Die Mitverantwortung des Opfers beim Betrug [1 ed.] 9783428539789, 9783428139781

Die Frage, ob und inwieweit die Mitverantwortung des Opfers sich auf den Umfang der Betrugsstrafbarkeit auswirkt, wird i

112 37 1MB

German Pages 199 Year 2013

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Die Mitverantwortung des Opfers beim Betrug [1 ed.]
 9783428539789, 9783428139781

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Schriften zum Strafrecht Heft 245

Die Mitverantwortung des Opfers beim Betrug

Von

Torsten Schwarz

Duncker & Humblot · Berlin

TORSTEN SCHWARZ

Die Mitverantwortung des Opfers beim Betrug

Schriften zum Strafrecht Heft 245

Die Mitverantwortung des Opfers beim Betrug

Von

Torsten Schwarz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: werksatz ∙ Büro für Typografie und Buchgestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-13978-1 (Print) ISBN 978-3-428-53978-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83978-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Regensburg im Sommersemester 2012 als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Michael Pawlik, LL.M., der die Untersuchung des Themas angeregt und die Fertigstellung der Arbeit in engagierter, hervorragender Weise betreut hat. Herrn Professor Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Großer Dank gebührt Frau Rechtsanwältin Claudia Menzel für vielfache, scharfsinnige Impulse und für ihr großes Verständnis in den letzten Jahren. Von ganzem Herzen danke ich meinen Eltern für die Unterstützung während meiner gesamten Ausbildung und der Entstehung der Dissertation. Ihnen ist die Arbeit in Liebe und Dankbarkeit gewidmet. Hamburg, im Januar 2013

Torsten Schwarz

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Phänotypik der Opfermitverantwortung

15

...........................

16

I.

Spekulative Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

II.

Irreale Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Aberglaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geldanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterschiede in den Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigenschaftszuschreibung bzgl. Produkten und Dienstleistungen . . . . . .

22 23 25 26

IV.

Kaffeefahrten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

V.

Opfer zweifelt an der Wahrheit der vom Täter behaupteten Tatsache . . .

VI. Zusammenfassung / Ausblick

29

..................................

31

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage . . . . . . . . . . .

32

I.

Gesetzgeberische Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

II.

1. Art. 146 SchwStGB – Betrug im schweizerischen Strafgesetzbuch . 2. § 263 StGB – Betrug im deutschen Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . Tatbestandsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 43 43

1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herrschende Auffassung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ebene der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 46 47

1. Strafschärfende oder strafmildernde Wirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Irrationale Erwartung / Unbedarftheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leichtgläubigkeit / Naivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dogmatische Inhomogenität wegen versteckter tatbestandlicher Berücksichtigung der Opfermitverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 51 52 52 53 53 54 56

1. Täuschung durch Unterlassen / konkludente Täuschung . . . . . . . . . . .

61

IV.

60

10

Inhaltsverzeichnis 2. Ausdrückliche Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis / Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

71 80

............

82

I.

Grundsätzliche Anliegen der Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

II.

Dogmatische Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

1. Ursprüngliche Ableitung aus dem Subsidiaritätsgrundsatz . . . . . . . . 2. Ableitung aus dem ultima ratio-Charakter des Strafrechts . . . . . . . . III. Faktisch-naturalistischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 86 87

IV.

1. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Anknüpfung an das Tatbestandsmerkmal „Irrtum“ . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Giehring, Krey, Schmidhäuser (sog. Wahrscheinlichkeitstheorien) 90 b) Amelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) R. Hassemer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 d) Herzberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3. Abstützung des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs . . . . . . 97 4. „Vermögensschaden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Normativer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anknüpfung an das Tatbestandsmerkmal „Täuschung“ . . . . . . . b) Anknüpfung an den Ursachenzusammenhang zwischen „Täuschung“ und „Irrtum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anknüpfung an die Lehre vom Schutzzweck der Norm . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101 102 104 106 109

D. Genuin dogmatische Lösung unter Abgrenzung von Zuständigkeitsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I.

Argumentationsgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

II.

Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen als übergeordnetes Prinzip

. 114

1. Ausgangspunkt: Lehre von der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . 2. Übertragung auf den Betrugstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konzeptionen von Frisch und Wittig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Position von Frisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Position von Wittig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konzeptionen von Kindhäuser und Pawlik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kriterien nach Kindhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kriterien nach Pawlik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konsens – normative Auslegung des Täuschungsbegriffs . . . . . . . . . a) Anerkannte Fälle normativer Relevanz – Betrug durch Unterlassen

115 117 118 119 121 124 126 127 130 131

Inhaltsverzeichnis

11

b) Keine Relevanz per se . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Schlussfolgerung: Abgrenzung zwischen betrugsrelevanter und betrugsirrelvanter Täuschungen durch Zuordnung von Täter- und Opferzuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 III. Umsetzung in allgemein gültige Pflichtenkategorien und Rückführung auf das Erfordernis einer Solidaritätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 IV.

V.

Abgrenzung der Verantwortungsbereiche unter Beachtung der Vorgaben des Wuchertatbestandes (§ 291 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Wuchertatbestand als Maßstab für das Bestehen einer Solidaritätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Darstellung anhand der typischen Mitverantwortungssituationen . . . a) Verwirklichung des Wuchertatbestandes in den Fällen einer Opfermitverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wuchertatbestand und Betrugstatbestand prima facie erfüllt (2) Wuchertatbestand nicht erfüllt, aber Betrugsstrafbarkeit prima facie gegeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schwächelage vom Gewicht des Wuchertatbestandes gegeben, aber keine Wucherstrafbarkeit mangels auffälligen Missverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Relevanz der Opfermitverantwortung auf Strafzumessungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallgruppe: Tatsächliches, aber normativ nicht gebotenes Misstrauen . .

146 153 154 158 164

172 177 178 179

Literaturverzeichnis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Sachwortverzeichnis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Abkürzungsverzeichnis a.A. abw. a.F. ArchKrim Art. ArztR ArztuR AT BayObLG BGB BGH BGHSt BT BT-Drucks. DB DJZ GA GG HRRS JA JGG JR Jura JuS JW JZ LG MDR MedR MschrKrim m.w.N. NJW NStZ NZG

anderer Ansicht abweichend alte Fassung Archiv für Kriminologie Artikel Arztrecht Zeitschrift für Arzt- und Zahnarztrecht Allgemeiner Teil Bayerisches Oberstes Landesgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Besonderer Teil Drucksache des Deutschen Bundestages Der Betrieb Deutsche Juristenzeitung Goldtdammer’s Archiv für Strafrecht Grundgesetz Zeitschrift für HöchstRichterliche Rechtsprechung im Strafrecht Juristische Arbeitsblätter Jugendgerichtsgesetz Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Landgericht Monatsschrift für deutsches Recht Medizinrecht Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

Abkürzungsverzeichnis OLG RG RGSt SchuFa SchwZStrR SJK StGB StV u.a. vgl. WiStG wistra ZBJV ZIS Zit. ZMGR ZPO ZRP ZSchwR ZStW

Oberlandesgericht Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichtes in Strafsachen Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Schweizerische Juristische Kartothek Strafgesetzbuch Strafverteidiger unter anderem, unter anderen vergleiche Wirtschaftsstrafgesetz Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik Zitierweise Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

13

Einleitung Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der Frage, wie eine Mitverantwortung des Opfers am Betrugserfolg bei der Betrugsstrafbarkeit berücksichtigt werden kann. Die besondere Relevanz dieser Problematik beim Betrug ergibt sich aus seinem Deliktscharakter als Selbstschädigungsdelikt, bei dem das Opfer an seiner eigenen Schädigung mitwirkt. Eine bloß einseitige Betrachtung des Täterverhaltens erscheint deshalb nicht konzeptionsgerecht. 1 Bei den Betrugssachverhalten mit Opfermitverantwortung muss zwischen zwei Grundkonstellationen unterschieden werden. Das Opfer kann allein durch die vom Betrugstatbestand vorausgesetzte Vermögensverfügung 2 am Betrugserfolg mitgewirkt haben. Diese Konstellation bietet keinen Anknüpfungspunkt für eine der Betrugsstrafbarkeit entgegenstehende Opfermitverantwortung. Von Relevanz sind vielmehr jene Sachverhalte, in denen das Oper über die bloße Vermögensverfügung hinaus durch Unterlassen von Selbstschutzmöglichkeiten zum Betrugserfolg beigetragen hat. In diesen Fällen stellt sich die Frage, wie ein solches Opferverhalten rechtlich zu bewerten ist. Die Arbeit geht zunächst im Kapitel A. der Frage nach, welches Opferverhalten vom Begriff „Opfermitverantwortung“ umfasst wird. Die Begriffsbestimmung des Terminus „Opfermitverantwortung“ erfolgt anhand zahlreicher Beispielsfälle, die teilweise auch den Gegenstand von Gerichtsentscheidungen bilden. Nach dieser Begriffsbestimmung wird in einem nächsten Schritt – Kapitel B., Kapitel C. und Kapitel D. – die dogmatische Lozierung der Problematik vorgenommen. Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bildet dabei den Ausgangspunkt der Diskussion (vgl. Kapitel B.). Daran anschließend erfolgt im Kapitel C. die Darstellung und Diskussion der so genannten viktimodogmatischen Ansichten, die vorwiegend auf eine kriminalpolitische Argumentation zurückgreifen. Im Kapitel D. wird eine genuin dogmatische Lösung erarbeitet. Diese Lösung bietet sodann die Grundlage für eine abschließende rechtliche Bewertung der Beispiele aus Kapitel A. 1 Vgl. auch Pawlik, Betrug, S. 49, der es als „augenfällig“ beschreibt, dass „Täter und Opfer jeweils gemeinsam in den Blick zu nehmen sind“; ferner Amelung, GA 1977, S. 1, 17; Ellmer, S. 238 ff.; R. Hassemer, S. 53 ff.; Hefendehl, S. 140; Kratzsch, OehlerFS, S. 65, 73 ff.; Kurth, S. 3 ff.; Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 407 ff.; Schünemann, Faller-FS, S. 357, 362. 2 Zum Begriff der „notwendigen Teilnahme“ vgl. Amelunxen, S. 95; Fischer, Vor § 25 Rn. 7; Jakobs, 24. Abschn. Rn. 7 ff.; Wessels / Beulke, Rn. 587.

A. Phänotypik der Opfermitverantwortung Die vorliegende Untersuchung umfasst jene Fallkonstellationen, die durch eine Mitverantwortlichkeit des Opfers für den Betrugserfolg gekennzeichnet sind. Zunächst stellt sich die Frage, welche Erscheinungsformen von Opfermitverantwortung bestehen und welches Opferverhalten als Mitverantwortung anzusehen ist. Der Begriff „Opfermitverantwortung“ ist durch Rechtsprechung und Literatur inhaltlich kaum konkretisiert. In den Entscheidungsbegründungen der Gerichte bleibt es oft bei der bloßen Aussage, dass dem Angeklagten die Tatbegehung sehr leicht gemacht worden sei. 1 Nur sehr selten wird genau umschrieben, was als Opfermitverantwortung angesehen wird. Das Landgericht Flensburg sah die Mitverantwortung in einem Fall, in dem sich der Täter als Arzt ausgab, darin, dass zuvor ein zu kurzes Vorstellungsgespräch mit dem Täter geführt, Warnungen ignoriert und die Originalunterlagen nicht angefordert wurden. Nach der Auffassung des Landgerichts wurde es dem Täter dadurch auffallend leicht gemacht. 2 Auch im Schrifttum lassen sich Beispiele und Konstellationen finden, in denen Opfermitverantwortung eine Rolle spielt. 3 Sie dienen aber nicht dem Zweck, den Begriffsinhalt der Opfermitverantwortung zu bestimmen, sondern werden entweder als bloßes „Anschauungsmaterial“ 4 oder um die eigene Konzeption zu verdeutlichen 5, genutzt. Der Inhalt des Begriffs „Opfermitverantwortung“ scheint 1 So BGH, NStZ 1991, 527; BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 1 („nicht sonderlich schwer gemacht“); BGH, StV 1983, 326 („sorgloses und nachlässiges Verhalten“); BGH, wistra 1986, 172 („besondere Nachlässigkeit“); BGH, wistra 2009, 153 („immense Leichtfertigkeit“); OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2002, 333 („fast als leichtsinnig zu bezeichnendes Verhalten“); LG Gera, NStZ-RR 1996, 167 („sorgloses und nachlässiges Verhalten“). 2 LG Flensburg, Urteil vom 9. Januar 1985, Az: I KLs 8/84 – 102 Js 6905/83; ähnlich LG Leipzig, Urteil vom 22. Januar 1999, Az: 6 KLs 100 Js 36182/97, das in einem gleich gelagerten Fall die Mitverantwortung in der „Nachlässigkeit und Gutgläubigkeit“ der zuständigen Institutionen gesehen hat. 3 So zum Beispiel bei Amelung, GA 1977, S. 1, 11 ff.; Arzt / Weber, § 20 Rn. 2 ff.; Harbort, S. 24 ff., dessen Darstellung sich auf Fälle mit besonderer Leichtgläubigkeit des Opfers beschränkt; R. Hassemer, S. 161 ff., 167 ff.; Krüger, wistra 2003, S. 297, 298; Kurth, S. 183 ff.; Loos / Krack, JuS 1995, S. 204 ff.; Tischler, Jura 1988, S. 122, 124. 4 Amelung, GA 1977, S. 1, 11 ff.; Arzt / Weber, § 20 Rn. 2 ff.; Tischler, Jura 1988, S. 122, 124. 5 Giehring, GA 1973, S. 1, 17 ff.; R. Hassemer, S. 161 ff., 167 ff.; Herzberg, GA 1977, S. 289, 295 ff.; Kurth, S. 183.

A. Phänotypik der Opfermitverantwortung

17

dabei festzustehen. Jedoch ist eine umfassende Inhaltsbestimmung bislang nicht erarbeitet worden. Eine Analyse von Beispielssituationen oder gar eine systematische Ordnung von Beispielsfällen ist nicht zu finden. Sofern die Opfermitverantwortung umschrieben wird, ist diese Darstellung als konkretes Ergebnis (für eine spezifische Erscheinungsform) in die eigene Konzeption eingebettet, ohne aber den Begriff „Opfermitverantwortung“ näher zu bestimmen. 6 Allein Ellmer hat in einem gewissen Umfang Fallkonstellationen zusammengestellt, die nach seiner Ansicht typischerweise mit hoher Opfermitverantwortung belastet sind. 7 Er stellt seine Darstellung aber nicht der Arbeit voran, sondern ordnet diese, nachdem er viele Lösungsmöglichkeiten in Rechtsprechung und Literatur diskutiert hat, einem losgelösten Kapitel über kriminologische und viktimologische Erkenntnisse zu. Insbesondere fehlt eine konsequente Zuordnung unter bestimmte Oberbegriffe, so dass der Darstellung eine Struktur fehlt. Trotz umfangreicher Analyse beseitigt auch Ellmer nicht den grundsätzlichen, oben beschriebenen Mangel. 8 Nach den bisherigen Aussagen lässt sich „Opfermitverantwortung“ als eine Situation bestimmen, in der der Betrugserfolg wegen mangelnden Selbstschutzes des Opfers eintreten konnte. 9 Teilweise wird diese Maßgabe – ohne nähere Erläuterungen – um die Begriffe „Leichtgläubigkeit“, „Dummheit“ oder „Leichtsinn“ ergänzt; 10 teilweise die Leichtgläubigkeit des Opfers sogar als Synonym für die Opfermitverantwortung verwendet. 11 All diese pauschalen und weitgehend inhaltsleeren Umschreibungen des Begriffs „Opfermitverantwortung“ werden aber der Bandbreite an Beispielskonstellationen mit den jeweiligen Besonderheiten nicht gerecht. 12 Die Konstellationen, in denen eine Opfermitverantwortung zu6

Näheres dazu auch bei Darstellung der jeweiligen Konzeption. Vgl. dazu Ellmer, S. 257 ff. 8 In ähnlicher Weise kritisiert Maiwald die Verwendung des Begriffs „Mitverantwortung“ bei Ellmer. Maiwald gewinnt den Eindruck, dass „die Situation einer ‚intellektuellen Auseinandersetzung‘ zwischen Täter und Opfer, die offenbar als Prototyp der Betrugssituation angesehen wird [...], zwei (oder mehrere) Personen des Wirtschaftslebens kennzeichne, die nach bestimmten Spielregeln gleichsam miteinander ringen, um ihren eigenen Vorteil zu erzielen, und daß diese Personen dann möglicherweise Regeln verletzen, die zu ihrem eigenen Schutz vorhanden sind – was dann eben als ‚Mitverschulden‘ oder als ‚Mitverantwortung‘ am Schaden erscheint.“, vgl. dazu Maiwald, ZStW, Bd. 103, 1991, 698. 9 Fischer, § 263 Rn. 55a; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 18, 20; Loos / Krack, JuS 1995, S. 204, 207; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 109; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 43; Schünemann, NStZ 1986, S. 193, 195; Seier, ZStW, Bd. 102, 1990, 571; SK / Hoyer, § 263 Rn. 1, 68; Tischler, Jura 1988, S. 122, ff. 10 So bei Krey / Hellmann, Rn. 374; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 18, 20; Loos / Krack, JuS 1995, S. 204, 207; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 110; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 32. 11 So Fischer, § 263 Rn. 63. 12 Ähnlich auch Maiwald, der insbesondere die Konturenlosigkeit der Begriffe „Mitverschulden“ und „Mitverantwortung“ bemängelt, vgl. Maiwald, ZStW, Bd. 103, 1991, 698. 7

18

A. Phänotypik der Opfermitverantwortung

mindest in Betracht gezogen werden kann, unterscheiden sich durch situative Gegebenheiten und durch die Motivation, die das Opfer zur Vornahme der Vermögensverfügung bewegen. Deswegen kann der Begriff „Opfermitverantwortung“ nur als Schlagwort und Oberbegriff dienen. Soweit also pauschal von Opfermitverantwortung gesprochen wird, ohne den Begriffsinhalt näher darzulegen, besteht darin ein großes Defizit. Demnach ergibt sich die Notwendigkeit, anhand von Beispielssituationen herauszufiltern, was als Opfermitverantwortung verstanden wird. Es bietet sich die Analyse von Gerichtsurteilen an. Durch die Untersuchung von exemplarischen Entscheidungen hinsichtlich Motivation des Opfers und situativen Gegebenheiten können Charakteristika und Erscheinungsformen herausgearbeitet werden. Auf dieser Grundlage lassen sich Ordnungskriterien für die allgemeine Erscheinungsform „Opfermitverantwortung“ entwickeln, die diesem Begriff zu mehr Kontur verhelfen. Selbstverständlich erhebt der Verfasser nicht den Anspruch auf Vollständigkeit an die herausgearbeiteten Fallgruppen. Es dürften aber wohl die wichtigsten phänomenologischen Situationen erfasst werden. Auch sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Anspruch des ersten Kapitels allein darin besteht, den Begriff „Opfermitverantwortung“ anhand phänomenologischer Erkenntnisse zu konkretisieren. Der Bezugspunkt ist dabei die Wertung im Alltag. Den herausgearbeiteten Fallgruppen liegt somit keine rechtliche Wertung zugrunde. Die rechtliche Lösung der Fallbeispiele wird später untersucht, wenn die Problematik dogmatisch eingeordnet ist. Die nachfolgende Darstellung dient zugleich einem weiterführenden Zweck. Die Problematik, wann im Einzelfall eine Mitverantwortung des Opfers anzunehmen und diese betrugsrelevant ist, lässt sich (möglicherweise) nur innerhalb gleichartiger Fallkonstellationen lösen. Insbesondere zeigen die nachfolgenden Darstellungen die Komplexität des Begriffs „Opfermitverantwortung“ auf und lassen erkennen, dass eine alle Facetten erfassende Lösung, angeknüpft an den pauschalen Begriff der Opfermitverantwortung, nicht realisierbar ist. Bereits aus diesem Grund bietet es sich zu Beginn der Untersuchung an, Fallgruppen zu entwickeln, auf die später zurückgegriffen werden kann.

I. Spekulative Geschäfte Grundlage betrügerischer Handlungen sind oftmals so genannte Spekulationsgeschäfte. Die Besonderheit dieser Geschäfte besteht darin, dass ihnen von vornherein ein Verlustrisiko anhaftet. 13 Fallbeispiele finden sich vor allem im 13 So auch – mit konkreten Bezug zum Verkauf von Optionen auf Warenterminkontrakte – BGH, wistra 1984, 61.

I. Spekulative Geschäfte

19

gewerblichen Bereich und betreffen meist die Branche der Aktien- und Kreditgeschäfte. Darüber hinaus gibt es Situationen, in denen Warenlieferungen trotz Säumigkeit des Kunden an diesen weiterhin erfolgen. 14 Sie lassen sich ebenfalls den Spekulationsgeschäften zuordnen. Der übliche Geschehensablauf sei exempli causa anhand einer Entscheidung des Ersten Senats des Bundesgerichtshofs 15 dargestellt. Trotz bereits bestehender Zahlungsunfähigkeit hatte der Täter in größerem Umfang Waren bei Lieferanten bestellt und Leistungen in Auftrag gegeben und auch erhalten. 16 Bei lediglich einmaliger Bestellung ergibt sich daraus unkompliziert eine Betrugsstrafbarkeit gemäß § 263 StGB. 17 Problematisch wird es jedoch bei fortlaufenden Bestellungen. Liefert die Firma trotz offener Rechnungen weiterhin ihre Waren aus, fragt es sich, ob auch in diesen Fällen eine Betrugsstrafbarkeit gegeben sein kann. Die Rechtsprechung konkretisiert lediglich die Anforderungen an die Tatsachenfeststellung. Es bedürfe in der Regel näherer Feststellungen, ob auch die späteren Lieferungen noch auf der Vorspiegelung der Zahlungsunfähigkeit und -willigkeit beruhe; ob also der Lieferant Kenntnis von der Zahlungssäumigkeit erlangt und weshalb er weiter geliefert habe. 18 Lieferten die Geschäftspartner trotz offenstehender Rechnungen und Kenntnis von der schlechten Vermögenslage, müsse ein Irrtum verneint werden. 19 Vage Informationen über wirtschaftliche Schwierigkeiten sollen einen Irrtum aber nicht notwendig ausschließen. 20 Die Rechtsprechung löst diese Situationen lediglich über die Kategorien „Irrtum gegeben“ beziehungsweise „Irrtum nicht gegeben“. Inwieweit bei unterstellter Irrtumserregung und Kausalität zwischen Vorspiegelung der Zahlungsfähigkeit / 14

Vgl. auch die Darstellung bei R. Hassemer, S. 163 ff., 174 f.; Tischler, Jura 1988, S. 122, 124. Zur Konstellation „weitere Warenlieferungen trotz offener Rechnungen“ vgl. ferner BGH, wistra 1988, 25; BGH bei Holtz, MDR 1988, 817; BGH, NStZ 1993, 440; StV 1990, 19; wistra 1998, 179; OLG Köln, JZ 1968, 340. 15 BGH, Beschluss vom 17. Februar 1998, Az: 1 StR 5/98 = wistra 1998, 179. 16 BGH, wistra 1998, 179; so auch bei BGH bei Holtz, MDR 1988, 817; NStZ 1993, 440; StV 1990, 19; wistra 1988, 25. 17 BGH, wistra 1998, 179; ausdrücklich so auch BGH, NStZ 1993, 440; wistra 1988, 25. 18 BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 3; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 2; BGH bei Holtz, MDR 1988, 817; NStZ 1993, 440; StV 1987, 343; StV 1990, 19; wistra 1988, 25; wistra 1992, 298; wistra 1998, 179; OLG Köln, JZ 1968 mit zust. Anm. Schweichel, JZ 1968, S. 340 f. 19 So ausdrücklich BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 3; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 2; BGH, StV 1984, 511; StV 1990, 19; wistra 1988, 25. 20 BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 3. Erforderlich ist wohl, dass der Grad an Unsicherheit über das übliche, von den Beteiligten vorausgesetzte und auch in Kauf genommene Maß an Risiken hinausgeht. So auch – in anderem Zusammenhang – BGH, NStZ 1981, 351.

20

A. Phänotypik der Opfermitverantwortung

-willigkeit und der Vermögensverfügung dem Opfer aber dennoch eine Mitverantwortung anzulasten ist, bleibt unerörtert. Dabei drängt sich diese Frage geradezu auf. Die lediglich pauschale Feststellung, dass das Opfer es dem Täter besonders leicht gemacht habe, hilft für die nur im Einzelfall zu beantwortende Frage, ob eine betrugsrelevante Opfermitverantwortung gegeben ist, nicht weiter. Es ist vielmehr notwendig, die genauen Ursachen und Elemente zu analysieren, die einen Mitverantwortungsvorwurf begründen könnten. Zumindest objektiv bestand angesichts der unbeglichenen Rechnungen die Möglichkeit, dass wegen finanzieller Schwierigkeiten auch die Rechnung der erneuten Warenlieferungen nicht beglichen werde. Trotzdem wurden weitere Warenlieferungen getätigt. Das lässt sich damit erklären, dass es Ziel der liefernden Firmen war, den Absatz und den Gewinn zu steigern. Dem Verlustrisiko wurde folglich die Hoffnung auf ein weiteres gewinnbringendes Geschäft gegenübergestellt. 21 Dass im gewerblichen Bereich zwischen diesen Risiken abgewogen werden muss, ist bekannt und nicht vorwerfbar. Eine betrugsrelevante Opfermitverantwortung könnte aber vorliegen, wenn die Abwägung zugunsten des Geschäftsabschlusses ausfiele, ohne die Risiken in ihrer realen Intensität zu berücksichtigen und zumutbare Selbstschutzmöglichkeiten zu nutzen. Die Mitverantwortung des zuständigen Mitarbeiters im liefernden Unternehmen könnte sich daraus ergeben, dass er die durch die unbezahlten Rechnungen gegebenen Anzeichen / Hinweise einer möglichen Zahlungsunfähigkeit außer Acht ließ und diese Tatsache in der Risikoabwägung nicht gebührend berücksichtigte. So hätte zum Beispiel von einer Lieferung abgesehen werden oder eine Lieferung nur gegen Sicherheiten / Vorkasse vereinbart werden können. Als weiteres Beispiel – mit Bezug zum Versandhandelsgeschäft – stellt sich eine Entscheidung des Landgerichts Gera 22 dar. Der Täter hatte in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit Waren bei verschiedenen Versandhäusern unter falschen Namen bestellt. Die Produkte wurden auf dem Postweg gegen Rechnung an die vom Täter mitgeteilte Adresse ausgeliefert. Am Tag der Lieferung hatte der Täter die Waren unter Angabe einer falschen Identität „abgefangen“. Der Betrug konnte nur gelingen, weil die Versandhäuser die Produkte ohne die unschwer mögliche Überprüfung der Bestelleradresse auslieferten. 23

21 So auch R. Hassemer, S. 163. Es ist davon auszugehen, dass die Geschädigten keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatten. Zu den dafür notwendigen Urteilsfeststellungen siehe oben. 22 LG Gera, NStZ-RR 1996, 167. 23 Auch das Landgericht sah darin eine Mitverantwortung des Opfers, vgl. LG Gera, NStZ-RR 1996, 167. Zur rechtlichen Bewertung durch das LG Gera vgl. Seite 56.

II. Irreale Erwartungen

21

Zwar unterscheidet sich der Fall von den vorherigen Beispielen darin, dass man den Mitverantwortungsvorwurf nicht der Frage des „Ob“ der Lieferung, sondern der Frage des „Wie“ der Lieferung unterstellen würde. Die Ursache der Mitverantwortung wäre jedoch auch hier eine Risikoabwägung. So ist zu vermuten, dass die Warenversandhäuser ein Verlustrisiko bewusst in Kauf nahmen, sich aber aus Kostengründen und Absatzstrategien für einen kontrollarmen Versand der Waren ohne Adressüberprüfung entschieden. Einen wichtigen Bereich spekulativer Geschäfte bildet auch das Kreditwesen. So gewähren Banken zum Beispiel unter Verzicht auf branchenübliche Sicherheiten Kredite beziehungsweise teilen Kreditkarten aus. 24 In diesem Bereich wird die Risikoabwägung besonders deutlich. Dem Abschluss der Kreditgeschäfte gehen Verhandlungen zwischen Täter 25 und Opfer voraus, in denen jeder der Parteien durch Tatsachenvortrag und Argumentation einen möglichst hohen eigenen Vorteil zu erzielen versucht. Die Kreditinstitute ziehen dabei die Möglichkeit eines Vermögensverlusts in Betracht und stellen dies in die Abwägung über den Geschäftsabschluss mit ein. 26 Bis dahin ist es ein völlig legitimer wirtschaftlicher Vorgang. Wird die Risikoabwägung zwischen den geschäftlichen Interessen und dem Verlustrisiko aber maßgeblich durch ein Gewinnstreben seitens der Bank bestimmt, in dessen Folge trotz bestehender Rückzahlungsbedenken Schutzmaßnahmen ungenutzt gelassen werden, so könnte darin eine Mitverantwortung zu sehen sein. Die Mitverantwortung des zuständigen Mitarbeiters im Bankinstitut würde in der Regel darin liegen, dass er auf branchenübliche Sicherheiten verzichtet hat, denn das Risiko eines Vermögensverlustes wäre damit gemindert worden.

II. Irreale Erwartungen Unter dem Aspekt einer Opfermitverantwortung werden häufig Konstellationen diskutiert, in denen das Opfer eine nach Lage der Dinge irreale Erwartung hegt. Meist handelt es sich sogar um logisch oder naturwissenschaftlich unmögliche Tatsachenbehauptungen. Zwei wesentliche Bereiche lassen sich unterscheiden.

24 Siehe auch die Darstellung bei Ellmer, S. 261 f.; Tischler, Jura 1988, S. 122, 124; vgl. ferner BGH, wistra 1990, 305. 25 Es ist davon auszugehen, dass der Täter bereits bei Vertragsschluss weiß, dass er den Kredit bei Fälligkeit nicht zurückzahlen kann. Darin wird allgemein eine Täuschung über die innere Tatsache der Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit gesehen, vgl. dazu statt vieler nur Fischer, § 263 Rn. 33 m.w.N. 26 So auch Ellmer, S. 261.

22

A. Phänotypik der Opfermitverantwortung

1. Aberglaube Eine wichtige Sparte bilden die Fälle, in denen der Täter den Aberglauben des Opfers ausnutzt. 27 Das Landgericht Mannheim hatte in einem Fall über eine Betrugsstrafbarkeit zu entscheiden, in dem eine Teufelsaustreibung versprochen wurde. 28 Die Täterin hatte vorgegeben, durch Kartenlegen und Aus-der-HandLesen beim Opfer einen Fluch des Teufels festgestellt zu haben. Das Opfer glaubte diese Geschichte und entwickelte ungeheure Angstgefühle. Sein Interesse galt nunmehr der Frage, wie man den Teufel wieder austreiben könne. Die Täterin benötigte nach ihrer Behauptung dazu 5000 DM oder Sachgüter in diesem Wert. Sie spiegelte vor, die Wertgegenstände zusammen mit anderen Utensilien um Mitternacht begraben zu wollen. Freilich hatte die Täterin dies nie ernsthaft vor. Es blieb letztlich wegen später entstandener Bedenken des Opfers beim Versuch. 29 Ein ähnlicher Sachverhalt lag auch einer Entscheidung des Vierten Strafsenats des Bundesgerichtshofes 30 zugrunde. Hier hatte die Täterin den so genannten Fadentrick angewandt. Das Opfer musste mehrere Knoten in einen Faden knüpfen, die jeweils geheime Wünsche symbolisieren sollten. Diese Knoten wurden von der Täterin durch einen Taschenspielertrick beseitigt. Sodann wurde die Erfüllung der Wünsche gegen Zahlung eines bestimmten Geldbetrages in Aussicht gestellt, der an einem heiligen Ort (Lourdes oder Kevelaer) geopfert werden sollte. 31 Weitere Geldbeträge erlangte die Täterin – ähnlich dem Sachverhalt des Landgerichts Mannheim – durch Weissagung eines Fluches und bevorstehenden Unglücks, die sie durch Opfergaben (Geld und Schmuck) abzuwenden versprach. 32 Insgesamt verschaffte sich die Täterin – teilweise im Zusammenwirken mit Verwandten – durch ihre Tricks weit über 150.000 DM. 33 Weder die Vorinstanz 34 noch der Bundesgerichtshof sind auf eine Mitverantwortung des Opfers eingegangen. 27

Siehe dazu auch Ellmer, S. 258 ff.; Middendorf, S. 94 ff.; Schäfer, S. 1 ff. LG Mannheim, NJW 1993, 1488. Weitere Fälle auf diesem Gebiet sind solche, in denen der Täter das Opfer mit übersinnlichen Kräften zu heilen verspricht (vgl. BGHSt 8, 237) oder ein Gerät zum Schutz vor Erdstrahlen verkauft (vgl. BGHSt 13, 233). Einen ausführlichen Überblick über weitere okkultische Erscheinungsformen gibt Geerds, Würtenberger-FS, S. 341, 342 ff. 29 LG Mannheim, NJW 1993, 1488. Siehe auch die Darstellung bei Loos / Krack, JuS 1995, S. 204, 204. 30 BGH NStE Nr. 13 zu § 263 StGB. 31 Vgl. dazu die ausführliche Sachverhaltsdarstellung bei BGH NStE Nr. 13 zu § 263 StGB. 32 Vgl. dazu BGH NStE Nr. 13 zu § 263 StGB. 33 BGH NStE Nr. 13 zu § 263 StGB. 34 LG Essen, Urteil vom 13. Oktober 1986, Az: 26 KLs 21 Js 17/86. Anders als der Bundesgerichtshof hat das Landgericht Essen die Betrugsstrafbarkeit verneint, da nur über künftige Geschehnisse getäuscht worden sei beziehungsweise bereits bestehende Vorstel28

II. Irreale Erwartungen

23

Dies ist jedoch, wenn man sich das vollkommen irrationale Denkmuster der Opfer vor Augen hält, verwunderlich. Vielmehr könnte sich aus dem Umstand, dass die Opfer geglaubt haben, es existierten böse Geister, die man durch Opfergaben vertreiben könne, eine Mitverantwortung ergeben. Bei der rechtlichen Bewertung wäre von Bedeutung, dass solche Betrugserfolge sicherlich nur möglich sind, weil die Opfer ein gewisses (partielles) 35 intellektuelles Defizit aufweisen. Insbesondere ist zu klären, ob dem Opfer ein intellektuelles Defizit zum Vorwurf gemacht werden kann oder ob ein solches Defizit nicht vielmehr für eine erhöhte Schutzbedürftigkeit des Opfers spricht. Die rechtliche Bewertung bleibt an dieser Stelle vorerst ausgeblendet. Phänomenologisch ist zunächst allein die Unbedarftheit des Opfers als eine Form möglicher Opfermitverantwortung festzuhalten. 2. Geldanlage Einen anderen wichtigen Bereich für irrationale Erwartungen stellen Geldanlagemöglichkeiten dar. Exempli causa sei der Fall des Jürgen Harksen angeführt, der in neuerer Zeit für Furore gesorgt hat. 36 Harksen gab sich als Anlageberater aus und brachte über Jahre neben vielen Prominenten und bekannten Geschäftsleuten unter anderem auch führende Wirtschaftsgrößen um geschätzte 32 Millionen Euro. 37 Harksen stellte dabei eine Rendite von zumindest 1300 Prozent in Aussicht. 38 Trotz dieser unglaubwürdigen Versprechungen vertrauten eine Vielzahl wohlhabender Bürger ihr Geld Harksen an. Harksen hatte unter anderem die Firma Nordanalyse gegründet. Mit dieser Firma gab er vor, diverse Unternehmen auf ihre Wirtschaftlichkeit zu untersuchen und auf Basis der Ergebnisse überragende Gewinne an der Börse lungen der Opfer nur ausgenutzt wurden. Letztendlich sei ein möglicher Irrtum auch nicht ursächlich für die Hingabe der Wertgegenstände gewesen. Auch stellt das Landgericht den subjektiven Tatbestand in Frage. Vgl. dazu BGH NStE Nr. 13 zu § 263 StGB und LG Essen, Urteil vom 13. Oktober 1986, Az: 26 KLs 21 Js 17/86. 35 Die Opfer sind nicht zwangsläufig in ihrer Gesamtheit intellektuell unterentwickelt, vgl. dazu auch Ellmer, S. 259; Geerds, Würtenberger-FS, S. 341, 342; Schäfer, S. 56 f., 223. 36 Vgl. dazu auch „Wie ich den Reichen das Geld abnahm“ von Jürgen Harksen (Frankfurt, 2006), Artikel in „Die Zeit“ Nr. 17 vom 16. April 2003 S. 54 f., TV-Film „Gier“, der an die Geschichte des Jürgen Harksen angelehnt ist und am 20. / 21. Januar 2010 in der ARD erstausgestrahlt wurde. Zum auch im öffentlichen Interesse stehenden Fall „NigeriaConnection“ vgl. die Darstellung bei Göbel, S. 63 f; Eick, S. 57 ff. Vgl. ferner die Beispiele bei Otto, Geschäftstätigkeit, S. 32 ff. 37 LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003. Nur ein Teil der erhobenen Betrugsvorwürfe konnte letztlich zur Anklage gebracht werden. Das Urteil selbst ist unveröffentlicht. Vgl. auch die Darstellung in „Die Zeit“ Nr. 17 vom 16. April 2003 S. 54 f. 38 LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 16.

24

A. Phänotypik der Opfermitverantwortung

zu erzielen. Später entwickelte er das „Skandinavian Investment“, das durch Firmenübernahmen und Transaktionen im skandinavischen Raum in kürzester Zeit enorme Gewinne, in einigen Fällen bis zu 9000 Prozent, versprach. 39 Dann erfand er das so genannte „Scan 1000“, das seine Grundlage in einem Ölfund in einem norwegischen Fjord haben sollte. 40 Jürgen Harksen erzählte den „Anlegern“ folgende Geschichte: „Er sei auf eine Mole getreten und habe den Duft der sich dort im Winde wiegenden Fischernetze eingesogen. Ölgeruch sei ihm in die Nase gestiegen, habe ihn zum Erwerb der Schürfrechte im Fjord veranlasst, wo er – mithilfe des Geldes seiner Investoren – auf die größten norwegischen Ölvorkommen aller Zeiten gestoßen sei. Der Verkauf der Rechte an die norwegische Regierung habe fantastische Gewinne gebracht.“ 41 Schwierigkeiten mit den skandinavischen Behörden verhinderten aber stets die Ausschüttung. 42 Der Umstand, dass es keine skandinavischen Behörden geben kann, 43 macht die Unglaubwürdigkeit der Versprechungen besonders deutlich. Selbst der Angeklagte konnte sich in der Verhandlung vor Gericht nicht erklären, warum die „Anleger“ ihm umso heftiger glaubten, je unglaubhaftere Geschichten er erfand. 44 Der Verteidiger von Harksen plädierte auf Freispruch und fragte in diesem Zusammenhang in den Saal: „Ist das Betrug, wenn der Betrüger zu seinem Opfer sagt: Ich will dich betrügen, und das Opfer antwortet: Ich glaub es dir nicht?“ 45 Jürgen Harksen wurde am 11. April 2003 von der Großen Strafkammer 20 des Landgerichts Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB verurteilt. 46 Das Landgericht stellt in der Urteilsbegründung hauptsächlich die Entstehung und Erweiterung der „Anlagegeschäfte“ dar, die sich vor allem aus Mund-zuMund Propaganda und dem offenen, freundlichen Auftreten des Angeklagten speisten. 47 Es beschreibt aber auch die Nachlässigkeit der Opfer. Die enorm hohen Gewinnversprechungen und die nicht stichhaltigen Begründungen, wenn sich die Auszahlung abermals verzögerte, seien ausreichende Anhaltspunkte

39

LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 15 f., 17, 19, 40 f. LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 35. Vgl. auch „Die Zeit“ Nr. 17 vom 16. April 2003 S. 54 f. 41 So abgedruckt in: „Die Zeit“ Nr. 17 vom 16. April 2003, S. 54 f. 42 LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 16. 43 Skandinavien setzt sich aus vier Staaten zusammen. 44 LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 76; vgl. auch „Die Zeit“ Nr. 17 vom 16. April 2003 S. 54 f. 45 So dargestellt in: „Die Zeit“ Nr. 17 vom 16. April 2003 S. 54 f. 46 Auf die Einlegung von Rechtsmitteln wurde verzichtet. 47 LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 18 ff. 40

II. Irreale Erwartungen

25

für die Unwahrheit der Versprechungen gewesen. 48 Die Anleger seien von den hohen Gewinnversprechungen und der Aussicht auf den risikolosen Erwerb eines Vermögens aber derart geblendet gewesen, dass sie die gebotenen Vorsichtsmaßnahmen außer Acht ließen. 49 Die Opfer hätten beachten müssen, dass solche hohen Gewinnversprechungen in der Regel nur mit einem erheblichen Verlustrisiko einhergehen. 50 Auch wenn diese Ausführungen bei der Beschreibung der Opfermitverantwortung hilfreich sind, versäumt das Gericht, die Gründe eines potentiellen Mitverantwortungsvorwurfs näher zu konkretisieren. Zunächst ist zu betonen, dass die Opfer etwas sehr Verständliches getan haben; sie wollten ihr Geld möglichst renditestark anlegen. Ein Streben nach Erfolg und Gewinn wohnt jeder Person inne und ist in unserer Gesellschaft keineswegs missbilligt, sondern im Gegenteil erwünscht. 51 Folglich kann ein Streben nach Nutzen und Vermögensvermehrung nicht vom Begriff „Opfermitverantwortung“ erfasst sein. Auch ist es keinesfalls abwegig, durch geschickte Anlagestrategien überdurchschnittliche Renditen zu erzielen. Im Beispielsfall hat der Täter aber nicht überdurchschnittliche, sondern unmögliche Tatsachen in Aussicht gestellt. 52 Wie bei den Fallbeispielen zum Aberglauben haben die Opfer irreale Erwartungen gehegt. Ein betrugsrelevanter Mitverantwortungsvorwurf könnte daher auf den Umstand gestützt werden, dass die Opfer durch die Aussicht, einen außergewöhnlichen Gewinn zu erzielen, die Irrealität der Behauptungen nicht erkannt haben. Die oftmals gegebenen Hinweise, dass das Opfer in der Regel ohnehin über genügend Vermögen verfüge oder Schwarzgeld eingesetzt habe, können keine berücksichtigungsfähigen Kriterien für einen Mitverantwortungsvorwurf sein. 53 Im Ergebnis bestätigen somit die Beispiele zur Fallkonstellation „Geldanlage“ die potentielle Mitverantwortungsform „irreale Erwartungen“. 3. Unterschiede in den Fallkonstellationen Den Fallkonstellationen „Aberglaube“ und „Geldanlage“ ist gemeinsam, dass die Opfer eine – nach Lage der Dinge – irreale Hoffnung hegen. Zwischen der Ursache und dem Inhalt der irrealen Erwartungen muss aber unterschieden werden. Bei der Fallgruppe „Aberglaube“ schenken die Opfer von vornherein 48 LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 20. Zu den vielfältigen Begründungen für die Zahlungsschwierigkeiten vgl. LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 21 ff. 49 LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 20 f., 88. 50 LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 88. 51 Ähnlich Kühne, S. 7 f., 13; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 35; Pawlik, Betrug, S. 71. 52 Ähnlich – wenngleich in geringerer Intensität – bei BGH, NStZ 2000, 376; LG Essen, Urteil vom 28. März 2008, Az: 300 Js 251/07. 53 Siehe dazu Tischler, Jura 1988, S. 122, 124.

26

A. Phänotypik der Opfermitverantwortung

abwegigen Dingen Glauben. Bei den Geldanlagegeschäften ist es dagegen eine Übersteigerung dessen, was ansonsten nicht abwegig ist. Auch die psychische Disposition ist unterschiedlich. Im Fall „Aberglaube“ nimmt das Opfer – wie bereits oben angedeutet – irreale Denkmuster an, weil es eine prinzipielle kognitive Inkompetenz aufweist, also zu anderen Verhaltensweisen gar nicht in der Lage ist. Bei der Fallkonstellation „Geldanlage“ ist das Opfer in der Regel kognitiv (sehr) kompetent, schiebt aber wegen der Gewinnaussicht seine Sicherheitsbedenken beiseite. 54 Beide Unterschiede dürften bei der rechtlichen Bewertung zu berücksichtigen sein.

III. Eigenschaftszuschreibung bzgl. Produkten und Dienstleistungen Eine schwächere Form der zuvor dargestellten Fallbeispiele stellen die Konstellationen dar, in denen der Täter Produkten Eigenschaften zuspricht, die vielleicht nicht irrational, aber derart realitätsfern sind, dass man ohne Weiteres die Unwahrheit der Aussagen erkennen kann. 55 Die Problematik ist erstmals beim Verkauf von angeblichen Haarwuchsmitteln und Schlankheits- / Schönheitspräparaten aufgetreten. Den Mitteln werden positive Eigenschaften und Wirkungen zugesprochen, die sie nicht haben. Der Dritte Senat des Bundesgerichtshofs hatte beispielsweise einen Fall zu entscheiden, in dem unter anderem ein „Haarverdicker-Doppelhaar“ angeboten wurde, der binnen zehn Minuten das Haar verdoppeln sollte. Das „Hollywood-LiftingBad“ sollte nach nur zwölf Bädern wieder schlank, straff und jung formen. Testpersonen sollen u.a. festgestellt haben, dass sie zur Figur eines Filmstars geliftet worden seien. Verkauft wurde auch das Schlankheitspräparat „SchlankPille M-E-D 300“. Beim Einnehmen dieses Präparats sollte man sogar reichlich essen, damit die ungeheure Fettabschmelzkraft mit genügend Nahrung ausgeglichen werde. 56

54

Vgl. dazu auch Amelunxen, S. 96. Zum Sonderfall, dass die Waren ausnahmsweise ihren Preis wert sind (Stichwort: persönlicher Schadenseinschlag), vgl. die umfassende Darstellung bei Göbel, S. 79 ff. Diese Fälle sollen im Rahmen der hiesigen Untersuchung nicht weiter verfolgt werden. Ob auch ein Fall der strafbaren Werbung gemäß § 16 Abs. 1 UWG vorliegt und in welchem Verhältnis diese Strafbarkeit zu § 263 StGB steht, wird ebenfalls nicht weiter vertieft. Zu den Voraussetzungen einer strafbaren Werbung, vgl. BGH, NJW 2002, 3415 f.; Scheinfeld, wistra 2008, S. 167, 170 ff. 55

III. Eigenschaftszuschreibung bzgl. Produkten und Dienstleistungen

27

Der Dritte Senat des Bundesgerichtshofs stellt pauschal fest, dass „die Leichtgläubigkeit bei der Irrtumserregung keine Rolle spiel[e]“ 57, konkretisiert aber nicht näher, warum die Leichtgläubigkeit einen Mitverantwortungsvorwurf begründen soll. Das ist jedoch erforderlich, um zu ermitteln, ob es sich tatsächlich um eine betrugsrelevante Opfermitverantwortung handelt. In dem Fall bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Unwahrheit der Täterbehauptungen. Vor allem sind die zugewiesenen Produkteigenschaften äußerst realitätsfern. 58 Zahlreiche Kunden werden deswegen vom Kauf abgesehen haben. Andere Kunden werden um die Übertreibungen gewusst, aber die Hoffnung gehegt haben, dass die Produkte jedenfalls einen Teil der angepriesenen Eigenschaften besäßen. Das Verhalten derjenigen Kunden, die zumindest ein wenig an die Wahrheit der zugewiesenen Eigenschaften geglaubt haben, könnte einen Mitverantwortungsvorwurf begründen. Er könnte auf die unkritische und ungeprüfte Übernahme der Täterausführungen durch das Opfer, also auf dessen Leichtgläubigkeit, gestützt werden. 59 Es könnte damit argumentiert werden, dass die Unglaubwürdigkeit der Täteraussagen das Opfer zumindest zum Nachfragen oder zum Ablassen vom Geschäft hätte bewegen sollen. Im Ergebnis lässt sich die Leichtgläubigkeit des Opfers als eine mögliche betrugsrelevante Opfermitverantwortung festhalten. Die Relevanz der Ursache „Leichtgläubigkeit“ hat sich bis in die heutige Zeit nicht gemindert. Einen Bereich mit praktischer Bedeutung stellt der Betrieb von 0900-Telefon-Servicenummern 60 dar. Über diese Nummern wird zum Beispiel Arbeit „ganz bequem von zu Hause“ für ein ansprechendes Entgelt angeboten. 61 Ruft der Kunde aber unter der angegebenen Nummer an, um nähere Informationen zu erhalten und womöglich die Arbeit anzunehmen, bringt ihm das ausschließlich eine hohe Telefonrechnung ein. Nach der Rechtsprechung liegt dann eine Betrugsstrafbarkeit vor, wenn der Anbieter die in Aussicht gestellten

56 Siehe zur ausführlichen Sachverhaltsdarstellung BGHSt 34, 199. Geradezu bezeichnend für den Fall ist, dass der Täter selbst nicht gedacht hat, dass jemand an die Produkteigenschaften glauben könnte. 57 BGHSt 34, 199. 58 Mit ähnlicher Feststellung Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 109. 59 Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 110 attestiert den Opfern ein „gehöriges Maß“ an Leichtgläubigkeit. Ferner Amelung, GA 1977, S. 1, 9 f., der insbesondere die Ursachen dieser Mitverantwortungsform betrachtet; Ellmer, S. 257 ff.; Hilgendorf, S. 194. 60 Den gleichen Zusammenhang betreffen die Dienstleistungen, die vor dem 1. Januar 2006 unter der Vorwahl 0190 angeboten wurden. 61 Häufig werden Telefonmehrwertdienste auch in den Bereichen „Gewinnspiele“, „Erotik“ und bezüglich verschiedenster Informationsdienste angeboten. Zur Vielfalt der angebotenen Dienste vgl. auch Göbel, S. 87 ff.; S. 92 ff.; Jaguttis / Parameswaran, NJW 2003, S. 2277 ff.; Scheinfeld, wistra 2008, S. 167 f.; Stöber, NStZ 2003, S. 515, 516.

28

A. Phänotypik der Opfermitverantwortung

Informationsleistungen verweigert. 62 Dies sei auch dann der Fall, wenn sich der Betreiber darauf beschränken will, bereits erteilte Informationen zu wiederholen, den Anrufenden jedoch Antworten auf die sie wirklich interessierenden Fragen vorenthält. 63 Ein hohes Entgelt für ganz einfache Arbeit beinhaltet eine Illusion, die bereits durch einfachste Überlegungen aufgedeckt werden kann. Darüber hinaus ist die Erfolglosigkeit der Servicenummern weitgehend bekannt. Trotzdem bewertet das Opfer das Angebot nicht kritisch. Aus dieser Leichtgläubigkeit könnte sich ein Mitverantwortungsvorwurf ergeben. Weitere Bereiche der (potentiellen) Opfermitverantwortungsart „Leichtgläubigkeit“ sind der Heiratsschwindel 64, der Kunst- und Antiquitätenschwindel 65 und der Geltungsschwindel 66. Allerdings sind den Beispielen keine weiteren Erkenntnisse zu den obigen Ausführungen zu entnehmen.

IV. Kaffeefahrten Einen in der Öffentlichkeit häufig diskutierten Bereich bilden die so genannten „Kaffeefahrten“. Bei „Kaffeefahrten“ werden – zumeist ältere – Menschen durch einen sehr günstigen Reisepreis zu einem Ausflug „gelockt“, in dessen Rahmen bei Verpflegung mit Kaffee und Kuchen eine „unverbindliche Informationsveranstaltung“ durchgeführt wird. 67 Dabei werden angeblich qualitativ hochwertige Produkte zu „Schnäppchenpreisen“ angeboten. Tatsächlich verkauft der Veranstalter aber qualitativ minderwertige Produkte zu weit überhöhten Preisen. 68 Unabhängig von der Problematik, ob aufgrund speziellerer Vorschriften wie § 16 Abs. 1 UWG 69 oder § 291 StGB überhaupt eine Betrugsstrafbarkeit er62 BGH, NJW 2002, 3415, 3417; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1999, 409; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 63; Stöber, NStZ 2003, S. 515, 519; Wabnitz / Janovski / Solf, Kap. 14. Rn. 12. Ferner zur Strafbarkeit solcher Dienstleistungen LG Offenburg, Urteil v. 9. Februar 2009 – Az. 2 KLs 16 Js 674/03; Göbel, S. 92 ff.; Jaguttis / Parameswaran, NJW 2003, S. 2277, 2279 ff. Auch an dieser Stelle bleibt die Problematik der strafbaren Werbung (§ 16 Abs. 1 UWG) ausgeklammert. 63 BGH, NJW 2002, 3415, 3417. 64 Siehe dazu die ausführliche Darstellung bei Ellmer, S. 257 f. Ferner Amelunxen, S. 100 f.; Middendorf, S. 98 ff.; Otto, Geschäftstätigkeit, S. 54 ff.; Padowetz, S. 1 ff.; Schneider, S. 61 f. 65 Siehe dazu Ellmer, S. 260; Würtenberger, S. 1 ff. 66 Siehe dazu Amelunxen, S. 99; Amelunxen, ArchKrim, Bd. 158 1976, S. 41 ff.; Ellmer, S. 263 f. 67 Siehe dazu auch Göbel, S. 74; Otto, Geschäftstätigkeit, S. 23 f. 68 Zur Strafbarkeit im Einzelnen vgl. Göbel, S. 77 ff. Göbel beleuchtet auch die Konstellationen, in denen über Produkteigenschaften getäuscht wird, die Waren aber ihren Preis

V. Opfer zweifelt an der Wahrheit der vom Täter behaupteten Tatsache

29

öffnet ist, soll eine mögliche Opfermitverantwortung in diesen Konstellationen näher konkretisiert werden. Der Verkauf der qualitativ minderwertigen Waren zu weit überhöhten Preisen gelingt den Veranstaltern, weil sich die Opfer in einer besonderen Situation befinden. Die Einkleidung der „Verkaufsveranstaltung“ in eine Tagesreise und die besondere Situation der Abgeschiedenheit bis zur Abschottung in abgelegenen, extra angemieteten Verkaufshallen trägt maßgeblich zur Kaufentscheidung bei. 70 Der Vorwurf der Mitverantwortung kann in diesen Situationen aber nicht auf den Umstand gestützt werden, dass sich das Opfer durch die Abgeschiedenheit beeinflussen lässt. Denn dann übersieht man, dass der Täter diese Abschottung herbeigeführt hat und sie daher auch ihm zuzurechnen ist. Vielmehr könnte sich die Mitverantwortung aus der Tatsache ergeben, dass sich die Opfer auf die „Kaffeefahrt“ einließen, obwohl die verwendete „Verkaufsstrategie“ allgemein bekannt ist und sie daher hätten wissen müssen, dass sie in eine solche Lage kommen können. Somit könnte sich eine Mitverantwortung aus der Naivität der Opfer über die Wirkung der Verkaufsstrategien ergeben. Freilich würde dies nur eine schwache Form einer Opfermitverantwortung darstellen. Darüber hinaus ist eine Nähe zur im Abschnitt III. angesprochenen „Leichtgläubigkeit“ offensichtlich. Die phänomenologisch eigenständige Fallgruppe „Kaffeefahrten“ steht in der rechtlichen Bewertung somit der Konstellation „Eigenschaftszuschreibung bzgl. Produkten und Dienstleistungen“ nahe, so dass es auch eine Einordnung in diesen Abschnitt rechtfertigt. Im Fall der Kaffeefahrten fußt die Opfermitverantwortung demzufolge nicht – wie auf den ersten Blick vielleicht vermutet – auf situativen Besonderheiten. Vielmehr könnte sich eine Mitverantwortung aus der Naivität der Opfer über die Wirkung der Verkaufsstrategien als Unterfall der Leichtgläubigkeit ergeben.

V. Opfer zweifelt an der Wahrheit der vom Täter behaupteten Tatsache Einen in der Rechtsprechung und Rechtslehre häufig diskutierten Bereich stellt die Konstellation dar, in denen das Opfer an der Wahrheit der vom Täter behaupteten Tatsache zweifelt, aber dennoch die Vermögensverfügung vornimmt. 71 wert sind (Stichwort: persönlicher Schadenseinschlag). Diese Fälle sollen im Rahmen der hiesigen Untersuchung nicht weiter verfolgt werden. 69 Zu den Voraussetzungen einer strafbaren Werbung, vgl. BGH, NJW 2002, 3415 f. 70 Vgl. zu den verschiedenen Manipulationsmöglichkeiten die umfassende Darstellung bei Göbel, S. 75 ff. 71 Siehe dazu auch unten Abschnitt B. (Seite 32 ff.).

30

A. Phänotypik der Opfermitverantwortung

Diese Situation dürfte in zahlreichen der zuvor behandelten Fallkonstellationen vorliegen. Der Erste Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe problematisierte die Zweifel des Opfers in einer Entscheidung 72, wobei es um einen Betrug mit Kapitalanlagemöglichkeiten ging. Der Täter hatte den Opfern eine Kapitalanlage suggeriert, bei der „kleinere Kapitalmengen zu Anlagesummen von 1, 10 und 100 Millionen US-Dollar zusammengefügt“ werden sollten. Dieses zusammengebrachte Kapital sollte am Kapitalmarkt zu einer Rendite von „100 % binnen vier Wochen“ angelegt werden. 73 Die Opfer glaubten dem Täter die irrealen Renditeversprechungen, weil sie die Erwartungen auf ein gutes Geschäft die Unseriösität und Irrealität der Versprechungen vergessen ließen. Wie bereits bei den Fallkonstellationen der Geldanlage auf Seite 23 ff. erörtert, kann dieser Umstand einen Mitverantwortungsvorwurf begründen. Darüber hinaus waren die Geschädigten im konkreten Fall selbst als Finanzvermittler tätig und verfügten über eine gewisse Sachkunde, weshalb sie Zweifel an den Täterbehauptungen hatten. 74 Dieser Fall zeigt in seiner Typizität, dass oftmals mehrere Ursachen für eine Opfermitverantwortung in Betracht kommen, und dass häufig die Tatsache, dass das Opfer an der Wahrheit der Täterbehauptung zweifelt, als Begleiterscheinung zu den anderen potentiellen Ursachen hinzutritt. Bei vielen Fällen in der Praxis wird sich ein möglicher Mitverantwortungsvorwurf aus verschiedenen Elementen zusammensetzen. Die herausgearbeiteten Fallgruppen bieten dabei viele Kombinationsmöglichkeiten. Ob sich beim Zusammenspiel mehrerer Elemente die rechtliche Bewertung des Opferverhaltens ändert, kann an dieser Stelle jedoch noch nicht beurteilt werden. Der Fallgruppe „Zweifel“ verbleibt damit nur ein schmaler Anwendungsbereich 75, in den zum Beispiel der so genannte Deputatkohlenfall fällt. Ein Bergmann war berechtigt, von der Zeche (knappe) Kohle als „Deputatkohle“ zum eigenen Verbrauch zu beziehen. Eine Weiterveräußerung der Deputatkohle war zwar nicht erlaubt; der Verkauf an Dritte aber trotzdem weit verbreitet. Dem Zechenverwalter war diese „Praxis“ bekannt und er zweifelte dementsprechend an der vertragsgemäßen Verwendung. 76 Konkret stellte sich das Problem, ob der

72 73

276.

74

OLG Karlsruhe, wistra 2004, 276. Siehe auch die ausführliche Sachverhaltsdarstellung bei OLG Karlsruhe, wistra 2004,

OLG Karlsruhe, wistra 2004, 276. Besonders aktuell wird die Problematik beim kassenärztlichen Abrechnungsbetrug diskutiert, vgl. dazu Seite 44 ff. 76 Vgl. auch die ausführliche Darstellung des Sachverhalts bei Arzt / Weber, § 20 Rn. 65. 75

VI. Zusammenfassung / Ausblick

31

Zechenverwalter trotz seiner Zweifel irrte, wenn ein Bergmann Deputatkohle bezog, die er zum Teil weiterverkaufen wollte. 77 Zweifelt das Opfer an der Wahrheit der Täterbehauptungen, sollte es durch Wahrnehmung von Informations- beziehungsweise Selbstschutzmöglichkeiten die Richtigkeit der Aussagen überprüfen. Zweifel sind nichts anderes als ein Ausdruck der Erkenntnis, dass das Opfer Selbstschutzmöglichkeiten nutzen sollte. Ein Mitverantwortungsvorwurf könnte sich somit ergeben, wenn das Opfer trotz Bedenken an der Richtigkeit der Aussagen die Selbstschutzmöglichkeiten außer Acht lässt. Im Deputatkohlenfall könnte danach dem Zechenverwalter vorgeworfen werden, dass er nicht weitere Kontrollmaßnahmen durchgeführt hat. Neben der rein tatsächlichen Frage einer Opfermitverantwortung sind die rechtlichen Auswirkungen, wenn das Opfer trotz Zweifel an der Wahrheit der Tatsachenbehauptungen verfügt, äußerst umstritten. So ist die Fallkonstellation, dass das Opfer an der Täterbehauptung zweifelt, oft alleiniger Ausgangs- und Ansatzpunkt für die Diskussion über die rechtliche Bewertung eines Opfermitverschuldens. Eine detaillierte Darstellung der rechtlichen Lösungsvorschläge erfolgt in den Kapiteln B. und C.

VI. Zusammenfassung / Ausblick Vier mögliche Ursachen / Formen einer Opfermitverantwortung sind anhand der Gerichtsentscheidungen ermittelt worden. Es sind die Fallgruppen der „Risikoabwägung“, der „irrationalen Erwartung / Unbedarftheit“, der „Leichtgläubigkeit / Naivität“ und des „an der Wahrheit der Täterbehauptung zweifelnden Opfers“. Wie bereits innerhalb der Fallbeispiele aufgezeigt, lässt sich eine exakte Grenzlinie zwischen den Fallgruppen nicht ziehen, weshalb Überschneidungen nicht auszuschließen sind. Die Konturenlosigkeit des Begriffs „Opfermitverantwortung“ konnte aber im Ergebnis beseitigt werden. Die Fallbeispiele stellen einen Beleg für die Bedeutung der Problematik „Opfermitverantwortung“ und der Diskussion über dessen betrugsrechtliche Relevanz dar. Ob die herausgearbeiteten Fallgruppen aber ein betrugsrelevantes Opfermitverschulden zum Ausdruck bringen und ob sie gleichrangig unter dem Begriff der Opfermitverantwortung zusammengefasst werden können, findet seine Beurteilung erst in den nachfolgenden Kapiteln.

77 BGHSt 2, 325, 326. Der Bundesgerichtshof hat sich für die Annahme eines „Irrtums“ mit der Begründung ausgesprochen, dass der Zechenbeamte in Anbetracht der tarifvertraglichen Regelung des Kohlenbezugs von einer vertragsgemäßen Verwendung ausgehen müsse, vgl. BGHSt 2, 325, 326; Giehring, GA 1973, S. 1, 13.

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage Nach wie vor wird kontrovers diskutiert, wie es sich auf die Strafbarkeit des Täters auswirkt, wenn das Opfer Mitverantwortung für den Betrugserfolg trägt. Die dogmatische Lozierung der Problematik auf Tatbestands- oder Strafzumessungsebene entscheidet dabei maßgeblich über die Möglichkeiten, eine Opfermitverantwortung zu berücksichtigen. Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Lehre dient der hiesigen Diskussion dabei als Ausgangspunkt. In einem ersten Schritt soll durch einen Vergleich mit der Schweizer Rechtslage die Bedeutung der gesetzgeberischen Ausgangslage hervorgehoben werden. Anschließend wird aufgezeigt, in welchem Ausmaß die herrschende Auffassung in Deutschland der Opfermitverantwortung betrugsrechtliche Relevanz beimisst. Vor diesem Hintergrund werden in den nachfolgenden Kapiteln C. und D. alternative Konzeptionen diskutiert.

I. Gesetzgeberische Ausgangslage Ausgangspunkt der Diskussion über die Berücksichtigung von Opfermitverantwortung ist die durch den Gesetzgeber geschaffene Ausgangslage. Die Erörterung wird vor allem durch den Wortlaut gelenkt, den der Gesetzgeber gewählt hat. Wie sich dadurch Richtung und Ergebnis der Diskussion verändern, zeigt ein Vergleich des § 263 StGB mit dem Art. 146 SchwStGB, dem schweizerischen Betrugstatbestand.

1. Art. 146 SchwStGB – Betrug im schweizerischen Strafgesetzbuch Der Schweizer Gesetzgeber hat sich beim Betrug für eine qualifizierte Täuschung entschieden, indem er gemäß Art. 146 SchwStGB verlangt, dass der Täter „... jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt ...“. Das Erfordernis der Arglist hat seine Grundlage in Art. 405 Code pénal, der französischen Betrugsvorschrift. 1 Dort werden „manœuvres frauduleuses“ (= betrügerische Kunst-

I. Gesetzgeberische Ausgangslage

33

griffe) gefordert. 2 Diese Regelung hat der Schweizer Gesetzgeber allerdings als zu kasuistisch und restriktiv verworfen 3 und sich stattdessen für das allgemeine Merkmal der Arglist entschieden. Der Schweizer Gesetzgeber verfolgt mit dem Arglisterfordernis das Ziel, leicht durchschaubare Täuschungen als Pendant zur listigen Täuschung aus dem Betrugstatbestand auszuklammern. 4 Der Wortlaut des Art. 146 SchwStGB legt damit – anders als im deutschen Strafrecht 5 – fest, dass eine Opfermitverantwortung zu berücksichtigen ist. 6 Mit dem Merkmal der Arglist sollen diejenigen Konstellationen aus dem Schutzbereich des Art. 146 SchwStGB ausscheiden, in denen das Opfer „sich mit einem Mindestmaß an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen können“ 7 oder „den Irrtum durch ein Minimum zumutbarer Vorsicht hätte vermeiden können“ 8. Beurteilungsgrundlage ist die jeweilige Lage und Schutzbedürftigkeit des Opfers im konkreten Fall, soweit der Täter diese kennt und ausnutzt. 9 Maßgebliche Umstände sind zum Beispiel Geschäfts(un)erfahrenheit, (k)eine besondere Fachkenntnis oder eine rechtliche (Un)Erfahrenheit. 10 Vom Opfer wird indes nicht die größtmögliche Sorgfalt verlangt. Es gilt vielmehr erst dann als mitverantwortlich, wenn es die grundlegendsten Vorsichtsmaßnahmen nicht beachtet hat. 11

1 BGE 72 IV 12; 99 IV 75; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 227; BK / Arzt, Art. 146 Rn. 53; Ellmer, S. 217; Noll, S. 196; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 31; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 17; Trechsel, Art. 148 Rn. 7. 2 Vgl. dazu auch BGE 72 IV 12; BK / Arzt, Art. 146 Rn. 53; Germann, S. 275; Goyet, S. 667; Kurth, S. 29 ff.; Niggli, AJP / PJA 1993, S. 1275, 1276; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 31; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 17. 3 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Wismer, S. 26 ff.; ferner Graven, S. 4, 7 ff.; Perrez, S. 12. 4 BGE 72 IV 126; Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 112; Arzt / Weber, § 20 Rn. 49a. 5 Dazu unten ab Seite 43. 6 BGE 119 IV 284, das die Schutzbedürftigkeit des Getäuschten erörtert; 120 IV 186; 126 IV 165; BK / Arzt, Art. 146 Rn. 50; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 33; Wismer, S. 79 ff.; ferner Ellmer, S. 221. 7 BGE 72 IV 126; 119 IV 28; 126 IV 165; BGer, Urteil vom 28. Februar 2005, Az. 6S.414/2004; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 230; BK / Arzt, Art. 146 Rn. 50; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 17; ferner Arzt / Weber, § 20 Rn. 49a; Ellmer, S. 218. 8 BGE 99 IV 78; 100 IV 274; 119 IV 28; BGer, Urteil vom 28. Februar 2005, Az. 6S.414/2004; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 33; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 17; ähnlich Trechsel, Art. 148 Rn. 10. 9 BGE 120 IV 186; 125 IV 124; 126 IV 165; 128 IV 18; BGer, Urteil vom 5. April 2000, Az. 6S.835/1999; BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004. 10 BGE 120 IV 186; 126 IV 165; BGer, Urteil vom 17. April 2002, Az. 6S.722/2001; BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004. 11 BGE 126 IV 165; BGer, Urteil vom 17. Februar 2003, Az. 6S.347/2002; BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004; BGer, Urteil vom 28. Februar 2005, Az. 6S.414/2004.

34

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

Bei der weiteren detaillierten Ausgestaltung des Arglisterfordernis vertreten obergerichtliche Rechtsprechung 12 und die überwiegende Literatur 13 eine differenzierende Lösung. Danach ist zwischen einem Lügengebäude / den betrügerischen Machenschaften einerseits und der einfachen Lüge andererseits zu unterscheiden. Bei der einfachen Lüge beschränkt sich die Täuschung auf einen wesentlichen Punkt. 14 Täuschungsgegenstand ist in der Regel die Person des Täters, der Leistungsgegenstand oder der Sachverhalt als solcher. 15 Beim Lügengebäude bedient sich der Täter dagegen nicht nur einer unwahren Tatsachenbehauptung, sondern nutzt mehrere. 16 Nach Wismer ist das Lügengebäude ein „unübersichtliches Gestrüpp von falschen Angaben, dem selbst das kritische Opfer erliegt“. 17 Als betrügerische Machenschaften gelten Erfindungen, Vorkehrungen oder das Ausnützen von Begebenheiten, die allein oder neben Lügen geeignet sind, das Opfer irrezuführen oder es in einem Irrtum zu bestärken. 18 Meist bestechen sie durch intensive, planmäßige und systematische Vorbereitungen hinsichtlich Durchführung und Wirkung der Täuschungshandlung. 19 Deshalb werden sie auch oft als eigentliche Inszenierungen beschrieben. 20 Der betrugsrechtliche Unterschied zwischen den beiden grundsätzlichen Täuschungsvarianten liegt in den Anforderungen an das Opfer, um das Täterverhalten als arglistig zu bewerten. Bedient sich der Täter betrügerischer Machenschaften oder baut er ein Lügengebäude auf, liegt in jedem Fall eine arglistige Täuschung vor. 21 Auf das Opferverhalten – respektive auf eine Opfermitverantwortung – kommt es bei diesen Täuschungsvarianten nicht an. 22 Ohne Relevanz ist insbesondere, ob das Opfer die Richtigkeit der Täteraussagen hätte überprüfen können. 23 12 Zusammenfassend BGE 99 IV 75; 106 IV 358; 107 IV 169; 118 IV 360; 119 IV 28; 125 IV 124; 126 IV 165; 128 IV 18; BGer, Urteil vom 28. Februar 2005, Az. 6S.414/2004. 13 Vgl. Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 230 ff.; Noll, S. 196; Perrez, S. 34 f.; Squaratti, S. 21; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 18 ff.; Trechsel, Art. 148 Rn. 7 ff.; kritisch Burckhardt, S. 75 ff. Besonders ausführliche Darstellung bei Wismer, S. 40 ff. 14 Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 232; Wismer, S. 57. 15 Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 232; Wismer, S. 57. 16 BGE 74 IV 152; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 231; Wismer, S. 55. 17 Wismer, S. 56. 18 BGE 122 IV 197; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 231; Wismer, S. 53. 19 BGE 119 IV 284; 122 IV 197; 126 IV 165; Wismer, S. 53. 20 Vgl. BGE 122 IV 197; Wismer, S. 53. 21 BGE 71 IV 13; 74 IV 146; 78 IV 25; 99 IV 84; 100 IV 176; 106 IV 361; 107 IV 360; 116 IV 23; 119 IV 28; 122 IV 197; 135 IV 76; Noll, S. 196; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 36, 42 f.; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 19; Trechsel, Art. 148 Rn. 7 f. 22 BGE 74 IV 146; 73 IV 24; 106 IV 358; Ellmer, S. 222. 23 BGE 73 IV 24; 106 IV 362; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 232; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 19; kritisch Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 52; Wismer, S. 55 f., 113.

I. Gesetzgeberische Ausgangslage

35

Das Schweizer Bundesgericht hat besondere Machenschaften in einem Fall bejaht, in dem ein gelernter Maschinenzeichner sich mithilfe wertloser Titel, von denen er im großen Umfang Gebrauch (Zeitungsinserate, Branchenbuch, Briefpapier, Türschild, etc.) gemacht hatte, als ausgebildeter und ausgezeichneter Fachmann der Psychologie ausgegeben und so seinen Patienten vorgetäuscht hatte, er könne ihre Beschwerden heilen oder mindern. 24 Der Täter verfügte tatsächlich nur über eine stark lückenhafte psychologische Ausbildung. Dass ein Telefonanruf bei der Sanitätsdirektion die Wertlosigkeit der Titel ergeben hätte, erachtet das Gericht konsequenterweise als irrelevant. 25 Im ähnlich gelagerten Fall des Landgerichts Flensburg 26 aus Kapitel A. (Seite 16) wären nach Schweizer Recht daher beispielsweise ebenso besondere Machenschaften anzunehmen. Auch dieser Fall zeichnet sich durch intensive und systematische Vorbereitungen aus. Ein neueres Urteil des Schweizer Bundesgerichts vom 7. Juli 2004 27 belegt die Relevanz der Fallvariante „Besondere Machenschaften / Lügengebäude“ auf dem Gebiet der Kapitalanlagen. Eine Gesellschaft warb um Erschliessungskosten für ein Bauprojekt in Benahavis / Marbella. Sie garantierte unter anderem 18% Zins im Jahr, 100% Sicherheiten sowie absolute Diskretion und klare Verhältnisse. Insbesondere die Angaben über das Eigenkapital und die Bilanzsumme der Gesellschaft entsprachen jedoch nicht der Wahrheit. 28 Die Vorinstanz hatte eine arglistige Täuschung abgelehnt, da sich „Rentabilität, Sicherheit, Flexibilität und Diskretion erfahrungsgemäß nur schwer in einer Anlageform vereinen [ließen]“. Risikolose Gewinne von 18% auf ein Jahr seien realitätsfern. 29 Das Schweizer Bundesgericht ließ diese Umstände im Ergebnis unberücksichtigt, da es entgegen der Auffassung der Vorinstanz sowohl ein Lügengebäude als auch besondere Machenschaften annahm. Das Gericht berücksichtigte dabei insbesondere, dass die Inserate und Prospekte professionell dargestellt und die Täter besonders ausgeklügelt vorgegangen waren. 30 Auch in der deutschen Gerichtspraxis lassen sich Fälle finden, in denen sich der Täter besonderer Machenschaften bedient beziehungsweise ein Lügengebäude aufbaut. Dies zeigt vor allem ein Vergleich mit den Beispielsfällen aus 24

BGE 106 IV 358. BGE 106 IV 358. 26 LG Flensburg, Urteil vom 9. Januar 1985, Az. I KLs 8/84 – 102 Js 6905/83. Dort erreichte der Täter – ohne über die nötige Ausbildung zu verfügen – eine Anstellung als Arzt, weil die üblichen Gespräche nicht geführt und die Originalunterlagen nicht angefordert wurden. 27 BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004. 28 BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004. 29 BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004. 30 BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004. 25

36

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

Kapitel A. Auch Jürgen Harksen 31 nutzte besondere Machenschaften und Lügengebäude, um die tatsächliche Wertlosigkeit der Geldanlagemöglichkeiten zu verschleiern. Die Schweizer Rechtsprechung hätte trotz der unglaubwürdigen Versprechungen durch den Täter und der irrationalen Erwartungen der Opfer 32 auf vollendeten Betrug erkannt, da etwaige Überprüfungsmöglichkeiten bei dieser Täuschungsvariante ohne Relevanz bleiben. Überhaupt lassen sich in vielen Fällen des Betrugs im Zusammenhang mit Geldanlageofferten wegen der Komplexität der Materie besondere Machenschaften / Lügengebäude bejahen. 33 Auch in den Fällen „Aberglaube“ (ab Seite 22) bedienen sich die Täter dieser Täuschungsvarianten. Hier nutzen sie vor allem die Anfälligkeit der Opfer für abergläubische Ritualien aus. Nach Schweizer Rechtspraxis käme es folglich auch in diesen Fällen nicht auf eine Opfermitverantwortung an. Keineswegs ist es aber so, dass sich der Täter zwingend besonderer Machenschaften / Lügengebäude bedient. Vollständige Fallgruppen können dieser Täuschungsvariante daher nicht zugeordnet werden. Das Opferverhalten erlangt nach Schweizer Recht folglich (erst) bei der einfachen Täuschung Bedeutung. Für die Beurteilung, ob die Täuschung des Täters als arglistig zu bewerten ist, kommt es hier auf das Kriterium der Überprüfbarkeit an. Die einfache Täuschung ist nur dann arglistig, wenn diese nicht oder nicht ohne besondere Mühe nachprüfbar ist, 34, der Täter den Getäuschten von der Überprüfung absichtlich abhält, 35 dem Getäuschten die Überprüfung nicht zumutbar ist 36 oder der Täter voraussieht, dass das Opfer die Überprüfung aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses, aufgrund klarer Regelungen oder aufgrund von Zusicherungen unterlassen wird. 37 Das Arglisterfordernis wird somit praktisch in zwei Schritten geprüft. Zunächst ist der kriminelle Aufwand des Täters maßgeblich – also die Frage, ob er mithilfe betrügerischer Machenschaften / einem Lügengebäude getäuscht hat. Nur wenn diese Täuschungsvariante zu verneinen ist, richtet sich der Blick auf das Opferverhalten und damit auf die 31

Siehe Seite 23 ff. Vgl. dazu Seite 25. 33 Vgl. dazu zum Beispiel den Fall auf Seite 30. 34 BGE 72 IV 12; 72 IV 159; 73 IV 225; 76 IV 95 f.; 96 IV 147; 105 IV 104; 106 IV 31; 122 IV 197; Noll, S. 196; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 37, 45 f.; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 18, 20; kritisch Waiblinger, 476. 35 BGE 72 IV 121; 72 IV 156; 76 IV 95; 99 IV 84; 107 IV 172; Noll, S. 196; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 38, 48; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 18, 20; kritisch Trechsel, Art. 148 Rn. 11. 36 BGE 72 IV 126; 77 IV 84; 96 IV 147; 99 IV 78; 106 IV 362; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 36, 47; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 18, 20; Trechsel, Art. 148 Rn. 10. 37 BGE 99 IV 76; 100 IV 273; 106 IV 31; 107 IV 169; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 39, 49 f.; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 18, 20; Trechsel, Art. 148 Rn. 12. 32

I. Gesetzgeberische Ausgangslage

37

Überprüfbarkeit der Täteraussage. 38 Die Differenzierung zwischen den zwei Täuschungsvarianten wird mit einer erhöhten Täuschungsintensität und einer daraus resultierenden erhöhten Gefährlichkeit für das Opfer bei Lügengebäuden / betrügerische Machenschaften begründet. 39 Bei solchen Vorgehensweisen des Täters wird augenscheinlich generell nicht erwartet, dass ein hinreichend sorgfältiges Opfer die Lügen aufdecken könnte. Das Arglisterfordernis besitzt demnach nur hinsichtlich der einfachen Lüge eine begrenzende Funktion. 40 Diese strikte Trennung zwischen einfacher Lüge und Lügengebäude / betrügerischen Machenschaften ist mit BGE 119 IV 28 41 und BGE 122 IV 197 42 im Anschluss an die Kritik von Schubarth 43 und Wismer 44 jedoch zum Teil aufgegeben beziehungsweise präzisiert worden. BGE 119 IV 28 45 betont, dass das formale Vorhandensein eines Lügengebäudes, also die Summierung mehrerer Lügen, nicht automatisch zur Bewertung als arglistige Täuschung führen kann. 46 Auch die Kennzeichen eines Lügengebäudes in materieller Hinsicht, wie besondere Hinterhältigkeit und Raffinesse 47, müssen stets gegeben sein. 48 Arglist scheidet demnach „jedenfalls dann aus, wenn sowohl das vom Täter gezeichnete Bild insgesamt, als Ganzes, wie auch die falschen Angaben für sich allein in zumutbarer Weise überprüfbar gewesen wären und schon die Aufdeckung einer einzigen Lüge zur Aufdeckung des ganzen Schwindels geführt hätte“. 49 38

Vgl. dazu auch Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 237. Ellmer, S. 222. 40 Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 233; Graven, S. 7; vgl. dazu auch BK / Arzt, Art. 146 Rn. 54. 41 Zum Lügengebäude. 42 Zu betrügerische Machenschaften. 43 Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 42. 44 Wismer, S. 55 f., 113. 45 Der Täter hat in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt einen Kredit bei einer Bank unter anderem mit den Angaben erreicht, dass er für eine bekannte Familie aus Deutschland, die aus Diskretionsgründen ihm die Aufgabe übertragen habe, tätig wird und diese das Geld zur Investition in Schweizer Immobilien benötige. Jede einzelne Tatsachenbehauptung hätte durch die Bankorgane (zumutbar) überprüft werden können. Die Vorlage einer Vollmacht zu verlangen, hätte genügt. Zum Sachverhalt siehe auch Niggli, AJP / PJA 1993, S. 1275, 1275 f. 46 BGE 119 IV 28; so auch BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004; BK / Arzt, Art. 146 Rn. 55; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 42; Wismer, S. 56; zustimmend Arzt, SchwZStrR 1989, S. 220, 221; Niggli, AJP / PJA 1993, S. 1275, 1276. 47 BGE 77 IV 151; 119 IV 28; 122 IV 197; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 42; Wismer, S. 56. 48 BGE 119 IV 28; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 42; zustimmend Niggli, AJP / PJA 1993, S. 1275, 1276 f. 49 BGE 119 IV 28; 122 IV 197; BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 42; vgl. auch Niggli, AJP / PJA 1993, S. 1275, 1276. 39

38

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

Dann ist es dem Opfer nämlich noch leichter, die Täuschung aufzudecken, als wenn der Täter nur eine unwahre Tatsachenbehauptung gemacht hätte. 50 BGE 122 IV 197 51 hat diese Präzisierung zum Lügengebäude folgerichtig auf die Täuschung mithilfe betrügerischer Machenschaften ausgedehnt. Auch hier kann es keinen Automatismus zwischen der Annahme betrügerischer Machenschaften und Arglist geben. 52 Sind die Erfindungen und Vorkehrungen für sich einzeln überprüfbar, ist die Täuschungshandlung nicht als arglistig zu bewerten. 53 Trotz der Annäherung in der rechtlichen Behandlung bei den Täuschungsvarianten einfache Lüge und Lügengebäude / betrügerische Machenschaften bleibt die Beurteilung nach dem Überprüfbarkeitskriterium grundsätzlich weiterhin auf den Fall der einfachen Lüge beschränkt. Die Fallgruppen, die die Rechtsprechung zum Überprüfbarkeitskriterium entwickelt hat, werden daher nachfolgend ausführlicher dargestellt. Zwar ist beim Schweizer Bundesgericht 54 die leichte Tendenz zu erkennen, anstelle der schematischen Prüfung nur noch allgemein zu fragen, ob das Opferverhalten leichtfertig gewesen ist. 55 Das Gericht hat zunächst wie gewohnt die Fallvarianten der Arglist dargestellt, eine konkrete Zuordnung letztlich jedoch nicht vorgenommen. Vielmehr hat es insgesamt bewertet, ob das Verhalten des / der Opfer(s) als leichtfertig zu bezeichnen ist. 56 Diese Tendenz blieb bisher allerdings vereinzelt. In nachfolgenden Entscheidungen wurden weiterhin die folgenden Fallgruppen herangezogen, die somit ihre Berechtigung zur Darstellung finden. • Richtigkeit ist nicht oder nur mit besonderer Mühe nachprüfbar: Der Täter handelt bei Täuschung mit einer einfachen Lüge arglistig, wenn die Richtigkeit der

50

BGE 119 IV 28; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 42. In dem Fall ging es um einen versuchten Prozessbetrug mithilfe einer dilettantisch erweiterten Kreditorenliste. Im Ergebnis hat das Gericht eine arglistige Täuschung angenommen. 52 BGE 122 IV 197; vgl. auch BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004; BK / Arzt, Art. 146 Rn. 55; Graven, SJK, Bd. 821 1974, S. 12; Wismer, S. 55. 53 BGer, Urteil vom 7. Juli 2004, Az. 6S.116/2004. 54 Urteil vom 17. Februar 2003, Az. 6S.347/2002. Der Täter hatte sich dort gegenüber einer Lehrerin als Anwalt / Jurist ausgegeben und seine Hilfe bei erbrechtlichen Problemen angeboten. In diesem Zuge hatte der Täter durch wahrheitswidrige Angaben kleinere Geldbeträge erlangt. 55 Kritisch zu den schematischen Fallgruppen auch Arzt, SchwZStrR 1989, S. 220, 221; BK / Arzt, Art. 146 Rn. 57; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 52, der die strafrechtliche Schutzwürdigkeit des Opfers als maßgeblich ansieht. 56 BGer, Urteil vom 17. Februar 2003, Az. 6S.347/2002. Den beruflichen Hintergrund des Täters nicht abzuklären, hat das Gericht trotz der Tatsache, dass das Opfer den Beruf einer Lehrerin ausübt, nicht als leichtfertig eingestuft. Das Opfer sei besonders geschäftsund rechtsunerfahren. Außerdem erfordere der Lehrerberuf keine „sehr gute[n] Kenntnisse der Verwaltungsstrukturen und des Verwaltungsrechts“. 51

I. Gesetzgeberische Ausgangslage

39

Angaben nicht oder nur mit besonderer Mühe nachprüfbar ist. 57 Die Einstufung als arglistig beruht auf der Tatsache, dass der Täter gegenüber dem Opfer einen nicht reduzierbaren Wissensvorsprung hat. 58 Ob die Täuschung überprüfbar ist, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. 59 Ausschlaggebende Merkmale sind zum Beispiel die Geschäftserfahrenheit des Opfers 60, das Alter des Opfers 61 oder der in Rede stehende Vermögenswert. Je höher der Vermögenswert ist, desto eher hat das potentielle Opfer die Täterbehauptungen kritisch zu bewerten und durch weitere Nachforschungen abzusichern. 62 Eine Täuschung über innere Tatsachen kann zum Beispiel grundsätzlich nicht überprüft werden. 63 Nur wenn ausnahmsweise die Täterbehauptung durch Recherche (zumutbar) überprüfbar ist und das Opfer Rückschlüsse auf den tatsächlichen Täterwillen nehmen kann, ist eine arglistige Täuschung zu verneinen. 64 Anhaltspunkte für einen fehlenden Erfüllungswillen können zum Beispiel unbezahlte Rechnungen oder die Kenntnis des Opfers von der sehr schlechten finanziellen Situation des Täters sein. 65 Weitere Beispiele bietet der Gebrauchtwagenhandel. Das Schweizer Bundesgericht 66 hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Autohändler einen Ford als neuwertig und unfallfrei beschrieb. Tatsächlich war der PKW schon circa 3200 km gefahren und hatte einen nicht unerheblichen Unfallschaden erlitten. 67 Das Bundesgericht nahm eine arglistige Täuschung an, da ohne Hinzuziehung eines Fachmannes die Unfallfreiheit nur mit besonderen Bemühungen festzustellen sei. 68 Dagegen erfordern diejenigen Täuschungen keine besonderen Mühen an Überprüfung, die schon durch einfache Kontrollmaßnahmen aufgedeckt werden kön-

57 BGE 72 IV 12; 72 IV 159; 73 IV 225; 76 IV 95 f.; 96 IV 147; 105 IV 104; 106 IV 31; 122 IV 197; Noll, S. 196; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 37, 45 f.; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 18; kritisch Waiblinger, 476. 58 Wismer, S. 61. 59 Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 232; Ellmer, S. 219. 60 BGE 89 IV 74; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 233 f.; Squaratti, S. 26. 61 BGE, SJZ 50 [1954], 102. 62 BGE 89 IV 74; Ellmer, S. 219. 63 BGE 73 IV 225; BGE 101 Ia 613; 119 IV 284; BGer, Urteil vom 28. Februar 2005, Az. 6S.414/2004; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 232; Noll, S. 196; Trechsel, Art. 148 Rn. 9. 64 BGE 118 IV 359; 125 IV 124; BGer, Urteil vom 28. Februar 2005, Az. 6S.414/2004; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 46. 65 Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 46; Trechsel, Art. 148 Rn. 9. 66 BGE 96 IV 145. 67 BGE 96 IV 145. 68 BGE 96 IV 145; ähnlich BGE 72 IV 128; 77 IV 85.

40

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

nen, 69 so zum Beispiel das Anfordern von Referenzen oder eine Überprüfung der Finanzlage mittels zentralem Computer. 70 Die Fälle, in denen Warenlieferungen trotz Säumigkeit des Kunden an diesen weiterhin erfolgen (vgl. Kapitel A. ab Seite 19), sind einfach aufzudeckende Täuschungen, wenn anhand der unbeglichenen Rechnungen beziehungsweise anderer Verzeichnisse 71 die tatsächliche Zahlungsfähigkeit der Kunden ermittelbar ist. Bei Geschäften mit geringem Vermögenswert dürften die Nachforschungen allerdings unzumutbar sein (vgl. dazu auch unten Seite 41 f.). Zumindest aber im Beispiel auf Seite 20, in denen die Versandhäuser die Bestelleradresse unschwer hätten ermitteln können, wäre die Richtigkeit der Täteraussagen ohne besondere Mühe nachprüfbar gewesen. Nicht nachzuprüfen sind dagegen die Eigenschaftszuschreibungen in den Fällen im Abschnitt III. auf Seite 26 ff. Dort hätten die Kunden zur Prüfung der Wirksamkeit die Ware kaufen müssen. • Täter hält Opfer absichtlich von der Überprüfung ab: Eine weitere Fallvariante für eine arglistige Täuschung bilden die Fälle, in denen der Täter das Opfer absichtlich von der Überprüfung der Täteraussagen abhält. 72 Das typische Bild dieser Täuschungsvariante charakterisiert sich dadurch, dass der Täter das Opfer von der fehlenden Notwendigkeit weiterer Kontrollmaßnahmen überzeugt. 73 Das Schweizer Bundesgericht hat in einem Fall, in dem es um die Servierung anderer als bestellter Ware in einem Restaurant ging, eine arglistige Täuschung unter anderem mit dieser Fallvariante begründet. 74 Statt bestelltem Rehfleisch wurde Hirschfleisch serviert. Um Nachfragen zu verhindern, wurde auf der Speisekarte selbst kein Hirschfleisch angeboten und das Servierpersonal nicht eingeweiht. 75 Aus dem Kapitel A. ist die Fallkonstellation „Kaffeefahrten“ 76 einschlägig. Mit der Einkleidung in die Tagesreise und der Abschottung in abgelegenen Verkaufshallen wird hier bewusst auf die Kaufentscheidung der Opfer eingewirkt. Der Verfasser hat ähnlich zur Fallvariante im Schweizer Recht „Täter hält Opfer absichtlich von Überprüfung ab“, dort schon dargelegt, dass dem Opfer zumin-

69

Wismer, S. 63. Wismer, S. 63. 71 Beispielsweise die SCHUFA. 72 BGE 72 IV 121; 72 IV 156; 76 IV 95; 99 IV 84; 107 IV 172; Noll, S. 196; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 38, 48; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 18; kritisch Trechsel, Art. 148 Rn. 11. 73 Wismer, S. 65. 74 BGE 99 IV 80. 75 BGE 99 IV 80. 76 Vgl. ab Seite 28. 70

I. Gesetzgeberische Ausgangslage

41

dest nicht der Umstand angelastet werden kann, dass es sich durch die Abgeschiedenheit hat beeinflussen lassen. • Überprüfung ist nicht zumutbar: Weiter ist eine Täuschungshandlung als arglistig zu bewerten, wenn dem Opfer die Überprüfung der Täteraussagen nicht zumutbar ist. 77 Dem Opfer ist eine Prüfung zwar möglich, sie kann aufgrund der Umstände des Einzelfalls jedoch nicht vom Opfer verlangt werden. 78 Die Umstände des Einzelfalls werden nach einem quantitativen Aspekt, dem zeitlichen Kontrollaufwand, und nach einem qualitativen Aspekt, dem Schwierigkeitsgrad der Überprüfung bemessen. 79 Auch der in Rede stehende Vermögenswert ist – wie schon bei der Fallgruppe „Richtigkeit ist nicht oder nur mit besonderer Mühe nachprüfbar“ – ein Kriterium, denn die Zumutbarkeitsgrenze steigt mit dem Vermögenswert. 80 Folglich werden im Kleinkreditgewerbe und bei Warenbestellungen / Abzahlungsgeschäften mit geringem Wert Nachforschungen zur Identität oder auch zur finanziellen Situation des Kunden für unzumutbar angesehen. Der Aufwand stehe außer Verhältnis zur Bedeutung des Geschäftes 81 und die Nachforschungen könnten den Kunden kompromittieren. 82 Kontrollmaßnahmen sollen auch unzumutbar sein, wenn eine Freundin unter Vortäuschung eines bevorstehenden Schwangerschaftsabbruchs um Geld bittet. 83 • Täter sieht voraus, dass das Opfer die Überprüfung aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses, aufgrund klarer Regelungen oder aufgrund von Zusicherungen unterlassen wird: In einer letzten Fallvariante wird die Täuschung als arglistig eingestuft, wenn der Täter voraussieht, dass das Opfer die Überprüfung aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen wird. 84 Die Grundlage eines besonderen Vertrauensverhältnisses kann vielschichtig sein. In Betracht kommen zum Beispiel Unbeholfenheit oder Unerfahrenheit des Opfers. 85 Stets aber sind die Opfer wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses schnell bereit, den Täteraussagen ohne nähere Prüfung zu glauben.

77

BGE 72 IV 126; 77 IV 84; 96 IV 147; 99 IV 78; 106 IV 362; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 36, 47; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 18; Trechsel, Art. 148 Rn. 10. 78 Ellmer, S. 219; Wismer, S. 64. 79 Wismer, S. 64. 80 BGE 77 IV 85; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 232 f.; Ellmer, S. 220. 81 BGE, SJZ 50 [1954], 66; Ellmer, S. 219 f. 82 BGE 77 IV 83; Ellmer, S. 220. 83 Vgl. zu dieser möglichen Fallkonstellation BJM 1979, S. 33; Wismer, S. 64. 84 BGE 99 IV 75; 100 IV 273; 106 IV 31; 107 IV 1690; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 39, 49 f.; Stratenwerth / Jenny / Bommer, § 15 Rn. 18; Trechsel, Art. 148 Rn. 12; ferner Ellmer, S. 221. 85 BGE 100 IV 273.

42

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

Das Ausnutzen dieser Umstände durch den Täter rechtfertigt die Einordnung als arglistig. 86 Das Schweizer Bundesgericht hat in einem Fall, in dem die Unterzeichnung eines Versicherungsantrages durch falsche Angaben über die Bedeutung des Antrages erreicht wurde, eine solche Fallsituation angenommen. 87 Der Versicherungsagent behauptete, dass mit dem Antrag lediglich weitere Unterlagen angefordert würden. 88 Das Gericht führt die fehlende Überprüfung unter anderem auf das jugendliche Alter der Betroffenen, auf geschäftliche Unerfahrenheit und auf vertrauenserweckende Zusicherungen des Täters zurück. 89 Dagegen lehnt das Schweizer Bundesgericht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen einem Lohnkontoinhaber und seiner Bank 90, zwischen einem Warenkreditkäufer und einem Warenhaus 91 und bei gewöhnlichen Kreditgeschäften 92 ab. Die Banken in den Beispielen auf Seite 21 (Kapitel I.) könnten nach Schweizer Recht die fehlende Überprüfung folglich nicht unter Berufung darauf rechtfertigen, dass zwischen ihnen und den Kunden ein Vertrauensverhältnis bestehe. Dagegen käme ein besonderes Vertrauensverhältnis aber in den Fällen in Betracht, in denen der Täter den Aberglauben des Opfers ausnutzt (vgl. Seite 22 ff.). Indem der Schweizer Gesetzgeber mit dem Arglisterfordernis die Berücksichtung von Opfermitverantwortung im Tatbestand festgeschrieben hat, besteht – wie abschließend zu resümieren ist – kein Anlass, eine Opfermitverantwortung auf andere Weise zu berücksichtigen. 93 Nach ganz herrschender Meinung in der Schweiz schließen deshalb Zweifel des Opfers einen Irrtum nicht aus. 94 Schon an dieser Stelle wird ein Unterschied zur deutschen Betrugsdogmatik erkennbar. Vielfach wird dort die Ansicht vertreten, dass in diesen Situationen kein Irrtum vorliegt. 95

86

BGE 100 IV 273. BGE 100 IV 273. 88 BGE 100 IV 273. 89 BGE 100 IV 273. 90 BGE 107 IV 169. 91 LGVE 1982 I Nr. 61, S. 105. 92 PKG 1974 Nr. 8, S. 30 f.; Maaß, S. 115. 93 BGE 80 IV 156; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 18; speziell bzgl. Irrtumsbegriff BGE 80 IV 156; 119 IV 210; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 238; vgl. ferner Ellmer, S. 225 f. 94 BK / Arzt, Art. 146 Rn. 74 ff.; Schubarth / Albrecht, Art. 148 Rn. 59. 95 Vgl. dazu auf Seite 29 und Seite 88 ff. 87

II. Tatbestandsseite

43

2. § 263 StGB – Betrug im deutschen Strafgesetzbuch In Deutschland ist die gesetzgeberische Ausgangslage eine andere. Der Wortlaut des § 263 StGB verlangt keine arglistige Täuschung oder ein vergleichbares Erfordernis. Der deutsche Gesetzgeber hat anders als der Schweizer Gesetzgeber die Problematik der Opfermitverantwortung nicht durch ein klarstellendes Merkmal gelöst. 96 Dadurch ist die Diskussionsgrundlage eine vollkommen andere. Ähnliche Probleme wie bei der Auslegung des Arglisterfordernis im Art. 146 SchwStGB stellen sich im Tatbestand nicht. Die herrschende Meinung lehnt daher mangels Anknüpfungspunkt traditionell die Berücksichtigung einer Opfermitverantwortung im Betrugstatbestand ab und berücksichtigt das Opferverhalten erst auf der Strafzumessungsebene. Diese Auffassung wird nachfolgend im Einzelnen dargelegt.

II. Tatbestandsseite Die obergerichtliche Rechtsprechung 97 und die herrschende Auffassung im Schrifttum 98 lehnen eine tatbestandseinschränkende Funktion der Opfermitverantwortung ab. Es sei gerade die Gutgläubigkeit des Opfers in die Behauptungen des Täters, die das Betrugsopfer allgemein charakterisiere und die vom Schutzgedanken des § 263 StGB getragen werde. 99 Das habe auch dann zu gelten, wenn das Opfer mit besonderer Leichtgläubigkeit agiere oder eigene Schutzmöglichkeiten ungenutzt lasse. 100

96

Zu Einschränkungen des Tatbestandes durch EU-Recht siehe Seite 79. BGHSt 34, 199; BGH bei Dallinger, MDR 1972, 387; BGH, NStZ-RR 2004, 110; wistra 1992, 95; wistra 2003, 142; wistra 2004, 276; OLG Hamburg, NJW 1956, 392; OLG Zweibrücken, JR 1989, 390; LG Mannheim, NJW 1993, 1488; LG Offenburg, Urteil v. 9. Februar 2009 – Az. 2 KLs 16 Js 674/03. 98 Achenbach, Jura 1984, S. 602, 603; Fischer, § 263 Rn. 55a; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 239 ff.; Hohmann / Sander, § 11 Rn. 48; Jaguttis / Parameswaran, NJW 2003, S. 2277, 2279; Krey / Hellmann, Rn. 374; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 18; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 37; LK / Lackner, § 263 Rn. 91; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 68; Mitsch, § 7 Rn. 61; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 110 f.; Otto, JZ 1993, S. 652, 654; Samson, JA 1978, S. 469, 474; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 43; Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201, 212; SK / Hoyer, § 263 Rn. 81; Wessels / Hillenkamp, Rn. 491. 99 Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201, 212. 100 BGHSt 34, 199, 201; BGH bei Dallinger MDR 1972, 387; BGH, wistra 1992, 95; wistra 2003, 142; wistra 2004, 276; OLG Karlsruhe, wistra 2004, 276; Jaguttis / Parameswaran, NJW 2003, S. 2277, 2279; Krey / Hellmann, Rn. 374; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 68; Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201, 212. 97

44

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

1. Rechtsprechung Die Rechtsprechung stellt diese Auffassung nur gelegentlich ausdrücklich klar und beschränkt die Ausführungen, selbst in einem solchen Fall, meist nur auf knappe Feststellungen. So weist der Dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs 101 ohne nähere Begründung darauf hin, dass „der Umstand, dass die Besteller bei hinreichend sorgfältiger Prüfung die Täuschung hätten erkennen können, unerheblich sei“. 102 Im Jahr 1972 hatte der Dritte Senat des Bundesgerichtshofs zum Irrtumsbegriff bereits ausgeführt, dass es nicht darauf ankäme, wovon das Opfer hätte ausgehen müssen, sondern wovon es tatsächlich ausgegangen sei. 103 Ebenso schließe die mitwirkende Sorgfaltspflichtverletzung des Opfers den Ursachenzusammenhang nicht aus. 104 Die Gerichte begründen ihre Auffassung einzig zu der Konstellation näher, dass das Opfer an der Wahrheit der Täterbehauptung zweifelt. Die Problematik stellte sich erstmals im so genannten Deputatkohlenfall 105. In neuerer Zeit ist sie im Zusammenhang mit dem Abrechnungsbetrug gegenüber gesetzlichen Krankenkassen aktuell geworden. 106 Exempli causa sei eine Entscheidung des Dritten Strafsenats des Bundesgerichtshofs 107 dargestellt. Ein Zahnarzt behandelte Kassenpatienten in seiner Privatpraxis, ohne als Kassenarzt zugelassen zu sein. Um diese ärztliche Tätigkeit gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung abrechnen zu können, setzte er einen anderen (Kassen-)Arzt als „Strohmann“ ein, der die Leistungen wahrheitswidrig als eigene abrechnete. Diese Vorgehensweise wurde anonym bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht, wobei teilweise 101

Bezugspunkt ist der im Kapitel III. auf Seite 26 dargestellte Sachverhalt zur Fallgruppe „Eigenschaftszuschreibung bzgl. Produkten und Dienstleistungen“. 102 BGHSt 34, 199; so auch BGH, wistra 1992, 95; OLG Zweibrücken, JR 1989, 390. Ähnlich RGSt 68, 212; OLG Hamburg, NJW 1956, 392; LG Offenburg, Urteil vom 9. Februar 2009 – Az. 2 KLs 16 Js 674/03. 103 BGH bei Dallinger, MDR 1972, 387, der sich damit einer faktischen Betrachtungsweise anschließt. 104 BGH bei Dallinger, MDR 1972, 387; so auch RG, HRR 1940 Nr. 474; OLG Hamburg, NJW 1956, 392; LG Göttingen, Urteil vom 17. August 2009, Az. 8 KLs 1/09. 105 Vgl. dazu auf Seite 30. 106 BGH, wistra 1992, 95; BGH, wistra 2003, 142 ff. Ferner zum kassenärztlichen Abrechnungsbetrug BVerfG, NStZ 1998, 29; BGHSt 36, 320; 49, 17; BGH, NStZ 1991, 181; NStZ 1992, 436; NStZ 1993, 388; NStZ 2004, 568; StV 1993, 520; wistra 1992, 296; wistra 1992, 340; wistra 1995, 29; OLG Koblenz; MedR 2001, 144; LG Koblenz, ArztR 2000, 204; Beckemper / Wegner, NStZ 2003, S. 315 ff.; Ellbogen, ArztR 2009, S. 260 ff.; Gaidzik, wistra 1998, S. 329 ff.; Hellmann, NStZ 1995, S. 232 f.; Herffs, S. 1 ff.; Idler, JuS 2004, S. 1037 ff.; Krack, JuS 2003, S. 384 ff.; Noak, MedR 2002, S. 76 ff.; Salditt, StV 1990, S. 151 ff.; Stein, MedR 2001, S. 124 ff.; Taschke, StV 2005, S. 406, ff.; Traut, ArztuR 2002, S. 164, ff.; Wagner / Hermann, NZG 2000, S. 520 ff.; Weidhaas, ZMGR 2005, S. 52 ff. 107 BGH, wistra 2003, 142.

II. Tatbestandsseite

45

der Name des Strohmanns genannt wurde. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung, die von der Staatsanwaltschaft über die Anzeige informiert wurde, hatte nach hausinternen Ermittlungen nur einen Teilbetrag der beantragten Leistungen ausbezahlt. Nach der Satzung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung war dies nur bei sehr dichtem Verdacht erlaubt. 108 Das Landgericht Düsseldorf 109 hat als Vorinstanz aufgrund dieser Umstände nur auf versuchten Betrug erkannt. Die Vorgehensweise der Kassenzahnärztlichen Vereinigung mache deutlich, dass die Entscheidungsträger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der Unrichtigkeit der eingereichten Abrechnungen ausgegangen seien. Dies schließe die Annahme eines Irrtums aus. 110 Dieser Auslegung des Irrtumsbegriffs ist der Dritte Senat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung nicht gefolgt. Der Senat neigt – ohne abschließend entscheiden zu müssen 111 – in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung zu der Auffassung, dass – über die bislang vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle hinaus 112 – „Zweifel solange nicht geeignet sind, die Annahme eines tatbestandsmäßigen Irrtums in Frage zu stellen, als das Opfer gleichwohl noch die Wahrheit der behaupteten Tatsache für möglich hält und deswegen die Vermögensverfügung trifft“. 113 Zweifel sollen jedenfalls dann nicht zum Irrtumsausschluss führen, „wenn der Getäuschte die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer hält als die der Wahrheit“. 114 Zwar hat sich die Rechtsprechung vereinzelt auch für eine Berücksichtigung der Opfermitverantwortung im Tatbestand ausgesprochen. Beispielhaft sei an die Auffassung des Landgerichts Düsseldorf erinnert, das aufgrund der Zweifel des Opfers einen Irrtum ablehnte. 115 Vereinzelt wurde auch bei einer mitwirkenden Fahrlässigkeit des Opfers der Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und 108

BGH, wistra 2003, 142. Urteil vom 20. Dezember 2001, Az: III 9/01. 110 Vgl. dazu die Bemerkungen in BGH, wistra 2003, 142. Die Entscheidung des LG Düsseldorf selber ist unveröffentlicht. 111 Im vorliegenden Fall konnte die Entscheidung, ob das Landgericht Düsseldorf von einem zu engen Maßstab ausgegangen ist, offen bleiben, da in diesem Punkt der Angeklagte nicht beschwert war, vgl. BGH, wistra 2003, 142. 112 Der Bundesgerichtshof hatte bisher nur Fälle zu entscheiden, in denen das Opfer die Wahrheit der behaupteten Tatsache für wahrscheinlicher hielt als deren Unwahrheit, vgl. BGH, wistra 2003, 142, 143. 113 BGH, wistra 2003, 142, 143; so auch LG Göttingen, Urteil vom 17. August 2009, Az. 8 KLs 1/09. 114 BGH, wistra 2003, 142, 143; so auch BGHSt 2, 325, 326; 47, 84; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 21; BGH, wistra 1992, 95, 97; BGH, wistra 1990, 305; wistra 2004, 176; OLG Karlsruhe, wistra 2004, 276; LG Göttingen, Urteil vom 17. August 2009, Az. 8 KLs 1/09. 115 Siehe oben auf Seite 45. 109

46

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

Irrtum verneint. 116 Aus diesen Entscheidungen konnten sich aber jeweils keine dogmatisch gesicherten Auffassungen entwickeln. 117 2. Herrschende Auffassung im Schrifttum Auch die herrschende Lehre lehnt die Berücksichtigung einer Opfermitverantwortung im Betrugstatbestand ab. 118 Expressis verbis erfasse der Täuschungsbegriff jede noch so absurde Tatsachenbehauptung und sei nicht auf geschickte oder listige Verhaltensweisen beschränkt. 119 Auch werde der Ursachenzusammenhang zwischen dem Irrtum und der Täuschungshandlung nicht unterbrochen, da bloße Mitursächlichkeit für die Annahme eines Kausalzusammenhangs ausreiche. 120 Nähere Ausführungen finden sich lediglich – ähnlich der Rechtsprechung – zu der Konstellation, in der das Opfer an der Wahrheit der Täterbehauptungen zweifelt. Solche Zweifel, seien sie noch so erheblich oder substantiiert, sollen beim Irrtumsbegriff unberücksichtigt bleiben. Für die Annahme eines Irrtums sei es erforderlich aber auch ausreichend, dass das Opfer die Wahrheit der behaupteten Tatsache, wenn auch noch so gering, für möglich halte und auf Grundlage dieser Vorstellung die Vermögensverfügung vornehme. 121 Erst wenn das Opfer 116 So nach Ellmer, S. 87 die erstinstanzlichen Auffassungen bei RG, HRR 1970, Nr. 474 und BGH 3 StR 152/71. 117 Vgl. auch Ellmer, S. 87, der die Rechtsprechung als „gefestigt“ beschreibt. 118 Achenbach, Jura 1984, S. 602, 603; Fischer, § 263 Rn. 55a; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 239 ff.; Hohmann / Sander, § 11 Rn. 48; Jaguttis / Parameswaran, NJW 2003, S. 2277, 2279; Krey / Hellmann, Rn. 374; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 18; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 37; LK / Lackner, § 263 Rn. 91; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 68; Mitsch, § 7 Rn. 61; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 110 f.; Otto, JZ 1993, S. 652, 654; Samson, JA 1978, S. 469, 474; Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201, 212; Wessels / Hillenkamp, Rn. 491. 119 Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 110; Mühlbauer, NStZ 2000, S. 650, 651; LK / Lackner, § 263 Rn. 16; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 7 f.; Tischler, Jura 1988, S. 122, 124; ähnlich Mitsch, § 7 Rn. 61, nach dessen Ansicht „Unvorsichtigkeit“, „grobe Leichtgläubigkeit“ und „unvernünftige Vertrauensseeligkeit“ vor allem auch den Irrtumsbegriff unberührt lassen. 120 Fischer, § 263 Rn. 63; Hohmann / Sander, § 11 Rn. 48; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 20; LK / Lackner, § 263 Rn. 91; Mitsch, § 7 Rn. 60 f.; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 110 f.; Protzen, wistra 2003, S. 208, 209; Samson, JA 1978, S. 469, 474; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 43; SK / Hoyer, § 263 Rn. 81; Tischler, Jura 1988, S. 122, 124; Wessels / Hillenkamp, Rn. 511. 121 Erstmals ist diese Auffassung so von Lackner vertreten worden, vgl. LK / Lackner, § 263 Rn. 71. Ferner Arzt / Weber, § 20 Rn. 65 ff.; Fischer, § 263 Rn. 55; Frisch, Bockelmann-FS, S. 647, 663; Gössel, § 21 Rn. 81; v. Heintschel-Heinegg / Beukelmann, § 263 Rn. 27; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 18 ff., 138 ff.; Hohmann / Sander, § 11 Rn. 46; Koffka, 49; Krey / Hellmann, Rn. 374; Küper, S. 212; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 18; LK / Lackner, § 263 Rn. 79 ff.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 86; Maurach / Schroeder /

III. Ebene der Strafzumessung

47

zur Frage der Wahrheit innerlich nicht Stellung beziehe, dem Opfer der Wahrheitsgehalt gleichgültig sei und das Opfer die Vermögensverfügung unabhängig von ihrer Wahrheit treffe, schließe das einen betrugsrelevanten Irrtum aus. 122

III. Ebene der Strafzumessung Mittlerweile ist die Opfermitverantwortung aber als relevanter Abwägungsgesichtspunkt im Rahmen der Strafzumessung anerkannt. 123 In den für die Strafzumessung maßgeblichen Vorschriften (§§ 46 ff. StGB) finden sich zwar keine (direkten) Ausführungen darüber, ob und gegebenenfalls wie eine Mitverantwortung des Opfers zu berücksichtigen ist. 124 Es fehlen aber auch Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine Berücksichtigung auf der Strafzumessungsebene ausgesprochen hat. Damit ist grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, eine Opfermitverantwortung bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Eine (detaillierte) Lösung hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung und Lehre vorbehalten. Maiwald, § 41 Rn. 62; Mitsch, § 7 Rn. 58; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 176; Otto, BT, § 51 Rn. 22; Rengier, BT I, § 13 Rn. 50; SK / Hoyer, § 263 Rn. 67 ff.; Schröder, JZ 1967, S. 577, 578; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 40; Wessels / Hillenkamp, Rn. 510. Ähnlich Gauger, S. 44 f.; Kargl, ZStW, Bd. 119, 2007, 256 f., die in der Begründung abweichend die Parallelen zur mittelbaren Täterschaft hervorheben. 122 Arzt / Weber, § 20 Rn. 66; Fischer, § 263 Rn. 57 ff.; v. Heintschel-Heinegg / Beukelmann, § 263 Rn. 27; Krüger, wistra 2003, S. 297, 298; LK / Lackner, § 263 Rn. 79 ff.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 84 ff.; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 83; Mitsch, § 7 Rn. 58; Otto, BT, § 51 Rn. 22 f.; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 40; Tischler, Jura 1988, S. 122, 124; Wessels / Hillenkamp, § 13 Rn. 510. So auch die Rechtsprechung, vgl. statt vieler BGH, wistra 1994, 104; wistra 2003, 143. Ähnlich Gauger, S. 44 f. 123 Zu diesem Ergebnis (aber ohne Bezug zur Betrugsstrafbarkeit) gelangt erstmals für das deutsche Strafgesetzbuch Paasch, S. 115 ff.. Für eine Relevanz im Rahmen der Strafzumessung: BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 1; BGH, NStZ 1991, 527; StV 1983, 326; wistra 1986, 172; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2002, 333; OLG Düsseldorf, StV 1993, 76; LG Leipzig, Urteil vom 22. Januar 1999, Az. 6 KLs 100 Js 36182/97; LG Gera, NStZ-RR 1996, 167; LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 88; LG Essen, Urteil vom 28. März 2008, Az. 300 Js 251/07; AG Gera, NStZ-RR 2005, 213; Bruns, S. 169 f.; Ebert, JZ 1983, S. 633, 639; Fischer, § 46 Rn. 59 f.; Frisch, ZStW, Bd. 99 1987, S. 751, 759 ff.; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 133 ff., 211 ff., 313, 315; Hillenkamp, Schreiber-FS, S. 135, 143; Hohmann / Sander, § 11 Rn. 48; Kropp, JA 2000, S. 700, 703; Krüger, wistra 2003, S. 297, 298; Lackner / Kühl, § 46 Rn. 35; LK / Theune, § 46 Rn. 231; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 39; LK / Lackner, § 263 Rn. 91; Mitsch, § 7 Rn. 61; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 111; NK / Streng, § 46 Rn. 64; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 319; SK / Hoyer, § 263 Rn. 75; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 46 Rn. 24; Wessels / Hillenkamp, Rn. 491. Generell zum Einfluss des Opferverhaltens auf das Maß der Täterschuld, vgl. Maurach / Gössel / Zipf, § 63 Rn. 29 ff.; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 46 Rn. 24. 124 NK / Streng, § 46 Rn. 64.

48

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

1. Strafschärfende oder strafmildernde Wirkung? Ausgangspunkt der Diskussion, inwieweit die Opfermitverantwortung bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist, muss § 46 StGB sein, der die Grundsätze der Strafzumessung normiert. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB ist die Schuld des Täters die Grundlage für die Zumessung der Strafe. Daneben sind gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind. 125 § 46 Abs. 2 S. 2 StGB zählt, wenngleich nicht abschließend, 126 einige abwägungsrelevante Umstände auf. Die Strafhöhe ist aber in jedem Fall durch die Schuld des Täters begrenzt. 127 Gemeint ist die Strafzumessungsschuld, das heißt das Maß des begangenen Unrechts und der individuellen Vorwerfbarkeit. 128 An diesem wichtigen Strafzumessungsgesichtspunkt haben alle Lösungsvorschläge anzusetzen. Ob sich die Schuld des Täters bei einer Mitverantwortung des Opfers erhöht oder mindert, wird uneinheitlich beurteilt. Die Meinungen gehen nicht generell auseinander. Abweichende Auffassungen bestehen vielmehr nur bei einigen Erscheinungsformen der Opfermitverantwortung. Die überwiegende Auffassung misst der Opfermitverantwortung nahezu ausnahmslos 129 eine strafmildernde Wirkung bei 130 und differenziert bei der Bewertung insbesondere nicht nach den verschiedenen Erscheinungsformen. 125 Die Problematik, inwieweit generalpräventive Aspekte strafschärfend berücksichtigt werden können, wird ausgeklammert. Zum Spannungsfeld von Schuld und Prävention vgl. BayObLGSt 1987, 171; Maurach / Gössel / Zipf, § 63 Rn. 1 ff.; Müller-Dietz, S. 16 ff. m.w.N. 126 Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 906; Kropp, JA 2000, S. 700, 702; LK / Theune, § 46 Rn. 82; Maurach / Gössel / Zipf, § 63 Rn. 150; MüKomm / Franke, § 46 Rn. 24; NK / Streng, § 46 Rn. 51; SK / Horn, § 46 Rn. 97. 127 BVerfGE 45, 187 (260); 54, 100 (108); BGHSt 7, 28 (32); Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 904; Bruns, S. 90 f.; Eisenhuth, Jura 2004, S. 81, 82; Lackner / Kühl, § 46 Rn. 24; Meier, JuS 2005, S. 669, 770. 128 Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 904; Lackner / Kühl, § 46 Rn. 24; Maurach / Gössel / Zipf, § 63 Rn. 19; Meier, JuS 2005, S. 669, 770; SK / Horn, § 46 Rn. 42; Fischer, § 46 Rn. 5 f.. Von der Strafzumessungsschuld ist die Strafbegründungsschuld zu unterscheiden, die das „Ob“ der Vorwerfbarkeit bestimmt, vgl. dazu BGHSt 2, 194; Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 904; Eisenhuth, Jura 2004, S. 81, 82; Fischer, § 46 Rn. 5; Meier, S. 164 f.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 311; SK / Horn, § 46 Rn. 42; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 46 Rn. 9a; Streng, S. 221 ff. 129 Die überwiegende Auffassung macht bei einem besonderen Vertrauensverhältnis eine Ausnahme. Vgl. dazu unten Abschnitt b), S. 52. 130 BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 1; BGH, NStZ 1991, 527; StV 1983, 326; wistra 1986, 172; wistra 2009, 153; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2002, 333; OLG Düsseldorf, StV 1993, 76; KG Berlin, Beschluss vom 13. Januar 2010, Az. 1 Ss 465/09; LG Leipzig, Urteil vom 22. Januar 1999, Az. 6 KLs 100 Js 36182/97; LG Gera, NStZ-RR 1996, 167; LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 88; LG Essen, Urteil vom 28. März 2008, Az. 300 Js 251/07; LG Dortmund, Urteil vom 8. Januar 2009, Az. 33 KLs

III. Ebene der Strafzumessung

49

Selbst wenn die Mitverantwortung des Opfers wie zum Beispiel durch das Landgericht Gera 131 näher dahingehend bestimmt wird, dass die Waren ohne Überprüfung der Bestelleradresse versendet wurden, 132 wird die Entscheidung für eine Strafmilderung losgelöst von der konkreten Opfermitverantwortungsart, in diesem Fall der Topos „Risikoabwägung“ 133, getroffen. In der rechtlichen Bewertung heißt es dann undifferenziert, dass ein Mitverschulden strafmildernd wirkt. 134 Auch das Landgericht Hamburg geht im Fall Harksen 135 nur knapp auf die rechtlichen Auswirkungen ein. Einen besonders schweren Fall des Betruges gemäß § 263 Abs. 3 Nr. 1, 2 StGB lehnt es auch wegen der Leichtfertigkeit der Geschädigten ab. 136 Im Übrigen stellt das Gericht (nur) pauschal fest, dass das leichtfertige Verhalten der Opfer strafmildernd wirke. 137 Die Begründungen für die Strafmilderung fallen ähnlich allgemein aus. Die Tatschuld sei gemindert, weil das Opfer durch seine Mitverantwortung die Motivation des Täters schwäche, sich rechtmäßig zu verhalten. 138 Die Strafmilderung wird teilweise auch kriminalpolitisch begründet. Das Landgericht Flensburg 139 stellt zunächst heraus, dass § 263 StGB nach seinem Zweck das in einer Gesellschaft notwendige Maß an Vertrauen schütze. Den Täter dürfe es daher nicht automatisch entlasten, wenn das Opfer ihm seine Tat einfach mache. 140 Im zugrunde liegenden Sachverhalt 141 hätten die Opfer dem Täter die Vorspiegelung, er sei Arzt, dadurch, dass sie zuvor ein zu kurzes Vorstellungsgespräch mit dem Täter geführt, Warnungen ignoriert und die Originalunterlagen nicht angefordert hätten, so auffallend leicht gemacht, dass ihre Mitverantwortung strafmildernd 4/08; LG Düsseldorf, Urteil vom 11. Februar 2009, Az. 30 Ns 3/09; AG Gera, NStZ-RR 2005, 213; Bruns, S. 166, 169 f.; Ebert, JZ 1983, S. 633, 639; Fischer, § 46 Rn. 59 f.; Frisch, ZStW, Bd. 99 1987, S. 751, 759 ff.; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 133 ff., 211 ff., 313, 315; Hillenkamp, Schreiber-FS, S. 135, 143; Hohmann / Sander, § 11 Rn. 48; Kropp, JA 2000, S. 700, 703; Krüger, wistra 2003, S. 297, 298; Lackner / Kühl, § 46 Rn. 35; LK / Theune, § 46 Rn. 231; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 39; Mitsch, § 7 Rn. 61; NK / Streng, § 46 Rn. 64; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 319; SK / Hoyer, § 263 Rn. 75; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 46 Rn. 24. 131 NStZ-RR 1996, 167. 132 Zur ausführlichen Sachverhaltsdarstellung vgl. Seite 20. 133 Vgl. dazu ab Seite 18. 134 LG Gera, NStZ-RR 1996, 167; zur Methode vgl. Abschnitt 2. (Seite 53 ff.). 135 Zum Sachverhalt vgl. S. 23 ff. 136 LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 86. 137 LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 88. 138 Ebert, JZ 1983, S. 633, 639; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 58, 300; SK / Horn, § 46 Rn. 101; vgl. ferner Ellmer, S. 88. 139 Urteil vom 9. Januar 1985, Az. I KLs 8/84 – 102 Js 6905/83, I KLs 8/84. 140 LG Flensburg, Urteil vom 9. Januar 1985, Az. I KLs 8/84 – 102 Js 6905/83, I KLs 8/84. 141 Vgl. dazu bereits auf Seite 16.

50

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

berücksichtigt werden müsse. 142 Im Ergebnis bleiben diese Aussagen aber Gegenstand einer Einzelfallentscheidung. Das Landgericht Flensburg bestimmt insbesondere über diesen konkreten Fall hinaus keine Fallgruppen, in denen die Opfer es dem Täter auffallend leicht machen. Nur das Oberlandesgericht Düsseldorf 143 begründet die Strafmilderung näher. Eine strafschärfende Berücksichtigung verstoße gegen das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB. 144 Es entspreche dem „gewöhnlichen Bild des Betruges“, dass der Täter die „Gutgläubigkeit und geschäftliche Unerfahrenheit“ des Opfers zum Vorteil nutzt. 145 Der Rückgriff auf § 46 Abs. 3 StGB überzeugt jedoch nicht. Betrachtet man sich die Argumentation des Oberlandesgerichts näher, ist auch eine strafmildernde Berücksichtigung nicht zwingend. 146 Ist dem Tatbild des Betruges nämlich die Gutgläubigkeit und geschäftliche Unerfahrenheit des Opfers immanent, dann besteht konsequenterweise auch keine Rechtfertigung dafür, diese Umstände strafmildernd zu berücksichtigen. Dieser Einwand wird in anderem Zusammenhang auch von der Rechtsprechung bestätigt. So hat der Zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofs eine rechtliche Wertung der Vorinstanz (Landgericht Gera 147) als „schwere andere seelische Abartigkeit“ gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und die damit verbundene Strafmilderung mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Persönlichkeitsstörung auf „Eigenheiten und Verhaltensweisen“ gestützt werde, die sich der Täter eines Betrugs üblicherweise zunutze mache, um leichtgläubige Tatopfer zum eigenen Vorteil zu schädigen. 148 Die Annahme einer generell strafmildernden Wirkung der Opfermitverantwortung ist darüber hinaus selbst innerhalb der herrschenden Meinung auf Kritik gestoßen. Einige von deren Vertretern differenzieren nach verschiedenen Opfermitverantwortungsformen. Andere – die überwiegende Auffassung – machen bei einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Täter und Opfer eine Aus142

8/84.

143

LG Flensburg, Urteil vom 9. Januar 1985, Az. I KLs 8/84 – 102 Js 6905/83, I KLs

StV 1993, 76. Der zugrunde liegende Sachverhalt wird leider nicht wiedergegeben. Aus der Entscheidung ist nur erkennbar, dass der Täter die Gutgläubigkeit und geschäftliche Unerfahrenheit des Opfers im eigenen Interesse schamlos ausgenutzt hat. 144 OLG Düsseldorf, StV 1993, 76. 145 OLG Düsseldorf, StV 1993, 76. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wendet sich damit ausdrücklich gegen die Entscheidung der Vorinstanz, die strafschärfend berücksichtigt hatte, dass der Täter die Gutgläubigkeit und geschäftliche Unerfahrenheit ausgenutzt hat. Die Entscheidung der Vorinstanz ist unveröffentlicht. 146 Ähnlich Protzen, wistra 2003, S. 208, 211 Fn. 44: „Ob eine mitwirkende Fahrlässigkeit des Getäuschten zumindest strafmildernd zu berücksichtigen ist, erscheint wegen § 46 Abs. 3 StGB zumindest zweifelhaft“. 147 Urteil vom 3. September 1999, Az. 432 Js 75791/96 – 5 KLs. 148 BGH, wistra 2000, 339.

III. Ebene der Strafzumessung

51

nahme. Deshalb ist es erforderlich, angelehnt an die Ausführungen in Kapitel A., in der nachfolgenden Darstellung nach verschiedenen Fallgruppen zu unterscheiden, wobei nicht auf alle einzugehen ist. a) Irrationale Erwartung / Unbedarftheit Schüler-Springorum vertritt die Ansicht, dass die Tatsache, „eine besondere Dummheit des Opfers besonders ausgenutzt zu haben“, die Schuld des Täters eher erhöht. 149 Er beschreibt Dummheit als „die gutgläubige Bereitschaft, sich täuschen zu lassen“. 150 Schüler-Springorum sieht das als eine Opfereigenschaft, vor der § 263 StGB gerade schützen soll. 151 Auch Müller-Christmann bewertet es – wenngleich nur am Rande – als strafschärfend, wenn der Täter eine intellektuell unterlegene Position des Opfers ausnutzt. 152 Die Fälle der „Dummheit“ wurden im Kapitel A. unter der Fallgruppe „irrationale Erwartung / Unbedarftheit“ herausgearbeitet. Bei der speziellen Erscheinungsform „Dummheit / Unbedarftheit“ geht es um Situationen, in denen die Opfer nach Lage der Dinge von vornherein abwegigen Dingen Glauben schenken, weil sie eine prinzipielle kognitive Inkompetenz aufweisen. Zu anderen Verhaltensweisen sind sie gar nicht in der Lage. 153 Schüler-Springorum selbst gibt weiterführend leider keine Beispiele. Die anderen Arten der Opfermitverantwortung sollen nach Müller-Christmann und Schüler-Springorum – insofern übereinstimmend mit der herrschenden Meinung – die Schuld des Täters mindern. 154 Letzterer schlägt in dieser Hinsicht vor, die Opfermitverantwortung in einer Art Gegentatbestand als abgestuften Schuldminderungsgrund zu erfassen. 155 Bei „zum Quasi-Vorsatz gesteigerte[m] Opferverhalten“ kann es nach dieser Konzeption sogar zu einem Schuldausschluss für den Täter kommen. 156

149 150 151 152 153 154

214.

Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201, 212. Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201, 212. Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201, 212. Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 111. Zum Unterschied zur Fallkonstellation der Geldanlage vgl. Seite 25. Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 111; Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201,

155 Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201, 214; vgl. auch Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 408. 156 Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201, 214.

52

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

b) Leichtgläubigkeit / Naivität Die herrschende Meinung differenziert zwar bei der Bewertung der Opfermitverantwortung nicht nach den verschiedenen Fallgruppen, lässt aber innerhalb der Fallvariante „Leichtgläubigkeit“ Raum für eine abweichende Wertung. Eine strafschärfende Wirkung sei ausnahmsweise für den Fall anzunehmen, dass der Täter die Leichtgläubigkeit des Opfers im Rahmen eines besonderen Vertrauensverhältnisses missbrauche. 157 Beispielssituationen seien das Vortäuschen einer Hilfsbedürftigkeit oder amtlicher Befugnisse. 158 Schäfer / Sander / van Gemmeren nennen als Beispiele langjährige, solide Geschäftsbeziehungen und Fälle, in denen sich der Täter als Geistlicher oder Bote eines Angehörigen ausgibt. 159 Der Täter verhalte sich in solchen Situationen „höchst verwerflich“. Die Leichtgläubigkeit des Opfers sei aus objektiver Perspektive schließlich nachvollziehbar. Fehle ein besonderes Vertrauensverhältnis, habe das Opfer dagegen keinen Anlass, den Aussagen des Täters ungeprüft zu glauben. In diesem Fall führe die Vertrauensseligkeit wie in anderen Fällen zu einer Strafmilderung. 160 Noch weitgehender schränkt Ebert die Möglichkeiten der Strafmilderung ein. Seiner Ansicht zur Folge ist eine Strafschärfung schon dann geboten, wenn der Betrug wegen einer Schwäche, Unerfahrenheit oder Not des Opfers möglich wird oder der Täter ein sozial-übliches, sozial-notwendiges oder begründetes Vertrauen ausnutzt. 161 Ob eine solche Konstellation gegeben ist, sei durch eine genaue Analyse des Sachverhalts zu ermitteln. Dabei gehe es vor allem darum, die Fälle leichtfertig geschaffener Tatgelegenheit von den Fällen berechtigteroder notgedrungenerweise entgegengebrachten Vertrauens abzugrenzen. 162 c) Zwischenergebnis Eine Opfermitverantwortung ist nach herrschender Auffassung grundsätzlich strafmildernd zu berücksichtigen. Während überwiegend nicht nach den verschiedenen Fallgruppen differenziert wird, befürworten Teile der Literatur in 157 BGH, NStZ 1991, 527; Amelunxen, S. 54; Ebert, JZ 1983, S. 633, 640; Eisenhuth, Jura 2004, S. 81, 84; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 39; Maiwald, ZStW, Bd. 103, 1991, 698; NK / Streng, § 46 Rn. 64; SK / Horn, § 46 Rn. 101 f.; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 46 Rn. 23; so wohl auch Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 353, die allerdings den Terminus „menschlich verständliche Vertrauensseeligkeit“ benutzen. 158 Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 46 Rn. 23. 159 Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 353. 160 Ebert, JZ 1983, S. 633, 640; Ellmer, S. 89; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 211; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 46 Rn. 23. 161 Ebert, JZ 1983, S. 633, 639 f. 162 Ebert, JZ 1983, S. 633, 640; so auch schon – aber für das schweizerische Recht – von Werdt, S. 63 ff.

III. Ebene der Strafzumessung

53

bestimmten Fällen eine strafschärfende Bewertung. Einigkeit besteht schließlich darüber, dass es strafschärfend zu berücksichtigen sei, wenn der Täter eine Leichtgläubigkeit des Opfers über ein besonderes Vertrauensverhältnis missbraucht. Die Frage, wie die strafmildernde beziehungsweise strafschärfende Wirkung konkret auf der Strafzumessungsebene umgesetzt werden kann, wird im folgenden Abschnitt 2. erörtert. Nach einer kurzen, allgemeinen Vorbemerkung wird vor allem herausgearbeitet, welcher Strafzumessungsgesichtspunkt Raum bietet, um das Opferverhalten zu berücksichtigen. In diesem Punkt divergieren die Auffassungen der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre. 2. Methode a) Vorbemerkungen Es ist nicht möglich, eine für alle Fälle der Opfermitverantwortung im Maß und Verhältnis einheitliche Rechtsfolge auf der Strafzumessungsebene im Vorwege zu bestimmen. Dem Tatrichter, in dessen Bereich die Strafzumessung fällt, 163 steht schließlich keine (mathematische) Formel zur Verfügung, mit der sich die einzig angemessene Strafhöhe ermitteln lässt. 164 Vor allem nach der herrschenden Spielraumtheorie 165 ist dem Tatrichter eine gewisse Spanne zuzubilligen, innerhalb derer eine Strafe schon oder noch als schuldangemessen anzuerkennen ist. 166 Die konkrete Strafhöhe ist damit – im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben – das Ergebnis eines wertenden Ermessensakts 167, der folgerichtig

163 BayObLGSt 1987, 171; 1988, 43; BGH, wistra 1984, 61; wistra 2001, 420; wistra 2004, 262. 164 Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 904 f.; Eisenhuth, Jura 2004, S. 81, 90. Vgl. dazu auch Lackner / Kühl, § 46 Rn. 24. 165 Zur Spielraumtheorie vgl. BGHSt 7, 28; 20, 264; 24, 132; 27, 2; 29, 320; BGH, MDR 1976, 941; NJW 1977, 1247; StV 2001, 346; Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 904; Bruns, S. 105 ff.; Eisenhuth, Jura 2004, S. 81, 82; Fischer, § 46 Rn. 20; Frisch, ZStW, Bd. 99 1987, S. 349, 362 f.; Jescheck / Weigend, § 82 IV 6; Lackner / Kühl, § 46 Rn. 24 f.; LK / Theune, Vor §§ 46 – 50 Rn. 5, § 46 Rn. 39 ff.; Meier, S. 146 ff., 151 f.; Meier, JuS 2005, S. 669, 770; MüKomm / Radtke, Vor § 38 Rn. 63 f.; Schaffstein, Gallas-FS, S. 99, 107 f., 114; Spendel, NJW 1964, S. 1758, 1765; Streng, Müller-Dietz-FS, S. 875 ff. 166 BGHSt 20, 264; 24, 132; BGH, wistra 1988, 345; Bruns, S. 109; Meier, JuS 2005, S. 669, 770; NK / Streng, § 46 Rn. 97. Im Gegensatz dazu steht die Theorie von der Punktstrafe, nach der es nur eine richtige Strafe für eine Tat geben könne, vgl. dazu Frisch, Strafzumessung, S. 167 ff.; Frisch, NJW 1973, S. 1345, 1347; Frisch, ZStW, Bd. 99 1987, S. 349, 361 ff.; Kaufmann, Schuldprinzip, S. 261; Schneidewin, JZ 1955, S. 505, 507. 167 Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 905; Maurach / Gössel / Zipf, § 63 Rn. 189.

54

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

nicht bis ins Detail überprüfbar ist. 168 Dieser Spielraum wird vom Tatrichter erst überschritten, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind. Die Entscheidung darf zum Beispiel nicht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen. Auch darf sich die verhängte Strafe nach oben oder unten nicht von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein. 169 In Zweifelsfällen muss die Strafzumessung des Tatrichters hingenommen werden. 170 Der mit dem zugebilligten Spielraum einhergehende Mangel an Konformität schließt nicht kategorisch eine taugliche Lösung auf der Strafzumessungsebene aus. Dennoch sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bei allen nachfolgenden Methoden eine Detaillösung nur bis zu einem Vergleichsmaßstab möglich ist. Denn nach allgemeiner Ansicht ist die Strafhöhe erst dann nicht mehr schuldangemessen, wenn sie von dem üblichen Strafmaß unvertretbar abweicht. 171 b) Rechtsprechung Die Entscheidungsbegründungen der Rechtsprechung erhellen die Methode, mit der die Gerichte die Opfermitverantwortung in der Strafzumessung berücksichtigen nur wenig. Meist erschöpfen sich die Ausführungen in der Feststellung, dass eine Mitverantwortung des Geschädigten strafmildernd 172 oder bei Ausnutzung eines besonderen Vertrauensverhältnisses (vgl. oben Seite 52) strafschärfend 173 zu berücksichtigen sei.

168

BayObLGSt 1987, 171; BGHSt 34, 345; BGH, NJW 1987, 3014, 3015; wistra 2004, 262. 169 BGHSt 17, 35; 29, 319, 320; 34, 345; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 5; BayObLGSt 1987, 171; 1988, 43; BGH, NJW 1987, 3014, 3015; NStZ 1992, 436; StV 1985, 366; wistra 1984, 61; wistra 1988, 345; wistra 1997, 22; wistra 2001, 420; MeyerGoßner, § 337 Rn. 34. 170 BGHSt 29, 319; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 5; BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 1; BGH, NStZ 1984, 410; wistra 2004, 262. 171 BGH, EzSt StPO § 352 Nr. 1; BGH, MDR 1954, 495; wistra, 1984, 61; NStZ 1985, 415; StV 1987, 530; BGH, wistra 1997, 22 („in besonderem Maße“); Meine, NStZ 1989, S. 353, 354. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung sind stets die Besonderheiten in der Tat und in der Persönlichkeit des Täters zu beachten, vgl. BGH, StV 1993, 520; BGHSt 36, 320; BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 2 m.w.N. 172 Vgl. diesbezüglich BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 1; BGH, NStZ 1991, 527 („Täter wird ein Mitverschulden des Geschädigten zugute gehalten“); StV 1983, 326; wistra 1983, 187; wistra 1986, 172; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2002, 333; LG Gera, NStZ-RR 1996, 167; LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2003, S. 88; LG Leipzig, Urteil vom 22. Januar 1999, Az. 6 KLs 100 Js 36182/97; AG Gera, NStZ-RR 2005, 213. 173 Vgl. zu dieser Konstellation BGH, NStZ 1991, 527, der aber ein besonderes Vertrauensverhältnis ablehnt.

III. Ebene der Strafzumessung

55

Nur vereinzelt dokumentieren die Urteilsbegründungen gedankliche Zwischenschritte, aus denen die Gerichte die Strafmilderung 174 ableiten. Sie stützen sich hauptsächlich auf den täterbezogenen Abwägungsumstand „den bei der Tat aufgewendeten Willen“, der in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB ausdrücklich benannt ist. Die Gerichte betonen den Zusammenhang zwischen dem Opferverhalten und der zur Begehung der Straftat aufgewendeten kriminellen Energie 175, die Element des „bei der Tat aufgewendeten Willens“ ist. 176 Wie hoch die kriminelle Energie der Täter ist, hänge maßgeblich davon ab, wie die Tatbegehung durch das Opferverhalten vereinfacht wurde. 177 Der Erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs konstatierte einem Täter, der das Finanzamt betrogen hatte, geringere kriminelle Energie, weil ihm seine Tat durch sorgloses und nachlässiges Verhalten der Beamten erleichtert wurde. 178 Nach seiner Ansicht muss diese Tatsache auch ins Verhältnis zu strafschärfenden Umständen gesetzt werden. 179 Das skrupellose, kaltschnäuzige sowie von Raffinesse und Hartnäckigkeit geprägte Verhalten des Täters sei folglich mit Blick auf die unterlassenen Schutzmaßnahmen der Finanzbeamten zu bewerten. 180 Der Zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofs sah die kriminelle Energie eines Täters, der seinen Arbeitgeber um ein erhebliches Vermögen betrogen hatte, gemindert, weil er seitens der Firma keinerlei Kontrollen unterworfen gewesen war. 181 Die Beispielsfälle können zwar – anknüpfend an die Ausführungen aus Kapitel A. – phänomenologisch den Fallgruppen „Risikoabwägung“ beziehungsweise „Leichtgläubigkeit / Naivität“ zugeordnet werden. Den Ausführungen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Rechtsprechung nach Fallgruppen differenziert. Darüber hinaus fehlen Ausführungen, in welchem Maß eine Opfermitverantwortung die kriminelle Energie üblicherweise mindert und ob bei bestimmten Mitverantwortungsformen eine gegenüber dem üblichen Maß erhöhte oder geminderte Strafmilderung angebracht ist. Aussagen über die zu erwartende Strafmilderung in den jeweiligen Fallgruppen aus Kapitel A. lassen sich auf dieser Grundlage nicht treffen.

174

Die methodischen Aussagen der Rechtsprechung gelten entsprechend für die strafschärfenden Konstellationen. 175 BGH, StV 1983, 326; wistra 1986, 172; LG Gera, NStZ-RR 1996, 167; LG Dortmund, Urteil vom 8. Januar 2009, Az. 33 KLs 4/08. 176 Vgl. LK / Theune, § 46 Rn. 99; Maurach / Gössel / Zipf, § 63 Rn. 157; NK / Streng, § 46 Rn. 54; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 339; SK / Horn, § 46 Rn. 115a. 177 BGH, StV 1983, 326. 178 BGH, StV 1983, 326; vgl. dazu auch Bruns, S. 169 f. 179 BGH, StV 1983, 326; vgl. auch LG Gera, NStZ-RR 1996, 167. 180 BGH, StV 1983, 326. 181 BGH, wistra 1986, 172.

56

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

Neben dem Aspekt der „kriminellen Energie“ halten die Gerichte unterstützend den tatbezogenen Strafzumessungsgesichtspunkt „Art der Tatausführung“, der ebenfalls in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB benannt ist und den Handlungsunwert betrifft, 182 für einschlägig. 183 Nähere Begründungen fehlen jedoch. Die 4. Strafkammer des Landgerichts Gera 184 stützt die Strafmilderung darüber hinaus auf weitere Aspekte und sieht sowohl das Erfolgs- als auch das Handlungsunrecht gemindert. 185 Das die übliche Sorgfalt missachtende Opferverhalten habe „die Durchführung der Taten objektiv und subjektiv erleichtert“ und sei „sowohl unter dem Aspekt der geringeren Schutzbedürftigkeit des Opfers als auch unter dem Gesichtspunkt der geringeren Gefährlichkeit des Täters erheblich“. 186 Im nachfolgenden Abschnitt c) wird dargestellt, dass die Annahme eines geminderten Erfolgs- und Handlungsunwertes sich weitestgehend mit den Ausführungen des Schrifttums deckt. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass auch das Landgericht maßgeblich auf die geminderte kriminelle Energie des Täters abstellt. Es wird sich zeigen, dass die Lösungen der Rechtsprechung und Literatur in der Schwerpunktsetzung divergieren. c) Literatur Das Schrifttum berücksichtigt die Opfermitverantwortung über verschiedene Aspekte in der Strafzumessung. Anders als die Rechtsprechung konzentriert sich die Literatur nicht auf das Handlungsunrecht, sondern betrachtet in gleichem Maße das Erfolgsunrecht. 187 Die Literatur orientiert sich damit stärker am üblichen Unrechts- und Verbrechensverständnis. Danach bestimmt sich das verwirklichte Unrecht nach dem Erfolgsunwert, der Verursachung eines rechtlich missbilligten Zustandes, und nach dem Handlungsunwert, die Art und Weise, in der der Erfolg herbeigeführt wird. 188 Das Erfolgsunrecht verkörpert in der 182

Vgl. statt vieler nur Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 348. BGH, StV 1983, 326. 184 LG Gera, NStZ-RR 1996, 167. Die Entscheidung bezieht sich – ohne weitere Auswirkungen – auf die Wertung als ein besonders schwerer Fall des Betruges (§ 263 Abs. 3 StGB). Siehe ferner oben Seite 20 und Seite 49. 185 LG Gera, NStZ-RR 1996, 167. 186 LG Gera, NStZ-RR 1996, 167. 187 Ebert, JZ 1983, S. 633, 639; Frisch, ZStW, Bd. 99 1987, S. 751, 761; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 297 ff.; NK / Streng, § 46 Rn. 64; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 319. 188 BGH, JZ 1988, 367; StV 1986, 378; Ebert / Kühl, Jura 1981, S. 225, 231; Gropp, § 3 Rn. 32; Graul, JZ 1995, L 41 f.; Heinrich, Rn. 153 ff.; Jescheck / Weigend, § 24 III; Hirsch, ZStW, Bd. 93, 1981, S. 838 ff.; Kühl, § 3 Rn. 4 f.; Roxin, § 10 Rn. 88 f.; Rudolphi, Maurach-FS, S. 51, S. 51 ff.; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 52 ff.;Welzel, S. 62; Zipf, Dreher-FS, S. 389, 402 f.; ferner Jakobs, 6. Abschn. 183

III. Ebene der Strafzumessung

57

Strafzumessung die Schutzwürdig- und Schutzbedürftigkeit des Opfers. 189 Das Handlungsunrecht bezieht sich auf die kriminelle Energie des Täters. 190 Sowohl die Schutzwürdig- und Schutzbedürftigkeit des Opfers als auch die aufgewendete kriminelle Energie des Täters sind nach Ansicht des Schrifttums in dem Maße verringert, in dem das Opfer dem Täter die Tat erleichtere. 191 Für den Fall, dass der Täter die Leichtgläubigkeit des Opfers durch ein besonderes Vertrauensverhältnis ausnutze (vgl. oben Seite 52), seien Erfolgs- und Handlungsunrecht entsprechend erhöht. 192 Gegenstand weiterführender Ausführungen sind aber auch hier nur solche Konstellationen, in denen die Opfermitverantwortung strafmildernd wirken soll. 193 Anknüpfungspunkt für den Erfolgsunwert sei der in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB normierte Abwägungsumstand „die verschuldeten Auswirkungen der Tat“, der sich daran zu orientieren habe, in welchem Maße der Taterfolg dem Täter zugerechnet werden könne. 194 Erleichtere das Opfer den Taterfolg, mindere sich dieser Erfolgsunwert. 195 Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn das Opfer Überprüfungsmöglichkeiten aus Leichtsinn oder Sorglosigkeit nicht nutze. 196 Das Schrifttum unterscheidet bei der rechtlichen Bewertung jedoch ebenso wenig wie die Rechtsprechung zwischen den verschiedenen Mitverantwortungsformen. Damit bleibt auch bei der Literatur unklar, ob bestimmte Arten der Opfermitverantwortung das Erfolgsunrecht stärker mindern. Rn. 76, der der verwendeten Terminologie kritisch gegenüber steht; krit. SK / Horn, § 46 Rn. 46 f., der im Bereich der Strafzumessung nur auf das Handlungsunrecht abstellen will. 189 Ebert, JZ 1983, S. 633, 639; Ellmer, S. 88; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 184. 190 Ebert, JZ 1983, S. 633, 639; Ellmer, S. 88; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 297 ff.; vgl. ferner die Ausführungen in Abschnitt b), S. 54. 191 Ebert, JZ 1983, S. 633, 639; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 297 ff.; NK / Streng, § 46 Rn. 64; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 319; SK / Horn, § 46 Rn. 102. Vgl. dazu auch schon die Ausführungen des LG Gera, NStZ-RR 1996, 167 weiter oben. Ferner Ellmer, S. 88. Ähnlich unter der Verwendung des Terminus „variabler Gefährlichkeitsaspekt“ Frisch, ZStW, Bd. 99 1987, S. 751, 761. 192 Ebert, JZ 1983, S. 633, 639 f. 193 Es ist davon auszugehen, dass die methodischen Aussagen entsprechend für die strafschärfenden Konstellationen gelten. 194 Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 906 f.; Frisch, ZStW, Bd. 99 1987, S. 751, 761, der aber keinen unmittelbaren Bezug zum Abwägungsgesichtspunkt „verschuldete Auswirkungen der Tat“ herstellt; NK / Streng, § 46 Rn. 64; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 316 f., 319; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 46 Rn. 23 f.; ferner MüKomm / Franke, § 46 Rn. 37 f., der vor einer Gleichsetzung mit der tatbestandlichen Zurechnung warnt. 195 Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 906; Eisenhuth, Jura 2004, S. 81, 84; Frisch, ZStW, Bd. 99 1987, S. 751, 761; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 46 Rn. 24; für eine Verringerung des Erfolgsunwerts wohl auch Lackner / Kühl, § 46 Rn. 35. 196 NK / Streng, § 46 Rn. 64; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 319.

58

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

Zipf lehnt sogar die Berücksichtigung der Opfermitverantwortung unter dem Gesichtspunkt „die verschuldeten Auswirkungen der Tat“ ganz ab. Die „mangelnde Vorsicht des Geschädigten im Rahmen von Eigentums- und Vermögensdelikten“ sei kein Mitverschulden, das die zurechenbaren Auswirkungen der Tat berühre. 197 Nach seiner Ansicht ist in solchen Fällen allein das Handlungsunrecht unter dem Gesichtspunkt „Art der Ausführung“ tangiert. 198 Das überwiegende Schrifttum sieht dagegen zusätzlich die Strafzumessungsgesichtspunkte „Art der Ausführung“ und „der bei der Tat aufgewendete Wille“, die das Handlungsunrecht betreffen, beeinflusst. Das Handlungsunrecht der Tat verringere sich insoweit, als das Opfer dem Täter die Tat erleichtert, weil der bei einer Mitverantwortung des Opfers aufgewendete Wille geringer sei. 199 Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen zur Rechtsprechung auf Seite 54 verwiesen, die in dieser Hinsicht gänzlich mit der Literaturmeinung übereinstimmen. Der Gesichtspunkt „Art der Ausführung“ ist nach dem überwiegenden Schrifttum betroffen, weil infolge der Mitverantwortung die Intensität der Täuschungshandlungen differenziere und diese Intensitätsunterschiede bei der Ermittlung der Strafhöhe zu berücksichtigen seien. 200 Irreführendem Verhalten in der Nähe zu übertriebener Reklame wird beispielsweise geringeres Handlungsunrecht beigemessen als einer Täuschung unter größter Arglist. 201 Handele das Opfer mit „besonderem Leichtsinn“ oder „fehlender Vorsicht“, sei die Tatausführung ebenfalls weniger intensiv. 202 Weiterführende Aussagen oder der konkrete Bezug zu Fallgruppen fehlen allerdings auch hier. Das Schrifttum formuliert – ähnlich wie zum Erfolgsunrecht – eher undifferenziert, dass besondere Sorglosigkeit des Opfers das Handlungsunrecht mindere. 203

197

Maurach / Gössel / Zipf, § 63 Rn. 33. Vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen. 199 Ebert, JZ 1983, S. 633, 639; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 297 ff.; MüKomm / Franke, § 46 Rn. 31; NK / Streng, § 46 Rn. 64; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 319, 340, 916; so wohl auch SK / Horn, § 46 Rn. 101 f., 115a. 200 Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 907. Ferner Maurach / Gössel / Zipf, § 63 Rn. 159; NK / Streng, § 46 Rn. 64. Ähnlich Petropoulos, S. 198. 201 Brögelmann, JuS 2002, S. 903, 907; LK / Hirsch, § 46 Rn. 35; LK / Theune, § 46 Rn. 136. 202 Maurach / Gössel / Zipf, § 63 Rn. 159. 203 MüKomm / Franke, § 46 Rn. 31, der zusätzlich auf die Fälle hinweist, in denen Aufsichts- und Kontrollgremien beziehungsweise staatliche Hoheitsträger ihre Aufgaben, zum Beispiel bei leichtfertiger Kreditvergabe, schlecht erfüllt haben; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 340. 198

III. Ebene der Strafzumessung

59

Hillenkamp hat in neuerer Zeit einen detaillierteren Vorschlag – allerdings ohne direkten Bezug zum Betrug – entwickelt. Er zielt auf eine systematische Integration des Opferverhaltens in die Strafzumessung ab 204 und schlägt vor, die Opfermitverantwortung durch Strafmilderungsgründe in der Nähe zur Einwilligung, zur Notwehr, zur Verwirkung und zur Beteiligung zu berücksichtigen. 205 Diese sollen Subkategorien eines dem Katalog des § 46 Abs. 2 StGB hinzuzufügenden Strafzumessungsgrundes „Verhalten des Opfers der Tat“ bilden. 206 Hillenkamp stützt seine Konzeption dabei auf die Erkenntnis, dass die veränderte Unrechtsbewertung entweder auf einer Abwertung oder auf einer Aufwertung bestimmter Strafzumessungskategorien beruhe, die das Opferverhalten tangiere. 207 Die Institute der Einwilligung und der Notwehr ständen für einen Abwertungsprozess. Diejenigen Handlungen, die „unterhalb dieser Grenzwertregelungen [lägen], [müssten] das Unrecht um so stärker mindern, je näher es dem Grenzwert [komme]“. 208 Hillenkamp benennt hierzu Fälle, in denen eine erklärte Einwilligung unwirksam 209, nicht rechtzeitig erklärt 210 oder mangelhaft erklärt 211 sei. Ähnlich unterscheidet er beim notwehrnahen Fall zwischen Konstellationen, in denen eine Maßüberschreitung 212 vorliegt und die an einem temporären Mangel 213 leiden. Die Fälle der Verwirkung und Beteiligung ständen dagegen für einen Aufwertungsprozess. 214 Eine verwirkungsnahe Konstellation sieht Hillenkamp in dem Fall, dass das Opfer sein Vermögen für rechtswidrige Zwecke verwendet habe. 215 Beim beteiligungsnahen Fall unterscheidet er nach täterschaftsnah (= „Opfer verursacht die Verletzung gleichsam wie ein Nebentäter

204

Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 219 ff. Nicht weiter verfolgt wird der Ansatz Petropoulos, der die Opfermitverantwortung über die so genannte „fuzzy logic“ Methode berücksichtigen will, vgl. dazu Petropoulos, S. 187 ff. 205 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 239 ff.; vgl. auch Hillenkamp, StV 1986, S. 150, 153. 206 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 233. Hillenkamp weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Konzeption de lege lata problemlos umsetzbar sei, da der Katalog des § 46 Abs. 2 StGB nicht abschließend ist, vgl. Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 311. Gleichwohl fordert er de lege ferenda die ausdrückliche Aufnahme in § 46 StGB, vgl. Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 313 f.; unterstützend Ebert, JZ 1983, S. 633, 640. Vgl. ferner Bruns, S. 155; Kurth, S. 201. 207 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 239. 208 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 239. 209 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 242 ff. 210 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 244 ff. 211 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 247 f. 212 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 270 ff. 213 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 274 ff. 214 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 239. 215 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 291.

60

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

mit“) 216, beihilfenah (= „Opfer fördert Tatbestandserfolg wie ein Gehilfe“) 217, anstiftungsnah (= „Opferbeitrag wirkt sich betimmend auf Tatentschluß des Täters aus“) 218 und nach dem mitwirkenden Nachtatverhalten 219.

IV. Dogmatische Inhomogenität wegen versteckter tatbestandlicher Berücksichtigung der Opfermitverantwortung Die herrschende Meinung vermittelt die Vorstellung, dass die Einordnung betrugsrelevanten Verhaltens ohne Blick auf das Opfer ausschließlich vom Täterverhalten her entwickelt wird, 220 so dass individuelle Schwächen des Opfers tatbestandlich (potentiell) ausschließlich den Täter belasten. Sucht man folgerichtig in Rechtsprechung und herrschender Literatur direkt nach der Frage, ob eine Opfermitverantwortung Tatbestandsrelevanz haben kann, so wird dies im Ergebnis allseits verneint. 221 Die Konstitution des Opfers oder dessen Anteil am Gelingen des Betrugserfolges spielen danach keine Rolle. Raum für eine Berücksichtigung lasse die Betrugsvorschrift nur auf der Strafzumessungsebene. 222 Ein detaillierter Blick auf die beim Täuschungsbegriff diskutierten Problemfälle 223 offenbart aber die Unrichtigkeit des gewonnenen Eindrucks. Die Lösungen der herrschenden Meinung sind tatsächlich in zweifacher Hinsicht inhomogen. Die herrschende Meinung orientiert sich nämlich einerseits bei der Bewertung der Betrugsrelevanz täuschenden Verhaltens im Prinzip an einem objektiv durchschnittlich sorgfältig handelnden Opfer, 224 wodurch – ohne dass die herrschende Meinung dies anerkennt – tatsächlich Opfermitverantwortung tatbestandlich bei § 263 StGB berücksichtigt wird. 225 Die herrschende Meinung weicht andererseits von dieser im Grundsatz rollenmäßigen, normativen Bewertung des Opferverhaltens aber in Einzelfällen wieder ab. Dort legt sie bei der Bewertung des 216

Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 295 ff. Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 297 ff. 218 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 299. 219 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 301. 220 Vgl. dazu auch Frisch, Jakobs-FS, S. 97, S. 124, der eine ähnliche Feststellung – gleichwohl zur wissenschaftlichen Darstellung der konkludenten Täuschung – trifft. 221 Siehe dazu oben Abschnitt II. 222 Siehe dazu oben Abschnitt III. 223 Dazu nachfolgend mehr. 224 Das Opferverhalten wird – außer bei der Täuschungshandlung – auch mittelbar beim Schadensbegriff berücksichtigt, vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Ellmer, S. 129 ff. Siehe auch Arzt / Weber, § 20 Rn. 121; Hennings, S. 121, 127. 225 Mit ähnlicher Feststellung Ellmer, S. 89 ff.; Maiwald, ZStW, Bd. 103, 1991, 697. 217

IV. Dogmatische Inhomogenität

61

täuschenden Verhaltens das konkrete Individuum als Maßstab an, was es ihr ermöglicht, anders als beim rollenmäßigen Opfermaßstab individuelle Opferschwächen zu berücksichtigen. Die nachfolgenden Fallkonstellationen belegen diese uneinheitliche Handhabung und beweisen, dass die herrschende Meinung sowohl bei der Täuschung durch Unterlassen, bei der konkludenten Täuschung als auch bei der ausdrücklichen Täuschung ihre Lösung grundsätzlich an einem objektiv durchschnittlich sorgfältig handelnden Opfer ausrichtet, wobei sie in Einzelfällen aus Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten aber auf die individuellen Fähigkeiten des Opfers abstellt. 1. Täuschung durch Unterlassen / konkludente Täuschung Bei der Täuschung durch Unterlassen und der konkludenten Täuschung wird besonders deutlich, dass die herrschende Meinung die Betrugserheblichkeit des Täterverhaltens im Prinzip anhand eines rollenmäßigen, normativen Opfermaßstabs bewertet. Anknüpfungspunkt bei der Täuschung durch Unterlassen ist die Garantenstellung und die damit korrespondierende Aufklärungspflicht des Täters. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Garantenpflichten berücksichtigt die herrschende Meinung die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, vor allem dessen verkehrsüblichen Geschäfts- und Orientierungsrisiken. 226 § 263 StGB soll danach zwar einerseits ein Minimum an Redlichkeit im Geschäftsverkehr gewährleisten, 227 andererseits müsse sich aber auch die Risikoverteilung zwischen den Geschäftspartnern in der Unterlassungsstrafbarkeit wiederfinden. 228 Stehe die unterlassene Aufklärung – mag sie auch sittlich anstößig sein – zur Sozialüblichkeit und den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs nicht in Widerspruch, liege das Aufklärungs- und Orientierungsrisiko beim potentiellen Opfer. 229 Die rollenmäßige Zuordnung der Aufklärungsrisiken zeigt sich besonders bei der Frage, inwieweit aus Vertragsverhältnissen 230 und aus dem Grundsatz

226

BGHSt 39, 392; BGH, NJW 2000, 3013; BayObLG, NJW 1994, 1078; OLG Stuttgart, NStZ 2003, 554; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64, 67; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 147; Wessels / Hillenkamp, Rn. 506. 227 Vgl. dazu Ellmer, S. 109; Joecks, Vermögensverfügung, S. 56; Kühne, S. 12; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 30; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 88; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 14/15. 228 Ellmer, S. 109; Kühne, S. 8 f., der betont, dass anderenfalls viele Fälle des täglichen Geschäftslebens in einem Betrug durch Unterlassen münden würden; SK / Hoyer, § 263 Rn. 60; Wessels / Hillenkamp, Rn. 506; ähnlich BayObLG, NJW 1994, 1078. 229 BGH, StV 1988, 386; Wessels / Hillenkamp, Rn. 506. 230 Umfassender Überblick bei LK / Tiedemann, § 263 Rn. 61 ff.; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 160 ff.

62

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

„Treu und Glauben“ 231 betrugsrelevante Aufklärungspflichten abgeleitet werden können. 232 Die herrschende Meinung stellt hier in besonderer Schärfe auf die (vertrags-)typische Risikoverteilung ab. 233 Die Geschäftspartner trügen in der Regel das jeweilige Informationsrisiko selber und dürften daher voneinander keine Aufklärung erwarten. 234 Der jeweils andere Geschäftspartner könne sich mit anderen Worten grundsätzlich auf die Haltung zurückziehen, dass der andere bei Aufklärungsbedarf schon fragen werde. 235 Im Ergebnis scheidet ein Betrug durch Unterlassen aus, wenn das potentielle Opfer die durchschnittliche Sorgfalt gemäß seinem Orientierungsrisiko nicht angewendet hat, auch wenn es tatsächlich zu einer Vermögensverfügung gekommen sein sollte. Es gehört zu den durchschnittlichen Sorgfaltsanforderungen, bei Aufklärungsbedarf Fragen zu stellen, wenn sich der potentielle Täter passiv verhält. 236 Antwortet der Täter auf die Fragen des Opfers wahrheitswidrig, liegt ein Betrug mittels ausdrücklicher Täuschung vor. Antwortet der Täter nicht, so sollte das Opfer misstrauisch werden und vom Geschäft absehen. 237 Indem die herrschende Meinung von den Vertragspartnern, also auch vom potentiellen Opfer, den eigenständigen Umgang mit dem Aufklärungsbedarf verlangt und danach auch ihre Lösung ausrichtet, führt sie den Aspekt der Opfermitverantwortung in den Betrugstatbestand ein. 238 Denn durch diese Betrachtungsweise werden diejenigen Opfer nicht geschützt, die sorgfaltswidrig ihre (Nachfrage-)Obliegenheiten verletzt haben. Ausdruck der rollenmäßigen Abgrenzung ist auch der Umstand, dass sich nach der herrschenden Meinung die Risikoverteilung bei besonderen Umständen zu Lasten des Täters ändert. 239 Besondere Umstände seien anzunehmen, wenn der Täter

231 Umfassender Überblick bei LK / Tiedemann, § 263 Rn. 66 f.; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 163 ff.; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 23. 232 Mit ähnlicher Feststellung Ellmer, S. 110. Zwischen den beiden Fallvarianten „Vertragsverhältnis“ und „Treu und Glauben“ bestehen kaum Unterschiede, vgl. MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 138, der die beiden Garantenpflichten wegen der gemeinsamen Voraussetzung der besonderen Umstände sogar in eine zusammenfallen lässt; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 163 Fn. 349; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 23. 233 BGHSt 39, 392; 46, 196; BGH, NJW 2000, 3013; OLG Stuttgart, NStZ 2003, 554; Fischer, § 263 Rn. 46; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 22; SK / Hoyer, § 263 Rn. 60. 234 BayObLG, NJW 1994, 1078; Ellmer, S. 110 f.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64, 67; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 173; Wessels / Hillenkamp, Rn. 506. 235 So auch Ellmer, S. 111. 236 Ellmer, S. 111. 237 So auch Ellmer, S. 111 f., der herausstellt, dass sich durch die Obliegenheitsverletzung die Schutzwürdigkeit des Vertrauens im Vergleich zur Ausgangssituation noch weiter verringert hat. 238 Mit ähnlicher Feststellung Ellmer, S. 111. 239 BGHSt 39, 392; BGH, NJW 2000, 3013; wistra 1988, 262; OLG Stuttgart, NStZ 2003, 554; SK / Hoyer, § 263 Rn. 60 f.; Volk, JuS 1981, S. 880.

IV. Dogmatische Inhomogenität

63

zum potentiellen Opfer in einer besonderen Vertrauensbeziehung stehe 240 oder mit der Vertragsanbahnung erkennbar die Erwartung einer fachkundigen Beratung verbunden 241 sei. Allein aus der geschäftlichen Unerfahrenheit lasse sich in der Regel keine Aufklärungspflicht herleiten. 242 Je stärker der Vertragspartner nach Art oder Dauer der Geschäftsbeziehung die Belange der anderen Seite zu beachten habe, desto eher ergäbe sich eine Aufklärungspflicht. 243 Die praktischen Auswirkungen dieser Risikozuordnung zeigen sich besonders an der Rechtsprechung zum Kraftfahrzeughandel. Beim Neuwagenkauf tragen Käufer und Verkäufer ihr Informationsrisiko regelmäßig selbst, da besondere Umstände, die eine Verschiebung der Orientierungsrisiken rechtfertigen würden, meist nicht vorliegen. Es greife der (obige) Grundsatz, dass es die jeweils eigene Obliegenheit des Vertragspartners sei, sich über die Vorteilhaftigkeit des Geschäfts zu vergewissern. 244 Der Verkäufer eines Neuwagens müsse wegen der widerstreitenden Interessen nicht darüber aufklären, dass in kurzer Zeit ein neues Modell auf den Markt gebracht werde. 245 Beim Gebrauchtwagenhandel gestaltet die herrschende Meinung die Verantwortungsbereiche differenzierter. Der Käufer sei einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, verborgene Mängel zu übersehen. Dieser Faktor werde zwar durch bedeutend niedrigere Preise im Verhältnis zum Neuwagenkauf ausgeglichen. Der Gebrauchtwagenhandel sei zudem als risikobehaftetes Geschäft bekannt. 246 Die Grenze der nach der Verkehrsauffassung hinnehmbaren Übervorteilung des Vertragspartners ende jedoch bei wertbildenden Faktoren von besonderem Gewicht. 247 Die Unfallfreiheit eines Kraftfahrzeugs sei zum Beispiel ein wesentlicher Umstand. 248 Der Gebrauchtwagenhändler habe den Kaufinteressenten ungefragt darüber aufzuklären, dass es sich um ein Un-

240 BGHSt 6, 198; 39, 392; 46, 196; BGH, NJW 2000, 3013; StV 1988, 386; Ellmer, S. 111; Fischer, § 263 Rn. 46; v. Heintschel-Heinegg / Beukelmann, § 263 Rn. 19; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 62 f., 66; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 138; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 161, 163; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 22 f.; SK / Hoyer, § 263 Rn. 60 f. 241 LK / Tiedemann, § 263 Rn. 61 ff.; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 161; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 22; Wessels / Hillenkamp, Rn. 506. 242 LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 185; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 164; Schauer, S. 24; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 22. 243 BayObLG, NJW 1994, 1078. 244 OLG München, NJW 1967, 158 für die Frage einer arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB; Ranft, Jura 1992, S. 66, 66. 245 OLG München, NJW 1967, 158 für die Frage einer arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 173. 246 BayObLG, NJW 1994, 1078; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64. 247 BayObLG, NJW 1994, 1078. 248 BayObLG, NJW 1994, 1078; Ranft, JA 1984, S. 723, 727.

64

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

fallfahrzeug handelt. 249 Der Verkäufer trage gleichwohl in diesen Situationen nicht das volle Aufklärungsrisiko. Kennzeichne er das Kraftfahrzeug ausdrücklich als Unfallwagen, obliege es dem Käufer, nach dem Umfang zu fragen. 250 Die Fälle zum Kraftfahrzeughandel offenbaren im Besonderen, dass die herrschende Meinung bei der Täuschung durch Unterlassen die Betrugsstrafbarkeit im Prinzip normativ, auf Grundlage des Verhaltens eines durchschnittlich sorgfältigen Käufers, bestimmt. Das konkrete Individuum ist nicht Maßstab. Individuelle Besonderheiten werden grundsätzlich nicht berücksichtigt. Weicht das Verhalten des Opfers negativ von dem des angesetzten Durchschnittsmenschen ab, weil es sich zum Beispiel nicht über die Ausmaße des Unfallschadens informiert oder weil es sich nicht erkundigt, ob bald eine überarbeitete Modellversion angeboten wird, verneint die herrschende Meinung eine Betrugsstrafbarkeit mangels Garantenstellung. Nach der herrschenden Meinung ändert auch der Umstand nichts an der Bewertung, dass sich das potentielle Opfer eventuell tatsächlich geirrt hat und es zu einer Vermögensverfügung und zu einem Vermögensschaden gekommen ist. Entgegen den Vorgaben aus den Abschnitten 1. und 2. gehen die individuellen Obliegenheitsverletzungen / Schwächen des Opfers damit nicht zu Lasten des Täters, sondern zu Lasten des Opfers. Die herrschende Meinung reflektiert selbst dann nicht, dass dies eine (versteckte) tatbestandliche Berücksichtigung der Opfermitverantwortung ist, wenn sie wie das Bayerische Oberste Landesgericht eine Aufklärungspflicht unter anderem mit der Risikohaftigkeit des Gebrauchtwagenhandels zurückweist. 251 Die normative Sichtweise wird ferner deutlich in den Fällen einer erhöhten Sachkenntnis des Täters, aus der sich eine Aufklärungspflicht herleiten kann. Sei der Täter dem Opfer aufgrund seiner Sachkenntnis weit überlegen, trage grundsätzlich er das gesamte Orientierungsrisiko, so dass er das Opfer regelmäßig entsprechend aufzuklären habe. 252 Habe das Opfer aber die Möglichkeit, den Wissensvorsprung des Täters zu kompensieren, indem es in angemesssener Zeit sachkundigen Rat einholen könne, lasse sich aus der überlegenen Sachkennt-

249 BGH, NJW 1967, 1222; BayObLG, NJW 1994, 1078 (bei „schwerwiegenden Rahmenschäden“); OLG Nürnberg, MDR 1964, 693; Fischer, § 263 Rn. 48; Hauf, MDR 1995, S. 21 f. (bei „schwerwiegenden Rahmenschäden“); Lackner / Kühl, § 263 Rn. 14; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 53; Ranft, JA 1984, S. 723, 728; Ranft, Jura 1992, S. 66, 66; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 22; SK / Hoyer, § 263 Rn. 59; Wessels / Hillenkamp, Rn. 506; a.A. NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 165; Pawlik, Betrug, S. 174. 250 BayObLG, NJW 1994, 1078; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 14; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 165. 251 Siehe oben. 252 Ellmer, S. 111; Würtenberger, S. 95 f.; ferner BGH, NJW 2000, 3013; OLG Stuttgart, NJW 1966, 990; NStZ 1985, 503.

IV. Dogmatische Inhomogenität

65

nis keine Aufklärungspflicht des Täters herleiten. 253 Der Bundesgerichtshof hatte beispielsweise einen Fall zu entscheiden, in dem ein Eigentümer sein Grundstück an eine Bauträgergesellschaft als Bauland veräußert, aber nicht auf die eingeschränkte Bebaubarkeit hingewiesen hatte. 254 Das in Rede stehende Grundstück bildete zusammen mit anderen eine Grünzone im Ort, so dass es angebracht war, sich bei der Gemeinde über die Bebaubarkeit zu vergewissern. 255 Das Landgericht Stuttgart als Vorinstanz hatte diesen Umstand als Mitverantwortung gewertet und – „regelgerecht“ nach der Konzeption der herrschenden Meinung – bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, im Ergebnis aber einen Betrug durch Unterlassen bejaht. 256 Der Bundesgerichtshof verneinte eine Garantenstellung mit der Begründung, dass die Vorinstanz das von dem Geschädigten eingegangene Risiko bei der nach § 13 Abs. 1 StGB vorzunehmenden Wertung hätte einbeziehen müssen. Er betont aber gleichzeitig, dass es einer Annahme der Täuschungshandlung nicht entgegensteht, dass der Geschädigte bei hinreichend sorgfältiger Prüfung die Täuschung hätte erkennen können. 257 Diese Aussage des Ersten Senats des Bundesgerichtshofs legt die Inhomogenität der herrschenden Meinung offen. Lässt man die Opfermitverantwortung, so wie es die herrschende Meinung fordert, 258 beim Betrugstatbestand völlig außer Betracht, darf die Aufklärungspflicht nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Opfer sachkundige Hilfe nicht genutzt hat. Die herrschende Meinung verlangt entgegen dieser Vorgabe in diesen Situationen wie selbstverständlich vom potentiellen Opfer, nach der Art eines durchschnittlich sorgfältig handelnden Opfers Vorsorge in eigenen Angelegenheiten zu üben, und weist eine Aufklärungspflicht mit dem Argument zurück, das Opfer sei selbst schuld, wenn es diese Möglichkeiten nicht nutze.

253 BayObLG, NJW 1994, 1078; OLG Stuttgart, NJW 1966, 990; NStZ 1985, 503; 2003, 554; Ellmer, S. 111; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 185; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 22. Nach einem Teil der Literatur muss der Arbeitnehmer deshalb beim Abschluss eines Arbeitsvertrages nicht über Vorstrafen aufklären, da der Arbeitgeber über ein polizeiliches Führungszeugnis und durch arbeitsrechtlich zulässige Fragen ausreichend Informationen erlangen könne, vgl. dazu LK / Tiedemann, § 263 Rn. 63; Maaß, S. 112 f.; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 177; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 162; Sonnen, JA 1979, S. 166, 166; a. A. BGH, NJW 1978, 2042. Einer aktiven Täuschung sollen derartige Überprüfungsmöglichkeiten aber nicht entgegenstehen, vgl. MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 177; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 162. 254 BGH, NJW 2000, 3013. 255 BGH, NJW 2000, 3013. 256 Vgl. BGH, NJW 2000, 3013. 257 BGH, NJW 2000, 3013. 258 Vgl. die Abschnitte 1. und 2.

66

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

Die herrschende Meinung nutzt einen ähnlichen 259 rollenmäßig-normativen Maßstab wie bei der Täuschung durch Unterlassen, um zu bestimmen, ob der Täter schlüssig getäuscht hat. Eine konkludente Täuschung sei anzunehmen, wenn der Täter zwar nicht expressis verbis eine unwahre Behauptung aufstelle, aber der rechtsgeschäftliche Verkehr das Gesamtverhalten des Täters als Erklärung über eine Tatsache verstehe. 260 Ob und was der potentielle Täter schlüssig erklärt habe, bestimme sich nach einem verobjektivierten Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der zum konkreten Geschäftstyp bestehenden Verkehrsanschauung. 261 Es gilt daher wie bei der Täuschung durch Unterlassen die Informations- und Orientierungsrisiken der Beteiligten unter Berücksichtigung der konkreten Geschäftssituation von einander abzugrenzen. 262 Bei der Zuordnung der Risikobereiche spielt auch die Eigenverantwortung des Opfers eine Rolle. 263 Je geringer 259 So auch Ellmer, S. 101, der herausstellt, „daß die Regeln, mit deren Hilfe einem bestimmten tatsächlichen Verhalten ein bestimmter Erklärungswert zugeschrieben wird, den Regeln, die für die Begründung der Aufklärungspflicht bei der Täuschung durch Unterlassen konstitutiv sind, nicht unähnlich sind“; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 29. Vgl. auch Herzberg, S. 79. 260 BGHSt 3, 69; 16, 120; 47, 1; 48, 331; BGH, NJW 1995, 539; NStZ 1982, 70; 2002, 144; OLG Frankfurt, NJW 2003, 3215; OLG Köln, wistra 1991, 115; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503; Arzt / Weber, § 20 Rn. 37 f.; Fischer, § 263 Rn. 21; v. HeintschelHeinegg / Beukelmann, § 263 Rn. 13; Kaiser, NJW 1971, S. 601; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 7, 9; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 39; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 88; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 109; Otto, BT, § 51 Rn. 15; Ranft, JA 1984, S. 723, 724; Rengier, BT I, § 13 Rn. 11; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 14/15; SK / Hoyer, § 263 Rn. 30; Triffterer, JuS 1971, S. 181, 182; Volk, JuS 1981, S. 880, 881; Wessels / Hillenkamp, Rn. 498. 261 Die so genannte faktische Betrachtungsweise: BGHSt 51, 165: „Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind daher sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen.“; BGH, NJW 1995, 539; Arzt / Weber, § 20 Rn. 37 f.; Kasiske, GA 2009, S. 360, 363; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 39; Mitsch, § 7 Rn. 26; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 88; Ranft, JA 1984, S. 723, 725; Ranft, Jura 1992, S. 66, ; Rengier, BT I, § 13 Rn. 11; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 14/15; Triffterer, JuS 1971, S. 181, 182; Volk, JuS 1981, S. 880, 881; Wessels / Hillenkamp, Rn. 498. Ein Teil der Literatur ermittelt den Erklärungswert auf Basis einer so genannten normativen Betrachtungsweise, die wie bei der Täuschung durch Unterlassen die Verletzung einer Aufklärungspflicht fordert, vgl. LK / Lackner, § 263 Rn. 28 ff., 53 f., 69; Maaß, GA 1984, S. 264, 266; Schauer, S. 114 f.; Seelmann, NJW 1980, S. 2545, 2546; Seier, S. 404; Volk, JuS 1981, S. 880, 882; Walter, S. 47 ff. Ausführlich zum Streitstand LK / Tiedemann, § 263 Rn. 29; SK / Hoyer, § 263 Rn. 29. Für die praktische Anwendung ergeben sich aber kaum Unterschiede, vgl. Ellmer, S. 101; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 30: „Streit um Worte“; Pawlik, Betrug, S. 101: „bloß punktuelle Revision der herkömmlichen Ansicht“; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 14/15; Seelmann, JuS 1982, S. 268, 269; Vogel, Keller-GS, S. 313, 316: „Im Grunde liegt also nur eine Schwerpunktverschiebung vor [...]“; Walter, S. 48 f., weshalb dieser rein theoretischen Streitfrage hier nicht näher nachgegangen wird.

IV. Dogmatische Inhomogenität

67

die Überlegenheit des Täters ist und je bessere Selbstschutzmaßnahmen dem Opfer zur Verfügung stehen, um so weniger wird dem tatsächlichen Verhalten des Täters ein Erklärungswert beigemessen werden können 264, unabhängig vom Umstand, ob das Opfer auch tatsächlich von den Selbstschutzmaßnahmen Gebrauch gemacht hat. Ein täuschender Erklärungswert wird objektiv nicht vorliegen, wenn das in Rede stehende Verhalten des potentiellen Täters allgemein bekannt ist, zum Beispiel durch die Medien, oder wenn es öfter diskutiert wird. 265 Die Bewertung spitzt sich auf die Frage zu, unter welchen Umständen das Verhalten der anderen Seite berechtigterweise bestimmte Schlüsse zulässt. 266 Die herrschende Meinung schreibt dem Verantwortungsbereich des Käufers mit Blick auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit zum Beispiel das Risiko zu, die Sache anderswo billiger zu erwerben, so dass eine diesbezügliche Unkenntnis nicht zu Lasten des Täters geht. 267 Der Verkäufer einer Sache erkläre zwar schlüssig, zu ihrer Veräußerung befugt und zur Eigentumsverschaffung im Stande zu sein, 268 nicht aber, dass der Kaufpreis angemessen oder üblich sei. 269 Diese grundsätzli262

BGHSt 51, 165; BGH, NStZ 2002, 144; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 30; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 88; Ranft, Jura 1992, S. 66, 66; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 14/15; Walter, S. 47 f. 263 So auch Ellmer, S. 102, 104, 106; Göbel, S. 114; Kasiske, GA 2009, S. 360, 367; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 39; ähnlich Hennings, S. 100 f.; Hilgendorf, S. 110; Thomma, S. 272. 264 So auch Ellmer, S. 104; ähnlich Kasiske, GA 2009, S. 360, 367; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 30; Seelmann, NJW 1980, S. 2545, 2548; Worms, wistra 1984, S. 123, 128; so im Ergebnis wohl auch MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 93; krit. ggü. dieser Entwicklung Göbel, S. 115: „Dies führt dazu, daß die Fehlvorstellung einer Minderheit irrelevant ist. Wessen geistiger Horizont nicht mit der Verkehrsauffassung korrespondiert, bleibt schutzlos.“ 265 BGH, NJW 1995, 539, der bezüglich kommerzieller Mitgliederwerbung für eine gemeinnützige Organisation gegen einen über diesen Umstand täuschenden Erklärungswert angeführt hat, dass „sämtliche gemeinnützigen Hilfsorganisationen sich bei der Mitgliederwerbung der Hilfe kommerzieller Unternehmen bedienen und diese Werbemethode in den Medien immer wieder diskutiert wird“. 266 Ellmer, S. 102, mit dem Hinweis, dass das Opfer dann berechtigt vertraue; ähnlich Pawlik, Betrug, S. 97 f., der hervorhebt, dass der Begriff der Verkehrsanschauung „im Ausgangspunkt weiter als in seiner tatsächlichen Anwendung durch die Betrugsdogmatik“ ist und „die realen Entscheidungsmaßstäbe nur unvollständig zum Ausdruck“ bringt. 267 BGH, NJW 1990, 2005; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503; Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503 f.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 35; Otto, JZ 1993, S. 652, 653; Schauer, S. 108 ff. 268 BGHSt 18, 221; Fischer, § 263 Rn. 35; Gössel, § 21 Rn. 35; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 9; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 35, 39; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 41; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 127; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 126; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 16b, 17c; Wessels / Hillenkamp, Rn. 499. 269 BGH, NJW 1990, 2005; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503; NStZ 2003, 554; v. Heintschel-Heinegg / Beukelmann, § 263 Rn. 12; Kühne, S. 66; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 10; Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 503 f.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 35; Maaß,

68

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

che Risikoverteilung gemäß dem rechtlichen Synallagma verschiebe sich jedoch zu Lasten des Täters, sofern mangels Sachkunde die Angemessenheit des Preises durch das Opfer nicht überprüft werden könne oder die Prüfung wesentlich erschwert sei. 270 Typisch seien Kaufverträge über Kunstgegenstände, Antiquitäten und Juwelenschmuck 271 oder Reparaturverträge über technisch komplizierte Geräte 272. Die Beispiele zeigen deutlich, dass die herrschende Meinung die Annahme einer konkludenten Täuschung normativierend auch von der Tatsache abhängig macht, ob das Opfer die Möglichkeit besitzt, seine Wissenslücken zumutbar zu beseitigen 273, nicht aber davon abhängig macht, ob das Opfer diese Möglichkeiten auch konkret genutzt hat. So bestehe keine Veranlassung, einem Käufer, der von seinen Überprüfungsmöglichkeiten keinen Gebrauch macht, Betrugsschutz vor überhöhten Preisforderungen zu gewähren. 274 Nach der Intention S. 128 f.; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 128; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 130; Otto, JZ 1993, S. 652, 653; Ranft, JA 1984, S. 723, 727; Schauer, S. 12 ff., 108 ff.; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 16d, 17c; SK / Hoyer, § 263 Rn. 32; Wessels / Hillenkamp, Rn. 499a. Aus denselben Erwägungen ist der Vertragspartner regelmäßig nicht verpflichtet, die Gegenseite über günstigere Bezugsmöglichkeiten aufzuklären, vgl. BGH, wistra 1989, 304; BayObLG, NJW 1994, 1078; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503 m. zust. Anm. Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504; NStZ 2003, 554; Fischer, § 263 Rn. 49, 51; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 173; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 161; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 22. 270 RGSt 42, 147; BGH, NJW 1990, 2005; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503; Fischer, § 263 Rn. 36; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 10; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 36; Maaß, S. 129 f.; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 128; Ranft, JA 1984, S. 723, 727. Eine konkludente Täuschung über die Angemessenheit des Preises sei auch gegeben, wenn Tax- oder Listenpreise bestehen und der Vertragspartner nach der Verkehrsanschauung davon ausgehen durfte, dass nur der Tax- oder Listenpreis verlangt werde, vgl. RGSt 42, 147; BGH, NJW 1990, 2005; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503; Fischer, § 263 Rn. 36; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 10; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 36; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 128; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 130; Ranft, JA 1984, S. 723, 727; Schauer, S. 18 ff.; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 16d; SK / Hoyer, § 263 Rn. 31. 271 Jecht, GA 1963, S. 41, 43; Kühne, S. 66 f.; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 10; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 36; Maaß, S. 130, 133; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 128; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 130; Ranft, JA 1984, S. 723, 727; ferner Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 16d. 272 OLG Celle, NdsRpfl 1963, 286; Fischer, § 263 Rn. 36; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 10; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 36; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 128. 273 Mit ähnlicher Feststellung Ellmer, S. 103 f.; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 83: „An einer normativ-objektivierenden Bestimmung des Täuschungsbegriffs führt kein Weg vorbei, der auch die Sorgfaltsobliegenheiten der Erklärungsadressaten zu berücksichtigen hat. Im Ergebnis macht der BGH jedoch nichts anderes, wenn er auf die Verkehrsanschauung in Gestalt der objektiven Maßstäbe des Geschäfts verweist.“ Vgl. auch Kasiske, GA 2009, S. 360, 367: „Ein bestimmtes Verhalten unter Strafe zu stellen, ist nur dort angemessen, wo sich das Opfer nicht in anderer zumutbarer Weise gegen die Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter wehren kann. Daher ist dort, wo sich das Opfer selbst ohne weiteres die notwendigen Informationen verschaffen kann, auch kein Raum für eine strafbare Täuschung.“

IV. Dogmatische Inhomogenität

69

der herrschenden Meinung kann die Überlegenheit im Wissen nicht als Anknüpfungspunkt für eine konkludente Täuschung herhalten, wenn das Opfer den Wissensvorsprung zumutbar hätte ausgleichen können. In diesem Fall ist eine Risikoverschiebung zu Lasten des Täters nicht gerechtfertigt, da Täter und Opfer bereinigt auf der gleichen Wissensebene agieren. 275 Unter diesem Gesichtspunkt ist es konsequent, dass die herrschende Meinung eine konkludente Täuschung ablehnt, wenn das Opfer hätte nachfragen und so sein Informationsdefizit hätte beseitigen können. 276 Es wäre nur noch zu wünschen, dass die herrschende Meinung diese tatbestandliche Berücksichtigung der Opfermitverantwortung auch als solche anerkennt. Wie sehr die durchschnittlichen Sorgfaltsanforderungen die Annahme einer konkludenten Täuschung bestimmen, verdeutlichen auch die so genannten Wechselgeldfälle. In einer typischen Situation gibt der Verkäufer zu viel Wechselgeld heraus und der Käufer nimmt den Betrag wortlos an, ohne den Verkäufer auf seinen Irrtum aufmerksam zu machen. Zunächst stellt sich die Frage, ob der Käufer konkludent getäuscht hat. Die herrschende Meinung verneint diese Möglichkeit mit dem Hinweis, dass es in den Risiko- und Aufklärungsbereich des Leistenden falle, dass die Schuld, auf die er zahle, bestehe und die Leistung den Anspruch nicht übersteige. 277 Aus den gleichen normativen Erwägungen und in aller Regel mangels besonderer Umstände 278 scheide auch ein Betrug durch Unterlassen aus, da der dem Geschäft zugrunde liegende Vertrag allein keine Aufklärungspflicht begründen könne. 279 Die nach der Verkehrsanschauung durchschnittliche Sorgfalt verlangt in den Wechselgeldfällen, dass der Leistende das auszugebende Geld nachzählt und die Forderung überprüft. Täuschungen können so vermieden werden. Nach der herrschenden Meinung führt es nicht zur Annahme einer (schlüssigen) Täuschung, wenn es tatsächlich zu einem Irrtum, einer Vermö274 BGH, NJW 1990, 2005; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503; auch MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 128, 130 betont die oft bestehende Möglichkeit, „sich Sachverstand zu Rate zu ziehen“. 275 Ähnlich Ellmer, S. 104. 276 Ähnlich Ellmer, S. 102. 277 BGHSt 39, 392; OLG Düsseldorf, NJW 1969, 623; OLG Köln, JZ 1988, 101; NJW 1980, 2366; Fischer, § 263 Rn. 36; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 9; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 39; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 42; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 176; Pawlik, Lampe-FS, S. 689, S. 705 ff.; Ranft, Jura 1992, S. 66, 66 f.; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 17a, 22; SK / Hoyer, § 263 Rn. 34; Wessels / Hillenkamp, Rn. 507, 513. 278 Dies kann zum Beispiel eine langjährige und laufende Geschäftsbeziehung sein, vgl. dazu MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 143, 182 m.w.N. 279 BGHSt 39, 392; OLG Köln, NJW 1980, 2366; Fischer, § 263 Rn. 49; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64; Maaß, S. 41 f., 108; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 176; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 162; Otto, JZ 1993, S. 652, 653; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 22; SK / Hoyer, § 263 Rn. 60; Wessels / Hillenkamp, Rn. 507.

70

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

gensverfügung und einen Vermögensschaden gekommen ist, weil das Opfer die durchschnittliche Sorgfalt nicht gewahrt hat, denn die herrschende Meinung hält sich an den Maßstab eines objektiv durchschnittlich sorgfältig handelnden Opfers. Im Ergebnis steht der tatbestandlichen Verwirklichung des § 263 StGB die Mitverantwortung des Opfers entgegen. 280 Die obigen Ausführungen zeigen die (punktuelle) Berücksichtigung der Opfermitverantwortung im Betrugstatbestand als Folge der im Prinzip rollenmäßigen Betrachtung des Opfers auf. Gleichwohl ist damit noch nicht zwingend bewiesen, dass diese normativen Elemente regelmäßig stets in den Täuschungsbegriff einfließen. Schließlich ließe sich der Umstand, dass die herrschende Meinung vom Opfer die Einhaltung der durchschnittlichen Sorgfaltsanforderungen fordert, möglicherweise mit den strukturellen Besonderheiten erklären, die der konkludenten Täuschung und der Täuschung durch Unterlassen anhaften. Insbesondere bei der Täuschung durch Unterlassen stellt sich eine zur ausdrücklichen Täuschung differierende Ausgangssituation. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt eine Strafbarkeit bei bloß passivem Verhalten nur dann in Betracht, wenn der potentielle Täter eine Garantenstellung inne hat, die ihn zur Aufklärung verpflichtet. Die zusätzliche Voraussetzung der Garantenstellung bewirkt eine Verschiebung der Orientierungsrisiken zuungunsten des Opfers. Es kann grundsätzlich nicht erwarten, dass ein anderer Beteiligter seine Position verbessert. 281 Das Opfer eines Betrugs durch Unterlassen hat im Vergleich zum Betrug durch aktives Handeln folglich stärker selbst für seinen Vermögensschutz Sorge zu tragen. 282 Da vergleichbare Restriktionsmöglichkeiten bei der ausdrücklichen Täuschung nicht zur Verfügung stehen, 283 ließe sich der Umstand, dass entgegen der betonten tatbestandlichen Irrelevanz einer Opfermitverantwortung bei der Täuschung durch Unterlassen ein normativiertes Opfer zur Bewertungsgrundlage gemacht wird, mit den Besonderheiten dieser Täuschungsmodalität erklären. Die Strukturunterschiede zwischen ausdrücklicher und konkludenter Täuschung sind nicht derart ausgeprägt. Am auffälligsten ist, dass nach herrschender Meinung die konkludente Täuschung anders als die Täuschung durch Unterlassen keine Aufklärungspflicht voraussetzt. 284 Diese Bedingung kann bei der konkludenten Täuschung zur Erklärung der rollenmäßigen Lösung nicht herangezogen werden. Durch das Zusammenspiel von Erklärungsbewusstsein und dem ver280

Ähnlich Ellmer, S. 106. Ellmer, S. 107; Samson, Welzel-FS, S. 579, 592 ff. 282 Ellmer, S. 107. 283 Vgl. auch Ellmer, S. 109. 284 Zu abweichenden Ansichten vgl. den umfassenden Überblick bei LK / Tiedemann, § 263 Rn. 29; SK / Hoyer, § 263 Rn. 29 und oben Seite 66. 281

IV. Dogmatische Inhomogenität

71

objektivierten Empfängerhorizont als Bewertungsmaßstab stellt die Täuschung durch schlüssiges Verhalten jedoch noch eine „normativ-psychologische Mischkategorie“ dar. 285 Durch den Bezug zur Verkehrsanschauung fließen ähnlich der Täuschung durch Unterlassen auch bei der konkludenten Täuschung zwangsläufig Aspekte der Opfermitverantwortung in den Betrugstatbestand ein. Es bleibt die Frage, ob die herrschende Meinung auch bei der ausdrücklichen Täuschung im Prinzip ein objektiv durchschnittlich sorgfältig handelndes Opfer voraussetzt. Spätestens dann dürfte die inhomogene Auslegung des Täuschungsbegriffs durch die herrschende Meinung offenkundig sein. 2. Ausdrückliche Täuschung Wer expressis verbis eine unwahre Tatsache behauptet, der täuscht, so die herrschende Meinung. 286 Aspekte zur Zuordnung von Orientierungsrisiken seien nicht zu beachten. 287 Strukturelle Besonderheiten wie bei der konkludenten Täuschung oder der Täuschung durch Unterlassen bestehen bei der ausdrücklichen Täuschung ebenfalls nicht. Die herrschende Meinung hätte danach im Fall ausdrücklich täuschenden Verhaltens die Betrugsrelevanz nicht am Maßstab eines durchschnittlich sorgfältig handelnden Opfers zu bestimmen. Bewertungsgrundlage müssten ausschließlich die konkreten Handlungen und Fähigkeiten des jeweiligen Individuums sein, so dass für eine tatbestandliche Berücksichtigung einer Opfermitverantwortung bei der ausdrücklichen Täuschung kein Raum mehr sein dürfte. Die nachfolgenden Beispiele belegen jedoch die Unrichtigkeit dieser These. Die herrschende Meinung lässt auch bei der klassischen Lüge normative Erwägungen in den Täuschungsbegriff einfließen, so dass nicht jede Lüge eine Täuschung im Betrugssinne ist. 288 Wie bei der Täuschung durch schlüssiges Verhalten und durch Unterlassen reichen zumeist Behauptungen nicht aus, durch die sich ein die durchschnittliche Sorgfalt einhaltendes Opfer nicht hätte täuschen lassen. Diese Feststellung wird anhand der nachfolgenden Beispiele näher konkretisiert.

285

Pawlik, Betrug, S. 98. LK / Tiedemann, § 263 Rn. 27; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 72. Vgl. auch Pawlik, Betrug, S. 98. 287 LK / Tiedemann, § 263 Rn. 27; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 72; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 14/15. Vgl. auch Pawlik, Betrug, S. 98. 288 Mit letzterer Feststellung auch Frisch, Jakobs-FS, S. 97, 101; Hanisch, S. 49; Pawlik, Betrug, S. 99. Auch Bockelmann räumt ein, dass „selbst aktive Täuschungshandlungen [...] nicht unter allen Umständen das Merkmal der Vorspiegelung einer falschen Tatsache im Sinne des § 263 StGB [erfüllen]“, vgl. Bockelmann, ZStW, Bd. 79 1967, S. 28, 33. 286

72

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

§ 263 StGB verlangt eine Täuschung über Tatsachen. Die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einem Werturteil ist in diesem Zusammenhang von besonderer praktischer Relevanz. Nach herrschender Meinung liegt eine Tatsachenbehauptung vor, wenn der Erklärungswert der Äußerung einen objektivierbaren, der Nachprüfung zugänglichen Tatsachenkern enthält, über dessen Vorhandensein oder Fehlen in der Gegenwart oder Vergangenheit beim Getäuschten unrichtige Vorstellungen erweckt werden sollen. 289 Normative Aspekte, etwa die Zuordnung von Informationsrisiken zwischen Täter und Opfer, spielen nach dieser Definition keine Rolle. 290 Vielmehr ist neben dem Zeitmoment vor allem die faktische Beweiszugänglichkeit das maßgebliche Abgrenzungskriterium. 291 Den (übertriebenen) Werbeanpreisungen fehlt nach der herrschenden Meinung ein solcher objektiv nachprüfbarer Tatsachenkern. 292 Keine Tatsachenbehauptungen seien beispielsweise die Aussagen „bestes Waschmittel der Welt“ 293, „weißer geht es nicht“ 294, „meistgekaufte Rasierklinge“ 295 oder „meistgelesene Illustrierte“ 296. Diese Ergebnisse sind bei genauer Anwendung der Definition des Tatsachenbegriffs nicht unbedingt zu erwarten. 297 Auch in den von der herrschenden Meinung als bloße Werbean289 RGSt 24, 387; 55, 131; BGHSt 15, 24; 48, 331; BGH, JZ 1979, 575; NStZ 1996, 282; OLG Düsseldorf, JR 1965, 303; wistra 1996, 32; OLG Stuttgart, NJW 1979, 2573; Arzt / Weber, § 20 Rn. 32; Bockelmann, S. 65; Fischer, § 263 Rn. 6; Gössel, § 21 Rn. 9; Graul, JZ 1995, S. 595, 596 f.; v. Heintschel-Heinegg / Beukelmann, § 263 Rn. 1; Kindhäuser, § 27 Rn. 4; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 4 f.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 9 f.; Mitsch, § 7 Rn. 18; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 109; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 53; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 73; Otto, BT, § 51 Rn. 9; Otto, Jura 2002, S. 606; Rengier, BT I, § 13 Rn. 4; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 8 f.; Schmidhäuser, 11/9; SK / Hoyer, § 263 Rn. 12; Wessels / Hillenkamp, Rn. 494. 290 So schon Pawlik, Betrug, S. 94. 291 Vgl. zu den zwei Einzelkriterien auch LK / Tiedemann, § 263 Rn. 9; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 53; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 74; Pawlik, Betrug, S. 94. 292 BGHSt, 34, 199; 48, 331; BGH, wistra 1992, 256; Arzt / Weber, § 20 Rn. 32; Bockelmann, S. 66; Fischer, § 263 Rn. 9; Gössel, § 21 Rn. 16; Hirsch, ZStW, Bd. 74 1962, 130; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 5; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 39; § 263 Rn. 13 f.; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 33; Mitsch, § 7 Rn. 18 ff.; Mühlbauer, NStZ 2000, S. 650, 652; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 109 f.; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 65; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 9; SK / Hoyer, § 263 Rn. 10; Wessels / Hillenkamp, Rn. 496. Ob die Anpreisungen nicht ausnahmsweise dennoch einen Tatsachenkern enthielten, sei nach der Verkehrsanschauung zu ermitteln, vgl. BGHSt 48, 331; BGH, wistra 1992, 255; Arzt / Weber, § 20 Rn. 32; Beulke, JR 2005, S. 37, 40; Fischer, § 263 Rn. 9; Hecker, S. 218 ff.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 14 f.; Mitsch, § 7 Rn. 18 ff.; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 66; SK / Hoyer, § 263 Rn. 18. 293 LK / Tiedemann, § 263 Rn. 14; SK / Hoyer, § 263 Rn. 18; Wessels / Hillenkamp, Rn. 496. 294 MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 66a. 295 Wessels / Hillenkamp, Rn. 496. 296 LK / Lackner, § 263 Rn. 15; SK / Hoyer, § 263 Rn. 18.

IV. Dogmatische Inhomogenität

73

preisungen charakterisierten Äußerungen lässt sich ein Tatsachenkern bestimmen. 298 Ob ein Produkt tatsächlich das meistgekaufte seiner Art ist, kann durch einen Vergleich etwaiger Absatzzahlen nachgeprüft werden. 299 Die Behauptungen, es handle sich um das „beste Waschmittel der Welt“ beziehungsweise „weißer geht es nicht“, enthalten die wissenschaftlich überprüfbare Tatsache, dass andere Waschmittel diesen Qualitätsgrad nicht aufweisen. 300 Aus dieser Perspektive überrascht es nicht, dass sich die argumentative Begründung der herrschenden Meinung nicht gemäß der obigen Definition an der Beweisbarkeit der Behauptungen orientiert. Die Äußerungen seien aus dem Täuschungsbegriff auszuscheiden, da sie für sich allein keine täuschungsgeeigneten Tatsachen enthielten. 301 Sie begründeten für den durchschnittlichen Teilnehmer am Geschäftsverkehr keine Gefahr. 302 Bei marktschreierischer Reklame und übertriebenen Anpreisungen würden nach der Verkehrsanschauung ernsthaft keine konkreten Tatsachen behauptet. 303 Dass das Opfer die Äußerung unter Umständen als ernstlich gemeint eingeordnet habe, führe nicht zu einer betrugsrelevanten Täuschung, wenn es nach einem verobjektivierten Empfängerhorizont die Unernstlichkeit der Äußerung hätte erkennen müssen. 304 Tatsächlich sollen jene Täuschungshandlungen ausgeklammert werden, in denen die vorgetäuschte Tatsache für eine rationale Vermögensverfügung des Opfers „ohnehin“ keine Rolle 297 So auch Ellmer, S. 91 f.; Pawlik, Betrug, S. 94; kritisch auch Kühne, S. 9 f.; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 87: „sind allenfalls die Ergebnisse, nicht aber die Begründungen überzeugend“; SK / Hoyer, § 263 Rn. 21. 298 Walter, S. 71. 299 Ellmer, S. 91; Walter, S. 71. 300 Ellmer, S. 91; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 14; vgl. auch Walter, S. 71. 301 SK / Hoyer, § 263 Rn. 18; Fischer, § 263 Rn. 10; ähnlich LK / Tiedemann, § 263 Rn. 14: „verminderter Geltungsanspruch“; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 75; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 9; ferner OLG Koblenz, NJW 2001, 1364 in Hinblick auf die Rechtsausführung eines Rechtsanwalts, dass mehrere Gerichtsentscheidungen seine Rechtsauffassung stützten, da kein Richter wegen der Pflicht des Gerichts zur eigenverantwortlichen Rechtsermittlung eine solche bloße Behauptung seiner Entscheidungsfindung zugrundelegen werde; vgl. dazu auch Walter, S. 71. 302 SK / Hoyer, § 263 Rn. 18. 303 BGH-FG IV, 555; Fischer, § 263 Rn. 9 f.; Gössel, § 21 Rn. 16; v. Heintschel-Heinegg / Beukelmann, § 263 Rn. 7; Hirsch, ZStW, Bd. 74 1962, 130; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 39, § 263 Rn. 14; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 33; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 88; Schmidhäuser, 11/8; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 9; Schumann, JZ 1979, S. 588, 590; SK / Hoyer, § 263 Rn. 27; Walter, S. 72, der auf die offensichtliche Parteilichkeit des Werbenden verweist, weshalb die Werbeanpreisungen „vom Recht durchgehend als kommunikativ irrelevant eingestuft“ werden. Vorraussetzung sei aber, dass der Werbende seine Erklärungen eindeutig als Reklame ausweist. Ähnlich MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 66 ff. Kritisch Ellmer, S. 91, der zutreffend die Ungeeignetheit des Kriteriums „Ernsthaftigkeit“ darlegt, da „es geradezu absurd zu unterstellen [ist], die Werbung meine es nicht ernst mit den von ihr aufgestellten Behauptungen“. 304 SK / Hoyer, § 263 Rn. 27.

74

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

spielen dürfte. 305 Trotz ausdrücklicher Täuschung bewertet die herrschende Meinung in diesen Fällen das Täterverhalten nach den Fähigkeiten eines normativierten Opfers, um einschränkend bestimmte Verhaltensweisen aus dem Täuschungsbegriff herausfallen lassen zu können. 306 Das Abgrenzungsergebnis fußt nicht auf dem Kriterium der Beweiszugänglichkeit, sondern auf einer rollenmäßigen Risikoverteilung zwischen Täter und Opfer, die im Fall der übertriebenen Werbeanpreisungen und der marktschreierischen Reklame zu Lasten des Opfers ausfällt. 307 Die damit verbundene Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen lässt sich auf der Grundlage der obigen Ausgangsdefinition nicht erklären. 308 Dieses Begründungsdefizit muss die herrschende Meinung in Kauf nehmen, da sich nur durch die normative Verteilung der Orientierungsrisiken auf die Beteiligten die (gewünschten) Ergebnisse erzielen lassen. 309 Tatsächlich versucht die herrschende Meinung die Fälle der Reklameanpreisungen aus dem Betrugstatbestand auszuscheiden, weil das Opfer extrem leichtfertig handelt, wenn es auf 305 SK / Hoyer, § 263 Rn. 21, 27; Arzt / Weber, § 20 Rn. 32; Hirsch, ZStW, Bd. 74 1962, 130; Kargl, Lüderssen-FS, S. 613, 625; Kindhäuser, § 27 Rn. 3; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 39; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 75; ähnlich MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 68, der der Abgrenzung zwischen Tatsache und Werturteil den Sinn beimisst, entscheidungserhebliche Sachverhalte herauszukristallisieren. 306 Vgl. auch LK / Tiedemann, § 263 Rn. 9, nach dessen Ansicht in Randbereichen die Grenzen normativ zu ziehen seien; Schmidhäuser, 11/8: „Gewisse Grenzen werden allerdings üblicherweise normativ gezogen“; Walter, S.71, 74. 307 Arzt / Weber, § 20 Rn. 32: „Die Kasuistik lässt erkennen, dass sich die Praxis bei der Abgrenzung des Werturteils von der Täuschung über (innere) Tatsachen am Gedanken der Opferselbstverantwortung orientiert. Vertrauenswürdige Werturteile werden als innere Tatsachen behandelt und so in den Schutz des § 263 einbezogen.“; Fischer, § 263 Rn. 10; v. Heintschel-Heinegg / Beukelmann, § 263 Rn. 7: „Dennoch wird angesichts der Tatsache, dass Werbung meist einen überprüfbaren Tatsachenkern enthält (vgl. nur die Wasch- und Spülmittelwerbung), der Getäuschte – anders als sonst – nicht umfänglich strafrechtlich geschützt, sondern im Rahmen einer Risikoverteilung einer Opfermitverantwortung unterworfen.“; Hilgendorf, S. 106 f., 110; Maiwald, ZStW, Bd. 103, 1991, 693, 697; Joecks, Vermögensverfügung, S. 55; Pawlik, Betrug, S. 95 f.; Walter, S. 74: „Es geht darum, Sphären zu schaffen, in denen trotz Vermögensrelevanz keine Pflicht zur Wahrheit besteht, und [...] ein erlaubtes Risiko bezüglich Täuschungshandlungen zu definieren.“ Zum Gesichtspunkt der Risikoverteilung bei § 263 StGB auch LK / Lackner, § 263 Rn. 29; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 9. 308 So auch NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 75: „Die in sich inkonsequente Bestimmung des Tatsachenbegriffs offenbart nur, dass der von der h.M. gewählte Ansatz methodisch verfehlt ist. Es kann nicht darum gehen, einen abstrakten, vom Normzweck gelösten Begriff der Tatsache zu definieren, sondern es ist zu klären, welche Informationen spezifisch betrugsrelevant sind.“; Pawlik, Betrug, S. 96, nach dessen Ansicht der herrschenden Ansicht „infolge ihrer [...] Ausrichtung auf einen statischen Rechtsguts- und einen naturalistischen Freiheitsbegriff das systematische Potential“ fehle; ähnlich Ellmer, S. 90, der der herrschenden Meinung große Mühe attestiert, „einen konsistenten dogmatischen Weg aufzuzeigen, der zum erwünschten Erfolg führt“. 309 Pawlik, Betrug, S. 95 f.; vgl. auch Frisch, Jakobs-FS, S. 97, 122; Ellmer, S. 91 ff.

IV. Dogmatische Inhomogenität

75

diese Aussagen vertraut. 310 Die herrschende Meinung hält sich folglich auch bei der Betrugsrelevanz ausdrücklicher Täuschungshandlungen im Prinzip an das rollenmäßige, objektiv durchschnittlich sorgfältig handelnde Opfer. In der Konsequenz hebt die herrschende Meinung damit die Opfermitverantwortung in den Rang der tatbestandlichen Relevanz, macht diese aber von dem Grad der Unachtsamkeit abhängig. Maßgeblich sei nicht, ob ein rational denkendes Opfer dem Irrtum erlegen wäre. Es sollen nur Äußerungen ausgeschieden werden, die eine Hoffnung, die auf keiner objektiven Grundlage aufbaut, beim potentiellen Opfer bewirken. 311 Dem Opfer schadet nicht schon ein Mangel an durchschnittlicher Sorgfalt. Die herrschende Meinung lehnt eine Täuschung erst bei eklatanter Unsorgfältigkeit – wie in den Fällen der übertriebenen Werbeanpreisungen – ab. Es erscheint dabei auch sachgerecht, bei einfachen Mängeln nicht schon eine Täuschung zu verneinen, sondern die Lösung in einer Feinsteuerung über die Strafzumessung zu suchen. Aus dieser Sicht ist auch verständlich, dass die herrschende Meinung reine Werturteile als Tatsachenbehauptungen behandelt, wenn der Erklärende eine besondere Fachkompetenz zumindest vortäuscht und die andere Seite den Hintergrund nicht nachprüfen kann. 312 Scheinbar darf das Opfer nach der herrschenden Meinung stärkeres Vertrauen beanspruchen, wenn der Erklärende mit besonderer Fachkompetenz auftritt. Eine Mitverantwortung des Opfers wiegt nach Einschätzung der herrschenden Meinung – wie die nachfolgenden Fälle belegen – in diesen Situationen also nicht so schwer. Im „Wundermittelfall“ 313 hat der Bundesgerichtshof trotz der abenteuerlichen Anpreisungen auf der Nachprüfung zugänglicher Tatsachen erkannt. 314 Dadurch, dass der Täter einen wissenschaftlichen und fachmännischen Hintergrund vorgespiegelt habe, indem er unter anderem positive Erfahrungen durch Testpersonen behauptet und eine hundertprozentige Erfolgsgarantie gegeben habe, sei bei den Opfern die Erwartung erzeugt worden, dass „die Präparate im Kern die versprochene – wenn vielleicht auch übertrieben

310 So auch Ellmer, S. 91 ff.; Jänicke, S. 201; Joecks, Vermögensverfügung, S. 55; Hennings, S. 92 ff.; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 39; Mühlbauer, NStZ 2000, S. 650, 652; Naucke, Peters-FS, S. 109, 112; Samson, JA 1978, S. 469, 471; Seelmann, JuS 1982, S. 268, 269; ferner BK / Arzt, Art. 146 Rn. 36, der eine ähnliche Feststellung bezüglich Art. 146 SchwStGB trifft. 311 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 71; SK / Hoyer, § 263 Rn. 22. 312 BGH, NJW 1981, 2132; OLG Stuttgart, NJW 1979, 2574; Joecks, § 263 Rn. 26; Krey / Hellmann, Rn. 342; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 9, 15, der betont, dass vor allem in diesen Fällen die Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen notwendig werde; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 10; Schröder, JR 1958, S. 106 f.; SK / Hoyer, § 263 Rn. 15; krit. Walter, S. 65 f. 313 Siehe Kapitel III. auf Seite 26. 314 BGHSt 34, 199.

76

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

geschilderte – Wirkung“ hätten. 315 Durch die eingeräumte „Geldzurückgarantie“ sei die Illusion zudem verstärkt worden. 316 Bloße unwahre Rechtsausführungen seien grundsätzlich wie Werturteile zu behandeln. 317 Der Grund dürfte – wie Walter zutreffend feststellt – darin bestehen, dass der durchschnittliche Erklärungsempfänger die Aussagen mangels Ernsthaftigkeit nicht zu seiner Entscheidungsgrundlage macht. 318 Spiegele aber ein Rechtsanwalt einem Laien eine bestimmte Rechtslage oder eine gefestigte Rechtsprechung vor, täusche er wegen seiner besonderen Fachkompetenz über Tatsachen. 319 Die gleiche Behauptung gegenüber einem ebenso kompetenten Erklärungsgegner stelle dagegen ein Werturteil dar, da der Rechtsanwalt in diesem Fall keine besondere Fachkompetenz in Anspruch nehme. 320 Die herrschende Meinung begründet die unterschiedlichen Ergebnisse mit einem Objektivitätsanspruch 321, den ein Erklärender mit besonderer Fachkompetenz gegenüber einem Laien erhebe. Beanspruche der Täuschende Überparteilichkeit, Autorität oder eine besondere Fachkompetenz, erkläre er zusätzlich als Tatsachenbehauptung die Maßgeblichkeit und Verbindlichkeit seiner Aussagen. 322 Tatsächlich geht es aber in diesen Fällen um die objektive Täuschungseignung. 323 Auch Rechtsausführungen gegenüber gleich kompetenten Personen 315 BGHSt 34, 199; zustimmend LK / Tiedemann, § 263 Rn. 15; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 69. 316 BGHSt 34, 199. 317 BGHSt 48, 331; BGH, JR 1958, 106; OLG Frankfurt, NStZ 1996, 545; OLG Karlsruhe, JZ 2004, 101; OLG Stuttgart, NJW 1979, 2573; OLG Zweibrücken, JR 1989, 390; Fischer, § 263 Rn. 11; Kindhäuser, § 27 Rn. 9; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 18 f.; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 89; Otto, Jura 2002, S. 606, 607; a.A. Walter, S. 66 f. 318 Walter, S. 74. 319 Hilgendorf, S. 220; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 19; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 71 f.; Puppe, JZ 2004, S. 102, 104; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 10; Schröder, JR 1958, S. 106; SK / Hoyer, § 263 Rn. 15, 19. 320 OLG Koblenz, NJW 2001, 1364; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 19; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 71; Otto, Jura 2002, S. 606, 607; Seier, ZStW, Bd. 102, 1990, 568 ff.; SK / Hoyer, § 263 Rn. 15. Gegenüber einem Richter seien die Rechtsbehauptungen noch deutlicher ein Werturteil, da der Richter sogar zur Überprüfung verpflichtet sei, eingehend OLG Koblenz, NJW 2001, 1364. A.A. Protzen, wistra 2003, S. 208, 209; Puppe, JZ 2004, S. 102, 104. 321 Vgl. OLG Stuttgart, NJW 1979, 2573. 322 BGHSt 34, 199; OLG Stuttgart, NJW 1979, 2573; Hilgendorf, S. 222 f.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 15, 18; Otto, Jura 2002, S. 606, ; Rengier, BT I, § 13 Rn. 7; Schröder, JR 1958, S. 106 f.; Fischer, § 263 Rn. 11; so wohl auch NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 86; SK / Hoyer, § 263 Rn. 15. 323 In der Begründung des OLG Koblenz, NJW 2001, 1364 heißt es zum Beispiel auch: „Denn sie war objektiv in keiner Weise geeignet, bei dem zuständigen Richter einen Irrtum herbeizuführen.“ Vgl. auch Ellmer, S. 97; Ranft, JA 1984, S. 723, 729; SK / Hoyer, § 263 Rn. 15, 18, 21.

IV. Dogmatische Inhomogenität

77

beanspruchen Maßgeblichkeit und Verbindlichkeit, nur eben in geringerer Intensität. Die Ergebnisse sind somit Folge einer normativen Risikoverteilung durch die herrschende Meinung. 324 Weist sich der Erklärende nicht durch eine (höhere) besondere Fachkompetenz aus, schenkt ein durchschnittlich sorgfältig handelnder Erklärungsgegner dessen Äußerungen ohne Nachprüfung keinen Glauben. 325 Die herrschende Meinung reflektiert gleichwohl nicht, dass sie durch die normativen Erwägungen der Opfermitverantwortung tatbestandliche Relevanz beimisst. 326 Die Vertreter der herrschenden Meinung betonen stets im Zusammenhang mit der Abgrenzung zum Werturteil, dass auch der Einfältige und Vertrauensselige geschützt sei. 327 Mag die tatbestandliche Relevanz des Opferverhaltens von der herrschenden Meinung nicht intendiert sein, so ist sie doch das Ergebnis der rollenmäßigen Betrachtung. Schließlich sind es die Einfältigen und Vertrauensseligen, die nicht erkennen, dass sie diesen Faktoren keine Glaubenswirkung beimessen dürfen. Der durchschnittlich Sorgfältige und Intelligente wird dagegen, abgesehen von gelegentlichen Fehlern, wie sie jedem hin und wieder unterlaufen, solchen Äußerungen keinen Glauben schenken. Die Ausgrenzung der nicht rationalen Vermögensverfügungen ist nicht zuletzt auch nach der herrschenden Meinung unter dem Aspekt der Eigenverantwortlichkeit des Opfers sinnvoll 328, wenngleich nicht intendiert. Die Lösungen der herrschenden Meinung bei anderen Fallgestaltungen bestätigen diese Ergebnisse. Nicht betrugsrelevant seien zum Beispiel taktische Täuschungen im Zusammenhang mit Verkaufsverhandlungen. Die unwahre Behauptung, es gebe noch weitere Kaufinteressenten / höhere Gebote, um einen höheren Verkaufspreis zu erzielen, stelle ebenso wenig einen Betrug dar 329 wie die unrichtige Aussage, zum Kauf noch unentschlossen zu sein, um den Preis zu 324 In diese Richtung wohl auch MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 71 f., der auf die normative Risikoverteilung in diesem Bereich verweist; Walter, S. 74. 325 Beispielhaft in diesem Zusammenhang auch OLG Koblenz, NJW 2001, 1364: „Wer darauf verweist, dass eine bestimmte Rechtsfrage in einer bestimmten Weise entschieden sei, belegt dies in der Regel mit einer Fundstelle oder einem Aktenzeichen nebst Datum der Entscheidung. Tut er dies nicht, macht er sich verdächtig. Kein Richter wird seine Entscheidung auf eine derartige Behauptung stützen.“; vgl. auch MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 71 („nicht täuschungserheblich“); Walter, S. 74. 326 Ähnlich auch Ellmer, S. 93: „Offensichtlich kommt der Vermeidbarkeit des Irrtums – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der h.M. – in gewissen Bereichen die Funktion zu, die Grenze des Betrugstatbestandes mitzubestimmen.“. 327 LK / Tiedemann, § 263 Rn. 8; SK / Hoyer, § 263 Rn. 22; krit. Walter, S. 73, der zwar den Unterschied zwischen dem „Einfältigen“ und „Leichtfertigen“ anerkennt, dessen Bedeutung für die strafrechtliche Bewertung aber abspricht. 328 So Hirsch, ZStW, Bd. 74 1962, 130; Schmoller, JZ 1991, S. 117, 127; SK / Hoyer, § 263 Rn. 22. 329 Bockelmann, ZStW, Bd. 69 1957, S. 269, 272; Bockelmann, ZStW, Bd. 79 1967, S. 28, 33; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 27; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 68; vgl. dazu auch Walter, S. 74.

78

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

drücken. 330 Bockelmann betont die Verkehrsüblichkeit dieser Täuschungen, die bei der Anwendung des § 263 StGB zu respektieren sei, wolle man sich nicht in Widerspruch zum Geschäftsleben setzen. 331 In gewissen Grenzen müsse Bluff erlaubt sein. 332 Auch in dieser Begründung wird deutlich, wie sich die herrschende Meinung bei der Auslegung des Täuschungsmerkmals grundsätzlich an den Fähigkeiten eines Durchschnittsmenschen orientiert. 333 Keine Täuschung über eine Tatsache liege auch vor, wenn der Verkäufer beim Käufer durch die Aussage „die Waren verkauften sich von selbst“ eine Weiterverkaufshoffnung bewirke, letzterer aber in dieser enttäuscht werde. 334 Vielmehr handle es sich um Meinungsäußerungen werbenden, reklamehaften Charakters, die sich in der Prognose einer künftigen, geschäftlichen Entwicklung erschöpfen. 335 Behaupte der Verkäufer dagegen zusätzlich wegen angeblich besonderer Eigenschaften die Konkurrenzlosigkeit des Produkts, trete daneben eine Tatsachenbehauptung. 336 Diese Argumentation lässt sich mit der Ausgangsdefinition und auch mit den Ausführungen aus den Abschnitten 1. (S. 44 ff.) und 2. (S. 46 ff.) nicht mehr vermitteln, 337 sondern fußt auf einer normativen Verteilung der Orientierungsrisiken. Die Inhomogenität verschärft sich weiter durch den Umstand, dass die herrschende Meinung bei der betrugsrechtlichen Würdigung nicht durchgehend auf das rollenmäßige, objektiv durchschnittlich handelnde Opfer, sondern in Einzelfällen aus Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten auf das konkrete Individuum 330

Bockelmann, ZStW, Bd. 69 1957, S. 269, 272; vgl. auch Jescheck / Weigend, § 25 IV 1 („Unterdrücken eines Liebhaberinteresses“). 331 Bockelmann, ZStW, Bd. 69 1957, S. 269, 272; Bockelmann, ZStW, Bd. 79 1967, S. 28, 33. Das Ausscheiden sozialadäquater Täuschungen befürworten auch Arzt / Weber, § 20 Rn. 36; Bockelmann, S. 66; Herzberg, MDR 1972, S. 93, 96; Hirsch, ZStW, Bd. 74 1962, 130; Manzano, Tiedemann-FS, S. 213, 220; kritisch Gerhold, S. 67 f.; Hartmann, S. 60 f.; Kühne, S. 10; Roxin, Klug-FS, S. 303, 312 f.; Schmoller, JZ 1991, S. 117, 126 f. 332 Bockelmann, ZStW, Bd. 69 1957, S. 269, 272; ähnlich Bockelmann, ZStW, Bd. 79 1967, S. 28, 33; Jecht, GA 1963, S. 41, 42 f. 333 Kritisch zur Begründung der herrschenden Meinung auch Walter, S. 74 f.: „[...] offenbar ist die Täuschung sozialadäquat, offenbar besteht kein „Anspruch auf Wahrheit [...]“. 334 BGH, wistra 1992, 255, wo der Angeklagte eine Marktlücke im gehobenen Geschenkartikelbereich vorspiegelte; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 72, („Behauptung eines Galeristen, im Laufe der nächsten fünfzig Jahre würden die Preise für die Werke eines jungen Künstlers drastisch steigen“); Otto, JZ 1993, S. 652, 653; Wessels / Hillenkamp, Rn. 496. 335 BGH, wistra 1992, 255; Otto, JZ 1993, S. 652, 653; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 9; Wessels / Hillenkamp, Rn. 496. 336 BGH, wistra 1992, 255; OLG Frankfurt, wistra 1986, 31; Otto, JZ 1993, S. 652, 653; Wessels / Hillenkamp, Rn. 496. 337 So auch Pawlik, Betrug, S. 99; Ellmer, S. 116 f.

IV. Dogmatische Inhomogenität

79

abstellt. Als Beleg dienen die Fälle, in denen der Täter den Aberglauben des Opfers ausnutzt. 338 Die herrschende Meinung bejaht in diesen Fällen eine Täuschung über Tatsachen mit dem Hinweis, dass es auf die faktische empirische Überprüfbarkeit der Täteraussagen nicht ankomme, sofern der Täter dem Opfer den Eindruck der Existenz des fraglichen Sachverhalts vermittle. 339 Auch naturwissenschaftlich oder logisch Unmögliches könne deshalb Inhalt einer Tatsachenbehauptung sein. 340 Diese Ergebnisse überraschen in zweierlei Hinsicht. Die Resultate sind zum einen mit Blick auf die Ausgangsdefinition des Tatsachenbegriffs der herrschenden Meinung nicht nachvollziehbar, der auf die objektive Beweiszugänglichkeit abstellt. 341 Zum anderen decken sich die Lösungen der Sachverhalte zum Aberglauben und die der übertriebenen Werbeanpreisungen nicht. Übersinnliches und Abergläubisches sind in der heutigen Gesellschaft nicht als Erklärung für gewisse Ereignisse anerkannt und werden schlichtweg als „Unsinn“ abgetan. 342 Die herrschende Meinung müsste daher auch unabhängig von der Frage der Beweisbarkeit gemäß den obigen Ausführungen zu den übertriebenen Werbeanpreisungen, bei denen sie normativ auf ein objektiviertes Opfer abstellt, die Täuschungseignung verneinen. Scheinbar ist sie aber bei übertriebenen Werbeanpreisungen, die sich an die breite Masse richten, eher bereit und gewillt, individuelle Schwächen bei der Auslegung des Täuschungsbegriffs unberücksichtigt zu lassen. In den Fällen des Aberglaubens sieht sie diese Notwendigkeit nicht. Zur schon bestehenden Inhomogenität tritt eine weitere Inhomogenität durch die uneinheitliche Bewertung des Opferverhaltens, die hier als „doppelte Inhomogenität“ bezeichnet wird. 343 Ob zukünftig überdies weitere (partielle) Veränderungen durch das Europarecht zu erwarten sind, soll im Rahmen der hiesigen Untersuchung nicht weiter 338

Vgl. dazu die Beispiele auf Seite 22 ff. Fischer, § 263 Rn. 6; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 10 („prinzipielle sinnliche Wahrnehmbarkeit und Nachprüfbarkeit“); MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 58; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 8. 340 BGHSt 8, 237; 13, 233; 32, 38; BGH NStE Nr. 13 zu § 263 StGB; LG Mannheim, NJW 1993, 1488; Fischer, § 263 Rn. 6; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 10; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 58; SK / Hoyer, § 263 Rn. 22. 341 Krit. auch NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 78; Walter, S. 73. 342 Ähnlich NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 78: „Wer sich bei seinen Vermögensverfügungen nicht mehr von Kriterien leiten lässt, die allgemein (noch) für rational im Sinne empirisch nachweisbarer Verlässlichkeit gelten, geht ein Risiko ein, welches das übliche Risiko, auf Informationen Dritter angewiesen zu sein, deutlich überschreitet.“ Kindhäuser spricht sich in der Konsequenz bei auf Aberglauben gestützte Tatsachenannahmen gegen eine betrugsrelevante Täuschung aus. 343 Mit ähnlicher Feststellung – aber ohne direkten Bezug zum Problemkreis der Opfermitverantwortung – Wittig, S. 298: „Die faktische Betrachtungsweise der h.M. [...] ist in sich widersprüchlich und führt zu einer verwirrenden Kasuistik [...]. Dies gilt nicht nur bezüglich der gewonnenen Ergebnisse, sondern auch bezüglich des methodischen Ansatzes.“ 339

80

B. Vergleich der schweizerischen mit der deutschen Rechtslage

verfolgt werden. Zwar wird vereinzelt vertreten, dass europäische Vorgaben zu einem einheitlichen, eigenen Täuschungsschutzstandard führen, der dem nationalen Recht vorgehe. Soyka beispielsweise nimmt die Richtlinie 2005/29 / EG über unlautere Geschäftspraktiken zum Anlass eine Einschränkung des § 263 StGB durch Ausschluss solcher Täuschungen zu fordern, die für das Hervorrufen eines Irrtums ungeeignet sind. 344 Nach dieser Richtlinie seien nur solche Verhaltensweisen unlauter, die das Verhalten eines Durchschnittsmenschen beeinflussen können. Alle anderen Praktiken seien im Rückschluss erlaubt und könnten auch nicht durch nationales Recht untersagt werden. 345 Wie Soyka selbst einräumt, betreffen die durch die Richtlinie in Bezug genommenen Konstellationen jedoch nur die spezifischen Fälle unlauterer Geschäftspraktiken. 346 Die mithin von ihm geforderte gemeinschaftsrechtsfreundliche Tatbestandsauslegung betrifft nur eine de lege ferenda zu führende Argumentation, die nicht weiter vertieft werden soll. 347 3. Ergebnis / Ausblick Die herrschende Meinung beurteilt die Betrugsrelevanz täuschenden Verhaltens im Prinzip normativ, am Maßstab eines objektiv durchschnittlich sorgfältig handelnden Opfers. Selbst die klassische Lüge ist nicht stets eine betrugsrelevante Täuschung. Vor allem bei der Abgrenzung der Tatsache vom Werturteil orientiert sich die herrschende Meinung an den durchschnittlichen Fähigkeiten und Sorgfaltsmaßnahmen des Erklärungsgegners. Konsequenz dieser Auslegung des Täuschungsmerkmals ist, dass die herrschende Meinung eine Mitverantwortung des Betrugsopfers, durch die das Opfer vom objektiven Maßstab negativ abweicht, über die Strafzumessungsebene hinaus schon bei der Auslegung des Täuschungsbegriffs berücksichtigt. Vertraut das Opfer (übertriebenen) Werbeanpreisungen, verneint die herrschende Meinung eine betrugsrelevante Täuschung. Allerdings beurteilt es Ellmer richtig, wenn er schreibt, dass die Relevanz der Opfermitverantwortung nicht so weit gehe, dass man ihr offen den Rang allgemeiner, grundlegender Kriterien zuweisen könne. Ihre Bedeutung ist eher punktuell angelegt. 348 Bei der Täuschung durch Unterlassen und der konkludenten Täuschung liegen die konstruktiven Mittel für die normativierte, objektive Opferrolle zwar auf der Hand. Die Inhomogenität ist für diese Täuschungsvarianten wegen der 344

Soyka, wistra 2007, S. 127, 129. Soyka, wistra 2007, S. 127, 129. 346 Soyka, wistra 2007, S. 127, 129 f. 347 Vgl. zu dieser Problematik im Hinblick auf § 16 UWG ferner Eick, S. 150 ff.; Hecker, S. 306 ff., der eine Harmonisierung jedoch nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten notwendig erachtet. 348 Ellmer, S. 106. 345

IV. Dogmatische Inhomogenität

81

strukturellen Besonderheiten dennoch erklärbar. Letztlich bleibt aber auch hier ein Widerspruch zur Ausgangsthese der herrschenden Meinung, wonach eine Opfermitverantwortung generell nicht im Betrugstatbestand zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus lässt die herrschende Meinung im Sinne einer „doppelten Inhomogenität“ eine einheitliche Linie bei der zugrunde gelegten Opferrolle vermissen, wie die Fälle zum Aberglauben beweisen. Die herrschende Meinung stellt in diesen Konstellationen auf das konkrete Individuum ab. Dies ermöglicht ihr, individuelle Opferschwächen zu berücksichtigen. In den Kapiteln C. und D. soll eine Theorie entwickelt werden, die den prinzipiellen Einbezug der Selbstsorge / die normativierende Betrachtung erklärt und anhand derer die Grenzen der Selbstschutzobliegenheit bestimmt werden können. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob die differenzierte Behandlung der Fallgruppe „Aberglauben“ nur eine ad hoc-Entscheidung der herrschenden Meinung ist oder ob sich die Ergebnisse systematisch fundieren lassen. Im Kapitel C. wird eine Lösung auf Basis eines umfassenden kriminalpolitischen / strafrechtstheoretischen Ansatzes untersucht. Gegenstand des Kapitels D. wird dann eine genuin dogmatische Lösung sein.

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund I. Grundsätzliche Anliegen der Konzeptionen Über eine vorwiegend kriminalpolitische Argumentation versuchen die so genannten viktimodogmatischen und die ihnen nahe stehenden teleologischen Ansätze die Berücksichtigung der Opfermitverantwortung im Betrugstatbestand zu erreichen. Der Viktimodogmatik 1 liegt die Idee zugrunde, einer einseitigen Betrachtung des Täterverhaltens im Betrugstatbestand durch eine das Opferverhalten stärker in den Blick rückende Auslegungsmaxime entgegenzuwirken. 2 Erfahrungswerte aus der Viktimologie, also der Rolle des Opfers bei der Verbrechensentstehung, 3 werden dafür nutzbar gemacht. 4 Die Viktimologie habe nachgewiesen, dass eine Straftat häufig nur durch ein Opferverhalten gelinge, welches das Opfer hätte vermeiden können. 5 Dieser Zusammenhang zwischen Täter- und Opferverhalten ist Ausgangspunkt der viktimodogmatischen Konzeptionen. 6 Diese Ansichten rücken dabei die Schutzbedürftigkeit des Opfers in den Vordergrund, 7 die sie anhand von viktimologischen Untersuchungen und Er1 Zum Begriff der Viktimodogmatik vgl. Arzt / Weber, § 1 Rn. 32; Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 113; Schünemann, ZStW, Bd. 90, 1978, 32; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 197 ff.; Schünemann, Faller-FS, S. 357 ff. 2 Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 412; Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117 ff., 131. Teilweise wird zwischen „positiv-viktimodogmatischer“ Argumentation und „negativ-viktimodogmatischer“ Argumentation unterschieden. Erstere verstärkt den Opferschutz und letztere verkürzt diesen und wirkt täterbegünstigend, vgl. dazu Bottke, JR 1987, S. 428. Da es an dieser Stelle um die Einschränkung der Betrugsstrafbarkeit zugunsten des Täters geht, handelt es sich nach dieser Differenzierung um eine „negativ-viktimodogmatische“ Argumentation. 3 Vgl. zum Gegenstand der Viktimologie Paasch, S. 18 ff.; Kaiser et al., S. 582. 4 Krack, S. 38; Loos / Krack, JuS 1995, S. 204, 207 Fn. 23; Schünemann, Faller-FS, S. 357, 371. 5 Vgl. Ellmer, S. 265. 6 Amelung, GA 1977, S. 1, 17; Ellmer, S. 265 ff.; Hassemer, Klug-FS, S. 217, 223; vgl. auch Mergen, S. 34 f., 139 ff.; Schneider, S. 99 ff., 128 ff. 7 Amelung, GA 1977, S. 1, 6; Giehring, GA 1973, S. 1, 18; R. Hassemer, S. 72 ff., 81 f.; Kurth, S. 175 ff.; Schünemann, Faller-FS, S. 357, 362, der begrifflich gleichbedeutend – was er ausdrücklich herausstellt (S. 362 Fn. 18) – das Pendant Strafbedürftigkeit des Täters benutzt; Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 410 f., 413;

II. Dogmatische Herleitung

83

kenntnissen bestimmen. Wegen des unmittelbaren Opferbezugs wird der Grundgedanke dieser Lehren zusammenfassend auch als viktimologisches Prinzip 8 bezeichnet. Von Interesse für die hiesige Untersuchung ist dabei die Umsetzung der kriminalpolitischen Leitlinie in der Tatbestandsprüfung des § 263 StGB, die in den nachfolgenden Abschnitten dargestellt werden soll. Zunächst wird die gemeinsame dogmatische Herleitung aufgezeigt (vgl. Abschnitt II. ab Seite 83). Anschließend werden die jeweiligen konkreten Ausgestaltungsversuche dargestellt (vgl. Abschnitt III. und IV. ab Seite 87). Bei der Darstellung ist insbesondere zwischen einem faktisch-naturalistischen und einem normativen Ansatz zu unterscheiden. Die beiden Richtungen unterscheiden sich in dem Maßstab, anhand dessen bestimmt werden soll, ob dem Opfer eine betrugsrelevante Opfermitverantwortung zur Last fällt. Während der faktisch-naturalistische Ansatz auf die tatsächliche psychische Verfassung des Opfers abstellt 9, sind nach den normativen Konzeptionen die (normativ) gebotenen Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers maßgebend. 10 Auf die im Kapitel A. entwickelten Fallgruppen wird in diesem Zusammenhang soweit möglich Bezug genommen und deren rechtliche Lösung auf Grundlage der viktimodogmatischen Ansichten untersucht. Anschließend werden jeweils der faktisch-naturalistische und der normative Ansatz sowie übergreifend die viktomologisch / teleologische Grundannahme bewertet.

II. Dogmatische Herleitung Streit besteht zunächst über die methodologische Verankerung des viktimologischen Gedankens im Betrugstatbestand, der um so mehr Bedeutung erlangt, als der Wortlaut des Betrugstatbestandes nach allen Seiten interpretierbar ist. 11 Zwei Varianten werden diskutiert. Einige Vertreter befürworten die Entwicklung

Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 130; Schünemann, Strafrechtssystem und Betrug, S. 51, 62; Sonnen, wistra 1982, S. 123, 127. 8 Amelung, GA 1977, S. 1, 17; Hassemer, JuS 1987, S. 499, 500. 9 Zum faktisch-naturalistischen Ansatz mehr unter Kapitel III. ab Seite 87. 10 Zum normativen Ansatz mehr unter Kapitel IV. ab Seite 101. 11 Amelung, GA 1977, S. 1, 4; Frisch, Bockelmann-FS, S. 647; Herzberg, GA 1977, S. 289, 293 f.; Idler, JuS 2004, S. 1037, 1038; LK / Lackner, § 263 Rn. 80; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 86. Insbesondere ist der Irrtumsbegriff derart offen konzipiert, dass er sämtliche diskutierten Auslegungsvarianten hinsichtlich der Sonderproblematik, dass das Opfer an der Wahrheit der vom Täter behaupteten Tatsache zweifelt (siehe dazu Seite 29 ff. und 88 ff.), deckt, vgl. Amelung, GA 1977, S. 1, 4; R. Hassemer, S. 122; Herzberg, GA 1977, S. 289, 293 f.; Idler, JuS 2004, S. 1037, 1038; LK / Lackner, § 263 Rn. 79.

84

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

eines eigenständigen viktimologischen Gesamtkonzepts. 12 Der viktimologische Gedanke soll danach als allgemeines Prinzip der Verbrechenslehre tatbestandseinschränkend wirken. 13 Die Gegenansicht bestreitet die Notwendigkeit eines eigenständigen Prinzips und verweist auf das Mittel der teleologischen Auslegung, das genügend Raum biete, um den Aspekt der Opfermitverantwortung als Abwägungsfaktor einzubringen. 14 Diese Differenzen zwingen jedoch nicht zu einer Entscheidung zwischen viktimodogmatischem und teleologischem Ansatz. Bei beiden Meinungsrichtungen besteht Konsens darüber, die Mitverantwortung ausgehend vom Kriterium der Schutzbedürftigkeit des Opfers zu berücksichtigen. 15 Ein über die bloß theoretische Bedeutung der methodologischen Herleitung inhaltlich hinausgehender Unterschied ist zwischen den viktimodogmatischen Lehren und den teleologischen Konzeptionen folglich nicht gegeben. 16 Gemeinsamer Ausgangspunkt der viktimologisch-teleologischen Theorien ist demnach die Schutzbedürftigkeit des Opfers. 17 Dahinter steht der Versuch, der Opfermitverantwortung durch einen Rückgriff auf die „fundamentalen Sätze über Aufgaben und Grenzen des Strafrechts als eines Mittels der staatlichen Sozialkontrolle“ 18 eine die strafrechtliche Zurechnung begrenzende Funktion beizumessen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist der Gedanke der Erforderlichkeit des Strafrechtsschutzes. 19 Die viktimologisch-teleologischen Theorien verbindet die gemeinsame Grundannahme, dass der Strafrechtsschutz nicht in Fällen bestehen soll, in denen das Opfer durch Wahrnehmung eigener Selbstschutzmöglichkeiten eine Schädigung hätte selber verhindern können. 20 Die weiterführende Ableitung 12 Schönemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 410; Schünemann, Faller-FS, S. 357, 361; krit. Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 113, der die Entwicklung eines solchen Prinzips für „unmöglich“ oder „jedenfalls überflüssig“ hält. 13 Vgl. Hassemer, Klug-FS, S. 217, 223. 14 Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 113; ferner Ellmer, S. 268, 287 ff., der seine Methode sogar der teleologischen Reduktion zuordnet. Für den Weg der teleologischen Auslegung sprechen sich auch aus Amelung, GA 1977, S. 1, 4; Frisch, Bockelmann-FS, S. 647, 648; LK / Lackner, § 263 Rn. 80. 15 So auch Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 113. 16 In diesem Sinne auch Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 113. 17 Dieses kriminalpolitische Konzept basiert auf dem klassisch-liberalen Rechtsgutsdenken, dass das Strafrecht nur zum Schutz von Rechtsgütern Sanktionen androhen und verhängen darf, vgl. Hassemer, Klug-FS, S. 217, 220, 222; Hassemer, JuS 1987, S. 499, 500; R. Hassemer, S. 19 ff. Auf die damit angedeutete rechtsphilosophisch orientierte Diskussion um die Begründung des „Strafens“ soll nicht näher eingegangen werden. Zum Kriterium der „Schutzbedürftigkeit“ siehe bereits oben auf Seite 82. 18 Schönemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 410. 19 Kurth, S. 175 ff.; Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 130 f.; vgl. auch Hassemer, JuS 1987, S. 499, 500. 20 Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 108 f.; Ellmer, S. 247 ff.; R. Hassemer, S. 36 ff., 62 ff., 166 f.; Kurth, S. 175 ff.; Schönemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407,

II. Dogmatische Herleitung

85

des viktimologisch-teleologischen Ansatzes hat sich im Laufe der Zeit indes gewandelt. Der aus dem Verfassungsrecht bekannte Subsidiaritätsgrundsatz diente zunächst als Grundlage, bis sich die Erkenntnis über dessen fehlende Eignung durchgesetzt hat. Die Vertreter stellen nun auf den ultima ratio-Charakter des Strafrechts ab. Die dahin führende Entwicklung wird nachfolgend dargestellt. 1. Ursprüngliche Ableitung aus dem Subsidiaritätsgrundsatz Die viktimologisch-teleologischen Konzeptionen stützten sich ursprünglich auf den Subsidiaritätsgrundsatz. 21 Der Strafrechtsschutz sei nicht legitim, wenn gleichgeeignete, aber mildere außerstrafrechtliche Mittel zur Verfügung stehen. 22 Auch eigene Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers kämen als Alternativverhalten in Frage, denen gegenüber der Schutz durch das Strafrecht ebenfalls streng subsidiär sei. 23 Diese Herleitung aus dem Subsidiaritätsprinzip war fortwährender Kritik ausgesetzt, die sich im Wesentlichen gegen eine unzulässige Ausdehnung des Subsidiaritätsgedankens richtet. Die Tatsache, dass sich das Subsidiaritätsprinzip aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ableite, verbiete es, im Zuge des Subsidiaritätsprinzips über alternative staatliche Mittel hinaus auch eigene Schutzmöglichkeiten des Opfers zu berücksichtigen. 24 Das Subsidiaritätsprinzip sei auf das Verhältnis des 411; Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 130; vgl. auch Hassemer, JuS 1987, S. 499, 500; Hefendehl, S. 139. 21 Amelung, GA 1977, S. 1, 6, 8; Amelung, NJW 1975, S. 624 f.; Amelung, EserFS, S. 3, 18, der ausdrücklich noch das Subsidiaritätsprinzip heranzieht; Ellmer, S. 234; R. Hassemer, S. 22 ff.; Hefendehl, S. 138; Kurth, S. 141 ff.; Schönemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 411; Wismer, S. 79, 88. Allgemein zum Prinzip der Subsidiarität strafrechtlichen Schutzes vgl. Blei, Henkel-FS, S. 109 ff.; Hassemer, S. 198 ff.; Kaufmann, Henkel-FS, S. 89 ff.; ferner Kamberger, S. 222 ff., die daneben auch auf den ultima ratio Charakter des Strafrechts abstellt. Seinen unmittelbaren Ausgangspunkt hat der Subsidiaritätsgrundsatz im Verhältnismäßigkeitsprinzip, vgl. dazu BVerfGE 7, 397 ff.; 16, 202; 17, 117; 19, 348 f.; 20, 186; 23, 133; 24, 404; 7, 218 ff.; 30, 20 ff.; 32, 379; 34, 246; 50, 174; Amelung, NJW 1975, S. 624; Gentz, NJW 1968, S. 1600, 1601 m.w.N.; R. Hassemer, S. 19 f.; Hassemer, Klug-FS, S. 217, 222; Hassemer, JuS 1987, S. 499, 500; W. Hassemer, S. 198 ff.; Jakobs, 3. Abschn. Rn. 27; Lerche, S. 21; Pawlik, Betrug, S. 50; Zuck, S. 59. 22 Hassemer, Klug-FS, S. 217, 222; Kamberger, S. 222 ff.; Kaufmann, Henkel-FS, S. 89, 105; ferner Kurth, S. 141, 175 ff., 194. 23 Amelung, GA 1977, S. 1, 8; R. Hassemer, S. 21 f., 81; Hassemer, Klug-FS, S. 217, 222; Kaufmann, Henkel-FS, S. 89, 102 ff.; Kaufmann, Tendenzen, S. 33 ff.; Sax, JZ 1976, S. 9, 11; Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 411; Schünemann, ZStW, Bd. 90, 1978 ff., 32 Fn. 60, 40 Fn. 88; Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117 ff., 128; kritisch hierzu Herzberg, GA 1977, S. 289 ff., 294 f.; ferner Kurth, S. 175 ff., 194. 24 Hassemer, Klug-FS, S. 217, 222; Herzberg, GA 1977, S. 289, 294; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 177.

86

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

Strafrechts zu anderen staatlichen Maßnahmen begrenzt. 25 Der Hinweis der Befürworter einer Ableitung aus dem Subsidiaritätsgrundsatz überzeugt nicht. Sie führen an, dass im Unterschied zu den üblichen verwaltungsrechtlichen Konstellationen, wo die Beschränkung auf alternative staatliche Mittel sachadäquat sei, da anders die Rechtmäßigkeit gewisser Umstände nicht erreicht werden könne, der Zweck des Strafrechts dagegen auch durch nichtstaatliche Mittel realisiert werden könne. 26 Diese Argumentation überdehnt den Subsidiaritätsgrundsatz. 27 Das Subsidiaritätsprinzip leitet sich unbestritten aus dem Verfassungsrecht ab. Begrenzt sich der Subidiariätsgrundsatz im öffentlichen Recht auf das Verhältnis von staatlichen Maßnahmen untereinander, so muss sich auch die daraus abgeleitete Subsidiarität strafrechtlichen Schutzes auf dieses Verhältnis beschränken. 2. Ableitung aus dem ultima ratio-Charakter des Strafrechts Die Mehrheit der Vertreter des viktimologisch-teleologischen Ansatzes hat das Subsidiaritätsprinzip als Anknüpfungspunkt ihrer Herleitung mittlerweile selbst verworfen. 28 Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist heute der so genannte ultima ratio-Charakter des Strafrechts. 29 Danach darf nur behutsam und zurückhaltend vom Strafrecht Gebrauch gemacht werden. Es darf erst als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn der gebotene Schutz auf keine andere Weise zu erreichen ist. 30 Die entscheidende Funktionserweiterung des ultima ratio-Prinzips durch die viktimodogmatisch-teleologischen Lehren liegt dabei darin, den Gedanken regulativ für das Strafrecht nutzbar zu machen. 31 Könne das Opfer seinen

25 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 144 f.; Frisch, Bockelmann-FS, S. 647, 655; Günther, Lenckner-FS, S. 69, 78 f.; Herzberg, GA 1977, S. 289, 294; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 176 ff.; Hillenkamp, Einfluß des Opferverhaltens, S. 14; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 46; Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 47; Kaufmann, Henkel-FS, S. 89, 102; Maiwald, ZStW, Bd. 96, 1984, 71 ff.; Pawlik, Betrug, S. 50; Ranft, JA 1984, S. 723, 731 f.; Roxin, § 14 Rn. 20. 26 Amelung, Eser-FS, S. 3, 18; R. Hassemer, S. 23 f. 27 So auch Herzberg, GA 1977, S. 289, 294; ferner Maiwald, ZStW, Bd. 96, 1984, 71. 28 Maßgebende Bedeutung für diese Änderung in der systematischen Einordnung trägt Schünemann, vgl. Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 129 f.; Schünemann, Faller-FS, S. 357, 362, 366; Schünemann, NStZ 1986, S. 439, 442. Einzig Amelung stellt weiterhin ausdrücklich auf den Subsidiaritätsgrundsatz ab, vgl. Amelung, Eser-FS, S. 3, 18. 29 Schünemann, Faller-FS, S. 357, 358, 362. Zum ultima ratio-Prinzip vgl. ferner BVerfGE 39, 47 mit Anm. Kriele, JZ 1975, S. 222, 223; Baumann / Weber / Mitsch, § 3 Rn. 19; Kaufmann, Tendenzen, S. 33 ff.; Kaufmann, Henkel-FS, S. 89, 100; Maurach / Zipf, § 2 III Rn. 13; Roxin, JuS 1966, S. 377, 382; Roxin, JA 1980, S. 545, 547; Tiedemann, S. 33. Eingehend ferner Günther, S. 189 ff. 30 Schünemann, Faller-FS, S. 357, 358, 362.

III. Faktisch-naturalistischer Ansatz

87

Schutz selbständig betreiben, sei ein strafrechtlicher Schutz nicht erforderlich. 32 Von dieser Prämisse ausgehend haben sich verschiedene Lösungsvorschläge für die Berücksichtigung der Opfermitverantwortung gebildet, die nach einem faktisch-naturalistischen Ansatz sowie einer normativen Betrachtungsweise zu unterscheiden sind und nachfolgend dargestellt werden.

III. Faktisch-naturalistischer Ansatz Gegenstand der nächsten Abschnitte ist zunächst die Darstellung des gemeinsamen Denkansatzes aller faktisch-naturalistischen Konzeptionen und daran anknüpfend der jeweiligen konkreten Umsetzungsvorschläge im Betrugstatbestand. Anschließend wird der naturalistische Ansatz kritisch bewertet. Eine umfassende Bewertung der auch dem faktisch-naturalistischen Ansatz zugrunde liegenden viktimologisch-teleologischen Grundannahme erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt, anschließend an die Darstellung des normativen Ansatzes. 1. Darstellung Der faktisch-naturalistische Denkansatz beschränkt sich auf die Bewertung der realen Gegebenheiten. Bezugspunkt ist die tatsächliche individuelle psychische Verfassung des potentiellen Opfers. Nur die Fälle, in denen das Opfer das Bestehen eigener Selbstschutzmöglichkeiten realisiert und bewusst auf die Wahrnehmung dieser Möglichkeiten verzichtet, könnten zugunsten des Täters im Betrugstatbestand Berücksichtigung finden. 33 Unter den Vertretern der faktisch-naturalistischen Lehren ist allerdings allgemein anerkannt, dass vom Opfer nicht einschränkungslos die Nutzung sämtlicher physisch verfügbarer Selbstschutzmöglichkeiten gefordert werden kann. 34 Eine derartige Forderung hätte die absurde Konsequenz zur Folge, dass dem Opfer auch die Vernachlässigung unvernünftiger, unzumutbarer Schutzmöglichkeiten, beispielsweise als Selbstschutzmaßnahme nicht von jeglichem mitmenschlichen Kontakt Abstand genom31 Hassemer, Klug-FS, S. 217, 220; Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 129; Schünemann, ZSchwR 1978, S. 131, 40; Schünemann, ZSchwR 1978, S. 131, 148; Sax, JZ 1976, S. 9, 10 f. 32 Pawlik, Betrug, S. 50; Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 655; Schünemann, Faller-FS, S. 357, 362, 366; Schünemann, NStZ 1986, S. 439, 442; ebenso Döpfner, S. 168, 178. Ähnlich Kamberger, S. 222 ff., die sich daneben auch auf den Subsidiaritätsgrundsatz beruft. Vgl. dazu auch Mühlbauer, NStZ 2000, S. 650, 652. 33 Vgl. Hassemer, Klug-FS, S. 217, 223; Schmidhäuser, Kap. 11 Rn. 11. 34 Amelung, GA 1977, S. 1, 6; R. Hassemer, S. 29 f.; Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 411.

88

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

men zu haben, 35 angelastet werden müsste. 36 Die faktisch-naturalistischen Lehren kommen folglich nicht umhin, das „Extreme im Umfang der individuellen Schutzmaßnahmen“ normativ auszuscheiden 37, wobei die einzelnen Lösungsvorschläge in der weiteren inhaltlichen Ausgestaltung differieren. Die faktisch-naturalistischen Konzeptionen suchen ihren tatbestandlichen Anknüpfungspunkt uneinheitlich bei nahezu allen Betrugsvoraussetzungen. Im Rahmen dieser Darstellung wird auf die im Kapitel A. entwickelten Fallgruppen soweit möglich Bezug genommen. 2. Anknüpfung an das Tatbestandsmerkmal „Irrtum“ Der Irrtumsbegriff des § 263 StGB ist Ausgangspunkt vieler Restriktionsbemühungen. 38 Dass sich viele Anstrengungen auf das Irrtumsmerkmal konzentrieren, ist kaum überraschend. Das Tatbestandsmerkmal „Irrtum“ ist es schließlich, das die mit der Tathandlung des Täters (= Täuschung) korrespondierende Opferreaktion bestimmt. Der Irrtumsbegriff erscheint damit – wie Ellmer zutreffend resümiert – „zumindest auf den ersten Blick als prädestiniert, zum dogmatischen Ort für das Opfermitverschulden innerhalb des Betrugstatbestandes erkoren zu werden“. 39 Die Diskussion fokussiert sich dabei auf die Konstellationen, in denen das Opfer an der Wahrheit der vom Täter behaupteten Tatsache zweifelt, die Vermögensverfügung aber trotzdem vornimmt. 40 In Kapitel A. ist bereits dargelegt worden, dass damit nur ein Ausschnitt der Problematik „Opfermitverantwortung beim Betrug“ erfasst wird. Zweifelt das Opfer an der Wahrheit der vom Täter behaupteten Tatsache, so stellt das lediglich eine spezielle Erscheinungsform von Opfermitverantwortung dar. 41 Diese Art der Opfermitverantwortung besitzt darüber hinaus nur einen schmalen praktischen Anwendungsbereich. 42 Die einseitige Diskussion durch die viktimologisch-teleologischen Lehren geht somit an der praktischen Bedeutung vorbei. Diese Fehleinschätzung wirkt sich aber 35

R. Hassemer, S. 29 f., 36. Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 411; ähnlich Amelung, GA 1977, S. 1, 7. 37 R. Hassemer, S. 33. 38 Zum Meinungsbild siehe auch Frisch, Bockelmann-FS, S. 647 ff.; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 18 ff.; Krack, S. 37 ff.; Küper, S. 212 f.; Loch, S. 126 ff.; Seier, S. 273 ff. 39 Ellmer, S. 145; vgl. auch Loch, S. 137 f.; Thomma, S. 236. 40 Vgl. Blei, S. 227; Fischer, § 263 Rn. 55 ff.; LK / Lackner, § 263 Rn. 70 ff.; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 40. 41 Insbesondere handelt es sich nicht um ein eigenständiges – obgleich verwandtes – Parallelproblem. 42 Vgl. dazu auf Seite 29. 36

III. Faktisch-naturalistischer Ansatz

89

nicht abträglich auf die Verwertbarkeit aus. Die Darstellungen zur Problematik „Irrtum bei Zweifel“ betreffen letztlich den gleichen Sachbereich (= Opfermitverantwortung) und können somit uneingeschränkt zur Diskussion herangezogen werden. Unter einem Irrtum versteht man üblicherweise eine von der Wirklichkeit abweichende Fehlvorstellung des Opfers über eine oder mehrere Tatsache(n). 43 Die so verlangte Fehlvorstellung liegt unproblematisch vor, wenn der Getäuschte von der behaupteten Tatsache überzeugt ist. 44 Entgegen der früher herrschenden Auffassung 45 besteht heute weiter darüber Einigkeit, dass eine sichere Vorstellung von der Wahrheit der vorgetäuschten Tatsache nicht vorzuliegen braucht. 46 Wo aber die Grenze zwischen der Überzeugung von der Wahrheit und dem sicheren Wissen um ihre Unwahrheit verläuft, ist äußerst umstritten. 47 Für die Annahme eines Irrtums ist es nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur – wie bereits auf Seite 43 ff. dargestellt – ausreichend, dass das Opfer die Wahrheit der behaupteten Tatsache (wenn auch noch so gering) für möglich hält und auf der Grundlage dieser Vorstellung die Vermögensverfügung vornimmt. Diese Auffassung sieht sich der Kritik durch viktimologischteleologische Konzeptionen ausgesetzt. Die Kritiker verbindet die gemeinsame Schlussfolgerung, dass, sofern das Opfer in qualifizierter Weise an der Wahrheit der Täterangaben zweifelt, ein betrugsrelevanter Irrtum fehle. 48 In der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung differieren die Restriktionsbemühungen aber 43

BGHSt 2, 325; BGH, NStZ 2004, 266; wistra 1992, 141; Fischer, § 263 Rn. 54; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 18; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 77; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 57; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 169; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 33; SK / Hoyer, § 263 Rn. 64. 44 Vgl. nur Lackner / Kühl, § 263 Rn. 18; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 38. 45 vgl. nur RGSt 20, 391, 392; 42, 410; 63, 391; 69, 48. 46 BGH, wistra 1990, 305; Amelung, GA 1977, S. 1; Hillenkamp, 40 Probleme, 29. Problem, S. 147; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 40; Wessels / Hillenkamp, Rn. 510. 47 Zu dieser Frage eingehend: Amelung, GA 1977, S. 1 ff.; Ellmer, S. 145 ff.; Frisch, Bockelmann-FS, S. 647 ff.; Giehring, GA 1973, S. 1, 10 ff.; R. Hassemer, S. 99 ff., 113 ff., 199 ff., 310; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 84 ff.; LK / Lackner, § 263 Rn. 79 ff.; SK / Hoyer, § 263 Rn. 68 ff., der die Problematik als „noch ungeklärt“ bezeichnet. Die Sonderkonstellation des Prozessbetruges bleibt in diesem Zusammenhang unerörtert. Die Sachverhalte des trotz verbliebener Zweifel verfügenden Richters oder Rechtspflegers ist mit der dieser Arbeit zugrunde gelegten Fallkonstellation insofern nicht vergleichbar, als nach den prozessrechtlichen Vorschriften der Zweifel regelmäßig nicht zum Anlass genommen werden darf, die vom Täuschenden erstrebte Verfügung nicht vorzunehmen., vgl. dazu Amelung, GA 1977, S. 1, 16; Herzberg, GA 1977, S. 289, 291 Fn. 14. 48 Vgl. Amelung, GA 1977, S. 1, 7, 16; Beulke, JR 1978, S. 390; Ellmer, S. 145; Giehring, GA 1973, S. 1, 22; R. Hassemer, S. 136 ff.; Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, S. 415.

90

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

wiederum. Die Darstellung dieser vielfältigen am Irrtumsbegriff anknüpfenden Lösungsvorschläge ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. a) Giehring, Krey, Schmidhäuser (sog. Wahrscheinlichkeitstheorien) Giehring hat sich als einer der ersten in der neueren Literatur mit der Tatbestandsrelevanz von Opfermitverantwortung bei § 263 StGB beschäftigt. Er greift auf die Erkenntnis zurück, dass die Motivation zur Vornahme einer Vermögensverfügung zumindest tendenziell vom Wahrscheinlichkeitsgrad der behaupteten Tatsache geprägt ist. 49 Giehring schlägt daher – angelehnt an die Abgrenzung des Eventualvorsatzes zur bewussten Fahrlässigkeit 50 – eine Differenzierung nach dem Wahrscheinlichkeitsgrad vor. 51 Die vollständige Übertragung der beim Eventualvorsatz vertretenen Abgrenzungskonzeption lehnt Giehring allerdings trotz gewisser Parallelen ab. Insbesondere die voluntative Komponente wie die „Billigung des möglichen Erfolgseintritts“ 52 lasse keine Aussage über die Angriffsintensität zu. 53 Allein das Wissen um die Wahrscheinlichkeit, also die subjektive Einschätzung des Wahrscheinlichkeitsgrades eines bestimmten Erfolgseintritts, könne für die Abgrenzung des betrugsrelevanten vom -irrelevanten Irrtum maßgeblich sein. 54 Die Annahme eines betrugsrelevanten Irrtums sei gerechtfertigt, wenn der Verfügende die Wahrheit der behaupteten Tatsache jedenfalls für wahrscheinlicher hält als ihre Unwahrheit, so genannte überwiegende Wahrscheinlichkeit. 55 Den Vorteil des Kriteriums „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ sieht er dabei in zweierlei Hinsicht. Diese Auslegung decke sich einerseits mit dem normalen Sprachverständnis eines Irrtums und andererseits sei es kriminalpolitisch angemessen, dass derjenige, der die Unwahrheit für ebenso wahrscheinlich wie ihre Wahrheit hält, das Schädigungsrisiko trage. 56 Eine dem Lösungsvorschlag Giehrings ähnelnde Konzeption vertritt Krey. 57 Er stellt ebenso auf das Bewusstsein über den Wahrscheinlichkeitsgrad der be49

Giehring, GA 1973, S. 1, 17. Zum Streitstand vgl. Fischer, § 15 Rn. 9 ff.; Lackner / Kühl, § 15 Rn. 23 ff.; MüKomm / Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 270 ff.; Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 72 ff.; SK / Rudolphi, § 16 Rn. 39 ff. 51 Giehring, GA 1973, S. 1, 19. 52 So bei der herrschenden Billigungstheorie, vgl. dazu Fischer, § 15 Rn. 9a f.; Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 81 f.; SK / Rudolphi, § 16 Rn. 39. 53 Giehring, GA 1973, S. 1, 19. 54 Giehring, GA 1973, S. 1, 20. 55 Giehring, GA 1973, S. 1, 21. 56 Giehring, GA 1973, S. 1, 22. 57 Zumindest bis zur 12. Auflage seines Studienbuches „Strafrecht BT Bd. 2“. 50

III. Faktisch-naturalistischer Ansatz

91

haupteten Tatsache ab. Ein betrugsrelevanter Irrtum soll jedoch schon vorliegen, wenn der Getäuschte die vom Täter behauptete Tatsache zumindest für wahrscheinlich wahr hält. 58 Schmidhäuser will im Einklang mit der herrschenden Ansicht die bloße Möglichkeitsvorstellung seitens des Opfers genügen lassen, ergänzt diese Auslegung aber um das zusätzliche Kriterium des „Wahrscheinlichkeitsgrades“. Er verlangt, dass das Opfer die behaupteten Tatsachen „für so naheliegend ansieht, dass es darauf den Entschluß zu eigenem Verhalten stützen zu können glaubt“. 59 Die Idee, die Irrtumsauslegung in Abhängigkeit zur Einschätzung des Wahrscheinlichkeitsgrades zu stellen, überzeugt im Ergebnis nicht. Diese Grundkonzeption, die alle so genannten Wahrscheinlichkeitstheorien verbindet, ist vor allem praktischen Bedenken ausgesetzt. 60 Giehring verweist zwar auf den Balanceakt zwischen einer möglichst weitgehenden Erfassung aller motivierenden Fehlvorstellungen und einer angemessenen Begrenzung des Schutzbereiches des § 263 StGB, den die Wahrscheinlichkeitstheorien ermöglichten. 61 Der Vorstellungsgrad des Opfers über die Täterbehauptungen lässt sich jedoch nur schwer ermitteln oder gar beweisen. 62 Das Urteil würde insbesondere maßgeblich von den Einlassungen des Angeklagten abhängen und kaum anhand äußerlich erkennbarer Kriterien nachprüfbar sein. 63 Zur Kritik am faktisch-naturalistischen Ansatz an sich siehe Abschnitt 5. auf Seite 100. b) Amelung Amelung schlägt eine Differenzierung zwischen allgemeinen und solchen Zweifeln vor, die sich auf konkrete Anhaltspunkte stützen. 64 Nur die letzteren konkreten Zweifel schließen nach seiner Auffassung einen betrugsrelevanten Irrtum aus. 65 Amelung liest in den Irrtumsbegriff die Voraussetzung hinein, dass dem Opfer nicht bewusst sein darf, dass Vorstellung und Realität auseinander fallen können; eine Voraussetzung die bei konkreten Zweifeln nicht gegeben

58

Krey, Rn. 373; vgl. dazu auch Krey / Hellmann, Rn. 372a. Schmidhäuser, Kap. 11 Rn. 11. 60 Amelung, GA 1977, S. 1, 8; Kurth, S. 140; LK / Lackner, § 263 Rn. 71; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 86; SK / Hoyer, § 263 Rn. 72. 61 Giehring, GA 1973, S. 1, 21. 62 BGH, NStZ 2003, 313; Amelung, GA 1977, S. 1, 8; Idler, JuS 2004, S. 1037, 1039; LK / Lackner, § 263 Rn. 71; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 86; SK / Hoyer, § 263 Rn. 72. 63 Amelung, GA 1977, S. 1, 8; Kurth, S. 140. 64 Amelung, GA 1977, S. 1, 6 f. 65 Amelung, GA 1977, S. 1, 7 f. 59

92

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

sei. 66 Widersprüchliche Täteraussagen, spezielle Geschäftsumstände 67 oder in besonderen Fällen auch Eigenschaften des Geschäftspartners könnten beispielsweise solche konkreten Anhaltspunkte begründen. 68 Allein der Umstand, dass der Geschäftspartner der anderen Seite – wie im heutigen Wirtschaftsverkehr üblich – nicht näher bekannt ist, sieht Amelung allerdings nicht als konkreten Anhaltspunkt an. 69 Die Unterscheidung zwischen konkreten und vagen Zweifeln rechtfertigt Amelung entsprechend dem viktimologisch-teleologischen Ansatz mit Gründen der Schutzbedürfigkeit. Personen mit unsubstantiierten Zweifeln ständen anders als bei konkreten Zweifeln keine (zumutbaren) Selbstschutzmöglichkeiten zur Verfügung, so dass sie des Schutzes durch das Strafrecht bedürften. 70 Amelung entnimmt diese Differenzierung unter anderem dem speziellen Tatbild des § 263 StGB. Er unterscheidet zwischen Delikten, die ein „Rund-um-Vertrauen“ gewährleisten 71 und solchen Delikten, die nur spezifische Sozialkontakte 72 schützen, wie es bei § 263 StGB der Fall sei. 73 Im Gegensatz zu den rundum schützenden Normen seien bei den auf ein spezielles Vertrauen gerichteten Delikten dem Opfer Selbstschutzmaßnahmen, sei es auch nur die Vermögensverfügung zu unterlassen, ohne großen Freiheitsverlust zumutbar. 74 Die Eigenverantwortung werde darüber hinaus nur in einem Bereich gefordert, der Ansatzpunkte für konkrete Schutzmaßnahmen biete. Bei dem Versuch, die „konkreten Zweifel“ weiter zu konkretisieren, stößt man in der praktischen Anwendung jedoch schnell an seine Grenzen. 75 Ellmer ist zwar Recht zu geben, dass im Gegensatz zu den so genannten Wahrscheinlichkeitstheorien ein höherer Grad an Objektivität erreicht werden kann, da die Vorgabe eines konkreten Anhaltspunktes einem Beweis weit eher zugänglich ist. 76 Dennoch verbleibt – wie letztendlich auch Ellmer resümiert – eine unbefriedigende Unbestimmtheit. 77 Ab welcher Intensität ein Zweifel als konkret zu 66

Amelung, Eser-FS, S. 3, 21. Amelung benennt als Beispiel, dass ein angeblich echter Teppich an der Haustür verkauft wird, vgl. Amelung, GA 1977, S. 1, 7. 68 Amelung, GA 1977, S. 1, 7. 69 Amelung, GA 1977, S. 1, 7. 70 Amelung, GA 1977, S. 1, 6. 71 Zum Beispiel alle Tötungstatbestände. 72 So genanntes „gerichtetes Vertrauen“, vgl. dazu Amelung, Eser-FS, S. 3, 17. 73 Vgl. dazu Amelung, Eser-FS, S. 3, 7 ff. 74 Amelung, Eser-FS, S. 3, 17, 19. 75 Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 415. 76 Ellmer, S. 152. 77 Ellmer, S. 152; Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 415; SK / Samson / Günther, § 263 Rn. 57. 67

III. Faktisch-naturalistischer Ansatz

93

klassifizieren ist, kann Amelung insbesondere nicht allgemeingültig beantworten. Auch Herzberg argumentiert in diese Richtung und wirft Amelung vor, Ausnahme und Regel zu vertauschen. 78 Er weist zutreffend darauf hin, dass Zweifel ihre Grundlage in etwaigen Auffälligkeiten oder Erfahrungen haben, die zwangsläufig zugleich einen mehr oder minder gewichtigen konkreten Anhaltspunkt darstellen oder aufzeigen. 79 Zur Kritik am faktisch-naturalistischen Ansatz an sich vergleiche überdies Kapitel 5. auf Seite 100. c) R. Hassemer Raimund Hassemer schlägt vor, zwischen diffusen und konkreten Zweifeln zu unterscheiden. 80 Nur die konkreten Zweifel schlössen einen betrugsrelevanten Irrtum aus. 81 Der zu Täuschende müsse über die allgemeine Unsicherheit am Wahrheitsgehalt hinaus in einer spezifischen Form an der Richtigkeit der Täteraussagen zweifeln, um die Zweifel als konkret zu bezeichnen. 82 Der diffus Zweifelnde hege hingegen nur ein unspezifizierbares Misstrauen gegenüber der anderen Seite. 83 Er wisse um das verbleibende Risiko einer Vermögensschädigung, habe aber keine realistische Möglichkeit diesen unspezifizierten Zweifeln nachzugehen. 84 R. Hassemer verdeutlicht seine Konzeption am Beispiel des Gebrauchtwagenkaufs. Hier sei man sich üblicherweise darüber im Klaren, dass solche Geschäfte einen „idealen Nährboden für Täuschungsmanöver des Verkäufers“ bieten. 85 Dem potentiellen Käufer sei daher bewusst, dass er Teilbereiche der Verkäuferangaben, zum Beispiel Unfallfreiheit und Kilometerleistung, nicht unreflektiert hinnehmen dürfe, sondern deren Glaubhaftigkeit mit gebotenem Misstrauen begegnen müsse. 86 Stelle der Käufer nun fest, dass zum Beispiel die Kühlerhaube farblich nicht harmonisiere, ändere der schon bestehende unspezifizierte Zweifel an der Unfallfreiheit seinen Charakter. 87 Der zunächst diffuse Zweifel habe sich dann zum konkreten Zweifel entwickelt. 88 Den wesentlichen Unterschied zur Konzeption Amelungs sieht R. Hassemer in einem veränderten Bezugspunkt. Amelung frage nach konkreten Ansatzpunkten 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88

Herzberg, GA 1977, S. 289, 292 f. Herzberg, GA 1977, S. 289, 293. R. Hassemer, S. 131 ff. R. Hassemer, S. 140 ff. R. Hassemer, S. 134 f. R. Hassemer, S. 133. R. Hassemer, S. 132 f. R. Hassemer, S. 134. R. Hassemer, S. 134. R. Hassemer, S. 134. R. Hassemer, S. 134; vgl. auch die Darstellung bei Tischler, Jura 1988, S. 122, 124.

94

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

für die Zweifel, während er auf die interne kognitive Situation des potentiellen Opfers abstelle. Maßgeblich sei danach, wie das Opfer zur Richtigkeit der Behauptungen des Täters stehe. 89 R. Hassemer stellt den Verlust des Strafrechtsschutzes ferner unter die einschränkende Voraussetzung, dass die Erhebung weiterer Informationen möglich und zumutbar seien. 90 Unmöglichkeit bestehe, wenn die benötigten Informationen nicht zu erlangen sind. 91 Der Begriff der Zumutbarkeit könne dagegen inhaltlich nicht weiter aufgefüllt werden. Die exakten Grenzen zu bestimmen, sei der Rechtsprechung überlassen. 92 R. Hassemer stellt bei der Begründung seines Lösungsvorschlags rechtspolitische Erwägungen in den Vordergrund. Die Funktion des Irrtumsmerkmals sei es, Täterverhalten mit geringem Gefahrenpotential aus dem Schutzbereich des Betruges auszuscheiden. 93 Der Teilnehmer am Geschäftsverkehr sei nur in Situationen schutzbedürftig, in denen er mit Rücksicht auf die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs gezwungen ist, Vermögensdispositionen ohne vollständige Informationsausstattung zu treffen. 94 Sind die Informationen dagegen zumutbar zu erlangen, sei es gerechtfertigt, dem Geschädigten das Irrtumsrisiko tragen zu lassen, wenn er trotz konkreter Zweifel diese Schutzmaßnahmen nicht nutzt. 95 Vom Anwendungsbereich des § 263 StGB seien daher Fälle ausgeschlossen, in denen das Opfer trotz konkreter Zweifel wegen „Trägheit“ oder aufgrund eines bewusst eingegangenen Risikos über das Vermögen verfüge. 96 Der echte Beweggrund für die Vermögensverfügung in den letzteren Fällen eines bewusst eingegangenen Risikos sei nicht die Täuschung des Täters, sondern die Gewinnerzielungsabsicht des potentiellen Opfers. 97 R. Hassemer verweist auf die Fälle, in denen ein Warenversandhaus trotz Säumigkeit des Schuldners weiterhin Waren ausliefert oder Banken großzügig Kreditkarten / Kredite einräumen, 98 die im Rahmen der hiesigen Untersuchung der Fallgruppe „Spekulative Geschäfte“ (Kapitel A. ab Seite 18) zugeordnet sind. Als einen Fall der Trägheit 99 beschreibt R. Hassemer die Situation, in der das Opfer keine weiteren Informationen einholt,

89

R. Hassemer, S. 152 f. R. Hassemer, S. 159 ff. 91 R. Hassemer, S. 159. 92 R. Hassemer, S. 159 f. 93 R. Hassemer, S. 118. 94 R. Hassemer, S. 147. 95 R. Hassemer, S. 136 f. 96 R. Hassemer, S. 161 ff. 97 R. Hassemer, S. 163. 98 R. Hassemer, S. 163 ff.; siehe dazu auch die Darstellung bei Kurth auf Seite 108. 99 Die Fallgruppe „Bequemlichkeit / Trägheit“ bilden ebenfalls Amelung, GA 1977, S. 1, 11; Kurth, S. 192 f. 90

III. Faktisch-naturalistischer Ansatz

95

weil es diese für zu aufwendig hält. 100 Auf Seiten des Verfügenden bestehe in diesen Fällen kein Schutzbedürfnis. Vielmehr prämierte man die Nachlässigkeit, wenn man den Anwendungsbereich des § 263 StGB eröffnete. 101 R. Hassemer ist zuzustimmen, dass diese Konstellationen eine potentiell berücksichtigungsfähige Opfermitverantwortung enthalten. Die Konzeption als eigenständige Fallgruppe neben den Konstellationen der „Risikoabwägung“ überzeugt jedoch nicht. Bei der Fallgruppe „Trägheit“ handelt es sich im Grunde ebenfalls um eine Art von Risikogeschäft. Risiken werden auch hier miteinander abgewogen, nur die Motivation ist eine andere. Es werden nicht geschäftliche Interessen wie Gewinnund Umsatzziele, sondern einfach der Aufwand weiterer Informationseinholung zum möglichen Vermögensverlust ins Verhältnis gesetzt. Die Ansicht R. Hassemers ist unabhängig von den kriminalpolitischen Erwägungen – wie auch die Konzeption Amelungs – als zu unbestimmt abzulehnen. 102 Auch wenn R. Hassemer dem konkreten Zweifel den diffusen Zweifel gegenüberstellt, bleibt weitgehend offen, welche Umstände die Zweifel konkret werden lassen. 103 Die entsprechende Kritik am Lösungsvorschlag Amelungs auf Seite 92 gilt hier sinngemäß. Die konkrete Umsetzung weist darüber hinaus systematische Mängel auf. So will R. Hassemer die Grenze der Selbstschutzmöglichkeiten „gleichsam zweispurig“ 104 bestimmen. Das Opfer müsse einerseits einen konkreten Zweifel faktisch nicht beseitigt haben. 105 Dieses Erfordernis grenzt er andererseits normativ durch das Korrektiv der Unzumutbarkeit wieder ein. 106 Zutreffend meinen Pawlik und Seier, dass dann mit der Kernthese etwas nicht stimmen kann. 107 d) Herzberg Herzberg verweist auf einen sachlich systematischen Zusammenhang zwischen der Problematik der Opferzweifel beim Irrtumsbegriff und der Relevanz von Willensmängeln bei der rechtfertigenden Einwilligung. 108 Die von § 263 100

R. Hassemer, S. 162 so auch Kurth, S. 192 f. R. Hassemer, S. 162. 102 So auch Ellmer, S. 153. 103 SK / Hoyer, § 263 Rn. 72, dem die Beispiele R. Hassemers vor allem auch zu pauschal erscheinen. Ähnlich Kurth, S. 149. 104 R. Hassemer, S. 129. 105 R. Hassemer, S. 140 ff., 157. 106 R. Hassemer, vgl. auch Pawlik, Betrug, S. 54. 107 Pawlik, Betrug, S. 54; Seier, S. 281. Ferner mit Kritik an der systematischen Umsetzung Arzt, GA 1982, S. 522, 523; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 34 f.; Maiwald, ZStW, Bd. 96, 1984, S. 73 f. 108 Herzberg, GA 1977, S. 289, 295. 101

96

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

StGB geforderte Vermögensverfügung bilde die Parallele zur Einwilligung und das Irrtumsmerkmal habe die Funktion, die Fälle mangelfreier Einwilligung in den Vermögensverlust aus dem Tatbestand des Betruges auszuscheiden. 109 Dieser systematische Zusammenhang rechtfertige es, den Irrtumsbegriff mit den Einwilligungsregeln zu harmonisieren. Die Streitfrage, welcher Art ein Irrtum sein muss, um die Zustimmung wirkungslos zu machen, kehre in der Betrugsdogmatik wieder. 110 Stelle der Umstand, dass das Opfer trotz Zweifel an der vom Täter behaupteten Tatsache über sein Vermögen verfügt, bei einem anderen Vermögensdelikt in vergleichbarer Falllage eine wirksame Einwilligung dar, sei ein betrugsrelevanter Irrtum zu verneinen. 111 Für die konkrete Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Zweifeln zieht Herzberg einen Vergleich mit § 246 StGB. Er weist darauf hin, dass eine rechtswidrige Zueignung nicht durch eine Einwilligung ausgeschlossen ist, nur weil die Sachen zweifelnd, mit der Eventualität des unredlichen Verlustes rechnend, herausgegeben wurden. Für die Annahme einer die Einwilligung ausschließenden rechtsgutsbezogenen Fehlvorstellung genüge bereits der Glaube an die Ehrlichkeit des Täters. Um unvertretbare Widersprüchlichkeiten zu einer möglichen Betrugsstrafbarkeit zu vermeiden, sei diese Wertung auch bei der Auslegung des Irrtumsmerkmals zu berücksichtigen. 112 Herzberg sieht mit seiner Konzeption im Ergebnis das weite Irrtumsverständnis der herrschenden Meinung bestätigt, die für einen Irrtum als ausreichend erachtet, dass das Opfer die Wahrheit der behaupteten Tatsache, wenn auch noch so gering, für möglich hält. 113 Der sachlich systematische Zusammenhang, den Herzberg zwischen dem Irrtumsmerkmal des § 263 StGB und der Lehre von den Willensmängeln erkennen will, ist jedoch nicht nachzuvollziehen. 114 Herzberg verkennt, dass sich die Bezugspunkte des Irrtums bei § 263 StGB und die Fehlvorstellung des Opfers in dem von Herzberg zur Unterschlagung gebildeten Fall nicht entsprechen. 115 Dem Geschädigten ist, anders als im Beispielsfall Herzbergs, die Vermögensverfügung bewusst. 116 Die Fehlvorstellung bezieht sich auf die Motivationslage, die das potentielle Opfer zur Vermögensdisposition bewegt. 117 Der von Herzberg herangezogene Vergleich trägt im Ergebnis folglich nicht. Der Rekurs auf die Einwilligungslehre erhebt darüber hinaus auch grundsätzliche Bedenken. 109 110 111 112 113 114 115 116 117

Herzberg, GA 1977, S. 289, 296. Herzberg, GA 1977, S. 289, 296. Herzberg, GA 1977, S. 289, 296. Herzberg, GA 1977, S. 289, 296 f. Herzberg, GA 1977, S. 289, 297. So auch Ellmer, S. 153 f.; Kurth, S. 140 f.; SK / Samson / Günther, § 263 Rn. 56. Ellmer, S. 153 f.; SK / Hoyer, § 263 Rn. 71. SK / Hoyer, § 263 Rn. 71; ähnlich Kurth, S. 140 f. SK / Hoyer, § 263 Rn. 71; ähnlich Kurth, S. 140 f.

III. Faktisch-naturalistischer Ansatz

97

Herzberg nutzt die Einwilligungslehre, um den Tatbestandsausschluss bei § 263 StGB zu rechtfertigen, verkennt aber, dass die Einwilligung nach herrschender Auffassung lediglich die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließt. 118 Tatsächlich müsste Herzberg auf die Regeln zum tatbestandsausschließenden Einverständnis zurückgreifen. 119 Dort sind Mängel bei der Willensbildung aber unerheblich. 120 Zur Kritik am faktisch-naturalistischen Ansatz an sich vergleiche überdies Kapitel 5. auf Seite 100. 3. Abstützung des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs Der viktimologisch-teleologische Grundgedanke stützt nach Schünemann und Barton den juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff 121, der im Gegensatz zum wirtschaftlichen Vermögensbegriff 122 dem Vermögen nur die wirtschaftlichen Güter einer Person zuordnet, die nicht durch die Rechtsordnung missbilligt werden. 123 Die Integration des Aspekts der Opfermitverantwortung in den Vermögensbegriff vermeide, wie auch die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre, kriminalpolitisch ungeeignete Ergebnisse, wie sie im Gegensatz beim uferlosen Schutz durch den wirtschaftlichen Vermögensbegriff aufträten. Eine Beeinträchtigung des Vermögens müsse demnach aus kriminalpolitischer Sicht abgelehnt werden, sofern das Opfer bewusst gegen seine Interessen handle. 124 Schünemann veranschaulicht seine Argumentation anhand der Fallgruppe „betrügerische Ablistung eines rechtswidrigen Besitzes“. Der Schutz rechtswidrigen Besitzes durch das Strafrecht sei nicht notwendig, weil das potentielle Opfer 118

Hanisch, S. 142. Zur herrschenden Meinung vgl. ferner BGHSt 16, 309; 23, 3; Fischer, Vor § 32 Rn. 3b f.; Lackner / Kühl, Vor § 32 Rn. 10; LK / Rönnau, Vor § 32 Rn. 147; Schönke / Schröder / Lenckner / Sternberg-Lieben, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 29, 33 ff. 119 Hanisch, S. 142 f. 120 Hanisch, S. 142 f. Zur Unbeachtlichkeit von Willensmängeln vgl. statt vieler Fischer, § 123 Rn. 23; Wessels / Beulke, Rn. 367. 121 Barton, StV 1987, S. 485; Schünemann, Faller-FS, S. 357, 363 f.; Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 417. Ellmer hält einen Einfluss der Opfermitverantwortung auf die Auslegung des Vermögensbegriffs – ohne dass er diesen Ansatz weiterverfolgt – zumindest für diskussionswürdig, vgl. Ellmer, S. 137 ff. 122 Die wohl herrschende Meinung befürwortet den wirtschaftlichen Vermögensbegriff, vgl. RGSt 16, 1; 44, 231 ff.; 47, 67; 65, 4; 68, 380; BGHSt 1, 264; 2, 365 ff.; 3, 99; 8, 256; 15, 85 ff.; 16, 220; KG, NJW 2001, 86; OLG Hamburg NJW 1966, 1525f.; Blei, S. 216 f., 231; Bruns, Mezger-FS, S. 335, 343 f.;Fischer, § 263 Rn. 89; Wessels / Hillenkamp, Rn. 534. 123 Zum juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff (mit Unterschieden im Einzelnen) vgl. Cramer, S. 100 ff.; 550 ff.; Foth, GA 1966, S. 33, 42, 45 f.; Franzheim, GA 1960, S. 269, 276; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 33 m.w.N.; Lenckner, JZ 1967, S. 105, 107; LK / Lackner, § 263 Rn. 123; SK / Samson, § 263 Rn. 112 ff. 124 Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 416.

98

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

eine Schädigung schon dadurch verhindern könne, dass es keine rechtswidrigen Sachen erwerbe. Der deliktische Vermögenswert sei zudem ein „Verwirkungstatbestand par excellence“. 125 Schünemann sieht ferner über die Bedeutung beim juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff hinaus eine Relevanz der Viktimodogmatik beim Verfügungsbegriff. Viktimologische Aspekte bestätigten hier die Richtigkeit, einen funktionalen Zusammenhang zwischen Irrtum und Vermögensschaden zu fordern. 126 Barton nimmt dagegen die Konstellation des Dirnenlohnprellens 127 zum Anlass seiner Ausführungen. Er betont, dass „am ehesten in Fällen wie diesen, wo jeder Interaktionspartner (Prostituierte und Freier) um die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäftes weiß und in der ‚Szene‘ übliche Sicherungsvorkehrungen dennoch mißachtet (‚Vorleistung‘)“, der Gedanke der Opfermitverantwortung Berücksichtigung finden muss. 128 Die knapp gehaltenen Ausführungen Schünemanns und Bartons lassen die Begründung ihrer Auffassung größtenteils im Unklaren. Ein umfassendes Konzept, nach dem die Opfermitverantwortung zu berücksichtigen ist, wird nicht deutlich. Sie scheinen den Gedanken der Opfermitverantwortung vielmehr nur isoliert heranzuziehen, um ihre Auslegung des Vermögens- beziehungsweise Verfügungsbegriffs zu stärken. Zur generellen Kritik am faktisch-naturalistischen Ansatz siehe im Abschnitt 5. ab Seite 100. 4. „Vermögensschaden“ Für den Sonderfall, dass das Opfer an der Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen zweifelt, schließt sich Beulke der Konzeption Amelungs an. 129 Eine Relevanz der Opfermitverantwortung sieht er darüber hinaus auch beim Schadensbegriff. Die Konzeption Beulkes zielt darauf ab, die von der überwiegenden Auffassung eröffnete Möglichkeit, einen Vermögensschaden auch unter dem Gesichtspunkt

125

Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 417. Schünemann, Faller-FS, S. 357, 363 f.; Schünemann, Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, S. 407, 416. Zum Erfordernis eines funktionalen Zusammenhangs zwischen Irrtum und Vermögensschaden siehe BGH, StV 2002, 132; Hillenkamp, JuS 2003, S. 157 f.; Mitsch, § 7 Rn. 63. 127 Barton bezieht sich auf einen Beschluss des Fünften Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. April 1987 (StV 1987, 484). Dieser Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass eine Prostituierte nach Durchführung von sexuellen Leistungen um den ihr versprochenen Lohn geprellt wurde. 128 Barton, StV 1987, S. 485. 129 Beulke, JR 1978, S. 390. Nach Amelung fehlt es an einem betrugsrelevanten Irrtum, wenn die Zweifel des Opfers auf einem konkreten Anhaltspunkt beruhen, siehe dazu oben Seite 91 ff. 126

III. Faktisch-naturalistischer Ansatz

99

einer (schadensgleichen) konkreten Vermögensgefährdung 130 zu bejahen, unter viktimodogmatischen Aspekten zu begrenzen. Anlass ist ein Urteil des Landgerichts Mannheim, dass über einen Sachverhalt zu entscheiden hatte, in dem ein Mieter vorgab, die Wohnung für seine Sekretärin anzumieten, diese tatsächlich aber an ein Call-Girl überlassen hatte. 131 Das Landgericht Mannheim hat eine konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung mit der Begründung angenommen, dass die übrigen Wohnungen im Haus erschwert zu vermieten seien. 132 Diese Annahme hält Beulke solange für verfehlt, wie das Opfer den Schadenseintritt durch Selbstschutzmaßnahmen selbst abwenden könne. 133 Der Vermieter könne im vorliegenden Fall beispielsweise die Gefahr einer Rufschädigung durch den Gebrauch seines außerordentlichen Kündigungsrechts verhindern. 134 Die Konzeption Beulkes ermöglicht aber nur, einen Teilbereich möglicher Opfermitverantwortung zu bewerten. Konstellationen, in denen dem Opfer aufgrund praktischer Zufälligkeiten keine Abwendungsmöglichkeit, wie zum Beispiel Rücktritts- oder Kündigungsrecht, zusteht, sind von vornherein einer Bewertung entzogen, selbst wenn dem Opfer bei Abschluss des Geschäftes eine erhebliche Mitverantwortung trifft. Der Lösungsvorschlag Beulkes differenziert andererseits nicht ausreichend nach der Ursache der Mitverantwortung. Die betrugsrechtliche Bewertung kann nicht allein von der Tatsache abhängen, ob das Opfer seine Schadensabwendungsmöglichkeit ungenutzt gelassen hat. 135 Sie muss sich daran orientieren, weshalb das Opfer keinen Gebrauch von Schadensabwendungsmöglichkeiten gemacht hat. Nur so lassen sich weiterhin Fälle als Betrug rechtfertigen, in denen der Täter gerade auch gezielt über Schadensabwendungsmöglichkeiten täuscht. 136 Der Lösungsvorschlag von Beulke illustriert also wiederum, dass zur Lösung des weiten Bereichs Opfermitverantwortung ein spezifisches, an Teilbereiche anknüpfendes Abgrenzungskriterium ungeeignet ist. 137 Zur generellen Kritik am faktisch-naturalistischen Ansatz siehe im Abschnitt 5. ab Seite 100.

130

BGHSt 21, 112; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 123; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 143; Fischer, § 263 Rn. 94 jew. m.w.N.; krit. Naucke, StV 1985, S. 187; Schröder, JZ 1965, S. 513, 516. 131 LG Mannheim, NJW 1977, 160. 132 LG Mannheim, NJW 1977, 160; vgl. ferner Beulke, NJW 1977, S. 1073. 133 Beulke, NJW 1977, S. 1073. 134 Beulke, NJW 1977, S. 1073. 135 Ähnlich Ellmer, S. 160, der zutreffend bemerkt, dass die maßgebliche Frage ist, wem die Verantwortung dafür zuzuweisen ist, dass es zum Schaden gekommen ist. 136 Ähnlich Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 38. 137 Weitere Kritikansätze bei Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 36 ff.

100

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

5. Kritik Zum Schluss verbleibt die Bewertung der all diese Versuche verbindenden faktisch-naturalistischen Grundannahme. Der Umfang an zumutbaren Selbstschutzmaßnahmen bestimmt sich danach – wie oben aufgezeigt – nach der realen psychischen Konstitution des Opfers. 138 Diese Kernthese ist es jedoch, die gerade nicht überzeugen kann. Schnell stößt man auf strafrechtspolitisch unerwünschte Folgen. So werden besonders leichtfertige Opfer, die bedenkenlos den Aussagen des Täters Glauben schenken, nach dem naturalistischen Ansatz gegenüber ängstlichen Opfern rechtlich besser gestellt. 139 Ein Opfer, das leichtfertig erst gar nicht über etwaige Schutzmöglichkeiten nachdenkt, erscheint doch aber weniger schutzbedürftig als ein besonders ängstliches Opfer. 140 Amelung argumentiert zwar damit, dass das besonders leichtgläubige Opfer stärker den Gefahren durch einen Betrüger ausgesetzt und daher erst recht dem Schutz durch das Strafrecht bedürftig sei. Emotionale Ursachen entschieden maßgeblich über die Anfälligkeit für plumpe Täuschungen, 141 weshalb es nur allein auf die psychologische Situation ankommen könne, in der sich das Opfer befinde. Der Leichtgläubige sei in einer ungünstigeren psychologischen Lage als der Zweifelnde, weil er eben keinen Anlass zur Verteidigung sehe. 142 Diesem Rückschluss fehlt jedoch die Folgerichtigkeit. Von einer besonderen Leichtfertigkeit des Opfers auf eine erhöhte Schutzbedürftigkeit des Opfers zu schließen, ist deswegen bedenklich, weil die Leichtfertigkeit des Opfers in aller Regel aus einer vorwerfbaren Nachlässigkeit resultieren wird. 143 Die unplausiblen Ergebnisse verdeutlichen sich gerade auch in der Konstellation, in der das Opfer an der Wahrheit der behaupteten Tatsache zweifelt, auf die die Vertreter des faktisch-naturalistischen Ansatzes hauptsächlich rekurrieren. Die pauschale weitgehende Schutzlosstellung des vorsichtig und abwägend Agierenden ist verfehlt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Hintergrund der Problematik „Irrtum bei Zweifeln“ die etwaige Betrugsrelevanz einer Opfer138

Siehe oben Seite 87. Arzt / Weber, Rn. 418; Arzt, GA 1982, S. 522, 523; Derksen, S. 120; Döpfner, S. 208; Ellmer, S. 152 f., 166; Göbel, S. 130; Hennings, S. 147; Jänicke, S. 238; Krack, S. 39; Kurth, S. 145 f.; Maiwald, ZStW, Bd. 96, 1984, 75; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 61; Otto, Bankentätigkeit, S. 109; Pawlik, Betrug, S. 54 f., 226; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 40; Seelmann, JuS 1982, S. 268, 270. 140 In diese Richtung auch Maiwald, ZStW, Bd. 96, 1984, 75. 141 Amelung, GA 1977, S. 1, 9 f. mit Hinweis auf von Hentig, S. 201; Lenz, S. 64, 134. 142 Amelung, GA 1977, S. 1, 10. 143 Ein intellektuelles Defizit ist nicht zwingend Ursache der Leichtgläubigkeit. Die Beispiele aus Kapitel A. (vgl. dazu auf Seite 16 ff.) belegen nicht zuletzt, dass auch intellektuell gebildete und geschäftserfahrene Personen oftmals besonders leichtfertig handeln. So letztendlich auch Amelung, GA 1977, S. 1, 9 f., der dieses Ergebnis durch Untersuchungen zur Opferkunde belegt. 139

IV. Normativer Ansatz

101

mitverantwortung ist. 144 Grundvoraussetzung ist zunächst, dass die Zweifel ein Ausdruck bestehender Opfermitverantwortung sind. Bezugspunkt dieser Frage kann aber nicht das faktische Bestehen von Zweifeln sein, sondern der Umstand, ob das Opfer trotz gebotener Zweifel keine Selbstschutzmaßnahmen ergriffen hat. Diese normative Differenzierung vermag der faktisch-naturalistische Ansatz nicht zu leisten. Diese systematische Misere spiegelt sich teilweise sogar in den konkreten Umsetzungsversuchen wieder. R. Hassemer modifiziert zum Beispiel seinen faktisch-naturalistischen Ansatz wiederum normativ, um rechtspolitisch unsinnige Ergebnisse zu vermeiden. 145 Der faktisch-naturalistische Ansatz ist im Ergebnis wegen der aufgezeigten Mängel zu verwerfen. Die weiterführende Bewertung der viktimologisch-teleologischen Denkweise erfolgt im Zusammenhang mit der kritischen Auseinandersetzung mit dem normativen Ansatz unter Abschnitt 2. auf Seite 109.

IV. Normativer Ansatz 1. Darstellung Andere Ansichten nutzen den viktimologisch-teleologischen Grundgedanken in Kombination mit einer normativen Bewertung des Opferverhaltens. Bezugspunkt dieser Konzeptionen ist im Gegensatz zum faktisch-naturalistischen Ansatz nicht der Ist-Zustand, also die Tatsache, welche Fähigkeiten das Opfer infolge seiner psychischen Verfassung tatsächlich genutzt hat, sondern der SollZustand, also die Frage, welche Fähigkeiten es hätte aktivieren können. 146 Die Bewertung als betrugsrelevante Opfermitverantwortung richtet sich somit insbesondere nicht danach, ob das Opfer seine Selbstschutzmöglichkeiten auch erkannt hat oder in Hinblick auf die Problematik „Irrtum bei Zweifeln“ tatsächlich an der Wahrheit der vom Täter behaupteten Tatsache zweifelt. 147 Ein anderer Bewertungsmaßstab berge die Gefahr, sich unter Umständen in Widerspruch zur tatsächlichen Schutzbedürftigkeit des Opfers zu setzen, wie auch die kriminalpolitisch unerwünschten Ergebnisse des faktisch-naturalistischen Ansatzes aufzeigten. 148 § 263 StGB verhindere nach seinem Schutzzweck, dass jede Partei eines Rechtsgeschäfts den Angaben der jeweils anderen Seite mit ständigem

144

Siehe zu diesem Zusammenhang auch unten Abschnitt V. (Seite 179 f.). Vgl. R. Hassemer, S. 159 f. Siehe dazu auch unten im Abschnitt 2. auf Seite 109. 146 Naucke, Peters-FS, S. 109, 115; vgl. dazu auch Kamberger, S. 231; Pawlik, Betrug, S. 51, 224. 147 Vgl. Hassemer, Klug-FS, S. 217, 223; Seelmann, JuS 1982, S. 268, 270. 148 Kurth, S. 140 ff. Zum faktisch-naturalistischen Ansatz siehe oben Seite 100 ff. 145

102

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

Misstrauen begegne. 149 Der Schutz des Vertrauens könne aber nur soweit reichen, wie dieses berechtigt sei. 150 Missachte das Opfer objektive Tatsachen, die ein (begründetes) Misstrauen gegenüber den Täterbehauptungen angezeigt lassen, sei es nicht schützenswert, wenn es dennoch vertraue. 151 Das Opfer verletze in solchen Fällen seine „Obliegenheit zu Aufmerksamkeit und Kontrolle“. 152 Bei der konkreten Umsetzung differieren die normativ geprägten Ansichten. Auf die im Kapitel A. entwickelten Fallgruppen wird soweit möglich Bezug genommen. a) Anknüpfung an das Tatbestandsmerkmal „Täuschung“ Ellmer will über eine teleologische Reduktion des Täuschungsbegriffs nur besonders qualifizierte Täuschungen für die Verwirklichung des Betrugstatbestandes ausreichen lassen. 153 Nur Täuschungen, denen das Opfer auch bei sorgfältigem Verhalten erlegen wäre, sollen betrugsrelevant sein. 154 Die Betrugsstrafbarkeit sei im Einzelfall durch eine grobe Fahrlässigkeit des Opfers begrenzt. 155 Ellmer begründet diesen Maßstab zum einen mit einem Vergleich zur zivilrechtlichen Haftungserleichterung „diligentia quam in suis“, die dort endet, wo der Betreffende grob fahrlässig handelt. 156 Zum anderen nimmt er auf das von Jakobs entwickelte allgemeine Prinzip der Verantwortungsverteilung Bezug, wonach ein überdurchschnittlich leichtsinnig handelnder Rechtsteilnehmer für die Verletzung seines eigenen Rechtsguts vorrangig zuständig bleibt, selbst wenn ein anderer vorsätzlich einen kausalen Tatbeitrag geleistet hat. 157 Der Fahrlässigkeitsgrad des Opferverhaltens sei allerdings subjektiv, nach Maßgabe der indi149

Ellmer, S. 273 ff. Ellmer, S. 273, 276 ff.; insoweit zustimmend Kamberger, S. 231; krit. Krack, S. 69, der darauf verweist, dass der Wortlaut des Betrugstabestandes ebenso die Konstellationen des unberechtigten Vertrauens erfasse. 151 Ellmer, S. 277 f.; zustimmend Kamberger, S. 232. 152 Ellmer, S. 278. 153 Ellmer, S. 287. 154 Ellmer, S. 271 ff.; befürwortend: Hilgendorf, S. 110; Hilgendorf, JuS 1994, S. 466, 467; ähnlich Arzt / Weber, § 20 Rn. 49 f.; Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 112, der nur eine schwer durchschaubare, listige Täuschung ausreichen lassen will; Eick, S. 164 ff, die – allerdings begrenzt auf den Bereich der Werbung – die Betrugsstrafbarkeit ausgeschlossen sieht, wenn die Täuschung für das Opfer erkennbar war, wobei sie anders als Ellmer hinsichtlich der Erkennbarkeit der Täuschung einen objektiven Maßstab anlegt. Letzteres folge aus einer europarechtskonformen Auslegung in Hinblick auf § 16 UWG und den dazugehörigen Richtlinien der EU. Kamberger, S. 231 f. 155 Ellmer, S. 282 ff. 156 Ellmer, S. 284. 157 Ellmer, S. 284; vgl. dazu auch Jakobs, S. 525. 150

IV. Normativer Ansatz

103

viduellen Fähigkeiten des Opfers zu bestimmen, um den Schutz solcher Opfer sicherzustellen, die die gebotenen Obliegenheitspflichten wegen persönlicher Defizite nicht einhalten können. 158 Grenze der Aufklärungs- und Kontrollpflichten sei in jedem Fall die Zumutbarkeit. 159 Dieser Lösungsvorschlag findet der Sache nach in der herrschenden Betrugsdogmatik des schweizerischen Strafrechts seine inhaltliche Parallele. 160 Dort wird durch das selbständige Kriterium der Arglist erreicht, dass nur schwer durchschaubare, listige Täuschungen eine Betrugsstrafbarkeit auslösen. 161 Die Konzeption Ellmers beschränkt sich allerdings nicht notwendig auf die Konstellation der einfachen Lüge und unterscheidet sich demnach in dieser Hinsicht von der schweizerischen Betrugsdogmatik. 162 Gegen das Erfordernis einer qualifizierten Täuschung werden hauptsächlich praktische Bedenken geltend gemacht. Kurth hält diese Voraussetzung beispielsweise für zu unbestimmt und befürchtet willkürliche Abgrenzungen zwischen betrugsrelevanten und betrugsirrelevanten Täuschungshandlungen. 163 Er verweist vor allem auf die (historische) Gesetzgebung, die aus diesem Grund auf eine besonders qualifizierte Täuschung verzichtet habe. 164 Maiwald sieht die Rechtsprechung vor der kaum zu erfüllbaren Schwierigkeit, die individuellen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften des Geschädigten ermitteln zu müssen. 165 Diesen Kritikansatz hat Ellmer schon vorbeugend zu entkräften versucht. Die intellektuellen Fähigkeiten des Opfers würden in aller Regel den durchschnittlichen Anforderungen entsprechen, so dass die Bestimmung individueller Eigenschaften nur erforderlich werde, wenn Anhaltspunkte für eine „Anomalie“ beständen. 166 Ellmer verkennt jedoch mit dieser Einschätzung die Auswirkungen eines streng subjektiven Maßstabes. Soll der Fahrlässigkeitsgrad anhand der individuellen Opferfähigkeiten ermittelt werden, erfordert dies zwingend, in jedem einzelnen Fall die Charaktereigenschaften und den Intelligenzgrad zu bestimmen, da diese schließlich als Grundlage dienen. Nur ein objektiver Maßstab ermöglicht, zunächst von den Fähigkeiten eines durchschnittlichen Opfers auszugehen und dennoch bei konkreten Anhaltspunkten hochgradige Defizite zu berücksichtigen. Die aufgezeigten praktischen Schwierigkeiten von Ellmers 158

Ellmer, S. 283. Ellmer, S. 285. 160 So auch ausdrücklich Ellmer, S. 298; ferner Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 112. 161 BGE 72 IV 126; vgl. ferner Arzt / Weber, § 20 Rn. 49a; Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 112. Vgl. auch die obigen Ausführungen zur schweizerischen Betrugsdogmatik auf Seite 32 ff. 162 Ellmer, S. 298. 163 Kurth, S. 104; ähnlich SK / Hoyer, § 263 Rn. 73; dagegen Hilgendorf, S. 110. 164 Kurth, S. 104; so vorher schon Amelung, GA 1977, S. 1, 9. 165 Maiwald, ZStW, Bd. 103, 1991, 701. 166 Ellmer, S. 283. 159

104

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

Lösungsvorschlag bleiben somit bestätigt. Zur generellen Kritik am viktimodogmatisch-teleologischen Ansatz siehe Abschnitt 2. ab Seite 109. b) Anknüpfung an den Ursachenzusammenhang zwischen „Täuschung“ und „Irrtum“ Naucke vertritt die Meinung, dass nur Täuschungen, die allgemein geeignet sind, einen Irrtum herbeizuführen, vom Betrugstatbestand erfasst werden sollten. 167 Dogmatischer Anknüpfungspunkt dieser kriminalpolitischen Forderung soll der Ursachenzusammenhang zwischen Täuschung und Irrtum sein. 168 Naucke schlägt vor, diesen nicht auf der Grundlage der Äquivalenztheorie, sondern auf Basis des Adäquanzmaßstabes zu ermitteln. 169 Maßgeblich sei, ob ein verständiger Dritter in der Lage des Opfers der Täuschungshandlung erlegen wäre. 170 Die Intensität der Täuschung und die Gründe für die Täuschungsanfälligkeit seien die ausschlaggebenden Kriterien. 171 Naucke möchte so die leicht durchschaubare Täuschung aus dem Betrugstatbestand herausnehmen. Für die gegenteilige Entwicklung macht er vor allem die Anwendung der Äquivalenztheorie verantwortlich. Diese erfasse den Betrugstatbestand nur als einlineares Geschehen, 172 obwohl die Verhältnisse zwischen Täuschenden und zu Täuschenden wesentlich komplexer seien. 173 Im Wesentlichen diskutiert Naucke aber kriminalpolitisch. Er wendet sich gegen die unterschiedslose Behandlung leicht und schwer entdeckbarer Täuschungen. 174 Das Strafrecht dürfe Anhänglichkeit und Bequemlichkeit nicht fördern. 175 Die Unkenntnis über einfache wirtschaftliche Sachverhalte sei nicht durch das Strafrecht zu schützen, sondern durch eine breitgefächerte Ausbildung auf dem Gebiet des rechtsgeschäftlichen Verkehrs zu begegnen. 176 Für einen Strafrechtsschutz bestehe entsprechend dem viktimologisch-teleologischen Grundgedanken erst Raum, wenn Maßnahmen des Zivilrechts beziehungsweise der Sozialpolitik nicht greifen oder wie bei Kindern und Geisteskranken die Defizite nicht änderbar seien. 177 167

Naucke, Peters-FS, S. 109, 118. Naucke, Peters-FS, S. 109, 109 ff. 169 Naucke, Peters-FS, S. 109, 118. 170 Naucke, Peters-FS, S. 109, 118 f. 171 Naucke, Peters-FS, S. 109, 118. 172 Naucke, Peters-FS, S. 109, 111; ähnlich Amelung, GA 1977, S. 1, 17; Kurth, S. 108, 160; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 111; SK / Hoyer, § 263 Rn. 71. 173 Naucke, Peters-FS, S. 109, 112, 118. 174 Naucke, Peters-FS, S. 109, 111. 175 Naucke, Peters-FS, S. 109, 115. 176 Naucke, Peters-FS, S. 109, 115 f. 177 Naucke, Peters-FS, S. 109, 117; insoweit zustimmend Kamberger, S. 231. 168

IV. Normativer Ansatz

105

Unabhängig von diesen kriminalpolitischen Zielsetzungen 178 überzeugt schon der dogmatische Rekurs auf den Adäquanzgedanken nicht. Zwar dringt der oftmals gegen die Konzeption Nauckes vorgebrachte Einwand, zahlreiche Beispielsfälle belegten, dass auch plumpe Täuschungen geeignet seien, einen Irrtum hervorzurufen 179 und es folglich eben nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit liege, dass leicht durchschaubare Täuschungen zu einem Irrtum führen, 180 nicht durch. Naucke richtet seinen Adäquanzmaßstab schließlich – abweichend von der herkömmlichen Adäquanztheorie – nicht an der Lebenswahrscheinlichkeit 181, sondern – wie schon oben dargestellt – an einem fiktiven, idealisierten Opfer aus. 182 Auf dieser Grundlage ist ein auf einer leicht entdeckbaren Täuschung beruhender Irrtum inadäquat. 183 Allerdings ist die Verbindung des Adäquanzgedankens mit einem idealisierten Opfer wenig konsequent. Soweit Naucke schon auf den Gesichtspunkt der Lebenswahrscheinlichkeit zurückgreift, sollte er das Ergebnis auch an der Realität und nicht an einem Idealverhalten, das in dieser Form nicht existiert, ausrichten. Darüber hinaus ist die Idee, den Adäquanzmaßstab einseitig beim Betrugstatbestand zu fordern, während für alle übrigen Delikte weiter die Äquivalenztheorie gelten soll, dogmatisch nicht erklärbar. 184 Zur generellen Kritik am viktimodogmatisch-teleologischen Ansatz siehe im Abschnitt 2. ab Seite 109. Ein der Konzeption Nauckes ähnlicher Lösungsvorschlag von Blei greift indes noch weniger. Nach ihm soll es für den Sonderfall, dass das Opfer an der Wahrheit der Tatsachenbehauptung des Täters zweifelt, an dem Kausalzusammenhang zwischen dem „Irrtum“ und der „Vermögensverfügung“ fehlen, wenn „der Zweifel dem Verfügenden Gelegenheit gegeben hätte, sich vor Schaden selber zu bewahren“. 185 Die Restriktionsbemühungen 186 Bleis überzeugen aber bereits im Ansatz nicht. Abgesehen von der Regressverbotslehre ist es unstreitig,

178 Ablehnend gegenüber der kriminalpolitischen Argumentation Blei, JA 1974, S. 181, 184 f.; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 88 f.; SK / Samson, § 263 Rn. 62; Tröndle, JR 1974, S. 221, 224. 179 So Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 87 f., 147; Krack, S. 64; Kurth, S. 164 f.; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 61; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 111; ähnlich Hilgendorf, S. 106. 180 So ausdrücklich Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 147; Kurth, S. 165. 181 Danach bleiben Ursachen unberücksichtigt, die nach der Erfahrung des täglichen Lebens völlig unwahrscheinlich sind, den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen, vgl. Jescheck / Weigend, S. 230; Maurach / Zipf, § 18 II Rn. 30 ff.; SK / Rudolphi, Vor § 1 Rn. 54. 182 Vgl. auch Ellmer, S. 157; Jänicke, S. 209. 183 So auch Ellmer, S. 157. 184 Ellmer, S. 157 f.; Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 405. 185 Blei, S. 227. 186 Blei beschreibt seinen Vorschlag selbst nur als „Leitlinie“, vgl. Blei, S. 227.

106

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

dass bloße Mitursächlichkeit genügt. 187 Es dürfte wohl außer Frage stehen, dass das Verhalten des Täters mitursächlich für das Gelingen des Betruges ist. c) Anknüpfung an die Lehre vom Schutzzweck der Norm Kurth schließt sich zwar den grundsätzlichen kriminalpolitischen Erwägungen Nauckes an, 188 schlägt aber abweichend eine Lösung über die Lehre vom Schutzzweck der Norm vor. 189 Dem Täter ist danach ein von ihm verursachter Erfolg nur objektiv zurechenbar, wenn sein Verhalten in den Schutzbereich der Norm fällt. 190 Bei einer Mitverantwortung des Opfers sei zu prüfen, ob die Norm dazu bestimmt ist, eine Rechtsgutsverletzung der eingetretenen Art zu verhindern; 191 mithin, ob sich nur ein durch die Nachlässigkeit des Geschädigten gesetztes Risiko verwirklicht habe. Bleibt das Täterverhalten trotz Opfermitverantwortung vom Schutzzweck der Norm erfasst, 192 will Kurth dieses Opferverhalten strafmildernd bei der Strafzumessung berücksichtigen. 193 Der dogmatische Ansatz Kurths bleibt trotz der Tatsache, dass er zur konkreten Umsetzung ein Institut des Allgemeinen Teils bemüht, ein viktimodogmatischer. Der Schutzzweck des Betrugstatbestandes sei nämlich durch eine Abwägung zwischen Schutzwürdigkeits-, Geeignetheits- und Erforderlichkeitserwägungen zu ermitteln. 194 So betont er den Vorrang des Zivilrechts und die Funktion des Strafrechts, nicht vor jedem denkbaren Risiko zu schützen. 195 Auf die Lehre vom Schutzzweck der Norm greift Kurth zurück, um eine individualisierende 187

Ständige Rechtsprechung seit RGSt 76, 82, 86; BGHSt 39, 322, 324; siehe dazu auch Krüger, wistra 2003, S. 297, 298. 188 Kurth, S. 161 f. 189 Kurth, S. 169 ff. Harbort stellt ähnlich auf das im Rahmen der objektiven Zurechnung entwickelte Merkmal der Eigenverantwortlichkeit ab: „Trotz einer rechtlich missbilligten Gefahrschaffung entfällt die objektive Zurechenbarkeit auf Grund einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung durch das Opfer, wenn dieses objektiv zumindest leichtfertig gehandelt hat, subjektiv das Bewusstsein dafür hatte, eine Gefahr einzugehen, und es ferner kein einsichtiges Motiv für die Selbstgefährdung gab.“, vgl. Harbort, S. 58 ff., 192. Loch erwägt ähnlich – allerdings thematisch beschränkt auf den Adressbuch- und Anzeigenschwindel – einen Zurechnungsausschluss nach dem Selbstverantwortungsprinzip. Er vertieft diesen Gedanken jedoch nicht weiter, da sich das Opfer in diesen Fällen nie grob pflicht- oder sachwidrig verhalten würde, vgl. Loch, S. 139 ff. 190 Kurth, S. 172; ferner Jakobs, S. 184 ff.; Jescheck / Weigend, S. 229, 231 f.; Sax, JZ 1976, S. 9; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 95/96; SK / Rudolphi, Vor § 1 Rn. 64, 71 ff. 191 Kurth, S. 172. 192 Namentlich bei Okkultbetrug und Heiratsschwindel, vgl. Kurth, S. 233. 193 Kurth, S. 205, 233 ff. 194 Kurth, S. 175. 195 Kurth, S. 177 f.; siehe dazu auch oben Abschnitt II. (Seite 83 ff.).

IV. Normativer Ansatz

107

Betrachtungsweise zu ermöglichen. 196 Ein undifferenzierter Verzicht auf den Strafrechtsschutz bei entsprechender Opfermitverantwortung schaffe nur einen Anreiz zur Ausbeutung der Schwächeren. 197 Kurth benennt zum Schluss die vier Fallgruppen „(Kalkuliertes) Risiko- bzw. Spekulationsgeschäft“, „Mitverschulden eines Kaufmanns bei Handelsgeschäften“, „Mißbrauch von Kredit- oder Scheckkarte“ und „Fälle der Bequemlichkeit“, die nicht vom Schutzzweck des Betrugsverbots erfasst seien. 198 Kurth stellt dabei ausdrücklich heraus, dass diese Aufzählung nicht als abschließend gesehen werden dürfe. 199 Ergäben sich zum Beispiel neue viktimologische Erkenntnisse, müsse der Katalog unter Umständen erweitert werden. 200 Ein Vergleich mit den der hiesigen Untersuchung zugrunde gelegten Fallgruppen aus Kapitel A. wird dabei aufzeigen, dass viele der von Kurth als selbständige Fallgruppen ausgemachten Situationen tatsächlich einheitlich der Obergruppe „Spekulative Geschäfte“ zugeordnet werden können. • (Kalkuliertes) Risiko- bzw. Spekulationsgeschäft: 201 Kurth verweist beim „(kalkulierten) Risiko- bzw. Spekulationsgeschäft“ auf die wirtschaftliche Eigenverantwortung jeder Seite, die nur durch Zumutbarkeitserwägungen begrenzt sei. 202 Kurth benennt als Beispielssituationen zunächst die Fälle des Kreditbetruges und der Warenlieferung, ohne die Gegenleistung erhalten zu haben, die in der hiesigen Konzeption der Fallgruppe „Spekulative Geschäfte“ 203 zugeordnet sind. Unter die Fallgruppe sollen darüber hinaus die Fälle des so genannten Titel- und Ordenbetrugs, Geschäfte auf Basis von Zeitungsannoncen und der Handel mit Rohstoffoptionen fallen. Diese Zuordnung überzeugt jedoch nicht. Es ist nicht zu bestreiten, dass auch diese Fälle ein Risikoelement beinhalten. Der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Einordnung als Opfermitverantwortung dürfte jedoch ein anderer sein. Das Opfer geht beim Titel- und Ordenbetrug und bei den Geschäften auf Basis von Zeitungsannoncen nur wenig berechnend vor. Es glaubt vielmehr an die angegebenen Eigenschaften und die Qualität der angebotenen Dienstleistungen, ohne einen berechtigten Anhaltspunkt für die Richtigkeit zu haben. Demnach steht das Element „Leichtgläu-

196

Kurth, S. 173, 179 f. Kurth, S. 179 f. 198 Krit. Beckemper, S. 232, die die Ergebnisse Kurths als willkürlich bezeichnet. 199 Kurth, S. 196. 200 Kurth, S. 196. 201 Vgl. zu dieser Fallgruppe auch Amelung, GA 1977, S. 1, 13 f.; R. Hassemer, S. 163 ff. 202 Kurth, S. 184; ähnlich Seelmann, NJW 1980, S. 2545, 2548. Zum Betrug beim Handel mit Rohstoffoptionen ferner – wenngleich in anderem Zusammenhang – Kamberger, S. 230; Kühne, S. 64; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 31b. 203 Siehe dazu Kapitel A. ab Seite 18. 197

108

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

bigkeit“ im Vordergrund, 204 das beim Verfasser letztlich zur Einordnung dieser Fälle unter die Fallgruppe „Eigenschaftszuschreibung bzgl. Produkten und Dienstleistungen“ (vgl. ab Seite 26) geführt hat. Das Risikoelement ist beim Handel mit Rohstoffoptionen zwar stärker ausgeprägt, der maßgebende Punkt dürfte aber sein, dass das Opfer irreale Erwartungen hegt (vgl. zu dieser Fallgruppe ab Seite 21). Das Opfer wird in diesen Fällen weniger (kalkuliert) einen Vermögensverlust abwägen, sondern mehr an eine schnelle und weit überdurchschnittliche Vermögensmehrung glauben. • Mitverschulden eines Kaufmanns bei Handelsgeschäften: Diese Fallgruppe soll aus dem Schutzbereich des Betrugstatbestandes herausfallen, weil bei einem Kaufmann Vorsicht und Kritikfähigkeit vorausgesetzt werden könne. 205 Handele er aus gewinnsüchtigem Spekulationsinteresse, sei nur sein „persönliches Risiko“ betroffen. 206 Kriminalpolitisch ist an dieser Fallgruppe nichts zu beanstanden. Die Berechtigung, diese Situationen als eigenständige Fallgruppe zu klassifizieren, fehlt allerdings. Die Situation, dass das Opfer das Verlustrisiko bewusst in Kauf nimmt, wird durch die übergreifende Fallgruppe „Spekulative Geschäfte“ (vgl. ab Seite 18) abgedeckt, die auch Kurth entwickelt hat. Durchschlagende Gründe, Kaufleute isoliert zu betrachten, sind nicht ersichtlich. • Missbrauch von Kredit- und Scheckkarte: Den Missbrauch von Kredit- oder Scheckkarte sieht Kurth nicht vom Schutzzweck des § 263 StGB erfasst, sofern das Kreditinstitut die Karten zuvor sorglos ausgegeben habe. 207 Die Kreditinstitute könnten sich vor diesen Gefahren ausreichend selbst bewahren, indem sie beispielsweise eine Vertragsstrafe vereinbarten oder die Kreditkarte entzögen. 208 Ein Grund, diese Situationen als eigenständige Fallgruppe zu erfassen, fehlt allerdings auch hier. Das sorglose Ausgeben von Kreditkarten ist wie die Fallgruppe „Mitverschulden eines Kaufmanns bei Handelsgeschäften“ lediglich ein Unterfall der Fallgruppe „Spekulative Geschäfte“, wie die Ausführungen im Kapitel I. auf Seite 21 aufzeigen. • Bequemlichkeit 209: Aus dem Schutzbereich des § 263 StGB sollen in Anlehnung an die Konzeption R. Hassemers 210 schließlich auch die Fälle der Bequemlichkeit herausfallen. 211 Voraussetzung sei aber, dass die Täteraussagen einfach und zumutbar nachprüfbar sind und das potentielle Opfer auf diese Schutzmaßnah-

204 205 206 207 208 209 210 211

In diesem Sinne auch Ellmer, S. 264. Kurth, S. 190. Kurth, S. 190. Kurth, S. 191. Kurth, S. 192. Vgl. dazu auch Amelung, GA 1977, S. 1, 11; R. Hassemer, S. 162. Siehe c) (Seite 93 ff.). Kurth, S. 192 f.

IV. Normativer Ansatz

109

men bewusst aus Gründen der Bequemlichkeit verzichtet hat. 212 Bei der Behandlung der Konzeption R. Hassemers (vgl. Seite 94) wurde bereits dargelegt, dass auch diese Konstellationen lediglich einen Spezialfall der Fallgruppe „Spekulative Geschäfte“ darstellen. Der Lösungsvorschlag Kurths überzeugt neben der Kritik an der konkreten Ausgestaltung ferner auch im Grundsätzlichen nicht (zu dieser generellen Kritik am viktimodogmatisch-teleologischen Ansatz siehe nachfolgender Abschnitt 2.). 2. Kritik Die normative Bewertung des Opferverhaltens ist grundsätzlich begrüßenswert, da sie vermeidet, dass besonders leichtfertige Opfer gegenüber ängstlichen Opfern ohne durchgreifenden Grund rechtlich besser gestellt werden. Dies ist gerade wesentlicher Nachteil einer faktisch-naturalistischen Bewertung des Opferverhaltens. 213 Die Einbindung in den viktimodogmatisch-teleologischen Grundansatz überzeugt jedoch nicht, so dass letztendlich auch die normativen Ansätze innerhalb der viktimodogmatisch-teleologischen Grundlehre zu verwerfen sind. Die viktimodogmatisch-teleologischen Lehren leiten ihre Rechtfertigung vorwiegend aus kriminalpolitischen Überlegungen ab. Danach ist es legitim, den strafrechtlichen Schutz durch § 263 StGB zu verweigern, wenn sich das Opfer durch Wahrnehmung eigener Schutzmöglichkeiten selbst zu schützen vermag, mithin nicht schutzbedürftig ist. 214 Es könne nicht Aufgabe des Staates und damit des Strafrechts sein, vor jedem vermögensschädigenden Geschäft zu schützen. 215 Die betrugstatbestandliche Relevanz der Opfermitverantwortung vermögen diese rechtspolitischen Wertungen unabhängig von deren Überzeugungskraft naturgemäß nicht zu erklären. 216 Diese Frage ist nur über eine dogmatische, bei der Auslegung der Betrugsmerkmale ansetzende Argumentation zu lösen. Die kritische Auseinandersetzung mit dem dogmatischen Begründungsansatz steht folglich im Vordergund der Bewertung des viktimodogmatisch-teleologischen 212

Kurth, S. 193. Siehe dazu oben Seite 100 ff. Mit ähnlicher Feststellung Pawlik, Betrug, S. 96. 214 Siehe oben Kapitel B. (Seite 83 ff.); krit. gegenüber der kriminalpolitischen Argumentation Günther, S. 194; Hassemer, Klug-FS, S. 217, 233; Hillenkamp, 10 ff., 177 ff.; 357, 369 f., der eine „Einigelung“ der Gesellschaft befürchtet; Idler, JuS 2004, S. 1037, 1039; Krack, S. 39, 70; Krüger, wistra 2003, S. 297, 298; LK / Lackner, § 263 Rn. 80; Loos / Krack, JuS 1995, S. 204, 208; Müller-Christmann, JuS 1988, S. 108, 111; Niggli, SchwZStrR 1993, S. 236, 248 ff. 215 Naucke, Peters-FS, S. 109 ff.; ähnlich Kurth, S. 193. 216 Kritisch gegenüber der vorwiegend kriminalpolitischen Argumentation auch Derksen, S. 126; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 22 f. 213

110

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

Ansatzes, während die kriminalpolitischen Erwägungen vollständig ausgeblendet werden. Neben der jeweiligen Kritik an den konkreten Umsetzungsvorschlägen überzeugt dabei auch die dogmatische Herleitung nicht. Die viktimodogmatischenteleologischen Konzeptionen konzentrieren sich einseitig auf das Opferverhalten und sind daher nahezu spiegelverkehrt dem gleichen Vorwurf wie die herrschende Meinung ausgesetzt, die tatsächlichen Gegebenheiten nur einseitig zu bewerten und nur wenig Raum für eine differenzierte Betrachtung zu lassen. Die Rechtsprechung und herrschende Lehre sehen in dem Umstand, dass das Opfer über sein Vermögen verfügt hat, den Beweis, dass es vom Täter überlistet wurde. 217 Dieser Umstand allein rechtfertige, die strafrechtliche Verantwortung für die Vermögensdisposition auf den Täter zu verlagern. 218 Diese Argumentation bewertet den eingetretenen Betrugserfolg jedoch über. Sie umschreibt nur das Kausalitätserfordernis zwischen Irrtum und Vermögensverfügung, das ohnehin zwingende Voraussetzung für eine Betrugsstrafbarkeit ist. 219 Diese Vorgehensweise trägt dem Umstand, dass es zur Verwirklichung des § 263 StGB als so genanntes Selbstschädigungsdelikt neben dem Täterverhalten eines notwendigen Mitwirkungsaktes des Opfers bedarf, nicht genügend Rechnung. Die viktimodogmatisch-teleologischen Lehren stellen dagegen das Opferverhalten einseitig in den Mittelpunkt der Betrachtung, indem sie generell vor staatlicher Hilfe die Wahrnehmung eigener Selbstschutzmöglichkeiten fordern. 220 Diese Deutungsvariante übersieht, dass die Betrugsstrafbarkeit sich nicht in der Beziehung des Täterverhaltens zu etwaigen Schutzmaßnahmen des Opfers erschöpft, sondern vielfältigste Sachverhaltskonstellationen bewältigen muss. Eine sachgerechte Lösung muss konsequent normativ, bei der Zuordnung von Risikobereichen, ansetzen, die es ermöglicht, die Komponenten „List des Täters“ und „Schutzmöglichkeiten des Opfers“ in ein angemessenes Verhältnis zu setzen, 217 BGH, wistra 1990, 305; wistra 2003, 142, 143; wistra 2004, 276; OLG Karlsruhe, wistra 2004, 276; Arzt / Weber, § 20 Rn. 65 ff.; Hillenkamp, 40 Probleme, 29. Problem S. 145; Krack, S. 67 f.; LK / Lackner, § 263 Rn. 71, 79 ff.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 86; Loos / Krack, JuS 1995, S. 204, 208; Maiwald, ZStW, Bd. 96, 1984, 72; Mitsch, 7/58; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 65; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 40; SK / Samson / Günther, § 263 Rn. 53 ff., 56; Wessels / Hillenkamp, Rn. 510; ähnlich Küper, S. 215; Otto, BT, 51/22, 23. 218 Krack, S. 67 f.; LK / Lackner, § 263 Rn. 79 ff.; Loos / Krack, JuS 1995, S. 204, 208. 219 So auch Naucke, Peters-FS, S. 109; SK / Samson / Günther, § 263 Rn. 56; SK / Hoyer, § 263 Rn. 71; ähnlich Gauger, S. 39, der in der Argumentation der herrschenden Meinung einen Zirkelschluss erblickt, da sie das erst noch zu begründende Ergebnis bereits voraussetze. 220 Vgl. auch Pawlik, Betrug, S. 53; Wittig, S. 364: „Diese Varianten der Viktimodogmatik treiben also die Individualisierung des Strafrechts zu weit, indem sie die Strafbarkeit des Täters vom individuellen Verschulden des Opfers abhängig machen.“

IV. Normativer Ansatz

111

und zugleich Raum lässt, besondere Umstände zu berücksichtigen. Konzeptionen wie die viktimodogmatisch-teleologischen Lehren, die ihre Lösung allein in Abhängigkeit zu eigenen Schadensabwendungsmöglichkeiten stellen, helfen zur Etablierung einer Zuständigkeitsverteilung zwischen Täter und Opfer nicht weiter. 221 Diese Schwäche tritt auch in der konkreten Umsetzung der viktimodogmatisch-teleologischen Ansätze hervor. Die detaillierte Ermittlung der dem Opfer zur Verfügung stehenden Selbstschutzmöglichkeiten bietet zwar naturgemäß Raum zur Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten. Ellmer und R. Hassemer versuchen des Weiteren die stark einseitige Betrachtung durch Zumutbarkeitsüberlegungen zu korrigieren. 222 R. Hassemer bezieht sich bei der Bestimmung der Selbstschutzmöglichkeiten gar auf gesellschaftliche Faktoren. 223 Die Kriterien bleiben in der Gesamtbetrachtung jedoch pauschal, ohne einen festen Maßstab zu bestimmen, nach dem die inhaltlich maßgebende Frage, (ab) wann dem Opfer die Wahrnehmung von eigenen Selbstschutzmaßnahmen zumutbar ist, beantwortet werden kann. 224 Schünemann begnügt sich zum Beispiel mit dem allgemeinen Hinweis, dass bei der Bestimmung der betrugsrelevanten Selbstschutzmaßnahmen im Einzelfall alle rechtspolitisch relevanten Gesichtspunkte abzuwägen seien. 225 Auch Kurth setzt auf die wenig konkrete Abwägung von Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten. Die von ihm vorgeschlagenen Fallgruppen erfassen zudem nur einen Teil der grundsätzlich relevanten Mitverantwortungskonstellationen. R. Hassemer erkennt sogar selbst, dass sein Rückgriff auf die sozialen Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr für die Entscheidung des konkreten Falles ein „sehr grobschlächtiges und kaum hantierbares Kriterium“ bietet. 226 Der Ausgestaltungsvorschlag Ellmers, der die Zumutbarkeit ähnlich unter Abwägung der sozialen Folgen bestimmt, 227 stellt nach zutreffender Einschätzung von Pawlik „eher eine Reformulierung des Problems als dessen Lösung“ dar. 228 Diese Unschärfen sind der Beleg dafür, dass es den viktimologisch-teleologischen Konzeptionen nicht gelungen ist, ihre normativen Leitbegriffe – Subsi221

Pawlik, Betrug, S. 314; Wittig, S. 364 f. Ähnlich Wittig, S. 364. 223 Vgl. Wittig, S. 364. 224 Pawlik, Betrug, S. 53; Wittig, S. 365; krit. auch Arzt, GA 1982, S. 522, 523; Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 405; Maiwald, ZStW, Bd. 96, 1984, 72; SK / Samson / Günther, § 263 Rn. 57 a. 225 Schünemann, Faller-FS, S. 357, 369; krit. auch Pawlik, Betrug, S. 53. 226 R. Hassemer, S. 76. Obgleich nicht unerwähnt bleiben soll, dass R. Hassemer diese Tatsache nicht als Beweis für eine „Fehlerhaftigkeit oder mangelnde Tragfähigkeit“, sondern als notwendige Folge seiner Erörterungen auf abstrakter Ebene begreift. Kritisch auch Maiwald, ZStW, Bd. 96, 1984, 72; Pawlik, Betrug, S. 53 f. 227 Siehe oben Seite 102 ff. 228 Pawlik, Betrug, S. 54. 222

112

C. Kriminalpolitischer / strafrechtstheoretischer Hintergrund

diarität, Erforderlichkeit, Zumutbarkeit – durch hinreichend konkrete und systematisch überzeugende Kriterien auszufüllen. 229 Eine Ursache dürfte wohl auch darin liegen, dass der Hinweis auf den fragmentarischen und subsidiären Charakter des Strafrechts aus seinem Ansatz heraus bereits wenig geeignet ist, den Nachweis eines qualitativen Unterschiedes zwischen einfachen und schwereren Täuschungen zu führen. 230 Es ist nicht überzeugend geklärt, warum dem Opfer einer ausgeklügelten Täuschung nicht ebenso die Subsidiarität des Strafrechts vorgehalten werden kann; mithin von diesem auch zunächst die Wahrnehmung zivilrechtlicher Schutzmöglichkeiten zu fordern ist. 231 Der viktimodogmatisch-teleologische Ansatz ist aus diesen Gründen zu verwerfen.

229 230 231

So auch Pawlik, Betrug, S. 54; Wittig, S. 365; Ähnlich Zaczyk, S. 11. Ähnlich Krack, S. 67 f. Krack, S. 68.

D. Genuin dogmatische Lösung unter Abgrenzung von Zuständigkeitsbereichen Nachdem die viktimodogmatischen Lösungsansätze die tatbestandliche Berücksichtigung der Opfermitverantwortung nicht zufriedenstellend erklären können, wird nachfolgend versucht, die Berücksichtigung der Opfermitverantwortung auf eine genuin dogmatische Grundlage zu stellen. Gegenstand dieser normativierenden Betrachtungsweise kann dabei nicht die Frage sein, ob jede Opferschwäche potentiell den Täter belastet, denn selbst nach der herrschenden Meinung ist nicht jede Schwäche potentiell täterbelastend. 1 Die Betrachtungsweise muss darauf abzielen, täterbelastende Schwächen von solchen, die ihn nicht belasten, abzugrenzen.

I. Argumentationsgang Ausgangspunkt der eigenen Argumentation sind jene neueren Ansichten in der Literatur, die den Betrug insgesamt auf eine normative Grundlage stellen, mithin zwischen betrugsrelevanten und -irrelevanten Verhalten nicht phänotypisch, sondern anhand einer normativen Zuordnung von Täter- und Opferzuständigkeiten abgrenzen. Diese Meinungen und ihre Lösungsvorschläge zur Betrugsrelevanz einer Opfermitverantwortung werden im nachfolgenden Abschnitt II. dargestellt. Anschließend wird dieser normative Ansatz genutzt, um die Tatbestandsrelevanz einer Opfermitverantwortung zu erklären (vgl. dazu Abschnitt III.). Ausgehend von den Feststellungen im Abschnitt IV. ab Seite 60, also der Tatsache, dass auch die herrschende Meinung täuschungsrelevantes Verhalten nach normativen Kriterien bestimmt, wird zunächst aufgezeigt, dass die Betrugsvorschrift das Opfer grundsätzlich in einer abstrakten, rollenmäßigen Opferrolle sieht und prinzipiell von einem mit dem Täter gleich kompetenten Opfer ausgeht. Diese grundsätzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Betrugstäter und -opfer wird anknüpfend an die normativen Ansichten in allgemein gültige Pflichtenkategorien umgesetzt. Ergebnis dieser Analyse wird sein, dass die Regelzuständigkeit des Betrugstäters keine Verantwortung für exzeptionelle Opferschwächen erfasst, den Betrugstäter vielmehr nur eine Respektierungspflicht trifft. Will man den potentiellen Betrugstäter auch zur Rücksichtnahme 1

Vgl. oben ab Seite 60.

114

D. Genuin dogmatische Lösung

auf eine besondere Inkompetenz des Opfers verpflichten, ist dies nur möglich, wenn den Täter eine über eine bloße Respektierungspflicht hinausgehende Solidaritätspflicht trifft. Hat der Täuschende keine solche Solidaritätspflicht, wirkt die Opfermitverantwortung tatbestandsausschließend. In welchen Situationen den potentiellen Betrugstäter eine Solidaritätspflicht trifft, wird durch einen Vergleich mit der Wucherstrafbarkeit beantwortet (vgl. dazu Abschnitt IV.). Als einzige Vorschrift im Vermögensstrafrecht 2 verpflichtet diese Vorschrift den potentiellen Täter dazu, das Opfer nicht nur rollenmäßig zu respektieren. Die Wucherstrafbarkeit basiert vielmehr auf einer Solidaritätspflicht und stellt auf die konkrete Opferrolle ab. Auf dieser Erkenntnis aufbauend wird die Wucher- mit der Betrugsstrafbarkeit verglichen. Die dort entwickelten Ergebnisse werden genutzt, um die bereits aus dem Kapitel A. bekannten Mitverantwortungssituationen im nachfolgenden Abschnitt 2, S. 153 einem konkreten Lösungsvorschlag zuzuführen.

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen als übergeordnetes Prinzip Neuere Ansichten in der Literatur, namentlich Frisch, Kindhäuser, Pawlik und Wittig, beschränken sich nicht auf eine lediglich einzelfallorientierte normative Auslegung des Täuschungsmerkmals, wie es die herrschende Meinung tut. Sie legen dem Betrugstatbestand ausdrücklich eine normative Dogmatik zugrunde, ohne diese aber auf den untauglichen Boden der Viktimodogmatik zu stellen. Diesen Positionen ist gemeinsam, dass sie den Täuschungsbegriff, im Fall von Frisch den Irrtumsbegriff 3, durchgehend unter Zuordnung von Zuständigkeitsbereichen auslegen und sowohl dem Täter als auch dem Opfer Handlungsspiel-

2 Geschütztes Rechtsgut des Wuchers ist nach der herrschenden Meinung das Vermögen, vgl. Fischer, § 291 Rn. 3; Lackner / Kühl, § 291 Rn. 1; LK / Wolff, § 291 Rn. 3; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 2; Sickenberger, S. 56; SK / Hoyer, § 291 Rn. 3; abweichend: Arzt / Weber, § 24 Rn. 2; Arzt, Lackner-FS, S. 641, 650 ff., der die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung als geschütztes Rechtsgut hinzuzieht; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 2: „Geschützt wird also auch das Vertrauen der am rechtsgeschäftlichen Verkehr beteiligten Personen darauf, dass Verhaltensweisen, die auf die materielle Ausbeutung einer Schwächesituation gerichtet sind, unterbunden werden.“; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 2 ff.: „Vermögen vermittelt durch die Sicherung der Vertragsfreiheit geschützt“; Kindhäuser, NStZ 1994, S. 105 f.; Otto, BT, § 61 Rn. 124, der daneben das Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschaft als geschützt ansieht; Scheffler, GA 1992, S. 1, 13, der die Willensfreiheit als geschütztes Rechtsgut hinzuzieht. Ausführlich zum Meinungsstand: Heinsius, S. 17 ff.; Laufen, S. 20 ff. 3 Vgl. dazu unten a), S. 119.

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen

115

räume zuordnen. 4 Dahinter steht das Verständnis, dass die Unstimmigkeiten im Sinne einer doppelten Inhomogenität, denen sich die Lösung der herrschenden Meinung ausgesetzt sieht, 5 nur zu vermeiden seien, wenn unter dem Aspekt der Täuschung beziehungsweise des Irrtums nach Verantwortungsbereichen abgegrenzt werde, um nicht berechtigte / betrugsirrelevante Erwartungen als tatbestandsmäßiges Verhalten auszuscheiden. 6 1. Ausgangspunkt: Lehre von der objektiven Zurechnung Die Zuständigkeitsbereiche bestimmen diese Ansichten, indem sie sich die Wertungen der Lehre von der objektiven Zurechnung zunutze machen. 7 Die Lehre von der objektiven Zurechnung ist zwar bisher von der Rechtsprechung nur bei den Fahrlässigkeitsdelikten anerkannt, jedoch ist der Kernbereich der objektiven Zurechnung gesichert. 8 So lässt der Bundesgerichtshof nunmehr auch bei Vorsatzdelikten unentschieden, ob bei wesentlichen Abweichungen vom Kausalverlauf der Vorsatz oder schon die objektive Zurechnung entfällt. 9 Die Lehre von der objektiven Zurechnung verfolgt den Zweck, die strafrechtliche Haftung bei gegebenem Ursachenzusammenhang einzugrenzen. Letzterer wird nur auf der Grundlage der Äquivalenztheorie bestimmt, die nicht zwischen wesentlichen und unwesentlichen Ursachen unterscheidet und nicht geeignet ist, regelwidrige Kausalverläufe auszuscheiden. 10 Dagegen ermöglicht es die Lehre von 4 Frisch, Bockelmann-FS, S. 647, S. 659, der diese Notwendigkeit bei Selbstschädigungsdelikten schon strukturbedingt angelegt sieht, da neben dem Täterverhalten auch der Umstand zu berücksichtigen sei, dass das Rechtsgut durch eigenes Verhalten des Opfers bedroht wird; Frisch, Jakobs-FS, S. 97, S. 120 ff.; Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 399; Kindhäuser, JR 1997, S. 301, 303 f.; Pawlik, Betrug, S. 60; Wittig, S. 330 f.; siehe ferner Schmoller, JZ 1991, S. 117, 127 f. 5 Vgl. dazu oben Seite 78. 6 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 60; Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 411; Pawlik, Betrug, S. 102. Vgl. auch Schmoller, JZ 1991, S. 117, 127. 7 Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 402; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 354, 358; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 60; Pawlik, Betrug, S. 2 f., 65, 219; Wittig, S. 140. Sie gebrauchen die objektive Zurechnung dabei nicht als selbständiges haftungsbegrenzendes Element zwischen Täuschung und Irrtum beziehungsweise zwischen Irrtum und Vermögensverfügung, sondern nutzen diese als Auslegungsmittel für das Täuschungsmerkmal, vgl. Pawlik, Betrug, S. 2 ff., 65; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 354 f., 358. 8 So auch Hanisch, S. 70 m.w.N., die zutreffend darauf hinweist, dass „die Lehre von der objektiven Zurechnung [...] unanwendbar [wäre], wenn es sich um eine starre, abschließend fixierte Norm handelt, die eine ‚inhaltslose‘ Zuständigkeit lediglich verteilt.“. 9 BGHSt 38, 34; Hanisch, S. 70. 10 Ebert / Kühl, Jura 1979, S. 561, 563; Kühl, § 4 Rn. 37; Maiwald, JuS 1984, S. 439, 440; MüKomm / Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 322 f.; Otto, Jura 1992, S. 90, 92, 96; Protzen, wistra 2003, S. 208, 210; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 84;

116

D. Genuin dogmatische Lösung

der objektiven Zurechnung, den eingetretenen Taterfolg nach normativen Gesichtspunkten zu beurteilen. 11 Dem Täter ist ein von ihm verursachter Erfolg objektiv zurechenbar, wenn er durch seine Handlung eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen und sich gerade diese Gefahr im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat, 12 mithin dem Täter der Erfolg als „sein Werk“ zugerechnet werden kann. 13 Diese überwiegend vertretene Differenzierung zwischen Setzen und Realisieren eines unerlaubten Risikos kritisieren Frisch und Wittig. Dieses Verständnis der objektiven Zurechnung eröffne die Möglichkeit eines abstrakt unerlaubten Verhaltens. Tatbestandsmäßiges Verhalten könne aber nur auf den Erfolg bezogen betrachtet werden. Zu prüfen sei daher, ob das Verhalten des Täters konkret unerlaubt ist. 14 Ob eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen wurde, sei keine Frage der Zurechnung, sondern ein eigenständiges, systematisch vorgelagertes Problem des tatbestandsmäßigen Verhaltens. 15 Die unterschiedlichen Auffassungen über die Struktur der objektiven Zurechnung setzen sich folgerichtig auch in den konkreten Lösungsvorschlägen zur Behandlung der Opfermitverantwortung um. Während Kindhäuser und Pawlik entsprechend dem herkömmlichen Verständnis zur objektiven Zurechnung im Fall einer betrugsrelevanten OpferSchünemann, GA 1999, S. 207, 213 ff.; SK / Rudolphi, Vor § 1 Rn. 52; Stree, JuS 1985, S. 179, 181; vgl. ferner Eschenbach, Jura 1992, S. 637, 641. 11 Ebert / Kühl, Jura 1979, S. 561, 568; von Heintschel-Heinegg, JA 1994, S. 213; Maiwald, JuS 1984, S. 439, 440; MüKomm / Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 322 f.; Otto, AT, § 6 Rn. 43; Otto, Spendel-FS, S. 271, 277; Rönnau / Faust / Fehling, JuS 2004, S. 113, 115; Schünemann, GA 1999, S. 207, 213. 12 Eschenbach, Jura 1992, S. 637, 641; Fischer, Vor § 13 Rn. 24 ff.; Jescheck / Weigend, § 28 IV; Kühl, § 4 Rn. 43; Lackner / Kühl, Vor § 13 Rn. 14; LK / Walter, Vor § 13 Rn. 89; Maurach / Zipf, § 18 III Rn. 49; MüKomm / Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 322; Otto, AT, § 6 Rn. 46; Otto, Jura 1992, S. 90, 97; Protzen, wistra 2003, S. 208, 210; Rönnau / Faust / Fehling, JuS 2004, S. 113, 115; Roxin, § 11 Rn. 47; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 92; Schünemann, GA 1999, S. 207, 212; SK / Rudolphi, Vor § 1 Rn. 57; Wessels / Beulke, Rn. 179. 13 Ebert / Kühl, Jura 1979, S. 561, 569; von Heintschel-Heinegg, JA 1994, S. 31, 32; Maiwald, S. 82; Maiwald, JuS 1984, S. 439, 440; Otto, AT, § 6 Rn. 5; Otto, Spendel-FS, S. 271, 277; Otto, Jura 1992, S. 90; Rengier, Roxin-FS, S. 811; Rönnau / Faust / Fehling, JuS 2004, S. 113, 115; SK / Rudolphi, Vor § 1 Rn. 38. 14 Wittig, S. 140: „Die Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr und das Kriterium der Reichweite des Tatbestands sind aber [...] kein Teilerfordernis der objektiven Zurechnung, sondern wesentlicher Bestandteil der Konturierung des tatbestandsmäßigen Verhaltens.“ Vgl. auch Freund, § 2 Rn. 74: „Indessen sollte zuallererst das Fehlverhalten näher bestimmt werden, bevor man überlegt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit man von spezifischen Folgen solchen Fehlverhaltens sprechen kann. Wer andersherum vorgeht, zäumt gewissermaßen das Pferd vom Schwanz her auf.“ 15 Freund, § 2 Rn. 73; Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 9 f.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 33 ff., 428 f., 526; Frisch, GA 2003, S. 719, 733 ff.; Wittig, S. 140; zustimmend Eser / Burkhardt, Nr. 4 A 61.

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen

117

mitverantwortung der Ansicht sind, dass es an einer Realisierung des unerlaubten Verhaltens im tatbestandsmäßigen Erfolg fehle, 16 sehen Frisch und Wittig in solchen Konstellationen schon keine rechtlich missbilligte Gefahrschaffung durch den potentiellen Täter. 17 Diese Diskussion wirkt sich im Ergebnis aber nicht entscheidungserheblich auf die hiesige Untersuchung aus. Selbst wenn man die Möglichkeit eines abstrakt unerlaubten Verhaltens unterstellt, trägt dieses Verhalten (eine Stufe weiter) nicht die Zurechnung zum Irrtum. Am Ende ist auch nach dieser Sichtweise ein folgenloses unerlaubtes Verhalten gegeben. Es besteht damit kein relevanter Unterschied zu den Auffassungen Frischs und Wittigs. Für die hiesige Untersuchung macht es keinen Unterschied, ob einerseits schon kein normativ relevantes Verhalten vorliegt, das heißt, der potentielle Täter schon kein unerlaubtes Verhalten setzt, oder andererseits ein normativ relevantes Verhalten gegeben ist, das aber folgenlos bleibt. Die Disposition des Opfers ist nach allen Auffassungen dem Täter jedenfalls nicht zurechenbar. Die entscheidende Erkenntnis, in der die Meinungen auch nicht abweichen, ist, dass mit der Lehre von der objektiven Zurechnung der Verantwortungsbereich des Täters von den Verantwortungsbereichen anderer Personen, selbstverständlich auch des Opfers, abgegrenzt wird. 18 Die Regeln der objektiven Zurechnung leisten damit einen Beitrag zur Abgrenzung des erlaubten vom unerlaubten Verhalten. 19 2. Übertragung auf den Betrugstatbestand Die Bewertung des Tatgeschehens nach Zuständigkeitsbereichen, wie sie auf Basis der Lehre von der objektiven Zurechnung erfolgt, konkretisiert sich dieser Auffassung zufolge auch im Betrugstatbestand mit der Folge, dass der Täuschungsbegriff – nach Ansicht Frischs das Irrtumsmerkmal – normativ, unter Abgrenzung von Verantwortungssphären, zu verstehen sei. 20 Der Täuschungsbeziehungsweise Irrtumsbegriff stelle die Überschreitung der tätereigenen Freiheitssphäre durch Schaffen eines unerlaubten Risikos dar. 21 Aus diesem Blickwinkel seien auch die Fälle der Opfermitverantwortung zu lösen. Danach stellt 16

NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 67. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 40, 186 ff.; Frisch, Bockelmann-FS, S. 647, 652; Wittig, S. 138, 140: „Das Täuschungsmerkmal konkretisiert die rechtlich missbilligte Gefahr und die Reichweite des Tatbestands des § 263 StGB, also das tatbestandsmäßige Verhalten i.e.S. Es umfasst nicht das Zurechnungserfordernis der Gefahrrealisierung.“ 18 Jakobs, Geilen-FS, S. 63, 74; Maiwald, S. 82; Maurach / Zipf, § 18 III Rn. 46, 49; MüKomm / Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 326; Otto, AT, § 6 Rn. 43; Otto, Jura 1992, S. 90, 97; Otto, Maurach-FS, S. 91, 92 ff. 19 Jakobs, Geilen-FS, S. 63, 74; Otto, Jura 1992, S. 90 f. 20 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 60 f.; Pawlik, Betrug, S. 74; Wittig, S. 330 f. 21 Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 402; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 51; Pawlik, Betrug, S. 73 ff. 17

118

D. Genuin dogmatische Lösung

sich die Frage, ob der Betrugserfolg aufgrund der Mitverantwortung des Opfers nicht mehr in die Verantwortungssphäre des Täters fällt. 22 Bewege sich der Täter innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs, ohne seinen Handlungsspielraum zu Lasten der Freiheit des Opfers unerlaubt auszuweiten, fehle es an einem im Sinne des § 263 StGB tatbestandsmäßigen Verhalten, da der Täter dann für das Informationsdefizit des Opfers nicht zuständig und in der Konsequenz nicht für den Betrugserfolg verantwortlich sei. 23 Bei den inhaltlichen Kriterien nach denen die Zuständigkeitsbereiche zwischen Täter und Opfer für den hier interessierenden Fall der Opfermitverantwortung voneinander abzugrenzen sind, unterscheiden sich die Konzeptionen Frischs, Kindhäusers, Pawliks und Wittigs. Deren Lösungsvorschläge werden zunächst aufgezeigt. Die Darstellung der verschiedenen Lösungen dient hauptsächlich dem Ziel, Gesichtspunkte für die Bestimmung des Umfangs, in dem die Opfermitverantwortung zu berücksichtigen ist, herauszuarbeiten. Dem schließt sich der Versuch einer eigenen Lösung an (vgl. ab Seite 130), die die vorgeschlagenen Kriterien teilweise wieder aufgreift. 3. Konzeptionen von Frisch und Wittig Frisch und Wittig grenzen die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche für die Informationsausstattung auf Basis des traditionellen Rechtsgutdenkens ab. 24 Ob das Verhalten des Täters tatbestandsmäßig im Sinne von § 263 StGB ist, sei durch eine Abwägung der Freiheitsinteressen des Täters mit den Gütererhaltungsinteressen des Opfers zu ermitteln. 25 Ausgangspunkt des Abwägungsverfahrens ist die obige Feststellung, dass es grundsätzlich in die Verantwortung des Opfers fällt, sich vor vermögensschädigenden Handlungen durch eine zureichende Informationsbeschaffung und hinreichend angewendete Sorgfalt zu schützen. 26 Nach Frisch und Wittig bringt ein bei Selbstschädigungsdelikten uneingeschränkter 22

NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 60: „[...] für die Fehlerhaftigkeit der Entscheidungsgrundlage aus einem Rechtsgrund nach den Regeln der objektiven Zurechnung einzustehen habe [...].“; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 340 ff. 23 Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 402; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 358; Kindhäuser, JR 1997, S. 301, 304; Pawlik, Betrug, S. 74, 97; Pawlik, Lampe-FS, S. 689, 699. 24 In diesem Umstand liegt ein erheblicher dogmatischer Unterschied zu den Konzeptionen Kindhäusers und Pawliks (vgl. bzgl. deren Herleitung ab Seite 124), der aber mangels Entscheidungsrelevanz für die hiesige Untersuchung nicht weiter vertieft werden soll. 25 Frisch, Bockelmann-FS, S. 647, 652; Wittig, S. 321, 381; vgl. auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 164. 26 Frisch, NStZ 1992, S. 62; Wittig, S. 381; siehe ferner Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 241; Frisch, Jakobs-FS, S. 97, 114.

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen

119

Rechtsgüterschutz zugunsten des Opfers eine unangemessene Begrenzung der Handlungsfreiheit des Täters mit sich. 27 Folglich sei es unabdingbar, Bereiche ausschließlicher Verantwortung des Opfers festzulegen. 28 Bei den detaillierten Parametern, anhand derer die Zuständigkeitsbereiche von Täter und Opfer zu bestimmen sind, differieren die Ansichten Frischs und Wittigs. a) Position von Frisch Auf Basis dieser Vorgaben legt Frisch den Irrtumsbegriff aus. 29 Dieser Anknüpfungspunkt überzeugt jedoch nicht. Selbst Wittig, die ihre Konzeption auf den Erwägungen Frischs aufbaut, kritisiert, dass die spezifische Gefährlichkeit des Täterverhaltens ihren Ausdruck im Täuschungsmerkmal findet und Irrtum sowie Vermögensverfügung als Opferreaktion (nur) zeitlich nachfolgen. 30 Geht es um das Anliegen, das auch Frisch zugrunde liegt, die strafrechtliche Missbilligung des Täterverhaltens zu bestimmen, kann Ansatzpunkt folgerichtig nur der Täuschungsbegriff sein. Frischs grundsätzliche Erwägungen zu den Grenzen des Verantwortungsbereichs des Täters verlieren durch diesen Unterschied aber keinesfalls an Relevanz. 31 Frisch schlägt vor, das tatbestandsmäßige Verhalten der Selbstschädigungsdelikte, zu denen anerkanntermaßen auch der Betrug zählt, 32 anknüpfend an die obigen Ausführungen zur Abwägung der Freiheitsinteressen des Täters mit den Gütererhaltungsinteressen des Opfers in einem zweistufigen Abwägungsverfahren zu ermitteln. 33 Erstens müsse die Missbilligung bestimmten Täterverhaltens zum Schutz des Gütererhaltungsinteresses geeignet, erforderlich und angemessen sein. 34 Zweitens müsse auch die Reaktion mit einer strafrechtlichen Sanktion auf solche Verhaltensweisen „zur Aufrechterhaltung der Geltungskraft und Unverbrüchlichkeit der Norm“ erforderlich und angemessen sein. 35 Falle auch nur ein Abwägungsvorgang negativ aus, könne das selbstschädigende Handeln des

27

Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 152; Wittig, S. 330, 381. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 152; Wittig, S. 330, 381. 29 Frisch, Bockelmann-FS, S. 647, 660 f. 30 Wittig, S. 369. 31 Mit ähnlicher Einschätzung auch Wittig, S. 369. 32 Die Leitlinien zur Fallgruppe eigenschädigenden Verhaltens werden deshalb im Rahmen dieser Untersuchung auf den Betrug angewendet, vgl. auch die ähnliche Vorgehensweise bei Wittig, S. 372. 33 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 80. 34 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 80. 35 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 80. 28

120

D. Genuin dogmatische Lösung

Opfers nicht dem Verantwortungsbereich des potentiellen Täters zugeordnet werden. 36 In der Situation, in der das Opfer zumutbare Selbstschutzmöglichkeiten ungenutzt lasse, bringe es zum Ausdruck, am „Individualschutz durch Verbot“ kein Interesse zu haben. 37 Ein strafrechtlicher Individualschutz sei in diesem Fall nicht erforderlich, auch wenn die Verhaltensweise grundsätzlich missbilligt werde. 38 Diese Konsequenzen seien aber nur unter der Bedingung zu ziehen, dass das potentielle Opfer auch eigenverantwortlich gehandelt habe. 39 Diese Befähigung fehle zum einen Opfern mit habituellen Defiziten. 40 In den verbliebenen Fällen sei der Grad der Eigenverantwortlichkeit an den Kriterien der Einwilligungslehre zu messen. 41 Werde die Bedrohungslage vom Opfer voll erfasst, bleibe es für die Folgen seines Handelns auch verantwortlich. 42 Frisch räumt zunächst ein, dass ein Irrtum nach den Kriterien der Einwilligungslehre das Opferhandeln gerade nicht als (voll) verantwortlich qualifiziert. 43 Die Kriterien der Einwilligungslehre dienten seiner Konzeption jedoch nur als Grundlage und seien um weitere normative Elemente zu ergänzen. 44 Nach Frisch kann deshalb nicht allein von dem Umstand, dass das Opfer faktisch einem Irrtum erlegen ist, auf ein tatbestandsmäßig-missbilligtes Verhalten des Täters geschlossen werden. 45 In den Fällen, in denen das Opfer nicht unter einem habituellen Mangel leidet, rücke vielmehr die Abwägung des Täterinteresses an möglichst uneingeschränkter Freiheit gegenüber Gütererhaltungsinteressen des Opfers in den Vordergrund. 46 Da ausgehend von den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs das Opfer mit der Gefahr zu rechnen habe, dass der Täter sein überlegenes Wissen ausnutzt, verlangt Frisch für ein tatbestandsmäßig-missbilligtes Täterverhalten eine „qualifizierte Handlung“, deren „Gestattung zur Aufrechterhaltung des Vorsprungs des Wissenden nicht mehr notwendig ist und im Gegenteil andere wichtige Prinzipien tangiert“. 47 Ausdrückliche und konkludente Täuschun36

Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 89. Frisch, NStZ 1992, S. 62, 63. 38 Frisch, NStZ 1992, S. 62, 63. Vgl. dazu auch Wittig, S. 373. 39 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 162. 40 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 164 f.; Frisch, NStZ 1992, S. 62, 64 f. 41 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 165 ff. Auf die Einwilligungslehre rekurriert auch Herzberg, freilich in einem viktimodogmatischen Zusammenhang. Vgl. dazu Seite 95 ff. 42 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 226. 43 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 226 f. 44 Frisch, NStZ 1992, S. 62, 63. 45 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 226. 46 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 216 f. 47 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 217, 223. 37

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen

121

gen stellten unter diesen Prämissen stets rechtlich missbilligtes Verhalten dar. 48 Näher exemplifiziert Frisch seine Abgrenzungskriterien nicht. Auch wenn die Kriterien Frischs in ihrem Ganzen keiner Wertung unterzogen werden sollen, so ist doch die letzte Vorgabe, dass ausdrückliche und konkludente Täuschungen stets betrugsrelevant seien, zu kritisieren. In dieser Argumentation liegt ein Rückschritt zu einer (partiellen) rein phänomenologischen Abgrenzung, die selbst die herrschende Meinung ablehnt. Gemäß dem normativen Ansatz muss auch für die ausdrückliche und erst recht für die konkludente Täuschung gelten, dass der Täter unerlaubt in die Handlungsfreiheit des Opfers eingegriffen haben muss, um eine Betrugsrelevanz annehmen zu können. 49 Auch bei ausdrücklichen Täuschungen ist dies keine Selbstverständlichkeit. Der Geschäftsverkehr wäre beispielsweise bis zu einem gewissen Grad lahm gelegt, attestierte man übertriebenen Werbeaussagen uneingeschränkt Betrugsrelevanz. 50 b) Position von Wittig Die Konzeption Wittigs baut inhaltlich auf dem Ansatz Frischs auf. 51 Die Lösungsvorschläge differieren allerdings hinsichtlich der konkreten Vorgaben, nach denen dem Betrugstäter im Zuge der Interessenabwägung (ausnahmsweise) die Sorge für die zur Vermögensbewahrung erforderliche Informationsausstattung zufällt. Wittig sieht diese Konsequenz als gerechtfertigt an, wenn der Betrugstäter ausdrücklich unwahre Angaben macht, ein besonderes Sorgeverhältnis des Täters für die Informationsausstattung des Opfers besteht oder die Handlungsfreiheit des Täters schon infolge „expliziter vorstrafrechtlicher Verhaltensordnungen“ beschränkt ist und die jeweils anzustellende Interessenabwägung ergibt, dass eine strafrechtliche Sanktionierung geeignet, erforderlich und angemessen ist. 52 Sobald der Täter ausdrücklich unwahre Behauptungen aufstellt, nimmt er nach Wittig dem Opfer die Sorge über die Glaubwürdigkeit seines Verhaltens 48

114.

Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 217; vgl. auch Frisch, Jakobs-FS, S. 97,

49 Mit ähnlichem Hinweis NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 93: „Hierin liegt das Missverständnis [...], welches die Unwahrheit einer Äußerung als Qualität eines Geschehens begreift, das, wie etwa ein Gewehrschuss, bereits als Faktum Verletzungsrelevanz hat. [...] Dementsprechend setzt eine betrugsrelevante Täuschung ein – in der Regel durch die kommunikative Beziehung erst entstandenes – Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten voraus, das die Erwartung begründet, eine bestimmte Information werde erteilt oder auf eine bestimmte Fehlvorstellung werde aufmerksam gemacht.“ 50 Siehe dazu auch oben Seite 71 ff. 51 Wittig, S. 379: „Frischs Ansatz ist weitgehend zuzustimmen.“ 52 Wittig, S. 382.

122

D. Genuin dogmatische Lösung

ab. 53 (Einschränkende) Voraussetzung sei allerdings, dass das Täterverhalten den objektiven Zweck der Vermögensdisposition tangiert, also für den Fall der Austauschgeschäfte dem Opfer die konkrete Gefahr einer Selbstschädigung am Vermögen verschleiert. 54 Ferner sei zu verlangen, dass der Täter dem Opfer nach Inhalt und Kontext der Äußerung tatsächlich als Informationsquelle dient, weshalb die herrschende Meinung in übertriebenen Werbeanpreisungen zu Recht keine Täuschung sehe. 55 Lägen diese Vorgaben vor, vermögen auch etwaige Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers diese Zuständigkeitsverteilung auf den Täter nicht zu verschieben. 56 Die an der Konzeption Frischs geübte Kritik, ausdrückliche Täuschungen regelmäßig als betrugsrelevant einzustufen, gilt hier entsprechend. 57 Wittig vermeidet allerdings durch einschränkende Voraussetzungen unpraktikable Konsequenzen, so für den Bereich von Werbeanpreisungen. Darüber hinaus bestimmt Wittig auch die Betrugsrelevanz ausdrücklicher Täuschungen – im Unterschied zu Frisch – partiell durch Abgrenzung der jeweiligen Verantwortungsbereiche. Bei einer konkludenten Täuschung oder Täuschung durch Unterlassen bedürfe es des Bestehens eines besonderen Sorgeverhältnisses oder einer vermögensbezogenen vorstrafrechtlichen Aufklärungspflicht, um trotz etwaiger Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers, die Zuständigkeit des Täters ableiten zu können. 58 In dem Fall des besonderen Sorgeverhältnisses sei dies angemessen, da die konkreten Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers reduziert seien, so dass es besonders von einer wahrheitsgetreuen Informationsausstattung abhängig sei. 59 Zur inhaltlichen Ausgestaltung greift Wittig auf die betrugsspezifische Garantenlehre zurück, da diese die Verteilung nach Zuständigkeiten unter dem Aspekt der Eigenverantwortung verkörpere. 60 Eine das Sorgeverhältnis begründende vermögensbezogene Aufklärungspflicht des Täters könne sich daher anlehnend an 53 Wittig, S. 382 f. In diesem Punkt stimmt ihr Lösungsvorschlag mit dem von Frisch überein, vgl. dazu oben Seite 120. 54 Wittig, S. 383, die ausdrücklich insofern ihre grundsätzliche Übereinstimmung mit Graul, Frisch und Kindhäuser hervorhebt. 55 Wittig, S. 383, wobei sie konsequenterweise die dogmatische Lozierung durch die herrschende Meinung im Tatsachenbegriff kritisiert. 56 Wittig, S. 401. 57 Vgl. dazu oben Seite 121. 58 Wittig, S. 402 f. Sie kritisiert dabei ausdrücklich die unterschiedliche Behandlung von konkludenter Täuschung und Täuschung durch Unterlassen durch die herrschende Meinung und stellt ausdrücklich klar, dass sich die Fallgruppe „besonderes Sorgeverhältnis“ nicht auf die Täuschungsvariante Unterlassen beschränkt, vgl. Wittig, S. 385, 406. 59 Wittig, S. 384. Insoweit auch übereinstimmend Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 194 ff. 60 Wittig, S. 386: „Bei Vorliegen eines besonderen Sorgeverhältnisses ist dem Opfer die Sorge für die Beschaffung vermögensrelevanter Informationen abgenommen. Für den Täter bedeutet dies, dass ihn eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der vermögens-

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen

123

die anerkannten Fallgruppen zur Garantenstellung aus dem Vorverhalten des Täters, 61 aus außerstrafrechtlichen gesetzlichen Vorschriften 62 oder aus Vertrag 63 ergeben. 64 Bei der verbliebenen Möglichkeit, dass die Zuständigkeit für die Informationsausstattung aufgrund einer vermögensbezogenen vorstrafrechtlichen Aufklärungspflicht auf den Täter übergeht, könne es wegen des Rückgriffs auf die Garantenlehre in der Fallgruppe zuvor nur um Informationspflichten gehen, die nicht schon innerhalb eines besonderen Sorgeverhältnisses bestehen. 65 Für die inhaltliche Ausfüllung greift Wittig ausdrücklich auf die von Frisch entwickelten Kriterien zurück 66 und hebt besonders das wie im Allgemeinen hier aber im Besonderen anzuwendende Abwägungsverfahren hervor. Voraussetzung sei zunächst ein vorstrafrechtliches Verbot mit der Funktion, dem Opfer die Sorge für die Informationsausstattung in Vermögensangelegenheiten abzunehmen. Im Schwerpunkt gehe es um die nur allgemein durch §§ 241 II, 311 BGB gesetzlich geregelten zivilrechtlichen Informationspflichten. 67 Anschließend sei einschränkend zu prüfen, ob die strafrechtliche Sanktionierung auch geeignet, erforderlich und angemessen ist. 68 So könne beispielsweise zwar die besondere Unerfahrenheit des Käufers eine zivilrechtliche Aufklärungspflicht begründen, eine strafrechtlich zu missbilligende Risikoschaffung liege aber nicht vor. Wisse die eine Seite um ihre Unerfahrenheit, habe sie gerade Anlass, sich zu informieren. 69 relevanten Informationen trifft. Genau dies kennzeichnet [...] die betrugsspezifischen Garantenverhältnisse.“ 61 Das Vorverhalten müsse die Situation so verändern, dass der Täter für die Informationsausstattung des Opfers zuständig werde. Insbesondere rein tatsächliche Handlungen seien nicht geeignet, die Verantwortung auf den Täter übergehen zu lassen. Als einschlägige Fälle benennt Wittig ferner, dass der Täter „ausdrücklich falsches behauptet“ und dass „das Vorverhalten ein besonderes Sorgeverhältnis begründet, das dann zum Zeitpunkt des kommunikativen Kontakts fortbesteht“. Sie räumt aber selber ein, dass es streng genommen in diesen Beispielen eines Rückgriffs auf die Ingerenz nicht bedürfe, weil die Verantwortung respektive die Aufklärungspflicht schon aus anderen Umständen resultiere. Vgl. dazu Wittig, S. 388 f. 62 In der herkömmlichen Garantenlehre soll diese Fallgruppe der Garantenpflicht aus Gesetz entsprechen, „soweit dabei ein besonderes Vertrauensverhältnis vorausgesetzt wird“, vgl. Wittig, S. 389. 63 Es genüge nicht jedes Vertragsverhältnis. Voraussetzung seien besondere Beratungsoder Vermögensbetreuungselemente, vgl. Wittig, S. 392 f. 64 Wittig, S. 389 ff. 65 Wittig, S. 395. 66 Wittig, S. 396. 67 Kriterien seien das „Informationsbedürfnis der einen Seite“, der „Informationsvorsprung der anderen Seite“ und die „besondere Vertrauensprägung des Rechtsverhältnisses“. Handfeste Grenzen gebe es aber nicht. Vgl. zum Ganzen Wittig, S. 396 ff. 68 Wittig, S. 396. 69 Wittig, S. 400.

124

D. Genuin dogmatische Lösung

Wittig schließt ihre Darstellung, indem sie ihre Abgrenzungskriterien auf den Fall des Zechbetrugs anwendet und die diesbezüglichen Ergebnisse der herrschenden Meinung – freilich mit anderer Begründung – bestätigt. 70 An typischen Mitverantwortungskonstellationen exemplifiziert Wittig ihre Kriterien dagegen nicht, so dass die konkrete Lösung spezieller Situationen basierend auf der Konzeption Wittigs offen bleibt. 4. Konzeptionen von Kindhäuser und Pawlik Schlüsselbegriff der Konzeptionen Kindhäusers und Pawliks ist das so genannte „Recht auf Wahrheit“. 71 Eine betrugsrelevante Täuschung bedinge eine Wahrheitspflichtverletzung, die anzunehmen sei, wenn eine Person tatsächlich nicht die Informationen vom Täter erhält, die es für ihre Entscheidung über das Vermögen erwarten darf. 72 Darauf aufbauend bestimmen Kindhäuser und Pawlik – allerdings im Detail jeweils nach unterschiedlichen Kriterien 73 – die Zuständigkeitsbereiche und Handlungsspielräume von Opfer und Täter. Danach sei gemäß der Wertung der Lehre von der objektiven Zurechnung im Sinne von § 263 StGB unerlaubtes Verhalten von betrugsirrelevanten Verhalten abzugrenzen. 74

70

Vgl. Wittig, S. 400 ff. NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 93 ff.; Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 402; Kindhäuser, JR 1997, S. 301, 303 f.; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 354; Pawlik, Betrug, S. 78, 105. Die Diskussion über die differenzierte, konkrete Herleitung des Rechts auf Wahrheit, vor allem ob § 263 StGB als „vermögensschädigendes Freiheitsdelikt“ zu begreifen ist, soll mangels Entscheidungsrelevanz nicht vertieft werden. Ausführlich zu den Unterschieden zwischen Kindhäuser und Pawlik, vgl. Hanisch, S. 86 ff.; Vogel, Keller-GS, S. 313, 318 ff., der als vermittelnde Lösung für den Fall der konkludenten Täuschung eine Abgrenzung nach der „Verletzung kommunikativer Verkehrspflichten“ vorschlägt, deren Relevanz er durch Rückgriff – vergleichbar mit den sog. normativen Ansichten – auf die Lehre von der objektiven Zurechnung in den Betrugstatbestand einbringen will (S. 322 ff.): „Konkludente Täuschung kann daher als Verhalten aufgefasst werden, das die unerlaubte, nämlich verkehrspflichtige Gefahr eines Irrtums schafft, der zu einer vermögensschädigenden Verfügung führt oder führen kann.“ Vgl. ferner Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 403; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 354 Fn. 40, wo er die Meinung aufgibt, der Betrug sei ein vermögensschädigendes Freiheitsdelikt; Pawlik, Betrug, S. 105; Pawlik, LampeFS, S. 689, 699. 72 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 61; Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 401; Pawlik, Betrug, S. 82, 97. 73 Dazu nachfolgend in den Abschnitten a) und b). 74 Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 399, 402; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 358; Kindhäuser, JR 1997, S. 301, 303 f.; Pawlik, Betrug, S. 60, 74, 97. 71

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen

125

Im Mittelpunkt des hiesigen Interesses steht dabei das Quantum an gebotener Selbstsorge, das Pawlik und Kindhäuser vom potentiellen Opfer verlangen, und das den Umfang der berechtigten Erwartungen des Opfers unmittelbar mitbestimmt. Beide ermitteln dieses nicht subjektiv unter Beachtung der individuellen Besonderheiten des Opfers, sondern auf Basis einer „rollenmäßig präformierten Durchschnittsverständigkeit“. 75 § 263 StGB schütze nicht „Wohl und Wehe des individuellen Opfers“, sondern habe sich an den wirtschaftlichen Organisationsprinzipien auszurichten. 76 Ausgehend und in Verbindung mit dem Grundsatz, dass jeder Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr seinen Bereich der Vermögensverwaltung eigenverantwortlich zu organisieren hat und jede Seite selbst das Risiko eines Irrtums trägt, könne vom Opfer eingefordert werden, dass es „die eigenen Handlungsmaximen jedenfalls in einem gewissen Umfang an den sozial geltenden Rationalitätsstandards orientiere“. 77 Ein allgemeiner, unbeschränkter Anspruch auf Vermittlung von wahrheitsgemäßer Information stehe dem Opfer grundsätzlich nicht zu. 78 Der Anbieter einer Leistung könne deshalb bei seinem Interaktionspartner ein klug-verständiges Verhalten und die Wahrung seiner Interessen voraussetzen. 79 Für die Folgen etwaiger Organisationsmängel, beispielsweise gebotenes Nachforschen unterlassen zu haben, sei das Opfer selbst zuständig. 80 Die Obliegenheit zur Selbstsorge ende erst, wenn es einen Selbstwiderspruch des Täters darstellen würde, falls er das Opfer auf diese verweisen wollte. 81 Trotz dieser deutlichen Gemeinsamkeiten differieren die Meinungen Kindhäusers und Pawliks bei der Bewertung des irreführenden Verhaltens im Einzelfall. Unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, in welchen konkreten Beispielssituationen sich der Täter ohne plausiblen Grund in Widerspruch zu seinem Verhalten setzt.

75 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 61: „Gegenstand der Mitteilung ist das, was aus der Perspektive eines objektivierten Dritten in der konkreten Situation als hinreichende Information über die relevante Tatsache anzusehen wäre.“; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 354 f.; Pawlik, Betrug, S. 148 ff. Eine objektive Bestimmung des Vermeidbarkeitsmaßstabes fordert auch Naucke, PetersFS, S. 109, 119. 76 Pawlik, Betrug, S. 173. 77 Pawlik, Betrug, S. 158. 78 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 93; Pawlik, Betrug, S. 153 f.: „Die Aufgabe, seine individuellen Bedürfnisse unter Kontrolle zu halten und sie in ein möglichst profitables Verhältnis zueinander zu setzen, muss jeder Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr eigenständig erfüllen.“ 79 Pawlik, Betrug, S. 171 f. 80 Pawlik, Betrug, S. 172. 81 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 95; Pawlik, Betrug, 158, 162 f., 172.

126

D. Genuin dogmatische Lösung

a) Kriterien nach Kindhäuser Kindhäuser entnimmt die Kriterien, nach denen er im Einzelfall die Verantwortungssphären verteilen und die Betrugsrelevanz irreführenden Verhaltens bewerten will, einem Vergleich mit dem Institut der mittelbaren Täterschaft, dessen Parallelen mit dem Betrugstatbestand er besonders hervorhebt. 82 Das Täuschungsmerkmal verkörpere die von der mittelbaren Täterschaft her bekannte Situation des irrenden Vordermanns. 83 Ebenso wie ein bloßer Wissensvorsprung des Hintermanns nicht genüge, ihn für das Defizit des Vordermanns haften zu lassen, könne dieser Umstand (allein) kein tatbestandsmäßiges Täuschungsverhalten begründen. Der Bereich des selbstverantwortlichen Opferhandelns ende dort, wo seitens des Täters besondere Aufklärungspflichten 84 bestehen oder er besonderes Vertrauen in Anspruch nehme. 85 Das Opfer dürfe daher grundsätzlich berechtigt auf die wahrheitsgemäße Information vertrauen, wenn der Täter für die Richtigkeit von Informationen über verkehrswesentliche Eigenschaften erkennbar einstehen will. 86 Wer seine Vermögensverfügung dagegen auf Kriterien stelle, die die Grenze der Rationalität „im Sinne empirisch nachweisbarer Verlässlichkeit“ nach dem Maßstab eines durchschnittlichen Erklärungsempfängers 87 überschreiten, könne keinen Anspruch auf Wahrheit mehr gegenüber dem Täter geltend machen. 88 Kindhäuser sieht deshalb diejenigen Täuschungen nicht als betrugsrelevant, die an den Aberglauben des Opfers anknüpfen. Derartige Magie sei objektiv durch Beweis nicht überprüfbar, weshalb das Opfer die Folgen seines dann eigenverantwortlichen Handelns selbst zu tragen habe, wenn es die Täterbehauptungen dennoch zur Entscheidungsgrundlage mache. 89 Eine betrugsirrelevante Täuschung bestehe auch, wenn das Opfer eine so genannte 0190-Nummer wähle, die in einer E-Mail angegeben wurde, da die hohen Entgeltgebühren einer solchen Nummer allgemein bekannt seien. 90 Schreibe der Täter dagegen einem Medikament Heilungsqualitäten zu, ist dieses aber tatsäch82 Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 354 f.; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 60. Die neuerlich zusätzliche Eingliederung in das Institut der mittelbaren Täterschaft ändere zu seinem früheren – vom Institut der mittelbaren Täterschaft losgelösten – Ansatz am Ergebnis ausdrücklich nichts. 83 Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 354 Fn. 40; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 60. 84 Die diesbezüglich von Kindhäuser aufgeworfenen Beispiele sind für die hiesige Untersuchung ohne Relevanz. 85 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 95. 86 Kindhäuser, ZStW, Bd. 103, 1991, 412; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 354: „Im Normalfall des beliebigen sozialen Kontakts resultiert der Anspruch auf die Wahrheit der gegebenen Information aus der Inanspruchnahme entsprechenden Vertrauens.“ 87 Vgl. dazu schon oben Seite 125. 88 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 78. 89 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 78; so auch Pawlik, Betrug, S. 158. 90 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 94.

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen

127

lich unwirksam, so verberge sich dahinter eine betrugsrelevante Täuschung, da der Täter einen Sachverhalt behaupte, der aus Sicht eines durchschnittlichen Erklärungsempfängers empirisch möglich sei. 91 Schließlich nutzt Kindhäuser den Vergleich mit der mittelbaren Täterschaft auch, um die Fallkonstellationen zu lösen, in denen das Opfer an der Wahrheit der Täterbehauptungen zweifelt, aber dennoch verfügt. Anders als in den obigen Fällen sei in solchen Konstellationen nicht das Täuschungsmerkmal sondern der Irrtumsbegriff entsprechend den Wertungen der mittelbaren Täterschaft auszulegen. Da Fahrlässigkeit und grobe Fahrlässigkeit des Tatmittlers die mittelbare Täterschaft nicht ausschlössen, könne eine Betrugsstrafbarkeit nicht daran scheitern, dass das Opfer an der Wahrheit zweifelt, sofern die damit verbundene Gutgläubigkeit des Opfers den Grad der groben Fahrlässigkeit nicht überschreite. Ein Tatbestandsausschluss komme nur in Betracht, wenn das Opferverhalten Vorsatzdichte erreiche, das heißt, das Opfer „mit einer ansonsten Vorsatz begründenden entscheidungsrelevanten Wahrscheinlichkeit von der Unwahrheit der einschlägigen Tatsache ausgehe“. 92 Dann sei die Vermögensverfügung dem Täter nicht mehr zurechenbar; mithin das Opfer für die Einschätzung der Sachlage selbstverantwortlich. 93 b) Kriterien nach Pawlik Pawlik verfolgt in der direkten Umsetzung einen anderen Ansatz als Kindhäuser, um die Informationen zu bestimmen, die das Opfer berechtigt erwarten darf. Er sieht als Grundlage der Wahrheitsansprüche Garantenpflichten des Täters gegenüber dem Opfer. Garantenpflichtig zu sein bedeute in diesem Zusammenhang, die Verantwortung für die Folgen aus dem Handeln eines anderen zu übernehmen. 94 Bei der direkten Zuordnung der Verantwortungssphären zum Täter und zum Opfer stellt Pawlik die Kompatibilität zwischen strafrechtlicher Risikoverteilung und wirtschaftlichen Organisationsprinzipien in den Vordergrund. 95 Die Pflicht zur Selbstsorge ende, wenn dem Opfer nach objektiven Kriterien eine eigenständige, zumutbare Informationsgewinnung nicht möglich ist. 96 Finanzielle

91

NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 78. NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 221; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 358. 93 Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 358. 94 Pawlik, Betrug, S. 77 f. 95 Pawlik, Betrug, S. 152: „Andernfalls würde das Strafrecht eine Weltordnung für maßgeblich erklären, die gegenüber den Praktiken seiner sozialen Umwelt nicht anschlussrational wäre und daher eine lediglich fiktive, nicht aber die sozial wirkliche Freiheit zum Gegenstand hätte.“ 96 Pawlik, Betrug, S. 174; insoweit zustimmend Frisch, Jakobs-FS, S. 97, 109. 92

128

D. Genuin dogmatische Lösung

Aufwendungen, die eine Informationserlangung erfordern würde, 97 und soziale Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr 98 begrenzten die Erkundigungs- und Kontrollobliegenheiten. Allein aus dem Umstand, dass dem Opfer eine eigenständige, zumutbare Möglichkeit zur Informationsbeschaffung beziehungsweise -kontrolle fehlt, werde der Täter nicht im Sinne einer Aufklärungspflicht zuständig. Der potentielle Täter dürfe darüber hinaus durch die Aufklärungspflicht nicht überobligationsmäßig, das heißt, „nicht über die Grenze der von ihm eingenommenen Rolle hinaus“ belastet sein. 99 Nur Informationen, die der Geschäftspartner unabdingbar zur Einordnung seines Risikos benötigt, habe er mitzuteilen. 100 Ausgehend von dieser gesellschaftlichen Funktion der Betrugsvorschrift, das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Behauptungen um deren sozialer Bedeutung willen zu schützen, 101 geht Pawlik von einer herabgesetzten sozialen Gefährdung durch den potentiellen Täter aus, wenn das Opfer konkrete Anhaltspunkte habe, dass der Täter die dem potentiellen Opfer zustehenden Wahrheitsansprüche nicht vollständig erfülle. 102 Diese Unrechtsminderung sei zwar vorrangig bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, 103 abhängig von der Intensität der Verdachtsmomente des Opfers komme aber auch eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs in Betracht. 104 Das Opfer müsse sich dafür in Anbetracht der Verdachtsmomente objektiv grob obliegenheits- beziehungsweise pflichtwidrig verhalten. 105 Nur in eng begrenzten Ausnahmekonstellationen könne mit der Konsequenz, dass sich die Verantwortungssphären verschieben, von dieser objektiven Betrachtung abgewichen und individuelle Defizite des Opfers berücksichtigt werden. Pawlik fasst solche Situationen unter dem Aspekt „Modifikation der Zuständigkeitsverteilung“ 106 zusammen. Gemeinsam sei diesen Situationen, dass – anders als in den Fällen zuvor – dem Opfer nun die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln fehle und dies durch das Opferverhalten auch offenkundig zu 97 Zutreffend führt Pawlik aus, dass beispielsweise die Beiziehung eines Sachverständigen nur unter engen Voraussetzungen, etwa Komplexität des Sachverhalts und / oder außergewöhnlicher finanzieller Umfang, vom Opfer eingefordert werden kann, vgl. Pawlik, Betrug, S. 174 f. 98 Was im Geschäftsverkehr beispielsweise als „grobe Taktlosigkeit“ interpretiert würde, könne vom Opfer im Rahmen seiner Selbstsorge nicht verlangt werden, vgl. Pawlik, Betrug, S. 174 f. 99 Pawlik, Betrug, S. 175. 100 Pawlik, Betrug, S. 175. 101 Pawlik, Betrug, S. 246. 102 Pawlik, Betrug, S. 247. 103 Pawlik, Betrug, S. 248. 104 Pawlik, Betrug, S. 247 f. 105 Pawlik, Betrug, S. 243 f., 248. 106 Pawlik, Betrug, S. 179.

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen

129

Tage trete. 107 Damit der Täter zum Ausgleich des Wissensdefizits verpflichtet sei, müsse zu dieser Hilfsbedürftigkeit – insofern konzeptionsgerecht zu den Erkenntnissen aus der Zuständigkeitsstruktur des Betruges – aber noch eine Hilfspflicht des Täters treten. 108 Pawlik zielt auf Opfer ab, die die Fähigkeiten eines durchschnittlichen Rechtsteilnehmers zum Selbstschutz nicht abrufen können. 109 Das Opfer dürfe nicht als eine Rechtsperson erscheinen, die einen Fehler gemacht habe, sondern als jemand, dem überhaupt der Status als eigenverantwortliche Rechtsperson fehle. 110 Ursache könnten intellektuelle Mängel und / oder eine stark abweichende Sozialisation sein. 111 In jedem Fall müsse aber das Defizit des Opfers derart nach außen treten, dass der Täter zwingend auf das Defizit als Begründung für das Opferhandeln schließen könne, um die Verantwortungsüberbürdung auf den Täter zu rechtfertigen. 112 Bei der Frage, ob die Hilfsbedürftigkeit eine Hilfspflicht begründe, mit der Konsequenz, dass vom Grundsatz der Täterorganisation als ausschließliches Zurechnungsprinzip abgewichen würde, müsse differenziert werden. Im Fall des kognitiven Defizits bestehe eine Hilfspflicht, wenn sich dieses auch auf den rechtlichen Status des Opfers niederschlage, wie es beispielsweise bei Kindern und Geisteskranken der Fall sei. 113 Denn um die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln vermuten zu können, bedürfe es der rechtlichen Organisationskompetenz als Korrelat. 114 In der Fallkonstellation der stark abweichenden Sozialisation erfordere es, da der rechtliche Status der Opfer unangetastet bleibe, eines speziellen Verhaltens des Täters, um die Verantwortung im Sinne einer „institutionellen Sonderzuständigkeit“ auf den Täter übergehen zu lassen. 115 Pawlik verlangt eine „(Vor-)Inszenierung des geschäftlichen Kontakts“ durch den Betrugstäter von einem Gewicht, dass „es nach dem Urteil eines objektiven Beobachters als wahrscheinlich erwarten läßt, daß der Umworbene infolge seines Sozialisa-

107 Pawlik, Betrug, S. 179 f. „Diese bewusste Ausblendung konkret-individueller zugunsten sozial-allgemeiner Erwartungsstrukturen ist lediglich unter der Voraussetzung freiheitstheoretisch plausibel, dass die der betreffenden Rechtsgesellschaft angehörigen Individuen, bildlich gesprochen, den ihnen umlegten Mantel der Rechtspersonalität in der Regel auszufüllen vermögen, dass sie also im großen und ganzen dazu in der Lage sind, jene Autonomie konkret zu leben, die ihnen bislang abstrakt zugesprochen worden ist.“, vgl. Pawlik, Betrug, S. 194. 108 Pawlik, Betrug, S. 180. 109 Pawlik, Betrug, S. 180. 110 Pawlik, Betrug, S. 180. 111 Pawlik, Betrug, S. 180. 112 Pawlik, Betrug, S. 180. 113 Pawlik, Betrug, S. 180. 114 Pawlik, Betrug, S. 180. 115 Pawlik, Betrug, S. 181 f.

130

D. Genuin dogmatische Lösung

tionsdefizits der Verlockung des Geschäfts nicht wird widerstehen können“. 116 Pawlik bildet das Beispiel eines ehemaligen Asylbewerbers oder Aussiedlers, der eine Unterkunft mit frisch eingetroffenen Landsleuten aufsucht, denen er unter der Vorspiegelung, ihnen beim Einleben helfen zu wollen, Jeans und T-Shirts zu überhöhten (wenn auch nicht wucherischen) Preisen verkauft. 117 Da der Täter in diesem Fall mehr tue, als den Gewinn einzustreichen, was zu Recht nicht genügen kann, 118 sondern den geschäftlichen Kontakt durch gezielte und zielgruppenorientierte Werbe- beziehungsweise Verkaufsmaßnahmen gleichsam (vor-)inszeniere, habe er die Folgen des Opferhandelns zu verantworten. 119 Das Kriterium der „(Vor-)Inszenierung des geschäftlichen Kontakts“ wird im Zuge der eigenen Lösung, die im Abschnitt IV. aufgezeigt wird, wieder aufgegriffen. 5. Konsens – normative Auslegung des Täuschungsbegriffs Auf den ersten Blick scheinen zwischen der herkömmlichen Betrugsdogmatik und den normativen Ansichten tiefgreifende Differenzen zu bestehen. Tatsächlich sind trotz der dogmatischen Unterschiede die Abweichungen zwischen dem traditionellen Betrugsverständnis und den rein normativierenden Ansichten im Ergebnis nicht gravierend. In Ergänzung zu den schon erarbeiteten Feststellungen zur dogmatischen Inhomogenität im Kapitel IV. ab Seite 60 werden die nachfolgenden Ausführungen einerseits belegen, dass auch nach der Konzeption der herrschenden Meinung nicht streng die phänotypische Zuordnung des Täterverhaltens über die Betrugsstrafbarkeit entscheidet. Nicht jede Erklärung, die in Widerspruch zur Wirklichkeit steht, ist danach eine betrugsrelevante Täuschung (siehe dazu nachfolgenden Abschnitt b)). Andererseits kann nach der herrschenden Meinung der Täter auch dann, wenn er das Opfer nicht selbst in die Irre geleitet hat, aus normativen Gesichtspunkten im Sinne des § 263 StGB getäuscht haben, indem ihm das Ausnutzen eines schon bestehenden Irrtums angelastet wird (siehe dazu nachfolgenden Abschnitt a)).

116 Pawlik, Betrug, S. 182. Das von Pawlik heraus gearbeitete Kriterium der „(Vor-)Inszenierung“ wird zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen des eigenen Lösungsvorschlags wieder aufgegriffen, vgl. dazu Seite 174. 117 Pawlik, Betrug, S. 182. 118 Pawlik, Betrug, S. 182: „in einer Marktwirtschaft [...] ubiquitäre[r], normativ neutrale[r] Vorgang“. 119 Pawlik, Betrug, S. 182.

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen

131

a) Anerkannte Fälle normativer Relevanz – Betrug durch Unterlassen Dass der Täter für eine Betrugsstrafbarkeit das Opfer nicht zwingend selbst in die Irre geführt haben muss, sondern auch für mitgebrachte Irrtümer normativ zuständig sein kann, ist besonders deutlich im Zusammenhang mit dem von der Rechtsprechung 120 und der überwiegenden Literatur 121 gebilligten Betrug durch Unterlassen anerkannt. Möglich ist, dass der Täter das Entstehen einer Fehlvorstellung nicht verhindert oder einen schon bestehenden Irrtum nicht beseitigt. 122 Das prägende Erfordernis der Zurechnung ist nach herrschender Meinung stets die Garantenstellung. In Rechtsprechung und Literatur haben sich dazu Fallgruppen herausgebildet, in denen der Täter zur Aufklärung verpflichtet ist, obwohl er die Fehlvorstellung beim Opfer nicht positiv herbeigeführt hat. 123 Indem die herrschende Meinung einen Betrug durch Unterlassen billigt, verwirft sie eine streng phänotypische Bewertung des Täterverhaltens. Aus phänotypischen Gesichtspunkten müsste in allen diesen Fallsituationen eine Betrugskonstellation verneint werden, da fehlt, wodurch diese sich phänotypisch auszeichnen; das Hervorrufen des Irrtums durch den Täter. Der Betrug durch Unterlassen ist ein Beleg dafür, dass sich selbst nach der herrschenden Meinung die Betrugsrelevanz aus normativen Gesichtspunkten ergeben kann, indem vom Opfer mitgebrachte Irrtümer dem Täter normativ zugerechnet werden. Diese Tatsache verdeutlicht sich umso mehr, als die herrschende Meinung bei der Festlegung der Garantenpflichten die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, vor allem dessen verkehrsübliche Geschäfts- und Orientierungsrisiken, berücksichtigt. 124 b) Keine Relevanz per se Selbstverständlich lassen sich viele Fälle bilden, bei denen sich phänotypische Irreführung und normative Relevanz decken, mithin der Täter für das Hervorrufen eines Irrtums beim Opfer zuständig ist. Einigkeit herrscht aber auch darüber, dass nicht jede Irreführung vom Betrugstatbestand erfasst wird. Besonders bele120

Statt vieler nur RGSt 21, 67; BGHSt 39, 398. Statt vieler nur Fischer, § 263 Rn. 38 ff.; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 12; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 18; differenzierend Kargl, ZStW, Bd. 119, 2007, 264 ff., 282; ablehnend Grünwald, Mayer-FS, S. 281, 291; Naucke, S. 106 f, 110, 214. Zur Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur ferner Kargl, ZStW, Bd. 119, 2007 ff. 122 Vgl. dazu Kargl, ZStW, Bd. 119, 2007, 264; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 18; SK / Hoyer, § 263 Rn. 55. 123 Vgl. dazu den Überblick bei Fischer, § 263 Rn. 39 ff.; Küper, S. 292; Rengier, BT 1, § 13 Rn. 10 ff.; Wessels / Hillenkamp, Rn. 505 f. 124 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung auf Seite 61 ff. 121

132

D. Genuin dogmatische Lösung

gen dies die Ausführungen im Abschnitt 2. ab Seite 71, die zu der Erkenntnis geführt haben, dass selbst ausdrückliche Täuschungen nicht stets betrugsrelevant sind. Die herrschende Meinung lässt vielmehr auch bei der klassischen Lüge normative Erwägungen in den Täuschungsbegriff einfließen, so dass nicht jede Lüge auch stets eine Täuschung im Betrugssinne ist. 125 Im Zusammenhang mit der Abgrenzung zu übertriebenen Werbeanpreisungen verweist die herrschende Meinung – auch bei ausdrücklicher Irreführung – beispielsweise auf den Umstand, dass im Zuge solcher Reklame nach der Verkehrsanschauung ernsthaft keine konkreten Tatsachen behauptet würden. Diese Argumentation ist insofern widersprüchlich, als auch Werbeaussagen dem Beweis zugänglich und überprüfbar sind. Das Abgrenzungsergebnis beruht also nicht auf dem Kriterium der Beweiszugänglichkeit, sondern auf einer Risikoverteilung zwischen Täter und Opfer. 126 Auch ausdrückliche unwahre Rechtsbehauptungen oder taktische Irreführungen bei Verkaufsverhandlungen unterfallen nach herrschender Ansicht nicht dem Täuschungsbegriff. Die herrschende Meinung spricht den Rechtsausführungen hierbei die Ernsthaftigkeit ab. Bei den taktischen Irreführungen im Rahmen von Verkaufsverhandlungen verweisen die Vertreter auf deren Verkehrsüblichkeit im Geschäftsverkehr. 127 Die Bewertung der Werbeaussagen, Rechtsausführungen und taktischen Täuschungen in Verkaufsverhandlungen belegt die Abkehr der herrschenden Meinung von einer streng phänotypischen Ausgestaltung des Täuschungsbegriffs hin zu einer normativen, an Zuständigkeiten orientierten Abgrenzung zwischen betrugsrelevantem und betrugsirrelevantem Täterverhalten. Das gilt erst recht für die Sachverhalte der konkludenten Täuschung, bei denen die herrschende Meinung einen rollenmäßig, normativen Maßstab nutzt, um zu bestimmen, ob der Täter schlüssig getäuscht hat. 128 So enthalte das Verkaufsangebot eines potentiellen Täters regelmäßig nicht die Erklärung, dass der Kaufpreis angemessen oder üblich sei. 129 In den so genannten Wechselgeldfällen falle es in den Verantwortungsbereich des Leistenden, ob die Schuld besteht. 130 Die fortdauernde Entgegennahme wiederkehrender Leistungen, wie zum Beispiel die Nutzung eines Hotelzimmers über den ursprünglich gebuchten Termin hinaus, enthalte nicht die Erklärung weiterer Leistungsfähigkeit. 131 125

Vgl. dazu oben Seite 71 ff. m.w.N. Vgl. dazu – auch zur Ausnahme bei besonderer Fachkompetenz – oben ab Seite 71. 127 Vgl. dazu ab Seite 77. 128 Siehe dazu schon auf Seite 66. 129 BGH, NJW 1990, 2005; OLG Stuttgart, NStZ 2003, 554; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 10; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 35; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 128; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 130; SK / Hoyer, § 263 Rn. 32; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 16d, 17c. Vgl. ferner Seite 67. 130 BGHSt 39, 392; Fischer, § 263 Rn. 36; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 9; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 39; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 176; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 17a, 22; SK / Hoyer, § 263 Rn. 34. Vgl. ferner Seite 69. 126

II. Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen

133

c) Schlussfolgerung: Abgrenzung zwischen betrugsrelevanter und betrugsirrelvanter Täuschungen durch Zuordnung von Täter- und Opferzuständigkeiten Die vorstehenden Ausführungen belegen, dass im Ergebnis ein allgemeiner Konsens dahingehend besteht, die Frage, ob eine betrugsrelevante Täuschung vorliegt, durch Zuordnung von Täter- und Opferzuständigkeiten zu lösen. Beide Richtungen, traditionelles Betrugsverständnis und normativierende Ansichten, vermeiden durch die normative Auslegung des Täuschungsbegriffs unüberbrückbare Anwendungsprobleme aufgrund der notwendigen Mitwirkung des Opfers. 132 Der Streit zwischen der herrschenden Meinung und den normativierenden Ansichten ist nichts anderes als eine Diskussion über die Richtung, aus der man sich dem Strukturproblem nähert. 133 Ob man kasuistisch den Täuschungsbegriff mit normativen Elementen ausfüllt oder die Betrugsdogmatik insgesamt auf eine normative Grundlage stellt, wirkt sich in den praktischen Konsequenzen, insbesondere der wertenden Betrachtung von Täter- und Opferverhalten bei der konkludenten Täuschung und der Täuschung durch Unterlassen, nur wenig aus. 134 Demnach kann darauf verzichtet werden, die Diskussion um die dogmatische Grundlage des Täuschungsbegriffs 135 zum vertieften Gegenstand der hiesigen Untersuchung zu machen und die verschiedenen Grundrichtungen gegeneinander abzuwägen.

131 BGH, GA 1974, 284; Fischer, § 263 Rn. 37; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 17a. 132 Ähnlich Hanisch, S. 95: „Dieses Prinzip [gemeint: Zuordnung nach Verantwortungsbereichen, Verf.] ist als ein den Betrug typischerweise begleitendes Prinzip bereits anerkannt. Die notwendige Mitwirkung des Opfers macht es erforderlich, die Verantwortungssphäre des Täters von der des Opfers abzugrenzen.“ 133 So auch NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 69; ähnlich Hanisch, S. 52: „Die neuerdings vorgeschlagene Normativierung des Täuschungsbegriffes stellt damit keinesfalls ein radikal neues Anliegen dar.“ und S. 95: „Der Unterschied der neueren normativen Ansicht zur herkömmlichen Täuschungsdogmatik ist viel kleiner, als es auf dem ersten Blick scheint.“; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 30: „Streit um Worte“; Walter, S. 49: „[...] die Ansätze sind nicht gegensätzlich, sondern komplementär.“ 134 Ähnlich – mit konkreten Bezug zur Konzeption Pawliks – NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 69: „Im Vordergrund steht bei Pawlik die Garantenstellung kraft Organisation in Form der Risikoübernahme durch Inanspruchnahme besonderen Vertrauens, die dem Grunde nach mehr oder weniger unausgesprochen von der h.M. sowohl bei der konkludenten Täuschung als auch bei der Begründung von Aufklärungspflichten kraft besonderer Vertrauensverhältnisse herangezogen wird.“ 135 Gemeint ist die Diskussion um die vom naturalistischen Freiheitsbegriff geprägte Lehre vom Rechtsgüterschutz als traditionelle Grundlage der Betrugsdogmatik im Unterschied zur objektiv-normativen Betrachtungsweise des Betrugs, vgl. dazu den Überblick bei Hanisch, S. 19 ff.

134

D. Genuin dogmatische Lösung

Gleichwohl sei angemerkt, dass es angesichts der Tatsache, dass der Betrug ein Selbstschädigungsdelikt ist, nicht überrascht, dass auch die herrschende Meinung normative Elemente in die Täuschungsauslegung einbringt. Der Betrugstatbestand verlangt mit der Vermögensverfügung eine notwendige Mitwirkungshandlung des Opfers. Diese ist aber nicht nur einfache Folge fremden Verhaltens und lässt sich im Denkmuster der Kausalität nicht adäquat begreifen. 136 Die Tatbestandsmerkmale des Betruges dürfen nicht nur einseitig aus der Täterperspektive ausgelegt werden. Es ist auch das Opferverhalten gemäß der kommunikativen Struktur des Betruges über den Stellenwert eines bloßen Kausalerfordernisses hinaus zu berücksichtigen. 137 Insoweit sei betont, 138 dass es gegenüber der Alternative, den Täuschungsbegriff nur punktuell und aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit normativ zu ergänzen, plausibler und konsequenter erscheint, die Betrugsdogmatik insgesamt auf eine normative Grundlage zu stellen, die alle Täuschungsvarianten, auch die ausdrückliche Täuschung, erfasst. 139 Diese Vorgehensweise erlaubt es, die durch die herrschende Meinung praktizierte Auslegung des Täuschungsbegriffs in einem einheitlichen Konzept zu systematisieren. 140

III. Umsetzung in allgemein gültige Pflichtenkategorien und Rückführung auf das Erfordernis einer Solidaritätspflicht Nicht nur ist man sich im Ergebnis darüber einig, dass der Täuschungsbegriff durch die Zuordnung von Zuständigkeitsbereichen auszulegen ist. Es ist auch ein Konsens dahingehend feststellbar, wie sich die Zuständigkeiten zwischen potentiellem Opfer und potentiellem Täter grundsätzlich aufteilen. Sowohl nach dem traditionellem Betrugsverständnis als auch der normativen Betrachtungsweise ist der Betrugsstrafbarkeit im Grundsatz ein objektiv durchschnittlich sorgfältig handelndes Opfer mit durchschnittlich rationalen Fähigkeiten zugrunde zu legen. Diese rollenmäßige Zuordnung durch die herrschende Meinung zeigt sich besonders bei der Abgrenzung der Tatsachenbehauptung von einem Werturteil. Werbeaussagen begründeten für den durchschnittlichen Teilnehmer am Geschäftsverkehr keine Gefahr, da nach der Verkehrsanschauung ernsthaft keine täu136

Frisch, Jakobs-FS, S. 97, 125; ähnlich Hanisch, S. 67 f. Frisch, Jakobs-FS, S. 97, 126; Hanisch, S. 95; Pawlik, Betrug, S. 49; Wittig, S. 325. 138 Auch an dieser Stelle ohne die Intension einen Streitentscheid zwischen traditionellem Betrugsverständnis und neueren normativierenden Ansichten führen zu wollen. 139 So auch Hanisch, S. 95 f. 140 Vgl. auch Hanisch, S. 96: „Es wird nunmehr die Täuschung insgesamt auf das Prinzip zurückgeführt, was die herrschende Ansicht bisher nur punktuell und ad hoc betreibt.“ Ähnlich González, Strafrechtssystem und Betrug 2002, S. 115, 132. 137

III. Umsetzung in allgemein gültige Pflichtenkategorien

135

schungsgeeigneten Tatsachen behauptet würden. 141 Gleiches gelte für unwahre Rechtsausführungen, die der durchschnittliche Erklärungsempfänger mangels Ernsthaftigkeit nicht zu seiner Entscheidungsgrundlage mache. 142 Auch taktische Täuschungen bei Verkaufsverhandlungen, zum Beispiel die unwahre Behauptung, es gebe noch weitere Kaufinteressenten, 143 oder das Bewirken einer unrichtigen Weiterverkaufshoffnung, 144 scheiden als betrugsrelevante Täuschungen aus, da man sich anderenfalls in Widerspruch zum Geschäftsleben setzen würde. 145 Die im Prinzip abstrakt konzipierte Opferrolle belegen auch die Sachverhalte zur Täuschung durch Unterlassen und konkludenten Täuschung, bei denen die herrschende Meinung bei der inhaltlichen Ausgestaltung die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, vor allem dessen verkehrsübliche Geschäftsund Orientierungsrisiken berücksichtigt. 146 Soweit es um betrugsrelevante Aufklärungspflichten aus Vertragsverhältnissen geht, dürften die Vertragspartner grundsätzlich keine Aufklärung voneinander erwarten. 147 Es sei regelmäßig jeweils die eigene Obliegenheit des Vertragspartners, sich über die Vorteilhaftigkeit des Geschäfts zu vergewissern. 148 Es gehöre zu den durchschnittlichen Sorgfaltsanforderungen, bei Aufklärungsbedarf Fragen zu stellen, wenn sich der Vertragspartner passiv verhält. 149 Ähnliches gilt für die konkludente Täuschung. Hier liegt objektiv kein täuschender Erklärungswert vor, wenn das in Rede stehende Verhalten des potentiellen Täters allgemein bekannt ist, zum Beispiel in regelmäßigen Abständen öffentlich diskutiert wird. 150 Gemäß dem rechtlichen Synallagma täusche der Veräußernde grundsätzlich nicht über die Ange-

141

Fischer, § 263 Rn. 10; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 39, § 263 Rn. 14; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 9; SK / Hoyer, § 263 Rn. 18, 27; Walter, S. 72. Vgl. dazu ferner die obigen Ausführungen auf Seite 73. 142 BGHSt 48, 331; OLG Karlsruhe, JZ 2004, 101; Fischer, § 263 Rn. 11; Kindhäuser, § 27 Rn. 9; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 18 f.; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 89. Vgl. dazu auch Walter, S. 66 f., 74. 143 Bockelmann, ZStW, Bd. 69 1957, S. 269, 272; Bockelmann, ZStW, Bd. 79 1967, S. 28, 33; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 27; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 68; vgl. dazu auch Walter, S. 74. 144 BGH, wistra 1992, 255; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 72; Otto, JZ 1993, S. 652, 653. 145 Bockelmann, ZStW, Bd. 69 1957, S. 269, 272; Bockelmann, ZStW, Bd. 79 1967, S. 28, 33. Vgl. ferner Seite 77. 146 BGHSt 39, 392; BGH, NJW 2000, 3013; BayObLG, NJW 1994, 1078; OLG Stuttgart, NStZ 2003, 554; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64, 67; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 147. 147 BayObLG, NJW 1994, 1078; Ellmer, S. 110 f.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64, 67; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 173. 148 Ranft, Jura 1992, S. 66. Vgl. ferner Seite 63. 149 Ellmer, S. 111. 150 BGH, NJW 1995, 539.

136

D. Genuin dogmatische Lösung

messenheit des Preises. 151 Es bestehe keine Veranlassung, einem Käufer, der von seinen Nachfrage- und Überprüfungsmöglichkeiten keinen Gebrauch macht, Betrugsschutz vor überhöhten Preisforderungen zu gewähren. 152 Wie sehr die Sorgfaltsmaßnahmen eines Durchschnittsmenschen die Annahme einer konkludenten Täuschung bestimmen, verdeutlichen – anknüpfend an die Ausführungen in Abschnitt 1. auf Seite 69 – auch die so genannten Wechselgeldfälle, in denen die herrschende Meinung den Umstand, ob die Schuld tatsächlich besteht, grundsätzlich dem Risiko- und Aufklärungsbereich des Leistenden zuordnet. 153 Die Abgrenzung des Verantwortungsbereichs des Täters ausgehend von einem objektiv durchschnittlich sorgfältig handelnden Opfer mit durchschnittlich rationalen Fähigkeiten deckt sich mit den Konzeptionen der normativen Ansichten. So stellt Frisch ausdrücklich klar, dass strafrechtlicher Schutz nicht erforderlich sei, wenn das Opfer zumutbare Selbstschutzmöglichkeiten ungenutzt lasse, da es dadurch zum Ausdruck bringe, am Individualschutz kein Interesse zu haben. 154 Wittig, deren Konzeption inhaltlich auf dem Ansatz Frischs aufbaut, verlangt, dass der Täter dem Opfer dem Inhalt und Kontext der Äußerung nach tatsächlich als Informationsquelle dienen muss. 155 Aus diesem Grunde spreche die herrschende Meinung übertriebenen Werbeanpreisungen zu Recht Täuschungsqualität ab. 156 Erst recht bestimmen Kindhäuser und Pawlik das nach ihren Konzeptionen maßgebliche Recht auf Wahrheit nicht subjektiv unter Beachtung der individuellen Besonderheiten des Opfers sondern auf Basis einer „rollenmäßig präformierten Durchschnittsverständigkeit“. 157 Ausgehend von dem Umstand, dass § 263 StGB die wirtschaftlichen Organisationsprinzipien zu beachten habe, dürfe der Anbieter einer Leistung bei seinem Interaktionspartner ein klug-verständiges Verhalten und die Wahrung seiner Interessen voraussetzen. 158 Indem bei § 263 StGB das potentielle Opfer im Status einer abstrakten Rechtsperson gesehen wird, 159 folgt das Betrugsverbot einem Zurechnungsprinzip, das – wie nach dem geltenden Rechtssystem – grundsätzlich abstrakt konzi151

BGH, NJW 1990, 2005; OLG Stuttgart, NStZ 2003, 554; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 10; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 35; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 128; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 130; SK / Hoyer, § 263 Rn. 32; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 16d, 17c. 152 BGH, NJW 1990, 2005; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503. 153 BGHSt 39, 392; Fischer, § 263 Rn. 36; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 9; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 39; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 176; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 17a, 22. 154 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 80. Vgl. ferner Abschnitt a), S. 119. 155 Wittig, S. 383. 156 Wittig, S. 383. 157 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 61. 158 Pawlik, Betrug, S. 171 f. 159 Pawlik, Betrug, S. 77, 194; vgl. auch Laufen, S. 64, 113.

III. Umsetzung in allgemein gültige Pflichtenkategorien

137

piert ist. 160 Das Grundmuster dieser Aufgabenverteilung entspringt dem von Kant entwickelten Prinzip absoluter Gleichheit und Selbständigkeit der Rechtspersonen. 161 Dieses Prinzip gewährt Strafrechtsschutz, ohne dabei individuelle, ökonomische oder geistige Fähigkeiten des potentiellen Opfers zu berücksichtigen. 162 Die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten der einzelnen Rechtsteilnehmer sind bei der Rechtsanwendung prinzipiell gleichgültig. 163 Für die betrugsstrafrechtliche Bewertung bedeutet dies, dass zwischen Täter und Opfer von einem „Verhältnis unter Gleichen“ auszugehen ist. 164 Die Betrugsvorschrift soll nicht individuelle Schwächen des Geschäftspartners ausgleichen, sondern akzeptiert ungleiche Verhandlungspositionen im Geschäftsverkehr, insbesondere Wissensvorsprünge einer Seite, als sozialtypisch. 165 Jeder Geschäftsteilnehmer ist prinzipiell für sein eigenes Verhalten, seine Organisation und deren Folgen selbst verantwortlich, und jeder trägt prinzipiell das Irrtumsrisiko selbst. 166 Daraus folgt eine grundsätzliche Begrenzung des Zuständigkeitsbereichs des Be-

160 Vgl. dazu Laufen, S. 64, 69 f.: „[...] nimmt das Strafrecht bei einem großen Teil der übrigen Delikte die Beteiligten, sofern sie nicht in einer besonderen Rolle angesprochen sind, gerade nicht in ihrer konkreten physischen, ökonomischen, geistigen oder psychischen Verfassung, sondern nur in einem ganz abstrakten und verallgemeinernden Sinne als Personen wahr. [...] § 212 StGB erfasst die Tötung eines Moribunden ebenso wie die eines Kerngesunden und die eines Heiligen ebenso wie die eines Kriminellen; für § 242 StGB macht es keinen Unterschied, ob die fremde Sache ihrem Eigentümer ohnehin lästig war oder aber seine letzte Habe darstellte, umgekehrt spielt es auch keine Rolle, welche Verwendungsmöglichkeiten der Dieb für die Sache hat.“; Pawlik, Betrug, S. 194; SK / Rudolphi / Stein, § 323c Rn. 2a. 161 Laufen, S. 73; SK / Rudolphi / Stein, § 323c Rn. 2a. 162 Laufen, S. 64; Pawlik, Betrug, S. 194. 163 Laufen, S. 69 f. 164 Vgl. auch Laufen, S. 69, 113. Ähnlich im Zusammenhang mit der Abgrenzung zu übertriebenen Werbeanpreisungen Walter, S. 73: „Der bewußte Unterschied beruht auf der Trennung von konstitutionell Verständnisschwachen – „Einfältigen“ – , bei denen man einen Irrtum stets einkalkulieren muß, und Personen mit durchschnittlicher Auffassungsgabe, die ihre Rechtsgenossen aber in concreto, in der Bewährungssituation des Kontaktes mit der in Rede stehenden Erklärung, enttäuschen, indem sie sich irren; diesen Irrtum kann man dann, da er vor dem Hintergrund des intellektuellen Niveaus des Irrenden unverständlich ist, als subjektive (grobe) Fahrlässigkeit beschreiben, und das ist Leichtfertigkeit.“ 165 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 217; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 93; Pawlik, Betrug, S. 153. Vgl. auch Arzt / Weber, § 20 Rn. 7; Bockelmann, Schmidt-FS, S. 437, 446; Bockelmann, ZStW, Bd. 79 1967, S. 28, 33; Kühne, S. 64; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 35; Munoz, GA 2005, S. 129, 134; Schauer, S. 13 ff.; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 17c; Tischler, Jura 1988, S. 122, 123. 166 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 182; Frisch, Jakobs-FS, S. 97, 114; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 93; Pawlik, Betrug, S. 153 f., 180: „[...] vereinzelte Fehler sind typische Ergebnisse der Inanspruchnahme von Organisationsfreiheit, und ihre Zurechnung zu derjenigen Person, der sie unterlaufen, demonstriert, dass das Strafrecht ernst macht mit seinem Selbstverständnis als Freiheitsordnung“; Wittig, S. 381.

138

D. Genuin dogmatische Lösung

trugstäters auf das eigene Handeln. 167 Indem die Betrugsstrafbarkeit von ihrer Struktur her nur an die Täterorganisation anknüpft, ist der Betrugstäter nicht von vornherein für fremde Vermögensangelegenheiten zuständig. 168 Seine Zuständigkeit begründet sich erst durch die Manipulation einer formal fremden Entscheidung. 169 Nach dieser abstrakten Zuständigkeitsverteilung spielt es dabei keine Rolle, ob die Bedingungen für das Opfer so beschaffen sind, dass es die vorausgesetzten Handlungsmöglichkeiten eines objektiv durchschnittlich handelnden Opfers mit durchschnittlich rationalen Fähigkeiten abrufen kann. Da das abstrakte Recht die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln stillschweigend vermutet, bedarf es eines Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen. Dies bestätigt auch die Auslegung des Täuschungsbegriffs durch die herrschende Meinung, die in Einzelfällen aus Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten von dem objektivierten Opferverständnis abweicht. So verschiebe sich bei der Täuschung durch Unterlassen die Risikoverteilung zugunsten des Opfers, wenn besondere Umstände, wie eine erhöhte Sachkenntnis des Täters, 170 hinzutreten. 171 Je stärker der Vertragspartner nach Art oder Dauer der Geschäftsbeziehung die Belange der anderen Seite zu beachten habe, desto eher ergäbe sich eine Aufklärungspflicht. 172 Die herrschende Meinung nimmt beispielsweise beim Gebrauchtwagenhandel eine im Vergleich zum Neuwagenverkauf verschobene Risikoverteilung an, weil der Käufer einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sei, verborgene Mängel zu übersehen. Der Gebrauchtwagenhändler müsse den Kaufinteressenten ungefragt darüber aufklären, dass es sich um ein Unfallfahrzeug handelt. 173 Die Pflicht geht gleichwohl nicht soweit, auch über den Umfang des Schadens von sich aus aufzuklären. 174 Wie bei der Täuschung durch Unterlassen verschiebe sich die grundsätzliche Risikoverteilung auch im Fall einer konklu167 Pawlik, Betrug, S. 185: „§ 263 ist kein Aushilfsdelikt.“ Vgl. auch Hanisch, S. 69 f., 74; Jakobs, Hirsch-FS, S. 45, 48: „Synallagma von Handlungsfreiheit und Folgenverantwortung“; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 69: „[...] Täuschungen nur dann zurechnungsrelevant sein können, wenn sie rechtliche Folgenverantwortung begründen [...]“; Schumann, S. 6: „Verantwortungsbereich jedes einzelnen sich grundsätzlich auf sein eigenes Handeln beschränkt“. 168 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 63, der einen Vergleich mit § 266 StGB zieht, wo der Täter „ein ihm pflichtwidrig übertragenes fremdnütziges Geschäft pflichtwidrig“ besorge; Kindhäuser, Bemmann-FS, S. 339, 354. Vgl. ferner Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 186 ff. 169 So auch NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 63. 170 Siehe dazu BGH, NJW 2000, 3013; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503. 171 BGHSt 39, 392; BGH, NJW 2000, 3013; OLG Stuttgart, NStZ 2003, 554; SK / Hoyer, § 263 Rn. 60 f. Siehe dazu auch ab Seite 64. 172 BayObLG, NJW 1994, 1078. 173 BGH, NJW 1967, 1222; BayObLG, NJW 1994, 1078 (bei „schwerwiegenden Rahmenschäden“); Lackner / Kühl, § 263 Rn. 14; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 22; SK / Hoyer, § 263 Rn. 59.

III. Umsetzung in allgemein gültige Pflichtenkategorien

139

denten Täuschung bei einer besonderen Sachkenntnis des Täters zu dessen Lasten. Dies gelte namentlich für Kaufverträge über Kunstgegenstände, Antiquitäten und Juwelenschmuck 175 oder Reparaturverträge über technisch komplizierte Geräte. 176 Diese Verschiebung der grundsätzlichen Risikoverteilung setzt sich bei den Sachverhalten der ausdrücklichen Täuschung fort. Werturteile, die grundsätzlich keinen Tatsachenkern enthielten, 177 werden ausnahmsweise als Tatsachenbehauptungen behandelt, wenn der Erklärende eine besondere Fachkompetenz vortäuscht. 178 Scheinbar darf das Opfer nach der herrschenden Meinung stärkeres Vertrauen beanspruchen, wenn der Erklärende mit besonderer Fachkompetenz auftritt. Der Bundesgerichtshof hat beispielsweise im so genannten Wundermittelfall angenommen, dass der Täter trotz abenteuerlicher Anpreisungen einen wissenschaftlichen, fachmännischen Hintergrund vorgespiegelt hat. 179 Dass die herrschende Meinung in Einzelfällen aus Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten auf die individuellen Fähigkeiten des Opfers abstellt, belegt auch der Umgang mit den Sachverhalten, in denen der Täter den Aberglauben des Opfers ausnutzt. Sie nimmt hier eine Täuschung über einen Tatsachenkern mit der Begründung an, dass es auf die faktische empirische Überprüfbarkeit der Täteraussagen nicht ankomme, sofern der Täter dem Opfer den Eindruck der Existenz des fraglichen Sachverhalts vermittle. 180 Diese Lösung deckt sich nicht mit der regelmäßigen Irrelevanz übertriebener Werbeanpreisungen und ist mit Blick auf die Definition des Tatsachenbegriffs, die auf die objektive Beweiszugänglichkeit abstellt, 181 nicht nachvollziehbar. 182 Scheinbar ist die herrschende Meinung bei übertriebenen Werbeanpreisungen, die sich an die breite Masse richten, eher bereit und

174 BayObLG, NJW 1994, 1078; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 14; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 64; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 165. 175 Lackner / Kühl, § 263 Rn. 10; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 36; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 128; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 130. 176 Fischer, § 263 Rn. 36; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 10; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 36; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 128. 177 BGHSt, 34, 199; 48, 331; BGH, wistra 1992, 256; Arzt / Weber, § 20 Rn. 32; Fischer, § 263 Rn. 9; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 5; LK / Tiedemann, Vor § 263 Rn. 39; § 263 Rn. 13 f.; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 65; SK / Hoyer, § 263 Rn. 10. 178 BGH, NJW 1981, 2132; OLG Stuttgart, NJW 1979, 2574; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 9, 15; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 10; SK / Hoyer, § 263 Rn. 15. Siehe dazu auch ab Seite 75. 179 BGHSt 34, 199. 180 LK / Tiedemann, § 263 Rn. 10; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 58; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 8; Fischer, § 263 Rn. 6. 181 BGHSt 15, 24; 48, 331; BGH, NStZ 1996, 282; OLG Düsseldorf, wistra 1996, 32; Lackner / Kühl, § 263 Rn. 4 f.; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 9 f.; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 53; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 73; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 8 f.; SK / Hoyer, § 263 Rn. 12; Fischer, § 263 Rn. 6. 182 Vgl. dazu schon obige Ausführungen auf Seite 79.

140

D. Genuin dogmatische Lösung

gewillt, individuelle Schwächen bei der Auslegung des Täuschungsbegriffs unberücksichtigt zu lassen. Dabei mindert es ihre Bedeutung nicht, dass die herrschende Meinung lediglich punktuell auf die konkrete Opferrolle unter Berücksichtigung der individuellen Opferschwächen abstellt. 183 Schließlich ist dieses Abweichen vom abstrakt gewährten Strafrechtsschutz vor allem bei der konkludenten Täuschung längst gängige Praxis. 184 Dennoch bleiben es kasuistisch geprägte Korrekturen. Die herrschende Meinung reflektiert dabei vor allem nicht, was bei diesen Ausnahmen stillschweigend als maßgeblich vorausgesetzt wird; dass nämlich der Betrugstäter abweichend von der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung auch für diese exzeptionellen Schwächen verantwortlich ist. Zu beanstanden ist nicht die instinktiv richtige Anwendung, sondern das unzureichende theoretische Fundament. Es mangelt an der theoretischen Aufarbeitung dessen, was praktisch intuitiv weithin richtig geschieht. 185 Die uneinheitliche Darstellung der Opferrolle kann durch eine Systematisierung beseitigt werden, indem die Ergebnisse der herrschenden Meinung in eine allgemein gültige Zuständigkeitskonzeption übertragen werden. Dafür soll die Lehre von der objektiven Zurechnung genutzt werden, da diese jenen Gedanken nutzt, der – wie vorstehend schon ausgeführt – von den normativen Ansichten ausdrücklich und von der herrschenden Meinung stillschweigend als haftungsbegrenzendes Korrektiv verwendet wird: den Gedanken der Risikoverteilung. Die Funktion der Lehre von der objektiven Zurechnung ist es, die uferlose Haftung des Täters zu begrenzen, die bestehen würde, wenn man diese allein am Maßstab der Kausalität bemessen würde. 186 Sie ist von der Erkenntnis geleitet, dass nicht jede Verursachung eines tatbestandsmäßigen Erfolges strafwürdiges Verletzungsunrecht darstellt. 187 Die Lehre von der objektiven Zurechnung erweitert die Kriterien zur Abgrenzung des unerlaubten vom erlaubten Verhalten über den Verursacherbeitrag hinaus auf das Verhalten des Opfers und Dritter. 188 Dieses mit der Lehre von der objektiven Zurechnung verbundene haftungsbegrenzende

183

So auch Frisch, Jakobs-FS, S. 97, 125. So auch Frisch, Jakobs-FS, S. 97, 125: „In der Praxis ist der Durchgriff auf die (nicht erfüllten) Verfügungsvoraussetzungen nach allem implizit längst gang und gäbe, die (nicht erfüllten) Verfügungsvoraussetzungen des Opfers spielen bei der Begründung der Täuschung unterschwellig seit langen eine zentrale Rolle – wenngleich, zur Erhaltung des Anschlusses an die traditionelle Definition der Täuschung, im Rahmen der Frage nach einer entsprechenden Erklärung.“ 185 So auch Frisch, Jakobs-FS, S. 97, 125. 186 Siehe dazu schon auf Seite 115 ff. 187 Hanisch, S. 67; Jakobs, 7/29 ff.; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, Vor § 13 Rn. 92; SK / Rudolphi, Vor § 1 Rn. 38, 57; Wessels / Beulke, Rn. 176. 188 So auch Hanisch, S. 68, 70. 184

III. Umsetzung in allgemein gültige Pflichtenkategorien

141

Element der Verantwortungsverteilung ist bei Erfolgsdelikten anerkannt. 189 In die Betrugsnorm hat die sonst übliche Zuordnung nach Zuständigkeitsbereichen zwar ausdrücklich bislang keinen Einzug gehalten, wird aber von der herrschenden Meinung in der Sache längst praktiziert, indem sie der Betrugsstrafbarkeit im Grundsatz ein objektiv durchschnittlich sorgfältig handelndes Opfer mit durchschnittlich rationalen Fähigkeiten zugrunde legt. 190 Bei der notwendigen Systematisierung der praktischen Ergebnisse ist wieder das abstrakt konzipierte Grundmuster der Aufgabenverteilung unserer Rechtsordnung zu beachten, 191 dem eben auch die Lehre von der objektiven Zurechnung folgt. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass entscheidendes Kriterium für die Auslegung eines rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens neben der konkreten Situation und dem jeweiligen Geschäftstyp auch die typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern ist. 192 Liegen keine Besonderheiten vor, kann der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. 193 Die Annahme, jeder Rechtsteilnehmer sei zum eigenverantwortlichen Handeln fähig, begrenzt zugleich die eigene Verantwortung auf eigenes Handeln. 194 Jeder Rechtsteilnehmer hat in erster Linie die Pflicht, nicht durch aktives, gefährliches Tun in die Freiheit anderer einzugreifen. 195 Den aktiven Schutz fremder Interessen verlangt unsere Rechtsordnung dagegen nur in eng begrenzten Fällen. 196 Die unterlassene Gefahrabwendung für fremde Rechtsgüter trotz Erforderlichkeit und Möglichkeit, die gleichintensiv mit dem Verstoß gegen ein Handlungsverbot ist, ist dem Täter nur vorwerfbar, wenn er Garant im Sinne von § 13 StGB ist. Garantenpflichtig sind nur jene Personengruppen, bei denen spezielle Gründe, 189

Siehe dazu schon auf Seite 115 ff. Siehe oben Seite 134 ff. Vgl. auch Hanisch, S. 100: „Bei der Betrugsnorm liegt es nahe, die objektive Zurechnungslehre anzuwenden, wenn man erkennt, dass es sich bei den tatbestandlichen Voraussetzungen um positivierte Zurechnungserfordernisse handelt, die nicht als ein zu schützendes Rechtsgut ausgewiesen werden können.“ 191 Vgl. dazu die obigen Ausführungen ab Seite 136. 192 BGHSt 51, 165; BGHR StGB § 263 I Täuschung 22; Schönke / Schröder / Cramer / Perron, § 263 Rn. 14/15. Vgl. auch Hanisch, S. 71, 75: „Kein subjektiver, sondern ein objektiver Maßstab wird als ausschlaggebend angelegt: die verfestigten Vorstellungen der Gesellschaft, die sich in den Normen der Rechtsordnung widerspiegeln. [...] Die Zuständigkeitslehre kann gesellschaftliche Überlegungen angemessen berücksichtigen, die sich aus dem Zusammenleben der Individuen ergeben.“ 193 BGHSt 51, 165. 194 So auch Hanisch, S. 69 f. 195 MüKomm / Freund, § 323c Rn. 8; Pawlik, Betrug, S. 133; SK / Rudolphi / Stein, § 323c Rn. 2a. 196 So auch SK / Rudolphi / Stein, § 323c Rn. 2a. Vgl. auch MüKomm / Freund, § 323c Rn. 7 f. 190

142

D. Genuin dogmatische Lösung

zum Beispiel eine besondere Sachnähe zur Gefahr, für diese Inpflichtnahme vorliegen. 197 Grundsätzlich verlangt die Rechtsordnung aber kein Eingreifen zugunsten des gefährdeten fremden Interesses. 198 Ausgehend von der vorausgesetzten Eigenverantwortung jedes Rechtsteilnehmers kann der vermeintliche Betrugstäter sein Handeln so einrichten, als befinde er sich zum Opfer in einem „Verhältnis unter Gleichen“. Er kann also hinsichtlich der individuellen, ökonomischen und geistigen Fähigkeiten des vermeintlichen Opfers einen objektiven Maßstab anlegen. Den Betrugstäter trifft damit grundsätzlich nur eine hier als „Respektierungspflicht“ bezeichnete Pflicht. 199 Die Täuschung verkörpert dementsprechend die Überschreitung der tätereigenen Freiheitssphäre. 200 Der Täter ist nur für Handlungen und Folgen verantwortlich, die seiner Freiheitssphäre entspringen. 201 Er kann nur zuständig sein, wenn er die Grenze an erlaubten Unwahrheiten überschritten hat und sein Handeln nicht durch eine vorrangige Opferzuständigkeit überlagert wird. 202 Das Synallagma von Handlungsfreiheit und Folgenverantwortung bildet somit die Grenze der Verantwortung. 203 Folgen, die aus der Freiheit eines anderen resultieren, können dem Täter nicht zugerechnet werden. 204 Soll der Täter auch für vom Opfer mitgebrachte exzeptionelle Schwächen, auf einer solchen beruht schließlich die Mitverantwortung, 205 zuständig sein, erfordert dies eine über die allgemeine Regelzuständigkeit hinausgehende besondere Verantwortlichkeit. In dessen Folge ist der potentielle Betrugstäter verpflichtet, auf individuelle ökonomische oder geistige Fähigkeiten des potentiellen Opfers 197

SK / Rudolphi / Stein, § 323c Rn. 2a; MüKomm / Freund, § 323c Rn. 8: „Sonderverantwortlichkeit“. 198 SK / Rudolphi / Stein, § 323c Rn. 2a. 199 Vgl. dazu auch Laufen, S. 64: „[...] nimmt das Strafrecht [...] die Beteiligten [...] gerade nicht in ihrer konkreten physischen, ökonomischen, geistigen oder psychischen Verfassung, sondern nur in einer ganz abstrakten und verallgemeinernden Sinne als Personen wahr. [...] Inhalt der jeweiligen strafrechtlichen Pflicht ist in diesen Fällen ausschließlich die Respektierung der vorhandenen Rechtsgüter anderer, auf die Frage, wie dieser Rechtsgüterbestand beschaffen ist, kommt es nicht an.“; Pawlik, Betrug, S. 133. 200 Hanisch, S. 67, 77: „Das Merkmal der Täuschung bringt zum Ausdruck, dass der Täter in fremde Handlungsspielräume eingegriffen hat.“ 201 Hanisch, S. 69 f.; Pawlik, Betrug, S. 46. 202 Hanisch, S. 71, 100. Ähnlich bereits Schmoller, JZ 1991, S. 117, 127. Vgl. auch Munoz, GA 2005, S. 129, 131. 203 Jakobs, Hirsch-FS, S. 45, 48. Vgl. auch Hanisch, S. 68 Fn. 181, 74. 204 Hanisch, S. 74 mit dem zutreffenden Hinweis, dass die Begriffe „Zuständigkeit“ und „Verantwortlichkeit“ synonym verwendet werden können; Jakobs, Hirsch-FS, S. 45, 48. 205 Die Beispiele im Kapitel A. belegen, dass die Täter in den Mitverantwortungsfällen eine schon bestehende und vom Täter nicht zu vertretende Schwäche- beziehungsweise Bedrängnissituation zur Verbesserung ihrer Vermögensstellung ausnutzen.

III. Umsetzung in allgemein gültige Pflichtenkategorien

143

Rücksicht zu nehmen. Diese Voraussetzung soll hier als „Solidaritätspflicht“ bezeichnet werden. Begriff und Inhalt der Solidaritätspflicht sind freilich nicht selbst erklärend. 206 Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit ist nicht ausschließlich das eigene Täterverhalten. Vielmehr hängt seine Strafbarkeit auch von solchen Umständen ab, die seiner Kontrolle entzogen sind, mit denen er aber konfrontiert wird. 207 Die Pflicht zur solidarischen Hilfe ergibt sich nicht aus einer Sonderbeziehung des Täters, sondern folgt aus einem öffentlichen Interesse. 208 Dies bedeutet eine Verschiebung der Zurechnungskriterien. Es kommt gerade nicht darauf an, ob den Pflichtigen für das Vorliegen dieser Umstände eine Verantwortlichkeit nach den üblichen Kriterien der objektiven Zurechnung trifft, da das Opfer durch die partielle Zurücknahme der „Täterorganisation“ als ausschließliches Zurechnungsprinzip nicht als abstrakte Rechtsperson, sondern in seiner konkreten, „mitgebrachten“ Verfassung in den Blick kommt. 209 Gleichzeitig wird der Solidaritätsberechtigte, der im Normalfall für sein eigenes Verhalten allein verantwortlich ist, von dieser Alleinverantwortlichkeit entlastet. Obwohl ihm das Recht zusteht, seine Angelegenheiten nach seinen Vorstellungen zu gestalten, muss er die mit diesem Handeln verbundenen Gefahren und Folgen nicht alleine tragen. Zwischen Organisationsfreiheit und Folgenverantwortung besteht im Rahmen der Solidaritätspflichten somit kein striktes Synallagma. 210 Das kantische Prinzip, das sich durch eine absolute Gleichheit und Selbständigkeit der Rechtspersonen charakterisiert, wird durch eine Verschiebung von Verantwortungsbereichen relativiert. 211 Grund ist, dass auch eine freiheitliche Gesellschaft einer Mindestsolidarität zwischen den Bürgern bedingt, aus der sich eine Hilfspflicht in Notfällen herleitet. 212 Diese Konsequenz – hier bezeichnet als „Sonderzuständigkeit des Täters“ – ziehen einheitlich auch Frisch, 206

Pawlik, Notstand, S. 58 „keine selbstexplikative Kraft“. Vgl. dazu ferner SK / Rudolphi / Stein, § 323c Rn. 2a. 207 Laufen, S. 66; LK / Spendel, § 323c Rn. 29; Renzikowski, S. 189; Seelmann, Solidaritätspflichten, S. 295, 298, 303. 208 Jakobs, 12/46. 209 So auch Laufen, S. 67. Vgl. dazu auch Seelmann, Solidaritätspflichten, S. 295, 302 ff. 210 Laufen, S. 67 f. Vgl. dazu auch LK / Spendel, § 323c Rn. 29; Renzikowski, S. 189. 211 Laufen, S. 73. 212 Geppert, Jura 2005, S. 39, 40: „Minimalverpflichtung in unserer auf Gegenseitigkeit beruhender gesellschaftlicher und sozialer Ordnung“; Heil, S. 36: „[...] liegt auch der Gedanke zugrunde, dass die Gesellschaft durch ein solidarisches Miteinander der Bürger geprägt sei. Es bestehe ein allgemeines Interesse der Bürger, in besonderen Notlagen und zum Schutz ihrer Rechtsgüter die solidarische Hilfe ihrer Mitbürger zu erhalten.“; Kühl, Spendel-FS, S. 75; LK / Spendel, § 323c Rn. 27; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 55 Rn. 3; NK / Wohlers, § 323c Rn. 1; Otto, BT, § 67 Rn. 1: „[...] greift damit auf jene Grundlagen der Gesellschaft zurück, die ein soziales Miteinander erst ermöglichen, nämlich auf das Minimum der Solidarität zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft.“; krit. Pawlik, GA 1995, S. 360, 361 ff.; SK / Rudolphi / Stein, § 323c Rn. 2.

144

D. Genuin dogmatische Lösung

Kindhäuser, Pawlik und Wittig in ihren Lösungsvorschlägen. Ausgehend vom Grundsatz, dass das potentielle Opfer eines Betruges für seine Vermögensverwaltung selbst zuständig sei und die Folgen seines Handelns zu tragen habe, wenn es sich vor vermögensschädigenden Handlungen nicht durch zureichende Informationsbeschaffung und hinreichend angewendete Sorgfalt geschützt habe, 213 könnten individuelle Besonderheiten des Opfers, aufgrund derer es seine Vermögensverwaltung fehlerhaft führe, nur bei einer besonderen Zuständigkeit des Täters berücksichtigt werden. 214 Terminologisch bezeichnen die Vertreter diese Voraussetzung lediglich teilweise abweichend als „qualifizierte Handlung“ 215, „besonderes Sorgeverhältnis“ 216 oder „besondere Vertrauensstellung“ 217. Pawlik bezeichnet dieses Erfordernis dagegen ähnlich wie hier als „institutionelle Sonderzuständigkeit“. 218 Pawlik verweist zutreffend darauf, dass es in erster Linie Aufgabe des Staates sei, sozialisationsbedingte Kompetenzlücken zu schließen. Wenn der Staat im Einzelfall dazu aber nicht hinreichend in der Lage ist, 219 muss er auf einen anderen Rechtsteilnehmer gleichsam als „Verwaltungshelfer“ zurückgreifen können. 220 Dies ist jedoch dem potentiellen Betrugstäter gegenüber nur gerechtfertigt, wenn ihm eine Sonderzuständigkeit für das Opfer trifft. 221 Zur Differenzierung zwischen Respektierungs- und Solidaritätspflichten gelangt auch die betrugsspezifische Garantenlehre, die ihre Theorie ebenso wie der hiesige Vorschlag an die grundsätzlich abstrakte Verantwortungsverteilung anknüpft. Die von Jakobs begründete betrugsspezifische Garantenlehre lehnt eine Differenzierung beim Betrug zwischen Begehungs- und Unterlassungstat ab und fordert auch für die Strafbarkeit beim Begehungsdelikt eine Garantenstellung. 222 Der unter Umständen nur zufällig bestehende Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Erfolg könne das normative Übergewicht des Begehungstäters 213 Pawlik, Betrug, S. 172; Wittig, S. 381; vgl. auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 186 ff. 214 Wittig, S. 382 ff. 215 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 217; vgl. ferner unten Seite 119 ff. 216 Wittig, S. 382, 384; vgl. ferner unten Seite 121. 217 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 95; vgl. ferner unten Seite 126 ff. 218 Pawlik, Betrug, S. 181 f.; vgl. ferner unten Seite 127 ff. 219 Die Bildungseinrichtungen des Staates gewährleisten zutreffend nur begrenzten Schutz, vgl. dazu Pawlik, Betrug, S. 181. 220 Pawlik, Betrug, S. 181. Systematisch stützt er diese Erkenntnis auf einen Vergleich mit der Pflicht aus § 323c StGB, „wo ebenfalls ein Bürger zur Erfüllung einer genuin staatlichen Leistungsaufgabe [...] in Anspruch genommen werde“. Ferner Pawlik, GA 1995, S. 360 ff. 221 Pawlik, Betrug, S. 182: „[...] das eine liberale Rechtsordnung kennzeichnende prinzipielle Recht eines jeden, sich von der Not seiner Mitbürger nicht betreffen lassen zu müssen, [würde sonst] in axiologisch unkontrollierter Weise unterlaufen werden“. 222 Jakobs, 7/56 ff.; Jakobs, Strafrechtliche Zurechnung, S. 36 ff.; Gauger, S. 199 ff.; Hanisch, S. 88 f.; Volk, Tröndle-FS, S. 219, 237.

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

145

nicht begründen. Auch beim Begehungstäter eines Betruges knüpfe die Strafbarkeit in Wahrheit an die Ausdehnung seines Organisationsbereiches oder daran an, dass ihn eine institutionelle Garantie für den Bestand eines fremden Rechtsguts treffe. Nach der betrugsspezifischen Garantenlehre muss der Täter in beiden Fällen, beim Betrug durch Begehen und beim Betrug durch Unterlassen, Garant sein. Der Begehungstäter sei schon meist seiner Begehung wegen Garant kraft Organisationszuständigkeit. 223 Anknüpfungspunkt dieser Meinung ist wie bei der vom Verfasser vorgeschlagenen Lösung die Lehre von der objektiven Zurechnung. 224 Die danach zu fordernde Schaffung eines unerlaubten Risikos verkörpere sich in der Täuschungshandlung. Dieses Täuschungsverhalten sei betrugsrelevant, wenn den Täter eine Garantenpflicht trifft, also er eine berechtigte Informationserwartung des Opfers nicht erfüllt. 225 Der Rückgriff auf betrugsspezifische Garantenstellungen erfolge deshalb, weil jede unerlaubt geschaffene Gefahr eine Pflicht begründe, diese wieder zu beseitigen. Jede ausdrückliche oder konkludente Täuschung begründe die Pflicht, die Fehlinformation auszuräumen. 226 Eines unmittelbaren Rückgriffs auf die betrugsspezifische Garantenlehre bedarf es gleichwohl nicht, da die auch nach hiesiger Ansicht zu fordernde Normativierung des Täuschungsbegriffs unabhängig von der spezifischen Garantenlehre durch die isolierte Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung – die schließlich mittlerweile anerkannt ist – erreicht werden kann. 227

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche unter Beachtung der Vorgaben des Wuchertatbestandes (§ 291 StGB) Ausgehend von der Feststellung, dass die Verantwortlichkeit des Betrugstäters für exzeptionelle Schwächelagen des Opfers eine über die allgemeine Regelzuständigkeit hinausgehende besondere Verantwortlichkeit im Sinne einer Solidaritätspflicht erfordert, ist ein systematisch interessanter Gesichtspunkt bislang unberücksichtigt geblieben. Es wurde bisher bei der Fragestellung, bei welchen Sachverhaltskonstellationen den Betrugstäter ausnahmsweise eine Solidaritätspflicht trifft, nicht ausreichend das Verhältnis zum Wuchertatbestand 223 Jakobs, 7/58; Hanisch, S. 89, 91: „Dass sich die Kausalität im Hinblick auf den Haftungsgrund allzu naturalistisch erweist, zeigt sich schon an dem anerkannten Erfordernis der Lehre von der objektiven Zurechnung.“; Wittig, S. 282. 224 Hanisch, S. 96. 225 Hanisch, S. 96. 226 Hanisch, S. 88, die ferner darauf hinweist, dass bei Verinnerlichung dieser Struktur eine Vermengung von Tun und Unterlassen ausgeschlossen sei. 227 Vgl. dazu auch Hanisch, S. 96.

146

D. Genuin dogmatische Lösung

berücksichtigt. Im nachfolgenden Abschnitt 1. wird aufgezeigt, dass bei der Wucherstrafbarkeit als einziger Vorschrift im Vermögensstrafrecht der potentielle Täter das Opfer nicht nur rollenmäßig respektieren, sondern basierend auf einer Solidaritätspflicht das Opfer in seiner konkreten Gestalt mit seinen individuellen Schwächen beachten muss. Auf dieser Erkenntnis aufbauend folgt ein Vergleich der Wucher- mit der Betrugsstrafbarkeit. Die so erarbeiteten Ergebnisse werden genutzt, um die bereits aus dem Kapitel A. bekannten Mitverantwortungssituationen einem konkreten Lösungsvorschlag zuzuführen (vgl. Abschnitt 2.). 1. Wuchertatbestand als Maßstab für das Bestehen einer Solidaritätspflicht Das Wucherverbot nach § 291 StGB statuiert die Pflicht, die Zwangs- oder Schwächelage eines anderen nicht zu einem unverhältnismäßigen Vermögensvorteil auszubeuten. Die Wuchervarianten zielen gleichermaßen auf Rechtsgeschäfte ab, bei denen dem Opfer im Zuge eines kognitiven Defizits (partiell) die Fähigkeit zum wirtschaftlich rationalen Handeln fehlt. 228 Das typische Opfer eines § 291 StGB ist durch eine nicht vom Täter zu verantwortende individuelle Schwäche gekennzeichnet, die der Täter zu einer unverhältnismäßig hohen Bereicherung aus einem zwei- oder mehrseitigen Rechtsgeschäft 229 ausbeutet. 230 Das Wucherverbot stellt demnach das wirtschaftliche Ausbeuten spezifischer Schwächelagen und exzeptioneller Schwächen des Opfers unter Strafe. 231 Im Gegensatz zum Betrug, der – wie oben dargelegt – das potentielle Opfer im Status einer abstrakten Rechtsperson sieht, 232 ist die ausdrücklich auferlegte Täterpflicht, auf individuelle Schwächen des Opfers Rücksicht zu nehmen, eine partielle Zurücknahme des rechtlichen Abstraktionsniveaus. Der Gesetzgeber ist bei der Konzipierung des Wucherverbots von der allgemeinen Zuständigkeitsverteilung abgewichen, dass jeder selbst für die Organisation und Folgen seines eigenen Handelns einzustehen habe. 233 Während § 263 StGB auf die „Täterorganisation“ als Zurechnungsmaxime abstellt, ermöglicht es das Grundmuster des § 291 StGB, 228 Laufen, S. 105, der zutreffend darauf hinweist, dass der Zwangslagenwucher dazu im Gegensatz „eine ökonomisch rationale Reaktion auf eine bestimmte Situation“ ist. 229 Vgl. dazu Lackner / Kühl, § 291 Rn. 2; LK / Wolff, § 291 Rn. 2; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 6; Schauer, S. 45. 230 BGHSt 43, 53; Fischer, § 291 Rn. 3, 9; Kindhäuser, NStZ 1994, S. 105; Lackner / Kühl, § 291 Rn. 1; LK / Wolff, § 291 Rn. 1 f.; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 43 Rn. 7; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 1; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 3, 8, 10; Schauer, S. 40, 77; SK / Hoyer, § 291 Rn. 2. 231 BGHSt 43, 53; LK / Wolff, § 291 Rn. 1; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 2; Kindhäuser, NStZ 1994, S. 105, 106; Schauer, S. 77; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 2. 232 Pawlik, Betrug, S. 77, 194; vgl. auch Laufen, S. 64, 113. 233 Vgl. auch Pawlik, Betrug, S. 148 ff.

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

147

exzeptionelle Defizite und daher Folgen aus dem Organistaionsbereich des Opfers für eine strafbewehrte Pflicht zu berücksichtigen. 234 Kriminalpolitisch steht dahinter die Erwägung, dass das potentielle Opfer nicht mehr auf den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit verwiesen werden kann, wenn es infolge der Schwächesituation in den Verhandlungen mit dem Geschäftspartner unterlegen ist und die Unterlegenheit darauf beruht, dass der Wucherer die Geschäftsbedingungen faktisch einseitig bestimmt. 235 Die Struktur des Wuchers gleicht damit der unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323c StGB. 236 Nach § 323c StGB wird bestraft, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und zumutbar ist. Der Gesetzgeber stellt mit der unterlassenen Hilfeleistung als echtes Unterlassungsdelikt 237 die Verletzung einer Hilfspflicht unter Strafe. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass es auf die Ursache der Gefahrenlage nicht ankommt. 238 § 323c StGB setzt nicht voraus, dass der potentielle Täter an der Entstehung der die Handlungspflicht auslösenden Lage beteiligt war. Der Täter einer unterlassenen Hilfeleistung findet ein Opfer vor, dessen Konstitution bereits vor einem strafrechtlich relevanten Täterverhalten geschwächt ist. 239 Dem Täter wird eine Sonderpflicht zur Hilfeleistung auferlegt, obwohl er in keiner Weise in besonderer Nähe zu dem Opfer steht. 240 Diese Sonderpflicht trifft den Täter vielmehr zufällig. 241 Es genügt zur Hilfeleistung fähig zu sein, wenn eine Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort Hilfe benötigt. 242 Diese Zuständigkeitsverschiebung wird gemeinhin auch als Jedermanns-

234

Laufen, S. 113. MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 13; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 4, 18; SK / Hoyer, § 291 Rn. 2. Ziel des Gesetzgebers dürfte es sein, faktische Diskriminierungen als Auswirkung des rechtlichen Abstraktionsniveaus zu relativieren und im Ergebnis für Gleichbehandlung zu sorgen, vgl. dazu Laufen, S. 113. 236 Dies hat bereits Laufen in seiner umfassenden Abhandlung zum Wucherverbot zutreffend herausgearbeitet, vgl. Laufen, S. 59. 237 Fischer, § 323c Rn. 10; Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben / Hecker, § 323c Rn. 1. 238 SK / Rudolphi / Stein, § 323c Rn. 7; Fischer, § 323c Rn. 2 ff. 239 Laufen, S. 59; Heil, S. 30. 240 Laufen, S. 68; Fischer, § 323c Rn. 1: „§ 323c begründet eine außerhalb des sonstigen strafrechtlichen Zurechnungssystems liegende Zuständigkeit des Unterlassungstäters.“; Jakobs, 12/46; Heil, S. 35; MüKomm / Freund, § 323c Rn. 8: „[...] ist die Pflicht des § 323c gegenüber der des begehungsgleichen Unterlassungsdelikts kein aluid, sondern ein minus: Die Pflicht des § 323c kommt ohne den zusätzlichen Verpflichtungsgrund (gemeint „Sonderverantwortlichkeit“, Verf.) aus, der beim begehungsgleichen Unterlassen nötig ist.“; Neumann, JA 1987, S. 244, 255; Seelmann, JuS 1995, S. 281, 283. 241 Heil, S. 35; Harzer, S. 85 f. 242 Heil, S. 35. 235

148

D. Genuin dogmatische Lösung

Hilfspflicht 243 bezeichnet. Mit anderen Worten übernimmt der potentielle Täter gleichsam solidarisch die Verantwortung. Das Zurechnungsprinzip der unterlassenen Hilfeleistung ist damit abweichend vom abstrakten Zurechnungsprinzip durch eine strafrechtliche Solidaritätspflicht gekennzeichnet, 244 die die Berufung auf die Eigenverantwortlichkeit des potentiellen Opfers versperrt. 245 Der Vergleich mit § 323c StGB zeigt auf, dass dem Wucherverbot die gleiche Charakteristik zugrunde liegen muss, auf die sich nach allgemeiner Auffassung die unterlassene Hilfeleistung stützt, die einer Solidaritätspflicht. 246 Beide Vorschriften verpflichten anknüpfend an eine Opferschwäche zu einem bestimmten Handeln, obwohl der Täter an der Entstehung der Bedrängnislage nach rechtlichen Maßstäben nicht beteiligt war. 247 Im Fall der unterlassenen Hilfeleistung ist es die Verpflichtung, einer sich in Not befindenden Person zumutbare Hilfe zu leisten. Bei § 291 StGB knüpft die Pflicht daran an, die Zwangs- oder Schwächelage eines anderen nicht zu einem unverhältnismäßigen Vermögensvorteil auszubeuten. Zwar richtet sich die Pflicht bei § 291 StGB im Unterschied zur unterlassenen Hilfeleistung, die vom Täter eine Handlungspflicht einfordert, nicht auf eine Verbesserung des status quo der in Bedrängnis befindlichen Person, sondern gestattet dem Täter die benötigte Leistung vorzuenthalten. 248 Dieser Unterschied kann jedoch nicht maßgeblich sein. Der Terminus der Solidaritätspflicht ist keinesfalls auf eine Bereitstellung von Ressourcen eingeengt. 249 Der Begriff der Solidarität verkörpert umfassender eine Zuständigkeitserweiterung beim Täter abweichend von dem Grundsatz, dass jeder selbst für die Organisation seiner Angelegenheiten und der daraus resultierenden Folgen verantwortlich ist. 250 Das Einverständnis des Opfers schließt die Zurechnung nicht aus. Die Schwächesitua243 So Heil, S. 36; Kühl, 1/11; Rengier, BT 2, § 42 Rn. 1; Seelmann, JuS 1995, S. 281; ähnlich Geppert, Jura 2005, S. 39, 40: „Samariter-Paragraph“. 244 So auch Geppert, Jura 2005, S. 39, 40; Heil, S. 38 ff.; Jakobs, 7/67, 12/46; Krey / Heinrich, Rn. 806a; Kühl, 1/11; Laufen, S. 68 ff. mit weiterführenden Ausführungen zur Vereinbarkeit des Solidaritätsgedankens mit der geltenden Rechtsordnung; LK / Spendel, § 323c Rn. 27; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 55 Rn. 3; Neumann, JA 1987, S. 244, 255; Otto, BT, § 67 Rn. 1; Seelmann, JuS 1995, S. 281 ff. Als Erscheinungsform einer strafrechtlichen Solidaritätspflicht gilt ferner der rechtfertigende Notstand gemäß § 34 StGB, vgl. dazu Laufen, S. 74 m.w.N. 245 Neumann, JA 1987, S. 244, 255; LK / Spendel, § 323c Rn. 27. 246 Laufen, S. 65 ff. 247 Laufen, S. 59, 64. 248 Laufen, S. 65 f., der zu Recht darauf hinweist, dass ein nur zu wucherischen Konditionen leistungsbereiter Dritter in der Geschäftspraxis dennoch nicht vorkommen wird. 249 Laufen, S. 66; Pawlik, Notstand, S. 58 „keine selbstexplikative Kraft“. 250 Laufen, S. 67: „Solidarität setzt keine Verschiebung von Ressourcen voraus, sondern beginnt schon auf einer systematisch vorgelagerten Ebene mit der Umschichtung von Zuständigkeitsbereichen.“

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

149

tion reicht aus, um dem Täter eine besondere Vermeidepflicht aufzuerlegen. 251 Das kennzeichnet genau den Kontext einer Solidaritätspflicht, deren Pflichtenkategorie der Wucher folglich zuzuordnen ist. 252 Gleichwohl besteht keine irgendwie geartete Abhängigkeit des Wuchers von der unterlassenen Hilfeleistung. Die Verletzung einer Hilfspflicht nach § 323c StGB ist keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 291 StGB. 253 Ein solches Abhängigkeitsverhältnis ist auch keine Voraussetzung für den Vergleich mit § 323c StGB. Für die Bestimmung des dem Wucherverbot zugrunde liegenden Zuständigkeitstypusses ist maßgeblich und ausreichend, dass sich Wucherverbot und unterlassene Hilfeleistung in ihrer Struktur gleichen. Die Strukturbesonderheit beider Vorschriften besteht darin, die strafrechtlichen Sanktionen nicht ausschließlich in Abhängigkeit zum eigenen und zurechenbaren Täterverhalten zu stellen und auch an Bedrängnissituationen anzuknüpfen, die der Täter nicht beeinflussen kann. Er unterliegt selbst dann den sanktionsbewehrten Pflichten, wenn das Opfer die Bedrängnis im Zuge seiner Organisationsautonomie geschaffen hat, 254 so dass das Opfer gleichzeitig von der Alleinverantwortung für sein Handeln entlastet wird. 255 Anders als bei § 263 StGB, bei dem sich der Täter auf die abstrakten Zurechnungsgrundsätze berufen kann, dringt der potentielle Wuchertäter mit dem Hinweis, dass er die Schwächelage des (potentiellen) Opfers nicht nach den Grundsätzen der objektiven Zurechnung zu verantworten habe, folglich gerade nicht durch. 256 Die Konzeption des § 291 StGB durchbricht damit das im Vermögensstrafrecht regelmäßig geltende abstrakte Zurechnungssystem, das auf einem strikten Zusammenhang zwischen Organisationsfreiheit und Folgenverantwortung für sein eigenes Handeln aufbaut und auf dem grundsätzlich auch unser Strafrechtssystem basiert. 257 Die Strafbarkeit knüpft an ansonsten irrelevante individuelle Schwächelagen an und das Recht nimmt „solidarisch“ auf ein punk251 Laufen, S. 64 f., 68: „[...] die Zwangslage des Bewucherten ist wie der zu Hilfeleistung verpflichtende Unglücksfall des § 323c StGB per se beachtlich. Damit ist die Betrachtungsweise hier weniger ‚abstrakt’; die konkrete, bereits mitgebrachte Situation des Opfers wird ‚sichtbar‘ gemacht.“ 252 Laufen, S. 68. Laufen spricht zutreffend von einer „Solidaritätspflicht im weiteren Sinne“ als Abgrenzung zur „’klassischen’, auf eine ‚Umverteilung‘ von Ressourcen gerichteten Solidaritätspflicht“, vgl. Laufen, S. 68 Fn. 244. 253 Vgl. dazu die zutreffende Auseinandersetzung gerade in Hinblick auf den in dieser Hinsicht besonders relevanten Zwangslagenwucher bei Laufen, S. 60 ff. 254 Laufen, S. 66 f., 113; Seelmann, Solidaritätspflichten, S. 295, 298, 303; speziell zu § 323c StGB: Fischer, § 323c Rn. 5; Neumann, JA 1987, S. 244, 255; LK / Spendel, § 323c Rn. 29. Zum parallel gelagerten Kontext beim rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) vgl. Laufen, S. 65 ff.; Renzikowski, S. 189. 255 Laufen, S. 68, 113. 256 Laufen, S. 67, 113; Renzikowski, S. 189. 257 Laufen, S. 68, 113, 122: „Zwischen Organisationsfreiheit und Folgenverantwortung besteht im Rahmen der Solidaritätspflichten somit kein striktes Synallagma.“ Vgl. auch

150

D. Genuin dogmatische Lösung

tuelles Zurückbleiben hinter einem vorausgesetzten Standard Rücksicht. 258 Das Wucherverbot konstituiert dabei keine Solidaritätspflicht in Form einer strikten Solidarität, sondern in Gestalt einer Mindestsolidarität. Dem Täter ist es grundsätzlich nicht verboten, mit dem potentiellen Opfer Geschäfte mit Vermögensbezug zu tätigen. Er darf aus der Bedrängnissituation nur keine übermäßigen Vorteile ziehen. Ihm ist jede (versprochene) Gegenleistung bis zur unteren Grenze des auffälligen Missverhältnis erlaubt. Der Gesetzgeber hat im Wucherverbot als einzigen Vorschrift im Vermögensstrafrecht abweichend von einer grundsätzlich abstrakt konzipierten Rechtsordnung Bestehen und Umfang an Solidaritätspflichten in Vermögensangelegenheiten monopolisiert. Dies führt, verbunden mit der obigen Feststellung, dass Verantwortlichkeit für eine Opfermitverantwortung als Ausdruck einer Schwächesituation eine Sonderzuständigkeit im Sinne einer Solidaritätspflicht voraussetzt, zur Erkenntnis, dass § 291 StGB auch im Rahmen der Betrugsstrafbarkeit den Maßstab vorgeben muss, unter welchen Voraussetzungen das Strafrecht vom Täter nicht herbeigeführte Schwächesituationen Betrugsrelevanz beimisst. Jegliche weitere Ausweitung des Umfangs würde die etablierten strafrechtlichen Zurechnungsstrukturen unterlaufen. 259 Damit ist eine potentielle Verschiebung der Deliktsstruktur zum Wucher verbunden. Zwar wäre es Aufgabe des Gesetzgebers, diese Strafbarkeitslücken de lege ferenda durch eine Neuformulierung des § 291 StGB zu schließen. Schließlich werden die typischen Mitverantwortungssituationen – wie sogleich nachgewiesen wird – de lege lata regelmäßig nicht von § 291 StGB erfasst. 260 Solange die Umsetzung aber nicht erfolgt, ist der Betrugstatbestand entsprechend „hilfsweise“ anzuwenden, wenn der Opfermitverantwortung als Ausdruck einer mitgebrachten Schwächesituation nach dem Maßstab des § 291 StGB ausnahmsweise betrugstatbestandliche Irrelevanz zuzusprechen ist. Auch in anderen Teilen des Schrifttums wird dieses Konkurrenzverhältnis zum Wuchertatbestand stillschweigend berücksichtigt. Hefendehl und Kindhäuser begründen den Umstand, dass der Täter nicht zur Aufklärung über Wert und Qualität der Ware verpflichtet sei, wenn das Opfer dies nur aus geschäftlicher Unerfahrenheit vernachlässigt habe, 261 damit, dass das Opfer hinreichend durch das Zivilrecht und den Wuchertatbestand geschützt

Pawlik, Betrug, S. 148 ff. § 34 StGB durchbricht ebenfalls dieses abstrakte Prinzip. Dessen Konzeption soll hier aber mangels Vermögensbezug nicht weiter vertieft werden. 258 So auch Laufen, S. 67, 113, 122; Keller, S. 282 f. Vgl. auch, aber kritisch, Seelmann, Solidaritätspflichten, S. 295, 302 f. 259 Laufen, S. 78, da damit „ein mit dem Bestimmtheitsgebot nicht zu vereinbarender Wildwuchs an strafrechtlichen Pflichten einherginge“. 260 Die Vorschrift regelt konzeptionell nur das Ausnutzen spezieller Schwächelagen des Opfers. Zudem scheitert die Wucherstrafbarkeit zumeist an einem auffälligen Missverhältnis, vgl. dazu Seite 154 ff. 261 Vgl. dazu oben Seite 63.

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

151

sei. 262 Beide bringen damit den Maßstab des objektiv durchschnittlich sorgfältig handelnden Opfers beim Betrug durch Unterlassen und den Wuchertatbestand in einen Zusammenhang. Zwar konkretisieren sie ihre Ausführungen nicht weiter, dennoch bestätigen sie, dass das Spannungsverhältnis zwischen Betrug und Wucher durchaus erkannt und beachtet wird. Zugegebenermaßen erscheint es befremdlich, dass das Wucherverbot als Maßstab für die Entscheidung, wann den Täter eine Solidaritätspflicht trifft, herangezogen werden soll, wenn man den bedeutenden phänomenologischen Unterschied zwischen den Wucherkonstellationen und den Mitverantwortungsfällen, nämlich die Irreführung des Opfers durch den Täter, betrachtet. Zwar verbindet das Opfer eines hier allein interessierenden so genannten Schwächewuchers 263 mit dem Betrugsopfer die Unkenntnis über die Auswirkungen der Vermögensdisposition. 264 So haben die Opfer in den Wuchervarianten „Unerfahrenheit“, „Mangel an Urteilsvermögen“ und „erhebliche Willensschwäche“ gleichermaßen keine Kenntnis von dem unverhältnismäßig hohen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, weil sie beispielsweise nicht über günstigere Erwerbsmöglichkeiten informiert sind. 265 Der Täter eines Schwächewuchers beherrscht das Geschehen demnach ähnlich dem Betrugstäter kraft überlegenen Wissens und die Vermögensdisposition beruht wie beim Betrug auf einer ungenügenden Entscheidungsgrundlage. 266 Neben diesen Gemeinsamkeiten offenbart sich jedoch ein bedeutender phänomenologischer Unterschied zwischen den Wucherkonstellationen und den Mitverantwortungsfällen, nämlich die Irreführung des Opfers durch den Täter. 267 Dies gilt auch für die Sachverhalte der Opfermitverantwortung, in denen für die Vermögensdisposition des Opfers auch eine – zumindest nach dem Wortlaut des § 263 StGB gegebene – Täuschung mitursächlich ist. Phänotypisch übersteigt das die typische Wucherkonstellation, in der sich der Wucherer bis zum wucherischen Angebot sozialadäquat verhält. Aus diesem Blickwinkel und ganz nach dem allgemeinen Verständnis, dass der Betrugstäter einen Irrtum hervorruft, während der Wucherer einen schon bestehenden

262 MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 185, sofern dem Opfer eine angemessene Überlegungszeit zur Verfügung stand; NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 164. Vgl. dazu auch Seite 64. 263 Vgl. zum Begriff Laufen, S. 105. 264 Die Berührungspunkte des Schwächewuchers mit § 263 StGB sehen auch Bohnert, Meyer-GS, S. 519, 529 Fn. 39; Laufen, S. 106; Schauer, S. 77 f.; Scheffler, GA 1992, S. 1, 7; SK / Hoyer, § 291 Rn. 4. 265 Scheffler, GA 1992, S. 1, 7. 266 Laufen, S. 106; Schauer, S. 77 f.; SK / Hoyer, § 291 Rn. 4. 267 Das gilt nach herrschender Meinung auch in den dargestellten Fällen realitätsferner Eigenschaftszuschreibung bzgl. Produkten und Dienstleistungen (vgl. Seite 26 ff.), da der Täter eine besondere Fachkompetenz vorspiegele, vgl. dazu Seite 75.

152

D. Genuin dogmatische Lösung

Informationsmangel ausbeutet, 268 für den er nicht verantwortlich ist, 269 ist nicht nachzuvollziehen, dass in Fällen, in denen das Opfer Mitverantwortung am „Betrugserfolg“ trägt, eben diese Betrugsstrafbarkeit nicht gegeben sein soll. Doch ist von der bloßen Phänotypik die normative Relevanz des irreführenden Täterverhaltens, also die Frage, wer für die Vermögensdisposition zuständig ist, zu unterscheiden. Auch wenn die herkömmliche Betrugsdogmatik dem Täuschungsbegriff nicht ausdrücklich, sondern nur stillschweigend, die Abgrenzung nach Verantwortungssphären zugrunde legt, belegen die Ergebnisse in den vorhergehenden Abschnitten, dass sich die Betrugsrelevanz täuschenden Verhaltens nach allgemeinem Konsens nicht nach dessen Phänotypik, sondern nach der normativen Zuordnung des Irrtums richtet. 270 Die Sachverhalte der Täuschung durch Unterlassen und der konkludenten Täuschung offenbaren deutlich, dass die herrschende Meinung in den Täuschungsbegriff normative Elemente einfließen lässt. 271 Die fehlende Entscheidungsmaßgeblichkeit der Phänotypik und den Eingang normativer Elemente zeigt besonders anschaulich der Umstand, dass selbst nach der herrschenden Meinung nicht jede ausdrückliche Irreführung eine normativ relevante Täuschung im Sinne des § 263 StGB ist. 272 Andererseits kann der Täter für den Fall, dass er das Opfer nicht selbst in die Irre geleitet hat, dennoch nach herrschender Meinung aus normativen Gesichtspunkten getäuscht haben. 273 Zwar können sich phänotypische Irreführung und normative Zuordnung zum Täterverhalten decken. Gleichwohl bleibt das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung zwischen betrugsrelevanten und irrelevanten Verhalten aber die normative Abgrenzung nach Zuständigkeitsbereichen. Auch die Lösung im konkreten Einzelfall (vgl. dazu nachfolgenden Abschnitt 2.), die vor allem der Veranschaulichung der zuvor gefundenen Ergebnisse dient, hat die erarbeitete Prämisse zu beachten, dass der Gesetzgeber 268 Hälschner, S. 435; Laufen, S. 111; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 43 Rn. 7; Schauer, S. 78; Scheffler, GA 1992, S. 1, 7; SK / Hoyer, § 291 Rn. 4. 269 Laufen, S. 111 f.; SK / Hoyer, § 291 Rn. 4. Die schweizer Rechtspraxis differenziert ähnlich: „Beim Wucher [...] steht im Gegensatz zum Betrug nicht die arglistige Irreführung, sondern die Ausbeutung der hilflosen Situation eines anderen im Vordergrund. Es ergeben sich zwischen den beiden Tatbeständen Überschneidungen, wenn der Täter die Geistesschwäche, die Unerfahrenheit oder eine andere Inferiorität des Opfers zur Täuschung missbraucht und dadurch eine unverhältnismässige Gegenleistung erwirkt. In solchen Fällen können sowohl alle Wucher- als auch alle Betrugsmerkmale vorliegen. Es kommt dann darauf an, ob der Vorsatz in erster Linie auf die Ausbeutung oder auf die arglistige Täuschung gerichtet war. Je nachdem wird man auf Wucher oder auf Betrug erkennen, vgl. Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 268. 270 Ähnlich Wittig, S. 52 f. 271 Hanisch, S. 51 f., 64, 66; Kubiciel, HRRS 2007, S. 68, 69; Pawlik, Lampe-FS, S. 689, 694 f. Vgl. auch die Ausführungen im Abschnitt IV. auf Seite 60 ff. 272 Siehe dazu Seite 71 ff. 273 Siehe dazu die Ausführungen zur Täuschung durch Unterlassen auf Seite 61 ff.

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

153

für den Bereich der Vermögensdelikte in § 291 StGB die Umstände normiert, unter denen der Täter für Schwäche- beziehungsweise Bedrängnissituationen im Sinne einer Solidaritätspflicht verantwortlich ist, die aus dem Bereich des Opfers stammen. Als Ausgangspunkt der Darstellung dient zunächst die Prüfung der typischen Sachverhalte mit Opfermitverantwortung an den Tatbestandsvoraussetzungen des Wucherverbots. Ziel dieses Abschnitts ist eine Art Bestandsaufnahme, ob und in welchen Mitverantwortungssituationen eine Verwirklichung des Wuchertatbestandes wahrscheinlich ist. Unter Verwendung der Ergebnisse dieses Abschnitts werden anschließend die Konsequenzen für die Betrugsstrafbarkeit in diesen Fällen aufgezeigt. 2. Darstellung anhand der typischen Mitverantwortungssituationen Mitverantwortlich – das steht nach den bisherigen Ausführungen schon fest – ist das Opfer im Regelfall, sobald es die durchschnittlich erwartbare Sorgfalt in Vermögensangelegenheiten missachtet. Auch wurde soeben erarbeitet, dass bei der Bestimmung der Betrugsrelevanz dieser Mitverantwortung die vom Gesetzgeber vorgegebenen Wertungen zu beachten sind. Vor dem Hintergrund, dass der Zuständigkeitstypus des Betrugstäters bewusst anders konzipiert ist und sich in Anforderungen und Obliegenheiten, die an das Opfer zu stellen sind, grundlegend vom Wucherverbot unterscheidet, kann es grundsätzlich nicht in den Zuständigkeitsbereich des Betrugstäters fallen, andere Personen vor einer fehlerhaften Vermögensverwaltung zu schützen. Der Gesetzgeber hat in § 291 StGB bestimmt, unter welchen Voraussetzungen er vermögensrechtlichen Angelegenheiten in vom Täter nicht herbeigeführten Situationen rechtliche Bedeutung durch Fixierung einer Solidaritätspflicht beimisst. 274 Um eine Aufweichung der etablierten strafrechtlichen Zurechnungsstrukturen und um eine Konterkarierung des Wucherverbots abzuwenden, kann der Betrugstäter in den Sachverhalten der Opfermitverantwortung nur in gleicher Weise verantwortlich sein, wie der Täter eines Wuchers für die Vermögensdisposition des Opfers verantwortlich wäre. Dies setzt voraus, dass die in den Mitverantwortungsfällen mitgebrachten Schwächesituationen mit den in § 291 StGB normierten Fällen vergleichbar sind. Die Betrugsrelevanz der Opfermitverantwortung richtet sich deswegen nach hiesiger Meinung nicht nach der Intensität der sich letztlich äußernden Mitverantwortung, ob also das Opfer fahrlässig oder grob fahrlässig gehandelt hat, 275 sondern einzig nach dem Grad der vom Opfer mitgebrachten Schwächesituation, auf 274 Laufen, S. 105, der zutreffend hinzufügt, „dass die ‚Sonderstellung des Wuchers im geltenden Strafrecht‘ nicht auf der Atypizität seines ‚Schutzgutes‘ beruht, sondern sich seiner systematischen Stellung als einer Solidaritätspflicht verdankt.“ 275 So aber Pawlik, Betrug, S. 243 f., 248, der nach dem Grad des Fahrlässigkeitsvorwurfs an das Opfer differenziert und die Zurechnung zum Täter unterbrochen sieht,

154

D. Genuin dogmatische Lösung

welcher die Opfermitverantwortung schließlich fußt. Da die Betrugsrelevanz der Mitverantwortung nur vom Grad der Bedrängnissituation, gemessen am Maßstab des Wucherverbots, abhängig ist, ist es von Bedeutung, ob neben den Betrugsvoraussetzungen auch die Tatbestandsmerkmale des Wuchers erfüllt sind. Zwei Fallkonstellationen sind dabei zu unterscheiden. Die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes und die Tatbestandsvoraussetzungen des Betruges können einerseits prima facie erfüllt sein. Eine mit § 291 StGB vergleichbare Interessenlage liegt in dieser Situation zwar vor, jedoch droht eine Konterkarierung der Rechtsfolgenseite des Wucherverbots (vgl. dazu Abschnitt (1)). Andererseits kann eine Wucherstrafbarkeit fehlen, während eine Betrugsstrafbarkeit prima facie vorliegt. Es wird sich zeigen, dass diese Variante in den Mitverantwortungsfällen die weit aus wahrscheinlichere ist. In diesen Konstellationen besteht die Gefahr, dass neben der Rechtsfolgenseite auch die einschränkenden Tatbestandsmerkmale des § 291 StGB unterlaufen werden (vgl. dazu Abschnitt (2) ab Seite 164). a) Verwirklichung des Wuchertatbestandes in den Fällen einer Opfermitverantwortung Gemäß § 291 Abs. 1 S. 1 StGB wird bestraft, „wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten [...] Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen [...]“. Möglich erscheint eine Verwirklichung des so genannten Schwächewuchers in den Varianten „Unerfahrenheit“, „Mangel an Urteilsvermögen“ oder „erhebliche Willensschwäche“. 276 Die nachfolgende Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 291 StGB anhand der phänomenologisch häufigsten Fallgruppen 277 wird aber verdeutlichen, dass in den Fällen der Opfermitverantwortung der Wucher tatbestandlich regelmäßig nicht vorliegen wird. Die Wuchervariante „erhebliche Willensschwäche“ setzt ein Opfer voraus, dessen psychische Widerstandskraft, einem wucherischen Angebot zu widerstehen, im Vergleich zu derjenigen eines Durchschnittsmenschen erheblich vermindert ist. 278 Zweifellos ist so manches Opfer der in Kapitel A. beschriebenen Situasofern sich das Opfer in Anbetracht der Verdachtsmomente objektiv grob obliegenheitsbeziehungsweise pflichtwidrig verhalte. 276 Siehe zum Begriff oben auf Seite 151. 277 Vgl. dazu Kapitel A. 278 BayObLG, NJW 1985, 873; RegE BT-Drucks, 7/3441, S. 41; BT-Drs. 7/5291 S. 20; Arzt / Weber, § 24 Rn. 9; Fischer, § 291 Rn. 13; Göhler / Wilts, DB 1976, S. 1657, 1662; Heinsius, S. 168 f.; Hohendorf, S. 99; Lackner / Kühl, § 291 Rn. 8; LK / Wolff, § 291 Rn. 22;

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

155

tionen in seiner psychischen Widerstandskraft eingeschränkt. Die Teilnehmer einer Kaffeefahrt widerstehen nicht der Aussicht auf eine schöne Reise und den Verkaufsstrategien, 279 die Geschädigten der Geldanlagemöglichkeiten verführt die Hoffnung auf eine hohe Rendite 280 und die Käufer von Wunderpillen, etc. lassen sich durch die versprochenen Ergebnisse verleiten. 281 Diese Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr verfügen jedoch nicht prinzipiell über eine geringe Widerstandskraft, sondern werden „Opfer“ von Werbungen oder ähnlichen Reizen. Die bloße Anfälligkeit gegenüber solchen Verlockungen oder Verkaufstaktiken des täglichen Lebens ist nach herrschender Ansicht nicht von § 291 StGB geschützt. 282 Die Willensschwäche muss ihren Grund in der Persönlichkeit und dem Wesen des Betroffenen haben. 283 Die Geschädigten der in Rede stehenden Situationen können dagegen lediglich in diesen speziellen Fällen – anders als ein durchschnittlicher Marktteilnehmer – nicht widerstehen, weisen aber ansonsten eine durchschnittliche Widerstandskraft auf. Die Wuchervariante „erhebliche Willensschwäche“ ist daher in den Mitverantwortungsfällen regelmäßig nicht verwirklicht. Die Alternativen „Unerfahrenheit“ und „Mangel an Urteilsvermögen“ des § 291 StGB sind ebenfalls in der Regel nicht verwirklicht. Unerfahrenheit meint einen Mangel an Geschäftskenntnis und Lebenserfahrung im Allgemeinen oder auf einzelnen Gebieten, durch die der Rechtsteilnehmer gegenüber einem Durchschnittsmenschen in der Fähigkeit eingeschränkt ist, gewisse Lebensverhältnisse richtig wahrzunehmen und zu beurteilen. 284 Die potentiellen Opfer sind zweifelMaurach / Schroeder / Maiwald, § 43 Rn. 21; Mitsch, § 5 Rn. 62; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 19; Müller-Gugenberger / Bieneck / Haas, § 61 Rn. 16; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 22; Otto, BT, § 61 Rn. 138; Otto, JR 1985, S. 169, 170; Schauer, S. 53; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 27; Sturm, JZ 1977, S. 84, 86; SK / Hoyer, § 291 Rn. 17. 279 Vgl. Seite 28. 280 Vgl. Seite 23. 281 Vgl. Seite 26 ff. 282 BT-Drucks. 7/5291, S. 20; Arzt / Weber, § 24 Rn. 9; Lackner / Kühl, § 291 Rn. 8; Laufen, S. 121; LK / Wolff, § 291 Rn. 22; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 43 Rn. 21; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 19; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 22; Schauer, S. 54; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 27; SK / Hoyer, § 291 Rn. 17. 283 BR-Drs. 5/75 S. 41; LK / Wolff, § 291 Rn. 22; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 19; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 22; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 27; Sturm, JZ 1977, S. 84, 86. 284 BGHSt 11, 182; 13, 233; 43, 53; BGH, GA 1971, 209; NJW 1983, 2780; OLG Karlsruhe, NJW 1988, 1154; OLG Stuttgart, wistra 1982, 37; LG Frankfurt, wistra 1984, 236; Arzt / Weber, § 24 Rn. 13; Bernsmann, JZ 1998, S. 629, 633; Fischer, § 291 Rn. 11; Lackner / Kühl, § 291 Rn. 8; Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504; Laufen, S. 114; LK / Wolff, § 291 Rn. 19; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 43 Rn. 21; Mitsch, § 5 Rn. 60; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 17; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 20; Otto, BT, § 61 Rn. 135; Otto, JR 1984, S. 252, 254; Schauer, S. 52; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 25; Sturm, JZ 1977, S. 84, 86.

156

D. Genuin dogmatische Lösung

los bei nahezu allen Fallgestaltungen in Kapitel A. unerfahren, doch dürfte es sich regelmäßig kaum um einen überdurchschnittlichen Mangel an Geschäftskenntnis und Lebenserfahrung handeln. Die prinzipielle Fähigkeit, gewisse Lebensverhältnisse korrekt wahrzunehmen und zu beurteilen, ist nicht gestört. Die Opfer wissen vielmehr um die grundsätzlichen Gefahren und Risiken und sind nur punktuell leichtgläubig oder naiv. 285 Ein einfacher Informationsmangel 286 sowie die bloße Unkenntnis über die Bedeutung und Tragweite des Geschäfts 287 oder fehlende Spezialkenntnisse genügen nach herrschender Meinung nicht, 288 da anderenfalls die Gleichwertigkeit zu anderen Schwächemerkmalen gestört wäre. 289 Zum Teil liegen die Gründe für einen Abschluss der Geschäfte vorrangig auch in anderen Schwächen als der Unerfahrenheit. Die Geschädigten der Fallgruppen „Spekulative Geschäfte“ 290 und „Geldanlage“ 291 handeln beispielsweise hauptsächlich aus einem übersteigerten Gewinnstreben. Die Wuchervariante „Mangel an Urteilsvermögen“ erfordert nach herrschender Meinung eine intellektuelle Schwäche, durch die die durchschnittliche Fähigkeit herabgesetzt ist, sich durch vernünftige Beweggründe leiten zu lassen oder die beiderseitigen Leistungen sowie die wirtschaftlichen Folgen des Geschäftsabschlusses richtig zu bewerten. 292 Kennzeichnend sei ein intellektuelles Defizit 293, das den Betroffenen auch bei vollständiger Informationsausstattung hindert, „vernünftig“ zu entscheiden. 294 Das bloß leichtsinnig handelnde Opfer

285

Vgl. die Fälle auf Seite 26 ff. und auf Seite 28 ff. LK / Wolff, § 291 Rn. 19 f.; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 17; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 25. 287 BGHSt 13, 233; BGH, NJW 1983, 2780; Bernsmann, JZ 1998, S. 629, 633; Fischer, § 291 Rn. 11; Laufen, S. 114; LK / Wolff, § 291 Rn. 19; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 17; Otto, BT, § 61 Rn. 135; Otto, JR 1984, S. 252; Schauer, S. 52; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 25. 288 BGHSt 13, 233; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1987, 887; LG Frankfurt, wistra 1984, 236; Bernsmann, JZ 1998, S. 629, 633; Fischer, § 291 Rn. 11; Hohendorf, S. 98; Laufen, S. 114; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 17; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 20; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 25. 289 BGH, NJW 1983, 2780; Hohendorf, S. 100; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 17. 290 Siehe Seite 18 ff. 291 Siehe Seite 23 ff. 292 Arzt / Weber, § 24 Rn. 14; Fischer, § 291 Rn. 12; Göhler / Wilts, DB 1976, S. 1657, 1662; Heinsius, S. 166 f.; Hohendorf, S. 98; Lackner / Kühl, § 291 Rn. 8; Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504; LK / Wolff, § 291 Rn. 21; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 43 Rn. 21; Mitsch, § 5 Rn. 61; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 18; Müller-Gugenberger / Bieneck / Haas, § 61 Rn. 15; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 21; Otto, BT, § 61 Rn. 137; Otto, NJW 1982, S. 2745, 2749 f.; Schauer, S. 53; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 26; Sickenberger, S. 66; Sturm, JZ 1977, S. 84, 86; SK / Hoyer, § 291 Rn. 16. 293 Eine Geistesschwäche ist zwar nicht erforderlich, wird aber häufig die Ursache des Unvermögens sein, vgl. MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 18; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 21. 286

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

157

werde deswegen nicht von dieser Wuchervariante erfasst. 295 Dieser hohe Maßstab fokussiert die Betrachtung auf Mitverantwortungssituationen, die sich durch ein Verhalten überdurchschnittlich dummer Menschen charakterisieren. Aus Kapitel A. kommen die Fälle in Betracht, in denen der Täter den Aberglauben des Opfers ausnutzt. 296 Die Opfer zeichnen sich durch vollkommen irrationale Denkmuster aus, die aus (partiellen) intellektuellen Defiziten herrühren. Während in diesen Konstellationen ein „Mangel an Urteilsvermögen“ in Reichweite erscheint, ist die Wuchervariante für den Großteil der Fälle mit Opfermitverantwortung auszuschließen. Selbst wenn in einigen Fällen eine der von § 291 StGB geforderten Schwächesituationen vorliegt, scheitert die Wucherstrafbarkeit in aller Regel an einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Vermögensvorteil. 297 Der Wertunterschied zwischen dem Vermögensvorteil des Täters und dem Wert der Leistung muss nach herrschender Meinung so unverhältnismäßig sein, dass einem Kundigen bei Kenntnis der maßgeblichen Faktoren das Missverhältnis unmittelbar ins Auge springt. 298 Erforderlich sei eine grobe, erhebliche Wertabweichung. 299 An der Existenz eines Missverhältnisses bestehen in den Fällen der Opfermitverantwortung keine Zweifel. Anderenfalls entfiele schon – von wenigen Ausnahmesituationen abgesehen 300 – der für die Betrugsstrafbarkeit konstitutive Vermögensschaden mit der Folge, dass die Frage nach der tatbestandlichen Relevanz der Opfermitverantwortung für die Betrugsstrafbarkeit entscheidungsunerheblich wäre. Aus allen Entscheidungsbegründungen zu den Fällen aus Kapitel A. geht aber nicht hervor, dass die Wertdifferenz zwischen Leistung und Vermögensvorteil auffällig wäre. Dies ist zwar kein Beweis gegen ein 294 Laufen, S. 119; Fischer, § 291 Rn. 12; Heinsius, S. 166 f.; Lackner / Kühl, § 291 Rn. 8; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 18; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 21; Schauer, S. 53; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 26; Sickenberger, S. 66. 295 RegE BT-Drucks, 7/3441, S. 41; Heinsius, S. 167; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 18; Sickenberger, S. 66. 296 Vgl. dazu ab Seite 22. 297 Mit dieser Einschätzung – sofern Täuschung über den Leistungsinhalt – auch Schauer, S. 90, 164 228, die darüber hinaus Beweisschwierigkeiten im subjektiven Bereich sieht. 298 BGHSt 43, 53; BayObLG, NJW 1985, 873; OLG Stuttgart, wistra 1982, 36; Achenbach / Ransiek / Bernsmann, Kap. V Abschn. 3 Rn. 29; Fischer, § 291 Rn. 16; Haberstroh, NStZ 1982, S. 265, 266; Kindhäuser, NStZ 1994, S. 105, 109; Lackner / Kühl, § 291 Rn. 3; LK / Wolff, § 291 Rn. 28; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 43 Rn. 16; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 27; Müller-Gugenberger / Bieneck / Haas, § 61 Rn. 18 f.; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 28; Otto, NJW 1982, S. 2745, 2746; Otto, JR 1985, S. 169; Schauer, S. 64; Scheffler, GA 1992, S. 1, 4; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 12; Sturm, JZ 1977, S. 84, 86; SK / Hoyer, § 291 Rn. 50; krit. Bernsmann, JZ 1998, S. 629, 633; Laufen, S. 125. 299 MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 27; NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 28 („besonders unangemessen“). 300 Vgl. dazu NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 6.

158

D. Genuin dogmatische Lösung

auffälliges Missverhältnis, wohl aber die Bekräftigung der Vermutung, dass ein solches in der Regel fehlt. (1) Wuchertatbestand und Betrugstatbestand prima facie erfüllt Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 291 StGB sind in den Sachverhalten der Opfermitverantwortung regelmäßig nicht verwirklicht. Derartige Konstellationen sind aber auch nicht auszuschließen. In diesem Zusammenhang rücken die Fälle in den Blickpunkt, in denen der Täter einen Aberglauben des Opfers ausnutzt. Die Wuchervariante „Mangel an Urteilsvermögen“ dürfte in diesen Fällen regelmäßig vorliegen, da sie auf einem intellektuellen Defizit des Opfers gründet. 301 Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Vermögensvorteil sei an dieser Stelle unterstellt. Darüber hinaus ist jeder Fall relevant, in dem der Täter unter Ausbeutung einer Schwächesituation im Sinne des § 291 StGB sich nicht auf die Forderung eines unverhältnismäßigen Vermögensvorteils beschränkt, sondern zusätzlich über den Leistungsinhalt täuscht. Die Gefahr, die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes zu unterlaufen, besteht in solchen Fällen nicht, da eben diese vorliegen. Sofern man die Opfermitverantwortung im Betrugstatbestand unberücksichtigt lässt, droht die Konterkarierung des § 291 StGB durch § 263 StGB auf der Strafzumessungsebene. Der Regelstrafrahmen des Wucherverbots mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren ist deutlich geringer als der des Betruges, der eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren ermöglicht. Der Gesetzgeber bewertet den Tatunwert des Wuchers also augenscheinlich geringer als den des Betruges. 302 Die zusätzliche Betrugsstrafbarkeit mündet demnach in einer unzulässigen Erweiterung des Regelstrafrahmens des Wuchers. 303 Diese Gefahr besteht bei sämtlichen Konstellationen, in denen Wuchertatbestand und Betrugstatbestand prima facie erfüllt sind. Die Verallgemeinerung auf alle Fälle, in denen neben der Betrugs- zusätzlich die Wucherstrafbarkeit erfüllt ist, wird von Lackner / Werle und Schauer bestritten, die einen eigenständigen Betrugsunwert sehen, sobald der Täter neben der Forderung eines unverhältnismäßigen Vermögensvorteils (zusätzlich) über den Leistungsinhalt täusche. 304 Zwischen der Ausbeutung der Schwächesituation und der Täuschung über den Leistungsinhalt bestehe kein Zusammenhang, so dass beide Handlungen folglich selbständig nebeneinander stünden. 305 In diesen Kon301

Vgl. dazu oben ab S. 154. So auch Schauer, S. 66. 303 Ähnlich Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 505; Schauer, S. 66, 75, die eine unzulässige Erweiterung aber nur bezüglich des Preisgestaltungsbetruges erkennen. 304 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504; Schauer, S. 231; vgl. auch MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 801. 305 Schauer, S. 230. 302

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

159

stellationen resultiere der Unrechtsgehalt aus verschiedenen Angriffsmitteln, der nur durch eine idealkonkurrierende Verurteilung zu § 263 StGB und § 291 StGB erfasst werde. 306 Abgrenzungsbedarf besteht nach dieser Auffassung nur zwischen dem Preisgestaltungsbetrug und dem (Leistungs-)Wucher. 307 Preisgestaltungsbetrug meint ein Verhalten, dass durch das Erreichen eines im Vergleich zur Gegenleistung überhöhten Entgeltes gekennzeichnet ist. 308 Die Verwirklichung des § 291 StGB, so die Überlegung, schließe unter Umständen allenfalls eine Täuschung über die Angemessenheit des Preises aus. 309 Überschneidungen zwischen § 263 StGB und § 291 StGB seien denkbar, sofern der Täter gerade über die Preisbildung täusche 310 und zusätzlich die Unerfahrenheit oder den Mangel an Urteilsvermögen ausbeute. 311 Während bei diesen Wuchervarianten das Opfer regelmäßig über die Angemessenheit des Preises irre, wisse es bei einer Zwangslage oder einer erheblichen Willensschwäche um das unverhältnismäßige Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung, 312 so dass in diesen Fällen die Betrugsstrafbarkeit mangels Irrtum ausscheide. 313 In den verbliebenen Fällen entscheide die Art der Täuschung darüber, ob neben der Wucherstrafbarkeit eine Strafbarkeit wegen Betruges trete. 314 Täusche der Täter den Bewucherten ausdrücklich über die Angemessenheit des Preises, trete zur schon bestehenden Wucherstrafbarkeit in Idealkonkurrenz eine Strafbarkeit we306

Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504 f.; Schauer, S. 231. Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504; Schauer, S. 227. Zustimmend MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 801. 308 BGH, LM Nr. 5 zu § 263; Schauer, S. 1 f., 5. 309 Ausgangspunkt der Diskussion ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, in der der Inhaber einer Dachdeckerfirma alte und geschäftlich unerfahrene Eigentümer offensichtlich renovierungsbedürftiger Altbauten zum Abschluss von Verträgen über Erneuerungsarbeiten zu weit überhöhten Preisen veranlasst hatte, die Eigentümer die Preise aber für angemessen und konkurrenzfähig hielten, vgl. OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503. Das Oberlandesgericht greift am Ende seiner Entscheidungsbegründung das Verteidigervorbringen auf, dass „eine Täuschung durch schlüssiges Handeln [...] schon aus gesetzessystematischen Gründen ausscheidet, weil sonst die seit dem 1. 9. 1976 geltende Vorschrift des § 302a StGB über die Ausbeutung der Unerfahrenheit des Geschäftspartners für das Versprechen oder die Erlangung einer in auffälligem Mißverhältnis zur Leistung stehenden Gegenleistung überflüssig wäre“. Das Gericht hatte zuvor aber schon aus anderen Gründen sowohl eine schlüssige Täuschung über die Angemessenheit des Preises als auch eine Täuschung durch Unterlassen verneint, so dass es die Entscheidung über das Verteidigervorbringen dahin stehen lässt. Mangels ausreichender Feststellungen des Tatrichters konnte der Senat ebenso nicht abschließend entscheiden, ob überhaupt der Wuchertatbestand erfüllt ist. 310 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504; Schauer, S. 230 f. Zustimmend MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 801. 311 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504. 312 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504. 313 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504. 314 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504. 307

160

D. Genuin dogmatische Lösung

gen Betruges. 315 Konkludente Täuschungen und Täuschungen durch Unterlassen verlangen nach Lackner / Werle dagegen im Ergebnis eine Pflicht zur Aufklärung. 316 Diese Aufklärungspflicht könne sich aber nicht aus bloßer Unerfahrenheit oder mangelndem Urteilsvermögen des Opfers ergeben, da unabhängig von den weiteren Voraussetzungen des (Leistungs-)Wuchers in solchen Fällen das Verlangen eines überhöhten Preises stets zu einer Betrugsstrafbarkeit führen würde. 317 Die einschränkenden Erfordernisse des Leistungswuchers, vor allem die Höchststrafenbegrenzung auf 3 Jahre Freiheitsstrafe, würden unterlaufen. 318 Dieses Ergebnis hat neben Schauer 319 in jüngster Zeit von Laufen Zustimmung erfahren. Er sieht die Vorgaben des Gesetzgebers in § 291 StGB nur beim Preisgestaltungsbetrug gefährdet, da der Gesetzgeber in § 291 StGB ausdrücklich und positiv festgelegt habe, nur bei ganz bestimmten Opferklassen keine „auffälligen“ Preise zu verlangen. 320 Davon seien nur Aufklärungspflichten über die Preisbildungsgrundlagen erfasst. 321 Die Beschränkung des Überschneidungsbereiches auf die Schwächevarianten „Unerfahrenheit“ und „Mangel an Urteilsvermögen“ ist nachvollziehbar. Die weitere Begrenzung auf den Preisgestaltungsbetrug und auf nicht ausdrückliche Täuschungen greift dagegen zu kurz. Der behauptete eigenständige Unwert einer Täuschung über den Leistungsinhalt besteht tatsächlich nicht gegenüber der Ausbeutung der Schwächesituation, da entscheidend mit dem Leistungsinhalt das bei § 291 StGB geforderte auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung verbunden ist. Entscheidender Bestandteil und entscheidendes Mittel des Wuchers ist die Täuschung über den Leistungsinhalt. Das auffällige Missverhältnis entsteht in solchen Konstellationen schließlich erst, wenn der Täter die Leistung nicht wie in Aussicht gestellt erbringt. Denn erst mit der negativen Abweichung vom versprochenem Leistungsinhalt sind die hohen Preise nicht mehr gerechtfertigt. Diese Argumentation deckt sich mit der Auslegung des Leistungsbegriffs beim auffälligem Missverhältnis. Der Wucherer muss nach herrschender Auffassung die zugesagte Leistung tatsächlich nicht

315

Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504 f.; Schauer, S. 230 f. Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 505. 317 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 505; zustimmend Schauer, S. 230 f. 318 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 505. Zum Abschluss ihrer Urteilsanmerkung betonen Lackner / Werle schließlich die dringend erforderliche weitere Untersuchung der Problematik. Wichtig sei es, den genauen Umfang des Überschneidungsbereichs zu ermitteln, um die Ergebnisse zum Beispiel bei der Auslegung des Täuschungsmerkmals beachten zu können, vgl. Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 505. 319 Vgl. Schauer, S. 230 f. Schauer gesteht dennoch ein, dass die Schwäche häufig Voraussetzung ist, damit die Täuschung gelingen kann (vgl. dazu unten Seite 161). 320 Laufen, S. 108. 321 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 505; Laufen, S. 108. 316

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

161

erbringen. 322 Es ist anerkannt, dass eine Wucherstrafbarkeit erst recht in Betracht kommt, wenn der Täter nur vortäuscht, die von ihm zugesagte Leistung erbringen zu wollen oder zu können. 323 Diese Aussage belegt, dass (zusätzliche) Täuschungen über den Leistungsinhalt für den Wucher nicht untypisch sind und vom Wucher abgedeckt werden. Vor diesem Hintergrund ist es widersprüchlich, einerseits aus dem Vorliegen einer Täuschung über den Leistungsinhalt pauschal auf deren eigenen Unwert zu schließen und den Betrug mit dem Wucher in diesen Fällen idealiter konkurrieren zu lassen, andererseits die Täuschung über den Leistungsinhalt aber als charakteristischen Wesenszug des auffälligen Missverhältnis anzuerkennen. Diese erweiterte Abhängigkeit zwischen Schwächesituation und Täuschung gesteht auch Schauer ein. Sie merkt zutreffend an, dass ein Rechtsteilnehmer mit einem spezifischen Defizit im Sinne des § 291 StGB für leicht durchschaubare Täuschungen nicht nur über die Angemessenheit des Preises „empfänglicher“ ist, sondern das die Schwäche häufig Voraussetzung für ein Gelingen der Täuschung ist. 324 Die hiesige Argumentation kann ferner auf praktische Erwägungen gestützt werden. Der bloße Preisgestaltungsbetrug wird selten sein, denn der Täter wird das Opfer oft zusätzlich durch unzutreffende Behauptungen über den Leistungsinhalt zum Abschluss des Geschäfts motivieren wollen. Bestes Beispiel sind die so genannten Kaffeefahrten 325, bei denen der Verkauf zu überhöhten Preisen zwar im Vordergrund steht, zugleich aber die Produkteigenschaften unwahr positiv dargestellt werden. Der damit einhergehende Verlust an Eigenständigkeit des Wuchertatbestandes in solchen und vergleichbaren Konstellationen kann schwerlich vom Gesetzgeber gewollt sein. Nicht zuletzt sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass auch nach der herrschenden Meinung nicht jedes Behaupten einer Unwahrheit eine betrugsrelevante Täuschung darstellt. Die Zuständigkeit des Täters und einhergehend die Verwirklichung des Betrugstatbestandes können in gleicher Weise auch nicht von der Art der Täuschung abhängen. Lackner / Werle ist darin zuzustimmen, dass sich aus der bloßen Unerfahrenheit des Opfers keine Aufklärungspflicht ergeben kann; die herrschende Meinung auf diesen Umstand also zu Recht keine Garantenstellung stützt. 326 Die 322

Fischer, § 291 Rn. 4; SK / Hoyer, § 291 Rn. 29. LK / Wolff, § 291 Rn. 24b; SK / Hoyer, § 291 Rn. 29. Vgl. ferner Schauer, S. 80, die vermutet, dass sich der Täter regelmäßig nicht auf eine bloße Ausbeutung beschränkt, sondern übermäßige Vermögensvorteile durch eine Kombination von Täuschung und Ausbeutung erstrebt. 324 Schauer, S. 79 f., 230. Um so verwunderlicher ist, dass Schauer in der Situation, dass der Wuchertäter zusätzlich über den Leistungsinhalt täuscht, die Betrugs- und Wucherstrafbarkeit idealiter konkurrieren lassen will, vgl. dazu unten Seite 162. 325 Vgl. dazu Kapitel IV. Seite 28 ff. 326 Insofern ist es Lackner / Werle gelungen, eine dogmatisch homogene Begründung für die Ergebnisse der herrschenden Meinung aufzuzeigen. 323

162

D. Genuin dogmatische Lösung

Überschneidungen zwischen § 263 StGB und § 291 StGB entstehen jedoch genauso bei ausdrücklichen Täuschungen. Das Abgrenzungsbedürfnis richtet sich nicht nach der Täuschungsart, sondern ist von einer mitgebrachten Schwächesituation des Opfers abhängig, zumal häufig der Zufall die Art der Täuschung bestimmt. Trifft den Täter schon bei der ausdrücklichen Täuschung keine Solidaritätspflicht, so ist es eine konsequente Weiterführung, dass aus der Unerfahrenheit keine Aufklärungspflicht resultiert. Allerdings ist es überlegenswert, ob bei einer gleichzeitigen Verwirklichung von Betrugs- und Wuchertatbestand die sachlich gerechtfertigte Sperrwirkung des Wuchertatbestandes konstruktiv durch eine tatbestandliche Reduktion des Täuschungsmerkmals in § 263 StGB umgesetzt werden muss. In diesen Konstellationen kommt ebenso eine Lösung über die Konkurrenzen in Betracht. Die Betrugsstrafbarkeit könnte in Fällen der Opfermitverantwortung hinter der Wucherstrafbarkeit zurücktreten. Die Bestrafung würde dann nach dem verdrängenden Gesetz, in diesem Fall § 291 StGB, erfolgen. 327 Der Wucher konsumiert den Betrug nach teilweise vertretener Ansicht als mitbestrafte Begleittat, sofern die Täuschung gegenüber der wucherischen Handlung keinen selbständigen Unwert besitzt. 328 Der eigene Unwertgehalt fehle – vergleichbar zu den Ausführungen Lackners und Schauers – bei der bloßen Täuschung über die Angemessenheit des Preises. 329 Die wohl überwiegende Ansicht lehnt dagegen schon die theoretische Möglichkeit einer Gesetzeskonkurrenz zwischen Wucher- und Betrugsstrafbarkeit ab. Die Strafbarkeit wegen Wuchers stehe zur Strafbarkeit wegen Betrugs – eine Handlungseinheit vorausgesetzt – in Idealkonkurrenz. 330 Als Beleg wird vielfach auf eine Entscheidung des Reichsgerichts 331 vom 25. Juni 1917 verwiesen. 332 Allerdings teilt das Gericht weder den zugrunde liegenden Sachverhalt aussagekräftig mit, noch gibt es Gründe für eine Tateinheit an, 333 so dass die Beweiskraft der Entscheidung zu bezweifeln ist. Entsprechend schlagwortartig fallen auch die Begründungen für die Annahme der 327 Fischer, Vor § 52 Rn. 44. Die Verwirklichung des zurücktretenden Gesetzes darf allerdings bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigt werden, vgl. BGHSt 1, 152, 155; 6, 25, 27; 19, 188, 189; BGH, NStZ-RR 1996, 21; Fischer, Vor § 52 Rn. 45. 328 Lackner / Kühl, § 291 Rn. 12; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 317; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 801. 329 MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 801; krit. Walter, S. 309 Fn. 40, wonach die höhere Strafdrohung des § 263 StGB gegen eine Konsumtion spricht. 330 Diese Möglichkeit sehen RG LZ 1917, 1173; Arzt / Weber, § 24 Rn. 39i; Fischer, § 263 Rn. 235, § 291 Rn. 29; Lackner / Kühl, § 291 Rn. 12; Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 317; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 43 Rn. 8; MüKomm / Hefendehl, § 263 Rn. 801; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 49; Schauer, S. 227 ff.; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 51. 331 LZ 1917, 1173. 332 Statt vieler nur Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504.

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

163

Idealkonkurrenz aus. Häufig wird dafür einfach zur Voraussetzung gemacht, dass der Täter bei der Anbahnung des wucherischen Geschäfts das Opfer zugleich über Tatsachen täuscht. 334 Hoyer will Idealkonkurrenz annehmen, sofern der Täter sein Opfer täuscht, indem er dessen Mangel an Urteilsvermögen ausnutzt. 335 Hohendorf sieht den Grund für Idealkonkurrenz in der Intensivierung der „auffälligen Äquivalenzstörung“. 336 Kindhäuser ordnet dem § 291 StGB und dem § 263 StGB unterschiedliche Rechtsgüter zu und leitet daraus Tateinheit her. 337 Teilweise dient auch die phänotypische Charakteristik des Schwächewuchers 338 als Begründung. Idealkonkurrenz sei möglich, weil der Betrugstäter einen Irrtum hervorrufe und der Wucherer eine bestehende Lage ausnutze. 339. Die Betrugsstrafbarkeit steht letztlich trotz der unterschiedlichen Begründungsansätze nach allen Lösungsvorschlägen in den Fällen einer Opfermitverantwortung zur Wucherstrafbarkeit in Idealkonkurrenz, da übereinstimmend das bloße Nebeneinander von „Täuschen“ und „Ausbeuten einer Schwächesituation“ ausreichen soll und in allen Fällen aus Kapitel A. die Ursächlichkeit der Täuschung für die Vermögensverfügung außer Frage steht. Ungeachtet des Umstands, dass nach dem Konkurrenzverständnis der überwiegenden Auffassung schon keine Sperrwirkung des § 291 StGB umgesetzt werden kann, bringt eine Lösung über die Konkurrenzen auch bei gegenteiliger Auffassung nicht die erhoffte Entlastung. 340 Als maßgeblich tritt dabei der Umstand in den Vordergrund, dass ein solcher Lösungsvorschlag nur die Konstellationen bewältigen kann, in denen Wucher und Betrug prima facie tatbestandlich erfüllt sind. Die Fälle, in denen das Opfer zwar eine Schwäche- oder Bedrängnissituation mitbringt, aber nur der Betrugs- und nicht auch der Wuchertatbestand verwirklicht ist, bleiben ungelöst. Eine Konzeption, die nur einen Teil der Problematik löst, kann jedoch keine Gültigkeit beanspruchen und ist daher als potentielle Lösung der Mitverantwortungsproblematik zu verwerfen. Aus diesem Blickwinkel erübrigt sich eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzverhältnis zwischen Wucher- und Betrugsvorschrift. In der Folge verbleibt es für die Konstellation, dass Wucher- und Betrugstatbestand prima facie erfüllt sind, bei einer Reduktion des Täuschungsbegriffs als deliktssystematischen Ort der Umsetzung. Eine Sonderzuständigkeit, in dessen Folge der 333 Die Ausführungen beschäftigen sich vorrangig mit der Bestimmung des Strafrahmens gemäß § 73 aF StGB, vgl. dazu RG LZ 1917, 1173. 334 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 504, sofern über den Leistungsinhalt getäuscht werde; LK / Wolff, § 291 Rn. 75; MüKomm / Pananis, § 291 Rn. 49. 335 SK / Hoyer, § 291 Rn. 69. 336 Hohendorf, S. 170. 337 NK / Kindhäuser, § 291 Rn. 56. 338 Vgl. dazu schon oben Seite 151. 339 Maurach / Schroeder / Maiwald, § 43 Rn. 8. 340 Ähnliche Feststellung bei Schauer, S. 164.

164

D. Genuin dogmatische Lösung

potentielle Betrugstäter ausnahmsweise verantwortlich ist, kann schon aus sachlogischen Gründen nicht bestehen. Die Sonderzuständigkeit des Täters ergibt sich unmittelbar aus § 291 StGB, der in den Fällen der Opfermitverantwortung vorrangig anzuwenden ist, um eine Konterkarierung der Wuchervorgaben, hier vor allem der Rechtsfolgenseite, zu verhindern. Ein Bedürfnis, dass Opfer (zusätzlich) über das Betrugsverbot hinaus zu schützen, besteht nicht. (2) Wuchertatbestand nicht erfüllt, aber Betrugsstrafbarkeit prima facie gegeben Nun stellt sich die Frage, ob etwas anderes zu gelten hat, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Wuchers nicht erfüllt sind, aber eine Betrugsstrafbarkeit prima facie vorliegt. Sind die Voraussetzungen des § 291 StGB nicht gegeben, ist zu überlegen, eine Sonderzuständigkeit des potentiellen Betrugstäters auch bei Bedrängnissituationen anzunehmen, die nicht den Vorgaben des Wucherverbots entsprechen. Argumentativ stände dahinter der Gedanke, die (strengen) Voraussetzungen für eine Sonderzuständigkeit nur für den Fall des § 291 StGB als vorgegeben zu sehen. In diese Richtung argumentieren Lackner / Werle. Seien die Voraussetzungen des Leistungswuchers nicht erfüllt, indem es an der Ausbeutung einer Schwächesituation im Sinne des § 291 StGB fehle oder am auffälligem Missverhältnis scheitere, sei unabhängig von dessen einschränkenden Voraussetzungen Betrugsstrafbarkeit grundsätzlich zu bejahen. 341 Eine derartige Lösung würde das bisher erarbeitete Konzept allerdings vollständig aufweichen. Es greift daher zu kurz, die Betrugsstrafbarkeit von dem Vorliegen einer Wucherstrafbarkeit abhängig zu machen. 342 Diese für die Konkurrenzen typische Lösung stößt auf Tatbestandsebene auf erhebliche Probleme. Würde man mit dem Wegfallen der Wucherstrafbarkeit die Grenzen der Sonderzuständigkeit absenken und folgerichtig in den Mitverantwortungsfällen stets eine betrugsrelevante Täuschung annehmen, konterkarierte man das Verhältnis bei bestehender Betrugs- und Wucherstrafbarkeit. Dem Täter würde zur Last gereicht, dass er tatsächlich weniger Unrecht verwirklicht, eine widersinnige Konsequenz. Das Verhältnis zum Wucher ist somit erst recht zu beachten, wenn der Wuchertatbestand nicht verwirklicht ist. Eventuelle Strafbarkeitslücken sind zu respektieren. 341 Lackner / Werle, NStZ 1985, S. 503, 505. Auch Schauer geht bei ihren Ausführungen von einer bestehenden Wucherstrafbarkeit aus, vgl. dazu Schauer, S. 151, 227 ff. 342 Mit ähnlicher Überlegung Lackner / Kühl, § 291 Rn. 12: „In Frage kommt auch, dass § 291 gegenüber der schärferen Strafdrohung des § 263 eine Sperrwirkung entfaltet, wenn zwar alle Merkmale des Betrugs, nicht aber des Wuchers erfüllt sind.“; LK / Tiedemann, § 263 Rn. 317: „Noch weitgehend ungeklärt ist die Frage, ob § 291 gegenüber der schärferen Strafdrohung des § 263 eine Sperrwirkung entfaltet.“ Krit. Walter, S. 309 Fn. 40: „Gegen „Sperrwirkung“ des § 291 spricht, daß er keine Merkmale enthält, die eine Privilegierung gerechtfertigt oder beabsichtigt erscheinen lassen.“

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

165

Die weitere Lösung darf aber keinesfalls schematisch von der Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen des Wuchers abhängig gemacht werden. Auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 291 StGB nicht vorliegen, schließt dies eine Sonderzuständigkeit des Täters nicht zwingend aus. Vielmehr ist danach zu differenzieren, an welcher Voraussetzung die Wucherstrafbarkeit scheitert. Zunächst ist denkbar, dass keine Schwäche- beziehungsweise Bedrängnissituation vom Gewicht des § 291 StGB besteht. In diesen Konstellationen der Opfermitverantwortung bleibt für eine Betrugsstrafbarkeit kein Raum. Das Opfer kann ferner aus einer den Vorgaben des § 291 StGB genügenden Schwächesituation heraus handeln, eine Wucherstrafbarkeit aber dennoch mangels auffälligem Missverhältnis zwischen Leistung und Vermögensvorteil scheitern. In diesen Fällen ist es möglich, den Täter wegen Betruges zu bestrafen, sofern die Wuchervoraussetzung „auffälliges Missverhältnis“ mit vergleichbaren Kriterien kompensiert werden kann. • Wuchertatbestand nicht erfüllt, weil eine Schwächelage vom Gewicht des § 291 StGB fehlt: Scheitert die Wucherstrafbarkeit an dem Umstand, dass der Täter keine Opferschwäche im Sinne des § 291 StGB ausbeutet, droht, sofern der Umstand der Opfermitverantwortung beim Täuschungsmerkmal unberücksichtigt bleibt, neben einer Konterkarierung der Rechtsfolgenseite ein Unterlaufen der tatbestandlichen Anforderungen des Wucherverbots. § 291 StGB proklamiert in Ausnahme zum abstrakten Zurechnungsprinzip die Zuständigkeit des Täters nur bei Ausbeutung spezifischer Schwächesituationen. Dieser Umstand ist freilich für sich allein kein Argument, bei anderen Schwächelagen die Möglichkeit einer Betrugsstrafbarkeit mangels Zuständigkeit des Täters zu versagen, es sei denn, der Gesetzgeber hat mit § 291 StGB bewusst nur das Ausbeuten bestimmter Schwächesituationen unter Strafe stellen wollen. Die früheren Fassungen der §§ 302a StGB (einfacher Kreditwucher), 302b StGB (schwerer Kreditwucher), 302c StGB (Nachwucher), 302d StGB (gewerbsoder gewohnheitsmäßiger Kreditwucher), 302e StGB (Sachwucher) und 302f StGB (Mietwucher) stellten noch die Ausbeutung von Leichtsinn unter Strafe. 343 Leichtsinnig handelte nach ständiger Rechtsprechung, wer den Folgen seiner Handlungen aus Sorglosigkeit oder aus Mangel an genügender Überlegung die ihnen zukommende Bedeutung nicht beilegte. 344 Sorglosigkeit und Leichtgläu343 Vgl. dazu Scheffler, GA 1992, S. 1 f. § 302a a.F. bis § 302d a.F. StGB wurden durch das Gesetz gegen den Wucher vom 24.5.1880 eingeführt. Diese Wucherverbote wurden mit Gesetz vom 19.6.1893 um § 302e a.F. StGB und mit dem Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs vom 4.11.1971 um § 302f a.F. StGB erweitert. Umfassender historischer Überblick bei Laufen, S. 7 ff. 344 RGSt 27, 18; 60, 216; BGHSt 11, 182; vgl. auch LK / Schäfer, § 301 a.F. Rn. 8; LK / Wolff, § 291 Rn. 23.

166

D. Genuin dogmatische Lösung

bigkeit sind die hauptsächlichen Vorwürfe an die potentiellen Betrugsopfer in den Fällen aus Kapitel A. Die früheren Fassungen hätten diese Situationen – ein auffälliges Missverhältnis unterstellt – somit als Wucher strafrechtlich sanktioniert. Aber schon der durch Art. 1 Nr. 6 des 1. Wirtschaftskriminalitätsgesetzes von 1976 neu formulierte § 302a a.F. StGB und der heutige (wortgleiche) § 291 StGB 345 erfassen nicht mehr die Schwächesituation „Leichtsinn“. Der Gesetzgeber ging davon aus, das neu reformierte Wucherverbot berücksichtige alle schutzwürdigen Schwächen des Opfers. 346 Wer die wirtschaftlichen Folgen seines Handelns übersehe und sich in keiner Zwangslage befinde, verdiene allein, weil er leichtsinnig ist, keinen strafrechtlichen Schutz, so die Begründung. 347 Dieser Entwicklung ist die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, an den Missbrauch minderer Schwächen als in § 291 StGB erfasst, wie zum Beispiel mangelnde Sorgfalt, keine Strafdrohung knüpfen zu wollen, mithin solche Täterhandlungen nicht als strafbedürftig anzusehen. Die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers ist auch bei der Auslegung des Täuschungsbegriffs und bei den Voraussetzungen für eine Sonderzuständigkeit des Täters zu beachten. Dieses deliktssystematische Abgrenzungsergebnis verursacht bei der praktischen Umsetzung beträchtliche Auswirkungen. Die Opfermitverantwortung entlastet den Betrugstäter in aller Regel schon tatbestandlich, da diese regelmäßig auf eine von der konstitutionellen Gesamtverfassung unabhängige isolierbare Schwäche 348 zurückzuführen ist. Das potentielle Opfer ist – wie sich nachfolgend zeigen wird – dem Täter intellektuell nicht unterlegen und seine kognitive Konstitution weicht nicht nachhaltig von der eines durchschnittlichen Teilnehmers im Geschäftsverkehr ab. Die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen, eine durchschnittliche Sorgfalt beachtenden Handeln ist ungestört, so dass Ursache der Mitverantwortung pure Nachlässigkeit ist. Pawlik umschreibt ein solches Opferverhalten zutreffend als „gelegentliche ‚Dummheiten’, wie sie einem jedem bisweilen unterlaufen“. 349 Das Gewicht derartiger Opfermitverantwortung liegt erheblich unter der Intensität der Schwächelagen des § 291 StGB. Das Ausbeuten solcher Opferschwächen ist nach dem Zweck des Wucherverbots damit nicht schutzbedürftig. Die direkten Auswirkungen lassen sich gut an den phänomenologisch häufigsten Erscheinungsformen aus Kapitel A. belegen.

345

Geändert durch Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997. Begr. BT-Drucks 7/3441 S. 41; LK / Wolff, § 291 Rn. 23; Sturm, JZ 1977, S. 84, 86. 347 Begr. BT-Drucks 7/3441 S. 41; vgl. auch LK / Wolff, § 291 Rn. 23; Sturm, JZ 1977, S. 84, 86. 348 Vgl. zu diesem Begriff auch Pawlik, Betrug, S. 179 f. 349 Pawlik, Betrug, S. 179. 346

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

167

• Fallgruppe: Spekulative Geschäfte: Die Geschädigten der Geschäfte, denen von vornherein ein finanzielles Verlustrisiko anhaftet, 350 missachten die durchschnittliche Sorgfalt und tragen somit Mitverantwortung am „Betrugserfolg“. Der Lieferant, der trotz Säumigkeit des Kunden weiterhin Waren ausliefert, 351 hätte richtigerweise im Sinne eines sorgfältig handelnden Unternehmers die Zahlungsschwierigkeiten gewissenhaft eruieren und die Lieferung gegebenenfalls von Sicherheiten abhängig machen müssen. Bei hoher Unklarheit über die Kundenliquidität kann es zumutbar sein, ganz vom Geschäft abzusehen. Maßgeblich für die Frage, ob der Täter dennoch im Sinne einer Sonderzuständigkeit für die Folgen verantwortlich bleibt, ist allerdings nicht allein der Umstand, dass das Opfer Mitverantwortung trägt, sondern welcher Ursache die Mitverantwortung entsprungen ist. Im Fall des Warenlieferanten sind versäumte Sorgfaltsmaßnahmen keine Folge wirtschaftlicher Inkompetenz, sondern auf eine punktuelle, isolierbare Schwäche zurückzuführen: die Hoffnung auf ein gutes Geschäft. Diese lässt das grundsätzlich bestehende Bewusstsein für die Liquiditätsgefahren und vorbeugenden Sicherheitsmaßnahmen in den Hintergrund treten. Gleiches gilt für die weiteren Beispiele der Fallgruppe „Risikoabwägung“, in denen das potentielle Opfer wegen der Aussicht auf ein Geschäft keine Identitätsprüfung durchgeführt oder bei der Kreditvergabe auf branchenübliche Sicherheiten verzichtet hat. 352 Gerade im letzten Beispiel, der Kreditvergabe, ist zu berücksichtigen, dass die Banken bewusst ein wirtschaftliches Risiko eingehen und sich diesen Umstand durch Zinsen als Gegenleistung entgelten lassen. 353 Den Umstand der Opfermitverantwortung nicht zu berücksichtigen, würde daher bedeuten, das Ausfallrisiko der Banken, das die Zahlung der Zinsen rechtfertigt, wieder dem potentiellen Täter zuzuschieben. 354 Davon zu unterscheiden sind so genannte Gefälligkeitsdarlehen. Pawlik hat zutreffend herausgearbeitet, dass hier mangels bestehender Zinspflicht das Irrtumsrisiko des Opfers in den Zuständigkeitsbereich des Täters fallen muss. 355 Ihm ist darin zuzustimmen, dass der Kreditnehmer den Kreditgeber in solchen Situationen bereits über konkrete Zweifel an seiner Rückzahlungsfähigkeit aufklären muss. 356

350

Vgl. dazu oben Seite 18 ff. Vgl. Seite 19 ff. 352 Vgl. dazu Seite 21. 353 So auch Pawlik, Betrug, S. 170; Wittig, S. 402. 354 Pawlik, Betrug, S. 171: „Erst wenn die Lage des Kreditnehmers so beschaffen ist, dass ihm objektiv erkennbar nur noch ein glücklicher Zufall helfen kann, ist das geschäftstypische Risiko des Kreditgebers überschritten, kommt also dem Schweigen des Kreditnehmers per se Täuschungscharakter zu.“ 355 Pawlik, Betrug, S. 171; so auch LK / Lackner, § 263 Rn. 35. 356 Pawlik, Betrug, S. 171. 351

168

D. Genuin dogmatische Lösung

Im Fazit begründen diese Formen der Opfermitverantwortung gemessen an den Vorgaben des § 291 StGB keine Sonderzuständigkeit des potentiellen Betrugstäters. Im Ergebnis ist es erforderlich, diese Form der Opfermitverantwortung nicht erst auf der Strafzumessungsebene, sondern schon im Betrugstatbestand zu berücksichtigen, indem man eine betrugsrelevante Täuschung ablehnt. • Fallgruppe: Opfer zweifelt an der Wahrheit der vom Täter behaupteten Tatsache: Das bewusste Außer-Acht-Lassen von Sorgfaltsmaßnahmen ist auch dem Opfer vorzuwerfen, das an der Wahrheit der Täteraussagen zweifelt. 357 Maßgeblich kann selbstverständlich nicht sein, ob das Opfer tatsächlich gezweifelt hat, sondern ob es hätte zweifeln beziehungsweise berechtigten Zweifeln hätte nachgehen müssen. 358 Ein durchschnittlich sorgfältig handelnder Rechtsteilnehmer holt bei begründeten Bedenken über die Richtigkeit der Aussagen weitere Erkundigungen ein oder lässt vom Geschäft ganz ab. Die Mitverantwortung des Opfers besteht darin, auf die Richtigkeit der Täterbehauptungen zu vertrauen, obwohl berechtigte Gründe dafür fehlen. Das Opfer ist ferner in diesen Konstellationen intellektuell nicht defizitär. Grund der Nachlässigkeit ist eine isolierbare Schwäche, die vom Gewicht erheblich unter den Wuchervarianten des § 291 StGB rangiert. Die Ausbeutung solcher Schwächelagen erachtet der Gesetzgeber nicht als schutzbedürftig, so dass auch eine Betrugsstrafbarkeit in diesen Fällen nicht in Betracht kommen kann. Eine betrugsrelevante Täuschung ist mangels Zuständigkeit des Täters zu verneinen. Der eigenständige Anwendungsbereich der Fallgruppe „Zweifel“ ist des Weiteren vergleichsweise klein. 359 Die Zweifel treten typischerweise als Begleiterscheinung zu anderen Formen der Mitverantwortung auf. Bei „Opferzweifeln“ ist allerdings im Besonderem, wie auch im Allgemeinen bei anderen Mitverantwortungsformen, zu überlegen, ob nicht beim Zusammentreffen verschiedener Opferschwächen die tatbestandliche Relevanz jeweils einzeln zu ermitteln oder das Gewicht der unterschiedlichen Mitverantwortung in ihrer Summe als Maßstab zu nehmen ist. Die Schwere des § 291 StGB dürfte dann häufig in Reichweite sein. Eine betrugsrelevante Täuschung wäre unter dieser Voraussetzung anzunehmen, sofern der Täter diese Schwächen in ihrem Zusammenspiel ausbeutet. Eine derartige Vorgehensweise führt jedoch zu ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen. Addiert man mehrere kleine Schwächen zusammen, bevorteilt man den extrem nachlässigen Rechtsteilnehmer, obwohl jener minder schutzwürdig ist. Jede Schwäche muss daher einzeln betrachtet werden, es sei

357 358 359

Vgl. zu dieser Fallgruppe Seite 29 ff. Dazu schon oben auf Seite 100. Vgl. dazu oben Seite 30.

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

169

denn, durch die Kombination der verschiedenen Schwächen entsteht eine neue eigenständige Schwäche. 360 • Fallgruppen: Eigenschaftszuschreibung bzgl. Produkten und Dienstleistungen / Kaffeefahrten: Unter keinem kognitiven Defizit, sondern unter einer isolierbaren Schwäche leidet der Käufer von Produkten, die laut Verkäufer außergewöhnliche Eigenschaften haben, und derjenige, der überteuerte Telefonmehrwertdienste ohne messbaren Erfolg in Anspruch genommen hat. 361 Die Zwiespältigkeit der Produktanpreisungen und der Telefonmehrwertdienste dürfte auch diesen Opfern bekannt sein. Sie befinden sich allerdings in einer mehr oder minder schwierigen Lebenssituation, wie Arbeitslosigkeit oder Unzufriedenheit mit dem äußeren Erscheinungsbild, das seinen Grund beispielsweise im Haarausfall oder Übergewicht haben kann. Die Hoffnung an dieser Lage etwas zu ändern, nivelliert etwaige Bedenken und führt zur Leichtgläubigkeit. Denkbar ist, dass die „Opfer“ gerade wegen der krassen Übertreibungen der Meinung sind, dass „ein bisschen Wahres dran“ sein werde. Da die besondere Leichtgläubigkeit nicht das Gewicht im Sinne des § 291 StGB erreicht, liegt eine – die Verantwortung des Täters ausschließende – tatbestandsrelevante Opfermitverantwortung vor. Die herrschende Meinung gelangt im so genannten „Wundermittelfall“ 362 zum gegenteiligen Ergebnis, da der Täter als Besonderheit einen wissenschaftlichen und fachmännischen Hintergrund vorgespiegelt habe. 363 Die Opfer durften daher berechtigterweise die versprochenen Wirkungen erwarten. Diesem Ergebnis schließt sich Pawlik an. Das Opfer dürfe, übereinstimmend mit der herrschenden Meinung, auf Werbeaussagen vertrauen, wenn diese einen sachlichen Kerngehalt besitzen, so der Fall, wenn der Täter auf wissenschaftlich erprobte Studien verweise. 364 Im „Wundermittelfall“ stellt Pawlik allerdings nicht die Leistungsbeschreibung durch den Täter, sondern die von diesem eingeräumte „Geld-ZurückGarantie“ in den Vordergrund. Mit der weitgehenden Beseitigung des wirtschaftlichen Risikos sei die gänzliche Wirkungslosigkeit der angepriesenen Mittel un-

360 Möglich wäre zum Beispiel, dass das Opfer im Ergebnis unter einem intellektuellen Defizit leidet, vgl. zu den Auswirkungen dieser Form der Opfermitverantwortung Abschnitt (3) ab Seite 172. 361 Vgl. zu dieser Fallgruppe Seite 26 ff. 362 Vgl. dazu Seite 26. 363 Vgl. dazu Seite 75. 364 Pawlik, Betrug, S. 158. Selbstverständlich darf auch nach Pawlik das Opfer der suggestiven Kraft von Werbeaussagen grundsätzlich nicht widerstandslos nachgeben; zustimmend NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 78.

170

D. Genuin dogmatische Lösung

vereinbar. 365 Aus der Sicht eines objektiven Dritten könnten die Opfer auf die Richtigkeit der Leistungsbeschreibung vertrauen. 366 Die herrschende Meinung und Pawlik verkennen aber, dass sich diese Vorgehensweise des Täters in ihrer Art und Weise nicht wesentlich von anderen Werbeanpreisungen oder den Telefonmehrwertdiensten unterscheidet, sondern der Täter nur ein weiteres Werbemittel einsetzt. Sowohl der Hinweis auf Testverfahren als auch auf „Geld-Zurück-Garantien“ werden heutzutage in geradezu inflationärer Weise verwendet. Genauso, wie der durchschnittliche Rechtsteilnehmer um die mangelnde Glaubwürdigkeit der Produktbeschreibungen weiß, ist allgemein bekannt, dass die Testergebnisse regelmäßig übertrieben dargestellt werden oder gar nicht der Wahrheit entsprechen und dass die „Geld-Zurück-Garantie“ den Anreiz zum Kauf / zur Bestellung stärken soll. Ein durchschnittlich sorgfältig handelnder Kunde erkennt folglich den zweifelhaften Beweiswert und betrachtet solche Angebote kritisch. Besondere, eine Sonderzuständigkeit des Täters begründende Umstände fehlen nach hiesiger Argumentation. Ein Opfer, das die vorgegebene Sorgfalt nicht beachtet, weil es besonders leichtgläubig oder für solche Werbemittel anfällig ist, entlastet durch seine Mitverantwortung den potentiellen Täter im Betrugstatbestand. Dasselbe Prinzip gilt für die so genannten Kaffeefahrten, deren Teilnehmer in gleicher Weise Opfer ihrer eigenen abgrenzbaren Schwäche, der Naivität 367, werden. Die Unterschiede sind als ein Unterfall der besonderen Leichtgläubigkeit nur marginal. • Fallgruppe: Irreale Erwartungen: Die Fälle, in denen das Opfer logisch oder naturwissenschaftlich unmöglichen Tatsachenbehauptungen glaubt, sind differenzierter zu lösen. 368 Die Geschädigten der Geldanlageversprechen sind mit den Opfern in den vorherigen Fällen vergleichbar. Sie gehen zunächst ihrem legitimen Ziel nach, ihr Geld möglichst renditestark anzulegen. Außerordentlich hohe Renditen sind zwar auch bei Anlagegeschäften die Ausnahme, aber letztlich im Bereich des Möglichen. Dem Opfer ist kein Vorwurf zu machen, wenn es bei einem Geschäft mit hoher Renditeerwartung auf die Angaben des Täters vertraut, sofern dieser einen plausiblen Hintergrund für das Geschäft darlegt und das Opfer das natürliche RisikoGewinn-Verhältnis beachtet. Betrugsrelevante Opfermitverantwortung beginnt, wenn die Behauptungen des Täters den Bereich des logisch Möglichen verlas-

365 366 367 368

Pawlik, Betrug, S. 158 f. Pawlik, Betrug, S. 158. Vgl. dazu Seite 28. Vgl. zu dieser Fallgruppe Seite 21 ff.

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

171

sen. Im Vordergrund stehen Anlagegeschäfte, bei denen hohe Gewinne ganz ohne Risiko versprochen werden. Ein solches Missverhältnis zwischen Risiko und Gewinn kennzeichnet auch die Geldanlageversprechen aus Kapitel A. Der Wunsch des potentiellen Opfers, die größtmögliche Rendite zu erzielen, ist derart übersteigert, dass es die Irrationalität der Gewinnversprechen verkennt. Ein durchschnittlich sorgfältiger Anleger sichert seine Anlagestrategien durch Informationen ab und stellt Sicherheitsrisiken und Gewinnaussicht in ein gesundes Verhältnis. Gewinnmaximierung um jeden Preis steht bei ihm nicht im Vordergrund. Ein durchschnittlicher Anleger erkennt Renditezusagen von bis zu 9000 Prozent sofort als unmöglich. Da die Geschädigten auf Gewinn ohne gleichwertige Gegenleistung aus sind, spricht man in diesem Zusammenhang auch vom so genannten „betrogenen Betrüger“. 369 Ursache ihrer Mitverantwortung ist kein kognitives Defizit, sondern Gier. Diese Form der vom Opfer mitgebrachten Schwäche begründet keine Sonderzuständigkeit des potentiellen Täters. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der potentielle Täter bei solchen Geschäften regelmäßig eine Beratungsfunktion übernimmt. Anders dürften Kindhäuser und Pawlik die Fälle bewerten, die eine Zuständigkeit des Täters annehmen, sofern dieser eine Beratungsaufgabe übernommen hat. 370 Nach hiesiger Auffassung kann die Beratungssituation nicht entscheidend sein, da das Beratungselement hinter der offensichtlichen und prägenden Irrationalität der Gewinnzusagen verblasst. Es geht an den tatsächlichen Verhältnissen vorbei, in den Situationen von einer eine Sonderzuständigkeit des Täters begründenden Beratung auszugehen. Die Opfer abergläubischer Behauptungen sind ebenfalls von irrationalen Vorstellungen geprägt. Die Unterschiede zu den Geschädigten der Geldanlageversprechen sind allerdings beträchtlich. Vermögen lässt sich durch geschickte Anlagestrategien vermehren, übersinnliche Kräfte gibt es nicht. Der Aberglaube ist in der Bevölkerung immer noch weit verbreitet, beschränkt sich aber auf Rituale des Alltagslebens. „Katze von rechts nach links, Glück bringt’s“ und „Freitag der dreizehnte ist ein Unglückstag“ sind Beispiele dafür. Der durchschnittliche Rechtsteilnehmer ist sich des fehlenden Zusammenhangs mit etwaigen Ereignissen dabei durchaus bewusst. Nicht zuletzt erscheinen regelmäßig an jedem Freitag den dreizehnten Artikel darüber, dass an solchen Tagen auch nicht mehr 369

213.

Vgl. Arzt / Weber, § 20 Rn. 2; Kurth, S. 221; Schüler-Springorum, Honig-FS, S. 201,

370 NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 96: „[...] wenn der Täter zum Ausdruck bringt, dass sich das Opfer bei seiner Entscheidung auf die fragliche Information stützen kann, indem er sie als Auskunft, Ratschlag, Empfehlung o.ä. erteilt“; Pawlik, Betrug, S. 154: „[...] wenn es [...] gerade den Gegenstand des Austauschverhältnisses bildet, einem der Partner bestimmte Unsicherheiten bei der Situationseinschätzung abzunehmen. Eine solche Beratungspflicht muss jedoch jeweils gesondert erbeten und übernommen werden [...]“.

172

D. Genuin dogmatische Lösung

Unglücke als an anderen Freitagen passieren. Der Aberglaube hat bei den Opfern der in Rede stehenden Fälle 371 jedoch eine viel größere Bedeutung. Dort glaubt das Opfer von einem Fluch besessen zu sein oder Wünsche mittels okkultischen Ritualen erfüllen zu können. Die Betrugserfolge sind nur möglich, weil das Opfer ein gewisses (partielles) intellektuelles Defizit aufweist, indem es an den Einfluss übersinnlicher Kräfte glaubt. Die irrationalen Verhaltensweisen lassen sich anders nicht erklären. Es erscheint bedenklich, eine betrugsrelevante Täuschung in diesen Fällen unter Hinweis auf die Eigenverantwortung abzulehnen. Dem Opfer würde keine isolierbare Schwäche, sondern eine prinzipielle kognitive Inkompetenz, mithin Unbedarftheit, vorgeworfen, die mit den Schwächelagen des Wucherverbots vergleichbar ist. 372 Das Opfer ist insbesondere zu anderen Verhaltensweisen gar nicht in der Lage. Es liegt nahe, diese Form der Mitverantwortung nicht zurechnungsunterbrechend zu berücksichtigen, da das Opfer wegen des intellektuellen Defizits die Mitverantwortung nicht zumutbar vermeiden kann und sich in einer Schwächesituation befindet, die den Wuchervarianten des § 291 StGB entspricht. Ob diese Behauptung richtig ist, wird gesondert im nachfolgenden Abschnitt (1) untersucht. (3) Schwächelage vom Gewicht des Wuchertatbestandes gegeben, aber keine Wucherstrafbarkeit mangels auffälligen Missverhältnisses Nach dem Zuständigkeitstypus des § 263 StGB und den Vorgaben des Wucherverbots sind nur Schwächelagen schutzbedürftig, die dem Opfer den Status als grundsätzlich chancengleicher Geschäftsteilnehmer nehmen. Die Opfer erfüllten bisher die subjektiven und ökonomischen Mindestanforderungen, um eine Mitverantwortung vermeiden zu können, so dass ein Schutz durch § 263 StGB über eine Zuständigkeitserweiterung des Täters nicht in Betracht kam. Die Beispielsfälle zum Aberglauben zeigen jedoch, dass sich die Mitverantwortung auch auf Schwächelagen gründen kann, die von der Vorwerfbarkeit den Situationen des § 291 StGB entsprechen. Die Wucherstrafbarkeit scheitert in diesen Fällen regelmäßig nur am Fehlen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Anders als in den vorherigen Fällen liegen die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für eine Sonderzuständigkeit vor, die zur Folge hätten, dass der Betrugstäter ausnahmsweise trotz der vom Opfer mitgebrachten Schwächebeziehungsweise Bedrängnissituation verantwortlich bleibt. Insoweit würden die im Wucherverbot zum Ausdruck gelangenden gesetzgeberischen Vorgaben für eine Sonderzuständigkeit im Vermögensbereich hier nicht konterkariert werden.

371

Vgl. dazu Seite 22. Die Verwirklichung der Wuchervariante „Mangel an Urteilsvermögen“ ist wahrscheinlich, vgl. Seite 157. 372

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

173

In einem ersten Schritt sind zunächst die Schwächesituationen zu konkretisieren, die geeignet sind, in Ausnahme zum abstrakten Zurechnungsprinzip die Zuständigkeit des Betrugstäters zu erweitern. Die Vergleichbarkeit mit den Wuchervarianten ist konzeptionsgerecht deren immanente Voraussetzung. Es geht dabei um Umstände, denen das Opfer schicksalhaft ausgeliefert ist, denn „frei selbstbestimmt in freier Gesellschaft zu wirken, setzt die Fähigkeit dazu voraus“. 373 Als Ursache sind ein Intelligenzdefizit oder eine stark abweichende Sozialisation des Opfers denkbar. Eine Differenzierung dahingehend, ob das Opfer die jeweilige Schwächesituation in irgendeiner Art und Weise verschuldet hat, ist für den hiesigen Lösungsvorschlag dabei unbedeutend. Genauso wie bei § 291 StGB, der hiesigen Wertungsgrundlage, unerheblich ist, ob das Opfer die Schwächesituation schuldhaft herbeigeführt hat, 374 kann im Rahmen der Betrugsstrafbarkeit nichts anderes gelten. § 291 StGB differenziert allein nach der Schwere der Opferschwäche. Diese Vorgabe muss auch bei einer ausnahmsweise eingreifenden Betrugsstrafbarkeit gelten. Es braucht nicht danach unterschieden werden, ob das Opfer die Schwäche zu vertreten hat oder ob diese für beide zufällig ist. In einem zweiten Schritt werden Kriterien geschaffen, die die Tatbestandsvoraussetzung „auffälliges Missverhältnis“ des § 291 StGB kompensieren. Intellektuelle Defizite beim Opfer dürften die häufigste Erscheinungsform ausmachen. Alltägliche Intelligenzunterschiede, wie sie unter Umständen zwischen einer Reinigungskraft und einem Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft bestehen, sind nicht gemeint. Wie die Beispiele zu den Geldanlageversprechen zeigen, ist auch ein hoher Intelligenzgrad kein Garant dafür, dass das Opfer die durchschnittliche Sorgfalt einhält. Zuständigkeitserweiternd kann nur die Ausbeutung einer überdurchschnittlichen Intelligenzschwäche sein. Bei der konkreten Umsetzung ist nach der Schwere des intellektuellen Defizits zu differenzieren. Erreicht der Defekt den Grad der Geschäftsunfähigkeit, folgt daraus unmittelbar die Pflicht des Täters, das Opfer mit den benötigten Informationen auszustatten oder vom Geschäft abzusehen. 375 Schlägt das intellektuelle Defizit für den Täter eindeutig erkennbar bis auf den rechtlichen Status des Opfers durch, entfällt die 373

Hanisch, S. 68 Fn. 181. BGHSt 11, 182; Laufen, S. 102; LK / Wolff, § 291 Rn. 15; SK / Hoyer, § 291 Rn. 13. 375 So schon Pawlik, Betrug, S. 180. Vgl. auch Munoz, GA 2005, S. 129, 141. Insofern auch übereinstimmend – freilich auf viktimodogmatischer Grundlage – R. Hassemer, S. 93 f.: „[...] scheiden aus der Reihe strafrechtlich relevanter individueller Einflußnahmen auf das Maß der konkreten Gefahrintensität a priori alle diejenigen aus, die etwa von einem Unzurechnungsfähigen oder von einem Rechtsgutstträger vorgenommen werden, der aufgrund seiner strukturellen oder situativen Lage nicht fähig ist, sowohl das betreffende Rechtsgut als auch die aus seinem Verhalten resultierende erhöhte konkrete Gefahrintensität in ihrem jeweiligen Wesen zu erkennen [...]“; Naucke, Peters-FS, S. 109, 119: „Kinder und Geisteskranke haben für ihre geringe intellektuelle Kapazität nicht selbst einzustehen.“ 374

174

D. Genuin dogmatische Lösung

Vermutung, dass Opfer sei zum eigenverantwortlichen Handeln fähig. 376 Diese Zusammenhänge muss auch der Täter mit der Konsequenz respektieren, dass er für die nötige Informationsausstattung des Opfers verantwortlich ist, 377 oder, sofern er diese Verantwortung nicht übernehmen will, auf das Geschäft verzichten muss. Personen, die von einem kognitiven Defizit betroffen sind, aber nicht den Status eines geschäftsfähigen Rechtsteilnehmers verloren haben, sind schwieriger einzuordnen. Sie stehen dem Täter im formalen rechtlichen Status gleich, sind ihm tatsächlich aber überdurchschnittlich unterlegen. Zu denken ist an in jeglicher Form unbedarfte Personen, plakativ: besonders dumme Menschen. Nach den Vorgaben des Wucherverbots, die Bewertungsmaßstab der hiesigen Konzeption sind, lösen solche Opfergruppen grundsätzlich eine Sonderzuständigkeit des Täters für die Informationsausstattung aus. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass das Tatbestandserfordernis „auffälliges Missverhältnis“ auch im Rahmen einer Betrugsstrafbarkeit kompensiert wird. Die Voraussetzung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung bezweckt die Eindämmung der grundsätzlich breit gefächerten relevanten Sachverhaltskonstellationen des Wuchers. 378 Diese Voraussetzung für eine Sonderzuständigkeit bei § 291 StGB muss auch bei einer an eine Sonderzuständigkeit des Täters anknüpfenden Betrugsstrafbarkeit beachtet werden, so dass in den Mitverantwortungsfällen eine dem Erfordernis „auffälliges Missverhältnis“ vergleichbare Begrenzung zu installieren ist. Bei der Umsetzung kann auf die Konzeption Pawliks zurückgegriffen werden, der zutreffend aufzeigt, mit welchen Kriterien eine entsprechende Einschränkung zu erreichen ist. Die „(Vor-)Inszenierung des geschäftlichen Kontakts“ ist erforderlich, um den Täterkreis ähnlich restriktiv wie beim Wucher einzugrenzen. Für eine Betrugsstrafbarkeit bei der hier in Rede stehenden Opfermitverantwortung muss der Täter derart auf das Geschehen Einfluss nehmen, dass er sich die Opferschwäche geplant zunutze macht. Die bloße Gewinnabsicht reicht für eine Zuständigkeitsverschiebung nicht aus. Die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln muss dabei nicht zwingend wegen eines intellektuellen Defizits fehlen. Als Ursache kommt ferner eine stark abweichende Sozialisation in Betracht, wie Pawlik durch seinen „Aus376

So auch Munoz, GA 2005, S. 129, 141; Pawlik, Betrug, S. 180. Diese Lösung deckt sich auch mit der schweizer Praxis, nach der solche Opfergruppen ebenfalls als besonders schutzwürdig erachtet werden, vgl. BGer, Urteil vom 17. Februar 2003, Az. 6S.347/2002; BGE 80 IV 156; BGE 120 IV 186; 126 IV 165; BGE 128 IV 18; KG Graubünden, SJZ 1954, 102; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 233 f. „Deshalb handelt der Täter, der darauf ausgeht, die geistigen Mängel des Opfers für seine Täuschung auszunützen, in der Regel selbst dann arglistig, wenn er bloss eine einfache, an sich leicht überprüfbare Lüge vorbringt, auf die ein normal Begabter nicht hereinfallen würde.“ Vgl. Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 234. 378 SK / Hoyer, § 291 Rn. 4. 377

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

175

siedlerfall“ aufzeigt. 379 Ein Vergleich mit dem Wuchertatbestand stärkt diese Erkenntnis. Mit dem Aussiedlerfall sind Verständigungsschwierigkeiten infolge fehlender Sprachkenntnisse vergleichbar. Ist ein Opfer wegen zu geringer Sprachkenntnisse kaum dazu imstande, die Überteuerung der geforderten Preise zu erkennen, 380 kommt als Schwächelage des § 291 StGB „Unerfahrenheit“ in Betracht. Fehlende Sprachkenntnisse begründen für sich nach herrschender Meinung allerdings keine Unerfahrenheit im Sinne des § 291 StGB. 381 Nur wenn dem Opfer infolge der mangelnden Kenntnisse der gesamte Überblick über einen Geschäftsbereich fehle, begründe dies eine wucherrelevante Unerfahrenheit. 382 In den Fällen abweichender Sozialisation fehlt den Opfern eben dieser umfassende Überblick. Das Ausbeuten solcher Opfer ist nicht zuletzt auch nach dem Schweizer Recht als Betrug gemäß Art. 146 SchwStGB strafbar. Danach handelt der Täter arglistig, sofern er ausnutzt, dass sich das Opfer in einem Abhängigkeits- beziehungsweise Unterordnungsverhältnis oder einer Notlage befindet, die es ihm unmöglich macht, dem Täter zu misstrauen. 383 Eine einfache Lüge wird explizit als arglistig eingestuft, wenn der Täter voraussieht, dass das Opfer die Überprüfung aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen wird. 384 Die Möglichkeit einer Betrugsstrafbarkeit in den beschriebenen Ausnahmefällen ist von Laufen kritisiert worden. Er sieht in erster Linie auch in diesen Konstellationen die Gefahr, dass der Wuchertatbestand konterkariert werde. Zwar würden nicht die von § 291 StGB geforderten Schwächesituationen, wohl aber das Erfordernis „auffälliges Missverhältnis“ umgangen. 385 Laufen befürchtet zudem eine untragbar stärkere Belastung des Betrugstäters gegenüber einem vergleichbaren Wuchertäter. 386 Da es sehr aufwendig bis gar unmöglich sei, das 379

Siehe Seite 130. Vgl. auch Laufen, S. 118: „Auch ist derjenige, der mit dem Preisniveau in Deutschland nicht im geringsten vertraut ist, sehr geneigt, jeden von ihm verlangten Preis zu bezahlen in der Annahme, es handle sich um die übliche Vergütung.“ 381 RG Recht 1915 Nr. 735; LK / Wolff, § 291 Rn. 19; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 25. 382 LG Köln, ZMR 1975, 367; Fischer, § 291 Rn. 11; LK / Wolff, § 291 Rn. 19; Schönke / Schröder / Heine, § 291 Rn. 25. 383 BGer, Urteil vom 17. Februar 2003, Az. 6S.347/2002; BGE 120 IV 186; 126 IV 165; BGE 128 IV 18; Ardinay, SchwZStrR 1970, S. 225, 231: „Dem Täter soll die Gutgläubigkeit des Opfers nur dann zugute kommen, wenn es ohne sein Dazutun leichtgläubig gewesen ist, und wenn er es nicht auf diese Leichtgläubigkeit abgesehen hat.“ Vgl. ferner oben ab Seite 32. 384 Vgl. dazu oben Seite 41. 385 Laufen, S. 109 f. Dass das Wucherrecht an der eigentlich einschlägigen Norm vorbei reformiert werde, erkenne auch Pawlik an, indem er darauf hinweist, die in Rede stehenden Fälle de lege ferenda als Wucher zu erfassen, vgl. Laufen, S. 109 Fn. 403. 386 Laufen, S. 110. 380

176

D. Genuin dogmatische Lösung

intellektuelle Defizit zu verkleinern, 387 würden die Aufklärungspflichten des Betrugstäters unzulässig erweitert. 388 Die Argumentation Laufens verkennt jedoch, dass die Opferschwäche nach der Konzeption Pawliks und auch der hiesigen gerade nicht alleine für die Betrugsstrafbarkeit ausreicht, sondern der Täter sich zusätzlich, um mit Pawlik zu sprechen, „aus der Menge normativ herausheben“ muss. 389 Dass die Kriterien die Lösung nicht bis zum kleinsten Einzelfall vorgeben, ist kein außergewöhnlicher Umstand. 390 Diese Modalitäten will Laufen aber nicht anerkennen. Das Spannungsverhältnis zwischen § 263 StGB und § 291 StGB sieht er mit den einschränkenden Kriterien nicht beseitigt. Die Konturen des Betrugs- und Wuchertatbestandes würden trotzdem gesetzeswidrig vermischt mit der Folge, dass § 263 StGB zu einem „Straftatbestand gegen den unlauteren Wettbewerb“ avanciere. 391 Der potentielle Betrugstäter werde gezwungen, nur „übliche“ Preise zu verlangen, sofern er nicht von seinen verkaufsfördernden Maßnahmen ablasse. 392 Die Argumentation Laufens übergeht jedoch den eigentlichen Unrechtsgehalt, der zur Begründung der Sonderzuständigkeit führt, und ist folglich als kurzschlüssig abzulehnen. Die Zuständigkeitserweiterung ergibt sich aus der Verbindung extreme Opferschwäche und gezielte Verkaufsmaßnahmen, die beide letztendlich die schädigende Vermögensdisposition zur Folge haben. Wenn aber die gezielte Ausbeutung der Opferschwäche den Unrechtsvorwurf ausmacht, kann nicht damit argumentiert werden, dass dem Täter diese Freiheit genommen wird. 393 Wie sich in der praktischen Umsetzung eine Inszenierung durch den Täter gestalten kann, verdeutlichen die hier in Rede stehenden Konstellationen, in denen sich der Täter einen überdurchschnittlichen Aberglauben des Opfers zunutze macht. 394 Der Täter schafft zunächst durch verschiedene Tricks eine Situation, in der das Opfer an zeitnahe, unmittelbare Auswirkungen überirdischer Kräfte glaubt. Wegen der ohnehin bestehenden Neigung des Opfers zum Aberglauben fällt die Täterbehauptung dabei auf fruchtbaren Boden. Die Vorhersagen führen je nach Strategie beim Opfer zu Angst, Euphorie oder einer Mischung aus 387

So schon Pawlik, Betrug, S. 181. Laufen, S. 110. 389 Pawlik, Betrug, S. 182. 390 Vgl. Pawlik, Betrug, S. 182: „Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß das vorgenannte Kriterium mit einer gewissen Unschärfe behaftet ist. Dies ist jedoch das Los aller Konzeptionen, die sich um die Erfassung normativer ‚Grenzkonstellationen‘ bemühen.“ 391 Laufen, S. 111. 392 Laufen, S. 111. 393 Dass sich diese Fälle im Regelungszweck des Wuchers befinden, erkennt auch Laufen an, vgl. Laufen, S. 109 f. 394 Im Ergebnis übereinstimmend die herrschende Meinung, vgl. oben ab Seite 79; a.A. NK / Kindhäuser, § 263 Rn. 78; Pawlik, Betrug, S. 158, die an den Aberglauben des Opfers anknüpfende Täuschungen grundsätzlich als betrugsirrelevant einstufen. 388

IV. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

177

beiden. Hat der Täter diese Zwischenstufe erreicht, nutzt er diese zu Vermögensverfügungen aus. Auch dieser Schritt wäre ohne die Neigung des Opfers zum Aberglauben nicht denkbar. Es ist davon auszugehen, dass der Täter seine „Öffentlichkeitsarbeit“ weitestgehend auf solche Opfergruppen ausgerichtet hat und sie demnach auch gezielt sucht. Die Schutzbedürftigkeit leitet sich, wenn nicht aus einem (partiellen) intellektuellen Defizit, dann aus einer abweichenden Sozialisation des Opfers her, die der Täter jeweils gezielt ausnutzt. Als letzter Schritt ist die eröffnete Betrugsstrafbarkeit auf der Rechtsfolgenseite mit den Vorgaben des Wucherverbots zu harmonisieren. Im Detail bedeutet dies, trotz Verwirklichung des § 263 StGB den Strafrahmen des § 291 StGB anzuwenden. Für den Grundfall droht dem Täter damit eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. (4) Relevanz der Opfermitverantwortung auf Strafzumessungsebene Zum Schluss stellt sich die Frage, ob eine Mitverantwortung, die einer betrugsrelevanten Täuschung nicht entgegensteht, zugunsten des Täters auf der Strafzumessungsebene berücksichtigt werden kann. Auf der Grundlage der hiesigen Konzeption ist dies zu verneinen. Die verbliebene Form der Opfermitverantwortung ist die Externalisierung einer beträchtlichen Opferschwäche, die entgegen dem abstrakten Zurechnungsprinzip gerade zu einer Zuständigkeit des Täters führt. Zu dieser Konsequenz stände es im Widerspruch, entlastete man den Täter für sein erhöhtes Unrecht wieder auf der Strafzumessungsebene. Nicht zuletzt ist die Straferwartung schon durch die Verwendung des Strafrahmens des § 291 StGB gesenkt. Konsequent ist es dagegen, wenn die herrschende Meinung eine Opfermitverantwortung auf der Strafzumessungsebene zugunsten des Täters berücksichtigt. Die Rechtsfolge ist dogmatisch nachvollziehbar, wenn man davon ausgeht, dass Tatbestand und Strafzumessung in einem Stufenverhältnis zueinander stehen; die Strafzumessung gleichsam die Weiterführung der Tatbestandsebene ist. Dieser Gedanke ist Grundlage der tatproportionalen Strafzumessungslehre. Entscheidender Vorteil dieser Theorie ist die Konzentration auf das Tatunrecht als den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Strafzumessungswertung. 395 Bei der Strafzumessung können damit einerseits einschränkend nur Umstände einbezogen werden, die grundsätzlich auch im Tatbestand berücksichtigt werden. Andererseits ermöglicht die tatproportionale Strafzumessungslehre dogmatisch, Tatsachen die im Tatbestand nicht berücksichtigt werden konnten, bei der Strafzumessung zu beachten. Möglich ist dies, weil die Strafe auf der Basis der

395

NK / Streng, § 46 Rn. 113.

178

D. Genuin dogmatische Lösung

schuldrelevanten Umstände nach der Tatproportionalität zugemessen wird. 396 Die Tatschwere bestimmt sich folglich nach äußerlichen Merkmalen, in erster Linie nach dem verschuldeten Erfolgsunwert. 397 Die tatproportionale Strafzumessungslehre erklärt und ermöglicht, dass eine Opfermitverantwortung, die nicht im Betrugstatbestand berücksichtigt wird, grundsätzlich eine Stufe tiefer auf der Strafzumessungsebene relevant wird. Vor diesem Hintergrund ist die herrschende Meinung konsequent, wenn sie die Opfermitverantwortung auf der Strafzumessungsebene berücksichtigt, da nach ihrer Ansicht eine Tatbestandsrelevanz fehlt. 398 Diese Erkenntnis mindert nicht die Diskrepanz zwischen der hiesigen Konzeption, nach der eine Opfermitverantwortung grundsätzlich tatbestandliche Relevanz hat, und der herrschenden Meinung hinsichtlich der Lösung im Einzelfall. Es macht einen Unterschied, ob der Täter einen Schuld- oder Freispruch erhält, selbst wenn die Strafe gemindert wird. Dogmatisch liegen die hiesige Konzeption und die herrschende Meinung aber näher, als eventuell gedacht, wenn man die Strafzumessung als Fortführung der Unrechtslehre begreift. Die herrschende Ansicht löst die Problematik „Opfermitverantwortung beim Betrug“ im Ergebnis eine Stufe niedriger als die hier vertretene Meinung. 399 Der Unterschied liegt in der abweichenden Wertung der herrschenden Meinung, dass ein Opferverhalten niemals so gewichtig sein kann, dass es das Täterverhalten unter die Strafwürdigkeitsschwelle drückt. b) Zusammenfassung Das Resultat ist in den Mitverantwortungsfällen stets dasselbe. Das Opfer hält die durchschnittliche Sorgfalt nicht ein. Die betrugstatbestandliche Relevanz richtet sich aber nicht nach dem phänotypischen Auftreten, sondern nach der Art der 396 NK / Streng, § 46 Rn. 109; Albrecht, S. 50 ff., 473 f.; von Hirsch / Jareborg, S. 35 ff.; Hörnle, S. 324 ff.; Reichert, S. 121 ff., 255 ff.; Schaeferdiek, S. 205 ff.; Schünemann, Tendenzen der Kriminalpolitik, S. 209, 224 ff. 397 NK / Streng, § 46 Rn. 109: „Operationalisierung der Erfolgsunwerts-Dimension“. 398 Kritisch zu den Ergebnissen der herrschenden Meinung unter Hinweis auf das Verhältnis zwischen Tatbestand und Strafzumessung Frisch, ZStW, Bd. 99 1987, S. 751, 760: „Die weithin zu verspürende Einigkeit über gewisse Ergebnisse entspringt [...] offensichtlich mehr einer Art intuitiver Beurteilung; sie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gerade bei diesem Faktor an einem ausgearbeiteten, die konsentierten Ergebnisse stützenden Fundament fehlt – ein Mangel, der bei genauerem Hinsehen auch zu einem unbemerkten Nebeneinander gewisser Entwicklungen im Bereich der Verbrechenslehre und der Strafzumessungsdogmatik geführt hat.“ 399 Vgl. dazu auch Arzt, MschrKrim 1984, S. 105, 109, der sich vor allem gegen den Vorwurf von Hillenkamp, es sei ein „Hochstilisieren von Strafzumessungserwägungen zu Tatbestandskorrektiven“ (Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 67), wendet. Arzt ist Recht zu geben, dass die Ansicht von Hillenkamp nur dann zuträfe, wenn die Einordnung als Strafzumessungserwägung unüberwindbar feststände. Aber genau das ist erst zu klären. Vgl. dazu auch Jänicke, S. 285 f.

V. Tatsächliches, aber normativ nicht gebotenes Misstrauen

179

Schwächesituation auf der die Mitverantwortung gründet. Nur ein Wissen, das das Opfer aus belastenden Gründen nicht realisiert, ist so gewichtig, dass es die Verantwortung des Täters soweit einschränkt, dass sich diese auf Null reduziert. Sämtliche Situationen von Mitverantwortung, in denen zwar eine Schwächesituation vom Gewicht des § 291 StGB, aber mangels auffälligem Missverhältnis keine Wucherstrafbarkeit vorliegt, schließen eine betrugsrelevante Täuschung nicht aus, sofern der Täter auf das Geschehen gleichsam einer „(Vor-)Inszenierung des geschäftlichen Kontakts“ Einfluss nimmt. In diesen Konstellationen bleibt der Täter kraft einer Sonderzuständigkeit für die Folgen seines und des Opferverhaltens verantwortlich. Um das Wucherverbot nicht auf der Rechtsfolgenseite zu konterkarieren, ist im Rahmen der Betrugsstrafbarkeit der Strafrahmen des § 291 StGB anzuwenden.

V. Fallgruppe: Tatsächliches, aber normativ nicht gebotenes Misstrauen Bisher wurden nur die Fälle behandelt, in denen das Opfer die durchschnittliche Sorgfaltsanforderung nicht beachtet hat und deswegen die Täuschung gelingen konnte. Bisher noch nicht aufgegriffen worden sind diejenigen Konstellationen, in denen das Opfer gegenüber der Richtigkeit der Täterbehauptungen misstrauisch ist beziehungsweise an deren Wahrheit zweifelt, 400 aus normativer Sicht dieses Misstrauen aber nicht geboten wäre, das heißt, der verständige Durchschnittsteilnehmer am Geschäftsverkehr die Täuschung auch nicht als unwahr entlarvt hätte. Es stellt sich die Frage, ob auch diese Fälle eine betrugsrelevante Mitverantwortung begründen. Die Lösung ist durch die Ausführungen und Ergebnisse der vorhergehenden Kapitel dabei schon weitgehend vorgezeichnet. Grundsätzlich ist eine betrugsrelevante Mitverantwortung in solchen Situationen abzulehnen. Der Maßstab für die Beurteilung der Betrugsrelevanz muss ein durchweg normativer sein. Entscheidend ist also – unabhängig vom faktischen Misstrauen – allein, ob das Opfer normativ vertrauen durfte. Andernfalls setzt man sich zur Systematik der aufgezeigten Lösung in Widerspruch. Eine andere Lösung würde auch das kritische gegenüber dem unvorsichtigen Opfer benachteiligen. 401 Entscheidend ist nicht, ob das Opfer misstrauisch war, sondern ob es misstrauisch hätte sein müssen, weil beispielsweise konkrete Anhaltspunkte für die Unwahrheit der Täterbehauptungen bestanden haben. Solange dies nicht der Fall ist, ist eine Verschiebung der Verantwortungsbereiche zu Lasten des Opfers nicht geboten. 400

Siehe dazu schon auf Seite 168. Vgl. dazu auch die Kritik an den faktisch-naturalistischen Auffassungen innerhalb der Viktimodogmatik auf Seite 100 ff. 401

180

D. Genuin dogmatische Lösung

Die einzig denkbare Situation, in der es in Folge tatsächlichen Misstrauens zu einer Verantwortungsverschiebung kommen kann, ist, wenn das Opfer zunächst, ohne konkrete Anhaltspunkte zu haben, den Täterbehauptungen misstraut und nachforscht. Erlangt es im Zuge dieser Nachforschungen Informationen, bei denen nun auch ein durchschnittlicher Wirtschaftsteilnehmer vom Geschäft Abstand nehmen würde, hält dann aber am Geschäft fest, so steht der Betrugsstrafbarkeit eine grundsätzlich relevante Opfermitverantwortung entgegen. Die neuen, erheblichen Umstandsveränderungen erfordern eine Neubewertung der Situation. Es kann nicht entlasten, dass das Opfer die Informationen nur infolge unbegründeten Misstrauens erlangt hat.

Literaturverzeichnis Achenbach, Hans: Übungsklausur Strafrecht – Ein phantasiebegabter „Drücker“. Jura, 1984, S. 602–608 Achenbach, Hans / Ransiek, Andreas (Hrsg.): Handbuch Wirtschaftsstrafrecht. 2. Auflage. Heidelberg, 2008 Albrecht, Hans-Jörg: Strafzumessung bei schwerer Kriminalität. Eine vergleichende theoretische und empirische Studie zur Herstellung und Darstellung des Strafmaßes. Berlin, 1994 Amelung, Knut: Unternehmerpfandrecht und Schadensberechnung beim Betrug. NJW, 1975, S. 624–626 – Irrtum und Zweifel des Getäuschten beim Betrug. GA, 1977, S. 1–17 – Auf der Rückseite der Strafnorm. Opfer und Normvertrauen in der strafrechtsdogmatischen Argumentation. Menschengerechtes Strafrecht. Festschrift für Albin Eser zum 70. Geburtstag, 2005, S. 3–24 Amelunxen, Clemens: Das Opfer der Straftat. Ein Beitrag zur Viktimologie. Hamburg, 1970 (zitiert: Amelunxen, Opfer der Straftat) – Geltungsschwindel. Kriminologische Daten zum Geschäft mit der Eitelkeit. ArchKrim, 158 [1976], S. 41–54 Ardinay, Henri: Der Betrug nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch. SchwZStrR, 1970, S. 225–326 Arzt, Gunther: Rezension zu „Raimund Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, 1981“. GA, 1982, S. 522 – 523 – Viktimologie und Strafrecht. MschrKrim, 1984, S. 105–124 – Zwischen Nötigung und Wucher. Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag am 18. Februar 1987, 1987, S. 641–663 – Buchbesprechung „Willy Wismer, Das Tatbestandselement der Arglist beim Betrug“. SchwZStrR, 1989, S. 220–221 Arzt, Gunther / Weber, Ulrich: Strafrecht Besonderer Teil. Lehrheft 3: Vermögensdelikte (Kernbereich). 2. Auflage. Bielefeld, 1986 Arzt, Gunther et al.: Strafrecht Besonderer Teil. Lehrbuch. Band 2, Bielefeld, 2009 Basler Kommentar: Strafgesetzbuch II. Art. 111 – 401 StGB. Band 2, Basel, 2007 Baumann, Jürgen / Weber, Ulrich / Mitsch, Wolfgang: Strafrecht Allgemeiner Teil. 11. Auflage. Bielefeld, 2003

182

Literaturverzeichnis

Beckemper, Katharina: Durchsetzbarkeit des Verteidigerkonsultationsrechts und die Eigenverantwortlichkeit des Beschuldigten. Berlin, 2002 Blei, Hermann: Rezension zu „Einheit und Vielfalt des Strafrechts – Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag“. JA, 1974, S. 181–186 – Strafschutzbedürfnis und Auslegung. Grundfragen der gesamten Strafrechtswissenschaft. Festschrift für Heinrich Henkel zum 70. Geburtstag am 12. September 1973, 1974, S. 109–123 – Strafrecht II. Besonderer Teil. 12. Auflage. München, 1983 Bockelmann, Paul: Literaturbericht. Besonderer Teil. ZStW, 69 [1957], S. 269 –297 – Betrug verübt durch Schweigen. Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag, 1961, S. 437–458 – Kriminelle Gefährdung und strafrechtlicher Schutz des Kreditgewerbes. ZStW, 79 [1967], S. 28–58 – Strafrecht: Besonderer Teil / 1 (Vermögensdelikte). 2. Auflage. München, 1982 Bohnert, Joachim: Beteiligung an notwendiger Beteiligung am Beispiel der Mietpreisüberhöhung (§ 5 WiStG). Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 519–532 Brögelmann, Jens: Methodik der Strafzumessung. JuS, 2002, S. 903–908 Bruns, Hans-Jürgen: Gilt die Strafrechtsordnung auch für und gegen Verbrecher untereinander? Festschrift für Edmund Mezger zum 70. Geburtstag, 1954, S. 335–361 – Das Recht der Strafzumessung. Eine systematische Darstellung für die Praxis. 2. Auflage. Köln / Berlin / Bonn / München, 1985 Burckhardt, Lukas: Arglistige Täuschung als Betrugsmerkmal. Basel, 1949 Cramer, Peter: Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht. Bad Homburg / Berlin / Zürich, 1968 Derksen, Roland: Handeln auf eigene Gefahr. Berlin, 1992 Döpfner, Konrad: Der Restaurierungsbetrug. Eine strafrechtsdogmatische Untersuchung zu Formen der Kunstverfälschung. Zugleich ein Beitrag zum Problem der Opfermitverantwortung. Lübeck, 1989 Ebert, Udo: Verbrechensbekämpfung durch Opferbelastung? JZ, 1983, S. 633–643 Ebert, Udo / Kühl, Kristian: Kausalität und objektive Zurechnung. Jura, 1979, S. 561 –576 – Das Unrecht der vorsätzlichen Straftat. Jura, 1981, S. 225 –236 Eick, Teresa: Die Berücksichtigung des Opferverhaltens beim Betrug am Beispiel der Werbung. Tübingen, 2011 Eisenhuth, Angela: Grundlagen der Strafzumessung. Jura, 2004, S. 81–90 Ellbogen, Klaus: Der normative Schadensbegriff. ArztR, 2009, S. 260–264 Ellmer, Manfred: Betrug und Opfermitverantwortung. Berlin, 1986 Eschenbach, Jürgen: Zurechnungsnormen im Strafrecht – BGH v. 11.7.1991 – 1 StR 357/91. Jura, 1992, S. 637–645

Literaturverzeichnis

183

Eser, Albin / Burkhardt, Björn: Strafrecht I. 4. Auflage. München, 1992 Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetze. 58. Auflage. München, 2011 Foth, Heinrich: Betrug und illegales Rechtsgeschäft. Eine kritische Bestandsaufnahme. GA, 1966, S. 33–46 Franzheim, Horst: Zur Strafbarkeit des Komplicen- und Dirnenlohnbetruges. Ein Beitrag zum Begriff des Vermögensschadens. GA, 1960, S. 269–277 Freund, Georg: Erfolgsdelikt und Unterlassen. Zu den Legitimationsbedingungen von Schuldspruch und Strafe. Köln / Berlin / Bonn, 1992 (zitiert: Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen) – Strafrecht Allgemeiner Teil. Personale Straftatlehre. Band 2, Berlin / Heidelberg, 2009 Frisch, Wolfgang: Revisionsrechtliche Probleme der Strafzumessung. Eine Untersuchung über die Struktur und Revisibilität des richterlichen Ermessens bei der Strafzumessung. Köln / Berlin / Bonn / München, 1971 (zitiert: Frisch, Strafzumessung) – Ermessen, unbestimmter Begriff und „Beurteilungsspielraum“ im Strafrecht. NJW, 1973, S. 1345–1349 – Funktion und Inhalt des „Irrtums“ im Betrugstatbestand. Zur dogmatischen Bedeutung des Opferverhaltens in § 263 StGB. Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag am 7. Dezember 1978, 1979, S. 647–667 – Gegenwärtiger Stand und Zukunftsperspektiven der Strafzumessungsdogmatik. Das Recht der Strafzumessung im Lichte der systematischen Darstellung von Hans-Jürgen Bruns und Franz Pallin (Teil I). ZStW, 99 [1987], S. 349–388 – Gegenwärtiger Stand und Zukunftsperspektiven der Strafzumessungsdogmatik. Das Recht der Strafzumessung im Lichte der systematischen Darstellung von Hans-Jürgen Bruns und Franz Pallin (Teil II). ZStW, 99 [1987], S. 751–805 – Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolges. Heidelberg, 1988 (zitiert: Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten) – Selbstgefährdung im Strafrecht – 2. Teil. Grundlinien einer opferorientierten Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten. NStZ, 1992, S. 62–67 – Zum gegenwärtigen Stand der Diskussion und zur Problematik der objektiven Zurechnungslehre. GA, 2003, S. 719–743 – Konkludentes Täuschen – Zur Normativität, Gesellschaftsbezogenheit und theoretischen Fundierung eines Begriffs. Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag am 26. Juli 2007, 2007, S. 97–130 Gaidzik, Peter W.: Abrechnung unter Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung – Betrug des Arztes gemäß § 263 StGB? wistra, 1998, S. 329–334 Gauger, Michael: Die Dogmatik der konkludenten Täuschung. Zugleich eine Abhandlung über die Täuschungshandlung des Betrugstatbestands. Frankfurt am Main, 2001 Geerds, Friedrich: Krimineller Okkultismus. Der Aberglaube als Verbrechenstechnik und als Ursache kriminellen Verhaltens. Kultur Kriminalität Strafrecht. Festschrift für Thomas Würtenberger zum 70. Geburtstag am 7.10.1977, 1977, S. 341–358

184

Literaturverzeichnis

Gentz, Manfred: Zur Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen. NJW, 1968, S. 1600–1607 Geppert, Klaus: Die unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB). Jura, 2005, S. 39–48 Gerhold, Thomas: Zweckverfehlung und Vermögensschaden. Berlin, 1988 Germann, Oskar Adolf: Das Verbrechen im neuen Strafrecht. Zürich, 1942 Giehring, Heinz: Prozeßbetrug im Versäumnis- und Mahnverfahren – zugleich ein Beitrag zur Auslegung des Irrtumsbegriffs in § 263 StGB. GA, 1973, S. 1–26. Göbel, Thomas: Die strafrechtliche Bekämpfung der unseriösen Geschäftstätigkeit – Zugleich ein Beitrag zur Harmonisierung von Betrugs- und Lauterkeitsstrafrecht. Hamburg, 2007 Göhler, Erich / Wilts, Walter: Das Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (II). DB, 1976, S. 1657–1662 González, Carlos Suárez: Der Betrug im Lichte einer neuen Tatbestandskonzeption. Betrug und objektive Zurechnung. Strafrechtssystem und Betrug, 2002, S. 115–135 Gössel, Karl-Heinz: Strafrecht – Besonderer Teil. Straftaten gegen materielle Rechtsgüter des Individuums. Band 2, Heidelberg, 1996 Goyet, Francisque: Droit pénal spécial. 8. Auflage. Paris, 1972 Graul, Eva: Können auch Erfahrungssätze und Rechtssätze Tatsachen i.S. des § 263 StGB sein? JZ, 1995, S. 595–603 – Unrechtsbegründung und Unrechtsausschluß. JuS, 1995, L41–44 Graven, Jean: L’escroquerie en droit pénal suisse. Basel, 1947 Graven, Philip: Betrug (art. 148 StGB) I, Die objektiven Tatbestandsmerkmale. SJK, 821 [1974], S. 12 Gropp, Walter: Strafrecht Allgemeiner Teil. 3. Auflage. Berlin / Heidelberg, 2005 Grünwald, Gerald: Der Vorsatz des Unterlassungsdelikts. Beiträge zur gesamten Strafrechtswissenschaft. Festschrift für Hellmuth Mayer zum 70. Geburtstag am 1. Mai 1965, 1966, S. 281–303 Günther, Hans-Ludwig: Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, Studien zur Rechtswidrigkeit als Straftatmerkmal und zur Funktion der Rechtfertigungsgründe im Strafrecht. Köln / Berlin / Bonn / München, 1983 – Das viktimodogmatische Prinzip aus anderer Perspektive: Opferschutz statt Entkriminalisierung. Festschrift für Theodor Lenckner zum 70. Geburtstag, 1998, S. 69–80 Haberstroh, Dieter: Wucher im vermittelten Kreditgeschäft. NStZ, 1982, S. 265 –270 Hälschner, Hugo: Das gemeine deutsche Strafrecht. Band 2: Der besondere Theil des Systems, 1. Abtheilung, Bonn, 1884 Hanisch, Kathrin: Die ignorantia facti im Betrugstatbestand. Hamburg, 2007 Harbort, Nikolai: Die Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Betrug. Berlin, 2011 Hartmann, Wolfgang: Das Problem der Zweckverfehlung beim Betrug. Frankfurt am Main, 1988

Literaturverzeichnis

185

Hassemer, Raimund: Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik. Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des Irrtumsmerkmals in § 263 StGB. Berlin, 1981 Hassemer, Winfried: Theorie und Soziologie des Verbrechens. Ansätze zu einer praxisorientierten Rechtsgutslehre. Frankfurt am Main, 1973 – Rücksichten auf das Verbrechensopfer. Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, Band II 1983, S. 217–234 – Rechtsprechungsübersicht. BGH, Urt v 22 – 10 – 1986 – 3 StR 226/86 – JuS-Kartei § 263 StGB Nr 87/1 = NJW 1987, 388. JuS, 1987, S. 499–501 Hauf, Claus-Jürgen: Einheit der Rechtsordnung: die Garantenstellung im Betrug und im allgemeinen Schuldrecht. MDR, 1995, S. 21–22 Hecker, Bernd: Strafbare Produktwerbung im Lichte des Gemeinschaftsrechts. Europäisierung des deutschen Täuschungsschutzstrafrechts am Beispiel des Lebensmittel-, Wettbewerbs- und Betrugsstrafrechts. Tübingen, 2001 Hefendehl, Roland: Vermögensgefährdung und Exspektanzen. Das vom Zivilrecht konstituierte und vom Bilanzrecht konkretisierte Herrschaftsprinzip als Grundlage des strafrechtlichen Vermögensbegriffs. Berlin, 1994 Heil, Juliane: Die Folgen der unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323c StGB. Zur Begründung der Hilfeleistungspflicht und der Bewertung der Unterlassensfolgen bei der Strafzumessung. Frankfurt am Main, 2001 Heinrich, Bernd: Strafrecht – Allgemeiner Teil I. Grundlagen der Strafbarkeit, Aufbau der Straftat beim Vollendungs- und Versuchsdelikt. Stuttgart, 2010 Heinsius, Detlev: Das Rechtsgut des Wuchers. Zur Auslegung des § 302a StGB. Frankfurt am Main, 1997 Heintschel-Heinegg, Bernd von: Objektive Zurechnung im Strafrecht. 1. Teil: Grundlagen und Kausalitätstheorien. JA, 1994, S. 31–34 – Objektive Zurechnung im Strafrecht. 3. Teil: Normative Zurechnung. JA, 1994, S. 213–216 – Strafgesetzbuch. Kommentar. München, 2010 Hennings, Frank: Teleologische Reduktion des Betrugstatbestandes aufgrund von Mitverantwortung des Opfers. Berlin, 2002 Hentig, Hans von: Zur Psychologie der Einzeldelikte. Band III. Der Betrug. Tübingen, 1957 Herffs, Harro: Der Abrechnungsbetrug des Vertragsarztes. Berlin/Heidelberg/New York u.a., 2002 Herzberg, Rolf Dietrich: Bewußte Selbstschädigung beim Betrug. MDR, 1972, S. 93 –97 – Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip. Berlin/New York, 1972 – Funktion und Bedeutung des Merkmals „Irrtum“ in § 263 StGB. GA, 1977, S. 289–298 Hilgendorf, Eric: Zweckverfehlung und Vermögensschaden beim Betrug – BayObLG, NJW 1994, 208. JuS, 1994, S. 466–469

186

Literaturverzeichnis

– Tatsachenaussagen und Werturteile im Strafrecht entwickelt am Beispiel des Betruges und der Beleidigung. Berlin, 1998 Hillenkamp, Thomas: Vorsatztat und Opferverhalten. Göttingen, 1981 – Der Einfluß des Opferverhaltens auf die dogmatische Beurteilung der Tat – einige Bemerkungen zum Verhältnis zwischen Viktimologie und Dogmatik. Bielefeld, 1983 (zitiert: Hillenkamp, Einfluß des Opferverhaltens) – Der praktische Fall – Strafrecht: Tricksereien und zarte Bande. JuS, 2003, S. 157–165 – Unverstand und Aberglaube. Strafrecht, Biorecht, Rechtsphilosophie. Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber zum 70. Geburtstag am 10. Mai 2003, 2003, S. 135–152 – 40 Probleme aus dem Strafrecht Besonderer Teil. 11. Auflage. Köln, 2009 (zitiert: Hillenkamp, 40 Probleme) Hirsch, Andrew von / Jareborg, Nils: Strafmaß und Strafgerechtigkeit: die deutsche Strafzumessungslehre und das Prinzip der Tatproportionalität. Bonn, 1991 Hirsch, Hans Joachim: Soziale Adäquanz und Unrechtslehre. ZStW, 74 [1962], S. 78–135 – Der Streit um Handlungs- und Unrechtslehre, insbesondere im Spiegel der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft. ZStW, 93 [1981], S. 831–863 Hohendorf, Andreas: Das Individualwucherstrafrecht nach dem ersten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität von 1976. Berlin, 1982 Hohmann, Olaf / Sander, Günther M.: Strafrecht Besonderer Teil I. Eigentums- und Vermögensdelikte. 2. Auflage. München, 2000 Hörnle, Tatjana: Tatproportionale Strafzumessung. Berlin, 1999 Idler, Martin: Betrug bei Abrechnung ärztlicher Leistungen ohne Kassenzulassung. JuS, 2004, S. 1037–1041 Isensee, Josef: Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht. Eine Studie über das Regulativ des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft. Berlin, 1968 (zitiert: Isensee, Subsidiaritätsprinzip) – Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates. Berlin / New York, 1983 (zitiert: Isensee, Grundrecht auf Sicherheit) Jaguttis, Malte / Parameswaran, Benjamin: Bei Anruf: Betrug – erschlichene „Zueignungsgeschäfte“ am Telefon. NJW, 2003, S. 2277–2281 Jakobs, Günther: Strafrecht Allgemeiner Teil. Die Grundlagen und die Zurechnungslehre. 2. Auflage. Berlin, 1993 – Die strafrechtliche Zurechnung von Tun und Unterlassen. Opladen, 1996 (zitiert: Jakobs , Strafrechtliche Zurechnung) – Bemerkungen zur objektiven Zurechnung. Festschrift für Hans Joachim Hirsch zum 70. Geburtstag, 1999, S. 45–63 – Zum Begriff des Delikts gegen die Person. Bochumer Beiträge zu aktuellen Strafechtsthemen. Vorträge anlässlich des Symposions zum 70. Geburtstag von Gerd Geilen am 12./13.10.2001, 2003, S. 63–78

Literaturverzeichnis

187

Jänicke, Harald: Gerichtliche Entscheidungen als Vermögensverfügung im Sinne des Betrugstatbestandes. Berlin, 2001 Jecht, Hans: Überhöhte Preisforderung und Betrugstatbestand. GA, 1963, S. 41–48 Jescheck, Hans-Heinrich / Weigend, Thomas: Lehrbuch des Strafrechts. Allgemeiner Teil. 5. Auflage. Berlin, 1996 Joecks, Wolfgang: Zur Vermögensverfügung beim Betrug. Köln, 1982 (zitiert: Joecks, Vermögensverfügung) – Strafgesetzbuch. Studienkommentar. 9. Auflage. München, 2010 Kaiser, Eberhard: Betrug durch bewußtes Ausnutzen von Fehlern beim Geldwechseln. NJW, 1971, S. 601–602 Kaiser, Günther et al.: Kleines kriminologisches Wörterbuch. 3. Auflage. Heidelberg, 1993 Kamberger, Petra: Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Garantenstellung im Strafrecht? Frankfurt am Main u.a., 1996 Kargl, Walter: Die Tathandlung beim Betrug. Festschrift für Klaus Lüderssen. Zum 70. Geburtstag am 2. Mai 2002, 2002, S. 613–633 – Die Bedeutung der Entsprechungsklausel beim Betrug durch Schweigen. ZStW, 119 [2007], S. 250–289 Kasiske, Peter: Die konkludente Täuschung bei § 263 StGB zwischen Informationsrisiko und Informationsherrschaft. GA, 2009, S. 360 – 370 Kaufmann, Arthur: Das Schuldprinzip. Eine strafrechtlich-philosophische Untersuchung. Heidelberg, 1961 (zitiert: Kaufmann, Schuldprinzip) – Subsidiaritätsprinzip und Strafrecht. Grundfragen der gesamten Strafrechtswissenschaft. Festschrift für Heinrich Henkel zum 70. Geburtstag, 1974, S. 89–107 – Tendenzen im Rechtsdenken der Gegenwart. Tübingen, 1976 (zitiert: Kaufmann, Tendenzen) Keller, Rainer: Rechtliche Grenzen der Provokation von Straftaten. Berlin, 1989 Kindhäuser, Urs: Täuschung und Wahrheitsanspruch beim Betrug. ZStW, 103 [1991], S. 398–424 – Zur Struktur des Wuchertatbestands. NStZ, 1994, S. 105 –110 – Betrug als vertypte mittelbare Täterschaft. Festschrift für Günter Bemmann zum 70. Geburtstag am 15. Dezember 1997, 1997, S. 339–361 – Strafrecht Besonderer Teil II. Straftaten gegen Vermögensrechte. 6. Auflage. BadenBaden, 2010 Koffka, Else: Der Prozeßbetrug unter Berücksichtigung der neuen Zivilprozeßordnung. ZStW, 54 [1935], S. 45–65 Krack, Ralf: List als Straftatbestandsmerkmal. Zugleich ein Beitrag zu Täuschung und Irrtum beim Betrug. Frankfurt am Main u.a., 1994 Kratzsch, Dietrich: Aufgaben- und Risikoverteilung als Kriterien der Zurechnung im Strafrecht. Festschrift für Dietrich Oehler zum 70. Geburtstag, 1985, S. 65–81

188

Literaturverzeichnis

Krey, Volker: Strafrecht Besonderer Teil. Studienbuch in systematisch-induktiver Darstellung. Band 2 (Vermögensdelikte), 12. Auflage. Stuttgart / Berlin / Köln, 1999 Krey, Volker / Heinrich, Manfred: Strafrecht Besonderer Teil. Studienbuch in systematisch-induktiver Darstellung. Band 1 (Besonderer Teil ohne Vermögensdelikte), 14. Auflage. Stuttgart, 2008 Krey, Volker / Hellmann, Uwe: Strafrecht Besonderer Teil. Studienbuch in systematischinduktiver Darstellung. Band 2 (Vermögensdelikte), 15. Auflage. Stuttgart, 2008 Kropp, Christian: Grundsätze der Strafzumessung. JA, 2000, S. 700–705 Kubiciel, Michael: Wetten und Betrug – Zur konkludenten Täuschung. HRRS, 2007, S. 68–71 Kühl, Kristian: Naturrechtliche Grenzen strafwürdigen Verhaltens. Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag, 1992, S. 75 – 98 – Strafrecht Allgemeiner Teil. 6. Auflage. München, 2008 Kühne, Hans Heiner: Geschäftstüchtigkeit oder Betrug? Wettbewerbspraktiken im Lichte des § 263 StGB; zugleich ein Beitrag zur Problematik der unechten Unterlassungsdelikte. Kehl am Rhein, 1978 Küper, Wilfried: Strafrecht Besonderer Teil. Definitionen mit Erläuterungen. 7. Auflage. Heidelberg, 2008 Kurth, Frowin Jörg: Das Mitverschulden des Opfers beim Betrug. Frankfurt am Main / Bern / New York, 1984 Lackner, Karl / Kühl, Kristian: Strafgesetzbuch. Kommentar. 27. Auflage. München, 2011 Laufen, Martin Maria: Der Wucher (§ 291 Abs. 1 Satz 1 StGB). Systematische Einordnung und dogmatische Struktur. Frankfurt am Main / Berlin / Bern u.a., 2004 Leipziger Kommentar: Strafgesetzbuch. Band 3 (§§ 263 bis 370), 9. Auflage. Berlin / New York, 1977 – Strafgesetzbuch. Großkommentar. Band 2 (§§ 32 bis 60), 10. Auflage. Berlin / New York, 1985 – Strafgesetzbuch. Großkommentar. Band 6 (§§ 263 bis 302a), 10. Auflage. Berlin / New York, 1988 – Strafgesetzbuch. Großkommentar. Band 6 (§§ 223 bis 263a), 11. Auflage. Berlin, 2005 – Strafgesetzbuch. Großkommentar. Band 8 (§§ 302a bis 335a), 11. Auflage. Berlin, 2005 – Strafgesetzbuch. Großkommentar. Band 2 (§§ 32 bis 55), 12. Auflage. Berlin, 2006 – Strafgesetzbuch. Großkommentar. Band 1 (§§ 1 bis 31), 12. Auflage. Berlin, 2007 – Strafgesetzbuch. Großkommentar. Band 10 (§§ 284 bis 305a), 12. Auflage. Berlin, 2008 Lenckner, Theodor: Zum Problem des Vermögensschadens (§§ 253, 263 StGB) beim Verlust nichtiger Forderungen. Zugleich eine Besprechung des Urteils des OLG Hamburg v. 8.6.1966 – 1 Ss 97/65. JZ, 1967, S. 105–110

Literaturverzeichnis

189

Lenz, Edgar: Der Betrogene. Eine kriminologische Untersuchung. Hamburg, 1961 Lerche, Peter: Übermaß und Verfassungsrecht. Zur Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit. Köln / Berlin / München / Bonn, 1961 Loch, Claudia: Der Adressbuch- und Anzeigenschwindel. Eine Erscheinungsform wirtschaftskrimineller Kundenwerbung. Hamburg, 2008 Loos, Fritz / Krack, Ralf: Betrugsstrafbarkeit bei Versprechen der Teufelaustreibung – LG Mannheim, NJW 1993, 1488. JuS, 1995, S. 204–208 Maaß, Wolfgang: Betrug verübt durch Schweigen. Gießen, 1982 – Die Abgrenzung von Tun und Unterlassen beim Betrug. Eine kritische Analyse von Rechtsprechung und Literatur. GA, 1984, S. 264–284 Maiwald, Manfred: Kausalität und Strafrecht. Studien zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Jurisprudenz. Göttingen, 1980 – Rezension zu „Raimund Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, 1981“. ZStW, 96 [1984], S. 70–76 – Zurechnungsprobleme im Rahmen erfolgsqualifizierter Delikte – BGHSt 31, 96. JuS, 1984, S. 439–445 – Literaturbericht. Strafrecht Besonderer Teil – Vermögensdelikte (Teil II). ZStW, 103 [1991], S. 681–701 Manzano, Mercedes Pérez: Die objektive Zurechnung beim Betrug. Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts. Madrid-Symposium für Klaus Tiedemann, 1994, S. 213–226 Maurach, Reinhart / Gössel, Karl Heinz / Zipf, Heinz: Strafrecht Allgemeiner Teil. Teilband 2. Erscheinungsformen des Verbrechens und Rechtsfolgen der Tat. Ein Lehrbuch. 7. Auflage. Heidelberg, 1989 Maurach, Reinhart / Schroeder, Friedrich-Christian / Maiwald, Manfred: Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 2 (Straftaten gegen Gemeinschaftswerte). 9. Auflage. Heidelberg, 2005 – Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte. 10. Auflage. Heidelberg, 2009 Maurach, Reinhart / Zipf, Heinz: Strafrecht Allgemeiner Teil. Teilband 1. Grundlehren des Strafrechts und Aufbau der Straftat. 8. Auflage. Heidelberg, 1992 Meier, Bernd-Dieter: Licht ins Dunkel: Die richterliche Strafzumessung. JuS, 2005, S. 669–773 – Strafrechtliche Sanktionen. 2. Auflage. Berlin / Heidelberg / New York, 2006 Meine, Hans-Gerd: Eine unvertretbar milde Strafe? – Anmerkung zum Urteil des BayObLG vom 21.3.1988. NStZ, 1989, S. 353–354 Mergen, Armand: Die Kriminologie. Eine systematische Darstellung. 2. Auflage. Berlin / Frankfurt am Main, 1978

190

Literaturverzeichnis

Meyer-Goßner, Lutz: Strafprozessordnung. Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen. 54. Auflage. München, 2011 Middendorf, Wolf: Soziologie des Verbrechens. Erscheinungen und Wandlungen des asozialen Verhaltens. Düsseldorf / Köln, 1959 Mitsch, Wolfgang: Strafrecht Besonderer Teil 2. Vermögensdelikte (Randbereich) / Teilband 2. Berlin / Heidelberg / New York u.a., 2001 – Strafrecht Besonderer Teil 2. Vermögensdelikte (Kernbereich) / Teilband 1. 2. Auflage. Berlin / Heidelberg / New York u.a., 2003 Mühlbauer, Tilo: Ablisten und Verwenden von Geldautomatenkarten als Betrug und Computerbetrug – Zugl. Besprechung BGH vom 17.12.2002 – 1 StR 412/02 -. NStZ, 2003, S. 650–655 Müller-Christmann, Bernd: Problematik des Vermögensschadens beim Betrug im Falle eines vereinbarten Rücktrittsrecht – BGH, NJW 1987, 388. JuS, 1988, S. 108–114 Müller-Dietz, Heinz: Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionensystems. Heidelberg / Hamburg, 1979 Müller-Gugenberger, Christian / Bieneck, Klaus (Hrsg.): Wirtschaftsstrafrecht. Handbuch des Wirtschaftsstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechts. 5. Auflage. Köln, 2011 Münchener Kommentar: Kommentar zum Strafgesetzbuch. Band 1 (§§ 1 –51 StGB), München, 2003 – Kommentar zum Strafgesetzbuch. Band 4 (§§ 263 – 358 StGB; §§ 1 –8, 105, 106 JGG), München, 2006 Munoz, Nuria Pastor: Überlegungen zur tatbestandsmäßigen Täuschung beim Betrug. GA, 2005, S. 129–141 Naucke, Wolfgang: Zur Lehre vom strafbaren Betrug. Ein Beitrag zum Verhältnis von Strafrechtsdogmatik und Kriminologie. Berlin, 1964 – Der Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Irrtum beim Betrug. Zum Verhältnis zwischen Kriminalpolitik und Strafrechtsdogmatik. Einheit und Vielfalt des Strafrechts. Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag, 1974, S. 109–120 Neumann, Ulfried: Die Strafbarkeit der Suizidbeteiligung als Problem der Eigenverantwortlichkeit des „Opfers“. JA, 1987, S. 244–256 Niggli, Marcel Alexander: Ultima Ratio? Über Rechtsgüter und das Verhältnis von Straf- und Zivilrecht bezüglich der sogenannt „susidiären oder sekundären Natur“ des Strafrechts. SchwZStrR, 1993, S. 236–263 Noak, Torsten: Betrugstäterschaft bzw. -teilnahme von Ärzten beim Bezug von Röntgenkontrastmitteln. Ein Beitrag aus dem Grenzbereich von Strafrecht und Vertragsrecht. MedR, 2002, S. 76 – 83 Noll, Peter: Schweizerisches Strafrecht Besonderer Teil I. Delikte gegen den Einzelnen. Zürich, 1983 Nomos Kommentar: Strafgesetzbuch. Band 2 (§§ 146 – 358), 3. Auflage. Baden-Baden, 2010

Literaturverzeichnis

191

– Strafgesetzbuch. Band 1 (§§ 1 – 145d), 3. Auflage. Baden-Baden, 2010 Otto, Harro: Kausaldiagnose und Erfolgszurechnung im Strafrecht. Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, 1972, S. 91–105 – Neue Tendenzen in der Interpretation der Tatbestandsmerkmale des Wuchers beim Kreditwucher. NJW, 1982, S. 2745 – 2750 – Bankentätigkeit und Strafrecht. Köln / Berlin / Bonn / München, 1983 (zitiert: Otto, Bankentätigkeit) – Die strafrechtliche Bekämpfung unseriöser Geschäftstätigkeit. Lübeck, 1990 (zitiert: Otto, Geschäftstätigkeit) – Die objektive Zurechnung eines Erfolges im Strafrecht. Jura, 1992, S. 90–99 – Täterschaft und Teilnahme im Fahrlässigkeitsbereich. Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag am 11. Juli 1992, 1992, S. 271–288 – Die neuere Rechtsprechung zu den Vermögensdelikten – Teil 2. JZ, 1993, S. 652–663 – Die neue Rechtsprechung zum Betrugstatbestand. Jura, 2002, S. 606–615 – Grundkurs Strafrecht. Allgemeine Strafrechtslehre. 7. Auflage. Berlin, 2004 (zitiert: Otto, AT) – Grundkurs Strafrecht. Die einzelnen Delikte. 7. Auflage. Berlin / New York, 2005 (zitiert: Otto, BT) Paasch, Fritz R.: Grundprobleme der Viktimologie. Münster, 1965 Padowetz, Marianne: Der Heiratsschwindel. Eine kriminologische Studie. Wien, 1954 Pawlik, Michael: Unterlassene Hilfeleistung: Zuständigkeitsbegründung und systematische Struktur. GA, 1995, S. 360–372 – Das unerlaubte Verhalten beim Betrug. Köln / Berlin / Bonn / München, 1999 (zitiert: Pawlik, Betrug) – Der rechtfertigende Notstand. Zugleich ein Beitrag zum Problem strafrechtlicher Solidaritätspflichten. Berlin / New York, 2002 (zitiert: Pawlik, Notstand) – Täuschung durch die Ausnutzung fremder Organisationsmängel? Zur Risikoverteilung gemäß § 263 StGB in den „Fehlbuchungsfällen“ und verwandten Fallkonstellationen. Jus humanum. Grundlagen des Rechts und Strafrecht. Festschrift für Ernst-Joachim Lampe zum 70. Geburtstag, 2003, S. 689–708 Perrez, Josef Maria: Der Betrug im italienischen und schweizerischen Strafrecht. Freiburg, 1963 Petropoulos, Vasileios: Die Berücksichtigung des Opferverhaltens beim Betrugstatbestand. München, 2005 Protzen, Peer Daniel G.: „Prozessbetrug“ durch Behaupten abstrakter Rechtssätze. wistra, 2003, S. 208–211 Ranft, Otfried: Grundfälle aus dem Bereich der Vermögensdelikte. JA, 1984, S. 723–732 – Grundprobleme des Betrugstatbestandes. Jura, 1992, S. 66 –77

192

Literaturverzeichnis

Reichert, Christoph: Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien. Eine Untersuchung mit Bezug auf die „sentencing guidelines“ in den USA. Berlin, 1999 Rengier, Rudolf: Gedanken zur Problematik der objektiven Zurechnung im Besonderen Teil des Strafrechts. Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag am 15. Mai 2001, 2001, S. 811–826 – Strafrecht Besonderer Teil I (Vermögensdelikte). 13. Auflage. München, 2011 (zitiert: Rengier, BT I) – Strafrecht Besonderer Teil II. Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit. 12. Auflage. München, 2011 (zitiert: Rengier, BT II) Renzikowski, Joachim: Notstand und Notwehr. Berlin, 1994 Rönnau, Thomas / Faust, Florian / Fehling, Michael: Durchblick: Kausalität und objektive Zurechnung. JuS, 2004, S. 113–118 Roxin, Claus: Sinn und Grenzen staatlicher Strafe. JuS, 1966, S. 377–387 – Zur Entwicklung der Kriminalpolitik seit den Alternativ-Entwürfen. JA, 1980, S. 545–552 – Bemerkungen zur sozialen Adäquanz im Strafrecht. Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, 1983, S. 303–313 – Strafrecht Allgemeiner Teil. Band 1. Grundlagen. Der Aufbau der Verbrechenslehre, 4. Auflage. München, 2006 Rudolphi, Hans-Joachim: Inhalt und Funktion des Handlungsunwertes im Rahmen der personalen Unrechtslehre. Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, 1972, S. 51–73 Samson, Erich: Begehung und Unterlassung. Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, 1974, S. 579–603 – Grundprobleme des Betrugstatbestandes (1. Teil). JA, 1978, S. 469–475 Sax, Walter: „Tatbestand“ und Rechtsgutverletzung (I). Überlegungen zur Neubestimmung von Gehalt und Funktion des „gesetzlichen Tatbestandes“ und des „Unrechtstatbestandes“. JZ, 1976, S. 9–16 Schaeferdiek, Sascha: Die kurze Freiheitsstrafe im schwedischen und im deutschen Recht. Berlin, 1997 Schäfer, Gerhard / Sander, Günther M. / Gemmeren, Gerhard van: Praxis der Strafzumessung. 4. Auflage. München, 2008 Schäfer, Herbert: Der Okkulttäter. Hamburg, 1959 Schaffstein, Friedrich: Spielraum-Theorie, Schuldbegriff und Strafzumessung nach den Strafrechtsreformgesetzen. Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag, 1973, S. 99–116 Schauer, Renate: Grenzen der Preisgestaltungsfreiheit im Strafrecht. Eine Untersuchung zum Verhältnis von Wucher und Betrug. München, 1989 Scheffler, Uwe: Zum Verständnis des Wuchers gem. § 302a StGB. GA, 1992, S. 1–19

Literaturverzeichnis

193

Scheinfeld, Jörg: Betrug durch unternehmerisches Werben? – Zur Divergenz zwischen Wettbewerbsrecht und Absichtskriterium des BGH. wistra, 2008, S. 167–173 Schmidhäuser, Eberhard: Strafrecht Besonderer Teil – Grundriß. 2. Auflage. Tübingen, 1983 Schmoller, Kurt: Betrug bei bewußt unentgeltlichen Leistungen. JZ, 1991, S. 117–129 Schneider, Hans Joachim: Viktimologie. Wissenschaft vom Verbrechensopfer. Tübingen, 1975 Schönke, Adolf / Schröder, Horst: Strafgesetzbuch. Kommentar. 28. Auflage. München, 2010 Schröder, Horst: Zum Vermögensbegriff bei Betrug und Erpressung. Zugleich Besprechung des Urteils des BGH v. 18.12.1964 – 2 StR 461/64. JZ, 1965, S. 513–516 Schubarth, Martin / Albrecht, Peter: Kommentar zum schweizerischen Strafrecht. Schweizerisches Strafgesetzbuch. Besonderer Teil. Band 2. Delikte gegen das Vermögen (Art. 137 – 172), Bern, 1990 Schüler-Springorum, Horst: Über Victimologie. Festschrift für Richard M. Honig zum 80. Geburtstag. 1970, S. 201–215 Schumann, Heribert: Betrug und Betrugsbeihilfe durch wahre Behauptungen? JZ, 1979, S. 588–592 – Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung der Anderen. Tübingen, 1986 Schünemann, Bernd: Besondere persönliche Verhältnisse und Vertreterhaftung im Strafrecht. ZSchwR, 1978, S. 131–159 – Der strafrechtliche Schutz von Privatgeheimnissen. ZStW, 90 [1978], S. 11–63 – Methodologische Prolegomena zur Rechtsfindung im Besonderen Teil des Strafrechts. Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, 1979, S. 117–132 – Unternehmenskriminalität und Strafrecht. Eine Untersuchung der Verantwortlichkeit der Unternehmen und ihrer Führungskräfte nach geltendem und geplantem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Köln / Berlin / Bonn / München, 1979 (zitiert: Schünemann, Unternehmenskriminalität) – Einige vorläufige Bemerkungen zur Bedeutung des viktimologischen Ansatzes in der Strafrechtsdogmatik. Das Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege. Psychologische, kriminologische, strafrechtliche und strafverfahrensrechtliche Aspekte. Ausgewählte Referate des Dritten Internationalen Symposiums für Viktimologie 1979 in Münster / Westfalen, 1982, S. 407–421 – Die Zukunft der Viktimo-Dogmatik: die viktimologische Maxime als umfassendes regulatives Prinzip zur Tatbestandseingrenzung im Strafrecht. Festschrift für Hans Joachim Faller, 1984, S. 357–372 – Zur Stellung des Opfers im System der Strafrechtspflege. NStZ, 1986, S. 193–200 – Zur Stellung des Opfers im System der Strafrechtspflege (Fortsetzung aus NStZ 1986, 193 ff). NStZ, 1986, S. 439–443

194

Literaturverzeichnis

– Plädoyer für eine neue Theorie der Strafzumessung. Neuere Tendenzen der Kriminalpolitik. Beiträge zu einem deutsch-skandinavischen Strafrechtskolloquium, 1987, S. 209–238 – Über die objektive Zurechnung. GA, 1999, S. 207–229 – Das System des strafrechtlichen Unrechts: Rechtsgutsbegriff und Viktimodogmatik als Brücke zwischen dem System des Allgemeinen Teils und dem Besonderen Teil. Strafrechtssystem und Betrug, 2002, S. 51–87 Seelmann, Kurt: Betrug beim Handel mit Rohstoffoptionen. NJW, 1980, S. 2545–2551 – Grundfälle zu den Straftaten gegen das Vermögen als Ganzes. JuS, 1982, S. 268–272 – Solidaritätspflichten im Strafrecht? Recht und Moral. Beiträge zu einer Standortbestimmung, 1991, S. 295–304 – „Unterlassene Hilfeleistung“ oder: Was darf das Strafrecht? JuS, 1995, S. 281–286 Seier, Jürgen: Der Kündigungsbetrug. Zum Schutz der Wohnraummiete aus zivil- und strafrechtlicher Sicht. Köln / Berlin / Bonn / München, 1989 – Prozeßbetrug durch Rechts- und ungenügende Tatsachenbehauptungen. ZStW, 102 [1990], S. 563–595 Sickenberger, Markus: Wucher als Wirtschaftsstraftat. Eine dogmatisch-empirische Untersuchung. Freiburg, 1985 Sonnen, Bernd-Rüdeger: Strafrechtliche Grenzen des Handels mit Optionen auf Warentermin-Kontrakte. wistra, 1982, S. 123–129 Soyka, Till: Einschränkungen des Betrugstatbestandes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht am Beispiel der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. wistra, 2007, S. 127–133 Spendel, Günter: Die Begründung des richterlichen Strafmaßes. NJW, 1964, S. 1758–1765 Squaratti, Walter: Das Merkmal der Arglist im Betrugsbegriff: (Art. 148 StGB). Freiburg, 1951 Stöber, Michael: Sachbeschädigung durch unverlangte Zusendung von Werbetelefaxen. NStZ, 2003, S. 515–520 Stein, Ulrich: Betrug durch vertragsärztliche Tätigkeit in unzulässigem Beschäftigungsverhältnis? Zugleich eine Besprechung des Beschlusses des OLG Koblenz vom 2 – 3 – 2000 – 2 Ws 92 – 94/00. MedR, 2001, S. 124–131 Stratenwerth, Günter / Jenny, Guido / Bommer, Felix: Schweizerisches Strafrecht. Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen. 7. Auflage. Bern, 2010 Stree, Walter: Beteiligung an vorsätzlicher Selbstgefährdung – BGHSt 32, 262 und BGH, NStZ 1984, 452. JuS, 1985, S. 179–184 Streng, Franz: Praktikabilität und Legitimität der „Spielraumtheorie“. Perspektiven einer Strafzumessungstheorie angesichts neuer Befunde und Entwicklungen. Grundfragen staatlichen Strafens. Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag, 2001, S. 875–903

Literaturverzeichnis

195

– Strafrechtliche Sanktionen. Die Strafzumessung und ihre Grundlagen. 2. Auflage. Stuttgart, 2002 Sturm, Richard: Die Neufassung des Wuchertatbestandes und die Grenzen des Strafrechts. JZ, 1977, S. 84–87 Systematischer Kommentar: Kommentar zum Strafgesetzbuch. Band 2 Besonderer Teil (§§ 201 – 266b), Loseblattsammlung. München / Unterschleißheim – Kommentar zum Strafgesetzbuch. Band 1 Allgemeiner Teil (§§ 1 bis 79b), Loseblattsammlung. München / Unterschleißheim – Kommentar zum Strafgesetzbuch. Band 3 Besonderer Teil (§§ 267 –358), Loseblattsammlung. München / Unterschleißheim Taschke, Jürgen: Die Strafbarkeit des Vertragsarztes bei der Verordnung von Rezepten – Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 25.11.2003, 4 StR 239/03, StV 2004, 422 ff. StV, 2005, S. 406–411 Thomma, Susanne: Die Grenzen des Tatsachenbegriffs, insbesondere bei der betrügerischen Täuschungshandlung. Berlin, 2003 Tiedemann, Klaus: Welche strafrechtlichen Mittel empfehlen sich für eine wirksamere Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität? Gutachten C zum 49. Deutschen Juristentag. München, 1972 Tischler, Werner Georg: Freiheit und soziale Bindung im Wirtschaftsrecht „Betrug und Opferverantwortung“. Jura, 1988, S. 122–125 Traut, Marcus: Fehlerquellen bei Schadenshochrechnungen in Abrechnungsbetrugsverfahren gegen Ärzte. ArztuR, 2002, S. 164–167 Trechsel, Stefan: Schweizerisches Strafgesetzbuch. Kurzkommentar. Zürich, 1989 Triffterer, Otto: Abgrenzungsprobleme beim Betrug durch Schweigen – OLG Hamburg, NJW 1969, 355. JuS, 1971, S. 181–184 Tröndle, Herbert: Einheit und Vielfalt des Strafrechts. JR, 1974, S. 221–230 Vogel, Joachim: Betrug durch konkludente Täuschung: „Recht auf Wahrheit“ oder kommunikative Verkehrssicherungspflichten? Gedächtnisschrift für Rolf Keller, 2003, S. 313–324 Volk, Klaus: Täuschung durch Unterlassen beim Betrug – OLG Köln, NJW 1980, 2336. JuS, 1981, S. 880–883 – Zur Abgrenzung von Tun und Unterlassen. Dogmatische Aspekte und kriminalpolitische Probleme. Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag, 1989, S. 219–237 Wabnitz, Heinz-Bernd / Janovski, Thomas (Hrsg.): Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts. Band 3, München, 2007 Wagner, K.-R. / Hermann, Nora A.: Strafbarkeit auf Grund wirksamer Gesellschaftsverträge? Zur Fragwürdigkeit behaupteter strafrechtlich zu würdigender „Scheingesellschaftsverträge“ bei ärztlichen Gemeinschaftspraxen. NZG, 2000, S. 520–526 Waiblinger, Max: Die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1951. Strafrecht und Strafprozess. ZBJV, 90 [1954], S. 473–498

196

Literaturverzeichnis

Walter, Tonio: Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland. Heidelberg, 1999 Weidhaas, Rüdiger: Der Kassenarzt zwischen Betrug und Untreue. ZMGR, 2005, S. 52–55 Welzel, Hans: Das deutsche Strafrecht: eine systematische Darstellung. 11. Auflage. Berlin, 1969 Werdt, Armand von: Die Strafzumessung unter besonderer Berücksichtigung der luzernischen Gerichtspraxis bei Diebstahl. München, 1956 Wessels, Johannes / Beulke, Werner: Strafrecht Allgemeiner Teil. Die Straftat und ihr Aufbau. 40. Auflage. Heidelberg, 2010 Wessels, Johannes / Hillenkamp, Thomas: Strafrecht Besonderer Teil 2. Straftaten gegen Vermögenswerte. 33. Auflage. Heidelberg, 2010 Wismer, Willi: Das Tatbestandselement der Arglist beim Betrug. Zürich, 1988 Wittig, Petra: Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs. Ein normanalytischer Ansatz. Frankfurt am Main, 2005 Worms, Alexander: Warenterminoptionen – Strafbarer Betrug oder nur enttäuschte Erwartungen? wistra, 1984, S. 123–131 Würtenberger, Thomas: Der Kampf gegen das Kunstfälschertum in der deutschen und schweizerischen Strafrechtspflege. Wiesbaden, 1951 Zaczyk, Rainer: Strafrechtliches Unrecht und die Selbstverantwortung des Verletzten. Heidelberg, 1993 Zipf, Heinz: Dogmatische und kriminalpolitische Fragen bei § 243 Abs. 2 StGB. Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag, 1977, S. 389–403 Zuck, Rüdiger: Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz. München, 1968

Sachwortverzeichnis Adäquanzzusammenhang zwischen Täuschung und Irrtum 104, 105 Anpreisungen 72 – 74, 79, 122, 132, 136, 139, 169 Anstellungsbetrug 35 Arglist 32–42, 103 Aufklärungspflicht siehe Garantenstellung ausdrückliche Täuschung 71–80 besonderes Vertrauensverhältnis 48, 51, 52, 57, 126, 144, 175 – im Schweizer Recht 36, 41 betrogener Betrüger 171 Dispositionsfreiheit 117, 153 faktische Betrachtungsweise 87–101 Fehlvorstellung als Irrtum 89, 96, 131 Garantenstellung 61–65, 123, 131, 144, 161 Gebrauchtwagenkauf / -verkauf 39, 63, 64, 93, 138 Gegenleistung 107, 150 – 152, 159, 160, 167, 171 Haarverdoppler-Fall 26 Ingerenz 123 institutionelle Garantenstellung 129, 145 Irrtum 45, 46 juristisch-ökonomische Vermittlungslehre 97 Kaffeefahrten 28 Kapitalanlagebetrug 30, 35

Kausalzusammenhang zwischen Irrtum und Vermögensverfügung 105 kognitive Inkompetenz des Opfers 26, 51, 172 konkludente Täuschung 66–71, 135, 145 Kreditaufnahme 21, 41, 42, 94, 107, 167 Kreditkartenmissbrauch 21, 108 Leichtgläubigkeit 26 –28, 43, 52, 57, 107, 166, 169 Leistungsfähigkeit 132 Manipulation 29, 138 mittelbare Täterschaft, Betrug als Fall der 127 objektive Zurechnung 115–117 Opferkunde siehe Viktimologie Organisationsfreiheit 143, 149 Orientierungsrisiko 61, 62, 64 Person siehe Rechtsperson persönlicher Schadenseinschlag 26, 29 Preisgestaltungsbetrug 159 Prozessbetrug 38, 89 Recht auf Wahrheit 124–130 Rechtsausführungen 76, 132, 135 Rechtsgüterschutz 119 Rechtsperson 129, 136, 137, 143, 146 Reduktion, teleologische 102 Respektierungspflicht siehe Solidaritätspflicht Risikogeschäft 18, 21, 49, 95, 107, 167 Risikoverteilung siehe Orientierungsrisiko

198

Sachwortverzeichnis

Schaden siehe Vermögensschaden Schutzbereich – des Art. 146 SchwStGB 33 – des Betrugstatbestandes 94, 106, 108 Schutzzweck der Norm 106 Selbstschädigungsdelikt 110, 115, 119, 134 Selbstsorge, Obliegenheit des Opfers zur 125, 127 Selbstverantwortung 126, 127 Solidaritätspflicht 134–145 Sorglosigkeit siehe Leichtgläubigkeit sozialadäquate Täuschung 78 Spekulationsgeschäft siehe Risikogeschäft Strafzumessung 47–60 Subsidiarität des Strafrechts 85

Unterlassen, Täuschung durch 135

Tatsache, Täuschung über 72 Tatsachenbegriff siehe Tatsache Treu und Glauben – als Aufklärungspflicht 61

Zumutbarkeit eigenständiger Informationsbeschaffung 41, 94, 95, 103, 107 Zweifel 88–97

61–65,

Vermögensdisposition 94, 96, 110, 122, 151, 152, 176 Vermögensgefährdung 99 Vermögensschaden 98, 157 Vermögensverfügung 134 Vertrauen 49, 63, 75, 92, 128 Viktimodogmatik 82–112 Viktimologie 82 Wahrscheinlichkeitstheorien 90–91 Warenterminoption 18 Wechselgeldfall 69 Werturteil siehe Tatsache