Die Parteipresse: Ihr Verfassungsrechtlicher Und Politischer Standort. Zugleich Ein Beitrag Zur Auslegung Der Art. 5, 9, 18 Und 21 Gg (German Edition) 3428003047, 9783428003044


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German Pages [57] Year 1967

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Die Parteipresse: Ihr Verfassungsrechtlicher Und Politischer Standort. Zugleich Ein Beitrag Zur Auslegung Der Art. 5, 9, 18 Und 21 Gg (German Edition)
 3428003047, 9783428003044

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Prodromos Dagtoglou /Die Parteipresse

Berliner Abhandlungen zum Presserecht herausgegeben von Karl August Bettermann, Ernst E. Hirsch und Peter Lerche

Heft 6

Die Parteipresse Ihr verfassungsrechtlicher und politischer Standort (Zugleich ein Beitrag zur Auslegung der Art. 5, 9, 18 und 21 GG)

Von

Priv.-Doz. Dr. Prodromos Dagtoglou

DUNCKER & HUMBLOTjBERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1967 Duncker & Hwnblot, Berlin Gedruckt 1967 bei Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH, FrankfurtjMain Printed in Germany

Vorwort In einer früheren Arbeit (Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, 1963, S. 20 Anm. 62) hatte der Verfasser die Frage offen gelassen, ob die Ablehnung der Ridderschen Unterstellung der politischen Presse unter Art. 21 GG den Ausschluß jeglicher Verbindung zwischen Art. 5 und 21 GG bedeute. Hier wird der Versuch unternommen, diese Verbindung über die Parteipresse herzustellen und den dabei entstehenden Grenzfragen auf den Grund zu gehen. Der verfassungsrechtlichen Untersuchung ist eine politische vorangestellt. Erscheinungen wie die politischen Parteien und die politische Presse können verfassungsrechtlich wohl kaum befriedigend untersucht werden, wenn die einschlägige politische Problematik nicht vorher aufgehellt wird. Daher die als Einführung zu einer grundsätzlich juristischen Untersuchung ungewöhnlich ausführliche Behandlung des politischen Problems im ersten Teil der Arbeit. Herrn Professor Dr. Karl August Bettermann möchte ich für die freundliche Aufnahme der Schrift in die "Berliner Abhandlungen zum Presserecht" bestens danken. Heidelberg, im Mai 1966

Prodromos Dagtoglou

Inhalt 5

Vorwort

Erster Teil Das politische Problem Presse und Partei . Die Parteipresse Die Parteirichtungspresse Die unparteiliche Presse . Die Entwicklung der Pressetypen in Deutschland (Ein kurzer Rückblick) . . . . . . . . . . . VI. Der Rückgang der Parteipresse - Die Gründe .

I. II. III. IV. V.

9

17 20 20 22

26

Zweiter Teil Das verfassungsrechtliche Problem I. II. III. IV. V. VI.

Parteiprivileg und Pressefreiheit Parteikern und Parteiorganisation (Ein kurzer Exkurs) Parteipresseorgane als Parteiorganisationen Die Träger der Parteipresseorgane Der Parteijournalist Ergebni;sse

31 34

37 39 45

55

Erster Teil

Das politische Problem I. Presse und Partei Jede politische Partei - die regierende, aber vor allem die oppositionelle - bedarf des Kommunikations- und Kampfmittels der Presse, um die Gunst der Wähler zu erreichen und zu erhalten. Die vom Art. 21 GG anerkannte "Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes" erfolgt in den Massenstaaten der Neuzeit vorwiegend durch Presse und Rundfunk. Nach dem Fernseh-Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht es aber fest, "daß der Rundfunk in Deutschland zu einer öffentlichen Einrichtung geworden ist und in öffentlicher Verantwortung steht" 1 • Schon aus diesem Grunde verbietet die deutsche Rechtsauffassung von der Stellung des Rundfunks, daß er zum offiziellen oder offiziösen Organ einer Partei wird oder auch nur eine bestimmte Partei bevorzugt oder benachteiligt. Vielmehr hat bekanntlich das Bundesverfassungsgericht aus dem Art. 5 GG das Gebot hergeleitet, "daß dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird". Daraus hat das Gericht auf die Notwendigkeit einer solchen Organisation der Veranstalter von Rundfunkdarbietungen geschlossen, "daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können" 2 • Der Rundfunk ist also verfassungsrechtlich zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet. Wenn auch die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, Art. 5 Abs. 1 GG verbiete die Verstaatlichung des Rundfunks und gebiete seine gegenwärtige pluralistisch-paritätische Organisationsart, fragwürdig ist8 , so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß der aus 1 BVerfGE 12, 205(246). Ebenso schon BVerfGE 7, 99(104). Auch in der Lehre wird diese Auffassung einhellig vertreten. 2 BVerfGE 12, 205 (262f). s Bettermann, Rundfunkfreiheit und Rundfunkorganisation, DVBl 1963, S. 41ff; Zeidter, Gedanken zum Fernseh-Urteil des BVerfG, AöR 86 (1961), 361ff (401ff); Dagtogtou, Der Private in der Verwaltung als Fachmann und Interessenvertreter, 1964 S. 75ff.

10

Erster Teil: Das politische Problem

technisch-ökonomischen Gründen monopolistisch strukturierte Rundfunk verfassungsrechtlich zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet ist. Diese "Neutralität" bedeutet zwar nicht Abstinenz von allem Politischen oder doch Parteipolitischen4• Sie gebietet aber "ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung"5. Schon aus dieser Erwägung folgt die bekanntlich primär auf den Grundsatz der Chancengleichheit6 und auf das öffentlich-rechtliche RundfunkmonopoP gestützte Pflicht der Rundfunkanstalten, allen politischen Parteien entsprechend ihrer Bedeutung Sendezeiten zur Wahlpropaganda zuzuteilen8 • Rechtsauffassung und Organisationsart der Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik beschränken also wesentlich die objektive Eignung des Rundfunks als eines parteipolitischen Kommunikations- und Kampfmittels. Hinzu kommen einige allgemeine Aspekte einer teilweisen Überlegenheit der Presse im Vergleich zum Rundfunk. Zunächst einmal der zeitliche Faktor; dieser ist für die Presse von Bedeutung nicht nur bei der Vorbereitung (Beschaffung der Nachrichten, Berichterstattung, Kommentierung), sondern (anders als beim Rundfunk) auch bei der Herstellung und dem Vertrieb der Zeitung. Daraus folgt, daß der Rundfunk sich für eilige Nachrichten wesentlich besser als die Presse eignet. Seine absolute Grenze findet er aber in der Länge der Darbietung: Dem Zeitungsumfang sind (mindestens theoretisch) keine Grenzen gezogen, während das Rundfunkprogramm aus Gründen der Zeit und der Aufnahmefähigkeit der Hörer absolut begrenzt ist. Auch hat die Zeitung das Moment der Permanenz für sich: man kann sie nochmals lesen, wenn man sie schlecht verstanden hat, man kann sie mit anderen vergleichen und aufbewahren9 • Freilich erreicht die Zeitung 4 Nach BVerfGE 14, 121 (136f) gehört sogar zur Neutralität und Sachlichkeit des Rundfunks, daß er "seinen Hörerkreis objektiv über die Gewichtsverteilung zwischen den bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen informiert". 5 BVerfGE 12, 205 (262 f); 14, 121 (136). 6 BVerfGE 7, 99; 13, 204; 14, 121. Dazu: W. Weber, Sendezeiten für Wahlpropaganda der politischen Parteien im Rundfunk, DÖV 1962, S. 241 ff (mit Hinweisen auf das weitere Schrifttum). 7 BVerfGE 14, 121 (133 f). 8 In BVerfGE 14, 121 (134) wird umgek ehrt zum Text - aus dem Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen die Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gefolgert, sich gegenüber dem Wahlwettbewerb der politischen Parteien grundsätzlich neutral zu verhalten. In derselben Entscheidung (S. 136 f) wird allerdings aus der Informationsfunktion des Rundfunks die Zuteilung von Sendezeiten an die politischen Parteien gerechtfertigt. Ein gewisser Zirkel der Argumentation ist damit offenbar, jedoch wegen der Interdependenz von Information und Politik wohl unvermeidlich. 9 B. Voyenne, La presse da ns la socü~te contemporaine (Paris 1962), S. 21.

I. Presse und Partei

ll

nur den Lesefähigen und (was in Europa und Nordamerika relevanter ist) nur den Leselustigen - eine immer kleiner werdende Menschenkategorie. Jedoch übt das gedruckte Wort auf den Leser eine besondere Faszination und Überzeugungskraft aus10, die weder vom Hörfunk noch vom Fernsehen voll erreicht werden kann: Im allgemeinen schenkt man dem Gelesenen mehr Vertrauen als dem Gehörten. Daher überrascht es kaum, wenn demoskopische Befragungen von 1952 mindestens für Europa erwiesen haben, daß die Presse als Informationsmittel eine größere Bedeutung besitzt als der Rundfunk 11 • Der Unterschied war aber bereits 1952 nicht groß; im übrigen stand das Fernsehen in den USA (aber auch in Italien) an erster Stelle. Neuere statistische Erhebungen in Frankreich (November 1962) erwiesen, daß das Fernsehen für 600fo der Besitzer von Fernsehgeräten und 460fo der gesamten französischen Bevölkerung das wesentliche Informationsmittel während der Vorwahlzeit war12• Selbst in Großbritannien, dem zei-

10 Bereits Ben Johnson (1565?-1642) betonte die Überzeugungskraft des gedruckten Wortes, als er einen Londoner Drucker, Nathaniel Butter, verspottete: "I am a printer, and a printer of news, and I do hearken after 'em wherever they may be ... It is the printing of 'em makes 'em news to a great many, who would indeed believe nothing but what's in print." (Zitiert bei H . W. Steed, The Press (London 1938), S. 118, siehe dort auch S . 212 f). 11 Eine Erhebung d es Instituts für Demoskopie in Allensbach, bei der 26 000 Personen gefragt wurden, führte u. a. auch zu Ergebnissen hinsichtlich

der Informationsquelle der Befragten. Von den vier informationsmäßig aufgegliederten Gruppen der Befragten (Uninformierte, mangelhaft Informierte, leidlich Informierte, gut Informierte) schöpften die leidlich und gut Informierten ihr Wissen bevorzugt aus der Zeitung oder aus Zeitung und Rundfunk. (Angaben bei E . Dovivat, Zeitungslehre, Bd. I!, Berlin 1955, S. 140). Das Internationale Presseinstitut (I. P. !.) in Zürich führte 1952 eine internationale Erhebung über den Nachrichtenverkehr durch. Auf die Frage, "Welche ist Ihre Hauptinformationsquelle über die auswärtigen Ereignisse" wurden folgende Antworten gegeben (wobei einige der Befragten mehrere Informationsquellen genannt haben, so daß die Summe 100 übersteigt) : Informationsquelle

USA

Zeitung Hörfunk/Fernsehen Andere Keine Antwort

47 °/o 72 ·0/o 13 Ofo 60fo

Großbritannien 52 °/o 51 Ofo 8 °/o 8 ~/o

Frankreich

Italien

64 Ofo 50 Ofo 19 Ofo 90fo

41 Ofo 43 °/o 14 Ofo 22 Ofo

(Aus der Veröffentlichung des I. P. I.: The Flow of the News, Zürich, 1953, S. 150). Es muß freilich darauf aufmerksam gemacht werden, daß sich die Frage nur auf auswärtige Ereignisse bezog (vgl. unten Anm. 35). 12 G. Michelat, Television, Moyens d'Information et Comportement Electoral, in: Revue fran~;aise de science politique, Bd. XIV (1964), S. 877 ff. (882/3, auch Tabellen 3 und 4) .

12

Erster Teil: Das politische Problem

tungsfreundlichsten Land der Welt13, ist die Macht der Presse gegenüber dem Fernsehen anscheinend zurück:gegangen14 ; das ist allerdings umstritten15• Nicht umstritten ist dagegen die politische Bedeutung des Fernsehens für den Wahlkampf16 ; sie erklärt sich durch die ständige Zunahme der Zahl der Fernsehgeräte17 und das hohe Ansehen der BBC bei der britischen Bevölkerung. Eine genaue Beurteilung der politischen Einflußmacht von Presse und Fernsehen ist jedoch kaum möglich, weil die zahlreichen, oft gegenläufigen bestimmenden Faktoren wechseln. Bezeichnend für die Unsicherheit jeder Bemessung der Einflußmacht der Massenkommunikationsmittel ist die Tatsache, daß die Soziologen und die Politologen in Frankreich, wo ja die Bedeutung des Fernsehens als Informationsmittel anerkannt ist, eine nur beschränkte Rolle beim Wahlsieg des Präsidenten de Gaulle dem Fernsehen zusprechen18• Auch in der Bundesrepublik wird auf die Schwierigkeiten hingewiesen, Umfang und Tiefenwirkung der Beeinflussung des Wählers durch die Presse und den Rundfunk zu beurteilen19• Parteipolitische Fernsehsendun13 Täglich 50,6 Zeitungsexemplare pro 100 Einwohner nach den Angaben in der Veröffentlichung der UNESCO, World Communications, 1964; an zweiter und dritter Stelle - aber mit erheblichem Unterschied - kommen Schweden mit 46,6 pro 100 Einwohner und Luxemburg mit 44,5; Frankreich 27 Dfo; in der Bundesrepublik werden 30,7 Zeitungsexemplare pro 100 Einwohner verkauft. Nach Angaben des Statistischen Jahrbuchs für die Bundesrepublik Deutschland 1965 (S. 122) erreichen die in der Bundesrepublik einschließlich Berlin (West) erscheinenden Tageszeitungen eine Gesamtauflage von 17 600 000 Exemplaren, d. h. (bei einer Bevölkerung von 58 267 000- S. 21) etwas weniger als 30,2 Zeitungen pro 100 Einwohner. 14 Royal Commission of the Press 1961-62, Report (Cmnd. 1811, London 1962), Nr. 29 (S. 18). 15 J. Trenaman D. McQuail, Television and the political image. A study of the Impact of Television on the 1959 General Election (London 1961), s. 223. 1a J. Trenaman- D. McQuail, aaO. S. 223; D . E. Butler- R. Nose, The British General Election of 1959 (London 1960), S. 75 ff. (90 f.). 17 Gegenüber 12 621 901 lizenzierten Fernsehgeräten im Juli 1963 (Central Office of Information, Sound and Television Broadcasting in Britain, London 1963, S. 25) waren im Juni 1965 13 358 000 Fernsehlizenzen erteilt (Britain, An official Handbook, 1966 Edition, prepared by the Central Office of Information, London, S. 482). 18 R. Remond- C. Neuschwader, Television et Comportement Politique, in: Revue fran~;aise de science politique, Bd. XIII (1963), S. 325 ff. 343); G . Michelat, Television, Moyens d'Information et Comportement Electoral, aaO S. 903-5; Michelat zitiert auch (S. 904 f.): M. Janowitz- R. Schulze, Tendance de la recherche dans le domaine des communications de masse, in: Communications 1. 1961, S. 28 f. - Freilich muß die Tatsache berücksichtigt werden, daß die soziologische Forschung der Wahlbedeutung des Fernsehens in Frankreich erst vor kurzem angefangen hat: S. Antoine - J. Oulif, La Sociologie Politique et la Television, in: Revue fran~;aise de science politique, Bd. XII (1962), S. 129 ff. 19 B. Vogel P. Haungs, Wahlkampf und Wählertradition. Eine Studie zur Bundestagswahl von 1961 (Köln und Opladen 1965) S. 344.

I. Presse und Partei

13

gen scheinen jedenfalls in der Bundesrepublik nicht populär zu sein20 ; Parteien und Wähler scheinen ihnen nach einer Analyse der Bundestagswahl vori' 1957 nur geringe Bedeutung zuzumessen21 • Mit Recht wird aber in einer Untersuchung der Bundestagswahl von 1961 hierzu bemerkt, daß in den letzten fünf Jahren die Zahl der Fernsehapparate erheblich zugenommen habe, von 900 000 zur Zeit des Wahlkampfes von 1957 auf etwa 7 Millionen bis Ende 196222 • Daß dabei die Einflußmacht des Fernsehens zunimmt, liegt auf der Hand. Wenn auch das Einflußmachtverhältnis zwischen Rundfunk und Presse umstritten ist, eines darf wohl als sicher betrachtet werden: Die Presse als Ganzes bleibt in Europa nach wie vor das zur sachlichen Unterrichtung und rationalen Meinungsbildung an erster Stelle berufene publizistische Mittel23 • Zugleich bleibt allerdings das Presseorgan ein besonders gewichtiger Faktor des parteipolitischen Kampfes. Es ist nicht zufällig, daß der Sekretär des Parteivorstandes der KPD Max 2 0 Im Zusammenhang mit Wünschen von Parteien nach besonderen Sendezeiten, die Anfang 1954 zur Diskussion standen, wurde an die Hörer des Süddeutschen Rundfunks im Frühjahr 1954 die Frage gestellt: "Sind Sie dafür oder dagegen, daß der Süddeutsche Rundfunk in sein Programm eine neue Sendereihe aufnimmt, in der jede Woche eine halbe Stunde lang Vertreter der verschiedenen Parteien sprechen?" Dagegen waren 39 °/o der Hörer, 37 ~/o blieben unentschieden und nur 24 Ofo waren dafür; Angaben bei F. Eberhard, Der Rundfunkhörer und sein Programm. Ein Programm zur empirischen Sozialforschung (Berlin 1962) S. 171. 21 U. W. Kitzinger, Wahlkampf in Westdeutschland (Göttingen 1960, übersetzt aus dem englischen "German Electoral Politics, A study of the 1957 Campaign [London 1960], S. 223: "In Wirklichkeit maßen sie [die Wahlmanager] diesem Medium [dem Rundfunk] jedoch überraschend wenig Bedeutung bei." Kitzinger bezweifelt auch, "ob die Fernsehprogramme irgendwelchen Einfluß auf die Stimmabgabe ausüben" (S. 224). 22 B. Vogel P . Haungs, aaO. S. 526 f. (Anm. 100). 23 Institut für Publizistik der Freien Universität BerHn, Die Deutsche Presse 1961 (Berlin 1961) S. 30*. So auch jüngstens Scheuner, in VVDStRL 22 (1965), S. 26. Das trifft natürlich für den Leser einer einzigen konfessionell oder parteipolitisch orientierten Zeitung nicht zu. Insofern hat U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, (Stuttgart 1963) S. 27 f., Recht, wenn er auf die große Zahl einseitiger Zeitungen den geringen Grad an objektiver Unterrichtung des deutschen Wählers zurückführt: "Nachrichten aus der Politik entnehmen 51 v. H. den Zeitungen, während 20 v. H. das Radio und 16 v. H. das Fernsehen bevorzugen; Zeitschriften werden von 3 v. H. und die Wochenschau von 1 v. H. als bevorzugte Informationsquelle genannt. (W. Hartenstein gern. mit G. Schubert, Mitlaufen oder Mitbestimmen - eine Untersuchung zum demokratischen Bewußtsein und zur politischen Tradition, Frankfurt 1961, S. 30). Bedenkt man dabei, daß weit mehr als die Hälfte der in der Bundesrepublik erscheinenden Zeitungen konfessionell oder parteipolitisch orientiert ist, dann läßt sich vermuten, wie gering der Grad an objektiver Unterrichtung ist, der das Urteil der Mehrheit der Wähler bestimmt. Das Fernsehen und der Funk bleiben (auf Grund ihrer Organisation und der damit gegebenen Einschränkung einseitiger Tendenzen) die Institutionen, die am ehesten traditionelle Verhaltensstrukturen auflockern und eine ausgewogene Nachrichtenübermittlung gewährleisten können ..." Vgl. jedoch unten im Text.

14

Erster Teil: Das politische Problem

Schäfer die Presse als "das Hauptmittel zur Durchführung unserer Politik" bezeichnete24 • Es wäre jedoch eine Überschätzung der politischen Einflußmacht der Presse, wollte man die Leser einer Zeitung als notwendige Anhänger der von ihr unterstützten politischen Richtung oder gar Partei ansehen. Denn ein großer Teil der Leser einer Zeitung teilt deren politische Tendenz nicht. Das ist eine alte Erkenntnis25 und spiegelt sich in der Diskrepanz von 1932 wider, "als das Naziregime sich gegen 75Dfo einer aufrecht und unabhängig kämpfenden demokratischen Presse durchsetzte"26. Die im Jahre 1961 veröffentlichten Untersuchungen des Instituts für Publizistik der Freien Universität Berlin ergaben, daß sich die Unterschiede zwischen Auflageziffern und Wählerstimmen in bestimmten Grenzen hielten, aber doch sehr wahrnehmbar waren: "Es gab 1957 Wahlkreise, in denen die absolute Mehrheit einer Partei gegen die absolute Auflagenmehrheit der Gegenpartei durchgesetzt wurde. Freilich gab es ebenso die genaue Umkehrung dieser Zahlenverhältnisse. Erhebliche, ja erstaunliche Rechts- und Linksabweichungen gegenüber den Auflageziffern richtunggebender Blätter waren in größerer Zahl zu beobachten" 27 . Der Grund dafür ist nicht so sehr, daß die Presse nicht mehr allein- wie im 19. Jahrhundert- "der Mund des Volkes und das Ohr des Fürsten" (Joseph Görres) ist28, und daß neben ihr die jungen Mittel der Publizistik, vor allem Rundfunk und Fernsehen, die politischen Entscheidungen der Leser beeinflussen29 . Vielmehr ist es, wie gesagt, statistisch erwiesen, daß die Zeitung nach wie vor die wichtigste Quelle politischer Information bleibt30 - für diejenigen freilich nur, die informiert werden wollen! Auch können 2 ~ In seinem Referat auf der 22. Tagung des Parteivorstandes über "Die Aufgaben der Partei zur Verbesserung der Pressearbeit", zitiert nach H. Kluth, Die KPD in der Bundesrepublik - Ihre politische Tätigkeit und Organisation 1945- 1956 (Köln und Opladen 1959) S. 96. - Zur Presse als Machtmittel der Parteiführer s. Michels, Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie (1911, Neudruck der 2.Aufl. 1957) S. 125 ff., 185. 25 H. Traub , Grundbegriffe des Zeitungswesens (Stuttgart 1933) S. 178. 26 So Institut für Publizistik der Freien Universität Berlin, "Die Deutsche Presse 1961" (Berlin 1961) S. 29* mit Hinweis auf "Die Deutsche Presse 1954" (Berlin 1954). Vgl. auch Dovivat, Art. "Presse" im Staatslexikon Bd. VI (Freiburg 1961) Sp. 456 ff. (461); derselbe, Art. "Presse" im Handwörterbuch der Sozialwissenschaften Bd. 8 (Göttingen 1964) S. 518 ff. (519). 27 Die Deutsche Presse 1961, S. 29; M. L. Müller, Der gesinnungsmäßige Standort westdeutscher Tageszeitungen und die Bundestagswahl 1957, Berlin 1961; v. d. Heydte-Sacherl, Soziologie der deutschen Parteien, München 1955, S. 109 f.; Dovivat in Staatslexikon Bd. VI Sp. 465; derselbe in HDSW s. 519. 28 In seinem berühmten Aufsatz: Über die deutschen Zeitungen im "Rheinischen Merkur" vom 1. und 3. Juli 1814, Nr. 80 und 81. 29 Die Deutsche Presse 1961, S. 21 * f. 30 Vgl. oben Anm. 11. Siehe auch Lohmar, Innerparteiliche Demokratie S. 27.

I. Presse und Partei

15

"die anderen Mittel und Wege zu regelmäßigem Nachrichtenaustausch und emotionaler Massenerregung" 31 keinen hinreichenden Grund der Diskrepanz zwischen Auflageziffern und Wählerstimmen darstellen, denn solche Mittel und Wege hat es immer gegeben. Der Grund muß also tiefer gesucht werden. Er liegt wohl in der für unsere Zeit charakteristischen Kombination politischen Mißtrauens und Desinteresses. Es ist auch statistisch erwiesen 32, daß der Antrieb zur Zeitungslektüre bei der Mehrheit der Leser nicht die politische Information ist33. Diese Erscheinung beschränkt sich keineswegs auf Deutschland. Für Großbritannien gilt gleiches. "Das britische Publikum scheint im allgemeinen seine Zeitungen nicht wegen ihrer politischen Anschauungen zu wählen, sondern wegen ihres Unterhaltungswerts, ihres allgemeinen Inhalts, der Nachrichtendarstellung, der Lebendigkeit der Aufmachung und des Sport-Teils"34 • Aus einer Erhebung, die die britische National Opinion Polis Ltd. im Auftrag der Wochenzeitung "The Observer" neuerdings durchführte, ergab sich, daß die politischen Sympathien der Zeitungsleser nicht unbedingt die politische Anschauung der Zeitungen, die sie lesen, wiedergeben, sondern dieser oft widersprechen. Die politische Haltung der Leser werde mehr durch ihre soziale Schicht als durch die politische Haltung ihrer Zeitung bestimmt. So ergibt sich, daß konservative Zeitungen wie der "Daily Express" und der "Daily Sketch" viel mehr sozialistische und liberale als konservative Leser haben. Umgekehrt zählt der nicht gerade konservative "Observer" meistens Konservative zu seinen Lesern35. Entsprechendes gilt auch für die Vereinigten Staaten. Die ständige republikanische Mehrheit der amerikanischen Presse (selbst in der Zeit 31 Die Deutsche Presse 1961, S. 30*.

Hagemann ennittelte nur etwa 47 Ofo der in einer Erhebung befragten 500 Personen, die als Antrieb zur Zeitungslektüre die politische Information angaben (Erhebung des Instituts für Publizistik an der Universität Münster, 1951); in Wien ermittelte L. Martinides, (Leser und Zeitung, Studien zur Zeitungsbetriebslehre, hrsg. von der Universität Wien 1954) in einer Befragung von 5000 Personen nur 30,9 Ofo politisch motivierte Zeitungsleser (Angaben bei E. Dovivat, Zeitungslehre Bd. II, Berlin 1955, S. 141). 33 Die Feststellung widerspricht der bereits erwähnten statistischen Bezeichnung der Presse als wichtigstes Informationsmittel nicht; denn der Antrieb, Rundfunk zu hören oder fernzusehen, ist noch weniger als bei der Presse der Wunsch nach politischer Informa tion. 3( General Office of Information, The British Press (London 1961), S. 22. 35 Siehe die statistischen Daten in: "The Observer" vom 17. Januar 1965. Francis Williams, Press, Parliament and People (London 1946) S. 162 ff. Ferner: Kingsley Martin, The Press the Public wants (London 1947) S. 68 ff. 141 ff., der auch auf die Tatsache hinweist (S. 77, 78 ff., 141 f.), daß die Einflußmacht der Presse hinsichtlich der auswärtigen Angelegenheiten größer ist (weil der Leser weniger in der Lage ist, sich ein eigenes Urteil zu bilden) als in der Innenpolitik. 32

16

Erster Teil: Das politische Problem

der Triumphe demokratischer Präsidenten) ist fast legendär geworden36 • Im Jahre 1916 wurde der Demokrat Wilson gegen eine republikanische Mehrheit von 65°/o der politisch engagierten Presse zum Präsidenten gewählt. Franklin D. Roosevelt erreichte 1926 eine Mehrheit von 58% (ohne gewählt zu werden), während 60% der politisch engagierten Presse die Wiederwahl Hoovers unterstützte. Auch 1932 und 1940 setzte sich die Mehrheit der Presse (63% bzw. 75%) für die mit großer Mehrheit geschlagenen Kandidaten Landon und Wilkie ein. Auch Harry Truman wurde 1948 mit der Unterstützung von nur 18% der politisch engagierten Presse zum Präsidenten gewählt. Ebenso irreführend war die politische Zusammensetzung der Presse nach den Wahlen von 1948. In beiden Wahlen von 1952 und 1956 standen die Demokraten einer republikanischen Pressemehrheit von 75% gegenüber, so daß Adlai E. Stevensan 1956 von einer "one party press" sprach. Nixon wurde 1960 von über dreimal mehr Zeitungen unterstützt als sein siegreicher Gegenkandidat Kennedy. Im allgemeinen zeigt die Geschichte der amerikanischen Präsidentenwahlen, daß es niemals ein realistisches Verhältnis zwischen politisch engagierter Presse und Wahlerfolgen gegeben hat37 • Auch in Frankreich spiegelt die politische Linie der großen Zeitungen keineswegs die politische Einstellung der Leser wider38 • In den Wahlen von 1958 errang de Gaulle eine große Mehrheit gegen eine überwiegend ablehnende Presse39 • Die Auflageziffern der verschiedenen Presseorgane geben also keine zuverlässige Auskunft über die Stärke der von ihnen unterstützten Parteien. Die Popularität einer Zeitung ist noch kein Nachweis für die Popularität der ihr nahestehenden Partei. Umgekehrt läßt sich aus den kleinen Auflageziffern der mit einer Partei sympathisierenden Presse noch nicht auf die Schwäche dieser Partei schließen. Das gilt auch für die Parteipresse: Aus den niedrigen Auflageziffern des Presseorgans einer Partei auf deren Schwäche zu schließen, wäre 36

Mott, American Journalism, A History 1690-1960 (3. Aufl. New York

1962)

s.

719/20, 769, 858.

Mott, American Journalism, S. 720. Zu diesem Phänomen eingehend: Kurt und Gtadys Enget Lang, The Mass Media and Voting, in: American Voting Behavior, hrsg. von E. Burdick und A. J. Brodbeck (Illinois 1959), 37

s.

217 ff.

Voyenne, La Presse dans la societe contemporaine (Paris 1962) S. 186. Dovivat, Staatslexikon VI, 456 fi. (465). Indem freilich die antigaullistische Presse den Sieg de Gaulies als unvermeidlich und jede Opposition gegen ihn als aussichtslos bezeichnete, trug sie zum Sieg des Generals erheblich bei! Siehe dazu den Aufsatz des directeur adjoint de !'Institut Fran!;ais de Presse Jacques Kayser, La presse parisienne et provinciale devant les elections legislatives. - Le referendum de septerobre et les elections de novembre 1958, (Paris 1960), S. 69 ff. (94 f.). 38

39

II. Die Parteipresse

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irreführend - vor allem wenh es sich um eine "bürgerliche" Partei handelt. Aber auch die sozialistische Parteipresse steht der sozialistischen Wählerschaft ziffernmäßig sehr nach. Das galt natürlich in besonders hohem Maße im Kaiserreich, wo der Sozialismus zwischen staatlicher Feindschaft und gesellschaftlicher Verachtung lavieren mußte. So hatte das sozialistische "Hamburger Echo" im Jahre 1912 rund 58 000 Bezieher, während bei den Wahlen mehr als 138 000 sozialdemokratische Stimmen abgegeben wurden. Demgegenüber betrug die Auflage der bürgerlichen Presse 200 000, die Zahl der bürgerlichen Stimmen aber nur 87 00040 • Zu den erwähnten Gründen dieser Diskrepanz kamen schon damals die Faktoren des Rückgangs der Parteipresse hinzu. Diesen Faktoren kommt heute - trotz der Änderung des redaktionellen Stils und des politischen Klimas - eine noch entscheidendere Rolle zu. Niemandem würde heute in den Sinn kommen, aus der Auflageziffer des "Vorwärts"41 auf die Stärke der SPD zu schließen. Die geschilderte Beschränkung der politischen Einflußmacht der Presse hat jedoch die .Parteien nicht davon abgehalten, um die Unterstützung der Presse zu werben und womöglich eigene Presse- und Nachrichtendienste42 zu unterhalten. Denn trotzder Beschränktheit des Einflusses der Presse bleibt diese das nachhaltige Massenkommunikationsorgan und politische Kampfmittel, dessen sich die politischen Parteien ständig und in großem Umfang bedienen müssen und auch tatsächlich bedienen.

II. Die Parteipresse Es ist vorwiegend Aufgabe der Publizistik, die praktischen Wege der Beeinflussung der Presse durch die Parteien zu untersuchen. Otto Groth unterscheidet in seinem großangelegten Werk über "Die unerkannte Kulturmacht - Grundlegung der Zeitungswissenschaft (Periodik)" drei mögliche Beziehungen der Parteien zur periodischen Presse: Einmal durch irgendeine wirtschaftliche und rechtliche Verknüpfung mit dem Verlag, dem wirtschaftlichen Unternehmen der Zeitungen und 40 E. Dovivat, Die Zeitungen, in: Die Deutsche Wirtschaft und ihre Führer, Bd. 3 (1925) S. 84. 41 Das oben erwähnte Berliner Pressehandbuch (S. 715) gibt als Auflage des "Vorwärts" im Dezember 1960 56 000 Exemplare an. Nach neuerenAngaben von W. Stamm, Leitfaden für Presse und Werbung, 19. Ausg. 1966, Teil 2, S. 33 (unter Erscheinungsort Bad Godesberg), ist die Auflage des "Vorwärts" auf 60 800 Exemplare gestiegen. 42 Für die CDU: Deutschland-Union Dienst (Organ der CDU und CSU) und CDU-Auslands-Pressedienst; für die SPD: Sozialdemokratischer Pressedienst (Organ der SPD, 1946 neu gegründet); für die FDP: Freie Demokratische Korrespondenz (Pressedienst der FDP).

2 Dagtoglou

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Erster Teil: Das politische Problem

Zeitschriften; sodann durch Einwirkungen auf die Redaktion, das geistige Unternehmen; schließlich durch die Beteiligung an der Beschaffung des periodikalischen Stoffes43 . Diese Unterscheidung ist aber für den Juristen wenig brauchbar. Der vorliegenden Untersuchung wird daher eine Unterscheidung zwischen Parteipresse, Parteirichtungspresse und unparteilicher Presse zugrunde gelegt. Parteipresse ist die von der Partei abhängige Presse. Dieses Abhängigkeitsverhältnis weist in der Praxis unendliche Variationen auf, kann aber theoretisch in zwei Stufen eingeordnet werden. Dementsprechend läßt sich die Parteipresse in weitem Sinne in parteigebundene und parteiverbundene Presse einteilen. a) Die parteigebundene Presse oder Parteipresse im engeren Sinne, fungiert als publizistisches Organ der Partei und gibt sich oft als solches aus (parteioffizielle Presse). Auf die Bezeichnung kommt es aber nicht entscheidend an. Ebensowenig ist die rechtliche Selbständigkeit ausschlaggebend. Wichtig ist das tatsächliche Abhängigkeitsverhältnis zwischen Partei und Presseorgan. Ist das Presseorgan parteieigen44 oder zwar rechtlich selbständig, aber von der Partei ganz oder doch in entscheidendem Umfang finanziell getragen, so ist es "parteigebunden" im hier vorgeschlagenen Sinne. Dasselbe gilt für das im Eigentum des Parteiführers oder eines führenden Parteimitglieds oder -funktionärs befindliche, aber die offiziellen Parteiziele verfolgende Presseorgan45. Ebenso parteigebunden ist die Zeitung, die einer Genossenschaft der Parteimitglieder gehört, die die Gründungsanteile kaufen46 • Um ein parteigebundenes Presseorgan handelt es sich auch, wenn dieses 43 Bd. 5, S. 268 ff., insbes. 270 ff. Über den Grad "geistiger Verbundenheit der Presse mit der Partei" vgl. Bd. 5 S. 288 ff. 44 So z. B. gehörten der "Neue Sozialdemokrat" dem "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" (Lassallesche Gruppe der Sozialdemokraten), der "Volksstaat" der sozialdemokratischen "Arbeiterpartei" (Bebel-LiebknechtGruppe) an. Kurz nach der Einigung der beiden Gruppen (1875) wurde das Zentralorgan der Partei, der erste (Leipziger) "Vorwärts" gleichfalls Parteieigentum. - Heute gibt es mehrere parteieigene Zeitungen in Deutschland; s. Angaben in der Veröffentlichung des Instituts für Publizistik der Freien Universität Berlin, Die Deutsche Presse 1961. 45 So war v. Schweitzer, der Nachfolger Lassalles, Eigentümer der Zeitung des "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins" bis zur Gründung des vereinseigenen Blattes "Neuer Sozialdemokrat" (1871). Auch Führer oder Hintermänner kleiner persönlicher oder Interessenparteien sind oft Eigentümer von Parteizeitungen (s. auch unten Anm. 66). Zum Parteimäzenatentum und sein Verhältnis zur Parteipresse und Parteipolitik s. Michels, Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie, S. 110. 46 So wird die britische kommunistische Zeitung "Daily Worker" von der People's Press Printing Society Limited (30 000 Mitglieder) getragen; aus diesem Grund trägt der "Daily Worker" jeden Tag den Satz "The only daily paper owned by its readers". Siehe Central Office of Information, The British Press (London 1965) S. 8 f.; Viscount Camrose, British Newspapers and their controllers (London 1947) S. 76 f.

II. Die Parteipresse

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trotz rechtlicher Selbständigkeit der Parteiführung unterstellt ist oder von führenden Parteifunktionären (zwar nicht eigentumsmäßig getragen, aber) herausgegeben oder redigiert wird47 • Wird ein Presseorgan von der Partei bzw. dem Parteivorstand selbst herausgegeben, so ist es immer ein "parteigebundenes" Presseorgan, selbst wenn es unmittelbar keine Parteipolitik betreibt, sondern der politischen Wissenschaft, der Zeitgeschichte oder der Staatsbürgerkunde dienen soll4 B. Parteigebunden ist also ein Presseorgan, das von der Partei getragen wird oder effektiv und hauptsächlich als Parteiorgan fungiert und sich damit als Glied des Parteiorganismus erweist. b) Die parteiverbundene Presse ist kein "Organ" der Partei und kein "Glied" des Parteiorganismus. Sie ist auch immer rechtlich selbständig. Sie steht jedoch in einem offenen oder verdeckten, organisatorischen oder finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zu der Partei. Dieses Abhängigkeitsverhältnis ist wesentlich mehr als ein wechselseitiges Band der Sympathie zwischen Partei und Presseorgan, bei dessen Vorliegen man von einer "Parteirichtungspresse" spricht49 • Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Partei und parteiverbundener Presse reicht aber nicht bis zur völligen Eingliederung in den Parteiorganismus oder zur ausschlaggebenden Finanzierung durch die Partei; denn dann läge eine parteigebundene Presse vor. Bloß parteiverbunden ist ein Presseorgan, wenn es nicht nur den Zwecken der Partei dient, sondern auch aus anderen Gründen herausgegeben wird und auch an anderen Zielen orientiert ist.

47 So übernahm Liebknecht die Leitung des 1891 gegründeten (Berliner) "Vorwärts". Parteigebunden waren auch die von Funktionären der KPD redigierten, auf Weisung der Partei auch als kollektive Propagandisten tätigen Betriebszeitungen, die vor dem Verbot der KPD zu Hunderten erschienen; siehe "Wissen und Tat", Nr. 7/1954, S. 91 (zitiert im KPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 5, S. 215). 48 Die Einordnung der Zeitungen und Zeitschriften in die verschiedenen Kategorien des Berliner Pressehandbuchs ist nicht immer einleuchtend. So wird das traditionelle Presseorgan der SPD nicht als "parteipolitisch" bezeichnet, sondern unter den allgemeinen Wochenblättern genannt, obwohl das Pressehandbuch als Vorwärtsherausgeber den SPD-Vorstand angibt. Das gleiche gilt für die vom SPD-Landesverband Berlin herausgegebene "Berliner Stimme". Auch werden die vom FDP-Landesverband Harnburg herausgegebene Zeitschrift "Die Freie Stadt" und das kommunalpolitische Organ der FDP "Das Rathaus" als staatsbürgerliche Zeitschriften bezeichnet und in der Sachgruppe "partei-politische Zeitschriften" nicht erwähnt. Jedoch ist jedes Presseorgan, das von einer Partei herausgegeben ist, eo ipso "parteipolitisch" - eine Bezeichnung, die keinen Vorwurf, sondern eine faktische Feststellung enthält. 49 Siehe unten unter III.

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Erster Teil: Das politische Problem 111. Die Parteirichtungspresse

Indem die parteiverbundene Presse zu derjenigen Presse abgegrenzt wurde, die eine wechselseitige Sympathie und Einflußnahme mit einer Partei verbindet, wurde der Begriff der "Parteirichtungspresse" 50 schon angedeutet. Dabei handelt es sich nicht mehr um eine "Parteipresse". Die Zeitung steht weder in einem organisatorischen noch in einem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zu einer Partei - und zwar weder offen noch verdeckt. Sie teilt jedoch die politische Grundlinie der Partei - wobei der Grund (ideologische Überzeugung oder kommerzielle Kalkulation) soweit ohne Belang bleibt, als er nicht in der Bestechung der Zeitung liegt. Eine Zeitung, die ihre politische Orientierung einer Partei "verkauft", wird zur Parteipresse, meist zur parteiverbundenen. Sonst liegt es in der Natur der Sache, daß die Parteirichtungszeitung sich besonderer Kontakte zu der Partei und einer oft privilegierten Information durch diese Partei erfreut. Weder dieser Umstand noch die treue Verfolgung der Parteilinie stellt einen genügenden Nachweis der Parteiabhängigkeit dar. Wann diese vorliegt, ist bereits oben skizziert worden und läßt sich nur von Fall zu Fall feststellen. Parteirichtungszeitungen waren die meisten der sog. Gesinnungszeitungen des vergangenen und der ersten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts; sie sind auch heute noch nicht selten zu finden. Darauf ist noch zurückzukommen61 • IV. Die unparteiliche Presse Den Gegenpol der Parteipresse stellt die unparteiliche Presse dar52 • Sie ist an keine Partei "gebunden", auch keiner bloß "verbunden"; sie folgt auch keiner bestimmten parteipolitischen Linie: sie ist parteipolitisch überhaupt nicht engagiert und demonstriert diesen Umstand mit der Bezeichnung "überparteilich", "unabhängig" usw. - ohne daß freilich eine solche Bezeichnung die Unparteilichkeit der Zeitung unbedingt beweist. Die Gründe dieses Nicht-Engagements reichen vom Wunsch nach allseitiger Objektivität bis zur politischen Nivellierung und nackten Kommerzialität. Dementsprechend auch die Formen, die die unparteiliche Presse in der Praxis annimmt. Man könnte hier drei Haupttypen unterscheiden: die überparteiliche, die allparteiliche und die parteifremde Presse. Daß in der Praxis diese Typen meist gemis-cht vorkommen, versteht sich. 50 Groth, aaO. Bd. 5, S. 295 ff. (mit weiteren Hinweisen); Traub, Grundbegriffe des Zeitungswesens, S. 152, 179. 51 Siehe Seite 22 unter V. 52 Groth, aaO. S. 297 ff.

IV. Die unparteiliche Presse

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1. Die überparteiliche Zeitung ist an keiner Parteipolitik fest orientiert. Sie hat ein eigenes Urteil über die politischen Fragen, das mit der Auffassung dieser oder jener Partei in Einklang oder im Gegensatz dazu stehen mag, aber ein eigenes sachliches Urteil ist oder sein soll. Die überparteiliche Presse vermeidet das Engagement, nicht die Stellungnahme. Objektivität bedeutet für sie unbefangenes Urteil nach sachlicher Argumentation. Diesem Typ entsprechen (mindestens grundsätzlich) viele der international führenden Zeitungen.

2. Nicht auf das eigene sachliche Urteil, sondern auf die allseitige Diskussion ist die allparteiliche Presse abgestellt. Dieser ideelle Zeitungstyp bietet ein freies Forum für alle Parteien, veröffentlicht Argument und Gegenargument, faßt zusammen und berichtet- aber er urteilt nicht. Die Mitarbeiter vertreten ihre eigenen Meinungen, die sich mit der Meinung der Redaktion nicht unbedingt decken. Die Redaktion als solche hat im Grunde keine eigene Meinung. Eine solche Zeitung ähnelt der Art, in der die Rundfunkanstalten nach dem Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts organisiert sein sollen53 • Für einen solchen Zeitungstyp setzt sich Bertrand Russe! ein: "Man könnte es wünschenswert finden, statt verschiedener Zeitungen, die verschiedene Anschauungen vertreten, eine zu haben, die ihre Seiten verschiedenen Parteien zur Verfügung stellte. Dies hätte den Vorteil, daß die Leser alle Meinungen kennenlernten und weniger einseitig unterrichtet würden, als die, die heutzutage in einer Zeitung niemals etwas sehen, mit dem sie nicht übereinstimmen." 3. Bei den beiden erwähnten Typen der unparteilichen Presse ist das Nicht-Engagement auf den Wunsch der Sachlichkeit zurückzuführen. Sachliche Diskussion ist in beiden Fällen das Hauptprinzip, das von einer primär positiven Einstellung zur parteipolitischen Auseinandersetzung ausgeht. Parteipolitisches Nicht-Engagement kann aber bedeuten- und bedeutet in der Tat sehr oft- die Abkehr von der parteipolitischen Auseinandersetzung und die Zuwendung zu der legendären Gestalt des "Mannes auf der Straße" oder des "kleinen Mannes", dessen vermeintliche Ansichten, Wünsche, Ab- und Zuneigungen die Zeitung entdeckt, vertritt und befriedigt. Unparteilich bedeutet hier parteifremd, apolitisch, schließlich prinzip- und konsequenzlos. Eine solche Zeitung ist nur an kommerzielle Zielsetzungen orientiert und immer eine "Geschäftspresse". Nicht jedes Sensationsblatt ist allerdings ein völlig parteifremdes Blatt (wie das Beispiel der "Bild-Zeitung" zur Genüge zeigt), ist es aber aus kommerziell zwingenden Gründen in der Regel54• Der Appell an den "Mann auf der Straße" ist ss BVerfGE 12, 262 f. Siehe oben unter I. 5 4 Vgl. unten Anm. 68.

22

Erster Teil: Das politische Problem

jedenfalls ein gemeinsames Merkmal aller Geschäftspresse - wobei der "Mann auf der Straße", der "kleine Mann" oder der "Bild-Leser" meist nur ein Pseudonym des Verlags ist. Da die "parteifremde" Presse in der kommerziellen Kalkulation nicht bloß einen gewichtigen Faktor (wie jede nichtsubventionierte Zeitung), sondern das einzige Kriterium sieht, steht sie einer gut bezahlten offenen oder (öfter) getarnten parteipolitischen Werbung wohlwollend gegenüber.

V. Die Entwicklung der Pressetypen in Deutschland (Ein kurzer Rückblick) Die Geschichte der deutschen Presse ist gekennzeichnet zunächst durch die langsame Entwicklung vom politisch farblosen, zensurängstlichen Nachrichtenblatt zur sog. Gesinnungszeitung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach 1848 engagierte sich die politisch stark interessierte Gesinnungspresse oft parteipolitisch. Mit dem Aufkommen der sozialistischen Bewegung trat - als letzte Konsequenz der Gesinnungspresse - die Parteipresse auf. Auch in Deutschland war die frühe politische Presse Werkzeug der Opposition55, wenngleich sie nicht immer parteioffiziell war. Blätter aber wie der "Vorwärts" der Sozialdemokratischen Partei und die "Germania" des Zentrums waren ausgesprochene Parteizeitungen. Neben der Herausgabe eigener Presseorgane begannen die Parteien, die allgemeine Presse dadurch in ihrem Sinne zu beeinflussen, daß sie ihr Material zukommen ließen. Das systematische Mittel dazu, dessen sich die Parteien ab 1848 zunehmend bedienten, war die sog. politische Korrespondenz, d. h. eine durch Vervielfältigung hergestellte, im Sinne einer bestimmten Partei gehaltene Materialsammlung für Zeitungen56 • Der Druck der politischen Zensur einerseits, die gesellschaftliche Nachfrage andererseits führten dazu, daß neben der Gesinnungspresse eine nichtpolitische, überwiegend unterhaltende und literarische "Salonzeitung" des Typs der "Augsburger Allgemeinen Zeitung" geschaffen wurde. Die durch die technische und soziale Entwicklung erreichte Erschließung der Massen als Zeitungsleser führte schon um die Jahrhundertwende zu Blättern mit Massenauflagen und Massengeschmack. Neben die Salonzeitung trat nun auch der volkstümliche Generalanzei55 Dies war in England schon im 18. Jahrhundert der Fall; C. J . Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit (1953) S. 600 ff. (602). 56 So die Definition von L. B ergsträßer, Geschichte der politischen Parteien in Deutschland (7. Aufl. 1952) S. 17 f.

V. Die Entwicklung der Pressetypen in Deutschland

23

ger-Typ, der ein Publikum ansprach, das zum großen Teil noch keine Zeitungen gelesen hatte, geistig weit niedriger als die exklusive Leserschaft der Salonzeitung stand, politisch jedoch ebensowenig interessiert war. Nach dem Ende des Weltkrieges wurden die Pressefreiheit zum ersten Mal verfassungsgesetzlich auf Reichsebene gewährleistet und das parlamentarische System eingeführt. Beide Tatsachen, verbunden mit dem intensiven politischen Klima der zwanziger Jahre, machten die Politik zum unumgänglichen Thema auch für die Generalanzeiger. Die unparteiliche Presse wurde politisch. Ihrerseits wurde die Parteipresse im Vergleich zu der Wilhelminischen Zeit wesentlich offener und allgemein interessanter. Auch ihr Nachrichtendienst war durch die Errichtung besonderer Parteipressedienste (wie etwa des "Sozialdemokratischen Pressedienstes" 57) wesentlich verbessert. Zur Bewältigung der finanziellen Schwierigkeiten, die mit der Weltwirtschaftskrise existenzbedrohend wurden, faßte die SPD ihre Zeitungen in einer "Konzentration A.G." fest zusammen. Dieser Parteipressekonzern vereinigte 129 sozialdemokratische Zeitungsverlage, die mit den Nebenausgaben rund 200 Zeitungen herausgaben. Dadurch wurde auch die Geschäftsführung zentral überwacht, der gemeinsame Einkauf von Papier und anderem Material sowie billigere zentralisierte Redaktion (Maternbezug) ermöglicht. Durch die Gründung einer eigenen "Inseraten-Union" erreichte die SPD auch die Vorteile der Konzentration des Anzeigewesens58. Trotz dieser Entwicklung konnte jedoch die Parteipresse keine besonderen Auflageerfolge erreichen. Die Aufhebung der Pressefreiheit durch das nationalsozialistische Regime, die rigorose Zensur und die Presselenkung59 bedingten eine Relativierung des Unterschiedes. zwischen unparteilicher und ParteiPresse. Gerade der große Mut, den jegliche Demonstration journalistischer Unabhängigkeit verlangte (und der nicht selten aufgebracht wurde60), zeigt, wie das politische Klima zur Sicherheit und dadurch im wesentlichen zu einer Uniformität der Presse hindrängte. Die Wiederherstellung der Pressefreiheit nach dem Zusammenbruch - zunächst im Rahmen des Lizenzsystems, dann in vollem Umfang 57 Dazu s. Jahrbuch d er D eutschen Sozialdemokratie für das Jahr 1927, hrsg. vom Vorstand der SPD (Berlin 1928) S. 224 ff. 58 Vgl. dazu die Jahrbücher der Deutschen Sozialdemokratie. Kurz darüber berichtet auch J. März, Die moderne Zeitung (München 1951) S. 315. 59 Siehe Walter Hagemann, Publizistik im Dritten Reich Ein Beitrag zur Methode der Massenführung (Hamburg 1948), insbesondere das Kapitel über "Die Presselenkung" S. 315 ff. (327 f.), s. auch S. 34 ff. 60 Über das Berliner Tageblatt s. Margret Boveri, Wir lügen alle. Eine Hauptstadtzeitung unter Hitler (Olten u. Freiburg i. Br. 1965).

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Erster Teil: Das politische Problem

gestattete das baldige Aufkommen einer vielfältigen Presse61 • Alle Pressetypen waren vielfach vertreten - darunter auch die Parteipresse. Die Parteizeitungen erschienen aber erst nach der Abschaffung des Lizenzsystems, als es zu spät für sie war; denn der Lesermarkt war bereits aufgeteilt62 • Während die Geschäftspresse im Deutschland der Nachkriegsjahre vorher unbekannte Rekordauflagen erreichte (Bildzeitung: über 4 Millionen), verkümmerte die Parteipresse. Sowohl die Anzahl als auch die Auflage der Parteizeitungen ging während der letzten zwei Jahrzehnte stark zurück. Selbst die Presse einer so straff organisierten Partei wie der Kommunistischen Partei Deutschlands erfuhr einen sehr starken Rückgang der Auflagenhöhe, der nicht allein mit den allgemein-politischen Verlusten der Partei zu erklären ist: Während die Zeitungen der KPD bis Dezember 1946 allein in Nordrhein-Westfalen eine Gesamtauflage von 568 000 hatten, betrug die Gesamtauflage aller dreizehn kommunistischen Tageszeitungen im Bundesgebiet im Jahre 1955 - einschließlich des Zentralorgans "Freies Volk"- nicht mehr als 350 000 63 • Nach Angaben des Instituts für Publizistik der Freien Universität Berlin im Jahre 1961 war die Gruppe der "festrichtungsbestimmten Blätter" (z. B. CDU, SPD - also der parteigebundenen Presse nach der Terminologie dieser Untersuchung) während der Zeit von 1955 bis 1960 in der Anzahl der Zeitungen von 12,1°/o auf 7,2°/o, in der Auflage von 7,60/o auf 3,90/o der Gesamtziffer zurückgegangen64 • Auch die Gruppe der "grundrichtungsbestimmten Blätter" (z. B. christlich, sozialistisch, liberal u. a. - also je nachdem parteiverbundene oder ParteirichtungsPresse) ist in der Anzahl der Zeitungen von 12,20/o auf 11,5°/o, in der Auflage sogar von 10,80/o auf 7,30/o zusammengeschrumpft. Es ist auffallend, daß die Auflagen der Zeitungen, die sich noch 1955 als SPDnahestehend, als christlich oder als katholisch bezeichneten, zurückgegangen sind. Einige dieser Blätter haben, wie eine nochmalige Überprüfung des Berliner Instituts zeigte, die Bezeichnung "überparteilich" oder "unabhängig" angenommen65• Es ist auch bezeichnend, daß die deutschen Zeitungen äußerst zurückhaltend sind, wenn sie nach ihrer 61 Uber die Entwicklung der deutschen Presse in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg siehe: G. Bitter, Zur Typologie des deutschen Zeitungswesens in der Bundesrepublik Deutschland (München 1951); ein erschöpfendes Bild bis 1961 gibt die erwähnte Veröffentlichung des Instituts für Publizistik der Freien Universität Berlin, Die Deutsche Presse 1961. 62 H. Bauer, Die Presse und die öffentliche Meinung (München-Wien 1965). s. 39 f. 63 Nach Angaben von H. Kluth, Die KPD in der Bundesrepublik Ihre politische Tätigkeit und Organisation 1945-1956 (Köln und Opladen 1959)

s. 100.

64 Die Deutsche Presse 1961, S. 26* f., 717 :ff.; über die parteipolitischen Zeitschriften s. Tabelle 24 auf S. 117*. 6s Die Deutsche Presse 1961, S. 26* f.

V. Die Entwicklung der Pressetypen in Deutschland

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politischen und weltanschaulichen Richtung gefragt werden; mehr als 80°/o aller vom Berliner Institut danach gefragten Zeitungen mit mehr als 90°/o der Gesamtauflage gaben eine unverbindliche oder überhaupt keine Auskunft über die vertretene Richtung66 • Dieses parteipolitische Disengagement der Presse ist Grund und Symptom eines Klimas, in dem die Parteipresse nicht gedeihen kann. Dies gilt freilich in noch stärkerem Maße für die fortschreitende Entpolitisierung der Geschäftspresse67 , für die die Politik nicht mehr richtungsbestimmend, sondern einer unter mehreren Sensationslieferanten (neben Verbrechen, Kinowelt, Gesellschaftsleben, Sport usw.) ist68 • In diesem Sinne erfolgt eine "Bereicherung" des bisher völlig "apolitischen" Inhalts der Illustrierten durch die gelegentliche Aufnahme von politischen Kommentaren, in denen allerdings die parteipolitische Unabhängigkeit unermüdlich betont wird. Der Rückgang der Parteipresse beschränkt sich freilich keineswegs auf Deutschland; er ist vielmehr eine internationale Erscheinung der N achkriegsj ahre. Von den drei 1945 in Frankreich erschienenen Parteizeitungen (L'Humanite, Le Populaire, L'Aube) erscheint nur noch die "Humanite" ("organe centrale du Parti Communiste Fran~ais" nach der eigenen Bezeichnung); ihre Auflagenzahl ist aber von 525 000, die sie 1946 erreichte, auf etwa 188 000 1960 gesunken69 , während das Rentabilitätsminimum einer französischen Tageszeitung auf 200 000 Exemplare berechnet wird70• Dieser Schwund beschränkt sich aber nicht auf die kommunistische Presse; auch Zeitungen, die anderen Parteien nahestehen, zeigen eine ähnliche Entwicklung71 . Dagegen erreicht die "apolitische" Presse eindrucksvolle Auflageziffern; so vor allem die "France-Soir" mit etwa 1 340 000 Exemplaren72.

Die Deutsche Presse 1961, S. 74*, 78* f. Vgl. unten Anm. 72. 68 Die politische auch parteipolitische - Aktivität der weitaus größten deutschen Boulevardzeitung, der "Bild-Zeitung" widerspricht nicht dieser Feststellung. Denn nicht nur erklärt sie sich aus der Zugehörigkeit der Zeitung zu einem politisch ambitiösen Zeitungskonzern, sondern sie findet ihre verhältnismäßig engen Grenzen im bereits typischen Gesicht und Inhalt einer Bild- und Sensationszeitung, wie sie sich der Leser wünscht. 69 Voyenne, La Presse dans la socit~te contemporaine (Paris 1962) S. 289. 10 Voyenne, aaO. S. 52. 71 R. Salmon, L'Organisation actuelle de la Presse fran~aise (Paris 1955) S. 37. "Die sozialistische Presse hatte [1946]1880 000, heute [1955] 1000 000. Die M. R. P. 1 680 000, heute 590 000. Umgekehrt stiegen die Radikalen von 300 000 auf 800 000." 72 Voyenne, aaO. S. 289 (am 2. 4. 1962). über die Entpolitisierung der Presse in Frankreich siehe auch R. Salmon aaO., S 37 :ff.; J. Kayser, Le Quatidien fran~ais (Paris 1963) S. 45 :ff.; F. Terrou, L'Information, (2. Aufl. Paris 66

a1

1965)

s.

87 f.

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Erster Teil: Das politische Problem

In den Vereinigten Staaten gibt es keine parteigebundene Presse. Die Zeitungen stehen aber oft in Verbindung zu den zwei großen Parteien und setzen sich für ihre Politik ein - insbesondere für die Politik und die Kandidaten der Republikanischen ParteF3 • Dennoch nennen sie sich oft" unabhängig" und demonstrieren diese Unabhängigkeit vor allem dadurch, daß sie nicht immer für die Kandidaten derselben Partei eintreten. So unterstützte "The New York Times" jahrelang den demokratischen Präsidenten Roosevelt; 1952 und 1956 setzte sie sich jedoch für die Wahl Eisenhowers, des republikanischen Kandidaten, ein. Großbritannien bot niemals fruchtbaren Boden für eine Parteipresse - von den Mitteilungsblättern der Parteien abgesehen74 • Das einzige britische Parteipresseorgan ist heute der "Daily Worker", das offizielle Organ der britischen Kommunistischen Partei. Diese Zeitung ist mit einer Auflage von etwa 61 000 die bei weitem kleinste unter den britischen Tageszeitungen75 • VI. Der Rückgang der Parteipresse -

Die Gründe

Der geschilderte Rückgang der niemals besonders starken Parteipresse stellt eine Erscheinung dar, deren Tragweite sich keineswegs auf die Entwicklung eines Pressetyps beschränkt. Er ist ein wichtiges Symptom der Entwicklung des parteipolitischen Geschehens und verdient, untersucht zu werden76 • Der Rückgang der Parteipresse steht zunächst einmal mit den Phänomenen der weitgehenden Entideologisierung der politischen Parteien und der ideologischen Müdigkeit des Publikums in unmittelbarem Zusammenhang. Der heutige Leser ist weder politisch fest engagiert, noch will er den Anschein erwecken, er sei es. Von der regelmäßigen Lektüre einer Parteizeitung wird er also sowohl durch parteipolitische Indiffe1a Siehe oben unter I.

Solche Mitteilungsblätter erscheinen meistens monatlich, jeden zweiten Monat oder auch in größeren Zeitabschnitten; es gibt keine Tageszeitung unter ihnen; auch wird ein wesentlicher Teil dieser Blätter kostenlos verteilt. Die RoyaL Commission on the Press, 1947-1949, stellt in ihrem Bericht vom Juni 1949 (Neudruck London 1959, Nr. 281) fest, daß die Labour Partei 228, die konservative Partei 230 solcher Mitteilungsblätter herausgab ; die Kommission meinte jedoch, daß diese Blätter "weder in Form, noch in Umfang, noch in Inhalt mit den Zeitungen vergleichbar sind". 75 Nach den Angaben des CentraL Office of Information, The British Press (London 1965) S. 6. 76 Dazu Groth, Die unerkannte Kulturmacht Bd. 5, S. 288 ff. Die folgenden Ausführungen stützen sich zum erheblichen Teil auf Groths Erkenntnisse. Sehr interessant sind auch die Gedanken von Adolf Braun, Geschäfts- und Parteipresse, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 50 (1923), S. 204 (209 ff.), über die Besonderheiten der Parteipresse. Braun war 40 Jahre lang sozialdemokratischer Parteiredakteur. 74

VI. Der Rückgang der Parteipresse - Die Gründe

27

renz als auch durch die Sorge abgehalten, er würde sonst dadurch jeden Morgen ein unangenehmes öffentliches Parteibekenntnis ablegen; auch der treueAnhängereiner Partei will meist anonym bleiben77 • Eine zweite Ursache des Rückgangs der Parteipresse ist die sich aus der Unterwerfung unter Parteibeschlüsse und Parteianweisungen notwendig ergebende Einseitigkeit, Voreingenommenheit und Befangenheit des Standpunktes und die damit zusammenhängende Lückenhaftigkeit der Darstellung. Selbst Nachrichten aus der eigenen Partei werden in der Parteipresse oft mit Verspätung veröffentlicht, da der Parteiredakteur es sich immer gründlich überlegen wird, ob er etwas, was auch nur im entfernten Zusammenhang Parteibeschlüssen vorbehalten wird, veröffentlichen kann78 • Das Bild der Parteipresse ist vor allem durch eine engagierte Einseitigkeit beherrscht. Zwar waren die meisten Zeitungen des vergangenen Jahrhunderts selten objektiv; sie waren oft von der Persönlichkeit eines Mannes geprägte, seine Meinungen widerspiegelnde, stets gegen die Zensur kämpfende Blätter. Dieser Kampf gegen die staatliche Zensur, der das stark politische oder auch parteipolitische Blatt der Vergangenheit attraktiv (weil nonkonform) machte, ist heute bei den Parteizeitungen durch eine bedingungslose Unterwerfung unter die innerparteiliche Zensur, d. h. durch einen vollkommenen Konformismus ersetzt worden, der auf den frei denkenden Menschen abstoßend wirkt79. Vor allem wirkt aber die engagierte Einseitigkeit der Parteipresse auf den ideologiemüden Zeitungsleser unserer Zeit wesentlich abstoßender als auf den Zeitungsleser vergangener Epochen politischideologischen EifersB0 • In jener Zeit konnte man für die Einseitigkeit der Parteipresse leicht eine Rechtfertigung finden: die Härte des ideologischen Kampfes machte die allseitige Überprüfung kaum möglich. Diese würde auch notwendig zum Relativismus führen und den kämpferischen Geist verwässern. Eine solche Rechtfertigung entfällt in 77

H. Bauer, Die Presse und die öffentliche Meinung (München-Wien

1956)

s.

39.

Braun, aaO. S. 210: "Ist es auch eine Übertreibung, so hat die Behauptung doch auch etwas für sich, daß man wichtige Parteiangelegenheiten viel schneller, wenn auch nicht genauer, aus der gegnerischen Presse als aus der eigenen Parteipresse erfahren kann." 79 R. Salmon, aaO., S. 38/9. Es gibt jedenfalls keine Parteipresse mit parteiunabhängigen Redakteuren! Die Blätter um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, auf die J. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit (1962) S. 205, mit der Bemerkung aufmerksam macht, "diese Publizisten waren von keiner Partei oder Fraktion abhängig, waren vielmehr selber Politiker, die um ihre Zeitung einen parlamentarischen Anhang scharen", waren regelrechte Parteizeitungen, herausgegeben vom "Parteiführer" selbst. 80 Vgl. jedoch bereits F. v. Holzendorff, Wesen und Wert der öffentlichen Meinung (München 1879) S. 115 f. 78

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Erster Teil: Das politische Problem

unserer, von den Ideologien enttäuschten und wesentlich kampfunlustigen Zeit. Parteizeitungen, die ihr Publikum gewinnen wollen, müssen sich mindestens um den Schein der Mehrseitigkeit und Objektivität bemühen81 • Zwar ist nicht unbedingt richtig, daß der heutige Leser mit Bertrand Russell eine allparteiliche, alle Meinungen darstellende und allseitig informierende Zeitung82 fordert oder auch nur begrüßen würde. Eine solche Zeitung verlangt zu viel Zeit für die Lektüre, setzt ein zu hohes politisches Interesse bei ihren Lesern voraus, und vor allem überläßt sie zu viel dem Urteil und der Verantwortung ihrer Leser, als daß sie von ihnen - auch von den gebildeten Lesern - erwünscht sein könnte. Presseorgane dieser Art haben als Zeitschriften bessere Aussichten, da sie als solche wesentlich geringere Kosten haben, einer kleineren Leserschaft bedürfen und auch die Zeit ihrer Leser weniger als eine Tageszeitung beanspruchen83. Von allparteilichen Zeitungen dieses gesamtinformatorischen Typs war und ist die Parteipresse nicht gefährdet. Der politisch interessierte Leser unserer Zeit bevorzugt jedoch die überparteiliche Presse, welche Objektivität mit eigenem klaren Urteil verbindet. Er wünscht einen sachlichen, vielfältigen, aber nicht zu langen Nachrichtenteil und ein eindeutiges und konsequentes, aber nicht aufdringliches Urteil der Zeitung. Keine dieser Forderungen kann ein Parteiblatt befriedigen. Noch weniger kann die Parteizeitung die Wünsche des Lesertyps der Geschäftspresse befriedigen. Denn, während die herkömmliche Zeitung ihr Publikum führte, ist die Geschäftspresse nur zu gern bereit, allen Wünschen der Leserschaft zu folgen, um sie nicht zu verlieren oder neue dazu zu gewinnen. Aber eine Parteizeitung, die nicht führt, sondern geführt wird, verfehlt ihren Zweck, verliert ihren Existenzgrund. Die Parteizeitung kann also weder den Objektivitätswunsch befriedigen noch sich der wechselnden Stimmung des Publikums bedingungslos anpassen. Dazu kommen die Schematisierung und Eintönigkeit des Stoffs und des Stils, welche die Parteizeitung schwer, wenig amüsant und langweilig machen84• In der Parteipresse hat irgendeine Parteinachricht vor allen Tagesnachrichten den Vorrang. Die Aktualität und die Sensation werden der parteipolitischen Propaganda geopfert. Auch wirkt die Parteidisziplin auf die Redaktion des Blattes hemmend. Gewiß, das Verhältnis zwischen Parteiredakteur und Verleger ist grundsätzlich viel freier als bei der Geschäftspresse; denn der Par18 82

88 84

de Volder, Soziologie der Zeitung (Stuttgart 1959) S. 96 f . Siehe oben unter IV. Groth, aaO., S. 329 f. Näheres dazu bei Braun, aaO., S. 210 f.

U.

VI. Der Rückgang der Parteipresse - Die Gründe

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teiredakteur kann sich bei Meinungsverschiedenheiten in aller Regel an eine höhere Instanz (den Parteivorstand des Ortes oder der Gesamtpartei usw.) wenden85 • Auch schreibt er in der Zeitung seiner Partei, d. h. gemäß der von ihm gebilligten politischen Linie- während der Redakteur der Geschäftspresse sich dem kommerziellen Opportunismus seiner Zeitung anpassen muß. Dennoch bleibt die Initiative des Parteiredakteurs durch die Einspannung der Parteizeitung in den Parteiapparat gebremst und jedenfalls durch die bürokratische Langsamkeit in ihrer Wirksamkeit beschränkt. Unter diesen Umständen nimmt es nicht wunder, daß die Parteipresse allgemein nicht die besten journalistischen Kräfte an sich zieht. Auch wird die Auswahl der Parteijournalisten einmal durch die verständliche Forderung der Parteizugehörigkeit oder mindestens Gemeinsamkeit des politischen Glaubens86, sodann durch die häufig schlechte Entlohnung der Parteijournalisten87 beengt. Die Parteipresse neigt oft dazu, mehr Politiker oder politisch ambitionierte als qualifizierte Journalisten anzuziehen88, da die ersteren sich davon einen politischen Vorschub oder u. U. einen erheblichen Einfluß in der Partei versprechen, während die letzteren sich vor dem Parteipatronat und dem Stempel des Parteijournalisten scheuen. Meiden aber die meisten guten Journalisten die Parteipresse, so ist diese der unparteilichen Presse gegenüber schon von vornherein unterlegen. Zum Rückgang der Parteipresse hat ferner auch ihre oft schLechte FinanzLage beigetragen. Vor allem bei den jungen, kleinen Parteien ist das dem Parteipresseorgan zustehende Kapital oft ungenügend. Selbst die Presse der großen Parteien begegnet oft erheblichen Schwierigkeiten, weil der Kreis ihrer Leser und infolgedessen (was von eminenter Bedeutung ist) auch ihrer Inserenten beengt ist. Die Presse der in Schweden seit Jahrzehnten regierenden Sozialdemokratischen Partei mußte 1964 vierzehn Millionen Kronen Zuschuß von den Gewerkschaften annehmen. Die schwedische Regierung will die Presse mit staatlichen Mitteln subventionieren. Die Subventionen sollen nicht nach der Leserschaft der Zeitungen, sondern nach der Wählerschaft der von ihnen unterstützten Parteien verteilt werden, so daß die sozialdemokratische Presse, die nur ein Fünftel der Auflage der schwedischen Tagespresse hat, fast die Hälfte des gesamten Subventionsbetrages erhielte89. Ob man allerdings nach einer solchen parteipolitisch orienss Braun, aaO., S. 211 f. 86 87

88

Braun, aaO., S. 218 f. Groth, aao., 314 ff. Dovivat, Die Zeitungen, aaO., S. 87.

88 "Die Zeit" vom 26. März 1965, S. 8. Zu der staatlichen Pressefinanzierung s. Andre Santini, L'aide de l'l!:tat a la presse, Paris 1966. (Bis zur Korrektur der Umbruchabzüge [15. 11. 1966] war die staatliche Subventionierung der Presse in Schweden nicht eingeführt.)

Erster Teil: Das politische Problem

30

tierten Subventionierung der Zeitungen weiterhin von einer "freien Presse" sprechen kann, ist sehr fragwürdig. Die finanziellen Schwierigkeiten der Parteipresse werden dadurch erhöht (oder mindestens nicht gemildert), daß die Parteizeitung den harten Anforderungen der geschäftlichen Konkurrenz nicht gewachsen ist. Die erwähnte Bürokratisierung und parteipolitische Personalpolitik der Parteipresse behindert ihre Schlagfertigkeit und Leistungsfähigkeit. Vor allem die parteifremde Presse, die in aller Regel "Geschäftspresse" ist, besitzt eine große Elastizität und Anpassungsfähigkeit, die durch ihren antibürokratischen kapitalistischen Aufbau ermöglicht und gesichert wird90 • Eine letzte, aber nicht minder wichtige Ursache des Rückgangs der Parteipresse ist das in der Bundesrepublik erfolgte Verbot der KPD und der neonazistischen SRP. Denn damit wurde auch die Parteipresse der beiden extremistischen Parteien verboten. Gerade extremistische Parteien sind aber die wichtigsten Herausgeber von Parteiblättern, da sie auch über eine straff organisierte und disziplinierte Anhängerschaft als Leserschaft verfügen.

90

Braun,

aaO., S. 217 f.

Zweiter Teil

Das verfassungsrechtliche Problem I. Parteienprivileg und Pressefreiheit Die geschilderte Begegnung der Presse mit der Partei ist eine der wichtigsten Erscheinungen des politischen Geschehens; sie hat nicht nur politikwissenschaftliche Aspekte, sondern interessiert unmittelbar den Staatsrechtier als eine verfassungsrechtliche Grenzfrage: Die Rechtslage der politischen Partei ist ausschließlich in Art. 21 GG verfassungsrechtlich geregelt, während auf die Presse Art. 5 GG Anwendung findet. Die Aufhebung des Parteienprivilegs ist in Art. 21 Abs. 2 GG geregelt, die Verwirkung der Pressefreiheit dagegen in Art. 18 GG. Die Hauptfrage, die sich hier stellt, betrifft die Wirkung des Parteienprivilegs und des Parteiverbots auf die Parteipresse. Dazu ist eine terminologische Klärung notwendig. Die "Presse" ist kein Rechtssubjekt. Wenn Art. 5 Abs. 1 GG von der "Pressefreiheit" spricht, meint er unter "Presse" zunächst einmal eine bestimmte Betätigung, die frei sein soll, nicht ein bestimmtes Subjekt der Freiheit91 • Pressefreiheit bedeutet, daß Erzeugung, Verbreitung und Abnahme von Druckschriften - "von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung" 92 - frei vom staatlichen Zwang sind. Ebenso bedeutet das oft benutzte (wenn auch ungenaue) Wort "Presseorgan" eine persönlich, wirtschaftlich und technisch organisierte Betätigung (insofern wesentlich mehr als bloß: "Presseerzeugnis"), die normalerweise auf die periodische Veröffentlichung eines Druckerzeugnisses (Zeitung oder Zeitschrift) ausgeht. Der Begriff "Presse" wird übrigens (und hierin zeigt sich der institutionelle Akzent des Wortes) auch als die Summe aller Presseorgane verstanden; im übrigen werden "Presse" und "Presseorgan" oft alternativ verwendet. 91 Vgl. BGHSt. 18, 182 (187): "Im übrigen wäre zu sagen, daß nicht, wie es oft unscharf heißt, ,die Presse', sondern nur eine durch ein bestimmtes Presseorgan zur Öffentlichkeit sprechende Person berechtigte Interessen wahrnehmen kann, indem sie für die Allgemeinheit wichtige Dinge mitteilt und erörtert." 9 2 BVerfGE 10, 118 (121); 12, 205 (260).

32

Zweiter Teil: Das verfassungsrechtliche Problem

Auch in diesem Sinne sind nicht "die Presse" und "das Presseorgan" die Subjekte der Pressefreiheit, sondern die das Presseorgan tragenden Personen93. Daher wird die Parteipresse (oder genauer: das Parteipresseorgan) zunächst als organisierte Betätigung untersucht; erst danach wird die (damit freilich praktisch zusammenhängende) Frage nach den Subjekten dieser Betätigung, den Trägern des Parteipresseorgans erörtert. Wir kehren nun zur Frage nach der Wirkung des Parteienprivilegs und des Parteiverbots auf die Parteipresse zurück. Partei ist eine meinungsäußernde Vereinigung per definitionem. Beide Begriffselemente werden durch Art. 21 GG ausschließlich gedeckt. Wie das Assoziationselement der Partei in Art. 21 GG als einer die ganze Materie deckenden lex specialis seine erschöpfende Regelung findet und ein Rückgriff auf die lex generalis des Art. 9 GG nicht gestattet ist9', so wird die (politische) Meinungsäußerung der Partei nicht durch Art. 5, sondern ausschließlich durch Art. 21 gewährleistet. In der verfassungsmäßigen Anerkennnung der Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes ist auch die Gewährleistung dieser Mitwirkung enthalten95 • Auch umfaßt die in Art. 21 Abs. 1 S. 2 ausdrücklich garantierte Gründungsfreiheit der Parteien - ähnlich der Bildungsfreiheit der Vereinigungen in Art. 9 Abs. 1 - auch die Parteitätigkeit96. Aber die Parteitätigkeit und insbesondere die Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes erfolgen überwiegend durch Meinungsäußerung, die damit durch Art. 21 Abs. 1 GG für die Parteien mitgewährleistet wird. Eine Partei genießt also Meinungs93 Die Unterscheidung zwischen Grundrechtssubjekt und Grundrechtsgegenstand ist in anderen Grundrechtsvorschriften, wie etwa in Art. 2, 3, 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 8, 9, 11, 12, 17 eindeutig. Ahnlieh wie die Vorschrift über Pressefreiheit sind die Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 5 Abs. 3, Art. 10, 13, 14 formuliert. 94 Rechtliche Ordnung des Parteiwesens, Bericht der vom Bundesinnenministerium eingesetzten Parteienrechtskommission, 2. Aufl. 1958 (in folgenden: Bericht der Parteienrechtskommission), S. 112, 158; Wernicke, Bonner Kommentar Erl. II 2 e a zu Art. 21; Seifert, DöV 1956, 5. Vgl. auch BGHSt 6, 318 (320). So auch die hauptsächljch mit Art. 21 Abs. 2 befaßte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: 2, 1 (13); 12, 296 (304, 307); 17, 155 (166). Nach abweichender Meinung sind die ersten zwei Absätze des Art. 21 in ihrem Verhältnis zu Art. 9 differenzierend zu behandeln: Während Art. 21 Abs. 2 auf politische Parteien ausschließlich anwendbar ist und Art. 9 Abs. 2 keinen Raum läßt, ist Art. 21 Abs. 1 gegenüber Art. 9 Abs. 1 (nur) primär (Maunz-Dürig, GG, Rdnr. 38 zu Art. 21; wohl auch G. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, Kommentar zum Vereinsgesetz, 1966, S. 38 f.) oder sogar parallel mit Art. 9 Abs. 1 (Henke in Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung 1965, Rdnr. 25 zu Art. 21) anzuwenden. Diese sekundäre oder gar parallele Anwendung des Art. 9 Abs. 1 wird aber kaum eine praktische Bedeutung haben. 95 BGHSt 6, 318 (320); vgl. auch den Bericht der Parteienrechtskommission, s. 227. 96 Bericht der Parteienrechtskommission, S. 227; Fuß, Freiheit und Gleichheit des Parteiwirkens, JZ 1959, 392 ff. (393).

I. Parteienprivileg und Pressefreiheit

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freiheitnicht auf Grund der allgemeinen Norm des Art. 5 Abs. 1, sondern gemäß der lex specialis des Art. 21 GG. Gleiches gilt für alle in Art. 5 Abs. 1 GG genannten Freiheiten, also auch für die Pressefreiheit. Die Freiheit der Pressebetätigun g der politischen Parteien ist als ein für unsere Zeit unerläßlicher Bestandteil ihres funktionalen Begriffs97 durch Art. 21 Abs. 1 GG voll und ausschließlich gewährleistet98 • Art. 5 Abs. 1 findet hier keine Anwendung. Diese Auffassung darf mit der bekannten Interpretation Ridders nicht identifiziert werden. In seiner Erörterung der Meinungsfreihe it hat Ridder mit dem Begriff der "öffentlichen Meinungsfreihe it" operiert und alle Mitwirkung bei der Bildung der öffentlichen Meinung, also auch und vor allem die politische Presse, als "Faktor der öffentlichen Meinungsbildun g" Art. 21 GG als der "Haupt- und Grundnorm der institutionellen öffentlichen Meinungsfreihe it" des modernen Parteienstaates unterstellt 99 • Die Riddersche Auffassung ist auf starke Kritik gestoßen 100 und auch von mir abgelehnt worden101 • Die hier vertretene Auffassung stellt keine Abkehr von dieser Position dar. Ridder meint, Art. 21 GG sei auf die politische Presse anzuwenden, da er nicht nur die politischen Parteien, sondern alle "Faktoren der öffentlichen Meinungsbildung" betreffe. Die vorstehenden Ausführungen gehen dagegen von der ausschließlichen Anwendung des Art. 21 Abs. 1 GG auf die politischen Parteien aus und unterstellen die politische Presse dem Parteienschutz, nicht weil diese politisch ist und bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirkt, sondern weil und soweit sie Parteibetätigun g ist. Zentralbegriff des Art. 21 Abs. 1 ist nicht - wie bei Ridder - die "öffentliche Meinungsbildun g", sondern allein die politische Partei und ihre (gesamte!) Betätigung. 87 Vgl. BGHSt 6, 318 (321): "Es gehört zum Wesen einer politischen Partei, durch Rede und Schrift nicht nur auf ihre Anhänger und Mitglieder einzuwirken, sondern auch neue Anhänger für ihre Ziele zu gewinnen." Vgl. auch BGHSt 19, 311 (314 f.). 98 Maunz, Deutsches Staatsrecht (14. Aufl. 1965) S. 75, zählt die "Einflußnahme auf die Bevölkerung mittels Parteipresse" zu den Mitteln der Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung, die Art. 21 Abs. 1 GG garantiert ("Garantie der Mitwirkung"), ohne allerdings auf die Frage des verfassungsrecht lichen Standortes der Parteipresse (Art. 5 oder 21 GG?) einzugehen. 99 Ridder, Meinungsfreiheit , in: Neumann-Nippe rdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. II, 1954, S. 243 ff. (254 ff., 270 ff.); derse!be, Die öffentliche Aufgabe der Presse im System des modernen Verfassungsrecht s (Wien 1962). 1 0° Vor allem bei Forsthoff, Die Umbildung des Verfassungsgeset zes, in: Festschrift für Carl Schmitt (1959) S. 35 ff. (50); Franz Schneider, Presseund Meinungsfreihei t (1962) S. 131 ff.; Ulrich Scheuner, VVDStRL H. 22 (1965) S. 30 ff., 68 (Anm. 196) auch Leitsatz 4 c (S. 93) und Roman Schnur, ebenda S. 110 ff. und Leitsatz I 2 (S. 156). 101 Wesen und Grenzen der Pressefreiheit (1963) S. 20 f.

3 Dagtoglou

Zweiter Teil: Das verfassungsrechtliche Problem

34

Deswegen sind auch die Kriterien verschieden: Nicht der politische Charakter der Presse, sondern der Grad ihrer Parteiabhängigkeit entscheidet über die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 oder des Art. 21 Abs. 1 GG. Ein nichtparteigebundenes Presseorgan - mag es auch betont politischer Natur sein - genießt den Schutz des Art. 5 Abs. 1. Eine nicht politische - etwa rein kulturelle oder literarische - Veröffentlichung der Partei wird aber von Art. 21 Abs. 1 GG gedeckt, weil sie Parteitätigkeit ist. Da der Grad der Parteiabhängigkeit eines Presseorgans das Kriterium für die Anwendung des Art. 21 Abs. 1 oder des Art. 5 Abs. 1 GG darstellt, ist die bereits gemachte Unterscheidung zwischen parteigebundener und parteiverbundener Presse rechtlich brauchbar und fruchtbar. Das Problem kann in seinem Wesen nur dann begriffen und sachgerecht gelöst werden, wenn es auch von der Seite der Partei her betrachtet wird, und zwar im Lichte der Unterscheidung zwischen Parteikern und Parteiorganisationen.

II. Parteikern und Parteiorganisationen (Ein kurzer Exkurs) Um den "Kern" einer modernen politischen Partei bilden sich verschiedene "Organisationen", die zu der Partei in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen und deshalb hier global als parteiabhängige Organisationen bezeichnet werden. Unter "Organisationen" versteht man in diesem Zusammenhang nicht nur den Personalverband, die Vereinigung im Sinne des Art. 9 GG, sondern auch anstaltsartige Gebilde, wie etwa die Parteischulen102 • Je nach dem Grad der Verbindung zwischen parteiabhängiger Organisation und Partei unterscheiden Lehre und Rechtsprechung zwischen Teil- oder Unterorganisationen einerseits und Neben- oder HUfsorganisationen andererseits103• Als TeiL- oder Unterorganisationen der Partei werden die Organisationen bezeichnet, die mit der Partei so eng verbunden sind (wesentliches Kriterium: sie bestehen ganz oder überwiegend aus Parteimitgliedern), daß sie als Glieder und Teile der Partei anzusehen sind. Vom Zur Rechtsstellung der politischen Parteien, DöV 1956 S. 1 ff. (4). Dazu und zum folgenden vgl. Seifert, DöV 1956, 1 (4 f.); MangoldtKlein, Das Bonner Grundgesetz (2. Aufl. 1957) Art. 21 Erl. III 3 a und b; Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 21 Randnr. 26 und 27; Kölble, AöR 87, 48 ff. (48 f.); Schnorr, Öff. Vereinsrecht, S. 91 f. Vgl. auch BVerfGE 2, 78 (SRP); 5, 392 (KPD). 102

103

Seifert,

II. Parteikern und Parteiorganisationen

35

Parteikern unterscheidet sich die Teilorganisation durch ihre rechtliche oder wenigstens organisatorische Selbständigkeit, d. h. durch die Tatsache, daß sie von der Hauptparteiorganisation aussonderbar ist. Darauf stellt auch§ 46 Abs. 2 BVerfGG ab, wenn er die Möglichkeit eröffnet, die Feststellung der Verfassungswidrigkeit auf "einen rechtlich oder organisatorisch selbständigen Teil einer Partei" zu beschränken. Zu diesen Organisationen zählt man Landes-, Kreis- und Ortsverbände, ferner Fachausschüsse, Arbeitsgemeinschaften, Selbstschutzgruppen104, Parteischulen, Parteiinstitute, reine Parteiverlage, -druckereien105 und -vertriebe sowie Vermögensverwaltungsgesellschaften der Partei. Als Neben- oder Hilfsorganisationen bezeichnet man alle anderen mit der Partei irgendwie verbundenen Organisationen. Zum Begriff der Nebenorganisation gehört einmal, daß sie in einem offenen oder verdeckten, personellen, organisatorischen oder finanziellen Abhängigkeits- oder wenigstens Beeinflussungsverhältnis zu der Partei steht, also diese nicht einfach unterstützt oder gar nur mit ihr sympathisiert. Sodann unterscheidet sich die Neben- von der Teilorganisation dadurch, daß sie rechtlich und organisatorisch sowie (mindestens vorwiegend) finanziell selbständig ist, neben den Parteizwecken auch eigene Ziele hat und dementsprechend sich nicht nur aus Parteimitgliedern, sondern auch aus anderen Personen zusammensetzt. Zu den Nebenorganisationen gehören in der Regel die verschiedenen Jugend-, Frauen-, Berufsund Kulturorganisationen der Parteien. Die Unterscheidung zwischen Teil- und Nebenorganisationen ist hinsichtlich des Umfangs des rechtlichen Parteibegriffs sowie des sog. Parteienprivilegs von entscheidender Bedeutung106• Als Parteienprivileg versteht das Bundesverfassungsgericht zutreffend die erhöhte Schutz- und Bestandsgarantie, mit der Art. 21 GG die politischen Parteien wegen ihrer Sonderstellung im Verfassungsleben ausstattet und die ihren Ausdruck vor allem darin findet, daß die politischen Parteien im Gegensatz zu allen politischen Vereinigungen nur durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt und verboten werden können107•

Vgl. jedoch Kölble, AöR 87, 48 (49). Vgl. Jahrbuch der deutschen Sozialdemokratie für das Jahr 1927, (Berlin 1928) S. 222: "Die Zeitungsdruckereien der Partei sind in ihrem Wesen und ihrer Aufgabe nach ein Teil der Parteiorganisation, mit dem Zweck, auf einem wichtigen Gebiet für die Partei zu werben. Neben der Mitgliederorganisation sind sie der zweite große Pfeiler der Sozialdemokratie." 106 Kölble, AöR 87, 48 (49). 107 BVerfGE 12, 296 (304). Siehe auch den Bericht der Parteienrechtskommission, S. 227 ff. 104

lOs

36

Zweiter Teil: Das verfassungsrechtliche Problem

Die Teilorganisationen einer Partei sind "wesentliche Bestandteile" dieser Partei1°8 • Auf sie findet, selbst wenn sie eine "Vereinigung" sind, die lex specialis des Art. 21 GG, nicht die allgemeine Norm des Art. 9 GG Anwendung. Infolgedessen sind die Teilorganisationen den Regeln und Einschränkungen des Art. 21 Abs. 1 GG unterstellt. Zugleich haben sie aber an der erhöhten Bestands- und Schutzgarantie der Partei, dem sog. Parteiprivileg des Art. 21 GG teil. Ihre Verfassungswidrigkeits- und Verbotserklärung erfolgt nicht durch den Landesbzw. Bundesinnenminister gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i. V. mit dem Vereinsgesetz vom 5. September 1964 (BGBl. I 593), sondern durch das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 21 Abs. 2 GG i. V. mit§§ 43-47 BVerfGG. Da die Teilorganisation Bestandteil der Partei ist, teilt sie auch das rechtliche Schicksal der Parteil09 : Das Verbot der Partei schließt ihre Teilorganisationen automatisch ein. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit kann aber nach§ 46 Abs. 2 BVerfGG auf einen rechtlich oder organisatorisch selbständigen Teil der Partei (d. h. eine Teilorganisation) beschränkt werden. Der Antrag auf die Verfassungswidrigkeitsfeststellung darf jedoch nur bezüglich einer Partei als solcher, nicht hinsichtlich einer Teilorganisation gestellt werden110• Anders bei den Nebenorganisationen. Sie fallen nicht unter den Parteibegriff111 und werden infolgedessen, wenn sie "Vereinigungen" sind, von Art. 9 GG, nicht von Art. 21 GG erfaßt. Die Privilegien und Einschränkungen des Art. 21 GG finden auf sie keine Anwendung. Insbesondere genießen sie nicht die erhöhte Bestands- und Schutzgarantie der Partei112 • Da sie kein Bestandteil der Partei sind, trifft sie deren rechtliches Schicksal nicht: Das Parteiverbot läßt die Nebenorganisationen zunächst einmal unberührt113, es sei denn, sie werden zu Ersatzorganisationen114• Mittelbar werden freilich auch sie durch das Parteiverbot berührt; denn damit wird die Tätigkeit, die Nebenorganisation und Partei verbindet, für verfassungswidrig erklärt und die Nebenorganisation selbst zur "verfassungswidrigen Vereinigung" 1os Maunz-Dürig, Art. 21 Randnr. 27. 1o9 BVerfGE 2, 1 (78). 110 Mangoldt-Klein, GG Art. 21 Erl. III 2 b. 111 Maunz-Dürig Randnr. 26 zu Art. 21 GG; Kölble aaO., S. 49 f.; Bericht der Parteienrechtskommission S. 136. 112 So BVerfGE 2, 1 (13); 5, 85 (392) und die herrschende Lehre; Bericht der Parteienrechtskommission, S. 136, 227 f.; Seifert DöV 1956, 1 (5); MaunzDürig Randnr. 102 zu Art. 21; v. Mangoldt-Klein Erl. III 3 b zu Art. 21; Kölble aaO., S. 50. Dagegen: v. Weber JZ 1953, S. 293 ff. (296 Anm. 27); wohl auch Geiger BVerfGG (1952) Anm. 3 zu § 46. 113 BVerfGE 2, 1 (78) Bericht der Parteienrechtskommission S. 136, 227; W. Henke, Das Recht der politischen Parteien (Göttingen 1964) S. 205 (mit weiteren Nachweisen); derselbe im Bonner Kommentar (Zweitbearbeitung 1965) Randnr. 63 zu Art. 21 GG. 114 Seifert, Zum Verbot politischer Parteien, DöV 1961, 81 ff. (87).

III. Parteipresseorgane als Parteiorganisationen

37

i. S. des Art. 9 Abs. 2 GG "gestempelt" 115. Verboten werden kann die Nebenorganisation allerdings nur nach den Vorschriften des Vereinsgesetzes.

111. Parteipresseorgane als Parteiorganisationen

1. Aus der Einteilung der Parteipresse in parteigebundene und parteiverbundene sowie der Einteilung der parteiabhängigen Organisationen in Teil- und Nebenorganisationen ergibt sich die Parallelität der beiden Begriffspaare116 • Die parteigebundene Presse ist entweder als Teil des Parteikerns oder (in aller Regel) als Teilorganisation der Partei anzusehen: Sie fungiert als Organ der Partei und gibt sich oft (aber nicht immer) als ein solches aus. Bei neuen oder kleinen Parteien ist sie unmittelbar parteieigen; selbst wenn sie aber rechtlich selbständig ist, wird sie von der Partei ganz oder doch in entscheidendem Umfang finanziell getragen. Manchmal befindet sie sich im Besitz eines der Parteiführer oder einer Genossenschaft von Parteimitgliedern. Oft ist sie der Parteiführung direkt unterstellt; sie wird jedenfalls von führenden Parteifunktionären herausgegeben oder redigiert und verfolgt als Glied und Organ der Partei in erster Linie die Parteizwecke. Gerade weil sich die Ziele der parteigebundenen Presse und der Partei decken, hat das Bundesverfassungsgericht im KPD-Urteil angenommen, daß die "Zielsetzungen einer Partei" sich in der Regel auch "aus den von ihr herausgegebenen oder beeinftußten Zeitungen und Zeitschriften ergeben"117. Da die parteigebundene Presse eine Teilorganisation der Partei darstellt, ist das als "Organ" einer verbotenen Partei fungierende Blatt als Ersatzorganisation (Ersatzparteipresse) zu bezeichnen und zu behandeln. Im Gegensatz zu der parteigebundenen ist die parteiverbundene Presse lediglich als eine Nebenorganisation zu betrachten. Sie ist zwar kein Organ, kein Glied und kein "Teil" der Partei, sie ist auch rechtlich immer selbständig. Sie wird aber durch die Partei organisatorisch 115 Seifert, DöV 1961, 87; Henke aaO., Randnr. 63 zu Art. 21 GG. Mit Recht bemerkt allerdings W. Beyer, Die Stellung der Nebenorganisationen im Verfassungsstreit, DöV 1955, 176 :ff. (176): Die Nebenorganisation müsse Gelegenheit zur Äußerung haben- und sie müsse sich von dem Vorwurf, "Nebenorganisation" zu sein, in irgendeinem Rechtsverfahren reinigen können. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine dahingehende Feststellungsklage möglich ist, kann jedoch hier nicht untersucht werden. 116 über den verfassungsrechtlichen Standort des Falles, daß die parteigebundene Presse von einer Vereinigung i. S. des Art. 9 GG getragen wird, siehe unten IV. 117 BVerfGE 5, 85 (144).

Zweiter Teil: Das verfassungsrechtliche Problem

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oder/und finanziell wesentlich und dauernd beeinfiußt, ohne daß ihre Zielsetzungen sich mit denen der Partei vollkommen decken. Die parteiverbundene Presse wird derart redigiert, daß sie nicht nur Mitglieder der Partei ansprechen kann. Infolgedessen zählt sie zu ihrem Publikum einen erheblichen Teil von Lesern, die keine Anhänger der Partei sind. Die kryptakommunistische und die kryptonazistische Presse, überhaupt die Tarnpresse einer verbotenen Partei, ist immer parteiverbundene Presse (im Gegensatz zu dem als "Organ" einer verbotenen Partei fungierenden Blatt) und damit eine Nebenorganisation der verbotenen Partei. Tarnorganisationen werden ja allgemein zu den Nebenorganisationen gezählt118, sofern sie nicht Ersatzorganisationen sind110• 2. Sind die parteigebundene und die parteiverbundene Presse als Teil- bzw. Nebenorganisationen der Partei anzusehen, so folgen sie auch dem rechtlichen Schicksal dieser Organisationen. Da die parteigebundene Presse wesentlicher Bestandteil der Partei und damit deren Teilorganisation ist, findet auf sie allein Art. 21 GG Anwendung. a) Danach muß die innere Ordnung der das parteigebundene Presseorgan tragenden Organisation (ungeachtet ihrer Form) demokratischen Grundsätzen entsprechen; das Presseorgan muß auch über die Herkunft seiner Mittel öffentlich Rechenschaft geben. b) Die parteigebundene Presse hat an der erhöhten Bestands- und Schutzgarantie der Partei, dem sog. Parteienprivileg des Art. 21 GG teil. Art. 5 GG ist nicht anwendbar. Die Pressefreiheit eines parteigebundenen Presseorgans ist nicht in der allgemeinen Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 S. 2, sondern im Parteienschutz des Art. 21 verankert. Die Unzulässigkeit der Zensur eines parteigebundenen Blattes folgt aus der Gewährleistung der freien Parteitätigkeit durch Art. 21 Abs. 1120 - nicht aus Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG. Auch die Grenzen der Pressefreiheit eines parteigebundenen Presseorgans - d. h. im Grunde der Partei selbst! - sind primär nicht in Art. 5 Abs. 2, sondern in Art. 21 GG zu finden. Damit ist freilich nicht gesagt, daß die Pressefreiheit der die Parteipresse tragenden Personen als selbständige Grundrechtsträger in Art. 21 GG verankert ist, und daß infolgedessen die Vorschriften der Art. 5 Abs. 2 und 18 GG über Schranken und Ver118 Seifert, DöV 1956, S. 5; derselbe, DöV 1962, S. 408 ff. (412 f., 415); v. Mangoldt-Klein aaO., Erl. III 3 b zu Art. 21 GG; Maunz-Dürig Randnr. 31 zu Art. 21 GG; Kölble aaO., S. 49. Vgl. auch Parteienrechtskommission S. 138; BVerfGE 5, 85 (392).

119 Denn es liegt in der Natur der Sache, daß eine Ersatzorganisation sich nicht offen bekennt, sondern sich zu tarnen versucht; Lüneburg OVGE 7,

300 (311). 12 0

Siehe oben Anm. 95.

IV. Die Träger der Parteipresseorgane

39

wirkung der Pressefreiheit auf diese Personen keine Anwendung finden. Darauf ist noch zurückzukommen. Anders die parteiverbundene Presse. Da sie kein wesentlicher Bestandteil der Partei ist, teilt sie deren besonderen Status nicht und folgt nicht deren Schicksal. Auf sie findet Art. 21 GG keine Anwendung; allein maßgeblich ist Art. 5 GG. Wir fassen zusammen: Das parteiverbundene Presseorgan ist den für die Parteien geltenden Grundsätzen des Art. 21 Abs. 1 nicht unterstellt. Pressefreiheit eines parteiverbundenen Presseorgans ist allein durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet. Sie findet in der Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 ihre Schranken. Das Parteiverbot läßt die parteiverbundene Presse unberührt. Gleiches gilt für die "Tarnpresse", die - soweit nicht "Ersatzpresse" - als parteiverbundene Presse zu qualifizieren ist.

IV. Die Träger der Parteipresseorgane

Das Parteipresseorgan ist in den bisherigen Ausführungen als "organisierte Betätigung" betrachtet worden, die- je nach dem Grad ihrer Parteiabhängigkeit - das rechtliche Schicksal der Partei teilt oder davon unberührt bleibt. Nun stellt sich die Frage nach dem rechtlichen Träger der Parteipresse und der verfassungsrechtlichen Problematik, die damit zusammenhängt. Als rechtliche Träger des Parteipresseorgans kommen in Betracht: der Parteikern selbst, eine Vereinigung i. S. des Art. 9 GG, eine stiftungsbzw. anstaltsartige Organisation oder eine natürliche Person (etwa der Parteiführer oder ein Parteifunktionär). 1. Wird das Parteipresseorgan rechtlich vom Parteikern selbst getragen, so ist es stets parteigebunden. Es ist ein nicht aussonderbarer Bestandteil des Parteikerns und untersteht allein der Regelung des Art. 21 GG; Art. 5 und 18 GG finden keine Anwendung. Insbesondere zur Verwirkung der Pressefreiheit ist folgendes zu bemerken: Die in Art. 18 GG erwähnte Pressefreiheit ist die des Art. 5 Abs. 1 GG, wie auch der Hinweis in Klammern zeigt. Die Freiheit der Pressebetätigung einer Partei ist aber Bestandteil der Freiheit der Parteitätigkeit überhaupt und kann daher nicht auf Grund des Art. 18 GG verwirkt werden. Sie folgt vielmehr dem Schicksal der Parteifreiheit. Die Ersatzparteipresse wird wie jede Ersatzorganisation behandelt, die eine verbotene Partei ganz oder teilweise fortführen soll 121 • Mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit ist die Auflösung der Partei oder des parteigebundenen Presseorgans und das Verbot, eine Ersatz121

BVerfGE6, 300 (307f.); BVerwGE 6,333 (335) vgl. auch BGHSt.16, 264 (267).

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Zweiter Teil: Das verfassungsrechtliche Problem

organisation zu schaffen, zu verbinden. Wird eine Ersatzorganisation (die in unserem Fall ein Ersatzpresseorgan der Partei tragen soll) geschaffen, so ist eine neue Auflösungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht erforderlich. Auf Grund des Parteiverbots darf und muß die Verwaltung gegen das Ersatzpresseorgan der Partei einschreiten wie gegen die verbotene Partei selbst122 • Zur Behebung von Zweifeln kann dies vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt werden123 • 2. Problematischer ist der Fall, daß die Parteipresse von einer Gesellschaft oder einem Verein, d. h. einer "Vereinigung" i. S. des Art. 9 GG, rechtlich getragen wird. Richtet sich dann die Rechtslage dieser Vereinigung nach den Vorschriften über Vereinigungsfreiheit (Art. 9), über Pressefreiheit (Art. 5) oder über Parteienschutz (Art. 21)? Davon hängt auch die Anwendung der Schranken des Art. 5 Abs. 2, der Verwirkungsbestimmungen des Art. 18 und der Verfassungswidrigkeits- und Verbotserklärung nach Art. 9 Abs. 2 oder nach Art. 21 Abs. 2 GG ab. Es ist systematisch angebracht, zunächst einmal außer acht zu lassen, daß die Vereinigung ein Parteipresseorgan herausgibt; es wird der allgemeine Fall untersucht, daß eine Vereinigung Herausgeberin eines beliebigen Presseerzeugnisses ist. Die Vereinigung als solche ist Träger des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit; als Herausgeberin eines Presseerzeugnisses hat sie auch Anspruch auf den Verfassungsschutz der Pressefreiheit. Zwar sind beide Grundrechte verwirkbar (Art. 18 GG), so daß der darauf bezogene Konflikt zwischen Pressefreiheit und Berufsfreiheit124 hier nicht entsteht. Aber der Pressefreiheit und der Vereinigungsfreiheit sind verschiedene Schranken gesetzt, auch verbietet Art. 9 Abs. 2 GG verfassWlgswidrige Vereinigungen. Es liegt zunächst nahe, el.ne Vereinigung, die weder eine politische Partei bzw. eine parlamentarische Fraktion noch eine Religionsgemeinschaft ist 125, immer der allgemeinen Vereinigungsnorm der Verfassung, nämlich Art. 9 Abs. 1 GG zu unterstellen. Nähere Betrachtung führt 122 Bericht der Parteienrechtskommission, S. 139; Rabus, AöR 80 (1955/56), S. 202 (204) ; Maun z-Dürig Randnr. 30 zu Art. 21 ; Sei fert, DöV 1961, S. 81 (88); H en ke, Das Recht der politischen Parteien, S. 205 ff. (mit Nachweisen); d erselb e im Bonner Komm. Rdnr. 64 zu Art. 21 GG; BVerfGE 6, 300 ff ; BGHSt 7, 104 ff.; BVerwGE 6, 33 (335); Lüneburg OVGE 7, 300 (309); Zum Begriff der Ersatzorganisation BGHSt 20, 45 ff. 123 BVerfGE 6, 300 (309). 124 Dazu Copic, Berufsverbot und Pressefreiheit, JZ 1936, S. 494 ff.; Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 14 ff; Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 18 Randnr. 22; Wilke, Die Verwirkung der Pressefreiheit und das strafrechtliche Berufsverbot (Berliner Abhandlungen zum Presserecht, Heft 3, 1964) ; Schnur, Pressefreiheit, VVDStRL 22, 101 ff., 143 ff., auch Leitsatz III 5 auf S. 159 (dazu Dagt oglou ebenda S. 176 f.). 12; Vgl. § 2 Vereinsgesetz.

IV. Die Träger der Parteipresseorgane

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jedoch zu verschiedenem Ergebnis: Soweit die Vereinigung ein Presseerzeugnis herausgibt, ist sie insoweit als Trägerin des Grundrechts der Pressefreiheit zu betrachten und nach Art. 5 GG zu beurteilen. Diese Lösung ergibt sich zwingend aus der Funktion der verfassungsmäßigen Gewährleistung der Pressefreiheit. Das Grundgesetz schützt damit das gesamte Pressegewerbe von der redaktionellen und technischen Herstellung und Herausgabe bis zum Vertrieb, zur Beförderung und Verbreitung des Presseerzeugnisses 126 • Damit ist die gesamte einschlägige Tätigkeit der das Presseerzeugnis verlegenden, herausgebenden, redigierenden, herstellenden und/oder vertreibenden Vereinigung nicht durch Art. 9 Abs. 1, sondern durch Art. 5 GG erfaßt, der zweifelsfrei auf juristische Personen (Art. 19 Abs. 3 GG) und auch Zusammenschlüsse ohne allgemeine Rechtsfähigkeit anwendbar ist127 • Zwar gewährleistet Art. 9 Abs. 1 GG nicht nur das Recht, Vereine und Gesellschaften "zu bilden", sondern er umfaßt auch die Freiheit des Beitritts und des Verbleibens in solchen bereits gebildeten Vereinigungen sowie (was hier von unmittelbarem Belang ist) die Freiheit der Vereinstätigkeit128. Soweit aber die Vereinstätigkeit von einem sie speziell regelnden Grundrechtsartikel erfaßt ist, findet die besondere Verfassungsvorschrift, nicht der die allgemeine Vereinstätigkeit gewährleistende Art. 9 Abs. 1 GG Anwendung. Das gilt auch für die Pressetätigkeit einer Vereinigung: Sie wird ausschließlich durch die lex specialis des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt. Der Konflikt zwischen Art. 5 und Art. 9 Abs. 1 GG wird hier von vornherein zugunsten der lex specialis des Art. 5 GG gelöst. Soweit die Tätigkeit der Vereinigung sich auf das Pressegewerbe bezieht, ist Art. 5 allein maßgebend; Art. 9 Abs. 1 scheidet insoweit aus. Art. 9 Abs. 1 und 21 Abs. 1 sind auch hier nicht einfach parallel auszuzulegen: Während der Parteienschutz auch die Pressetätigkeit der Partei einbezieht und sie ausschließlich schützt und regelt, bleibt Art. 5 GG für die Pressetätigkeit einer Vereinigung allein maßgebend. Der Grund besteht darin, daß Art. 21 Abs. 1 nicht einfach ein Unterfall des Art. 9 Abs. 1 ist, sondern eine darüber hinausgehende Funktion erfüllt. Während Art. 9 eines der klassischen Grundrechte ist, d. h. ein Stück menschlicher Freiheit als solcher gewährleistet, und sich neben den anderen klassischen Grundrechten versteht, betrifft Art. 21 eine Einheit menschlichen Handelns, die final gekennzeichnet ist und als solche geBVerfGE 10, 118 (121); 12, 205 (260). Statt vieler: Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 19 Abs. III Randnr. 53 und 55 ff. 128 Für die Gewährleistung der Vereinigungstätigkeit durch Art. 9 GG: Füßlein, Vereins- und Versammlungsfreiheit, in: Neumann-NipperdeyScheuner, Die Grundrechte Bd. II (1954), S. 425 ff. (433); von Mangoldt-Klein, GG Art. 9 Erl. III 7. 126

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Zweiter Teil: Das verfassungsrechtliche Problem

schützt wird. Dieser finale Charakter des Parteienschutzes bedingt die Einbeziehung aller zwecknotwendigen Tätigkeit der Partei (zu der sicher die Pressetätigkeit gehört), während die Pressetätigkeit der Vereinigung durch Art. 5 geregelt bleibt. Dennoch hört damit die Vereinigung nicht auf, als solche zu existieren, neue Mitglieder aufzunehmen, alte auszuschließen, auf Mitglieder und Außenstehende Einfluß auszuüben und überhaupt als Vereinigung tätig zu sein. In diesem Maße bleibt Art. 9 die maßgebende Norm. Infolgedessen ist die Vereinigung nach Art. 9 Abs. 2 und den Bestimmungen des neuen Vereinsgesetzes von der zuständigen Verwaltungsbehörde zu verbieten, wenn ihre Zwecke oder ihre Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Insofern schränkt Art. 9 Abs. 2 die Verwirkungsnorm des Art. 18 ein, und zwar sowohl die materiellen Voraussetzungen der Verwirkung als auch die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts - was durchaus zulässig ist, weil beide Vorschriften auf verfassungsrechtlicher Ebene Iiegen129 • Der Auffassung, Art. 18 sei gegenüber Art. 9 Abs. 2 lex specialis, so daß dann, wenn eine Vereinigung zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung Grundrechte mißbraucht, das Verfahren gern. Art. 18 durchgeführt werden müsse130, ist nicht beizupflichten. Dagegen überzeugt die Argumentation Dürigs, der der genannten Auffassung mit Recht vorwirft, sie spalte den einheitlichen Art. 9 Abs. 2 auf, je nachdem, gegen welches Verbot des Art. 9 Abs. 2 eine Vereinigung verstoße, was zu noch unverständlicherer Differenzierung führen müßte, wenn man die Begriffe verfassungsmäßige Ordnung (Art. 9 Abs. 2) und freiheitliche demokratische Grundordnung (Art. 18) verschieden interpretiere131 • Die Verwirkung von Grundrechten einer Vereinigung kann freilich beantragt werden; da aber die Vereinigung unter den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 bereits von Verfassungs wegen verboten ist und gemäß dem Vereinsgesetz unmittelbar durch die Verwaltung aufgelöst werden kann, hat das Verwirkungsverfahren {das nach § 39 Abs. 2 BVerfGG auch zur Auflösung einer juristischen Person führen kann) in diesem Fall kaum praktische Bedeutung. Zusammenfassend ist hier folgendes festzustellen: Während die Bildung und die allgemeine Tätigkeit einer Vereinigung von Art. 9 Abs. 1 erfaßt sind, ist die Pressetätigkeit der Vereinigung Maunz-Dürig, Art. 18 Randnr. 86. So v . Mangoldt-Klein, Bd. I (2. Aufl.), S. 519; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. I, (2. Aufl. 1953), S. 254 f.; Gerd Pfeifer, Die Verfassungsbeschwerde in der Praxis, 1959, S. 158. 1 31 Maunz-Dürig, Art. 18 Randnr. 86. 120

13°

IV. Die Träger der Parteipresseorgane

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allein nach Art. 5 zu beurteilen. Die verfassungswidrige Pressetätigkeit muß jedoch nicht unbedingt zur Verwirkung der Pressefreiheit gern. Art. 18 GG i. V. mit§§ 36 ff. BVerfGG, sondern kann und wird in aller Regel zur Auflösung der Vereinigung gern. Art. 9 Abs. 2 GG i. V. mit §§ 3 ff. VereinsG führen. b. Wie ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn eine Vereinigung Trägerio eines Parteipresseorgans ist? D. h. vor allem: Inwiefern und inwieweit nimmt die Vereinigung am Parteienschutz des Art. 21 GG teil und wird sie vom Parteiverbot berührt? Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob das Presseorgan parteigebunden oder parteiverbunden ist. Im letzteren Fall ist auf die Ausführung unter a zu verweisen: Hinsichtlich der Pressetätigkeit der Vereinigung findet nicht Art. 9 Abs. 1, sondern Art. 5 GG Anwendung. Die Rechtslage der Vereinigung als solcher ist aber nach Art. 9 Abs. 1 GG zu beurteilen. Der Umstand, daß eine Vereinigung ein parteiverbundenes Presseorgan trägt, vermag an dieser Rechtslage nichts zu ändern. Diese Vereinigung ist also weder den Einschränkungen unterstellt, noch hat sie an den Privilegien der Partei teil. Auch hier kann die verfassungswidrige Pressetätigkeit der Vereinigung zu deren Auflösung gern. Art. 9 Abs. 2 GG i. V. mit§§ 3 ff. VereinsG führen. Die Vereinigung ist damit dem unmittelbaren Eingriff der Exekutive ausgesetzt und genießt nur auf ihre Klage hin den Schutz der Gerichte. Die Verbotsverfügung kann unabhängig vom Verbot der Partei erlassen werden. Aber auch umgekehrt: Das Parteiverbot berührt die ein parteiverbundenes Presseorgan tragende Vereinigung als bloße Nebenorganisation nicht. Für Tarnorganisationen gilt auch hier Entsprechendes. Anders ist die Rechtslage der ein parteigebundenes Presseorgan tragenden Vereinigung. Eine solche Vereinigung ist Teilorganisation der Partei und untersteht allein Art. 21 GG, der, wie dargelegt132, sowohl das assoziierende als auch das meinungsäußernde Element der Partei deckt; damit scheiden Art. 5, 9 und 18 aus. Da eine solche Vereinigung am Parteienprivileg teilhat. sind Rechtsvorschriften über Vereinigungen, die auf Parteien keine Anwendung finden dürfen (wie § 90a Abs. 1 StGB133 oder § 129 StGB 134), auf sie ebensowenig anwendbar. Die das parteigebundene Presseorgan tragende Vereinigung teilt also den Schutz und das Schicksal der Partei nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen. Entsprechendes gilt auch für Vereinigungen, die (verbotene) parteigebundene Ersatzpresseorgane tragen. 1 32 133 134

Siehe oben I. BVerfGE 12, 296. BVerfGE 17, 155.

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Zweiter Teil: Das verfassungsrechtliche Problem

3. Träger eines Parteipresseorgans kann auch eine anstalts- oder stiftungsartige Organisation sein135• Ist das Presseorgan nur parteiverbunden, so findet Art. 21 keine Anwendung. Maßgebend ist Art. 5, der Freiheit und Schranken der Pressetätigkeit der OrganisatioiJ, selbst und der in ihr und durch sie tätigen natürlichen Personen erfaßt. Deren Pressefreiheit kann nur nach Maßgabe des Art. 18 GG vom Bundesverfassungsgericht für verwirkt erklärt werden. Auf eine anstaltsoder stiftungsartige Organisation findet Art. 9 - und damit auch Art. 9 Abs. 2 GG - keine Anwendung. Handelt es sich um ein parteigebundenes Presseorgan, so ist seine tragende anstalts- oder stiftungsartige Organisation eine Teilorganisation der Partei und als solche zu behandeln. 4. Presseorgane befinden sich manchmal - vor allem bei jungen oder kleinen Parteien - im Besitz des Parteiführers oder eines führenden Parteifunktionärs 136 • Aus diesem Umstand ergibt sich in aller Regel, daß es sich um parteigebundene Blätter handelt. Als solche teilen sie das Schicksal der Partei und können nur im Rahmen des Art. 21 Abs. 2 i. V. m. den§§ 43 ff. BVerfGG verboten werden. Ein solches Verbot des Parteipresseorgans bedeutet nicht die Verwirkung der Pressefreiheit der natürlichen Person, der das Blatt gehörte. Diese Verwirkung kann nur gemäß Art. 18 GG i. V. m. §§ 36 ff BVerfGG erfolgen. Auf das Problem des Verhältnisses zwischen dem Verbot des Parteipresseorgans und der Pressetätigkeit der Personen ist unter V einzugehen.

135 Vgl. die sog. "Press Trusts" in Großbritannien, unter denen prestigeoder traditionsreiche (allerdings nicht parteigebundene!) Zeitungen und Zeitschriften (wie "The Guardian", "The Observer", "The Times"; "The Economist", "The Spectator", "Daily Express", "Sunday Express", "Evening Standard" usw.) stehen. Diese "voluntary agreements of owners to limit their own sovereignty in the public interest" verfolgen folgende Zwecke: zu verhüten, daß das Presseorgan in "ungeeignete Hände" gerät; den Charakter und die Tradition des Presseorgans zu bewahren; die Folgen der Erbschaftssteuer zu meiden; die Erhaltung oder Ausdehnung des Presseorgans dadurch zu sichern, daß man die Gewinne einschränkt oder zurückerhält. Zu den Press Trusts siehe Einzelheiten und kritische Bemerkungen in: Royal Commission of the Press 1947-1949, Report presented to Parliament by Command of his Majesty, June 1949, Neudruck London 1959, Nr. 83 ff., 581 ff. sowie Appendix VI. Zusammenfassende Auskunft gibt: Centrat Office of Information, The British Press (London 1965), S. 18 f. 13 6 Siehe oben Anm. 79.

V. Der Parteijournalist

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V. Der Parteijournalist

Es ist bereits ausgeführt worden, daß das parteigebundene Presseorgan ausschließlich Art. 21 GG untersteht. Art. 5 und 18 GG finden keine Anwendung. Der Grund dafür ist, daß das parteigebundene Presseorgan "Teil" der Partei ist, die in Art. 21 ihre erschöpfende verfassungsrechtliche Regelung findet. Anders steht es mit den Menschen, die für eine Partei tätig sind anders auch mit den Journalisten, die für die parteigebundene Presse arbeiten. Diese sind keine "Teile" der Partei, die deren Schicksal teilen. Der Mensch, der in den Dienst einer Partei tritt, wird durch die Partei (mindestens rechtlich!) nicht etwa "absorbiert", sondern er bleibt selbstverständlich nach wie vor eine Person, die ein selbständiger Träger von Grundrechten ist. Die Freiheit des Parteijournalisten, seine politische und parteipolitische Meinung im Parteiorgan zu äußern und sich in dieser Weise journalistisch zu betätigen, ist nicht Ausfluß der Freiheit seiner Partei, tätig zu werden, sondern Ausdruck seiner eigenen Freiheit als Person. Der verfassungsrechtliche Standort dieser Freiheit ist demgemäß nicht Art. 21, sondern Art. 5 und 12 GG. Entsprechendes gilt für die Schranken und die Aufhebung dieser Freiheit: sie sind nicht in Art. 21, sondern in Art. 5, 12 und 18 GG verzeichnet. Indem· aber das Grundgesetz die Parteien anerkennt und unter ein besonderes, über die allgemeinen Grundrechte hinausgehendes "Parteienprivileg" stellt, räumt es den Personen, die sich für die Partei einsetzen (also auch den Parteijournalisten) denselben spezifischen Schutz ein, der in erster Linie für die Partei als solche gilt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung Umfang und Bedingungen des verfassungsmäßigen Schutzes näher bestimmt, den die politische Partei als solche und die Personen, die sich für sie einsetzen, genießen. Der verfassungsrechtliche Status des Parteijournalisten ist auf Grund dieser Rechtsprechung zu untersuchen. 1. Das Bundesverfassungsgericht wendet das in erster Linie die Parteiorganisation schützende Privileg des Art. 21 Abs. 2 GG im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs137 "auch auf die mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende parteioffizielle Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei" an. Das Gericht hat diese Auffassung damit begründet, daß der Ausschluß der Funktionäre das Parteienprivileg aushöhlen würde; "denn eine Partei ist ohne die Tätigkeit der Funktionäre handlungsunfähig. Auf diese Weise könnte eine Partei unter Umgehung des in Art. 21 Abs. 2 GG vorgesehenen tS7

BGHSt 6, 318 (320 f.).

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Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ausgeschaltet werden. Das wäre aber verfassungswidrig" 138. a) Die sich allgemein erlaubter Mittel bedienende Tätigkeit der Gründer, Funktionäre und Anhänger einer Partei, die sich im Gründen der Partei und im Fördern der Parteiziele erschöpft, wird durch das Parteienprivileg geschützt und kann nicht als strafbare Handlung verfolgt werden139• Art. 21 GG gebietet, dahingehende Strafrechtsnormen so auszulegen, daß sie die von ihm gedeckte Tätigkeit nicht erfassen140. Eine solche Tätigkeit darf ferner nicht zur Diskriminierung des Parteiangehörigen führen; eine dahingehende Rechtsnorm wäre verfassungswidrig oder dürfte auf durch Art. 21 GG gedeckte Fälle nicht angewandt werden141. "Was das Grundgesetz gestattet, kann das Strafgesetz nicht verbieten"142. Durch das Parteienprivileg sind auch alle Geschäftspartner und Arbeitnehmer geschützt: Der rechtsgeschäftliche Verkehr mit einer durch das Bundesverfassungsgericht nicht verbotenen Partei kann nicht

138 BVerfGE 12, 296 (305); ebenso BVerfGE 13, 46 (52); 13, 123 (126); 17, 155 (166). In seiner Rechtsprechung spricht das Bundesverfassungsgericht

abwechselnd von Gründern, Funktionären, Mitgliedern, Anhängern, Förderern, "denjenigen, die für die Partei tätig werden", ohne sich um eine Unterscheidung zu bemühen (vgl. jedoch BVerfGE 2, 1 [22]). Der Grund hierfür liegt wohl darin, daß der Blickpunkt des Bundesverfassungsgerichts der Schutz des Art. 21 GG ist. Die verfassungsmäßig geschützte Tätigkeit einer Partei ist notwendigerweise die Summe der Tätigkeiten verschiedener Personen, die insoweit durch das Parteienprivileg unterstützt werden. Streng genommen werden durch Art. 21 GG nicht Personen als solche, sondern Parteitätigkeiten geschützt. Daher ist nicht die Bezeichnung der Person, sondern die ParteibezogenheU ihrer konkreten Handlung von Bedeutung. Darauf ist unten zurückzukommen. - Zu den Begriffen des Gründers, Funktionärs, Mitglieds, Anhängers, Förderers usw. siehe Kölble, AöR 87, S. 48 ff. (57); zum Begriff des Anhängers einer Partei hinsichtlich des Art. 21 Abs. 2 GG siehe Wernicke, Bonner Kommentar, Art. 21 Erl. II 2 a, b; v. Mangoldt-Klein, 2. Aufi. Bd. 1, S. 628 f.; Maunz-Dürig, Art. 21 GG Randnr. 112; v. d. Heydte, Freiheit der Parteien, in Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2 (1954), S. 457 ff. (485 f.). Im folgenden wird der Kürze halber vom "Parteifunktionär" gesprochen, weil er - als eine Person, die die "Funktion" seiner Partei erfüllt - in aller Regel für die Partei tätig wird. 139 Vgl. BVerfGE 12, 296 (305); Reißmüller, JZ 1961, S. 323; Bertram NJW 1961, S. 1099, untersuchen die Auswirkungen dieser Entscheidung auf andere Rechtsvorschriften, wie etwa §§ 80, 81, 93, 128, 129 StGB. Über das Verhältnis der §§ 93 und 123 StGB zum Parteienprivileg vgl. BGHSt 19, 311 ff.; (zu § 123 StGB s. auch die nächste Fußnote); zu den §§ 94 und 97 StGB vgl. BGHSt 20, 87, 111 und 115. 140 So BVerfGE 17, 155 hinsichtlich des § 129 StGB auf Grund von Vorlagebeschlüssendes Bundesgerichtshofs und des Landgerichts Dortmund. 141 BVerfGE 13, 46 (53, 54). 142 BVerfGE 12, 296 (307).

V. Der Parteijournalist

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rechtswidrig sein14s. Die Bestrafung oder rechtliche Diskriminierung solcher Handlungen wäre verfassungswidrig, weil sie letzten Endes auch die Partei benachteiligen müßte. Ein durch Art. 21 GG gedecktes Verhalten kann ebensowenig die Verwirkung von Grundrechten gemäß Art. 18 GG begründen; denn bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen. Was aber für die Partei als Ganzes nicht als verfassungswidrig gilt, kann nicht für den einzelnen Parteiangehörigen als verfassungswidrig betrachtet werden. Soweit und solange (bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts) eine Tätigkeit durch den Art. 21 GG geschützt wird, kann sie unmöglich als Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Art. 18 GG angesehen werden und die Verwirkung von Grundrechten begründen144. Das Verhalten ihrer Anhänger (darunter sind natürlich auch die Funktionäre zu verstehen145) kann freilich gemäß Art. 21 Abs. 2 GG die Verfassungwidrigkeit der Partei (oder eines rechtlich oder organisatorisch selbständigen Teils der Partei) begründen. Halten es aber die antragsberechtigten Stellen (§ 43 BVerfGG) zwar für sachlich richtig, jedoch politisch unzweckmäßig oder auch gefährlich, die Verfassungswidrigkeits- und Verbotserklärung einer politischen Partei zu beantragen, dann müssen sie auch die Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger der Partei in Kauf nehmen. Diese Tätigkeit muß allerdings zwei Voraussetzungen erfüllen: aa) Sie muß sich "allgemein erlaubter Mittel" bedienen146 und "alles unterlassen, was nach den allgemeinen Rechtsvorschriften verboten ist" 147• Sie muß also die für alle geltenden, die "allgemeinen Gesetze" respektieren. Die Parteizugehörigkeit kann in keinem Fall von den allgemeinen gesetzlichen Geboten und Verboten befreien148. Ein Verfahren gegen den Funktionär einer Partei wegen Verletzung einer allgemeinen Norm setzt die Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieser Partei durch das Bundesverfassungsgericht auch dann nicht voraus, wenn der Funktionär sich im Rahmen dessen gehalten hat, was die Partei erstrebt und propagiert1 49. Nur wenn solche Verfahren gegen 143 Reißmii.ller, JZ 1961, 323. Über die Rechtsverbindlichkeit des Arbeitsverhältnisses mit einer Partei bis zum Zeitpunkt ihres Verbots siehe unten V 1 b. 1u Vgl. BVerfGE 13, 46 (53). us Vgl. v. d. Heydte aaO. S. 486. 140 BVerfGE 12, 296, (305, 306, 307); 13, 46 (52, 53); 13, 123 (126); 17, 155 (166). BGHSt 6, 318 (320 f.); 19, 311 (313, 314 ff.); 20, 111 (113). 147 BVerfGE 12, 296 (306); BGHSt 19, 311 (316). 148 Art. 21 GG gewährt keine "Immunität"; BGHSt 6, 336 (345), vgl. auch BGHSt 6, 318 (321). 149 BVerfGE 9, 162 ff. (165 f.).

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Zweiter Teil: Das verfassungsrechtliche Problem

Funktionäre einer Partei eingeleitet würden, um die Partei unter Umgehung des in Art. 21 Abs. 2 GG hierfür vorgesehenen Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht aus dem politischen Leben auszuschalten, könnte das durch Art. 21 Abs. 1 GG garantierte Recht der Parteien, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, beeinträchtigt werden150• Auch können die allgemeinen Gesetze Bestand und Tätigkeit einer Partei und ihrer Funktionäre nicht über das Maß hinaus einschränken, das Art. 21 GG vorbehaltlos garantiert. So ist das Gründen und Fördern politischer Parteien durch Art. 21 GG unter dem Vorbehalt des Verbots der Partei durch das Bundesverfassungsgericht uneingeschränkt gewährleistet151 • Eine diesbezügliche differenzierende Auffassung des Bundesgerichtshofs hat das Bundesverfassungsgericht neuerdings abgelehnt: Der Bundesgerichtshof unterscheidet zwischen Parteigründern und verantwortlichen Funktionären einerseits und "bloßen" Parteimitgliedern und -anhängern, die keinen Einfluß auf den Parteikurs haben, andererseits. Während die letzteren den Schutz des Parteienprivilegs vollständig genössen, schütze Art. 21 GG nicht Personen, die eine politische Partei in der Absicht gründeten, die Parteiziele durch strafbare Handlungen zu verwirklichen, oder die für den taktischen Kurs einer solchen Partei verantwortliche Funktionäre seien. Diese Personen verstießen gegen das "allgemeine Strafgesetz" des § 129 StGB; das Parteienprivileg des Art. 21 GG erfülle seinen Zweck auch dann noch vollständig, wenn sich die politischen Parteien der planmäßigen Begehung strafbarer Handlungen enthalten müßten. Das Bundesverfassungsgericht lehnte jedoch diese Unterscheidung mit der Begründung ab, sie finde sich weder in § 129 StGB noch in Art. 21 GG152 • Die Auffassung des Bundesgerichtshofs ist aber auch aus folgendem Grunde unzutreffend: Art. 21 GG stellt eine Schutznorm in doppeltem Sinne dar: Nicht nur schützt er die "freiheitliche demokratische Grundordnung" gegen verfassungsfeindliche Parteien, sondern er garantiert auch, daß die für diese Grundordnung wesensnotwendigen Parteien dem legislativen und administrativen Eingriff solange vorbehaltlos entzogen sind, bis sie das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Art. 21 GG schützt also einmal die Demokratie gegen demokratiefeindliche Parteien, sodann die Parteien gegen Gesetzgebung und Verwaltung. Art. 21 GG schützt die Parteiendemokratie und die demokratischen Parteien. Von diesem Schutz gerade Gründer und verantwortliche Funktionäre auszunehmen, erscheint nicht folgerichtig. Wie das Parteiverbot keine Strafe ist153, so ist der Schutz der 150 151

152 153

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

9, 162 fi. (166). 12, 296 (307); BGHSt 6, 318 (320). 17, 155 (163). 5, 85 (142, 143).

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Parteifunktionäre kein Schuldausschließung sgrund154, der sich etwa auf die weniger wichtigen Rechtsbrecher beschränkt, die leitenden Täter aber nicht erfaßt. Das Parteienprivileg bezieht sich in erster Linie auf die Parteiorganisation und erstreckt sich auch auf die Parteigründer und Funktionäre, weil die Partei ohne sie nicht handlungsfähig ist. Unter diesem der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechenden Blickpunkt gesehen, erstreckt sich das Parteienprivileg primär auf Gründer und leitende Funktionäre und erst sekundär auf "bloße" Mitglieder und Anhänger. Jedenfalls hält die Unterscheidung des Bundesgerichtshofs gerade im Rahmen des Art. 21 GG nicht stand, weil diese Verfassungsvorschri ft Parteigründung und Parteizugehörigkeit vorbehaltlos schützt und erst nach der Gründung die Möglichkeit der Feststellung der Verfassungswidrigk eit (aber nicht der Strafrechtswidrigkei t) eröffnet. Daraus hat das Bundesverfassungsgericht gefolgert, daß "§ 129 StGB insoweit kein allgemeines Strafgesetz sein" (und damit das Parteienprivileg einschränken) kann, "als es sich auf politische Parteien beziehen soll" 155 • Dasselbe Gericht hatte in einer früheren Entscheidung über die Vereinbarkeit des § 90 Abs. 1 und 3 StGB mit dem Grundgesetz die obigen Erwägungen in der folgenden Maxime zusammengefaßt: "Was das Grundgesetz ebensowenig gestattet, kann das Strafgesetz nicht verbieten" 156 tun. Gesetz anderes kann dies irgendein Die Frage weist Parallelen zu der Problematik der Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit durch die "allgemeinen Gesetze" (Art. 5 Abs. 2 GG) auf 157 • Die einschlägige Literatur und Rechtsprechung ist daher mutatis mutandis anwendbar. So gibt die vom Bundesverfassungsg ericht geforderte Abwägung zwischen dem Rechtsgut der Meinungs- oder Pressefreiheit und dem durch das "allgemeine Gesetz" zu schützenden Rechtsgut1 58 Anhalt für die entsprechende An15 4 Vielmehr schafft Art. 21 GG nach BGHSt 19, 311 (315) "im Falle des § 93 StGB kraft unmittelbarer Rechtswirkung einen Rechtjertigungsgrund, soweit es sich um parteiamtliche Schriften einer vom Bundesverfassungsgericht noch nicht für verfassungswidrig erklärten politischen Partei handelt". 155 BVerfGE 17, 155 (167). 166 BVerfGE 12, 296 (307). 157 Vgl. BGHSt 19, 311 (316); Kölble, AöR 87, 48 (63 f.). 158 So vor allem BVerfGE 7, 198 (2~0); vgl. ferner BVerfGE 15, 77 (78 f.), 223 (225). Ubereinstimmend mit dieser auf Rudolf Smend zurückgehenden Auffassung: Ulrich Scheuner in VVDStRL 22, S. 79 ff. Leitsatz 22, S. 99. Der Mitberichterstatter Roman Schnur, ebenda S. 121 ff. Leitsatz II 1, S. 156 f. versteht jedoch das allgemeine Gesetz als ein Gesetz, das auf Kosten der Pressefreiheit von der Verfassung zugelassene Gemeinschaftsgüter schütze und als solches im Rahmen der Ermittlung des unantastbaren Wesensgehalts der Pressefreiheit zu interpretieren sei. An der Interpretation der "allgemeinen Gesetze" durch Güter- oder Wertabwägung hat Karl August Bettermann, Die Allgemeinen Gesetze als Schranken der Pressefreiheit,

4 Dagtoglou

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wendung auf die Tätigkeit der Parteifunktionäre. Diese Tätigkeit wird vom Parteienprivileg auch dann gedeckt, wenn sie zwar gegen ein allgemeines Gesetz verstößt, dessen Schutzgut aber weniger als die Parteifreiheit wiegt. bb) Die Tätigkeit des Parteifunktionärs wird vom Parteienprivileg nur dann geschützt, wenn sie "parteioffiziell" ist159 • Das ist der Fall, wenn der Parteifunktionär im Namen der Partei bei der Bildung des politischen Willens des Volkes "mitwirkt" 16°. Schutzfähig im Sinne des Art. 21 GG ist also die Tätigkeit eines Parteifunktionärs, die sich nicht nur im Rahmen dessen hält, was die Partei zweckgerecht161 erstrebt und propagiert, sondern auch noch befugterweise im Namen der Partei erfolgt162 • Das Parteienprivileg erstreckt sich auch auf die Parteifunktionäre als solche; es schützt also nur ihre Parteitätigkeit, d. h. ihre Tätigkeit im Dienste des Parteikerns oder einer Teilorganisation der Partei - nicht dagegen einer bloßen Nebenorganisation163 • b) Die Erstreckung des Parteienprivilegs auf Parteifunktionäre hat noch eine zweite Bedeutung: Die Tätigkeit der Parteifunktionäre, die die erwähnten beiden Voraussetzungen erfüllt, bleibt durch das Parteienprivileg auch dann geschützt, wenn die Partei durch eine spätere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt wird. Das Bundesverfassungsgericht, das sich wiederholt in diesem Sinne ausgesprochen und entgegengesetzte Urteile des Bundesgerichtshofs aufgehoben hat164, begründet seine richtige Auffassung mit der konstitutiven Bedeutung seiner Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei und mit RechtsstaatlichkeitserwägunJZ 1964, 601 ff., sehr beachtliche Kritik geübt. Der Bundesgerichtshof (St. 19, 311 [316]) versteht die "allgemeinen Gesetze" nach wie vor als den Gegensatz zum diskriminierenden Sonderrecht; so hat er§ 96 StGB (Beschimpfung der Bundesrepublik usw.) als eine allgemeine Rechtsvorschrift bezeichnet, die auch auf Funktionäre, Mitglieder und Anhänger einer noch nicht verbotenen Partei angewandt werden könne. Eine weitere Erörterung des Begriffs der .,allgemeinen Gesetze" als Schranken der Pressefreiheit würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. 15o BVerfGE 12, 296 (305); 13, 46 (52); 13, 123 (126). 1s o BVerfGE 12, 296 (306) ; BGHSt 20, 111 (113). 161 BGHSt 6, 318 (320) : .,das der Partei in ihrem Aufgabenbereich dienende Tätigwerden". Siehe auch Kötbte, AöR 1962, S. 48 (61). 162 Daher ist eine Tätigkeit, die einfach .,der Partei in ihrem Aufgabenbereich" dient oder "für die Partei" erfolgt, noch keine durch das Parteienprivileg geschützte Tätigkeit; diese Ausdrücke (BGHSt 6, 318 (320); BVerfGE 17, 155 (166)) sind nicht präzise. Die Tätigkeit muß auch .,im Namen" der Partei erfolgen, denn das Parteienprivileg schützt die Parteifunktionäre als Glieder der Partei. 168 Vgl. Kölble, AöR 1962, S. 48 (59, 60). 164 BVerfGE 12, 296 (306 f.); 13, 46 (52 ff.).

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gen: "Die Rechtsordnung kann nicht ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit die zunächst eingeräumte Freiheit, eine Partei zu gründen und für sie im Verfassungsleben zu wirken, nachträglich als rechtswidrig behandeln." Diese Gedanken gelten auch für Geschäftspartner und Arbeitnehmer der Partei. Die Bestrafung oder rechtliche Diskriminierung früherer Geschäftspartner oder Arbeitnehmer verbotener Parteien ist verfassungswidrig. Unrichtig ist daher das Urteil des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs165, soweit es einem früheren Arbeitnehmer der KPD die Enteignungsentschädigung für den mit der Auflösung seiner arbeitgebenden Partei verbundenen Wegfall seines Gehaltsanspruchs für die Zeit vor dem Verbot der KPD mit Hilfe einer "dubiosen Makeltheorie"166 versagte. Zutreffend führte dagegen das Bundesarbeitsgericht aus, daß gegen die Rechtswirksamkeit von Arbeitsverhältnissen mit der KPD bis zum Tag ihres Verbots keine Bedenken bestünden167• Diese Gedanken lassen sich jedoch auf die Grundrechtsverwirkung gemäß Art. 18 GG i. V. m. §§ 36 ff. BVerfGG nicht übertragen. Da die Verwirkung keine Strafe168 ist, findet auf sie das Prinzip "nulla poena sine lege" keine Anwendung. Die Verwirkung ist genau wie das Parteiverhot "nicht eine Sanktion für Vergangenes, sondern eine Sicherung vor zukünftigen Gefahren" 169, eine präventive Verfassungsschutzmaßnahme170, eine verfassungsschutzorientierte "Unschädlichmachung"; daher kommt es nicht auf das etwaige Verschulden des An165 BGHZ 31, 1 (3 f.). 166 Reißmüller JZ 1961, 323. 167 BAGE 7, 223 ff. (225 f.); dazu Fuss, Rechtsverhältnisse und Verbindlich-

keiten einer für verfassungswidrig erklärten Partei, JZ 1959, 741 ff.; W. Henrichs, NJW 1959, 1243 f. Vgl. ferner Reißmüller JZ 1961, 323 ff. (323).

168 Das ist die herrschende Meinung: so zuerst (aber nicht ganz klar)

Scheuner, Der Verfassungsschutz im Bonner Grundgesetz, in Festgabe für Erich Kaufmann 1950, S. 313 (329); derselbe, Gegenstand und Träger des Verfassungsschutzes, Bay. VBI. 1963, S. 65 (68, klar); Dürig, Die Verwirkung

von Grundrechten nach Art. 18 des Grundgesetzes, JZ 1952, S . 513 (516); derselbe, in Maunz-Dürig GG Art. 18 Randnr. 38-40; v. Mangoldt-Klein, GG I S. 531, 532; Echterhölter, Zur Problematik des Art. 18 GG, JZ 1953, 656 (657); Reißmüller, Das Monopol des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 18 GG, JZ 1960, 529 (532 f.); Copi~, Berufsverbot und Pressefreiheit, JZ 1963, 494 (497); Wilke, Die Verwirkung der Pressefreiheit und das strafrechtliche Berufsverbot 1964 S. 97. Ablehnend (also für die Strafnatur der Verwirkung): v. Weber DRiZ 1951, 151 ff. (151, 155) und JZ 1953, 293 ff. (294); Lechner, BVerfGG (1954), Erl. 1 zu § 13 Ziff. 1. 1 69 So wörtlich BVerfGE 5, 85 (143, ebenso 142) hinsichtlich des Parteiverbots. 110

v. Mangoldt-Klein, aaO S. 531.

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Zweiter Teil: Das verfassungsrechtliche Problem

traggegners, sondern auf seine Gefährlichkeit an171 • Diese Gefährlichkeit muß nicht nur in der Vergangenheit bestanden haben, sondern auch zur Zeit des Verwirkungsantrags bestehen und für die Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein172• Das gilt auch für die Funktionäre einer verbotenen Partei: zwar ist die Berücksichtigung der verfassungsfeindlichen Tätigkeit des Antragsgegners vor der Verbotserklärung rechtsstaatsgemäß nicht zu beanstanden173 ; für sich allein kann sie aber die Gefährlichkeit des Antraggegners nicht beweisen. Manchmal wird sogar der Parteifunktionär durch die Auflösung der Partei und seine sich dadurch ergebende politische Isolierung politisch (und darauf kommt es an) ungefährlich174 • Da die Verwirkung keine Vergeltung, sondern eine politische Abwehr- und Sicherungsmaßnahme ist, kommt dem vergangenen Verhalten keine selbständige Bedeutung zu. Es muß die Gefahr der Wiederholung bestehen175. Zusammenfassend ist zur Grundrechtsverwirkung eines Parteifunktionärs folgendes festzustellen: Einmal steht der Berücksichtigung der Parteitätigkeit eines Parteifunktionärs aus der Zeit vor dem Parteiverbot rechtsstaatlich nichts entgegen, weil die Verwirkung keine Strafe ist. Sodann kann diese vergangene Tätigkeit allein die Grundrechtsverwirkung nicht begründen; es muß noch die Gefahr der Wiederholung nachgewiesen w erden. Schließlich stellt die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei keine hinreichende Begründung der Verwirkung dar. Eher umgekehrt spricht das Verbot der Partei und deren Ersatzorganisationen in der Regel gegen die Gefährlichkeit des Antragsgegners. Der Mandatsverlust als automatische Folge der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei steht nicht im Widerspruch zum bereits Gesagten. Denn dieser knüpft nicht an das individuelle Verhalten des Abgeordneten, sondern an den Zusammenhang des Mandats 171 So BVerfGE 11, 281 und die herrschende Lehrmeinung: Dürig JZ 1952, 513 ff. (517); derselbe, in Maunz-Dürig GG, Art. 18 Randnr. 41; v. MangoldtKlein, GG I S. 531, 532; Echterhölzer JZ 1953, 656 ff. (657); Geiger, BVerfGG Erl. 4 zu§ 39; Ablehnend v. Web er , JZ 1953, 293 ff. (294); Lechner, BVerfGG, Erl. 3 zu§ 13 Ziff. 1, hält zwar eine Schuld "im strafrechtlichen Sinne" nicht für erforderlich, lehnt aber zugleich die Auffassung Dürigs (aaO), wonach die Gefährlichkeit des Mißbrauchenden maßgebend sei, aus rechtsstaatliehen Gründen ab. 112 Maunz-Dürig, GG, Art. 18 Randnr. 41. 173 So auch. BVerfGE 11, 282. In dem bisher einzigen Verwirkungsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht einen Verwirkungsantrag der Bundesregierung gegen einen ehemaligen SRP-Funktionär zurückgewiesen, weil er seine verfassungsfeindliche Tätigkeit aufgegeben hatte; sollte er sie wieder aufnehmen, könne in dem neuen Verwirkungsverfahren auf die alten Vorgänge zurückgegriffen werden. Siehe dazu Wilke, aaO S. 98 Anm. 2. 174 Maunz-Dürig GG Art. 18 Randnr. 43. Vgl. auch BVerfGE 11, 282 f. t7s v. Mangoldt-Klein, GG 1 S. 532.

V. Der Parteijournalist

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mit der Partei176 an. "Partei" ist in erster Linie die Fraktion. Daher ergibt sich der Mandatsverlust zwingend aus der Feststellung der Verfassungswidrigkeitder Partei177 , mit deren Hilfe das Mandat erworben wurdet7s. 2. Die vorstehenden Ausführungen finden auch auf die Journalisten der parteigebundenen Presse Anwendung. Da diese Presse (im Gegensatz zu den anderen Pressetypen) "Teil" der Partei und daher durch Art. 21 GG erfaßt ist, sind auch die "parteigebundenen Journalisten" (im folgenden der Kürze halber: Parteijournalisten) als Parteifunktionäre zu behandeln. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts179. Nach der oben erörterten und abgelehnten Unterscheidung des Bundesgerichtshofs zwischen Gründern und leitenden Funktionären einerseits und einfachen Mitgliedern und Anhängern einer Partei andererseits gehören die Parteijournalisten der zweiten Gruppe auch dann an, wenn sie an leitender Stelle bei der Herstellung und dem Vertrieb zweier KPD-Zeitungen mitwirkten und nach ihrer Stellung oder Tätigkeit im Rahmen der Partei als Rädelsführer oder Hintermänner im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB anzusehen gewesen wären. Da aber nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gerade diese zweite Gruppe der bloßen Mitglieder und Anhänger den Schutz des Art. 21 GG uneingeschränkt genießt, ergibt sich aus der vom Bundesgerichtshof getroffenen Unterscheidung hinsichtlich der Parteijournalisten kein praktischer Unterschied zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Den Schutz des Art. 21 gegen Bestrafung und rechtliche Diskriminierung genießt der Parteijournalist auch dann, wenn sein einziges Verhältnis zur Partei das Arbeitsverhältnis ist. Dasselbe gilt für alle im Rahmen der Herstellung und des Vertriebs eines Parteiblattes arbeitenden Arbeitnehmer, die Lieferanten und sonstigen Geschäftspartner des Parteipresseorgans. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich jedoch auf die Parteijournalisten. Der mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende und die allgemeinen Gesetze beachtende Parteijournalist genießt den Schutz des Art. 21. Er kann vor allem nicht wegen dieser Tätigkeit verfolgt und bestraft werden. Das Parteienprivileg schützt die Parteiwerbung in Schrift und Bild180• In der Tat wäre ein Parteienschutz, der den Parteijournalismus Oder mit einer Teilorganisation der Partei; § 49 Abs. 1 BWahlG. BVerfGE 2, 1 ff. (72 ff.; insbes. 74, 75). Henke, in Bonner Kommentar Art. 21 GG Randnr. 18 mit Nachweisen. 1 7 9 Vor allem BVerfGE 9, 162 ff. 180 BGHSt 6, 318 ff. (320 ff.); im Anschluß daran auch BVerfGE 12, 296 (305). Siehe ferner: Bericht der Parteienrechtskommission S. 227; KöLbLe, in AöR 87, 48 ff. (61). 178

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nicht einschlösse, zu einem erheblichen Maße illusorisch. Denn die Pressetätigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Parteitätigkeit. Wird diese durch das Parteienprivileg geschützt, so erfaßt dieser Schutz logischerweise auch die Parteijournalisten. Ein Parteijournalist kann wegen seiner allgemein erlaubten, parteioffiziellen Tätigkeit nicht die Pressefreiheit gemäß Art. 18 GG verwirken. Ist seine allgemein erlaubte Tätigkeit parteioffiziell, so kann sie bis zu einem Verbot der Partei nicht als verfassungswidrig behandelt werden181 • Wenn die Verfassungswidrigkeit einer Partei bis zu ihrem Verbot durch das Bundesverfassungsgericht rechtlich nicht geltend gemacht werden kann, so gilt das auch für die sich an die parteioffizielle Linie haltenden ;parteijournalisten. Insofern genießt der Parteijournalist einen größeren Schutz als sein parteifreier Kollege; denn die Verfassungskonformität seiner Tätigkeit kann nicht individuell, sondern nur in Zusammenhang mit der seiner Partei untersucht werden. Freilich gelten auch hier die bereits erwähnten zwei Voraussetzungen des Parteienschutzes: a) Der Journalist muß sich allgemein erlaubter Mittel bedienen; damit sind die den Journalisten allgemein erlaubten Mittel gemeint. Der Parteienschutz des Parteijournalisten verleiht ihm keinen Dispens von den allgemeinen Gesetzen. Verletzt er ein solches Gesetz, so kann er gegen seine Strafverfolgung weder die Parteikonformität seiner Handlung noch die fehlende verfassungsgerichtliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit seiner Partei einwenden. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Tat solche Einwände eines Parteijournalisten in einem Hochverratsverfahren gemäß §§ 80 und 81 StGB zurückgewiesen, zugleich aber auf die Möglichkeit einer Umgehung des Parteienprivilegs durch Einleitung von Strafverfahren hingewiesen182 • Im übrigen gelten die früheren Ausführungen über die Bedeutung der "allgemeinen Gesetze" als Schranke des Parteienschutzes sinngemäß auch hier. b) Die Pressetätigkeit des Parteijournalisten genießt den Parteienschutz, sofern sie parteioffiziell ist. Sonstige "private" journalistische Betätigung ist nicht geschützt. Parteioffiziell ist eine Pressetätigkeit, wenn sie befugterweise für ein parteigebundenes Presseorgan erfolgt. Die Anwendung des Parteienprivilegs auch auf die Parteijournalisten ist bedeutungsvoll auch nach der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei durch das Bundesverfassungsgericht. Auch hier 181 Vgl. den Bericht der Parteienrechtskommission S. 227. Da die Parteijournalisten "Anhänger" i. S. des Art. 21 Abs. 2 GG sind, (vgl. v. d. Heydte, aaO S. 486, Kölble, AöR 87, 48 ff. (57)) kann ihr Verhalten freilich die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei begründen. 182 BVerfGE 9, 162 (165 f.).

VI. Ergebnisse

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wird die vor dem Parteiverbot geschützte Tätigkeit des Parteijournalisten erst durch das Verbot, d. h. ex nunc, nicht rückwirkend rechtswidrig. Auch hinsichtlich der Grundrechtsverwirkung ist auf das bereits oben Gesagte hinzuweisen: Die verfassungsfeindliche Pressetätigkeit des Parteijournalisten aus der Zeit vor dem Parteiverbot kann zur Begründung der Verwirkung der Pressefreiheit herangezogen werden; dem stehen rechtsstaatliche Bedenken nicht entgegen, da die Verwirkung keine Strafe ist. Diese frühere Tätigkeit wird aber die Verwirkung nicht hinreichend begründen können. Dazu ist die Gefahr der Wiederholung nachzuweisen, die aber im Falle des Verbots der Partei, der parteigebundenen Presse und deren Ersatzerscheinungen oft fehlen dürfte.

VI. Ergebnisse Die Ergebnisse des zweiten Teils der Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Die Freiheit der Pressebetätigung der politischen Parteien ist Bestandteil ihres funktionale:n Begriffs und als solche durch Art. 21 Abs. 1 GG voll und ausschließlich gewährleistet. Art. 5 Abs. 1 GG findet hier keine Anwendung. 2. Entgegen der Ridderschen Auffassung richtet sich die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 oder des Art. 21 Abs. 1 GG nicht nach dem politischen Charakter der Presse, sondern nach dem Grad ihrer Parteiabhängigkeit. 3. In diesem Sinne ist die Unterscheidung zwischen parteigebundener und parteiverbundener Presse auch für den Verfassungsinterpreten fruchtbar. So ist das parteigebundene Presseorgan als Teilorganisation der Partei anzusehen; sein rechtliches Schicksal folgt dem der Partei; überhaupt beurteilt sich seine Rechtslage nach Art. 21 GG unter Ausschluß des Art. 5 GG. 4. Das parteiverbundene Presseorgan ist als Nebenorganisation der Partei anzusehen; es hat als solche am Status der Partei nicht teil und folgt nicht deren rechtlichem Schicksal; auf dieses findet nur Art. 5, nicht Art. 21 GG Anwendung. 5. Während die Pressetätigkeit einer Partei von Art. 21 GG voll erfaßt ist, wird die Pressetätigkeit einer Vereinigung i. S. des Art. 9 GG allein nach Art. 5 GG beurteilt; ihr verfassungswidriger Mißbrauch muß jedoch nicht unbedingt zur Verwirkung der Pressefreiheit gern. Art. 18 GG i. V. mit§§ 36 ff. BVerfGG, sondern kann und wird in aller

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Zweiter Teil: Das verfassungsrechtliche Problem

Regel zur Auflösung der Vereinigung gern. Art. 9 Abs. 2 GG i. V. mit §§ 3 ff. VereinsG führen. 6. Das trifft auch dann zu, wenn die Vereinigung Trägerio eines parteiverbundenen Presseorgans ist. Trägt die Vereinigung ein parteigebundenes Presseorgan, so ist sie selbst eine Teilorganisation der Partei und damit allein Art. 21 GG unterstellt. 7. Gleiches gilt für den Fall, daß Träger eines parteigebundenen Presseorgans eine anstalts- oder stiftungsgebundene Organisation ist. Ist aber das Presseorgan parteiverbunden, so findet allein Art. 5 GG Anwendung. 8. Das parteigebundene Presseorgan hat am Parteienschutz des Art. 21 GG auch dann teil, wenn es nicht der Partei, sondern einer natürlichen Person (dem Parteiführer, einem Parteifunktionär usw.) gehört. Die Pressefreiheit dieser Person richtet sich aber nur nach Art. 5 und 18 GG. 9. Entsprechendes gilt für die Parteijournalisten. Selbst wenn sie an parteigebundener Presse tätig sind, bleiben sie selbständige Träger der Menschenrechte. Der Standort ihrer Pressefreiheit und journalistischen Betätigung ist nicht in Art. 21 GG, sondern in Art. 5, 12 und 18 GG. 10. Darüber hinaus haben die parteigebundenen Journalisten ähnlich wie alle Parteifunktionäre -am Parteienprivileg teil; andernfalls würde dieses Privileg, das auch die Parteiwerbung durch die Presse schützt, ausgehöhlt. Das Parteienprivileg verbietet, daß Journalisten einer Partei, die durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (noch) nicht für verfassungswidrig erklärt worden ist, auf Grund ihrer parteigebundenen journalistischen Tätigkeit verfolgt oder rechtlich diskriminiert werden; auch ihre Grundrechte verwirken sie nicht. 11. Auch nach der Erklärung der Verfassungswidrigke it einer Partei bleiben die Parteijournalisten für ihre frühere parteijournalistische Tätigkeit straffrei. Da aber die Verwirkung keine Strafe, sondern eine präventive Sicherungsmaßnahm e ist, kann zu deren Begründung auch die vor dem Verbot liegende Tätigkeit berücksichtigt werden, es muß aber ferner die Gefahr der Wiederholung nachgewiesen werden.

12. Die parteigebundene journalistische Tätigkeit wird durch das Parteienprivileg geschützt, nur wenn sie: a) sich allgemein erlaubter Mittel bedient; b) parteioffiziell ist, d. h. im Dienste eines parteigebundenen Presseorgans erfolgt.