solche Zulieferer fungieren nicht nur als „verlängerte Werkbänke" des Abnehmers. Da der Zulieferer ferner das Material zur Herstellung der Produkte im Regelfall selbst beschafft, kann ein mit einem solchen Lieferanten geschlossener Vertrag nicht als reiner Werkvertrag gemäß § 631 BGB qualifiziert werden.
II. Der Werklieferungsvertrag Der Gesetzgeber trägt dem Umstand, daß nicht alle Verträge, die einen entgeltlichen Erwerb zum Inhalt haben, reine Kauf- oder Werkverträge darstellen, mit der Vorschrift des § 651 BGB Rechnung. Ist das, was der Unternehmer an Materialien zu liefern hat, nur „Zutat" oder eine „sonstige Nebensache", soll nach § 651 Π BGB uneingeschränkt Werkvertragsrecht Anwendung finden. Da sich der Zulieferer - wie bereits oben erwähnt - die zur Produktion benötigten Rohstoffe im Regelfall selbst beschafft oder seinerseits, was ein Charakteristikum eines pyramidenförmig aufgebauten Zulieferwesens ist, auf eigene Zulieferer zurückgreift, 46 ist
42 Saxinger, S. 140: „In immer stärkerem Maße verlangen die Abnehmer von ihren Zulieferern in der letzten Zeit maßgeschneiderte Systemkomponenten."; Merz, S. 30: „ . . . der aus ... verstärkt nachgefragter Variantenvielfalt resultierende Trend zu einer mehr und mehr individualisierten Bedarfsbefriedigung,..." 43 Merz, S. 29; Schreiber, S. 12 f. 44 Saxinger, S. 26 und S. 46; Hamer, S. 31. 45 Vgl. Bieber/Sauer in: Zulieferer im Netz, S. 228ff. (250); Klebe/Roth in: Zulieferer im Netz, S. 180ff. (190); Franke in: Handbuch Qualitätsmanagement, S. 543.
C. Rechtliche Einordnung des Liefervertrages
47
§ 651 I I BGB für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand nicht von Bedeutung.
1. Die Vertretbarkeit einer Sache als maßgebliches Abgrenzungskriterium gemäß § 65112 BGB i. V. m. § 91 BGB Verpflichtet sich der Unternehmer, das Werk aus einem von ihm zu beschaffenden Stoffe herzustellen, so unterscheidet die Bestimmung in Abs. I, S. 2 nach dem begrifflichen Merkmal, ob das zu erstellende Produkt eine vertretbare Sache ist oder nicht. Handelt es sich um eine vertretbare Sache, dann soll gemäß § 65112 Ii HS BGB Kaufrecht Anwendung finden, geht es um eine nicht vertretbare Sache, sollen sich die Beziehungen der Parteien im wesentlichen nach Werkvertragsrecht richten. § 651 I BGB regelt daher unter dem Oberbegriff Werklieferungsvertrag zwei verschiedene Vertragstypen: den Lieferungskauf über vertretbare Sachen gemäß § 65112 1. HS BGB und den Werklieferungsvertrag i. e. S. über nicht vertretbare Sachen gemäß § 651 12 2. HS BGB. Die Vertretbarkeit einer Sache, die nach der gegenwärtigen Fassung des Gesetzes das entscheidende Abgrenzungskriterium ist, 47 ist in § 91 BGB legal definiert. Vertretbar sind danach die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmten Sachen, weil sie gegenüber anderen Sachen derselben Art keine ausgeprägten Individualisierungsmerkmale aufweisen, also nach der regelmäßigen Anschauung des Verkehrs diese ersetzen oder von ihnen ersetzt werden können.48 Im Gegensatz dazu sind nicht vertretbare Sachen solche, die nur auf die Betriebsverhältnisse des Bestellers ausgerichtet und seinen Wünschen angepaßt sind und die deshalb für den Unternehmer anderweitig schwer oder gar nicht abzusetzen sind 4 9 Der Sinn der Abgrenzung des § 651 I 2 BGB liegt darin, diejenigen Werke den Kaufvertragsregeln zu unterstellen, die ohne weiteres anderweitig verwendet werden können. 50 Der historische Gesetzgeber ließ sich dabei von dem Gedanken leiten, daß es unbillig sei, dem den Stoff selbst beschaffenden Lieferer stets das Recht auf Nachbesserung oder Neuherstellung gemäß § 633 I I 1 BGB abzuschneiden.51 Nur 46 Deshalb ist u. a. der Wechsel des Unterlieferanten als Anlaß für eine Erstbemusterung anerkannt: s. o.: Erster Teil B. 47 Reformvorschläge bei Weyers, Reformgutachten, S. 1142: „ . . . sollte ... anstelle der Beschränkung auf „vertretbare Sachen" im herkömmlichen Sinne des § 91 heute die Erstrekkung auf Gattungssachen treten" unter Verweis auf BGH NJW 1971, S. 1793. 4 8 BGH NJW 1977, S. 379; NJW 1971, S. 1793 (1794); NJW 1966, S. 2307; StaudingerDilcher, § 91 Rdnr. 1; MüKo-Holch, § 91 Rdnr. 1; Soergel-Mühl, § 91 Rdnr. 1; Kaiser, ZfBR 1983, S. 155 ff. (156); Adler, AcP 109 , S. 321 ff. (332); Medicus, AT BGB, Rdnr. 1180. 49 BGH NJW 1977, S. 379; NJW 1971, S. 1793 (1794); NJW 1966, S. 2307; SoergelMühl, 11. Aufl., § 651 Rdnr. 1; Beispiele bei Erman-Seiler, § 651 Rdnr. 7; Nagel, DB 1991, S. 323; RGRK-Glanzmann, § 651 Rdnr. 5 m. w. N. so Weyers, Reformgutachten, S. 1142.
5i Vgl. Protokolle, Bd. 2, S. 337 - 341; Soergel-Mühl, 11. Aufl., § 651 Rdnr. 1.
48
2. Teil: Erstbemusterung und Liefervertrag
bei vertretbaren Sachen sei dies mit Rücksicht auf ihre anderweitige marktmäßige Verwertbarkeit gerechtfertigt, nicht dagegen bei einem den individuellen Zwecken des Bestellers angepaßten Liefergegenstand. Zudem würde bei vertretbaren Sachen, die viele Abnehmer haben und deswegen leicht auf Vorrat angefertigt werden können, der Gesichtspunkt des Arbeitsverhältnisses zurücktreten, wodurch die Nähe zum Kaufrecht begründet sei.
2. Die Besonderheiten bei Zulieferteilen In der Literatur findet man Ausführungen dahingehend, daß die vom Zulieferer herzustellenden Produkte in zunehmendem Maße als nicht vertretbare Sachen einzustufen sind. 52 Das überrascht auf den ersten Bück, wenn man bedenkt, daß es sich bei den Zulieferprodukten um Ware aus einer Serienfertigung handelt. Gerade bei vertretbaren Sachen wird es sich regelmäßig um solche handeln, die im wirtschaftlichen Verkehr als Mengensachen und nicht als Einzelsachen in Betracht stehen. 53 Es ist allerdings unzutreffend, wenn man den Gegensatz von Mengensachen und Einzelsachen als maßgebendes Kriterium für die Vertretbarkeit ansieht.54 Ebensowenig kann die Vertretbarkeit einer Sache davon abhängen, ob ein Muster von der Sache existiert. Zwar könnte man argumentieren, daß im Falle der Existenz eines freigegebenen Musters die künftige Produktion bereits feststeht und es keinen Unterschied macht, ob der Zulieferer den Abnehmer aus dieser schon jetzt feststehenden Produktion oder aus seinem Vorrat bedienen wird. 55 Dies entspricht aber nicht der Überlegung des Gesetzgebers. Weisen Zulieferteile gegenüber anderen Sachen der gleichen Art ausgeprägte Individualisierungsmerkmale auf, sind sie den Wünschen des Abnehmers angepaßt und für den Zulieferer anderweitig schwer oder gar nicht absetzbar, so sind diese Teile auch dann nicht vertretbare Sachen, wenn sie in Serie hergestellt werden oder wenn ein Muster existiert. Der Umstand, daß viele Zulieferteile speziell auf den jeweiligen Abnehmer und das Endprodukt, in das sie eingebaut werden sollen, zugeschnitten sind, 56 führt dazu, daß diese Lieferverträge als Werklieferungsverträge i. e. S. gemäß § 651 I 2 2. HS BGB zu qualifizieren sind. Erst mit der Rezession in der Automobilindustrie in den letzten Jahren kam die Forderung auf, daß Abnehmer mehr nach DIN (o. a. Normen) genormte Teile zur Herstellung eines Kraftfahrzeuges verwenden sollten. 52 Merz, S. 30; Saxinger, S. 140; Schreiber, S. 14; Nagel, DB 1991, S. 323. 53 Beispielsweise nach Muster serienmäßig hergestellte Möbel: BGH NJW 1971, S. 1793; Staudinger-Dilcher, § 91 Rdnr. 2; MüKo-Holch, § 91 Rdnr. 1. 54 So aber Wendt, AcP 103, S. 417 ff. (452); zurecht dagegen: Weyers, Reformgutachten, S. 1142; Staudinger-Dilcher, § 91 Rdnr. 2. 55 Vgl. Walter, Kaufrecht, § 1 I I 5. 56 Saxinger, S. 139: „Gerade die produktionstechnischen Besonderheiten unterscheiden Zulieferteile von sonstigen Gegenständen. Sie sind speziell auf den jeweiligen Abnehmer und das Endprodukt, in das sie eingebaut werden sollen, zugeschnitten.".
D. Auswirkungen des Fehlschlags des Erstbemusterungsverfahrens
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Standardteile, bei denen produktspezifische Besonderheiten keine Rolle spielen und für die ein großer Abnehmerkreis in Frage kommt, können kostengünstig produziert werden und den Preis für das Fahrzeug damit senken. Verpflichtet sich der Zulieferer zur Herstellung genormter bzw. standardisierter Teile, die an viele Abnehmerbetriebe abgesetzt werden können und damit vertretbare Sachen sind, liegt ein Lieferungskauf gemäß § 651 I 2 1. HS BGB vor. Normung und Standardisierung bewirken demnach im Zulieferverhältnis eine Schwerpunktverschiebung von werk- zu kaufvertraglichen Elementen.57
I I I . Ergebnis Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß Lieferverträge zwischen Abnehmern und Zulieferern, die auftragsgebunden fertigen und das benötigte Material selbst beschaffen, einem der beiden Vertragstypen des § 6511 2 BGB zuzuordnen sind. Die Rechte und Pflichten der Parteien sind folglich entweder § 651 I 2 1. HS BGB zu entnehmen, der auf die kaufvertraglichen Vorschriften verweist, oder § 651 I 2 2. HS BGB, der wichtige Vorschriften aus dem Werkvertragsrecht für anwendbar erklärt. Die Einordnung im Einzelfall ist wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht von Bedeutung.58
D. Die Auswirkungen des Fehlschlags des Erstbemusterungsverfahrens auf die vertragliche Beziehung zwischen Abnehmer und Zulieferer Zeigt sich aufgrund des Erstbemusterungsverfahrens, daß der Zulieferer nicht in der Lage ist, Serienprodukte gemäß den vereinbarten Spezifikationen und Zeichnungen herzustellen, 59 so ist zu klären, welche Auswirkungen dies auf die vertragliche Beziehung zwischen Abnehmer und Zulieferer hat. Wurde das Erstbemusterungsverfahren vor Abschluß des Liefervertrages durchgeführt, so wird der Abnehmer den Vertrag nicht abschließen. Wurde das Erstbemusterungsverfahren nach Abschluß des Vertrages durchgeführt, so kommt eine Beendigung des Zuliefervertrages in Betracht. 57 Weyers, Reformgutachten, S. 1142 spricht von einem Trend hin zur vermehrten Herstellung von Normteilen. 58 Der Besteller beim Werkvertrag ist ζ. B. berechtigt und verpflichtet, zunächst einmal Nachbesserung zu verlangen (§ 633 I I BGB); erst wenn dies erfolglos ist, kann er wandeln oder mindern (§ 634 I 3 BGB). Die Verjährung ist im Kauf- und Werkvertragsrecht unterschiedlich (§ 477 BGB / § 638 BGB). 59 Voraussetzung ist natürlich, daß die dort enthaltenen Qualitätsforderungen überhaupt zu verwirklichen sind. 4 Gaiser
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2. Teil: Erstbemusterung und Liefervertrag
I. Das Dauerschuldverhältnis und die Besonderheit bei der Beendigung desselben In dem hier zur Debatte stehenden Bereich der industriellen Serienfertigung schließen die Parteien häufig einen Werklieferungsvertrag über eine größere Menge eines (in der Beschaffenheit möglicherweise variierenden) Zulieferproduktes, der allerdings - abweichend vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall (§ 266 BGB) - nicht auf einmal, sondern verteilt über einen längeren Zeitraum in mehreren Teillieferungen - i. d. R. nach Lieferabruf - erfüllt werden soll. 60 Im Zusammenhang mit den geschilderten Straffungstendenzen im Rahmen des Just-in-Time-Konzeptes sind solche Verträge durchweg Sukzessivlieferungsverträge in der besonderen Form des Dauerlieferungsvertrages, da eine noch unbestimmte Menge innerhalb einer meist ebenfalls noch unbestimmten Zeit zu liefern ist. 61 Stehen mehrere Lieferanten zur Verfügung, wird der Lieferanteil häufig quotenmäßig am wirklichen, aber noch unbestimmten Gesamtbedarf angegeben.62 Der Umstand, daß ein Vertrag ein Dauerschuldverhältnis begründet, hat Auswirkungen auf die mögliche Beendigung dieses Vertrages. So sind Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund jederzeit und dann grundsätzlich fristlos kündbar, wenn dem Kündigenden eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. 63 Dieser für Dauerschuldverhältnisse geltende Rechtsgrundsatz wird aus Treu und Glauben, § 242 BGB, sowie aus einer Rechtsanalogie zu den §§ 553 -554a, 626, 671 Π und III sowie 723 I 2, 3 BGB abgeleitet.64 Nicht zumutbar ist dem Kündigenden die Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses insbesondere dann, wenn die „Geschäftsgrundlage" für das Dauerschuldverhältnis weggefallen ist und die Durchführung des Vertrages erheblich gefährdet ist. 65
60 S. o.: Erster Teil Α. II. und Merz, S. 37. 61 Grunewald, NJW 1995, S. 1777 ff. (1778). 62 Saxinger, S. 116; vgl. ferner zur quotenmäßigen Beteiligung des Zulieferers: Wildemann, Das Just-in-Time-Konzept, S. 155; Schulte, S. 50 und unter kartellrechtlichen Aspekten: Schütz, WuW 1989, S. 115 f. 63 BGHZ 41, S. 104 ff. (108); NJW 1981, S. 1264 (1265); NJW 1989, S. 1482 (1483); Martinek, Zulieferverträge und Qualitätssicherung, S. 87; Palandt-Heinrichs, Einl. v. § 241 Rdnr. 18 f.; MüKo-Kramer, Einl. zu § 241 Rdnr. 88; Soergel-Teichmann, § 242 Rdnr. 270; Dauerschuldverhältnis und Kündigung bei: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 16 I I 4 und § 16 I I 5. 64 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 16 I I 5 b. 65 BGHZ 41, S. 104 ff. (108); BGH NJW 1951, S. 836; BGH L M Nr. 10 zu § 242 (Bc.); Staudinger-Schmidt, § 242 Rdnr. 1386.
D. Auswirkungen des Fehlschlags des Erstbemusterungsverfahrens
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II. Der Fehlschlag des Erstbemusterungsverfahrens als Kündigungsgrund Im Fall der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens hängt der Beginn der Serienproduktion von der Freigabe und damit der positiven Beurteilung des Erstmusters durch den Abnehmer ab. 66 Dies belegt, daß die Konformität des Erstmusters mit den in Spezifikationen und Zeichnungen enthaltenen Qualitätsforderungen für die Erfüllung des Dauerschuldverhältnisses nach der Parteivereinbarung von entscheidender Bedeutung ist. Weist das Erstmuster - auch nach erfolgter Nachbemusterung - Mängel auf, die sämtlichen Serienprodukten anhaften werden, so können künftige vertragsgemäße Lieferungen nicht mehr erwartet werden. Dadurch wird die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Vertrages beseitigt. Verbindungen mit hoher Kooperationsintensität wie Zulieferverträge mit Just-inTime-Vereinbarungen und mit Qualitätsmanagementvereinbarungen hängen aber in besonderer Weise von gegenseitigem Vertrauen ab. Deshalb ist in dem Fall, in dem sich aufgrund erfolgloser Nachbemusterung zeigt, daß der Zulieferer das Erstmuster nicht vertragsgemäß herzustellen vermag, dem Abnehmer ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar. Durch eine Kündigungserklärung kann sich der Abnehmer dann vom Vertrag lösen.
I I I . Der Fehlschlag des Erstbemusterungsverfahrens als auflösende Bedingung bzw. die Mangelfreiheit des Erstmusters als aufschiebende Bedingung Um das Erfordernis einer einseitigen Gestaltungserklärung zu umgehen, ließe sich für den Fall, daß die Vereinbarung über die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens Bestandteil des Liefervertrages ist, an die Begründung eines aufschiebend bzw. auflösend bedingten Vertrages gemäß § 158 I, I I BGB denken. Unter einer Bedingung i. S. d. § 158 BGB ist die einem Rechtsgeschäft eingefügte Bestimmung zu verstehen, die eine Rechtswirkung des Geschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig macht.67 Ob das Erstmuster den vereinbarten Qualitätsforderungen entspricht und die Freigabe erfolgt, läßt sich erst nach Abschluß der Erstbemusterung feststellen. Insoweit liegt also ein zukünftiges ungewisses Ereignis vor. Problematisch ist jedoch der Umstand, daß Abnehmer und Zulieferer eine Bedingung, wonach die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes von dem positiven Ergebnis der Erstbemusterung abhängen soll, nicht ausdrücklich setzen. Zwar kann eine 66 S.o.: Erster TeilC. IV. 67 RGRK-Steffen, Vor § 158 Rdnr. 1; MüKo-Westermann, § 158 Rdnr. 8; BayObLG, NJW 1967, S. 729 f. (729); Flume, § 38, 1 a; Larenz, AT BGB, § 25 I; Soergel-Wolf, Vor § 158 Rdnr. 2; Erman-Hefermehl, Vor § 158 Rdnr. 1; Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 158 Rdnr. 1. 4*
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2. Teil: Erstbemusterung und Liefervertrag
solche Bedingung auch - wie die Willenserklärung insgesamt - durch schlüssiges Verhalten verlautbart werden, sofern erkennbar wird, daß die Rechtswirkungen der Erklärung von einem ungewissen künftigen Ereignis abhängig sein sollen. 68 Die Tatsache allein, daß der Beginn der Serienproduktion von der Freigabe des Musters abhängig gemacht wird, reicht jedoch nicht für die Annahme aus, daß auch die Rechtswirkungen des Vertrages hiervon abhängen sollen. Die Freigabe betrifft die tatsächliche Möglichkeit des Zulieferers zur Erfüllung des Liefervertrages, aber nicht zwangsläufig dessen Wirksamkeit. Im übrigen ist im Interesse der Rechtssicherheit eine derartige Konstruktion zu vermeiden. Da ζ. B. bei Eintritt einer auflösenden Bedingung das Rechtsgeschäft automatisch ex nunc unwirksam wird, die Parteien aber eine unterschiedliche Auffassung davon haben können, wann das Erstbemusterungsverfahren fehlgeschlagen ist, würden Unklarheiten in bezug auf das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages eintreten. Daß der Vertrag im Falle des Fehlschlagens des Erstbemusterungsverfahrens durch eine besondere Gestaltungserklärung des Abnehmers, die Kündigungserklärung, beendet werden kann, ist daher im Hinblick auf das Erfordernis der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sachgerecht.
68 Staudinger-Dilcher, Vorbem. zu §§ 158 ff. Rdnr. 7; Soergel-Wolf, § 158 Rdnr. 2.
Dritter Teil
Die rechtliche Problematik der Erstbemusterung im Hinblick auf §494 BGB Im Falle der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens wird der Beginn der Serienproduktion von der positiven Beurteilung des Erstmusters abhängig gemacht. Dies legt die Vermutung nahe, daß die Vereinbarung über den Vorbehalt des Abnehmers, die Serienherstellung nach einem Erstmuster des Zulieferers freizugeben, die Vereinbarung eines Liefervertrages nach Muster im Sinne des § 494 BGB bedeutet.
A. Vorüberlegungen Da die hier in Betracht gezogenen Lieferverträge einem der beiden Vertragstypen des § 651 I 2 BGB zuzuordnen sind, kann § 494 BGB zwar nicht in Verbindung mit § 433 BGB direkt Anwendung finden. § 6511 2 1. HS BGB enthält aber einen Generalverweis auf die kaufrechtlichen Vorschriften, und § 651 I 2 2. HS BGB erklärt nicht explizit die Unanwendbarkeit des § 494 BGB. Rein nach dem Gesetzeswortlaut ist damit die Konstruktion eines Lieferkaufes nach Muster gemäß §§ 65112 1. HS, 494 BGB und eines Werklieferungsvertrages i. e. S. nach Muster gemäß §§ 651 12 2. HS, 494 BGB möglich.1 Gemäß der Regelung des § 494 BGB würde dies bedeuten, daß die Eigenschaften des Musters als vom Zulieferer zugesichert anzusehen sind. Die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens könnte damit Besonderheiten im Hinblick auf die vertraglichen Gewährleistungsansprüche des Abnehmers gegen den Zulieferer im Falle nicht musterkonformer Folgelieferung aufwerfen. 2 Begriffsnotwendige Voraussetzung für die Annahme eines Erwerbsgeschäftes im Sinne des § 494 BGB (i. V. m. § 65112 BGB) ist die irgendwie zum Ausdruck gebrachte Bezugnahme auf ein Muster. 3 Diese ist bei Lieferverträgen, die in klarer Abhängigkeit von einer positiv verlaufenden Erstbemusterung abgeschlossen wer1 RGRK-Glanzmann, § 651 Rdnr. 18; Erman-Seiler, § 651 Rdnr. 10; Jauernig-Schlechtriem, § 651 Anm. 2; anders: Soergel-Mühl, 11. Aufl., § 651 Rdnr. 7 und Soergel-Ballerstedt, 10. Aufl., § 651 Rdnr. 7, die ohne Begründung § 494 BGB nicht anwenden. 2 Schadensersatz wegen Nichterfüllung/Ersatz des positiven Interesses. 3 RGZ 94, S. 336; Staudinger-Mader, § 494 Rdnr. 1,4.
54
3. Teil: Rechtliche Problematik im Hinblick auf § 494 BGB
den, gegeben.4 Problematischer wird es in den Fällen, in denen Erstbemusterung erst nach Abschluß des Liefervertrages durchgefühlt wird 5 und damit bei Vertragsschluß noch kein Erstmuster vorliegt. Würde man ein Geschäft nach Muster nur dann annehmen, wenn bei Vertragsschluß oder zuvor ein Muster geliefert wurde, 6 so könnte bereits wegen dieses Erfordernisses die Möglichkeit der Qualifikation des Erstmusters als Muster i. S. d. § 494 BGB ausscheiden. Dagegen spricht folgende Überlegung: Da in der Übergabe eines Musters i. S. d. § 494 BGB die Zusicherung liegt, daß dem Muster entsprechend geliefert wird, kann unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen eine Zusicherung auch nach Vertragsabschluß erklärt werden kann, ein Muster mit bindender Wirkung noch nach Vertragsabschluß ausgehändigt werden. So ist eine Zusicherung ζ. B. nach Abschluß eines Kaufvertrages noch bis zu dem Zeitpunkt des Gefahrüberganges möglich.7 Für die Annahme eines Erwerbsgeschäftes i. S. d. § 494 BGB ist demnach weder erforderlich noch ausreichend, daß ein Muster bei Abschluß des Vertrages vorliegt oder ausgehändigt wird. 8 Als Muster i. S. d. § 494 BGB scheiden von vornherein diejenigen Muster aus, aus denen der Abnehmer bloß ersehen soll, wie die Lieferung ungefähr aussehen wird, denn in einem solchen Fall ist es offensichtlich, daß der Zulieferer für die Eigenschaften der Probe nicht einstehen will. 9 Ebensowenig ist eine Zusicherung gewollt, wenn das Muster nur dazu dient, die Kauflust anzuregen.10 Gegen die Annahme, daß Erstmuster dem Abnehmer lediglich einen ersten Eindruck von der Beschaffenheit des Produktes vermitteln sollen, spricht, daß es sich dabei um Muster handelt, die vollständig mit serienmäßigen Betriebsmitteln und unter serienmäßigen Fertigungsmethoden hergestellt wurden. Es sollen bereits vor Beginn der Serienfertigung die spezifische Risikoakkumulation und die Fehleranfälligkeit, die bei einer Serienproduktion im Gegensatz zu einem speziellen Fertigungsvorgang wie ζ. B. der Handarbeit - auftreten, Berücksichtigung finden. Mit dem Erstmuster soll demnach dem Abnehmer nicht lediglich eine grobe Orientierungshilfe in bezug auf die Beschaffenheit der künftigen Lieferung gegeben werden. Der Umstand, daß Erstmuster nach Abschluß des Liefervertrages hergestellt werden, belegt, daß Erstmuster nicht dazu dienen, die Kauflust zu wecken. 4
S. o.: Zweiter Teil A. sowie Merz, S. 116. S. o.: Zweiter Teil Α.: zeitliche Reihenfolge von Erstbemusterung und Liefervertragsabschluß. 6 Vgl. Staudinger-Mader, § 494 Rdnr. 7: „vor einem Kauf vorgewiesene oder übergebene Stück". 7 Vgl. Meeske, Die Mängelrüge, Β III Rdnr. 45. s Ebenso: RGRK-Mezger, § 494 Rdnr. 2; MüKo-Westermann, § 494 Rdnr. 5; vgl. SoergelHuber, § 494 Rdnr. 12. 9 Staudinger-Mader, § 494 Rdnr. 7; RGRK-Mezger, § 494 Rdnr. 2; Soergel-Huber, § 494 Rdnr. 2. 10 Erman-Grunewald, § 494 Rdnr. 2, Jauernig-Vollkommer, § 494 Anm. 1; RGZ 94, S. 336 f. (337); BGH NJW 1958, S. 138 (139) = BGH L M BGB § 4591 Nr. 4. 5
Β. Der Lösungsvorschlag von Merz
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Das Vorweisen oder Hingeben von Stücken, die der zu liefernden Ware entsprechen, macht aber den Liefervertrag nicht immer zu einem Erwerbsgeschäft im Sinne des § 494 BGB. 11 Vielmehr richtet sich die Frage, ob die Vorlage des Erstmusters seitens des Lieferanten und die Freigabe des Erstmusters durch den Abnehmer zur Haftung des Lieferanten für die Zusicherung der Eigenschaften des Musters führt, nach der Parteivereinbarung. 12 Entscheidend ist insoweit, ob die Zusicherung der Eigenschaften des Musters Vertragsinhalt geworden ist. Dabei ist eine ausdrückliche vertragliche Abrede der Gestalt, daß die Lieferung die Eigenschaften des Musters haben soll und eine Zusicherung erfolgt, nicht erforderlich. Es kann sich beispielsweise aus den Umständen des Falles oder dem Handelsbrauch ergeben, daß der Lieferant für die Eigenschaften des Musters einstehen will. 1 3 Die Frage, ob die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens dazu führt, daß ein Erwerbsgeschäft nach Muster vorliegt, kann nicht unabhängig von der Funktion und der Bedeutung des Erstmusters beantwortet werden.
B. Der Lösungsvorschlag von M e r z 1 4 I. Die rechtliche Qualifikation des Erstmusters als Muster i. S. d. § 494 BGB Merz geht davon aus, daß im Regelfall der Abschluß des Liefervertrages vom Ergebnis der Erstbemusterung abhängt und im Vertrag auf die zuvor präsentierten Erstmuster Bezug genommen wird. Er verweist bei seiner Überlegung, ob ein solcher unter Vorschaltung eines Erstbemusterungsverfahrens abgeschlossener Liefervertrag als Erwerbsgeschäft i. S. d. § 494 BGB zu qualifizieren ist, darauf, daß einem unter Serienbedingungen hergestellten Muster von den Parteien bezüglich des weiteren Serienoutput ein hohes Maß an Repräsentativität der Beschaffenheitsmerkmale beigemessen wird. Diese Repräsentationsfunktion des Erstmusters bejaht Merz auch für den Fall, daß die Mustereigenschaften von den Spezifikationen abweichen. In der Repräsentation eines solchen Musters sei nämlich ein Angebot i. S. d. § 150 I I BGB zu sehen, das wiederum durch die Freigabeerklärung des Abnehmers angenommen werde. 15 Das Erstmuster diene dazu, die exakte Beschaffenheit der Folgelieferung zu fixieren. Deshalb sei ein Liefervertrag, der unter Einben RG JW 1917, S. 710; OLG Colmar, ZHR Bd. 23, S. 200; Staudinger-Mader, § 494 Rdnr. 9. 12 Erman-Grunewald, § 494 Rdnr. 2; Staudinger-Mader, § 494 Rdnr. 9; BGH NJW 1988, S. 1018 ff. (1020); BGH DB 1966, S.415. 13 Staudinger-Mader, § 494 Rdnr. 9; OLG Hamburg, ZHR Bd. 23, S. 200. η Merz, S. 115 ff. is Merz, S. 112.
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3. Teil: Rechtliche Problematik im Hinblick auf § 494 BGB
ziehung eines Erstbemusterungsverfahrens abgeschlossen werde, als Erwerbsgeschäft nach Muster zu qualifizieren. 16 Den Kreis der regelmäßig als zugesichert geltenden Eigenschaften beschränkt er auf die im Erstmusterprüfbericht explizit aufgeführten und vom Zulieferer bestätigten Merkmale. Entwicklungsrisiken nimmt er von der gesetzlich fingierten Zusicherung aus.
II. Die Forderung nach einer einheitlichen Behandlung der Eigenschaftszusicherung bei Lieferungskauf und Werklieferungsvertrag i. e. S. Würde man nun die Konsequenzen für die Sachmängelhaftung bei nicht musterkonformer Folgelieferung rein anhand der gesetzlichen Regelungen bestimmen, so ergäbe sich folgende Lösung: Hätten Lieferant und Abnehmer einen reinen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB oder einen Lieferungskauf nach § 651 I 2 1. HS BGB abgeschlossen, würden sich die Rechtsfolgen der Zusicherungsfiktion aus den kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften ergeben. Dort sehen die §§ 463, 480 II BGB eine verschuldensunabhängige Haftung vor. Hätten die Parteien hingegen einen Werklieferungsvertrag i. e. S. gemäß § 651 I 2 2. HS BGB geschlossen, so wären die Rechtsfolgen § 635 BGB zu entnehmen, da § 651 1 2 2. HS BGB diesen Paragraphen für anwendbar erklärt. § 635 BGB sieht eine verschuldensabhängige Haftung vor („... Umstände, den der Unternehmer zu vertreten hat ..."). Je nach der rechtlichen Qualifikation des zugrundeliegenden Vertrages würde aus §§ 463, 480 II BGB einerseits und aus § 635 BGB andererseits eine in Voraussetzungen und Umfang unterschiedliche Haftung resultieren. Merz plädiert nun dafür, Lieferungskauf und Werklieferungsvertrag i. e. S. im Hinblick auf die Haftungsfrage gleich zu behandeln.17 Bei beiden Varianten des § 651 I 2 BGB stelle der Lieferant die geschuldete Leistung erst nach Vertragsschluß her und damit sei eine Abschätzung des Zusicherungsrisikos wie beim klassischen Kauf, bei dem die veräußerte Sache bereits gegenständlich existent sei und deshalb vom Zusichernden zuvor selbst untersucht werden könne, jedenfalls an der geschuldeten Ware selbst mangels deren gegenwärtiger Verkörperung nicht möglich. Der Umstand, daß das Zusicherungsrisiko nicht so leicht beurteilt werden könne wie beim klassischen Kauf, spreche dafür, das werkvertragliche Verschuldensprinzip des § 635 BGB bei beiden Vertragstypen des § 6511 2 BGB anzuwenden. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß sich der Lieferungskauf auf vertretbare Sachen beziehe, der Werklieferungsvertrag i. e. S. auf nicht vertretbare Sachen. Zwar könnte man daran denken, daß eine vertretbare Sache hinsichtlich ihrer typischen Eigenschaften auch bei noch fehlender Verkörperung der konkreten Sache vom Schuldner durch die Orientierung an bereits vorliegenden artgleichen 16 Merz, S. 116. π Merz, S. 120 ff.
C. Kritische Würdigung dieser Lösung
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Sachen abgeschätzt werden kann. Dann wäre das Zusicherungsrisiko ebenso wie beim Verkauf körperlich vorliegender Ware gemindert. Mit der Begründung, daß die Vertretbarkeit einer Sache nicht davon abhängt, ob sie in wesensgleicher Gestalt bereits anderweitig existiert (hat), begegnet Merz diesem Einwand. Merz erwägt schließlich, ob im Falle der Existenz eines Erstmusters eine andere Wertung vorgenommen werden muß. 18 Da das Erstmuster unter Serienbedingungen angefertigt wurde, könnte es als repräsentative Prognosegrundlage für die Folgeleistung zur Verfügung stehen und so das Zusicherungsrisiko - wie beim Verkauf bereits existierender Sachen - mindern. Dagegen wendet er jedoch ein, daß die Prognose, die aufgrund des Erstmusters getroffen werden kann, sich lediglich auf die Fähigkeit des Lieferanten zur dauerhaften anforderungskonformen Fertigung beziehe, über die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ergebnisses aber nichts aussage. Dieses hänge maßgeblich auch von Einflußfaktoren ab, die vom Lieferanten nicht oder nur eingeschränkt beherrscht bzw. simuliert werden könnten, so ζ. B. das Auftreten einzelner Ausreißer aufgrund unvorhersehbarer Änderungen qualitätsrelevanter Bedingungen im Verlaufe einer längerfristig angelegten Serienfertigung. Daß der Zulieferer entweder das Auftreten vereinzelter Ausreißer als vernachlässigenswertes Risiko einstuft oder aber für diese, soweit sie auftreten, selbst bei mangelndem Verschulden aufgrund seiner Zusicherung haften will, seien beides Ergebnisse, die im Wege einer bloßen gesetzlichen Fiktion (§ 494 BGB) wohl kaum haltbar erschienen. Demnach liefere auch in den Fällen, in denen der Zulieferer ein Erstmuster hergestellt habe, allein das Verschuldensprinzip die sachgerechten Ergebnisse.
C. Kritische Würdigung dieser Lösung Ausgangsbasis ist für Merz, daß Erstmuster rechtlich als Muster i. S. d. § 494 BGB zu qualifizieren sind. Nach der Auslegungsregel des § 494 BGB hat dies zur Folge, daß die Eigenschaften des Musters als vom Zulieferer zugesichert anzusehen sind. Diese Zusicherungshaftung schränkt Merz aber in allen seinen folgenden Ausführungen wieder ein. Dies beginnt damit, daß er den Kreis der regelmäßig als zugesichert geltenden Eigenschaften eng zieht, um - wie er selbst schreibt - auf diese Weise gerade bei komplexen Produkten einer bei Schaffung des § 494 BGB in dieser Form nicht vorhersehbaren und auch sachlich nicht gerechtfertigten Ausweitung der Zusicherungshaftung die gebotenen Grenzen zu setzen.
is Merz, S. 122 ff.
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3. Teil: Rechtliche Problematik im Hinblick auf § 494 BGB
I. Die Problematik einer strikten Grenzziehung von kaufoder werkvertraglichen Vorschriften in § 65112 BGB Durch die Gleichbehandlung von Lieferungskauf und Werklieferungsvertrag i. e. S., die Merz im Hinblick auf die Verschuldenshaftung konstruiert, gelingt es, den Zulieferer der verschuldensunabhängigen Schadensersatzhaftung nach den §§ 463, 480 I I BGB zu entziehen, obwohl das Gesetz für den Lieferungskauf eine solche Haftung vorsieht, vgl. § 651 I 2 1. HS BGB. Die Lösung von Merz widerspricht daher ganz offensichtlich der gesetzlichen Regelung. Zu bedenken ist allerdings, daß § 651 I 2 BGB eine strikte Grenzziehung von kauf- und werkvertraglichen Vorschriften versucht, deren Durchführbarkeit in dieser Schärfe bezweifelt werden muß. 19 So muß in den dem Kaufrecht zugewiesenen Bereichen zum Teil auch Werkvertragsrecht angewendet werden und umgekehrt. Hat ζ. B. der Unternehmer mit teilweise vom Besteller zu stellenden Materialien vertretbare Sachen herzustellen, liefert der Besteller diese aber nicht, so liegt der Rückgriff auf die §§ 642, 643 BGB nahe. Geht es im werkvertraglichen Bereich um Rechtsmängel, so werden die §§ 434 ff. BGB zu beachten sein. 20 Ein Blick in die Rechtsprechung bestätigt diese Entwicklung: So wird die Bestimmung des § 639 II BGB im Kaufrecht entsprechend angewendet, wenn die Parteien ein Nachbesserungsrecht des Verkäufers vereinbart haben, aber auch dann, wenn sich der Käufer ohne eine entsprechende Vereinbarung auf eine Nachbesserung durch den Verkäufer einläßt.21 Ein weiteres Beispiel für diese im Gesetz nicht vorgesehene Kombination von Kaufrecht und Werkvertragsrecht bildet die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Fällen, in denen ein Grundstück mit einem neu errichteten Gebäude veräußert wird. 22 Selbst wenn der Veräußerer das Bauwerk zunächst für sich errichtet hat und sogar einige Monate bewohnt hat, richten sich die Ansprüche des Erwerbers bei Sachmängeln am Bauwerk nach Werkvertragsrecht, obwohl bei strikter Subsumtion ein Kaufvertrag geschlossen wurde. 23 Entscheidend sei die Interessenlage der Parteien, wonach die mangelfreie Erstellung des Bauwerks im Vordergrund stehe. Zudem seien bei einem Bauwerk Mängel oft erst nach Jahren erkennbar, so daß die kurze Verjährungsfrist des § 477 I 1 BGB unangemessen wäre. Angesichts dieser Rechtsentwicklung könnte es durchaus angebracht sein, im Hinblick auf eine billigenswerte Vertragspraxis im 19 Vgl. Staudinger-Peters, Vorbem. zu §§ 631 ff. Rdnr. 4 und Staudinger-Peters, § 651 Rdnr. 3. 20 Staudinger-Peters, § 651 Rdnr. 3. 21 OLG Frankfurt am Main, DB 1982, S. 2397; BGH NJW 1984, S. 1525; Palandt-Thomas, § 639 Rdnr. 6. 22 BGH NJW 1981, S. 2344 (2345); BGHZ 60, S. 362 (364); 63, S. 96 ff. (97); 68, S. 372 (374); 74, S. 204 (206); Schubert, JR 1978, S. 109 = Anm. zu BGH v. 5. 5. 1977; Larenz, Schuldrecht I I /1, BT, § 53 IV. 23 Palandt-Thomas, § 633 Rdnr. 4; Staudinger-Peters, § 651 Rdnr. 42.
C. Kritische Würdigung dieser Lösung
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Verhältnis Zulieferer/Abnehmer die verschuldensabhängige Haftung des § 635 BGB auch für den Fall des Lieferungskaufs zu fordern. Andererseits dürfen die Gefahren nicht verkannt werden, die sich aus einem solchen Umgang mit dem Gesetz ergeben. Wenn eine Regelung Lücken enthält, die ohne Systembruch durch den Rückgriff auf eine andere gefüllt werden können, mag dies hinnehmbar sein. Wenn aber Regelungen der einen Materie, vorliegend §§ 463, 480 I I BGB aus dem Kaufrecht, deshalb durch die der anderen, hier § 635 BGB aus dem Werkvertragsrecht, verdrängt werden, weil letztere einfach sachgerechter erscheinen, so ist dies gesetzessystematisch äußerst fragwürdig. 24 Obwohl der Gesetzgeber die Bestimmung des § 651 BGB nicht - wie bereits seit längerer Zeit von vielen Stellen gefordert - reformiert hat, 25 ist es im Hinblick auf Art. 20 II, I I I GG bedenklich, wenn der Richter im Wege einer rechtsfolgenorientierten Abgrenzung der kauf- und werkvertraglichen Vorschriften im Einzelfall diese gesetzgeberische Aufgabe wahrnimmt. Zwar ist den Protokollen zu entnehmen, daß der historische Gesetzgeber eine solche Einzelfallentscheidung des Richters in Erwägung gezogen hat. 26 Die Vorschrift des § 651 BGB macht aber deutlich, daß es dem Gesetzgeber letztendlich doch darum ging, der Rechtsprechung eine klare und unzweideutige Bestimmung an die Hand zu geben.27 Die unterschiedlichen Regelungen für den Lieferungskauf und den Werklieferungsvertrag i. e. S. hat er bewußt getroffen. 28 Die Gleichstellung dieser Vertragstypen im Hinblick auf die Verschuldenshaftung steht daher nicht in Einklang mit der gesetzlichen Regelung und ist deshalb zu vermeiden. Zudem widerspricht sich Merz mit seiner Gedankenführung. Zur Begründung der Verschuldenshaftung auch in den Fällen, in denen ein Erstmuster existiert, führt er aus, daß das Erstmuster eine experimentell gestützte Prognose lediglich im Hinblick auf die Fähigkeit des Lieferanten zur dauerhaften anforderungskonformen Fertigung erlaube, aber nichts über die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ergebnisses aussage.29 Die Frage, ob das Erstmuster ein Muster i. S. v. § 494 BGB ist, kann allerdings nicht unabhängig von der Aussagekraft des Musters beantwortet werden. Reicht das Erstmuster - wie die Parteien wissen - nicht für eine Risikoabschätzung des Lieferanten in bezug auf die Musterkonformität der künftigen Lieferungen aus, so kann eine Auslegung der Parteivereinbarung nicht ergeben, daß der Zulieferer für die Eigenschaften des Musters einstehen will. Die gesamte Argumentation von Merz muß als ein „Kunstgriff 4 erscheinen, wenn man sie unter dem Aspekt sieht, daß es ihm ausschließlich darum geht, aus Gründen des Zulieferschutzes und der gerechten Risikoverteilung die eingangs de24 25 2
6 7 28 2 9 2
Ebenso Staudinger-Peters, § 651 Rdnr. 4. Weniger revolutionärer Entwurf bei Weyers, Reformgutachten, S. 1194. Protokolle, Bd. 2, S. 338. Protokolle, Bd. Π, S. 338; Motive, Bd. II, S. 475. Vgl. Protokolle, Bd. II, S. 339 f. Merz, S. 122.
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3. Teil: Rechtliche Problematik im Hinblick auf § 494 BGB
klarierte Zusicherungshaftung des Lieferanten wieder einzuschränken. Daher liegt es nahe, die Richtigkeit der Prämisse von Merz zu überprüfen: Kann das Erstmuster rechtlich als Muster i. S. d. § 494 BGB qualifiziert werden?
II. Bedenken gegen die rechtliche Qualifikation des Erstmusters als Muster i. S. d. § 494 BGB Um ermitteln zu können, ob das Erstmuster ein Muster i. S. d. § 494 BGB darstellt, ist es notwendig, sich auf die dem § 494 BGB ursprünglich beigelegte Bedeutung sowie dessen Sinn und Zweck zu besinnen. Diese Vorschrift wurde aus dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB), das aus dem Jahre 1861 stammte, in das BGB übernommen. 30 Art. 340 ADHGB hatte sich darauf beschränkt, für den Fall des Kaufs nach Probe oder Muster die Verpflichtung des Verkäufers auszusprechen, daß die Ware der Probe oder dem Muster gemäß sei. Die Rechtsfolgen wurden im ADHGB nicht selbst geregelt, sondern den Handelsbräuchen und subsidiär dem allgemeinen bürgerlichen Recht überlassen, vgl. Art. 1 ADHGB. Art. 340 ADHGB statuierte lediglich, daß der Kauf nach Probe oder Muster unbedingt ist. Es empfiehlt sich zunächst, die wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung und Bedeutung des Kaufs nach Probe zu beleuchten, um ein Bild von der Lage zu bekommen, die der historische Gesetzgeber bei der Schaffung des § 494 BGB und seines Vorläufers vor Augen hatte.
1. Die wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung und Bedeutung des Kaufs nach Probe Die historischen Wurzeln des Kaufs nach Probe gehen bis ins 17. Jahrhundert zurück. 31 Bis zum 17. Jahrhundert vollzog sich der Güterabsatz auf Märkten und Messen wesentlich im persönlichen Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer. 32 Sie trafen sich dort zu festgesetzten Zeiten periodisch, um in Gegenwart der Warenpartie durch persönliche Rücksprache den Kaufvertrag zu schließen. Neben dem Fall, daß sich Verkäufer und Käufer an einem dritten Ort, dem Markt oder der Messe, trafen, kam es auch vor, daß der Verkäufer zum Käufer kam wie bei der Hausiererei oder der Käufer zum Verkäufer wie beim Ladenkauf. Stets war dabei die Ware präsent. Ihren rechtlichen Ausdruck fand diese Art des Güterumsatzes im Hand-
30 Motive, Bd. II, S. 332. 31 Überzeugend: Sombart, S. 506; a.A.: Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 316: 13. Jahrhundert. 32 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 102.
C. Kritische Würdigung dieser Lösung
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kauf. Dieses Wort besagt, daß es sich hierbei um einen höchstpersönlichen Vorgang, ein Hand in Hand, Auge in Auge-Geschäft handelt.33 Mit dem Beginn einer regelmäßigen Korrespondenzbeförderung und eines organisierten Fuhrwesens Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts, fingen die Kaufleute dann an, zwischen ihren nach wie vor erfolgenden persönlichen Begegnungen auf der Messe, Bestellungen auf Warenpartien zu machen, die noch nicht an Ort und Stelle dalagen, sondern erst geliefert werden mußten. Anfangs handelte es sich dabei lediglich um Nachbestellungen früher gekaufter Ware, bei denen der persönliche Kontakt und die Besichtigung der Ware aufgrund der früheren Verständigung ausgelassen wurden. 34 Sehr bald entwickelte sich daraus der Kauf nach Probe, bei dem die Warenprobe die persönliche Beziehung zwischen Verkäufer und Käufer auflöste und von dem Erfordernis der Warenpräsenz befreite. Sombart beschreibt sehr treffend den revolutionären Einfluß der Warenprobe auf den Handel: 35 „Solange der Kaufmann seine Warenpartie wie die Schnecke ihr Haus immer mit sich trägt, solange ist er - es sei denn ein Hausierer - zur Passivität verurteilt. Er muß in seinem Gewölbe auf die Kunden warten. ... Mit der Probe und dem Muster, die er frei hinaus in die Welt... senden kann, gewinnt der Kaufmann erst seine Bewegungsfreiheit, die ihm auch die tatsächliche Möglichkeit gibt, den Kunden anzugreifen." Der Kaufmann schickte den Warenproben dann Vertreter nach, welche die aufgrund der Probe gemachten Bestellungen einsammeln konnten. Mit dem Probenversand konnte der Verkäufer seinen Geschäftsbereich und seinen Kundenstamm weit ausdehnen. Der Kauf nach Probe führte also zur räumlichen Ausweitung des Handels. Zudem mußten sich Verkäufer und Käufer nicht mehr auf Märkten und Messen treffen, um in Gegenwart der Warenpartie den Vertrag zu schließen. Sie konnten sich dadurch von den Beschränkungen und Umständlichkeiten befreien, die wegen der Reglementierung mit dem Markthandel verbunden waren. 36 Der Kauf nach Probe gewann noch wegen eines anderen Umstandes in jener Zeit an Bedeutung: Infolge der Kriege Ludwigs XIV. wuchsen die Armeen in vielen Staaten enorm an. 37 Die riesigen Mengen an Getreide, die zur Versorgung der Soldaten benötigt wurden, konnten nicht mehr sämtlich vom Käufer in Augenschein genommen werden. Deshalb wurden sie aufgrund von Proben gekauft. In Amsterdam bildete sich im 17. Jahrhundert sogar eine eigene Getreidebörse heraus, die dreimal wöchentlich von zehn Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags in einer riesigen Holzhalle tagte. Dort spielte der Kauf nach Probe eine besondere Rolle. Es wurde nicht präsente Ware gehandelt, die durch Proben repräsentiert war. Schilderungen des Handels an der Amsterdamer Getreidebörse 38 ist zu entnehmen, 33 Sombart, S. 439.
34 35 36 37 38
Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 102. Sombart, S. 505. Sombart, S. 507. Sombart, S. 508. Braudel, Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts, S. 101.
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3. Teil: Rechtliche Problematik im Hinblick auf § 494 BGB
daß jeder Kaufmann einen eigenen Faktor beschäftigte, der in ein bis zwei Pfund fassenden Säckchen Proben der zum Verkauf angebotenen Getreidesorten vorlegte. Da sich der Getreidepreis ebensosehr nach dem spezifischen Gewicht wie nach der Qualität richtete, standen im hinteren Teil der Börse verschiedene kleine Waagen, auf denen man drei oder vier Handvoll Körner abwiegen und so das Gewicht des Sackes ermitteln konnte. Es leuchtet unmittelbar ein, daß in einem solchen Fall der Verkäufer die wertbildenden Eigenschaften der Probe, ζ. B. das an Ort und Stelle durch Wägen ermittelte spezifische Gewicht der Getreidekörner, bindend zugesagt hat und die Vertragsparteien darüber einig sind, daß der Verkäufer eine der Probe entsprechende Ware zu liefern hat. 39 Die Eigenschaften der Probe gelten deshalb als zugesichert.
2. Der Vergleich von traditionellen Mustern i. S. v. § 494 BGB mit dem Erstmuster Die wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung des Kaufs nach Probe zeigt, daß es sich bei den Proben anfangs um eine bestimmte Menge einer bereits existierenden Ware handelte, zumeist um Naturalien oder Genußmittel, ζ. B. eine Handvoll Getreide aus einer Ernte oder ein Schluck Wein aus einem Weinfaß. 40 Die Proben wurden entnommen, damit der Käufer daraus die Beschaffenheit der Ware erkennen konnte. Das Zusicherungsrisiko war gering, da die Probe Teil der Ware war. Daß der Aspekt des geringen Zusicherungsrisikos nach dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen der Zusicherungshaftung eine Rolle spielt, bestätigt der Wortlaut des § 463 BGB, wonach der Verkäufer nur für die „zur Zeit des Kaufs" fehlenden zugesicherten Eigenschaften verschärft haftet. Nach dem dahinterstehenden Gedanke ist die Garantie nicht in dem ausgedehnten Sinne verstanden, daß die Eigenschaft auch noch zu der Zeit, zu der die Gefahr auf den Erwerber übergeht, vorhanden sein müsse. Das Versprechen, eine Eigenschaft herzustellen, hat keine selbständigen Wirkungen. 41 Diese in bezug auf den klassischen Kauf vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung läßt sich jedoch nicht ohne weiteres auf die Vertragstypen des § 65112 BGB übertragen, denn sowohl beim Lieferungskauf als auch beim Werklieferungsvertrag i. e. S. muß die zu liefernde Ware erst hergestellt werden. Dennoch können auch in diesen Fällen Proben eine Rolle spielen. Aus ihnen kann die Beschaffenheit der künftig herzustellenden Ware ersehen werden. Um das Risiko, daß die Eigenschaften der Probe von den Eigenschaften der künftig herzustellenden Ware abweichen, geringzuhalten, empfiehlt es sich, die Probe auf dieselbe Art und Weise 39 Ebenso: Soergel-Huber, § 494 Fußnote 1. 40
Oertmann, Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches, S. 25: „Häufig bei Wein, Zigarren und anderen Genußmitteln."; Sombart, S. 407: Getreide, Korn, Malz. 41 Motive, Bd. II, S. 229.
C. Kritische Würdigung dieser Lösung
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herzustellen wie die zu liefernde Ware. 42 Genau dies ist bei Erstmustern der Fall. Sie werden vor Beginn der Serienproduktion unter serienmäßigen Betriebsmitteln hergestellt. Aus ihnen kann die Beschaffenheit der künftig in Serie gefertigten Produkte ersehen werden. Dennoch ist das Erstmuster nicht als Muster i. S. v. § 494 BGB anzusehen. Während ein Muster i. S. v. § 494 BGB traditionell als einfacher und zweckmäßiger Ersatz für die oft schwierige Beschreibung von Eigenschaften der Kaufsache, die zugesichert werden sollen, dient, 43 kommt eine solche Ersatzfunktion dem Erstmuster nach dem Willen der Parteien nicht zu. Das Erstmuster wird gemäß den zwischen Abnehmer und Zulieferer vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen erstellt. Daß die Zeichnungen und Spezifikationen auch dann Gültigkeit haben sollen, wenn nach ihnen ein Erstmuster gefertigt wurde, belegt ein Satz aus der VDASchrift, an deren Entstehung Abnehmer und Zulieferer der Automobilindustrie mitgewirkt haben. Danach entbindet eine Freigabe der Muster durch den Abnehmer den Lieferanten nicht von der Verantwortung, nach den jeweils gültigen Zeichnungen und Spezifikationen zu liefern. 44 Bei der heutigen Komplexität von Produkten und den oft sehr detaillierten Anforderungen ist es notwendig, daß der Abnehmer bei der Bestellung der Ware die Forderungen an den Liefergegenstand genau und umfassend beschreibt. Die technischen Daten und Anforderungen bezüglich der Liefergegenstände werden in der Regel in technischen Unterlagen zusammengestellt, die dem Lieferanten übergeben werden. 45 Sollen in den genannten Unterlagen besonders gekennzeichnete Daten und Forderungen „zugesicherte Eigenschaften" der Liefergegenstände im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen sein, so ist eine entsprechende Vereinbarung der Parteien im Liefervertrag ohne Schwierigkeiten möglich. Einer gesetzlichen Fiktion der Zusicherungshaftung über das Erstmuster bedarf es mithin nicht. Zudem würde die gesetzliche Fiktion der Zusicherungshaftung bei der Vorlage eines Erstmusters, das im Vergleich zu den traditionellen Mustern ein sehr komplexes Produkt darstellt, eine erhebliche Ausweitung erfahren. Der Umstand, daß das Erstmuster dem Abnehmer zur Prüfung übergeben und die Aufbewahrung vereinbart wird, spricht zwar dafür, das Erstmuster als Muster i. S. d. § 494 BGB zu qualifizieren; aber ein zwingender Schluß ist auch hier nicht möglich. 46 Die Übergabe und Aufbewahrung des Musters kann nämlich verschie42 RGZ 63, S. 219 ff. (221); OLG Karlsruhe, DB 1971, S. 2009. « Palandt-Putzo, § 494 Rdnr. 1. 44 VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 18. 45 Franke, Qualitätsmanagement bei Zulieferungen, S. 66: „Produkte, die ein Abnehmer zur Komplettierung seiner Erzeugnisse bei Lieferanten kauft, werden meist einzelnen Forderungen entsprechend besonders angefertigt. Zu diesem Zweck wird der Liefergegenstand in Zeichnungen, Rezepturen, Normen, Werknormen, Lasten- und Pflichtenheften oder in anderen technischen Unterlagen beschrieben.". 46 Vgl. Soergel-Huber, § 494 Rdnr. 2; Erman-Grunewald, § 494 Rdnr. 2; RGRK-Mezger, § 494 Rdnr. 2.
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3. Teil: Rechtliche Problematik im Hinblick auf § 494 BGB
denen Zwecken dienen, nicht notwendig der Zusicherung probemäßiger Eigenschaften. Die Übergabe des Musters ermöglicht es dem Abnehmer, das Muster daraufhin zu untersuchen, ob es die in Zeichnungen und Spezifikationen vereinbarten Qualitätsforderungen erfüllt. Verbesserungsmaßnahmen im Hinblick auf die Qualität der Serienprodukte können damit noch vor Serienbeginn eingeleitet werden. 47 Wird das Erstmuster aufbewahrt, so ist es dem Abnehmer möglich, in dem Fall, daß die Serienprodukte Fehler aufweisen, den Beweis der Fehlerhaftigkeit der Produkte durch einen Vergleich mit dem Muster leichter zu führen. Qualitätsmanagementfachleute schätzen die Erstmusterprüfung als Maßnahme zur präventiven Fehlerentdeckung in einem auf die Erreichung des Null-FehlerZieles ausgerichteten Qualitätsmanagementsystem. An diese Bedeutung der Erstmusterprüfung im Bereich des Qualitätsmanagements darf nicht eine juristische Interpretation angeschlossen werden, die dem von Abnehmer und Zulieferer dem Erstmuster beigelegten Sinn und Zweck nicht entspricht.
D. Ergebnis Die Vereinbarung über den Vorbehalt des Abnehmers, die Serienherstellung nach einem Erstmuster des Zulieferers freizugeben, ist somit nicht als Vereinbarung eines Liefervertrages nach Muster zu qualifizieren. Die Eigenschaften des Erstmusters sind nicht gemäß § 494 BGB als zugesichert anzusehen.48
47 S.o.: Erster Teil D. 48
Dieselbe Ansicht vertreten ohne nähere Begründung: v. Westphalen/Bauer, Just-inTime-Lieferungen und Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 127; Franke, Qualitätsmanagement bei Zulieferungen, S. 162 f.
Vierter
Teil
Rechtswirkungen der Erstbemusterung im Hinblick auf die Vorschrift des § 377 H G B Im folgenden soll aufgezeigt werden, ob das Erstbemusterungsverfahren die Gewährleistungshaftung des Zulieferers gegenüber dem Abnehmer im Hinblick auf die Vorschrift des § 377 HGB beeinflußt.
A. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gemäß § 377 H G B Die Risikoverteilung im Bereich der erwerbsvertraglichen Sachmängelgewährleistung wird für die Fälle des beiderseitigen Handelskaufes maßgeblich beeinflußt durch die Sonderregelung des § 377 HGB. Das Gesetz legt in § 377 I HGB bei einem beiderseitigen Handelskauf von Waren dem Käufer auf, die angelieferte Ware unverzüglich zu untersuchen und vorgefundene Mängel dem Verkäufer unverzüglich anzuzeigen. Im Falle einer Verzögerung der Mängelrüge greift die Genehmigungsfiktion des § 377 II HGB. Mängel, die sich erst später zeigen und auch bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung nicht hätten erkannt werden können, sog. verdeckte Mängel, sind unverzüglich nach ihrer Entdeckung zu rügen. Ansonsten droht auch hier ein Anspruchsverlust infolge gesetzlich fingierter Genehmigung, § 377 III HGB. Der Grundsatz des § 377 HGB, daß Mängel, sobald sie vom Erwerber tatsächlich festgestellt werden oder festgestellt werden können, von diesem unverzüglich anzuzeigen sind, könnte dazu führen, daß dem Erstbemusterungsverfahren im Hinblick auf den Erhalt der Gewährleistungsansprüche des Abnehmers gegenüber seinem Zulieferer eine wesentliche Bedeutung zukommt.1 Fabrikationsfehler, die viele gleiche Produkte bzw. sämtliche Serienprodukte ζ. B. deshalb aufweisen, weil eine Montageeinrichtung oder ein Kontrollsystem falsch eingestellt wurde, 2 1 Zur Anwendbarkeit des § 377 HGB auf die Untersuchung eines vom Veräußerer mitgelieferten Erstmusterprüfberichtes: BGH ZIP 1990, S. 520ff. (522). 2 Nicht überzeugend ist die Annahme, daß Produktionsfehler im Gegensatz zu Konstruktionsfehlern nur einzelnen Produkten anhaften können; ebenso: Rolland, Produkthaftungsrecht, Teil I I Rdnr. 29; a.A.: Michalski, Jura 1995, S. 505 ff. (508); Palandt-Thomas, § 3 ProdHaftG Rdnr. 4; Staudinger-Schäfer, § 831 Rdnr. 182 m. w. N.
5 Gaiser
66
. Teil: Rechtliche Problematik im Hinblick auf §
GB
und die dazu führen, daß die Serienprodukte nicht die in Zeichnungen und Spezifikationen vereinbarten Qualitätsforderungen erfüllen, können nämlich bereits durch die Untersuchung von Erstmustern festgestellt werden.3 Der Zulieferer könnte deshalb ein im Sinne des § 377 HGB schutzwürdiges Interesse daran haben, daß der Abnehmer Erstmuster untersucht und Mängel rügt. Fraglich ist demnach, ob ein Erstmuster die zu liefernde Ware im Hinblick auf die Untersuchungs- und Rügepflicht des § 377 HGB vertritt mit der Folge, daß im Falle des Vorliegens eines Mangels der gelieferten Ware, der bereits am Erstmuster offenkundig war oder im Rahmen einer Prüfung feststellbar war und vom Abnehmer nicht gerügt wurde, die Ware in bezug auf diesen Mangel als genehmigt gilt, § 377 II HGB.
I . „ K a u f 6 im Sinne der handelsrechtlichen Vorschriften § 377 HGB kommt zur Anwendung, wenn der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft ist, vgl. Abs. I. Abnehmer und Zulieferer sind Kaufleute i. S. d. § 1 I HGB. 4 Der Abschluß eines Liefervertrages stellt für beide ein Geschäft dar, das zum Betrieb ihres Handelsgewerbes gehört und demnach gemäß § 343 HGB als Handelsgeschäft zu qualifizieren ist. Da in § 377 I HGB von „Kauf 4 die Rede ist, gilt dieser Paragraph zunächst für den Fall, daß der von den Parteien geschlossene Vertrag als Kaufvertrag i. S. d. § 433 BGB einzuordnen ist. Für die hier betrachteten Vertragstypen 5 bedeutet dies, daß der Werklieferungsvertrag über vertretbare bewegliche Sachen von § 377 HGB unmittelbar erfaßt wird, denn für ihn gilt gemäß § 651 12 1. HS BGB von vornherein Kaufrecht. Für den Werklieferungsvertrag über nicht vertretbare Sachen erklärt § 381 I I HGB explizit die Anwendbarkeit der im zweiten Abschnitt des HGB für den Kauf von Waren getroffenen Vorschriften und damit auch des § 377 HGB. Für die Anwendbarkeit der Regeln des Handelskaufs ist daher die Unterscheidung zwischen vertretbaren und nicht vertretbaren Sachen im Werklieferungsrecht bedeutungslos. Aus dem Wort „Kauf 4 in § 377 HGB ergibt sich dennoch eine Besonderheit für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand. Wie für die gesamten Gewährleistungsansprüche ein gültiger Kauf Voraussetzung ist, so bedarf es auch für die Anwendung des § 377 HGB des Bestehens eines gültigen Vertrages. 6 Eine Vertretung der zu liefernden Ware durch das Erstmuster im Hinblick auf die Untersuchungsund Rügeobliegenheit des § 377 HGB kann deshalb überhaupt nur dann in Be3 S. o.: Erster Teil D. 4
Gegebenenfalls i. V. m. § 1 I I Nr. 1 HGB; Häufig werden beide Teile Kaufleute kraft Rechtsform sein, § 6 HGB; insbesondere Aktiengesellschaften (§ 3 AktG) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 13 III GmbHG). s S. o.: Zweiter Teil C. 6 Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 10; Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 4; Düringer/Hachenburg/Hoeniger, § 377 Anm. 2.
A. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gemäß § 377 HGB
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tracht kommen, wenn das Erstmuster dem Abnehmer erst nach Abschluß des Liefervertrages vorgelegt wird („Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft ...").
I I . Gesetzliches Leitbild und praktische Möglichkeiten im Rahmen moderner Lieferbeziehungen Die Bestimmung des § 377 HGB geht auf Art. 347 ADHGB zurück, der allerdings eine entsprechende „Pflicht" nur beim Versendungskauf, 7 in diesem Fall aber jedem Käufer, also auch dem Nichtkaufmann, auferlegte. 8 Der Gesetzgeber des HGB von 1897 erachtete das Interesse eines jeden Verkäufers, möglichst „schnell zu erfahren, ob ein Geschäft in Ordnung gehe", bei Distanz- und Platzgeschäften gleichermaßen als schutzwürdig.9 Daher dehnte er den Anwendungsbereich der Obliegenheit entsprechend aus. Sowohl der Gesetzgeber des ADHGB als auch der des HGB gingen aber von einer klassischen Art der Beziehung zwischen Auftraggeber und Lieferanten aus, die durch eine reine „Schnittstellenbeziehung" gekennzeichnet ist. 10 Dabei übergibt der Auftraggeber dem Lieferanten mit der Bestellung die Spezifikationen, 11 die Mengenangabe und die Terminvorgabe und erhält zum vereinbarten Termin die gewünschte Ware. Diese wird dann in der Wareneingangsprüfung des Auftraggebers auf etwaige Mängel geprüft. Eine Rückkoppelung zwischen den beiden gibt es in der Regel nur im Reklamationsfall. 12 Wegen der weitgehenden Abschirmung beider Vertragspartner gelangt der Erwerber erstmals mit der Übergabe in näheren Kontakt mit der Ware, so daß eine Untersuchung unmittelbar nach Ablieferung für diesen in der Regel die frühestmögliche Erkenntnisquelle zur Ermittlung der Warenbeschaffenheit darstellt. Die betriebliche Praxis schafft heute allerdings eine andere Ausgangslage. Der Gedanke der Fehlervermeidung im Rahmen einer auf die Erreichung des Null-Fehler-Zieles ausgerichteten Qualitätsmanagement-Philosophie führte zu einer zunehmend intensiven Interaktion zwischen Abnehmer und Zulieferer. Dem Zulieferer ist es oftmals nicht mehr freigestellt, ob und in welcher Form er seine Fertigungsprozesse durch qualitätssichernde Maßnahmen flankiert, sondern der Abnehmer 7
Art. 347 ADHGB setzt voraus, daß die Ware von einem anderen Ort übersendet ist. Zur analogen Anwendung des Art. auf Platzgeschäfte: vgl. Hahn, Commentar zum ADHGB, 2. Band, Art. 347 § 21. s Vgl. Lehmann, WM 1980, S. 1162 ff. (1163); ferner: Entwurf eines Handelsgesetzbuches mit Ausschluß des Seehandelsrechts nebst Denkschrift, S. 224. 9 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs mit Ausschluß des Seehandelsrechts nebst Denkschrift, S. 223; Lehmann, W M 1980, S. 1162ff. (1163). 10 Spitzner, QZ 1991, S. 627 (628); Merz, S. 283. 11 Diese enthielten angesichts der fehlenden Komplexität der Produkte in der damaligen Zeit wohl eher Warenbezeichnungen. 12 Spitzner, QZ 1991, S. 627 (628).
5*
68
. Teil: Rechtliche Problematik im Hinblick auf §
GB
nimmt hierauf ζ. B. aufgrund gesonderter vertraglicher Absprachen in Qualitätsmanagementvereinbarungen Einfluß. 13 Das Abnehmer-Zulieferer-Verhältnis entfernt sich damit von dem oben dargestellten Bild der klassischen Schnittstellenbeziehung. Es stellt sich als Beziehung dar, die durch eine frühzeitige Kooperation der Parteien gekennzeichnet ist. Dadurch soll erreicht werden, daß das Auftreten von Fehlern vermieden wird. Insbesondere in Fällen der Serienfertigung kann der Lieferant durch rechtzeitige Hinweise des Abnehmers, durch eine rechtzeitige Korrektur der Fertigungsanlage die Entstehung fehlerhafter Teile vermeiden. In einer Konzeption, deren Schwerpunkt auf der Verhinderung einer Mängelentstehung liegt, erfährt das Interesse des Lieferanten an einer alsbaldigen Mitteilung erkannter bzw. feststellbarer Mängel, welches von § 377 HGB geschützt wird, eine zusätzliche Verstärkung. 14 Aus diesem Grund könnten Qualitätsmanagementverfahren auch mit dem Zweck des § 377 HGB in Berührung kommen, obwohl diese Vorschrift mit Qualitätsmanagement direkt nichts zu tun hat. 15
I I I . Die Erstmusterprüfung durch den Abnehmer als Untersuchungsmethode i. S. d. § 377 H G B Da Erstmuster den Erzeugnis- und Fertigungsstand der beginnenden Serie repräsentieren, stellt die Wareneingangskontrolle nicht mehr die frühestmögliche Erkenntnisquelle zur Ermittlung von Mängeln der Serienware dar, die ζ. B. auf einer falschen Einstellung einer Montageeinrichtung oder eines Kontrollsystems beruhen und die daher bei einem Ausbleiben von Korrekturmaßnahmen den künftig hergestellten Produkten anhaften. In diesem Zusammenhang lautet deshalb die entscheidende Frage, ob die gemäß § 377 HGB gebotene Untersuchung in Gestalt der klassischen Wareneingangskontrolle zumindest teilweise durch eine Prüfung des Erstmusters seitens des Abnehmers ersetzt werden kann und ersetzt wird. 16
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Merz, S. 284; Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 3 ff.; Hollmann, CR 1992, S. 13 ff. (14). 14 So Merz, S. 289. 15 S.o.: Erster Teil E. 16 Eine Identprüfung und Quantitätsprüfung (vgl. § 378 HGB) der gelieferten Ware bleiben ebenso wie die Untersuchung der Ware auf Transportschäden unverzichtbares Element der Wareneingangskontrolle. Insoweit kommt eine Substitution durch eine Erstmusterprüfung nicht in Betracht; vgl. Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 48. Der Abnehmer wäre also insofern belastet, als er seiner Obliegenheit zweimal nachkommen müßte. Da er aber das Muster bereits überprüft hat, kann bei der Lieferung der eigentlichen Ware auf aufwendige Untersuchungsmethoden verzichtet werden. Nach Meeske, Die Mängelrüge, C I I 20 muß geprüft werden, ob die Ware mit dem Muster übereinstimmt.
A. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gemäß § 377 HGB
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1. Die praktische Notwendigkeit einer Substitution der klassischen Wareneingangskontrolle Eine Wareneingangskontrolle kann in der Automobilindustrie nur dann i. S. d. § 377 HGB nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange tunlich sein, wenn eine solche Prüfung auch zumutbar ist. 17 Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit spielt die wirtschaftliche Vertretbarkeit des erforderlichen Zeitaufwandes eine Rolle. 18 Die Notwendigkeit einer Substitution der Wareneingangskontrolle durch die Erstmusterprüfung hängt demnach davon ab, ob vom Abnehmer unter ablauftechnischen Gesichtspunkten im Rahmen moderner Logistikkonzepte die Durchführung einer Wareneingangskontrolle klassischer Prägung erwartet werden kann. In der arbeitsteiligen Produktion sind die Beteiligten heute zur Einhaltung von Zeitvorgaben gezwungen, die in ihrer Kürze, Präzision und Rigidität im vergangenen Jahrhundert bei der Regelung des sachmängelgewährleistungsrechtlichen Programms nicht vorstellbar waren. 19 Deshalb liegt der Gedanke nahe, daß eine gemäß § 377 HGB durchgeführte Wareneingangsprüfung der angestrebten Straffung des Materialflusses zwischen Lieferant und Abnehmer entgegensteht. Insbesondere im Rahmen des Logistikkonzeptes „Just-in-time" könnte die Einordnung von Untersuchung und Rüge in den zeitlich gestrafften Ablauf beim Abnehmer vor allem auch in Anbetracht der Anzahl zugelieferter Teile größte Schwierigkeiten bereiten. Folglich könnte bei Just-in-Time-Lieferungen die Durchführung einer Wareneingangskontrolle aus Zeitgründen nicht möglich 20 und eine andere Untersuchungsmethode notwendig sein, um der Intention des § 377 HGB Rechnung tragen zu können. Dagegen spricht jedoch, daß - selbst wenn direkt in die Produktion geliefert wird - eine „grobsinnliche Überprüfung" 21 der Ware und die Kontrolle der beigefügten Papiere möglich bleibt. Mehr verlangt das Gesetz bei der Ablieferung nicht. 22 Die dann erforderliche Entnahme von Stichproben für weitere Untersuchungen verzögert die Produktion nicht, denn von § 377 HGB werden unökonomische Verhaltensweisen wie die nutzlose und kostenintensive Lagerung der nicht als Stichproben verwendeten Stücke während der Untersuchung nicht verlangt. Der Abnehmer kann also, wenn die Stichproben Mängel ergeben und er diese ordnungsgemäß gerügt hat, auch bezüglich der anderen gelieferten und bereits eingebauten Teile Mängelrechte geltend machen.23 17 Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 96; Schlegelberger-Hefermehl, § 377 Rdnr. 67; Baumbach /Duden/Hopt, § 377 Rdnr. 24; GK-HGB-Kropshofer, §§ 377, 378 Rdnr. 38 f. is Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 96. ι 9 Martinek, Zulieferverträge und Qualitätssicherung, S. 48. 20 So Borgwardt, ZIP 1992, S. 966 (968); Martinek in: Festschrift für Jahr, S. 305 ff. (332); Zirkel, NJW 1990, S. 345 (346); Nagel, DB 1991, S. 319; Steinmann, BB 1993, S. 873; Merz, S. 283 ff. 21 Die Schiedsgerichtspraxis spricht von einer ersten „grobsinnlichen Prüfung"; Nachweis bei Grunewald, NJW 1995, S. 1777 ff. (1778 Fußnote 12). 22 Grunewald, NJW 1995, S. 1777 ff. (1781).
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Klassische Wareneingangsprüfungen lassen sich daher durchaus noch in Belieferungssysteme moderner Prägung integrieren. Dem entspricht, daß empirische Erhebungen gezeigt haben, daß wohl kaum ein größeres Unternehmen die Wareneingangskontrolle gänzlich entfallen läßt. 24 Die Notwendigkeit einer Substitution der Wareneingangskontrolle ist damit unter Berücksichtigung der ablauftechnischen Besonderheiten im Rahmen moderner Logistikkonzepte zu verneinen.
2. Die Zweckmäßigkeit einer Substitution der klassischen Wareneingangskontrolle durch eine £rstmusterprüfung Unabhängig von der Beurteilung der Notwendigkeit einer Substitution der klassischen Wareneingangskontrolle durch eine Erstmusterprüfung kann die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer solchen Substitution erfolgen. Erstmuster werden dem Abnehmer vor Beginn der Serienproduktion vorgestellt. Wenn der Abnehmer einen Mangel, der sämtlichen Serienprodukten anhaften wird, entdeckt, wird er die Freigabe des Erstmusters nicht erteilen. Der Zulieferer hätte also Ersatzansprüche, die auf Mangelfolgeschäden fehlerhaft gelieferter und eingebauter Teile beruhen, nur zu befürchten, wenn, der Abnehmer den Mangel bei der Untersuchung des Musters nicht findet (Folgeschäden sog. verdeckter Mängel). Dies ist der entscheidende Vorteil für den Zulieferer im Vergleich zu dem oben dargestellten Fall der Parallelität von Untersuchung der Stichproben und Einbau der anderen gelieferten Teile. Für den Abnehmer könnte eine Substitution der Wareneingangskontrolle durch eine Erstmusterprüfung ebenfalls vorteilhaft sein. Bedenkt man nämlich, daß gemäß § 363 BGB eine Umkehr der Beweislast eintritt, wenn der Gläubiger die Leistung als Erfüllung angenommen hat, und daß die Verarbeitung der Ware als Annahme gilt, 2 5 so wird deutlich, daß sich durch den Einbau der nicht als Stichproben im Rahmen der Untersuchung eingehender Ware verwendeten Serienteile die Beweislast zum Nachteil des Abnehmers verschiebt. Er muß dann beweisen, daß ein Fehler in dem für die Gewährleistung maßgeblichen Zeitpunkt vorlag. 26 Zum Zeitpunkt der Erstmusterprüfung ist noch kein Teil vom Abnehmer eingebaut worden. Eine Beweislastumkehr kann damit nicht eintreten. Vielmehr muß der Zulieferer nachweisen, daß die von ihm gefertigten Teile fehlerfrei sind. Auf dem Hintergrund der gerade geschilderten Rechtslage ist die Überlegung berechtigt, daß die Erstmusterprüfung die Eingangskontrolle im Hinblick auf solche Fabrikationsfehler ersetzt, die eine Vielzahl gleicher Produkte bzw. die ge23 Grunewald, NJW 1995, S. 1777 ff. (1780). 24 Wildemann, ZfB 1992, S. 17 ff. (39); Grunewald, NJW 1995, S. 1777 ff. (1781); Merz, S. 295. 25 MüKo-Heinrichs, § 363 Rdnr. 3; Grunewald, NJW 1995, S. 1777 ff. (1780). 26 Erman-Grunewald, § 459 Rdnr. 28; Soergel-Huber, § 459 Rdnr. 91.
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samte Produktion ζ. B. deshalb aufweist, weil eine Montageeinrichtung oder ein Kontrollsystem falsch eingestellt wurde, 27 und die dazu führen, daß die Serienprodukte nicht die in Zeichnungen und Spezifikationen vereinbarten Qualitätsforderungen erfüllen.
3. Die Gesetzeskonformität einer Substitution der klassischen Wareneingangskontrolle durch eine Erstmusterprüfung Dafür, daß die Wareneingangskontrolle nur eine mögliche Untersuchungsform im Sinne des § 377 HGB ist, spricht, daß die Vorschriften des HGB der Erleichterung im Handelsverkehr dienen. Dies legt es nahe, daß das Gesetz das Verfahren zur Untersuchung weithin der Gestaltung durch die Praxis überläßt. Nicht umsonst fordert § 346 HGB ebenso wie § 24 S. 2 AGBG eine angemessene Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche.28 In der Automobilindustrie hat sich die Erstmusterprüfung als Methode herausgebildet, die geeignet ist, gleichartige Fabrikationsfehler und damit Mängel an Serienprodukten festzustellen. Insoweit kann die Erstmusterprüfung dazu beitragen, die Gewährleistungsfrage im Verhältnis Abnehmer / Zulieferer zu klären, und damit dem Zweck des § 377 HGB entsprechen.
a) Zur Frage nach der direkten Anwendbarkeit des §377 HGB auf die Erstmusterprüfung Grundsätzlich kommt die Erstmusterprüfung nur dann als Untersuchungsmethode i. S. d. § 377 HGB in Betracht, wenn dies dem Wortlaut des § 377 I HGB nicht widerspricht. Diese Vorschrift stellt als Voraussetzung der Rügeobliegenheit auf, daß die Ware zur Ablieferung gelangt ist. Die Ablieferung ist ein faktischer Vorgang, ein Akt, durch den der Käufer in Erfüllung des Kaufvertrages in eine solche tatsächliche räumliche Beziehung zur Kaufsache kommt, daß er vermöge der so vermittelten Verfügungsgewalt nunmehr die Beschaffenheit der Ware prüfen kann. 29 Aus der Begriffsbestimmung ist zu ersehen, daß die real gelieferte und verkaufte Ware, über die der Käufer die unbeschränkte Verfügungsgewalt hat, Gegenstand der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit ist. Ist bezüglich des Erstmusters selbst ein Liefervertrag geschlossen worden und ist es deshalb selbst als die geschuldete Ware anzusehen, so ist klar, daß die gemäß § 377 HGB normierte Untersuchungs- und Rügeobliegenheit den Käufer unmittelbar in bezug auf das Erstmu27 S. o.: Fußnote 2 im vierten Teil. 28 Darauf abstellend auch Martinek, Zulieferverträge und Qualitätssicherung, S. 48. 29 RGZ 92, S. 271 (273); 91, S. 289 (290); BGH NJW 1961, S. 730; GK-HGB-Kropshofer, §§ 377, 378 Rdnr. 11; Brox, Handelsrecht und Wertpapierrecht, Rdnr. 384; K. Schmidt, Handelsrecht, S. 807 f.
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ster trifft. Um diesen unproblematischen Fall geht es hier aber nicht. Vielmehr ist fraglich, ob ein Erstmuster, das dem Abnehmer vor Ablieferung der geschuldeten Ware vorgestellt wird, bezüglich gleichartiger Fabrikationsfehler die zu liefernde Ware im Hinblick auf die Obliegenheit des § 377 HGB vertritt. Der Gedanke, daß Mängel, die für den Abnehmer aufgrund einer Erstmusterprüfung bereits vor der Ablieferung der Ware erkennbar sind, auch bereits zu diesem Zeitpunkt gerügt werden müssen, entspricht nicht dem Wortlaut des Gesetzes. Mit dem Begriff der „Ablieferung" trennt das Gesetz die Verantwortungsbereiche von Verkäufer und Käufer klar voneinander. 30 Vor Ablieferung besteht demnach keine Untersuchungs- und keine Rügeobliegenheit und läuft deshalb insbesondere keine Rügefrist. 31 Da mit der ersten Warenlieferung nach Vorstellung des Erstmusters überhaupt erstmals eine Ablieferung i. S. d. § 377 I HGB auszumachen ist, verpflichtet § 377 HGB den Abnehmer davor zu nichts. Die Substitution der klassischen Wareneingangskontrolle durch eine Erstmusterprüfung seitens des Abnehmers ist folglich nicht mit dem Wortlaut des § 3771 HGB zu vereinbaren.
b) Zur Frage nach einer analogen Anwendung des § 377 HGB auf die Erstmusterprüfung Kommt eine unmittelbare Anwendung des § 377 I HGB im Hinblick auf die Erstmusterprüfung durch den Abnehmer nicht in Betracht, so könnte dennoch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift geboten sein. Analogie ist die Übertragung der für einen oder mehrere bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand.32 Sie überschreitet die Grenzen des möglichen Wortsinns, die für die eigentliche Auslegung eine Schranke darstellen. Ob sie angewandt werden kann, erfordert eine Wertung, nämlich die Feststellung, daß die gattungsmäßige Interessenlage des zu entscheidenden Falles, der von der Regelung nicht erfaßt wird, mit dem geregelten Tatbestand gerade die Ähnlichkeit aufweist, die nach den Zweckvorstellungen des Gesetzes für die Anknüpfung der Wertungen wesentlich ist. 33 Ob es nach der Zweckvorstellung des § 377 HGB notwendig ist, daß der Abnehmer das ihm vom Zulieferer vorgestellte Erstmuster zu untersuchen und Mängel zu rügen hat, ist im folgenden zu klären.
30 Grunewald, NJW 1995, S. 1777 ff. (1779). 31 RGZ 73, S. 379 (391 f.); 99, S. 56 (59); RG JW 1904, S. 341 Nr. 10; BGHZ 93, S. 338 (345 f.); Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 24; Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 10; Schlegelberger-Hefermehl, § 377 Rdnr. 12; Stötter, DB 1976, S. 949 ff. (949). 32 Köhler, BGB AT, § 4 IV 1 a; Hübner, AT des BGB, Rdnr. 107; Eisenhardt; BGB AT, Rdnr. 39. 33 Hübner, AT des BGB, Rdnr. 107.
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aa) Der Zweck der gesetzlichen Vorschrift des § 377 HGB Die Notwendigkeit, daß unter Kaufleuten der Käufer einer Ware deren Mängel gegenüber seinem Verkäufer unverzüglich zu rügen hat, trägt der besonderen Interessenlage in der Abwickelung von Handelskäufen Rechnung.34 Liefert der Verkäufer mangelhafte Ware, so können dem Käufer nach bürgerlichem Recht Gewährleistungs-, Schadensersatz- oder Nachlieferungsansprüche zustehen (§§ 459 ff. BGB). Gewährleistungsansprüche verjähren, sofern nicht der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat, bei beweglichen Sachen in sechs Monaten seit der Ablieferung (§§ 477, 480 BGB). Innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist muß der Käufer Gewährleistungsansprüche geltend machen oder wenigstens den Mangel dem Verkäufer anzeigen, um die Mängeleinrede über die Verjährungsfrist hinaus zu erhalten (§ 478 BGB). Eine so lange Ungewißheit über das Verhalten des Käufers ist im Handelsverkehr untragbar. 35 Ein Verkäufer, der Kaufmann ist, hat ein schutzwürdiges Interesse daran, nach jeder Lieferung möglichst rasch zu erfahren, ob der Käufer sie beanstandet und er infolgedessen mit Ansprüchen zu rechnen hat. 36 Dies gilt zum einen deshalb, weil im Handelsverkehr das Erfordernis, zügig zu disponieren, besonders von Bedeutung ist. 37 Zum anderen muß der Verkäufer im käufmännischen Geschäftsverkehr davor geschützt werden, daß innerhalb der Verjährungsfrist noch zu einem Zeitpunkt Mängelbehauptungen nachgeschoben werden, zu dem sichere Feststellungen für ihn gar nicht mehr möglich sind. 38 Dies ist umso notwendiger als Verkäufe für den damit befaßten Kaufmann ein Massengeschäft darstellen. Nicht zuletzt deshalb muß er auch baldmöglichst Klarheit darüber haben können, was er an zu erwartenden Eingängen auf demnächst fällige Kaufpreise in seine Bücher einzustellen hat oder ob Rückstellungen aus Anlaß von Reklamationen notwendig werden. Deshalb verschärfen die Obliegenheiten unverzüglicher Untersuchung und Mängelrüge zu Lasten des Erwerbers die Voraussetzungen einer erfolgreichen Geltendmachung seiner Gewährleistungsansprüche.
34 Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 3; Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 1. 35 Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 3; Schlegelberger-Hefermehl, § 377 Rdnr. 1; StaubBrüggemann, § 377 Rdnr. 3. 36 BGH W M 1970, S. 1400 (1402); BGHZ 66, S. 208 (213) = NJW 1976, S. 1353; BGHZ 91, S. 293 (299 f.); BGH NJW 1985, S. 2417 (2418); BGH W M 1987, S. 902 unter II 1 a bb; BGH BB 1991, S. 1732 (1734); Schlegelberger-Hefermehl, § 377 Rdnr. 1; Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 3; Brox, Handelsrecht und Wertpapierrecht, Rdnr. 382. 37 Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 3; Baumbach/Duden/Hopt, § 377 Rdnr. 1. 38 BGH BB 1978, S. 1489; Baumbach/Duden/Hopt, § 377 Rdnr. 1.
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bb) Die Interessenlage von Zulieferer und Abnehmer bei der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens Um ermitteln zu können, ob eine analoge Anwendung des § 377 HGB auf das Erstmuster geboten ist, ist gemäß den obigen Ausführungen 39 die Interessenlage im Rahmen der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens herauszuarbeiten. Die Interessenlage bei der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens wird geschaffen durch zwei Besonderheiten dieses Verfahrens: - die Präventionsfunktion des Erstbemusterungsverfahrens und - die Freigabe durch den Abnehmer. (1) Die Präventionsfunktion
des Erstbemusterungsverfahrens
Die Erstbemusterung trägt als präventive Qualitätsmanagementmaßnahme dazu bei, Fehler an Serienprodukten noch vor Beginn der eigentlichen Serienproduktion festzustellen. 40 Diese Präventionsfunktion des Erstbemusterungsverfahrens beeinflußt maßgeblich die Interessenlage. Macht der Abnehmer den Zulieferer nämlich auf Mängel des Erstmusters aufmerksam, so kann dieser noch vor Beginn der Serienproduktion die geeigneten Korrekturmaßnahmen durchführen. Unterläßt er die Mängelrüge, so wird der Zulieferer dazu bestimmt, mit der Serienproduktion zu beginnen, ohne die erforderlichen Verbesserungsmaßnahmen zur künftigen Fehlervermeidung eingeleitet zu haben.41 Daraus ergibt sich das Interesse des Zulieferers an einer Rüge von Mängeln des Erstmusters durch den Abnehmer. Mit anderen Worten: In einem solchen Fall ist der Zulieferer an der analogen Anwendung des § 377 HGB auf die Lieferung des Erstmusters interessiert. Gilt die Ware nämlich in bezug auf diese dem Erstmuster anhaftenden Mängel i. S. d. § 377 I I HGB als genehmigt, so kann der Zulieferer insoweit fehlerhaft liefern, ohne Gewährleistungsansprüchen des Abnehmers ausgesetzt zu sein. Der Grundsatz, daß man den Vertragspartner auf erkannte bzw. erkennbare Mängel möglichst frühzeitig aufmerksam zu machen hat, könnte deshalb für den Abnehmer gelten mit der Folge, daß dieser Erstmuster zur Wahrung von Gewährleistungsansprüchen gemäß § 377 HGB analog unverzüglich nach der Vorlage untersuchen und Mängel rügen muß. (2) Die Freigabe durch den Abnehmer Der Umstand, daß im Falle der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens der Beginn der Serienproduktion von der Freigabe des Erstmusters durch den Ab39 S. o.: Vierter Teil A. III. 3. b). 40 S.o.: Erster Teil D. 41 Vgl. RGZ 63, S. 219 ff. (223), wo dieser Gedanke eine Rolle spielt.
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nehmer abhängig gemacht wird, könnte dazu führen, daß das Vertrauen des Lieferanten in die Durchführung einer Prüfung seitens des Abnehmers und einer Geltendmachung von Mängeln schutzwürdig ist. Wenn der Abnehmer sich die Freigabe des Erstmusters und damit die Entscheidung über den Beginn der Serienproduktion vorbehält, so kann der Zulieferer darauf vertrauen, daß der Abnehmer sich selbst ein Bild von der Qualität des Musters machen wird. Im Falle der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens könnte die Genehmigungsfiktion des § 377 II HGB deshalb einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Zulieferers dahingehend sanktionieren, daß der Abnehmer von der Möglichkeit, das Erstmuster zu prüfen, Gebrauch macht und die dadurch zu erkennenden Mängel unverzüglich anzeigt.42 Ferner ist zu bedenken, daß, wenn § 377 II HGB bereits an das Schweigen auf zumutbar erkennbare Abweichungen von der vereinbarten Beschaffenheit der Ware eine Genehmigungsfiktion knüpft, dies im Falle einer ausdrücklichen Freigabe erst recht gelten muß.
cc) Entscheidung, ob eine analoge Anwendung des § 377 HGB im Hinblick auf die Interessenlage unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorschrift geboten ist Man sieht, daß das Erstbemusterungsverfahren durchaus Anknüpfungspunkte aufwirft, die dazu führen könnten, daß eine analoge Anwendung des § 377 HGB auf die Lieferung des Erstmusters geboten ist. Fraglich ist jedoch, ob die ratio legis des § 377 HGB damit wirklich bei der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens eine Musterprüfung und die Rüge von Mängeln des Musters durch den Abnehmer erfordert. Dagegen könnte sprechen, daß der Zulieferer selbst das Erstmuster auf seine Vereinbarkeit mit den in den technischen Unterlagen enthaltenen Qualitätsforderungen prüft 43 und insoweit also nicht der Ungewißheit ausgesetzt ist, ob und in welchem Umfang das Erstmuster fehlerbehaftet ist. Damit könnten Gewährleistungsansprüche nicht in unvorhersehbarem Umfang drohen. Einen Rechtssatz des Inhalts, daß der Käufer bzw. Abnehmer von seiner Rügelast entbunden ist, wenn der Verkäufer bzw. Zulieferer seinerseits die Ware zuvor untersucht hat, gibt es zwar nicht. Sinn und Zweck des § 377 HGB kann es aber nicht sein, Prüfergebnisse des Zulieferers, die ihm Aufschluß über Gewährleistungsansprüche seines Vertragspartners geben können, zu überprüfen. Es könnte unbillig sein, dem Abnehmer die Suche nach Mängeln abzu42
Merz würde dies wohl aufgrund seiner Ausführungen auf S. 298 annehmen. Dort stellt er nämlich fest, daß die Genehmigungsfiktionen des § 377 I I und ΙΠ HGB einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Veräußerers dahingehend sanktionieren, daß der Erwerber von den ihm zu Gebote stehenden Untersuchungsmöglichkeiten ordnungsgemäß Gebrauch gemacht und die dabei sowie im weiteren Verlauf zutage getretenen Mängel unverzüglich angezeigt hat. 43 S.o.: Erster TeilC. I.
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verlangen, zu der sich bereits der Zulieferer verpflichtet hat. 44 Eine solche Doppelprüfung würde dem Abnehmer aber schon deshalb durch die Prüfung des Erstmusters auf Mängel nicht abverlangt, weil nicht alle Eigenschaften schriftlich in technischen Unterlagen fixiert sind. Es gibt deshalb durchaus noch Beschaffenheitsmerkmale, bei denen es auf die Akzeptanz durch den Käufer ankommt. Demzufolge ist eine Prüfung des Erstmusters durch den Abnehmer und die Mitteilung seiner Prüfergebnisse notwendig, um dem Zulieferer Gewißheit über die Mangelfreiheit dieses Erstmusters zu verschaffen. Die Regelung, daß Mängel, die für den Abnehmer bereits vor Ablieferung der Ware erkennbar sind, auch bereits zu diesem Zeitpunkt gerügt werden müssen, entspricht aber dennoch nicht der Zweckvorstellung des § 377 HGB und damit nicht der Konzeption des Gesetzes. § 377 HGB bezweckt nicht die Fehlervermeidung von Anfang an. Es geht in dieser Vorschrift nicht darum, einen rechtlichen Rahmen für Qualitätsmanagement zu schaffen. 45 Zwar verfolgt § 377 HGB eine möglichst schnelle und endgültige Gewißheit des Verkäufers darüber, ob er mit Gewährleistungsansprüchen des Käufers rechnen muß oder nicht. 46 Eine solche endgültige Gewißheit muß der Käufer dem Verkäufer aber frühestens dann verschaffen, wenn ihm die tatsächlich geschuldete Ware geliefert wurde. Insoweit bringt das Postulat der Ablieferung in § 377 I HGB eine gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, die nicht im Wege der Analogie umgangen werden darf. 47 Vor Ablieferung der Ware muß in keinem Fall gerügt werden, auch wenn der Käufer den zu rügenden Mangel schon vorher kennen sollte. 48 Woher er diese Kenntnis hat, ist dabei gleichgültig. Sie kann aus einer vor der Ware übermittelten Faktura stammen;49 er kann Kenntnis vom Mangel vor Ablieferung der Ware durch Mitteilung etwa der Bahnverwaltung gewonnen haben; 50 er kann den Mangel zur Gewißheit aus sonstigen Umständen erschließen (ζ. B. Herkunft von Lebensmitteln aus einem inzwischen als verseucht erwiesenen Bezirk) oder er kann ihn durch die vorherige Prüfung eines Erstmusters festgestellt haben. Wenn der Abnehmer sich durch vertragliche Absprache die Befugnis zur Prüfung eines Erstmusters einräumen läßt, so führt der Umstand, daß eine solche Prüfung sowie eine Mitteilung von Mängeln des Musters unterbleibt, demnach nicht zum Rechtsverlust nach § 377 HGB.
44 So Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 44; Quittnat, BB 1989, S. 571 ff. (573): „ . . . so daß eine Rüge des Bestellers als wenig sinnvolle Formalität erscheint.". 45 S. o.: Erster Teil E. sowie Popp, S. 43. 46 S. o.: Vierter Teil A. III. 3. b) aa). 47 Ebensowenig darf die gesetzliche Bestimmung des § 345 HGB im Wege einer analogen Erstreckung des § 377 HGB auf nicht zweiseitige Handelskäufe umgangen werden; vgl. Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 21 f.
48 Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 10; Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 24; Schlegelberger-Hefermehl, § 377 Rdnr. 12. 49 RG JW 1904, S. 341; Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 63. 50 Beispiel bei Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 24 und 63.
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Ferner ist noch folgendes zu berücksichtigen: Das Erfordernis der Ablieferung der Ware führt dazu, daß bei Teillieferungen jede einzelne Sendung, die vom Verkäufer als selbständige Erfüllungsleistung gewollt und als solche für den Käufer erkennbar ist, mit ihrem Eintreffen beim Käufer als abgeliefert gilt. 5 1 Untersuchung und Mängelrüge haben sich deshalb jeweils auf diese Teillieferung zu beziehen.52 Dadurch wird deutlich, daß die Genehmigungsfiktion des § 377 I I HGB in ihrer Reichweite durch das Erfordernis der Ablieferung begrenzt wird. Die unterlassene Mängelrüge bezüglich einer gelieferten Warenpartie führt nicht dazu, daß sämtliche nachfolgend gelieferten Waren, die mit demselben Mangel behaftet sind, als genehmigt gelten, sondern der Käufer ist nicht gehindert, den Mangel bei späteren Lieferungen immer noch rechtzeitig zu rügen. 53 Wenn aber durch eine analoge Anwendung des § 377 HGB auf das Erstmuster sämtliche gelieferten Waren in bezug auf einen Mangel, der bereits dem Erstmuster anhaftete und nicht gerügt wurde, als genehmigt gelten, so realisiert sich gerade bei einem Dauerschuldverhältnis 54 diese unbillige Härte, der das Gesetz mit dem Begriff der „Ablieferung" begegnet. Damit scheidet eine analoge Anwendung des § 377 HGB in bezug auf die Lieferung eines Erstmusters aus. Die gemäß § 377 HGB gebotene Untersuchung in Gestalt der klassischen Wareneingangskontrolle kann nicht im Wege der Analogie durch eine Erstmusterprüfung seitens des Abnehmers vor Ablieferung der geschuldeten Ware ersetzt werden. Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung, die ebenfalls davon ausgeht, daß die Rügeobliegenheit prinzipiell erst mit erfolgter Ablieferung der Ware einsetzt.55
IV. Der dispositive Charakter des § 377 H G B Die gesetzliche Regelung des § 377 HGB ist in jeder Hinsicht - also auch im Hinblick auf den Gegenstand der Untersuchung - dispositiv.56 Sie kann durch die Abreden der Parteien sowohl verschärft als auch gemildert werden. 57 Demgemäß ist es bei entsprechender Vereinbarung möglich, daß ein Erstmuster die zu liefern51 Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 39. 52 Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 35; GK-HGB-Kropshofer, §§ 377, 378 Rdnr. 13; Düringer/Hachenburg/Hoeniger, § 377 Rdnr. 9; Baumbach/Duden/Hopt, § 377 Rdnr. 21; OLG Köln, BB 1954, S. 613 und MDR 1956, S. 42. 53 Ausdrücklich: BGH BB 1955, S. 490; Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 35; vgl. ferner: BGH W M 1987, S. 1299 (1300); OLG Köln, BB 1954, S. 613; OLG Köln, MDR 1956, S. 42 Nr. 42; OLG Hamburg, BB 1962, S. 573; OLG Frankfurt am Main, W M 1986, S. 1566 (1567); Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 118. 54 S. o.: Zweiter Teil D. I. 55 RGZ 92, S. 271 (273); 91, S. 289 (290); 73, S. 379 (391); BGH NJW 1961, S. 730. 56 Schlegelberger-Hefermehl, § 377 Rdnr. 81; Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 5; Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 64; Baumbach/Duden/Hopt, § 377 Rdnr. 5. 57 Vgl. z. B. RG JW 1906, S. 91 (92); 1924, 814 (815); RG in LZ 1911, S. 781 (782); BGHZ 91, S. 293 (297 f.); GK-HGB-Kropshofer, §§ 377, 378 Rdnr. 5.
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de Ware im Hinblick auf die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des § 377 HGB vertritt. 1. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit am stellvertretenden Objekt wie sie bisher in Rechtsprechung und Literatur auftrat Der Gedanke, daß die in § 377 HGB geregelte Untersuchungs- und Rügeobliegenheit den Erwerber in bezug auf ein Muster treffen kann, welches die eigentliche Ware repräsentiert, ist nicht neu. Bereits früher gab es Fälle, in denen ein besonderes Interesse des Käufers daran bestand, sich schon vor der Lieferung der Ware über deren Qualität genau zu unterrichten. Das traf zum Beispiel zu, wenn der Käufer die Ware vom Verkäufer unmittelbar an seinen Abnehmer in Übersee senden ließ oder wenn ein Posten Ware, zum Beispiel Weizen, den der Käufer aus einem überseeischen Gebiet bezog, im inländischen Seehafen eintraf und auf Binnenschiffe umgeschlagen werden sollte. 58 In diesen Fällen lag es im Interesse beider Vertragsparteien, vor der Versendung oder dem Umschlag Klarheit darüber zu schaffen, ob die Ware von vertragsgemäßer Beschaffenheit war. 59 Diesem Zweck diente das Ausfallmuster, auch Ausfallprobe genannt.60
a) Das Ausfallmuster Der Begriff „Ausfallmuster" tauchte in mehreren Reichsgerichtsentscheidungen auf und wurde in einer Entscheidung aus dem Jahre 190661 wie folgt näher erläutert: „Unter Ausfallmuster oder Ausfallprobe wird verstanden einmal ein Teil einer bestimmten Ware, der aus der Ware entnommen wird, damit man daraus die Beschaffenheit der Ware erkenne. ... Bei einer zu liefernden, aber erst herzustellenden Ware, zu der nach Art ihrer Herstellung jedes auch künftig herzustellende Stück mit einem bereits hergestellten Stücke übereinstimmen wird, ist Ausfallmuster ein hergestellter Teil der Ware, aus dem die Beschaffenheit auch der künftig herzustellenden Ware erkannt werden kann." In derselben Entscheidung wird betont, daß die Tatsache des Zusendens und Annehmens eines Ausfallmusters allerdings nicht ausreicht, um die qualifizierte Wirkung zu begründen, daß das Ausfallmuster für die nach § 377 HGB dem Käufer obliegenden Pflichten die Ware vertritt. Das müsse ausdrücklich vereinbart sein oder als stillschweigend vereinbart gelten. Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung könne einem Bedenken nicht unterliegen, da § 377 HGB insoweit dispositives Recht enthalte.62 58 Düringer/Hachenburg/Hoeniger, § 377 Rdnr. 29; ROHG 7, S. 256 (258). 59 Meeske, Die Mängelrüge, C Π 18. 60 Vgl. zum Begriff: Schlegelberger-Hefermehl, § 377 Rdnr. 70; Heymann-Emmerich, § 377 Rdnr. 36; Düringer/Hachenburg/Hoeniger, § 377 Rdnr. 29 ff.; Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 145. 61 RGZ 63, S. 219 ff. (221).
A. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gemäß § 377 HGB
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b) Zweck der Vorlage eines Ausfallmusters Ein Ausfallmuster kann im Handelsverkehr den verschiedensten Zwecken dienen. So wird es zu dem Zweck gegeben, daß der Käufer sich vorläufig über die Beschaffenheit der demnächst erfolgenden Lieferung unterrichtet, ohne gehalten zu sein, die Probe gehörig zu untersuchen und schon nach ihr Mängelanzeige zu erstatten. 63 Dies geschieht häufig bei Waren hinsichtlich deren Beschaffenheit eine Vereinbarung noch gar nicht getroffen werden konnte, weil diese zur Zeit des Vertragsabschlusses noch nicht feststand, wie ζ. B. bei Naturprodukten, deren Güte von dem Ausfall der Ernte abhängt.64 Vielfach erfolgt dann erst aufgrund solcher unechten Ausfallmuster 65 die bisher vorbehaltene genaue Festsetzung des Preises.66 Für die Anwendung des § 377 HGB ist kein Raum. Ansonsten wird - abgesehen von ausdrücklicher Vereinbarung oder Handelsbrauch, daß die Probe stellvertretend für die Ware steht - nach den Umständen des einzelnen Falles beurteilt, ob eine dahingehende stillschweigende Vereinbarung vorliegt, daß das Muster im Hinblick auf die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des § 377 HGB die Ware vertritt. 67 Eine solche Vereinbarung kann sich aus Treu und Glauben ergeben, wenn der Verkäufer die Probe in der ersichtlichen Absicht übersandt hat, daß sie die Ware vertreten solle. 68 Dies wurde in der Vergangenheit insbesondere dann angenommen, wenn der Verkäufer die Ware, aus der die Probe entnommen ist, erst anschaffen sollte und dies dem Käufer bekannt war 69 oder wenn es sich um Ware handelte, mit deren Anfertigung der Verkäufer begonnen hatte. 70 Im letztgenannten Fall konnten Beanstandungen, die der Käufer im Hinblick auf die Beschaffenheit der Probe geltend machte, bei der künftigen Herstellung der Ware bereits berücksichtigt werden. Unterließ der Käufer demgegenüber die Rüge, so wurde der Verkäufer dazu bestimmt, mit der begonnenen Anfertigung fortzufahren. Vor diesem Hintergrund wurde die rechtliche Bewertung als einwandfrei angesehen, daß durch Versäumen der Rüge die hergestellte Ware, soweit sie mit dem Muster übereinstimmt, als genehmigt gilt. 7 1
62 RGZ 63, S. 219 ff. (221). 63 Düringer/Hachenburg/Hoeniger, § 377 Rdnr. 36; Meeske, Die Mängelrüge, C Π 19 spricht insoweit von „unechten Ausfallmustern". 64 Düringer/Hachenburg/Hoeniger, § 377 Rdnr. 36. 65 Zum Begriff „unechtes Ausfallmuster": Meeske, Die Mängelrüge, C H 19. 66 Düringer/Hachenburg/Hoeniger, § 377 Rdnr. 36. 67 RG Warneyer Rspr. 1917 Nr. 83; RG in LZ 1912, S. 323 ff. (324 f.); RG in LZ 1913, S. 541 Nr. 11; Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 145. 68 Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 145 m. w. N. 69 OLG Hamburg, OLGE 9, S. 273; Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 145. 70 RGZ63,S.219ff. (223). 71 RGZ 63, S. 219 ff. (223).
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. Teil: Rechtliche Problematik im Hinblick auf §
GB
2. Inwieweit sind die Ausführungen zum Ausfallmuster auf das Erstmuster übertragbar? Da die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit am stellvertretenden Objekt in Rechtsprechung und Literatur bisher unter dem Stichwort „Ausfallmuster" behandelt wurde, ist festzustellen, inwieweit die diesbezüglichen Ausführungen in bezug auf das Erstmuster verwertbar sind. - Da ein Erstmuster unter vollständigen Serienbedingungen gefertigt wird, stimmt nach Art seiner Herstellung jedes künftig herzustellende Serienprodukt mit dem Erstmuster überein. Da Erstmuster vorweg, d. h. vor Beginn der Serienproduktion, gefertigt werden, können sie als vorausgesandter Teil der Lieferung die Ware repräsentieren. Insoweit paßt also die Definition des Reichsgerichts zum Ausfallmuster. 72 - Erstmuster werden gemäß den vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen vom Zulieferer hergestellt. Die Situation ist deshalb nicht mit deijenigen vergleichbar, die häufig im Zusammenhang mit unechten Ausfallmustern auftritt. Während letztere oftmals nicht auf Mängel untersucht werden können, weil eine Vereinbarung über die Beschaffenheit der Ware noch fehlt, können Erstmuster auf ihre Vereinbarkeit mit den in Zeichnungen und Spezifikationen enthaltenen Qualitätsforderungen untersucht werden. Für die Anwendbarkeit des § 377 HGB ist daher Raum. - Im Fall der Durchführung eines Bemusterungsverfahrens wird eine ausdrückliche Vereinbarung mit dem Inhalt, daß das Erstmuster die zu liefernde Ware im Hinblick auf die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des § 377 HGB vertreten soll, zwischen Abnehmer und Zulieferer nicht getroffen. Auch ein entsprechender Handelsbrauch ist nicht festzustellen. Eine derartige stillschweigende Vereinbarung könnte sich unter Berücksichtigung der Ausführungen von oben 73 aus Treu und Glauben ergeben. Gegen eine solche stillschweigende Vereinbarung spricht jedoch, daß die Parteien den Sinn und Zweck der Erstbemusterung vertraglich festgelegt haben. Danach soll die Erstbemusterung vor Serienbeginn den Nachweis erbringen, daß die in Zeichnungen und Spezifikationen vereinbarten Qualitätsforderungen erfüllt werden. 74 Auf andere Eigenschaften, die dort nicht schriftlich fixiert sind, bezieht sich die Erstbemusterung demnach nicht. § 377 HGB normiert eine Rügeobliegenheit aber nicht nur in bezug auf solche Mängel, die aus einer Abweichung von den in den technischen Unterlagen vereinbarten Qualitätsforderungen resultieren. Ferner ist folgendes zu berücksichtigen: Wenn bei den „Ausfallmuster-Entscheidungen" nach Treu und Glauben beurteilt wird, ob eine dahingehende stillschwei72 S. o.: Vierter Teil Α. IV. 1. a). 73 S. o.: Vierter Teil Α. IV. 1. b). 74 S.o.: Erster Teil D.
Β. Ergebnis
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gende Vereinbarung vorliegt, daß das Muster in Hinblick auf die Untersuchungsund Rügeobliegenheit des § 377 HGB die Ware vertritt, 75 so darf dies nicht dazu führen, daß der Beurteiler, d. h. also der Richter, den Parteien seine eigene Wertung aufdrängt. Ebenso wie für die ergänzende Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB anerkannt ist, daß sie den Grundsatz der Privatautonomie und der Vertragstreue respektieren muß und nicht zu einer freien richterlichen Rechtsschöpfung ausufern darf, 76 gelten auch für die Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung die sich aus dem Willen der Parteien und dem Vertragsinhalt ergebenden Grenzen. Deshalb darf die Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung nicht zu dem in Widerspruch stehen, was die Parteien eindeutig vereinbart haben, selbst wenn das Vereinbarte unbillig sein sollte. Bezüglich der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens ist ausdrücklich geregelt, daß der Abnehmer nach eigenem Ermessen Prüfungen durchführen kann bzw. ganz auf die Prüfung verzichten kann. 77 Mit einer solchen Regelung ist die Annahme unvereinbar, daß der Zulieferer das Erstmuster in der für den Abnehmer ersichtlichen Absicht übersendet, daß es die Ware im Hinblick auf die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des § 377 HGB vertreten soll. Es ist dabei unerheblich, ob die Regelung wirksam ist. In jedem Fall ist, wenn eine ausdrückliche Parteivereinbarung mit diesem Inhalt vorliegt, für eine stillschweigende Parteivereinbarung, daß durch ein Unterlassen der Rüge von Mängeln des Erstmusters sämtliche Warenpartien, die dem Muster entsprechen, als genehmigt gelten, kein Raum.
B. Ergebnis Das Erstmuster vertritt die zu liefernde Ware nicht im Hinblick auf die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des § 377 HGB. Damit gilt, wenn ein Mangel der gelieferten Ware vorliegt, der bereits am Erstmuster offenkundig war oder im Rahmen einer Prüfung feststellbar war, vom Abnehmer aber nicht gerügt wurde, die Ware in bezug auf diesen Mangel nicht i. S. d. § 377 I I HGB als genehmigt.78
75 S.o.: Vierter Teil Α. IV. l.b). 76 Vgl. BGHZ 9, S. 273 (279); 40, S. 91 (103 ff.); Palandt-Heinrichs, § 157 Rdnr. 8; Larenz, AT des BGB, § 291, S. 539. 77 S.o.: Erster TeilC. ΙΠ. 78 Α. A. wohl Merz, S. 114 Fußnote 45. 6 Gaiser
Fünfter Teil
Rechtslage, wenn der Abnehmer ein ihm nach Vertragsschluß vorgestelltes Erstmuster nicht eingehend prüft und er deshalb einen Mangel des Erstmusters nicht feststellt und dem Zulieferer nicht mitteilt, sondern die Freigabe erteilt Ist die gelieferte Ware mangelhaft, so wird der Abnehmer Sachmängelansprüche gemäß den kaufrechtlichen oder werkvertraglichen Vorschriften geltend machen.1 Diese Ansprüche sind, wenn der Abnehmer einen Fehler am Erstmuster nicht gerügt hat, nicht bereits gemäß § 377 Π HGB ausgeschlossen.2 Fraglich ist allerdings, ob ein Gegenanspruch des Zulieferers aus Positiver Vertragsverletzung gegeben ist, wenn der Abnehmer ein ihm nach Vertragsschluß vorgestelltes Erstmuster nicht eingehend auf die in Zeichnungen und Spezifikationen vereinbarten Qualitätsforderungen hin überprüft hat und er deshalb einen Mangel des Erstmusters nicht festgestellt und dem Zulieferer nicht mitgeteilt, sondern die Freigabe zur Serienproduktion erteilt hat.
A. Die Regelung des § 464 BGB bzw. des § 640 I I BGB Vorab ist zu klären, ob ein solcher Anspruch des Zulieferers aus Positiver Vertragsverletzung nicht durch die Existenz des § 464 BGB bzw. des § 640 I I BGB ausgeschlossen ist.
I. Die Bedeutung des § 464 BGB für den Lieferungskauf gemäß §651121. HS BGB Im Unterschied zu § 460 BGB regelt § 464 BGB den Fall, in dem der (Lieferungs-)Käufer zwischen den Zeitpunkten des Vertragsschlusses und der Annahme 1
Zu den beiden hier in Betracht kommenden Vertragstypen: s. o.: Zweiter Teil C. III. 2 S.o.: Vierter Teil B.
Α. Die Regelung des § 464 BGB bzw. des § 640 II BGB
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der Kaufsache oder unmittelbar bei Annahme den Mangel entdeckt.3 Bei vorbehaltloser Annahme soll der Käufer die Gewährleistungsansprüche verlieren. Ebenso wichtig wie die positive Entscheidung, die der Gesetzgeber in § 464 BGB getroffen hat, ist die damit verbundene negative Entscheidung: Entdeckt der Käufer zu einem Zeitpunkt zwischen Vertragsabschluß und Übergabe der Kaufsache bzw. bei Annahme grob fahrlässig einen Mangel nicht, so werden dadurch die Gewährleistungsansprüche nicht berührt. 4 Da § 377 HGB beim beiderseitigen Handelskauf eine Untersuchungs- und Rügeobliegenheit erst nach Ablieferung der Ware statuiert, gilt die Regelung des § 464 BGB auch für Kaufleute. 5 Man könnte nun argumentieren, daß durch die Anerkennung eines Anspruchs des Zulieferers aus Positiver Vertragsverletzung wegen nur oberflächlicher Prüfung der angeforderten Erstmuster durch den Abnehmer die Regelung umgangen wird, daß fahrlässige Unkenntnis des Käufers von einem Mangel der Kaufsache in dem Zeitraum zwischen Vertragsschluß und Übergabe unbeachtlich ist. Eine solche Überlegung verkennt jedoch, daß ein derartiger Anspruch des Zulieferers aus Positiver Vertragsverletzung einen anderen Fall betrifft als den, den der Gesetzgeber bei Schaffung des § 464 BGB vor Augen hatte. Während § 464 BGB davon ausgeht, daß keine Untersuchungspflicht des Käufers besteht,6 kann im Rahmen des Rechtsinstituts der Positiven Vertragsverletzung eine Untersuchungspflicht beachtlich sein, die aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles als Nebenpflicht aus dem Vertrag anzuerkennen ist. 7 Da aber niemals eine Nebenpflichtverletzung konstruiert werden darf, um die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften zu umgehen, ist die jeweilige Nebenpflicht sorgfältig zu begründen.8 § 464 BGB steht damit nicht von vornherein dem hier in Betracht gezogenen Anspruch des Zulieferers entgegen. 3 Erman-Grunewald, § 464 Rdnr. 1; MüKo-Westeraiann, § 464 Rdnr. 1; RGRK-Mezger, § 464 Rdnr. 1; Staudinger-Honsell, § 464 Rdnr. 1. 4 Soergel-Huber, § 464 Rdnr. 2; MüKo-Westermann, § 464 Rdnr. 1; Staudinger-Honsell, § 464 Rdnr. 1. 5 RGZ 64, S. 236 (237 ff.); Staudinger-Honsell, § 464 Rdnr. 1: „§ 377 HGB, der beim beiderseitigen Handelskauf nach Ablieferung der Ware eine Untersuchungs- und Rügepflicht statuiert, steht neben § 464; die Obliegenheiten nach beiden Vorschriften decken sich weder inhaltlich noch zeitlich. Ein innerer Grund für die Nichtanwendung der strengeren Vorschrift des § 464 beim beiderseitigen Handelskauf ist nicht ersichtlich."; a.A.: Soergel-Huber, § 464 Rdnr. 7: „Die praktische Bedeutung des § 464 ist durch die sehr viel weitergehende Regel des HGB § 377 stark eingeschränkt." 6
Motive, Bd. II, S. 230: „ . . . weder aus inneren Gründen gerechtfertigt, noch für den bürgerlichen Verkehr, im Gegensatze zum Handelsverkehre, durch praktische Rücksichten geboten." 7 Brox, Schuldrecht AT, Rdnr. 294; Soergel-Wiedemann, Vor § 275 Rdnr. 464; PalandtHeinrichs, § 276 Rdnr. 113 ff.; MüKo-Emmerich, Vor § 275 Rdnr. 282ff.; Schünemann, JuS 1987, S. 1 ff. (6); vgl. bezüglich „weiterer Verhaltenspflichten": Larenz, Schuldrecht AT, § 241 a, S. 364f.; Medicus, Schuldrecht I AT, § 35 Π 1 b), Rdnr. 416. 8 Ebenso: Soergel-Wiedemann, Vor § 275 Rdnr. 465. 6*
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5. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers nach Vertragsschluß
I I . Die Bedeutung des § 640 I I BGB für den Werklieferungsvertrag i. e. S. gemäß § 6 5 1 1 2 2. HS BGB § 640 I I BGB enthält für den Fall, daß der zwischen Abnehmer und Zulieferer geschlossene Vertrag ein Werklieferungsvertrag i. e. S. gemäß § 651 I 2 2. HS BGB ist, eine dem § 464 BGB entsprechende Regelung.9 § 640 II BGB steht deshalb aus demselben Grund wie oben dem hier in Betracht gezogenen Anspruch des Zulieferers nicht entgegen.
B. D i e Voraussetzungen eines Anspruchs des Zulieferers aus Positiver Vertragsverletzung I . Das Bestehen eines Schuldverhältnisses Ein Anspruch aus Positiver Vertragsverletzung setzt ein wirksames vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner voraus. 10 Findet das Erstbemusterungsverfahren nach Abschluß des Liefervertrages statt, so besteht zwischen Abnehmer und Zulieferer ein vertragliches Schuldverhältnis.
I I . Die gesetzlich nicht geregelte schuldhafte Vertragsverletzung des Abnehmers Im Gesetz ist die Verletzung der Leistungspflichten in den Vorschriften der Unmöglichkeit, des Verzuges und der Gewährleistung nicht umfassend und die Verletzung von Nebenpflichten überhaupt nicht geregelt. Diese Regelungslücken werden schon seit jeher durch das Rechtsinstitut der Positiven Vertragsverletzung geschlossen.11 Dem Grundsatz wird mittlerweile der Rang von Gewohnheitsrecht zuerkannt. 12
9 Soergel-Huber, § 464 Rdnr. 1; Staudinger-Peters, § 640 Rdnr. 70; § 640 Π BGB beruht auf demselben Grundgedanken wie § 464: vgl. Motive, Bd. II, S. 490 f. 10 Vgl. Medicus, Schuldrecht I AT, § 35 I I 1, Rdnr. 414; Palandt-Heinrichs, § 276 Rdnr. 107. 11 Auf die Gesetzeslücke hat bereits Staub hingewiesen; vgl. Staub in: Festschrift für den 26. DJT, 1902, S. 29 ff. 12 Staudinger-Löwisch, Vorbem. zu §§ 275 ff., Rdnr. 24; Palandt-Heinrichs, § 276 Anm. 105; Larenz, Schuldrecht AT, § 24 I a, S. 367; kritisch: Schünemann, JuS 1987, S. 1 ff. (2); Zur „Frage, ob positive Forderungsverletzung und culpa in contrahendo als vitale Rechtsfiguren in das neue Gesetz oder aber als überlebte dogmatische Konstruktionen in die Dogmengeschichte gehören": Picker, AcP 183, S. 369 (371 ff.).
Β. Anspruch des Zulieferers aus Positiver Vertragsverletzung
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1. Die vertraglichen Nebenpflichten Das vertragliche Schuldverhältnis wird nicht nur von den rechtsreformtypischen, gesetzlich ausdrücklich beschriebenen Pflichten etwa der Käufer, Verkäufer, Besteller und Werkunternehmer ausgefüllt, sondern darüber hinaus existieren gewisse Nebenpflichten und zwar selbst ohne ausdrückliche vertragliche Fixierung. 13 Ihren Ursprung haben diese Pflichten in dem Vertrauen, das der rechtsgeschäftliche Partner in Anspruch nimmt, 14 und damit letztlich in dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), 15 das auch schon im vorvertraglichen Raum Beachtung fordert („culpa in contrahendo") 16 Vor diesem Hintergrund hat jede Vertragspartei die Pflicht zur loyalen, an der Beachtung von Treu und Glauben orientierten Vertragsdurchführung. 17 Bei Verträgen, bei denen eine dauernde partnerschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen eines längerfristig angelegten Vertragsverhältnisses im Vordergrund steht, sind an das Verhalten beider Parteien strengere Anforderungen zu stellen als bei einfachen Güterumsatzgeschäften. 18
2. Die Prüfung des angeforderten Musters als vertragliche Nebenpflicht des Abnehmers Läßt sich der Abnehmer vom Zulieferer im Rahmen der Durchführung eines Liefervertrages ein Erstmuster vorstellen, so könnte er sich nur dann gemäß Treu und Glauben verhalten, wenn er dieses Muster tatsächlich untersucht. Sinn macht die Präsentation des Musters durch den Zulieferer nämlich nur dann, wenn sie tatsächlich zur Prüfung durch den Abnehmer führt. Ansonsten könnte der Abnehmer gleich auf die Präsentation verzichten und die Prüfbescheinigung des Lieferanten als ausreichend ansehen. Soweit sich der Abnehmer durch vertragliche Absprache Untersuchungsbefugnisse einräumen läßt, muß der Zulieferer auch in seinem Vertrauen darauf geschützt werden, daß jener die im eigenen Interesse hinzugewonnenen Untersuchungsmöglichkeiten bestimmungsgemäß nutzt und hierbei erkennbare Schwachstellen aufzeigt. 19
13 Siehe Fußnote 7 im fünften Teil sowie Schünemann, BB 1987, S. 2243 ff. (2243). 14 So schon Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 538; ders., JZ 1965, s. 475ff. (476 f.). 15 Medicus, Schuldrecht II BT, § 73 I 3, Rdnr. 26; Gottwald, JuS 1982, S. 877 ff. (878). 16 Vgl. RGRK-Mezger, Vor § 433 Rdnr. 93 f.; Schünemann, BB 1987, S. 2243 ff. (2243); Fikentscher, Schuldrecht, § 2011, Rdnr. 69. 17 Larenz, Schuldrecht I AT, § 91 a, S. 106. is Vgl. Merz, S. 354, wonach besonderes Vertrauen als Folge einer dauerhaften, über längere Zeit gewachsenen Geschäftsverbindung zwischen den Parteien gerechtfertigt sein kann; ferner: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 16 I I 2 a, der von einer „Verdichtung des Pflichtengefüges" beim Dauerschuldverhältnis spricht. 19 Dies betont auch Merz, S. 298.
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5. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers nach Vertragsschluß
Auf den Fall der Erstbemusterung übertragen bedeutet dies: Darauf, daß eine Untersuchung des Erstmusters durch den Abnehmer stattfindet, darf der Zulieferer jedenfalls dann vertrauen, wenn der Abnehmer - was regelmäßig der Fall sein wird - Erstmuster expressis verbis zum Zwecke der Untersuchung und Begutachtung anfordert. 20 Bleibt das Muster unbeachtet, so würde das Vertrauen, das der Abnehmer dadurch in Anspruch nimmt, daß er sich ein Erstmuster zur Prüfung vorstellen läßt, enttäuscht. Deshalb trifft den Abnehmer, der sich ein Erstmuster vorstellen läßt, grundsätzlich die vertragliche Nebenpflicht, dieses Erstmuster zu prüfen.
3. Der Umfang der Prüfpflicht Der Umfang der Prüfpflicht des Abnehmers ergibt sich aus der Funktion des Erstbemusterungsverfahrens. Dieses soll eine weitestgehende Gewißheit über den Ausschluß systematischer Fehlerquellen vor Beginn der Serienproduktion geben. An den vom Abnehmer zu erwartenden Untersuchungsaufwand sind deshalb hohe Anforderungen zu stellen, und es kann durchaus davon gesprochen werden, daß eine Nachprüfung durch den Abnehmer eine „intensive Beschäftigung" 21 mit dem Erstmuster voraussetzt. Wird das Erstmuster dem Abnehmer frühzeitig vor dem geplanten Beginn der Serienproduktion vorgestellt - eine entsprechende Terminvereinbarung im Liefervertrag ist zu empfehlen - , so steht der Abnehmer bei der Erstmusterprüfung auch nicht unter Zeitdruck. Hinzu kommt, daß der Abnehmer, der die Zulieferteile zu einem funktionsfähigen Endprodukt zusammenbaut, die hierfür erforderlichen technischen Kenntnisse in bezug auf die Einzelteile besitzt. Aufgrund dieser besonderen Sach- und Fachkunde ist es durchaus möglich, daß nur der Abnehmer bestimmte Fehler erkennen kann. Diese Überlegung ist im Hinblick auf die Einbauprobe relevant. Aufwendige Funktionsprüfungen müssen deshalb zum unverzichtbaren Bestandteil der Prüfungen durch den Abnehmer gezählt werden. Folglich hat der Abnehmer der Überprüfung von Erstmustern soviel Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen, wie dies aufgrund der Komplexität des Produktes und der erwartbaren Abweichungsanfälligkeit geboten ist. 22 Dabei sind dem Abnehmer - ungeachtet des wirtschaftlichen Wertes des Musters - durchaus zerstörende Prüfungen zuzumuten, wenn nur diese Aufschluß über die Spezifikationskonformität geben können. Bei fehlender Sachkenntnis hat er gegebenenfalls auch Sachverständige hinzuzuziehen.
20 Vgl. Merz, S. 113. 21 Vgl. Franke in: Handbuch der Qualitätssicherung, 2. Aufl., S. 439 ff. (444), wohingegen diese Bemerkung bei Franke in: Handbuch Qualitätsmanagement, 3. Aufl., S. 531 ff. (544) fehlt. 22 Merz, S. 114.
D. Die Klausel betreffend das dem Abnehmer eingeräumte Ermessen
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4. Die Mitteilung erkannter Mängel durch den Abnehmer als vertragliche Nebenpflicht Die Weitergabe der qualitätsrelevanten Informationen an den Lieferanten hat gemäß VDA-Schrift Band 2, S. 19 dadurch zu erfolgen, daß der Abnehmer seine Prüfergebnisse auf der Seite des Musterprüfberichts, die für den Abnehmer vorgesehen ist, eventuell auch auf einem eigenen Prüfbericht vermerkt und die Ausfertigung für den Lieferanten an diesen zurückschickt. Auf diese Weise ist sichergestellt, daß es nicht nur bei einer Prüfung der Erstmuster durch den Abnehmer bleibt, sondern daß der Abnehmer seine Kenntnis vom Vorhandensein eines Mangels auch dem Zulieferer mitteilt und die unbedingte Freigabe zur Serienproduktion nicht erteilt.
C. Zwischenergebnis Aufgrund der obigen Ausführungen hätte der Abnehmer dadurch, daß er ein angefordertes und daraufhin vom Zulieferer vorgestelltes Erstmuster nicht eingehend untersucht hat und deshalb Mängel nicht entdeckt und dem Zulieferer nicht mitgeteilt, sondern die Freigabe erteilt hat, eine schuldhafte, nämlich mindestens fahrlässige (§ 276 I 1 BGB) Nebenpflichtverletzung begangen. Diese würde die für den Abnehmer nachteiligen Rechtsfolgen eines Anspruchs des Zulieferers aus Positiver Vertragsverletzung auslösen.
D. Die Klausel betreffend das dem Abnehmer eingeräumte Ermessen bei der Prüfung des Erstmusters Die VDA-Schrift Band 2, 2. Aufl. enthält auf S. 16 die Regelung, daß nach Vorlage der Muster und Bereitstellung der Musterprüfberichte der Abnehmer im Rahmen der vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen nach eigenem Ermessen Prüfungen durchführt. Diese Klausel könnte den Abnehmer von der Pflicht zur eingehenden Prüfung eines ihm vorgelegten Erstmusters entbinden.
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5. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers nach Vertragsschluß
I. Wirksamkeit der Klausel nach dem AGB-Gesetz 1. Die in der VDA-Schrift Band 2 enthaltenen Klauseln bezüglich der Erstbemusterung als Allgemeine Geschäftsbedingungen In der Vertragsgestaltungspraxis wird die Vereinbarung über die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens häufig in Gestalt eines vorformulierten Regelwerkes in die liefervertraglichen Beziehungen eingebracht. 23 Im Hinblick auf die in der VDA-Schrift Band 2, 2. Aufl. enthaltenen Regelungen in bezug auf die Erstbemusterung (S. 13 ff.) bereiten die formalen Voraussetzungen des § 1 I 1 AGBG keine Schwierigkeiten: Die VDA-Schrift ist als Grundlage für die Vorgehensweise bei der Erstbemusterung aufgestellt und liegt bereits fertig vor. Bei dem Merkmal „vorformuliert" i. S. d. § 111 AGBG kommt es nicht darauf an, ob sie vom Verwender selbst - hier typischerweise dem Abnehmer oder einem am Vertragsschluß nicht beteiligten Dritten - hier dem VDA stammt.24 Ausreichend ist, daß sie von vornherein mit dem Ziel aufgestellt wurde, gegenüber mehreren noch nicht konkretisierten Zulieferern Verwendung zu finden. 25 An der Absicht, vorformulierte Regelwerke mehrfach zu verwenden, bestehen in der Regel ebensowenig Zweifel wie daran, daß der Verwender die vorformulierten Bestimmungen der anderen Vertragspartei stellt. Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn eine Partei die Einbeziehung des vorformulierten Regelwerkes in den Vertrag verlangt bzw. das Angebot abgegeben hat, daß dieses in den konkreten Individualvertrag einbezogen werden soll. 26 Zwar könnte man einwenden, daß ein Arbeitskreis von Abnehmern und Zulieferern die Regelungen in der VDA-Schrift aufgestellt hat. Insoweit hat also eine Einigung stattgefunden und die Einbeziehung könnte damit eine gemeinsame Leistung darstellen. Diese Überlegung läßt jedoch außer acht, daß allein die Umstände bei Abschluß des individuellen Vertrages für das Merkmal des „Stellens" maßgebend sind. Nur wenn die Vertragspartner im konkreten Fall unabhängig voneinander die Einbeziehung verlangen, kann von einer Situation des „Stellens" nicht gesprochen werden. 27 Betrachtet man die Interessenlage, so wird die Initiative zur Einbeziehung im Regelfall allein vom Abneh23 S.o.: Zweiter Teil B. 24 Vgl. BGH W M 1983, S. 1408; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 1 AGBG Rdnr. 21; Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, § 1 AGBG Rdnr. 12; MüKo-Kötz, § 1 AGBG Rdnr. 5; Soergel-Stein, § 1 AGBG Rdnr. 9; Staudinger-Schlosser, § 1 AGBG Rdnr. 16. 25 Schmidt, NJW 1991, S. 144 (145); Staudinger-Schlosser, § 1 AGBG Rdnr. 15; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 1 AGBG Rdnr. 24. 26 BGH NJW 1985, S. 2477 (2477); Trinkner in: Löwe/v. Westphalen/Trinkner, Bd. I, § 1 AGBG Rdnr. 12; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 1 AGBG Rdnr. 26f.; Palandt-Heinrichs, § 1 AGBG Rdnr. 7; Jaeger, NJW 1979, S. 1569 (1572); a.A.: Wolf in: Wolf/Horn/ Lindacher, § 1 AGBG Rdnr. 27: „Stellen ist... nicht das konkrete Einbeziehungsangebot des Verwenders.. 27 Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, § 1 AGBG Rdnr. 29; Palandt-Heinrichs, § 1 AGBG Rdnr. 10; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 1 AGBG Rdnr. 29.
D. Die Klausel betreffend das dem Abnehmer eingeräumte Ermessen
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mer ausgehen.28 Schließlich mangelt es typischerweise an der Bereitschaft, Bestimmungen des vorbereiteten Klauselwerkes im Rahmen der Vertragsverhandlungen zur Disposition zu stellen, so daß in den seltensten Fällen vorformulierter Bedingungen letztlich eine Aushandlungsvereinbarung i. S. d. § 1 I I AGBG vorliegen wird. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die Klausel, die besagt, daß der Abnehmer Erstmusterprüfungen nach eigenem Ermessen durchführt, einer Überprüfung anhand des AGB-Gesetzes zu unterziehen. Ob und inwieweit diese Klausel einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe des AGB-Gesetzes unterzogen werden kann, ist vorab zu klären.
2. Ausnahmen vom Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes In §§ 23, 24 AGBG sind Ausnahmen vom Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes in sachlicher (§ 23 AGBG) und persönlicher Hinsicht (§ 24 AGBG) normiert. a) Ausnahmen in sachlicher Hinsicht Während in § 23 I I AGBG lediglich einige Vorschriften des AGB-Gesetzes für bestimmte Arten von Verträgen oder Geschäftsbedingungen ausgenommen sind, sind in § 23 I AGBG die Rechtsgebiete des Familien-, Erb-, Arbeits- und Gesellschaftsrechts pauschal vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen. Insoweit erscheint ein Schutz nicht erforderlich, nicht angemessen oder nicht systemgerecht.29 Für die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand kommt es demnach entscheidend auf die vertragliche Natur der Lieferbeziehung an. aa) Der Liefervertrag als entgeltliches Erwerbsgeschäft Bereits oben 30 wurde festgestellt, daß der Liefervertrag zwischen Zulieferer und Abnehmer ein entgeltliches Erwerbsgeschäft darstellt. Da das AGB-Gesetz primär auf rein schuldrechtliche Austausch Verträge ausgerichtet ist, 31 spricht dies für die sachliche Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes. 28 So auch Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 4 und S. 116 und Schmidt, NJW 1991, S. 144(145). 29 Begründung zum Reg.E. BT Drucks. 7/3919, S. 41; Horn in: Wolf/Horn/Lindacher, § 23 AGBG Rdnr. 2; v. Westphalen in: Löwe/v. Westphalen/Trinkner, Bd. II, § 23 AGBG Nr. 1. 30 S.o.: ZweiterTeilC.
31 Vgl. Horn in: Wolf/Horn/Lindacher, § 23 Rdnr. 72; MüKo-Basedow, § 23 AGBG Rdnr. 11.
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5. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers nach Vertragsschluß
bb) Gesellschaftsrechtliche bzw. gesellschaftsähnliche Elemente in modernen Lieferbeziehungen Moderne Lieferbeziehungen wie Just-in-time zeichnen sich aber auch durch eine kontinuierliche und einvernehmliche Zusammenarbeit zwischen Abnehmer und Lieferant aus, die der Verbesserung der gemeinschaftlichen Kooperation bei der Herstellung eines Endproduktes dient. 32 Ausgehend von dieser partnerschaftlichen Zusammenarbeit stellt sich die Frage, inwieweit sich die Beziehung zwischen Abnehmer und Zulieferer vom Charakter einer Austauschbeziehung entfernt und gesellschaftsrechtlichen Charakter annimmt. Eine Verknüpfung der nach klassischem Verständnis gegeneinander abgegrenzten Gestalttypen „Austauschvertrag" und „Gesellschaft" geht regelmäßig nicht so weit, daß eine unmittelbare Anwendung der §§ 705 ff. BGB in Betracht kommt. 33 Dennoch können in einer vertraglichen Lieferbeziehung gesellschaftsrechtliche Komponenten wie der Dauerschuldcharakter, ein enges beiderseitiges Vertrauensverhältnis, die Existenz gewisser Kontrollrechte sowie die weitgehende Übereinstimmung der von den Parteien jeweils verfolgten Interessen enthalten sein. 34 Dies vermag aber die Bereichsausnahme des § 23 I AGBG nicht auszulösen. § 23 I AGBG ist wegen seines Ausnahmecharakters eng auszulegen.35 Handelt es sich nicht um eine rein gesellschaftsrechtliche Konstellation, sondern allenfalls um eine gesellschaftsähnliche Beziehung, so ist die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes zu befürworten. 36 Dies gilt namentlich für solche Rechtsverhältnisse, die im Kern mehr austauschvertraglichen als gesellschaftsrechtlichen Charakter haben und bei denen damit die individuelle Interessenverfolgung und nicht die personenrechtliche Einbindung im Vordergrund steht.37 In den hier betrachteten Fällen ist der Leistungsaustausch das Grundmotiv für die Begründung der Transaktionsbeziehung. Jener tritt auch dann nicht in den Hintergrund, wenn - wie geschildert - gesellschaftsähnliche Elemente in einer Lieferbeziehung auszumachen sind. 38 Austauschflankierende Regelungen im unmittelbaren Regelungskomplex des Liefervertrages wie die Durchführung bestimmter, den Gütertransfer vorbereitender oder begleitender Präventionsmaßnahmen, die im Interesse beider Parteien liegen, betreffen einen Bereich, der sich um den eigentlichen Kern des Erwerbsgeschäftes rankt und diesen ergänzt. 39 32 Lehmann, BB 1990, S. 1849ff. (1852f.); Martinek, Moderne Vertragstypen, S. 291. 33 Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 27 und S. 118. 34 Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 27; Merz, S. 305. 35 Horn in: Wolf/Horn/Lindacher, § 23 AGBG Rdnr. 3; Koch/Stübing, § 23 AGBG Rdnr. 3; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 23 AGBG Rdnr. 25. 36 Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 23 AGBG Rdnr. 21 a. 37 Horn in: Wolf/Horn/Lindacher, § 23 AGBG Rdnr. 72; MüKo-Basedow, § 23 AGBG Rdnr. 12; Koch/Stübing, § 23 AGBG Rdnr. 8; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 23 AGBG Rdnr. 21 a; (zumindest für Verträge zwischen Gesellschaft und außenstehenden Dritten). 38 Merz, S. 307.
D. Die Klausel betreffend das dem Abnehmer eingeräumte Ermessen
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b) Ausnahmen in persönlicher Hinsicht § 24 AGBG enthält eine Regelung zum persönlichen Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes nur im Hinblick auf den geschützten Personenkreis, d. h. die Personen, denen „gegenüber" AGB verwendet werden. Gemäß § 24 S. 1 Nr. 1 AGBG genießt ein Kaufmann, für den der Vertrag zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört, einen reduzierten Schutz. Die Ausnahmeregelung des § 24 AGBG wurde erforderlich, um den kaufmännischen Verkehr nicht mit Vorschriften zu belasten, die auf ihn nicht passen oder ihn über Gebühr behindern. 40 Der Zulieferer ist Kaufmann i. S. d. § I I HGB. Der Liefervertrag gehört zu den Handelsgrundgeschäften (Güterumsatz) des Betriebes eines Handelsgewerbes des Zulieferers, so daß gemäß § 241 AGBG die §§ 2, 10 -12 AGBG keine Anwendung finden. 3. Keine überraschende Klausel gemäß § 3 AGBG Eine Klausel wird gemäß § 3 AGBG dann nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den Umständen so ungewöhnlich ist, daß der Vertragspartner des Verwenders mit ihr keinesfalls zu rechnen brauchte. Kennzeichnend für die Überraschungswirkung von Klauseln auf den Vertragspartner ist demnach der Grad der Abweichung von seiner berechtigten Erwartung. Dabei muß die Diskrepanz zwischen der Klausel und der rechtlich anerkennenswerten Erwartung des Vertragspartners so erheblich sein, daß der innere oder äußere Sach- und Sinnzusammenhang der Klausel mit dem in ihrem Zusammenhang relevanten Vertragsinhalt grundlegend gestört ist. 41 Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Klausel, wonach der Abnehmer Prüfungen nach eigenem Ermessen durchführt, erläutert die Erstmusterprüfung durch den Abnehmer näher. Sie steht damit in innerem Sach- und Sinnzusammenhang mit der Vereinbarung über die Durchführung des Bemusterungsverfahrens. Da die Klausel keinen ungewöhnlichen äußeren Zuschnitt aufweist, sie insbesondere nicht an versteckter Stelle untergebracht ist, 42 ist auch der äußere Zusammenhang mit dem sonstigen Vertragsinhalt zu bejahen.
39 Merz, S. 313. 40 Soergel-Stein, § 24 AGBG Rdnr. 2; Staudinger-Schlosser, § 24 AGBG Rdnr. 1; Horn in: Wolf/Horn/Lindacher, § 24 AGBG Rdnr. 4. Soergel-Stein, § 3 AGBG Rdnr. 8; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 3 AGBG Rdnr. 11 ff.; Staudinger-Schlosser, § 3 AGBG Rdnr. 12; Erman-Hefermehl, § 3 AGBG Rdnr. 6. 42 Vgl. dazu BGH NJW 1985, S. 848 (849); BGHZ 84, S. 109 (113) = NJW 1982, S. 2309; BGH NJW-RR 1987, S. 851 (852); BGH NJW 1986, S. 1805 (1806); AG Langenfeld, NJWRR 1990, S. 565.
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5. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers nach Vertragsschluß
4. Die intendierte juristische Bedeutung der Klausel Wenn der Abnehmer im Rahmen der vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen nach eigenem Ermessen Prüfungen durchführt, so stellt sich die Frage, welche Bedeutung dem Begriff „Ermessen" in diesem Zusammenhang zukommt.
a) Der verwaltungsrechtliche
Ermessensbegriff
Zum einen ließe sich daran denken, „Ermessen" hier in Anlehnung an das verwaltungsrechtliche Verständnis dieses Begriffes nicht als Belieben zu verstehen, sondern als Handeln unter Berücksichtigung von Zweckmäßigkeit, um nach den Umständen des Einzelfalles zu einer sachgerechten Entscheidung zu gelangen.43 Das Ermessen wäre dann stets ein pflichtgemäß auszuübendes Ermessen, d. h. ein rechtlich gebundenes Wählen im Hinblick auf verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten, das den Abnehmer dazu anhalten könnte, im Rahmen der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens eine eingehende Prüfung des Musters im Hinblick auf sämtliche vereinbarten Merkmale vorzunehmen.
b) Der Begriff „Ermessen" im allgemeinen Sprachgebrauch Zum anderen könnte dem Ermessensbegriff hier eine Bedeutung beizumessen sein, die ihm in der allgemeinen Umgangssprache, also im allgemeinen Sprachgebrauch, zukommt. Wird dort etwas in jemandens Ermessen gestellt, so ist jemandem die Entscheidung nach seinem eigenen Urteil überlassen, ohne daß er dabei Interessen anderer besonders zu berücksichtigen hätte. 44 Dem Abnehmer, der Prüfungen im Rahmen der vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen nach eigenem Ermessen durchführt, wäre es demnach anheimgestellt, bezüglich welcher Merkmale er ihm vorgestellte Erstmuster untersucht. Nach dem juristischen Sprachgebrauch ist dem Begriff „Ermessen" also eine Bedeutung zueigen, die ihm in dieser Prägnanz im allgemeinen Sprachgebrauch nicht zukommt. c) Die Unklarheitenregel
des § 5 AGBG
Angesichts der Mehrdeutigkeit des im Rahmen der hier untersuchten Klausel verwendeten Begriffs „Ermessen" liegt es nahe, auf die Vorschrift des § 5 AGBG zurückzugreifen und damit das Auslegungsrisiko der Klausel dem Verwender der43 Eingehend zu dem verwaltungsrechtlichen Ermessensbegriff: Ossenbühl in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 I I 2, Rdnr. 13 ff. 44 Vgl. Duden, Bd. 2, S. 962.
D. Die Klausel betreffend das dem Abnehmer eingeräumte Ermessen
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selben - regelmäßig dem Abnehmer - 4 5 aufzubürden. Häufig führt die Anwendung des § 5 AGBG zwar zu dem am wenigsten weitreichenden, d. h. dem kundenfreundlichsten Auslegungsergebnis.46 Dies wäre für den Zulieferer das verwaltungsrechtliche Verständnis des Ermessensbegriffes. Jedoch verdient die kundenfeindlichste Auslegungsvariante - vorliegend also das umgangssprachliche Verständnis des Begriffs „Ermessen" - dann den Vorzug, wenn sich ergibt, daß sie im Rahmen der Inhaltskontrolle gemäß §§ 9 ff. AGBG die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge hat, da sich diese Rechtsfolge typischerweise günstiger für den Kunden auswirkt, als es nach der kundenfreundlichsten Auslegungsvariante der Fall wäre. 47 Würde man jedoch die Unklarheitenregel des § 5 AGBG bereits an dieser Stelle anwenden, so wäre außer acht gelassen, daß es sich dabei um einen nachgeordneten Auslegungsgrundsatz handelt.48 Er greift erst dann ein, wenn der Sinn der Klausel im Wege der objektiven Auslegung nicht zweifelsfrei zu ermitteln ist. 49 Vorrangig ist also festzustellen, ob sich die Mehrdeutigkeit durch eine objektive Auslegung der Klausel beseitigen läßt.
d) Die objektive Auslegung der Klausel Will man ermitteln, welcher Sprachgebrauch vorliegend maßgeblich ist, so ist die Klausel aufgrund der obigen Erörterungen objektiv auszulegen. Damit ist gemeint, daß der Sinngehalt der AGB-Klausel nach objektiven Maßstäben - losgelöst von individuellen Vorstellungen der Vertragsparteien - unter Beachtung des mit ihr verfolgten Zwecks zu ermitteln ist. 50 45 S.o.: Fünfter Teil D.I. 1. 46 Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 5 Rdnr. 4 und 30; Soergel-Stein, § 5 AGBG Rdnr. 15 ff.; Lindacher in: Wolf/Horn/Lindacher, § 5 Rdnr. 32. 47 BGH NJW 1992, S. 1097 (1099); Horn, W M 1984, S. 449 (451); Palandt-Heinrichs, § 5 AGBG Rdnr. 9; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 5 Rdnr. 4 und 31; Erman-Hefermehl, § 5 AGBG Rdnr. 22; Lindacher in: Wolf/Horn/Lindacher, § 5 Rdnr. 33; Soergel-Stein, § 5 AGBG Rdnr. 16; a.A.: Roth, W M 1991, S. 2085 (2088 ff.), der darin eine Erschwernis der Rechtsanwendung in unzumutbarer Weise sieht; ebenso: Medicus in: Zehn Jahre AGB-Gesetz, S. 85 f.; Sambuc, NJW 1981, S. 313 (314); Honsell, JA 1985, S. 260 (263 f.); Basedow, AcP 182, S. 335 (355); Köhler, BGB AT, § 23 V 3; Müller-Graff, JZ 1977, S. 245 (251 f.). 48 BGH W M 1978, S. 10 (11); Fischer, ZHR 125, S. 202 (206); Soergel-Stein, § 5 AGBG Rdnr. 2; Erman-Hefermehl, § 5 AGBG Rdnr. 1; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 5 Rdnr. 25. 49 BGHZ 91, S. 98 (103) = NJW 1984, S. 1818 (1819); BGH NJW-RR 1988, S. 113 f.; BGH NJW-RR 1987, S. 1112 (1113); BGH NJW 1986, S. 431; 1983, S. 1854; OLG Hamburg, ZIP 1982, S. 1421 f.; Schmidt-Salzer, NJW 1977, S. 129; Roth, W M 1991, S. 2085 (2086); dies verkennend: OLG Köln, ZIP 1983, S. 926 (927), das aus der Unklarheitenregel Schlüsse für die Auslegung zieht. 50 Dazu eingehend: Dreher, AcP 189, S. 342ff. (360ff.); MüKo-Kötz, § 5 AGBG Rdnr. 2; Soergel-Stein, § 5 AGBG Rdnr. 7; Erman-Hefermehl, § 5 AGBG Rdnr. 1; Ulmer in: Ulmer/
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5. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers nach Vertragsschluß
Mit dem Maßstab der objektiven Auslegung aus dem Verständnishorizont des durchschnittlichen Adressaten der Allgemeinen Geschäftsbedingung ist der Vorrang der Auslegung nach dem juristischen Sprachgebrauch vor dem allgemeinen Sprachgebrauch im Rahmen des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes nicht zu vereinbaren. Der Zulieferer ist als durchschnittlich geschäftserfahrener Kaufmann nicht in dem Maße rechtlich vorgebildet, daß er den verwaltungsrechtlichen Ermessensbegriff im Rahmen seiner sich nach Zivilrecht beurteilenden Beziehung zum Abnehmer zugrunde legen wird. Ferner ist zu berücksichtigen, daß in einem Regelwerk, das technisch-organisatorische Maßnahmen und Verhaltensregeln erörtert, mittels derer die Fehlerfreiheit der Produkte erreicht werden soll, sich rechtliche Sachkunde regelmäßig nicht widerspiegelt. Die primär technische Zielrichtung der VDA-Schrift Band 2 hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß sie unter maßgeblicher, i. d. R. federführender Mitwirkung von Technikern - meist aus den betrieblichen Qualitätsmanagementabteilungen - erstellt wurde. 51 Dieser Charakter einer „technischen Gebrauchsanleitung" für das Erstbemusterungsverfahren führt dazu, daß bei Worten, denen in der Rechts- und in der Alltagssprache eine jeweils unterschiedliche Bedeutung zukommt, davon auszugehen ist, daß sie dem alltäglichen Sprachgebrauch entnommen sind. 52 Erst wenn sich zukünftig Regelwerke mit einer stärkeren juristischen Diktion durchsetzen, ist eher davon auszugehen, daß man rechtlichen Termini begegnet. Die intendierte juristische Bedeutung der Klausel, die bestimmt, daß der Abnehmer im Rahmen der vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen nach eigenem Ermessen Prüfungen durchführt, muß deshalb darin gesehen werden, den Abnehmer von einer Pflicht zur eingehenden Prüfung des Erstmusters zu entbinden.
5. Kontrollfähigkeit des Inhalts gemäß § 8 AGBG Gemäß § 8 AGBG unterliegen nur solche AGB der offenen Inhaltskontrolle gemäß §§ 9 ff. AGBG, durch die eine Regelung getroffen wird, welche von Rechtsvorschriften entweder abweicht oder sie ergänzt. Damit sind - umgekehrt formuliert - zum einen deklaratorische Klauseln der Inhaltskontrolle entzogen, deren ReBrandner/Hensen, § 5 Rdnr. 25; BGHZ 22, S. 109 (113); 79, S. 117 (119); 84, S. 268 (272); 95, S. 375 (390); 98, S. 256 (260) = NJW 1987, S. 319 (320); BGH NJW 1984, S. 1818; OLG Hamburg, NJW-RR 1988, S. 651; a.A.: Staudinger-Schlosser, § 5 AGBG Rdnr. 18 f., der eine Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des einzelnen Falles befürwortet ; ferner : Lindacher in : Wolf / Horn / Lindacher, § 5 Rdnr. 6 ff. si Merz, S. 160. 52 Vgl. dazu: OLG Karlsruhe, DB 1991, S. 34 (36) = W M 1991, S. 184 (188), wonach Rechtskenntnisse für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur berücksichtigt werden können, wenn sie für die angesprochenen Verkehrskreise typisch sind; grundsätzlich gilt aber als Maßstab die Verständnismöglichkeit eines rechtsunkundigen Durchschnittskunden.
D. Die Klausel betreffend das dem Abnehmer eingeräumte Ermessen
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gelung mit dem Inhalt von Rechtsvorschriften übereinstimmt. Insoweit soll § 8 AGBG einer richterlichen Überprüfung gesetzlich fixierter Interessenbewertungen vorbeugen. 53 Ausgenommen werden zum anderen aber auch Bestimmungen, die nach ihrem Inhalt der rechtlichen Überprüfung nicht zugänglich sind, sondern wie Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen - rein tatsächliche und wirtschaftliche Daten enthalten. Grund der Ausnahme ist hier der fehlende rechtliche Kontrollmaßstab und die Wahrung marktwirtschaftlicher Prinzipien. 54 Beide genannten Aspekte treffen auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand nicht zu. Die Klausel, wonach der Abnehmer im Rahmen der vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen nach eigenem Ermessen Prüfungen durchführt, ist damit gemäß § 8 AGBG kontrollfähig.
6. Die Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG Gegenstand der Inhaltskontrolle gemäß §§ 9, 24 II AGBG ist der durch Auslegung ermittelte objektive Inhalt der Klausel. 55 Fraglich ist deshalb, ob der Zulieferer durch eine freie Entscheidung des Abnehmers in bezug auf den Umfang seiner Erstmusterprüfung gemäß § 9 I AGBG entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Unter den Voraussetzungen des § 9 I I Nr. 1 oder 2 AGBG ist eine solche unangemessene Benachteiligung zu vermuten.
a) Kriterien
gemäß § 9 II Nr. 1 AGBG
§ 9 I I Nr. 1 AGBG knüpft bei seiner Formulierung („wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung") an die frühere Rechtsprechung an, nach der für die Überprüfung von Klauseln entscheidend war, ob von Leit- oder Ordnungsbildern des dispositiven Rechts abgewichen wurde. 56 Für das Merkmal der gesetzlichen Regelung in § 9 I I Nr. 1 AGBG kommen jedoch nicht nur geschriebene Normen des dispositiven Rechts in Betracht, sondern auch alle ungeschriebenen Rechtssätze, die von Rechtsprechung und Rechtslehre durch Auslegung, Analogie 53 MüKo-Kötz, § 8 AGBG Rdnr. 1; Brandner in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 8 Rdnr. 1. 54 Staudinger-Schlosser, § 8 AGBG Rdnr. 1; Soergel-Stein, § 8 AGBG Rdnr. 1; Brandner in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 8 Rdnr. 1; Löwe in: Löwe/v. Westphalen/Trinkner, § 8 Rdnr. 2; Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, § 8 Rdnr. 1; Baumann, VersR 1991, S. 490 (492); Westermann in: Zehn Jahre AGBG, S. 135 f. 55 Soergel-Stein, § 5 AGBG Rdnr. 7; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 5 Rdnr. 13; MüKo-Kötz, § 5 AGBG Rdnr. 2. 56 Zur Entstehungsgeschichte: Brandner in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 Rdnr. 4; Soergel-Stein, § 9 AGBG Rdnr. 35; Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, § 9 Rdnr. 65; BGHZ 41, S. 151 (154) = NJW 1964, S. 1123 f.; 60, S. 377 (380) = NJW 1973, S. 1194; BGHZ 99, S. 374 (382) = NJW 1987, S. 1634 (1635); Schapp, DB 1978, S. 621 ff.; Weick, NJW 1978, S. 11 ff.; Schmidt-Salzer, NJW 1977 S. 129 (138 f.); zuerst: Raiser, AGB, S. 295.
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5. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers nach Vertragsschluß
oder Rechtsfortbildung aus den gesetzlichen Vorschriften hergeleitet werden, so ζ. B. die Regeln der culpa in contrahendo und der Positiven Vertragsverletzung sowie die in Ausprägung des § 242 BGB entwickelten Grundsätze.57 Die Regelung, daß der Abnehmer Prüfungen des Erstmusters nach eigenem Ermessen durchführt, weicht von der gesetzlichen Regelung des § 242 BGB ab. Daraus ergibt sich nämlich die Pflicht des Abnehmers, angeforderte Erstmuster stets eingehend zu untersuchen. Der dahinterstehende Gedanke ist der, das Vertrauen des Zulieferers auf eine eingehende Prüfung des vorgelegten Erstmusters durch den Abnehmer zu schützen.58 Da die gesetzliche Regelung ihrem Zweck nach eine Schutzfunktion für den Vertragspartner erfüllt, ist von einem wesentlichen Grundgedanken i. S. d. § 9 II Nr. 1 BGB auszugehen.59 Ausnahmsweise ist eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung mit deren wesentlichen Grundgedanken vereinbar, wenn sie durch ein überwiegendes oder zumindest gleichwertiges Interesse auf der Seite des Verwenders gerechtfertigt ist. 60 Das Interesse des Abnehmers daran, daß er Prüfungen nach eigenem Ermessen durchführen kann, läßt sich damit begründen, daß er nicht an einen Mindestprüfaufwand gebunden sein will. Dieses Interesse muß jedoch zurücktreten. Das Erstbemusterungsverfahren dient der Schadensprävention. Dieser Präventionsgedanke wird gerade von der Abnehmerseite forciert. Dazu würde es in Widerspruch stehen, wenn der Abnehmer das ihm zur Prüfung vorgelegte Muster nicht so eingehend untersucht, daß er sämtliche vorhandenen Mängel feststellen kann. Die Voraussetzungen des § 9 II Nr. 1 AGBG liegen damit vor. 61
b) Rechtsfolge gemäß § 9IAGBG Der Umfang der Vermutung des § 9 I I Nr. 1 AGBG erstreckt sich nicht nur auf die unangemessene Benachteiligung, sondern auch darauf, daß die unangemessene 57 BGHZ 100, S. 157 (163) = NJW 1987, S. 1931 (1932 f.); BGH NJW 1983, S. 1671 (1672); Brandner in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 Rdnr. 137; Soergel-Stein, § 9 AGBG Rdnr. 33; Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, § 9 Rdnr. 66; a.A.: Staudinger-Schlosser, § 9 AGBG Rdnr. 20. 58 S.o.: Fünfter Teil B.II. 2. 59 Vgl. Soergel-Stein, § 9 AGBG Rdnr. 35; Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, § 9 Rdnr. 70. 60 BGHZ 110, S. 88 (93) = NJW 1990, S. 2065 f.; BGH L M Nr. 5 zu § 9 AGBG (Cb); Soergel-Stein, § 9 AGBG Rdnr. 38. 61 Gemäß § 9 I I Nr. 2 AGBG enthält eine AGB-Klausel im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung, wenn sie wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist. Die Anwendungsbereiche von § 9 I I Nr. 1 und Nr. 2 AGBG werden sich häufig überschneiden, vgl. MüKo-Kötz, § 9 AGBG Rdnr. 15. Da § 9 I I Nr. 1 und Nr. 2 AGBG nicht kumulativ, sondern lediglich alternativ vorliegen müssen, um die Rechtsfolge des § 9 I AGBG auszulösen, unterbleibt im folgenden eine Prüfung der Voraussetzungen des § 9 I I Nr. 2 AGBG.
E. Die Rechtsfolge der Positiven Vertragsverletzung
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Benachteiligung Treu und Glauben widerspricht. 62 Deshalb ist die Bestimmung, daß der Abnehmer im Rahmen der vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen nach eigenem Ermessen Prüfungen durchführt, gemäß § 9 I, I I Nr. 1 AGBG unwirksam.
I I . Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Klausel Nach § 6 I I AGBG treten an die Stelle der unwirksamen Klausel die gesetzlichen Vorschriften, soweit die Klausel nicht ersatzlos wegfallen kann. Da die Klausel hier gerade deshalb unwirksam ist, weil sie eine Nebenpflicht des Abnehmers nicht beachtet, tritt an die Stelle dieser Klausel die Pflicht des Abnehmers zur eingehenden Prüfung der angeforderten Muster. Kommt der Abnehmer dieser Pflicht schuldhaft nicht nach und entdeckt er deshalb einen Mangel des Musters nicht und erklärt daraufhin die Freigabe, so hat der Abnehmer dem Zulieferer Schadensersatz nach den Regeln der Positiven Vertragsverletzung zu erstatten.
E. Die Rechtsfolge der Positiven Vertragsverletzung Grundsätzlich wird bei der Positiven Vertragsverletzung der Schaden ersetzt, der aus der Pflichtverletzung entstanden ist. 63 Hätte der Abnehmer die Muster eingehend geprüft, so hätte er die bei einer solchen Prüfung erkennbaren Mängel festgestellt und die Freigabe nicht erklärt. Zur Serienproduktion fehlerhafter Teile wäre es nicht gekommen, denn der Zulieferer hätte vor Beginn der Serienproduktion die erforderlichen Korrekturmaßnahmen durchgeführt. Der adäquat kausale Schaden des Zulieferers besteht deshalb darin, daß er fehlerhafte Teile produziert hat, wegen denen der Abnehmer Sachmängelansprüche geltend macht. Deshalb hat ihn der Abnehmer so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er fehlerfreie Teile hergestellt hätte. Vor diesem Hintergrund könnte man argumentieren, daß es sich bei dem Anspruch des Zulieferers aus Positiver Vertragsverletzung um einen Freihaltungsanspruch handelt.64 Dies würde bedeuten, daß die Sachmängelansprüche des Abnehmers wegen der fehlerhaften Teile an sich bestehen, der Abnehmer aber eine Gegenpflicht hat, sie nicht geltend zu machen.65 62 Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, § 9 Rdnr. 59; Soergel-Stein, § 9 AGBG Rdnr. 31. 63 Schünemann, JuS 1987, S. 1 ff. (8); Palandt-Heinrichs, § 276 Rdnr. 123; Brox, Allgemeines Schuldrecht, § 22, Rdnr. 301. 64 Vgl. Peters, JZ 1995, S. 754 ff. (756). 65 Der wesentliche Vorteil dieser Lösung gegenüber einer analogen Anwendung des § 377 HGB auf das Erstmuster liegt darin, daß nach Entdeckung des Mangels während der Serienproduktion und Mitteilung dieses Mangels an den Zulieferer der Abnehmer ordnungsgemäße 7 Gaiser
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5. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers nach Vertragsschluß
F. Die Berücksichtigung des Mitverschuldens auf seiten des Zulieferers Nicht außer acht lassen darf man jedoch, daß die eingehende Prüfung der Erstmuster auf deren Anforderungskonformität durch den Lieferanten stets entscheidender Funktionsbestandteil des Erstbemusterungsverfahrens ist. 66 Liegt also ein Fall vor, in dem der Zulieferer den Mangel selbst hätte feststellen können, wenn er eingehend geprüft hätte, so könnte dies dazu führen, daß dem Zulieferer ein Mitverschulden i. S. d. § 254 I BGB anzulasten ist, welches seinen Schadensersatzanspruch gegen den Abnehmer kürzt.
I. Die Regelung des § 254 BGB und der ihr zugrundeliegende Gedanke § 254 BGB beschränkt die Ersatzpflicht des Schädigers, wenn bei der Entstehung (Abs. I) oder der Entwicklung (Abs. Π) des Schadens ein „Verschulden" des Geschädigten mitgewirkt hat. Dieser Begriff ist in § 254 BGB in einem weiteren uneigentlichen Sinn gebraucht. Da die Rechtsordnung die Selbstgefährdung und Selbstschädigung nicht verbietet, bedeutet Verschulden i. d. S. nicht - wie sonst eine vorwerfbare, rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen oder der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht. 67 Verschulden i. S. d. § 254 BGB ist vielmehr der vorwerfbare Verstoß gegen Gebote des eigenen Interesses. Es handelt sich um ein Verschulden gegen sich selbst.68 § 254 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken, daß derjenige, der die Sorgfalt außer acht läßt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seines Schadensersatzanspruches hinnehmen muß. 69 Damit ermöglicht die Vorschrift, die eine Ausprägung des
Lieferung für die Zukunft verlangen kann; denn ab diesem Zeitpunkt steht der Zulieferer so, wie er gestanden hätte, wenn das Erstmuster eingehend untersucht worden wäre. Die Pfichtverletzung des Abnehmers wirkt sich nicht mehr aus. Bei analoger Anwendung des § 377 HGB könnte der Zulieferer weiterhin fehlerhaft liefern, was ein unbilliges Ergebnis wäre, s. o.: Vierter Teil Α. ΙΠ. 3. b) cc). 66 S. o.: Erster TeilC. I. 67 MüKo-Grunsky, § 254 Rdnr. 2; Palandt-Heinrichs, § 254 Rdnr. 1; Soergel-Mertens, § 254 Rdnr. 2; a.A.: Greger, NJW 1985, S. 1130ff. (1133); Schünemann, VersR 1978, S. 116,ff. (119). 68 RGZ 149, S. 6 (7); 156, S. 207; BGHZ 3, S. 46 (49); 57, S. 137 (145); BGH NJW 1970, S. 944 (946); Soergel-Mertens, § 254 Rdnr. 3; Palandt-Heinrichs, § 254 Rdnr. 1; MüKoGrunsky, § 254 Rdnr. 2. 69 Jauernig-Teichmann, § 254 Anm. 1; Erman-Kuckuk, § 254 Rdnr. 3; Staudinger-Medicus, § 254 Rdnr. 2.
F. Berücksichtigung des Mitverschuldens des Zulieferers
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Grundsatzes von Treu und Glauben ist, 70 eine auf den Einzelfall abgestimmte Schadensteilung.
II. Die eingehende Prüfung des Erstmusters durch den Zulieferer als im eigenen Interesse gebotene Sorgfalt des Zulieferers Die Vereinbarung über die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens begründet für den Zulieferer die Pflicht, Erstmuster eingehend auf die zwischen Abnehmer und Zulieferer vereinbarten Qualitätsforderungen zu überprüfen. 71 Da die Anwendbarkeit von § 254 BGB jedoch nicht davon abhängt, ob der Geschädigte eine Pflicht verletzt hat, sondern vielmehr davon, ob der Geschädigte die im eigenen Interesse gebotene Sorgfalt außer acht gelassen hat, 72 ist zu klären, ob das Unterlassen der eingehenden Erstmusterprüfung durch den Zulieferer als Außerachtlassen der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt durch den Zulieferer zu bewerten ist. Die Prüfung eines Erstmusters ermöglicht das Erkennen gleichartiger Fabrikationsfehler noch vor Beginn der Serienproduktion. An einer solchen Fehlervermeidung ist der Zulieferer interessiert, denn er hat dem Abnehmer einwandfreie Ware zu liefern. Daher ist die Pflicht des Zulieferers zur eingehenden Erstmusterprüfung durchaus als eine solche anzusehen, der er auch in seinem eigenen Interesse nachkommt. Der Umstand, daß der Zulieferer einen Fehler am Muster infolge nur oberflächlicher Prüfung selbst nicht entdeckt hat, ist ihm daher in bezug auf seinen hier zur Debatte stehenden Anspruch gegen den Abnehmer als Mitverschulden i. S. d. § 254 I BGB anzurechnen. Daß das Verschulden des Zulieferers dabei zeitüch vor der Pflichtverletzung des Abnehmers liegt, ist unerheblich. 73
I I I . Die Festsetzung der Mitverschuldensquote des Zulieferers Die Musterprüfungen durch den Lieferanten einerseits und durch den Abnehmer andererseits sind jedenfalls dann, wenn der Abnehmer sich Muster zur Prüfung vorstellen läßt, gleichwertige wesentliche Funktionsbestandteile des Erstbemusterungsverfahrens. Daher ist die Mitverschuldensquote des Zulieferers in Höhe von 50 % festzusetzen. 70 Soergel-Mertens, § 254 Rdnr. 4; Erman-Kuckuk, § 254 Rdnr. 21; Staudinger-Medicus, § 254 Rdnr. 2. 71 S.o.: Erster TeilC. I. 72 RGZ 100, S. 42 (44); 112, S. 284 (287); BGHZ 3, S. 46 (49); 9, S. 316 (318); 33, S. 136 (142 f.); Erman-Kuckuk, § 254 Rdnr. 20. 73 BGHZ 3, S. 46; BGH DB 1954, S. 820; Staudinger-Medicus, § 254 Rdnr. 68; SoergelMertens, § 254 Rdnr. 32. 7*
100
5. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers nach Vertragsschluß
IV. Folgerung Der Mitverschuldensanteil des Zulieferers führt dazu, daß der Zulieferer sein mit der Gewährleistung verbundenes Vermögensopfer zur Hälfte selbst zu tragen hat, der Freihaltungsanspruch im oben dargestellten Sinne also nicht besteht.
G. Gesamtergebnis zum fünften Teil Der Zulieferer hat, wenn der Abnehmer Gewährleistungsansprüche wegen solcher Mängel geltend macht, die sowohl Abnehmer als auch Zulieferer bereits im Rahmen der von ihnen durchzuführenden Erstmusterprüfungen hätten feststellen können, einen Schadensersatzanspruch aus Positiver Vertragsverletzung gegen den Abnehmer. Dieser ist allerdings um die Mitverschuldensquote des Zulieferers in Höhe von 50% zu kürzen. Mit anderen Worten: Der Abnehmer kann wegen solcher Mängel, die bereits am Erstmuster feststellbar waren, Gewährleistungsansprüche geltend machen. Der Zulieferer kann jedoch verlangen, daß das damit für ihn verbundene Vermögensopfer zwischen ihm und dem Abnehmer geteilt wird.
Sechster Teil
Rechtslage, wenn der Abnehmer ein ihm vor Vertragsschluß vorgestelltes Erstmuster nicht eingehend prüft und er deshalb einen Mangel des Erstmusters nicht feststellt und dem Zulieferer nicht mitteilt, sondern die Freigabe erteilt A. Das Erstbemusterungsverfahren findet vor Abschluß des Liefervertrages in Form eines Werklieferungsvertrages i. e. S. gemäß § 65112 2. HS BGB statt Ein Erstbemusterungsverfahren kann dem Abschluß eines Liefervertrages auch vorausgehen.1 Deshalb drängt sich - mit Blick auf die Ausführungen im fünften Teil - folgende Überlegung auf: Erkennt der Abnehmer infolge nur oberflächlicher Prüfung der Erstmuster vor Abschluß eines Werklieferungsvertrages i. e. S. gemäß § 651 I 2 2. HS BGB einen Fehler nicht und kommt es daraufhin zur Freigabe und zur Serienproduktion fehlerhafter Teile, so könnte der Zulieferer gegenüber den Sachmängelansprüchen des Abnehmers einen Anspruch aus culpa in contrahendo geltend machen, weil dieser ihn nicht bereits vor Vertragsschluß auf den Fehler am Erstmuster aufmerksam gemacht hat.
I. Die Voraussetzungen eines Anspruchs des Zulieferers aus culpa in contrahendo 1. Das vorvertragliche Schuldverhältnis Voraussetzung für einen Anspruch aus culpa in contrahendo ist, daß zwischen den Partnern ein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet worden ist. Damit dieses entsteht, müssen die Partner Verhandlungen oder Kontakt aufnehmen, um einen Vertrag abzuschließen oder vorzubereiten. 2 Führen Abnehmer und Zulieferer vor Vertragsschluß ein Erstbemusterungsverfahren durch, so stellt dies ein Verhal1 S.o.: Zweiter Teil A.III. 2 Palandt-Heinrichs, § 276 Rdnr. 66; Gottwald, JuS 1982, S. 877 ff. (877 f.); Fikentscher, Schuldrecht, § 2011, Rdnr. 69.
102
. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers
Vertragsschluß
ten dar, das auf Abschluß eines Vertrages oder auf die Anbahnung geschäftlicher Kontakte abzielt.3 Das Erstbemusterungsverfahren ist demnach gleichsam als Bestandteil der Vertragsverhandlungen anzusehen. Ein vorvertragliches Schuldverhältnis liegt folglich im Zeitpunkt der Durchführung des Bemusterungsverfahrens vor.
2. Die schuldhafte Verletzung einer vorvertraglichen Sorgfaltspflicht Der Grundsatz, daß durch die tatsächliche Aufnahme von Vertragsverhandlungen ein vorvertragliches Schuldverhältnis entsteht, das die Partner zur Sorgfalt von „Schuldnern" verpflichtet, 4 hat für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand folgende Konsequenz: Wenn im Rahmen eines nach Vertragsschluß durchgeführten Erstbemusterungsverfahrens der Abnehmer verpflichtet ist, ein Erstmuster, das er sich zum Zweck der Prüfung vorstellen ließ, eingehend zu prüfen und erkannte Mängel dem Zulieferer mitzuteilen, so kann für den Fall, daß der Abnehmer sich das Erstmuster bereits vor Vertragsschluß vorstellen ließ, nichts anderes gelten. Die vertragliche Nebenpflicht zur Prüfung des vorgestellten Erstmusters und zur Mitteilung erkannter Mängel beruht nämlich auf dem Vertrauen des Zulieferers, das dieser berechtigterweise in eine Prüfung und Mitteilung durch den Abnehmer hat.5 Gerade um Vertrauensschutz geht es auch im Rechtsverhältnis der Vertragsverhandlungen. 6 Ferner ist das für die Haftung aus culpa in contrahendo beachtliche Argument der allgemeinen Redlichkeitserwartung einschlägig.7 Derjenige, der mit einem anderen geschäftliche Beziehungen aufnimmt, erwartet, es mit einem redlich denkenden, sich loyal verhaltenden Partner zu tun zu haben. Wenn sich der Abnehmer ein Muster zu Prüfzwecken vorstellen läßt, handelt er nur dann redlich, wenn er dieses Muster entsprechend untersucht und erkannte Mängel mitteilt. Die durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entstandene Pflicht zur gegenseitigen Rücksicht, Fürsorge und Loyalität umfaßt somit die eingehende Prüfung eines vorgestellten Erstmusters durch den Abnehmer sowie die Mitteilung erkannter Mängel. Verletzt der Abnehmer diese Pflicht schuldhaft (§ 276 BGB), so liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch des Zulieferers vor.
3 S. o.: Zweiter Teil Α. II. 3. 4 BGHZ 6, S. 330 (333); 66, S. 51 (54); RGZ 95, S. 58 (60); 120, S. 249 (251); 162, S. 129 (156); Palandt-Heinrichs, § 276 Rdnr. 65; Fikentscher, Schuldrecht, § 20 I I 2 a, Rdnr. 70; Larenz, Schuldrecht Bd. I, AT, § 91 a. 5 S. o.: Fünfter Teil B. II. 1. und 2. 6 BGHZ 60, S. 221 (226); BGH NJW 1981, S. 1035 f. (1036); Larenz, Schuldrecht Bd. 1, AT, § 9 I a, S. 106; Köhler, Schuldrecht I, S. 80; Gottwald, JuS 1982, S. 877 ff. (878); Stoll in: Festschrift für Caemmerer, S. 435 ff. (445). 7 Larenz, Schuldrecht Bd. I, AT, § 91 a, S. 106.
A. Erstbemusterung vor Abschluß eines Werklieferungsvertrages
103
II. Rechtsfolge: Der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo Für den Schadensersatzanspruch des Zulieferers gelten die §§ 249 ff. BGB mit der Maßgabe, daß der Zulieferer so zu stellen ist, wie er ohne die Pflichtverletzung des Abnehmers gestanden hätte.8 Der Abnehmer hat ihn demnach so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Abnehmer das Erstmuster sorgfältig untersucht und dadurch erkannte Fehler mitgeteilt hätte. Hätte der Abnehmer dies getan, so wären vom Zulieferer vor Beginn der Serienproduktion die erforderlichen Korrekturmaßnahmen durchgeführt worden. Zur Serienproduktion fehlerhafter Teile, wegen denen dem Abnehmer Sachmängelansprüche zustehen, wäre es nicht gekommen. Der Zulieferer könnte folglich - in Parallelität zum oben angesprochenen Fall gegenüber den Sachmängelansprüchen des Abnehmers einen Anspruch aus culpa in contrahendo geltend machen, der dazu führen würde, daß der Abnehmer praktisch auf die Geltendmachung seiner Sachmängelansprüche verzichten müßte.
I I I . Die Berücksichtigung der Mitverschuldensquote in Höhe von 50 % zu Lasten des Zulieferers Fraglich ist, ob bei diesem Anspruch des Zulieferers aus culpa in contrahendo ebenso wie bei dem behandelten Anspruch aus Positiver Vertragsverletzung der Mitverschuldensanteil des Lieferanten in Höhe von 50% berücksichtigt werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes 10 kann gegenüber Schadensersatzansprüchen aus Vertrag grundsätzlich nur ein Mitverschulden des Geschädigten beachtlich sein, das dem Vertragsschluß zeitlich nachfolgt. Dahinter steht der Gedanke, daß erst der Vertragsschluß die Grundlage für die Entstehung des vertraglichen Schadensersatzanspruches schafft. Diese Ansicht muß für die Anwendung des § 254 BGB auf Ansprüche aus culpa in contrahendo modifiziert werden. Entscheidend ist hier, daß sich das mitwirkende Verschulden nach Anbahnung des Vertrauensverhältnisses ereignet. 11 § 254 BGB ist damit auch anzuwenden auf Schadensersatzansprüche aus vorvertraglichem Verschulden. 12 Der Mitver» BGH NJW 1981, S. 1673; Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rdnr. 32; Palandt-Heinrichs, § 276 Rdnr. 99. 9 S.o.: Fünfter Teil. 10 BGH NJW 1957, S. 217; BGH MDR 1973, S. 130; BGH NJW 1972, S. 1702 (1703); BGH VersR 1972, S. 1052 (1054); BGH NJW 1987, S. 251 (253) = DB 1987, S. 632 (633); BGH ZIP 1990, S. 315 (318); ferner: Soergel-Huber, § 460 Rdnr. 7. 11
Soergel-Mertens, § 254 Rdnr. 7; ähnlich: Erman-Kuckuk, § 254 Rdnr. 7. 12 RGZ 104, S. 265 (268); 151, S. 357 (360); BGH DB 1967, S. 1085; BAGE 14, S. 206 (211); MüKo-Grunsky, § 254 Rdnr. 5; Palandt-Heinrichs, § 254 Rdnr. 5; Staudinger-Medicus, § 254 Rdnr. 5.
104
. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers
Vertragsschluß
schuldensanteil des Zulieferers in Höhe von 50% führt wiederum dazu, daß der Zulieferer sein mit der Gewährleistung verbundenes Vermögensopfer zur Hälfte selbst zu tragen hat.
IV. Ergebnis Der Zulieferer hat, wenn der Abnehmer Sachmängelansprüche wegen solcher Mängel geltend macht, die sowohl der Abnehmer als auch der Zulieferer bei der von ihnen vor Abschluß eines WerklieferungsVertrages i. e. S. durchzuführenden Erstmusterprüfung hätten feststellen können, einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo. Dieser ist jedoch um den Mitverschuldensanteil des Zulieferers in Höhe von 50 % zu kürzen.
B. Das Erstbemusterungsverfahren findet vor Abschluß des Liefervertrages in Form eines Lieferungskaufes gemäß § 6 5 1 1 2 1. HS BGB statt Erkennt der Abnehmer infolge nur oberflächlicher Untersuchung der Erstmuster vor Abschluß eines Lieferungskaufes gemäß § 651 I 2 1. HS BGB einen Fehler nicht und kommt es deshalb zur Freigabe durch den Abnehmer und zur Serienproduktion fehlerhafter Teile, so könnte der Zulieferer gegenüber Sachmängelansprüchen des Abnehmers - wie für den Fall des Abschlusses eines Werklieferungsvertrages i. e. S. - 1 3 einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo geltend machen, dessen Umfang um den Mitverschuldensanteil in Höhe von 50 % zu kürzen ist. Eine bedenkenlose Gleichbehandlung der Fälle unter A. und B. ist allerdings im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 460 BGB nicht möglich.
I . Sonderfall: Die Anwendbarkeit des § 460 BGB auf den Lieferungskauf § 460 BGB stellt eine Regelung des Kaufrechts dar. § 651 I 2 1. HS BGB normiert seine Anwendbarkeit auch für den Lieferungskauf. Im Rahmen eines Werklieferungsvertrages i. e. S. ist § 460 BGB wegen der expliziten Ausnahme in § 651 11 2. HS BGB unanwendbar.
13 S.o.: Sechster Teil A.
. Erstbemusterung vor Abschluß eines ieferungsaes
105
II. Die Regelung des § 460 BGB Nach § 460 BGB hat der Verkäufer einen Mangel der verkauften Sache nicht zu vertreten, wenn der Käufer bei Vertragsschluß den Mangel kennt (§ 460 S. 1 BGB) oder, ausgenommen den Fall der Zusicherung und des arglistigen Verschweigens durch den Verkäufer, grob fahrlässig nicht kennt (§ 460 S. 2 BGB). Mit Zu-Vertreten-Haben meint § 460 BGB das, was § 459 BGB „Haftung" nennt. 14 Im Fall des § 460 BGB sind also alle Ansprüche aus Sachmängelgewährleistung ausgeschlossen.
I I I . Der Vorrang der abschließenden gesetzlichen Regelung des § 460 BGB gegenüber Ansprüchen aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstitut der culpa in contrahendo Die rechtlichen Folgen aus dem Umstand, daß dem (Lieferungs-)Käufer Mängel der Kaufsache schuldhaft unbekannt geblieben sind, finden in § 460 BGB eine abschließende Regelung.15 Deshalb könnte es ausgeschlossen sein, daß der Verkäufer gegenüber Sachmängelansprüchen des Käufers einen Gegenanspruch aus culpa in contrahendo geltend macht, weil dieser ihn nicht auf den Fehler aufmerksam gemacht hat. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß ein derartiger Anspruch aus culpa in contrahendo keinen anderen Fall betrifft als den, den der Gesetzgeber bei Schaffung des § 460 BGB vor Augen hatte. In Parallelität zu den obigen Ausführungen bezüglich § 464 BGB 1 6 könnte man argumentieren, § 460 BGB gehe davon aus, daß keine allgemeine Untersuchungsund Erkundigungspflicht besteht, während im Rahmen des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo eine Untersuchungspflicht beachtlich ist, die aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles als vorvertragliche Sorgfaltspflicht anzuerkennen ist. Diese Argumentation verkennt jedoch, daß im Gegensatz zu § 464 BGB im Rahmen des § 460 BGB nicht nur die Kenntnis des Käufers vom Mangel (S. 1), sondern auch dessen grobfahrlässige Unkenntnis (S. 2) beachtlich ist. Grobfahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn die Unkenntnis des Fehlers auf einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht. 17 Wann der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit im Rahmen des § 460 S. 2 BGB zu erheben ist, bestimmt sich danach, inwieweit den Käufer eine Untersuchungspflicht 14
Soergel-Huber, § 460 Rdnr. 1; MüKo-Westermann, § 460 Rdnr. 1. 15 BGH NJW 1978, S. 2240; OLG Düsseldorf, NJW 1952, S. 1177; Staudinger-Honsell, § 460 Rdnr. 13; Soergel-Huber, § 460 Rdnr. 7. 16 S. o.: Fünfter Teil Α. I. 17 RGZ 131, S. 343 (355); Erman-Grunewald, § 460 Rdnr. 10; Jauernig-Vollkommer, § 460 Anm. 3; Köhler, JZ 1989, S. 761 ff. (767); Soergel-Huber, § 460 Rdnr. 20; Palandt-Putzo, § 460 Rdnr. 11; MüKo-Westermann, § 460 Rdnr. 8.
106
. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers
Vertragsschluß
vor bzw. bei Abschluß des Vertrages trifft. 18 Ausgangspunkt ist zwar, daß eine solche Untersuchungspflicht für den Käufer nicht besteht.19 Dies gilt auch für den Bereich des Handelskaufes. 20 Besondere Umstände können allerdings nach Treu und Glauben eine Untersuchungspflicht begründen, deren Vernachlässigung zum Vorwurf grober Fahrlässigkeit führt. 21 Dies verdeutlicht, daß die Verletzung einer Untersuchungspflicht durchaus für einen Haftungsausschluß gemäß § 460 S. 2 BGB von Bedeutung ist und daß sich folglich im Rahmen des vorliegenden Problemkreises die Anwendungsbereiche von § 460 S. 2 BGB einerseits und dem Rechtsinstitut der culpa in contrahendo andererseits überschneiden. Der Umstand, daß § 460 BGB eine abschließende Regelung darstellt, führt dazu, daß § 460 BGB gegenüber Ansprüchen aus culpa in contrahendo Vorrang hat. Im Anwendungsbereich des § 460 BGB ist es mithin ausgeschlossen, daß der Verkäufer gegenüber den Sachmängelansprüchen des Käufers einen Gegenanspruch aus culpa in contrahendo mit der Begründung geltend macht, dieser habe ihn nicht auf den Fehler aufmerksam gemacht.22
IV. Die mögliche Folge für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand Da die Verletzung einer Untersuchungspflicht zum Vorwurf grober Fahrlässigkeit im Rahmen des § 460 S. 2 BGB führt, könnte bei Abschluß des Lieferungskaufes die Unkenntnis des Abnehmers von einem Fehler des Erstmusters, die darauf beruht, daß er ein expressis verbis zum Zwecke der Untersuchung und Begutachtung angefordertes Erstmuster nicht eingehend untersucht hat, einen Gewährleistungsausschluß gemäß § 460 S. 2 BGB in bezug auf die Serienprodukte auslösen.
V. Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 460 S. 2 BGB im Rahmen des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes Ob der Umstand, daß der Abnehmer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Lieferungskaufes infolge nur oberflächlicher Prüfung des Erstmusters einen Fehler nicht kennt, die Haftung des Zulieferers für Mängel der Serienprodukte gemäß § 460 S. 2 BGB entfallen läßt, ist jedoch fraglich. is Staudinger-Honsell, § 460 Rdnr. 7. 19 RGZ 131, S. 343 (353); OLG Celle, BB 1957, S. 910f. (910); Soergel-Huber, § 460 Rdnr. 19; Erman-Grunewald, § 460 Rdnr. 11. 20 § 377 HGB sieht eine Untersuchungs"pflicht" erst bei Ablieferung der Kaufsache vor, die dem Vertragsschluß nachfolgt. 21 Staudinger-Honsell, § 460 Rdnr. 7. 22 OLG Düsseldorf, NJW 1952, S. 1177 f.; Soergel-Huber, § 460 Rdnr. 7; Staudinger-Honsell, § 460 Rdnr. 13.
. Erstbemusterung vor Abschluß eines ieferungsaes
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1. Die Anwendbarkeit des § 460 BGB auf den Gattungskauf Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 460 S. 2 BGB auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand ergeben sich zunächst daraus, daß die Regelung auf den Stückkauf zugeschnitten ist, 23 die hier betrachtete Vereinbarung zwischen den Parteien hingegen den Regeln über den Gattungskauf unterliegt. 24 Gegen die Anwendbarkeit des § 460 BGB auf den Gattungskauf könnte sprechen, daß beim Gattungskauf der in § 460 BGB geregelte Fall deshalb nicht eintreten kann, weil der Mangel erst dann vorliegt, wenn der Verkäufer aus der Gattung ein fehlerhaftes Stück ausgewählt und dem Käufer übergeben oder übersandt hat. Von diesem künftigen Umstand kann der Käufer bei Vertragsabschluß keine Kenntnis haben.25 Diese Überlegung trifft aber dann nicht zu, wenn der betreffende Mangel der ganzen Gattung anhaftet. Ein solcher Mangel kann dem Käufer sehr wohl bei Vertragsabschluß bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sein. 26 So hat der Bundesgerichtshof zumindest die entsprechende Anwendung des § 460 BGB für den Fall bejaht, daß der Käufer durch die Kenntnis der schon dem Modell anhaftenden Mängel auch Kenntnis der entsprechenden Mängel der ganzen Gattung, nämlich aller für ihn von dem Verkäufer anzufertigenden, dem Modell entsprechenden Produkte hatte.27 Weist ein Erstmuster einen Mangel auf, der auf einem Fehler im System beruht, so wird sämtlichen Serienprodukten ebenfalls dieser Mangel anhaften, falls keine Korrekturmaßnahmen durchgeführt werden. Der Umstand, daß § 460 BGB auf den Stückkauf zugeschnitten ist, vermag demnach nicht von vornherein die Unanwendbarkeit des § 460 S. 2 BGB für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand zu begründen. 2. Die Anwendung des § 460 BGB im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses Ein Einwand gegen die Anwendung des § 460 S. 2 BGB könnte hier darin liegen, daß die zur Debatte stehenden Verträge regelmäßig Sukzessivlieferungsverträge in der besonderen Form des Dauerlieferungsvertrages sind, bei dem eine noch unbestimmte Menge innerhalb einer meist noch unbestimmten Zeit zu liefern ist. 28 23 Motive, Bd. II, S. 226: „einer Spezies"; MüKo-Westermann, § 460 Rdnr. 3. 24 Zur Abgrenzung Stückschuld - Gattungsschuld: MüKo-Emmerich, § 243 Rdnr. 5 ff.; Staudinger-Schiemann, § 243 Rdnr. 12. 25 So wohl Soergel-Ballerstedt, 10. Aufl., § 460 Rdnr. 1; so noch Palandt-Putzo, § 460 Rdnr. 2. 26 MüKo-Westermann, § 460 Rdnr. 3; Soergel-Huber, § 460 Rdnr. 2; Erman-Grunewald, § 460 Rdnr. 3; Staub-Brüggemann, § 377 Rdnr. 197. 27 BGH NJW 1981, S. 2640f. (2641). 28 S.o.: Zweiter Teil D.I.
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. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers
Vertragsschluß
a) § 460 BGB als abschließende Regelung im Hinblick auf die Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens seitens des Käufers Das Alles-oder-Nichts-Prinzip des § 460 BGB, das entweder die Gewährleistungsansprüche des Käufers unberührt läßt oder einen Gewährleistungsausschluß bewirkt, läßt für eine Heranziehung des § 254 I BGB im Gegensatz zum Rechtsinstitut der culpa in contrahendo keinen Raum. 29 Dies erläutert der BGH in einem Urteil aus dem Jahre 1978 näher: 30 „ . . . Unabhängig von diesen Erwägungen fügt sich ... die in § 254 Abs. 1 BGB getroffene Regelung, die auf eine Abwägung der beiderseitigen Mitverursachung an dem eingetretenen Schaden und damit auf eine Entscheidung nach den Besonderheiten des Einzelfalls abstellt, nicht in die in § 460 BGB getroffene Regelung ein. Als Sondervorschrift des Gewährleistungsrechts löst § 460 BGB den Konflikt zwischen der Haftung des Verkäufers einerseits und der Frage, inwieweit sich der Käufer seine Kenntnis bzw. schuldhafte Unkenntnis von dem Haftungsgrund zurechnen lassen muß, im Interesse der Rechtssicherheit und einer möglichst raschen und klaren Abwicklung von Leistungsstörungen im Bereich der Gewährleistung nach weitgehend typisierten und von der besonderen Lage des Einzelfalls losgelösten Maßstäben "
b) Das Gesetzesmodell: Der einfache, punktuelle Austauschvertrag Die Vorschriften des Kaufrechts des BGB sind ebenso wie die des allgemeinen Teils des Schuldrechts auf Schuldverhältnisse zugeschnitten, die den einmaligen punktuellen Austausch von Leistungen zum Gegenstand haben.31 Bei diesem Modell des „einfachen" Schuldverhältnisses kann der typisierte Maßstab des § 460 BGB durchaus im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit seine Berechtigung haben.
c) Die Vertragswirklichkeit:
Das Dauerschuldverhältnis
Gegenüber dem Modell des punktuellen Austauschvertrages finden sich in der heutigen Vertragswirklichkeit aber zahlreiche Verträge, bei denen das Moment der zeitlichen Dauer eine erhebliche Rolle spielt. 32 Das für die Struktur der Dauerschuldverhältnisse maßgebende Charakteristikum liegt darin, daß sich ihre Abwicklung nicht in einem einmaligen Leistungsaustausch erschöpft, sondern einen mehr oder minder langen Zeitraum ausfüllt, weil diese Schuldverhältnisse entweder ein dauerndes Verhalten oder in bestimmten Zeitabschnitten wiederkehrende 29 Soergel-Huber, § 460 Rdnr. 1 und 7; Erman-Grunewald, § 460 Rdnr. 17. 30 BGH Urt. v. 28. 6. 1978, W M 1978, S. 1175 ff. (1176 f.); BGH NJW 1978, S. 2240. 31 Vgl. Nicklisch, JZ 1984, S. 757 ff. (759). 32 Beispiele bei Nicklisch, JZ 1984, S. 757 ff. (760); Merz, S. 32ff.; Saxinger, S. 95 ff.
. Erstbemusterung vor Abschluß eines ieferungsaes
109
einzelne Leistungen zum Inhalt haben. Das Element der Zeitdauer führt zu dem Strukturmerkmal der „ständigen Pflichtanspannung" 33 und zu einer größeren Abhängigkeit voneinander, was wiederum ein vertrauensvolles Zusammenwirken der Parteien - oftmals schon vor Vertragsschluß - erforderlich macht. Wie bei jeder längeren zeitlichen Bindung sind die Partner in stärkstem Maße auf den guten Willen des anderen und die Erhaltung des Einvernehmens angewiesen, so daß „Treu und Glauben" und „Loyalität" eine besondere Rolle spielen.34 Der regelmäßig ausgedehntere persönliche Kontakt und die intensivere Kooperation der Parteien sowohl vor als auch nach Vertragsschluß führen zu einer Verdichtung des Pflichtengefüges 35 und legen damit im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses flexible Regelungen wie die des § 254 BGB nahe, die eine Interessenabwägung nach den Besonderheiten des Einzelfalles erlauben. Demzufolge vermag insbesondere ein Gewährleistungsausschluß aufgrund einer typisierten Interessenlage - wie ihn § 460 BGB enthält - nicht, die im Vergleich zum einfachen Schuldverhältnis verstärkte, aber auch wiederum in den Einzelfällen unterschiedlich starke Bedeutung einer vertrauensvollen Kooperation vor Abschluß eines Dauerschuldverhältnisses zu berücksichtigen.
d) Die rechtliche Sonderstellung der Dauerschuldverhältnisse Die heute längst allgemein anerkannte Unterscheidung zwischen einfachen Schuldverhältnissen und Dauerschuldverhältnissen führte bereits dazu, daß letztere besonderen Rechtsregeln unterworfen wurden. Die rechtliche Sonderstellung der Dauerschuldverhältnisse belegt in erster Linie die Möglichkeit, das Schuldverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen (außerordentliche Kündigung).36 Nicht nur die Beendigung des Dauerschuldverhältnisses ist rechtlich spezifisch geregelt, auch für die Mängel im Begründungsakt (Nichtigkeit, Anfechtbarkeit) gelten Sonderregeln, da eine Rückgängigmachung des in Vollzug gesetzten Vertragsverhältnisses mit Hilfe von Leistungskondiktionen gemäß §§ 812 ff. BGB nicht nur praktisch schwierig, sondern vor allem wertungsmäßig unplausibel sein kann. 37 Schließlich kann auch das Recht der Leistungsstörungen, besonders die §§ 320 ff. BGB, nicht undifferenziert auf Dauerschuldverhältnisse angewendet werden. Grundsätzlich ist zwischen den einzelnen Leistungen im Rahmen eines Dauerlieferungsvertrages, auf welche die §§ 320 ff. BGB durchaus angewendet werden können, und dem gesamten Dauervertrag zu unterscheiden. Dieser soll, wenn er in Vollzug gesetzt worden ist, regelmäßig nicht 33 34 35 36 37
So Nicklisch, JZ 1984, S. 757 ff. (761). Larenz, Schuldrecht Bd. I, AT, § 2 VI, S. 32; Nicklisch, JZ 1984, S. 757 ff. (761). Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 16 I I 2 a, S. 388. S.o.: Zweiter Teil D. I. MüKo-Kramer, Einleitung vor § 241 Rdnr. 89; Soergel-Teichmann, § 241 Rdnr. 8.
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. Teil: Erstmusterprüfung des Abnehmers
Vertragsschluß
durch Rücktritt gemäß §§ 346 ff. BGB abgewickelt werden können, sondern nur für die Zukunft aufgelöst werden können und zwar entsprechend der Rechtsfigur der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund. 38 Bereits diese rechtlichen Besonderheiten des Dauerschuldverhältnisses verdeutlichen, daß eine Übernahme von gesetzlichen Vorschriften, die auf das einfache Schuldverhältnis zugeschnitten sind, keineswegs immer erfolgen kann.
e) Zusammenfassung § 460 BGB ist auf einfache Schuldverhältnisse zugeschnitten. Die dort zugrunde gelegte typisierte Interessenabwägung trägt den dargestellten Besonderheiten im Zusammenhang mit rechtlich komplexeren Dauerschuldverhältnissen keine Rechnung. Diese erfordern vielmehr eine differenzierte rechtliche Handhabe bezüglich der Abwägung des beiderseitigen Mitverschuldens, wie sie § 254 BGB im Rahmen eines Schadensersatzanspruches des Verkäufers aus culpa in contrahendo ermöglicht.
VI. Ergebnis Erkennt der Abnehmer infolge nur oberflächlicher Untersuchung der Erstmuster vor Abschluß eines Lieferungskaufes gemäß § 651 I 2 1. HS BGB einen Fehler nicht und kommt es deshalb zur Freigabe und zur Serienproduktion fehlerhafter Teile, so kann der Zulieferer gegenüber Sachmängelansprüchen des Abnehmers wie für den Fall des Abschlusses eines Werklieferungsvertrages i. e. S. - einen um seinen eigenen Mitverschuldensanteil gemäß § 254 I BGB gekürzten Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo geltend machen.
38 MüKo-Kramer, Einleitung vor § 241 Rdnr. 90; Soergel-Teichmann, § 241 Rdnr. 8; Fikentscher, Schuldrecht, § 8, 7 c, Rdnr. 36.
Siebenter Teil
Rechtliche Wirksamkeit einzelner im Kontext der Vereinbarung über die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens stehender Klauseln: Eine Untersuchung im Lichte des AGB-Gesetzes Nachfolgend werden einzelne im Kontext der Vereinbarung über die Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens stehende Klauseln auf ihre rechtliche Wirksamkeit untersucht. Da die in der VDA-Schrift Band 2 enthaltenen Regelungen in bezug auf die Erstbemusterung als Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. § 1 I 1 AGBG zu qualifizieren sind,1 gelten die besonderen rechtlichen Maßstäbe und Grenzen der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz.
A. Die Möglichkeit für den Abnehmer, auf die Prüfung der Muster zu verzichten Im Unterschied zur VDA-Schrift Band 2 aus dem Jahre 1975 sieht die überarbeitete 2. Auflage dieser Schrift ausdrücklich die Möglichkeit für den Abnehmer vor, auf die Prüfung der Muster zu verzichten. 2
I. Die Unvereinbarkeit von Prüfverzicht und Mustervorlage Läßt sich der Abnehmer vom Zulieferer Erstmuster vorstellen, so ist ein Prüfverzicht durch den Abnehmer mit der bereits festgestellten Pflicht des Abnehmers zur eingehenden Untersuchung des vorgelegten Erstmusters 3 nicht zu vereinbaren. Wenn bereits eine Klausel unwirksam ist, die in dem Fall, daß der Abnehmer sich Erstmuster zur Prüfung vorstellen läßt, den Umfang der Prüfung in das Ermessen des Abnehmers stellt,4 so muß dies in einem solchen Fall erst recht für die Rege1 2 3 4
S.o.: Fünfter Teil D.I. 1. VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 16. S. o.: Fünfter Teil Β. II. 2. und 3. S.o.: Fünfter Teil D. I. 6. b).
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7. Teil: Rechtliche Wirksamkeit einzelner Klauseln
lung eines völligen Prüfverzichtes gelten. Die Klausel hält also mit der Interpretation, daß sie dem Abnehmer die Möglichkeit einräumt, ihm nach Anforderung vorgelegte Erstmuster nicht zu prüfen, einer Inhaltskontrolle gemäß § 9 I, I I Nr. 1 AGBG nicht stand.
II. Die Möglichkeit zum Prüfverzicht durch den Verzicht auf die Vorlage von Mustern Es kommt noch eine andere Bedeutung der Prüfverzichts-Klausel in Betracht, welche unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Abnehmer nur dann Erstmuster erhält, wenn er sie mit Auftrag und Terminangabe rechtzeitig anfordert, 5 näherliegt: Der Abnehmer verzichtet dann auf die Prüfung der Muster, wenn er keine Erstmuster zum Zwecke der Untersuchung und Begutachtung anfordert. Die Prüfverzichts-Klausel führt demnach dazu, daß es zwei Varianten des Erstbemusterungsverfahrens gibt: die eine, bei der sowohl die eingehende Musterprüfung durch den Lieferanten als auch die durch den Abnehmer wesentliche Funktionsbestandteile sind, die andere, bei der lediglich eine Musterprüfung durch den Lieferanten stattfindet, der Abnehmer aber dadurch, daß er Erstmuster nicht anfordert, auf eine Prüfung seinerseits verzichtet und ζ. B. lediglich den Musterprüfbericht des Zulieferers ansieht. Eine unangemessene Benachteiligung des Zulieferers i. S. d. § 9 I, II AGBG kann in dieser zweiten Variante der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens nicht gesehen werden. Nach der gesetzlichen Regelung trifft zunächst einmal den Zulieferer als Hersteller die Verpflichtung, fehlerfrei zu produzieren. 6 Aus diesem Grund hat er die Maßnahmen zu treffen, die für die Produktion von fehlerfreien Gütern erforderlich sind. Eine Erstmusterprüfung durch den Zulieferer steht hiermit in Einklang. Hat der Abnehmer vom Zulieferer ferner kein Erstmuster zum Zwecke der Untersuchung und Begutachtung angefordert, so ist auch kein schützenswertes Vertrauen des Zulieferers darauf auszumachen, daß eine Erstmusterprüfung durch den Abnehmer erfolgt.
I I I . Ergebnis Der Abnehmer kann im Rahmen der Durchführung eines Erstbemusterungsverfahrens auf die Vorlage der Muster und damit auf eine eigene Erstmusterprüfung verzichten. Fordert er hingegen Erstmuster zum Zwecke der Prüfung an, was regelmäßig der Fall sein wird, da die Durchführung eigener Prüfungen im Interesse des Abnehmers liegt, so hat er eine eingehende Untersuchung der präsentierten Erstmuster auf deren Anforderungskonformität vorzunehmen. 5 VDA-Band 2, 2. Aufl., S. 13. 6 Vgl. BGH Urt. v. 25. 10. 1988, VersR 1989, S. 91 (92).
Β. Verantwortungszuweisung zu Lasten des Zulieferers
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B. Verantwortungszuweisung zu Lasten des Zulieferers Auf S. 16 ist in der VDA-Schrift Band 2, 2. Aufl. die folgende Regelung zu finden: „Eine Freigabe der Muster durch den Abnehmer entbindet den Lieferanten nicht von der Verantwortung für die Qualität seiner Produkte."
I. Die beabsichtigte rechtlich erhebliche Einflußnahme auf die Haftungsverteilung zwischen Abnehmer und Zulieferer Wenn angenommen wird, daß mit einer solchen Regelung nicht nur motivatorische Zwecke verfolgt werden, sondern in erster Linie eine rechtlich erhebliche Einflußnahme auf die Haftungsverteilung beabsichtigt ist, 7 so ist dem zuzustimmen. Mit einer derartigen Klausel möchte der Abnehmer jegliche (Mit-) Verantwortung für das Zulieferprodukt negieren, die aus der Freigabeerklärung resultiert. Auf den ersten Blick mag eine solch kurze Bestimmung über die Verantwortungszuweisung, die in der Praxis sehr häufig und in den verschiedensten Variationen zu finden ist, sehr klar und für den Abnehmer vorteilhaft erscheinen. Bei näherer Betrachtung stellt man jedoch fest, daß die intendierte juristische Bedeutung dieser Bestimmung durchaus für Interpretationen Raum läßt. Der Abnehmer kann mit dieser Regelung folgendes beabsichtigen: Er möchte seine Gewährleistungsansprüche gegen den Zulieferer trotz des Umstandes, daß er die Freigabe erklärt und damit auf die Produktion tatsächlich Einfluß genommen hat, geltend machen, ohne daß dem Zulieferer seinerseits der geschilderte Gegenanspruch zusteht. Darüber hinaus kann die intendierte Wirkung der Bestimmung über die Verantwortungszuweisung darin bestehen, das im Außenverhältnis (Verhältnis zum Kunden) bestehende Produkthaftungsrisiko des Abnehmers zumindest mit Wirkung im Innenverhältnis (Verhältnis zum Zulieferer) zu reduzieren. 8
II. Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 9 AGBG Die Klausel, daß eine Freigabe der Muster durch den Abnehmer den Lieferanten nicht von der Verantwortung für die Qualität seiner Produkte entbindet, vermag einer Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG jedenfalls insoweit nicht standzuhalten, als sich der Abnehmer damit von eigenen Fehlern bei seiner Freigabeerklärung freizeichnen und den gegenüber Sachmängelansprüchen des Abnehmers bestehenden 7 Vgl. insoweit zu Verantwortungszuweisungsklauseln generell: Merz, S. 363; SchmidtSalzer, BB 1979, S. Iff. (3); Ensthaler, NJW 1994, S. 817ff. (821); Quittnat, BB 1989, S. 571 ff. (575) bezeichnet solche Klauseln als Haftungsfreizeichnungsklauseln; ebenso: v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. I, § 25, Rdnr. 55. s Vgl. Merz, S. 363.
8 Gaiser
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7. Teil: Rechtliche Wirksamkeit einzelner Klauseln
Gegenanspruch des Zulieferers ausschließen will. Darin liegt ein Verstoß gegen § 9 II Nr. 1 AGBG i. V. m. dem Rechtsinstitut der Positiven Vertragsverletzung, 9 der zur Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 91 AGBG führt. Soweit die Bestimmung darüber hinaus für den Bereich der Produkthaftung jegliche Mitverantwortung des Abnehmers aufgrund einer erteilten Freigabe mit Wirkung im Innen Verhältnis negiert, 10 könnte sie mit § 254 BGB, der eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist, unvereinbar sein und den Zulieferer gemäß § 9 I, I I Nr. 1 AGBG i. V. m. § 254 BGB unangemessen benachteiligen. 11 Dies setzt voraus, daß eine Freigabeerteilung trotz fehlerhafter Erstmuster eine Mitverantwortung des Abnehmers für Mängel der Zulieferteile im Verhältnis zum Zulieferer begründet, da die Klausel andernfalls nichts Neues bringen würde. 12 Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im achten Teil verwiesen. 13 Schließlich ist zu bedenken, daß jede pauschale Verantwortungszuweisung zu Lasten des Zulieferers dann für Verwirrung sorgt, wenn Abnehmer und Zulieferer weitaus dezidiertere Regelungen zur Verteilung von Haftungsrisiken getroffen haben.14
C. Änderungsbezogene Informationspflichten des Zulieferers Die VDA-Schrift Band 2, 2. Aufl. statuiert auf S. 13 f. die grundsätzliche Pflicht des Lieferanten, den Abnehmer rechtzeitig zu informieren und auf Anforderung Erstmuster zu hefern bei - Produktänderungen, - Produktionsverlagerungen, - Änderung von Produktionsverfahren, - längerem Aussetzen der Produktion (Ersatzteile sind hiervon gegebenenfalls ausgenommen), - neuen Unterlieferanten. 9 S.o.: Fünfter Teil. 10 Eine zwischen Abnehmer und Zulieferer vereinbarte Klausel kann gegenüber einem außenstehenden Dritten mangels dessen Beteiligung bereits per se keine Wirkung entfalten (Verbot des Vertrages zu Lasten Dritter), vgl. Merz, S. 363, Fußnote 205. n Vgl. v. Westphalen in: Löwe/v. Westphalen/Trinkner, Bd. ΠΙ, 12.4. Rdnr. 12; Bauer, QZ 1988, S. 215; s. auch Link, BB 1985, S. 1424 (1428 f.); Lemppenau, DB 1980, S. 1679
(1681).
12 Vgl. Quittnat, BB 1989, S. 571 ff. (575), der Verantwortungszuweisungsklauseln zu Lasten des Zulieferers lediglich im Außenverhältnis an § 9 AGBG scheitern lassen will. Für das Innenverhältnis würde die Klausel nichts Neues bringen, da die Qualitätsverantwortung im Verhältnis zum Besteller kraft Gesetzes den Zulieferer treffen würde. 13 Insbesondere Fußnote 63 im achten Teil. 14 Merz, S. 363.
C. Änderungsbezogene Informationspflichten des Zulieferers
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I. Die Bedeutung änderungsbezogener Informationspflichten Änderungen seitens des Zulieferers hinsichtlich der Produktbeschaffenheit, der Produktionsstätte, der angewendeten Fertigungsverfahren, der Stetigkeit der Produktion und der Bezugsquellen können erhebliche Auswirkungen auf die Qualität des Zulieferteiles und damit letztlich auf die Herstellung des Endproduktes haben. Dies gilt selbst dann, wenn die Änderung sich nicht in einem Mangel des Zulieferteils manifestiert. 15 Deshalb hat der Abnehmer ein Interesse daran, seinen Kenntnisstand über die qualitätsrelevanten Geschehnisse im Zulieferbetrieb ständig zu aktualisieren und sich so in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls erforderliche Dispositionen rechtzeitig treffen zu können. Führt eine Änderung im technischen Ablauf bzw. ein anderer der eingangs erwähnten Umstände zu einem Mangel des Zulieferteils, so greifen bereits Gewährleistungsansprüche ein. Die Abweichung von der vereinbarten Spezifikation stellt eine Vertragsverletzung dar. Klauseln, die änderungsbezogene Informationspflichten des Zulieferers begründen, kommt somit insbesondere in den Fällen eine Bedeutung zu, in denen durch die Änderung weder vertragliche Vereinbarungen verletzt noch Mängel des Produktes begründet werden. 16
II. Inhaltskontrolle der Klausel gemäß § 9 AGBG Die formularmäßige Vereinbarung änderungsbezogener Informationspflichten ist nach § 9 AGBG nicht zu beanstanden, soweit ein erhebliches schützenswertes Interesse des Abnehmers an der Einhaltung dieser Pflichten besteht und der Zulieferer hierdurch nicht unangemessen benachteiligt wird.
1. Der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 666 BGB Eine solche unangemessene Benachteiligung liegt dann nicht vor, wenn sich die zur Debatte stehende Klausel in Übereinstimmung mit den Grundgedanken einer einschlägigen gesetzlichen Regelung befindet (vgl. § 9 II Nr. 1 AGBG). Nach der gesetzlichen Vorschrift des § 666 BGB ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auf15
Welche Tragweite Änderungen haben können, zeigt ein von Sauermann in: Lisson, Qualität, S. 393 ff. (404 ff.) berichteter Fall aus der betrieblichen Praxis, abgedruckt bei Schreiber, S. 259. 16 Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 59; ähnlich: Kreifels, ZIP 1990, S. 489 ff. (491): „Nur wo der Zulieferer bei der von ihm geplanten Änderung seiner Produkte nicht von den vom Hersteller aufgegebenen Spezifikationen abweicht und auch kein Mangel des Produkts begründet wird, das Zulieferteil also nach wie vor für den vorgesehenen Verwendungszweck tauglich ist, dürfte die hier besprochene Klausel dem Hersteller des Folgeoder Endprodukts eine Handhabe geben, die er sonst - aufgrund gesetzlicher Regelungen nicht hätte. 8*
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7. Teil: Rechtliche Wirksamkeit einzelner Klauseln
traggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäftes Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrages Rechenschaft abzulegen. Diese drei Informationspflichten des Beauftragten erklären sich daraus, daß er seine Tätigkeit im Interesse des Auftraggebers ausübt und dieser Herr des Geschehens bleibt. 17 Daraus könnte für die Wirksamkeit der hier untersuchten Klausel folgen, daß sie sich dann, wenn sie Gegenstand eines gesonderten Geschäftsbesorgungsvertrages ist, in Übereinstimmung mit den einschlägigen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 666 BGB befindet und damit im Umkehrschluß zu § 9 I, I I Nr. 1 AGBG - wirksam ist. 18 Der Grundgedanke des § 666 BGB paßt jedoch nicht, wenn die Klausel Bestandteil eines Erwerbsvertrages - wie hier eines Werklieferungsvertrages gemäß § 651 BGB - ist. Beim klassischen Erwerbsgeschäft ist nämlich nicht nur das Interesse einer Partei zu berücksichtigen. 2. Die Informationspflichten des Zulieferers als vertragliche Nebenpflichten Der dogmatische Hintergrund, vor dem eine Überprüfung der Informationspflichten im Rahmen eines Erwerbsgeschäftes zu sehen ist, bildet der Komplex der Aufklärungspflichten als Nebenpflichten aus dem Vertrag. Diese beruhen auf der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens. 19 Besonderes Vertrauen kann vornehmlich als Folge einer dauerhaften, über längere Zeit gewachsenen Geschäftsverbindung zwischen den Parteien gerechtfertigt sein. Es kann gesteigerte Schutzpflichten dahingehend begründen, die andere Partei auf gewisse Umstände im Rahmen der Fertigung hinzuweisen, deren Kenntnis für die Gegenseite von erkennbarem Interesse ist. 20 Deshalb könnten im Rahmen eines Erwerbsgeschäftes formularmäßige Informationspflichten wirksam sein, obwohl das gesetzliche Leitbild von Kauf- und Werklieferungsvertrag solche Pflichten nicht vorsieht.
3. Keine unangemessene Benachteiligung des Zulieferers durch die Informationspflicht in bezug auf etwaige Produktänderungen Zunächst liegt es im Rahmen eines Erwerbsgeschäftes nahe, daß formularmäßige Informationspflichten hinsichtlich etwaiger Produktänderungen wirksam sind. Sind die Merkmale / Eigenschaften des Produktes in der Leistungsbeschreibung des Erwerbsvertrages näher festgelegt, so bedarf es zu einer wirksamen Änderung dieser Spezifikation ohnehin einer einvernehmlichen Vertragsänderung. Dann stellt 17
Palandt-Thomas, § 666 Rdnr. 1; vgl. ferner: Staudinger-Wittmann, § 666 Rdnr. 1. is Vgl. Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, § 9 Rdnr. Ζ 105; Merz, S. 360 erwägt insoweit eine Inhaltskontrolle im Lichte des § 665 S. 2 BGB. 19 S. o.: Fünfter Teil Β. II. 1. und 2. 20 Schreiber, S. 257 ff.; Schmidt, NJW 1991, S. 144ff. (151); Merz, S. 354.
C. Änderungsbezogene Informationspflichten des Zulieferers
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es für den Lieferanten auch keine unangemessene Benachteiligung dar, wenn er vor Realisierung einer solchen Änderung seinen Vertragspartner hierüber zu informieren hat. 21 Weicht der Zulieferer bei der von ihm geplanten Änderung seiner Produkte nicht von den Spezifikationen ab und wird kein Mangel des Produkts begründet, so besteht immer noch die Möglichkeit, daß die Änderung beispielsweise Auswirkungen auf den Weiterverarbeitungsvorgang beim Abnehmer hat. So hat der Bundesgerichtshof in der „Wellpappe-Entscheidung"22 betont, daß der Lieferant gegenüber dem Abnehmer wegen Positiver Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig sein kann, wenn er es im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung schuldhaft unterläßt, den Abnehmer auf die geänderte Beschaffenheit der von ihm gefertigten Ware hinzuweisen, auch wenn diese durch die Material- bzw. Konstruktionsänderung nicht mangelhaft ist. Zur Begründung führt das Gericht aus, der Zulieferer müsse damit rechnen, daß der Abnehmer seinerseits auf die stetige Beschaffenheit des gelieferten Produktes angewiesen sei, möglicherweise seine Maschinen umstellen und seine Kunden über die Änderungen informieren müsse.23 Damit kann auch bei spezifikationskonformen Änderungen, die möglicherweise sogar eine Qualitätsverbesserung zur Folge haben, eine gesetzliche Aufklärungs- und Informationspflicht des Zulieferers bestehen. Informationspflichten hinsichtlich Produktänderungen sind damit nicht gemäß § 9 (I, I I Nr. 1) BGB unwirksam. 4. Die Frage nach der unangemessenen Benachteiligung des Zulieferers durch sonstige Informationspflichten Informationspflichten, die dem Zulieferer auferlegen, sein Know-how und sonstige Geschäftsgeheimnisse ohne zwingenden Anlaß zu offenbaren, könnten die Rechtssphäre des Zulieferers verletzen und nach § 9 AGBG unwirksam sein. 24 So könnten die Mitteilungspflichten bezüglich einer Änderung der lieferanteneigenen Bezugsquellen den Zulieferer erheblich in seiner Vertragsabschlußfreiheit beeinträchtigen und überdies wettbewerbsrechtlich unerwünschte Auswirkungen haben. 25 Zur Beurteilung der Klauselangemessenheit nach Treu und Glauben ist jedoch eine umfassende Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien geboten.26 21 Vgl. Merz, S. 359; Kreifels, ZIP 1990, S. 489 ff. (491). 22 BGH Urt. v. 31. 5. 1989, ZIP 1990, S. 520 ff. (522 f.). 23 BGH ZIP 1990, S. 520 ff. (523). 24 Darauf abstellend: Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, § 9 Rdnr. Ζ 105. 25 So wohl Schmidt, NJW 1991, S. 144 ff. (151); ferner: Soergel-Stein, § 9 AGBG Rdnr. 19, wo das Interesse an der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit als solches angesehen wird, das der Verwender angemessen berücksichtigen muß. 26 Brandner in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 Rdnr. 71; MüKo-Kötz, § 9 Rdnr. 3; Soergel-Stein, § 9 AGBG Rdnr. 13 ff.; Erman-Hefermehl, § 9 AGBG Rdnr. 5.
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7. Teil: Rechtliche Wirksamkeit einzelner Klauseln
Ausschlaggebend für die Unwirksamkeit einer Klausel ist nicht ihr benachteiligender Charakter als solcher, sondern die Unangemessenheit der Benachteiligung nach dem Maßstab von Treu und Glauben. Das Gesetz zielt damit auf einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien ab. 27 Dem Interesse des Zulieferers an der Wahrung seiner freien Betriebsorganisation und damit größtmöglicher Handlungs- und Entscheidungsfreiheit im eigenen Organisationsbereich steht auf der Abnehmerseite das Interesse an einer Einsichtnahme in das qualitätsrelevante Geschehen der Vorstufe gegenüber. Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, daß die hier untersuchte Regelung in der VDA-Schrift vom Zulieferer nicht verlangt offenzulegen, wer sein neuer Unterlieferant ist, wo seine Produktionsstätte ist, warum er die Produktion länger ausgesetzt hat und worin genau die Änderung seines Produktionsverfahrens besteht. Vielmehr hat er lediglich darüber zu informieren, daß die entsprechenden Ereignisse stattfinden, und er hat dem Abnehmer dann auf Anforderung ein Erstmuster zu liefern. Insoweit kann nicht davon gesprochen werden, daß der Zulieferer verpflichtet ist, sein Knowhow und sonstige Geschäftsgeheimnisse offenzulegen. Seine unternehmerische Geheimssphäre wird gewahrt. Folglich benachteiligen die Informationspflichten hinsichtlich Produktionsverlagerungen, Änderungen von Produktionsverfahren, längerem Aussetzen der Produktion und neuem Unterlieferanten den Zulieferer nicht unangemessen i. S. d. § 9 I AGBG. Ratsam wäre es jedoch, den Begriff „rechtzeitig" - wie er in der hier betrachteten Klausel verwendet wird - zu konkretisieren, um Unklarheiten in bezug auf die Frage, wann der Zulieferer den Abnehmer spätestens zu informieren hat, zu vermeiden.
ΙΠ. Ergebnis Die Klausel, die Informationspflichten des Zulieferers im Hinblick auf die dargestellten Änderungen bzw. Geschehnisse vorsieht, ist wirksam. Eine schuldhafte Verletzung dieser Informationspflichten kann Schadensersatzansprüche auf der Basis der Positiven Vertragsverletzung begründen.
27 Soergel-Stein, § 9 AGBG Rdnr. 6 unter Hinweis auf die ursprüngliche Entwurfsfassung des § 9, BT-Drucks. 7/3919, S. 5, 22.
Achter Teil
Produkthaftungsrechtliche Auswirkungen des Erstbemusterungsverfahrens Eine Aussage darüber, ob das Erstbemusterungsverfahren im Rahmen der Produkthaftung von Bedeutung ist bzw. in welcher Weise Erstmusterprüfungen Einfluß auf die Produkthaftungsrisiken des Abnehmers und des Zulieferers nehmen, kann nur dann getroffen werden, wenn man sich die Rechtslage der Haftung nach den Regelungssystemen des Deliktsrechts und des Produkthaftungsgesetzes vor Augen führt. Die von der Rechtsprechung auf der Grundlage der deliktischen Generalklausel des § 823 I BGB entwickelten Grundsätze der Produzentenhaftung bleiben neben dem Produkthaftungsgesetz anwendbar, § 15 II ProdHaftG.
A. Die deliktsrechtliche Verantwortlichkeit des Abnehmers und seines Zulieferers für fehlerhafte Produkte gegenüber dem Kunden I. Grundsatz der Eigenverantwortung Die Pflicht, sichere Produkte in den Verkehr zu bringen, ist eine besondere Erscheinungsform der allgemeinen deliktsrechtlichen Gefahrabwendungspflicht. 1 Folglich muß sich jedermann so verhalten, daß nicht in seinem Herrschaftsbereich widerrechtlich Ursachen für eine Verletzung der in § 823 I BGB erwähnten Rechtsgüter anderer gesetzt werden. Übertragen auf die Warenherstellung bedeutet dies, daß jeder Unternehmer im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren die erforderlichen und ausreichenden Maßnahmen treffen muß, um Gefahren für jene Rechtsgüter zu vermeiden.2 Aus diesem Grundsatz der Eigenverantwortung ergibt sich, daß jeder Unternehmer die deliktsrechtliche Verantwortung für das Produkt trägt, das in seinem Unternehmen gefertigt wurde: der Abnehmer für das von ihm hergestellte Endprodukt, der Zulieferer für einen Werkstoff, für Halbfertigwaren oder Einzelteile, die er an Abnehmer zur Herstellung des Endproduktes liefert. 3 ι BGH Urt. v. 7. 10. 1975, BB 1975, S. 1503 (1504); Kulimann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 3; Schmidt-Salzer, BB 1979, S. 1. 2 Schmidt-Salzer, BB 1979, S. 1; MüKo-Mertens, § 823 Rdnr. 292.
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8. Teil: Produkthaftungsrechtliche Auswirkungen
Dem Grundsatz der Eigenverantwortung kommt neben einer pflichtenbegründenden auch eine pflichtenabgrenzende Funktion in dem Sinne zu, daß Zulieferer und Abnehmer grundsätzlich nur für die in ihrem eigenen Herrschaftsbereich gesetzte Schadensursache verantwortlich sind.4 Demnach hat dieser Grundsatz bei der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung die Ausbildung selbständiger Pflichtenkreise des Zulieferers und des Abnehmers zur Konsequenz.5
II. Mitverantwortung des Abnehmers für Zulieferprodukte Fraglich ist allerdings, inwieweit darüber hinaus Pflichten des Abnehmers bezüglich der Zulieferprodukte bestehen, weil er sie in das Endprodukt einbaut und in Verkehr bringt. Bei der Klärung der Frage ist von Bedeutung, daß sich für den Abnehmer aus der Herstellung des Endproduktes seine Gesamtverantwortung für das Endprodukt ergibt. 6 Dieses ist aber nur dann fehlerfrei herstellbar, wenn sichergestellt ist, daß die zugelieferten Teile fehlerfrei sind. Der Abnehmer ist deshalb gehalten, alle nach Lage des Falles erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um den Einbau gefahrenbehafteter Teile auszuschließen, auch wenn sie von dritter Seite hergestellt und zugeliefert sind. Insoweit strahlt die Verantwortlichkeit des Abnehmers für das Endprodukt auf die von ihm verarbeiteten fremdproduzierten Zulieferteile aus und begründet Sicherungspflichten im Hinblick auf diese Teile.7 Aus der Herstellung des Gesamtproduktes ergibt sich demnach für den Abnehmer eine Mitverantwortung für die zugelieferten Teile.8
3 Kulimann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 3; Hollmann, PHI 1989, S. 146 ff. (154); Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. III /1, Rdnr. 4.329. 4
Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 3; Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 64; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. ΠΙ/1, Rdnr. 4.332. 5 Migge, VersR 1992, S. 665ff. (673); Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 4; Fuchs, JZ 1994, S. 533 ff. (534). 6 S.o.: Achter Teil A.I. 7 Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 66f.; Schreiber, S. 96 und S. 153; Droste, S. 29 ff. s Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. HI/1, Rdnr. 4.116; Schreiber, S. 96; Lemppenau, DB 1980, S. 1679; dazu, daß die Mitverantwortung für Zulieferteile im Rahmen der Verschuldenshaftung eine Auswahl-, Spezifikations- und Kontrollhaftung ist: vgl. BGH Urt. v. 5. 7. 1960, VersR 1960, S. 855 f. (Kondenstopf); BGH Urt. v. 16. 2. 1972, VersR 1972, S. 559 (560) (Förderkorb); Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 67; Feldmann, S. 21; Brüggemeier, W M 1982, S. 1294 (1305); Anhalt, S. 199 ff.
Α. Deliktsrechtliche Verantwortlichkeit
121
I I I . Die Pflichtenbereiche von Zulieferer und Abnehmer bei der vertikalen Arbeitsteilung In welchem Maße die am Herstellungsprozeß beteiligten Wirtschaftseinheiten im Rahmen der Produkthaftung für eigene bzw. für fremde Fehler einzustehen haben, hängt von sämtlichen Umständen der konkreten Aufgabenzuweisung und damit vom Einzelfall ab.9 Für die Fälle vertikaler Arbeitsteilung zwischen Abnehmer und Zulieferer lassen sich aber typische Pflichtenbereiche abstecken, deren Aufteilung in einen Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktions- und Produktbeobachtungsbereich sich durchgesetzt hat. 10 Von vertikaler Arbeitsteilung spricht man, wenn ein Abnehmer die zur Produktion erforderlichen Rohstoffe, Zwischenprodukte oder Teilprodukte von einem Zulieferer bezieht, wobei Konstruktion und Fabrikation regelmäßig durch den Zulieferer erfolgen. 11 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kann die Betrachtung auf den Konstruktions- und Fabrikationsbereich beschränkt werden.
1. Der Pflichtenbereich des Zulieferers Jeder Zulieferer ist im Hinblick auf das von ihm gefertigte Produkt Hersteller. Er ist für sein Produkt verantwortlich 12 und hat es in konstruktiver und fertigungstechnischer Hinsicht so auszuführen, daß die Sicherheitsanforderungen, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung des jeweiligen Produktes allgemein für erforderlich gehalten werden, realisiert sind. 13 Produktkontrollen sind von ihm so zu orga9
v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Band I, § 25 Rdnr. 32; vgl. ferner: Staudinger-Schäfer, § 823 Rdnr. 313. 10 Rolland, Produkthaftungsrecht, Teil II, Rdnr. 22ff.; Bauer, Produkthaftung, S. 52ff.; v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Band I, § 25 Rdnr. 38ff.; Staudinger-Schäfer, § 831 Rdnr. 179; MüKo-Mertens, § 823 Rdnr. 293 ff.; Kullmann, NJW 1996, S. 18 ff.; Anhalt, S. 180; Deckert, JuS-L 1995, S. 89. 11 v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, Bd. 2, § 63 Rdnr. 31; Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 11; v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 33; Die horizontale Arbeitsteilung unterscheidet sich insoweit von der vertikalen, als ein Hersteller einzelne Arbeitsgänge auf einer oder mehreren Produktionsstufen an ein anderes Unternehmen vergibt und dieses an Konstruktion oder Fabrikation eines End- oder Teilproduktes lediglich beteiligt ist, während die restlichen Arbeiten von weiteren Unternehmen oder dem Endhersteller selbst übernommen werden. Die Abgrenzung von vertikaler und horizontaler Arbeitsteilung ist unsicher. Grundsätzlich sind die bei beiden Formen der Arbeitsteilung bestehenden Pflichten jedoch gleichartig. Das zur vertikalen Arbeitsteilung Gesagte gilt daher weitgehend auch für die horizontale Arbeitsteilung: vgl. v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 97; Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 79. 12 S.o.: Achter Teil A . I . 13 Migge, VersR 1992, S. 665 ff. (673); Kullmann / Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 4; vgl. zu den Herstellerpflichten allgemein: BGH Urt. v. 16. 2. 1972, VersR 1972, S. 559 (Förderkorb).
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8. Teil: Produkthaftungsrechtliche Auswirkungen
nisieren, daß alle fehlerhaften Teile ausgesondert werden, die rechtlich relevante Schäden verursachen können.14 Da Erstmusterprüfungen es ermöglichen, Fabrikationsfehler noch vor Serienbeginn zu entdecken, sind solche Prüfungen im Rahmen der Produktkontrollen des Zulieferers durchaus von Bedeutung.
2. Der Pflichtenbereich des Abnehmers Der Abnehmer hat, soweit er Teile selbst produziert, sämtliche Verkehrspflichten in eigener Person zu erfüllen. Von der Arbeitsteilung unberührt bleibt insbesondere die Pflicht des Abnehmers, die zugelieferten Teile nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu verarbeiten und eine Qualitätskontrolle des Endproduktes durchzuführen. 15 Bezieht der Abnehmer von anderen Unternehmen produzierte Teile oder Komponenten, so trifft ihn bezüglich der in das Endprodukt eingebauten fremdproduzierten Teile zwar keine primäre Herstellerverantwortlichkeit. 16 Ihn treffen jedoch aufgrund seiner Gesamtverantwortung für das eigene Produkt Sicherungspflichten hinsichtlich der Zulieferteile. 17
a) Sicherungspflichten
als Ausfluß der Konstruktionsverantwortung
Der Abnehmer hat im Rahmen seiner Verantwortung für die Konstruktion des Gesamtproduktes dafür Sorge zu tragen, daß die gewählten Rohstoffe, Halbfabrikate und Zwischenprodukte nach Art ihrer Konstruktion und Zusammensetzung generell die ihnen innerhalb des Endproduktes zugedachte Funktion erfüllen können. 18 Er haftet also unter dem Gesichtspunkt der KonstruktionsVerantwortung für die fehlerhafte Wahl des Zulieferteils und hat insoweit das Zulieferprodukt einer generellen Tauglichkeitsprüfung zu unterziehen. 19 Nimmt der Abnehmer auf die Konstruktion des Zulieferteils verstärkt Einfluß, so daß der Zulieferer das Einzelteil letztlich im Anschluß an entsprechende Angaben des Abnehmers eigens nach den Erfordernissen des Endproduktes herstellt, 20 so ist der Abnehmer verpflichtet, 14 Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 4; Migge, VersR 1992, S. 665 ff. (673); vgl. BGH Urt. v. 17. 10. 1967, VersR 1967, S. 1199 ff. (1200) (Schubstrebe). 15 Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 8; v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 24 Rdnr. 139 ff. und § 25 Rdnr. 41. 16 Schmidt-Salzer, BB 1986, S. 1103 (1106); ders., Produkthaftung, Band III /1, Rdnr. 4.348; Schreiber, S. 94. 17 S.o.: AchterTeilA.il. is Vgl. BGH 28. 2. 1967, VersR 1967, S. 498 (499) (Plastikmassebehälter); BGH 24. 11. 1976, W M 1977, S. 79 (81) (Schwimmerschalter); Feldmann, S. 21; RGRK-Steffen, § 823 Rdnr. 271; Schmidt-Salzer/Hollmann, Kommentar EG-Richtlinie, Einl. Rdnr. 115; v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 38. 19 Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 6f.; Anhalt, S. 199; Steinmann, QualitätssicherungenVereinbarungen, S. 68.
Α. Deliktsrechtliche Verantwortlichkeit
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durch eine genaue Spezifikation sicherzustellen, daß das Zulieferteil innerhalb des Gesamtproduktes keine sicherheitsrelevanten Mängel aufweist. 21 Die genaue und umfassende Beschreibung des zu liefernden Teils muß sich dabei auf Eigenschaften wie Material, Maße, Gewicht, Belastbarkeit, Wärmezufuhr usw. beziehen. Die nach dem Ergebnis der Konstruktion zu stellenden Qualitätsforderungen werden dann üblicherweise in einem sog. Pflichtenheft zusammengefaßt.
b) Sicherungspflichten
als Ausfluß der Fabrikationsverantwortung
Der Abnehmer hat im Rahmen seiner Verantwortung für die Fabrikation des Endproduktes sicherzustellen, daß die zugelieferten Teile in ihren Materialeigenschaften ausgereift 22 und fehlerfrei sind. 23 Bei der Auftragsfertigung nach Zeichnungen und Spezifikationen hat er sich vor der Verarbeitung zu vergewissern, daß die zugelieferten Teile den Beschaffenheitsanforderungen entsprechen, wie sie im Pflichtenheft niedergelegt wurden. 24 Zu diesem Zweck kommt zunächst eine Warenkontrollprüfung entweder bei Eingang oder Einbau der zugelieferten Ware in Betracht, die umfänglich der Fertigungskontrolle des Zulieferers entspricht. 25 Unabhängig von den im Einzelfall für den Abnehmer gegebenen tatsächlichen Möglichkeiten zu einem vollinhaltlichen Nachvollziehen, Wiederholen oder Gegenprüfen der vom Zulieferer vorgenommenen oder vorzunehmenden Maßnahmen beschränkt das Kriterium der Zumutbarkeit die Pflichten des Abnehmers allerdings auf die Gefahrabwendungsmaßnahmen, die auf der Ebene seines Aufgabenbereichs sachgerecht sind. 26 Als Alternative zur umfassenden Warenkontrolle bietet sich dem Abnehmer deshalb die Sicherstellung der Fehlelfreiheit der Zulieferteile durch eine haftungsbefreiende 20 Zur Einordnung dieser Fälle in den Bereich der vertikalen Arbeitsteilung: Kullmann/ Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 2; Droste, S. 6. 21 Kullmann, NJW 1991, S. 675 (678); v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 38; vgl. OLG Frankfurt am Main, VersR 1990, S. 981 f. (Industriefilter); Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 6. 22 OLG Hamburg, VersR 1984, S. 793 (794). 23 Feldmann, S. 21; Lukes, S. 44; Schmidt-Salzer/Hollmann, Kommentar EG-Richtlinie, Einl. Rdnr. 115; vgl. BGH VersR 1972, S. 559 (560) (Förderkorb); BGH VersR 1960, S. 855 (856) (Kondenstopf). 24 Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. ΠΙ/1, Rdnr. 4.352; Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 7.
25 v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 45; Steinmann, QualitätssicherungenVereinbarungen, S. 69 ff. 26 BGH 16. 2. 1972, VersR 1972, S. 559 (560) (Förderkorb); vgl. entsprechend im Arzthaftungsrecht: BGH 24. 6. 1975, VersR 1975, S. 952 (953); so auch bereits RG 3. 4. 1940, DR 1940, S. 1293 ff. (1294); Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 67; Schreiber, S. 160f.: „Bei der Frage der Zumutbarkeit ist zu berücksichtigen, welche Rolle der Endhersteller im Rahmen des Warenherstellungsprozesses innehat...".
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8. Teil: Produkthaftungsrechtliche Auswirkungen
Einflußnahme auf die Herstellung der zugelieferten Waren. 27 Diese setzt die ordnungsgemäße Auswahl 28 und Überwachung des Zulieferers voraus. Zum Zweck der Überwachung des Lieferanten bleibt dabei zwar eine gewisse Kontrolle der Teile auch ohne besonderen Anlaß erforderlich. 29 Allerdings hat der Abnehmer grundsätzlich nicht die Kontrolldichte zu unterhalten, wie sie für den Zulieferer notwendig ist. 30 Der Umfang der Kontrolle hängt maßgeblich von dem Gefahrenpotential ab, welches durch den Gebrauch des Zulieferteils entsteht.31 Regelmäßig sind Stichprobenkontrollen als ausreichend anzusehen. Zu einer weitergehenden Kontrolle ist er nur dann verpflichtet, wenn ihm Gefahren sichtbar werden bzw. ihm ungenügende Prüfungen seines Zulieferers nicht entgehen können 32 oder er Anlaß zu Zweifeln hat, ob der Teilehersteller den gebotenen Sicherheitsvorkehrungen in ausreichendem Umfang Rechnung getragen hat. 33
c) Die Erstmusterprüfung als zumutbare Maßnahme für den Abnehmer im Rahmen seiner ihn hinsichtlich der Zulieferteile treffenden Sicherungspflichten Bei der Auftragsfertigung nach Zeichnungen und Spezifikationen gehört eine Prüfung, daß die Fertigung der Zulieferteile spezifikationsgemäß, d. h. entsprechend den Konstruktionsangaben erfolgt, zu dem Pflichtenbereich des Abnehmers. 34 Erstmuster ermöglichen eine solche Prüfung bereits vor Aufnahme der Serienfertigung. Insoweit bietet die Erstmusterprüfung dem Abnehmer also die Gewähr, vor Serienbeginn kontrollieren zu können, ob der Zulieferer das vereinbarte Qualitätsniveau einhält. Die Erstmusterprüfung könnte damit mehr als nur ein betriebswirtschaftlich vorsorglicher Akt der Vermeidung unnötiger Fertigungsstörun-
27 BGH 16. 2. 1972, VersR 1972, S. 559 (560) (Förderkorb); OLG Köln 15. 3. 1989, VersR 1990, S. 494; Steinmann, QualitätssicherungsVereinbarungen, S. 71; v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 46 ff. 28 S. o.: Zweiter Teil A. I. 2.; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. III/1, Rdnr. 4.349; Rolland, Produkthaftungsrecht, Teil I I Rdnr. 71; v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 47 f. 29 v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 59; Schmidt-Salzer/Hollmann, Kommentar EG-Richtlinie, Einl. Rdnr. 115 und 117. 30 BGH 3. 6. 1975, VersR 1975, S. 922 (923); BGH 5. 7. 1960, VersR 1960, S. 855 (856) (Kondenstopf); RG 3. 4. 1940, DR 1940, S. 1293 (1294); Anhalt, S. 200; Droste, S. 69; Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 72. 31 Droste, S. 70; v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 59. 32 LG Detmold Urt. v. 18. 12. 1974 (Lüfterrad) bei: Schmidt-Salzer, Entscheidungssammlung Bd. III, Nr. III.27 (S. 613); BGH BB 1977, S. 1117 (1118); v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 61. 33 Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 15; Droste, S. 70; Steinmann, Qualitätssicherungs Vereinbarungen, S. 72.
34 S. o.: Achter Teil A. III. 2. b).
Β. Verantwortlichkeit nach dem Produkthaftungsgesetz
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gen sein.35 Sie könnte zu den abnehmerspezifischen Prüfungen des Endherstellers im Rahmen der ihm obliegenden Sicherungspflichten bezüglich der Zulieferteile gehören. Dann müßte diese Prüfmaßnahme dem Abnehmer zumutbar sein. 36 Bei der Frage der Zumutbarkeit ist zu berücksichtigen, welches technische Know-how und welche Prüfeinrichtungen von ihm verlangt werden können.37 Der Abnehmer, der Zulieferteile in sein Endprodukt einbaut, muß die hierfür erforderlichen technischen Kenntnisse in bezug auf die Einzelteile besitzen. Zumindest das zur Ermittelung der Funktionsfähigkeit des Zulieferteils als Bestandteil des Endproduktes erforderliche Fachwissen muß demnach beim Abnehmer vorhanden sein. Der Einsatz auch kostspieliger Kontrolleinrichtungen wird vom Abnehmer in der Automobilindustrie häufig aufgrund des Gefahrenpotentials zu fordern sein, welches durch den Gebrauch des Zulieferteils entsteht. Ansonsten ist jedenfalls dann, wenn die erforderlichen Prüfeinrichtungen vorhanden sind, und ohnehin, wenn eine Erstmusterprüfung schon im eigenen Interesse des Abnehmers erfolgt und üblich ist, die Erstmusterprüfung als zumutbare Maßnahme für den Abnehmer im Rahmen seiner ihn in bezug auf die Zulieferteile treffenden Sicherungspflichten zu qualifizieren. 38
3. Gesamtschuldverhältnis Aufgrund der obigen Ausführungen können Abnehmer und Zulieferer nebeneinander für einen Schaden des Kunden verantwortlich sein. Sie haften dann gegenüber dem geschädigten Kunden gemäß § 840 i. V. m. §§ 421 ff. BGB als Gesamtschuldner.
B. Die Verantwortlichkeit des Abnehmers und seines Zulieferers für fehlerhafte Produkte gegenüber dem Kunden auf der Grundlage des Produkthaftungsgesetzes I. Die Haftung des Abnehmers gegenüber dem Kunden gemäß § 1 1 1 ProdHaftG Das Eingreifen der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 1 I 1 ProdHaftG setzt voraus, daß durch ein mit einem Fehler im Sinne des § 3 ProdHaftG behaftetes Produkt, vgl. § 2 ProdHaftG, eine Körperverletzung oder eine Sachbeschädi35 Vgl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. III /1, Rdnr. 4.352. 36
Das Kriterium der Zumutbarkeit wurde bereits mehrfach angesprochen: s. o.: Achter Teil Α. I. und A. III. 2. b). 37 Schreiber, S. 161. 38
Ebenso: v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 25 Rdnr. 59.
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8. Teil: Produkthaftungsrechtliche Auswirkungen
gung im Sinne des § 112 ProdHaftG verursacht wurde. Im Rahmen der Verantwortung des Abnehmers nach dem Produkthaftungsgesetz ist dabei von Bedeutung, daß bei der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 11 ProdHaftG eine Zurechnung in der Weise erfolgt, als hätte der Abnehmer das gesamte Produkt selbst gefertigt. 39 Nach § 411 ProdHaftG i. V. m. § 111 ProdHaftG wird somit eine originäre Haftung des Abnehmers für das Zulieferteil rechtlich fingiert. 40 Die Frage nach der Wahrnehmung bestimmter Sorgfaltspflichten beeinflußt die Haftung nicht und ist demzufolge ohne Bedeutung für einen Anspruch nach diesem Gesetz.41
II. Die Haftung des Zulieferers gegenüber dem Kunden gemäß § 1 1 1 ProdHaftG Da der Zulieferer von Einzelteilen oder Grundstoffen gemäß § 4 I 1 ProdHaftG Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes ist, unterliegt auch er der Haftung nach diesem Gesetz. Er kann immer dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn das Teilprodukt in dem Moment fehlerhaft ist, in dem es in Verkehr kommt. Das Teilprodukt verliert seinen Charakter als Produkt nicht dadurch, daß es Bestandteil einer anderen Sache wird, selbst dann nicht, wenn es mit dem Endprodukt so verbunden wird, daß es seine Identität verliert. Allein entscheidend ist, ob die Sache vor dem Einbau eine bewegliche Sache im Sinne des Produkthaftungsgesetzes war. 42 Neben den Ausschlußtatbeständen des § 1 I I ProdHaftG, die auch in bezug auf die Haftung des Abnehmers Bedeutung haben, sehen § 1 III 1. Alt. und § 1 III 2. Alt. ProdHaftG eine Beschränkung der Einstandspflicht des Teileherstellers vor.
I I I . Gesamtschuldverhältnis Sind Abnehmer und Zulieferer nach § 1 I 1 ProdHaftG schadensersatzpflichtig, so haften sie gemäß § 5 S. 1 ProdHaftG im Außenverhältnis als Gesamtschuldner. Die Rechtsfolgen dieser Gesamtschuldnerschaft bestimmen sich nach den §§ 421 ff. BGB.
39 Martinek, Zulieferverträge und Qualitätssicherung, S. 112; Schmidt-Salzer, BB 1986, S. 1103 (1106); Schreiber, S. 96; Droste, S. 86; Hollmann, PHI 1989, S. 146 ff. (154); Graf ν. Westphalen, NJW 1990, S. 83 (89). 40 Klaue, ZIP 1989, S. 1313 ff. (1314); Frietsch, DB 1990, S. 29 (30); Winkelmann, S. 141; Reinelt, DAR 1988, S. 80 (86); Palandt-Thomas, § 4 ProdHaftG Rdnr. 3; Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 80.
41 Schreiber, S. 96; Hollmann, QZ 1988, S. 499 (501); s. auch Quittnat, BB 1989, S. 571 (573). 42 Rolland, Produkthaftungsrecht, Teil I § 4 Rdnr. 20; Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 82.
C. Ausgleichung der Ersatzpflicht im Innen Verhältnis
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C. Ausgleichung der Ersatzpflicht im Innenverhältnis mehrerer Ersatzpflichtiger Haften der Abnehmer und der Zulieferer gegenüber dem geschädigten Kunden als Gesamtschuldner,43 so steht es diesem frei, ob er den Abnehmer oder den Zulieferer oder beide zusammen für den entstandenen Schaden haftbar macht. Wird von einem der Gesamtschuldner die ganze Leistung erbracht, so wirkt diese Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner, § 422 I S. 1 BGB. Insgesamt erhält der Geschädigte die Leistung also nur einmal. Da kein Gesamtschuldner im Verhältnis zu seinen Mitschuldnern mehr als seinen Anteil zu leisten braucht, erfolgt im Rahmen der internen Rechtsgemeinschaft unter den Verantwortlichen ein Ausgleich. In der Praxis wird der Kunde mangels Kenntnis des Zulieferers meist den Abnehmer in Anspruch nehmen. Leistet dieser Schadensersatz, so kann er den ihm dadurch entstehenden reinen Vermögensschaden nicht gemäß § 823 I BGB gegenüber dem Zulieferer geltend machen. Dem Abnehmer stehen jedoch weitere gesetzliche Ansprüche gegen den Zulieferer offen. 44
I. Der gesetzliche Ausgleichsanspruch gemäß § 42611 BGB Haften Abnehmer und Zulieferer gegenüber dem Kunden nach § 840 i. V. m. §§ 421 ff. BGB als Gesamtschuldner, so kann zugunsten des Abnehmers, der dem geschädigten Kunden Schadensersatz in voller Höhe gewährt hat, ein Ausgleichsanspruch gemäß § 4261 1 BGB entstehen, wobei die Höhe des Schadensausgleichs davon abhängt, inwieweit Abnehmer und Zulieferer jeweils intern für den Schaden aufkommen müssen.45 Nach der Vorschrift des § 426 I 1 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Vor der Annahme von Gleichverteilung ist also nach einer „anderweitigen Bestimmung" zu suchen. Eine solche kann einer vertraglichen Absprache der Gesamtschuldner,46 dem Inhalt und Zweck des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses47 oder dem Gesetz48 zu entnehmen sein. « S. o.: Achter Teil A. III. 3. und Achter Teil B. III. 44
Leistet der Zulieferer Schadensersatz, so stehen ihm diese Ansprüche ebenfalls offen. Insoweit stellt § 426 BGB für den Innenausgleich zwischen Gesamtschuldnern eine Sonderregelung dar, die einen Rückgriff nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) bzw. der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 I 1 BGB) ausschließt; vgl. BGH NJW 1963, S. 2067 f.; Erman-Ehmann, Vor § 677 Rdnr. 11; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 415; Droste, S. 114 Fußnote 392. 4 * Vgl. BGH NJW 1983, S. 1845 (1846); 1984, S. 482; 1986, S. 1491 (1492); SoergelWolf, § 426 Rdnr. 18 ff. m. w. N. 4 ? Vgl. BGH NJW 1983, S. 2442f.; 1984, S. 482; BGH VersR 1974, S. 888 ff. (889 f.); Palandt-Heinrichs, § 426 Rdnr. 8. 45
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8. Teil: Produkthaftungsrechtliche Auswirkungen
1. Die vertragliche Regelung als anderweitige Bestimmung im Sinne des § 42611 BGB Wenn dem geschädigten Kunden Zulieferer und Abnehmer haften, die das Produkt in industrieller Arbeitsteilung gefertigt haben, so ist bei der Ermittelung der Höhe des internen Schadensausgleichs nach § 426 I 1 BGB zunächst maßgebend, welches Unternehmen für die Sicherheit des fehlerhaften Teils nach dem zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnis verantwortlich sein sollte. Dementsprechend findet sich in einer Entscheidung des Reichsgerichts 49 folgende Formulierung: „Es muß also bei der Anwendung des § 426 BGB das Rechtsverhältnis der Gesamtschuldner zueinander zu Rate gezogen und danach geprüft werden, wer in diesem Verhältnisse dem andern gegenüber der allein oder der vorwiegend Schuldige ist." 5 0
2. Volle Ausgleichspflicht des Zulieferers bei isolierter Betrachtung der Vertragspflichtverletzung des Zulieferers Der zwischen Abnehmer und Zulieferer bestehende Liefervertrag in Form eines WerkheferungsVertrages i. e. S. oder i. w. S. 51 ist auf Leistung mangelfreier Ware gerichtet. Die Zulieferprodukte müssen die vertraglich bestimmten oder, wo keine besonderen Abreden getroffen wurden, die verkehrsüblichen Eigenschaften aufweisen. Demnach ist der Zulieferer verpflichtet, fehlerfreie, insbesondere sicherheitstechnisch einwandfreie Ware zu liefern. In dem Fall, in dem der Schaden allein durch das Zulieferprodukt verursacht worden ist, liegt es deshalb nahe, im Innenverhältnis den Zulieferer aufgrund seiner Vertragspflichtverletzung allein für den Schaden haften zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine besonderen Umstände zu Lasten des Abnehmers ins Gewicht fallen. 52
48 Z. B. §§ 840 II, III; 1833 I I 2 BGB; 46 S. 2 BNotO; 59 II VVG; 3 Nr. 9 PflVersG; vgl. Soergel-Wolf, § 426 Rdnr. 23 ff. 49 RGZ 75, S. 251 (256). 50 Vertragliche Regelungen des Ausgleichsanspruchs ersetzen den Maßstab des § 426 I 1 BGB, ohne den Ausgleichsanspruch aus § 426 I 1 BGB als solchen zu verdrängen. Demnach haben vertragliche Ausgleichsansprüche eine zweifache Wirkung: Sie lassen zum einen einen selbständigen Ausgleichsanspruch entstehen, der neben § 426 I 1 BGB zur Anwendung kommt, bestimmen zum anderen aber den Inhalt des Ausgleichsanspruches nach § 426 I 1 BGB, indem der für die vertragliche Ausgleichsregelung geltende Anteil auch für den gesetzlichen Ausgleichsanspruch des § 426 I 1 BGB bestimmend ist; vgl. Soergel-Wolf, § 426 Rdnr. 12 und 18; überzeugend auch die Ausführungen bei Droste, S. 121 ff.
51 S.o.: Zweiter Teil C. ΠΙ. 52 Ebenso: Rolland, Produkthaftungsrecht, Teil I § 5 Rdnr. 22; Droste, S. 125; Steinmann, Qualitätssicherungs Vereinbarungen, S. 87.
C. Ausgleichung der Ersatzpflicht im Innenerhältnis
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3. § 254 BGB als anderweitige Bestimmung im Sinne des § 42611 BGB Im Einzelfall können besondere Umstände vorliegen, die es angezeigt erscheinen lassen, den Abnehmer im Innenverhältnis einen Teil des Schadens tragen zu lassen. In rechtlicher Hinsicht ist Einfallstor zur Berücksichtigung etwaiger, neben dem Pflichtenverstoß des an sich verantwortlichen Zulieferers ins Gewicht fallender Nachlässigkeiten des Abnehmers der gesetzliche Ausgleichsmaßstab des § 254 BGB. 5 3 § 254 BGB kann jedoch im Verhältnis mehrerer Ersatzpflichtiger untereinander nur analog zur Anwendung kommen, da er in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich nur das Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem betrifft. Der Gedanke der Schadensaufteilung entsprechend der Bewertung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ist aber auch im Verhältnis mehrerer Schädiger zueinander sinnvoll. 54 Die entsprechende Anwendung von § 254 BGB ermöglicht einen beweglichen Ausgleichsmaßstab, der dazu führt, daß der Ausgleich im Innenverhältnis zwischen Abnehmer und Zulieferer zwischen 0% bis 100% betragen kann. 55
4. Die Berücksichtigung der Freigabe des Erstmusters durch den Abnehmer bei der Schadensverteilung bzw. die Mitverantwortung des Abnehmers aufgrund unterlassener eingehender Erstmusterprüfung Eine Mitverantwortung des Abnehmers für den eingetretenen Schaden im Verhältnis zu seinem Zulieferer könnte sich im Einzelfall aus dem Umstand ergeben, daß der Abnehmer die (unbedingte) Freigabe erteilt hat, obwohl ihm bereits bei der Prüfung der Erstmuster der Fehler, der ζ. B. auf eine falsche Einstellung der Montageeinrichtung durch den Zulieferer zurückzuführen ist, hätte auffallen müssen. Entsprechend ist eine Argumentation dahingehend denkbar, daß die mangelhafte Zulieferleistung bzw. der spätere Schaden vermieden worden wäre, wenn der Abnehmer eine eingehende Erstmusterprüfung durchgeführt hätte und wegen des dabei entdeckten Fehlers des Erstmusters die Freigabe nicht erteilt hätte. Die unterlassene eingehende Erstmusterprüfung könnte demnach zur Konsequenz haben, daß ein Teil der Haftung als Folge von Mitverursachung/Mitverschulden beim Abnehmer liegt. 53 Droste, S. 126. 54 s. ζ. B. BGHZ 12, S. 213; 17, S. 214 (222); 43, S. 178 (187); 43, S. 227 (231); 51, S. 275 (279); 59, S. 97 (103) = NJW 1972, S. 1802 (1803); BAG, DB 1968, S. 1996; RGZ 84, S. 415 (430); 92, S. 143 (147); 136, S. 275 (285 ff.); 159, S. 86 (89 f.); Fuchs, JZ 1994, S. 533 ff. (537); MüKo-Selb, § 426 Rdnr. 8; Soergel-Wolf, § 426 Rdnr. 30; vgl. im übrigen: §§ 17 StVG; 93 AMG; 41 LuftVG; 5 ProdHaftG, wo die Anwendung von § 254 BGB auf den Innenausgleich mehrerer Schädiger ausdrücklich vorgesehen ist. 55 Erman-Westermann, § 426 Rdnr. 16; MüKo-Selb, § 426 Rdnr. 8; Lange, Schadensersatz, § 10 X I I 5 a; Larenz, Schuldrecht I, AT, § 37 ΙΠ; Link, BB 1985, S. 1424 ff. (1425). 9 Gaiser
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8. Teil: Produkthaftungsrechtliche Auswirkungen
a) Die Verletzung der dem Abnehmer gegenüber dem Kunden obliegenden Sicherungspflichten hinsichtlich der Zulieferteile als bedeutsamer Gesichtspunkt im Rahmen des Ausgleichs im Innenverhältnis ? Die Erstmusterprüfung stellt eine zumutbare Maßnahme für den Abnehmer im Rahmen der ihm gegenüber seinem Kunden obliegenden Sicherungspflichten hinsichtlich der Zulieferteile dar. 56 Verletzt der Abnehmer seine Sicherungspflichten hinsichtlich der Zulieferteile, so haftet er neben dem Zulieferer dem Geschädigten im Außen Verhältnis. Allein der Umstand, daß auch der Abnehmer dem Geschädigten im Außenverhältnis haftet, ist jedoch im Hinblick auf die Frage nach der Mitverantwortung des Abnehmers für den eingetretenen Schaden im Verhältnis zu seinem Zulieferer von vornherein ohne Aussagewert. 57 Das hat mehrere Gründe: Zu einer Haftung im Außenverhältnis kann es durchaus unabhängig von der tatsächlichen Verletzung einer Verkehrspflicht kommen. Insoweit ist auf die im Rahmen der Produzentenhaftung praktizierte Beweislastumkehr zu verweisen, die schon dann eine Haftung des Herstellers zur Folge hat, wenn dieser die Vermutung, die für pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten (auch) in seinem Betrieb spricht, nicht widerlegen kann. 58 Hinzu kommt, daß das Schutzbedürfnis des jeweiligen, das Endprodukt benutzenden Verkehrskreises strenge Anforderungen an die Sorgfalt aller Produktionsbeteiligten stellt. Dieser Maßstab kann nicht ohne weiteres auf den Innenausgleich zwischen den Beteiligten an der zwischenbetrieblichen Produktion übertragen werden. 59 Im übrigen ist folgendes zu bedenken: Wäre der Umstand von Belang, daß dem Geschädigten gegenüber im Ergebnis alle Beteiligten haften, so könnte im Gesamtschuldverhältnis niemals komplett Rückgriff genommen werden und damit niemals ein Gesamtschuldner voll ausgleichspflichtig sein.
b) Die Verletzung einer gegenüber dem Zulieferer bestehenden Rechtspflicht des Abnehmers als beachtlicher Gesichtspunkt im Rahmen des Ausgleichs im Innenverhältnis Bei der Beurteilung der Frage, inwieweit eine für die Schadensverteilung bedeutsame Mitverantwortung des Abnehmers im Verhältnis zu seinem Zulieferer gegeben ist, kann eine Vertragspflichtverletzung des Abnehmers gegenüber seinem
56 S.o.: Achter Teil A.III. 2. c). 57 Vgl. BGH NJW 1980, S. 2348 (2349). 58 BGHZ 51, S. 91 (104); 80, S. 186 (198); MüKo-Mertens, § 823 Rdnr. 307 ff.; Baumgärtel, JA 1984, S. 660 (663 ff.); Brüggemeier, W M 1982, S. 1294 (1304); v. Westphalen, Jura 1983, S. 281 (282 f.); Kullmann, W M 1981, S. 1322 (1329 ff.). 59 v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 42 Rdnr. 47.
C. Ausgleichung der Ersatzpflicht im Innenverhältnis
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Zulieferer ins Gewicht fallen. 60 Auch kann insoweit eine culpa in contrahendo des Abnehmers Berücksichtigung erfordern. 61 Bereits oben 62 wurde festgestellt, daß den Abnehmer, der sich ein Erstmuster vorstellen läßt, die vertragliche Nebenpflicht bzw. die vorvertragliche Sorgfaltspflicht gegenüber dem Zulieferer trifft, dieses Erstmuster eingehend zu untersuchen. Verletzt der Abnehmer diese Pflicht, so kann von einer alleinigen Verantwortung des Zulieferers aufgrund des Umstandes, daß er seine Vertragspflicht zur Lieferung einwandfreier Ware verletzt hat, nicht mehr gesprochen werden. Dem Zulieferer ist vielmehr im Innenverhältnis ein Teil des Haftungsrisikos für solche Fehler, die dem Abnehmer bei einer eingehenden Erstmusterprüfung hätten auffallen müssen, abzunehmen. Mit anderen Worten: Wenn der Abnehmer die (unbedingte) Freigabe erteilt, obwohl an den von ihm angeforderten Erstmustern Fehler erkennbar waren, so führt dies im Innenverhältnis zu einer Mitverantwortung des Abnehmers für Fehler der Zulieferteile. 63 Der Abnehmer muß folglich einen Teil des Schadens, der bei 1 / 2 anzusetzen ist, 64 übernehmen. Im übrigen kann dieses Ergebnis bereits daraus hergeleitet werden, daß dem Zulieferer gegen den Abnehmer, der seine Pflicht zur eingehenden Prüfung angeforderter Erstmuster verletzt hat, ein um seinen eigenen Mitverschuldensanteil in Höhe von 50% gekürzter Schadensersatzanspruch zusteht.65 Dieser erstreckt sich nämlich auf sämtliche Folgeschäden, sofern sie nicht außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Pflicht liegen. In diesen Bereich der Folgeschäden fällt es auch, wenn der Zulieferer im Rahmen der Produkthaftung wegen solcher Fehler seiner Produkte ersatzpflichtig ist, die der Abnehmer bei einer eingehenden Prüfung der angeforderten Erstmuster hätte erkennen können. 60 RGZ 77, S. 317 (322) unter Hinweis auf RGZ 75, S. 251 (256); vgl. RG JW 1936, S. 2066; BGH VersR 1984, S. 443 (444); OLG Düsseldorf, VersR 1989, S. 1158 (1159); Palandt-Heinrichs, § 426 Rdnr. 10; Dies steht nur scheinbar in Widerspruch zu oben (Fünfter Teil F. I.), wo festgestellt wurde, daß Verschulden i. S. d. § 254 I BGB nicht - wie sonst eine vorwerfbare, rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen (oder der Allgemeinheit) bestehenden Rechtspflicht bedeutet. Während dort § 254 BGB direkt Anwendung findet und damit die Überlegung beachtlich ist, daß der Geschädigte mit einer reinen Selbstgefährdung und Selbstschädigung keine Rechtspflicht verletzt, geht es hier um die analoge Anwendung des § 254 BGB im Verhältnis der Schädiger. 61 RGZ 132, S. 26 (28); RGRK-Weber, § 426 Rdnr. 47. 62 S. o.: Fünfter Teil und Sechster Teil. 63 Vgl. Kreifels, ZIP 1990, S. 489 ff. (491); Die Klausel, wonach eine Freigabe der Muster durch den Abnehmer den Lieferanten nicht von der Verantwortung für die Qualität seiner Produkte entbindet, widerspricht folglich der Wertung des Gesetzes. Da der Zulieferer durch eine solche Haftungskanalisierung in erheblichem Maße belastet und schutzlos gestellt wird, ohne daß besondere Interessen des Abnehmers die Klausel rechtfertigen könnten, ist anzunehmen, daß der Zulieferer durch die Regelung der Verantwortungszuweisung gemäß § 9 I, I I Nr. 1 AGBG i. V. m. § 254 BGB unangemessen benachteiligt wird; vgl. oben: Siebenter Teil Β. II. 64 Vgl. oben: Fünfter Teil F. ΠΙ. und Sechster Teil A. III. 65 Vgl. oben: Fünfter und Sechster Teil. 9*
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8. Teil: Produkthaftungsrechtliche Auswirkungen
c) Zur Frage, ob der Verzicht auf die Vorlage und die Prüfung von Erstmustern dem Abnehmer im Rahmen des Ausgleichs im Innenverhältnis als Nachlässigkeit vorzuhalten ist, die neben dem Pflichtenverstoß des Zulieferers ins Gewicht fällt Nicht vergessen werden darf, daß die soeben dargelegte Argumentation 66 nur dann einschlägig ist, wenn der Abnehmer Erstmuster zum Zwecke der Prüfung angefordert hat. Aufgrund des Umstandes, daß der Zulieferer dem Abnehmer gemäß der vertraglichen Absprache Ware zu liefern hat, welche die in Spezifikationen und Zeichnungen vereinbarten Qualitätsforderungen erfüllt, und deshalb im Verhältnis Abnehmer/Zulieferer allein der Zulieferer die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung eines Produktfehlers zu treffen hat, erfüllt der Abnehmer mit der Erstmusterprüfung und Freigabe grundsätzlich keine dem Zulieferer gegenüber bestehende Verpflichtung. Dementsprechend kann der Zulieferer von dem Abnehmer grundsätzlich nicht verlangen, daß dieser Erstmuster eingehend untersucht. Fraglich ist daher, ob der Verzicht auf die Vorlage und die Prüfung von Erstmustern dem Abnehmer als Nachlässigkeit vorzuhalten ist, die neben dem Pflichtenverstoß des Zulieferers ins Gewicht fällt und die gemäß § 254 I BGB analog zu einer Kürzung seines Ausgleichsanspruches führt. 67 Dagegen spricht, daß in dieser Konstellation der Schadensverursachungs- bzw. Verschuldensanteil des Zulieferers eindeutig und vollständig den des Abnehmers überwiegt. Der Zulieferer hat die Schadensentwicklung durch eine fehlerhafte Produktion der Zulieferteile in Gang gesetzt, der Abnehmer hingegen hat durch Unterlassen einer Erstmusterprüfung lediglich die vom Zulieferer geschaffene Gefahrenlage nicht erkannt. Der Zulieferer trägt im Verhältnis zum Abnehmer die Verantwortung für die Spezifikationskonformität seiner Teile und ist deshalb verpflichtet, die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung eines Produktfehlers zu treffen. Hat er die Qualität seiner Produkte nach einem exakt festgelegten und insoweit ordnungsgemäßen Verfahren zu sichern, so trifft ihn die Pflicht zur Sicherung der Qualität gerade auch für den Fall, daß eine Prüfung durch den Abnehmer nicht erfolgt. Hinzu kommt, daß es nicht Sinn und Zweck einer Erstmusterprüfung des Abnehmers sein kann, dem Zulieferer - sei es auch nur im Innenverhältnis das Produkthaftungsrisiko für Fehler seiner Zulieferteile abzunehmen. Es ist nicht Aufgabe des Abnehmers, im Wege einer Kontrolle des Zulieferers bzw. seiner Teile eine bestimmte Qualität und Fehlerfreiheit in die Zulieferteile hineinzuprüfen, sondern der Zulieferer ist schon - neben den vertraglichen Gründen - im bestverstandenen Eigeninteresse gehalten, einwandfreie Ware zu liefern. 68 Demzufolge 66 S.o.: Achter TeilC. 1.4. b). 67 Bezüglich eines Nichteinschreitens des Abnehmers trotz (unbedingter) Erkennbarkeit der Mangelhaftigkeit der zugelieferten Ware bei Einbau derselben bejahen dies: Droste, S. 145; v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 42 Rdnr. 52. 68 Vgl. Hollmann, PHI 1989, S. 146 (149 f.).
C. Ausgleichung der Ersatzpflicht im Innenerhältnis
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ist der Abnehmer gegenüber dem Zulieferer - also im Innenverhältnis - von der Haftung frei, wenn ein Schaden auf einen Fehler des Zulieferers bei der Fabrikation seiner Teile zurückzuführen ist, den der Abnehmer wegen des Verzichts auf die Vorlage und die Prüfung von Erstmustern nicht erkannt hat. Der Anspruch des Abnehmers gegen den Zulieferer gemäß § 426 I 1 BGB ist damit auf vollen Ausgleich gerichtet. Vergegenwärtigt man sich, daß die Erstmusterprüfung eine zumutbare Maßnahme des Abnehmers zur Überwachung des Zulieferers bzw. zur Kontrolle der Zulieferteile ist, 69 so wird dieses Ergebnis bestätigt, wenn man eine Parallele zu dem Grundsatz zieht, den die Rechtsprechung für den Bereich der gesamtschuldnerischen Haftung zwischen schadensverursachendem Bauunternehmer und dem seine Aufsichtspflicht verletzenden Architekten entwickelt hat. 70 Hier soll der Architekt, sofern ihm nur ein Bauaufsichtsfehler zur Last fällt, weil er einen Ausführungsfehler des Bauunternehmers nicht erkannt hat, grundsätzlich im Innenverhältnis nicht gemäß § 426 I 1 BGB an dem Schaden beteiligt werden. 71 Der Vorwurf des Bauunternehmers gegen den Architekten, daß er in der Erfüllung seiner Pflichten nicht ausreichend überwacht worden sei, „wäre mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren". 72 5. Zusammenfassung Die obigen Erörterungen haben gezeigt, daß der Zulieferer aufgrund der fehlerhaften Produktion seiner Teile unter dem Aspekt der Vertragspflichtverletzung im Innen Verhältnis zum Abnehmer gemäß § 426 I 1 BGB grundsätzlich voll ausgleichspflichtig ist. Dieses Ergebnis ist im Einzelfall im Rahmen einer entsprechenden Anwendung des § 254 BGB zu korrigieren. So ergibt sich eine Mitverantwortung des Abnehmers daraus, daß er die vertragliche bzw. vorvertragliche Pflicht zur eingehenden Prüfung eines angeforderten Erstmusters verletzt hat. Hingegen ist der Verzicht auf die Vorlage und die Prüfung von Erstmustern dem Abnehmer nicht als Nachlässigkeit anzulasten, die neben dem Pflichtenverstoß des Zulieferers ins Gewicht fällt und zu einer Kürzung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 2541 BGB analog führt. 69 S. o.: Achter Teil A. III. 2. b) und c). 70 Vgl. hierzu BGHZ 43, S. 227 (231, 235); BGH NJW 1971, S. 752 (753); BGH NJW 1980, S. 2348 (2349); BGH VersR 1974, S. 888 (889); Für eine Übertragung dieses Grundsatzes auf das Verhältnis Zulieferer/Abnehmer spricht sich aus: OLG Saarbrücken Urt. v. 5. 12. 1986 bei: Schmidt-Salzer, Entscheidungssammlung Produkthaftung, Zivilrecht, Teil 11.187 (S. 12); ebenso: v. Westphalen/Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, § 42 Rdnr. 57, sofern der Zulieferer nach der Vereinbarung für die Qualität seiner Leistungen abschließend verantwortlich sein sollte; ferner: Link, BB 1985, S. 1424 (1425) für die Fälle, in denen der Hersteller nur im Wege der Umkehr der Beweislast zur Haftung im Außenverhältnis herangezogen werden kann. 71 Vgl. auch die Wertung in § 840 I I BGB. 72 BGH NJW 1971, S. 752 (753).
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8. Teil: Produkthaftungsrechtliche Auswirkungen
II. Der Ausgleichsanspruch gemäß § 5 S. 2 1. HS ProdHaftG Haften Abnehmer und Zulieferer gemäß § 5 S. 1 ProdHaftG im Außenverhältnis als Gesamtschuldner, so kommt als gesetzlicher Ausgleichsanspruch gegen den mithaftenden Hersteller § 5 S. 2 1. HS ProdHaftG i. V. m. § 426 I 2 BGB in Betracht. Wie § 426 I 1 BGB 7 3 geht auch § 5 S. 2 1. HS ProdHaftG davon aus, daß der Ausgleich unter den gesamtschuldnerisch haftenden Herstellern primär davon abhängig ist, ob und was „anderes bestimmt" ist. Für den Innenausgleich vorrangig sind deshalb auch hier vertragliche Ausgleichsregelungen zwischen Zulieferer und Abnehmer, Sinn und Zweck eines zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses sowie das Innenverhältnis beeinflussende gesetzliche Regelungen. Während nach § 426 I 1 BGB die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet sind, findet mangels Verweises auf § 426 I 1 BGB diese Regelung im Rahmen des § 5 S. 2 2. HS ProdHaftG keine Anwendung. Stattdessen führt § 5 S. 2 1. HS ProdHaftG den Grundgedanken des Mitverschuldens, § 2541 BGB, in der Form der Mitverursachung ein. Beispielhaftes Bemessungskriterium für die Höhe des Ausgleichsanspruchs soll danach sein, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Diese Regelung kann letztlich wiederum zu einer völligen Haftungsfreiheit des einen oder anderen Gesamtschuldners führen. 74 Aus dem Gesagten folgt, daß es auch hier für den Ausgleich zwischen Abnehmer und Zulieferer, die im Außenverhältnis beide für den Fehler des Zulieferteils einzustehen haben, in erster Linie auf die nach dem bestehenden Vertrag im Innenverhältnis vorgenommene Risikoverteilung sowie entsprechend § 254 BGB auf eine Abwägung der Verursachungs- bzw. Verschuldensbeiträge ankommt. Für das daraus bezüglich des Unterlassens der Erstmusterprüfung durch den Abnehmer folgende Ergebnis der Schadensverteilung kann auf die Ausführungen von oben 75 verwiesen werden.
I I I . Ausgleichsansprüche gemäß § 426 I I BGB und § 5 S. 2 2. HS ProdHaftG i. V. m. § 426 I I BGB Soweit der Abnehmer den geschädigten Kunden befriedigt hat und von dem mitschuldenden Zulieferer Ausgleich verlangen kann, wird der Anspruch des Geschädigten gegen den Zulieferer im Wege der Legalzession nach § 426 Π 1 BGB, auf den § 5 S. 2 2. HS ProdHaftG verweist, auf den Abnehmer übertragen. Der Gesetzesformulierung „soweit" ist zu entnehmen, daß sich der Übergang der Gläubigeres S.o.: AchterTeilC.I. 74 Vgl. BGH NJW 1980, S. 2348 (2349); Taschner/Frietsch, § 5 ProdHaftG Rdnr. 12; Rolland, Produkthaftungsrecht, Teil I § 5 ProdHaftG Rdnr. 22. 75 S.o.: Achter TeilC. I.
C. Ausgleichung der Ersatzpflicht im Innenerhältnis
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forderung auf den Umfang des Ausgleichsanspruchs (§ 426 I 1 BGB, § 5 S. 2 1. HS ProdHaftG) 76 beschränkt. In diesem Umfang besteht der übergegangene Anspruch selbständig neben den gesetzlichen Ausgleichsansprüchen des § 426 I 1 BGB bzw. § 5 S. 2 1. HS ProdHaftG.
76 s. o.: Achter Teil C. I. und Achter Teil C. II.
Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit 1. Die fortschreitende Arbeitsteilung führte insbesondere in der Automobilindustrie zu einer ständigen Verringerung der Fertigungstiefe zahlreicher Abnehmer und damit zu einer Vergrößerung des Anteils einbaufertiger Zulieferungen an den Endprodukten. Wer die Qualität seiner Produkte sichern will, muß auch die Zulieferungen in seine Zielsetzungen und Bemühungen um die Sicherstellung der Qualität einbeziehen. 2. Die Erstmusterprüfung stellt ein Verfahren des Qualitätsmanagements bei Zulieferungen dar. Da Erstmuster ausschließlich mit den für die Serienfertigung vorgesehenen Einrichtungen und Verfahren gefertigt sind, belegen sie, ob die Qualitätsforderungen erfüllt werden, wenn die für die Serienproduktion vorgesehenen Einrichtungen und Verfahren angewendet werden. Verbesserungsmaßnahmen können gegebenenfalls qualitätswirksam und wirtschaftlich noch vor Beginn der Serienfertigung durchgeführt werden. 3. Dem Abschluß eines Erwerbsvertrages über die Zulieferung von Serienteilen kann ein Erstbemusterungsverfahren vorangeschaltet werden. Haben Abnehmer und Zulieferer keinen Vorvertrag geschlossen, um das künftige Zustandekommen des Vertrages bei einem positiven Verlauf der Bemusterung sicherzustellen, so entsteht in dem Fall, daß das Erstmuster den Qualitätsforderungen entspricht, zwar kein Anspruch des Zulieferers gegen den Abnehmer auf Abschluß des Liefervertrages. Der Abnehmer, der vom Vertragsschluß Abstand nimmt, obwohl das Erstmuster den in Zeichnungen und Spezifikationen enthaltenen Qualitätsforderungen entspricht, hat jedoch unter dem Aspekt der culpa in contrahendo dem auf den Vertragsschluß vertrauenden Zulieferer seine Investitionskosten zur Herstellung des Erstmusters zu erstatten, sofern sich diese Investitionen für den Zulieferer nunmehr als nutzlos erweisen. Unter bestimmten Voraussetzungen (so etwa bei Material- oder Verfahrenswechseln oder dem Wechsel des Unterlieferanten) wird die Erstbemusterung grundsätzlich in laufenden Lieferverträgen durchgeführt. 4. Die zwischen Abnehmer und Zulieferer bestehenden Lieferverträge sind selten als reine Kaufverträge bzw. als reine Werkverträge zu qualifizieren. In der Regel werden sie einem der beiden Vertragstypen des § 651 I 2 BGB zuzuordnen sein. Sind Zulieferteile speziell auf den jeweiligen Abnehmer und das Endprodukt, in das sie eingebaut werden sollen, zugeschnitten, führt dies dazu, daß diese Lieferverträge als Werklieferungsverträge i. e. S. gemäß § 651 1 2 2. HS BGB zu qualifizieren sind und damit werkvertragliche Elemente dominieren. Demgegenüber ist
Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit
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ein Vertrag über die Lieferung von Norm-/Standardteilen, bei denen produktspezifische Besonderheiten keine Rolle spielen und für die ein großer Abnehmerkreis in Frage kommt, als Lieferungskauf gemäß § 651 I 2 1. HS BGB einzuordnen. Normung und Standardisierung im Zulieferverhältnis bewirken damit eine Schwerpunktverschiebung von werk- zu kaufvertraglichen Elementen. 5. Schlägt das nach Abschluß eines DauerlieferungsVertrages durchgeführte Erstbemusterungsverfahren fehl, d. h. aufgrund erfolgloser Nachbemusterung zeigt sich, daß der Zulieferer das Erstmuster nicht vertragsgemäß herzustellen vermag, so besteht für den Abnehmer die Möglichkeit, sich durch fristlose Kündigung vom Vertrag mit dem Zulieferer zu lösen. Der Umstand allein, daß Abnehmer und Zulieferer vertraglich vereinbaren, daß der Beginn der Serienproduktion von der Freigabe des Erstmusters abhängt, rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, es handele sich bei dem Vertrag um einen auflösend bzw. aufschiebend bedingten Vertrag gemäß § 158 I, I I BGB. 6. Die Vereinbarung über den Vorbehalt des Abnehmers, die Serienherstellung nach einem Erstmuster des Zulieferers freizugeben, ist nicht als Vereinbarung eines Liefervertrages nach Muster zu qualifizieren. Die Eigenschaften des Erstmusters sind nicht gemäß § 494 BGB i. V. m. § 651 I 2 1. HS oder 2. HS BGB als zugesichert anzusehen. 7. Das Erstmuster vertritt die zu liefernde Ware nicht im Hinblick auf die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des § 377 HGB. Zwar ist die Obliegenheit des Abnehmers zur unverzüglichen Untersuchung und Rüge nach § 377 HGB dispositives Recht und kann damit durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung, daß das Erstmuster die zu liefernde Ware im Hinblick auf die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit vertreten soll, modifiziert werden. Eine solche Vereinbarung fehlt jedoch, wenn Abnehmer und Zulieferer das Erstbemusterungsverfahren unter Bezugnahme auf die Regelung in der VDA-Schrift Band 2 durchführen. Damit gilt, wenn ein Mangel der gelieferten Ware vorliegt, der bereits am Erstmuster offenkundig war bzw. im Rahmen einer Prüfung feststellbar war, vom Abnehmer aber nicht gerügt wurde, die Ware in bezug auf diesen Mangel nicht i. S. d. § 377 II HGB als genehmigt. 8. Den Abnehmer, der sich ein Erstmuster nach Abschluß des Liefervertrages vorstellen läßt, trifft die vertragliche Nebenpflicht, dieses Erstmuster eingehend zu untersuchen. Entdeckt der Abnehmer dabei einen Mangel, so hat er diesen dem Zulieferer mitzuteilen und die Freigabe zur Serienproduktion nicht zu erteilen. Eine entsprechende vorvertragliche Sorgfaltspflicht besteht, wenn sich der Abnehmer ein Erstmuster vor Abschluß des Liefervertrages in Form eines Werklieferungsvertrages i. e. S. gemäß § 651 12 2. HS BGB vorstellen läßt. Verletzt der Abnehmer diese vertragliche bzw. vorvertragliche Pflicht, so steht dem Zulieferer gegen den Abnehmer, der Gewährleistungsrechte wegen solcher Mängel geltend macht, die bei eingehender Prüfung bereits am Erstmuster erkennbar waren, ein Schadensersatzanspruch aus Positiver Vertragsverletzung bzw. aus
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Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit
culpa in contrahendo gegen den Abnehmer offen. Dieser ist jedoch um den Mitverschuldensanteil des Zulieferers in Höhe von 50 % zu kürzen, wenn der Zulieferer den Mangel des Erstmusters bei eingehender Prüfung selbst hätte entdecken können. Der Zulieferer kann damit letztlich verlangen, daß sein mit der Gewährleistung verbundenes Vermögensopfer zwischen ihm und dem Abnehmer geteilt wird. 9. Läßt sich der Abnehmer ein Erstmuster vor Abschluß eines Liefervertrages in Form eines Lieferungskaufes gemäß § 651 I 2 1. HS BGB vorstellen, so ist, wenn er dieses nicht eingehend untersucht und deshalb einen Mangel nicht entdeckt und die Freigabe erteilt, dieser Fall nicht anders zu behandeln als der unter 8. geschilderte Fall, daß das Erstmuster vor Abschluß eines Werklieferungsvertrages i. e. S. vorgelegt wird. Die auf den Lieferungskauf im Unterschied zum Werklieferungsvertrag i. e. S. anwendbare Vorschrift des § 460 BGB, die im Falle der Kenntnis bzw. der grob fahrlässigen Unkenntnis des Käufers vom Mangel der Kaufsache alle Ansprüche aus Sachmängelgewährleistung ausschließt, ist auf einfache Schuldverhältnisse zugeschnitten und trägt den Besonderheiten im Zusammenhang mit rechtlich komplexeren Dauerschuldverhältnissen keine Rechnung. Sie verdrängt daher nicht den um seinen Mitverschuldensanteil gekürzten Anspruch des Zulieferers gegen den Abnehmer aus culpa in contrahendo. 10. Die Klausel, daß der Abnehmer im Rahmen der vereinbarten Zeichnungen und Spezifikationen nach eigenem Ermessen Prüfungen durchführt, 1 ist gemäß § 9 I, I I Nr. 1 AGBG unwirksam. Sie vermag daher nicht, den Abnehmer von seiner Pflicht zur eingehenden Prüfung angeforderter Erstmuster zu entbinden. 11. Die Klausel, die dem Abnehmer die Möglichkeit einräumt, auf die Prüfung der Muster zu verzichten, 2 ist wirksam, denn sie betrifft den Fall, daß der Abnehmer auf die Vorlage der Muster verzichtet. Verzichtet der Abnehmer aber auf die Vorlage der Muster, so ist kein schützensweites Vertrauen des Zulieferers darauf auszumachen, daß eine Erstmusterprüfung durch den Abnehmer erfolgt. 12. Die Klausel, wonach eine Freigabe der Muster durch den Abnehmer den Lieferanten nicht von der Verantwortung für die Qualität seiner Produkte entbindet,3 ist gemäß § 9 I, II Nr. 1 AGBG unwirksam. 13. Die Klausel, die Informationspflichten des Zulieferers im Hinblick auf Produktänderungen, Produktionsverlagerungen, eine Änderung von Produktionsverfahren, ein längeres Aussetzen der Produktion und den Wechsel des Unterlieferanten vorsieht, 4 hält einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz stand. Eine schuldhafte Verletzung dieser Informationspflichten kann damit Schadensersatzansprüche auf der Basis der Positiven Vertragsverletzung begründen. ι 2 3 4
Vgl. VDA-Band 2, 2. Aufl., Vgl. VDA-Band 2, 2. Aufl., Vgl. VDA-Band 2, 2. Aufl., Vgl. VDA-Band 2, 2. Aufl.,
S. 16. S. 16. S. 16. S. 13 f.
Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit
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14. Nach der Produzentenhaftung auf der Grundlage des allgemeinen Deliktsrechts bestimmt sich die Verantwortung eines Herstellers im Rahmen der industriellen Arbeitsteilung durch die hinsichtlich des schadensverursachenden Produkts übernommene Rolle. Der Zulieferer ist grundsätzlich für sein Teilprodukt verantwortlich. Den Abnehmer treffen im Rahmen seiner haftungsrechtlichen Verantwortung für das Endprodukt auch Sicherungspflichten in bezug auf das zugelieferte Produkt. Die Erstmusterprüfung stellt eine zumutbare Maßnahme für den Abnehmer im Rahmen seiner Sicherungspflichten hinsichtlich der Zulieferteile dar. 15. Im Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes ist der Abnehmer zugleich auch verantwortlich für Fehler, die von vorausgehenden Gliedern der Fertigungskette verursacht wurden. Die Begrenzung der Haftung auf den eigenen Aufgabenbereich entfällt insoweit. 16. Haften Abnehmer und Zulieferer auf der Grundlage des allgemeinen Deliktsrechts gemäß § 840 i. V. m. §§ 421 ff. BGB als Gesamtschuldner, so ist der Zulieferer aufgrund der fehlerhaften Produktion der Einbauteile unter dem Gesichtspunkt der Vertragspflichtverletzung als anderweitiger Bestimmung i. S. d. § 426 I 1 BGB im Innenverhältnis zum Abnehmer grundsätzlich voll ausgleichspflichtig. Dieses Ergebnis ist im Einzelfall im Rahmen einer entsprechenden Anwendung des § 254 BGB zu korrigieren. So ist eine Mitverantwortung des Abnehmers in Höhe von 50% anzunehmen, wenn dieser die vertragliche Nebenpflicht bzw. die vorvertragliche Sorgfaltspflicht zur eingehenden Untersuchung angeforderter Erstmuster verletzt hat und er deshalb den den Haftpflichtschaden hervorrufenden Fehler nicht erkannt und die Freigabe erteilt hat. Hingegen kann der Verzicht auf die Vorlage und die Prüfung von Erstmustern dem Abnehmer nicht als Nachlässigkeit vorgehalten werden, die neben dem Pflichtenverstoß des Zulieferers ins Gewicht fällt und die gemäß § 254 I BGB analog zu einer Kürzung seines Ausgleichsanspruches führt. 17. Entsprechendes gilt gemäß § 5 S. 2 1. HS ProdHaftG, wenn Abnehmer und Zulieferer auf der Grundlage des Produkthaftungsgesetzes nach § 5 S. 1 ProdHaftG im Außenverhältnis als Gesamtschuldner haften. 18. Für den Fall, daß der Abnehmer seiner vertraglichen bzw. vorvertraglichen Pflicht zur eingehenden Prüfung angeforderter Erstmuster nicht nachkommt, wird folgendes deutlich: Der Abnehmer hat sowohl 50% der dem Zulieferer durch die Gewährleistung entstehenden Kosten zu übernehmen, als auch im Rahmen des Ausgleichs im Innenverhältnis zwischen den auf der Grundlage des Deliktsrechts bzw. des Produkthaftungsgesetzes Haftenden einen Anteil von 50 % zu tragen. Verzichtet der Abnehmer auf die Vorlage von Erstmustern, so ist die unterlassene Erstmusterprüfung des Abnehmers weder im Bereich der Gewährleistungshaftung des Zulieferers noch im Bereich des Ausgleichs im Innenverhältnis zwischen den Haftenden von Bedeutung.
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arverzeichnis Ablieferung der Ware 34, 67, 69, 7 7 / , 76, 77, 83 Abnehmer - Begriff 22 f. Abschlußfreiheit 40 f., 42,49, 117 ADHGB - Art. 340 60 - Art. 347 67 AGB-Gesetz 71, 88 ff., 111 ff., 138 Allgemeine Geschäftsbedingungen 43, 88 ff., 111 Amortisation 37,43 Analogie 50, 72, 95 - analoge Anwendung des § 377 HGB 72 ff. - analoge Anwendung des § 254 BGB 129 ff., 139 Arbeitsteilung 22ff, 69, 119, 122, 128, 136, 139 - vertikale Arbeitsteilung 121 Audit 38 Ausfallmuster - Begriff 78 - Zweck der Vorlage eines Ausfallmusters 79 - Vergleich mit dem Erstmuster 80 f. Ausgleichsanspruch - gemäß § 4261 1 BGB 127 ff., 139 - gemäß § 5 S. 2 1. HS ProdHaftG 134,139 - gemäß § 426 I I BGB und § 5 S. 2 2. HS ProdHaftG i. V. m. § 426 I I BGB 134 f. Auslegung 39, 72, 81, 95 - objektive 93 f., 95 - ergänzende Vertragsauslegung 81 Ausreißer 57 Außenverhältnis 113, 130, 134, 139 Bedingung 51 f., 137 Beweislastumkehr - bei der Annahme als Erfüllung (§ 363 BGB) 70
- bei der Produzentenhaftung 130 culpa in contrahendo 40, 41 f., 43, 85, 96, 101 ff, 104 ff., 108, 110, 131, 136, 138 Dauerlieferungsvertrag 50, 107, 137 Dauerschuldverhältnis 50, 77, 107, 108ff, 138 - Beendigung 50 f. deklaratorische Klauseln 94 Deliktsrecht 119, 139 - deliktsrechtliche Verantwortlichkeit 119 ff. Doppelprüfung 76 Eigenschaftszusicherung 53ff., 57, 62f., 64, 137 Eigenverantwortung - Grundsatz der Eigenverantwortung 119 f. Ermessen 87, 89, 91ff, 95, 96, 97, 111, 138 Erstbemusterungsverfahren - Anlaß 28 f. - Ablauf 29 ff. - Sinn und Zweck 32f., 36 ff., 132, 136 Erstmuster - Begriff 28 - Anforderung 28, 31, 37, 39, 41, 42, 85, 112, 114, 118, 131 - Herstellung 29, 36, 41 - Prüfung durch den Abnehmer 31, 75, 85f., 92, 96, 99, 100, 102,111, 112, 124f. - Prüfung durch den Lieferanten 29f., 98, 99, 100, 112, 122 - Aufbewahrung 29, 63 Erstmusterprüfbericht 30f., 56, 87, 112 Erwerbsgeschäft 43,45, 89, 90, 116, 136 - nach Muster 53 ff., 137 Fabrikationsfehler 32, 65 f., 70, 71, 72, 99, 122, 133
S ach wort Verzeichnis
151
Fehlervermeidung 25ff., 35, 67, 68, 74, 76, 99, 132 Fertigungstiefe - Reduktion 23,136 Freigabe 31, 39, 51, 52, 53, 55, 63, 70, 74, 75, 82, 87, 97, 101, 104, 110, 113, 114, 129, 131, 132, 137, 138, 139
Lieferantenauswahl 38, 124 Lieferungskauf 47, 49, 56, 58, 59, 62, 82, 104, 106, 110, 137, 138 Liefervertrag 36, 37, 38, 43, 44 ff., 49, 51, 52, 63, 66, 67, 71, 84, ,85, 89, 90, 91, 101, 128, 136, 137, 138 - Liefervertrag nach Muster 53 ff., 137
Genehmigungsfiktion 65 f., 75, 77,137 Gesamtschuldverhältnis 125, 126,127,130 Gesamtverantwortung 23, 120, 122 gesellschaftsähnliche Elemente 90 Gewährleistungsanspruch 34, 53, 65, 66, 73, 74, 75, 76, 83, 100, 105, 108, 113, 115 Gewährleistungsausschluß - gemäß § 460 BGB 104 ff., 138 - gemäß § 464 BGB 82 ff., 105 - gemäß § 640 I I BGB 82, 84
Make-or-buy 37 Mangelfolgeschäden 70 Mitteilungspflicht 87, 102, 117,137 Mitverantwortung 113, 114, 120, 129 ff., 139 Mitverschulden 98 ff., 103 f., 108, 110, 129, 134, 138
Handelskauf 66f., 13, 83 100%-Prüfung 34 Informationspflicht 29, 114 ff., 138 Inhaltskontrolle 93, 94, 138 - einzelner Klauseln 89, 94, 95 ff., III ff, 138 Innenverhältnis 113,114, 127 ff., 134, 139 Investitionskosten 33, 36 f., 40 - Erstattung der Investitionskosten zur Herstellung des Erstmusters 41 ff., 136 Just-in-sequenz 27 Just-in-time 26 f., 50, 51, 69, 90 Kauf nach Probe (§ 494 BGB) 53 ff. - wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung und Bedeutung 60 ff. Kaufvertrag 45 f., 56, 58, 66, 71, 116, 136, 137 Know-how 23, 37,117, 118, 125 Konkurrenz 21, 24 Kontrahierungszwang 41, 42 Kontrollfähigkeit (§ 8 AGBG) 94 f. Kontrollmaßstab (§ 9 AGBG) 95, 115 Kooperation 27, 51, 68, 90, 109 Kündigung 50 ff., 109,137 - Kündigungserklärung 51, 52 Kunde 21, 22, 23, 24, 28, 113, 117, 125, 126, 127, 128, 134
Nachbemusterung 31, 51, 137 Nebenpflicht 83, 84, 85ff, 97, 102, 116, 131, 137, 139 nicht vertretbare Sache 47f., 56 Null-Fehler (Zero-Defect) 27, 33, 64, 67 Pflicht zur Prüfung angeforderter Erstmuster 85f., 94, 96, 97, 102, 111, 112, 131, 133, 137,138,139 Pflichtenheft 123 Positive Vertragsverletzung 82, 83, 84ff., 96, 100, 103, 114, 117, 118, 137, 138 - Rechtsfolge 97 Präventionsfunktion des Erstbemusterungsverfahrens 74, 96 Produktänderung 28, 114, 115, 116f., 138 Produkt-Audit 38 Produkthaftung 114, 119, 121, 131 Produkthaftungsgesetz 119, 134 f., 139 - Verantwortlichkeit auf der Grundlage des Produkthaftungsgesetzes 125 ff. Produktvertrag 44 Produzentenhaftung 119, 130, 139 Prüfbescheinigung 31, 85 Prüfverzichtsklausel l l l f . , 138 Qualität 21 ff., 25, 26, 27, 28, 34, 43, 64, 75, 78, 113, 115, 132, 136, 138 Qualitätsfähigkeit 29, 32, 38 Qualitätsforderung 22, 24, 28, 51, 64, 66, 71,75, 80, 82, 99, 123, 132, 136 Qualitätsleistung 32
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arverzeichnis
Qualitätsmanagement 21 f., 34, 44, 64, 68, 76, 136 Qualitätsmanagementsystem 32, 38, 64 Qualitätsmanagementvereinbarungen 44, 51,68 Qualitätsmanagementverfahren 25, 27, 33, 68, 136 Quotenregelung 50 Rechtssicherheit 52, 108 Repräsentationsfunktion des Erstmusters 55, 57, 68, 80 Rückrufaktion 26 Sicherungspflichten 120,122ff., 130, 139 Sorgfaltspflicht 126 - vorvertragliche 102, 131, 133, 137, 139 Stichproben 34, 69, 70, 124 Sukzessivlieferungsvertrag 50, 107 System-Audit 38 Total-Quality-Management 22 Tunlichkeit des Geschäftsverkehrs (§ 377 HGB) 34, 69 Unklarheitenregel (§ 5 AGBG) 92 f. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit 34, 65ff., 83, 137
Unverzüglichkeit 34, 75 VDA 30, 32, 33, 43, 63, 87, 88, 94, 111, 113, 114, 118, 137 Verantwortungszu Weisungsklausel 113 f., 138 Verfahrens- Audit 38 Vergütungsanspruch (§ 6321 BGB) 37 verschuldensunabhängige Haftung 56, 58, 126 Vertrauensschutz 39, 40, 41f., 75, 85, 96, 102, 112, 116, 138 vertretbare Sache 47ff., 57, 66 Vorproduktion 28 Vorvertrag 39,41, 136 Wareneingangskontrolle 25, 33, 34, 67, 68 ff., 123 - Substitution der Wareneingangskontrolle durch eine Erstmusterprüfung 68 ff. Werklieferungsvertrag 46ff, 50, 53, 56, 58, 59, 62, 66, 84, 101, 104, 110, 116, 128, 136, 137, 138 Werkvertrag 45f., 58, 59, 136, 137 Zulieferer - Begriff 22 f. Zusicherungsfiktion 56, 63.