Die Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag [1 ed.] 9783428450589, 9783428050581


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Die Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag [1 ed.]
 9783428450589, 9783428050581

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CHRISTOPH MüLLER·FOELL

Die Mitwirkung des Bestellers heim Werkvertrag

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 69

Die Mitwirkung des Bestellers heim Werkvertrag

Von

Dr. Christoph Müller-Foell

DUNCKER & HUMBLOT I

BERLIN

Die Arbeit wurde im Februar 1981 abgeschlossen. Später erschienenes Schrifttum wurde, soweit möglich, noch nachgetragen.

Alle Rechte vorbehalten

© 1982 Duncker & Humblot, Berlln 41

Gedruckt 1982 bel BuchdruckereI A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlln 61 Prlnted 1n Germany ISBN S ö8 05068 4

Inhaltsverzeichnis Einleitung 1.

Das Problem .................................................

11

2.

Vorgehensweise ...............................................

12

Erster Teil Die historische Entwicklung der Mitwirkungsproblematik im schuldrechtlichen Kontext 3.

Die Zeit zu Ende des 19. Jahrhunderts ........................

14

3.1.

Die Rechtsprechung ...........................................

14

3.2.

Stellungnahmen in der Literatur ..............................

16

3.2.1.

Beiläufige Äußerungen ........................................

16

3.2.2. 3.2.2.1. 3.2.2.2. 3.2.2.3. 3.2.2.4. 3.2.2.5.

Äußerungen im Zusammenhang mit der Lehre von der Mora.. Carl otto von Madai .......................................... Carl Wilhelm Wolff .......................................... Friedrich Mommsen .... . ..................................... Josef von Schey .............................................. Bernhard Windscheid .........................................

16 17 18 18 19 21

3.2.3.

Insbesondere: die Stellungnahme von Josef Kohler. .. . . . . . . ...

21

4.

Die Regelungen im BGB ......................................

23

4.1.

Die gesetzlichen Vorschriften ..................................

23

4.2.

Der in den Protokollen niedergelegte Entstehungsprozeß ......

24

4.3.

Die Erläuterungen in den Motiven ............................

26

5.

Die Zeit zwischen 1900 und 1945 ..............................

28

5.1.

Die Rechtsprechung des RG ...................................

28 33

5.2.

Die Literatur .................................................

5.2.1.

Erste Stellungnahmen zur Regelung im BGB ..................

33

5.2.2.

Das Schuldverhältnis als Organismus .........................

34

6

Inhaltsverzeichnis

6.

Resümee der bisherigen Entwicklung ..........................

36

7.

Die Zeit nach 1945 .................................. . .........

39

7.1.

Die Rechtsprechung ...........................................

39

7.2.

Die Literatur .................................................

45

7.2.1.

Die Etablierung des ObIiegenheitsbegriffs im vertraglichen Schuldrecht ................................................... 46

7.2.2. Verfeinerungen der vertraglichen Pflichtendifferenzierung ..... 48 7.2.2.1. Zur Pflichtenhierarchie allgemein im vertraglichen Schuldverhältnis ....................................................... 49 7.2.2.2. Speziell: die Pflichten des Bestellers im Werkvertrag. . . . . . . . .. 52 7.2.3. 7.2.3.1. 7.2.3.2. 7.2.3.3. 7.2.3.4. 7.2.3.5.

Stellungnahmen zur Einordnung der Bestellermitwirkung ..... Die Einordnung als Obliegenheit. " ................ '" . . . . . . .. Die Qualiflzierung als Rechtspflicht ............................ Vermittelnde Auffassungen ................................... Auf die Rechtsfolgen beschränkte Äußerungen ................ Stellungnahmen speziell in der baurechtlichen Literatur .......

53 53 54 55 57 58

8.

Zusammenfassung zur historischen Entwicklung ...............

61

Zweiter Teil Zur Lösung der MItwirkungsproblematik: Fehlen einer vorgegebenen Einordnung - Prüfung zu erwägender Lösungsansätze - Notwendigkeit einer differenzierenden Behandlung aufgrund Interessenabwägung 9.

Analyse der gesetzlichen Regelungen und der zur Einordnung vorgebrachten Argumente .................................... 63

9.1.

Offenheit der gesetzlichen Regelungen ........................

63

9.2.

Bindung durch die Motive? ...................................

66

9.3.

Gläubiger als Schuldner? .....................................

67

9.4.

Mangelnde Argumentation der "Obliegenheitstheorie" .........

68

9.5.

Zur Begründung einer Einordnung der Bestellermitwirkung als Rechtspflicht .................................................. 68

10.

Zu Möglichkeiten einer begrifflich-subsumtiven Einordnung der Bestellermitwirkung .......................................... 69

10.1.

Mitwirkungshandlungen und Obliegenheitsbegriff .............

69

10.2.

Mitwirkungshandlungen und Rechtspflichtbegriff ..............

70

10.2.l.

Pefl.nitiQQen der Rechtspflicht .................................

70

Inhaltsverzeichnis

7

10.2.2.

Der psychologische Rechtspflichtbegriff

71

10.2.3.

Der nonnlogische Rechtspflichtbegriff ......... . . . . . . . . . . . . . . . ..

73

11.

Eigener Lösungsweg: Einordnung aufgrund Interessenabwägung 75

11.1.

Zur Methodik der Interessenabwägung ........................

76

11.1.1.

Die Interessenjurisprudenz ....................................

76

11.1.2.

Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz ....

80

11.1.3.

Zur Anwendung auf die vorliegende Problemstellung ..........

84

11.2.

Interessenabwägung bei der Mitwirkungsproblematik .........

84

11.2.1. 11.2.1.1. 11.2.1.2. 11.2.1.3. 11.2.1.4.

Fehlen einer einheitlichen Interessenkonstellation ............ . Entwicklungen des Werkvertrags ............................ . Neue Dimension der Bestellermitwirkung ..................... . Mitwirkungshandlungen am Beispiel der VOB/B ............. . Fazit: Unangemessenheit von Einheitslösungen ............... .

84 85 86 87 89

11.2.2. Analyse faktischer Interessenlagen 11.2.2.1. Interessen des Werkunternehmers ........................... . 11.2.2.2. Interessen des Bestellers ..................................... .

90 90 94

11.2.3. Rechtliche Bewertung der Interessen .......................... 11.2.3.1. Annahmeverzugsnormen als gesetzliche Interessenkonfliktslösung? ........................................................ 11.2.3.2. § 640 BGB als Zeichen gesetzlicher Interessenbewertung? ..... 11.2.3.3. Argument aus § 649 BGB? .................................... 11.2.3.4. Sonstige rechtliche Bewertung des Bestellerinteresses .......... 11.2.3.5. Sonstige rechtliche Bewertung des Unternehmerinteresses .....

94

11.2.4. ~

95 96 97 99 101

Abwägung der Interessen - Einordnung der Bestellennitwirkung ......................................................... 102

11.2.5.

Einschränkung nach der Struktur der Mitwirkungshandlung '"

11.2.6.

Möglichkeit abweichender Parteivereinbarung ................. 105

11.3.

Ergebniskontrolle durch Folgenanalyse ........................ 106

11.3.1.

Zur ökonomischen Bedeutung des Vertrags .............. , ..... 107

104

11.3.2.

Ökonomische Analyse des Rechts als methodischer Bezugsrahmen 108

11.3.3.

Ökonomische Analyse der Mitwirkungsfrage .................. 109

12.

Ergebnis der rechtlichen Einordnung der Bestellennitwirkung .. 111 Dritter Teil

Redltsfolgen bei Störungen hinsichtlich der Erbringung von Mitwirkungshandlungen 13.

Differenzierungskriterien bei der Rechtsfolgenanordnung ...... 113

8

Inhaltsverzeichnis

14.

Rechtsfolgen bei der Verletzung einer Rechtspflicht zur Mitwirkung ......................................................... 113

14.1.

Rechtsfolgen bei Durchführung des Vertrags .................. 113

14.1.1.

Anspruch des Unternehmers bei schlichtem Unterlassen von Mitwirkungshandlungen - Möglichkeiten der Anspruchsrealisierung ......................................................... Bestehen eines Erfüllungsanspruchs .......................... Klage auf Vornahme von Mitwirkungshandlungen ............ Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung ....................... Einstweiliger Rechtsschutz .................................... Einschränkung der gerichtlichen Geltendmachung .............

14.1.1.1. 14.1.1.2. 14.1.1.3. 14.1.1.4. 14.1.1.5. 14.1.2. 14.1.2.1. 14.1.2.2. 14.1.2.3. 14.1.2.4. 14.1.2.5. 14.1.2.6. 14.1.3. 14.1.3.1. 14.1.3.2. 14.1.3.3. 14.1.3.4.

Rechtsfolgen bei verzögerter Erbringung von Mitwirkungshandlungen ....................................................... Anspruch des Unternehmers aus § 642 BGB ................... Anspruch des Unternehmers aus § 304 BGB ................... Anspruch des Unternehmers aus § 286 Abs. 1 BGB ..... . ...... Kein Anspruch des Unternehmers aus § 326 BGB ............. Grundsätzlich kein Anspruch des Unternehmers aus pVv .... Keine Ansprüche des Bestellers bei Verzögerungen aufgrund verspäteter Erbringung von Mitwirkungshandlungen .......... Rechtsfolgen bei mangelhafter Erbringung von Mitwirkungshandlungen .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Fortbestehen des Erfüllungsanspruchs ........................ Anspruch des Unternehmers aus § 645 Abs. 1 BGB ............ Anspruch des Unternehmers aus pVv ........................ Auswirkung auf Mängelansprüche des Bestellers ..............

113 114 114 114 116 116 117 117 119 119 120 120 120 121 121 121 121 122

14.2.

Rechtsfolgen bei Vertragsbeendigung infolge Verletzung von Mitwirkungspflichten ......................................... 123

14.2.1.

Kein Erfüllungsanspruch des Unternehmers auf die Vergütung 123

14.2.2. 14.2.2.1. 14.2.2.2. 14.2.2.3.

Vertragsbeendigung durch den Unternehmer und deren Folgen Vertragsbeendigung nach § 643 BGB .......................... Keine Vertragsbeendigung nach § 326 BGB ................... Grundsätzlich keine Vertragsbeendigung aus allgemeinen subsidiären Rechtsinstituten ..................... ;................

123 123 125 126

14.2.3. Vertragsbeendigung durch den Besteller ...................... 126 14.2.3.1. Kündigung gemäß § 649 BGB ................................. 126 14.2.3.2. Keine sonstigen Ansprüche auf Vertragsbeendigung .......... 127 14.2.4.

Vertragsbeendigung infolge Unmöglichkeit .................... 127

15.

Rechtsfolgen bei Verletzung einer Obliegenheit zur Mitwirkung 129

15.1.

Kein Anspruch des Unternehmers auf Erfüllung der Mitwirkungsobliegenhelt ............................................ 129

15.2.

Schadlos stellung des Unternehmers ..... , , ... , , , , , , , . , , . . . . . .. 130

Inhaltsverzeichnis

9

15.2.1.

Entschädigungsanspruche ..................................... 130

15.2.2.

Keine Schadensersatzansprüche ............................... 130

15.3.

Anspruch des Unternehmers aus § 645 Abs. 1 BGB ............ 131

15.4.

Anspruch des Unternehmers aus Unmöglichkeit .............. 131

15.5.

Vertragsbeendigung durch den Unternehmer .................. 131

15.6.

Kein Erfüllungsanspruch des Unternehmers hinsichtlich der Vergütung bei Vertragsbeendigung ........................... 132

15.7.

Einschränkung von Bestellerrechten ............. . ............ 132

Scllluß 16.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

17.

Ausblick

133

................................................... " 133

Literaturverzeicllnis ............................ . ...................... 135

Abkürzungen Selbständig erschienenes Schrifttum ist grundsätzlich nur mit Verfassernamen zitiert. Soweit zur Unterscheidung erforderlich, ist zusätzlich der Titel angeführt; hierbei verwendete Kurztitel sind aus dem Literaturverzeichnis ersichtlich. Im übrigen wurden die geläufigen Abkürzungen benutzt, die großenteils auf den Vorschlägen von Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 2. Auf!. 1968, beruhen. Daneben wurden folgende spezielle Abkürzungen aus dem Bauvertragsrecht verwendet: AG

Auftraggeber

AN

Auftragnehmer

D-P-S-St

Daub-Piel-Soergel-Steffani (Kommentar zur VOB, Bd. 2, Teil B, 1976)

H-L-N

Hereth-Ludwig-Naschold (Kommentar zur VOB, Bd. 11, Erläuterungen zu Teil B, 11)54)

H-R-S

Heiermann-Riedl-Schwaab (Handkommentar zur VOB, Teile A u. B, 3. Aufl. 1981)

I-K

Ingenstau-Korbion (VOB, Teile A u. B, Kommentar, 9. Auf!. 1980)

N-W

Nicklisch-Weick (Kommentar zur VOB, Teil B, 1981)

S-F Z

Schäfer-Finnern, Rechtsprechung der Bau-Ausführung (Loseblattsammlung)

VOB/B

Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil B

Einleitung 1. Das Problem Es wird überliefert, daß im Jahre 1510 der Bildhauer Tilman Riemenschneider, der die Herstellung eines Sakramentshäuschens für den Würzburger Dom übernommen hatte, zehn Tage lang auf das vom Besteller zu liefernde Gerüst warten mußte und deswegen eine Entschädigung erhieltl. Hieran zeigt sich die Tradition der vorliegend behandelten Problemstellung, die daran anknüpft, daß für die Durchführung eines Werkvertrags regelmäßig ein Mitwirken des Bestellers erforderlich ist, ohne das der Unternehmer das versprochene Werk nicht herstellen kann. Die gängigsten Beispiele für solche werkvertraglichen Mitwirkungshandlungen sind Lieferung des zu bearbeitenden Stoffs, Bereitstellen von Raum, in oder an dem gearbeitet werden soll, und schließlich persönliches Erscheinen, etwa zur Anprobe oder Porträtsitzung. Erbringt der Besteller solche Mitwirkungshandlungen nicht, nicht rechtzeitig oder nur mangelhaft, so stellt sich das Problem, welche rechtlichen Sanktionen an solche Verletzungshandlungen zu knüpfen sind. Diese Frage wiederum läßt sich erst angemessen beantworten, wenn die rechtliche Einordnung der Bestellermitwirkung geklärt ist. Das BGB hat entsprechend der besonderen Bedeutung der Bestellermitwirkung für die Durchführung des Werkvertrags dieser in §§ 642, 643 und 645 Abs. 1 S. 2 eigene Vorschriften gewidmet. Daß trotz dieser Bestimmungen und trotz der Tradition einerseits und der - im Lauf der vorliegenden Untersuchung sich zeigenden - wachsenden Bedeutung der Problematik um die Bestellermitwirkung andererseits diese noch weitgehend ungeklärt ist, zeigt schon ein flüchtiger Blick auf den aktuellen Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur. So hat der BGH in einem Fall unterlassener Bestellermitwirkung einen Schadensersatzanspruch des Unternehmers aus pVv bejaht2 , in einem anderen Fall dem Unternehmer den vollen Vergütungsanspruch zuerkannt3 • In der Literatur bewegt sich die Meinungsskala zur rechtlichen Einordnung 1

Rothenbücher, S.69.

BGHZ 11, 80. a BGHZ 50, 175.

!

12

Einleitung

der Bestellermitwirkung von Auffassungen, die lediglich eine Gläubigerobliegenheit annehmen, über differenzierende Stellungnahmen bis zu solchen, die eine echte Schuldnerpflicht des Bestellers bejahen4 • Schon diese kurzen Hinweise zeigen, daß die Problematik der Bestellermitwirkung zentrale Bereiche des vertraglichen Schuldrechts tangiert: Es geht um die kategoriale Einordnung als Rechtspflicht oder als bloße Obliegenheit, hinsichtlich der Verletzungssanktionen um einen Anspruch des Unternehmers auf Erfüllung, Schadensersatz oder Entschädigung, um die Rechtsfolgen aus Schuldnerverzug, Annahmeverzug oder pVv. 2. Vorgebensweise

Die vorliegende Arbeit will zur Klärung der genannten Fragen beitragen. Hierbei soll im ersten Teil die Bestellermitwirkung in ihrer Entwicklung zur aktuellen Problemstellung dargestellt werden, da - wie sich zeigen wird - die heutigen Rechtsfragen und Lösungsmöglichkeiten nicht unhistorisch betrachtet werden können, sondern das Ergebnis eines Prozesses darstellen, der insbesondere in der Auflösung der starren Gläubiger- und Schuldnerfronten besteht. Im Hinblick auf einen zu erwartenden Erkenntniswert ist es hierbei ausreichend, im wesentlichen die Entwicklung seit Inkrafttreten des BGB nachzuzeichnen, wobei zum Verständnis der BGB-Regelungen deren Vorgeschichte miteinzubeziehen ist. Bei der historischen Darstellung wird sich zeigen, daß die Mitwirkungsproblematik in sich wandelnde Auffassungen vom Schuldverhältnis - in denen sich gesellschaftliche Veränderungen reflektieren - einzubinden ist. Betrachtung des Schuldverhältnisses als Organismus, Entwicklung eines vertraglichen Pflichtensystems und Etablierung des Obliegenheitsbegriffs sind hier die wesentlichen Stichpunkte. Nur vor diesem allgemeinen Hintergrund der Öffnung des Rechtspflichtsbegriffs bis hin zur Anerkennung auch von Gläubigerpflichten sowie der Verfeinerung des vertraglichen Pflichtensystems wird die Diskussion um die Einordnung der Bestellermitwirkung verständlich, da damit die Spannweite der Einordnungsmöglichkeiten vorgegeben ist. Insofern orientieren sich Rechtsprechung und Literatur - offen oder unausgesprochen - an diesen Entwicklungen, ohne aber bei der Einordnung selbst und der Verhängung von Verletzungssanktionen zu widerspruchsfreien und einheitlichen Lösungen zu kommen. Die Mitwirkungsproblematik wird nach wie vor kontrovers diskutiert und behandelt. Im zweiten Teil der Arbeit werden zunächst mögliche Argumente und Methoden zur Problemlösung vorgestellt und analysiert. Es wird sich 4

s. dazu eingehend u. 7.2.3.

2. Vorgehensweise

13

dabei zeigen, daß sich die Vielschichtigkeit der vorliegenden Problematik einer glatten Einheitslösung entzieht. Vielmehr kann nur eine differenzierende Interessenanalyse, -bewertung und -abwägung zu sachgerechten Lösungen führen. Ein gewisser Schwerpunkt wird hierbei bewußt auf die Analyse der Methodik der Interessenabwägung gelegt, um eine durch mangelnde Methodenreflexion bedingte "halbierte Rationalität" in Argumentation und Ergebnis zu vermeiden. Im dritten Teil werden schließlich die Rechtsfolgen bei Störungen hinsichtlich der Erbringung von Mitwirkungshandlungen des Bestellers untersucht.

Erster Teil

Die historische Entwicklung der Mitwirkungsproblematik im schuldrechtlichen Kontext Im folgenden soll ein historischer Abriß über Entscheidungen in der Rechtsprechung und Auffassungen in der Literatur gegeben werden, die sich auf die rechtliche Einordnung der Bestellennitwirkung beziehen. Es sollen weiterhin - für die vorliegende Problematik relevante, weil in mittelbarem Zusammenhang stehende - Entwicklungen nachgezeichnet werden, die die Natur des vertraglichen Schuldverhältnisses, die Stellung als Gläubiger und Schuldner sowie die wechselseitigen, abgestuften Rechte und Pflichten innerhalb des vertraglichen Schuldverhältnisses betreffen. 3. Die Zeit zu Ende des 19. Jahrhunderts 3.1. Die Rechtsprecllung

Aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts liegen mehrere höchstrichterliche Entscheidungen vor, die sich mit Gläubigerpflichten befassen. Allerdings geht es in diesen Fällen fast ausschließlich um Pflichten des Käufers, genauer um die Fragen, ob der Käufer zur Spezifikation und ob er zur Annahme der Kaufsache verpflichtet ist. So ging das ROHG in mehreren Entscheidungen von einer klagbaren Pflicht des Käufers zur Spezifikationl und zur Annahme der Kaufsache2 aus. Das RG dagegen verfolgte in dieser Frage keinen einheitlichen Standpunkt: In einer frühen Entscheidung wollte es eine Pflicht des Käufers zur Annahme der Kaufsache nur dann anerkennen, wenn der Verkäufer ein "besonderes Interesse" an der Abnahme habe3 • Sowohl eine Pflicht des Käufers zur Annahme der Kaufsache als auch zur Spezifizierung4 verneinte das RG, insbesondere unter Hinweis auf Momm1 ROHG 15, 146, 148; ROHG 16, 203, 205, dort allerdings unter Konstruktion eines Nebenvertrags, der die Verpflichtung zur Speziflzierung enthalte. ! ROHG 4, 142, 147; ROHG 7, 356, 358. • RGZ 5, 392, 393. , Letzteres wurde noch offengelassen in RGZ 10, 95, 100.

3. Die Zeit zu Ende d. 19. Jhs.

15

senS und Kohler6 , in einem späteren UrteilT. Demgegenüber wird in einer weiteren EntscheidungS eine Pflicht des Käufers sowohl zur Annahme als auch zur Spezifikation bejahtlI. Unklar ist schließlich eine spätere Entscheidung10 , in der einerseits an dem früheren, die Pflicht zur Spezüikation verneinenden Urteilll festgehalten12, aber andererseits eingeräumt wird, daß bei Spezifikationsverträgen nach Treu und Glauben eine Auslegung naheläge, dem Vertrag die übernahme einer Verpflichtung zur Spezifikation zu entnehmen13• Zur Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag liegt nur eine Entscheidung des ROHG vor, in der es um die Klage eines Werkunternehmers auf übergabe der nach dem Vertrag umzuarbeitenden Gegenstände geht14 • Hierzu führt das ROHG aus, daß es verfehlt sei, aus der natürlichen Freiheit und Ausschließlichkeit des Eigentums die Unstatthaftigkeit einer derartigen Klage oder Verurteilung herzuleiten: "Wäre in der Tat anzunehmen, daß die Verklagte sich nicht lediglich zu der versprochenen Vergütung, sondern auch zu der übergabe ihrer Öfen behufs des Umbaues vertragsmäßig verpflichtet hätte, wäre, mit anderen Worten, diese übergabe nicht ein bloßes Mittel zum Zwecke der Erlangung der Vergütung, sondern eine Leistung, auf welche dem Kläger ein selbständiger, wenn auch lediglich obligatorischer Anspruch zustände, so vermöchte die natürliche Freiheit ihres Eigentums die Verklagte gegen die rechtliche Folge ihrer Verbindlichkeit nicht zu schützen"lS. Nicht entschieden wurde hier freilich, wann eine solche vertragsmäßige Verpflichtung vorliegt, die zu einer Klage des Unternehmers auf Vornahme der Mitwirkungshandlung berechtigt. Insofern handelt es sich um eine "verklausulierte" Entscheidung, wie Kohler mit Recht bemerkt hat16 •

6 Mommsen, S. 134. • Kohler, JhJb 17 (1879), 268, 275 ff. 1 RGZ 14, 243, 247. 8 RGZ 26, 213, 216. 8 Allerdings unter Hinweis auf I 11 § 215 ALR, wonach der Käufer die übernahme der Kaufsache schuldet. 10 RGZ 30, 97. 11 RGZ 14, 243. 1! RGZ 30, 97, 101. 11 RGZ 30, 97, 103; vgl. hierzu auch Oertmann, AcP 85 (1896), 202, 220 ff. l' ROHG 11, 155. 11 ROHG 11, 155, 159. 11 JhJb 17 (1879), 261, 280.

16

1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

3.2. Stellungnahmen in der Literatur

Aus der Zeit des mittleren bis späteren 19. Jahrhunderts liegen zur Rechtsnatur der Mitwirkungshandlungen mehrere Stellungnahmen vor, die jedoch überwiegend im Zusammenhang mit anderen Problemen geäußert wurden und daher teilweise eher beiläufiger Art sind.

3.2.1. Beiläufige Außerungen Im Rahmen eines Aufsatzes über Realverträge1'7 hat Demelius die These aufgestellt, daß jede Hingabe in obligatorischen Verhältnissen solvendi causa geschehe18 , so auch wenn der Besteller eine Kette dem Goldschmied zur Reparatur oder einen Rock dem Schneider zum Ausbessern überlasse. Die Hingabe dieser Gegenstände geschehe in Ausführung des Vertragsverhältnisses und insofern solvendi causa19• Unger hat dem in einer Entgegnung20 widersprochen: In den von Demelius angeführten (oben genannten) Fällen erfolge die Hingabe nur zu dem Zweck, dem anderen Kontrahenten das faktische Substrat für die Erfüllung seiner Verpflichtung zu gewähren, und es sei gewiß gänzlich unrichtig, wenn Demelius auch in solchen Fällen von einer Hingabe solvendi causa spricht. Wer einen Lohnvertrag über die Reparatur seiner Uhr oder seiner Kleidung geschlossen hat, müsse Uhr und Kleider hingeben, damit die Arbeit verrichtet werden kann; eine rechtliche Verpflichtung dazu existiere aber nicht21 • Beide Äußerungen sind ohne nähere Begründung getan worden; sie sind daher nicht als fundierte Stellungnahmen einzustufen und haben für die vorliegende Untersuchung eher statistischen Wert.

3.2.2. Außerungen im Zusammenhang mit der Lehre von der Mora Im Vergleich dazu sind Stellungnahmen, die im Zusammenhang mit der Lehre von der Mora abgegeben wurden, ergiebiger, da Fragen hinsichtlich der Mitwirkungshandlungen des Gläubigers sich mit der Verzugsproblematik überschneiden. Der Schwerpunkt dieser Abhandlungen liegt allerdings bei einer wesensmäßigen Erfassung des Verzugs, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob Verzug ein Verschulden erfordert oder nicht, was die sogenannte Culpa-Theorie bejahte22 • 17

18

18 !CI 11

JhJb 3 JhJb 3 JhJb 3 JhJb 8 JhJb 8

(1859), (1859), (1859), (1866), (1866),

399 ff. 399, 409. 399, 402. 1 ff. 1, 14.

3. Die Zeit zu Ende d. 19. Jhs.

17

3.2.2.1. Carl Otto von Madai Von Madai vertritt die Auffassung, daß Schuldner- und Gläubigerverzug wesensmäßig gleiche Erscheinungen, gleichsam das eine das Spiegelbild des anderen, seien23 • Er sieht daher auch den Gläubigerverzug als Säumnis bei Erfüllung einer obligatorischen Verbindlichkeit an24 • Immer sei der "Creditor auch Debitor ratione accipiendi"Z5. Von Madai begründet diese Ansicht damit, daß der Schuldner einen Liberationsanspruch habe: "So wie der Creditor, hat auch der Debitor ein Interesse an der Erfüllung der Obligation. Jener, daß er erhalte, was er zu fordern berechtigt ist; dieser, daß er durch Beendigung des obligatorischen Verhältnisses die frühere Freiheit wieder gewinne. So wenig der eine, darf daher der andere das Interesse seines Gegners beeinträchtigen. Der Schuldner aber verletzt das Interesse seines Creditors, wenn er die Erfüllung der schuldigen Leistung, sobald diese vom Creditor verlangt ist, auf eine culpose Weise verzögert. Ihn trifft dann eine Mora solvendi, die mannigfache Nachteile für ihn herbeiführt. In ähnlicher Weise kann aber auch der Creditor einer Mora sich schuldig machen. Er verletzt nämlich das Interesse seines Schuldners, wenn er die von diesem bezweckte Beendigung des obligatorischen Verhältnisses dadurch verhindert, daß er, während jener die ihm obliegende Verbindlichkeit zu erfüllen bereit ist, durch seine Schuld allein, die Nichterfüllung veranlaßt. Diese von ihm ausgehende Verzögerung der Erfüllung wird, wenn sie ihm als eine Schuld angerechnet werden kann, zur Mora accipiendi s. creditoris, wie die culpose Säumnis des Debitors eine Mora solvendi s. debitoris ist. Beide Arten der Mora tragen denselben Charakter schuldvoller Verzögerung, und so werden beide, als ihrem inneren Wesen nach einander völlig gleich, von den Römischen Juristen behandelt"26.

22 Die Frage, ob Verzug als Voraussetzung oder gar als Wesensmerkmal Verschulden erfordert oder nicht, glaubte die-insoweit an römisch-rechtliche Traditionen anknüpfende - einheitliche Lehre von der Mora für Schuldner- und Gläubigerverzug gleichermaßen beantworten zu müssen. Von diesem Ausgangspunkt kam man allerdings zu unterschiedlichen Ansichten: die "Culpa-Theorie" verlangte für den Eintritt des Verzugs das Vorliegen eines Verschuldens, die Gegenmeinung bestritt die Notwendigkeit des Verschuldens. Beide Auffassungen reklamierten die einschlägigen römischen Rechtsquellen für sich, indem sie diese jeweils in ihrem Sinne interpretierten. Erst später setzte sich eine zwischen Schuldner- und Gläubigerverzug differenzierende Betrachtungsweise durch, wobei für den Schuldnerverzug die Auffa,ssung herrschend wurde, daß Verschulden erforderlich ist, während für den Gläubigerverzug diese Frage sehr umstritten war. Vgl. hierzu zusammenfassend v. Schey, S. 14 ff. rn. w. N. 23 v. Madai, S. 227 f. 2C S. 14 f., 228 If.

25 28

S.10.

S. 227 f.

2 Müller·Foell

18

1. Teil:

Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

Nach der Ansicht von Madais sind also die Mitwirkungshandlungen des Gläubigers als echte Rechtspflichten einzustufen. Denn wenn auch nicht übersehen werden kann, daß die Ausführungen von Madais eher auf ein schlichtes "dare" einerseits und ein schlichtes "accipere" andererseits ausgerichtet sind, so sollen sie doch umfassenden Charakter haben, also für alle Formen des Gläubigerverhaltens gelten, welches bei der Erfüllung der Schuldnerverbindlichkeit erforderlich ist. So spricht z. B. von Madai von Fällen, in denen die wirkliche Vornahme der Handlung des Schuldners besondere Vorkehrungen von seiten des Creditors erforderf.17. 3.2.2.2. Carl Wilhelm WoIff

Wolff ist wie von Madai ein Vertreter der Culpa-Theorie. Längere Ausführungen widmet er der Begründung, daß der Schuldnerverzug eines Verschuldens bedarf28 • Recht marginal - wenn auch konsequent im Hinblick auf die von ihm vertretene Auffassung von der einheitlichen Mora29 - fällt die Begründung für den Gläubigerverzug aus, wo im wesentlichen auf die Ausführungen zum Schuldnerverzug verwiesen wird 30 . Von Interesse für die vorliegende Untersuchung ist, daß auch WoIff von einer Rechtspflicht des Gläubigers zur Annahme ausgeht: "Die mora des creditor wie des debitor bezieht sich auf die Realisierung obligatorischer Verbindlichkeiten: Wie nun jener berechtigt ist, von dem debitor die Erfüllung der Verbindlichkeiten zu fordern, so ist auch dieser berechtigt, von dem creditor die Befreiung von dem obligatorischen Nexus durch Annahme des Objects der obligatio zu verlangen"31. WoIffs Ausführungen sind allerdings ausschließlich auf die schlichte Annahme ausgerichtet. Die Möglichkeit der aktiven Mitwirkung des Gläubigers an der Leistungserbringung wird nicht mitbedacht, so daß WoIff nur mit Vorbehalt in die Reihe derer eingeordnet werden kann, die eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers bejahen. 3.2.2.3. Friedrich Mommsen

Einen zu von Madai und WoIff entgegengesetzten Standpunkt nimmt zunächst Friedrich Mommsen ein: Er betrachtet den Schuldner- und den Gläubigerverzug als zwei ihrem Wesen nach verschiedene Institute. So führt er im Zusammenhang mit der Frage, ob Gläubigerverzug VerS. 235, vgl. auch S. 266. Wolff, S. 252-263. zu Insbes. S. 406. so S. 405 f. Si S.406. 27

28

3. Die Zeit zu Ende d. 19. Jhs.

19

schulden erfordert, aus: "Die neu esten Schriftsteller 32 über die Mora sind der Ansicht, daß die Nichtannahme der Leistung in einer Verschuldung des Gläubigers ihren Grund haben müsse. Diese Ansicht setzt voraus, daß durch die Verweigerung der Annahme von Seiten des Gläubigers ein Recht des Schuldners verletzt wird, da die Verschuldung nur insofern rechtliche Wirkungen hat, als sie in einer Rechtsverletzung sich manifestiert ... Soll also wirklich zur Mora des Gläubigers eine culpose Nichtannahme der Leistung erforderlich sein, so muß dem Schuldner das Recht zustehen, vom Gläubiger die Annahme des Gegenstandes der Obligation zu verlangen. Ein solches Recht kann aber meiner Meinung nach im allgemeinen nicht anerkannt werden. Der Gläubiger wird durch die Obligation nicht in gleicher Weise zur Annahme verpflichtet, wie der Schuldner zur Erfüllung. Es steht ihm vielmehr frei, ob er die Herrschaft, welche das obligatorische Verhältnis ihm einräumt, ausüben will oder nicht"33. Wenn auch Mommsen demnach kein eigentliches Verschulden voraussetzt, so macht er doch insofern eine Einschränkung, als er als subjektives Element verlangt, daß die Nichtannahme "in dem Willen des Gläubigers ihren Grund hat"34. Hinsichtlich der Einordnung der Bestellermitwirkung ist, da Mommsen allgemein von "der zur Vornahme der Leistung nötigen Mitwirkung des Gläubigers"S5 spricht, davon auszugehen, daß er die Vornahme von Mitwirkungshandlungen jeglicher Art - also nicht nur die schlichte Annahme - nicht als echte Rechtspflicht des Gläubigers auffaßt. 3.2.2.4. Josef von Schey

Von Schey schließt sich zunächst der Meinung Mommsens an, wonach den Gläubiger keine Pflicht zur Mitwirkung an der Leistungserbringung durch den Schuldner treffe: "Gewiß hat der Schuldner auf die Annahme der Leistung, genauer gesprochen, auf die Mitwirkung des Gläubigers bei der Obligations erfüllung kein Recht, oder doch kein Recht in dem selben Sinne, wie es der Gläubiger auf die Leistung hat. Der Gläubiger als solcher - ich spreche hier natürlich von der einseitigen obligatio hat nur zu ,fordern'. Der Inhalt des einfachen Obligationsverhältnisses ist erschöpft durch das, was das Recht des Gläubigers und die Pflicht des Schuldners ausmacht. Der Gläubiger, der die Leistung nicht entgegennimmt, läßt sein Recht aus der Obligation unbenutzt, aber er verletzt keine Pflicht aus der Obligation"36. Hierbei verweist Mommsen auf v. Madai, § 36 und Wolff, § 31. Mommsen, S. 134. 54 S.134, s. auch S. 160 ff. ss S.133. 88 v. Schey, S.27. 82

S8

2'

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1. Teil:

Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

Jedoch erkennt von Schey an37 , daß der Schuldner zwar kein Recht auf Leistungserbringung, wohl aber ein Interesse habe, von seiner Obligation befreit zu werden. Nun habe die Rechtsordnung aber verschiedene Mittel, ein so geartetes Interesse rechtlich zu berücksichtigen: Sie könne es zunächst zum subjektiven Recht, zum Anspruch verdichten. Dieser - für den Interesseinhaber befriedigende - Weg könne aber nicht immer gegangen werden, zumal wenn auf der anderen Seite widerstreitende Interessen im Spiele sind. So sei es im vorliegenden Fall: "Der Schuldner hat das größte Interesse an der Lösung der Obligation. Allein diesem gegenüber steht das Interesse des Gläubigers an der freien Disposition über seine Rechte; und so wird trotz jenem Bedürfnis des Schuldners der Gläubiger nicht verpflichtet zur Annahme der Leistung, der Schuldner erhält keinen Anspruch auf Liberierung. Wohl aber erhält er andere Mittel zur Sicherung seines Interesses: Er kann vor allem durch Erfüllungssurrogate -sich ohne Mithilfe des Gläubigers freimachen; aber auch schon die nachteiligen Wirkungen der Zögerung des Gläubigers werden zu seinen Gunsten paralysiert durch den Inbegriff aller der vom Rechte normierten Konsequenzen der mora creditoris, welche mit dem Schlagworte der ,Exculpierung' bezeichnet worden sind. Immer aber bleibt es dabei, daß der Schuldner keinen Anspruch und somit kein Recht auf Annahme der Leistung gegen seinen Gläubiger besitzt"38. Daß von Schey trotz Verneinung einer Mitwirkungspflicht Verschulden des Gläubigers als Verzugsvoraussetzung forder~9 (insoweit im Einklang mit der Culpa-Theorie), begründet er damit, daß der Gläubiger mit der unterlassenen Mitwirkung bei der Leistungserbringung zwar kein Recht des Schuldners verletze, wohl aber darin die Verletzung einer allgemeinen Rechtspflicht liegen könne, die sich aus dem Gebot des neminem laedere ergibt40 • Lehnt der Gläubiger die Leistung ab, weil sie etwa der vereinbarten Beschaffenheit nicht entspricht oder am falschen Ort angeboten wird, so nutze er nur sein Recht aus ("qui iure suo utitur neminem laedit"). Unter dem Gebot des neminem laedere stehe der Gläubiger aber, wenn er die angebotene Leistung "sine iusta causa" ablehnt. In solchen Fällen komme der Gläubiger in Verzug, wenn der Verstoß gegen das Gebot des neminem laedere schuldhaft erfolgt41 • Angemerkt sei schließlich, daß von Schey seine Auffassung ausdrücklich auf alle Formen der Verzögerung der Erfüllung durch den S7 S8 811

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S. 94 f. S.95.

Insbes. S. 66 ff.

S. 102 ff. S. 104 ff., 111.

3. Die Zeit zu Ende d. 19. Jhs.

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Gläubiger, sei es durch Verweigerung der Annahme, sei es vorher durch Verweigerung von Vorbereitungshandlungen, bezogen sehen wi1l42 • 3.2.2.5. Bernhard Windscheid Windscheid hat einen ähnlichen Standpunkt wie von Schey eingenommen: Einerseits lehnt er ein Recht des Schuldners auf Annahme durch den Gläubiger ab 43 , andererseits verlangt er als Voraussetzung des Gläubigerverzugs, daß die Nichtannahme der angebotenen Leistung widerrechtlich sei. Widerrechtlich sei die Nichtannahme nur, wenn die Annahme dem Gläubiger möglich war und ihm auch sonst kein Entschuldigungsgrund zur Seite steht44 • Zur Begründung führt Windscheid an, daß der Gläubigerverzug für den Schuldner Nachteile mit sich bringe, die dem Gläubiger billigerweise nur dann auferlegt werden dürften, wenn ihn ein Vorwurf trifft45 • Die Auffassung Windscheids läßt sich somit insgesamt als Mittelweg charakterisieren, da er einerseits zwar kein Recht des Schuldners auf Annahme, aber doch ein Interesse an dieser anerkennt46 , und er weiterhin die Widerrechtlichkeit als Voraussetzung des Gläubigerverzugs ansieht. Wenn sich auch Windscheid zur Bestellermitwirkung nicht ausdrücklich äußert, so muß seine Auffassung doch dahin interpretiert werden, daß der Werkunternehmer zwar kein Recht auf Vornahme von Mitwirkungshandlungen durch den Besteller habe, daß aber ein entsprechendes Interesse des Unternehmers hieran durchaus anerkennenswert sei.

3.2.3. Insbesondere: die Stellungnahme von Josef Kohler Engagiert und - dem damaligen Zeitgeist entsprechend - mit viel Pathos hat sich Kohler in zwei längeren Abhandlungen47 entschieden gegen die Annahme einer Rechtspflicht des Bestellers zur Mitwirkung an der Erbringung der Werkleistung ausgesprochen. Kohler hält jene Ansicht von der Mitwirkungspflicht des Gläubigers für einen der fundamentalsten Irrtümer in der Lehre des ObIigationenrechts48 • Die Mitwirkung des Gläubigers zur Leistung, welcher Gestalt sie sein möge, bilde vielmehr ein Recht, keine Pflicht49 • u 43 44

45 48

47 48

48

S. 118 f.

Windscheid, Bd. II, § 345, Nr.3 (S. 282 Fn. 10). Bd. II, § 345, Nr.3 (S. 281). Bd. II, § 345, Nr. 3 (S. 281 f.). Bd. II, § 345, Nr. 3 (S. 282 Fn. 10). JhJb 17 (1879), 261 ff. u. ArchBürgR 13 (1897), 149 ff. JhJb 17 (1879), 261, 267. JhJb 17 (1879), 261, 268.

1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

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Zur Begründung seiner Ansicht bedient sich Kohler zweier Argumentationsweisen: Zum einen fragt er, was wäre, wenn man eine Mitwirkungspflicht annehmen würde. Dann, so Kohler, werde der Besteller zum "Sklaven" des Werkunternehmerg5°, man würde dem Besteller einen Vormund zum Wächter seines Interesses setzen51 . Zum zweiten rekurriert Kohler auf das "Rechtsbewußtsein"52 bzw. auf die "Lebensanschauung"53. Danach ließe sich nichts entdecken, was für die Annahme einer Mitwirkungspflicht spräche54• Zwar erkennt Kohler ein gewisses Eigeninteresse des Werkunternehmers an der Leistungserbringung an: "Der Architekt kann in sehr hervorragendem Maße an der Ausführung des Baues interessiert sein, und es kann dieses Interesse nicht nur ein künstlerisches Interesse sein, sondern auch ein gewerbliches, sofern das Werk seinen Ruf steigert, seine Konkurrenzfähigkeit erhöht ... "55. Es fehle also in bestimmten Fällen "nicht an einem Interesse des Handwerkers, oder Werkübernehmers, indem derselbe dadurch die Gelegenheit finden würde, durch geschickte Arbeit sein Renommee zu begründen, sich in der Arbeit zu üben und dergleichen .. ."56. Jedoch sei dieses Interesse nicht geeignet, die Grundlage einer Obligation zu bilden, weil es nur höchst indirekter und sekundärer Natur sei und weil ein solches indirektes, sekundäres Intel'esse nicht genüge, um der Obligation den nötigen rechtlichen Halt zubieten57 • Nicht jedes Interesse des einen Kontrahenten involviere auch eine Pflicht des anderen, diesem Interesse zu willfahren58 • Mithin sei der "Werkvertrag stets so aufzufassen, daß die Pflicht beim Arbeitenden, das Recht beim Werkherrn ist, und daß das Interesse des Arbeiters an der Arbeit sich nur in dem Äquivalent entlädt, das ihm für die Arbeit vertragsmäßig zukommen sol1"59. Kohler erkennt also lediglich in dem Vergütungsanspruch ein rechtlich geschütztes Interesse des Werkunternehmers. Der Schutz des Vergütungsanspruchs erfordere jedoch nicht die Konstruktion einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers; denn der Unternehmer könne auch dann, wenn er wegen der unterlassenen Mitwirkung des Gläubigers seine Werkleistung nicht erbringen kann, seinen Lohn beanspruchen, 50

51 6% S3

64

65 18 17

18

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JhJb 17 (1879), 261, 280. JhJb 17 (1879), 261, 268. JhJb 17 (1879), 261, 271. ArchBürgR 13 (1897), 149. s. Fn. 52 u. 53. JhJb 17 (1879), 261, 278. JhJb 17 (1879), 261, 280. Ebd. (Fn. 56). ArchBürgR 13 (1897), 149, 165. Arc;hBürgR 13 (1897), 149, 168.

4. Die Regelungen im BGB

23

allerdings abzüglich dessen, was er an Auslagen und Aufwendungen erspart hat, und abzüglich dessen, was er anderweitig verdienen konnteGo. Die Quintessenz der Überlegungen Kohlers läßt sich in dem Diktum zusammenfassen, daß "der Gläubiger als Gläubiger keine Pflicht" habe61 • 4. Die Regelungen im BGB

Mit Inkrafttreten des BGB am 1. 1. 1900 haben auch der Annahmeverzug und die Bestellermitwirkung eine allgemeine gesetzliche Regelung gefunden. 4.1. Die gesetzlichen Vorschriften

Das BGB enthält in den §§ 293 bis 304 allgemeine Vorschriften zur Regelung des Annahmeverzugs. Nach § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Ein Verschuldenserfordernis ist also nicht normiert. Entsprechend fehlt eine Vorschrift, die dem Schuldner Schadensersatz als Rechtsfolge des Annahmeverzugs gibt. Gemäß § 304 BGB erhält der Schuldner lediglich Ersatz der Mehraufwendungen, die er für das erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstands machen mußte. Aus diesen Vorschriften folgt, daß der Gesetzgeber sich gegen die allgemeine Statuierung einer Pflicht des Gläubigers zur Annahme der geschuldeten Leistung und damit auch gegen die Culpa-Theorie entschieden hat. Allerdings wurden gleichzeitig von diesem Grundsatz wesentliche Ausnahmen gemacht: Im Kaufvertragsrecht hat der Gesetzgeber in § 433 Abs.2 BGB dem Käufer die Verpflichtung auferlegt, die gekaufte Sache abzunehmen. Ebenso hat er in § 640 BGB den Besteller verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Von zentraler Bedeutung für die vorliegende Untersucnung ist, daß die Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag in den §§ 642, 643, 645 Abs.l S.2 BGB eine eigene gesetzliche Regelung gefunden hat: § 642 BGB bestimmt, daß dann, wenn bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich ist, der Unternehmer eine angemessene Entschädigung verlangen kann, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Mitwirkungshandlung in Annahmeverzug kommt. eo Vgl. JhJb 17 (1879), 261, 371; ArchBürgR 13 (1897), 149, 249 ff.

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ArchBürgR 13 (1897), 149, 164.

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1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

Die Höhe der Entschädigung soll sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen bestimmen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. § 643 BGB berechtigt den Unternehmer zusätzlich, im Falle des § 642 BGB dem Besteller zur Nachholung der Mitwirkungshandlung eine angemessene Frist mit der Erklärung zu setzen, daß er den Vertrag kündige, wenn die Handlung nicht bis zum Ablauf der Frist vorgenommen wird. Der Vertrag soll dann als aufgehoben gelten, wenn die Nachholung der Mitwirkungshandlung nicht bis zum Ablauf der Frist erfolgt. Schließlich bestimmt § 645 Abs. 1 BGB, daß der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen kann, wenn der Vertrag gemäß § 643 BGB aufgehoben wird. Nach § 645 Abs. 2 BGB bleibt eine weitergehende Haftung des Bestellers wegen Verschuldens unberührt62 • 4.2. Der in den Protokollen niedergelegte Entstehungsprozeß

Zur Interpretation der allgemeinen Vorschriften zum Gläubigerverzug geben die Protokolle der Gesetzgebungskommission für die zweite Lesung nur wenig Aufschluß, da gegenüber dem ersten Entwurf im wesentlichen nur redaktionelle Änderungen vorgenommen wurden. Bemerkenswert ist lediglich die Einfügung des j'etzigen § 299 BGB, wonach bei nur vorübergehender Annahmeverhinderung der Gläubiger grundsätzlich nicht in Verzug gerät. Hierzu heißt es in den Protokollen: "Der Grundsatz, daß der Annahmeverzug ohne Verschulden des Gläubigers eintrete, bedürfe einer Milderung in denjenigen Fällen, in welchen die Leistung während eines längeren Zeitraums bewirkt werden könne .....63. Deutlich zeigt sich daran, daß die zweite Kommission die Entscheidung der ersten gegen die Culpa-Theorie vom Grundsatz her mittrug und lediglich aus Billigkeitsgründen hier eine Ausnahme machen wollte. Die Annahmepflicht des Käufers (§ 433 Abs. 2 BGB) wird in den Protokollen ausführlich begründet, da Laband hieran Kritik geäußert 8Z Im Bereich der Frachtgeschäfte gibt es Sondervorschriften hinsichtlich der Mitwirkung des Befrachters (vgl. z. B. §§ 426 Abs.3, 561 ff., 666 HGB; §§ 28, 30, 31 GüKG; §§ 29 ff., 48 ff. BSchG), die sich allerdings auf die Anordnung spezieller Rechtsfolgen bei Störungen hinsichtlich der Befrachtung oder sonstiger Mitwirkungshandlungen des Befrachters beschränken. Die hier im grundsätzlichen behandelte Einordnungsfrage wird dort nicht geregelt, so daß die genannten Spezialvorschriften im folgenden keiner gesonderten Betrachtung unterzogen werden sollen. es Prot. I, S. 330.

4. Die Regelungen im BGB

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hatte: Es bestehe k'ein Bedürfnis, neben den allgemeinen Vorschriften über den Annahmeverzug, nach welchen bei jedem auf Leistung einer Sache gerichteten Schuldverhältnis dem Gläubiger in gewissem Sinne eine Abnahmepflicht obliege, für den Kauf etwas Besonderes zu bestimmen und hier eine selbständig klagbare und vollstreckbare Pflicht zur Abnahme zu statuieren. Eine solche werde von der herrschenden Lehre des gemeinen Rechts nicht anerkannt. Nur in besonders gearteten Fällen, in welchen der Verkäufer ein Interesse an der Wegschaffung der Kaufsache habe, könne nach dem Sinn des Vertrags auch ein Recht auf die Wegschaffung bestehen (z. B. bei Abfuhr von Steinen, Veräußerung eines Hauses zum Abbruchetc.)64. Die Mehrheit der Gesetzgebungskommission schloß sich dieser Kritik Labands nicht an. Sie begründete ihre ablehnende Haltung damit, daß gerade beim Kauf das Problem der Abnahmepflicht eine überaus praktische Frage sei, die häufig zu Streit und Prozessen geführt habe und daher einer Entscheidung im Gesetz bedürfe. Beim Kauf entspreche es der mutmaßlichen Absicht der Parteien und dem Verkehrsbedürfnis, wenn das Gesetz die Abnahmepflicht als ein "naturale negotii" anerkenne. Die von Laband angeführten Beispiele seien keineswegs geeignet, eine solche Abnahmepflicht als unbillig gegen den Käufer erscheinen zu lassen. Andererseits werde den Interessen des Verkäufers regelmäßig nur mit der Annahmepflicht gedient sein, da die Bestimmungen über den Annahmeverzug hier nicht ausreichten65 • Daß der Besteller zur Abnahme des Werkes verpflichtet ist (§ 640 BGB), wurde demgegenüber nicht mehr erörtert; umstritten war lediglich die rechtliche Tragweite der Abnahme66 . Hinsichtlich der Mitwirkung des Werkbestellers weisen die Protokolle aus, daß deren rechtliche Qualifizierung nicht diskutiert wurde. Am heutigen § 642 BGB wurden lediglich geringfügige Korrekturen vorgenommen. Von Bedeutung ist die Einfügung des jetzigen § 643 BGB. Zur Begründung heißt es hierzu, der Besteller könne, wenn er in Annahmeverzug sei, dem Unternehmer nicht zumuten, sich auf unbestimmte Zeit zur Ausführung des Werkes bereitzuhalten67 . 8C Laband, AcP 74 (1889), 299, 307 f.; vgl. auch Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen, Bd. H, S. 226 f. 85 Prot. H, S. 53. 88 Korrigiert wurde die in den Motiven (Mot. H, S. 490) niedergelegte Auffassung, daß die Abnahme des Bestellers der Abnahme des Käufers rechtlich entspreche, zugunsten der auch heute noch herrschenden Meinung (vgl. Palandt-Thomas, § 640 Anm. 1 a), daß die Abnahme des Werks gleichzeitig die Anerkennung als im wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung beinhaltet, vgl. Prot. H, S. 315 ff., 318. 87 Prot. H, S.328; so auch schon die Vorkommission des Reichsjustizamtes, s. Jakobs I Schubert, §§ 642, 643, B (S. 891 f.).

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1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsprobl€matik

4.3. Die Erläuterungen in den Motiven

Die Motive zum Entwurf erster Lesung geben - soweit sie auf den entsprechenden Protokollen beruhentl8 - Aufschluß über die Vorstellungen, die die erste Gesetzgebungskommission mit ihrem Entwurf verband. Zum Gläubigerverzug allgemein wird zunächst ausgeführt, daß über das Wesen des Gläubigerverzuges verschiedene Ansichten bestünden. Insbesondere über die Frage, ob die mora creditoris ein Verschulden des Gläubigers erfordert, herrsche Streit. Der Entwurf stelle sich auf den Standpunkt, daß ein Verschulden des Gläubigers als Voraussetzung der mora creditoris nicht erforderlich ist. Entsprechend werde ein Recht des Schuldners, sich durch Entäußerung des Leistungsgegenstandes zu liberieren, nicht anerkannt. Zur Begründung hierzu wird zunächst angeführt, daß es unbillig wäre, dem Schuldner als Folge eines in der Person des Gläubigers eingetretenen Zufalls eine Erschwerung seiner Verbindlichkeit aufzuerlegen. Daneben nötigten wesentlich praktische Gründe zu dieser Behandlung des Gläubigerverzugs: Der Schuldner werde, wenn der durch Zufall oder ohne seine Fahrlässigkeit an der Annahme verhinderte Gläubiger nicht in Gläubigerverzug gerät, zur öffentlichen Hinterlegung geradezu gedrängt. Hierdurch aber werde dem insoweit zu beachtenden Interesse des Gläubigers kaum gedient. Es läge auch eine unverkennbare große Inkonsequenz darin, die mora accipiendi durch Umstände auszuschließen, welche dem Depositionsrecht nicht entgegenstünden. Die entgegengesetzte Vorschrift führe überdies zu einer Menge von Streitigkeiten und verrate den Gedanken, der Gläubiger sei als solcher und schlechthin zur Annahme verpflichtet, was eine bedenkliche Anschauung sei, die zu schwerwiegenden Folgen führe. Es genüge somit die nackte Existenz der Nichtannahme der angebotenen Leistung seitens des Gläubigers 69 • Konsequenterweise wird der jetzige § 304 BGB, der dem Schuldner bei Gläubigerverzug Ersatz von Mehraufwendungen zuspricht, nicht als Schadensersatzvorschrift gedeutet: Die Statuierung einer Schadensersatzverpflichtung stünde zu dem Grundsatz nicht in Einklang, daß der Gläubiger als solcher zur Annahme nicht verpflichtet ist, und würde zu großen, schwer zu rechtfertigenden Härten in denjenigen Fällen führen, in welchen den Gläubiger kein Verschulden trifft. Zu beachten sei allerdings, daß dann, wenn der Gläubiger ausnahmsweise zur Annahme verpflichtet ist, sich seine mora accipiendi insofern also zugleich als mora solvendi darstellt, der Gläubiger zum Ersatz des vollen Inter68

sa

s. dazu Jakobs I Schubert, Einführung, S. 49 f. Mot. 11, S. 68 f.

4. Die Regelungen im BGB

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esses verpflichtet sei. Im übrigen genüge es aber, dem Schuldner gegen den Gläubiger einen selbständigen, klagbaren Ersatzanspruch wegen der Mehraufwendungen zu gewähren, die ihm durch das erfolglose Anbieten sowie durch Aufbewahrung und Erhaltung des Leistungsgegenstandes entstanden sind70 • Warum die Gesetzgebungskommission von dem Grundsatz, daß keine Verpflichtung des Gläubigers zur Annahme der geschuldeten Leistung bestünde, in wesentlichen Bereichen - nämlich in Kauf- und Werkvertragsrecht - abgewichen ist, wird in den Motiven "mit bemerkenswerter Kürze"71 begründet. Zur Abnahmepflicht des Käufers wird zunächst eingeräumt, daß eine solche allgemeine Verpflichtung in Theorie und Praxis nicht durchweg anerkannt werde. In den meisten Fällen sei jedoch die Abnahmepflicht als eine aus dem Vertrag sich ergebende und selbständig klagbare zweifellos begründet. Schwiege das Gesetz, so würde die Abnahmepflicht als naturale negotii verneint erscheinen und die Gefahr entstehen, daß sie nur in den Fällen anerkannt wird, in welchen sie ausdrücklich bedungen wurde oder als stillschweigend vereinbart sich nachweisen läßt. Daraus, daß die modernen Kodifikationen sich überwiegend für die Verpflichtung aussprechen, sei auch auf ein praktisches Bedürfnis, eine solche Verpflichtung anzuerkennen, mit Sicherheit zu schließen7!.!. Die Festsetzung einer Abnahmepflicht des Bestellers wird lediglich mit dem Hinweis auf die entsprechende Verpflichtung des Käufers begründet: § 572 (des ersten Entwurfs = § 640 BGB) beschränke sich darauf, nach Analogie der die Abnahmepflicht des Käufers aussprechenden Vorschrift des § 459 Abs.2 (= § 433 Abs.2 BGB) den Besteller für verpflichtet zu erklären, das vertrags mäßig hergestellte Werk abzunehmen73 • Ausführlicher dagegen wird in den Motiven begründet, weshalb eine besondere Regelung für den Fall erforderlich sei, daß der Besteller bei Beginn oder während der Herstellung des Werkes subjektiv verhindert ist, bei der Ausführung des Werkes in der erforderlichen Weise, z. B. durch Lieferung des Stoffes, mitzuwirken und er infolgedessen nach Maßgabe des § 255 (= § 293 BGB) in Annahmeverzug gerät. Für diesen Fall lieferten die allgemeinen Grundsätze zum Gläubigerverzug ein wenig befriedigendes Resultat, da diese den Unternehmer auf die Rechte des § 261 (= § 304 BGB) beschränken würden. Hierin aber läge eine Mot. Ir, S. 76. Hüffer, S. 15. 72 Mot. Ir, S. 318. 73 Mot. Ir, S. 490. Diese Auffassung wurde von der zweiten Gesetzgebungskommission korrigiert, s. o. Fn. 66 70 71

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1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

offenbare Unbilligkeit, die sich mit dem bei der Regelung des Annahmeverzugs leitend gewesenen Prinzip nicht vertrage 74 • Durch die Bestimmung des § 575 (= § 642 BGB) werde dagegen das Interesse beider Vertragspartner in angemessener Weise gewahrt, zum al der Besteller jederzeit vom Vertrag zurücktreten und sich damit gegen die ihn während der Dauer des Verzugs treffenden Nachteile schützen kann. Dies sei vor allem dann relevant, wenn die Verhinderung der Mitwirkung von längerer Dauer ist und der Besteller deshalb der Gefahr ausgesetzt ist, daß die nach § 575 (= § 642 BGB) mit dem Verzug für ihn verbundenen Nachteile größer sind als diejenigen, welche ihn im Falle des Rücktritts vom Vertrag treffen. Dem Unternehmer darüber hinaus ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht zu geben, hielt die erste Gesetzgebungskommission dagegen im Hinblick darauf, daß der Werkvertrag grundsätzlich kein Fixgeschäft sei und der Annahmeverzug grundsätzlich kein Verschulden des Gläubigers voraussetze, für eine ungerechtfertigte Härte gegenüber dem Besteller. Für die vorliegende Problematik von größter Relevanz ist, daß sich die Motive im Zusammenhang mit der Verschuldensfrage auch mit dem Pflichtcharakter der Mitwirkungshandlungen befassen75 . Zunächst wird klargestellt, daß es gemäß den allgemeinen Vorschriften zum Gläubigerverzug grundsätzlich unbeachtlich sei, ob der Annahmeverzug des Bestellers verschuldet ist oder nicht. Wenn jedoch Verschulden vorläge, so könne mit dem Annahmeverzug "ein Erfüllungsverzug des Bestellers konkurrieren, wenn derselbe nach dem Inhalte des Vertrages dem übernehmer gegenüber (als Schuldner) verpflichtet ist, in der erforderlichen Weise bei der Ausführung des Werkes mitzuwirken"76. In einem solchen Falle seien neben den Vorschriften über den Annahmeverzug die allgemeinen Grundsätze zum Schuldnerverzug anwendbar. Daher sei es nicht erforderlich gewesen, diesen Fall bei der Bestimmung des § 575 (= § 642 BGB) besonders zu berücksichtigen77 • 5. Die Zeit zwischen 1900 und 1945 5.1. Die Rechtsprechung des RG

In den Entscheidungen des RG aus dieser Zeit finden sich ausdrücklich nur sehr spärliche Ausführungen zur Rechtsnatur der Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag. Häufig läßt sich nur implizit, d. h. 74 Mot.lI, S. 495; so auch die Protokolle der ersten Kommission, s. Jakobs I Schubert, §§ 642, 643, AI (S. 889). 75 Mot. 11, S. 496 f. 78 Mot.lI, S. 496; s. dazu auch u. 9.2. 77 Mot. 11, S. 496 f.

5. Die Zeit zwischen 1900 u. 1945

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von der Art der Erörterung der Rechtsfolgen bei unterlassener Mitwirkung her, auf die Einordnung der Mitwirkungshandlungen im Rahmen des Werkvertrags rückschließen. In der ersten einschlägigen Entscheidung des RG78 sollte nach dem Inhalt des Werkvertrags der Unternehmer eine Seilbahn herstellen, während dem Besteller die Erbringung der Maurerarbeiten und andere Leistungen oblagen. Als der Besteller der Ausführung seiner Mitwirkungshandlungen nicht nachkam, erhob der Unternehmer Klage auf Schadensersatz. Das RG schloß hier die Anwendbarkeit des § 326 BGB aus: Eine hieraus hergeleitete Schadensersatzforderung, welche sich gegen den Besteller eines Werkes richtet und sich darauf stützt, daß demselben ein Verzug in der Annahme des Werkes zur Last fällt, habe zur Voraussetzung, daß es sich um ein fertiggestelltes Werk handelt. Ob hiervon eine Ausnahme zu machen ist, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Annahmeverzug ein Werk betrifft, zu dessen Fertigstellung der Besteller selbst mitwirken muß, er dies unterläßt und dieses Unterlassen verschuldet ist, könne dahingestellt bleiben, da in dieser Richtung die Klage nicht begründet sei; das Gesetz habe in Rücksicht auf den Annahmeverzug des Bestellers bei nicht vollendetem Werk in den §§ 642, 643 und 645 BGB besondere Bestimmungen getroffen und damit gezeigt, daß für diesen Fall die Anwendung des § 3'26 BGB ausgeschlossen sein S01l79. Aus diesen Ausführungen läßt sich ableiten, daß nach Auffassung des RG die Mitwirkung des Bestellers jedenfalls keine Schuldnerverpflichtung im Sinne des § 326 BGB darstellt. In einer zweiten Entscheidung sollte der Unternehmer Arbeiten an einem Dampfschiff des Bestellers verrichten; dieser konnte den Dampfer jedoch nicht rechtzeitig auf die Werft des Unternehmers bringen. Auch hier lehnte das RG die Anwendung des § 326 BGB ab, da es sich nicht um die Vertragsgegenleistung, sondern nur um eine Mitwirkung bei der Leistung des Unternehmers handele, für die in den §§ 642 ff. BGB besondere Regeln gegeben seien80 • Einer weiteren Entscheidung 81 lag der Sachverhalt zugrunde, daß der Unternehmer ein Eisenbauwerk streichen sollte, während die vor dem Streichen erforderliche Reinigung der Besteller übernehmen sollte. Da der Besteller dies nicht tat, reinigte der Unternehmer das Eisenbauwerk selbst und strich es anschließend. Der Unternehmer verlangte nun Vergütung für Reinigung und Anstrich. Das RG gab dieser Klage statt: Aus dem vertraglich begründeten Recht des Unternehmers, die Vergütung 78

7U 80

81

RGZ 53,221. RGZ 53, 221, 223 f. RG WarnR 1908, Nr. 625. RG Recht 1912, Nr. 1292.

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1. Teil:

Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

für das Streichen zu verdienen, ergebe sich ohne weiteres die Rechtfertigung, die notwendigen Mehrleistungen, hier also die Reinigung auf Rechnung des Bestellers vorzunehmen82 • Hier hat das RG dem Unternehmer gleichsam ein Recht auf Vertrags durchführung zugestanden, woraus sich ableiten läßt, daß der Unternehmer auch ein Recht auf Erbringung der Mitwirkungshandlung des Bestellers hat. Darüber hinausgehend wurde dem Unternehmer sogar ein Recht auf Selbstvornahme unterlassener Mitwirkungshandlungen zugebilligt83 • Indes ist diese Entscheidung ein Einzelfall geblieben. In der nächsten Entscheidung84 sollte der Unternehmer Verbandsmull für den Besteller bearbeiten, der seinerseits eine vertraglich festgesetzte Menge des Verbandsmulls zu stellen hatte. Als der Besteller fortgesetzt zu wenig Mull lieferte, kündigte der Unternehmer den Vertrag. Das.RG knüpfte zunächst insoweit an frühere Entscheidungen an, als ein Anspruch gemäß § 326 BGB auf Kündigung abgelehnt wurde, da es hier nur um die Mitwirkung des Bestellers gehe. Ein Kündigungsrecht aus §§ 642, 643 BGB wurde abgelehnt, da der Unternehmer keine Frist gesetzt hatte. Das RG blieb hierbei jedoch nicht stehen, sondern wandte erstmals die Grundsätze der pVv an: § 642 BGB schließe die Anwendung der pVv nicht aus, wenn über den bloßen Annahmeverzug hinaus gleichzeitig ein Verhalten des Bestellers vorliegt, das eine pVv darstellt und den Vertragszweck gefährdet85 • Aus der Anwendung der pVv auf den vorliegenden Fall unterbliebener Mitwirkung muß geschlossen werden, daß das RG jedenfalls hier von der Annahme einer Mitwirkungspflicht des Bestellers ausgeht. Das RG hatte die Grundsätze der pVv unter ausdrücklicher Berufung auf Staub, der dieses Rechtsinstitut in die juristische Dogmatik eingeführt hat 8e , übernommen87 • Staub hatte in seiner Abhandlung unzweideutig ausgeführt, daß pVv nur bei Verletzung vertraglicher Pflichten eingreife88 • In gewissem Gegensatz hierzu steht eine weitere EntscheidungB9 , nach deren Sachverhalt der Unternehmer Zündkapseln zu bearbeiten hatte, während der Besteller die erforderlichen Rohlinge liefern sollte, was er aber lediglich zögerlich tat. Im Zusammenhang mit der daraufEbd. (Fn. 81). Zur Kritik hieran s. u. 14.1.1.3. bei Fn. 7 ff. B4 RG WarnR 1918, Nr.137. B5 Ebd. (Fn.84). B8 Durch seine Abhandlung "Die positiven Vertragsverletzungen" von 1904. B7 Erstmals soweit ersichtlich - in der Entscheidung RGZ 54, 98. BB Staub, passim. An einer Stelle (S. 23) spricht Staub sogar davon, daß nur bei solchen Pflichtverletzungen, durch die wesentliche (!) Vertragspflichten verletzt werden, pVv zur Anwendung komme. Ba RG SeuffArch 76 (1921), Nr. 112. B! B3

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hin vom Unternehmer erhobenen Schadensersatzklage machte das RG Ausführungen zur Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung: Die Lieferung der zu bearbeitenden Gegenstände stelle sich beim Werkvertrag, sofern nicht ein auf sie gerichteter Nebenvertrag abgeschlossen ist, nicht als eine Leistungsverpflichtung des Bestellers in Schuldnereigenschaft dar, sondern lediglich als eine zur Herstellung des Werks erforderliche Handlung des Bestellers in seiner Eigenschaft als Gläubiger; durch ihre Nichtvornahme gerate er lediglich in Annahmeverzug, nicht in Schuldnerverzug. Für diesen Fall habe das Gesetz in den §§ 642, 643, 645 BGB besondere Bestimmungen getroffen, die die Anwendung des § 326 BGB ausschlössen. Nur wenn der Besteller sich dem Unternehmer gegenüber nach dem Inhalt des Vertrags als Schuldner zu der erforderlichen Mitwirkung verpflichtet habe, könne im Annahmeverzug zugleich ein Leistungsverzug liegen. An einer solchen vertraglichen Leistungsverpflichtung des Bestellers fehle es aber im vorliegenden Falle90 • Die Frage, ob in dem Verhalten des Bestellers zugleich eine pVv liege, wurde in der Entscheidung nicht einmal diskutiert. Warum dies nicht geschah, bleibt unklar. Das RG nimmt hier lediglich auf die erstgenannte Entscheidung91 Bezug92 , während das vorbesprochene, die Anwendung der pVv grundsätzlich bejahende Urteil 93 unerwähnt bleibt. Gerade umgekehrt verfährt das RG in der folgenden Entscheidung94 • Hier sollte der Unternehmer Holz abfahren, konnte dieser Verpflichtung aber nicht nachkommen, weil der Besteller ihm die richtige Holzliste vorenthielt und auch nicht für den erforderlichen Weitertransport sorgte. Das RG rekurrierte hier auf das die pVv bejahende Urteil 95 und erkannte dem Unternehmer ein Rücktrittsrecht aus pVv zu, ohne die vorbesprochene Entscheidung zu erwähnen96 • Interessant ist die apodiktische Sprechweise, in der diese Entscheidung Ausführungen zur Mitwirkung des Bestellers macht: "Der Beklagte hatte in der erforderlichen Weise zur Ausführung des Vertrages mitzuwirken"97. In der folgenden Entscheidung98 , nach der der Unternehmer Baumwolle zwirnen, der Besteller dabei die Wolle liefern sollte, knüpfte das RG an die letzte Entscheidung an, ging aber insofern einen Schritt weiEbd. (Fn. 89). u RGZ 53, 221. 8Z RG SeuffArch 76 (1921), Nr. 112 (S. 182). 83 RG WarnR 1918, Nr. 137. 84 RGZ 104, 15. 85 RG WarnR 1918, Nr. 137. M Auch hier ist unklar, warum die Bezugnahme auf RG SeuffArch 76 (1921), Nr. 112 fehlt. 87 RGZ 104,15,17. 88 RGZ 152, 119. 110

1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

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ter, als es im Falle unterlassener Mitwirkung des Bestellers nicht nur ein Rücktrittsrecht des Unternehmers, sondern auch einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung aus pVv für möglich erachtete: "Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, an der festzuhalten ist, auch bei Werkverträgen im Fall einer den Vertragszweck gefährdenden Vertragsverletzung von seiten des zur Mitwirkung bei der Ausführung des Werks verpflichteten Bestellers der Unternehmer nicht auf die Rechte aus §§ 642, 643 BGB beschränkt, sondern in entsprechender Anwendung des § 326 BGB berechtigt, von dem Besteller Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern, wenn ihm nach Lage der Sache nicht zuzumuten ist, daß er trotz der eingetretenen Gefährdung des Vertragszwecks beim Vertrage stehen bleibt ... "99. Auch hier ist zu beachten, daß das RG von dem zur Mitwirkung bei der Ausführung des Werks "verpflichteten" Besteller spricht. Der letzten einschlägigen Entscheidung100 liegt der Sachverhalt zugrunde, daß der Unternehmer spezielle Rasierpinselgriffe herstellen sollte, während der Besteller sich weigerte, bei der Anfertigung der erforderlichen Preßwerkzeuge mitzuwirken. Das RG nimmt hier auf Ausführungen des Berufungsgerichts Bezug, wonach eine Verpflichtung des Bestellers zur Mitwirkung sich zwar nicht aus dem Vertragsinhalt, sondern aus dem allgemeinen Grundsatz des § 242 BGB ergebe. Allerdings handele es sich im vorliegenden Falle um keine eigentliche Schuldnerverpflichtung des Bestellers, vielmehr ginge es darum, daß zur Bewirkung der Leistung des Unternehmers eine Handlung des Bestellers als Gläubiger erforderlich ist; die Verweigerung dieser Mitwirkung habe zur Folge, daß der Besteller gemäß § 295 BGB in Annahmeverzug gerät101 • Die vorstehende Durchsicht der Entscheidungen des RG zur Mitwirkung des Bestellers hat gezeigt, daß eine konsistente Linie nicht gefunden wurde. Einheitlich beurteilt wird - wie in den genannten Entscheidungen auch meist explizit ausgeführt wird102 - , daß das Unterlassen der Mitwirkung zum Annahmeverzug des Bestellers nach §§ 293 ff. BGB führt und damit die Rechtsfolgen gemäß §§ 642, 643, 645 BGB eingreifen. Mehrmals wird betont, daß es sich bei der Mitwirkung nicht um echte Schuldnerpflichten handele, sondern um eine Handlung, die der Besteller in seiner Eigenschaft als Gläubiger erbringe103 • KonsequenterRGZ 152, 119, 122. RGZ 168, 321. 101 RGZ 168, 321, 327. 102 So in RGZ 53, 221; RGZ 104, 15; RGZ 168, 321; RG WarnR 1908, Nr.625; RG WarnR 1918, Nr. 137; RG SeuffArch 76 (1921), NI'. 112; vgl. auch RGZ 94, 29; RGZ 100, 46; RG SeuffArch 80 (1926), NI'. 79. lOS RG SeuffArch 76 (1921), Nr. 112; RGZ 168, 321. 88

100

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weise werden damit Ansprüche aus Schuldnerverzug verneint. Widersprüchlich ist aber, daß mehrmals Ansprüche des Unternehmers aus pVv bejaht wurden und dabei jeweils in imperativer Form von der Erbringung der Mitwirkungshandlung gesprochen wurde104 • Insgesamt erscheint die Annahme naheliegend, daß das RG hinsichtlich der Rechtsfolgenanordnung eher dazu tendierte, eine rechtliche Verpflichtung des Bestellers zur Mitwirkung anzunehmen, ohne dabei aber auf der Voraussetzungsseite die rechtlichen Konsequenzen im Sinne der Statuierung einer Mitwirkungspflicht voll zu ziehen105 • 5.2. Die Literatur

5.2.1. Erste Stellungnahmen zur Regelung im RGR Die ersten Kommentierungen der Regelungen im BGB zur Bestellermitwirkung beschränken sich zum Teil darauf, die gesetzlichen Bestimmungen zu wiederholen106 oder zusätzlich darauf hinzuweisen, daß der Unternehmer kein klagbares Recht auf Vornahme von Mitwirkungshandlungen durch den Besteller habe, der durch die Nichterbringung solcher Mitwirkungshandlungen nicht in Schuldnerverzug gerate107 • Vielfach wird allerdings auch auf die Möglichkeit hingewiesen, daß ausnahmsweise die Bestellermitwirkung als echte Rechtspflicht ausgestaltet sein könne108 • Ob dies im einzelnen der Fall ist, hänge "vom Inhalt des Vertrages" ab 109 • Nach Oertmann kann sich der Besteller durch "Nebenvertrag" zur Mitwirkung verpflichten llo . Von Bedeutung ist, daß teilweise bereits darauf hingewiesen wird, daß eine Rechtspflicht des Bestellers zur Mitwirkung dann vorliegen könne, wenn die Herstellung des Werks auch im Interesse des Unternehmers liege1ll• Auf dieses Abstellen auf beteiligte Interessen hinsichtlich der Vertragsdurchführung wird im späteren zurückzukommen sein1l2 • RG WarnR 1918, Nr.137; RGZ 104,15; RGZ 152,119. Hüffer (S. 44) charakterisiert die Rechtsprechung des RG dahingehend, daß sich in ihr der Gedanke an eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers sehr verfestigte. lot! So Endemann, 1. Bd., § 175, 3b. 107 Crome, 2. Bd., § 266, 4, insbes. S. 691 Fn. 21; Dernburg, 2. Bd., 2. Abt., § 322 I; Enneeeerus, § 372 III; Staudinger / Kober, 7./8. Auf!., § 642 Anm.2e; Warneyer, § 642 Anm. I. 108 So Cosack, 1. Bd., § 148 III 7; Kuhlenbeck, § 642 Anm.l u. 2; Loewenwarter, Anm. zu § 642; Planck / Oegg, § 642 Anm.2e; Oertmann, BGB, § 642 Anm. 7; Riezler, S. 139. lOg So Kuhlenbeck, § 642 Anm. 1 u. 2; ähnlich Cosack, 1. Bd., § 148 III 7. 110 Oertmann, BGB, § 642 Anm.7. 111 Loewenwarter, Anm. zu § 642; Planck / Oegg, § 642 Anm.2e. ll! s. u. 11. 104 105

3 Müller·Poeli

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1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

5.2.2. Das Schuldverhältnis als Organismus113 Bewegung in die - insbesondere an den Ausführungen Kohlers114 deutlich werdenden - starren Fronten zwischen Gläubiger und Schuldner kam zu Beginn der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts, als sich eine dynamischere Betrachtungsweise des vertraglichen Schuldverhältnisseslls durchzusetzen begann, die mit dem Begriff des Schuldverhältnisses als "Organismus" verbunden ist1l6 . Im Anschluß an Heinrich Siber, der seinem Schuldrechtslehrbuch die Charakterisierung des Schuldverhältnisses als Organismus voranstellte117 und damit in der Schuldrechtsdogmatik etablierte, haben Heinrich Lange118 und Heinrich Stoll1l9 diese Bezeichnung nicht nur übernommen, sondern versucht, sie durch eine neue Konzeption des Schuldverhältnisses zu untermauern. Lange kritisiert das herrschende Schuldrecht als - auf das römische Rechtsdenken zurückgehend - individualistisch und materialistisch120. Gläubiger als Herr und Schuldner als Knecht würden sich antagonistisch gegenüberstehen, wobei allein die Rechte des Gläubigers im Blickpunkt stünden: Das Schuldrecht sei "Gläubigerrecht"121. Dementsprechend habe der Gesichtspunkt des Rechtsstreits, das Denken in Aktionen im Vordergrund gestanden122. Dieses zergliedernde aktionenrechtliche Denken habe der liberalistischen Anschauung des 19. Jahrhunderts entsprochen, der die Schuldrechtskonzeption des BGB entnommen sei123. Dem setzt Lange eine Betrachtungsweise entgegen, die innerhalb des 1U s. hierzu insgesamt Bruns, FS Zepos, 1. Bd., S. 69 ff; J. Schmidt, Rth 1975, 33, 41 ff. 114 S. dazu o. 3.2.3. 115 Soweit hier und im folgenden von "Schuldverhältnis" die Rede ist, ist das Schuldverhältnis im weiteren Sinne gemeint, im Gegensatz zum Schuldverhältnis im engeren Sinne, das nur den einzelnen Anspruch umfaßt. Die Differenzierung zwischen Schuldverhältnis im engeren und weiteren Sinne findet sich schon bei Siber (Rechtszwang, S. 82) und wird - jedenfalls der Sache nach - auch heute durchgängig vertreten (s. z. B. Larenz, Schuldrecht I, § 2 V; Soergel / R. Schmidt, Vor § 241 Rdn. 3; vgl. auch E. Wolf, FS Herrfahrdt, S. 197 ff.). 118 Der Begriff geht wohl auf v. Savigny zurück, der von der "organischen Natur" bzw. vom "organischen Leben" der Rechtsverhältnisse spricht, s. Bd. 1, S. 7 bzw. 393 f. 117 Siber, Bürgerliches Recht, Bd.2, S. 1; vgl. auch schon Planck / Siber, Vorbem. I la vor § 241. 118 s. insbes. Vom alten zum neuen Schuldrecht. m s. insbes. Die Lehre von den Leistungsstörungen. 120 Lange, passim. 121 S.7. m S. 12f. 123 S.13.

5. Die Zeit zwischen 1900 u. 1945

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Schuldverhältnisses den "Pflicht- und Gemeinschaftsgedanken"l24 in den Vordergrund stellt: Die Beteiligten sollten sich nicht fremd als Vertragsgegner, sondern verbunden als Vertragsgenossen gegenüberstehen, die in gemeinsamem Zusammenwirken das gemeinschaftlich gesetzte Ziel verwirklichen l25 • Dies erfordere keine Umgestaltung des BGB, sondern könne durch eine entsprechende Interpretation der Generalklauseln, insbesondere des Grundsatzes von Treu und Glauben, erreicht werden126 • Langes Konzeption impliziert, daß der Gläubiger nicht nur Träger von Rechten, sondern auch von Pflichten ist l27 • Eine - für die vorliegende Arbeit relevante - Konsequenz, die Lange hieraus zieht, ist eine veränderte Betrachtung des Annahmeverzugs: Vom liberalistischen Standpunkt aus hatte der Gläubiger nur Rechte, der Schuldner nur Pflichten; der Gläubiger, der die angebotene Leistung nicht annimmt, konnte daher keine Schuldverletzung begehen12s • Nach der neuen Konzeption sind dagegen Gläubiger und Schuldner nicht mehr Herr und Knecht, sondern gleichwertige Genossen; der verschuldete Verzug des einen wie des anderen muß daher Schuldverletzung sein und auch in den Verletzungsfolgen gleichbehandelt werden129 • Ähnliche Vorstellungen wie Lange hat Heinrich Stoll entwickeW 30 , aufgrund deren er aber - im Gegensatz zu Lange - eine gesetzliche Neuregelung bzw. Ergänzung für wünschenswert hält131• Auch Stoll kritisiert die überkommene liberalistisch-individualistische Betrachtungsweise, die das Schuldverhältnis unter dem Aspekt der Förderung der Gläubigerinteressen auf Kosten des Schuldners sehe, so daß die Parteien sich beim Vertragsschluß als Gegner gegenüberträten und in gesetzlich gebilligter Rücksichtslosigkeit ihre Interessen verfolgten132 • Diese Denkart sei einseitig und vernachlässige den Gemeinschaftsgedanken, der es gebiete, die sich gegenüberstehenden Gläubiger- und Schuldnerinteressen abzuwägen und auszugleichen und damit dem höheren Gemeinschaftszweck unterzuordnen133 • Mit diesen überlegungen stützt Stoll die von ihm konzipiertel34 Differenzierung innerhalb 124

125 128

127 128

S.34. S.70. S. 42 f. S. 70 f.

S.ll.

m S.70. 180 S. insbes. Stoll, Leistungsstörungen. 131 Vgl. den von Stoll entwickelten Gesetzesentwurf, Leistungsstörungen,

S. 58 ff.

Leistungsstörungen, S. 6. Leistungsstörungen, S. 7 f. 134 So schon in AcP 136 (1932), 257, 288 f. Vorgezeichnet war Stolls Konzeption allerdings bereits durch die Differenzierung zwischen Erwerbs- und 182 lla

3'

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1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

des vertraglichen Pflichtengefüges zwischen Leistungs- und Schutzpflichten ab: "Durch den schuldrechtlichen Vertrag werden nicht nur einzelne bestimmte Pflichten des Schuldners begründet, sondern es entsteht zwischen ihm und dem Gläubiger ein umfassendes Rechten- und Pflichtenverhältnis, das sich nicht in der Erfüllung der Schuldnerpflichten erschöpft. Mag der Schuldner sich noch so sehr anstrengen, die Erfüllung kann nur erreicht werden, wenn ihm der Gläubiger mithilft und sei es nur durch die Annahme der Leistung. Nur wenn beide Parteien vertrauensvoll zusammenarbeiten, kann das gemeinsame Ziel erreicht werden. So verbindet das Schuldverhältnis die Parteien zu einer engen Rechtsgemeinschaft und stellt sie auf den Boden eines Vertrauensverhältnisses. Das Vertrauensverhältnis ist unabhängig von dem Leistungsverhältnis"l35. Ausfluß dieses Vertrauensverhältnisses seien die Schutzpflichten, die nicht dazu bestimmt sind, den Leistungserfolg herbeizuführen, sondern unabhängig von ihm bestehen und der Abwehr von Schädigungen dienen, die sich aus Anlaß der Vertragsvorbereitung und Durchführung ergeben können. Sie träfen damit gleicherweise den Schuldner wie den Gläubiger136 • Stoll erkennt damit auch Pflichten auf der Gläubigerseite an, die er allerdings allein in die Kategorie der Schutzpflichten einbindet. Da dem Gläubiger keine Leistungspflicht gegenüber dem Schuldner obliege, komme damit auch bei Annahmeverzug grundsätzlich nur eine Entlastung oder Befreiung des Schuldners in Betracht131 • Nur bei schwerem Vertrauensbruch, der auch im Gläubigerverzug liegen könne138 , sei auch die Schadensersatzsanktion gerechtfertigt139 • 6. Resümee der bisherigen Entwicklung Bemerkenswert ist die zunächst herrschende statische Betrachtungsweise: Dem Gläubiger auf der einen Seite (beim Werkvertrag also dem Besteller) steht auf der andern Seite antagonistisch der Schuldner (beim Werkvertrag der Werkunternehmer) gegenüber. Dieses Schema entspricht dem liberalen Vertragsmodell des BGB140, das das SchuldverSchutzpflichten bei Kreß (Schuldrecht I, § 1, 2 u. § 23, 1); diese wiederum geht vermutlich auf F. J. Stahl (2. Bd., 1. Abt., § 52, S. 409 f.) zurück, der aber die Schutzpflichten dem Deliktsbereich zuordnet; s. dazu auch Weitnauer / Ehmann, S. XXIII. 135 Leistungsstörungen, S. 26. 136 Leistungsstörungen, S. 27. 137 Leistungsstörungen, S. 16. 138 Leistungsstörungen, S.35. 138 Vgl. § 15 des Gesetzesentwurfs Stolls, Leistungsstörungen, S.71. 140 s. hierzu Wieacker, Sozialmodell, passim; Boehmer, Bürgerliches Recht, S. 83 ff.; dazu auch Habermas, S. 94 ff.

6. Resümee

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hältnis als starren "Mechanismus für Güterbewegungen"141 konzipierte. Indes war dieses Konzept schon mit Inkrafttreten des BGB durch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung überholt, was zu Feststellungen veranlaßt hat, das BGB sei schon veraltet gewesen, als es verkündet wurde, und blicke in das 19. Jahrhundert zurück142 , das BGB sei ein "spät geborenes Kind des klassischen Liberalismus"l43 oder es sei "weit mehr ein Kind des 19. als eine Mutter des 20. Jahrhunderts"l44. Das Zusammenrücken, die Vermassung der Bevölkerung, die zunehmende Intensität sozialer Kontakte, die immer größere Zahl der am Wirtschaftsleben aktiv Teilnehmenden und die damit einhergehenden Disparitätenl45 bilden den Hintergrund l46 für die in den dreißiger Jahren einsetzende Tendenz, das Schuldverhältnis nicht nur unter dem Aspekt des Leistungsaustausches zu sehen, sondern es als "sozialen Sachverhalt"147 zu betrachten. Als ein Schritt in diese Richtung muß die immer mehr sich durchsetzende dynamische Betrachtungsweise vom Schuldverhältnis als "Organismus" interpretiert werden, die nicht ausschließlich Gläubigerrechte und Schuldnerpflichten berücksichtigte, sondern das Schuldverhältnis als eine die vereinbarten Leistungspflichten weit übergreifende Pflichtenordnung beider Vertragsteile konzipierte148. Diese sozialen und ökonomischen Entwicklungen sind von Lange und Stoll in ihrer Schuldverhältniskonzeption durchaus zutreffend reflektiert worden149 • Allerdings sollte nicht unterschlagen werden, daß beide Verfasser ihre Gedanken nicht allein mit sozialen Strukturveränderungen und rechtlichen Notwendigkeiten begründeten, sondern durchgängig und explizit mit nationalsozialistischer Gemeinschaftsideologie befrachteten15o. Dieses Manko vermag freilich nichts daran zu ändern, daß Langes und Stolls weiterreichende Betrachtungsweise des Schuldverhältnisses eine adäquate Reaktion auf veränderte Bedürfnisse 141 141 143

144 145

So Esser I E. Schmidt, Tb 1, § 3 I2 (S. 27). Wesenberg I Wesener, S. 191 f. Wieacker, Sozialmodell, S. 16, ähnlich S. 9. Boehmer, Bürgerliches Recht, S. 83. s. hierzu Boehmer, Bürgerliches Recht, S. 83 f.; Isele, AcP 150 (1949),

1,4 f. 148 Die Interdependenz zwischen rechtlicher und sozialer Entwicklung kann hier nur angedeutet werden, s. dazu Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 14 ff., 423 H.; aus materialistischer Sicht Bark, KritJ 1973, 158 f. 147 Wieacker, Sozialmodell, S. 19. 148 Wieacker, Sozialmodell, S. 18 f.; s. auch ders., FS DJT, Bd. II, S.1, 11 f.; Spellenberg, S. 23, 43. 148 Insbes. Lange (S. 22 f., 47 f.) nimmt explizit auf soziale Veränderungen Bezug, die dem liberalistischen Vertragsmodell zuwiderlaufen. 150 Insofern erscheint es problematisch, euphemistisch von "Reformschrifttum" zu sprechen, so aber Hüffer, S. 59.

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1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

darstellte und sich - wenn man das nationalsozialistische Gedankengut abstrahiert - für die Weiterentwicklung des Rechts als nützlich erwies. Dies läßt sich daran erkennen, daß die Konzeption des Schuldverhältnisses als Organismus auch heute noch zum Gemeingut schuldrechtlicher Dogmatik gehörtl51 . Für die vorliegende Untersuchung von Relevanz ist, daß mit der Auflösung der starren Gläubiger- und Schuldnerfronten auch der Gläubiger mit in das vertragliche Pflichtenband eingeschlossen wurde, was eine differenziertere Betrachtungsweise der Gläubigermitwirkung erlaubte. Schon Siber geht zwar vom überkommenen Grundsatz aus, daß die zur Herstellung eines Werkes erforderliche Mitwirkung des Bestellers grundsätzlich nur Gegenstand eines Gebotes des eigenen Interesses, nicht eine Verpflichtung sei, weshalb der Besteller durch die Unterlassung nicht in Leistungs-, sondern nur in Annahmeverzug gerate. Damit sei aber nicht ausgeschlossen, daß eine Verpflichtung zur Mitwirkung vereinbart werde oder nach den Umständen als vereinbart zu gelten habe, "z. B. wenn die Bestellung so umfänglich ist, daß der Unternehmer seinen Betrieb auf ihre Ausführung beschränken muß und ohne die Lieferung des Bestellers überhaupt nicht arbeiten kann"152. Die Verletzungeiner solchen Mitwirkung führe zum Schuldnerverzug des Bestellers153 • Einen Schritt weiter geht Lange, der - wie dargestellt auch den Gläubigerverzug als Schuldverletzung betrachtetl54 • Einen dritten Weg geht Stall, der zwar an der Annahmeverzugskonzeption festhält, andererseits aber in der verweigerten Gläubigermitwirkung unter Umständen die Verletzung einer Schutz- oder Treuepflicht sehen will, die zur Schadensersatzsanktion führen kannl55 • Insgesamt ist festzuhalten, daß durch die immer mehr sich durchsetzende dynamische Betrachtung des Schuldverhältnisses, die die Anerkennung auch von Gläubigerpflichten umfaßt, der Weg grundsätzlich geöffnet wurde, auch die Bestellermitwirkung als Rechtspflicht zu qualifizieren.

151 So jedenfalls der Sache nach. Die Verwendung des Begriffs "Organismus" war allerdings schon frühzeitig der Kritik ausgesetzt, s. bereits Herholz, AcP 130 (1929), 257, 282 f.; s. auch u. 7.2.2. bei Fn. 220 ff. 152 Siber, Bürgerliches Recht, Bd.2, S. 100 f. 153 Siber, Bürgerliches Recht, Bd. 2, S. 101. tu Lange, S. 70. f511 Stoll, Leistungsstörungen, S. 35.

7. Die Zeit nach 1945

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7. Die Zeit naw 1945 7.1. Die Rechtsprechung

Als für die Problematik der Mitwirkung des Bestellers grundlegendl56 gelten die Entscheidungen des BGH vom 13.11. 1953157 und vom 16. 5. 1965u ;8. Darüber hinaus muß die Entscheidung vom 20. 6. 1960159 als wesentlich angesehen werden. Schließlich ergibt eine Durchsicht der veröffentlichten Rechtsprechung, daß daneben noch zahlreiche Entscheidungen vorliegen, die sich mit der Frage der Mitwirkung auseinandersetzen, wobei - wie die folgende Darstellung zeigt - sich insgesamt aber kein konsistentes Bild zeichnen läßt. In der ersten grundlegenden Entscheidung, dem sogenannten Ouistreham-FaIl160 , ging es um die Erfüllung eines Werkvertrags in Form eines Schiff-Frachtvertrags. Die Klägerin hatte sich verpflichtet, einen Dampfer, die Ouistreham, anzudienen, um Ladung der Beklagten zu verfrachten. Die Beladung erfolgte jedoch nicht vereinbarungsgemäß: Zunächst hatte die Beklagte der Klägerin eine nicht existierende Beladungsfirma genannt. Eine daraufhin benannte andere Firma erklärte, mit der Durchführung der Beladung nichts zu tun zu haben. Versprochene Garantieerklärungen der Bundesregierung und einer Bank konnte die Beklagte nicht erbringen. Daraufhin erklärte die Klägerin der Beklagten, daß sie sich von den Verpflichtungen aus dem Vertrag befreit betrachte, falls die Beladung des Schiffes nicht am nächsten Tag beginne oder die Beklagte keine Bankgarantie für die Durchführung des Vertrages stelle. Als die Beklagte keine Ladung andiente und auch keine Garantieerklärung vorlegte, teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß sie infolge des Verhaltens der Beklagten den Vertrag als nicht erfüllt ansehe. Sie zog daraufhin ihr Schiff zurück und forderte Ersatz der Kosten für die vergebliche Beorderung des Schiffes zum vereinbarten Beladungshafen. Der BGH sprach der Klägerin den Anspruch aus dem Gesichtspunkt der pVv zu. Die Anwendung der pVv begründete der BGH wie folgt: "Zur Erfüllung einer Vertragsverbindlichkeit gehört alles, was aus dem Vertrage vom Vertragsschuldner verlangt werden kann ... In diesem weiten Sinn umfaßt die Verbindlichkeit nicht nur alle Haupt- und Nebenpflichten, wie Vorbereitungs- und Obhutspflichten, Auskunfts- und Anzeigepflichten, Mitwirkungspflichten usw., sondern auch die sogenannten reinen ,Gläubigerobliegenheiten', zu denen 158

157 158 158

180

Vgl. Hüffer, S. 49 ff. BGHZ 11, 80. BGHZ 50, 175. BGH VersR 1960, 693. BGHZ 11, 80.

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1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

z. B. beim Werkvertrag die zur Herstellung des Werkes erforderlichen Handlungen des Gläubigers (§ 642 BGB) zu zählen sind; derartige Handlungen sind ,Sache des Gläubigers', ohne daß jedoch insoweit eine echte ,Verpflichtung' entsteht. Jede schuldhafte Leistungsstörung, die durch eine Verletzung dieser im weitesten Sinne aufzufassenden ,Vertragspflichten' den Vertragsgegner schädigt, begründet eine Verpflichtung zum Schadensersatz. Dieser in Rechtslehre und Rechtsprechung allgemein anerkannte Rechtssatz ist auch ohne ausdrücklichen Ausspruch als Gesetzesinhalt anzusehen ... "161. Dem stehe auch nicht entgegen, daß "die Beklagte als Charterin nicht verpflichtet gewesen sei - auch nicht durch besondere Vertragsabreden - , der Klägerin ,als Verfrachterin die nach dem Vertrage zu befördernden Güter - als Schuldnerleistung - zu liefern, und daß es sich bei der für die Güterbeförderung an sich erforderlichen Mitwirkung der Beklagten nur um eine mitwirkkende Gläubigerhandlung gehandelt habe ... 111M. Denn in Rechtsprechung und Rechtslehre sei es anerkannt, daß im Rahmen von Werkverträgen auch hinsichtlich derartiger Gläubigerobliegenheiten die Möglichkeit der pVv bestünde. Schließlich führe zwar die Nichtbeladung hinsichtlich der Beförderungsleistung durch den Verfrachter zum Annahmeverzug des Befrachters. Beruhe die Nichtbeladung aber darüber hinaus auf einem den Vertragszweck gefährdenden, schuldhaften Verhalten des Befrachters, so könne durchaus auch eine nach allgemeinen Grundsätzen des BGB zu beurteilende pVv gegeben sein. Insoweit entspreche die Rechtslage der Rechtsprechung zu § 642 BGB; danach behandele diese Vorschrift nur die Rechtsfolgen des Annahmeverzuges beim Unterbleiben der zur Herstellung des Werkes erforderlichen Gläubigermitwirkung, während bei einem insoweit vorliegenden Verschulden des Bestellers auch Ansprüche wegen pVv gegeben sein könnten163 • In tatsächlicher Hinsicht bejahte der BGH die genannten Voraussetzungen: Die Beklagte habe falsche Angaben gemacht, sich wiederholt unzuverlässig gezeigt. Angesichts dessen und des dem Verfrachter obliegenden Vorleistungsrisikos sei es der Klägerin nicht zumutbar gewesen, länger am Vertrag festzuhalten. Die Klägerin sei damit berechtigt gewesen, ihr Schiff zurückzuziehen und Schadensersatz zu ver langen164. Das Urteil ist - nicht in seinem Ergebnis, sondern in der Begründung - in der Literatur vorwiegend auf Kritik gestoßen165 • InsbesonBGHZ 11, 80, 83. BGHZ 11, 80, 88 f. lU BGHZ 11, 80, 89. 184 BGHZ 11, 80, 86 ff. 1" Vgl. z. B. Erman! Seiler, § 642 Rdn. 13; Soergel! R. Schmidt, Vor § 275 Rdn.37; Glanzmann, BGB-RGRK, § 642 Rdn.15; unkritisch aber MünchKomm-Soergel, § 642 Rdn. 10. IGI

IG2

7. Die Zeit nach 1945

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dere Lehmann hat in einer Urteilsanmerkung166 die Kritik zum Ausdruck gebracht. Er korrigiert die vom BGH ohne Einschränkung getroffene Feststellung, daß auch die Verletzung von Gläubigerobliegenheiten zur pVv führe, obwohl es sich hier - wie auch vom BGH dargelegt - nicht um echte Verpflichtungen handelt. Das Institut der pVv betreffe aber gerade Fälle der Verletzung einer schuldrechtlichen Pflicht. Indes sei die Mitwirkung des Bestellers grundsätzlich keine Schuldnerverpflichtung, da das Gesetz dem Besteller nur eine Pflicht zur Abnahme gegenüber dem vertragsmäßig hergestellten Werk auferlege. Dies schließe aber nicht aus, ein schuldhaftes, den Vertragszweck gefährdendes Verhalten des Bestellers bei der ihm obliegenden Mitwirkung als Verletzung einer schuldrechtlichen Treuepflicht zu betrachten und dem Unternehmer aus diesem Gesichtspunkt den Anspruch auf das volle Erfüllungsinteresse zu gewähren. Lehmann stimmt daher der Entscheidung letztlich zu, da - und darauf hat der BGH ,auch trotz des kritisierten Diktums inhaltlich weitgehend abgestellt - das wiederholt unzuverlässige Verhalten des Bestellers im entschiedenen Falle der Sache nach als Verletzung einer allgemeinen Treuepflicht angesehen werden könne. Lehmann will also die pVv nicht an die Verletzung der Mitwirkungspflicht als solche knüpfen, sondern an eine die Gläubigermitwirkung überlagernde allgemeine vertragliche Treuepflicht. In einer späteren Entscheidung167 hat der BGH der in der Literatur vorgebrachten Kritik Rechnung getragen und - unter Bezugnahme auf Lehmann168 - ausgeführt, daß die Nichterfüllung einer Obliegenheit, die keine Schuldnerleistung zum Inhalt hat, zwar als solche nicht die Folgen einer schuldhaften Forderungsverletzung auslösen kann. "Es kann aber darin eine. schuldhafte Nicht- oder Schlechterfüllung der allgemeinen Treuepflicht jedes Vertragsteils liegen, deren Verletzung den ganzen Vertragszweck ernstlich gefährdet ... Die Vertragsverletzung muß unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles, insbesondere der Natur des Vertrages und der besonderen Verhältnisse und Interessen der Vertragsparteien so wesentlich sein, daß dem vertragstreuen Teil die Fortsetzung des Vertrages nicht länger zugemutet werden kann"169. Nach dem festgestellten Sachverhalt verneinte der BGH das Vorliegen dieser Voraussetzungen170 : Auch hier ging es um die unterbliebene Beladung eines Schiffes im Rahmen eines Frachtvertrages; im Gegensatz zum vorbesprochenen Fall fehlte aber ein unzuverlässiges Verhalten des Befrachters gänzlich, so daß eine pVv ausschied. 188 IS7

UB IS9

170

JZ 1954, 240. BGH VersR 1960, 693. BGH VersR 1960, 693, 694. Ebd. (Fn. 168). Ebd. (Fn. 168).

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Die letzte, neben den beiden vorgenannten für die Frage der Bestellermitwirkung wesentliche Entscheidung des BGHl7l hat mehr Verwirrung als Klärung geschaffen. Der Unternehmer sollte hier eine Rechenmaschine herstellen, zu deren Fertigstellung der Besteller bestimmte Daten anzugeben hatte, was er aber später ohne Grund verweigerte. Der Unternehmer klagte darauf den Werklohn für die Rechenanlage ein. Der BGH gab der Klage statt, sprach dem Unternehmer also keinen Schadensersatzanspruch, sondern - ohne jegliche Einschränkung den vollen Vergütungsanspruch zu, obwohl der Unternehmer die Maschine nicht fertiggestellt und daher nicht an den Besteller ausgeliefert hatte. Zur Begründung führt der BGH aus172 , daß der Unternehmer auch vor Fertigstellung des Werks die Bezahlung des Werklohns verlangen könne, wenn der Besteller die Erfüllung des Vertrags grundlos und endgültig ablehnt. Der Unternehmer sei nicht auf die Rechte aus den §§ 642, 643 und 645 BGB beschränkt, wenn der Besteller ihm obliegende Mitwirkungspflichten endgültig verweigert. Er könne in diesem Falle auch Erfüllung durch Vorauszahlung des Werklohns beanspruchen. Bei einer solchen Sach- und Rechtslage könne der Besteller dem Verlangen des Unternehmers auf Zahlung des Werklohns nicht die Einrede der mangelnden Fälligkeit oder des nicht erfüllten Vertrags entgegensetzen. Denn es sei widersinnig, dem Besteller zu Lasten des Unternehmers Rechte zuzubilligen, deren Ausübung er von vornherein ablehnt. Dem stehe auch nicht entgegen, daß es sich im vorliegenden Falle nur um die Verweigerung von Gläubigerobliegenheiten handelt. Wie in der Entscheidung vom 13. 11. 1953173 dargelegt worden ist, gehörten auch diese zu den Verbindlichkeiten aus einem Schuldverhältnis. so daß ihre Verletzung dem Unternehmer alle die Rechtsbehelfe gewährt, die ihm bei Zuwiderhandlungen deS" Vertragspartners gegen solche Verbindlichkeiten zustehen. Daneben habe er noch die zusätzlichen Rechte aus den §§ 642 f. BGB. Diese Grundsätze würden nicht nur dann gelten, wenn der Unternehmer neben den Rechten auch den §§ 642 f. BGB solche aus pVv herleitet; vielmehr seien sie auch anzuwenden, wenn der Unternehmer Erfüllung verlangt. Die Interessenlagen unterschieden sich insoweit nicht voneinander. Es wäre auch ein unerträgliches und mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarendes Ergebnis, wenn dem Besteller freistehen sollte, durch willkürliche Nichterfüllung seiner Gläubigerobliegenheiten den Unternehmer zur Kündigung des Vertrags zu zwingen. Danach sei der Besteller zur Zahlung des Werklohns zu verurteilen, ohne daß es eines Eingehens darauf bedarf, ob sich der Besteller wegen schuldhafter Verletzung seiner Mitwirkungs171 172 173

BGHZ 50, 175. BGHZ 50, 175, 176 ff. BGHZ 11, 80.

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pflicht entsprechend den aus §§ 162 und 242 BGB folgenden Rechtsgrundsätzen so behandeln lassen muß, als wären die Fertigstellung und die Abnahme erfolgt. Hervorzuheben ist an dieser Entscheidung in erster Linie, daß der BGH insofern über die vorangegangenen Entscheidungen hinausging, als er dem Unternehmer trotz der infolge verweigerter Mitwirkung unterbliebenen Fertigstellung des Werks den vollen Vergütungsanspruch zusprach. Interessant ist weiterhin, daß der BGH im Zusammenhang mit der Erörterung der Verletzung von "Gläubigerobliegenheiten" lediglich auf die erste Entscheidung l74 rekurriert, ohne die späterl75 vorgenommene Korrektur zu erwähnen. Von der Diktion her ist bemerkenswert, daß der BGH wiederholt von "Mitwirkungspflichten" spricht176 • Schließlich fällt auf, daß es der BGH als ein "unerträgliches und mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarendes Ergebnis" bezeichnet, "wenn es dem Besteller freistehen sollte, durch willkürliche Nichterfüllung seiner Gläubigerobliegenheiten den Unternehmer zur Kündigung des Vertrags zu zwingen"l'n. Die Verwirrung, die das Urteil in der Literatur hervorgerufen hat, läßt sich daran ablesen, daß es mehr im Zusammenhan~ mit der Frage der pVv als hinsichtlich der Zusprechung des Vergütungsanspruchs diskutiert wird178 • Weick hat zu dem Urteil angemerkt. daß es die Grenze zwischen Obliegenheiten und echten vertraglichen Pflidlten weitgehend aufhebe179 • Hüffer hat die Entscheidung gar zum Anlaß einer umfassenden Monografie über Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln genommen180 • Neben diesen grundlegenden Entscheidungen hat sich der BGH in einer Reihe weiterer Urteile - teilweise allerdings nur am Rande mit dem Problem der Bestellermitwirkung befaßt. Im Zusammenhang mit der Frage, ob sich der Bauherr bei Mängelansprüchen gegen den Bauunternehmer ein mitwirkendes Verschulden seines Architekten zurechnen lassen muß, hat der BGH wiederhoJt1 81 BGHZ 11, 80. BGH VersR 1960, 693. 178 BGHZ 50,175, 178, 179. 177 BGHZ 50, 175, 179. 178 s. Larenz, Schuldrecht II, § 53 III c (S. 301 Fn. 2); Soergel!Mühl, § 642 Rdn. 3; zutreffend aber Palandt/Thomas, § 642 Anm.1. 179 Weick, S. 217 Fn.412. 180 s. das Vorwort bei Hüffer. 181 BGH S-F Z 2.400 BI. 33, 34 R; BGH S-F Z 2.400 BI. 38, 40; BGH S-F Z 2.400 BI. 41, 42 R; BGH S-F Z 2.414 BI. 146, 148; BGH VersR 1970, 280; BGH NJW 1972, 447. Daneben gibt es noch gleichlautende OLG-Entscheidungen, s. OLG Hamm MDR 1957, 419; OLG Frankfurt NJW 1974, 62. 174 175

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1. Teil: Histor. Entwicklungd. Mitwirkungsproblematik

ausgeführt, daß es zu den Pflichten des Bauherrn gegenüber dem Bauunternehmer gehöre, diesem einwandfreie Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen sowie die Entscheidungen zu treffen, die für die reibungslose Ausführung des Baus unentbehrlich sind, wozu auch die Abstimmung der Leistungen der einzelnen Unternehmer während der Bauausführung ("Koordinierungspflicht") gehöre182. Der Sache nach handelt es sich auch hierbei um Mitwirkungshandlungen des Bauherrn als Besteller gegenüber dem Bauunternehmer als Werkunternehmer. Bemerkenswert ist, daß der BGH diese Mitwirkungshandlungen teilweise allgemein als "Pflichten"183, teilweise als "Treuepflichten"184 bezeichnet; in einer anderen Entscheidung spricht er davon, daß der Bauherr die entsprechenden Mitwirkungshandlungen erbringen "muß"185, während in weiteren Entscheidungen neutral von der "Aufgabe" des Bauherrn die Rede ist186 . Deutlicher äußert sich der BGH in einer anderen bau rechtlichen Entscheidung187 , in der es um die Realisierung eines Bauvertrags ging, dem die Parteien die VOB/B zugrundelegten. Hier führt der BGH - allerdings in einem obiter dictum - aus, daß die Bestimmung des § 4 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 VOB/B, wonach der Auftraggeber die baupolizeiliche Genehmigung herbeizuführen hat, keine von ihm gegenüber dem Auftragnehmer zu erfüllende Vertragspflicht begründet; durch diese Regelung werde lediglich klargestellt, wer für die Einholung der Genehmigung zuständig ist188. In einer weiteren Entscheidung189 hat sich der BGH mit der Frage auseinandergesetzt, wie der dem Besteller vereinbarungsgemäß obliegende Abruf der Werkleistung zu qualifizieren sei. Obwohl es sich auch hier der Sache nach um eine Mitwirkungshandlung des Bestellers handelt, hat der BGH lediglich geprüft, ob die Abrufverpflichtung sich grundsätzlich als Haupt- oder Nebenpflicht darstellt, nicht aber, ob es sich lediglich um eine Obliegenheit handelt. Im Ergebnis hat der BGH den Abruf als klagbare Nebenpflicht des Bestellers qualifiziert. Allerdings hat der BGH ausgeführt, daß es zweifelhaft sei, ob es sich beim Abruf um eine Mitwirkungshandlung im Sinne des § 642 BGB handelt, da der dem Besteller obliegende Abruf eine Handlung sei, die nicht 182 183 184 185 188 187 188 18g

So insbes. in BGH NJW 1972, 447, 448. So in BGH VersR 1970, 280, 281; BGH NJW 1972, 447, 448. So in BGH S-F Z 2.400 BI. 33, 34 R. So in BGH S-F Z 2.400 BI. 38, 40. So in BGH S-F Z 2.400 BI. 41, 42 R; BGH S-F Z 2.414 BI. 146, 148. BGH NJW 1974, 1080. BGH NJW 1974, 1080, 1081. BGH NJW 1972, 99.

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wie in § 642 BGB umschrieben - bei der Herstellung, sondern zur Herstellung des Werks erforderlich ist190 • In zwei weiteren Entscheidungen ging es zwar auch um die Rechtsfolgen verweigerter Bestellermitwirkung, allerdings sind diese Urteile für die vorliegende Untersuchung wenig ergiebig. In dem einen Fall 191 machte der Besteller nicht die nötigen Angaben für die Lackierung, die Farbe der Sitzbezüge und die Beschriftung eines in Arbeit befindlichen Omnibusses. Für die Entscheidung genügte die Bejahung des Annahmeverzugs des Bestellers. Ob dieser den Annahmeverzug verschuldet bzw. sich auch im Leistungsverzug befunden hatte, war jedoch nicht entscheidungserheblich und wurde somit vom BGH offengelassenl92 • In dem anderen Fall verweigerte der Besteller die erforderliche Unterzeichnung bestimmter Plänel93 • Entscheidungserheblich war hierbei lediglich, ob die vom Unternehmer daraufhin ausgesprochene Kündigung rechtswirksam ist. Hierzu führte der BGH aus, daß die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 643 BGB nicht gegeben waren. Damit verbiete sich, auf den Gesichtspunkt des Annahmeverzugs oder der pVv zurückzugreifen, denn § 643 BGB enthalte eine Sonderbestimmung, die dies für den Regelfall ausschließe. Nur das Vorliegen besonderer Umstände könne ausnahmsweise dazu führen, etwas anderes anzunehmen. Erwähnenswert ist schließlich eine Entscheidung des OLG Düsseldorf11l4 , in der es um die Erbringung von Vorleistungen als Mitwirkungshandlungen des Bestellers ging: Der Unternehmer konnte seine Verpflichtung - die Ausführung von Bodenbelagsarbeiten - erst erfüllen, nachdem der Besteller den Innenausbau des Gebäudes entsprechend hatte fertigstellen lassen. Diese Vorleistung wird in der Entscheidung als Mitwirkungspflicht des Bestellers bezeichnetl95 • Darüber hinaus wird ausgeführt, daß gemäß §§ 157, 242 BGB der Besteller verpflichtet sei, innerhalb einer angemessenen Frist seiner Mitwirkungspflicht zu genügen l96 • 7.2. Die Literatur Die (darstellungstechnisch bedingte) getrennte Betrachtung der Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur bedeutet nicht, daß diese unabhängig voneinander verliefen. Vielmehr existiert eine wechselseiBGH NJW 1972, 99, 100; ähnlich auch OLG Düsseldorf BauR 1976, 207. BGH VRS 14 (1958), 327. 1U2 BGH VRS 14 (1958), 327, 330. m BGH, Urteil vom 15.11. 1962 (Az VII ZR 113/61), in BB 1963, 160 nur teilweise abgedruckt. U4 BauR 1973, 385. 195 Ebd. (Fn. 194). lUO Ebd. (Fn.194). lDO

lUl

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tige Einwirkung und Bezugnahme. Dies gilt z. B. auch für die im folgenden darzustellende, von Reimer Schmidt initiierte Etablierung des Obliegenheitsbegriffsl97 , den auch der BGH in seinen Entscheidungen zur Bestellermitwirkung verwendete198. 7.2.1. Die Etablierung des Obliegenheitsbegriffs im vertraglichen Schuldrecht

Das - wie dargestellt199 - mit dem Begriff des Schuldverhältnisses als Organismus verbundene vertragliche Pflichten system erfuhr in den fünfziger Jahren eine Erweiterung, die in der Einfügung der "Obliegenheiten" als weiterer schuldrechtlichen Kategorie ihren Ausdruck fand. Die Rechtskategorie "Obliegenheit" entstammt dem Versicherungsrecht2{)o. Der Anstoß zu ihrer Erweiterung in das bürgerliche Recht erfolg., te durch Reimer Schmidt20\ der die Obliegenheit als allgemeine juristische Kategorie "entdeckte" und damit ihre Einbindung in das schuldrechtliche Pflichtensystem begründete. In seiner weit ausholenden Studie "Die Obliegenheiten" aus dem Jahre 1953 entwirft Schmidt von einer rechtspsychologischen Betrachtungsweise aus21l2 eine Pflichtenlehre. Grundsätzlich unterscheidet er hierbei - je nach der Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge (Sanktion) - zwischen Lasten und Verbindlichkeiten2Q3 • Lasten seien dadurch gekennze'ichnet, daß das Gesetz ihrer Einhaltung zwar ein relativ großes Gewicht beimißt, dies aber nicht durch die Statuierung einer primären Rechtspflicht zum Ausdruck bringt, sondern dadurch, daß es präventiv wirkende Nachteilsandrohungen zur Verfügung stellt204 • Solche "funktionellen Nötigungstatbestände,,2()5 seien z. B. die Unterlassungs-"Pflicht", fremdes Eigentum, überhaupt jedes fremde absolute Recht zu verletzen206 , ebenso auch die sogenannten Verkehrssicherungspflichten207 • Demgegenüber sei bei den "teleologischen Anreizungs- oder Nötigungstatbeständen"21l8 der 197 Durch das grundlegende Werk "Die Obliegenheiten" sowie die Kommentierung zu § 241 bei Soergel/Siebert. 198 s. BGHZ 11, 80, 83; BGH VersR 1960, 693; BGHZ 50,175,179. m s. o. 5.2.2. 200 Hierzu Amthor, passim, zur historischen Entwicklung des Obliegenheitsbegriffs s. dort S.17 f.; s. auch R. Schmidt, S. 102 f. 201 s. Fn. 197. 202 Vgl. R. Schmidt, S.4. 203 S. 101, 314 f. 20' S.76. 205 S. 58, 76 f. 206 S. 76 f. 207 S. 79 f. 208 S. 57 f., 84 ff.

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Wille des Gesetzgebers direkt auf die Herbeiführung eines bestimmten Verhaltens gerichtet (deshalb "teleologisch"). Unter diese Kategorie fallen nach Schmidt zunächst die Verbindlichkeiten, d. h. die eigentlichen Rechtspfiichten, das "Leistensollen aus einem Schuldverhältnis im engeren Sinn"209. Neben den Verbindlichkeiten - den "teleologischen Nötigungstatbeständen stärkerer Wirkung U210 - gebe es noch solche "minderer Zwangswirkung U211 , die Obliegenheiten. Charakteristisch für sie sei eine gespaltene Interessenlage, da das Verhalten, auf das sich die Obliegenheit richtet, gleichzeitig im Interesse des Obliegenheitsberechtigten und im eigenen Interesse des Obliegenheitsbelasteten liegt. Es handele sich um eine Gruppe von officia media, bei denen im Gegensatz zu den Rechtspfiichten, deren Befolgung grundsätzlich allein im Interesse des Berechtigten liegt, der Zweck der Vorschriften nach der Interessenlage nur auf eine ganz abgeschwächte Pfiichtigkeit gerichtet sei212 . Dementsprechend knüpften sich an die Verletzung von Obliegenheiten nur abgeschwächte Sanktionen, also weder Erfüllungszwang noch Schadensersatzverpfiichtung, sondern sonstige rechtlich nachteilige Rechtsfolgen. Der Rechtsnachteil könne darin bestehen, daß für eine andere Person ein gegen den Obliegenheitsverletzer wirkendes Recht begründet oder eine bereits bestehende Rechtsposition rechtlich verbessert wird; sie könne aber auch dahin gerichtet sein, daß ein an sich für den Obliegenheitsverletzer begründetes Recht gehemmt, gemindert oder gar vernichtet wird213 . In die Kategorie der Obliegenheiten reiht Schmidt auch die Gläubigermitwirkung innerhalb eines Schuldverhältnisses ein214 . So verkörperten die Vorschriften über den Gläubigerverzug mehr als nur funktionellen Zwang, da die Annahme der Leistung nicht allein im Interesse des Gläubigers liege. Wenn dieses auch regelmäßig überwiege, so bedürfe doch das Abwicklungsinteresse des Schuldners rechtlicher Beachtung. Der teleologische Rechtszwang zur Annahme habe allerdings nicht die starke Wirkung einer Verbindlichkeit, da es der Interessenlage nicht angemessen sei, wenn man dem Schuldner allgemein einen klagbaren Anspruch gegen den Gläubiger auf Annahme der Leistung geben würde. Die durch das BGB gefundene Lösung entspreche der Interessenlage; von der logisch konstruktiven Seite her hätten allerdings keine Bedenken bestanden, eine Verbindlichkeit zu schaffen215. Schmidt räumt jedoch ein, S.314. S.314, s. auch S. 52 ff. 211 S. 104, 314 f. 212 S.104. m S. 315 f. tu S. 146 ff. 21$ S. 146 f. tOg

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daß dieses Prinzip durchbrochen wird: durch die Abnahmepflicht der §§ 433 Abs.2 und 640 Abs.l BGB; in Fällen, in denen ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Schuldners an der Annahme bestehe, z. B. bei raumfüllenden Massengütern; in Fällen, in denen für den Gläubiger besondere Pflichten bestehen, die Leistung des Schuldners an ihn vorzubereiten; schließlich in Fällen, in denen die Parteien eine besondere Rechtspflicht zur Annahme vereinbart haben216 . Auf die Problematik der Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag geht Schmidt nicht eigens ein. Es muß aber davon ausgegangen werden, daß er sie als Fall der Gläubigermitwirkung grundsätzlich in die Kategorie der Obliegenheiten mit einreiht.

7.2.2. Verfeinerungen der vertraglichen Pflichtendifferenzierung Die Betrachtungsweise des Schuldverhältnisses als Organismus setzte sich - allerdings befreit von Gemeinschaftsideologie - der Sache nach durch, wenn auch der Begriff "Organismus" teilweise kritisiert wurde, sei es wegen der darin liegenden "juristischen Romantik"217, sei es aufgrund der unzutreffenden Analogie zum lebendigen Organismus218 , sei es, weil damit das Schuldverhältnis nicht als wesenhaft menschliche Beziehung, sondern als ein selbständiges außermenschliches Gebilde dargestellt werde219 . Nicht diskutiert werden soll hier, ob es aufgrund dieser Kritik sinnvoll ist, das Schuldverhältnis als "Quelle"220, als "konstante Rahmenbeziehung"22l, als "Gestalt"= oder als "sinnhaftes Gefüge"= zu bezeichnen. Wichtig ist hier allein, daß - unabhängig von der jeweiligen Benennung - inhaltlich die dynamische, ganzheitliche und auch soziale Aspekte berücksichHgende224 Auffassung vom Schuldverhältnis mit seinen wechselseitigen Rechten und Pflichten durchgängig - wenn auch mit unterschiedlicher Nuancierung - vertreten wird. Die mit dieser Betrachtungsweise verknüpfte Differenzierung der wechselseitigen Pflichten innerhalb des Schuldverhältnrsses hat allerdings seit Stoll weitere Verfeinerungen erfahren. 216 217

218

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218 220 221 222

223 224

S. 147 Fn.733. Henle, Bd.!I, S. 22. So insbes. Larenz, Schuldrecht I, § 4 V (S.25 Fn.3); ders., JZ 1962, 105, E. Wolf, AcP 153 (1954), 97, 114 Fn.82. So Kreß, Schuldrecht I, § 4 !Ir. So Herholz, AcP 130 (1929), 257. So Zepos, AcP 155 (1956), 486, 490. So Larenz, Schuldrecht I, § 2 V (S.25). So insbes. bei Esser/E. Schmidt, Tb 1, § 1.

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7.2.2.1. Zur Ptlichtenhierarchie allgemein im vertraglichen Schuldverhältnis Vorweggeschickt sei, daß hinsichtlich der Terminologie, der inhaltlichen Konturierung und der Frage der Recht.c:;folgen bei Verletzung der Pflichten im Schuldverhältnis keine einhellig vertretenen Auffassungen existieren. Trotz der in Einzelheiten unterschiedlichen Meinungen lassen sich aber einige Grundlinien abstecken, die im folgenden dargelegt und analysiert werden sollen. Im Grundsätzlichen wird zum einen nach der Gewichtigkeit der Pflicht zwischen Haupt- und Nebenpflicht und zum anderen nach deren Inhalt zwischen Leistungs- und Nichtleistungspflicht unterschieden. Da Nichtleistungspflichten für die Durchführung eines Vertrages nie eine so zentrale Bedeutung einnehmen, daß sie als Hauptpflichten qualifiziert werden können, lassen siro folglich drei Gruppen von vertraglichen Pflichten bilden: Hauptleistungs-, Nebenleistungs- und sonstige Nebenpflichten225 • Relativ unproblematisch ist die Festlegung der Hauptleistungspflichten. Es handelt sich um Pflichten, die nach ihrer Art und Verknüpfung im Schuldverhältnis den Typus des betreffenden Schuldverhältnisses bestirnmen226 , diesem also das Gepräge geben227 • Neben diesen gesetzestypischen Hauptpflichten, die als solche also bereit.c:; de lege bestimmt sind, kann es auch vertragsspezifische Hauptpflichten geben228 ; das sind solche Pflichten, die erst durch das - erkennbar - besondere Leistungsinteresse einer Vertragspartei in den Rang einer Hauptpflicht erhoben werden229 • Aus der Definition der Hauptpflicht läßt sich negativ die der Nebenpflicht ableiten. Es sind solche Pflichten, die nicht den jeweiligen Vertragstypus prägen. Ihnen kommt damit keine zentrale Bedeutung, sondern eine eher komplementäre Funktion zu: Sie sollen die vollständige und ordnungsgemäße Erbringung der Hauptpflicht sicherstellen und den Vertragspartner allgemein bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses vor Schäden schützenl!3{). 225 Vgl. hierzu z. B. Larenz, Schuldrecht I, § 2 I; Esser!E. Schmidt, Tb 1, § 4 II u. IU; Emmerich, in: Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts, § 3 I u. II; Palandt!Heinrichs, Einl. vor § 241 Anm. 1 e; MünchKomm-Kramer, § 241 Rdn. 16 ff.; Jauernig!Vollkommer, § 241 Anm.3 b. 226 Larenz, Schuldrecht I, § 2 I; Jauernig/Vollkommer, § 241 Anm. 3 b, aa. 227 Esser/E. Schmidt, Tb 1, § 4 UI. 128 Medicus, Rdn. 207. 228 Vgl. Esser, Schuldrecht I, 4. Aufl., § 5 III 1 a. 230 Vgl. Emmerich, in: Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts, § 3 I 2; Esser/E. Schmidt, Tb 1, § 4III.

4 Müller-Foell

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Problematischer ist die Abgrenzung zwischen Nebenleistungspflichten und sonstigen Nebenpflichten, die meist als "weitere Verhaltenspflichten"231 oder "unselbständige Nebenpflichten"232 bezeichnet werden. Als Kriterien, die die Nebenleistungspflichten von den sonstigen Nebenpflichten unterscheiden, werden üblicherweise angegeben, daß die Nebenleistungspflichten inhaltlich konkretisiert seien233 , daß sie einen eigenständigen Zweck verfolgten 234 , daß sie in das vertragliche Synallagma einbezogen seien235 und schließlich, daß ihre Erfüllung selbständig einklagbar sei236 . Der Erkenntniswert einer so gearteten Unterscheidung zwischen Nebenleistungspflichten und sonstigen Nebenpflichten erscheint fragwürdig 237 • Zunächst sind die genannten Abgrenzungsmerkmale des eigenständigen Zwecks und der Einbezogenheit in das Synallagma so unbestimmt und fließend, daß sie ihrerseits einer Definition bedürften. Hinsichtlich des Merkmals der selbständigen Einklagbarkeit ist unklar, ob dieses Voraussetzung oder Rechtsfolge einer Nebenleistungspflicht ist. Verfehlt erscheint es insbesondere, den Leistungscharakter einer Nebenpflicht und die Frage der Klagbarkeit zu vermengen. Vielmehr sollten zunächst inhaltlich die Nebenpflichten danach unterschieden werden, ob sie - in welcher Form auch immer - der Erfüllung der Hauptleistung (Leistungspflichten) oder allein dem Schutz der sonstigen Rechtsgüter des Gläubigers dienen (Schutzpflichten oder Erhaltungspflichten)238. Innerhalb der ersten Gruppe kann mit Stürner239 wiederum unterschieden werden zwischen solchen Nebenpflichten, die zusätzlich zur Hauptleistung ein weitergehendes Leistungsinteresse befriedigen sollen, und solchen Nebenpflichten, die der Herbeiführung des Leistungserfolges im engeren Sinne dienen und als Bestandteile eines geordneten Leistungsplans Leistungsstörungen vermeiden sollen. Unabhängig von dieser Einteilung stellt sich sodann die Frage der Klagbarkeit. Im 231

So Larenz, Schuldrecht I, § 2 I; ihm folgend Palandt/Heinrichs, Einl. vor

§ 241 Anm. 1 e.

232 So Erman/Sirp, § 242 Rdn. 54 f.; SoergellR. Schmidt, Vor § 241 Rdn. 10; Brox, Rdn. 13. 233 Larenz, Schuldrecht I, § 2 I. 234 Brox, Rdn. 13; Palandt/Heinrichs, § 242 Anm. 4 B. 235 Esser/E. Schmidt, 'l'b 1, § 4 III; Emmerich, in: Grundlagen des Vertragsund Schuldrechts, § 3 II 1. 238 Larenz, Schuldrecht I, § 2 I; Esser/E. Schmidt, Tb 1, § 4 III; Emmerich, in: Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts, § 3 II 1; Palandt/Heinrichs, § 242 Anm. 4 B; Brox, Rdn. 13. 237 Dieser Frage soll hier nachgegangen werden, weil sie im späteren Teil relevant werden wird (s. u. 14.1.1.). 238 Vgl. hierzu Canaris, JZ 1965, 475 ff.; Thiele, JZ 1967, 649 ff.; ders., BGB AT - Schuldrecht AT, S. 120 ff.; Gerhardt, JuS 1970, 597 ff.; ders., JZ 1970, 535 ff. 238 JZ 1976, 384, 385.

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Grundsatz kann jede Nebenpflicht klagbar sein, gleich ob Leistungsoder Schutzpflicht. Voraussetzung hierfür muß aber sein, daß der Pflichteninhalt konkretisiert ist und daß sich die Klagbarkeit aus dem Gesetz (z. B. bei § 444 BGB), aufgrund einer Parteivereinbarung240 oder anhand einer Interessenabwägung zwischen Gläubiger und Schuldner241 ergibt; die Interessenabwägung muß sich hierbei daran orientieren, ob das präventive Erfüllungsinteresse des Gläubigers rechtlich geschützt werden muß - dies ist bei Leistungspflichten regelmäßig der Fall - oder ob repressiver Rechtsschutz, insbesondere Schadensersatz ausreicht, um die Rechtssphäre des Gläubigers - auch unter Berücksichtigung der Schuldnerinteressen - hinreichend zu schü.tzen242 • Unterhalb der echten vertraglichen Pflichtenschwelle werden unter Bezugnahme auf die Grundlegung durch Reimer Schmidt allgemein die Obliegenheiten angesiedelt243 • über deren Rechtsnatur besteht allerdings keine Einigkeit: Teilweise werden sie noch in die Rechtspflichten im weiteren Sinne eingereiht (Verbindlichkeitstheorie), teilweise in den pflichtfreien Raum verlegt (Voraussetzungstheorie); daneben gibt es vermittelnde Auffassungen, die von "Pflichten minderer Intensität" sprechen 244 • Die Problematik soll hier nicht aufgerollt werden. Festzuhalten ist aber, daß - unabhängig von der rechtstheoretischen Herleitung und Begründung - die Obliegenheiten insbesondere hinsichtlich der Verletzungssanktionen unterhalb der echten vertraglichen Rechtspflichten eingestuft werden. Wohl um den Streit über die Rechtsnatur der Obliegenheiten zu umgehen, werden sie überwiegend von den Rechtsfolgen her definiert: Es handele sich bei den Obliegenheiten um Verhaltensaufforderungen, deren Erfüllung der Berechtigte nicht zwangsweise durchsetzen kann und deren Nichterfüllung keine Schadensersatzsanktion nach sich zieht, wohl aber für den Belasteten andere rechtliche Nachteile zur Folge hat2%. Als Begründung für die fehlende Erzwingbarkeit wird meist hinzugefügt, es handele sich hierbei um Gebote des eigenen Interesses246 oder doch zumindest um solche im eigenen und fremden Interesse 247 • Larenz, Schuldrecht I, § 2 I; Thiele, BGB AT - Schuldrecht AT, S.123. Medicus, Rdn.208; Thiele, BGB AT - Schuldrecht AT, S. 123; Stürner, JZ 1976, 384, 385; MünchKomm-Kramer, § 241 Rdn. 18. 242 Vgl. hierzu auch Henckel, AcP 174 (1974), 97, 110 ff., insbes. 112 Fn.28. 243 Palandt/Heinrichs, Einl. vor § 241 Anm. 4 b; Erman!Sirp, Ein!. § 241 Rdn.6; Soergel / R. Schmidt, Vor § 241 Rdn. 8 f.; Larenz, BGB AT, § 12 11 d; Esser / E. Schmidt, Tb 1, § 4 V; Fikentscher, Schuldrecht, § 8, 5 u. § 16 11 2; Emmerich, in: Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts, § 3 V; Jauernig / Vollkommer, § 241 Anm.3 b, ee. 244 Vgl. dazu R. Schmidt, S. 139 ff.; Weichselbaumer, S. 18 ff.; zusammenfassend Staudinger/Weber, Einl. vor § 241, M 12 ff. m. w. N. 146 So etwa Fikentscher, Schuldrecht, § 8, 5. Zum Begriff der Obliegenheit s. auch Wieling, AcP 176 (1976), 334, 345 ff. 240

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Gegen die Statuierungeiner eigenen Kategorie der Obliegenheiten im vertraglichen Schuldverhältnis hat sich Esser zunächst ausgesprochen248 . Nach seiner Ansicht mußte dies bereits daran scheitern, daß man den Pflichtbegriff nicht von der Rechtsfolge her definieren kann. Die Obliegenheiten seien vielmehr keine eigenständige Kategorie, sondernentweder Rechtspflichten, deren Verletzung allerdings nicht mit einer Schadensersatzverpflichtung, sondern mit anderen Nachteilen sanktioniert wird, oder bloße Tatbestände der Gefahrenabgrenzung, die dem betreffenden Teil keine Pflicht, sondern eine Last auferlegen, deren Versäumung keine Pflichtwidrigkeit und deren Folgen nicht Unrechtsfolgen sind, sondern Gebote der verteilenden Gerechtigkeit. Hierzu gehörten z. B. die Versäumung der Annahme durch den Gläubiger oder die Mängelanzeige. Als Beispiele für die erste Gruppe nennt Esser unter anderem die Gläubigerpflichten, z. B. zur Mitwirkung. Daß es sich hierbei zugleich um Pflichten im eigenen Interesse handelt, ändere nichts an der Pflichtwidrigkeit deren Verletzung, zumal unter Umständen der gleiche Tatbestand, der für den Nachlässigen nur Verwirkungsfolgen hat, für den Gegner volle Schadensersatzrechte begründen könne. Essers Fazit: "Was vertragswidrig ist, ist pflichtwildrig, unabhängig von der Art und dem praktischen Eintreten der Sanktion"249. In den späteren Auflagen seines Lehrbuchs250 hat E}sser - ohne hierzu eine Begründung zu geben - diese kritische Einstellung zu den Obliegenheiten nicht mehr vertreten, so daß man heute sagen kann, daß die Obliegenheiten als schuldrechtliche - auch schuldvertragliche Kategorie einhellig anerkannt sind. 7.2.2.2. Speziell: die Pflichten des Bestellers im Werkvertrag Das aufgezeigte Pflichtensystem wird auch auf den Werkvertrag angewandt. Hier soll lediglich die Bestellerseite dargestellt werden. Hauptpflicht des Bestellers ist zunächst die Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Vergütung251. Daneben soll die Abnahmepflicht gemäß § 640 BGB wegen ihrer großen rechtlichen Bedeutung (Fälligwerden der Vergütung, Übergang der Preisgefahr, Beginn der Mängelanspruchsverjährung) Hauptpflicht sein252 . Da es sich bei der Abnahme 246 Erman/Sirp, Einl. § 241 Rdn.6; Palandt/Heinrichs, Einl. vor § 241 Anm.4b. 247 R. Schmidt, S. 315; Staudinger/Weber, Einl. vor § 241, M 10; Fikentscher, Schuldrecht, § 8, 5. 248 Esser, Schuldrecht, 2. Aufl., § 28, 5. 24V Schuldrecht, 2. Aufl., § 28, 5 e (S. 89). 250 s. Schuldrecht I, 3. Aufl., § 5 V u. 4. Aufl., § 5 V. 251 s. z. B. Palandt/Thomas, § 631 Anm.3a.

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aber nicht um eine dem Werkvertrag das Gepräge gebende Verpflichtung handelt, liegt es näher, eine Nebenleistungspfiicht anzunehmen253 • Als Nebenpflichten werden überwiegend die Verpflichtung des Bestellers zur Fürsorge hinsichtlich von Räumlichkeiten, in denen der Unternehmer arbeitet, und die Pflicht zur Obhut für vom Unternehmer gestellte Materialien, Geräte etc. genannt254 • Teilweise wird auch unter Hinweis auf die einschlägige Entscheidung des BG~55 die vereinbarte Abrufpflicht als Nebenpflicht des Bestellers bezeichnet256 • Die Einordnung der Bestellermitwirkung wird - wie im folgenden eingehend dargestellt wird - nicht einheitlich beurteilt.

7.2.3. Stellungnahmen zur Einordnung der Bestellermitwirkung 7.2.3.1. Die Einordnung als Obliegenheit Mitwirkungshandlungen des Bestellers im Sinne des § 642 BGB werden überwiegend grundsätzlich als Obliegenheiten qualifiziert257 • Teilweise wird - wohl in Anlehnung an die Motive - hinzugefügt, daß bei entsprechender ausdrücklicher Parteivereinbarung eine Schuldnerpflicht angenommen werden könne258 • Die grundsätzliche Einordnung der Mitwirkungshandlungen als Obliegenheiten erfolgt teils ohne jegliche Begründung259 , teils unter Hin252 s. MünchKomm-Soergel, § 640 Rdn.1, 20; ErmanjSeiler, § 640 Rdn.16 m.w.N. 253 Dahingehend auch Kreß, Schuldrecht II, § 28 (S.189 Fn.45); Esser, Schuldrecht II, 4. Auf!., § 79 II 2 a; ebenso Esser/Weyers (Tb 1, § 33 II 2) unter Hinweis auf das fehlende Synallagma sowie EnneccerusjLehmann (§ 152 I 4, insbes. S. 654 Fn. 3) mit der ähnlichen Begründung, daß das Werk nicht (auch nicht teilweise) für die Abnahme, sondern lediglich für das Entgelt versprochen werde; für die Einordnung als Nebenpflicht auch Köderitz, S. 142. 254 ErmanjSeiler, § 631 Rdn.30; SoergeljMühl, § 631 Rdn.32; EsserjWeyers, Tb 1, § 33 II 3. 255 BGH NJW 1972, 99. 258 So PalandtjThomas, § 631 Anm. 2b. 157 PalandtjThomas, § 642 Anm.1; SoergeljMühl, § 642 Rdn.1; Staudingerj RiedeI, § 642 Rdn.2; MünchKomm-Soergel, § 642 Rdn.2; JauernigjSchlechtriem, §§ 642, 643 Anm. 1; Larenz, Schuldrecht II, § 53 IIr c; Esser/Weyers, Tb 1, § 33 II 3. Gleiches wird im Bereich des Handelsfrachtrechts vertreten, vgl. allgemein hinsichtlich der Frachtverträge SchlegelbergerjGeßler, § 425 Rdn.23; Helm, Groß komm HGB, § 425 Anm. 62; hinsichtlich der Seefrachtverträge s. SchlegelbergerjLiesecke, § 578 Rdn.2; Schaps/Abraham, § 577 Anm.1; Abraham, S.154. 258 StaudingerjRiedel, § 642 Rdn. 4; Kreß, Schuldrecht II, § 28 (S.193 Fn.72); Enneccerus/Lehmann, § 152 III 1; hinsichtlich der Seefrachtgeschäfte s. Schaps/ Abraham, § 577 Anm. 1. 259 So EsserjWeyers, Tb 1, § 33 II 3. In der allein von Esser besorgten 3. Auflage wurden die Mitwirkungshandlungen des Bestellers demgegenüber als

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1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

weis auf die einschlägige Rechtsprechung26Q , teils unter Berufung auf "das Gesetz", das die Bestellermitwirkung nicht als Rechtspflicht ausgestaltet habe 261 • Esser / E. Schmidt leiten die Einordnung als Obliegenheit daraus ab, daß die in § 642 BGB angeordnete Entschädigung kein Schadensersatz, sondern ein Teil des normalerweise erst mit der kompletten Herstellung des Werks geschuldeten Entgelts sei 262 • Gerade umgekehrt argumentieren Erman/Seiler: Wenn für die Unterscheidung zwischen Vertragspflicht und Obliegenheit die Art der Verletzungsfolge maßgeblich ist, dann gehöre das dem Besteller durch § 642 BGB abverlangte, mit einer Entschädigungspflicht sanktionierte Verhalten zu den echten Schuldnerpflichten263 • Trotz dieser Folgerung können Erman/Seiler sich allerdings nicht zu einer eigenen eindeutigen Stellungnahme durchringen. 7.2.3.2. Die Qualifizierung als Rechtspflicht Ähnlich wie Erman/Seiler argumentiert zunächst Fikentscher für die Gegenmeinung: § 642 BGB stelle eine Mitwirkungspflicht auf, deren Verletzung den Unternehmer zu einer Entschädigung berechtigt. Daher handele es sich bei der Pfli:cht nach § 642 BGB um mehr als eine Obliegenheit 264 • Köpcke hat im Rahmen einer Monografie über die pvrs 5 die Auffassung vertreten, daß die Mitwirkungspflicht allgemein und speziell auch die Bestellermitwirkung eine Untergruppe der allgemeinen vertraglichen Treuepflichten darstellen. Denn bei Mißachtung von Mitwirkungspflichten handele der ungetreue Vertragsteil den eigentlichen, ihm bekannten oder doch erkennbaren Vertragszielen seines Partners zuwider. Damit verletze er die selbstverständliclle, aus Treu und Glauben folgende Pflicht, den Vertrag nicht nur nach den Buchstaben zu erfüllen, sondern dem anderen zu dem wirklich erstrebten Erfolg zu verhelfen266 . Auch die in den §§ 642, 643 BGB geregelte Mitwirkung des Werkbestellers sei als echte Mitwirkungspflicht in diesem Sinne ausgestaltet. Es handele sich hierbei um das gesetzliche Musterbeispiel einer nicht erechte Schuldnerpflichten qualifiziert (Schuldrecht II, § 79 U 2 b, insbes. S.170 Fn. 16). In der 4. Auflage ist Esser dann aber ohne Begründung der Einordnung als Obliegenheit beigetreten (Schuldrecht U, § 79 U 2 b). 260 SO Z. B. Palandt/Thomas, § 642 Anm. 1; Soergel/Mühl, § 642 Rdn. 1; MünchKomm-Soergel, § 642 Rdn. 2; Enneccerus/Lehmann, § 152 IU 1. 2ft! So Larenz, Schuldrecht U, § 53 UI c (S.300); Jauernig I Schlechtriem, §§ 642, 643 Anm. 1. !62 Tb 1, § 4 V (S.44 Fn.32). !63 Erman/Seiler, § 642 Rdn. 2. !U Schuldrecht, § 80 IU 3. !6S Typen der positiven Vertragsverletzung. t66 Köpcke, S. 69 f.

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zwingbaren Verhaltenspflicht, deren Verletzung Schadensersatz- und Kündigungsrechte des Gegners zur Folge hat. Zwar hätten die BGBVerfasser bewußt davon abgesehen, eine im Klageweg durchsetzbare Verpflichtung zur Mitwirkung zu schaffen, die Verhaltensforderung an den Besteller aber andererseits auch nicht zu einer bloßen Obliegenheit abgeschwächt267 • Am dezidiertesten vertritt Glanzmann die Gegenmeinung268 • Er weist zunächst darauf hin, daß nach überwiegender Ansicht die Mitwirkungshandlungen nur sogenannte Gläubigerobliegenheiten des Bestellers seien. Verstehe man hierunter, daß ihm die fragliche Handlung nur bei Vermeiden eigener Rechtsnachteile anheimgestellt ist, dem Unternehmer aber kein Anspruch auf sie zusteht, so sei dieser Ansicht nicht beizutreten: "Denn durch die Unterlassung seiner zur Herstellung des Werks unentbehrlichen Mitwirkung gefährdet oder vereitelt deri Besteller den Vertragszweck. Er verletzt die geschuldete Vertragstreue, also eine Schuldnerpflicht. Auch der Unternehmer hat - unbeschadet des Kündigungsrechts des Bestellers nach § 649 -ein Recht darauf, daß der Vertrag planmäßig abgewickelt wird und ihm hierdurch seine Vergütung zufällt. Er hat daher, solange der Vertrag besteht, Anspruch auf die diesem entsprechende, zur Herstellung und Vollendung des Werks notwendige Mitwirkung des Bestellers .. ."269.

7.2.3.3. Vermittelnde Auffassungen Neben den dargestellten, sich grundsätzlich widersprechenden Meinungen gibt es auch vermittelnde Ansichten. So nimmt Klees270 eine Mittelstellung ein, zu der er vom Ausgangspunkt der herrschenden Obliegenheitstheorie findet. Diese hält Klees grundsätzlich für zutreffend, zumal die geset.zlichen Vorschriften über den Gläubigerverzug hinreichende, dem Schutzbedürfnis des Schuldners Rechnung tragende Vorschriften enthielten. Ein Bedürfnis für die Statuierung einer Rechtspflicht und damit auch einer echten Haftung des Gläubigers bestehe aber (unter anderem) bei sogenannten vorbereitenden Mitwirkungshandlungen des Gläubigers, d. h. solchen Handlungen, die über die bloße Entgegennahme der Erfüllung hinausgehen und ohne die der Schuldner seine Leistung nicht zu erbringen vermag271 • Hier böten auch die werkvertraglichen Sondervorschriften der §§ 642, 643, 645 BGB keinen hinreichenden Schutz des Werkunternehmers, da 267 268 269 270

171

S.72. In BGB-RGRK, § 631 Rdn.46, § 642 Rdn. 12. BGB-RGRK, § 631 Rdn.46. s. Klees, S. 199 ff. S.217.

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z. B. die begrenzte Entschädigung nach § 642 BGB Folgen der Obliegenheitsverletzung des Gläubigers ungesühnt lasse, die zu einem über das Erfüllungsinteresse hinausgehenden Schaden des Unternehmers führen'.!';'.!. Insgesamt - bei Betrachtung aller möglichen Gläubigerpflichten - bestehe aber nur ausnahmsweise ein Bedürfnis für eine v>ertragliche Haftung des Gläubigers. Daher könne der allgemeine Satz des BGH, jede Verletzung von Gläubigerobliegenheiten löse die Haftung des pflichtwidrig handelnden Berechtigten aus pVv aus, in dieser weiten Fassung keinen Bestand haben273 . Zu dem Verstoß gegen die Gläubigerobliegenheiten müsse vielmehr noch ein Kriterium hinzutreten, damit in ihr eine Vertragsverletzung gesehen werden kann: "Durch die Nichtannahme oder Nichtmitwirkung muß der Gläubiger konkrete Vermögensinteressen des Schuldners gefährdet haben. Er muß gegen seine Nebenpflicht verstoßen haben, bei dem Umgang mit seiner Forderung darauf zu achten, daß dem Schuldnervermögen kein Schaden zugefügt wird. Der Gläubiger verstößt gegen seine allgemeine Rücksichts- und Erhaltungspflicht im Hinblick auf das Schuldnervermögen, wenn er durch die Ablehnung seiner Mitwirkung bei der Erfüllung eine besondere Gefährdung schafft. Nur in diesen Fällen erstarkt die Obliegenheit zu einer Pflicht, deren Verletzung seine Haftung nach den Regeln der positiven Forderungsverletzung auslöst"274. Nicht ganz klar ist, ob Klees diese Voraussetzungen bei der Bestellermitwirkung generell als gegeben ansieht oder auch hier im Einzelfall entscheiden will. Auch die Auffassung Nicklischs'.!75 kann als vermittelnde Meinung angesehen werden. Nicklisch kritisiert die 'Überkommene, auf Kohlers Herr-Knecht-Denken basierende Auffassung, deren Modellvorstellung zwar auf Werkverträge handwerklichen Zuschnitts passen könne, nicht aber auf - heute in der Vertragswirklichkeit immer bedeutender werdende - größere Bauverträge oder Industrieanlagenverträge'.!76. Bei solchen "Langzeitverträgen"277 nähmen die Mitwirkungshandlungen des Bestellers zeitlich und umfangmäßig größere Dimensionen an, so daß es gerechtfertigt sei, dem Besteller eine Doppelrolle zuzuschreiben: Einmal sei er hinsichtlich des vollendeten Werks Gläubiger, zum andern während des Prozesses der Werkherstellung Kooperationspartner, nämlich dadurch, daß er zur Werkherstellung erforderliche Mitwirkungshandlungen erbringen muß278 . Nach den allgemeinen Grundsätzen der Ver272 173 Z7& 175

178 177 :78

Ebd. (Fn.271). Klees bezieht sich hier auf die Entscheidung BGHZ 11, 80. Klees, S.218. In BB 1979, 533 ff. BB 1979, 533. Zum Begriff s. Nicklisch, RIW/AWD 1978, 633, 634. BB 1979, 533, 537.

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tragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) sei nun jeweils unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Vertrages zu fragen, ob die Mitwirkungshandlung als Rechtspflicht vereinbart ist oder nicht. Danach ergebe sich, soweit die in solchen Langzeitverträgen aufgeführten Mitwirkungshandlungen für die Werkdurchführung notwendig sind, regelmäßig die Vereinbarung einer Mitwirkungspflicht als Schuldnerpflicht. Meist komme dies auch sprachlich zum Ausdruck, indem formuliert wird, daß der Besteller bestimmte Handlungen und Leistungen zu erbringen hat oder daß bestimmte Leistungen oder Teile bauseits zu stellen sind. Auch für Bauverträge, denen die VOB/B zugrunde liegt, müsse von der V'ereinbarung vertraglicher Mitwirkungspflichten ausgegangen werden, jedenfalls soweit diese in der VOB/B ausdrücklich und in imperativer Form benannt sind (so z. B.in § 3 Nr. 1 und § 4 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B). Ähnlich wie in der VOB/B würden in Verträgen über die Errichtung von Industrieanlagen fast ausnahmslos die Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers ausdrücklich und in imperativer Form festgelegt. Auch in diesen Fällen könne eine solche Vertragsregelung nur als Vereinbarung der Mitwirkungspflichten als Schuldnerpflichten des Auftraggebers ·interpretiert werden279 • Nicklisch nimmt also keine kategoriale Einordnung der Mitwirkungshandlungen vor, sondern will lediglich die schon in den Motiven 'erwähnte Möglichkeit der vertraglichen Vereinbarung einer Mitwirkungshandlung als Schuldnerpfliche80 aus ihrem rein theoretischen Schattendasein herausführen, indem anhand der heutigen Rechtswirklichkeit dargestellt wird, daß jedenfalls bei Werkverträgen größeren Umfangs zur Werkerrichtung erforderliche Mitwirkungshandlungen in aller Regel als vertraglich vereinbarte Rechtspflichten auszulegen sind281 • 7.2.3.4. Auf die Rechtsfolgenbeschränkte Äußerungen Soweit sich das Schrifttum sonst mit den Problemen der Bestellermitwirkung befaßt, geht es weitgehend nur um die Erfindung eines Rechtsfolgensystems, während die heikle Frage der Einordnung ausgeklammert wird282 • Auch Hüffer will in seiner umfassenden Monografie über Gläubigerhandeln283 ausdrücklich keinen Beitrag zum zivilrechtlichen Pflichtbegriff liefern, sondern lediglich der Frage nachgehen, "ob sachgerechte Lösungen nicht auch ohne Konstruktion einer Pflicht BB 1979, 533, 540 f. Mot. Ir, S. 496. 281 Dem folgend allerdings unter Festhalten an der grundsätzlichen Einordnung als Obliegenheit - nunmehr Palandt!Thomas (§ 642 Anm.l) und MünchKomm-Soergel (§ 642 Rdn. 9); vgl. auch Soergel!Mühl, § 642 Rdn. 3; Erman/Seiler, § 642 Rdn. 10; Larenz, Schuldrecht Ir, § 53 II c. 282 So Götz, JuS 1961, 56 ff. 283 Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln. 279

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1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

besonderen Inhalts wie der Mitwirkungspflicht oder besonderen rechtlichen Gepräges wie der Obliegenheit gefunden werden können"284. Hüffers Anliegen ist demnach ein anderes als das vorliegende. Zwar bringt auch er eine Darstellung der Einordnungsproblematik285 ; er verzichtet aber auf eine eigene Stellungnahme. Dies resultiert daraus, daß Hüffer ausschließlich das Interesse des Unternehmers an der Gegenleistung als rechtlich schützenswert und damit als reflexionswürdig ansieht. Zum Schutz dieses Interesses bietet er eine Lösungsmöglichkeit an, die die Einordnungsfrage umschifft286 . Hüffer hält es auch für legitim, lediglich das Gegenleistungsinteresse zu betrachten, da er ein "Leistungsinteresse" des Unternehmens als Ausnahme ansieht 287 , so daß ein "praktisches Bedürfnis" für eine generelle lVfitwirkungspflicht des Gläubigers nicht be3te~l.e2~~. 7.2.3.5. Stellungnahmen speziell in der baurechtlichen Literatur

Die Literatur zum privaten Baurecht, insbesondere zur VOB/B, befaßt sich mit der bei der Ausführung von Bauverträgen relevant werdenden Mitwirkungsproblematik relativ ausführlich289 , so daß sie im folgenden einer gesonderten Betrachtung unterzogen werden soll. Die Äußerungen von Hereth/Ludwig/Naschold in ihrem Kommentar zur VOB/B von 1954 entsprechen durchgängig der damaligen herrschenden Doktrin in Rechtsprechung und Literatur zur Bestellermitwirkung: Die Mitwirkungshandlungen, die dem "Auftraggeber" (AG) nach dem Vertrag obliegen, seien - von Ausnahmen abgesehen - keine Schuldnerhandlungen, seine Mitwirkungspflichten infolgedessen keine Schuldnerpflichten; der "Auftragnehmer" (AN) habe daher keinen klagbaren Anspruch auf die Vornahme solcher Mitwirkungshandlunßen; daran ändere auch nichts, daß die VOB/B dem AG die Mitwirkungshandlungen teilweise in "unbedingt verpflichtender Form" auferlegt290 • Nur ausnahmsweise - wenn der AG nach dem Inhalt des Vertrags dem AN gegenüber zu einer Mitwirkungshandlung ausdrücklich verpflichtet ist - handele es sich um eine echte Schuldnerpflicht291 • Etwas weitergehend Hüffer, S. 4 f. S. 7 ff. 286 Nämlich die analoge Anwendung des § 326 BGB, s, Hüffer, S.238; s. dazu auch u. 15.2.2. 287 Zu dieser These s. u. 11.2.2.1. %88 Hüffer, S.251. %89 Dies beruht auf der großen Bedeutung der Erbringung von Mitwirkungshandlungen für die Realisierung von Bauverträgen; s. dazu auch u. 11.2.1.3. 290 H-L-N, Ez 9.20. 291 H-L-N, Ez 9.21. %84

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7. Die Zeit nach 1945

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klassifiziert Köderitz in einer Dissertation von 1955 zur VOB 292 die in § 3 Nr. 1 und 2, § 4 Nr. 1 S. 1 und 2, Nr.4 VOB/B genannten Mitwirkungshandlungen des AG als echte Rechtspflichten im Sinne von vertraglichen Nebenpflichten 293 . Dies begründet Köderitz damit, daß § 6 Nr.5 Abs.2 VOB/B (der Fassung 1952 = § 6 Nr.6 VOB/B 1973) bei einem Unterlassen von Mitwirkungshandlungen des AG, das zu einer Unterbrechung führt, eine Schadensersatzpflicht festsetzt; dies sei nur verständlich, wenn man eine Pflicht zur Erbringung der Mitwirkungshandlungen annimmt; dies wiederum sei über den Fall der Unterbrechung hinaus auf aUe Verletzungen von Mitwirkungspflichten generalisierbar294 • Allerdings schränkt Köderitz seinen Grundsatz von der Pflichtigkeit der Mitwirkungshandlungen dann insofern ein, als diese zwar echte Nebenpflichten, aber nicht selbständig einklagbar seien. Dies folge aus deren "engerem Verhältnis zur Hauptpflicht"295. Die Verletzung von Mitwirkungspflichten führe allerdings bei Vorliegen von Verschulden zur pVV296 ; insofern bestehe eine Konkurrenz zwischen Gläubigerverzug und pVV297 . Die Äußerungen in der neueren Kommentarliteratur zur VOB/B sind überwiegend durch terminologische und inhaltliche Widersprüchlichkeiten gekennzeichnet. So führen z. B. Ingenstau/Korbion einerseits aus, daß der AN gegen den AG einen Anspruch auf übergabe der Ausführungsunterlagen habe298 ; andererseits soll diese Mitwirkungshandlung den in §§ 642 f. BGB angesprochenen entsprechen299 . Die Begriffe "Verpflichtung" und "Obliegenheit" werden häufig in einem Atemzug, offensichtlich als Synonyma und nicht als von einander abgegrenzte Termini im Sinne der schuldrechtlichen Dogmatik gebraucht30o • Insgesamt sollen nach der Auffassung Ingenstau/Korbions die Mitwirkungshandlungen keine eigentlichen Schuldverpflichtungen des AG sein, der AN soll keinen klagbaren Anspruch auf Erbringung der Mitwirkungshandlungen haben. Dies soll nur anders sein, wenn sich der AG ausdrücklich im Vertrag in der Weise zur Mitwirkung verpflichtet hat, daß diese Verpflichtung als seine vertragliche Hauptobliegenheit (!) anzusehen ist, nicht aber als 292 Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im deutschen Bauwesen unter besonderer Berücksichtigung der Verdingungsordnung für Bauleistungen. 293 S. 132 f. 294 S.133. 105 S. 133 f. !eS S.134. 297 Vgl. S. 130. 298 I-K, § 3 VOB!B Rdn. 8. 188 I-K, § 3 VOB!B Rdn. 9. 300 s. I-K, § 4 VOB/B Rdn. 2, 10, 17, § 9 VOB/B Rdn. 5, 10.

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1. Teil:

Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

Nebenverpflichtung 301 • Auch die Erbringung selbständiger Leistungen, wie z. B. ZurverfügungsteIlen von Transportmitteln, übernahme von Lieferungen oder Leistungen entsprechend § 2 Nr.4 VOB/B, seien Mitwirkungspflichten, die zum Schuldnerverzug führen 302 ; gleiches gelte für Fälle notwendiger 'enger Kooperation zwischen AG und AN 303 • Ähnlich wie Ingenstau/Korbion bezeichnen HeiermannJRiedlJSchwaab die Mitwirkungshandlungen zwar einerseits als vertragliche Mitwirkungspflichten des AG, die andererseits aber keine klagbaren Schuldnerpflichten seien304 • Sie könnten aber dann klagbare Hauptpflichten sein, wenn ein Zeitpunkt für ihre Vornahme kalendermäßig oder auf andere Weise festgelegt wird und Ausführungsfristen für die Bauleistung bestimmt sind305 • Insgesamt sind nach den genannten Äußerungen die Mitwirkungshandlungen des AG - wenn man von den terminologischen Ungenauigkeiten abstrahiert - inhaltlich grundsätzlich als Obliegenheiten und nicht als Schuldnerpflichten einzustufen306 • Dies soll nur ausnahmsweise anders sein, wenn die Mitwirkungshandlung im Vertrag ausdrücklich oderaufgrund besonderer Vereinbarungsmodalitäten als Schuldnerpflicht vereinbart ist. Dann soll es sich nicht um eine Neben-, sondern gar um eine vertragliche Hauptpflicht handeln. DaublPielJSoergel/Steffani sehen dagegen die in der VOB/B genannten Mitwirkung-shandlungen als Nebenpflichten an, die unter den Oberbegriff "Verhaltenspflichten" fallen und in der Regel nicht einklagbar sind. Eingeräumt wird hierbei, daß die Grenze zwischen Gläubigerund Schu1dnerpflicht fließend sein kann, wenn es etwa um Bereitstellung von Material durch den AG oder um Eigenleistungen des AG geht 307 • Widersprüchlich sind die Äußerungen von Werner/Pastor: Zunächst wird ausgeführt, daß die Mitwirkungspflichten des Bauherrn, die im weiteren Sinne Vertragspflichten seien, im Einzelfall den Erlaß einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen könnten308 • An anderer Stelle werden Mitwirkungspflichten des Bauherrn einerseits als vertragliche Nebenpflichten bezeichnet, die aber andererseits denen gemäß § 642 BGB entsprächen309 • I-K, § 9 VOB/B Rdn. 5. I-K, § 9 VOB/B Rdn. 10. 303 I-K, § 9 VOB/B Rdn. 10 unter Bezugnahme auf Nicklisch, BB 1979, 533 ff. 304 H-R-S, § 3 VOB/B Rdn. 7, § 4 VOB/B Rdn. 6 ff., § 9 VOB/B Rdn. 5. 305 H-R-S, § 4 VOB/B Rdn. 6 b, ebenso § 9 VOB/B Rdn.5; dem folgend Locher, Rdn. 128. 30S Vgl. auch Korbion/Hochstein, Rdn. 133. 307 D-P-S-st, ErlZ B 9.16, insbes. S.394 Fn. 10. 308 Werner/Pastor, Rdn. 163. 309 Rdn. 825. 301

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8. Zusammenfassung zur histor. Entwicklung

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Die Widersprüche in den angeführten Äußerungen reflektieren offenbar das Dilemma, einerseits den Einklang mit der herrschenden Dogmatik, also der "Obliegenheitstheorie", wahren zu wollen, andererseits aber dem wachsenden Gewicht der Bestellermitwirkung gerade beim Bauvertrag Rechnung tragen zu müssen. Die Konsequenz aus diesem Dilemma ziehen allein NicklischIWeick, indem sie jedenfalls die in der VOB/Bausdrücklich und in imperativer Form genannten Mitwirkungshandlungen des AG grundsätzlich als echte Rechtspflichten im Sinne von Nebenleistungspfl.ichten qualifizieren310 • 8. Zusammenfassung zur historischen Entwicklung Der historische überblick über die zum vorliegenden Problemkreis vertretenen Ansichten zeigt, daß zunächst unter dem Aspekt der Liberation des Schuldners von seiner Obligation teilweise eine Pflicht des Gläubigers zur Mitwirkung angenommen wurde. Unter dem Einfluß eines liberalen Wirtschaftsmodells ist die anschließend vertretene Trennung der Gläubiger- und Schuldnerstellung zu sehen, eine Konzeption, der auch das BGB in seiner Annahmeverzugsregelung folgte. Von diesem Standort aus verbot es sich, eine echte Mitwirkungspflicht des Bestellers anzunehmen. Um eine damit in bestimmten Fällen einhergehende Unbilligkeit für den Schuldner zu vermeiden, versuchte man, über die Rechtsfigur der pVv zu helfen. Die dogmatische Abstützung hierzu erfolgte durch die verstärkte Anerkennung von gegenseitigen vertraglichen Treuepflichten, eine Entwicklung, die in einer Abwendung von überzogenen liberalistischen Vorstellungen zu sehen ist, indem der Aspekt eines kooperativen Zusammenwirkens von Vertragspartnern mit dem gemeinsamen Ziel der Realisierung des Vertrags in den Vordergrund gestellt wurde. Auch die Mitwirkungshandlungen des Bestellers wurden entsprechend in das vertragliche Pflichtenhand einbezogen. Allerdings geschah auch dies überwiegend unter dem Aspekt der Treuepflicht; den Mitwirkungshandlungen selbst sollte dagegen der Pflichtcharakter grundsätzlich nicht zuerkannt werden. Vielmehr glaubte man, in der Kategorie der Obliegenheit die Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung gefunden zu haben. Daß damit aber keine befriedigende Lösung der Mitwirkungsproblematik erzielt wurde, zeigen einerseits Unstimmigkeiten in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und andererseits die Gegenmeinungen in der Literatur, die teils generell, teils unter besonderen Voraussetzungen den Mitwirkungshandlungen den Pflichtcharakter zusprechen wollen. Nach wie vor stellt sich daher die 310 Vgl. N-W, insbes. § 4 Rdn. 8 ff.; die dort gegebene Begründung folgt der von Nicklisch in BB 1979, 533.

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1. Teil: Histor. Entwicklung d. Mitwirkungsproblematik

Frage der Kategorisierung der Bestellermitwirkung, d. h. nach heutiger Begrifflichkeit, ob es geboten ist, Mitwirkungshandlungen als Obliegenheiten, die allerdings in die gegenseitigen Treuepflichten eingebunden sind, einzustufen oder als echte Rechtspflichten mit den sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen zu qualifizieren. Im folgenden wird versucht, diese Problematik einer Lösung zuzuführen, wobei zunächst die gesetzlichen Regelungen und vorfindbare Argumente analysiert sowie sich anbietende Ansätze geprüft werden sollen, um schließlich einen eigenen Lösungsweg einzuschlagen.

Zweiter Teil

Zur Lösung der Mitwirkungsproblematik: Fehlen einer vorgegebenen Einordnung - Prüfung zu erwägender Lösungsansätze - Notwendigkeit einer differenzierenden Behandlung aufgrund Interessenabwägung 9. Analyse der gesetzlichen Regelungen und der zur Einordnung vorgebrachten Argumente Zunächst soll geprüft werden, ob anhand des Inhalts oder der Normstruktur der gegebenen gesetzlichen Regelungen bzw. - soweit vorhanden - aufgrund der bisher vorgebrachten Argumente eine zufriedenstellende Lösung der Einordnungsproblematik gefunden werden kann. 9.1. Offenheit der gesetzlichen Regelungen

Das BGB hat in den Vorschriften zum Werkvertragsrecht ausdrücklich weder eine Rechtspflicht zur Vornahme von Mitwirkungshandlungen normiert (wie z. B. hinsichtlich der Abnahme in § 640 Abs. 1 BGB) noch eine solche ausgeschlossen. Allerdings wurden mit den §§ 642, 643, 645 Abs. 1 S. 2 BGB Sonderregelungen hinsichtlich unterlassener Bestellermitwirkung geschaffen. Der Gesetzgeber hat damit zu erkennen gegeben, daß er die Bestellermitwirkung differenziert zur schlichten Annahmehandlung des Gläubigers sieht, für die in den §§ 293 ff. BGB die allgemeinen gesetzlichen Regelungen getroffen wurden. Aus dem Regelungsinhalt der §§ 642, 643, 645 BGB nun läßt sich jedoch weder für noch gegen die Annahme einer Mitwirkungspflicht ein zwingendes Argument schlußfolgern, auch wenn dies teilweise - bezeichnenderweise von Vertretern beider Meinungen jeweils zur Abstützung ihrer eigenen Auffassungl - angenommen wird. Zunächst stellt § 642 Abs.l BGB zwar darauf ab, daß der Besteller durch das Unterlassen einer Mitwirkungshandlung in Annahmeverzug gerät. Hier ist der Annahmeverzug aber lediglich in der Funktion nor1

s. dazu im folgenden bei Fn. 3 ff.

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

miert, als Tatbestandsvoraussetzung für die verschuldensunabhängige Entschädigungsfolge zu dienen, nicht aber (ausschließliche) Rechtsfolge der unterlassenen Bestellermitwirkung zu sein. Aufgrund des eingeschränkten Regelungsbereichs des § 642 Abs. 1 BGB kann somit nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, es werde hierdurch festgelegt, daß der Besteller nur 'in Annahmeverzug geraten kann, nicht aber gleichzeitig auch in Schuldnerverzug. Dies läßt das Gesetz vielmehr offen2 • Ergiebiger scheint dagegen der Versuch zu sein, aufgrund der in § 642 BGB normierten Entschädigungsrechtsfolge die E'inordnung der Bestellermitwirkung vorzunehmen. Die Schwierigkeiten hierbei zeigen sich aber bereits daran, daß auf der einen Seite Esser / E. Schmide aus der Entschädigungsregelung in § 642 BGB ein Argument gegen die Pflichtigkeit der Mitwirkung folgern, Fikentscher4 und Erman/Seiler 5 dagegen gerade umgekehrt argumentieren. Die Vertreter beider Auffassungen bedienen sich hierbei der gleichen Argumentationsweise, nämlich von der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge her auf den Pflicht- bzw. Nichtpflichtcharakter ruckzuschließen. Daß man hierbei zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt, beruht darauf, daß die Rechtsnatur der Entschädigungsvorschrift des § 642 BGB verschieden beurteilt wird. So begründen Esser / E. Schmidt ihre Auffassung damit, daß die in § 642 BGB angeordnete Entschädigung kein Schadensersatz, sondern ein Teil des normalerweise erst mit der kompletten Herstellung des Werks geschuldeten Entgelts sei6 • Dem steht allerdings entgegen, daß die Vorschrift des § 642 BGB mit Recht - überwiegend gerade nicht als Vergütungs-, sondern als (wenn auch zu einem Entschädigungsanspruch modifizierte) Schadensersatzregelung angesehen wird7 • Denn der Anspruch aus § 642 BGB ist unabhängig vom Schicksal des Vergütungsanspruchs. So ist auch einhellig anerkannt, daß die Entschädigung nach § 642 BGB dem Unternehmer neben der Vergütung zusteht, wenn es noch zur Vertragsdurchführung kommts. Die Entschädigungspflicht nach § 642 BGB stellt somit eine echte Sanktion für die unterlassene Bestellermitwirkung dar. 2 Auch die Motive (11, S.496) haben darauf hingewiesen allerdings nur für den Fall einer Vereinbarung der Mitwirkungshandlung als Schuldnerpflicht -, daß der Besteller bei unterlassener Mitwirkung gleichzeitig in Gläubiger- und Schuldnerverzug geraten könne. 3 Esser / E. Schmidt, Tb 1, § 4 V (S. 44 Fn. 32). 4 Schuldrecht, § 80 111 3. 5 Erman/Seiler, § 642 Rdn.2; ebenso früher Esser, Schuldrecht I, 4. Auf!.,

§5 V.

Esser / E. Schmidt, Tb 1, § 4 V (S.44 Fn.32). Soergel/Mühl, § 642 Rdn.3; MünchKomm-Soergel, § 642 Rdn.7; Jauernig/ Schlechtriem, §§ 642, 643 Anm. 3; Staudinger/Riedel, § 642 Rdn. 1; Oertmann, BGB, § 642 Anm. 2; Korintenberg, S.47. 8

7

9. Gesetz!. Regelungen - vorgebrachte Argumente

65

Untersuchenswert ist aber, ob aus der Tatsache, daß die Entschädigungssanktion normiert wurde, auf die Pflichtigkeit der Mitwirkung geschlossen werden kann, bzw. ob deshalb, weil keine volle Schadensersatzpflicht festgesetzt wurde, die fehlende Pflichtigkeit zu folgern ist. Die Identifizierung einer Norm anhand der mit ihr verknüpften Verletzungssanktion ist keine juristische Eigentümlichkeit, sondern eine auch in der Soziologie gebräuchliche Methode. Teilweise wird die Sanktionsbehaftetheit sogar als Definitionselement einer verbindlichen Norm angesehen 9 und die Art der Sanktion als Kriterium, das sie von anderen Phänomenen der sozialen Ordnung wie z. B. Brauch, Sitte, Konvention unterscheidet1o. Insoweit könnte man eine Parallele zwischen der sozialen Stufenleiter (Brauch, Sitte, Konvention, Recht) und der juristischen Hierarchie (neutrale Handlung, Obliegenheit, Rechtspflicht) ziehen, eine Parallele, die jedoch für die vorliegende Problematik ohne heuristischen Wert ist. Jedenfalls bestehen methodische Bedenken, die Frage nach der Rechtspflicht von der Art der Sanktion her zu beantworten. Denn die Sanktion stellt lediglich ein sekundäres Phänomen dar, das die Existenz einer Norm an sich voraussetzt: Sanktionen sind Reaktionen auf einen Normbruchl l , wobei der Normbruch logischerweise das Bestehen einer Norm impliziert. Während nun in der empirischen Soziologie der Schluß von der Sanktion auf die Norm aufgrund der dort g·egebenen Beobachtbarkeit als angängig erscheint, so erweist sich dies in der normativ ausgerichteten Jurisprudenz als fragwürdig, denn die Frage der Pflichtigkeit einer Handlung erfordert hier vorrangig eine an rechtlichen Kriterien orientierte Entscheidung. Erst als zweites schließt sich die Sanktionsfolge an, was allerdings nicht ausschließen soll, daß das gefundene Ergebnis anhand der Rechtsfolgen, die die Einordnung ergibt, auf seine Angemessenheit hin überprüft werden kann. Abgesehen von diesen grundsätzlichen Vorbehalten ließe sich im vorliegenden Fall von der Sanktionsfolge her die Frage der Einordnung der Mitwirkungshandlungen nicht verbindlich beantworten. Denn fest steht nur, daß auf der einen Seite die Entschädi.gungspflicht keine klassische Schadensersatzpflicht darstellt: Zum einen setzt sie nicht das grundsätzlich erforderliche Verschulden12 voraus, zum andern ist sie in ihrem Umfang eingeschränkt, sie gibt nur "angemessene Entschädi8 Palandt/Thomas, § 642 Anm. 2; Erman/Seiler, § 642 Rdn. 9 ff.; Staudinger/ Riedel, § 642 Rdn.6; Enneccerus/Lehmann, § 152 III 1; Esser/Weyers, Tb 1, § 32 III 3; s. auch RGZ 100, 46, 47. 9 Vgl. die Nachweise bei Spittler, S. 9 ff. u. Lautmann, S.62, 66; s. auch Struck, Topische Jurisprudenz, S. 27 f. 10 Vgl. Geiger, S. 98 ff., 138 ff.; M. Weber, S. 15 ff. U Vgl. Dux, S.37. 12 Vgl. Fikentscher, Schuldrecht, § 53 I.

5 MüIJer-FoelJ

66

2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

gung" , nicht aber vollen Schadensersatz13. Auf der anderen Seite ist die Entschädigungspflicht keine typische Rechtsfolge für Obliegenheitsverletzungen, wie z. B. Verlust oder Schmälerung eigener Ansprüche des Verletzers14. Ob man nun die Entschädigungsregelung der klassischen Schadensersatzpflicht näherstehend sieht und daher die Mitwirkungshandlungen als Rechtspflichten betrachtet oder ob man sie den üblichen Nachteilen bei Obliegenheitsverletzungen zurechnet und daher als Obliegenheit einstuft, ist eine Frage, die wiederum nur aufgrund einer Analyse der Struktur der Bestellermitwirkung und der sich daraus ergebenden Bewertung angemessen beantwortet werden kann. Esser ist zuzustimmen, wenn er ausführt15, daß die Abgrenzung der Obliegenheiten zu den eigentlichen Vertragspflichten sich schlechterdings nicht am System des Zwangs, sondern nur am System des Pflichtbegriffs verbindlich nachweisen läßt: "Rechtswidrigkeit und Pflichtwidrigkeit sind keine konstruktiven Hilfsvorstellungen von pragmatischer Bedeutung, sondern unmittelbare juristische Werturteile, die gegenüber der Sanktionsfrage das proteron darstellen. Ein noch so reinlich gedachter Empirismus in der Betrachtung der Pflichtfrage von der Sanktion her entfremdet demnach die Jurisprudenz dem Leben, statt sie - wie es gemeint ist - realistischer zu machen"16. 9.2. Bindung durch die Motive?

Während die gesetzliche Regelung selbst also die Kategorisierung der Mitwirkungshandlungen offenhält, haben sich die Motive mittelbar gegen deren Pflichtcharakter ausgesprochen: "Ist jedoch der Annahmeverzug ein verschuldeter, so kann mit demselben ein Erfüllungsverzug des Bestellers konkurrieren, wenn derselbe nach dem Inhalte des Vertrages dem Übernehmer gegenüber ,als Schuldner' verpflichtet ist, in der erforderlichen Weise bei der Ausführung des Werkes mitzuwirken"17. Daraus kann gefolgert werden, daß der Besteller an sich nicht, sondern nur, wenn nach dem Inhalt des Vertrags eine entsprechende Vereinbarung besteht, zur Erbringung der Mitwirkungshandlung verpflichtet sein soll. Auch wenn man diese Folgerung aus den Motiven zieht, erf?;ibt sich daraus keine Bindung für die heutige Gesetzesauslegung. Abgesehen 13 Vgl. Staudinger/Riffiel, § 642 Rdn. 6 ff. Zum Umfang des Anspruchs aus § 642 BGB s. im einzelnen u. 14.1.2.1. l' Vgl. Larenz, BGB AT, § 12 II d; Esser / E. Schmidt, Tb 1, § 4 V. 15 Im Rahmen einer Rezension zu R. Schmidt, Die Obliegenheiten, in AcP 154 (1955), 49 ff. lS Esser, AcP 154 (1955) 49, 50. 17 Mot. II, S. 496.

9. Gesetzl. Regelungen - vorgebrachte Argumente

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davon, daß die Motive keine offizielle Begründung der ersten Gesetzgebungskommission sind18 , käme man andernfalls zu einer streng subjektiven Auslegung, deren Bedeutung aber gerade bei älteren Gesetzeswerken aufgrund der sich wandelnden gesellschaftlichen Verhältnisse19 relativiert ist und durch objektiv-teleologische Auslegungskriterien ergänzt werden muß: "In das Gesetz als die Objektivation des auf Beschaffung einer rechtlichen Regelung oder Teilregelung gerichteten Willens seines Urhebers gehen ebenso dessen ,subjektive' Vorstellungen und Willensziele, wie gewisse ,objektive' rechtliche Zwecke und Sachzwänge ein, deren sich der Gesetzgeber selbst nicht oder nicht in vollem Umfang bewußt zu sein braucht. Beides hat zu berücksichtigen, wer ein Gesetz voll verstehen will. Jeder Gesetzgeber muß an die Rechtsvorstellungen und auch an die Ausdrucksmöglichkeiten seiner Zeit anknüpfen; er sieht sich vor bestimmte Rechtsprobleme gestellt, die sich wiederum aus den Verhältnissen seiner Zeit ergeben. Mit dem Fortgang der Zeit treten bestimmte Fragen in ihrer Bedeutung zurück, andere, neuartige treten hervor. Wer das Gesetz jetzt auslegt, sucht in ihm eine Antwort auch auf die Fragen seiner Zeit,,2Q. Der heutige Norminterpret kann somit nicht an Aussagen in den Motiven gebunden sein, zumal wenn diese - wie im vorliegenden Fall - sich nur mittelbar folgern lassen. 9.3. Gläubiger als Schuldner?

Die oben21 dargestellten Argumente Kohlers, die letztlich darauf hinauslaufen, daß schon begrifflich der Besteller als Gläubiger nicht hinsichtlich der Mitwirkungshandlungen Schuldner des Unternehmers sein könne, wurden - wie dargestellt22 - durch die komplexere Betrachtungsweise des Schuldverhältnisses als Gefüge, das beiderseitige Rechte und Pflichten mit sich bringen kann, überholt und können daher heute nicht mehr zwingend sein. Es läge im Gegenteil im Zuge der Entwicklung des Schuldverhältnisses in Richtung auf die verstärkte Etablierung von Nebenpflichten, die auch der Rechtsstellung des Gläubigers innewohnen23 , die Mitwirkungspflichten des Bestellers als echte Rechtspflichten einzustufen. Insgesamt wäre dies aber eine zu schematische und demnach nicht angängige Fortschreibung einer Entwicklung. Vgl. Jakobs/Schubert, Einführung, S. 49 f. Larenz (Methodenlehre, S. 338) spricht hier vom Wandel der Normsituation. 20 Larenz, Methodenlehre, S.304; vgl. auch Pawlowski, Methodenlehre, Rdn. 370; Betti, S. 632 ff. 21 s. 3.2.3. 22 s. 5.2.2. 23 Palandt/Heinrichs (Einf. vor § 293 Anm. 1) verweisen darauf, daß das Gesetz die Pflichten des Gläubigers nicht hinreichend würdige. 18

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68

2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik 9.4. Mangelnde Argumentation der "Obliegenheitstheorie"

Soweit in der aktuellen Literatur und Rechtsprechung die Bestellermitwirkung als Obliegenheit eingeordnet wird, wird vielfach hierfür keinerlei Begründung angegeben24 bzw. von der Literatur auf die Rechtsprechung verwiesen 25 oder etwa - zu ungenau 26 - angeführt, daß das Gesetz die Bestellermitwirkung nicht als Schuldnerpflicht ausgestaltet habe27 • Soweit teilweise auf ein mangelndes Interesse des Bestellers an der Werkdurchführung hingewiesen wird, geschieht dies meist nur in indirektem Zusammenhang mit der Bestellermitwirkung, nämlich im Rahmen einer Begründung für die Statuierung des freien Kündigungsrechts in § 649 BGB28 • Zwingende Argumente für eine Einordnung als Obliegenheit sind somit nicht vorfindbar. 9.5. Zur Begründung einer Einordnung der Bestellermitwirkung als Rechtspfticht

Soweit in der Literatur die Bestellermitwirkung generell als Rechtspflicht eingestuft wird, wird zur Begründung meist auf die auch vom Gläubiger geschuldete Vertragstreue verwiesen, die der Besteller durch die Mißachtung der Mitwirkungshandlungen verletze29 • Glanzmann folgert hieraus ein Recht des Unternehmers darauf, daß der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt wird30 • Insgesamt erscheint diese Argumentation zu unexpliziert und vage, um zwingend zu wirken. Denn auch die Verletzung von Obliegenheiten kann sich letztlich als Verletzung der Vertragstreue im weiteren Sinn darstellen 31 - so etwa bei den Anzeigeobliegenheiten im Versicherungsrecht32 - , wenn auch als minder schwere. Somit können nur Gewicht und Auswirkung der Verletzung für die Frage der Einordnung als Rechtspflicht oder Obliegenheit entscheidend sein; dazu bedarf es aber im Falle der Bestellermitwirkung einer genaueren Analyse. Eine nähere Argumentation für die Einordnung der Bestellermitwirkung als Rechtspflicht in bestimmten Bereichen33 hat lediglich Nick24 Esser/Weyers, Tb 1, § 33 II 3. Auch die aktuelle Rechtsprechung stellt nur apodiktisch den angeblichen Obliegenheitscharakter fest; s. insbes. BGHZ 11, 80, 83; BGHZ 50, 175, 179. 25 So z. B. Palandt/Thomas, § 642 Anm. 1. 28 Die Offenheit des Gesetzes in dieser Frage wurde o. 9.1. dargelegt. 27 Larenz, Schuldrecht II, § 53 III c. 28 So Soergel/Mühl, § 649 Rdn. 1; Erman/Seiler, § 649 Rdn. 1. 2D So Glanzmann, BGB-RGRK, § 631 Rdn. 46; Köpcke, S. 69 f. 30 BGB-RGRK, § 631 Rdn.46. Si Vgl. R. Schmidt, S. 275 f.; Stau dinger/Weber, § 242 Anm. A 173. 32 Vgl. Prölss/Martin, Vorbem. II 3; Staudinger/Weber, § 242 Anm. A 851.

10. Begrifflich-subsumtive Eirrordnung

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lisch gebracht, indem er -insbesondere auf die veränderten Strukturen moderner Werkverträge hinwies, die eine Revision der überlieferten Einordnung der Mitwirkungshandlungen als Obliegenheiten erforderlich machten 34 • Methodisch ble-ibt er hierbei jedoch auf der Stufe der Vertragsauslegung35 stehen, ohne die zusätzliche Frage zu stellen, inwieweit Mitwirkungshandlungen "kraft Gesetzes", also im Wege der Norminterpretation, ihrer Struktur nach als Rechtspflicht einzustufen sind. Diese kategoriale Frage bleibt bei seiner Analyse ausgeklammert. 10. Zu Möglichkeiten einer begrifflich-subsumtiven Einordnung der BesteUermitwirkung 10.1. Mitwirkungshandlungen und Obliegenheitsbegriff

Eine subsumtive Einordnung der Mitwirkungshandlungen unter den von Reimer Schmi:dt geprägten 36 Obliegenheitsbegriff erweist sich bei näherem Hinsehen als problematisch. Schmidt hat den Obliegenheitsbegriff dem Privatversicherungsrecht entnommen37 • Dort aber sind die Obliegenheitstatbestände in Voraussetzungen und Rechtsfolgen klar umrissen. Der Obliegenheitsbegriff erfüllt hier demnach eher terminologische Funktion38 • Eine übertragung des Obliegenheitsbegriffs auf andere Tatbestände wäre deshalb nur dann ohne weiteres zulässig, wenn auch deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen feststünden und mit den versicherungsrechtlichen Tatbeständen strukturell vergleichbar wären. Schon ersteres ist aber bei den Mitwirkungshandlungen nicht der Fall: Hier hat das Gesetz zwar Regelungen mit Verletzungssanktionen statuiert, die aber keinen abschließenden und ausschließlichen Charakter besitzen39 • Vielmehr kann hier erst die logisch vorrangige Einordnung der Mitwirkungshandlungen zur Festlegung der entsprechenden Verletzungssanktion führen. Vorher ist eine - der von Schmidt vorgenommenen analoge - Betrachtung der Tatbestands-Rechtsfolgen-Verknüpfung nicht möglich. Die Methode Schmidts, die Einordnung von der Verletzungssanktion her vorzunehmen, erweist sich somit für die Mitwirkungshandlungen als nicht durchführbar. 33

533. 34 3S

88 31

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Nämlich bei größeren Bau- und Industrieanlagenverträgen, s. BB 1979, Nicklisch, BB 1979, 533, 537 ff. s. BB 1979, 533, 540 f. s. dazu o. 7.2.1. Vgl. R. Schmidt, S.3. Vgl. Esser, AcP 154 (1955), 49, 50. s. dazu o. 9.1.

2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

70

Auch der von Schmidt zusätzlich eingebrachte Gesichtspunkt der "gespaltenen Interessenlage"40, die für Obliegenheiten charakteristisch sei, ergibt kein eindeutiges Kriterium dafür, ob eine Rechtspflicht anzunehmen ist oder nicht. Denn die Erbringung jeder Pflicht geschieht auch im Interesse des Pflichtigen, nämlich zum einen, um von der Pflicht befreit zu werden, und zum andern, um Verletzungssanktionen zu vermeiden. So muß Schmidt auch selbst einräumen, daß von der logischkonstruktiven Seite her keine Bedenken bestünden, eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers zu schaffen41 . Zudem führt er selbst Fälle an, in denen ohnehin eine Pflicht zur Mitwirkung angenommen wird 42 , obwohl auch hier zweifelsfrei eine gespaltene Interessenlage vorliegt. Auch angesichts dieser inhaltlichen Unschärfe des Obliegenheitsbegriffes erweist sich eine bloße Subsumtion als kaum durchführbar. 10.2. Mitwirkungshandlungen und Rechtspftichtbegriff

Nachdem der Versuch einer subsumtiven Einordnung der Bestellermitwirkung mittels des Obliegenheitsbegriffs gescheitert ist, soll nun von der Gegenseite - dem Rechtspflichtbegriff - her untersucht werden, ob anhand vorfindbarer Definitionen oder Begriffsexplikationen das Einordnungsproblem gelöst werden kann.

10.2.1. Definitionen der Rechtspfiicht Die Rechtspflicht gilt als Kardinalbegriff des Privatrechts43 • Im Widerspruch zu dieser Aussage steht die Tatsache, daß eine Reihe moderner Lehrbücher des Allgemeinen Teils des BGB und des Schuld rechts der Rechtspflicht keinen eigenen Sachabschnitt widmet44 • Offenbar scheint der Rechtspflichtbegriff so geläufig zu sein, daß er nicht weiter der Erklärung bedarf45 • Soweit in der juristischen Fachliteratur dem Begriff der Rechtspflicht Beachtung gezollt wird, ist zunächst festzustellen, daß eine operationale Definition46 der Rechtspflicht, die Indikatoren geben könnte, anhand derer sich im Einzelfall eine beliebige Rechtshandlung als Pflicht klassifizieren ließe, nicht vorfindbar und wohl auch nicht möglich ist. Überwiegend werden Realdefinitionen, 40

R. Schmidt, S. 315.

S.147. S. 147 Fn.733. 4S Vgl. v. Tuhr, 1. Bd., § 4 I; Weichselbaumer, S. 37. 44 SO Z. B. die Lehrbücher zum BGB AT von Diederichsen, Rüthers, Westermann, Lehmann/Hübner, Pawlowski; zum Schuldrecht AT von Esser/E. Schmidt. 45 Vgl. Bruns, FS Nipperdey, Bd. 1, S.3, 13. 48 $. b.ierzu Esser/Klenovits/Zehnpfennig, Bd. 1, S. 86 ff.; Friedrichs, S. 77 ff. 41

4!

10. Begrifflich-subsumtive Einordnung

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d. h. Wesensdefinitionen47 , gegeben. So führt z. B. von Tuhr aus, daß rechtlich verpflichtet der sei, an den ein Befehl der Rechtsordnung ergeht48 • Larenz definiert die Rechtspflicht als ein bestimmtes Sollen, das die Rechtsordnung als Normenordnung auferlegt49 • E. Wolf geht bei seiner Definition der Rechtspflicht von der traditionellen Definitionslehre aus, indem er von dem Rechtspflichtbegriff zur nächsthöheren Art (genus proximum) aufsteigt und die Merkmale angibt, die für die zu definierende Art spezifisch sind und durch die sie sich von anderen Arten der gleichen Gattung unterscheidet (differentia specifica)50: "Eine Rechtspflicht ist ein rechtliches Verhältnis mit dem Inhalt, daß ein daran Beteiligter (der Verpflichtete) in einer Entscheidung gebunden ist"51. Daß mit Hilfe solcher Definitionen eine Problemlösung im Einzelfall nicht erwartet werden kann, ist offensichtlich. Das Dilemma dieser Definitionen besteht darin, daß die Rechtswirklichkeit eine komplexe Fülle von als Rechtspflichten infrage kommenden Handlungen bereit hält, die sich nur schwerlich unter eine Einheitsdefinition zwingen lassen52 , es sei denn, diese ist so vage, daß sie allenfalls wesensmäßig Erkenntniswert besitzt, nicht aber subsumtive Funktionen erfüllen kann.

10.2.2. Der psychologische Rechtspflichtbegriff Die psychologische Rechtsfindungsmethode basiert auf der Anerkennungstheorie, die in der Jurisprudenz eine relativ weite Verbreitung gefunden hat53 . Sie ist ausführlich von Ernst Rudolf Bierling entwickelt und vertreten worden54 und beruht auf der Vorstellung, daß die Verbindlichkeit des Rechts aus dessen Anerkennung durch die Rechtssubjekte herzuleiten sei. So versteht Bierling unter Recht im juristischen Sinne "alles, was Menschen, die in irgendwelcher Gemeinschaft miteinander leben, als Norm und Regel dieses Zusammenlebens wechselseitig anerkennen"55. Der Rechtspflichtbegriff folgt dann aus seiner Anbindung an die Rechts47 Zu den Begriffen der Real- und Nominaldefinition s. z. B. EssIer, Bd. I, S. 39 ff.; s. dazu auch Bucher, Rth 1970, 23 ff. 48 v. Tuhr, 1. Bd., § 4 I (S. 93). 40 Larenz, BGB AT, § 12 II c (S. 176). so s. dazu Essler, Bd. I, S. 48. 51 E. Wolf, BGB AT, § 2 CI (S.84). 52 Gleiche Schwierigkeiten entstehen bei der Definition des subjektiven Rechts, s. dazu Kasper, S. 123 ff., 176. 53 Vgl. Schreiber, S. 84 ff. S4 In seiner "Kritik der juristischen Grundbegriffe" und dem Hauptwerk "Juristische Prinzipienlehre" . 55 Prinzipienlehre, Bd. I, S. 19.

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

norm: "Eine Rechtsnorm erscheint dem Rechtsgenossen als Inhalt seiner Rechtspflicht, sofern er diese Norm einerseits als von anderen Rechtsgenossen an ihn gerichtete, andererseits als von seinem eigenen Willen anerkannte weiß. In dieser Begriffsbestimmung ist schon mitenthalten, daß die Rechtspflicht das notwendige und vollständige Korrelat des Rechtsanspruchs ist: wie letzterer der Ausdruck des in bestimmter Beziehung für einen anderen norm-gebenden Willens, so ist die Rechtspflicht der Ausdruck des entsprechenden, d. h. in derselben bestimmten Beziehung von dem andern norm-nehmenden Willens. Rechtsanspruch und Rechtspflicht stellen also die beiden notwendigen, aber auch stets zureichenden Seiten eines Verhältnisses von Rechtsgenossen zu Rechtsgenossen dar, welches wir eben darum technisch als Rechtsverhältnis bezeichnen"56. Konstituierendes Merkmal des Rechts allgemein und speziell auch der Rechtspflicht ist somit die Anerkennung, unter der Bierling allerdings nicht ein "auf den einzelnen Fall beschränktes Indienststellen des Willens seitens des Willeninhabers unter den Willen eines Dritten"S7, also nicht den psychischen Einzelakt der Anerkennung versteht, sondern ein "ununterbrochenes, habituelles Respectieren, sich gebunden oder unterworfen fühlen in Beziehung ... auf gewisse Grundsätze "S8. Die Kritik an der auf der Anerkennungstheorie basierenden psychologischen Methode ist verbreitet formuliert wordens9 und soll hier nur in den Grundzügen nachgezeichnet werden. Zunächst mag die Anerkennung einer Norm als Rechtsnorm zwar Bedeutung für die faktische Rechtsgeltung haben, insofern als sie Motiv für die Rechtsbefolgun.g sein kann60 • Problematisch ist es, die Anerkennung zum konstituierenden Merkmal von Recht zu erheben. Denn diese psychologisch-positivistische Sicht bedeutet einen Verzicht auf die Frage nach der normativen Geltung des Rechts, nach dem Sollen. Letzten Endes hat denn auch Bierling uner dem Eindruck der Kritik an seiner Methode den Begriff der Anerkennung aufgelöst, indem er diese nicht notwendig als freiwillige und nicht notwendig als bewußte faßt und indem er zur Konstruktion der "indirekten Anerkennung" greift61 : "Die Anerkennung braucht ferner nicht immer eine direkte, d. h. unmittelbar auf jede einzelne Rechtsnorm gerichtete zu sein. Vielmehr ist auch eine bloß indirekte Anerkennung ausreichend, diejenige Anerkennung nämlich, welPrinzipienlehre, Bd. I, S. 171. Grundbegriffe, Bd. I, S. 51. 58 Grundbegriffe, Bd. I, S. 8; ähnlich auch Prinzipienlehre, Bd. I, S.43. 58 Vgl. Schreiber, S. 90 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 42 ff.; Welzel, FS Hugelmann, Bd. 2, S. 833, 839 ff. so Vgl. auch Henkel, S. 546 ff. 01 Prinzipienlehre, Bd. I, S. 45 f. se

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10. Begrifflich-subsumtive Einordnung

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che nichts anderes ist, als die schlechthin notwendige logische Konsequenz einer anderen, natürlich im letzten Grunde notwendig einer direkten Rechtsnormen-Anerkennung. So erscheinen alle Normen, die sich in verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzen finden, darum allein schon als indirekt anerkannte Rechtsnormen, sofern und so lange eine wahre Rechts-Anerkennung bezüglich der betreffenden Verfassung oder auch nur der auf den Erlaß um die Verbindlichkeit von Gesetzen bezüglichen Bestimmungen besteht"62. In dieser Form aber löst sich der Anerkennungsbegriff endgültig auf und gewinnt einen "hypothetischen, ja fiktiven Charakter"63. Die psychologische Methode erweist sich auch für die vorliegende Problemstellung als nur eingeschränkt tauglich. Sie anzuwenden, hieße, die Bestellermitwirkung dann als Rechtspflicht einzuordnen, wenn sie der Besteller als vom Unternehmer an ihn gerichtete Pflicht wüßte und seinerseits sie als solche anerkennen würde. Dies festzustellen, würde eine empirische Untersuchung erfordern, die gewiß relevante Aufschlüsse über Einstellungen zur Bestellermitwirkung geben könnte, sofern eine aktuelle Rechtsauffassung zu dieser Frage überhaupt existiert. Nicht verkannt werden soll auch, daß eine Wechselwirkung zwischen soziologischer Rechtsüberzeugung und juristischer Normsetzung existiert64 . Eine einfache Extrapolation der Rechtswirklichkeit auf die normative Ebene verbietet sich jedoch angesichts der Tatsache, daß Recht nicht bloße Faktizitäten festschreiben, sondern normativ regulierend wirken wil165 . Insofern wäre allenfalls eine kontrollierende Rezeption möglich, wobei die Kontrolle darin bestünde, daß die empirischen Anschauungen an Rechtsnormen oder Rechtsprinzipien gemessen würden. Zudem existieren häufig - und dies wäre gerade bei der Einordnung der Bestellermitwirkung zu erwarten - divergierende Anschauungen, so daß diesbezüglich eine an rechtlichen Werten orientierte Interessenabwägung erforderlich wäre 66 . 10.2.3. Der normlogische Rechtspflichtbegriff

Normlogische Aspekte sind im Laufe dieser Untersuchung schon mehrfach aufgetreten, nämlich immer dann, wenn versucht wurde, die Art der Sanktion, die an eine bestimmte Rechtshandlung geknüpft ist, als Kriterium für deren Pflichtigkeit oder Obliegenheitscharakter zu setzen67 . Prinzipien lehre , Bd. I, S. 46. Welzel, FS Hugelmann, Bd. 2, S. 833, 840. 64 Vgl. Coing, Rechtsphilosophie, S. 239. 65 Vgl. Henkel, S. 38. 66 So Teubner (Generalklauseln, S. 91 f.) hinsichtlich der Rezeption sozialer Normen für die Präzisierung der Gute-Sitten-Klauseln. 87 s. insbes. o. 7.2.1. u. 9.1. 82

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

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Diese Betrachtungsweise der Rechtspflicht geht im wesentlichen zurück auf Hans Kelsens Reine Rechtslehre68 , die den Versuch darstellt, die Rechtswissenschaft als reine Normwissenschaft zu etablieren. Kelsen will in einer Art methodischen Kahlschlags die Rechtswissenschaft von allen ihr fremden Elementen befreien, und das sind in seinen Augen sowohl Seins aussagen als auch Werturteile, so daß die Rechtswissenschaft von Psychologie und Soziologie, von Ethik und politischer Theorie gleichermaßen abzugrenzen sei69 • Nachdem so das Recht - von jeglichem Inhalt befreit - nur noch als formales Gerippe ge faßt wird, verbleibt der Rechtswissenschaft allein die Aufgabe der Analyse der logischen Struktur von Rechtsnormen. Von diesem Ausgangspunkt her sind Kelsens Aussagen zur Rechtspflicht zu verstehen. Kelsen setzt sich scharf von Auffassungen ab, die die moralische Pflicht mit der Rechtspflicht gleichsetzen und als psychischen Zustand innerer WiIlensgebundenheit im menschlichen Bewußtsein ansiedeln wollen 70. Einem solchen an der Seinswirklichkeit orientierten Rechtspflichtbegriff setzt Kelsen den reinen logisch-normativen entgegen, den er aus den Sätzen ableitet, Rechtspflicht sei die "subjektive Erscheinungsform des Rechtssatzes"71, die "Subjektivierungsfähigkeit" der Rechtsnorm. d. h. ihre "Anwendbarkeit auf ein konkretes Subjekt"72; ähnlich formuliert Kelsen später in seiner Allgemeinen Staatslehre: "Rechtspflicht ist ... die individuelle völlig konkretisierte Rechtsnorm, sofern sie ein konkretes, individuell bestimmtes Verhalten als gesollt setzt"73. Die Subjektivierung des Rechtssatzes findet nun in der Verbindung mit einer Sanktion ihren Ausdruck, die der Rechtssatz an das gegenteilige Verhalten knüpft: Rechtspflicht ist die positive Rechtsnorm, die das Verhalten dieses Individuums dadurch gebietet, daß sie an das gegenteilige Verhalten eine Sanktion knüpft74 . Der Begriff d2r Rechtspflicht steht so in einem Wesenszusammenhang mit der Sanktion: "Rechtlich verpflichtet ist das Individuum, das durch sein Verhalten das Unrecht, das ist das Delikt, begehen und so die Sanktion, die Unrechtsfolge, herbeiführen kann, der potentielle Delinquent; oder durch das gegenteilige Verhalten die Sanktion vermeiden kann. Im ersten Fall spricht man von Pflichtverletzung, im zweiten von Pflichterfüllung"75. 88

eG 70 71 72 73

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s. insbes. sein gleichnamiges Werk. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 1. Vgl. Kelsen, Staatsrechtslehre, S. 313 ff.; ders., Reine Rechtslehre, S.121. Staatsrechtslehre, S.329. Staatsrechtslehre, S. 348. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 62. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 121. Reine Rechtslehre, S. 121 f.

11. Lösungsweg : In teressena bwägung

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Es soll hier nicht die Rechtslehre Kelsens einer globalen Beurteilung unterzogen werden76 • Im Hinblick auf die vorliegende Problemstellung bestätigt sich jedenfalls der von Larenz gegen Kelsens Reine Rechtslehre erhobene Vorwurf, daß "ihr Ertrag für die Praxis gering ist"77. Kelsen zeichnet lediglich die logisch-formale Struktur der Rechtspfticht. Erkenntniswert ist damit nur gewonnen, wenn ein betreffender Rechtssatz als existent vorausgesetzt wird. Auf die hier gestellte Frage, ob ein solcher Rechtssatz überhaupt erst zu statuieren ist, kann und will diese Betrachtungsweise keine Antwort geben, da eine solche Fragestellung Sollensentscheidungen impliziert, die Kelsen gerade aus der Rechtswissenschaft verbannt wissen will. Zwar mag dieser Purismus78 methodisch durchaus zu rechtfertigen sein; er muß aber notwendigerweise an praktischen Problemen der Rechtswissenschaft vorbeigehen und führt nicht zu Unrecht zu dem Vorwurf, daß die reine juristische Methode die Rechtswissenschaft in eine von den Realitäten des gesellschaftlichen und politischen Lebens isolierte unfruchtbare Selbstgenügsamkeit geführt hae 9 • 11. Eigener Lösungsweg: Einordnung aufgrund Interessenabwägung Nachdem im vorstehenden die Offenheit der gesetzlichen Regelungen, die vielfach mangelnde Plausibilität der vorgebrachten Argumente sowie die Unmöglichkeit einer begrifflichen Problemlösung dargelegt wurden, soll im folgenden ein eigener Weg beschritten werden, der freilich auf überlieferter Methodik aufbaut: Es soll versucht werden, durch Analyse und Abwägung möglicher bzw. in der Rechtswirklichkeit vorfindbarer Interessen der beteiligten Vertragspartner hinsichtlich der Bestellermitwirkung eine Lösung des Einordnungsproblems zu finden. Warum ein Rekurs auf vorfindbare Interessen bei dem Problem der Einordnung der Bestellermitwirkung als Rechtspfticht oder Obliegenheit nützlich oder gar notwendig sein kann, hat bereits von Tuhr durch seine Aussage angedeutet, daß bei der Rechtspfticht die Unterwerfung des Willens nicht Selbstzweck der Rechtsordnung sei; vielmehr werde die Willensherrschaft dem Subjekt verliehen, "damit es seine Interessen in freier Betätigung fördere und stütze ... "so. 76 Vgl. hierzu Larenz, Methodenlehre, S. 74 ff.; Leininger. passim; Vonlanthen, passim, m. w. N. zum Schrifttum über Kelsen auf S. 7 Fn. 1. 77 Methodenlehre, S. 74 f. 78 Verosta (FS Verdross, S.I, 15) spricht gar von einem "übersteigerten Purismus". 7U Kaufmann, S. VI f. 80 v. Tuhr, 1. Bd., § 4 I (S.96). Auch in der moderneren Literatur wird im Zusammenhang mit Rechtspflichten und Obliegenheiten vielfach der Begriff

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

Als methodischer Rahmen für die Einbettung der Interessen in den Vorgang der Rechtsgewinnung bietet sich die Methodik der Interessenjurisprudenz an, deren Aussagen, Weiterentwicklungen und Reichweite im Rahmen der juristischen Problemlösung darzustellen sein werden. Anschließend soll in Anwendung dieser Methodik eine Analyse, rechtliche Bewertung und Abwägung der vorfindbaren Interessen hinsichtlich des Problems der Bestellermitwirkung vorgenommen werden. Schließlich soll angesichts der das Rechtssystem übergreifenden Bedeutung des Problems der Bestellermitwirkung über die Abwägung der individuellen Interessen hinausgehend im Wege einer Richtigkeitskontrolle untersucht werden, ob das vorgefundene Ergebnis durch eine ökonomischfunktionale Analyse der Mitwirkungsproblematik bestätigt wird oder sich als ökonomisch dysfunktion al erweist. 11.1. Zur Methodik d.er Interessenabwägung

11.1.1. Die Interessenjurisprudenz 81 Die Interessenjurisprudenz als Methode der Rechtsgewinnung und Rechtsanwendung entwickelte sich in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts in Abgrenzung gleichermaßen zur Begriffsjurisprudenz wie zur Freirechtsbewegung. Philipp Heck, der als Begründer der Interessenjurisprudenz angesehen wird 82 und der diese in seinen methodischen Schriften H3 eingehend expliziert und auch seinen dogmatischen Arbeiten bewußt zugrundegelegt hat 84 , beschreibt sein Anliegen folgendermaßen: "Bei der Interessenjurisprudenz des Privatrechts handelt es sich um drei Hauptaufgaben: um eine kritische Stellungnahme nach zwei Fronten, gegen die technische Begriffsjurisprudenz und gegen die des Interesses ins Spiel gebracht, vg!. MünchKomm-Roth, § 242 Rdn. 117 ff.; Erman/Sirp, Ein!. § 241 Rdn. 6; Esser / E. Schmidt, Tb 1, § 4 V; Dubischar, S. 48; s. auch R. Schmidt, S. 58 ff. 81 Zur Interessenjurisprudenz s. insbes. die monografischen Darstellungen von Edelmann, Die Entwicklung der Interessenjurisprudenz; Dombek, Das Verhältnis der Tübinger Schule zur deutschen Rechtssoziologie; Kallfass, Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz. Zusammenfassungen finden sich bei Larenz, Methodenlehre, S. 53 ff.; Pawlowski, Methodenlehre, Rdn. 105 ff.; Engisch, S. 184 ff.; Boehmer, Bürgerliche Rechtsordnung, 2. Buch, 1. Abt., S. 190 ff. 82 s. Larenz, Methodenlehre, S.53; Kallfass, S.3. Zum Prioritätsstreit mit Müller-Erzbach äußert sich Heck in AcP 140 (1935), 257 ff., 266 ff. 83 Hecks wichtigste methodische Arbeiten sind: Das Problem der Rechtsgewinnung; Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz; Begriffsjurisprudenz und Interessenjurisprudenz; Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz; Interessenjurisprudenz. 84 So schon in seiner Habilitationsschrift Das Recht der großen Haverei (s. das dortige Vorwort), insbes. aber auch in seinen Grundrissen des Schuldrechts (s. Vorwort, S. V) und des Sachenrechts (s. Vorwort, S. III).

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

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Freirechtslehre und um den positiven Aufbau der eigenen Lehre"85. Neben Heck zählen zu den Hauptvertretern der Interessenjurisprudenz der schon im Zusammenhang mit der Konzeption vom Schuldverhältnis als Organismus genannte Heinrich Stoll sowie Max von Rümelin und Rudolf Müller-Erzbach 86 . Als Vorläufer der Interessenjurisprudenz87 wird gemeinhin88 Rudolf von Jhering genannt, der nach seiner "Paulinischen" Wandlung vom Begriffsjuristen zum Zweckjuristen89 die gesellschaftliche Funktion des Rechts, dessen praktischen Zweck in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellte90 , ohne hieraus aber schon zu einer rechtswissenschaftlichen Methodik zu gelangen. Die3 blieh vielmehr der später auf von Jhering aufbauenden 91 Interessenjurisprudenz vorbehalten. Die Interessenjurisprudenz geht die Verknüpfung von Recht und Wirklichkeit in umfassender Weise vom Begriff des Interesses her an, nämlich sowohl die Rechtsentstehung als auch die Rechtsgewinnung sowie die Rechtsanwendung. Die Zentralkategorie des Interesses umschreibt Heck folgendermaßen: "Die Lebensforderungen bezeichnen wir schon im Sprachgebrauche des Alltags als Interessen. Bei dem Worte ist nicht etwa nur an die Wahrung materieller Güter zu denken. Schon die Sprache des Alltags redet von den höchsten Interessen der Menschheit, von sittlichen und religiösen Interessen. Nur in diesem weitesten Sinne, in der Beziehung auf alle Güter und alle Lebensideale, ist der Begriffsbildung, S. 9. Heck, Stoll und v. Rümelin bilden dabei die sog. Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, s. hierzu Kallfass, S. 5 ff., mit Hinweisen auf das Schrifttum der Genannten; Dombek, S. 17. Müller-Erzbachs Variante der Interessenjurisprudenz wird als "kausales Rechtsdenken" bezeichnet, s. hierzu Edelmann, S. BB; Dombek, S. 1B; eingehend zur Lehre Müller-Erzbachs Knauthe (passim), der freilich das kausale Rechtsdenken gegen die Interessenjurisprudenz abzugrenzen versucht (s. insbes. S. 101). Da im folgenden nur die Grundzüge der Interessenjurisprudenz dargestellt werden, erübrigt es sich, auf Differenzierungen innerhalb der Interessenjurisprudenz im einzelnen einzugehen; s. hierzu neben Knauthe (passim) Hubmann, AcP 155 (1956), 85, 91 ff.; Zippelius, S. 72 f. 87 Auf die Bedeutung des englischen Utilitarismus Benthams und dessen Rezeption durch Beneke für die Interessenjurisprudenz weist insbes. Coing hin, ARSP 54 (196B), 69 ff.; s. dazu auch Edelmann, S. 53 f.; Dubischar, S.42. 88 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 53; Dombek, S. 16 f. m. w. N. 8V Diese Wandlung hat Jhering mit den 1861 in der preußischen Gerichtszeitung anonym veröffentlichten "vertraulichen Briefen über die heutige Jurisprudenz" eingeleitet. Die Briefe sind später in Jherings Sammelband "Scherz und Ernst in der Jurisprudenz" wieder veröffentlicht worden. Zur Wandlung Jherings s. Kantorowicz, DRiZ 1914, 84 ff. 90 s. Jherings unvollendet gebliebenes Werk Der Zweck im Recht. VI Heck bezieht sich des öfteren ausdrücklich auf Jherings Gedankengut, s. Begriffsbildung, S. 30 f.; Interessenjurisprudenz, S. 12 f.; Rechtsgewinnung, S.1. 85 86

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

Begriff für die Rechtswissenschaft brauchbar und nur in diesem weitesten Sinne ist er gebraucht worden"92. Die Analyse der Rechtsentstehung nun ist Aufgabe der "genetischen Interessenjurisprudenz", während die "produktive Interessenjurisprudenz" Rechtsgewinnung und Rechtsanwendung beleuchtet 93 . Die genetische Interessenjurisprudenz geht davon aus, daß Grundlage des Rechts die Regelung von Interessenkonflikten ist, und zwar in der Weise, daß die konfligierenden Interessen sich kausal auf den Rechtsentstehungsprozeß niederschlagen: "Die Gesetze sind die Resultanten der in jeder Rechtsgemeinschaft einander gegenübertretenden und um Anerkennung ringenden Interessen materieller, nationaler, religiöser und ethischer Richtung. In dieser Erkenntnis besteht der Kern der Interessenjurisprudenz"94. Die Interdependenz zwischen Interesse und Recht ist freilich nicht im Sinne einer mechanischen Kausalität zu verstehen. Vielmehr erfolgt die Umsetzung der Interessen in Recht durch eine Interessenabwägung der Rechtsetzungsorgane. Die Abwägung wiederum orientiert sich an Werten, impliziert also Werturteile, in die bestimmte soziale Ordnungsvorstellungen, "Gemeinschaftsinteressen ", einfließen95. Auf den Erkenntnissen der genetischen Interessenjurisprudenz basieren die Aussagen der produktiven Interessenjurisprudenz, die sowohl die praktische Aufgabe der Rechtswissenschaft, die Normgewinnung, als auch die richterliche Tätigkeit, die konkrete Fallentscheidung, betreffen, wobei das Schwergewicht auf letzteres gelegt und der Rechtswissenschaft lediglich vorbereitende Funktion zugemessen wird 96 • Wenn nun auch die richterliche Entscheidung eine Einzelfallösung anstrebt, während die Rechtswissenschaft für unbestimmt viele Fälle eine Lösung anbieten will, so seien doch die "Probleme, die dabei auftauchen, und die Lösungen, die sich bieten, ... im Grunde die gleichen ... ,,97. 92 Heck, Interessenjurisprudenz, S.10; s. auch ders., Rechtsgewinnung, S. 27 f.; ders., Gesetzesauslegung, S. 11; ders., Begriffsbildung, S. 36 ff.; Stoll, AcP 133 (1931), Beilage, 60, 67 Fn. 1; ders., Juristische Methode, S. 12. 93 Die Begriffe "genetische" und "produktive" Interessenjurisprudenz stammen von Heck, s. Begriffsbildung, 8. 30. 94 Heck, Gesetzesauslegung, 8.17; ähnlich ders., Begriffsbildung, S.46, 74; s. auch v. Rümelin, Rechtsgefühl, S. 59; Stoll, AcP 133 (1931), Beilage, 60, 67. In Erweiterung hierzu weist Müller-Erzbach darauf hin, daß neben den Interessen auch andere Faktoren, wie z. B. Macht und Vertrauen, für die Rechtsbildung kausal wirken können, s. Rechtswissenschaft, S. 40 ff. u. Interessenjurisprudenz, S. 11 ff.; s. dazu auch Hubmann, AcP 155 (1956), 85, 91. 95 Heck, Rechtsgewinnung, S.32; ders., Gesetzesauslegung, S.232 Fn.357; s. auch ders., Begriffsbildung, S.76; v. Rümelin, Wandlungen, S.36. 96 s. insbes. Heck, Begriffsbildung, S.126, 129; v. Rümelin, AcP 122 (1924), 265. 97 Heck, Begriffsbildung, S.129; vgl. auch ders., Gesetzesauslegung, S.93.

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

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Im Gegensatz zur Begriffsjurisprudenz, die die Rechtsfindung durch logische Ableitung aus System und Begriff vollzog, fordert die Interessenjurisprudenz, die Interessenforschung zum Ausgangspunkt der Rechtsgewinnung zu machen, während Begriffen kein unmittelbarer Erkenntniswert, sondern lediglich Ordnungsfunktion zuerkannt wird 98 • Bei der Interessenforschung als Basis der Rechtsfindung wird an die Grunderkenntnis der genetischen Interessenjurisprudenz angeknüpft: Da Rechtsnormen Entscheidungen über Interessenkonflikte beinhalten, hat der Rechtserkennende die historisch entschiedenen Interessenkonflikte nachzuvollziehen und unter Bindung hieran zu entscheiden99 • Die historische Auslegung darf nun nicht dahingehend mißverstanden werden, daß hiermit lediglich - im Sinne der "subjektiven Auslegungsmethode"loo - eine Analyse der Vorstellungen des historischen Gesetzgebers gemeint ist. Vielmehr hebt Heck hervor, daß "Endziel ... nicht die Erkenntnis eines psychologisch wirklichen Gesetzgeberwillens (ist), sondern die Feststellung der objektiven, im Gesetz durch nicht genau übersehbare Zwischenglieder kausal gewordenen Gemeinschaftsinteressen"lOl. Die Bindung an gesetzliche Wertentscheidungen bezieht die Interessenjurisprudenz - und hierin unterscheidet sie sich grundsätzlich von der Freirechtsbewegung102 - auch auf die eigentlich problematischen Fällen der Lückenhaftigkeit des Gesetzes und der dadurch notwendig werdenden Lückenergänzung: "Nach den Grundsätzen der Interessenjurisprudenz vollzieht sich die wertende Gebotsbildung dadurch, daß der Richter diejenigen Interessen ins Auge faßt, die von der Entscheidung berührt werden, daß er sie miteinander vergleicht und nach einem Werturteile, das er aus dem Gesetze entnimmt oder sonst gewinnt, gegeneinander abwägt"lo3. Primär soll also auch bei der Lückenausfüllung die Entscheidung gesetzlichen Werturteilen entnommen werden. Wenn allerdings gesetzliche Werturteile fehlen, dann kann auf allgegemeine, in der Rechtsgemeinschaft herrschende Werte zurückgegriffen werden; wenn auch solche allgemeinen Werte kein eindeutiges Urteil zulassen, wenn also bei Konkurrenz von Werten erst eine Rangordnung festgelegt werden muß, dann erst kann schließlich die eigene Wertung des Richters ausschlaggebend sein104 • 88 Vgl. Heck, Begriffsbildung, S.128, 172 ff.; vgl. auch v. RümeIin, AcP 122 (1924), 265, 284; Stoll, AcP 133 (1931), Beilage, 60, 69, 76 ff. n Vgl. Heck, Begriffsbildung, S. 106 ff., 129 ff.; ders., Gesetzesauslegung, S. 94 f.; Stoll, AcP 133 (1931), Beilage, 60, 71 ff.; v. Rümelin, Gewohnheitsrecht, S. 53; ders., AcP 122 (1924), 265, 283 ff. 100 s. dazu Larenz, Methodenlehre, S. 302 ff. 101 Heck, Gesetzesauslegung, S. 111. 102 Zur Freirechtsbewegung s. Riebschläger, passim, hinsichtlich der Abgrenzung zur Interessenjurisprudenz s. S. 49 f.; s. auch Moench, passim; Kallfass, S. 87 ff. lOS Heck, Gesetzesauslegung, S.225; s. auch v. Rümelin, Wandlungen, S.36.

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

11.1.2. Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz Die Interessenjurisprudenz hat in der juristischen Methodik größte Bedeutung erlangt105 • Auch die Rechtsprechung hat sich ihrer bedieneo6 • Dennoch hat sich an bestimmten Unzulänglichkeiten Kritik entzündet, die zu einer Weiterentwicklung der Interessenjurisprudenz führte. Zwei Hauptkritikpunkte sollen hier herausgegriffen werden: Zunächst wird an der Interessenjurisprudenz bemängelt, daß ihr Zentralbegriff "Interesse" nicht klar und konsistent gebraucht wird, indem er auf der Ebene der produktiven Interessenjurisprudenz zum einen als Bewertungsobjekt, zum anderen als Bewertungsmaßstab fungiert 107 • Indessen handelt es sich hierbei weniger um eine inhaltliche als eher um eine terminologische Unschärfe, die man dadurch konturieren kann, daß man - einem Vorschlag H. Westermanns folgendlOS - auch begrifflich zwischen den faktischen, also soziologisch ermittelbaren Interessen der Rechtssubjekte und den rechtlichen Bewertungsmaßstäben trennt109 • Gewichtiger erscheint der Vorwurf, daß die Interessenjurisprudenz für die von ihr geforderte Interessenabwägung keine Maßstäbe liefertllo . Zwar entspricht dieses Manko dem Selbstverständnis der Interessenjurisprudenz, reine Methode sein zu wollen. So hat Heck es ausdrücklich abgelehnt, "eine fertige Weltanschauung oder ein geschlossenes System der Werte beizulegen"lll. Eine solche "positivistische"112 Selbst10' Vgl. Heck, Gesetzesauslegung, S.238; ders., Rechtsgewinnung, S.39; ders., Interessenjurisprudenz, S. 20 f.; Stoll, AcP 133 (1931), BeHage, 60, 74 ff.; s. auch v. Rümelin (AcP 122 [1924], 265, 286 ff.), der allerdings betont, daß auch in diesen Fällen die richterliche Entscheidung sich an den obersten Zwecken des Rechts, in letzter Instanz den Lebensbedingungen der Gemeinschaft orientieren muß, AcP 122 (1924), 265, 286. 105 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S.63; Boehmer, Bürgerliche Rechtsordnung, 2. Buch, 1. Abt., S.212; Ellscheid, S. 13; Struck, FS Esser, S.171. 106 Vgl. die übersicht bei Hubmann, AcP 155 (1956), 85 ff., 88 Fn.4; s. auch Esser, JJb 1 (1960), 111 ff.; Zippelius, S.22. Fikentscher (Methoden, Bd.III, S.380) spricht vom Sieg der Interessenjurisprudenz in der Praxis. 107 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S.57; H. Westermann, Interessenkollis'ionen, S.4, insbes. Fn.4 (S. 43); Knauthe, S. 91 f.; Dombek, S. 21; s. dazu auch Kallfass, S. 93; Reinhardt, S. 17 ff.; Struck, FS Esser, S. 171, 175. Zudem wird der Interessebegriff auf der Ebene der genetischen Interessenjurisprudenz . als Kausalfaktor für Recht gebraucht, s. Larenz, Methodenlehre, S.57. 108 Interessenkollisionen, S. 4. lOg So auch Kallfass. S. 93. 110 Stammler, Lehrbuch der Rechtsphilosophie, S.304 Fn.5; s. auch schon ders., Theorie der Rechtswissenschaft, S. 725 f., 739; aus neuerer Zeit s. Zippelius, S.71; Radbruch, Vorschule der Rechtsphilosophie, S.81; Fikentscher, Methoden, Bd.III, S. 382 ff.; Hubmann, AcP 155 (1956), 85, 91; dazu auch Kallfass, S.102; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.577; Reinhardt, S. 17 ff. 111 Heck, AcP 143 (1937), 129, 152; s. auch ders., Interessenjurisprudenz, S.7. 112 Larenz, Methodenlehre, S.56, vgl. auch S.64; ähnlich Fikentscher, Methoden, Bd. 111, S. 382 f., 402 f.

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

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bescheidung berücksichtigt jedoch nicht hinreichend, daß im Prozeß der Rechtsgewinnung aus dem Sein, der Interessenanalyse, noch nicht ohne weiteres das Sollen, die rechtliche Wertung und Entscheidung, gefolgert werden kann113 • Ein Verzicht auf Aussagen zur Wertung muß daher in Problemfällen dazu führen, daß das rechtlich Gesollte "in dezisionistischer Form frisch und politisch eigenmächtig"1l4 gesetzt wird. Der übergang von der Interessenjurisprudenz zur sogenannten Wertungsjurisprudenz trug diesen Bedenken Rechnung, indem versucht wurde, in die von der Interessenjurisprudenz hinterlassene "black bOX"115 der juristischen Wertung Licht zu bringen. Einig waren sich die Wertungsjuristen darin, daß die rechtliche Entscheidung über die Interessenanalyse hinaus eine Wertung erfordert, für die eine juristische Methodenlehre Maßstäbe zu geben imstande sein müsse. Aus diesen Bedenken heraus wurden Methoden der Interessenabwägung zu entwickeln versucht, die eine Objektivierung des Rechtsentscheidens zum Ziel haben, ohne allerdings durch Angabe feststehender inhaltlicher Kriterien bereits die Fallentscheidung präjudizieren zu wollen1l6 . In diese Richtung zielen Arbeiten insbesondere von H. Westermann117 , Larenz118 und vor allem von Hubmann119, die sich bemühen, allgemeine Bewertungsgesichtspunkte für die Interessenabwägung zu statuieren. So differenziert z. B. Hubmann hierbei zwischen Bewertungsprinzipien des Sachverhalts (Sachwidrigkeit von Interessen, Interessenidentität, -häufung, -nähe und -intensität), Bewertungsprinzipien menschlichen VerVgl. Fikentscher, Methoden, Bd.III, S.383. Esser, Nachwort, S.213, 228. 115 "black box" ist ein Begriff aus der sozialwissenschaftlichen Systemforschung und Kybernetik. Er bezieht sich auf den Umsetzungsvorgang von Input- in Outputgrößen, zwischen denen eine Verknüpfung hergestellt wird, ohne daß die Umsetzung selbst analysiert wird, die so als "black box" im Dunkeln bleibt (vgl. Art. "Black-Box-Methode" in: Lexikon der Soziologie, Bd. 1). Die begriffliche Parallele zur Methode der Interessenjurisprudenz kann darin gesehen werden, daß bei dieser im Prozeß der Rechtsfindung die Abwägung als Umsetzungs'vorgang von Interessen als inputs in die Entscheidung als output nicht expliziert wird und so eben als "black box" verbleibt. 116 Fikentscher (Methoden, Bd. III, S.416) bezeichnet diese methodisch orientierte Richtung der Wertungsjurisprudenz als "abstrakte Wertungsjurisprudenz" und grenzt sie zur "konkreten Wertungsjurisprudenz" ab, die sich bemüht, zu inhaltlichen Wertaussagen vorzudringen; s. auch Larenz, Methodenlehre, S. 128 ff., der allerdings nicht begrifflich zwischen abstrakter und konkreter Wertungsjurisprudenz trennt. 117 Interessenkollisionen und ihre richterliche Wertung bei den Sicherungsrechten an Fahrnis und Forderungen; Wesen und Grenzen der richterlichen Streitentscheidung im Zivilrecht. 118 FS Klingmüller, S. 235 ff.; FS Wilburg, S. 217 ff.; vgl. auch Methodenlehre, S. 392 ff. m AcP 155 (1956), 85 ff.; FS Carolsfeld, S. 173 ff.; s. auch den Sammelband Hubmanns "Wertung und Abwägung im Recht". 113 114

6 Müller-Foell

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

haltens (Arglist, Absicht, Verschulden, Gefährdung und Veranlassung) und solchen für die Konfliktslösung (Ausweichprinzip, Ausgleichsprinzip, Prinzip des schonendsten Mittels und Entschädigungsprinzip)12u. Struck121 hat an solchen Versuchen kritisiert, daß auch hier auf der einen Seite Interessenbewertung bereits als Entscheidungsmethode ausgegeben wird, obwohl sie erst Basis der rechtlichen Entscheidung, quasi Sachverhaltsbeschreibung darstellt: Problemexplikation wird in Problemlösung umgedeutet, womit die Interessenabwägung ihres operationalen Kerns beraubt werde l22 . Auf der anderen Seite werde hiermit eine angesichts mangelnder Quantifizierbarkeit von Interessen und oft verschiedenartiger Problemlösungsstrategien nicht existierende Eindeutigkeit in der Entscheidung vorgetäuscht und der in Wirklichkeit vorhandene Dezisionismus verschleiert. Hubmann hat diesen Bedenken selbst wenigstens teilweise Rechnung getragen, indem er in seiner späteren Abhandlung 123 zutreffend darauf hinweist, daß bei der Abwägung drei Gedankengänge unterschieden und auseinandergehalten werden müssen: das Auffinden der einschlägigen Gesichtspunkte, ihre Bewertung und ihre Abwägung l24 • Das eigentlich Problematische ist hierbei die Gewichtung der vorgefundenen Interessen125 . Die Metapher Interessen-"Abwägung" suggeriert zwar eine Quantifizierbarkeit von Interessen, als ob es sich hierbei um nach Gramm oder Kilo zu bemessende Gewichte handele. Eine Quantifizierung ist jedoch nur dann möglich, wenn eine eindeutige und zwingende rechtliche Gewichtung vorgegeben ist126 . In den eigentlich problematischen Fällen, die Rechtswissenschaft und oberste Gerichte beschäftigen, ist dies aber nicht der Fall. Hier ist vielmehr die Abwägung und Entscheidung selbst aus dem Analyse- und Bewertungsprozeß her120 AcP 155 (1956), 85 ff. In FS Carolsfeld, S. 173 ff. versucht Hubmann eine Mathematisierung des Abwägungsvorgangs; skeptisch hierzu Larenz, Methodenlehre, S. 393 Fn. 86 u. FS Klingmüller, S. 247 f. 121 FS Esser, S. 171 ff. 122 FS Esser, S. 171 ff., insbes. S. 183; Hubmann ist sich dieses Mankos offenbar bewußt, wenn er in seiner zweiten Abhandlung (FS Carolsfeld, S. 173 ff.) zusätzlich eine spezielle Methode der Abwägung aufzustellen versucht, s. dazu aber u. Fn. 126. 123 FS Carolsfeld, S. 173 ff. 124 FS Carolsfeld, S. 173, 177. 125 s. auch Zippelius, S. 22. 126 Auch Hubmanns Methode der Interessenabwägung betrifft allein den Vorgang der mathematischen Verrechnung von Interessen, deren Gewichtung untereinander bereits (durch Gesetz oder wie auch immer) als gegeben vorausgesetzt wird. Dies mag eine "rational nachvollziehbare rechnerische Abwägung" ermöglichen (vgl. FS Carolsfeld, S. 196). Hubmann selbst weist jedoch auf deren beschränkten Wert hin: "Auch die rationale Abwägung hat ... ihre Fehlerquellen. Sie liegen nicht in den mathematischen Regeln, sondern in den Einzelwertungen, die sie voraussetzen und die falsch sein können" (FS Carolsfeld, S. 197).

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

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auslösbar und folgt Eigenkriterien, die möglicherweise l27 im Rechtsgefühl des Entscheidenden anzusiedeln sind l28 • In jedem Fall sollte vermieden werden, die Entscheidung als der vorangegangenen Analyse und Bewertung logisch-zwingend entsprungen hinzustellen12!1, und es sollten Gründe für die Entscheidung selbst angegeben werden. Im Idealfall stellt eine solche Begründung nicht eine nur sekundäre, also im nachhinein vollzogene Rationalisierung einer durch Rechtsgefühl im vorhinein getroffenen Entscheidung - die die Möglichkeit der Entscheidungsalternative weitgehend ausgeblendet hat130 - dar, sondern die unter Reflexion aller Entscheidungsalternativen gebildete Motivation der Entscheidung. Es muß freilich ausreichen, daß deren Plausibilität intersubjektiv nachvollziehbar dargestellt wird, ohne eine argumentativ nicht einzulösende "stringente Letztbegründung"131 vorzuspiegeln. Der nämlich auch bei rationaler Vorgehensweise bestehende Rest an Dezisionismus l32 , den der auch und gerade in problematischen Fällen bestehende juristische "Entscheidungszwang"133 mit sich bringt, sollte nicht hinweggeleugnet werden. Dies muß freilich nicht als Aporie verstanden, sondern kann als Eigenart juristischen Entscheidens akzeptiert werden, zumal nicht ausgeschlossen ist, daß auch der verbleibende Restdezisionismus kontrolliert ist, wenn nämlich die Entscheidung insgesamt argumentativ-diskursiv zustande gekommen istl34 •

127 In affektiv besetzbaren Fällen z. B. bei Mietstreitigkeiten - könnte hierfür sogar eine Vermutung sprechen, vgl. dazu Hilden, passim, insbes. S. 216 ff. 128 Zur Analyse des Rechtsgefühls und dessen Stellung im Entscheidungsprozeß s. die instruktive Arbeit von Bihler "Rechtsgefühl, System und Wertung". 129 Struck (FS Esser, S. 171, 177) nennt Fälle, in denen der BGH auf die Aufzählung der Interessen unvermittelt die Entscheidung folgen läßt. 130 Vgl. Bihler, S. 94 ff. 131 Struck, Theorie, S. 145. 132 Zu diesem Ergebnis kommen unabhängig voneinander - Struck (Theorie) und Clemens; s. Struck (Theorie, S. 152), der von Grenzen der Rationalität juristischen Entscheidens spricht; Clemens hebt hervor, daß es an "intersubjektiv verbindlichen Verrechnungsmaßstäben" für die Gewichtung verschiedener Wertgesichtspunkte fehlt (S.142), und kommt abschließend zu dem Ergebnis, daß juristische Entscheidungen letztlich nur dezisionistisch zu rechtfertigen sind (S. 156). 133 Vgl. Ballweg, Jb 2, S.43, 45: "Es ist der Entscheidungszwang, der die Denkweise der Jurisprudenz prägt"; s. auch ders., Rechtswissenschaft und Jurisprudenz, S. 108 f.; Viehweg, ARSP 47 (1961), S.519, 530; Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S.34. 134 Zur diskursiv ermittelten Wertung s. Wälde, Juristische Folgenorientierung, S. 129 ff.; Alexy, passim, insbes. S. 31 ff., 259 ff.

6'

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

11.1.3. Zur Anwendung auf die vorliegende Problemstellung Die vorstehende übersicht über Entstehung, Aussagen und Weiterentwicklungen der Interessenjurisprudenz zeigt die Plausibilität der Erkenntnis, daß jedenfalls zivilrechtliche Normen, die sich an prinzipiell gleichberechtigte Rechtsgenossen richten, Konfliktsfragen nicht lediglich als rechtlichen Selbstzweck, sondern primär als Vermittlung konfligierender Interessen zu regeln versuchen. Infolgedessen ist auch bei gesetzlich nicht vorgegebenen zivilrechtlichen Problemfällen die - allerdings aktualisierte - Interessenforschung als Basis der Entscheidung zu setzen. Hierbei sollte entsprechend den Postulaten der auf der Interessenjurisprudenz aufbauenden Methodik der Interessenabwägung in folgenden drei Gedankenschritten vorgegangen werden: Zunächst findet eine Analyse der faktischen Interessenlagen der Beteiligten einschließlich des rechtstatsächlichen Umfeldes, in das die vorfindbaren Interessen eingebettet sind, statt. Sodann wird versucht, für die vorgefundenen faktischen Interessen rechtliche Bewertungsgesichtspunkte zu finden. Als drittes schließt sich die Abwägung mit der Entscheidung an. Bei der vorliegenden Problemstellung soll in der genannten Weise vorgegangen werden. Dabei wird - den vorgebrachten Kritikpunkten an der Methodik der Interessenabwägung Rechnung tragend - nicht verhehlt, daß die Entscheidung letztlich auch hier nicht logisch zwingend aus den vorherigen Gedankenschritten folgt. Dennoch scheint insgesamt das Abstellen auf rechtlich anerkennenswerte Interessen der Beteiligten und deren Abwägung noch das - soweit die Argumentationsschritte offengelegt werden135 - rationalste Verfahren juristischer Problemlösung zu sein und stellt demnach nicht von ungefähr die "herrschende" Methodik136 dar. 11.2. Interessenabwägung bei der Mitwirkungsproblematik

11.2.1. Fehlen einer einheitlichen Interessenkonstellation Eine Interessenanalyse erfordert zunächst eine Klärung der Situation, in die die Interessen eingebunden sind. Im Fall der Bestellermitwirkung stellt sich hierbei die Problematik, daß es offenbar keine einheitliche Situation gibt, sondern in der Rechtswirklichkeit des Werkvertrags vielfältige Konstellationen vorfindbar oder jedenfalls denkbar sind, in denen unterschiedliche Interessenlagen existieren. Dies rührt daher, Dies fordert auch Esser, JJb 1 (1960), 111. Vgl. die Nachweise o. in Fn. 105 und 106; s. auch Larenz, FS Klingmüller, S. 235. 135 136

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

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daß das Einheitsmodell des BGB vom Werkvertrag in den §§ 631 ff. heute mehr denn je bloße Fiktion zu sein scheint137 und in Anbetracht der Entwicklungen des modernen Werkvertrags allenfalls als differenzierend auszufüllender Rahmen angesehen werden kann, soweit nicht ohnehin das gesetzliche Werkvertragsrecht durch Sonderordnungen verdrängt wird138 • 11.2.1.1. Entwicklungen des Werkvertrags Dem Werkvertrags recht des BGB liegt ein Modell zugrunde, das an der handwerklichen Herstellung, Be- und Verarbeitung oder Änderung von Sachen ausgerichtet ist l39 . Entsprechend diesem Modell sind die Regelungen in §§ 631 ff. BGB auf den Typus des punktuellen Austauschvertrags zugeschnitten. Dies zeigt sich etwa daran, daß das gesetzliche Werkvertragsrecht keine die Herstellungsphase betreffenden Regelungen enthält - im Gegensatz zur VOB/B, die insbesondere in §§ 4, 5 und 6 solche Bestimmungen trifft -, sowie daran, daß hinsichtlich des Leistungsaustauschs § 641 BGB von dem starren System der Vorleistungspflicht des Unternehmers und der anschließenden vollen Vergütungspflicht des Bestellers ausgeht - auch hiervon weicht die VOB/B ab, indem sie in § 16 ein am Baufortschritt orientiertes System einer gleitenden Zahlungsweise geschaffen hat140 - . Daß dieses handwerkliche Mo.delI des BGB die Rechtswirklichkeit des Werkvertrags nur zu einem Teil abdeckt, ist evident. Abgesehen von der immer weiterschreitenden, an der Art der Werkleistung orientierten Typendifferenzierung141 bleiben hierbei ausgeblendet insbesondere die in der Rechtswirklichkeit immer bedeutsamer werdenden Werkverträge größeren Volumens, an denen die Regelungen des BGB in wesentlichen Punkten vorbeigehen: Statt punktueller Austauschverträge handelt es sich hier um Verträge mit Langzeitcharakter142 , die zeitlich gestreckte, die Herstellungsphase begleitende Regelungen erfordern. Die Vorstellung vom Besteller als Herrn und vom Unternehmer als Knecht143 ist hier besonders deutlich einem Modell des lS7 Esser/Weyers (Tb 1, § 31, 2, S.244) sprechen insoweit von einer "blassen Einheitsfigur". 138 s. dazu Esser!Weyers, Tb 1, § 27 I u. § 31,4; s. nunmehr auch die gesetzliche Sonderregelung des Reisevertrags als Unterfall des Werkvertrags in §§ 651 a-k BGB. 138 Vgl. Mot.lI, S.470; Esser/Weyers, Tb 1, § 31, 2; Nicklisch, BB 1979, 533. 140 Vgl. dazu Weick, S. 162 ff. 141 s. dazu die neueren Kommentierungen der BGB-Kommentare zu § 631, z. B. von PalandtlThomas, Einf. vor § 631 Anm. 5; Erman!Seiler, Vor § 631 Rdn. 10 ff.; MünchKomm-Soergel, § 631 Rdn.17 ff. 142 Zum Begriff s. Nicklisch, RIW! A WD 1978, 633, 634. 143 So insbes. bei Kohler, s. dazu o. 3.2.3.

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

kooperativen, gleichberechtigten Zusammenwirkens von Vertragspartnern gewichen, das mit Regelungen bezüglich etwa des Erscheinens zur Anprobe oder der Porträtsitzung kaum mehr zu erfassen ist. Als Paradigmata solcher kooperativer Werkverträge mit Langzeitcharakter sind vor allem der Bauvertrag (sofern es sich nicht gerade um kleinere Ausbau- oder Reparaturverträge handelt) und der Anlagenvertrag zu nennen. Gerade diese volkswirtschaftlich bedeutsamen Vertragstypen haben in der Rechtswirklichkeit Strukturen gewonnen, die sich vom handwerklichen Modell entscheidend abheben: Es handelt sich hinsichtlich des Leistungsprogramms um hochkomplexe Verträge, deren Leistungserbringung einen längeren Zeitraum erfordert (Langzeitkomponente); ihre Durchführung erfordert weiter ein stetes Kooperieren der Vertragspartner; schließlich vergrößern sich die Risiken bei der Vertragsrealisierung mit der Dauer der Herstellungsphasel44 . 11.2.1.2. Neue Dimension der Bestellermitwirkung Für die vorliegende Problemstellung ist hinsichtlich der Entwicklungen des Werkvertrags das Strukturelement der Kooperation von zentraler Bedeutung, da deren wesentlicher Teil die Erbringung von Mitwirkungshandlungen durch den Besteller ist145 • Zwar spielt das Moment der Kooperation auch schon beim handwerklichen Vertragsmodell insofern eine Rolle, als auch dort häufig Mitwirkungshandlungen des Bestellers zur Werkherstellung erforderlich sind. So sind die in der Literatur meist als Beispielsfälle genannten, zur Werkherstellung erforderlichen Mitwirkungshandlungen im wesentlichen auf handwerkliche Verträge bezogen: das Beschaffen und Stellen des zu bearbeitenden Stoffs auf die Anfertigung eines Maßanzugs oder Schmuckstücks; das persönliche Erscheinen zur Anprobe oder Porträtsitzung auf Verträge mit einem Schneider oder Kunstmaler; das ZurverfügungsteIlen von Räumlichkeiten auf Maler- oder Tapezierarbeiten146 • Im Vergleich hierzu gewinnt jedoch das Moment der Kooperation bei modernen, insbesondere größervolumigen Werkverträgen eine andere Qualität: Zur Werkherstellung erforderliche Mitwirkungshandlungen sind hier in Art, Zahl und Umfang gewichtiger, größer und differen144 s. hierzu für den Bauvertrag N-W, Ein!. Rdn. 1 ff. Hinsichtlich des Anlagenvertrags s. Joussen, S. 42 ff.; v. Westphalen, BB 1971, 1126 ff.; zur Rechtsnatur als besondere Form eines Werkvertrags s. SoergellMühl, Vor § 631 Rdn.95. 145 Daneben sind als Teil der Kooperation inshes. die wechselseitige Konsultation und Information zu nennen, vgl. Weick, S.208. 145 Vgl. Larenz, Schuldrecht II, § 53 III c; Palandt/Thomas, § 642 Anm.l; MünchKomm-Soergel, § 642 Rdn.5; Erman/Seiler, § 642 Rdn.3; Staudinger/ Riedel, ~ 642 Rdn. 1; weitere Nachweü,;e !;lei Nicklisch, BB 1979, 533 Fn. 10.

11. Lösungsweg : In teressena bwägung

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ziert er geworden und begleiten oft die gesamte Herstellungsphase147 . Wie zentral das Element der Kooperation bei solchen Vertragstypen ist, zeigt sich auch daran, daß häufig nicht nur der Besteller bei der Werkherstellung durch den Unternehmer mitwirken muß, sondern umgekehrt auch der Unternehmer an der Erfüllung der Pflichten des Bestellers. So hat z. B. bei Bauverträgen der Unternehmer an der Abnahme und Leistung der Vergütung durch den Besteller insofern mitzuwirken, als Aufmaß-, Abrechnungs- und Abnahmeverfahren von Besteller und Unternehmer gemeinsam durchzuführen sind14s • Wie vielfältig und differenziert die Mitwirkungshandlungen des Bestellers bei bestimmten Werkvertragstypen in der heutigen Rechtswirklichkeit sein können, läßt sich plastisch für den heutigen Bauvertrag am Beispiel der VOB/B verdeutlichen, die eine ganze Reihe von Mitwirkungshandlungen des Bestellers aufzählt, wobei die Bedürfnisse sowie die tatsächlichen Gegebenheiten der Baupraxis berücksichtigt wurden149 , so daß die dort genannten Mitwirkungshandlungen nicht nur als Normierung, sondern auch im weiteren Sinne als Rechtstatsachen anzusehen sind. 11.2.1.3. Mitwirkungshandlungen am Beispiel der VOB/B In der VOB/B werden Mitwirkungshandlungen des AG teils ausdrücklich genannt, teils durch bestimmte Regelungen impliziert: § 2 Nr.4 VOB/B enthält Rechtsfolgen für den Fall, daß der AG im Vertrag ausbedungene Leistungen selbst übernimmt (z. B. Lieferungen von Bau-, Bauhilfs- und Betriebsstoffen). Weitere wichtige Mitwirkungshandlungen sind in § 3 VOB/B für die Phase vor Baubeginn genannt. Nach § 3 Nr.l VOB/B sind die für die Ausführung nötigen Unterlagen dem AN unentgeltlich und rechtzeitig zu übergeben. § 3' Nr.2 VOB/B bestimmt, daß das Abstecken der Hauptachsen der baulichen Anlagen, ebenso der Grenzen des Gelilndes, das dem AN zur Verfügung gestellt wird, und das Schaffen der notwendigen Höhenfestpunkte in unmittelbarer Nähe der baulichen Anlage Sache des AG sind. Gemäß § 3 Nr.4 VOB/B soll der AG an einer Art Beweissicherung mitwirken: Vor Beginn der Arbeiten ist, soweit notwendig, der Zustand der Straßen und Geländeoberfläche, der Vorfluter und Vorflutleitungen, ferner der baulichen Anlagen im Baubereich in einer Niederschrift festzuhalten, die von AG und AN anzuerkennen ist.

Nicklisch, BB 1979, 533. s. hinsichtlich des VOB-Bauvertrags die Regelungen in §§ 12 u. 14 VOBI B; s. auch Weick, S. 163. UD s. Köderitz, S. 104; I-K, Ein!. Rdn. 2; Korbion/Hochstein, Rdn.19. 147

148

2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

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Ganz wesentliche Mitwirkungshandlungen für die Phase der Bauausführung enthält § 4 VOB/B. Nach Nr. 1 Abs.1 dieser Bestimmung hat der AG für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle zu sorgen und das Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmer zu regeln; er hat weiterhin die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und Erlaubnisse herbeizuführen. Mitwirkungshandlungen des AG lassen sich ferner aus der Pflicht des AN ableiten, eventuelle Bedenken gegenüber Anordnungen des AG bzw. gegen die vorgesehene Art der Bauausführung, gegen die Güte der vom AG gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer dem AG mitzuteilen150 : der AG hat eine solche Mitteilung des AN zu prüfen, Stellung zu nehmen und eine Entscheidung zu treffen, da dies für den geordneten Fortgang der Bauarbeiten dienlich oder gar notwendig ist151 • § 4 Nr.4 VOB/B bestimmt wiederum ausdrücklich, daß der AG, wenn nichts anderes vereinbart ist, dem AN unentgeltlich zur Benutzung oder Mitbenutzung die notwendigen Lager- und Arbeitsplätze auf der Baustelle, vorhandene Zufahrts wege und Anschlußgleise sowie vorhandene Anschlüsse für Wasser und Energie zu überlassen hat. Nach § 4 Nr. 9 VOB/B hat der AN für den Fall, daß bei der Bauausführung auf einem Grundstück Gegenstände von Altertums-, Kunstoder wissenschaftlichem Wert entdeckt werden, vor jedem weiteren Aufdecken oder Ändern dem AG den Fund anzuzeigen und ihm die Gegenstände nach näherer Weisung abzuliefern. Dies setzt eine Antwort des AG auf die Fundanzeige des AN und eine Erteilung der in Nr.9 angesprochenen Weisung an den AN als Mitwirkungshandlung des AG voraus152 • § 5 VOB/B nennt Mitwirkungshandlungen des AG hinsichtlich der Ausführungsfristen. So hat nach § 5 Nr.2 S. 1 VOB/B der AG dem AN auf Verlangen Auskunft über den voraussichtlichen Beginn der Bauausführung zu erteilen, wenn hierfür keine Frist vereinbart ist. Gemäß § 5 Nr. 2 S. 2 VOB/B hat der AN dann innerhalb von 12 Werktagen nach Aufforderung zu beginnen. Die hier genannte Aufforderung stellt als Mitwirkungshandlung des AG einen sogenannten Abruf der Leistung dar153 • In den §§ 14 ff. VOB/B sind schließlich Mitwirkungshandlungen des AG bei der Abrechnung vorgesehen. Nach § 14 Nr.2 VOB/B sind die 151

Vgl. § 4 Nr. 1 Abs. 4 u. Nr.3 VOB/B. So im Ergebnis auch I-K, § 4 VOB/B Rdn.50 u. 108; N-W, § 4 Rdn.37

15!

Vgl. I-K, § 4 VOB/B Rdn.167; N-W, § 4 Rdn.127; D-P-S-St, ErlZ B

150

u.69.

4.273.

153 I-K, § 5 VOB/B Rdn. 6 b; N-W, § 5 Rdn.10; H-R-S, § 5 VOB/B, Rdn.8; zum Abruf s. auch BGH NJW 1972, 99 u. OLG Düsseldorf BauR 1976, 207; S. c;laz\l Q. 7.1. bei Fn. 189.

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

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für die Abrechnung notwendigen Feststellungen (also das Aufrnaß oder sonstige Berechnungen) dem Fortgang der Leistung entsprechend möglichst gemeinsam, also auch unter Mitwirkung des AG, vorzunehmen. Haben AG und AN den Stundenlohnvertrag als mögliche Gestaltungsform des Bauvertrags gewählt, so trifft § 15 VOB/B Bestimmungen hinsichtlich der Abrechnung der Stundenlohnarbeiten. Unter anderem hat der AN über die geleisteten Arbeiten Listen zu führen (sogenannte Stundenlohmettel) und dem AG vorzulegen. Gemäß § 15 Nr.3 S. 3 u. 4 VOB/B hat der AG dann als Mitwirkungshandlung die Stundenlohnzettel entgegenzunehmen und entweder als richtig zu bestätigen oder dagegen Einwendungen zu erheben und sie schließlich unverzüglich zurückzugeben. Aus § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOBIB ergibt sich schließlich, daß der AG die Schlußrechnung des AN entgegenzunehmen und diese nach Möglichkeit schleunigst - zu prüfen hat. Die hier aufgezählten, in der VOB/B genannten oder vorausgesetzten Mitwirkungshandlungen des AG verstehen sich nicht als abschließend, sondern werden in der Baupraxis häufig einzelvertraglich ergänzt bzw. im Lauf der Bauausführung entsprechend auftretender Erfordernisse vereinbart oder ergeben sich aus gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere dem Prinzip von Treu und Glauben gemäß § 242 BGBl54 . In diesen Gesamtbereich gehören insbesondere die Bereitstellung des Baugrundstücks und zwar in einem zur Erfüllung der Auftragnehmerpflichten geeigneten Zustand, die Erbringung von TeiIleistungen durch den AG sowie die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, daß Vorleistungen, auf denen der AN seine Leistung aufbaut, ordnungsgemäß erbracht werdenl55 . Insgesamt sind eine Vielzahl von Mitwirkungshandlungen des AG bei der Bauausführung durch den AN denkbar, die sich hier nicht enumerativ aufzählen lassen. 11.2.1.4. Fazit: Unangemessenheit von Einheitslösungen

Die dargelegten Entwicklungen des Werkvertrags und die damit einhergehende vergrößerte Dimension der Mitwirkungshandlungen bei bestimmten Werkverträgen legen es nahe, diesen Differenzierungen in der Rechtswirklichkeit auch auf der rechtlich-normativen Ebene Rechnung zu tragen, um so - wenn auch unter Umständen um den Preis einer Reduzierung der Rechtssicherheit - einen höheren Gerechtigkeitsgehalt in der einzelnen Entscheidung zu gewinnen. Eine Interessenbewertung, die für alle Fälle von Störungen in der Erbringung von Mitwirkungshandlungen Geltung beansprucht, scheint angesichts verschiedenartiger Grundkonstellationen nicht möglich zu sein. Eine glatte m Vgl. D-P-S-St, ErlZ B 9.6. Vgl. den der Entscheidung des OLG Düsseldorf BauR 1973, 385 zugrundeliegenden Sachverhalt. 155

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

Einheitslösung würde an der Vielschichtigkeit der Rechtswirklichkeit vorbeigehen. Erforderlich ist demgemäß eine am Werkvertragstypus orientierte Interessenanalyse, die untersucht, ob in der Realität vorfindbare oder zumindest denkbare Situationen existieren, in denen ein Eigeninteresse des Unternehmers an der Werkdurchführung besteht. Sind solche Interessen (teilweise) erkennbar und führt die sich anschließende Gewichtung solcher Interessen zur Annahme einer Rechtspflicht des Bestellers zur Mitwirkung, so wäre weiterhin zu fragen, ob nicht eine zusätzliche Differenzierung entsprechend der Relevanz einer Mitwirkungshandlung für die Werkdurchführung vorzunehmen ist.

11.2.2. Analyse faktischer Interessenlagen Im folgenden werden also tatsächlich vorfindbare oder typischerweise denkbare Interessenlagen bei Unternehmer und Besteller hinsichtlich der Mitwirkungsfrage aufgezeigt. Es kann dabei nicht darum gehen, den Versuch zu unternehmen, die Rechtswirklichkeit vollständig abzudecken, d. h. vorhandene oder mögliche Interessenlagen lückenlos erfassen zu wollen. Ein paradigmatisches Aufzeigen typischer Interessenkonstellationen wird vielmehr - wie sich zeigen wird - ausreichend sein, um die Differenziertheit der Rechtswirklichkeit darzustellen und damit überkommene Einheitsthesen zu erschüttern. 11.2.2.1. Interessen des Werkunternehmers Zu untersuchen ist hier, ob bzw. ir..wieweit der Unternehmer ein Interesse an der Erbringung von Mitwirkungshandlungen durch den Besteller hat. Ein solches Interesse läßt sich dabei nicht ausschließlich isoliert betrachten, sondern ist im wesentlichen in ein Interesse an der Durchführung des Werkvertrags insgesamt ein~ebunden. Ob der Unternehmer ein solches Interesse besitzt, wird überwiegend - jedenfalls für den Regelfall - geleugnet156 • Eine rechtstatsächliche Betrachtung zeigt jedoch, daß der Unternehmer in vielfältiger Hinsicht ein Interesse an der Erbringung von Mitwirkungshandlungen und an der Vertragsdurchführung besitzt157 • Solche Interessen lassen sich in ideelle und materielle unterscheiden. Ideelle Interessen des Unternehmers können etwa bestehen, wenn er an Planung und Entwurf des herzustellenden Werkes persönlich engagiert ist und dieses etwa mit technischen Innovationen (z. B. neuartige 156 Erman/Seiler, § 649 Rdn. 1; Soergel/Mühl, § 649 Rdn. 1; Hüffer, S. 250; so auch BGH NJW 1972, 99, 100. 157 So auch Nicklisch, BB 1979, 533, 540.

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

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Verfahrensweisen, Konstruktionen, Materialien) verbunden ist. Ganz allgemein kann der Unternehmer an der Vertragsdurchführung interessiert sein, um sein technisches know how zu erweitern. Schließlich läßt sich auf ein Eigeninteresse des Unternehmers schließen, wenn es sich um vom Unternehmer geplante Werke mit künstlerischem Einschlag handelt, z. B. im Bereich der Architektur. In solchen Fällen führt die persönliche Identifizierung des Unternehmers mit dem zu errichtenden Werk zu einem Interesse daran, daß dieses auch tatsächlich hergestellt wird. An wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers an der Vertragsdurchführung ist in erster Linie sein Interesse an der Vergütung zu nennen, die ihm grundsätzlich nur bei Vertragsdurchführung zufällt und gemäß § 641 BGB erst bei Abnahme des Werks durch den Besteller fällig wird. Wird nun die Vertragsdurchführung durch Unterlassen von Mitwirkungshandlungen seitens des Bestellers zeitweise oder ganz blockiert, so wirkt dies auf den Vergütungsanspruch des Unternehmers zurück: Wird die Werkherstellung durch Unterlassen von Mitwirkungshandlungen verhindert, so entfällt im Prinzip auch der Vergütungsanspruch des Unternehmers. Wird sie durch verspätete Erbringung der Mitwirkungshandlungen verzögert, verschiebt sich entsprechend auch die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs. Wenn - wie bei größeren Projekten im Regelfall158 - Abschlagszahlungen entsprechend den tatsächlich erbrachten Leistungen vereinbart sind, kann das Unterlassen von Mitwirkungshandlungen durch die damit verbundene Blockierun~ der Werkfortführung auch zu einem Einfrieren der Abschlagszahlungen führen. Häufig sind diese Zahlungen vom Unternehmer bereits fest in die Kalkulation des Werks eingeplant, so daß ihr Ausbleiben zu finanziellen Engpässen beim Unternehmer führen kann, der hier "von dem reibungslosen Ablauf der Vertragsabwicklung abhängig und gegen Störungen des Zahlungsflusses anfällig" ist159 • Bei großvolumigen Werkverträgen kann die geordnete, termingerechte Erbringung der Vergütungszahlungen, bei denen es sich in diesen Fällen um hohe Summen handelt, für die Liquidität eines Unternehmens entscheidend sein, zum al solche Projekte in der Regel zum einen nur von Unterriehmen mit hohem Fixkostenanteil und zum andern lediglich mit hohen, fest termingebundenen Aufwendungen erbracht werden können16o • Selbst wenn man dem Unternehmer bei unterlassener Bestellermitwirkung einen vollen Ausgleich zubillige 6 \ wird es diesbezüglich meist Differenzen 158 So z. B. bei Bauverträgen, denen die VOB/B zugrunde liegt, s. § 16 VOB/B. 150 Weick, S.165. 160 Vgl. hinsichtlich des Bauvertrags die Enquete über die Bauwirtschaft, Dritter Zwischenbericht Bd. II, S. 103, 212.

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

zwischen Besteller und Unternehmer geben, was zumindest zu zeitlichen Verzögerungen bei der Entschädigung des Unternehmers führen wird; dies kann bei kleineren Werkverträgen weniger, bei größeren aber entscheidend ins Gewicht fallen. Es zeigt sich somit, daß das Interesse des Unternehmers am Erhalt seiner Vergütung im Prinzip stets und bei größeren Projekten in beachtenswertem Maß an ein entsprechendes Interesse an der reibungslosen Vertragsdurchführung gekoppelt ist. Neben dem Interesse an der Vergütung kann dem Unternehmer an der Vertragsdurchführung gelegen sein, wenn die Durchführung des Projekts Basis für den Erhalt von Folgeaufträgen ist: Solche können zum einen aus dem mit einer erfolgreichen Errichtung des Werks verbundenen Werbeeffekt resultieren, womit neue Kundenkreise angelockt werd2n. Zum anderen steigen die Chancen eines Unternehmers beim Vergabeverfahren, wenn er auf die erfolgreiche Durchführung eines gleichen oder ähnlichen Projekts verweisen kann. Im Bausektor spricht man in diesem Zusammenhang vom "Befähigungsnachweis" des Unternehmers162 • Ein Interesse des Unternehmers an der Vertragsdurchführung knnn auch dann gegeben sein, wenn diese für die Aufrechterhaltung der Kapazitäten des Unternehmens entscheidend ist. Dies wird einerseits von dem Volumen des Vertrags und andererseits von der Größe des betreffenden Unternehmens abhängen. Je nachdem kann ein Projekt die Kapazität des Unternehmens zeitweise völlig auslasten, so daß dessen Blockierung durch unterlassene Bestellermitwirkung zu einem Stillstand des Unternehmens führen müßte163 . Ersatzaufträge können nur schwerlich kurzfristig erlangt werden, in Zeiten schlechter Konjunktur meist gar nicht. Der in diesen Fällen eintretende Stillstand im Produktionsablauf des Betriebs würde den Unternehmer dazu zwingen, entweder seine maschinellen Kapazitäten aufrechtzuerhalten und seine Arbeitnehmer trotz faktischer Beschäftigungslosigkeit zu entlohnen oder aber maschinelle Kapazitäten zu reduzieren und Personal zu entlassen. Beide Möglichkeiten laufen den Interessen des Unternehmers zuwider: Die Aufrechterhaltung der Kapazitäten trotz faktischen Stillstands wäre mit hohen finanziellen Aufwendungen verbunden, da auch dann die unabhängig von der Beanspruchung der betrieblichen Kapazitäten anfallenden fixen Kosten zu tragen wären. Dies könnte zur Unwirtschaftlichkeit des Unternehmens führen, da die betriebliche Wirtschaftlichkeit maßgeblich vom Verhältnis von Nutz- und Leerkosten 161 Dies führt allerdings zu den oben (insbes. 7.1.) gezeigten dogmatischen Problemen bei der Herleitung eines solchen Anspruchs. 182 D-P-S-st, ErlZ B 10.160. 163 Diesen Aspekt hat schon Siber erkannt, Bürgerliches Recht, Bd. 2, S. 100 f.; s. dazu o. 6. bei Fn. 152.

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und damit der Auslastung der Kapazitäten bestimmt ist. Zwar könnten Kosten, die aufgrund von Störungen in der Erbringung von Mitwirkungshandlungen anfallen, auf den Besteller abgewälzt werden16\ aber bereits die mit einem solchen Vorgehen verbundenen zeitlichen Verzögerungen und sachlichen Friktionen könnten den betrieblichen Ablauf unter Umständen stark beeinträchtigen. Zum andern würde der Unternehmer riskieren, daß der Besteller unter dem Aspekt der Aufwendungsersparnis vom Unternehmer gerade Einsparungen durch Drosselung der Kapazitäten verlangt. Eine solche Drosselung ist jedoch nicht ohne weiteres machbar, da ein Unternehmen zur Erbringung seiner Leistungen in Abhängigkeit von den Anforderungen des Marktes bestimmte Kapazitäten ständig bereitstellen muß. Eine Reduzierung der Kapazitäten ist demnach für den Unternehmer dann nicht möglich, wenn er sein Betriebsvolumen aufrechterhalten will, um Folgeaufträge durchführen zu können. Zudem ist eine Kapazitätseinschränkung jedenfalls kürzerfristig - nicht problemlos realisierbar, wenn man z. B. an die rechtlichen Schranken bei Personalentlassungen denkt. Ein weiteres - wiederum auf größere Werkverträge bezogenes Interesse des Unternehmers an der Werkherstellung kann bestehen, wenn er für die Realisierung des Projekts Verträge mit Subunternehmern geschlossen hat, die Teile der Leistung erbringen sollen. In der Regel werden solche Verträge mit festen terminlichen Bindungen abgeschlossen, da das "Ineinandergreifen" der Teilleistungen und damit die präzise zeitliche Abstimmung hier von großer Wichtigkeit sind. Ein solch empfindliches zeitliches Gefüge gerät in Unordnung, wenn Mitwirkungshandlungen des Bestellers nicht oder nur verzögerlich erbracht werden. Eine Konsequenz für den Unternehmer ist in diesem Fall, daß er seinen Subunternehmern für die Folgen derartiger Störungen verantwortlich ist. Denn ihnen gegenüber befindet er sich in einer Bestellerrolle, ihm obliegt die Mitwirkungspflicht, Vorleistungen termingerecht zu erbringen, auf denen die Subunternehmer ihre Leistungen aufbauen können. Unabhängig davon, inwieweit der Unternehmer auf diesbezüglichen Störungen beruhende Mehrkosten auf den Besteller überwälzen kann, wird er in jedem Fall ein Interesse daran haben, derartige Komplikationen mit seinen Subunternehmern im Hinblick auf einen geordneten betrieblichen Ablauf und die Erhaltung eines guten Geschäftsklimas von vornherein zu vermeiden. Auch unter diesem Aspekt läßt sich demnach ein Interesse des Unternehmers ableiten, daß der Besteller seine Mitwirkungshandlungen ordnungsgemäß erbringt. 184

s. dazu im einzelnen u. 14.

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

Es hat sich gezeigt, daß in der Rechtswirklichkeit vielfältige Situationen existieren, in denen der Unternehmer ein Interesse an der Werkherstellung besitzt. Ohne daß die im vorstehenden beschriebenen Interessenkonstellationen sich als abschließend verstünden, läßt sich doch anhand der genannten Beispiele feststellen, daß jedenfalls in zwei Bereichen ein erhebliches Leistungserbringungsinteresse des Unternehmers besteht: einmal bei künstlerischen Werken und zum andern bei größeren Werkvertragsprojekten, die für das Unternehmen betriebswirtschaftlich bedeutsam sind. In diesen beiden Werkvertragssektoren, von denen der letztere auch volkswirtschaftlich von großer Wichtigkeit ist, muß somit die These, daß der Unternehmer an der Vertragsdurchführung kein Interesse hätte, als erschüttert betrachtet werden. Demgegenüber ist bei kleineren Werkverträgen, die für den betrieblichen Ablauf des Unternehmens von untergeordneter Bedeutung sind, grundsätzlich kein Eigeninteresse des Unternehmers an der Werkherstellung erkennbar. Hier beschränkt sich das Interesse des Unternehmers regelmäßig auf finanzielle Schadlosstellung, die auch außerhalb der Vertragsrealisierung erfolgen könnte, ohne daß dem Unternehmer aus persönlichen oder betrieblichen Gründen an der tatsächlichen Durchführung des Vertrags gelegen wäre. 11.2.2.2. Interessen des Bestellers Interessen des Bestellers, zur Erbringung von Mitwirkungshandlungen nicht rechtlich verpflichtet zu sein, lassen sich global als allgemeines Freiheitsinteresse zusammenfassen, konkreter als Interesse an persönlicher und wirtschaftlicher Handlungs- und Dispositionsfreiheit. Diese Freiheit würde durch die Statuierung einer Mitwirkungspflicht eingeschränkt, da deren Erfüllung in aller Regel mit persönlichen und zeitlichen Bindungen verknüpft ist und häufig arbeitsmäßige und finanzielle Aufwendungen erfordert. Gleichzeitig würde die Statuierung einer Mitwirkungspflicht bedeuten, daß der Besteller an der Durchführung des Werkvertragsprojektes festgehalten wird, jedenfalls solange er den Vertrag nicht rechtswirksam gekündigt hat.

11.2.3. Rechtliche Bewertung der Interessen Im folgenden soll der sich aus dem vorstehenden partiell ergebende Interessenkonflikt einer rechtlichen Bewertung zugeführt werden. Dieser Konflikt entsteht in den oben aufgezeigten Situationen, in denen auf der einen Seite ein Interesse des Bestellers an Dispositionsfreiheit und auf der andern Seite ein Interesse des Unternehmers an der Vertragsdurchführung besteht. Zu untersuchen ist, ob sich hierfür aussagekräftige Bewertungstopoi aus dem Gesetz oder sonstigen rechtlichen Grundsätzen finden lassen.

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11.2.3.1. Annahmeverzugsnormen als gesetzliche Interessenkonfliktslösung?

Wie oben165 dargelegt, nehmen die Regelungen der Bestellermitwirkung in §§ 642, 643, 645 BGB auf den Annahmeverzug Bezug, ohne eine ausschließliche Lösung des Problems unterlassener Mitwirkung über die Bestimmungen des Annahmeverzugs ausdrücklich vorzuschreiben. Unter Vernachlässigung dieser Offenheit der gesetzlichen Regelung läge allerdings die alleinige Anwendung der Annahmeverzugsregelungen nahe, wenn das Rechtsinstitut des Annahmeverzugs und seine gesetzliche Ausprägung in §§ 293" ff. BGB sich als rechtliche Bewertung der oben aufgezeigten Interessenlagen von Besteller und Unternehmer hinsichtlich des Problems unterlassener Mitwirkung darstellten. Doch nicht nur die Bezeichnung "Annahme"-Verzug166 , sondern auch der Inhalt der §§ 293 ff. BGB zeigen, daß dieses Rechtsinstitut auf die schlichte Annahme, auf deren Verweigerung durch den Gläubiger und die hierbei zutagetretende Interessenlage der Beteiligten zugeschnitten ist. Zwar wird allenthalben darauf hingewiesen, daß die §§ 293 ff. BGB sowohl für die Annahme als auch für sonstige Mitwirkungshandlungen des Gläubigers gelten167. Die Ausgestaltung der Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs in §§ 293 ff. BGB ist jedoch auch inhaltlich auf "Annahmeverzug" , auf einen Interessenausgleich bei Nichtannahme der perfekten schuldnerischen Leistung ausgerichtet; denn nur in diesem Falle hat der Schuldner die Möglichkeit, die Erfüllung der von ihm geschuldeten Leistung herbeizuführen und somit seine Vergütung ungeschmälert und einredefrei verlangen zu können. Diese Möglichkeit wird dem Schuldner durch das bei Annahmeverzug in §§ 372 ff. BGB gegebene Recht zur Hinterlegung bzw. durch das Recht zur Versteigerung hinterlegungsunfähiger Sachen gemäß § 383 BGB eröffnet168 • Die hierdurch gegebene Möglichkeit der "Ersatzerfüllung" besteht nur bei perfektionierter Leistung, da nur "die geschuldete Sache"169 mit Erfüllungswirkung hinterlegt oder versteigert werden kann, nicht aber etwa ein aufgrund unterlassener Bestellermitwirkung unfertiger Torso der geschuldeten Leistung. Für diesen Fall eröffnen die §§ 293' ff. BGB bzw. §§ 372 ff. BGB dem Schuldner keine Möglichkeit, die Erfüllung seiner Leistung herbeizuführen. Erkennt man - wie oben170 geschehen - ein Interesse des Werkunternehmers an der Vertragsdurchführung vielfach an, so muß 9.1. Vgl. den Wortlaut in §§ 293 ff. u. § 372 BGB 187 s. z. B. Larenz, Schuldrecht I, § 25; PalandtjHeinrichs, Einf. vor § 293 Anm.1. 118 Bei unbeweglichen Sachen besteht allerdings nur das Recht zur Besitzaufgabe gemäß § 303 BGB. 16g Vgl. Larenz, Schuldrecht I, § 18 II (S. 205). 170 11.2.2.1. 105

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man zur Erkenntnis gelangen, daß die §§ 293 ff. BGB ein solches Interesse nicht hinreichend berücksichtigen. Das Institut des Gläubigerverzugs, wie es in §§ 293 ff. BGB geregelt ist, kann somit nicht als zwingende gesetzliche Wertung des aufgezeigten Interessenkonflikts zwischen Besteller und Unternehmer angesehen werden. Vielmehr liegt dieser Regelung eine andere Modellsituation - nämlich die der Nichtannahme der perfekten Leistung - und dementsprechend auch eine andere Interessenlage zugrunde. Im übrigen hat auch der Gesetzgeber offenbar gesehen, daß jedenfalls im Werkvertragsrecht die außer der Abnahme erforderliche Mitwirkung des Gläubigers anders strukturiert ist als die schlichte Annahme, weshalb der unterlassenen Bestellermitwirkung eine eigene - wenn auch nicht erschöpfende - Regelung in §§ 642, 643, 645 BGB gewidmet ist. Zwar hat der Gesetzgeber - ob für die damaligen Verhältnisse zu Recht oder Unrecht, sei dahingestellt - das Interesse des Unternehmers an der Bestellermitwirkung nicht als so gravierend angesehen, daß er sich veranlaßt sah, eine Mitwirkungspflicht ausdrücklich zu normieren. Andererseits ist die gesetzliche Regelung der Bestellermitwirkung offen gestaltet. Daher bleibt die Möglichkeit erhalten, jedenfalls aufgrund einer Analyse und Wertung aktueller Interessenlagen der Beteiligten, die Bestellermitwirkung als rechtliche Verpflichtung zu qualifizieren. Die werkvertraglichen Besonderheiten im Bereich der Gläubigerhandlungen zeigen sich im übrigen daran, daß es - auch über die Situation beim Kaufvertrag hinausgehend - gerade bei der Abnahme des Werks besonders ungenügend wäre, den Unternehmer auf die allgemeinen Annahmeverzugsregelungen zu verweisen, weil das Fälligwerden der Vergütung gemäß § 641 BGB sowie weitere wesentliche Rechtswirkungenl71 an die Abnahme des Werks geknüpft sind. Entsprechend hat der Gesetzgeber über die Annahmeverzugsregeln hinausgehend in § 640 BGB eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme normiert172 . 11.2.3.2. § 640 BGB als Zeichen gesetzlicher Interessenbewertung? Daß der Gesetzgeber in § 640 BGB ausdrücklich die Pflicht des Bestellers zur Abnahme festgesetzt, dies aber für die Bestellermitwirkung unterlassen hat, könnte die Schlußfolgerung nahelegen, daß dahinter Vgl. hierzu MünchKomm-Soergel, § 640 Rdn. 1. Die sich hieraus für den Unternehmer ergebende Möglichkeit der Klage auf Abnahme und Zahlung wird bei unberechtigter Abnahmeverweigerung des Besteller·s allerdings auch noch als unbefriedigend angesehen. Daher werden verschiedene Möglichkeiten der Vorverlegung des FäUigwerdens der Vergütung vorgeschlagen, s. hierzu Pietsch, S. 186 ff. m.w.N.; s. auch MünchKomm-Soergel, § 638 Rdn. 38. 171

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eine bewußte gesetzliche Wertung steht, die das Interesse des Unternehmers an der Abnahme oberhalb, das an der Mitwirkung des Bestellers unterhalb der Pflichtenschwelle ansiedelt. Zwingend ist ein solcher Schluß indessen nicht. Zwar mag in der Tat der Gesetzgeber die Interessenlagen so bewertet haben. Da er andererseits aber die Bestellermitwirkung offen gestaltet hatl'13, ist deren Qualifizierung als Rechtspflicht jedenfalls aufgrund aktueller Interessenbewertung grundsätzlich möglich. Im übrigen ist der Gegenschluß aus § 640 BGB auch deshalb nicht zwingend, weil die ausdrückliche Statuierung einer Abnahmepflicht notwendig war, um die Abnahme über den sich sonst aus §§ 293 ff. BGB ergebenden Obliegenheitscharakter hinauszuheben. Denn wenn keine spezielle Abnahmepflicht festgesetzt ist, greifen die allgemeinen Annahmeverzugsregelungen ein, nach denen den Gläubiger lediglich eine Annahmeobliegenheit trifft174• Anders verhält es sich aber mit der der Annahme bzw. Abnahme vorgelagerten Bestellermitwirkung. Da diese hinsichtlich der Interessenkonstellationen nicht strukturgleich mit der punktuellen Annahme ist175 , zwingt ihre fehlende ausdrückliche Ausgestaltung als Rechtspflicht nicht zum Rückgriff auf die Annahmeverzugsbestimmungen. Hier bleibt vielmehr aufgrund der Strukturungleichheit zwischen Bestellermitwirkung und schlichter Annahme intra legern die Möglichkeit, eine Verpflichtung zur Mitwirkung zu statuieren, falls eine Interessenabwägung dies erfordert. Angemerkt sei schließlich, daß - wie bereits dargestellt176 - die herrschende Meinung die allgemeine Bedeutung der Abnahme und das Interesse des Unternehmers an ihr so hoch einstuft, daß sogar eine Hauptpflicht des Bestellers in ihr gesehen wird. Dies drängt freilich die Frage auf, ob der Schritt von der Bestellermitwirkung als bloßer Obliegenheit zur Bestellerabnahme als Hauptpflicht nicht zu groß geraten ist. 11.2.3.3'. Argument aus § 649 BGB?

§ 649 BGB gibt - ebenso wie § 8 Nr.1 VOB/B - dem Besteller ein jederzeitiges freies, d. h. von Gründen unabhängiges Kündigungsrecht, an das allerdings die grundsätzlich volle Vergütungspflicht geknüpft ist. Aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber dem Besteller ein freies Kündigungsrecht zugebilligt hat, wird nun verschiedentlich177 hergeleitet, 118 174

s. o. 9.1.

Vgl. Larenz, Schuldrecht I, § 25 I.

o. 11.2.3.1. s. o. 7.2.2.2.

175 S. 176

1 Müller-Foell

2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

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hierdurch werde zu erkennen gegeben, daß ein Interesse des Unternehmers an der Vertragsdurchführung - soweit es besteht - jedenfalls rechtlich gering zu bewerten ist, solange der Unternehmer seine Vergütung erhält. In der Tat gibt das freie Kündigungsrecht dem Besteller die Möglichkeit, sich durch dessen Ausübung über bestehende Interessen des Unternehmers an der Vertragsdurchführung hinwegzusetzen. Daraus läßt sich jedoch nicht ein Recht des Bestellers ableiten, die Vertragsdurchführung durch Unterlassen erforderlicher Mitwirkungshandlungen faktisch zu blockieren. Ein solches Vorgehen unterliefe im Gegenteil die Vorschrift des § 649 BGB, die die Kündigungserklärung und die sich anknüpfende Vergütungspflicht vorschreibt. Man könnte es sogar als widersprüchliches, gegen § 242 BGB verstoßendes Verhalten178 des Bestellers werten, einerseits die Vertragsdurchführung durch Unterlassen von Mitwirkungshandlungen zu blockieren, andererseits aber nicht die Kündigung zu erklären. Allerdings soll hier nicht verkannt werden, daß die Statuierung des freien Kündigungsrechts, zu der sich der Gesetzgeber - obwohl gemeinrechtlich umstritten119 - entschlossen hat, zu erkennen gibt, daß Interessen des Unternehmers an der Vertrags durchführung gering bewertet wurden. Der Gesetzgeber hat hiermit geglaubt, der modernen Rechtsentwicklung und den Eigentümlichkeiten des Werkvertrags zu entsprechen180 • Nicht gesehen wurde dabei, daß moderne, insbesondere großvolumige Werkverträge immer mehr kooperativen Charakter annehmen und ein Interesse an der Vertragsdurchführung hier häufig grundsätzlich auf beiden Seiten bestehtl8l . Dies berücksichtigt die moderne Vertragspraxis182 dadurch, daß das Bestreben des Unternehmers nicht selten dahingeht, das freie Kündigungsrecht abzubedingen183 • Wenn der Unternehmer gar ein besonderes Interesse an der Vertragsdurchführung ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, wird man zudem die stillschweigende Abbedingung des freien Kündigungsrechts prüfen müssenl84 •

177

s. insbes. Kohler, ArchBürgR 13 (1897), 149, 164, 168 f.; Palandt/Thomas,

§ 649 Anm. 1; BGH NJW 1972, 99, 100.

178 Zur Rechtsfigur des widersprüchlichen Verhaltens s. z. B. Palandt/Heinrichs, § 242 Anm. 4 C e. l7Q Vgl. Mot. II, S. 502 f. 180 Mot. II, S. 503. 181 s. o. 11.2.2.1. 182 Darauf weist Nicklisch (BB 1979, 533, 540) hin. 183 § 649 BGB ist eine dispositive Vorschrift, s. Staudinger/Riedel, § 649 Rdn. 8; Erman/Seiler, § 649 Rdn.15. 184 Vgl. Esser/Weyers, Tb 1, § 34 IV.

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

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Alles in allem ergibt sich, daß sich aus § 649 BGB kein zwingendes Argument gegen die Annahme einer Mitwirkungspflicht herleiten läßt1ss. Viel eher erscheinen Zweifel an der rechtspolitischen Berechtigung eines freien Kündigungsrechts im modernen Werkvertragsrecht angebracht. 11.2.3.4. Sonstige rechtliche Bewertung des Bestellerinteresses

Das als Interesse an persönlicher und wirtschaftlicher Handlungs- und Bewegungsfreiheit umschriebene Freiheitsinteresse des Bestellers stellt in einer liberal-demokratischen Gesellschaftsordnung grundsätzlich einen rechtlich anerkannten und schutzwürdigen Wert dar186 • Auf verfassungsrechtlicher Ebene hat das individuelle Freiheitsrecht unter der Herrschaft des Grundgesetzes in Art. 2 GG seinen verfassungsrechtlichen Niederschlag gefunden; auf der Ebene des Privatrechts hat es durch das Institut der Privatautonomie seine wichtigste Ausprägung erhalten. Das BGB selbst baut auf dem Grundsatz der Privatautonomie auf: "Dieser Grundsatz ist ihm so selbstverständlich - im Gegensatz zu vielen heutigen Rechtsordnungen -, daß es ihn gar nicht mehr ausdrücklich normieren zu müssen glaubte. Ausgangspunkt ist das Individuum: es soll seine Rechtsverhältnisse in Selbstbestimmung gestalten können. Dazu soll ihm die Rechtsordnung im privaten Lebensbereich die größtmögliche Freiheit gewähren; jede Bevormundung soll nach Möglichkeit unterbleiben"18T. Die Statuierung von Pflichten durch die Rechtsordnung schränkt nun die individuelle Freiheit des bzw. der Verpflichteten notwendigerweise ein. Andererseits werden hierdurch wiederum Freiheitsräume anderer geschaffen, die von der Verpflichtung profitieren. Insoweit erscheint die Statuierung von Pflichten auch als Bedingung von Freiheit. Es bedarf hier keiner näheren Begründung, daß individuelle Freiheit demnach nicht rechtlich schrankenlos existieren kann. In diesem Sinne ist schon die bekannte Definition des Rechts durch Kant zu verstehen, der das Recht als den "Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann", umschreibt188 . So auch Nicklisch, BB 1979, 533, 540. Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S.154; Coing, Rechtsphilosophie, S. 188 ff.; Dubischar, S. 36 ff. 187 Lange/Köhler, § 33 I 1 (S.223) mit Hinweisen auf das Schrifttum zur Privatautonomie. 188 Kant, S.337. Die daran anknüpfende rechtsphilosophische Diskussion soll hier nicht weiter vertieft werden, vgl. zum Ganzen Maihofer, JuS 1963, 165, 167. 185 186

7'

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

Das Recht zieht nun der Freiheit entweder von vornherein generelle Grenzen189 oder beschränkt sie durch Statuierung von Pflichten, sei es, indem Rechte durch immanente Pflichtigkeit begrenzt werden190, sei es, daß innerhalb von Rechtsverhältnissen Rechtspflichten auferlegt werden191 . Insoweit erweist sich die Freiheit als zwar anerkannter, aber gleichzeitig einzugrenzender Rechtswert. Andererseits unterliegen auch solche Begrenzungen der Freiheit selbst wiederum Grenzen: sie dürfen nicht zu einem Ersticken des Freiheitsrechts führen192. Entsprechend ist das Freiheitsinteresse des Bestellers zwar als gewichtiger, andererseits nicht als schrankenloser Wert anzusehen und ist somit - etwa durch die Statuierung einer Mitwirkungspflicht - im Grundsatz rechtlich durchaus einschränkbar, wenn auch nicht durch eine "Überspannung der Rechtspflichten"193 aushöhlbar. Bei dieser Betrachtung darf freilich nicht außer acht bleiben, daß der Besteller durch die (freiwillige) Eingehung des Werkvertrags sich selbst bereits eines Teils seiner persönlichen und wirtschaftlichen Betätigungs- und Handlungsfreiheit begeben hat, indem er sich verpflichtete, den Vertrag seinerseits zu erfüllen. Soweit nun die Vertragsdurchführung Mitwirkungshandlungen des Bestellers erfordert, hat sich dieser - so könnte man argumentieren - durch die Eingehung des Werkvertrags selbst verpflichtet. Eine solche Argumentationsführung käme jedoch einem Zirkelschluß gleich, da gerade fraglich ist, ob der Abschluß eines Werkvertrags für den Besteller (neben Vergütungs- und Abnahmepflicht) auch die Mitwirkungspflicht impliziert. Immerhin kann nicht verkannt werden, daß der Besteller sich durch das Eingehen der vertraglichen Verpflichtung rechtlich gebunden und grundsätzlich damit zu erkennen gegeben hat, die Durchführung des Vertrags zu wollen und daher auch durch Beitragen des seinerseits Erforderlichen zu ermöglichen. Damit ist aber noch nicht entschieden, ob von Rechts wegen der Besteller zur Mitwirkung verpflichtet sein oder ihm die Mitwirkung in Form einer Obliegenheit lediglich primär im eigenen Interesse "nahegelegt" werden soll. Um dies entscheiden zu können, bedarf es auch der rechtlichen Bewertung des Interesses des Unternehmers an der Erbringung der Bestellermitwirkung und der anschließenden rechtlichen Abwägung der beiderseitigen Interessen. 189 Vgl. z. B. Art. 2 Abs.1, 2. HS GG; als gesetzliche Grenzen der Privatautonomie sind z. B. §§ 134, 138 BGB zu nennen. 190 Vgl. die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, Art. 14 Abs. 2 GG, sowie die Pflichtgebundenheit subjektiver Rechte allgemein, s. hierzu Raiser, JZ 1961, 465, 471 ff.; Schapp, S. 118 ff. 191 Hierzu gehört die aufgezeigte Entwicklung der Statuierung von Nebenpflichten, auch auf G;'äubigerseite. 192 Vgl. Maihofer, JuS 1963, 165, 167. 193 Vgl. Münzberg, S.275.

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

101

11.2.3.5. Sonstige rechtliche Bewertung des Unternehmerinteresses Soweit die aufgezeigten ideellen und materiellen Interessen des Unternehmers an der Vertragsdurchführung vorhanden sind, stellen sie sich zunächst unter dem Aspekt der gegenseitigen Vertragstreue als rechtlich anerkannt und schützenswert dar. Daß Vertragspartner auf die mit dem Eingehen des Vertrages verfolgten gegenseitigen Interessen und Zwecke Rücksicht nehmen müssen, ist ein das allgemeine Prinzip des neminem laedere konkretisierender, nun aus § 242 BGB hergeleiteter Grundsatz, der mit der komplexeren Betrachtung des Schuldverhältnisses als Organismus einhergehend sich heute durchgesetzt hat l94 . Da das Nichterbringen von Mitwirkungshandlungen durch den Besteller die Vertrags durch führung blockiert und insoweit Vertragsinteressen des Unternehmers tangiert, läßt es sich prinzipiell als von der Rechtsordnung mißbilligte Verletzung vertraglicher Treue qualifizieren. Vertragsinteressen generell und speziell auch Interessen des Unternehmers an der Vertragsdurchführung sind daher rechtlich schützens wert. Entsprechend wird vielfach das Problem unterlassener Bestellermitwirkung im Zusammenhang mit vertraglicher Treuepflicht behandelt195 . Daß freilich hierbei verschiedene rechtliche Konsequenzen gezogen werden196 , macht deutlich, daß die Reichweite des aus dem Prinzip der Vertragstreue abgeleiteten Schutzes der gegenseitigen Vertragsinteressen nicht generell festgelegt ist und daher im Einzelfall unterschiedlich beurteilt werden kann. Feststeht, daß mit dem Vertrag verfolgte Interessen der Vertragspartner im Grundsatz insoweit rechtlich geschützt sind, als die Rechtsordnung die Parteien zu gegenseitiger Rücksichtnahme auf die Vertragszwecke anhält, daß andererseits aber diese Treuepflicht weder in ihrem Umfang noch in ihren Verletzungssanktionen überspannt werden darf und daher nur "in zumutbarem Maße"l97 besteht. Da dieses zumutbare Maß wiederum nur im Wege einer Interessenanalyse, -bewertung und -abwägung ermittelt werden kann, wird deutlich, daß der Hinweis auf die vertragliche Treuepflicht zwar ein Aspekt der Rechtsfindung sein kann, aber noch nicht die Problemlösung selbst präiudiziert. Als zu pauschal müssen daher die Argumentationen Köpckes198 und Glanzmannsl99 angesehen werden, die ihre Begründungen für die Einordnung der Bestellermitwirkung als Rechts194 Vgl. Larenz, Schuldrecht I, § 2 I; Esser / E. Schmidt, Tb 1, § 4 Ir; Palandt/Heinrichs, § 242 Anm. 4 B a. 195 s. Z. B. BGH VersR 1960, 693; Glanzmann, BGB-RGRK, § 631 Rdn.46; eingehend auch Köpcke, S. 69 ff. '198 S. o. insbes. 7.1. bei Fn. 166 ff. u. 7.2.3.2. 197 Larenz, Schuldrecht I, § 10 Ir b (S.I11). 198 Köpcke, S. 69 ff. 1~9 BGB-RGRK, § 631 Rdn.46.

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

pflicht ganz oder im wesentlichen aus der Pflicht zur Vertragstreue herleiten. Ihnen ist allerdings zuzugeben, daß insofern, als schon das bloße Unterlassen notwendiger Mitwirkungshandlungen zwangsläufig den Vertragszweck gefährdet, da das Projekt nicht durchgeführt werden kann, sich doch die besondere Qualität zeigt, in der die Problematik der Bestellermitwirkung den Aspekt der Vertragstreue tangiert. Neben dem allgemeinen Topos der gegenseitigen Vertragstreue ist zur rechtlichen Gewichtung der Unternehmerinteressen auf einen speziellen Gesichtspunkt hinzuweisen, der auf die dargelegten betriebswirtschaftlich motivierten Interessen des Unternehmers an der Vertragsdurchführung bezogen ist. Zu deren rechtlicher Bewertung läßt sich eine Parallele zu in der Rechtsprechung vorfindbaren Erwägungen ziehen, in denen im Zusammenhang mit Fragen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage betriebswirtschaftliche Interessen als rechtlich beachtenswerte Entscheidungstopoi herangezogen wurden, jedenfalls soweit eine mögliche Existenzvernichtung der "geschäftliche Ruin" in Frage stand2 °O. Die hierhinter stehenden sozialstaatlichen Rechtserwägungen201 sind auch auf die im Zusammenhang mit der Mitwirkungsproblematik entstehenden betrieblichen Interessen des Werkunternehmers - soweit diese gravierenden Ausmaßes sind - verallgemeinerbar, so daß sie sich unter diesem Aspekt als prinzipiell rechtlich beachtenswert darstellen.

11.2.4. Abwägung der InteressenEinordnung der Bestellermitwirkung Die Bewertung der vorgefundenen divergierenden Interessen auf Unternehmer- und Bestellerseite hat ergeben, daß diese auf beiden Seiten im Grunde schützenswert sind, ohne daß - so scheint es - die Rechtsordnung klare Präferenzen vorgibt. Zu beachten ist jedoch, daß die schon in den Motiven202 vorgezeichnete und in Rechtsprechung203 sowie herrschender Literatur204 fortgeschriebene Einordnung der Bestellermitwirkung als Obliegenheit von der Prämisse ausgeht, daß der Unternehmer kein oder zumindest kein rechtlich beachtenswertes Primärinteresse an der Vertragsdurchführung 200 Vgl. RGZ 102, 98, 100 m. w. N.; betriebswirtschaftliche überlegungen im Hinblick auf eine betriebliche Existenzgefährdung finden skh auch in BGH NJW 1977, 2262, 2263; BGH NJW 1978, 2390 ff.; BGH BB 1978, 1033. 201 So Wieacker (FS Wilburg, S. 229, 231) im Hinblick auf das Prinzip der Solidarität der Gesellschaft und ihrer einzelnen Glieder für die soziale Existenz jedes andern Glieds; vgl. dazu auch Koller, S.47. 202 Mot. II, S. 496; s. dazu o. 4.3. 20S s. dazu o. 7.1. JO' s, QCizU o. 7.2.3.1.

11. Lösungsweg: InteressenabwL'igung

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besitzt. Hiernach wird die Gewichtung der beiderseitigen Interessen so vorgenommen, daß dem Besteller keine Rechtspflicht zur Mitwirkung auferlegt wird, er andererseits aber bei unterlassener Mitwirkung den Unternehmer schadlos zu stellen hat. Diese Interessenabwägung überzeugt für die - die Rechtswirklichkeit jedoch nicht vollständig abdeckenden - Fälle, in denen der Unternehmer tatsächlich kein anerkennenswertes Eigeninteresse an der Vertragsdurchführung besitzt, sondern sich seine Interessen auf die finanzielle Schadlosstellung beschränken. Wenn diese Gewichtung solchen Interessenkonstellationen entspricht, so ist zu folgern, daß sie nicht mehr jenen Fällen adäquat sein kann, in denen das Interesse des Unternehmers über das rein Finanzielle hinausgehend auf die reale Vertragsdurchführung gerichtet ist. In diesen qualitativ anderen Situationen ist es vielmehr geboten, von einem Recht des Unternehmers auf Vertragsdurchführung'·w5 und damit von einer Rechtspflicht des Bestellers zur Mitwirkung auszugehen. Anders ist ein Schutz des - wie gezeigt - rechtlich anerkennenswerten Interesses des Unternehmers nicht erreichbar und umgekehrt wird der Besteller nicht unangemessen behandelt, da er einerseits letztlich nur an dem festgehalten wird, was er ursprünglich als von ihm gewollt mit dem Untern~hmer vereinbart hatte. Andererseits erhält er wertmäßig ein Äquivalent für seine Leistung. Zudem bleibt ihm die Möglichkeit, von dem freien Kündigungsrecht gemäß § 649 BGB Gebrauch zu machen, falls dieses nicht abbedungen ist206 • Eine rein faktische Vertragsbeendigung durch Unterlassen erforderlicher Mitwirkung ohne ordnungsgemäße Kündigung - insoweit ein widersprüchliches Verhalten - kann ihm jedoch im Interesse des Unternehmers von Rechts wegen nicht zugestanden werden. Die Interessenabwägung führt somit zu dem Ergebnis, daß nur dann von einer bloßen Obliegenheit des Bestellers zur Mitwirkung auszugehen ist, wenn der Unternehmer kein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Vertragsdurchführung besitzt, und daß umgekehrt in den Fällen, in denen ein solches Eigeninteresse des Unternehmers besteht, den Besteller eine Rechtspflicht zur für die Vertragsdurchführung erforderlichen Mitwirkung trifft. 205 Eine Parallele hierzu gibt es im Arbeitsrecht: ~m Arbeitnehmer wird in Form eines Anspruchs auf Beschäftigung ein Recht auf reale Vertragsdurchführung grundsätzlich oder zumindest, sofern ein entsprechendes Interesse vorliegt, zugestanden. Damit korrespondiert die Beschäftdgungspflicht des Arbeitgebers als Gläubigerpflicht. Vgl. hierzu BAG AP Nr. 6 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht m. w. N.; Fabricius, ZfA 1972, 35 ff. 206 Zur Abbedingbarkeit s. 11.2.3.3. Fn. 183.

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

Diese differenzierende Abwägung erfordert im Grundsatz eine Interessenanalyse jeweils im zu entscheidenden Einzelfall. Aus der vorstehenden beispielhaften Darstellung läßt sich jedoch bereits ablesen, daß bei bestimmten Werkvertragstypen ein Leistungserbringungsinteresse des Unternehmers regelmäßig vorhanden ist oder umgekehrt nicht existiert. So kann insbesondere bei großvolumigen Werkverträgen, z. B. größeren Bauverträgen oder Industrieanlagenverträgen, vom Vorhandensein eines Eigeninteresses des Unternehmers an der realen Werkdurchführung und somit vom Bestehen einer Rechtspflicht des Bestellers zur Mitwirkung ausgegangen werden. Gleiches gilt für künstlerisch zu gestaltende Werke. Auf der andern Seite ist bei in Relation zur Unternehmenskapazität weniger bedeutsamen Verträgen, insbesondere bei kleineren Reparatur- oder Änderungsverträgen, also bei sämtlichen "Massenwerkverträgen" das Fehlen eines primären Leistungserbringungsinteresses auf seiten des Unternehmers und demnach das Vorliegen einer bloßen Obliegenheit des Bestellers zur Mitwirkung anzunehmen. 11.2.5. Einschränkung nach der Struktur der Mitwirkungshandlung

Das bisher vorgefundene Ergebnis bedarf insofern einer Einschränkung, als es von seiner Begründung her nur für die Fälle Geltung beanspruchen kann, in denen die Erbringung der Mitwirkungshandlung für die Vertragsdurchführung notwendig ist, nicht aber hinsichtlich solcher Mitwirkungshandlungen, die zur Vertragsrealisierung lediglich förderlich sind. Denn nur im ersten Fall wird durch die unterlassene Mitwirkung ein Leistungserbringungsinteresse des Unternehmers entscheidend tangiert, während im zweiten Fall der Unternehmer trotz unterlassener Mitwirkung den Vertrag - wenn auch erschwert durchführen kann, so daß hier eine Schadloshaltung des Unternehmers zu dessen Schutz ausreichend ist. Mitwirkungspflichten des Bestellers sind demnach bei Vorliegen eines Eigeninteresses des Unternehmers an der Vertragsdurchführung etwa die Erbringung von TeiIleistungen, ohne die der Unternehmer das Werk nicht oder jedenfalls nicht vollständig herstellen kann, oder das Stellen eines Genehmigungsantrags, wenn ohne behördliche Genehmigung das Werk nicht errichtet werden darf. Dagegen kann das Erteilen von Auskünften oder Informationen für die Werkdurchführung zwar nützlich, aber doch nicht notwendig sein, so daß hier die Statuierung einer Mitwirkungspflicht sich als überzogen und nicht interessengerecht darstellen würde. Auch hier trifft den Bes.teller daher lediglich eine entsprechende Obliegenheit.

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

105

11.2.6. Möglichkeit abweichender Parteivereinbarung Die vorstehend getroffene differenzierende Einordnung der Bestellermitwirkung versteht sich als von einer Interessenanalyse ausgehende, an der heutigen Rechtswirklichkeit orientierte vertragstypusentsprechende Norminterpretation207 , nicht als individualvertragliche Auslegung208 • Damit kann freilich nicht ausgeschlossen sein, daß die Werkvertragsparteien durch besondere vertragliche Abreden eine hiervon abweichende Vereinbarung treffen, die ausdrücklich fixiert sein kann oder eventuell im Wege der Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB zu ermitteln ist. Haben die Parteien Mitwirkungshandlungen derart als Rechtspfticht des Bestellers vereinbart, so erübrigt sich eine Interessenanalyse. Im Regelfall werden jedoch bei Vereinbarung einer Rechtspfticht zur Mitwirkung entsprechende Interessen auf seiten des Unternehmers vorfindbar sein, so daß der Vereinbarung lediglich klarstellende Bedeutung zukommt. Darüber hinausgehend können die Parteien auch Mitwirkungshandlungen des Bestellers als Rechtspftichten vereinbaren, die aufgrund einer Interessenanalyse nicht als solche zu qualifizieren wären. Als Beispiel dafür müssen bestimmte in der VOB/B genannte Mitwirkungshandlungen angesehen werden, die einerseits für die Vertragsdurchführung zwar nützlich, aber doch nicht notwendig sind, andererseits in den betreffenden Bestimmungen der VOB/B in imperativer Form genannt sind, so z. B. die Mitwirkung des AG nach § 3 Nr.4 VOB/B oder das Aufsichtführen nach § 4 Nr. 1 VOB/B209 • Da diese Mitwirkungshandlungen in der VOB/B, die - wenn ihre Geltung vereinbart ist - Teil der Vertragsregelung bildet, ausdrücklich und in zwingender Form normiert sind, sind sie kraft vertraglicher Vereinbarung als Rechtspftichten anzusehen 210 •

Vgl. dazu Schwark, Rth 1978, 73, 94. Insoweit geht die hier vorgeschlagene Lösung methodisch über die Nicklischs (BB 1979, 533 ff.) hinaus. Methodisch gesehen hat die vertragstypusgemäße Gesetzesinterpretation insofern logischen Vorrang vor der Vertragsauslegung, als es keiner Auslegung mehr bedarf, wenn das Ergebnis bereits kraft Gesetzes, also von Rechts wegen folgt. Zudem erübrigt sich bei der Gesetzesinterpretation die Frage, ob der betreffende Punkt Anklang im jeweiligen Vertrag gefunden hat. Die Qualifizierung einer Mitwirkungshandlung als Rechtspflicht kraft Gesetzes geht daher der Vertragsauslegung vor. Die Problematik Gesetzesinterpretation oder Vertragsauslegung stellt sdch auch immer noch aktuell bei der Frage des Haftungsausschlusses bei Gefälligkeitsverhältnissen, s. Larenz, Schuldrecht I, § 31 III; Flume, § 76. 20U s. dazu auch o. 11.2.1.3. 110 So auch entgegen der baurechtlichen hM (s. dazu o. 7.2.3.5.) - N-W, § 4 Rdn. 8 ff. 207

20B

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik 11.3. Ergebniskontrolle durch Folgenanalyse

Nachdem im vorstehenden eine individuelle Interessenanalyse unter Berücksichtigung eventueller Folgen für die konkret Betroffenen vorgenommen wurde, soll nunmehr in Erweiterung und Fortführung dieses Ansatzes ein Blick auf die "Makro-Folgen"211 geworfen werden, indem das bisher vorgefundene, auf der rechtlichen Wertung der individuellen Interessen beruhende Ergebnis einer ökonomisch-funktionalen Analyse unterzogen wird. Die Folgenanalyse soll hier - jedenfalls zunächst - auf die reine Kontrolle eines aufgrund rechtlicher Kriterien bereits gefundenen Ergebnisses beschränkt bleiben. Insoweit kann das Problem der Zulässigkeit einer Folgenorientierung im Prozeß der Rechtsgewinnung 212 ausgeklammert werden. Erst wenn die Folgenanalyse eine Revision des rechtlich vorgegebenen Ergebnisses aufgrund ökonomischer Erwägungen nahelegen sollte, würde sich die entsprechende Legitimitätsfrage akut stellen 213 . Der Wert und auch die Notwendigkeit einer ökonomisch-funktionalen Folgenanalyse juristischer Entscheidungen mit wirtschaftlichem Kontext scheinen jedenfalls heute - wenn man das Legitimitätsproblem einmal vernachlässigt - weitgehend außer Frage zu stehen214 . Auch die Rechtsprechung des BGH bringt häufig ökonomische Erwägungen in ihre Entscheidungen ein, indem argumentativ auf die sogenannte wirtschaftliche Betrachtungsweise zurückgegriffen wird215 .

Vgl. Wälde, Juristische Folgenorientierung, S.6; Maihofer, Jb 1, S.14. Zur Frage der Kompetenz s. Wälde, Juristische Folgenorientierung. S. 96 ff.; Sambuc, S. 112 ff. m Vgl. hierzu insbes. Rebe, S. 35 ff. 214 Vgl. Rebe, S. 42 ff.; Jahr, SVS 33 (1964), 16, 17; Krawietz, S. 16 f., 19; JI'Iestmäcker, SVS 33 (1964), 103 ff.; Mertens/Kirchner /Schanze, S. 102 ff.; s. auch Teubner (Rth 1975, 179 ff.), der sich überzeugend mit Einwänden in Luhmanns "Rechbsystem und Rechtsdogmatik" auseinandersetzt. Problematisch ist allerdings, inwieweit metarechtliche Ordnungsvorstellungen und Wirkungszusammenhänge in den Prozeß der normativ-rechtlichen Entscheidung eingebracht werden können, ohne das Recht zum bloßen Instrument außerrechtlicher, insbes. ökonomischer Zwecke herabzustilisieren, s. dazu Mertens!Kirchner!Schanze, S. 188 ff.; Assmann, OAR, S.53; Mestmäcker, SVS 33 (1964), 103 ff.; Rebe, S. 35 ff., 85 ff.; Moritz, S. 7 ff.; Horn, AcP 176 (1976), 307, 330 ff. 215 Vgl. die umfangreichen Rechtsprechungsnachweise bei Rittner, S. 16 ff. Rittner (passim, insbes. S. 19, 27, 31, 54) hat allerdings gezeigt, daß in der Rechtsprechung des BGH die hinter dem Topos der wirtschaftlichen Betrachtungsweise steckenden ökonomischen Erwägungen meist unexpliziert bleiben, so daß die wirtschaftliche Betrachtungsweise dort eine eher argumentationsverkürzende als -anreichernde Funktion hat. Einschränkend hinsichtlich des Werts der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Raisch / K. Schmidt, S. 143, 165 f. 211

212

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

107

Im folgenden soll also - ausgehend von der wirtschaftlichen Bedeutung des Vertrags allgemein - die Problematik der Bestellermitwirkung unter ökonomischen Prämissen betrachtet werden.

11.3.1. Zur ökonomischen Bedeutung des Vertrags Eine ökonomische Analyse bietet sich besonders bei Vertragsproblemen aufgrund der umfassenden Bedeutung des Vertrags für das Wirtschaftsleben an: In einer Marktwirtschaft vollzieht sich das Wirtschaftsgeschehen weitgehend in der rechtlichen Form von Verträgen216 • Der (schuld rechtliche) Vertrag fungiert als Medium des Austauschs von Gütern und Dienstleistungen sowohl im Konsum- als auch Investitionsbereich217 • Der Vertrag ist das Mittel zur Kanalisierung des Umsatzlebens218 , das institutionelle Gerippe für den ökonomischen Basisprozeß des Güteraustausches219 • Besondere wirtschaftliche und auch gesamtgesellschaftliche Bedeutung kommt dem Werkvertrag insofern zu, als es dort um die Produktion von Sachgütern geht220 • Dieses schöpferisch-produktive Element zeichnet den Werkvertrag gegenüber anderen Vertragstypen aus221 • Neben der allgemeinen Funktion als Medium des Güteraustausches bringt der Vertrag für das Agieren der Wirtschaftssubjekte eine Entlastung: er legt Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter Ausschluß alternativer Möglichkeiten fest und erleichtert damit die Handlungsorientierung222 • Hinsichtlich der genannten Funktionen spielt das Recht eine entscheidende Rolle: Die Rechtsordnung gibt Normen vor, die aus der Sicht des Ökonomen als Rahmenbedingung für das Wirtschaftsleben gelten 223 • Dies gilt speziell für das Vertragsrecht, indem dieses (ohne Ausschließlichkeit) bestimmte Vertragstypen statuiert und allgemeine sowie für die speziellen Vertragstypen geltende Rechte und Pflichten der Parteien Vgl. Mändle, Bd. I, S.53. M. Wolf, Vertragsrecht, S. 4.6; s. auch Mertens/Kirchner/Schanze, S. 10?: s. auch schon Kreß (Schuldrecht I, § 5, 1), der die Güterbewegung als Zweck des vertraglichen Schuldverhältnisses herausstellte. 218 Jl'lrgensen, S.15. 21e ParsonsjSmelser, S.105; Frink, S.54; vgl. auch Esser JE. Schmidt, Tb 1, S. 1; Rebe, S. 164 f. 220 Vgl. M. Wolf, Entscheidungsfreiheit, S.166. Die Bedeutung des Werkvertrags im modernen Wirtschaftsleben betont auch v. Schenck, S.40. 221 Vgl. SoergeljMühl, Vor § 631 Rdn.14; ErmanjSeiler, Vor § 631 Rdn.2 f.; MünchKomm-Soergel, § 631 Rdn. 3. 222 s. Frink, S. 54 f.; Luhmann, Funktionen, S. 288; Jl'lrgensen, S.15. 223 Sauermann, Bd. I, S. 91, 218

217

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

festlegt; dem Vertragsrecht kommt dadurch die Bedeutung zu, Art und Weise sowie das Funktionieren der Güterverteilung zu steuern und zu strukturieren224 •

11.3.2. Ökonomische Analyse des Rechts als methodischer Bezugsrahmen Als Bezugsrahmen für die ökonomische Analyse vertraglicher Probleme innerhalb einer Marktwirtschaft wie der unsrigen bietet sich die - aus dem Amerikanischen kommende 225 - sogenannte Ökonomische Analyse des Rechts (ÖAR) an226 • Die ÖAR stellt - entsprechend wohlfahrtsökonomischer Prämissen sowohl in deskriptiver als auch in rechtspolitischer Hinsicht227 die "Frage nach den Wirkungen des Rechts (bzw. von Rechtsänderungen) auf die optimale Allokation von Ressourcen, vermittelt über das rationale, nutzenmaximierende Verhalten der Wirtschaftssubjekte"228, mit anderen Worten die Frage nach der ökonomischen Effiziem: rechtlicher Regelungen229 hinsichtlich der volkswirtschaftlich wertvollsten Ressourcennutzung, nach der der Marktmechanismus ohnehin tendiere 230 . Unter diesem Blickwinkel, der den Zielsetzungen unseres Wirtschaftssystems im Grundsatz adäquat zu sein scheint und eine durchaus wünschenswerte Konvergenz von rechtlichen und ökonomischen Intentionen anstrebt, soll nun die folgende Analyse der Mitwirkungsproblematik erfolgen.

Vgl. M. Wolf, Vertragsrecht, S.4, 11; Böhm, Ordo XVII (1966), 75, 94 f. s. das grundlegende Werk von Posner "Economic Analysis of Law". 226 Die Legitimität der hier vorgenommenen erkenntn~s-methodischen Verbindung von Interessenanalyse und ÖAR zeigt sich am gemeinsamen geistesr:eschichtlichen Hintergrund, dem Utilitarismus, insbes. Benthams: vgl. hinsichtlich der Interessenanalyse o. 11.1.1. Fn.87, hinsichtlich der ÖAR s. Horn, AcP 176 (1976), 307, 312. 227 Vgl. Horn, AcP 176 (1976), 307, 308, 310. 228 Assmann, ÖAR, S.21, 23. 229 So Kirchner, ÖAR, S.75, 77. 230 Vgl. Posner, S. 9; skeptisch hinsichtlich der Selbststeuerungsmöglichkeiten des Marktes Rahmsdorf!Schäfer. S. 94 ff. Zur ÖAR insgesamt s. insbes. den Sammelband von Assmann!Kirchner!Schanze: s. auch Horn, AcP 176 (1976), 307 ff.; Assmann, Steuerung. Mittlerweile liegen auch im deutschsprachigen Raum Untersuchungen zu rechtsdogmatischen Problemen vor, die Erkenntnisse der ÖAR zumindest teilweise verwerten, s. z. B. Adams, passim; M. Lehmann, Vertragsanbahnung, insbes. S. 226 ff.; Koller, insbes. S. 77 ff.; Rehbinder, insbes. S. 52 ff.; Trimarchi, ZHR 136 (1972), 118 ff.; Walz, FS Raiser, S.185 ff., insbes. S. 194 ff.; Weyers, insbes. S. 481 ff.; weitere Nachweise bei M. Lehmann, NJW 1981, 1233, 1234 Fn.20. 224 225

11. Lösungsweg: Interessenabwägung

109

11.3.3. Ökonomische Analyse der Mitwirkungsfrage Aus dem Blickwinkel der ÖAR lassen sich vertragliche Normen, die den Erfüllungsvorgang betreffen, dahingehend beurteilen, inwieweit sie im Hinblick auf die ökonomischen Ziele der pareto-optimalen231 Allokation von Ressourcen und damit einhergehend zur Minimierung von Transaktionskosten eu- oder dysfunktional sind 232 • (Vertragliche) Haftungsnormen können daraufhin analysiert werden, inwieweit sie Schäden demjenigen auferlegen, der diese mit dem geringsten Kostenaufwand verhindern könnte 233 • Hinsichtlich der Mitwirkungsproblematik ist zunächst offenkundig, daß die Kosten des werkvertraglichen Güteraustausches in aller Regel steigen, wenn der Besteller erforderliche Mitwirkungshandlungen nicht ordnungsgemäß erbringt. Zwar legt § 642 BGB - ökonomisch sinnvoll aufgrund der besseren Beherrschbarkeit und Absorbierbarkeit solcher Mitwirkungsrisiken durch den Besteller234 - diesem die entsprechenden Mehrkosten auf. Im Hinblick auf eine Prävention solcher Mehrkosten und damit einer Senkung der Transaktionskosten ist jedoch die Statuierung einer Rechtspfiicht des Bestellers zur Mitwirkung weitergehend ökonomisch funktional, jedenfalls insofern, als durch die Tatsache der rechtlichen Pfiichtigkeit auf den Besteller Druck zur ordnungsgemäßen Erbringung von Mitwirkungshandlungen und damit zur Vermeidung auf unterlassener Mitwirkung beruhender Mehrkosten ausgeübt wird. Während sich also unter dem Gesichtspunkt der Minimierung von Transaktionskosten die Statuierung einer Mitwirkungspfiicht als ökonomisch funktional erweist, ist es problematisch, inwieweit generell die Durchführung eines (begonnenen) Werkvertragsprojekts ökonomisch sinnvoll ist. Ließe sich die Frage bejahen, so spräche dies ebenfalls für die Statuierung einer Mitwirkungspfiicht, da hierdurch die Durchführung eines Werkvertrags jedenfalls begünstigt wird. Es scheint jedoch in dieser Frage eine generelle Beurteilung nicht möglich zu sein. Zwar kann im Grundsatz die These aufgestellt werden, daß das genannte schöpferische Element des Werkvertrags nur dann zum Tragen kommen kann, wenn das Projekt zu Ende geführt wird. Ein begonnenes und nicht fertiggestelltes Werk stellt im Gegen231 Pareto-Optimalität als Terminus der Wohlfahrtsökonomie bezeichnet einen Zustand, in dem keinem noch etwas zugeteilt werden kann, ohne einem andern Entsprechendes wegzunehmen, meint also den Zustand nutzenmaximaler Verteilung, vgl. Wälde, Rth 1975, 205, 215 Fn.30; ders., Juristische Folgenorientierung, S. 77; Assmann, Steuerung, S. 239, 298 f. 282 Vgl. Posner, S. 65 ff.; Horn, AcP 176 (1976), 307, 319. %88 Vgl. Calabresi, S. 135 ff.; Assmann, Steuerung, S.239, 301. 234 Diesen Aspekt beleuchtet Koller, S. 244 ff.

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2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

teil eine Vergeudung von grundsätzlich knappen Ressourcen, eine Vernichtung volkswirtschaftlicher Werte dar, da begonnene Werke (z. B. eine sogenannte Bauruine) häufig keiner Verwendung mehr zugeführt werden können, so daß hier von einer "optimalen Allokation von Ressourcen" keine Rede sein kann. Es ist indessen nicht auszuschließen, daß es in gewissen Fällen gesellschaftlich-ökonomisch durchaus sinnvoll sein kann, begonnene Projekte nicht zu Ende zu führen, wenn sich etwa nachträglich ihr gesellschaftlicher Nutzen anders, nämlich negativ darstellt (z. B. aufgrund notwendiger Änderungen gesellschaftlicher Zielvorgaben, etwa im Energiesektor). Auch kann im Hinblick auf das ökonomische Ziel des wertmaximierenden Güteraustauschs die Durchführung eines Werkvertragsprojekts in bezug auf eine Nutzenbringung für den Besteller - also individual-ökonomisch - dann nicht sinnvoll sein, wenn sich nachträglich herausstellt (z. B. aufgrund Korrekturen von Rentabilitätsschätzungen), daß das herzustellende Werk dem Besteller keinen Nutzen bringen und auch nicht durch weitere Transaktionen einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden kann. Auch dann würde der Zwang zur Vertragsdurchführung zu einer Verschwendung von Ressourcen führen, wäre die Beschränkung des Unternehmers auf finanzielle Schadlosstellung ökonomischer235 • Insgesamt scheinen aber solche Konstellationen jedenfalls nicht die Regelfälle zu sein, da sich doch meist dann, wenn der Nutzen für den konkreten Besteller zwar weggefallen sein mag, durch Transaktion für das Werk eine wertsteigernde Verwendung finden läßt, was jedenfalls ökonomisch sinnvoller ist, als das Projekt nicht zu Ende zu führen. Unter den ökonomischen Prämissen und Zielsetzungen der ÖAR läßt sich somit feststellen, daß die Statuierung einer Mitwirkungspfticht grundsätzlich sich als eufunktional darstellt, wenn sich auch Fälle denken lassen, in denen dieses als ökonomisch nicht sinnvoll erscheint. Insgesamt wird aber das aufgrund rechtlicher Wertungen gefundene Ergebnis durch die ökonomische Analyse im wesentlichen bestätigt, so daß das Problem der Zulässigkeit einer Ergebniskorrektur aufgrund ökonomischer Imperative oder wenigstens Zielsetzungen236 ausgeklammert bleiben kann237 • Vgl. Posner, S.88. Hierzu wiNi überwiegend vorausgesetzt, daß der außerrechtliche Wert auch aLs Rechtswert inkorporiert ist, vgl. insbes. Rebe, S. 42 f. m. w. N. 237 Das Problem einer Ergebniskorrektur stellt sich hier allenfalls hinsichtlich für die Vertragsdurchführung nicht notwendiger, sondern lediglich förderlicher Mitwirkungshandlungen, die oben von der Pflichtigkeit ausgeklammert wurden. Denn unter dem Aspekt der Minimierung von Transaktionskosten könnte auch diesbezüglich die Statuierung einer entsprechenden Rechtspflicht als ökonomisch-funktional angesehen werden. Dies würde je235 238

12. Ergebnis d. Einordnung

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12. Ergebnis der rechtlichen Einordnung der Bestellermitwirkung (1) Die herrschende Einordnung der Bestellermitwirkung als Obliegenheit geht von der Prämisse aus, daß der Besteller kein anerkennenswertes Interesse an der Werkdurchführung habe. Dies trifft jedoch nicht auf alle Fälle der Rechtswirklichkeit zu. Vielmehr existieren vielfältige Situationen, in denen sich ein derartiges Interesse des Unternehmers an der Werkherstellung nachweisen läßt. Andererseits liegen die aufgezeigten Situationen, in denen ein solches Leistungserbringungsinteresse des Unternehmers existiert, nicht generell vor. Die unterschiedlichen Interessenkonstellationen ergeben sich zwangsläufig aus der Differenziertheit des Werkvertrags in der Rechtswirklichkeit. (2) Entsprechend verbietet sich eine pauschale Einordnung der Bestellermitwirkung. Vielmehr ist folgendermaßen zu differenzieren: Liegt eine der aufgezeigten Konstellationen vor, in denen der Unternehmer ein Leistungserbringungsinteresse hat, so ist von einer gesetzlichen Pflicht des Bestellers zur Mitwirkung auszugehen, soweit die Erbringung der Mitwirkungshandlung für die Werkdurchführung notwendig ist. Ergibt eine Interessenanalyse kein Eigeninteresse des Unternehmers an der Werkherstellung, so ist lediglich eine Obliegenheit anzunehmen. (3) Wenn es danach auch primär auf die jeweilige Interessenkonstellation im Einzelfall ankommt, so läßt sich doch in signifikanter Weise bei bestimmten Werkvertragstypen das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein eines Leistungserbringungsinteresses beim Unternehmer nachweisen: Handelt es sich um Werkverträge über die Herstellung von Kunstwerken oder jedenfalls künstlerisch gestalteten Werken oder um großvolumige Werkverträge, also etwa größere Bau- oder Anlagenverträge, die betriebswirtschaftlich - insbesondere hinsichtlich einer zeitweiligen Kapazitätsauslastung - für den Unternehmer bedeutsam sind, so ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die Bestellermitwirkung eine Rechtspflicht darstellt. Handelt es sich umgekehrt um kleinere Projekte, also "Massenwerkverträge", so ist im Regelfall lediglich eine Obliegenheit des Bestellers zur Mitwirkung anzunehmen. doch offensichtlich eine überspannung bedeuten, da - wie dargelegt - das die Statuierung einer Rechtspflicht auslösende Interesse des Unternehmers an der Vertragsdurchführung nur auf hierfür notwendige Mitwirkungshandlungen beziehbar ist.

112

2. Teil: Zur Lösung d. Mitwirkungsproblematik

(4) Methodisch gesehen handelt es sich hierbei nicht lediglich um eine individualvertragliche Auslegung, sondern um eine vertragstypusentsprechende, d. h. nach Vertragstypen differenzierende Norminterpretation, wobei sich die Typenbildung an faktischen Interessenkonstellationen orientiert. (5) Eine - wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Bestellermitwirkung angezeigte - ökonomisch-funktionale Betrachtung entsprechend den Prämissen der ÖAR bestätigt die vorgefundenen Ergebnisse, die sich als im Regelfall ökonomisch funktional darstellen.

Dritter Teil

Rechtsfolgen bei Störungen hinsichtlich der Erbringung von Mitwirkungshandlungen 13. Differenzierungskriterien bei der Rechtsfolgenanordnung Die rechtlich-praktische Relevanz des erörterten Einordnungsproblems zeigt sich insbesondere dann, wenn Störungen bei der Erbringung von Mitwirkungshandlungen auftreten. Die sich daran anknüpfende Frage nach den Rechtsfolgen hat nämlich primär davon auszugehen, ob es sich bei der betreffenden Mitwirkungshandlung um eine Rechtspflicht oder um eine Obliegenheit handelt. Weiter ist für die Bestimmung der Rechtsfolgen relevant, ob der Vertrag trotz Störungen bei der Erbringung von Mitwirkungshandlungen durchgeführt wird oder ob es infolgedessen zu einer Vertragsbeendigung kommt. Schließlich kann - wie bei Vertragsstörungen allgemein - danach unterschieden werden, ob es sich bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten um eine Nichtleistung, eine verzögerte Leistung oder eine Schlechtleistung handelt. 14. Rechtsfolgen bei Verletzung einer ßechtspfticht zur Mitwirkung 14.1. Rechtsfolgen bei Durchführung des Vertrags

Zunächst sind die Rechtsfolgen in Fallkonstellationen zu untersuchen, in denen zwar Störungen bei der Erbringung von Mitwirkungshandlungen auftreten, diese aber nicht zu einer Vertragsbeendigung führen.

14.1.1. Anspruch des Unternehmers bei schlichtem Unterlassen von Mitwirkungshandlungen Möglichkeiten der Anspruchsrealisierung Erbringt der Besteller seine Mitwirkungshandlungen schlicht - d. h. ohne daß diesbezüglich Unmöglichkeit vorliegt - nicht, so kann der Unternehmer versuchen, den ihm zustehenden Anspruch auf Erfüllung notfalls gerichtlich zu realisieren. 8 Müller-Foell

114

3. Teil: Rechtsfolgen b. Störungen hins. Mitwirkung 14.1.1.1. Bestehen eines Erfüllungsanspruchs

Da es sich in den hier besprochenen Fallkonstellationen bei der Erbringung der Mitwirkungshandlungen um echte Rechtspflichten des Bestellers handelt, steht dem Unternehmer umgekehrt ein entsprechender Anspruch1 auf Erfüllung zu2 .Bei den Mitwirkungspflichten handelt es sich nämlich in aller Regel um Nebenleistungspflichten, da sie der Erbringung der Werkleistung dienen und nicht lediglich allgemein die Rechtsgüter des Vertragspartners schützen sollen3 • 14.1.1.2. Klage auf Vornahme von Mitwirkungshandlungen

Mitwirkungspflichten sind in aller Regel selbständig einklagbar, können also im Wege der Leistungsklage gerichtlich geltend gemacht werden. Dies folgt daraus, daß es sich bei den Mitwirkungspflichten grundsätzlich um (Neben-)Leistungspflichten handelt, deren Leistungsinhalt konkretisiert ist. Auch hat der Unternehmer an der Erbringung der Mitwirkungshandlungen ein rechtlich schützenswertes Interesse4 , so daß ihm mit lediglich repressivem Rechtsschutz (finanzielle Schadlosstellung) nicht voll gedient wäre5 • 14.1.1.3'. Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung

Hat der Unternehmer ein obsiegendes Urteil auf Vornahme einer bestimmten Mitwirkungshandlung erwirkt, so kann er - falls der Besteller auch jetzt noch nicht freiwillig leistet - bei Vorliegen der weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen den Weg der Zwangsvollstreckung beschreiten. Handelt es sich bei der Mitwirkungshandlung - wie regelmäßig um eine vertretbare Handlung, deren Vornahme also auch durch einen Dritten erfolgen kann6 , so kann der Unternehmer gemäß § 887 ZPO vorgehen, also die Mitwirkungshandlung auf Kosten des Bestellers selbst vornehmen. Solche Mitwirkungshandlungen können etwa im Stellen von Materialien oder Erbringen von Vor- oder Teilleistungen liegen. Ohne daß die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen, steht dem Unternehmer kein Recht auf Selbstvornahme zu. Zwar wurde ein solches Recht in einer Entscheidung des RG7 bejaht, in der der Unter1 2

541.

Zur Anspruch-Pflichten-Korrelation s. Larenz, Schuldrecht I, § 2 I. So auch Glanzmann, BGB-RGRK, § 631 Rdn.46; Nicklisch, BB 1979, 533,

s. dazu o. 7.2.2.1. bei Fn. 230 ff. Dies ist schon im Rahmen der vorrangigen Einordnungsfrage bejaht worden. 5 Zu diesem Kriterium s. o. 7.2.2.1. bei Fn. 241 f. e s. § 887 Abs. 1 ZPO. 7 RG Recht 1912, Nr. 1292; s. dazu auch o. 5.1. bei Fn. 81. S 4

14. Verletzung v. Mitwirkungspfiichten

115

nehmer eine für die Erbringung seines Werks notwendige Vorleistung selbst ausführte und in Rechnung stellte. Mit der Begründung, daß nur so der Unternehmer die ihm vertraglich zugesicherte Vergütung verdienen könne, billigte ihm das RG einen Anspruch auch hinsichtlich der Vorleistung zu8 • Da es sich hierbei jedoch der Sache nach um die Ersatzvornahme einer Mitwirkungshandlung handelte (deren Klagbarkeit hier einmal unterstellt sein soll) und weder ein vertraglich vereinbartes noch ein durch Vertragsauslegung begründbares Recht zur Selbstvornahme vorlag, ist die Zubilligung dieses Anspruchs außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens unzutreffend und wird daher in der Literatur zu Recht kritisiert9 • Handelt es sich bei der Mitwirkungshandlung um eine unvertretbare, d. h. durch einen Dritten nicht vornehmbare1o Handlung, so kann der Unternehmer grundsätzlich gemäß § 888 ZPO vorgehen, also den Besteller durch Androhung von Zwangsgeld oder -haft zur Erbringung der Mitwirkungshandlung anhalten lassen. Neben der Unvertretbarkeit ist gemäß § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO hierfür Voraussetzung, daß die Vornahme der Mitwirkungshandlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Sie darf also insbesondere nicht dessen persönliche Fähigkeiten übersteigenl l. Eine solche unvertretbare Mitwirkungshandlung kann z. B. dann vorliegen, wenn der Besteller künstlerisch gestaltete Pläne oder Teilleistungen erbringen soll und ihm dies einerseits prinzipiell möglich ist, andererseits die Leistung aber derart individuell ist, daß ein Dritter (Künstler, Architekt) sie nicht erbringen kannll!. Auch die Bereitstellung von Räumlichkeiten durch den Besteller ist eine unvertretbare Mitwirkungshandlung, die gegebenenfalls über § 888 ZPO erzwungen werden kann13. Unter Umständen kann auch eine Vollstreckung gemäß § 894 ZPO in Frage kommen. Dies gilt z. B. hinsichtlich des Stellens eines erforderlichen Bauantrags als Mitwirkungspflicht des Bestellers. Da es sich hierbei um eine Willenserklärung (des öffentlichen RechtS)14 handelt, gilt RG Recht 1912, Nr.1292. Glanzmann, BGB-RGRK, § 642 Rdn. 14; Nicklisch, BB 1979, 533, 542 Fn.109; unklar Erman/Seiler, § 642 Rdn. 10. Auch eine Analogiebildung zu § 633 Abs. 3 BGB, an die man hier denken könnte, erscheint angesichts des Ausnahmecharakters von Selbstvornahmerechten in unserer Rechtsordnung als kaum zulässig. 10 s. § 888 Abs. 1 ZPO. 11 Thomas/Putzo, § 888 Anm. 1 b, bb. 12 Zur Unvertretbarkeit s. Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, § 887 Anm.6 u. § 888 Anm.l; Stein/Jonas/Münzberg, § 888 Anm. I 1. 13 Soweit es sich um eine Rechtspflicht handelt; zu pauschal insofern Steinl Jonas/Münzberg, § 888 Anm. I 1; ablehnend unter Hinweis auf die mangelnde Erzwingbarkeit solcher Mitwirkungshandlungen OLG Nürnberg OLG 31 (1915), 129. 14 Mang/Simon, § 86 Rdn.1. 8

9

8'

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3. Teil: Rechtsfolgen b. Störungen hins. Mitwirkung

die Vollstreckungsvorschrift des § 894 ZPO. Die weiteren Handlungen, die zum ordnungsgemäßen Stellen des Bauantrags hinzutreten müssen, wie etwa die Einreichung der Bauvorlagen, sind dagegen wiederum gemäß §§ 887, 888 ZPO vollstreckbar15 • 14.1.1.4. Einstweiliger Rechtsschutz Häufig kommt es dem Unternehmer gerade darauf an, seine Leistung termingerecht erbringen zu können. Im Falle des Unterlassens erforderlicher Mitwirkungshandlungen würde hier die Durchführung eines Klageverfahrens zu viel Zeit in Anspruch nehmen, so daß die Beantragung einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935 ff. ZPO in Betracht kommt. Zu denken ist hierbei an die sogenannte Leistungsverfügung18 • Problematisch erscheint der Erlaß einer solchen einstweiligen Verfügung, die auf Erbringung einer Mitwirkungshandlung gerichtet ist, deshalb, weil dies der - wenn auch vorläufigen - Erfüllung gleichkäme. Dies aber liefe dem der einstweiligen Verfügung überwiegend zugeschriebenen bloßen Sicherungscharakter17 zuwider. Grunsky weist jedoch darauf hin, daß die Rechtspraxis angesichts bestehender Notwendigkeiten über diese Sicherungsfunktion hinausgegangen ist und dem Schuldner auch die Erfüllung von Pflichten aufgegeben hat18 • Dem ist zuzustimmen, soweit der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung des Anspruchs dringend angewiesen ist19 • Entsprechendes gilt im Falle des Unterlassens von Mitwirkungshandlungen: Ist der Unternehmer dringend auf die sofortige Erfüllung angewiesen, so kann eine entsprechende Leistungsverfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO ergehen 20 • 14.1.1.5. Einschränkungen der gerichtlichen Geltendmachung Zwar stehen dem Unternehmer die genannten Möglichkeiten einer gerichtlichen Durchsetzung seines Anspruchs auf Erfüllung der Mitwirkungspflichten von Rechts wegen zu. In der Praxis wird er diesen Weg aber nur im Notfall beschreiten, um das besonders bei Langzeitverträgen erforderliche kooperative Vertragsklima nicht über Gebühr zu geVgl. Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, § 894 Anm. 3 B. Zum Begriff s. Stein/Jonas/Grunsky, vor § 935 Anm. IV 1; Jauernig, ZZP 79 (1966), 321, 336 ff. 17 Vgl. hierzu z. B. Thomas/Putzo, § 938 Anm. 1 b; Schönke/Baur, § 50 I; kritisch dazu Jauernig, ZZP 79 (1966), 321, 323 ff. 18 Stein/Jonas/Grunsky, vor § 935 Anm. IV 1. 19 Stein/Jonas/Grunsky, vor § 935 Anm. IV 5. 20 Auf eine teilweise als "praktisch belanglos" bezeichnete (so Baumbach/Lauterbachl Albers/Hartmann, § 940 Anm. 1; dagegen Jauernig, ZZP 79 [1966], 321, 324 f.) - Differenzierung zwischen den Verfügungen nach § 935 ZPO und § 940 ZPO soll hier verzichtet werden. Zu Möglichkeiten einer Abgrenzung s. Stein/Jonas/Grunsky, vor § 935 Anm. UI. 15 16

14. Verletzung v. Mitwirkungspfiichten

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fährden21 • Dies ändert aber nichts daran, daß schon die Möglichkeit der klageweisen Geltendmachung als Druckmittel auf den Besteller in Richtung auf eine Erfüllung der Mitwirkungspflichten Wirksamkeit entfalten kann, so daß sich eine Klageerhebung erübrigt. Neben dieser praktischen Einschränkung ist auf die rechtliche Möglichkeit des Bestellers hinzuweisen, einer gerichtlichen Verurteilung zu entgehen, wenn er den Vertrag wirksam - insbesondere gemäß § 649 BGB22 - kündigt23 •

14.1.2. Rechtsfolgen bei verzögerter Erbringung von Mitwirkungshandlungen Wird die Mitwirkungshandlung verspätet erbracht und der Vertrag deshalb nur mit Verzögerung durchgeführt, so stehen dem Unternehmer mehrere Möglichkeiten zu, sich hinsichtlich der Verzögerung schadlos zu halten. Andererseits kann der Besteller aus der Verzögerung keine Ansprüche herleiten. 14.1.2.1. Anspruch des Unternehmers aus § 642 BGB Zunächst steht dem Unternehmer unter den Voraussetzungen des Annahmeverzuges gemäß §§ 293 ff. BGB der speziell auf die Unterlassung von Mitwirkungshandlungen zugeschnittene verschuldensunabhängige Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB zu, der neben dem Vergütungsanspruch steht24 , wenn der Vertrag - wenn auch mit Verzögerung - durchgeführt wird25 • Hinsichtlich des Umfangs dieses Entschädigungsanspruchs nennt § 642 Abs.2 BGB folgende Kriterien: einerseits die Dauer des Verzugs und die Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits dasjenige, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Wenn auch § 642 BGB demnach in erster Linie den Unternehmer für verlängerte Vorhaltung seiner Leistungsbereitschaft entschädigen will, so sind doch - diesem Normzweck entsprechend - gleichermaßen Kosten aufgrund einer Verteuerung von Produktionsmitteln hierzu zu rechnen, da auch diese die Aufrechterhaltung der Leistungskapazität des Unternehmers betreffen26 • Darauf weist zu Recht Nicklisch hin, BB 1979, 533, 542. Falls diese Bestimmung nicht abbedungen wurde, s. dazu o. 11.2.3.3. Fn.183. 23 Vgl. Glanzmann, BGB-RGRK, § 631 Rdn.46. 24 s. dazu o. 9.1. bei Fn. 7 f. 25 Beim VOB-Bauvertrag ist streitig, ob der AN den Anspruch aus § 642 BGB nur im Falle der Kündigung gemäß § 9 VOB/B geltend machen kann, so N-W, § 6 Rdn. 51 u. § 9 Rdn. 3; a. A. Glartzmann, BGB-RGRK, § 642 Anm. 17; MünchKomm-Soergel, § 642 Rdn. 11. 21

22

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3. Teil: Rechtsfolgen b. Störungen hins. Mitwirkung

Im einzelnen kommen demgemäß als Entschädigungsposten insbesondere Kosten für die verlängerte Unterhaltung der Arbeitsstelle sowie die Vorhaltung von Arbeitskräften, -materialien und -geräten in Frage. Die Höhe dieser Posten bestimmt sich einerseits nach der Dauer der Verzögerung und andererseits nach der Höhe der vereinbarten Vergütung, d. h. nach dem dort festgesetzten Kostenanteil der betreffenden Positionen. Ein weiterer Entschädigungsposten kann darin liegen, daß der Unternehmer während der Verzögerung für die Erbringung der Werkleistung vorgesehenes Kapital ungenutzt bereithalten mußte. Gleiches gilt hinsichtlich der allgemeinen Geschäftskosten27 • Auch die Mehrkosten des Unternehmers, die während der Verzögerung aufgrund von Kostensteigerungen bei Löhnen oder Materialien entstanden sind, sind aus dem genannten Grund28 gemäß § 642 BGB grundsätzlich ersetzbar. Fraglich ist, ob auch entgangener Gewinn gemäß § 642 BGB verlangt werden kann29 . Der BGH hat dies in einem Fall bejaht, in dem es allerdings nicht zu einer Vertragsdurchführung kam30 . Der entgangene Gewinn bezog sich hier also auf den nicht durchgeführten Vertrag selbst. Hier geht es demgegenüber um die Frage, ob der Unternehmer entgangenen Gewinn dafür verlangen kann, daß er aufgrund der Verzögerung und der darin liegenden längeren Bindung der Kapazitäten seines Unternehmens andere gewinnbringende Verträge nicht durchführen konnte. Dies dürfte zu verneinen sein, da andernfalls § 642 BGB als verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch seinem Umfang nach zu sehr dem "echten" Schadensersatzanspruch angenähert würde, was eine nicht zu begründende Abweichung von dem im BGB grundsätzlich geltenden Verschuldensprinzip31 bedeuten würde. Abzuziehen von den genannten Schadensposten ist gemäß § 642 Abs. 2 BGB dasjenige, was der Unternehmer infolge des Verzuges an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Ein gewisser Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Entschädigung bleibt insofern, als diese "angemessen" sein muß. Ist zwischen Unternehmer und Besteller streitig, wie hoch die Entschädigung ist, kommt daher eine gerichtliche Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO in Betracht32 • Die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Höhe 26 So auch Glanzmann, BGB-RGRK, § 642 Rdn.5; im Ergebnis auch Koller (S. 245 f.), allerdings unter engerer Interpretation des § 642 BGB. 27 VgI. BGH S-F Z 2.511 BI. 8, 9. 28 s. bei Fn. 26. 2D Offensichtlich bejahend Glanzmann, BGB-RGRK, § 642 Rdn. 18. 30BGH S-F Z 2.511 BI. 8, 9. 31 VgI. Fikentscher, Schuldrecht, § 53 I. Gegen die Ausdehnung des § 642 BGB zum vollen Schadensersatzanspruch auch die erste Gesetzgebungskommission, s. die ProtOkolle bei Jakobs/Schubert, §§ 642, 643, AI (S. 889).

14. Verletzung v. Mitwirkungspflichten

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der Entschädigung ableitet, trägt der Unternehmer. Hinsichtlich der anzurechnenden Posten (anderweitiger Erwerb, Ersparnis von Aufwendungen) ist im Prinzip der Besteller beweispflichtig. Da es sich dabei jedoch um Betriebsinterna des Unternehmers handelt, in die der Besteller keinen Einblick hat, wird man an die Substantiierung keine allzu hohen Anforderungen stellen dürfen und den Unternehmer gegenüber entsprechenden Behauptungen des Bestellers auf die Möglichkeit der Entlastung verweisen müssen33 • 14.1.2.2. Anspruch des Unternehmers aus § 304 BGB Neben dem speziellen Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB bleibt dem Unternehmer der allgemeine Annahmeverzugsanspruch aus § 304 BGB erhalten, der dem Umfang nach im Vergleich zu § 642 BGB eingeschränkt ist 34 , andererseits aber hiervon voll abgedeckt ist, so daß in der Praxis eine Geltendmachung des Anspruchs aus § 304 BGB neben dem aus § 642 BGB kaum von Relevanz ist. § 304 BGB ersetzt lediglich die tatsächlich entstandenen Mehraufwendungen35, die der Unternehmer wegen des in dem Unterlassen erforderlicher Mitwirkungshandlungen liegenden Leistungshindernisses tätigen mußte. Hierunter können z. B. Kosten für die Aufrechterhaltung einer Baustelle, für Einsatzmöglichkeiten von Arbeitskräften, -materialien und -geräten fallen, nicht aber z. B. - insoweit abweichend zu § 642 BGB - Kosten hinsichtlich brachliegenden Kapitals oder allgemeine Geschäftskosten. 14.1.2.3. Anspruch des Unternehmers aus § 286 Abs. 1 BGB Weiter kann dem Unternehmer ein Anspruch auf Ersatz seines Ver... zugsschadens gemäß § 286 Abs. 1 BGB zustehen. Voraussetzung hierfür ist, daß der Besteller mit seiner Verpflichtung zur Erbringung der Mitwirkungshandlung in Schuldnerverzug gemäß §§ 284, 285 BGB geraten ist. Bedeutsam ist der Anspruch aus § 286 Abs. 1 BGB im Vergleich zu § 642 BGB, da er unstreitig auch entgangenen Gewinn einschließt36 • Unter den Voraussetzungen des § 286 BGB kann der Unternehmer somit auch entgangenen Gewinn hinsichtlich solcher Verträge geltend machen, die er wegen der Verzögerung nicht ausführen konnte. 12 MünchKomm-Soergel, § 642 Rdn. 8; Glanzmann, BGB-RGRK, § 642 Rdn.l0. 3S Vgl. Glanzmann, BGB-RGRK, § 649 Rdn. 13; N-W, § 8 Rdn. 10. 34 s. Palandt/Thomas, § 642 Anm. 2; Glanzmann, BGB-RGRK, § 642 Rdn.5. 35 PalandtlHeinrichs, § 304 Anm. 2; MünchKomm-Walchshöfer, § 304 Rdn. 2. 38 PalandtlHeinrichs, § 286 Anm. 2 b; Erman/Battes, § 286 Rdn. 7.

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3. Teil: Rechtsfolgen b. Störungen hins. Mitwirkung 14.1.2.4. Kein Anspruch des Unternehmers aus § 326 BGB

Ein Schadensersatzanspruch aus § 326 BGB scheidet in der vorliegend behandelten Situation schon deshalb aus, weil es bei dem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 326 BGB zu keiner Vertragsdurchführung kommt. 14.1.2.5. Grundsätzlich kein Anspruch des Unternehmers aus pVv Auch ein Schadensersatzanspruch aus pVv scheidet bei bloßer verzögerter Erbringung der Mitwirkungshandlung aus, weil dies ein Fall des Schuldnerverzugs darstellt, der in § 286 Abs. 1 BGB geregelt ist, so daß ein Rückgriff auf pVv ausscheidet. Lediglich wenn über die reine Verzögerung hinaus eine zusätzliche Pflichtverletzung des Bestellers vorliegt, kommt ein Schadensersatzanspruch aus pVv in Betracht. 14.1.2.6. Keine Ansprüche des Bestellers bei Verzögerungen aufgrund verspäteter Erbringung von Mitwirkungshandlungen Der Besteller kann keine Rechte aus der Verzögerung herleiten, da er diese durch die verspätete Erbringung seiner Mitwirkungshandlungen selbst verursacht hat. Er kann also insbesondere keinen Verzugsschaden gemäß § 286 Abs. 1 BGB geltend machen. Auch etwa vereinbarte Vertragsstrafen werden nicht fällig, soweit die Verzögerung vom Besteller selbst verursacht ist; denn grundsätzlich tritt der Verfall einer Vertragsstrafe nur ein, wenn die Verzögerung vom Schuldner der Vertragsstrafe verschuldet wurde. Dies folgt aus § 339 S. 1 BGB, der für den Verfall der Vertragsstrafe Verzug, also gemäß § 285 BGB auch Verschulden, voraussetzt. Selbst wenn das Verschuldenserfordernis abbedungen ist37 , kann in jedem Fall eine Vertragsstrafe nicht verwirkt sein, wenn die Nichteinhaltung von Ausführungsfristen auf ein Verhalten des Bestellers zurückzuführen ist38 •

37 Dies wird man aus Gründen der Privatautonomie für zulässig halten müssen, vgl. BGH NJW 1971, 883 m. w. N.; Palandt/Heinrichs, § 339 Anm.2; Erman I H. P. Westermann, § 339 Rdn. 7; Jauernig/Vollkommer, § 339 Anm. 3 d; a. A. Lindacher, S. 90 f. 38 Eine andere Frage ist, ob in ßolchen Fällen die Vertragsstrafe generell hinfällig wird oder mit entsprechender Verschiebung der Termine aufrechterhalten bleibt; letzteres wird man dann bejahen müssen, wenn es sich um nicht sonderlich ins Gewicht fallende Verschiebungen handelt, s. hierzu BGH NJW 1966, 971 m. w. N.; BGH WM 1974, 10:5 m. w. N.; BaUhaus, BGB-RGRK, ~ 339 Rdo. 24.

14. Verletzung v. Mitwirkungspflichten

121

14.1.3. Rechtsfolgen bei mangelhafter Erbringung von Mitwirkungshandlungen

14.1.3'.1. Fortbestehen des Erfüllungsanspruchs Erbringt der Besteller seine Mitwirkungshandlungen zwar termingemäß, aber nur mangelhaft, so bleibt der Anspruch des Unternehmers auf vertragsgemäße Erbringung bestehen, da der Besteller durch die mangelhafte Leistung seine Mitwirkungspflicht noch nicht erfüllt hat. Hat sich z. B. der Besteller verpflichtet, Materialien zu stellen, und sind die von ihm erbrachten Stoffe dann von minderer Qualität, so bleibt er verpflichtet, ordnungsgemäße Materialien zu liefern. 14.1.3.2. Anspruch des Unternehmers aus § 645 Abs. 1 BGB Rechtsfolgen bei bestimmten Fällen der Schlechtleistung möglicher Mitwirkungspflichten können sich aus § 645 Abs. 1 BGB ergeben: Wenn das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden ist, ohne daß ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat, so kann dieser einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen (§ 645 Abs. 1 S.l BGB). Hierfür ist kein Verschulden des Bestellers erforderlich. Voraussetzung ist aber umgekehrt, daß den Unternehmer kein Verschulden trifft 39 • Soweit demnach im Erteilen von Anweisungen oder insbesondere in der Lieferung von Stoffen eine Mitwirkungspflicht des Bestellers zu sehen ist, wird der Unternehmer in den Fällen des § 645 Abs. 1 BGB, also bei Untergang, Verschlechterung oder Unausführbarkeit des Werks, schadlos gestellt40 • 14.1.3.3. Anspruch des Unternehmers aus pVv Auch bei sonstigen, neben den in § 645 AbIS. 1 BGB genannten Fällen der Leistungsstörung aufgrund mangelhafter Bestellermitwirkung ist der Unternehmer grundsätzlich vom Besteller zu entschädigen. Dies gilt z. B. dann, wenn der Unternehmer das Werk trotz mangelhafter Stofflieferung des Bestellers fehlerfrei, aber nur mit erhöhtem Aufwand herstellen kann. Da in solchen Fällen eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Bestellers in Form einer Schlechtleistung vorliegt, für die keine gesetzliche Regelung existiert, handelt es sich hierbei um einen Vgl. dazu den Fall in KG OLG 40 (1920), 328. Zur Frage, ob der Unternehmer zur Ausführung des Werks grundsätzlich verpflichtet bleibt, s. z. B. Erman/Seiler, § 645 Rdn. 11 m. w. N. 39

40

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3. Teil: Rechtsfolgen b. Störungen hins. Mitwirkung

Anspruch aus pVV41 • Das hierfür erforderliche Verschulden des Bestellers hat nicht der Unternehmer nachzuweisen; vielmehr muß sich der Besteller diesbezüglich entlasten, da die Vertragsverletzung seinem Verantwortungsbereich42 zuzurechnen ist43 • Weiter kann der Unternehmer durch mangelhafte Erbringung von Mitwirkungshandlungen zu Schäden an eigenen Rechtsgütern kommeri, wenn etwa bei Bauverträgen durch "bauseits" (d. h. vom Besteller) gelieferte schlechte Materialien Geräte des Baunternehmers beschädigt werden. Auch hier kommt ein Anspruch des Unternehmers aus pVv, unter Umständen auch aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff. BGB in Betracht. 14.1.3.4. Auswirkung auf Mängelansprüche des Bestellers Die mangelhafte Erbringung von Mitwirkungshandlungen kann sich weiterhin auf Mängelansprüche des Bestellers auswirken, wenn an der Werkleistung Mängel auftreten, die auf schlecht erbrachte Mitwirkungshandlungen ganz oder teilweise zurückzuführen sind. Beruhen Mängel ausschließlich auf der Verletzung von Mitwirkungspflichten, so entfallen gemäß §§ 242, 254 BGB Mängelansprüche des Bestellers gänzlich. Dies gilt nur, wenn den Unternehmer keinerlei Mitverantwortung trifft, er also insbesondere die ihn treffende Prüfungs- und Hinweispflicht hinsichtlich der Güte von Mitwirkungshandlungen des Bestellers vollständig erfüllt hat44 • Sind die Mängel nur teilweise auf die fehlerhafte Erbringung der Mitwirkungshandlungen zurückzuführen, so muß sich der Besteller entsprechend §§ 242, 254 BGB bei einer Nachbesserung an den Mangelbeseitigungskosten beteiligen bzw. bei Geltendmachung der Minderung den Minderungsbetrag kürzen lassen45 • Macht der Besteller den Wandlungsanspruch geltend, so verbleibt dem Unternehmer ein dem Mitverantwortungsbeitrag des Bestellers entsprechender Teil der Vergütung 46 • Ebenso sind Schadensersatzansprüche des Bestellers aufgrund von Werkmängeln gemäß § 635 BGB oder aus pVv um dessen Verantwortungsbeitrag zu kürzen. In an diesen Fällen sind die An41 So im Ergebnis auch Koller, S. 246 f., allerdings aufgrund allgemeiner Erwägungen zur Risikoverteilung. 42 Vgl. Koller, S. 245 ff. 43 Zur Beweislastsituation s. PalandtlHeinrichs, § 282 Anm. 2 m. w. N. 44 Vgl. BGH VersR 1964, 516, 517 m. w. N.; Glanzmann, BGB-RGRK, § 633 Rdn. 7 u. 26 f. Die darin liegende Risikoverlagerung entspricht derjenigen in den sog. Anweisungsfällen, in denen Werkmängel auf Anordnungen des Bestellers beruhen, s. hierzu Nicklisch, FS Bosch, S. 731 ff. Bei VOB-Bauverträgen folgt die Risikoverlagerung aus § 13 Nr.3 VOB/B; s. dazu H.-W. Schmidt, NJW 1966, 1494 f. 45 Glanzmann, BGB-RGRK, § 633 Rdn. 26 f. u. § 634 Rdn.29. 46 MünchKomm-Soergel, § 633 Rdn. 82 u. § 634 Rdn. 38 jeweils m. w. N.

14. Verletzung v. Mitwirkungspflichten

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sprüche des Bestellers nur in dem Maß zu reduzieren, in dem dessen Pflichtverletzung konkret zu dem entstandenen Mangel geführt hat47 • 14.2. Reclttsfolgen bei Vertragsbeendigung infolge Verletzung von Mitwirkungspflicltten

Die vorstehend besprochenen Konstellationen waren dadurch gekennzeichnet, daß der Vertrag trotz Störungen bei der Erbringung von Mitwirkungshandlungen durchgeführt wird. Im folgenden sind die Rechtsfolgen für die Fälle zu bestimmen, in denen der Vertrag aufgrund entsprechender Störungen nicht zu Ende geführt wird.

14.2.1. Kein Erfüllungsanspruch des Unternehmers auf die Vergütung Wird der Vertrag aufgrund von Störungen hinsichtlich der Bestellermitwirkung nicht zu Ende geführt, so steht dem Unternehmer - da er seinerseits nicht erfüllt hat - nicht die volle Vergütung als Erfüllungsanspruch zu. Damit verbietet sich der in einer Entscheidung des BGH48 beschrittene Weg, dem Unternehmer bei verweigerter Bestellermitwirkung außerhalb der gesetzlich vorgegebenen Möglichkeiten und jenseits der bestehenden Erfüllungs- und Vorleistungspflicht des Unternehmers die vereinbarte Vergütung als Erfüllungsanspruch zuzubilligen49 • Der Unternehmer ist vielmehr gezwungen, entweder die Vertragserfüllung durchzusetzen und die Vergütung nach Fertigstellung der Leistung zu verlangen oder die anderweitig gesetzlich vorgesehenen Vergütungs-, Teilvergütungs- oder Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche geltend zu machen, soweit deren Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind.

14.2.2. Vertragsbeendigung durch den Unternehmer und deren Folgen 14.2.2.1. Vertragsbeendigung nach § 643' BGB Liegen die Voraussetzungen des § 642 BGB vor, so kann der Unternehmer eine Vertragsbeendigung gemäß § 643 BGB herbeiführen, indem er dem Besteller zur Nachholung der Mitwirkungshandlung eine angemessene Frist mit der Erklärung setzt, den Vertrag zu kündigen, wenn die Handlung nicht bis zum Ablauf der Frist vorgenommen wird. Der Vertrag "gilt" dann "als aufgehoben" (§ 643 S.2 BGB), wenn die 47 48 49

Vgl. Glanzmann, BGB-RGRK, § 635 Rdn. 19. BGHZ 50, 175 (bei Annahme einer Obliegenheit, s. o. 7.1. bei Fn. 171 ff.). Zur Kritik an dieser Entscheidung eingehend Hüffer, S. 206 ff.

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3. Teil: Rechtsfolgen b. Störungen hins. Mitwirkung

Nachholung der Mitwirkungshandlung nicht bis zum Ablauf der Frist erfolgt. Einer nochmaligen Kündigungserklärung bedarf es demnach nicht. Auch bei einer Vertragsbeendigung nach § 643 BGB verbleibt dem Unternehmer ein bislang entstandener Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB50 • Entsprechendes gilt für sonstige, bis zur Vertragsbeendigung entstandene Schadensersatzansprüche. Entgangenen Gewinn hinsichtlich des nicht zu Ende geführten Vertrags kann der Unternehmerebenso wie bei Vertragsdurchführung hinsichtlich etwaigen Gewinns aus anderen Projekten51 - auch im Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung nicht gemäß § 642 BGB zugebilligt werden 62 , sondern nur im Rahmen eines "echten", d. h. verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruchs (insbesondere gemäß § 286 Abs. 1 BGB). Weiterhin kann der Unternehmer gemäß § 645 Abs. 1 S.2 in Verbindung mit S.l BGB einen der bis zur Vertragsbeendigung geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung sowie Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen. Während dieser Teilvergütungsanspruch verschuldensunabhängig ist, ist fraglich, ob dem Unternehmer zusätzliche Rechte, insbesondere ein voller Vergütungsanspruch, zustehen, wenn der Besteller die Verletzung der Mitwirkungspflicht zu vertreten hat. Dies wird teilweise - mit unterschiedlicher Begründung bejaht: Esser/Weyers leiten diese Rechtsfolge des vollen Vergütungsanspruchs einerseits aus dem Wortlaut des § 645 Abs.2 BGB ("haftet") und andererseits aus der entsprechenden Anwendung des § 324 BGB 63 her. NicklischM begründet die entsprechende Anwendung des § 324 Abs. 1 BGB damit, daß im Falle des § 643 BGB die Vertragsdurchführung zwar nicht faktisch, aber doch rechtlich unmöglich geworden sei; dieser Fall sei dem des § 3'24 Abs.l BGB gleichzustellen, wenn der Besteller seine Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzt und dadurch die Kündigung des Unternehmers auslöst. Beuthien55 schließlich leitet die volle Vergütungspflicht des Bestellers aus einer entsprechenden Anwendung des § 649 BGB ab, da die beharrlich verweigerte Mitwirkung der Kündigung durch den Besteller gleichstehe. Der Argumentation von Esser/Weyers aus § 645 Abs.2 BGB ist entgegenzuhalten, daß der Terminus "Haftung" gerade nicht auf die Verso Vgl. PalandtlThomas, § 643 Anm.2; Glanzmann, BGB-RGRK, § 643 Rdn. 2; MünchKomm-Soergel, § 643 Rdn.4 m. w. N. S1 S. o. 14.l.2.l. bei Fn. 29 ff. S2 a. A. BGH S-F Z 2.511 BI. 8, 9. 53 Esser/Weyers, Tb 1, § 33 II 3. S4 BB 1979, 533, 543. 55 StudKomm, § 643 Anm. 2 u. § 645 Anm. l.

14. Verletzung v. Mitwirkungspflichten

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gütungspfticht in § 324 BGB paßt, sondern eher auf eine mögliche Schadensersatzfolge verweist56 • Gegen die Zuerkennung des vollen Vergütungsanspruchs aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 324 bzw. 649 BGB spricht, daß in den besagten Fällen der Unternehmer durch seine Kündigung, also durch eigenen Willensakt (wenn auch veranlaßt durch das Verhalten des Bestellers) die Vertragsbeendigung herbeigeführt hat. Auf der anderen Seite kann vom Unternehmer nicht verlangt werden, sich ständig leistungsbereit zu halten. Hier bringt aber schon die unmittelbare Anwendung der Unmöglichkeitsregeln einen sachgerechten Ausgleich: Handelt es sich bei der Werkleistung um ein absolutes Fixgeschäft, so führt ohnehin bereits im Regelfall die Verletzung der Mitwirkungspflicht zur Unmöglichkeit und zur Rechtsfolge des § 324 Abs.1 BGB, soweit beim Besteller Vertretenmüssen vorliegt, bzw. des § 324 Abs. 2 BGB, soweit der Besteller hinsichtlich der Mitwirkungshandlung in Annahmeverzug ist. Auch im übrigen muß sich der Unternehmer nicht in extenso leistungsbereit halten, sondern nur innerhalb eines ihm zumutbaren Erfüllungszeitraums, der bei Werkleistungen je nach terminlicher Konstellation und Bedeutung des Projekts länger oder kürzer sein kann. Gerade bei größeren Projekten ist es dem Unternehmer jedoch nicht zuzumuten und oft auch gar nicht möglich, sich über einen längeren Zeitraum erfüllungsbereit zu halten. In jedem Fall führt der Ablauf des zumutbaren Erfüllungszeitraums zur Unmöglichkeit der Leistungserbringung57 und kann somit die Rechtsfolgen des § 324 Abs. 1 bzw. 2 BGB unmittelbar auslösen. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften bzw. des § 649 BGB ist also weder angemessen noch erforderlich. 14.2.2.2. Keine Vertragsbeendigung nach § 326 BGB Eine Vertragsbeendigung gemäß § 3'26 BGB - sei es durch die Ausübung des Rücktrittsrechts (§ 326 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB), sei es durch das Verlangen nacl1 Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 326 Abs.1 S.2, 1. Alt. BGB) - kommt bei Verletzung von Mitwirkungspflichten in aller Regel nicht in Betracht, da es sich bei diesen nicht - wie § 326 BGB voraussetzt58 - um synallagmatische Hauptpflichten, sondern lediglich um Nebenpflichten handelt 59 • § 326 BGB ist somit hinsichtlich der Verletzung von Mitwirkungspflichten grundsätzlich nicht anwendbar.

s. Glanzmann, BGB-RGRK, § 645 Rdn. 15. Larenz, Schuldrecht I, § 21 I a; s. auch BGH DB 1970, 1591. 58 BGH NJW 1972, 99; PalandtiHeinrichs, § 326 Anm. 3 b. 5g Glanzmann, BGB-RGRK, § 642 Rdn. 13; Nicklisch, BB 1979, 533, 544 mit Hinweis auf atypische Ausnahmefälle. 66

57

126

3. Teil: Rechtsfolgen b. Störungen hins. Mitwirkung

14.2.2.3. Grundsätzlich keine Vertragsbeendigung aus allgemeinen subsidiären Rechtsinstituten Rücktritt bzw. Kündigung60 aus den allgemeinen und nur subsidiär geltenden Rechtsinstituten wie pVv, Wegfall der Geschäftsgrundlage oder Kündigung aus wichtigem Grund kommen bei Verletzung von Mitwirkungspflichten nur ausnahmsweise in Frage, da § 643 BGB hierfür eine Spezialregelung trifft, deren Anwendungsbereich erst voll auszuschöpfen ist, bevor ein Rückgriff auf allgemeine Rechtsbehelfe zulässig ist61 • Lediglich bei über die bloße Verletzung von Mitwirkungspflichten hinausgehenden Vertragsverletzungen können daher die allgemeinen Rechtsinstitute zur Anwendung kommen. So kann z. B. bei längerfristigen Werkverträgen, die eine enge Kooperation beider Vertragspartner erfordern, ein Kündigungsrecht des Unternehmers aus pVv oder wichtigem Grund in Frage kommen, wenn der Besteller seine Mitwirkungspflichten dauernd nur schleppend erbringt und damit die Basis einer Kooperation zerstört62 •

14.2.3. Vertragsbeendigung durch den Besteller Im Zusammenhang mit Verletzungen von Mitwirkungspflichten kann auch eine Vertragsbeendigung durch den Besteller in Frage kommen. 14.2.:3'.1. Kündigung gemäß § 649 BGB Zunächst kann der Besteller jederzeit gemäß § 649 BGB kündigen, sofern dieses freie Kündigungsrecht nicht abbedungen ist63 • Zu beachten ist hierbei, daß die Abbedingung auch konkludent erfolgen kannM • Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn der Unternehmer ein Interesse an der Werkdurchführung zu erkennen gegeben hat65 , so z. B. bei künstlerischen Werken66 ; insofern werden sich die Annahme einer Mitwirkungspflicht und die Abbedingung des freien Kündigungsrechts unter Umständen decken67 • Teilweise wird darauf hingewiesen, daß 60 Zur Ersetzung eines an sich bestehenden Rücktrittsrechts durch die Kündigung bei Langzeitverträgen s. BGH NJW 1969, 233, 234 f.; hinsichtlich des Bauvertrags s. auch N-W, Vor §§ 8,9 Rdn.7 f. et VgI. BGH BB 1963, 160; s. dazu 0.7.1. bei Fn. 193. 82 VgI. auch Glanzmann, BGB-RGRK, § 643 Rdn. 3 ff.; MünchKomm-Soergel, § 643 Rdn. 5; N-W, Vor §§ 8,9 Rdn.ll ff.; s. auch BGH BB 1962,497. 63 Zur Abbedingbarkeit s. o. 11.2.3.3. Fn. 183. 8f VgI. RGZ 86,107; RGZ 92, 170. 65 OLG Celle S-F Z 3.01 BI. 149; Jauernig/Schlechtriem, § 649 Anm.1. 88 Glanzmann, BGB-RGRK, § 649 Rdn. 27; MünchKomm-Soergel, § 649 Rdn.5. 81 Während es sich allerdings im ersten Fall methodisch gesehen um eine rechtliche Interessenabwägung handelt, liegt im zweiten Fall eine Vertrags-

14. Verletzung v. Mitwirkungspflichten

127

eventuell in der Versagung der Mitwirkung durch den Besteller bereits konkludent eine Kündigung gemäß § 649 BGB gesehen werden kann68 • Hierbei muß jedoch Zurückhaltung geboten sein im Hinblick auf die weitreichenden Folgen des § 649 BGB: Rechtsfolge der Ausübung des freien Kündigungsrechts ist nämlich, daß der Unternehmer berechtigt ist, die volle vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muß sich lediglich anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt (§ 649 2. HS BGB). Da eine Kündigung den Vertrag lediglich ex nune beendet, bleiben bis dahin entstandene Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche des Unternehmers (insbesondere aus §§ 286 Abs. 1,642 BGB) bestehen69 • 14.2.3.2. Keine sonstigen Ansprüche auf Vertragsbeendigung Sonstige Ansprüche kann der Besteller nicht geltend machen, wenn sich aufgrund unterlassener Mitwirkung die Werkherstellung verzögert oder sonst gestört wird, da solche Störungen in seinen eigenen Verantwortungsbereich fallen. Dies gilt insbesondere für das Rücktrittsrecht des Bestellers gemäß § 636 Abs.1 S.l BGB70 • Hierbei kann es keine Rolle spielen, ob die Verletzung der Mitwirkungspflicht vom Besteller verschuldet ist oder nicht. In beiden Fällen zählt die Störung zum Risikobereich des Bestellers und ist somit von ihm zu verantworten. Nach Treu und Glauben ist hier eine Verschiebung der Fälligkeit der Werkleistung um den Verzögerungszeitraum anzunehmen71 •

14.2.4. Vertragsbeendigung infolge Unmöglichkeit Zunächst kann dem Besteller die Erbringung der Mitwirkungshandlung unmöglich sein mit der Folge, daß der ganze Vertrag deshalb nicht durchgeführt werden kann. In Frage kommen hierbei insbesondere Fälle, in denen erforderliche Genehmigungen versagt werden. Solche Genehmigungen sind grundsätzlich vom Besteller einzuholen. Allerdings wird sich seine entsprechende Mitwirkungspflicht in der Regel darin erschöpfen, daß er den erforderlichen Genehmigungsantrag ordnungsgemäß gestellt und gegebenenfalls durch Einlegen von Rechtsauslegung vor, so daß hier erforderlich ist, daß der Unternehmer sein Interesse an der Werkherstellung dem Besteller zu erkennen gegeben hat. 68 Esser/Weyers, Tb 1, § 33 II 3; vgl. auch BGHZ 50, 175, 177. eg Glanzmann, BGB-RGRK, § 649 Rdn.7; s. auch RG Recht 1919, Nr.2108. 70 Glanzmann, BGB-RGRK, § 636 Rdn. 2; MünchKomm-Soergel, § 636 Rdn. 7; Soergel/Mühl, § 636 Rdn. 3; vgl. auch RG Recht 1908, Nr.51. 71 Gleiches wird für den Fall der Verschiebung von Ausführungsfristen beim VOB-Bauvertrag nach § 6 Nr. 2 a VOB/B vertreten, s. N-W, § 6 Rdn. 25; I-K, § 6 VOB/B Rdn. 12.

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3. Teil: Rechtsfolgen b. störungen hins. Mitwirkung

behelfen weiterverfolgt. Hiermit hat er seine Mitwirkungspflicht erfüllt 72 • Lediglich dann, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent das Erfolgsrisiko hinsichtlich der Erlangung der Genehmigung übernommen hat, führt die Versagung zur Unmöglichkeit der Erfüllung der Mitwirkungspflicht. Hier wie in sonstigen Fällen einer solchen Unmöglichkeit ergeben sich die Rechtsfolgen aus den §§ 275 bis 283, 306 f., 323 bis 3'25 BGB. Danach ist folgendermaßen zu differenzieren: Ist die Erbringung der Mitwirkungshandlung ursprünglich und objektiv unmöglich und ist deshalb der Werkvertrag undurchführbar (diese Fälle werden in der Rechtspraxis selten sein), so ist der Werkvertrag gemäß § 306 BGB nichtig. Unter den Voraussetzungen des § 307 BGB können lediglich Ansprüche auf Ersatz des Vertrauensschadens bestehen. Ist nur dem Besteller die Erbringung der Mitwirkungshandlung von Anfang an unmöglich (ursprüngliches Unvermögen), so ist der Vertrag wirksam73 • Gleiches gilt, wenn die Erbringung der Mitwirkungshandlung erst nachträglich, d. h. nach Vertragsschluß (subjektiv oder objektiv) unmöglich wird 74 • In solchen Fällen kann der Unternehmer - soweit die Unmöglichkeit feststeht (andernfalls kann der Unternehmer auf Erfüllung der Mitwirkungspflicht klagen und dann gegebenenfalls gemäß § 283 BGB vorgehen) - zwar nicht auf Erfüllung klagen. Vielmehr wird der Besteller von seiner entsprechenden Leistungspflicht befreit. Auch der Unternehmer wird von seiner Pflicht zur Erbringung der Werkleistung frei. Dem Unternehmer können aber sekundäre Ansprüche gegen den Besteller zustehen: Bei ursprünglichem Unvermögen kann der Unternehmer - auch ohne Verschulden des Bestellers - Schadensersatz verlangen75 • Bei nachträglicher Unmöglichkeit der Erbringung der Mitwirkungshandlung kann der Unternehmer gemäß § 280 Abs.l BGB Schadensersatz fordern, wenn der Besteller die Unmöglichkeit zu vertreten hat und soweit es sich bei der Mitwirkungshandlung (wie regelmäßig) um eine einseitige, d. h. nicht im Synallagma stehende Pflicht des Bestellers handelt76 • Weiterhin kann bei Unmöglichkeit der Vertragsdurchführung aufgrund Verletzung von Mitwirkungspflichten dem Unternehmer gemäß § 324 BGB ein Anspruch auf volle Vergütung zustehen unter Anrechnung desjenigen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder Vgl. hinsichtlich des VOB-Bauvertrags N-W, § 4 Rdn. 18. s. Palandt/Heinrichs, § 306 Anm. 3 m. w. N. 7' Vgl. Jauernig/Vollkommer, § 275 Anm.3. 75 hM, vgl. Palandt/Heinrichs, § 306 Anm. 3 m. w. N. 78 Vgl. MünchKomm-Emmerich, § 280 Rdn.2. 72

73

15. Verletzung v. Mitwirkungsobliegenheiten

129

zu erwerben böswillig unterläßt (§ 324 Abs. 1 S. 2 BGB). Unmöglichkeit kann hier auch dadurch eintreten, daß ein für den Unternehmer zumutbarer Erfüllungszeitraum aufgrund des Unterlassens von Mitwirkungshandlungen abläuft 77 • § 324 Abs.l BGB greift ein, wenn der Besteller seine Mitwirkungspflicht schuldhaft nicht erfüllt bzw. nicht erfüllen kann 78 • Liegt kein Verschulden des Bestellers vor, wird man dagegen die Anwendung des § 3'24 Abs. 1 BGB nur dann bejahen können, wenn der Besteller durch die übernahme der Mitwirkungspflicht zumindest konkludent diesbezüglich auch das Risiko übernommen hat79 • § 324 Abs. 2 BGB kommt zur Anwendung, wenn die vom Unternehmer nicht zu vertretende Unmöglichkeit während des Annahmeverzugs des Bestellers eintritt.

15. Rechtsfolgen bei Verletzung einer Obliegenheit zur Mitwirkung Bei Vorliegen einer bloßen Mitwirkungsobliegenheit des Bestellers reduzieren sich die Rechte des Unternehmers bei deren Verletzung drastisch; sie besc..hränken sich auf eine begrenzte Schadlosstellung des Unternehmers. Insgesamt erscheint eine solche Beschränkung als situationsgerecht, da ein weitergehendes Interesse des Unternehmers bei der vorrangigen Einordnungsfrage geprüft und als nicht gewichtig erkannt wurde. 15.1. Kein Anspruch des Unternehmers auf Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit

Bei Vorliegen einer bloßen Obliegenheit zur Mitwirkung hat der Unternehmer keinen auf die Erbringung von Mitwirkungshandlungen gerichteten Erfüllungsanspruch80 • Als Obliegenheit ist die Mitwirkungshandlung demgemäß nicht klag- und vollstreckbar81 •

17 •8

s. dazu o. 14.2.2.1. bei Fn. 57 .

BGH NJW 1980, 700; s. auch MünchKomm-Emmerich, § 324 Rdn.14;

.Jauernig/Vollkommer, § 324 Anm. 2 b. 79 Streitig; wie hier BGH NJW 1980, 700 m. w. N.; zum Streitstand hinsichtlich des Vertretenmüssens bei § 324 Abs. 1 BGB s. z. B. MünchKomm-Emmerich, § 324 Rdn. 13 ff. 80 VgL allgemein hinsichtlich der Obliegenheiten R. Schmidt, S.104, 315; Soergel / R. Schmidt, Vor § 241 Rdn. 8; MünchKomm-Kramer, EinL vor § 241 Rdn.44; hinsichtlich der Mitwirkungsobliegenheiten s. SoergellMühl, § 642 Rdn.4; MünchKomm-Soergel, § 642 Rdn.2. 81 s. die Nachweise in Fn. 80. 9 Müller·FoeU

130

3. Teil: Rechtsfolgen b. störungen hins. Mitwirkung 15.2. Schadlosstellung des Unternehmers

15.2.1. EntschädigungsanspTüche Erbringt der Besteller seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht und gerät er deshalb in Annahmeverzug, so stehen dem Unternehmer der hierauf zugeschnittene Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB sowie der allgemeine Aufwendungsersatzanspruch nach § 304 BGB zu.

15.2.2. Keine SchadenseTsatzanSpTüche Echte Schadensersatzansprüche hat der Besteller nicht. Die Verletzung einer Obliegenheit führt vielmehr gerade nicht zur Schadensersatzsanktion82 , da diese die Verletzung von Rechtspflichten voraussetzt83 • Insofern kann der Rechtsprechung 84 und der ihr folgenden Literatur85 nicht zugestimmt werden, soweit diese bei einer Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten dem Unternehmer einen Schadensersatzanspruch aus pVv zubilligen86 • Andernfalls verwischt man die Konturen des Obliegenheitsbegriffs völlig87 oder ist gezwungen, durch Abstellen auf eine überlagernde Treuepflicht88 sich um diesen "herumzumogeln". Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 326 BGB scheidet aus, da dieser die Verletzung einer Hauptpflicht voraussetzt89, während es sich hier lediglich - sozusagen zwei Stufen tiefer - um eine Obliegenheit handelt. Eine analoge Anwendung des § 326 BGB, wie Hüffer90 sie vorschlägt, erübrigt sich, wenn man der hier vorgenommenen differenzierten Einordnung der Mitwirkungshandlungen folgt, da ein schützenswertes Interesse des Unternehmers auf Erhalt der Gegenleistung - wenn auch unter Einbindung an die Vertragsdurchführung - bei der vorrangigen Einordnungsfrage geprüft wird 91 •

R. Schmidt, S.104; MünchKomm-Kramer, Ein!. vor § 241 Rdn. 44. Vg!. auch Larenz, BGB AT, § 12 II C, d. 84 S. o. 7.1. 85 s. Z. B. Palandt/Heinrichs, § 642 Anm. 1; MünchKomm-Soergel, § 642 Rdn.lO. 86 Kritisch diesbezüglich auch Erman/Seiler, § 642 Rdn. 13; Götz, JuS 1961, 56, 57 f. 87 Weick, S.217 Fn.412. 88 Dies ändert nichts daran, daß letztlich der Sache nach an das Unterlassen der Mitwirkungshandlung angeknüpft wird, das notwendigerweise zu einer Gefährdung des Vertragszwecks führt. 8~ BGH NJW 1972, 99; Palandt/Heinrichs, § 326 Anm. 3 b. 80 Hüffer, S. 236 ff. U1 Zur Kritik an der dogmatischen Begründung der analogen Anwendung des § 326 BGB bei Hüffer s. auch Nicklisch, BB 1979, 533, 536. 82

8a

15. Verletzung v. Mitwirkungsobliegenheiten

131

15.3. Anspruch des Unternehmers aus § 645 Abs. 1 BGB

Auch bei Annahme einer Mitwirkungsobliegenheit kann dem Unternehmer ein Anspruch auf Teilvergütung unter den Voraussetzungen des § 645 Abs.l S.l BGB92 zustehen, wenn etwa die Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit in der Lieferung schlechten Bestellermaterials liegt. 15.4. Anspruch des Unternehmers aus Unmöglichkeit

Weiterhin kommt - auch bei Vorliegen einer Mitwirkungsobliegenheit - ein Anspruch des Unternehmers aus Unmöglichkeit in Betracht. Zwar kann hier nicht auf Unmöglichkeit hinsichtlich der Erbringung der Mitwirkungshandlung selbst abgestellt werden, da sich die Unmöglichkeitsregeln ausschließlich auf die Erfüllung von Rechtspflichten beziehen93 • Dem Unternehmer kann jedoch ein Anspruch aus § 324 Abs.l BGB dann zustehen, wenn seine Verpflichtung zur Erbringung der Werkleistung deshalb unmöglich wird, weil der Besteller seine Mitwirkungsobliegenheiten1l4 nicht erfüllt und er dies im Sinne des § 324 Abs. 1 BGB zu vertreten hat. Auch hier wird man wie bei einer Pflichtverletzung für das Vertretenmüssen verlangen müssen, daß der Gläubiger seine Obliegenheit "schuldhaft" (im untechnischen Sinn, da begrifflich nur bei Pflichtverletzung von Verschulden die Rede sein kann) verletzt oder hinsichtlich ihrer Erbringung ausdrücklich oder konkludent das Risiko übernommen hat95 • Unter den Voraussetzungen des § 3'24 Abs. 1 BGB kann somit auch bei Verletzung einer bloßen Obliegenheit des Bestellers zur Mitwirkung dem Unternehmer der Vergütungsanspruch zustehen. Gleiches gilt, wenn die Voraussetzungen des § 324 Abs. 2 BGB vorliegen. 15.5. Vertragsbeendigung durch den Unternehmer

Der Unternehmer kann bei Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit ebenso wie im Fall der Mitwirkungspflicht gemäß §§ 642, 643 BGB unter den dort genannten Voraussetzungen und Modalitäten den Vertrag beenden und den Teilvergütungsanspruch gemäß § 645 Abs.l S.2 in Verbindung mit S.l BGB sowie den eventuell bis zur Vertragsbeendigung entstandenen Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB s. dazu o. 14.1.3.2. Vgl. § 275 Abs. 1 BGB: " ... Verpflichtung zur Leistung ...... 8' In diesem Zusammenhang reicht eine Obliegenheitsverletzung aus, vgl. MünchKomm-Emmerich, § 324 Rdn.14; Larenz, Schuldrecht I, § 25 III. 95 s. dazu o. 14.2.4. bei Fn. 78 f. 82

9a

9'

3. Teil: Rechtsfolgen b. Störungen hins. Mitwirkung

132

geltend machen. Eine Vertragsbeendigung aus pVv oder gemäß § 326 BGB kommt demgegenüber aus den gleichen Gründen nicht in Betracht, aus denen bereits das Bestehen eines entsprechenden Schadensersatzanspruchs abgelehnt wurde96 • 15.6. Kein Erfüllungsanspruch des Unternehmers hinsichtlich der Vergütung bei Vertragsbeendigung

Wird der Vertrag infolge Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten nicht zu Ende geführt, so steht dem Unternehmer nicht die volle Vergütung als Erfüllungsanspruch zu. Vielmehr muß er sich auf den Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB bzw. die genannten, gesetzlich vorgesehenen (§§ 645 Abs.1, 324 Abs.1 BGB) (Teil-)Vergütungsansprüche beschrimken 97 • 15.7. Einschränkung von Bestellerrechten

Auch bei Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten reduzieren sich die Rechte des Bestellers, die dieser bei verzögerter oder mangelhafter Erbringung der Werkleistung an sich geltend machen könnte: Soweit die Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten zu Verzögerungen bei der Fertigstellung der Bauleistung führt, kann der Besteller keinen Verzugsschaden gemäß § 286 Abs. 1 BGB verlangen und wird eine eventuell ausbedungene Vertragsstrafe 98 nicht fällig. Auch kann der Besteller das Rücktrittsrecht gemäß § 636 Abs. 1 S. 1 BGB nicht ausüben, da die Störung seinem eigenen Risikobereich zuzuordnen ist 99 • Soweit eine mangelhafte Erbringung der Werkleistung auf Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten beruht, werden bestehende Mängelrechte des Bestellers um den eigenen Verantwortungsteil gemäß §§ 242, 254 BGB gekürzt1OO •

\MI

S.

o. 15.2.2.

Anders BGHZ 50, 175; s. dazu auch o. 14.2.1. 98 Es würde sich hierbei um ein sog. selbständiges Strafgedinge handeln, da die eigentliche Vertragsstrafe im Sinne der §§ 339 ff. BGB das Bestehen einer erzwingbaren Hauptverbindlichkeit voraussetzt, vgl. Palandt/Heinrichs, Vorbem. 1 b, 2 a vor § 339; Soergel/ R. Schmidt, § 339 Rdn. 4. 87

o. 14.2.3.2. s. o. 14.1.3.4.

99 S. 100

Schluf3 16. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Die vorliegende Untersuchung hat in ihrem historischen Teil gezeigt, daß das Problem der rechtlichen Einordnung der Bestellermitwirkung in den Prozeß der Auflösung des liberalistischen Bildes vom Schuldverhältnis mit dem starren Sichgegenüberstehen von Gläubiger und Schuldner zugunsten einer komplexeren Betrachtungsweise des Schuldverhältnisses als "Organismus" und als sozialem Sachverhalt einzubinden ist. Dem vermag die herrschende Einordnung der Bestellermitwirkung als Obliegenheit nicht in allen Fällen Rechnung zu tragen, wie die im zweiten Teil vorgenommene Interessenanalyse, -bewertung und -abwägung ergaben. Entwicklungen im modernen Werkvertragsrecht erfordern vielmehr eine differenzierende rechtliche Einordnung der Bestellermitwirkung: Hat der Unternehmer an der realen Werkdurchführung ein rechtlich anerkennenswertes Eigeninteresse - dies ist vor allem bei künstlerischen Werken und großvolumigen Projekten der Fall -, so liegt eine Rechtspflicht des Bestellers zur Mitwirkung vor. Hat dagegen der Unternehmer kein Interesse an der Werkdurchführung - so insbesondere bei "Massenwerkverträgen" -, trifft den Besteller lediglich eine Obliegenheit zur Mitwirkung. Von der so vorgenommenen rechtlichen Einordnung ausgehend bestimmen sich die Rechtsfolgen bei Störungen in der Erbringung von Mitwirkungshandlungen, die im einzelnen im dritten Teil dargestellt wurden. Hierbei ist wesentlich, daß der rechtliche Erfüllungszwang und die Möglichkeit einer echten Schadensersatzsanktion nur bei Vorliegen einer Rechtspflicht, nicht einer bloßen Obliegenheit zur Mitwirkung in Betracht kommen.

17. Ausblick Mit der vorliegenden Arbeit sollte ein Beispiel dafür gegeben werden, wie Entwicklungen in der Rechtswirklichkeit und damit einhergehende Differenzierungen entsprechende differenzierende rechtliche Bewertungen erfordern. Beispielhaftes Aufzeigen von Entwicklungen

134

Schluß

im modernen Werkvertrag und Darlegen typischer Interessenkonstellationen genügten dabei, den globalen Geltungsanspruch der überkommenen These zu erschüttern, daß der Werkunternehmer kein bzw. kein rechtlich schützenswertes Eigeninteresse an der Werkdurchführung habe. Die Beschränkung auf exemplarisches Aufzeigen und die rechtstatsächliche Orientierung bedingen den nicht abschließenden Charakter der vorliegenden Untersuchung: Weitere Interessenkonstellationen sind denkbar und werden in der sich fortentwickelnden Rechtswirklichkeit immer wieder neu entstehen.

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